Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien im Kapitalgesellschaftsrecht 9783161520853, 9783161508486

Jens-Hinrich Binder nimmt rechtstheoretische und rechtsökonomische Aspekte zur Wirkung von Rechtsnormen auf und entwicke

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Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien im Kapitalgesellschaftsrecht
 9783161520853, 9783161508486

Table of contents :
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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einführung
A. Anlaß der Untersuchung
B. Finanzierungsbeziehungen als Referenzgebiet
C. Gang der Untersuchung
1. Teil Methodischer Ausgangspunkt und Untersuchungsprogramm
1. Kapitel: Komplexität als Methodenproblem
A. Der tradierte Methodenkanon, insbesondere Rechtsvergleichung und Rechtsökonomik
B. Fehlende qualitative Bewertungskriterien als methodenübergreifendes Problem
I. Funktionale Rechtsvergleichung
II. Rechtsökonomik
C. Modale Normanalyse als Ergänzung des Methodenkanons
I. Überblick
II. Vorläufer- und Parallelentwicklungen
III. Untersuchungsmethode
IV. Erkenntnisziel
2. Kapitel: Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien als Untersuchungsgegenstände
A. Regulierung
I. Terminologie
II. Fragestellungen
B. Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien
I. Regulierungsinstrumente
1. Urheberschaft
2. Geltungsanspruch
3. Dichte, Komplexität und Präzision
4. Unterschiedliche Normdurchsetzungsmechanismen
II. Regulierungsstrategien
2. Teil Grundlagen einer Theorie der Regelsetzung im Kapitalgesellschaftsrecht
1. Abschnitt: Regulierungsinstrumente
1. Kapitel: Gesetzliche Regulierungsinstrumente
A. Ausgangspunkt: gesetzliche Regulierung als Instrument der Verhaltenssteuerung
I. Verhaltenssteuerung durch Befolgungszwang
II. Appell- bzw. Erziehungsfunktion, expressive Wirkungen
1. Expressive Wirkungen als Nebenfolge gesetzlicher Regulierung
2. Expressive Wirkungen im Unternehmensrecht
3. Expressive Wirkungen als Kompensation funktionaler Defizite?
4. Fazit
III. Verhaltenssteuerung durch Anreizsetzung
B. Dispositives Recht und zwingendes Recht
I. Dispositives Recht und zwingendes Recht als Gegenstand der Gesellschaftsrechtswissenschaft
1. Einführung
2. Dispositives und zwingendes Recht als Gegenstand der tradierten zivil- und gesellschaftsrechtlichen Dogmatik
3. Dispositives und zwingendes Recht in der Diskussion um Gestaltungsfreiheit und Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht
4. Dispositives und zwingendes Recht in der US-amerikanischen Kontroverse um die vertragliche Natur der Unternehmung
5. Flexibilisierung durch hybride Gestaltungen und Kombinationen
6. Fazit
II. Dispositives Recht
1. Dispositives Recht als Ausgangspunkt der funktionalen Analyse
2. Typologie dispositiven Rechts
a) Anknüpfung an den Regelungsgehalt
b) Funktionale Anknüpfung
c) Folgerungen und weitere Konkretisierung
3. Gestaltungserleichterndes und gestaltungsergänzendes Recht
a) Einführung: Dispositives Recht als Instrument zur Erleichterung und Ergänzung privatautonomer Gestaltung
aa) Ergänzendes dispositives Recht
bb) Gestaltungsunterstützendes dispositives Recht
b) Unmittelbare Wirkungsmechanismen
aa) Dispositives Recht als flexibles Instrument
bb) Strukturimmanente Auslegungs- und Anwendungsunsicherheiten
cc) Verzerrungen aufgrund strategischen Verhandlungsverhaltens
dd) Besitzeffekte (endowment effects)
ee) Gesamtbewertung
c) Wirkungen in historischer Dimension
aa) Erste Ansätze zur Theorie historischer Wirkungszusammenhänge dispositiven Rechts
bb) Netzwerk- und Lerneffekte als Begründungsansatz
cc) Folgerungen für die Erklärung pfadabhängiger Entwicklungstendenzen (auch) im Kapitalgesellschaftsrecht
d) Fazit und Folgerungen
4. Dispositives Recht als Regulierungsinstrument
a) Ordnungs- und Leitbildfunktion dispositiver Normen: die tradierte Sichtweise
b) Regulierung durch Anregung zu Verhandlungsprozessen: prozedurale Wirkung dispositiven Rechts
aa) Vorläufer der modernen Lehre
bb) Penalty default rules
cc) Dispositives Recht und Ausgestaltung „begleitender“ Verfahrensregeln
dd) Fazit
c) Regulierung durch faktische Bindungswirkung?
5. Gesamtschau und Folgerungen
a) Grundsätzliche Eignung als Regulierungsinstrument
b) Grundzüge allgemeiner Lehren zur Regulierung durch dispositives Recht
c) Regulierung durch dispositives Recht und der Schutz verhandlungsexterner Dritter
III. Zwingendes Recht
1. Legitimation zwingenden Rechts
2. Negativ-präskriptive und positiv-präskriptive zwingende Normen
3. Funktionen zwingenden Rechts
a) Infrastrukturgewährleistung durch zwingendes Recht
b) Schutzwirkung im engeren Sinn
4. Funktionsdefizite zwingenden Rechts
5. Fazit
C. Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt
I. Terminologie
1. Formale Realisierbarkeit
a) Begriff
b) Formale Realisierbarkeit, „Dichte“ und Komplexität des Tatbestands
c) Formale Realisierbarkeit, „Allgemeinheit“ und „Abstraktheit“
2. Konkretisierungszeitpunkt
3. Regel- und Standardform
4. Standards und Generalklauseln
II. Regeln
1. Über- bzw. Untersteuerung als Strukturmerkmal?
2. Umgehungsstrategien als typische Reaktion des Rechtsverkehrs auf die Regelform?
3. Differenzierungen
a) Ermittlungsaufwand als Wurzel von Über- und Untersteuerung
b) Unterschiedliche Normdurchsetzungsmechanismen als Wurzel von Über- und Untersteuerung
c) Unterschiede in der tatsächlichen Kenntnisnahme durch den Normadressaten als Wurzel von Über- und Untersteuerung
d) Kompensation durch Methoden der Normrezeption und Normauslegung
III. Standards bzw. Prinzipien
1. Standards als funktionaler Kontrapunkt zur Regelform
a) Vermeidung von Über- und Untersteuerungseffekten
b) Anreizwirkung
c) Gegenläufige Effekte
2. Differenzierungen
a) Abschreckungseffekte und Zugänglichkeit des Norminhalts
b) Verfestigung von Standards
IV. Zwischenzusammenfassung
D. Normdurchsetzung und Normwirkungen
I. Normdurchsetzungsmechanismen als Teil des Problems der Normwirkungen
II. Tradiertes Funktionsverständnis, moderne Weiterungen und Konsequenzen
III. Typologie der Durchsetzungsmechanismen
1. Unmittelbar und mittelbar wirkende Normdurchsetzungs-mechanismen
a) Unmittelbar wirkende Normdurchsetzungsmechanismen
b) Mittelbar wirkende Normdurchsetzungsmechanismen
aa) Erscheinungsformen mittelbar wirkender Normdurchsetzungsmechanismen
bb) Marktinduzierte Normdurchsetzung und soziale Normen als Sonderfall
c) Zum Erkenntniswert der Kategorien
2. Durchsetzungsinitiative und Trägerschaft der Normdurchsetzung als Systematisierungskriterien
a) Private Normdurchsetzung
b) Hoheitliche Normdurchsetzung
c) Teilprivatisierte Normdurchsetzung
3. Zeitliche Wirkrichtung als alternatives Systematisierungskriterium?
IV. Funktionsvoraussetzungen privater, hoheitlicher und teilprivatisierter Normdurchsetzung
1. Private Normdurchsetzung
a) Informationen als Grundlage privater Normdurchsetzung
b) Anreize zur Normdurchsetzung
2. Hoheitliche Normdurchsetzung
a) Eingeschränkte Bedeutung von Anreizstrukturen
b) Informationsprobleme und geringe Aufklärungswahrscheinlichkeit
3. Teilprivatisierte Normdurchsetzung
a) Teilprivatisierte Normdurchsetzung und Informationsbeschaffung
b) Anreizprobleme, insbesondere Interessenkonflikte
V. Gesamtschau
2. Kapitel: Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente
A. Typologie privater und teilprivatisierter Regulierungsinstrumente
I. Private und teilprivatisierte Regulierung
1. Private Regulierung
a) Vertragsbedingungen für die Fremdkapitalfinanzierung
b) Rechte und Pflichten der Eigenkapitalgeber: Satzung bzw Gesellschaftsvertrag
c) Private Regelwerke
2. Teilprivatisierte Regulierung
II. Geringe formale Varianz als übergreifendes Charakteristikum privater und teilprivatisierter Regulierung
B. Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise privater und teilprivatisierter Regulierungsinstrumente
I. Funktionsvoraussetzungen privater und teilprivatisierter Regulierung
1. Formale Ausgestaltung und Regulierungsvorbereitung
2. Durchsetzungsmechanismen
a) Teilprivatisierte Regulierung
b) Private Regelwerke
c) Private Regulierung durch Vertrag
d) Fazit
II. Funktionsweise privater und teilprivatisierter Regulierung
1. Flexibilität, Sachnähe, Akzeptanz
2. Mittelbare und unmittelbare Verhaltenssteuerung durch private und teilprivatisierte Regulierung
3. Flexibilität und Persistenzneigungen
C. Interessenausgleich als Kernproblem privater und teilprivatisierter Regulierung
D. Gesamtschau
3. Kapitel: Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen
A. Regulierung als doppeltes Informationsproblem
I. Finanzierungsbeziehungen als offene Verträge – Kompensation von Informationsdefiziten als Aufgabe gesetzlicher Regulierung
II. Regulierungsverantwortung als Informationsverantwortung: das Allokationsproblem des Regulierungsgebers
1. Informationsverantwortung als Ausgangspunkt: Umfang und Struktur regulierungsvorbereitender Aufklärung
a) Gesetzgeberische Erkenntnisgrenzen als Grundproblem
b) Konsequenzen
c) Fazit
2. Die Wahl des Regulierungsmodus als Weichenstellung der Allokation der Aufklärungslast
a) Dispositives und zwingendes Recht
b) Regel- und Standardform
c) Unterschiedliche Normdurchsetzungsmechanismen
3. Konsequenzen
a) Regulierung bei neuartigen Sachproblemen
b) Regulierung bei Vorliegen historischen Erfahrungswissens
B. Hoheitlich gesetzte Regeln als Wissensspeicher: Historisches Erfahrungswissen und private Information
I. Von der regulierungsvorbereitenden zur regulierungsbegleitenden Information: dynamische Evolutionsprozesse als zentraler Untersuchungsgegenstand
II. Bisheriger Forschungsstand
III. Rezeptionsforschung als Anwendungsgebiet und Bewährungsprobe
IV. Historisches Erfahrungswissen und Innovationsfähigkeit
C. Fazit
2. Abschnitt: Regulierungsstrategien
1. Kapitel: Regulierung, Regulierungsverzicht, Flexibilisierungs-lösungen?
A. Die konzeptionelle Grundentscheidung
B. Grundstrukturen von Differenzierungsmöglichkeiten aus der Perspektive der Gesetzgebung
I. Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Regelprogrammen
II. Kombinationslösungen und weitere Ausdifferenzierung
III. Weitere Varianten der Ausdifferenzierung
2. Kapitel: Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale
A. Verfahrensregeln
I. Verfahrensregeln als Ausdruck prozeduraler Regulierung
1. Verfahren als „Richtigkeitsgewähr“: konzeptionelle Grundlagen
2. Unternehmensrechtliche Perspektiven prozeduraler Regulierung
3. Fazit
II. Funktionsweise und Funktionsvoraussetzungen
1. Funktionsweise
2. Funktionsvoraussetzungen
a) Positive Funktionsvoraussetzungen
b) Rationale Apathie als strukturimmanentes Kernproblem
c) Systematische Entscheidungsverzerrungen als Restrisiko
d) Verfahrensförmige Entscheidungsfindung und künftig hinzutretende Interessen(-gruppen)
III. Fazit
B. Der Regelungsauftrag und vergleichbare Modelle der gesetzlichen Einbettung privater Regulierungsinitiative
I. Regelungsaufträge
1. Funktionsweise
2. Funktionsvoraussetzungen
a) Durchsetzungsmechanismen
b) Regelungsaufträge und das Problem der späteren Veränderung der Interessenlage
3. Fazit und Folgerungen
II. Vergleichbare Formen der Einbettung privater Regulierung
III. Anregungsnormen
C. Wahlmodelle
I. Funktionsweise
II. Funktionsvoraussetzungen
1. Passivität der Normadressaten
2. Konsistenz von Regulierungszielen und Homogenität der Normurheberschaft
III. Fazit
D. Zwischenbilanz
3. Kapitel: Gestaltungsaufgabe und gestaltungsleitende Kriterien – vorläufige Grundzüge einer Regulierungslehre
A. Informationelle Rahmenbedingungen
I. Erkenntnisgrenzen und Auswirkungen auf die Programmierbarkeit der Wahlentscheidung
II. Verfügbarkeit historischen Erfahrungswissens als Schlüsselproblem
1. Regulierung bei neuartigen Sachproblemen
2. Regulierung bei Vorliegen historischen Erfahrungswissens
B. Materiale Schutzzwecke oder Standardisierung?
I. Regulierung zu materialen Schutzzwecken
II. Regulierung zu Standardisierungszwecken
III. Bewertung und Folgerungen
C. Leitlinien für die Methodenwahl
I. Zwingende Einflußnahme
II. Nichtzwingende Gestaltungsmodelle
3. Teil Konstitution und Restriktion – Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien in ausgewählten Problemfeldern aus historisch-vergleichender Perspektive
1. Kapitel: Konstitution
A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive
I. Anerkennung der Rechtsform und Weiterungen
1. Kapitalgesellschaftsrechtsformen als Infrastruktur: die Frühphase
2. Die weitere Entwicklung: Entstehung und Ausbau von Wahlmodellen
II. Grundlagen der Organisationsverfassung: die Binnenorganisation
1. Frühphase der modernen Entwicklung
a) England
b) Frankreich
c) Deutschland
d) USA
2 Zwischen Gestaltungsfreiheit und Regulierung: Gesetzliche Regelungen zur Organisationsverfassung im 19. Jh
a) England
b) USA
c) Frankreich
d) Deutschland
aa) Preußisches Aktiengesetz von 1843
bb) ADHGB
3. Fazit
III. Organisationsrechtliche Aspekte des Außenrechts der Gesellschaften
1. Frühphase
a) England
b) Frankreich
c) Deutschland
d) USA
2. Konsolidierungsphase: einheitliches Außenrecht als Korrelat zur organisatorischen und rechtlichen Verselbständigung
a) Deutschland
b) Frankreich
c) England
d) USA
3. Fazit
IV. Finanzverfassung
1. Frühphase
a) England
b) Frankreich
c) Deutschland
d) USA
2. Die Finanzverfassung zwischen Konstitution und Restriktion
a) Deutschland
b) Frankreich
c) England
d) USA
aa) Frühe gesellschaftsrechtliche Kodifikationen
bb) Deregulierung im 20. Jahrhundert
3. Fazit
B. Auswertung
I. Systemvergleich: Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Regulierungsstilen
II. Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise konstitutiver Regelungen
III. Historische Legitimation konstitutiver Regeln?
IV. Fazit und Folgerungen
2. Kapitel: Restriktion
A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive
I. Restriktion durch Organisationsverfassungsrecht
1. Deutschland
a) Aktienrecht
b) GmbH-Recht
2. Frankreich
a) Société anonyme
b) SARL
3. England
4. USA
5. Fazit
II. Finanzverfassung
1. Deutschland
a) Aktienrecht
b) GmbH-Recht
2. Frankreich
a) Société anonyme im 19. Jahrhundert
b) Finanzverfassung der SARL
c) Folgeentwicklungen im 20. Jahrhundert
3. England
4. USA
5. Fazit
III. Ergänzende konkrete Gesellschafter- und Organpflichten
1. Finanzierungsbezogene Pflichten
a) England
aa) Geschäftsleiter
bb) Gesellschafter
b) USA
aa) Pflichten der directors und managers
bb) Gesellschafter
c) Deutschland
aa) Geschäftsleitungs- und Überwachungsorgane
bb) Gesellschafterpflichten
d) Frankreich
aa) Geschäftsleiterpflichten
bb) Gesellschafterpflichten
e) Fazit
2. Organisation, Steuerung, Kontrolle
a) USA
b) Europa
aa) England
bb) Deutschland
cc) Frankreich
dd) Europäisches Gemeinschaftsrecht
c) Fazit
B. Auswertung und Folgerungen
I. Systemvergleich: Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Regulierungsstilen
II. Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise restringierender Regelungen
III. Historische Legitimation restringierender Regeln?
IV. Fazit und Folgerungen
Schlußbetrachtung
Literaturverzeichnis
Sachregister

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JUS PRIVAT UM Beiträge zum Privatrecht Band 162

Jens-Hinrich Binder

Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien im Kapitalgesellschaftsrecht

Mohr Siebeck

Jens-Hinrich Binder, geboren 1974; Studium der Rechtswissenschaft in Freiburg im Breisgau und London (London School of Economics and Political Science, LL.M.); 2003 Promotion; 2010 Habilitation; nach Lehrstuhlvertretungen in München und Mainz seit Oktober 2011 Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Unternehmensrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Wiesbaden.

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort. e-ISBN 978-3-16-152085-3 ISBN  978-3-16-150848-6 ISSN  0940-9610 (Jus Privatum) Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012  Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Garamond-Antiqua gesetzt, auf alterungs­beständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Vielfältige Reformfragen zählen seit langem zu den Kernthemen der kapitalgesellschaftsrechtlichen Diskussion, die – angesichts mannigfacher und facettenreicher Rezeption ausländischer Vorbilder kaum verwunderlich – stets auch rechtsvergleichend motiviert und informiert ist. Jedenfalls im Inland steht häufig die weitere Verdichtung der Regulierung im Vordergrund, nicht zuletzt im Hinblick auf die Organpflichten. Ob es tatsächlich nur um die Verbesserung der Feinsteuerung in Einzelfragen gehen kann, oder ob nicht vielmehr die Regulie­r ung mit Instrumenten des zwingenden Rechts (rechtsordnungsübergreifend) überhaupt auf strukturimmanente Probleme eigener Art stößt, ist aller­dings eine offene Frage. Sie läßt sich kaum beantworten, wenn nicht die Ausgestaltung der bestehenden sowie der als Alternative hierzu erörterten Instrumente der gesetzlichen Einflußnahme in den Blick genommen und auf struk­tur­immanente Funktionsbedingungen überprüft werden. Die vorliegende Untersuchung hofft, vor diesem Hintergrund einen Beitrag zur Rechtsetzungslehre für das Kapitalgesellschaftsrecht leisten zu können. Sie ist im Wintersemester 2009/2010 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-LudwigsUniversität Freiburg als Habilitationsschrift angenommen und zur Veröffentlichung im Wesentlichen auf den Stand vom Herbst 2011 gebracht worden. Mein Dank gilt an erster Stelle meinen beiden akademischen Lehrern: zunächst Herrn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., an dessen Freiburger Lehrstuhl ich überaus lehr- und anregungsreiche, horizonterweiternde Jahre verbracht habe und der die für die Forschungsarbeit unerläßlichen Freiräume stets großzügig gewährte, und Herrn Professor Dr. Rolf Stürner, der das Projekt – insbesondere durch die Vermittlung eines Forschungsaufenthalts an der Harvard Law School im März 2006 – so wohlwollend förderte wie zuvor die bei ihm entstandene Promotion. Beiden weiß ich mich für zahlreiche Anregungen verpflichtet, die ihre Spuren in der Arbeit hinterlassen haben. Danken möchte ich daneben Herrn Professor Peter L. Murray für die Gastfreundschaft während des Aufenthalts in Harvard, ebenso den Herren Professoren Howell E. Jackson und Reinier Kraakman für ihre bereitwillige Bereitschaft zum Austausch über einige Ideen und Fragen in der Frühphase. Für die kurzfristige Erstellung des Zweitgutachtens bin ich Herrn Professor Dr. Uwe Blaurock dankbar. Für zahllose wertvolle Gespräche und Anregungen gilt ein besonderer Dank Frau Dr. Christin Posdziech, der früheren Kollegin am Freiburger Institut.

VI

Vorwort

Probleme der Regelsetzung im Zivilrecht haben während des Bearbeitungszeitraums auch die Aufmerksamkeit mehrerer anderer Arbeiten gefunden. Die grundlegende Habilitationsschrift von Stefan Bechtold zu den „Grenzen zwingenden Vertragsrechts“ (Tübingen 2010) stand mir dankenswerterweise bereits früh in einer Vorabfassung zur Verfügung. Die später (weitgehend zeitgleich mit der vorliegenden Untersuchung) abgeschlossenen Habilitationsschriften von Lorenz Kähler („Macht und Vielfalt abdingbaren Rechts“, Tübingen 2012) sowie von Florian Möslein („Dispositives Recht. Zwecke, Strukturen und Methoden“, Tübingen 2011) sowie die Dissertation von Johannes Cziupka („Dispositives Vertragsrecht“, Tübingen 2010) konnten demgegenüber nur mehr im an sich abgeschlossenen Manuskript berücksichtigt werden. Florian Möslein bin ich in diesem Zusammenhang für anregende Diskussionen zu Dank verpflichtet, Lorenz Kähler für zahlreiche kritische und weiterführende Anmerkungen zu einer früheren Fassung des Manuskripts der vorliegenden Arbeit. Besonders instruktiv waren zudem die Vorträge und Diskussionen eines im Juli 2009 am Bonner Max-Planck-Institut für das Recht der Gemeinschaftsgüter veranstalteten Nachwuchskolloquiums „Regelbildung, Regelungstechnik und Regelwirkung“, wofür ich stellvertretend meinen beiden Mitveranstaltern Florian Möslein und Emanuel V. Towfigh danke. Für die hervorragende bibliothekarische Betreuung in den Freiburger Bibliotheken danke ich den Mitarbeitern der Universitätsbibliothek Freiburg und des Juristischen Seminars, stellvertretend Frau Dipl.-Vw. Christine Schneider und Herrn Akad. Direktor Günter F. Paschek. Für vielfältige Unterstützung bei der Beschaffung ausländischer Quellen gilt Dank zudem den (früheren) Freiburger Lehrstuhlmitarbeitern Herrn RA Dr. Thomas Broichhausen, LL.M. und Frau wiss. Mit. Stefanie Hörpel sowie daneben Herrn Dr. Felix Steffek am Hamburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. In die Korrekturphase waren meine Mitarbeiter am Wiesbadener Lehrstuhl eingebunden. Für die akribische Überprüfung von Querverweisen und Zitierweisen danke ich besonders Herrn wiss. Mit. Christopher Ehlgen, für die Mitwirkung an der Fahnendurchsicht, daneben auch meiner Sekretärin, Frau Roswitha Jung, sowie Frau stud. iur. Laura Posch, Herrn stud. iur. Benedikt Quarch, Frau wiss. Mit. Luisa Stein und Herrn wiss. Mit. Christian Wilhelm. Allen voran aber gilt Dank meiner Frau Nicole, die das Projekt stets zuversichtlich und ermutigend begleitet hat. Dafür und für vieles mehr ist ihr die Arbeit gewidmet. Bad Vilbel/Wiesbaden, im Januar 2012

Jens-Hinrich Binder

Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Anlaß der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Finanzierungsbeziehungen als Referenzgebiet . . . . . . . . . . . . . . . C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 5 8

1. Teil: Methodischer Ausgangspunkt und Untersuchungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

1. Kapitel: Komplexität als Methodenproblem . . . . . . . . . . . . . . . . .

12

A. Der tradierte Methodenkanon, insbesondere Rechtsvergleichung und Rechtsökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Fehlende qualitative Bewertungskriterien als methodenübergreifendes Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Modale Normanalyse als Ergänzung des Methodenkanons . . . . . . .

13 15 24

2. Kapitel: Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien als Untersuchungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

A. Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien . . . . . . . . . .

35 42

2. Teil: Grundlagen einer Theorie der Regelsetzung im Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

1. Abschnitt: Regulierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

1. Kapitel: Gesetzliche Regulierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . .

51

A. Ausgangspunkt: gesetzliche Regulierung als Instrument der Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Dispositives Recht und zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt . . . . . . . . D. Normdurchsetzung und Normwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

51 63 167 202

VIII

Inhaltsübersicht

2. Kapitel: Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente . . . . . .

252

A. Typologie privater und teilprivatisierter Regulierungsinstrumente . . . B. Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise privater und teilprivatisierter Regulierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Interessenausgleich als Kernproblem privater und teilprivatisierter Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Gesamtschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

254

3. Kapitel: Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

267 279 282 284

A. Regulierung als doppeltes Informationsproblem . . . . . . . . . . . . . . B. Hoheitlich gesetzte Regeln als Wissensspeicher: Historisches Erfahrungswissen und private Information . . . . . . . . . C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

285

2. Abschnitt: Regulierungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

324

1. Kapitel: Regulierung, Regulierungsverzicht, Flexibilisierungslösungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

325

312 321

A. Die konzeptionelle Grundentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grundstrukturen von Differenzierungsmöglichkeiten aus der Perspektive der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

326 328

2. Kapitel: Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale . . . . . . . . . .

336

A. Verfahrensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Regelungsauftrag und vergleichbare Modelle der gesetzlichen Einbettung privater Regulierungsinitiative . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Wahlmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

336 352 367 380

3. Kapitel: Gestaltungsaufgabe und gestaltungsleitende Kriterien – vorläufige Grundzüge einer Regulierungslehre . . . . . . . . . . . . . . . .

383

A. Informationelle Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Materiale Schutzzwecke oder Standardisierung? . . . . . . . . . . . . . . C. Leitlinien für die Methodenwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

384 389 393

3. Teil: Konstitution und Restriktion – Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien in ausgewählten Problemfeldern aus historisch-vergleichender Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . .

399

1. Kapitel: Konstitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

401

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive . . . . B. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

403 461

Inhaltsübersicht

IX

2. Kapitel: Restriktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

469

A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive . . . . . . . . . . . B. Auswertung und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

470 545

Schlußbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

555

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

561

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

613

Inhaltsverzeichnis Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Anlaß der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Finanzierungsbeziehungen als Referenzgebiet . . . . . . . . . . . . . C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 5 8

1. Teil

Methodischer Ausgangspunkt und Untersuchungsprogramm 11

1. Kapitel: Komplexität als Methodenproblem . . . . . . . . . . . . . . . .

12

A. Der tradierte Methodenkanon, insbesondere Rechtsvergleichung und Rechtsökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

B. Fehlende qualitative Bewertungskriterien als methodenübergreifendes Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Funktionale Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Modale Normanalyse als Ergänzung des Methodenkanons . . . . .

15 16 20

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorläufer- und Parallelentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Untersuchungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Erkenntnisziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24 24 27 31 32

2. Kapitel: Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien als Untersuchungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

A. Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35 36 40

XII

Inhaltsverzeichnis

B. Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien . . . . . . . . . I. Regulierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Urheberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geltungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dichte, Komplexität und Präzision . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unterschiedliche Normdurchsetzungsmechanismen . . . . . . . II. Regulierungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 43 44 45 45 46 46

2. Teil

Grundlagen einer Theorie der Regelsetzung im Kapitalgesellschaftsrecht 49

1. Abschnitt: Regulierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

1. Kapitel: Gesetzliche Regulierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . .

51

A. Ausgangspunkt: gesetzliche Regulierung als Instrument der Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verhaltenssteuerung durch Befolgungszwang . . . . . . . . . . . . II. Appell- bzw. Erziehungsfunktion, expressive Wirkungen . . . . . . 1. Expressive Wirkungen als Nebenfolge gesetzlicher Regulierung . 2. Expressive Wirkungen im Unternehmensrecht . . . . . . . . . . . 3. Expressive Wirkungen als Kompensation funktionaler Defizite? 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verhaltenssteuerung durch Anreizsetzung . . . . . . . . . . . . . .

51 53 56 57 58 60 61 61

B. Dispositives Recht und zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . .

63

I. Dispositives Recht und zwingendes Recht als Gegenstand der Gesellschaftsrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dispositives und zwingendes Recht als Gegenstand der tradierten zivil- und gesellschaftsrechtlichen Dogmatik . . . . . . . . . . . 3. Dispositives und zwingendes Recht in der Diskussion um Gestaltungsfreiheit und Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht . . 4. Dispositives und zwingendes Recht in der US-amerikanischen Kontroverse um die vertragliche Natur der Unternehmung . . . 5. Flexibilisierung durch hybride Gestaltungen und Kombinationen 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dispositives Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dispositives Recht als Ausgangspunkt der funktionalen Analyse 2. Typologie dispositiven Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anknüpfung an den Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . .

64 64 66 69 70 73 77 77 78 81 82

Inhaltsverzeichnis

b) Funktionale Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerungen und weitere Konkretisierung . . . . . . . . . . . 3. Gestaltungserleichterndes und gestaltungsergänzendes Recht . . a) Einführung: Dispositives Recht als Instrument zur Erleichterung und Ergänzung privatautonomer Gestaltung . . . . . . . aa) Ergänzendes dispositives Recht . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gestaltungsunterstützendes dispositives Recht . . . . . . . b) Unmittelbare Wirkungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . aa) Dispositives Recht als flexibles Instrument . . . . . . . . . bb) Strukturimmanente Auslegungs- und Anwendungsunsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verzerrungen aufgrund strategischen Verhandlungsverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Besitzeffekte (endowment effects) . . . . . . . . . . . . . . ee) Gesamtbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wirkungen in historischer Dimension . . . . . . . . . . . . . . aa) Erste Ansätze zur Theorie historischer Wirkungszusammenhänge dispositiven Rechts . . . . . . . . . . . . bb) Netzwerk- und Lerneffekte als Begründungsansatz . . . . cc) Folgerungen für die Erklärung pfadabhängiger Entwicklungstendenzen (auch) im Kapitalgesellschaftsrecht . . . . d) Fazit und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dispositives Recht als Regulierungsinstrument . . . . . . . . . . a) Ordnungs- und Leitbildfunktion dispositiver Normen: die tradierte Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regulierung durch Anregung zu Verhandlungsprozessen: prozedurale Wirkung dispositiven Rechts . . . . . . . . . . . . aa) Vorläufer der modernen Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Penalty default rules . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Dispositives Recht und Ausgestaltung „begleitender“ Verfahrensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Regulierung durch faktische Bindungswirkung? . . . . . . . . 5. Gesamtschau und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliche Eignung als Regulierungsinstrument . . . . . b) Grundzüge allgemeiner Lehren zur Regulierung durch dispositives Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Regulierung durch dispositives Recht und der Schutz verhandlungsexterner Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Legitimation zwingenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Negativ-präskriptive und positiv-präskriptive zwingende Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Funktionen zwingenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII 83 85 86 88 90 96 100 101 103 105 109 114 115 116 117 126 128 129 131 134 135 136 141 144 144 146 146 147 149 151 152 155 156

XIV

Inhaltsverzeichnis

a) Infrastrukturgewährleistung durch zwingendes Recht . . . . b) Schutzwirkung im engeren Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Funktionsdefizite zwingenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157 163 164 166

C. Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt . . . . . .

167 169 169 169

I. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formale Realisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formale Realisierbarkeit, „Dichte“ und Komplexität des Tatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Formale Realisierbarkeit, „Allgemeinheit“ und „Abstraktheit“ 2. Konkretisierungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regel- und Standardform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Standards und Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Über- bzw. Untersteuerung als Strukturmerkmal? . . . . . . . . 2. Umgehungsstrategien als typische Reaktion des Rechtsverkehrs auf die Regelform? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ermittlungsaufwand als Wurzel von Über- und Untersteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterschiedliche Normdurchsetzungsmechanismen als Wurzel von Über- und Untersteuerung . . . . . . . . . . . . . c) Unterschiede in der tatsächlichen Kenntnisnahme durch den Normadressaten als Wurzel von Über- und Untersteuerung . d) Kompensation durch Methoden der Normrezeption und Normauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Standards bzw. Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Standards als funktionaler Kontrapunkt zur Regelform . . . . . a) Vermeidung von Über- und Untersteuerungseffekten . . . . . b) Anreizwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gegenläufige Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abschreckungseffekte und Zugänglichkeit des Norminhalts . b) Verfestigung von Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenzusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

188 191 191 192 193 194 195 195 197 200

D. Normdurchsetzung und Normwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . .

202

I. Normdurchsetzungsmechanismen als Teil des Problems der Normwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tradiertes Funktionsverständnis, moderne Weiterungen und Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Typologie der Durchsetzungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . .

170 172 172 174 176 178 178 181 183 183 186 187

203 205 210

Inhaltsverzeichnis

1. Unmittelbar und mittelbar wirkende Normdurchsetzungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unmittelbar wirkende Normdurchsetzungsmechanismen . . b) Mittelbar wirkende Normdurchsetzungsmechanismen . . . . aa) Erscheinungsformen mittelbar wirkender Normdurchsetzungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Marktinduzierte Normdurchsetzung und soziale Normen als Sonderfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zum Erkenntniswert der Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchsetzungsinitiative und Trägerschaft der Normdurchsetzung als Systematisierungskriterien . . . . . . . . . . . . a) Private Normdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hoheitliche Normdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Teilprivatisierte Normdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitliche Wirkrichtung als alternatives Systematisierungskriterium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Funktionsvoraussetzungen privater, hoheitlicher und teilprivatisierter Normdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Private Normdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informationen als Grundlage privater Normdurchsetzung . . b) Anreize zur Normdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hoheitliche Normdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eingeschränkte Bedeutung von Anreizstrukturen . . . . . . . b) Informationsprobleme und geringe Aufklärungswahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Teilprivatisierte Normdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Teilprivatisierte Normdurchsetzung und Informationsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anreizprobleme, insbesondere Interessenkonflikte . . . . . . V. Gesamtschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV 211 211 212 213 221 227 228 229 229 230 231 232 233 233 236 240 240 243 245 245 247 249

2. Kapitel: Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente . . . .

252

A. Typologie privater und teilprivatisierter Regulierungsinstrumente .

254 254 255 256

I. Private und teilprivatisierte Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Private Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertragsbedingungen für die Fremdkapitalfinanzierung . . . b) Rechte und Pflichten der Eigenkapitalgeber: Satzung bzw. Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Private Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Teilprivatisierte Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Geringe formale Varianz als übergreifendes Charakteristikum privater und teilprivatisierter Regulierung . . . . . . . . . . . . . . .

257 258 261 264

XVI

Inhaltsverzeichnis

B. Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise privater und teilprivatisierter Regulierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . .

267

I. Funktionsvoraussetzungen privater und teilprivatisierter Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formale Ausgestaltung und Regulierungsvorbereitung . . . . . . 2. Durchsetzungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Teilprivatisierte Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Private Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Private Regulierung durch Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktionsweise privater und teilprivatisierter Regulierung . . . . . 1. Flexibilität, Sachnähe, Akzeptanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mittelbare und unmittelbare Verhaltenssteuerung durch private und teilprivatisierte Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Flexibilität und Persistenzneigungen . . . . . . . . . . . . . . . .

277 278

C. Interessenausgleich als Kernproblem privater und teilprivatisierter Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

279

D. Gesamtschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

282

3. Kapitel: Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

284

A. Regulierung als doppeltes Informationsproblem . . . . . . . . . . . .

285

268 268 269 270 270 273 273 274 274

I. Finanzierungsbeziehungen als offene Verträge – Kompensation von Informationsdefiziten als Aufgabe gesetzlicher Regulierung . . . . II. Regulierungsverantwortung als Informationsverantwortung: das Allokationsproblem des Regulierungsgebers . . . . . . . . . . . 1. Informationsverantwortung als Ausgangspunkt: Umfang und Struktur regulierungsvorbereitender Aufklärung . . . . . . . . . a) Gesetzgeberische Erkenntnisgrenzen als Grundproblem . . . b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Wahl des Regulierungsmodus als Weichenstellung der Allokation der Aufklärungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dispositives und zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . b) Regel- und Standardform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unterschiedliche Normdurchsetzungsmechanismen . . . . . . 3. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regulierung bei neuartigen Sachproblemen . . . . . . . . . . b) Regulierung bei Vorliegen historischen Erfahrungswissens . .

297 298 301 304 304 305 307

B. Hoheitlich gesetzte Regeln als Wissensspeicher: Historisches Erfahrungswissen und private Information . . . . . . .

312

285 289 290 290 293 297

Inhaltsverzeichnis

XVII

I. Von der regulierungsvorbereitenden zur regulierungsbegleitenden Information: dynamische Evolutionsprozesse als zentraler Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bisheriger Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rezeptionsforschung als Anwendungsgebiet und Bewährungsprobe IV. Historisches Erfahrungswissen und Innovationsfähigkeit . . . . . .

312 314 317 318

C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

321

2. Abschnitt: Regulierungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

324

1. Kapitel: Regulierung, Regulierungsverzicht, Flexibilisierungslösungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

325

A. Die konzeptionelle Grundentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . .

326

B. Grundstrukturen von Differenzierungsmöglichkeiten aus der Perspektive der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Regelprogrammen . . . . II. Kombinationslösungen und weitere Ausdifferenzierung . . . . . . . III. Weitere Varianten der Ausdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . .

328 329 331 334

2. Kapitel: Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale . . . . . . . .

336

A. Verfahrensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

336 337 337 339 342 342 343 346 346 348 349

I. Verfahrensregeln als Ausdruck prozeduraler Regulierung . . . . . 1. Verfahren als „Richtigkeitsgewähr“: konzeptionelle Grundlagen 2. Unternehmensrechtliche Perspektiven prozeduraler Regulierung 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktionsweise und Funktionsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . 1. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Funktionsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Positive Funktionsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Rationale Apathie als strukturimmanentes Kernproblem . . . c) Systematische Entscheidungsverzerrungen als Restrisiko . . . d) Verfahrensförmige Entscheidungsfindung und künftig hinzutretende Interessen(-gruppen) . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B. Der Regelungsauftrag und vergleichbare Modelle der gesetzlichen Einbettung privater Regulierungsinitiative . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Funktionsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Durchsetzungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungsaufträge und das Problem der späteren Veränderung der Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

350 351 352 353 354 357 358 360

XVIII

Inhaltsverzeichnis

3. Fazit und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vergleichbare Formen der Einbettung privater Regulierung . . . . III. Anregungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

362 364 366

C. Wahlmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

367 368 372 372

I. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktionsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Passivität der Normadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsistenz von Regulierungszielen und Homogenität der Normurheberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

373 379

D. Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

380

3. Kapitel: Gestaltungsaufgabe und gestaltungsleitende Kriterien – vorläufige Grundzüge einer Regulierungslehre . . . . . . . . . . . . . . .

383

A. Informationelle Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

384

I. Erkenntnisgrenzen und Auswirkungen auf die Programmierbarkeit der Wahlentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfügbarkeit historischen Erfahrungswissens als Schlüsselproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regulierung bei neuartigen Sachproblemen . . . . . . . . . . . . 2. Regulierung bei Vorliegen historischen Erfahrungswissens . . .

B. Materiale Schutzzwecke oder Standardisierung? . . . . . . . . . . . . I. Regulierung zu materialen Schutzzwecken . . . . . . . . . . . . . . II. Regulierung zu Standardisierungszwecken . . . . . . . . . . . . . . III. Bewertung und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Leitlinien für die Methodenwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zwingende Einflußnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nichtzwingende Gestaltungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . .

384 386 386 388 389 390 391 392 393 394 396

3. Teil

Konstitution und Restriktion – Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien in ausgewählten Problemfeldern aus historisch-vergleichender Perspektive 399

1. Kapitel: Konstitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

401

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive .

403 404

I. Anerkennung der Rechtsform und Weiterungen . . . . . . . . . . . 1. Kapitalgesellschaftsrechtsformen als Infrastruktur: die Frühphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

406

Inhaltsverzeichnis

2. Die weitere Entwicklung: Entstehung und Ausbau von Wahlmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundlagen der Organisationsverfassung: die Binnenorganisation . 1. Frühphase der modernen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . a) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischen Gestaltungsfreiheit und Regulierung: Gesetzliche Regelungen zur Organisationsverfassung im 19. Jh. . a) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Preußisches Aktiengesetz von 1843 . . . . . . . . . . . . . bb) ADHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Organisationsrechtliche Aspekte des Außenrechts der Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Frühphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsolidierungsphase: einheitliches Außenrecht als Korrelat zur organisatorischen und rechtlichen Verselbständigung . . . . . . . a) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Finanzverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Frühphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Finanzverfassung zwischen Konstitution und Restriktion . . a) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Frühe gesellschaftsrechtliche Kodifikationen . . . . . . . . bb) Deregulierung im 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . .

XIX 411 415 416 416 417 418 419 420 420 422 424 426 426 427 430 431 432 432 433 434 434 435 435 437 438 440 442 443 444 444 445 448 450 452 452 452 454 457 457 458

XX

Inhaltsverzeichnis

3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

460

B. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

461

I. Systemvergleich: Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Regulierungsstilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise konstitutiver Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Historische Legitimation konstitutiver Regeln? . . . . . . . . . . . IV. Fazit und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

464 466 467

2. Kapitel: Restriktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

469

A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive . . . . . . . . . .

470 471 471 472 477 478 478 482 483 486 488 490 490 491 495 496 497 498 499 502 502 505 506 508 508 509 514 515 516 518 523 523 526

I. Restriktion durch Organisationsverfassungsrecht . . . . . . . . . . 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Société anonyme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) SARL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Finanzverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Société anonyme im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . b) Finanzverfassung der SARL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgeentwicklungen im 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . 3. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergänzende konkrete Gesellschafter- und Organpflichten . . . . . 1. Finanzierungsbezogene Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Pflichten der directors und managers . . . . . . . . . . . . bb) Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geschäftsleitungs- und Überwachungsorgane . . . . . . . bb) Gesellschafterpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

462

Inhaltsverzeichnis

XXI

d) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geschäftsleiterpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesellschafterpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organisation, Steuerung, Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . a) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Europäisches Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

530 530 533 535 538 538 540 540 541 542 543 544

B. Auswertung und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

545

I. Systemvergleich: Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Regulierungsstilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise restringierender Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Historische Legitimation restringierender Regeln? . . . . . . . . . . IV. Fazit und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

546 548 550 552

Schlußbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

555

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

561

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

613

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABGB ABlEG. ABlEU. Abs. Abschn. A. C. Acc. Hor. Acc. & Bus. Res. Acc. Rev. AcP ADHGB a.E. a.F. AG AGB AGBG AICPA AK AktG All E.R. ALR Am. Econ. Rev. Am. J. Comp. L. Am. L. & Econ. Rev. Am. Soc. Rev. Anglo-Am. L. Rev. AnwKomm AO AöR Arch. phil. dr. Ariz. State L. J. ARSP Art. Atk. Aufl. Austr. Bus. L. Rev. Austr. J. Corp. L. Austr. J. Legal Phil.

am Anfang / andere(r) Ansicht am angegebenen Ort Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Abschnitt Appeal Cases (Law Report, England) Accounting Horizons Accounting & Business Research Accounting Review Archiv für die civilistische Praxis Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861 am Ende alte Fassung (Die) Aktiengesellschaft / Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen American Institute of Certified Public Accountants Alternativkommentar Aktiengesetz All England Reports (Law Report) Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten, gültig ab 1.6.1794 American Economics Review American Journal of Comparative Law American Law and Economics Review American Sociological Review Anglo-American Law Review Anwaltskommentar (BGB) Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Archives de Philosophie du Droit Arizona State Law Journal Archiv für Rechts- und Staatsphilosophie Artikel Atkyn’s Reports, Chancery (Law Report, England) Auflage Australian Business Law Review Australian Journal of Corporate Law Australian Journal of Legal Philosophy

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

BaFin BAKred Banking Fin. L. Rev. BAnz BAV BAWe BayObLG BB BCC BCLC B.C.L. Rev. Bd. Bell J. Econ. & Mgmt. Science BFH BFuP BGBl. BGH BGHZ BörsG BörsO BörsZulVO Boston U. L. Rev. BRDA BR-Drucks. Brook. J. Int’l L. Brook. L. Rev. BT-Drucks. BuB Bull. Bus. Law. Bus. Law Rev. BVerfG BVerfGE BVerfGG bzw.

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Banking and Finance Law Review Bundesanzeiger Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater British Company Cases (Law Report, England) Butterworth’s Company Law Cases (Law Report, England) Boston College Law Review Band Bell Journal of Economics and Management Science Bundesfinanzhof Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Börsengesetz Börsenordnung Börsenzulassungsverordnung Boston University Law Review Bulletin Rapide de Droit des Affaires Drucksachen des Bundesrates Brooklyn Journal of International Law Brooklyn Law Review Drucksachen des Deutschen Bundestages Bankrecht und Bankpraxis Bulletin The Business Lawyer Business Law Review Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht beziehungsweise

CA Cal. L. Rev. Cambrian L. Rev. Cardozo J. Int’l & Comp. L. Cardozo L. Rev. Cass. CCIP C.com. Ch. D. Chi.-Kent L. Rev. Cir. C.L.J. CLR Cmd. COB Cog. Psych.

Companies Act California Law Review Cambrian Law Review Cardozo Journal of International and Comparative Law Cardozo Law Review Cour de Cassation Chambre de commerce et d’industrie de Paris Code de Commerce Chancery Division (auch: Law Report, England) Chicago-Kent Law Review Circuit Cambridge Law Journal Common Law Reports (England) Command Papers Commission des Opérations de Bourse Cognitive Psychology

Abkürzungsverzeichnis

XXV

Colum. Bus. L. Rev. Colum. J. Transn. L. Colum. L. Rev. Com. Common Market L. Rev. Comp. Lawyer Conn. J. Int’l L. Cornell L. Q. Cornell L. Rev. Corp. Gov. L. Rev. Cow. CR Cr. & Ph.

Columbia Business Law Review Columbia Journal of Transnational Law Columbia Law Review Arrêt de la chambre commerciale de la Cour de cassation Common Market Law Review The Company Lawyer Connecticut Journal of International Law Cornell Law Quarterly Cornell Law Review Corporate Governance Law Review Cowen, NY Law (Law Report, USA) Computer und Recht Craig and Phillips, Chancery (Law Report, England)

D. DAI DAV DB DBW D.C. DCGK De G. M. & G.

Dalloz; Recueil Dalloz-Sirey Deutsches Anwaltsinstitut Deutscher Anwaltverein Der Betrieb Die Betriebswirtschaft District of Columbia Deutscher Corporate Governance Kodex De Gex, Macnaghten and Gordon's Reports, Chancery (Law Report, England) Delaware General Corporation Law Delaware Journal of Corporate Law Laws of Delaware Revised Code of Delaware Detroit College Law Review Deutsche Notar-Zeitschrift Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Recht Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee Deutsches Steuerrecht Duke Law Journal Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

Del. Gen. Corp. L. Del. J. Corp. L. Del. Laws Del. Rev. Code Detroit Coll. L. Rev. DNotZ DÖV DR DRSC DStR Duke L.J. DVBl. DZWir EBLR EBOR ECFR Econ. Inq. Econ. & Philos. Econ. Pol’y Rev. Econ. & Psych. entspr. EuGH Eu. L. Rev. EuZW e.V. EWHC EWiR EWS

European Business Law Review European Business Organization Law Review European Company and Financial Law Review Economic Inquiry Economics and Philosophy The Federal Reserve Bank of New York Economic Policy Review Economics and Psychology entsprechend Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften European Law Review Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein High Court of England and Wales (Entscheidungssammlung) Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

FASB F. & F.

Federal Accounting Standards Board Foster and Finlason's Reports, Nisi Prius (Law Report, England) Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Financial Management Florida Journal of International Law Florida State University Law Review Fordham Law Review Festschrift

FGG FGO Fin. Man. Fla. J. Int’l L. Fla. St. U. L. Rev. Fordham L. Rev. FS GAAP Gaz. Pal. GbR GenG

GS GWB

Generally Accepted Accounting Principles Gazette du Palais Gesellschaft des bürgerlichen Rechts Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Georgetown Law Journal George Mason Law Review The George Washington Law Review Der Gesellschafter Gewerbeordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Grünhuts Zeitschrift für das private und das öffentliche Recht Gesetzessammlung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

h.A. HansRGZ Hare Harv. Bus. Rev. Harv. Int. L. J. Harv. J. L. & Pub. Pol’y Harv. L. Rev. Hastings Int. Comp. L. Rev. Hastings L.J. HGB HKK h. M. Hous. L. Rev. How. L. Rev. Hrsg./hrsg.

herrschende Ansicht Hanseatische Rechts- und Gerichts-Zeitschrift Hare's Reports, Chancery (Law Report, England) Harvard Business Review Harvard International Law Journal Harvard Journal of Law and Public Policy Harvard Law Review Hastings International and Comparative Law Review Hastings Law Journal Handelsgesetzbuch Historisch-kritischer Kommentar zum BGB herrschende Meinung Houston Law Review Howard Law Review Herausgeber/herausgegeben

IAS IASC i.d.F. i.d.R. IDS

International Accounting Standards International Accounting Standards Committee in der Fassung in der Regel Integrated Disclosure System

Geo. L.J. Geo. Mason L. Rev. Geo. Wash. L. Rev. GesRZ GewO GG GmbH GmbHG GmbHR GrünhutsZ

Abkürzungsverzeichnis

XXVII

IDW Ill. insbes. InsO Int’l Fin. L. Rev. Int’l Law. Int’l Leg. Stud. Int’l Rev. L. & Econ. IOSCO i.S.d. IStR i.V.m.

Institut der Wirtschaftsprüfer Illinois insbesondere Insolvenzordnung International Financial Law Review The International Lawyer International Legal Studies International Review of Law and Economics International Organization of Securities Commissions im Sinne der/des Internationales Steuerrecht in Verbindung mit

JA J. Acc. J. Acc. & Econ. J. Acc. & Pub. Pol’y J. Acc. Res. J. Appl. Corp. Fin. JbJZivRWiss JBL J.B.L. J. Bus. J. Bus. Fin. Acc. J. Bus. & Tech. L. JCLS J. Comp. L. J. Contemp. Legal Issues J. Corp. Fin. J. Corp. L. J. Econ. Behav. & Org. J. Econ. Lit. J. Econ. Persp. J. Econ. Psych. J. Env. Econ. & Mgmt. J. Exp. Psych.

Juristische Arbeitsblätter Journal of Accountancy Journal of Accounting and Economics Journal of Accounting and Public Policy Journal of Accounting Research Journal of Applied Corporate Finance Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler Juristische Blätter Journal of Business Law Journal of Business Journal of Business, Finance and Accounting Journal of Business and Technology Law Journal of Corporate Law Studies Journal of Comparative Law Journal of Contemporary Legal Issues Journal of Corporate Finance Journal of Corporation Law Journal of Economic Behavior and Organization Journal of Economic Literature Journal of Economic Perspectives Journal of Economic Psychology Journal of Environmental Economics and Management Journal of Experimental Psychology – Human Perception and Performance Journal of Finance Journal of Financial Economics Journal of Financial and Quantitative Analysis Journal of Financial Regulation and Compliance Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Journal of International Business Law Journal of Institutional and Theoretical Economics Journal of Law and Economics Journal of Law, Economics and Organization Journal of Legal History Journal of Legal Studies Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie Journal Officiel Journal of Political Economy Journal of Portfolio Management

J. Fin. J. Fin. Econ. J. Fin. & Quant. Anal. J. Fin. Reg. & Compliance JherJb J. Int. Bus. L. JITE J. L. & Econ. J. L. Econ. & Org. J. Leg. Hist. J. Legal Stud. JNPÖ J. O. J. Pol. Econ. J. Portfolio Man.

XXVIII

Abkürzungsverzeichnis

JuS JW JZ

Juristische Schulung Juristische Wochenzeitung Juristenzeitung

KAGG Kap. KG KGaA KK KO KonTraG

KWG

Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kapitel Kammergericht/Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kölner Kommentar Konkursordnung Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Zeitschrift für Insolvenzrecht (Konkurs – Treuhand – Sanierung) Gesetz über das Kreditwesen

LG L. & Hum. Behav. L.J. L. T. LZ

Landgericht Law and Human Behavior Lord Justice The Law Times, Reports (Law Report, England) Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

Macq. H. L. Cas. m.a.W. M.B.C.A. Mich. L. Rev. Mich. St. L. Rev. Minn. L. Rev. M.L.R. MoMiG

Macqueen's Scotch Appeal Cases mit anderen Worten Model Business Corporation Act Michigan Law Review Michigan State Law Review Minnesota Law Review Modern Law Review Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Mißbräuchen Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen

KritV KTS

MünchKomm m.w.N. nC.com. N. C. J. Int. L. & Com. Reg. N. C. L. Rev. n.F. N. J. N. J. Corp. Act. NJW NJW-RR Notre Dame L. Rev. NSWLR NVersZ Nw. J. Int. L. & Bus. Nw. U. L. Rev. N. Y. N. Y. Bus. Corp. L. N. Y. Inc. Act

Nouveau Code de Commerce North Carolina Journal of International Law and Commercial Regulation North Carolina Law Review neue Fassung New Jersey New Jersey Corporation Act Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Notre Dame Law Review New South Wales Law Reports (Australien) Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht Northwestern Journal of International Law and Business Northwestern University Law Review New York New York Business Corporation Law New York Incorporation Act

Abkürzungsverzeichnis N. Y. U. J. Int. L. & Pol. N.Y.U. L. Rev. NZG NZLR N.Z. L. Rev.

XXIX

New York University Journal of International Law and Politics New York University Law Review Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht New Zealand Law Reports New Zealand Law Review

ÖBA oHG o. J. OJLS OLG ORDO

Österreichisches Bankarchiv offene Handelsgesellschaft ohne Jahresangabe Oxford Journal of Legal Studies Oberlandesgericht Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Org. Behav. & Hum. Dec. Proc. Organizational Behavior & Human Decision Processes Osgoode Hall L.J. Osgoode Hall Law Journal OTC over the counter ÖZW Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

Ph. Psych. Bull. PublG

Phillip's Reports, Chancery (Law Report, England) Psychological Bulletin Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen

Q. J. Econ.

Quarterly Journal of Economics

RabelsZ RAND J. Econ. Rappr. RdW RegE Rev. Fin. Stud. Rev. Prat. Soc. Rev. soc. RG RGBl. RGSt. RGZ RIW RJDA R.M.B.C.A. Rn. ROHG RPfl RTD com. Russ. Rutgers L. Rev.

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RAND Journal of Economics Rapproché Österreichisches Recht der Wirtschaft Regierungsentwurf Review of Financial Studies Revue pratique des sociétés Revue des sociétés Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Revue de Jurisprudence du Droit des Affaires Revised Model Business Corporation Act Randnummer Reichsoberhandelsgericht Der Deutsche Rechtspfleger Revue trimestrielle de droit commercial Russell's Reports, Chancery (Law Report, England) Rutgers Law Review

S. S./s. SA SARL

Recueil Sirey Seite/siehe Société anonyme Société à responsabilité limitée

XXX

Abkürzungsverzeichnis

SAS SASU San Diego L. Rev. S. Cal. L. Rev. S. Cal. Interdisc. L.J. S. Ct. Schmollers Jb. sec./secs. Semaine jurid. Sing. J. Int’l & Comp. L. S.L.T. S.M.U. L. Rev. So. Cal. L. Rev. St. Mary’s L.J. Stan. L. Rev. StGB SZW

Société anonyme simplifiée Société anonyme simplifiée unipersonnelle San Diego Law Review Southern California Law Review Southern California Interdisciplinary Law Journal Supreme Court Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft section/sections Semaine juridique Singapore Journal of International and Comparative Law Scots Law Times (Law Report, Schottland) Southern Methodist University Law Review Southern California Law Review St. Mary’s Law Journal Stanford Law Review Strafgesetzbuch Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

Tenn. Laws Term Rep. Tex. L. Rev. Trib. corr. Tulane L. Rev. Tz.

Laws of Tennessee Term Reports (Law Report, England) Texas Law Review Tribunal correctionnel Tulane Law Review Textziffer

u. a. U. Chi. L. Rev. UCLA L. Rev. U. Ill. L. Rev. UMAG

und andere / unter anderem University of Chicago Law Review University of Los Angeles Law Review University of Illinois Law Review Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Aktienrechts Umwandlungsgesetz University of Pennsylvania Journal of International Economic Law University of Pennsylvania Law Review University of Pittsburgh Law Review Urheberrechtsgesetz Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

UmwG U. Pa. J. Int’l Econ. L. U. Pa. L. Rev. U. Pitt. L. Rev. UrhG UWG Va. J. Int. L. Va. L. Rev. Vand. L. Rev. V. & B. VerkProspG VerkProspVO VerwArch vgl. Vill. L. Rev. VO VorstAG VorstOG

Virginia Journal of International Law Virginia Law Review Vanderbilt Law Review Vesey & Beame’s Reports, Chancery (Law Report, England) Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz Verordnung über die Wertpapierverkaufsprospekte Verwaltungsarchiv vergleiche Villanova Law Review Verordnung Vorstandsvergütungs-Angemessenheitsgesetz Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz

Abkürzungsverzeichnis VVDStRL

XXXI

VwGO

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung

Wash. L. Rev. Wash. U. L.Q. W.L.R. WM Wpg. WpHG

Washington Law Review Washington University Law Quarterly Weekly Law Reports (England) Wertpapier-Mitteilungen Die Wirtschaftsprüfung Gesetz über den Wertpapierhandel

Yale J. on Reg. Yale L.J. Y. & C. C. C.

Yale Journal on Regulation Yale Law Journal Younge & Collyer's Chancery Cases

z. B. ZBB ZCG Z. f. ausl. int. Priv. R.

zum Beispiel Zeitschrift für Bank- und Börsenrecht Zeitschrift für Corporate Governance Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte – Germanistische Abteilung zusammenfassend/Zusammenfassung Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess Zeitschrift für Zivilprozess International

ZfB ZfbF ZfRV ZfSchwR ZG ZGR ZHR ZIP ZRG GA zusf./Zusf. ZVglRWiss ZZP ZZPInt

Einführung A. Anlaß der Untersuchung Jeder zu einer Rechtsnorm verfestigte Sollenssatz und mithin auch jeder Tatbe­ stand im Recht der Kapitalgesellschaften unterliegt über die darin explizit for­ mulierten Umstände hinaus Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um die jeweilige Rechtsfolge zur Geltung zu bringen und damit das mit dem Rechtsin­ stitut verfolgte Regelungsziel zu erreichen. Von diesen Voraussetzungen hängen die Normwirkungen ab, die vielfach über die unmittelbar beabsichtigten ver­ haltenssteuernden Effekte hinausgehen. Wer tatsächlichen oder auch nur ver­ meintlichen Funktionsdefiziten des geltenden Rechts auf den Grund gehen und mögliche Lösungen hierfür ausloten will, muß diese Voraussetzungen und Wir­ kungen aufbereiten und kann sich nicht auf die – traditioneller Dogmatik aller­ dings eher entsprechende – Feststellung beschränken, maßgeblich für die Be­ wertung sei allein der in der Rechtsnorm formulierte Geltungsanspruch und dessen systematische Stellung im Regulierungssystem.  Derartige Defizite kön­ nen auf der formalen Ebene ebenso angesiedelt sein wie auf der materialen Ebe­ ne. Sie können mit der formalen Ausgestaltung eines Tatbestands zusammen­ hängen, aber auch mit den inhaltlichen Aspekten der Zielsetzung, der Pro­blem­ adäquanz von Tatbestand und Rechtsfolge oder der systematischen Abstim­ mung. Ihre Erklärung ist von entscheidender Bedeutung für die grundsätzliche Frage nach der Leistungsfähigkeit gesetzlicher Steuerung und damit zugleich nach möglichen Alternativen zu ihr (auch) im untersuchten Referenzgebiet. Vor diesem Hintergrund befaßt sich die vorliegende Untersuchung mit Funktions­ voraussetzungen und Funktionsweise der im Kapitalgesellschaftsrecht de lege    Hier und im folgenden verstanden als gesetzlich formulierter Sollenssatz, der verbindli­ che Verhaltensanforderungen in einer (regelmäßig durch Sanktionen) durchsetzbaren Weise aufstellt; vgl. ähnlich auch Augsberg, Private Rechtsetzung, S. 31 m. w. N. Der Begriff be­ schreibt zwar eine ausgesprochen konturenarme, in Einzelheiten hoch umstrittene Kategorie; vgl. insoweit auch Bachmann, Private Ordnung, S. 21, der daher den Begriff der Normen vollständig meiden will. Für die vorliegend verfolgten Zwecke genügt die damit erreichbare Klärung jedoch; zentral ist insoweit vor allem der Begriff der Regulierung (dazu unten, 1. Teil, 2. Kap., sub A. (S. 35 ff.)).    Vgl. beispielhaft etwa Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte, S. 230, wonach „die allgemeine Norm ihre Realität nicht im Befolgtwerden findet, sondern nur im Imperativ, dem Versuch, die Rechtsordnung zu erzwingen“.



Einführung

lata verwendeten und de lege ferenda möglicherweise alternativ zu verwenden­ den Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien. Ihr Interesse gilt der Frage, inwieweit die Wahl zwischen den dem Gesetzgeber zu Gebote ste­ henden unterschiedlichen Gestaltungsmodi unabhängig von der materialen Ausgestaltung auf die Funktion der jeweiligen Tatbestände ausstrahlt. Aus der Perspektive einer in der deutschen (gesellschafts-) rechtswissenschaftlichen Li­ teratur vergleichsweise neuen Fragestellung will die Untersuchung so einen Beitrag leisten zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der im Recht der Kapital­ gesellschaften allenthalben spürbaren Phase des Umbruchs und der Neuorien­ tierung, die in dem (vielleicht nur vagen) Bewußtsein omnipräsenter Funktions­ defizite gründet und sich in ungebremster Reformdynamik äußert – im deut­ schen Recht ebenso wie in wichtigen ausländischen Rechtsordnungen oder auf der Ebene des europäischen Gemeinschaftsrechts. Exemplarisch dafür stehen im deutschen Recht, um nur einige spezifisch ge­ sellschaftsrechtliche (im Unterschied zu kapitalmarktrechtlichen) Reformpro­ jekte zu nennen, etwa die Reform des Aktienrechts mit dem Gesetz zur Kon­ trolle und Transparenz im Unternehmensbereich von 1998, das Transparenzund Publizitätsgesetz von 2002,  das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts von 2005 oder das Gesetz zur Moder­ nisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Mißbräuchen von 2008.  Auf der Ebene des Europäischen Gemeinschaftsrechts sind etwa zu nennen die neue Abschlußprüfungsrichtlinie, die Änderungsrichtlinie zur Jahresab­ schlußrichtlinie10 sowie die Änderungsrichtlinie zur Zweiten Richtlinie11 je­    Zum hier zugrundegelegten Begriffsverständnis und zur inhaltlichen Dimension der Terminologie siehe noch näher unten, 1. Teil, 2. Kap., sub A. (S. 35 ff.).    Plastisch schon Zöllner, AG 1994, 446 („Aktienrechtsreform in Permanenz“); für das Kapitalmarktrecht entsprechend Spindler, NJW 2004, 3449.    Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) v. 17. 4. 1998, BGBl. I, S. 786.    Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizi­ tät (TransPuG) v. 19. 7. 2002, BGBl. I, S. 2681.    Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Aktienrechts (UMAG) v. 22. 9. 2005, BGBl. I, S. 2802.    Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Begrenzung von Mißbräuchen (MoMiG) v. 23. 10. 2008, BGBl. I, S. 2026.    Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. 5. 2006 über Abschlußprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABlEG. Nr. L 157/87. 10   Richtlinie 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. 6. 2006 zur Änderung der Richtlinien des Rates 78/660/EWG über den Jahresabschluß von Gesellschaf­ ten bestimmter Rechtsformen, 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluß, 86/635/EWG über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Banken und anderen Finanz­ instituten und 91/674/EWG über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Versicherungsunternehmen, ABlEG. Nr. L 224/1. 11   Richtlinie 2006/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. 9. 2006 zur

A. Anlaß der Untersuchung



weils von 2006, schließlich die Aktionärsrechterichtlinie von 2007,12 im Vereinigten Königreich die umfassende Reform des gesamten Kapitalgesellschafts­ rechts mit dem Companies Act von 2006 (c. 46). Auch das französische Recht hat in jüngerer Zeit sein Kapitalgesellschaftsrecht durch Einführung neuer und De­ regulierung bestehender Rechtsformen grundlegenden Reformen unterwor­ fen.13 In den USA hat der Bundesgesetzgeber unlängst mit dem Sarbanes-Oxley Act von 2002 die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die innere Organisation kapitalmarktorientierter Gesellschaften sehr restriktiv neu geregelt und damit zugleich die Balance zwischen den Gesellschaftsrechten der Gliedstaaten einer­ seits und dem Bundeskapitalmarktrecht andererseits umfassend neu justiert.14 Die wissenschaftliche Begleitung und Aufarbeitung dieser Vorgänge werden durch das Tempo, aber auch durch die Dimension der Reformen erheblich er­ schwert. Nicht nur dogmatische Untersuchungen sind zunehmend der Gefahr ausgesetzt, daß ihr Gegenstand durch oft erratische, kriseninduzierte15 oder aus anderen rechtspolitischen Erwägungen ad hoc ins Werk gesetzte, oft rechtsver­ gleichend motivierte, indes nicht immer gründlich rechtsvergleichend vorbereitete und schon deshalb nicht ohne weiteres mit nationaler Dogmatik kompatib­ le Gesetze binnen kurzem grundlegend modifiziert wird, an Gewicht verliert oder gar – ggf. zugunsten funktionsäquivalenter Substitute – vollständig ent­ fällt. Dies droht keineswegs nur dort, wo Gesetzgebungsprojekte – wie etwa das MoMiG im Hinblick auf die Kapitalerhaltung in der GmbH16 – geradezu das Ziel verfolgen, als unpraktikabel bewertete Regelungen einschließlich der damit verbundenen Auslegungsprobleme gänzlich zu ersetzen. Die kontinuierliche Veränderung des nationalen Regelungsinstrumentariums, vielfach infolge fort­ schreitender Rezeption17 anglo-amerikanischer Rechtsinstitute oder infolge der Änderung der Richtlinie 77/91/EWG des Rates in Bezug auf Gründung von Aktiengesell­ schaften und die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals, ABlEG. Nr. L 264/32. 12   Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 6. 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl­ EG. Nr. L 184/17. 13   Vgl. Merle, Droit des sociétés, Rn. 188. 14   Vgl. dazu noch unten, 3. Teil, 2. Kap., sub A. I. 4. (S. 488). 15   Speziell dazu etwa Fleischer, FS Priester, 2007, S. 75  ff.; aus den USA – im Zusammen­ hang mit dem Erlaß des Sarbanes-Oxley Act 2002 – etwa Prentice/Spence, 95 Geo. L.J. 1843 (2007); Ribstein, 40 Hous. L. Rev. 77 (2003) („bubble laws“); Romano, 114 Yale L.J. 1521, 1528 (2005). 16   Hier durch Verlagerung der Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 32a, b GmbHG a.F. in das Insolvenzrecht unter Vereinfachung des Regelgehalts (§ 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 und § 135 i.V.m. § 143 Abs. 3 InsO n.F.) sowie durch den Ausschluß der sog. „Rechtsprechungsregeln“ zur analogen Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG n.F.). 17   Daß der Begriff der Rezeption ausfüllungsbedürftig, zudem teilweise ideologisch aufge­ laden ist und damit keine ohne weiteres tragfähige deskriptive, erst recht keine konturen­ scharfe analytische Kategorie darstellt, hat in jüngerer Zeit von Hein (Rezeption, S. 7  ff.) in Zusammenschau der hierzu und zu verwandten Begriffen (Konvergenz, Adaption, Transpo­ sition, Transplantation, usw.) vertretenen Interpretationsansätze und Verwendungsformen



Einführung

Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben, führt vielmehr auch dort zu einem Funktionsverlust nationaler Regelungen, wo diese zumindest einstwei­ len auch dann noch Geltung beanspruchen, wenn sie an sich durch neu imple­ mentierte Lösungen mit vergleichbaren Regelungszwecken „überlebt“ haben.18 Damit ist über den Horizont des nationalen Rechts hinaus ein zweites Problem­ feld identifiziert, dessen wissenschaftliche Bewältigung von einer modalen Normanalyse im eingangs skizzierten Sinn vermutlich profitieren kann: die vielfältigen Rezeptionswege, mit denen nicht nur materiale Lösungen ausländi­ scher Rechtsordnungen, sondern damit zugleich eben auch auswärtige Rege­ lungsmodi in das nationale Recht Eingang finden. Insofern ist es kein Zufall, wenn gerade aus der Perspektive der funktionalen Rechtsvergleichung Forde­ rungen nach einer vergleichenden Aufarbeitung unterschiedlicher Regulie­ rungsmodi erhoben werden.19 Anhand einer funktionalen Analyse von Regu­ lierungsmodellen will die vorliegende Untersuchung vor diesem Hintergrund einen Beitrag zur Aufarbeitung der damit angesprochenen Rezeptionsprozesse leisten und so zugleich die Perspektiven für künftige Ansätze zum Regulie­ rungsimport im Kapitalgesellschaftsrecht ausloten helfen. Dabei geht es der Ar­ beit nicht darum, die Notwendigkeit regulierender Eingriffe in gesellschafts­ rechtlich organisiertes Wirtschaften und die privatautonome Gestaltung der jeweiligen Rechtsverhältnisse zu begründen oder zu widerlegen. Im Vorder­ grund steht vielmehr die Frage nach der Leistungsfähigkeit (Effektivität) der für derartige Eingriffe in Betracht kommenden Regelungstechniken. Die Arbeit verfolgt mithin primär eine rechtsetzungstheoretische Fragestellung – mit der

nachgewiesen. In der Tat verdeckt der mit einiger Vehemenz geführte terminologische Streit allerdings die an sich durchaus faßbare und als solche kaum kontrovers als Kernproblem iden­ tifizierte „Frage, ob einzelne Versatzstücke aus einer Rechtsordnung, genauer gesagt, aus ei­ nem System der Corporate Governance, in ein anders strukturiertes System übernommen werden können, ohne ihrerseits dieses System zu Anpassungen zu zwingen oder zu dysfunk­ tionalen Ergebnissen zu führen“ (ebd., S. 60). Wenn vorliegend von „Rezeption“ die Rede ist, wird der Begriff ohne nähere Auseinandersetzung pragmatisch in diesem Sinne verstanden. Vgl. etwa auch Eidenmüller, JZ 2007, 487, 490; Fleischer, NZG 2004, 1129  ff. Zur parallel gela­ gerten Kontroverse im US-amerikanischen Schrifttum stellvertretend vorerst Bratton/McCahery, 38 Colum. J. Transnat’l L. 213 (1999) m. w. N. 18   Besonders anschaulich wird dies in Fällen, in denen das reformierte Recht – meist in anderem Regelungskontext – neben ältere, autonome Lösungen mit im wesentlichen ver­ gleichbarem Inhalt tritt, ohne daß das Konkurrenzverhältnis zunächst bedacht und (durch Subsidiaritätslösungen oder im Wege der Außerkraftsetzung des bisherigen Rechtszustandes) systemgerecht aufgelöst worden wäre. Als Beispiel eines – inzwischen allerdings gelösten – Konflikts mag an das Nebeneinander von kapitalmarktrechtlicher und gesellschaftsrechtli­ cher Beteiligungspublizität gedacht werden, vgl. §§ 20, 21 AktG einerseits und die nach § 20 Abs. 8 und § 21 Abs. 5 AktG heutiger Fassung vorrangig anwendbaren §§ 21  ff. WpHG; zum Ganzen auch Fleischer, ZIP 2006, 451, 456  ff. 19   Richtungsweisend Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a., Anatomy, 2. Aufl. 2009, S. 35  ff.

B. Finanzierungsbeziehungen als Referenzgebiet



sich allerdings erhebliche Implikationen für die Bewertung von Regelungssy­ stemen unter funktionalen Gesichtspunkten verbinden.

B. Finanzierungsbeziehungen als Referenzgebiet Das vorstehend skizzierte Programm einer modal orientierten, d. h. auf die for­ male Ausgestaltung von Regulierungsinstrumenten und Regulierungsstrategi­ en bezogenen Untersuchung könnte naturgemäß sämtliche Normen des (Kapi­ tal-) Gesellschaftsrechts einbeziehen, die im Interesse von Schutzgütern die Möglichkeiten zur privatautonomen Gestaltung durch die betroffenen Akteure konturieren und zumindest teilweise beschränken. Ob ein entsprechender An­ satz, noch weitergehend, auch die Diskussion über andere Gebiete bürgerlichrechtlich fundierten Interessenschutzes befruchten könnte, erscheint immerhin denkbar, ist aber vorliegend nicht zu entscheiden. Denn schon die Durchfüh­ rung für das gesamte Kapitalgesellschaftsrecht ließe sich mit Blick auf Umfang und Komplexität des zu bewältigenden Materials kaum bewältigen. Um die ver­ folgte Fragestellung überhaupt handhabbar zu halten, ist die vorliegende Unter­ suchung deshalb auf eine thematische Eingrenzung zwingend angewiesen. Als Referenzgebiet legt sie die „Finanzierungsbeziehungen“ im Kapitalge­ sellschaftsrecht zugrunde; einbezogen sind damit die Rechtsbeziehungen zwi­ schen Eigen- und Fremdkapitalgebern untereinander sowie zur Gesellschaft und ihren Organen und mithin ein wichtiger Ausschnitt des Unternehmens­ rechts insgesamt. Das Referenzgebiet wird damit unter funktional-teleologischen Aspekten rechtsformunabhängig festgelegt. Zwar handelt es sich bei der Eigen- und der Fremdkapitalfinanzierung nicht nur aus rechtlicher, sondern auch aus ökonomischer Perspektive an sich um grundsätzlich verschiedene Phä­ nomene: Der Eigenkapitalgeber übernimmt gegen die Bereitstellung von Fi­ nanzmitteln die Chance auf eine anteilige, aber im übrigen prinzipiell unbe­ schränkte Teilnahme an den Gewinnchancen des Unternehmens, trägt aber auch das Risiko des vollständigen Ausfalls der Rendite im Falle des Scheiterns desselben; sein Anspruch ist dann reduziert auf den anteiligen Liquidationser­ lös. 20 Der Fremdkapitalgeber hingegen gewährt Finanzmittel gegen eine feste oder variable, jedenfalls aber garantierte Verzinsung; er wird im Insolvenzfall vor den Kapitaleignern befriedigt und ist damit im Fall des finanziellen Schei­ terns besser gestellt als diese.21 Ungeachtet dieser konzeptionellen Unterschiede lassen sich indes bei beiden Finanzierungsformen vergleichbare Grundproble­ me und, daraus resultierend, durchaus vergleichbare Lösungsmuster feststellen, 20   Grundlegend Fama/Jensen, 26 J.L. Econ & Org. 327  ff. (1983); Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 314 (1976); Williamson, 18 J. Fin. 567, 579  ff. (1988). 21   Vgl. Williamson, 18 J. Fin. Econ. 567, 579  ff. (1988).



Einführung

die eine gemeinsame Untersuchung sinnvoll erscheinen lassen. Dies wird auch in den moderneren Schulen der ökonomischen Analyse des Unternehmens­ rechts zunehmend erkannt, die die Dichotomie von Vertrag und Organisation längst hinter sich gelassen und sich seit langem verstärkt den jeweils involvier­ ten Austauschbeziehungen und ihren charakteristischen Sachproblemen zuge­ wandt haben. Beispielhaft dafür stehen zum einen die zunächst im ökonomi­ schen Schrifttum entwickelten, dann auch in der US-amerikanischen Gesell­ schaftsrechtslehre rezipierten Interpretationsansätze, die in der (Kapital-) Gesell­schaft ein Netzwerk von Verträgen sehen, 22 und andererseits die insbe­ sondere für die ökonomische Analyse der Publikumsgesellschaft bedeutsame Prinzipal-Agenten-Theorie. 23 Diese Ansätze sind gerade in der jüngeren deutschsprachigen Literatur wiederholt aufgegriffen und fruchtbar gemacht worden; 24 sie müssen daher hier nicht nochmals entfaltet werden. Entscheidend für die vorliegenden Zwecke sind jedoch die damit besonders betonten Paralle­ len zwischen den Interessenlagen bei der Eigen- und der Fremdkapitalfinanzie­ rung, welche die „Finanzierungsbeziehungen“ insgesamt als geeignetes Refe­ renzgebiet für die hier angestrebte modale Normanalyse erscheinen lassen: Im Zentrum stehen Risiken für den Finanzierungsgeber, die daraus resultieren, daß er vielfach nicht über hinreichende Informationen über die tatsächliche Verwendung der Mittel verfügt, die für die wirtschaftliche Beurteilung seines Engagements und mögliche Sicherungsmaßnahmen für den Fall von Fehlent­ wicklungen in dieser Hinsicht eigentlich erforderlich wären. Gerade das jünge­ re unternehmenstheoretische Schrifttum hat auf Parallelen zwischen den mit der Eigenkapitalfinanzierung einerseits und der Fremdkapitalfinanzierung an­ dererseits verbundenen Kontrollstrukturen (governance systems) aufmerksam gemacht. 25 Unabhängig von diesen Erwägungen ist eine Einbeziehung beider Grundfor­ men der Unternehmensfinanzierung auch aus zwei Gründen sinnvoll: Zum ei­ nen gilt dies mit Blick auf die Auflösungstendenzen, die beide Kategorien in den vergangenen Jahren infolge der Zunahme hybrider Finanzierungstitel aufwei­ sen, welche Elemente der Eigenkapitalfinanzierung mit solchen der Fremdkapi­ talfinanzierung vermischen.26 Und zweitens eignet sich die Einbeziehung so­ 22   Sog. contractarian school, siehe dazu noch im einzelnen unten, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. I. 4. (S. 70  f.). 23   Siehe dazu noch im einzelnen unten, 3. Teil, 2. Kap., vor A. (S. 469). 24   Siehe stellvertretend etwa Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 13  ff. und pas­ sim; Bechtold, Grenzen des zwingenden Vertragsrechts, S. 157  ff.; Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 127  ff. 25   Grundlegend wiederum Williamson, 18 J. Fin. Econ. 567, 579  ff. (1988); vgl. – vor dem Hintergrund der US-amerikanischen Finanzierungspraxis – im rechtswissenschaftlichen Schrifttum exemplarisch auch McDaniel, 41 Bus. Law. 413  ff. (1986). 26   Vgl. zur jüngeren Entwicklung etwa Berger, ZBB 2008, 92  ff. (fremdkapitalnahe Mezza­ nine-Finanzierungen), Hirte, in: Lutter/Hirte (Hrsg.), Wandel- und Optionsanleihen in

B. Finanzierungsbeziehungen als Referenzgebiet



wohl der Eigen- als auch der Fremdkapitalbeteiligung in das Untersuchungs­ programm besonders, um die Unterschiede zwischen Funktionsvoraussetzun­ gen und Funktionsweise gesetzlicher und privater Regulierung herauszuarbei­ ten: Während die Eigenkapitalbeteiligung typischerweise – zumal, aber nicht nur in der Publikumskapitalgesellschaft – dicht durch Gesetzesrecht reguliert ist, ist die Rechtsposition der Fremdkapitalgeber in deutlich größerem Umfang der vertraglichen Gestaltung überlassen, so daß die Gegenüberstellung beson­ ders geeignet erscheint, Parallelen und Unterschiede zu betonen. Die Wahl des Referenzgebiets und die Konzentration auf die modale Analyse der in diesem Bereich in Betracht kommenden Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien gestattet es, die Interessen anderer Akteure als der Fi­ nanzierungsgeber von vornherein auszublenden (ohne daß damit eine Aussage über deren Stellenwert de lege lata oder de lege ferenda verbunden wäre). Ausge­ klammert bleiben nachfolgend mithin insbesondere Fragen der unternehmeri­ schen Mitbestimmung der Arbeitnehmer und der Gemeinwohlbindung der Unternehmen, die den Kreis der Schutz- und Regelungszwecke des Kapitalge­ sellschaftsrechts erweitern. Ebenfalls ausgeklammert bleibt im folgenden der Einfluß des Steuerrechts auf die Entscheidungen der Akteure im untersuchten Referenzgebiet. Zwar spielen steuerrechtliche Aspekte und die durch sie gesetzten Anreize naturge­ mäß bereits bei der Wahl der Rechtsform und sodann auch für die Gestaltung der Finanzierungsstrukturen eine gewichtige, häufig eine zentrale Rolle. 27 Der vorliegenden Arbeit geht es indessen nicht darum, ein vollständiges Abbild der gesetzlich geschaffenen Anreizstrukturen im Gesellschafts- und Unterneh­ mensrecht zu liefern; ein derartiger Anspruch wäre im gesetzten Rahmen auch kaum realistisch erfüllbar. Im Mittelpunkt steht vielmehr, wie eingangs skiz­ ziert und im folgenden Teil der Untersuchung noch zu vertiefen, das Bemühen um eine Erweiterung des Methodenkanons zur wissenschaftlichen Aufarbei­ tung der omnipräsenten Reform- und Rezeptionsvorgänge in der jüngeren Rechtsentwicklung. Insoweit spielt das Steuerrecht eine geringere Rolle, so daß eine vertiefte Auseinandersetzung damit verzichtbar erscheint.

Deutschland, 2000, S. 1  ff. (rechtsvergleichender Überblick); Hofert/Arends, ZIP 2005, 1297  ff. (Mezzanine-Finanzierungen); dies., GmbHR 2005, 1381  ff. (Mezzanine-Finanzierung der GmbH); Sester, ZBB 2006, 443  ff. (Hybridanleihen); vgl. zu Hybridanleihen auch Gleske, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung, § 16, S. 469  ff.; ders./Laudenklos, in: Eilers/Rödding/Schmalenbach (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung, S. 465  ff.; aus anglo-amerikanischer Perspektive allgemein Partnoy, 31 J. Corp. L. 799, 811  ff. (2006). 27   Vgl. im Überblick nur Eilers, in: ders./Rödding/Schmalenbach (Hrsg.), Unternehmens­ finanzierung, Teil A Rn. 50  ff.



Einführung

C. Gang der Untersuchung Die weiteren Ausführungen gliedern sich im wesentlichen in drei Teile: Deren erster verfolgt das Ziel, den methodischen Ansatz der Untersuchung in den eta­ blierten Methodenkanon einzuordnen. Damit wird zugleich das oben einstwei­ len nur grob umrissene Erkenntnisziel auch im Hinblick auf die Bedeutung der modalen Normanalyse für die wissenschaftliche Aufarbeitung komplexer, in­ ternational miteinander konkurrierender Regulierungsmodelle im einzelnen entfaltet. Mit Regulierungsinstrumenten und Regulierungsstrategien werden zugleich die modalen Kategorien vorgestellt und terminologisch präzisiert, zu deren Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweisen im weiteren Erkennt­ nisse gewonnen werden sollen. Der zweite Teil der Untersuchung bemüht sich sodann darum, die in der bis­ herigen rechtsdogmatischen, rechtsökonomischen, aber auch rechtssoziologi­ schen Literatur hierzu bislang formulierten Aussagen zusammenzustellen, zu systematisieren und einer ersten, noch notwendig kursorischen Plausibilitäts­ kontrolle zu unterwerfen. Dabei erweist sich besonders die zentrale Rolle, die Informationsprobleme für die Ausgestaltung gesetzlicher und privater Regulie­ rung spielen. Wenn und soweit Regulierung Vorsorge tragen soll für künftige Problemkonstellationen, setzt sie, um diesen Zweck zu erreichen, eine hinrei­ chende Informationsbasis voraus: Erforderlich sind Erkenntnisse über das zu regelnde Sachproblem, aber auch über die Funktionsweise der gewählten Regu­ lierungsmodi. Allerdings stehen die benötigten Informationen, eben weil sich das Anwendungsgebiet auf künftiges Verhalten bezieht, nicht durchweg zur Verfügung; ihre Erhebung ist vielfach nur prognostisch möglich. Damit präzi­ siert sich die im Rahmen der Arbeit möglichst zu beantwortende Frage: Mit Blick auf dieses Grundproblem geht es nicht allein um einen qualitativen Ver­ gleich unterschiedlicher Gestaltungsmodi, sondern ist zugleich und darüber hinaus zu prüfen, welches Regulierungsinstrument – isoliert oder in Kombina­ tion mit anderen im Rahmen unterschiedlicher Regulierungsstrategien – die­ sem Informationsproblem am ehesten gerecht wird. Schon die abstrakte, von konkreten Sachproblemen noch abgekoppelte Zusammenschau indiziert dabei, daß sich pauschale Urteile hierüber schon deshalb verbieten, weil sich hinter der Chiffre des „Informationsproblems“ höchst vielfältige Phänomene verbergen, die eine Einzelbetrachtung zwingend erfordern. Diese wird daher im dritten Teil der Arbeit exemplarisch anhand ausgesuch­ ter Problemkreise aus dem oben genannten Referenzgebiet vorgenommen. Das Untersuchungsprogramm ist damit nicht zuletzt durch die bisherigen Erkennt­ nisse der ökonomischen Theorie der Unternehmung motiviert. Anstelle der tra­ dierten Einteilung nach organisations- und finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen (einschließlich der damit verknüpften Verhaltenspflichten von Ge­ sellschaftern, Organen und externen Finanzierungsgebern) wird ein funktiona­

C. Gang der Untersuchung



ler Ansatz gewählt, in dessen Rahmen konstitutive Elemente der Finanzie­ rungsbeziehungen und sodann die unterschiedlichen Mechanismen zur Restriktion und Kontrolle der Geschäftsleitung im Interesse der Finanzierungsge­ ber in den Blick genommen werden.

1. Teil

Methodischer Ausgangspunkt und Untersuchungsprogramm Die vorliegende Untersuchung verfolgt ein doppeltes Anliegen: Inhaltlich will sie einen Beitrag zur Aufarbeitung der oben angesprochenen, ebenso dynami­ schen wie vielschichtigen Wandlungsprozesse erbringen, welche die Entwick­ lung im Gesellschafts- und Unternehmensrecht seit längerem kennzeichnen. In methodischer Hinsicht geht es ihr darum, mit einem auf Normtypen und Norm­ strukturen bezogenen Untersuchungsansatz Perspektiven für eine Erweiterung des tradierten Methodenkanons, insbesondere der funktionalen Rechtsverglei­ chung und der Rechtsökonomik, auszuloten. Beides ist miteinander verknüpft: Gerade die zunehmende Auflösung nationaler Regelungsautonomie und die omnipräsenten Tendenzen zur Auflösung nationaler Regelungsprogramme im Wege der Rezeption ausländischer Rechtsinstitute haben die Funktionsdeter­ minanten praktisch aller gesellschafts- und unternehmensrechtlicher Regelun­ gen beeinflußt. Je häufiger ausländische Regelungsvorbilder implementiert wer­ den, desto stärker relativiert sich auch der Stellenwert der nationalen Grundsät­ ze für die Auslegung und anderweitige praktische Handhabung des jeweiligen Regelungsbestandes, etwa, indem der ausländische Regelungszusammenhang sinnvollerweise im Rahmen der Auslegung implantierter Bestimmungen zu­ mindest Berücksichtigung findet. Die damit signifikant gesteigerte Komplexi­ tät nationaler Regelungssysteme regt dazu an, die etablierten wissenschaftli­ chen Untersuchungsmethoden auf ihre Tragfähigkeit und auf möglichen An­ passungsbedarf zu untersuchen. Umgekehrt kann möglicherweise gerade eine verstärkt auf modale Aspekte und mithin auf das „Wie“ der Regelsetzung bezo­ gene Untersuchungsperspektive zur Präzisierung inhaltlicher Aussagen der Rechtsvergleichung und Rechtsökonomik beitragen; auch vor diesem Hinter­ grund ist der Frage nachzugehen, inwieweit sich vorgefundene Funktions­ unterschiede zwischen den in einzelnen Rechtsordnungen entwickelten Sach­ lösungen auf technische Unterschiede in der jeweiligen Regelsetzung zurück­ führen lassen. Im folgenden wird zunächst der Versuch einer methodischen Standortbestimmung unternommen (1. Kapitel). Sodann geht es darum, in An­ lehnung an Terminologie und Fragestellung der ökonomischen Regulierungs­ theorie das im weiteren verfolgte Untersuchungsprogramm zu präzisieren (2. Kapitel).

1. Kapitel

Komplexität als Methodenproblem Die durch die omnipräsenten, weithin rechtsvergleichend vorbereiteten Rezep­ tions- und Reformvorgänge ausgelösten Brüche in historisch gewachsenen Re­ gelungssystemen können positiver Natur sein, indem sie tradierte Strukturen von Verkrustungen befreien und effizienzfördernde Neuerungen etablieren. Sie können sich aber auch negativ auswirken, indem sie Bewährtes durch nur scheinbar überzeugende Alternativlösungen ersetzen oder unvorgesehene Ad­ aptionsschwierigkeiten heraufbeschwören. Eine Bewertung in dieser Hinsicht ist letztlich abhängig vom konkreten Sachproblem und weder im Detail noch insgesamt für ganze Regelungskomplexe Gegenstand der vorliegenden Unter­ suchung. Ihr Interesse gilt vielmehr dem methodischen Rüstzeug für die Be­ gründung derartiger qualitativer Wertungen. Gerade mit Blick darauf offenbart die kaum mehr als systematisch zu qualifizierende Reformtätigkeit auf nationa­ ler und supranationaler Ebene indes allenthalben die Grenzen, und vielleicht gar Defizite, des überkommenen Methodenkanons. Paradoxerweise reflektiert gerade die bisweilen hektisch anmutende, so gut wie alle gesellschaftsrechtli­ chen Regelungsgegenstände erfassende Reformaktivität möglicherweise eine allgemein zunehmend pessimistische Einschätzung hinsichtlich der Beeinfluß­ barkeit gesellschaftsrechtlich organisierten Wirtschaftens. Diese diffuse Sorge findet ihren Nährboden auch darin, daß neben erkannten oder vermeintlichen Funktionsdefiziten der nationalen Rechte zugleich Alternativen hierzu – bei­ spielsweise durch stark erweiterte Mobilität der Rechtsformen und Möglichkei­ ten der Wahlfreiheit zwischen Rechtsformen und Regelungssystemen – in den Blick gerückt werden. Angesichts dessen verwundert es kaum, wenn sowohl die deutschsprachige als auch die internationale rechtswissenschaftliche Forschung in jüngerer Zeit verstärktes Augenmerk auf Grundsatzfragen der Leistungsfä­ higkeit und der Grenzen der einschlägigen Regelungsprogramme richtet. Weni­ ger als in der Reformdiskussion der 1980er und 1990er Jahre geht es dabei um die programmatische Vorbereitung von Richtungsentscheidungen, etwa um das Postulat nach umfassender „Deregulierung“ in Abgrenzung zur Erweiterung bestehender, als ineffektiv erkannter Regelkomplexe. Im Mittelpunkt stehen    Charakteristisch für eine zumindest im deutschsprachigen Schrifttum zwischenzeitlich weniger akzentuierte Forschungsrichtung noch die Habilitationsschrift von Escher-Weingart mit dem programmatischen Titel „Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschafts­ recht“; ähnlich orientiert auch Bak, Aktienrecht zwischen Markt und Staat, 2003, passim. Auf

A. Der tradierte Methodenkanon

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vielmehr Versuche einer konzeptionellen Neuorientierung im Hinblick auf ein­ zelne konkrete Sachprobleme, aber auch Ansätze zur umfassenden Erforschung der zur Verfügung stehenden Instrumente für deren Bewältigung. Aus dem tra­ dierten Methodenkanon (unten A.) bieten sich auf den ersten Blick zwar Rechts­ vergleichung und Rechtsökonomik als besonders geeignet für die wissenschaft­ liche Untersuchung dieser Fragestellungen an. Beide sind indes mit Schwierig­ keiten konfrontiert, tragfähige qualitative Bewertungskriterien zu finden, die den angesichts omnipräsenter Rezeptionsvorgänge und Konvergenzprozesse besonders dringlichen Systemvergleich untermauern könnten (unten B.). Als Alternative rückt ein modales, auf die formale Ausgestaltung der Regelungen und ihre (noch zu ermittelnden) strukturimmanenten Eigenschaften bezogenes Untersuchungsprogramm in den Blick (unten C.), das in jüngerer Zeit zuneh­ mend häufig propagiert wird und dessen Perspektiven in der vorliegenden Un­ tersuchung umfassend ausgeleuchtet werden sollen.

A. Der tradierte Methodenkanon, insbesondere Rechtsvergleichung und Rechtsökonomik In methodischer Hinsicht spielen nach wie vor rechtsvergleichende Arbeiten eine gewichtige Rolle bei der Aufarbeitung der skizzierten Vorgänge; an Bedeu­ tung gewinnt aber auch im Gesellschafts- und Unternehmensrecht die Rechts­ ökonomik, die in der deutschsprachigen Literatur lange auf Aspekte des Kern­ zivilrechts konzentriert war. Weder die eine noch die andere Orientierung be­ darf an sich heute noch näherer Begründung. Die umfassende Berücksichtigung rechtsvergleichender Erkenntnisse in wissenschaftlicher Analyse und Gesetz­ gebung bezieht ihre Legitimation zunächst weiterhin aus der traditionellen, aber mit Blick auf die anhaltende Tendenz zur Rezeption ausländischen Rechts unverändert aktuellen Bedeutung tragfähiger Untersuchungen zur Transplan­ tationsfähigkeit desselben. Beispielhaft hierfür stehen rechtsvergleichende Un­ der Ebene des europäischen Gemeinschaftsrechts haben die Empfehlungen der sog. High Le­ vel Group of Company Law Experts aus dem Jahre 2002 (Hochrangige Expertengruppe, Mo­ derne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen, S. 31  ff.) bislang nicht zu einem umfassen­ den Rückbau bestehender Normkomplexe, sondern nur zu eher punktuellen Korrekturen geführt, wie exemplarisch insbesondere die nach wie vor keineswegs entschiedene Diskussion um eine mögliche Rücknahme der Finanzausstattung kapitalmarktorientierter Gesellschaf­ ten durch die Zweite Richtlinie erweist. Die US-amerikanische Rechtsentwicklung ist zwar nach wie vor auf der Ebene der bundesstaatlichen Gesellschaftsrechte von starken Deregulie­ rungstendenzen gekennzeichnet, die allerdings nicht zuletzt mit dem bereits eingangs der Untersuchung erwähnten Sarbanes-Oxley Act von 2002 im Bundeskapitalmarktrecht kon­ trastieren (siehe dazu noch unten, 3. Teil, 2. Kap., sub A. I. 4. (S. 488)).    Zur Bedeutung der Rechtsvergleichung in der gegenwärtigen Gesetzgebungspraxis stell­ vertretend etwa Hopt, FS Wiedemann, 2002, S. 1013, 1029  ff.; siehe auch Fleischer, ZGR 2007, 500  ff.; Merkt, ZGR 2007, 532, 540  ff.

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1. Kapitel:  Komplexität als Methodenproblem

tersuchungen zu haftungsinduzierten Gläubigerschutzmodellen, die in der Dis­ kussion um die Reform des traditionellen kontinentaleuropäischen Ansatzes institutioneller Gläubigerschutzbestimmungen eine nicht geringe Rolle spielen. Zunehmende Bedeutung erlangt hier die Notwendigkeit, die Folgen von Rezep­ tionsvorgängen im Hinblick auf die Verzahnung der rezipierten Lösungsmo­ delle mit dem vorgefundenen autonom entwickelten Rechtsstoff aufzuarbeiten und zu gestalten. Rechtsvergleichende Arbeiten dienen in diesem Zusammen­ hang gewissermaßen der Nachsorge im Zusammenhang mit Rezeptionsvorgän­ gen, die noch nicht als abgeschlossen gelten können, weil und soweit zumindest Einzelfragen der Funktionsweise rezipierter Lösungsmodelle in ihrem neuen Habitat ungeklärt bleiben. Hier ist ein vergleichsweise neues Forschungsfeld eröffnet, das – etwa unter dem Oberbegriff der juristischen Rezeptionsfor­ schung – fraglos noch hohes Entwicklungspotential aufweist, aber bis in die jüngere Zeit eher punktuell denn umfassend bearbeitet worden ist. Auch die Legitimation der Rechtsökonomik als Methode und Erkenntnis­ quelle im vorliegenden Zusammenhang kann kaum mehr ernsthaft bestritten werden. Spätestens seit den Kodifikationen des 19. Jahrhunderts bezieht das    Richtungsweisend insoweit der umfassend angelegte Ansatz einer monographischen Aufbereitung der Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts bei von Hein, Rezepti­ on, passim (dort S. 749  ff. zur Aufgabe der Rechtsvergleichung in diesem Zusammenhang: „Konkretisierung“, „Lückenfüllung“, „Aktualisierung“, „Vermeidung von Pflichtenkollisio­ nen“). Vgl. auch bereits Fleischer, NZG 2004, 1129  ff. m. w. N.; knapp auch ders., ZGR 2007, 500, 509 („legal transplants“ als Forschungsgebiet) sowie – mit eindrucksvoller, verallgemei­ nerungsfähiger theoretischer Grundlegung – in anderem thematischen Zusammenhang M. Kohler, Die Entwicklung des schwedischen Zivilprozeßrechts, S. 9  ff.; allgemein ferner Deipenbrock, ZVglRWiss. 107 (2008), 343  ff.; Graziadei, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Ox­ ford Handbook of Comparative Law, S. 441  ff.; Knieper, RabelsZ 72 (2008), 88  ff.; Rehm, Ra­ belsZ 72 (2008), 1  ff. (beide zu „Rechtstransplantaten“ im Zusammenhang mit der Transfor­ mation des Rechts in früheren kommunistischen Systemen); Stürner, in: FS Rebmann, 1989, S. 839  ff.; Teubner, 61 M.L.R. (1998), 11, 12; grundlegend auch in terminologischer Hinsicht bereits Kahn-Freund, 37 M.L.R. (1974), 1, 5; monographisch Watson, Legal Transplants. An approach to comparative law, 2. Aufl. 1974, S. 21  ff. und passim (dazu Fleischer, NZG 2004, 1129, 1130 bei und in Fn. 8 m. w. N.).    Ein anschauliches Beispiel bieten die Bemühungen um die spätestens seit der Entschei­ dung des Bundesgerichtshofs in Sachen „ARAG/Garmenbeck“ (BGH, Urt. v. 21. 4. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244) im deutschen Recht anerkannte Beschränkung der richterlichen Nachprüfung unternehmerischer Geschäftsleiterentscheidungen, die – nunmehr in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ausdrücklich kodifiziert – sich unverkennbar am US-amerikanischen Vorbild der sog. business judgment rule orientiert. Schon deshalb kaum verwunderlich sind die viel­ fältigen, nicht zuletzt in der deutschen Kommentarliteratur vertretenen Ansätze zur Konkre­ tisierung des Haftungsprivilegs unter Rückgriff auf die einschlägige US-amerikanische Judi­ katur, vgl. charakteristisch etwa Großkomm/Hopt/Roth, AktG, Nachtrag zu § 93 Abs. 1 Satz 2, Rn. 15  ff.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 151  ff.; siehe auch von Hein, Re­ zeption, S. 913  ff.    Zu Gegenständen der ökonomischen Unternehmenstheorie und ihrer Bedeutung für die unternehmensrechtliche Forschung stellvertretend zunächst Eidenmüller, JZ 2001, 1041  ff.; Fleischer, ZGR 2001, 1  ff. Eingehend zum unterschiedlichen Stellenwert rechtsökonomischer Ansätze in der Rechtswissenschaft in Deutschland und den USA jüngst Grechenig/Gelter,

B. Fehlende qualitative Bewertungskriterien als methodenübergreifendes Problem 15

Kapitalgesellschaftsrecht sowohl allgemeine Wertungen als auch konkrete Pro­ blemlösungen unbestreitbar auch und gerade aus ökonomischen (Effizienz-) Erwägungen. Bei näherer Betrachtung spricht insofern viel für die These, der hohe Stellenwert rechtsökonomischer Analysen in der jüngeren Literatur sei Ausdruck einer mit Methodenverfeinerung gepaarten Renaissance eher denn einer methodischen Neuausrichtung.  Wenn auch in der deutschen oder deutsch­ sprachigen Gesellschaftsrechtswissenschaft zunehmend klar profilierte rechts­ ökonomische Untersuchungsprogramme formuliert werden, so gebührt ihnen nach alledem nicht zuletzt das Verdienst, vielfach unsystematisch bemühte und unzureichend reflektierte Argumentationstopoi auf eine konsistente, interdis­ ziplinär informierte Grundlage zu stellen. Im übrigen kann die Rechtsökono­ mik in der kapitalgesellschaftsrechtlichen Reformdiskussion schon deshalb nicht außer Betracht bleiben, weil sie auf zentrale Leitbilder und Auslegungs­ grundsätze der sicher stärksten Inspirationsquelle für die hiesige jüngere Rechts­ entwicklung, das anglo-amerikanische Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, geradezu dominanten Einfluß gewonnen hat und damit über die teils gemein­ schaftsrechtlich veranlaßte, teils aber auch autonom motivierte Rezeption dor­ tiger Lösungsansätze auch hierzulande zumindest indirekt erhebliche Prä­ gungskraft entfaltet. 

B. Fehlende qualitative Bewertungskriterien als methodenübergreifendes Problem Auch rechtsvergleichende oder rechtsökonomische Untersuchungen sehen sich indessen dem vorerwähnten Problem ausgesetzt, tragfähige qualitative Bewer­ tungsmaßstäbe zu formulieren, anhand derer sich Ergebnisse von Reformpro­ RabelsZ 72 (2008), 513  ff. Pointiert zum unvergleichlich höheren Stellenwert der ökonomi­ schen Analyse in der US-amerikanischen Gesellschaftsrechtswissenschaft demgegenüber statt vieler Bainbridge, 82 Cornell L. Rev. 856, 858 (2006): Es sei „virtually impossible to find serious corporate law scholarship that is not informed by economic analysis. Even those cor­ porate law scholars who reject economic analysis spend most of their time responding to those of us who practice it“.    Richtungsweisend immerhin bereits Steinitzer, Ökonomische Theorie der Aktiengesell­ schaft, 1908.    Beispielhaft dafür steht etwa Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000; siehe auch die – allerdings im einzelnen sehr kritische – Habili­ tationsschrift von Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007.    Eine umfassende Auswertung der Geschichte des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts unter dem Blickwinkel der Umsetzung ökonomischer Leitprinzipien in konkrete Regelungs­ ziele und Regelungsinstrumente, mithin eine Art rechtsökonomischer Dogmengeschichte unter Berücksichtigung von Rezeptions- und Konvergenztendenzen, steht noch aus; vgl. aber die in diese Richtung weisenden, indes auf die Rezeption US-amerikanischen Rechts in Deutschland konzentrierten Ansätze bei von Hein, Rezeption, S. 617  ff. und passim.

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1. Kapitel:  Komplexität als Methodenproblem

jekten und Alternativen zum status quo der Regulierungsprogramme im Ge­ sellschafts- und Unternehmensrecht in aussagekräftiger Form identifizieren und in Relation zueinander evaluieren lassen. Die jeweils auftretenden Schwie­ rigkeiten sind dabei durchaus vergleichbar: Sowohl die funktionale Rechtsver­ gleichung (unten I.) als auch die Rechtsökonomik (unten II.) setzen die Isolie­ rung von Sachproblemen und damit Vereinfachung von Sachverhalten voraus, die gerade im hier untersuchten Referenzgebiet in besonderem Maße von rechts­ kulturellen und ökonomischen Einflüssen geprägt sind, ohne deren Berücksich­ tigung jeder Vergleich notwendig unvollständig bleiben muß.

I.  Funktionale Rechtsvergleichung Das Auffinden der „besseren Lösung“ für als lösungsbedürftige Rechtsproble­ me erkannte Rechtsprobleme im Rahmen einer Auslese aus der Vielzahl der „Rechtssysteme der Welt“ zählt seit jeher, spätestens seit den programmatischen Vorarbeiten Ernst Rabels,10 zu ihren anerkannten Erkenntniszielen. Rechtsver­ gleichung wählt die umfassende Perspektive, weil den Rechtsordnungen in ihrer Gesamtheit „notwendigerweise mehr und in ihrer Differenzierung reichhalti­ gere Lösungen eingefallen sind, als der noch so phantasiereiche in den Grenzen seines eigenen Rechtssystems befangene Jurist in seinem kurzen Leben ersinnen kann“.11 Geht es damit der heute herrschenden Ausprägung der rechtsverglei­ chenden Schule um qualitative Urteile mit dem Ziel praktischer Verwertbarkeit und nicht (nur) um eine bloße Inspiration nationaler Gesetzgebung durch aus­ ländische Lösungsansätze aufgrund eher anekdotischer Beobachtungen, so be­ darf dieses Urteil, wie längst erkannt worden ist, der sorgfältigen Vorarbeit. Dem eigentlichen Vergleich von Lösungsansätzen unter funktionalen Aspekten müssen die sorgfältige, von nationaler Dogmatik abstrahierende Problemermittlung, sodann die Abschichtung der kontextbedingten und kontextabhängi­ gen Funktionsvoraussetzungen der zu vergleichenden Lösungen vorangehen.12   So explizit Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 2 I, S. 14.   Vgl. nur Rabel, Rhein. Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht 13 (1924), S. 279  ff. 11   So pointiert wiederum Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 2 I, S. 14; vgl. auch die ausführliche Bestandsaufnahme bei van Aaken, Rational Choice, S. 130  ff.; ferner Merkt, ZVglRWiss. 103 (2004), 263. 12   Vgl. stellvertretend etwa Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, § 3, S. 31  ff.; siehe auch Jansen, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Oxford Handbook of Compa­ rative Law, S. 305, 310  ff., und die kritische Analyse von de Conninck, RabelsZ 74 (2010), 318  ff., insbes. 326  ff.; eingehend zum aktuellen Stand der Diskussion Michaels, ebd., S. 339, 340  ff. Dies gilt jedenfalls für Vergleiche auf der „Mikroebene“, d. h. zwischen einzelnen Rechtsinstituten bzw. Rechtsproblemen, weniger dagegen für die – allerdings kaum zur Ge­ winnung konkreter Problemlösungen geeignete – Vergleichung der Grobcharakteristika ver­ schiedener Rechtsordnungen, vgl. van Aaken, Rational Choice, S. 137 („Geist und Stile ver­ schiedener Rechtsordnungen sowie die ihnen gebräuchlichen Denkmethoden und Verfah­ 

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B. Fehlende qualitative Bewertungskriterien als methodenübergreifendes Problem 17

Bereits auf dieser Vorstufe des eigentlichen Vergleichs setzen allerdings die Probleme ein,13 wenn Unternehmensrechtsvergleichung mit dem Ziel einer Aufarbeitung von Rezeptionsvorgängen betrieben werden soll.14 Zwar kann ein rechtsordnungsübergreifend gültiges und damit für die vergleichende Betrach­ tung brauchbares einheitliches Funktionsprofil der im Gesellschaftsrecht zu bewältigenden Sachprobleme durchaus formuliert werden; sehr fruchtbare An­ haltspunkte liefert auch und insbesondere die ökonomische Theorie der Unter­ nehmung.15 Während damit ein tauglicher Maßstab für die funktionale Rechts­ vergleichung durchaus zur Verfügung steht, ändert dies am Befund der Kon­ textabhängigkeit der jeweiligen Sachlösungen und den daraus resultierenden Problemen in methodischer Hinsicht allerdings nichts: Erstens fällt die erfor­ derliche Isolierung einzelner Sachprobleme im Gesellschafts- und Unterneh­ mensrecht ungleich schwerer als etwa für die Rechtsbeziehungen bei Kaufver­ trägen, um ein klassisches Forschungsgebiet der Schuldrechtsvergleichung her­ auszugreifen.16 Der Grund dafür liegt in der Komplexität gesellschaftsrechtsty­ pischer Regelungszusammenhänge und den vielschichtigen Interdependenzen zwischen wirtschaftlicher Realität, allgemeinen (Vertragsrecht, Haftungsrecht) und besonderen (Gesellschaftsrecht) einschlägigen Einzelnormen und Nor­ mensystemen.17 Ebenso schwierig gestaltet sich, zweitens, die Gewinnung der rensweisen“ als Gegenstand der Vergleichung auf der „Makroebene“) und zu dieser Unter­ scheidung bereits Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 4  ff. 13   Vgl. zum folgenden auch die in jüngerer Zeit vermehrt geäußerte, grundsätzliche Kritik der traditionellen funktionalen Rechtsvergleichung, z. B. Frankenberg, 26 Harv. Int’l L.J. 411  ff. (1985); Gerber, in: Riles (Hrsg.), Rethinking the Masters of Comparative Law, 2001, S. 190, 205  ff.; eingehend jüngst auch Brand, 32 Brook. J. Int’l L. 405, 412  ff. (2007), sowie nochmals Michaels, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Oxford Handbook of Comparative Law, S. 339, 340  ff., jeweils m. w. N. 14   Nur davon ist nachfolgend die Rede; die zu entwickelnden methodischen Einwände sind angesichts der unterschiedlich gelagerten Dichte der Kontextabhängigkeit nicht ohne weite­ res verallgemeinerungsfähig. Ob vergleichbare Bedenken auch gegenüber der funktionalen Rechtsvergleichung in anderen Rechtsgebieten formuliert werden können (vgl. etwa die Nachw. soeben Fn. 13), liegt außerhalb des Gegenstands der vorliegenden Untersuchung. Be­ schwörungen, wonach die Rechtsvergleichung methodisch ihr Ende erreicht haben könnte (so etwa Siems, 2 J. Comp. L. 133  ff. (2007), der dies u. a. auf den empirisch belegten Rückgang in der Zahl entsprechender Arbeiten stützt) erscheinen insoweit zumindest verfrüht; vgl. auch den Überblick zu Stand und Zukunftsperspektiven der Gesellschaftsrechtsvergleichung bei Hopt, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Oxford Handbook of Comparative Law, S. 1161  ff.; wie hier auch bereits Merkt, ZVglRWiss. 103 (2004), 263, 267. 15   Beispielhaft etwa Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a., Anatomy, 2. Aufl. 2009, S. 1, 5  ff., 17  ff. 16   A.A., aber kaum haltbar insoweit Bak, Aktienrecht, S. 8, für den allein maßgeblich ist, daß „die Aktiengesellschaft überall auf der Welt gleiche Eigenschaften aufweist.“ 17   Vgl. mit ähnlicher Terminologie auch Towfigh, Staat 48 (2009), 29, 32, der externe Inter­ dependenzen („zwischen verschiedenen Normen“) und interne Interdependenzen („zwischen Voraussetzungen und Wirkungen ein und derselben Norm“) unterscheidet; ähnlich bereits Schuck, 42 Duke L.J. 1, 3  f. (1992). Zum Komplexitätsproblem allgemein auch Jansen, in: Rei­

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1. Kapitel:  Komplexität als Methodenproblem

erforderlichen Abstraktionshöhe, mithin der Versuch einer Bewertung unter Abzug systembedingter oder ökonomischer Eigenarten, die das qualitative, mit Blick auf eine mögliche Rezeption gefällte Urteil verzerren könnten. Abermals erschwerend treten, drittens und damit verknüpft, teilweise durchaus stark di­ vergierende rechts- bzw. wirtschaftspolitische Wertungen in den betreffenden Rechtsordnungen hinzu, deren Ausmaß zudem bisweilen ihrerseits systembe­ dingt verschleiert sein kann. Diese reichen weit über das untersuchte Referenz­ gebiet hinaus, wie etwa die rechtskulturellen Unterschiede in der Bewertung der unternehmerischen Mitbestimmung deutlich illustrieren. Innerhalb des Kreises der untersuchten Rechtsfragen treten die resultierenden Bewertungs­ probleme etwa in den Gläubigerschutzkonzeptionen des US-amerikanischen Rechts einerseits und der kontinentaleuropäischen Konzeptionen andererseits deutlich zutage: Wo die Gesellschaftsrechte in den Gliedstaaten der USA auf institutionellen Gläubigerschutz weithin verzichten, werden zumindest auf dem europäischen Kontinent tradierte Gläubigerschutzkonzeptionen, insbe­ sondere Mindestvorgaben an Kapitalisierung, Kapitalaufbringung und Kapital­ erhaltung nach wie vor verteidigt.18 Während demgegenüber die US-amerikani­ sche Judikatur aus allgemeinen Grundsätzen einen überaus reichhaltigen Kanon an haftungsbewehrten Schranken für finanzierungsbezogene Entscheidungen und Maßnahmen von Geschäftsleitern und Gesellschaftern formuliert hat, set­ zen sich haftungsinduzierte Gläubigerschutztatbestände auf dem europäischen Kontinent erst allmählich durch und haben zumal in Deutschland bei weitem nicht die Bedeutung, die ihnen etwa in den US-amerikanischen Rechten zuteil wird.19 Insgesamt vermittelt mithin der auf das stark deregulierte Gesetzesrecht konzentrierte Blick ein unzureichendes Bild, das den tatsächlich auch im USamerikanischen Recht vorhandenen, wenn auch anders gestalteten Restriktio­ nen für finanzierungsbezogene Entscheidungen nicht voll gerecht wird. 20 Diese mann/Zimmermann (Hrsg.), Oxford Handbook of Comparative Law, S. 305, 315  ff.; de Conninck, RabelsZ 74 (2010), 318, 326  ff. 18   Vgl. vor dem Hintergrund der europäischen Reformdiskussion stellvertretend Lutter, in: ders. (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 1  ff.; Mankowski, ebd., S. 488, 501  ff.; zu gesetzlichen Mindestkapitalvorgaben differenzierend Eidenmüller/Grunewald/Noack, ebd., S. 17  ff.; zur Kapitalerhaltung Veil, ebd., S. 91  ff.; siehe auch Schön, EBOR 5 (2004), 429  ff.; zur europäischen Reformdiskussion auch Armour, EBOR 7 (2006), 5  ff.; Enriques/Macey, 86 Cornell L. Rev. 1165, 1184  ff. (2001); Ferran, ECFR 2006, 178  ff.; Mülbert, EBOR 7 (2006), 257  ff.; ders./Birke, EBOR 3 (2002), 696  ff.; Kuhner, ZGR 2005, 755  ff.; zusf. Merkt, ZGR 2004, 305  ff. 19   Siehe zum Ganzen noch näher unten, 3. Teil, 2. Kap., sub A. II. (S. 490  ff.). 20   Vgl. ähnlich – aus der Diskussion um den Stellenwert zwingender Regelungen im USamerikanischen Gesellschaftsrecht – auch bereits Coffee, 89 Colum. L. Rev. 1618, 1619 (1989): “[T]o the extent that American courts have permitted greater contractual freedom in corpo­ rate law [scil. than British courts], their relative tolerance has been coupled with greater judi­ cial activism in reading implied terms into the corporate contract and in monitoring for op­ portunism.”

B. Fehlende qualitative Bewertungskriterien als methodenübergreifendes Problem 19

Divergenzen liegen zweifellos nicht allein in unterschiedlichen Wertungen der jeweiligen Rechtsordnungen begründet, sondern auch – und möglicherweise vor allem – in der unterschiedlichen rechtssystematischen und rechtskulturellen Einbettung und hier nicht zuletzt insbesondere im verfassungsrechtlich präfor­ mierten Wettbewerb zwischen den einzelnen US-Bundesstaaten, der den Ab­ bau von institutionellen Restriktionen für Gründung und Betrieb von Kapital­ gesellschaften angetrieben hat. Hinzu tritt möglicherweise auch die generell unterschiedliche rechtskulturelle Bedeutung des Haftungsrechts als Instrument der Verhaltenssteuerung. 21 Zudem muß jede vergleichende Untersuchung gläu­ bigerschützender Institute unvollständig bleiben, wenn sie darauf verzichtet, die Verbindungslinien zu den Grundsätzen über die Unternehmensführung und wiederum deren Einbettung in den wirtschaftlichen und rechtstatsächli­ chen Zusammenhang einzubeziehen. Eine zutreffende Bewertung einzelner Rechtsinstitute kann daher regelmäßig nur aus einer umfassenden Analyse ge­ wonnen werden, die auch die prägenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (z. B. Eigentümerstrukturen) einzubeziehen hat. Diese Analyse darf sich zudem nicht auf gläubigerschützende Aspekte im engeren Sinn beschränken; sie muß vielmehr das gesamte System gesellschaftsrechtlicher Normen insoweit einbe­ ziehen, als die betreffenden Normkomplexe zueinander in Wechselbeziehungen stehen. 22 Die damit skizzierten Schwierigkeiten sind letztlich für alle Bereiche gesell­ schaftsrechtlicher Regelungsprobleme verallgemeinerungsfähig und resultieren in der Konsequenz, daß mit der nur sehr schwer möglichen Isolierung von Sachproblemen eine Voraussetzung gefährdet wird, von der die Handhabbar­ keit der vergleichenden Methode zentral abhängt: Scheitert die vorbereitende Isolierung von Sachproblemen, so entfällt damit notwendigerweise zugleich die Möglichkeit des qualitativen Vergleichs einzelner Lösungsansätze. Vor allem für den gerade zur Bewältigung von Rezeptions- und Harmonisierungstenden­ zen sinnvollen, aber angesichts des erforderlichen Aufwands kaum mehr reali­ sierbaren umfassenden Systemvergleich fehlt es der funktionalen Rechtsverglei­ chung an geeigneten Instrumenten, 23 will sie nicht nurmehr unterschiedliche 21   Vgl. nochmals auch Coffee, 89 Colum. L. Rev. 1618, 1620 (1989), der den in der vorste­ henden Fußnote wiedergegebenen Befund auch auf die unterschiedliche, rechtskulturell ge­ prägte Bedeutung richterlicher Gestaltungsmacht zurückführt: “Thus, the issue of contrac­ tual freedom is inextricably entangled with the issue of institutional competence.“ Dies über­ zeugt grundsätzlich auch dann, wenn man die von Coffee, a.a.O., betonten Unterschiede zwischen britischem und US-amerikanischem Recht insoweit für weniger ausgeprägt hält. 22   So kann es durchaus sinnvoll sein, die Qualität der internen Corporate Governance auch als Bewertungskriterium für die Effektivität des jeweils gewährleisteten Gläubigerschutzes heranzuziehen; vgl. schon Binder, JbJZivRWiss 2007, 145, 165  ff. 23   Vgl. mit ähnlich skeptischer Einschätzung auch Rock, 74 Wash. U. L.Q. 367  ff., zusf. 390 (1996). Als Ansatz zur Verfeinerung des tradierten Instrumentariums der funktionalen Rechtsvergleichung und zu neueren, konkurrierenden Methoden, insbesondere zum Compa­ rative Law and Economics hat jüngst Brand den innovativen Ansatz einer konzeptionellen

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Rechtsstoffe in ihrer gegenwärtigen Erscheinung und ihrer historischen Ent­ wicklung erklären. Damit aber gäbe sie ihr zentrales Erkenntnisziel preis. Zu­ mal die so angelegte historisch fundierte Problemdarstellung kann fraglos von hohem Erkenntniswert für das Verständnis des geltenden Rechts sein, was jün­ gere gesellschaftsrechtshistorische Arbeiten anschaulich bewiesen haben. Einen Vergleich unterschiedlicher Systeme ermöglicht sie indes angesichts der unter­ schiedlichen Einbettung der jeweiligen Referenzgebiete freilich nicht oder nicht ohne weiteres. 24 Die funktionale Rechtsvergleichung steht hier vor dem grund­ legenden Dilemma, daß ein auf die systematisierende Bewertung abzielendes Untersuchungsprogramm letztlich von trennscharfen Subkategorien von Sach­ problemen abhängt, die gerade infolge der unterschiedlichen Einbettung allen­ falls für einzelne Rechtsordnungen, aber kaum für eine Vielzahl derselben ein­ heitlich definiert werden können, ohne Tragfähigkeit und Aussagekraft der ge­ wonnenen (Teil-) Ergebnisse zu entwerten.

II.  Rechtsökonomik Angesichts der damit umrissenen Probleme ist wenig verwunderlich, daß sich moderne Ansätze der Vergleichung unterschiedlicher Gesellschaftsrechtssyste­ me zusehends vom Arsenal tradierter rechtsvergleichender Methodenansätze entfernen.25 Daß als Alternative dabei die Rechtsökonomik immer stärker in Vergleichung („Conceptual Comparisons“) vorgestellt; vgl. Brand, 32 Brook. J. Int’l L. 405, 435  ff. (2007), der – allerdings wiederum nur recht vage definierte – charakteristische „Kon­ zepte“ zum Gegenstand der funktionalen Rechtsvergleichung erhebt. Ob dieser Ansatz tat­ sächlich geeignet ist, das dargestellte Komplexitätsproblem zu bewältigen, wird indes von Brand eher unterstellt denn nachgewiesen (ebd. S. 463) und bedürfte noch näherer Diskussi­ on, die hier nicht geleistet werden kann. Die vorliegende Untersuchung setzt, wie nachfol­ gend sub III. zu entwickeln sein wird, demgegenüber auf die Beschränkung im Hinblick auf das Erkenntnisziel (modale Analyse von Normen unter Verzicht auf einen detaillierten Ver­ gleich), wobei keineswegs ausgeschlossen erscheint, daß eine fruchtbare Synthese aus beiden Ansätzen gezogen werden könnte. 24   Vgl. aus jüngerer und jüngster Zeit exemplarisch etwa die verdienstvollen historisch an­ gelegten Untersuchungen bei Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel; darin Emmerich, Die historische Entwicklung von Beschlußverfahren und Beschlußkontrolle im Ge­ sellschaftsrecht der Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung des Aktienrechts; Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien in Brandenburg und Preußen; Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit; Pohlmann, Das Aktienrecht des 19. Jahrhunderts; Söhnchen, Die historische Entwicklung der rechtlichen Gründungsvoraussetzungen von Handels- und Aktiengesell­ schaften, die die erörterten Probleme der vergleichenden Methode vermeiden, aber ihrerseits auf Beschränkungen stoßen – bedingt durch die Beschränkung auf einen bestimmten Gegen­ stand (Emmerich, Lieder), auf eine bestimmte Epoche ( Jahntz; Pohlmann; Söhnlein), auf eine bestimmte Rechtsform oder jedenfalls auf einen bestimmten nationalen Kontext (zu beidem exemplarisch Bayer/Habersack). 25   Eine Ausnahme bilden die Untersuchungen von Frentrop, A History of Corporate Go­ vernance, 2002, die sich – allerdings (notwendigerweise) unter Inkaufnahme einer eher gerin­

B. Fehlende qualitative Bewertungskriterien als methodenübergreifendes Problem 21

den Blick gerückt ist, kann ebenfalls kaum überraschen: Jedenfalls in ihrer nor­ mativen Ausrichtung geht es ihr bekanntlich um die Bewertung oder zumindest die Analyse rechtlicher Lösungsansätze unter Effizienzgesichtspunkten und mithin um eine wertende Aussage über das Verhältnis der eingesetzten Instru­ mente zum damit verfolgten Zweck. Das damit – simplifizierend – umrissene Untersuchungsprogramm scheint zumindest auf den ersten Blick nicht allein terminologisch (etwas) präziser als die in der Rechtsvergleichung verwendete und nur geringfügig konturierte Formel von der Suche nach der „besseren Lö­ sung“. 26 Vielmehr liefert die Rechtsökonomik, indem sie sich mit Aussagen zur Effizienz der Zweck-Mittel-Relation um quantitativ fundierte Bewertungen bemüht, auch eine höhere Präzision im Hinblick auf den anzuwendenden Be­ wertungsmaßstab. Zudem trägt die Ökonomik insofern zur Klärung bei, als sie – etwa in Gestalt der ökonomischen Theorie der Unternehmung27 und der Fi­ nanzierungstheorie28 – differenzierte Interpretationsansätze für bedeutende Teilaspekte der einschlägigen Sachprobleme geliefert hat und damit nicht zu­ letzt auf rechtstatsächliche Gemeinsamkeiten jenseits aller ökonomisch, rechts­ systematisch und rechtskulturell bedingter Unterschiede zwischen den Rechts­ ordnungen aufmerksam macht. Darauf und auf den daraus abgeleiteten Folge­ rungen für die die Gesellschaftsrechte jeweils prägenden Zielvorgaben wird im Verlauf der Untersuchung wiederholt zurückzukommen sein. In dieser Hin­ sicht erweist sich die ökonomische Analyse in der Tat als überaus wertvolle Quelle, auf welche die rechtswissenschaftliche Aufbereitung von Sachproble­ men und Lösungsansätzen dringend angewiesen ist. Ihr Potential zur Präzisierung gerade der qualitativen Bewertung verschiede­ ner Rechtsinstitute aus unterschiedlichen Rechtskulturen und damit zur Wei­ terentwicklung des tradierten rechtsvergleichenden Methodenkanons harrt noch der Entdeckung. 29 Bislang allerdings ist die Rechtsökonomik als methodi­ gen Sensibilität für die Einzelheiten nationaler Regelungen – um Periodisierung und Systema­ tisierung der Gesellschaftsrechtsgeschichte in ausgesuchten Rechtsordnungen bemühen; vgl. im Überblick nochmals auch Hopt, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), Oxford Handbook of Comparative Law, S. 1161, 1178  ff. 26   Oben sub I. (S.  16) bei und in Fn. 11. 27   Deren Untersuchungsprogramm aus juristischer Perspektive prägnant zusf. jüngst Engert, FS Heldrich, 2005, S. 87: „Warum gibt es Unternehmen als mehr oder minder fest gefüg­ te Organisationen – und nicht nur Märkte, auf denen Einzelpersonen ad hoc Güter und Lei­ stungen tauschen? Welchen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten folgt die Grenzziehung zwi­ schen Unternehmen und Markt, also: Welche Leistungen stellen Unternehmen unter eigener Kontrolle bereit, welche beziehen sie über Austauschverträge am Markt? Wie sorgen Unter­ nehmen dafür, daß die Beteiligten nicht nur ihre jeweils eigenen Interessen, sondern auch die Ziele der Organisation verfolgen?“ Vgl. – mit Einzelbeispielen aus der Unternehmensrechts­ diskussion – nochmals auch Eidenmüller, JZ 2001, 1041  ff.; Fleischer, ZGR 2001, 1  ff.; ferner bereits Kirchner, JNPÖ 2 (1983), 137  ff.; Schanze, JNPÖ 2 (1983), 161  ff. 28   Vgl. einführend einstweilen nur Fleischer, ZGR 2001, 1, 9  ff. 29   Überzeugend schon van Aaken, Rational Choice, S. 40, 141  ff.; siehe auch Faust, in: Rei­ mann/Zimmermann (Hrsg.), Oxford Handbook of Comparative Law, S. 837, 845  ff.

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1. Kapitel:  Komplexität als Methodenproblem

sche Alternative zur Rechtsvergleichung oder als Ergänzung hierzu im Hin­ blick auf umfassende Systemvergleiche ihrerseits auf Probleme gestoßen. Die Überlegenheit der einen oder anderen Rechtsordnung im Hinblick auf konkre­ te Regelprogramme konnte empirisch ebensowenig belegt werden wie die Über­ legenheit der einen oder anderen Corporate-Governance-Struktur im Vergleich zwischen verschiedenen hochentwickelten Marktwirtschaften. Zwar sind in jüngerer Zeit wiederholt auf breiter Datenbasis empirische Effizienzvergleiche etwa zwischen kapitalmarktorientierten und bankbasierten Systemen der Un­ ternehmensfinanzierung30 und zwischen unterschiedlich ausgestalteten Syste­ men des Minderheitenschutzes31 vorgelegt worden, die statistisch signifikante Abweichungen im Hinblick auf den jeweils zugrundegelegten Effizienzmaß­ stab zu belegen scheinen. Die jeweils gewählte Methode einer Kombination we­ niger, insbesondere die rechtssystematische und rechtskulturelle Einbettung weitgehend ausblendender Variabler mit einer Vielzahl untersuchter Rechts­ ordnungen ist freilich bereits wiederholt kritisiert worden.32 Soweit damit ein qualitatives Urteil über „Effizienz“ oder „Ineffizienz“ unterschiedlicher Syste­ me gefällt wird, verschwimmt schon deshalb regelmäßig die Grenze zwischen empirisch tatsächlich belegbaren Erkenntnissen und den jeweils zugrundege­ legten rechts- oder wirtschaftspolitischen Prämissen, die nicht der empirischen Überprüfung und damit auch nicht der Falsifikation zugänglich sind.33 Von die­ sen methodischen Einwänden einmal abgesehen, die die Aussagekraft der Stu­ 30   Vgl. etwa Demirgüç-Kunt/Maksimovic, 53 J. Fin. 2107, 2134 (1998); La Porta/Lopez-deSilanes/Shleifer/Vishny, 52 J. Fin. 1131  ff. (1997); Macey, 10:4 J. Applied Corp. Fin. 63  ff. (1998); ferner Gugler/Mueller/Yurtoglu, JITE 163 (2007), 598  ff.; dies., 47 J.L. Econ. & Org. 589  ff. (2004) (Korrelation zwischen Einzelaspekten unterschiedlicher Corporate-Gover­ nance-Systeme). Zu Methoden, Erkenntniszielen und vorliegenden Studien im Überblick Bhagat/Romano, in: Polinsky/Shavell (Hrsg.), Handbook of Law and Economics, Bd. 2, Kap. 13; Lieder, ZVglRWiss 109 (2010), 216, 221  ff. 31   Vgl. La Porta/Lopez-de-Silanes/Shleifer, 54 J. Fin. 471  ff. (1999); dies., 61 J. Fin. 1  ff. (2006) – Normdurchsetzung im Kapitalmarktrecht; dies./Vishny, 106 J. Pol. Econ. 1113  ff. (1998); dies., 58 J. Fin. Econ. 3–27 (2002). 32   Vgl. nur Cools, 30 Del. J. Corp. L. 697  ff. (2005); Garrido Garcia, RabelsZ 69 (2005), 761, 766  ff.; Prigge, FS Hopt, 2010, S. 1153  ff.; Siems, Konvergenz, S. 7  ff.; dens., 13 Cardozo J. Int’l & Comp. L. 521  ff. (2005); ders., RabelsZ 72 (2008), 354, 369  ff. (der allerdings neuerdings ebenfalls quantitative Untersuchungen vorgelegt hat, die zwar die Ergebnisse der Gegenauf­ fassung relativieren, sich allerdings wohl vergleichbaren Bedenken ausgesetzt sehen, siehe Siems/Lele, ZHR 173 (2009), 119  ff.); zusf. Eidenmüller, JZ 2007, 487, 492; Windbichler, JZ 2008, 840, 841; skeptisch angesichts der damit verbundenen Ausblendung der rechtssystema­ tischen und rechtskulturellen Einbettung auch Bratton/McCahery, 38 Colum. J. Transnat’l L. 218, 216  ff., 228  ff. (1999); Coffee, 156 U. Pa. L. Rev. 229, 247  ff. (2007); Lieder, ZVglRWiss 109 (2010), 216, 227  ff.; Rock, 74 Wash. U. L.Q. 367  ff. (1996); differenzierend auch Pistor, ZVglR­ Wiss 109 (2010), 348  ff., insbes. 352  ff.; dies. u. a., 31 J. Comp. Econ. 676  ff. (2003); zurückhal­ tend auch hinsichtlich der für den empirischen Vergleich erforderlichen Modellierbarkeit von Bewertungskriterien ferner Roe, in: Milhaupt (Hrsg.), Global Markets, Domestic Instituti­ ons, S. 107, 124  ff., jeweils m. w. N. Vgl. auch die dezidierte, in vielen Punkten verallgemeine­ rungsfähige Kritik von Kern, JZ 2009, 498  ff. zu vergleichbaren Untersuchungen. 33   Überzeugend in diesem Sinne bereits Bratton/McCahery, 38 Colum. J. Transnat’l L.

B. Fehlende qualitative Bewertungskriterien als methodenübergreifendes Problem 23

dien wo nicht entwerten, so doch zumindest in Frage stellen, befassen sich die zitierten Arbeiten nur mit dem Recht der Publikums-Kapitalgesellschaften und blenden damit das Untersuchungsfeld der personalistischen Gesellschaften von vornherein aus, so daß ein unvollständiges Bild der tatsächlichen Finanzie­rungs­ praktiken und der damit verknüpften typusübergreifenden Rechtsprobleme zu­ grundegelegt wird. Schon deshalb wird man die Aussagekraft der Ergebnisse derart beschränkter empirischer Untersuchungen als Fundament für einen tragfähigen Systemvergleich als gering zu bewerten haben. Als Instrument des Systemvergleichs ist die ökonomische Analyse nach alle­ dem mit durchaus vergleichbaren Problemen konfrontiert wie die traditionelle funktionale Rechtsvergleichung. Schon grundsätzlich scheint bislang die Kon­ kretisierung des abstrakten Effizienzkriteriums zu einem quasi subsumtionsfä­ higen Maßstab für Vergleiche zwischen Regelprogrammen und regulatorischen Grundkonzepten – im Unterschied zum Vergleich von Sachlösungen für isolier­ bare Regelungsprobleme – kaum überzeugend gelungen. Viel zu unklar bleibt beispielsweise der kausale Zusammenhang zwischen volkswirtschaftlichen Kennzahlen wie dem Bruttosozialprodukt und den in den jeweiligen Rechts­ ordnungen eingesetzten rechtlichen Lösungsansätzen, als daß daraus konkrete Folgerungen im Hinblick auf die Tauglichkeit letzterer gezogen werden könn­ ten. Ähnlich vage, weil wiederum auf multikausalen Zusammenhängen beru­ hend, sind auch Börsenkurse als Bewertungsmaßstab.34 Insgesamt zeigen gera­ de diese Probleme, daß es der Rechtsökonomik in ähnlicher Weise wie der tra­ dierten funktionalen Rechtsvergleichung schwerfällt, die Wechselbeziehungen zwischen einzelnen gesellschaftsrechtlichen Regelungskomplexen untereinan­ der, aber auch zwischen diesen und den sie prägenden und von ihr geprägten ökonomischen, rechtssystematischen und rechtskulturellen Parameter in ange­ messener Tiefenschärfe abzubilden und im Rahmen einer quantitativen Bewer­ tung zu berücksichtigen.35 Ähnlich wie die Rechtsvergleichung auf Probleme bei dem Versuch eines Systemvergleichs stößt, weil sie an sich auf die isolierte Behandlung einzelner Sachprobleme angewiesen ist, bedarf die ökonomische Analyse zur Modellbildung der Reduktion von Realität auf Variablen. In beiden Fällen geht damit bei der Anwendung auf den umfassenden Systemvergleich (um den es hier allein geht) ein Verlust an Aussagekraft einher, der angesichts der komplexen Wechselbeziehungen zwischen Normen und Normumfeld die Tragfähigkeit der gewonnenen Ergebnisse als Grundlage für eine qualitative 217, 218 (1999), vgl. auch ebd., S. 228; ähnlich kritisch auch schon Merkt, ZVglRWiss. 103 (2004), 263, 267. 34   Vgl. zur begrenzten Aussagekraft von Börsenkursen als Indikator für die Qualität von Corporate-Governance-Strukturen auch noch unten, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub D. III. 1. b) bb) (S.  221 ff.). 35   Vgl. hierzu und zum folgenden auch bereits die scharfsichtige Bestandsaufnahme zur Leistungsfähigkeit des ökonomischen Methodenkanons für die Rechtsetzungslehre bei Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 312  ff.

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1. Kapitel:  Komplexität als Methodenproblem

Bewertung der untersuchten Lösungsansätze zu unterminieren droht.36 Wäh­ rend die Eignung der Rechtsökonomik als Instrument der Analyse von Einzel­ phänomenen im vorliegenden Kontext nach alledem kaum ernsthaft bestritten werden kann, bietet sie für den auf konkrete Lösungsansätze bezogenen Sy­ stemvergleich als Bestandteil einer umfassenden wissenschaftlichen Aufberei­ tung der maßgeblich von Rezeptionsvorgängen geprägten Rechtsentwicklung keine tragfähige Grundlage. Das Grundproblem einer auf die umfassende Ab­ bildung unterschiedlicher Systeme ausgerichteten Theorie, einerseits die Kom­ plexität der realen Situation aus methodischen Gründen verringern zu müssen, andererseits aber die jeweiligen Kausalitätsverläufe noch hinreichend zu erfas­ sen, ist unverkennbar.37

C. Modale Normanalyse als Ergänzung des Methodenkanons I.  Überblick In dieser auch von methodischen Unsicherheiten geprägten Situation werden vermehrt Forderungen artikuliert, die etablierten Untersuchungsprogramme durch ein an der Art und Weise rechtlicher Einflußnahme orientiertes For­ schungsprogramm zwar nicht zu substituieren, aber zu ergänzen. Parallelent­ wicklungen auf der Ebene der Rechtspolitik befeuern diese Diskussion zusätz­ lich; als einflußreich haben sich insbesondere die Bemühungen der Europäischen Kommission um eine rechtspolitische Neuausrichtung der Gemeinschafts­ rechtssetzung auf dem Gebiet des Unternehmensrechts erwiesen. In deren Rah­ men hat sich die sog. High Level Group of Company Law Experts bereits 2002 36   Vgl. in diese Richtung auch die skeptische Einschätzung der Aussagekraft vergleichen­ der Analyse von Corporate-Governance-Systemen im Hinblick auf die potentielle Rezeption auswärtiger Lösungsansätze bei Bratton/McCahery, 38 Colum. J. Transnat’l L. 213  ff. (1999). Aufschlußreich auch die historisch-vergleichende Analyse der Gesellschaftsrechtsentwick­ lung in zehn Rechtsordnungen von Pistor/Keinan/Kleinheisterkamp/West, 23 U. Pa. J. Int’l Econ. L. 791  ff. (2002). 37   Anschaulich zu diesem Dilemma bereits van Aaken, Rational Choice, S. 33: „Theorien [müssen] für die Forscher kognitiv handhabbar und verständlich sein (…). Dies verbietet eine Einarbeitung aller jener Faktoren, die eventuell mitbestimmend sind für die Makroebene, da dies zu einer unüberschaubaren Komplexität der Theorien führen würde. Dies bedeutet auch, daß der Konflikt zwischen größerer Allgemeinheit, Vollständigkeit und Genauigkeit der Theorie und einer stärkeren Orientierung an den Folgen bzw. der Bestimmbarkeit im Hin­ blick auf Probleme zugunsten einer stärkeren Orientierung an den Folgen bzw. Konklusionen aufgelöst werden kann. Um aber dem Vorwurf des Modellplatonismus zu entgehen, ist es notwendig, die analytischen Aussagen nicht ganz von der Empirie zu trennen. Die Bildung einer Theorie ist daher eine Gratwanderung zwischen dem Auffinden und der Formulierung der Bedingungen, die systematisch relevant, also nicht nur zufällig sind, und denjenigen, die bezüglich des betrachteten Problems nicht notwendig sind.“ (eig. Hervorhebung, Fußnote weggelassen).

C. Modale Normanalyse als Ergänzung des Methodenkanons

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für die zumindest teilweise Substitution detaillierter Richtlinien durch flexible­ re Regulierungsinstrumente (Modellgesetze, unverbindliche Corporate-Go­ vernance-Kodizes etc.) und eine stärkere Selbstbeschränkung des Gemein­ schaftsgesetzgebers auf den Erlaß von Rahmenrechtsakten ausgesprochen und damit dem Interesse an Alternativen zu tradierten Formen der Gesetzgebung eine ganz praktische Dimension verliehen.38 Für gegenwärtige und künftige Re­ formprobleme verschieben sich die Problemschwerpunkte zusehends: Während über die jeweiligen Regulierungsziele grundsätzlich oft Einigkeit besteht oder vergleichsweise leicht zu erzielen ist, liegen die Schwierigkeiten nicht zuletzt bei der Entscheidung zwischen hoheitlicher Steuerung einerseits und privaten Steuerungsinstrumenten andererseits.39 Nicht nur für das Gemeinschafts-Un­ ternehmensrecht läßt sich anschaulich von einer Welle des Experimentalismus im Hinblick auf die Modi der Regelsetzung sprechen.40 Insgesamt geht es den einschlägigen Arbeiten nicht primär um eine Neuori­ entierung der verwendeten Untersuchungsmethoden. Zentral ist vielmehr die Verschiebung der Untersuchungsperspektive von materialen Aspekten, d. h. von den Regelungszwecken und ihrer Abstimmung untereinander, hin zu formalen Gesichtspunkten der Ausgestaltung von Tatbestand und Rechtsfolge und zur Reichweite des Geltungsanspruchs von Regelungen. Beabsichtigt ist mithin die Systematisierung und Analyse strukturimmanenter Eigenschaften der eingesetzten Instrumente. Entsprechende Ansätze reichen von Untersu­ chungen einzelner Normtypen41 über den exemplarischen Vergleich zweier un­ 38   Hochrangige Expertengruppe, Moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen, S. 31  ff.; dazu auch Hertig/McCahery, ECFR 2006, 341  ff.; speziell zur Entwicklung europä­ ischer Modellgesetze Baums, FS von Rosen, 2008, S. 525  ff. 39   Vgl. – aus öffentlich-rechtlicher Perspektive, aber insoweit verallgemeinerungsfähig – auch Schuppert, Gute Gesetzgebung, S. 31  ff., insbes. 56  ff.; ders., in: Voßkuhle (Hrsg.), Entbü­ rokratisierung und Regulierung, 2006, S. 6, 26: „regulatory choice“ und „instrumental choice“ als methodologische Aufgabe, wobei ersteres das Maß des regulierenden Eingriffs betreffe („von der hoheitlich-staatlichen Regulierung bis zur Stärkung der selbstregulativen Kräfte des Marktes“), letzteres dagegen die Wahl des Eingriffsmittels („vom klassischen Ord­ nungsrecht bis zu Instrumenten ökonomischer Verhaltenssteuerung“); siehe dazu aus dem verwaltungswissenschaftlichen Schrifttum stellvertretend auch Eifert, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 19 Rn. 153  ff.; Franzius, ebd., § 4 Rn. 81  ff.; Michael, ebd., Bd. 2, § 41 („Formen- und Instrumen­ tenmix“); aus privatrechtlicher Perspektive auch Bachmann, Private Regelsetzung, S. 74  ff.; Köndgen, AcP 206 (2006), 477  ff.; Merkt, Gutachten G zum 64. DJT, G 60  ff.; in eine ähnliche Richtung weisend auch bereits Mertens, AG 1982, 29  ff., insbes. 31. 40   Vgl. Di Robilant, 54 Am. J. Comp. L. 499, 504 (2006): „new wave of experimentalism“ (insbesondere mit Blick auf die verstärkte Hinwendung zur Substitution hoheitlicher Regel­ setzung durch „soft law“, aber verallgemeinerungsfähig). 41   Vgl. aus dem deutschsprachigen Schrifttum exemplarisch etwa die Untersuchung von Beier zum „Regelungsauftrag als Gesetzgebungsinstrument im Gesellschaftsrecht“ oder die von Bachmann, JZ 2008, 11  ff., vorgelegte Studie über „Optionsmodelle im Privatrecht“; siehe zusf. auch bereits Großkomm/Assmann, Einl. Rn. 288  f. (Suche nach alternativen „neuen Re­ gelungsmodi“ als Charakteristikum der jüngeren Reformdiskussion). Die ältere Untersu­

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terschiedlich gearteter Normtypen (wie das prominente Beispiel des Vergleichs zwischen ex ante festgelegten Regelprogrammen – „rules“ – einerseits und ex post durch Rechtsprechung und ggf. Administrativentscheidungen konkreti­ sierten „standards“ andererseits) 42 bis hin zu – seltenen – umfassend angelegten Untersuchungsprogrammen, die häufig insbesondere die Alternativität von ge­ setzlichen und privaten Regulierungsansätzen thematisieren.43 Verwandt mit dieser Forschungsrichtung sind Studien zu institutionellen Determinanten und typischen Verlaufsmustern der Entwicklung (auch) gesellschaftsrechtlicher Normen und Normensysteme, die in jüngerer Zeit insbesondere in der USamerikanischen Literatur vorgelegt worden sind; exemplarisch dafür stehen nicht zuletzt zahlreiche Arbeiten zur Theorie der sog. „Pfadabhängigkeit“, 44 also der fortdauernden Prägung gesellschaftsrechtlicher Regelungssysteme durch möglicherweise historisch zufällige, endogene Faktoren in der Frühphase der Entwicklung. Die damit umrissenen Fragestellungen und Erkenntnisse sind chung von Laufke, Die Handelsgesellschaften und das zwingende Recht, 1931, galt mit dem Verhältnis zwingender und dispositiver Vorschriften im Gesellschaftsrecht bereits einem auch für das vorliegend verfolgte Untersuchungsprogramm relevanten Problemkreis und kann auch in methodischer Hinsicht als richtungsweisend für spätere, umfassend der moda­ len Normanalyse verpflichtete Ansätze gelten. 42   Vgl. dazu noch unten, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub C. II. und III. (S. 178 ff.). 43   Programmatisch insoweit etwa Fleischer, ZHR 168 (2004), 673  ff.; aus der monographi­ schen Literatur umfassend Augsberg, Private Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, passim; Bachmann, Private Ordnung, passim; Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, passim; nunmehr auch die eingehenden Untersuchungen von Cziupka, Dispositives Vertrags­ recht; Kähler, Macht und Vielfalt, sowie Möslein, Dispositives Recht, jeweils passim; aus ver­ waltungsrechtlicher Sicht schon die Beiträge in Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996; siehe ferner Eidenmüller, JZ 2007, 487, 490  f.; Köndgen, AcP 206 (2006), 477  ff.; Merkt, Gutachten G zum 64. DJT, G 60  ff., und bereits Wymeersch, in: Ferrarini u. a. (Hrsg.), Reforming Company and Takeover Law in Europe, 2004, S. 145  ff. 44   Vgl. hierzu und zum folgenden – mit jeweils unterschiedlicher Akzentsetzung – auch Bebchuk/Roe, 52 Stan. L. Rev. 127, 139  ff. (1999); Bratton/McCahery, 38 Colum. J. Transnat’l L. 213, 251 (1999); Gilson, 74 Wash. U. L.Q. 327, 329  ff. (1996); Licht, 26 Del. J. Corp. L. 147  ff. (2001); Roe, 109 Harv. L. Rev. 641  ff. (1996); siehe auch die aufschlußreichen Überlegungen zur Erklärung des Phänomens durch verhaltenswissenschaftliche Analyse der Gestaltungs­ praxis bei Kahan/Klausner, 74 Wash. U. L.Q. 347  ff. (1996). Grundlegend zur Theorie der Pfadabhängigkeit insbesondere Arthur, in: Anderson/Arrow/Pines (Hrsg.), The Economy as an Evolving Complex System, 1988, S. 9, 10; ders., Increasing Returns and Path Dependence in Economics, 1994, S. 99  ff., 133  ff.; zusf. zur Entwicklung der Theorie Ackermann, Pfadab­ hängigkeit, S. 9  ff.; Beyer, Pfadabhängigkeit, S. 14  ff.; Kiwit/Voigt, ORDO 46 (1995), 119, 127  ff. Kritisch zum Befund pfadabhängiger Entwicklungstendenzen für das britische Gesellschafts­ recht neuerdings Cheffins, Corporate Ownership and Control, S. 55  ff., allerdings auf der Grundlage eines (eher willkürlich) eng definierten Begriffs der Pfadabhängigkeit: Von Pfad­ abhängigkeit könne nicht bereits bei jedem historisch bedingten Verfestigungsprozeß, son­ dern nur dort gesprochen werden, wo es zur Verfestigung ineffizienter Strukturen komme. Dies überzeugt schon deshalb nicht, weil die Effizienz unternehmensrechtlicher Regelungs­ strukturen als solche letztlich kaum quantifizierbar ist und damit als taugliches Abgren­ zungskriterium ausscheidet.

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aus der Perspektive einer klassischen Dogmatik durchaus innovativ. Sie ver­ schaffen zugleich den oben entwickelten Zweifeln an der Tauglichkeit des Methoden­kanons von funktionaler Rechtsvergleichung und neoklassisch in­ spirierter Rechtsökonomik für den Systemvergleich weitere Nahrung. Unbe­ wohntes Terrain wird damit indes keineswegs betreten. Vielmehr bestehen Verbindungs­linien etwa zur Rechtssoziologie, zu Zweigen der Ökonomik (ins­ besondere zur Neuen Institutionenökonomik), zu den Verhaltenswissenschaf­ ten und hier vor allem zu ihrer spezifischen Weiterentwicklung durch die ver­ haltenswissenschaftlich informierte „Behavioral Law and Economics“-Schule sowie zur Rezeption auch dieser Ansätze in der Diskussion um neue For­ schungsansätze im Verwaltungsrecht (unten II.). Dieses intradisziplinäre und interdisziplinäre Fundament legt für die weitere Untersuchung eine Integration der damit grob skizzierten Untersuchungsprogramme in methodischer und in­ haltlicher Hinsicht nahe (unten III.). In Auseinandersetzung damit läßt sich auch das Erkenntnisziel der Untersuchung weiter präzisieren (unten IV.).

II.  Vorläufer- und Parallelentwicklungen Die Berücksichtigung außertatbestandlicher Funktionsdeterminanten bei der Bewertung rechtlicher Lösungsansätze entspricht im Kern zunächst einem al­ ten Postulat der Rechtssoziologie, die sich – in neuerer Zeit insbesondere im Zusammenhang mit und zur Vorbereitung von rechtstatsächlich orientierten Forschungsprogrammen – seit jeher mit der theoretischen Aufarbeitung von Fragen der (tatsächlichen) Geltung und Effektivität von Normen und Normen­ programmen aller Art befaßt. Sie beruht auf der zentralen Erkenntnis, daß ein umfassendes Funktionsverständnis rechtlicher Normen die Aufgabe der zu­ mindest für die kontinentaleuropäische Rechtslehre prägenden Konzentration auf den positiven Rechtssatz und seine systematische Stellung voraussetzt. 45 Rechtstatsächliche Untersuchungen haben in jüngerer Zeit auf dem Gebiet der Gesetzesfolgenabschätzung als Teilgebiet der Gesetzgebungslehre eine nicht unerhebliche praktische Bedeutung erlangt.46 Vorliegend sind sie nicht zuletzt   Richtungsweisend insoweit bereits Ehrlich, Grundlegung, S. 15  ff.   Vgl. zur Gesetzesfolgenabschätzung stellvertretend etwa Reimer, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 9 Rn. 109  f.; Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl. 2002, Rn. 152  ff.; Edinger, ZG 19 (2004), 149  ff.; Maurer, ZG 21 (2006), 377  ff.; siehe auch Müller, Rechtssetzungslehre, Rn. 103  f. (Tests, Simulationen und Planspiele als Elemente der Gesetzesfolgenabschätzung) und bereits Noll, Gesetzgebungsleh­ re, S. 86  ff., insbes. S. 94  ff. Vgl. auch das jüngst von Fleischer formulierte Postulat einer umfas­ senden Gesetzesfolgenabschätzung für das Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht (Fleischer, FS von Rosen, 2008, S. 595  ff.); in eine ähnliche Richtung auch Eidenmüller, JZ 2007, 487, 491 (Bewertung der Realfolgen unternehmensrechtlicher Normen als Forschungsprogramm). Zu den Verbindungslinien zum originär rechtssoziologischen Forschungsprogramm schon Teu45

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insofern von Interesse, als sie sich darum bemüht haben, die Vielzahl der ein­ gangs erwähnten außertatbestandlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen als Be­ dingungen für die Effektivität 47 rechtlicher Normen zu systematisieren und damit der planvollen Analyse zugänglich zu machen. Ebenso wie in der vorlie­ genden Untersuchung steht die Untersuchung der Wirksamkeitsbedingungen und der Effektivität von Rechtsnormen, nicht deren materiale Begründung bzw. Rechtfertigung im Vordergrund. Eine grobe, aber gerade deshalb anschauliche Zusammenfassung der gängigen Kategorien liefert etwa das Lehrbuch der Rechtssoziologie von Thomas Raiser;48 hiernach kann unterschieden werden zwischen „Wirksamkeitsfaktoren, die – in der Sphäre der Norm und des Normgebers angesiedelt sind, – im Bereich der Vollzugs- und Sanktionsinstanzen liegen, – sich aus dem allgemeinen Rechtsbewußtsein der Bevölkerung und den anerkannten religiösen, moralischen und sozialen Normen und Wertvorstellungen ableiten, – aus der Bezugsgruppe stammen, zu denen der Normadressat gehört, – in der Person des Normadressaten wurzeln.“49

Auffällig und für die hier verfolgten Zwecke richtungsweisend sind dabei ins­ besondere die Differenzierung von normimmanenten und sanktionsbezogenen Faktoren, die zumindest implizite („Sphäre der Norm“) Betonung auch und gerade der strukturellen Eigenschaften einzelner Regelungsmodi sowie der Hinweis auf die Bedeutung der Normrezeption durch die jeweiligen Adressa­ ten als Funktionsvoraussetzungen.50 Mit diesen Hinweisen und deren theoreti­ schem Fundament ist der Erkenntniswert rechtssoziologischer Forschung für bner, Rechtstheorie 6 (1975), 179  ff.; eingehend auch van Aaken, Rational Choice, S. 124  ff. Umfassender Ansatz zu einer historisch fundierten Rechtswirkungslehre bei Gmür, Rechts­ wirkungsdenken, passim. 47   Zur Effektivität von Normen als rechtssoziologisches Forschungsprogramm z. B. Noll, in: Rehbinder (Hrsg.), Schweizerische Beiträge zur Rechtssoziologie, 1984, S. 65  ff.; ders., Ge­ setzgebungslehre, S. 146  ff.; Perrin, in: Rehbinder, ebd., S. 75  ff. 48   Th. Raiser, Rechtssoziologie, S. 255 (Hervorhebungen nicht im Original). 49   Siehe auch den zwar im einzelnen abweichenden, aber strukturell vergleichbaren Vor­ schlag von Gessner, RabelsZ 36 (1972), 229  ff. für einen rechtssoziologisch informierten rechtsvergleichenden Untersuchungsansatz; vgl. auch Rehbinder, Rechtssoziologie, Rn. 115; zusf. van Aaken, Rational Choice, S. 110  ff. Mit inhaltlich ähnlichem Grundansatz auch Cheffins, Company Law, S. 224, der unpräzise formulierte Tatbestandsvoraussetzungen, Defizite auf der Normdurchsetzungsebene und Umgehungsstrategien als mögliche Ursachen für ein Verfehlen des Regelungszwecks identifiziert. 50   Vgl. zu letzterem pointiert auch Epstein, in: Gigerenzer/Engel (Hrsg.), Heuristics and the Law, S. 141: “It is only possible to select legal rules (…) to advance any social goal by un­ derstanding the (range of) responses that people will display toward the announcement and enforcement of these rules.” Gleichsinnig nunmehr auch Bechtold, Grenzen zwingenden Ver­ tragsrechts, S. 3  f.; Riesenhuber/Möslein, in: Riesenhuber (Hrsg.), Perspektiven des Europä­ ischen Schuldvertragsrechts, S. 1, 11: „Ohne die folgenorientierte Überlegung, wie Private auf soziale und rechtliche Regeln reagieren, kann eine Wissenschaft der Regelsetzung (…) nicht auskommen.“

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die vorliegend untersuchten Fragestellungen zwar keineswegs erschöpft. Wäh­ rend die Bedeutung einer rechtssoziologisch erweiterten Untersuchungsper­ spektive gerade mit Blick auf die Aufarbeitung von interrechtskulturellen Re­ zeptionsvorgängen früh betont worden ist,51 sind spezifisch rechtssoziologische Studien zu gesellschaftsrechtlichen Sachproblemen indes rar.52 Rechtssoziologi­ sche Ansätze zu einer umfassend angelegten Wirkungsanalyse der im Gesell­ schaftsrecht verwendeten Regelungsinstrumente finden sich, soweit ersichtlich, nicht. Der Transfer von der – so eindrucksvollen wie wegweisenden – Aufarbei­ tung von Problemen der Normbildung und Normwirkung und dem Entwurf eines entsprechenden Untersuchungsprogramms auf hohem Abstraktionsni­ veau hin zur Untersuchung des im vorliegenden Zusammenhang einschlägigen Rechtsstoffs, die zur Grundlage einer neuen, funktionsdogmatisch orientierten Aufarbeitung desselben werden könnte, steht noch aus und ist insbesondere von Seiten der rechtssoziologischen Forschung bislang nicht hinreichend vollzogen worden.53 Auch die Neue Institutionenökonomik bemüht sich um Aussagen über Ent­ stehung und Wirkung von Regelprogrammen („Institutionen“), 54 wobei sie in 51   Z.B. Rehbinder, Rechtstheorie 14 (1983), 305  ff.; vgl. auch van Aaken, Rational Choice, S. 139  ff.; aufschlußreich in diesem Zusammenhang auch die in den 1950er bis 1970er Jahren intensiv geführte Diskussion um eine mögliche wechselseitige Befruchtung rechtsverglei­ chender und rechtssoziologischer Ansätze; dazu etwa Carbonnier, in: Un siècle de droit com­ paré en France, Livre du Centenaire de la Société de Législation Comparée, 1969, S. 75  ff.; Drobnig, RabelsZ 18 (1953), 295  ff.; Gessner, RabelsZ 36 (1972), 229  ff.; Heldrich, RabelsZ 34 (1970), 427  ff.; Zweigert, RabelsZ 38 (1974), 299  ff.; siehe auch bereits Rabel, Rhein. Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht 13 (1924), 279, 283 („Rechtstatsachenforschung“ im umfassenden Sinn als Voraussetzung für die Rechtsvergleichung). 52   Vgl. aber die Habilitationsschriften von Ott, Recht und Realität der Unternehmenskor­ poration, 1977; Th. Raiser, Das Unternehmen als Organisation, 1969, sowie von Teubner, Or­ ganisationsdemokratie und Verbandsverfassung, 1978, die sich indes auf organisationssozio­ logische Aspekte des Unternehmens konzentrieren; eine Auseinandersetzung mit spezifi­ schen Problemen einzelner Normtypen unternehmen sie nicht. 53   Vgl. dazu – bezogen auf bürgerlich-rechtliche Sachthemen, aber auch für das Gesell­ schaftsrecht ohne weiteres verallgemeinerungsfähig – etwa Heldrich, AcP 186 (1986), 74  ff., insbes. 99  ff.; allgemein Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 84  ff. m. w. N.; eingehend auch die Methodenkritik bei van Aaken, Rational Choice, S. 115  ff. Um so bemerkenswerter ist allerdings der Umstand, daß Eugen Ehrlich als einer der Wegbereiter der Rechtssoziologie bereits 1900 eine umfassende Analyse der Funktionen dispositiven Rechts und damit eines auch und gerade im vorliegend verfolgten Untersuchungsprogramm relevan­ ten Problemkreises vorgelegt hat, von der auch heute noch wichtige Impulse ausgehen; vgl. Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht im Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 1899. 54   Vgl. etwa Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 7 (Institution als „System formgebundener (formaler) und formungebundener (informeller) Regeln einschließlich der Vorkehrung zu deren Durchsetzung“); ferner Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionen­ ökonomik, S. 22  ff., 289  ff. Grundlegend insoweit insbesondere North, Institutions, Institutio­ nal Change, and Economic Performance, 1990; Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, 1985; ders., The Mechanisms of Governance, 1996; siehe im Überblick auch dens., 38 J. Econ. Lit. 595  ff. (2000). Insoweit bestehen eher terminologische denn inhaltliche Paral­

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1. Kapitel:  Komplexität als Methodenproblem

Erweiterung der neoklassischen Methodologie komplexere Wirkungszusam­ menhänge – insbesondere die mit der Interaktion der Rechtssubjekte verbunde­ nen Transaktionskosten sowie die typischen Informationsasymmetrien in sog. Principal-Agent-Beziehungen – in die Analyse des Zustandekommens von Normen und die Erklärung ihrer Befolgung einbezieht. Dieser Ansatz hat durchaus konkrete Anwendungsgebiete, so auch in organisationstheoretischen Fragen und in der Unternehmenstheorie, gefunden.55 Daß seine Vertreter sich dennoch nicht vertieft mit den Funktionsvoraussetzungen gesellschaftsrechtli­ cher Regelprogramme auseinandergesetzt haben, verwundert angesichts der Verwurzelung dieses Ansatzes nicht in der Rechtswissenschaft, sondern in der Ökonomik kaum. Methodisch wie inhaltlich am weitesten vorgedrungen in die hier behandel­ ten Fragestellungen ist aus dem Kreis der eingangs erwähnten Disziplinen die­ jenige Schule, die im Kern, wie bereits der plakative Oberbegriff des „Beha­ vioral Law and Economics“ andeutet, als verhaltenswissenschaftlich informierte Weiterbildung der Rechtsökonomik charakterisiert werden kann.56 Sie hat ­zunächst die bislang vor allem neoklassisch ausgerichteten Grundannahmen um verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse zur Steuerungswirkung von (Rechts-)Normen im Hinblick auf menschliches Verhalten, aber auch zu den Prägungskräften für die Normbildung und Normsetzung bereichert und damit etliche Modellannahmen der Rechtsökonomik zu korrigieren geholfen. In Aus­ einandersetzung mit dem bisherigen Stand von Organisations-, Unternehmensund Finanzierungstheorie sind daraus sodann teilweise recht konkrete Er­ kenntnisse gewonnen worden, die den Blick gerade für die im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Sachfragen erheblich schärfen. Das Interesse an Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise unter­ schiedlicher Normtypen ist nach alledem ungeachtet aller Nuancen der jeweili­ gen Untersuchungsprogramme über die Grenzen von Disziplinen und Teildis­ ziplinen hinweg in stetem Wachstum begriffen. Die genuin rechtswissenschaft­ liche Forschung kann letztlich nur profitieren, wenn sie sich um Aufarbeitung und Auswertung der bislang gewonnenen Erträge dieser Ansätze bemüht. Dies illustriert in jüngerer Zeit – in anderem Sachzusammenhang, aber durchaus ver­ allgemeinerungsfähig – die Diskussion um „Steuerungsverluste“ der klassischen hoheitlichen Eingriffsverwaltung durch Konditionalprogramme im öffentli­ chen Recht, die den Blick für mögliche Alternativen hierzu geschärft hat.57 In lelen mit der (rechts-) soziologischen Institutionenlehre, die die „Institution“ begreift als „Kombination von Verhaltensmustern, die zusammenwirken, um ein Bedürfnis einer Grup­ pe zu erfüllen“; vgl. Röhl, Rechtssoziologie, §§ 43  ff., S. 365  ff. 55   Vgl. dazu Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 352  ff. 56   Vgl. einführend etwa die instruktiven Sammelbände von Sunstein (Hrsg.), Behavioral Law & Economics, 2000, sowie von Diamond/Vartiainen, Behavioral Economics and Its Ap­ plications, 2007. 57   Zur Steuerungsdiskussion im öffentlichen Recht etwa Böhm, Normmensch, S. 6  ff.,

C. Modale Normanalyse als Ergänzung des Methodenkanons

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der interdisziplinär gestützten Einsicht in vielfältige, auf verschiedene Ursachen zurückführbare Funktionsdefizite hat sich die einschlägige Diskussion ver­ stärkt einer modalen, mithin auf die Regelungsmodalitäten bezogenen, Norm­ analyse58 gewidmet. Erst in jüngster Zeit beginnt dieser Ansatz, auch auf Arbei­ ten mit zivilistischem Untersuchungsprogramm überzugreifen.59 Für das Kapi­ talgesellschaftsrecht legt ihn auch die vorliegende Untersuchung zugrunde.

III.  Untersuchungsmethode Dabei bedarf es von vornherein einer Einschränkung. Daß die theoretische Aufbereitung von Aspekten der Normgeltung ohne empirische Absicherung unvollständig bleiben muß und zu gültigen Aussagen nicht imstande ist, ist zu­ mindest unter rechtssoziologischen Arbeiten längst anerkannt, wie der hohe Stellenwert zeigt, der rechtstatsächlichen Forschungsansätzen im rechtssozio­ 178  ff.; Calliess, Prozedurales Recht, 1999, S. 73  ff.; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 805  ff.; Voßkuhle, Neue Verwaltungsrechtswissenschaft, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aß­ mann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 2006, § 1 Rn. 17  ff.; diffe­ renzierend etwa Reimer, ebd., § 9 Rn. 84  ff.; ferner allgemein die Beiträge in Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990; zusf. Edelbluth, Gewährleistungsaufsicht. Zur Verlagerung von Kontrollverantwortung in den gesellschaftli­ chen Bereich am Beispiel des Abfallrechts, 2007, § 2 D. II. Anschaulich zum damit ausgelösten pluralistischen Verständnis, das in klassischen Konditionalprogrammen nur mehr eines von mehreren möglichen Regulierungsinstrumenten sieht und damit die verstärkte Notwendig­ keit der „instrumental choice“ auf der Gesetzgebungsebene postuliert, auch Schuppert, in: Voßkuhle (Hrsg.), Entbürokratisierung und Regulierung, 2006, S. 6, 26  ff. Kritisch etwa Lepsius, Steuerungsdiskussion, S. 10  ff. und passim. 58   Vgl. Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160, 165; siehe auch Voßkuhle, in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, 1999, S. 47, 58. Exemplarisch für diesen Ansatz etwa Franzius, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 4, insbes. Rn. 37  ff. („maßgeschneiderte Optionenwahl“). 59   Grundlegend insoweit die Habilitationsschrift von Bechtold, Die Grenzen zwingenden Privatrechts, insbes. S. 332  ff. und passim; siehe daneben nunmehr die Dissertation von Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, passim, und die Habilitationsschriften von Kähler, Macht und Vielfalt, sowie Möslein, Dispositives Recht, jeweils passim; vgl. insoweit auch bereits Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 104  ff.; Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 511  f.; ferner Eidenmüller, JZ 1999, 53  ff.; aus staatsrechtlicher Sicht Augsberg, Private Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 19  ff., 51  ff.; eingehend in Auseinandersetzung mit den Funktionen dispo­ sitiven Rechts insbesondere im Zusammenhang mit der europäischen Privatrechtsvereinheit­ lichung auch Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37  ff. Vgl. – allerdings eher im Sinne einer Diskussion der daraus resultierenden Perspektiven für die künftige Forschung denn einer bereits ins Detail gehenden Analyse einzelner Normtypen – ferner Riesenhuber/Möslein, in: Riesenhuber (Hrsg.), Perspektiven des Europäischen Schuldvertragsrechts, S. 1, 10  f.; Calliess, FS Teubner, 2009, S. 465  ff.; Möslein, FS Hopt, 2011, S. 2861, 2874  ff., und schon Damm, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechsel­ seitige Auffangordnungen, S. 85  ff., insbes. 99  ff. Speziell zur Diskussion über Zulässigkeit und Stellenwert privater Rechnungslegungsstandards schon Staub/Hommelhoff/Schwab, HGB, § 342 Rn. 17  ff., und schon dies., BFuP 1998, 38, 45  ff.

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1. Kapitel:  Komplexität als Methodenproblem

logischen Methodenkanon beigemessen wird. 60 Auch für die Rechtsökonomik und ihre Weiterentwicklung durch die „Behavioral Law and Economics“-Schu­ le gewinnen empirische Überprüfung und zum Teil experimentelle Methoden zur Verifikation oder Falsifikation theoretischer Prämissen oder Hypothesen zunehmend an Bedeutung. Auch wenn sich Ansätze einer Rechtstatsachenfor­ schung auf gesellschaftsrechtlichem Gebiet durchaus finden, 61 fehlen indes em­ pirische Erhebungen speziell zu den hier behandelten Aspekten völlig. 62 Die vorliegende Untersuchung kann dieses Defizit nicht beheben. Sie bemüht sich vielmehr, die Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise von Regulie­ rungsinstrumenten und Regulierungsstrategien in Grundzügen herauszuarbei­ ten, zu systematisieren und zu beschreiben. Zu ermitteln sind zunächst damit die Zielvorgaben, die einen bestimmten Normtyp motivieren, die Art und Wei­ se der Umsetzung dieser Ziele im jeweiligen Tatbestand sowie die jeweils an­ wendbaren Durchsetzungsmechanismen. All diese Elemente reflektieren letzt­ lich die Annahmen des Gesetzgebers oder anderweitiger Normgeber über die Funktionsweise des jeweiligen Normtyps.

IV.  Erkenntnisziel In Ermangelung empirischer Erkenntnisse zu den tatsächlichen Wirkungszu­ sammenhängen muß sich die Arbeit insoweit auf vorläufige Aussagen über die dem jeweiligen Tatbestand zugrundegelegten Annahmen des Gesetzgebers und die tatsächlichen, damit nicht zwingend übereinstimmenden Funktionsvoraus­ setzungen beschränken. Eine ebenso vorläufige Plausibilitätskontrolle ist im Hinblick auf diese Annahmen jedoch durchaus möglich und angestrebt. Wenn sich der Blick nachfolgend insbesondere auf strukturimmanente, außerhalb des eigentlichen Tatbestands angesiedelte Funktionsvoraussetzungen einzelner Re­ gulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien richtet, so verbindet sich damit die Hoffnung auf ein präziseres Verständnis der Funktionsweise von Normen und Normenprogrammen. Indem er das Verständnis für das Gesamt­ spektrum der Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers schärft, könnte ein darauf gerichteter Ansatz idealiter zu den Fundamenten einer künftigen Theo­ 60   Vgl. stellvertretend Raiser, Rechtssoziologie, S. 15  ff.; im vorliegenden Zusammenhang entsprechend auch bereits Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 106; siehe auch schon Binder, ZGR 2007, 745, 746, 764  f. 61   Vgl. etwa Bayer (Hrsg.), Die Aktiengesellschaft im Spiegel der Rechtstatsachenfor­ schung, 2007. 62   Vgl. allgemein etwa den Überblick über bisherige empirische Untersuchungsergebnisse bei Bratton/McCahery, 38 Colum. J. Transnat’l L. 213, 228  ff. (1999); speziell zu dem ver­ wandten Problemkreis der Effektivität „prozedural“ orientierter, auf die innerbetriebliche Entscheidungsvorbereitung und Prozeßüberwachung abzielender Regulierung mit entspre­ chendem Ergebnis bereits Binder, ZGR 2007, 745, 783  f.

C. Modale Normanalyse als Ergänzung des Methodenkanons

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rie gesellschaftsrechtlicher Regelsetzung beitragen63 – insofern verstehen sich die nachfolgenden Ausführungen als Vorstudien hierzu, die für ein exempla­ risch ausgewähltes Rechtsgebiet einen Teilausschnitt der Gesetzgebungs- oder Rechtsetzungslehre vertiefend ausloten wollen. 64 Der Schwerpunkt liegt dabei indes nicht auf materialen Aspekten, wie sie auf abstrakter Ebene etwa im Ge­ bot der Normenklarheit oder im Postulat systematischer Stimmigkeit formu­ liert sind, sondern auf der Bedeutung der zunächst formal bestimmten Wahl eines konkreten Regelungsmodus für das Ergebnis. Gerade in der Erkenntnis, daß strukturimmanente Funktionsmerkmale unterschiedlicher Modi als eigenständige Determinanten der Regelungswirkung zu verstehen sind, liegt der in­ novative Gehalt der jüngeren, auch und gerade rechtsökonomisch fundierten rechtstheoretischen Arbeiten, auf denen die vorliegende Untersuchung auf­ baut. Wenn damit Aussagen zu alternativen Regulierungsstrategien im weitesten Sinne angestrebt sind, geht es zugleich um die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit als Instrumente zur Erreichung bestimmter Schutzzwecke. Der Untersu­ chungsgegenstand weist enge Bezüge auf zu der bereits seit geraumer Zeit ge­ führten Kontroverse um das rechte Verhältnis von staatlicher Einflußnahme und privatautonomer Gestaltung, die sich auch, aber nicht ausschließlich, in der Diskussion um das Verhältnis von Vertragsfreiheit einerseits und Satzungs­ strenge als „programmatische Absage an das Prinzip der Vertragsfreiheit für das Gebiet des Aktienrechts“65 sowie Typengesetzlichkeit im Gesellschaftsrecht andererseits niedergeschlagen hat. 66 Im vorliegenden Kontext geht es jedoch we­ 63   Programmatisch in diese Richtung bereits Fleischer, ZHR 168 (2004), 673  ff. („Prolego­ mena zu einer Theorie gesellschaftsrechtlicher Regelsetzung“). 64   Vgl. zum insgesamt umfassender angelegten, auch und insbesondere prozedurale As­ pekte der Rechtsetzung und hier vor allem der praktischen Ausgestaltung von Gesetzge­ bungsverfahren einbeziehenden Programm der Gesetzgebungslehre i. e. S. stellvertretend Hill, Einführung in die Gesetzgebungslehre, 1982; Krems, Grundfragen der Gesetzgebungs­ lehre, 1979; Noll, Gesetzgebungslehre, 1973; Müller, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 2. Aufl. 2006; Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl. 2002; Achterberg, DÖV 1982, 976  ff.; Karpen, ZG 1 (1986), 5  ff. (mit anschaulicher graphischer Systematisierung der unterschiedlichen For­ schungsansätze S. 8); ders., in: ders. (Hrsg.), Zum gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland, 1998, S. 371  ff.; Wyduckel, DVBl. 1982, 1175  ff.; ferner die Beiträge in Schäffer (Hrsg.), Theorie der Rechtssetzung, 1988. Die Bedeutung der Gesetzge­ bungsverfahren (und gerade nicht die Instrumentenwahl) in den Vordergrund stellend cha­ rakteristisch bspw. auch Schulze-Fielitz, ZG 15 (2000), 295  ff.; monographisch Mengel, Ge­ setzgebung und Verfahren, 1997. Vgl. für einen frühen, hierzulande wohl unbeachtet geblie­ benen Ansatz zu einer Rechtsetzungslehre – ohne Vertiefung der vorliegend untersuchten Sachprobleme – allerdings aus der französischen Literatur bereits Angelesco, La technique législative, 1930. 65   Pointiert Großkomm/Röhricht, AktG, § 23 Rn. 167. 66   Grundlegend die Untersuchungen von Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschafts­ verträgen, sowie (für das Recht der Personengesellschaften, aber vielfach verallgemeinerungs­ fähig) Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit, S. 25  ff., 40  ff. und passim; aus der jüngeren Diskussion repräsentativ ferner K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 III, S. 109  ff.,

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1. Kapitel:  Komplexität als Methodenproblem

niger darum, welche Aspekte das Gesetz – etwa durch zwingende Vorgaben in Verbindung mit einem strengen Typenzwang der Rechtsformen – überhaupt (und in welcher Intensität) regeln sollte. Vielmehr sensibilisiert der modale Un­ tersuchungsansatz möglicherweise für das tiefer wurzelnde Problem, welche Aspekte es überhaupt realistischerweise regeln kann.

insbes. S. 114  ff.; die Beiträge zum Symposium „11 Jahre ZGR“, ZGR-Sonderheft 13 (1998), darunter insbes. Hirte, S. 61  ff. (aktienrechtliche Satzungsstrenge); Hommelhoff, S. 36  ff. (Ge­ staltungsfreiheit im GmbH-Recht); Hopt, S. 123  ff. (Generalbericht) sowie Wiedemann, S. 5  ff. (Überblick); jüngst Bayer, Gutachten E zum 67. DJT, insbes. E 27  ff., E 81  ff.; dazu Spindler, AG 2008, 598  ff., insbes. S. 601, 603  ff.; Windbichler, JZ 2008, 840  ff.; vgl. auch W. Richter, ZHR 172 (2008), 419  ff.; vgl. auch bereits Kalss, Die Reform des Österreichischen Kapitalge­ sellschaftsrechts, Verhandlungen des 16. ÖJT, 2006, Bd. II/1, S. 33  ff., 51  ff., 74  ff. und passim.

2. Kapitel

Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien als Untersuchungsgegenstände A. Regulierung Indem die vorliegende Untersuchung sich Regulierungsinstrumenten und Regulierungsstrategien widmet, lehnt sie sich terminologisch an die Regulierungs­ theorie an. Dies erscheint schon deshalb begründungsbedürftig, weil Begriff und Phänomen der „Regulierung“ bislang in der deutschen Gesellschaftsrechts­ dogmatik keine gebräuchlichen Kategorien darstellen. Während Fragen der „Regulierung“ gesellschaftsrechtlich organisierten Wirtschaftens in die angloamerikanische Rechtswissenschaft längst Einzug gehalten haben,  bleiben sie in den gängigen deutschsprachigen Lehrbüchern zum Gesellschafts- und Unter­ nehmensrecht bislang ebenso wenig erwähnt wie weitestgehend auch in der mo­ nographischen Literatur. Das damit bezeichnete Untersuchungsprogramm    Vgl. nunmehr aber etwa Eidenmüller, JZ 2007, 487, 490  f.; Fleischer, ZHR 168 (2004), 673  ff., insbes. 707.    Charakteristisch etwa Bratton/McCahery, 73 N.C. L. Rev. 1861 (1995): „Regulatory Competition, Regulatory Capture, and Corporate Self-Regulation“; McConvill, 2 Corp. Governance L. Rev. 1 (2006): „Reflections on the Regulation of Contemporary Corporate Governance“; pointiert Easterbrook/Fischel, 89 Colum. L. Rev. 1416 (1989): “(…) the language of regulation is everywhere”; McChesney, 90 Colum. L. Rev. 1530, 1545 (1990): Anwendung regulierungstheoretischer Aussagen zur Begründung hoheitlicher Eingriffe auf die (von ihm verneinte) Legitimation zwingenden Gesellschaftsrechts; vgl. auch – mit einer eigenständigen Begrifflichkeit – Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a., Anatomy of Corporate Law, 2. Aufl. 2009, S. 39  f. und passim („regulatory strategy“). Ähnlich zum französischen Recht auch Champaud/Danet, RTD com. 2002, 17 („régulation“). Im Zusammenhang mit der Gemeinschaftsrechtssetzung im Unternehmensrecht etwa Weber-Rey, ECFR 2007, 370  ff.; Wymeersch, in: Ferrarini u. a. (Hrsg.), Reforming Company and Takeover Law in Europe, 2004, S. 145  ff. Dem kontinentaleuropäischen Regulierungsbegriff inhaltlich näherstehend demgegenüber allerdings etwa Greenfield, Failure of Corporate Law, S. 36  ff., 182  ff. und pas­ sim, der sich de lege ferenda für einen Ausbau gesellschaftsrechtlicher, insbesondere organisa­ tionsverfassungsrechtlicher Regelungsregimes zu regulatorischen Zwecken ausspricht und dabei das Ziel eines dem Stakeholder-Ansatz verpflichteten, weit multipolaren Pflichtenpro­ gramms (unter Einbeziehung der Interessen von Arbeitnehmern und Umweltschutzinteres­ sen) verfolgt. Ungeachtet der methodischen Orientierung an der ökonomischen Regulie­ rungstheorie besteht insoweit kaum Übereinstimmung mit dem hier verfolgten Ansatz, der schon für die lex lata einen regulatorischen Impetus bejaht und „Regulierung“ keineswegs auf den Schutz verbandsexterner Interessen beschränken will.    Vgl. zu Ausnahmen etwa Heine, Regulierungswettbewerb, passim; siehe auch Grund-

36 2. Kapitel:  Regulierungsinstrumente und -strategien als Untersuchungsgegenstände bedarf daher nicht nur der terminologischen Klärung, sondern zugleich der Le­ gitimation. Der erhoffte Erkenntnisgewinn liegt dabei nicht in größerer be­ grifflicher Schärfe, denn klare Konturen weist der Begriff der Regulierung nicht auf (unten I.). Die hier zugrundegelegte Kategoriebildung erleichtert jedoch die Bezugnahme auf die oft parallel gelagerten Fragestellungen und Ergebnisse der Regulierungswissenschaft. Diese hat sich – wenn auch oft in anderem Sachzu­ sammenhang – der Analyse der Funktionsvoraussetzungen und der Funktions­ weise einzelner Typen von Handlungsformen der Regulierung gewidmet und sich damit erfolgreich als Querschnittsdisziplin zwischen Rechts-, Wirtschaftsund Verhaltenswissenschaften angesiedelt (unten II.). Auf der oben grob abge­ steckten Route eines integrativen Methodenansatzes hat die Regulierungstheo­ rie mithin für die von ihr behandelten, zu dem vorliegend untersuchten Pro­ blemfeld zumindest Parallelen aufweisenden Gegenstände eine erhebliche Strecke zurückgelegt, was ihre Auswertung für die vorliegenden Zwecke durch­ aus sinnvoll erscheinen läßt.

I.  Terminologie Ein einheitliches Begriffsverständnis der „Regulierung“ hat sich bislang nicht durchsetzen können. Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaften, aber auch die rechtswissenschaftliche Literatur interpretieren den Begriff vielmehr unter­ schiedlich, was bereits auf das Fehlen eines gemeinsamen interdisziplinären Problemverständnisses hindeutet. Im deutschen rechtswissenschaftlichen Schrifttum wird die Kategorie üblicherweise mit öffentlich-rechtlicher Kon­ notation verwendet, ohne daß bislang terminologische Einigkeit erzielt worden mann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn. 88. Anders ist dies – mit Blick auf den besonderen Stellenwert verwaltungsrechtlicher Aufsichts- und Sanktionsstrukturen na­ turgemäß – im Kreis der monographischen Untersuchungen zu kapitalmarktrechtlichen Fra­ gestellungen, vgl. exemplarisch Kumpan, Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssy­ steme, S. 45  ff.    Ausschließlich gilt dies freilich nicht, wie die Verwendung der Terminologie im frühen handelsrechtlichen Schrifttum illustriert, vgl. von Hahn, Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 1. Bd., 3. Aufl. 1878, S. 316 (Freiheit der „vertragsmäßigen Re­ gulirung“ von Gesellschaften). Über öffentlich-rechtliche Fragestellungen hinausgehend auch die Beiträge in D. Hart (Hrsg.), Privatrecht im Risikostaat, 1997, die z. B. vertragliche Risikoregulierung mit privatrechtlichen Instrumenten (Damm, S. 13, 33  ff.; Gerstenberg, S. 89  ff.), aber auch die Regulierung der Organisationsverfassung im Unternehmensrecht (Spindler, Unternehmensorganisationsrecht, S. 99  ff.) behandeln. Offen, wenngleich mit ver­ waltungsrechtlichem Schwerpunkt, auch Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 19 Rn. 5: „jede gewollte staat­ liche Beeinflussung gesellschaftlicher Prozesse, die einen spezifischen, aber über den Einzel­ fall hinausgehenden Ordnungszweck verfolgt und dabei im Recht zentrales Medium und Grenze findet“. Zu jüngeren Ansätzen einer Neuorientierung auch im Unternehmensrecht nochmals Eidenmüller, JZ 2007, 487, 490  f.; Fleischer, ZHR 168 (2004), 673  ff., insbes. 707;

A. Regulierung

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wäre. Das von Masing zum Recht der „Regulierungsverwaltung“ vorgelegte Gutachten zum 66. Deutschen Juristentag 2006, das den Stellenwert der Regu­ lierungsproblematik in der staats- und verwaltungswissenschaftlichen Diskus­ sion besonders deutlich dokumentiert hat, leitet mit der ebenso nüchternen wie bezeichnenden Feststellung ein, bereits „was ‚regulieren‘ im Gegensatz zu ‚re­ geln‘ bedeutet“, sei „ungeklärt“. Die jüngere verwaltungsrechtliche Diskussion fokussiert sich auf Probleme der Substitution bzw. Erweiterung klassischer In­ strumente der hoheitlichen Eingriffsverwaltung um indirekte, kooperative, wettbewerbsbezogene Ansätze unter Einbeziehung privater Selbstregulierung in Erfüllung der verfassungsrechtlich präformierten Staatsaufgaben.  Unter­ sucht werden „die Ziele, die Intensität, die ökonomischen Zusammenhänge, die Erfolge der Regulierung und die beteiligten Interessen“. Die Untersuchungsge­ genstände sind dabei meist auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen für priva­ tisierte, nunmehr im Wettbewerb stehende Wirtschaftszweige (Post, Telekom­ munikation, Energienetze, Bahn) und deren Überwachung durch „Regulie­ rungsbehörden“ beschränkt.  Legt man diese Interpretation zugrunde, ist mit knapp auch Bachmann, JZ 2008, 11, 12, der die Regulierungstheorie zur Begründung staatli­ cher Eingriffe durch zwingendes Recht (auch) im Unternehmensrecht heranzieht.    Masing, Gutachten D zum 66. DJT, D 9; mit umfassender Literaturübersicht auch bereits ders., Verwaltung 36 (2003), 1, 2  ff.; pointiert bereits Ruffert, AöR 124 (1999), 237, 241. Völlige Deckungsgleichheit zwischen „regulieren“ und „regeln“ konstatiert – konsequent mit insge­ samt eher kritischer Bewertung des dogmatischen Aussagegehalts der Begrifflichkeit – etwa von Danwitz, DÖV 2004, 977, 984.    Vgl. z. B. Berringer, Regulierung als Erscheinungsform der Wirtschaftsaufsicht, 2004, S. 81  ff. und passim; Bullinger, DVBl. 2003, 1355  ff.; von Danwitz, DÖV 2004, 977  ff.; Franzius, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungs­ rechts, Bd. 1, § 4; Kämmerer, Privatisierung, S. 423  ff., 479  ff. (dort S. 482: Regulierung als „markantester Teil“ der Gewährleistungsverwaltung); Masing, Die Verwaltung 36 (2003), 1  ff.; ders., VerwArch. 95 (2004), 151  ff.; zusf. ders., Gutachten D zum 66. DJT, D 9; J. Müller/ Vogelsang, Staatliche Regulierung, S. 204  ff. und passim; Ruffert, AöR 124 (1999), 237  ff.; J.-P. Schneider, ZHR 164 (2000), 513, 515  ff. („spezifische Form staatlicher Steuerung … öffentlich gebundener Wirtschaftsbereiche“); Trute, FS Brohm, 2002, S. 169  ff.; ders./Broemel, ZHR 170 (2006), 706  ff.; Wißmann, Artikel „Regulierung/Deregulierung“, in: Heun/Wieland, Evange­ lisches Staatslexikon, 4. Aufl. 2006, Bd. 3, jeweils m. w. N.    So zusf. Rittner/Dreher, Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, Rn. 19, die Ziele und Untersuchungsprogramm der zitierten Stimmen als mögliche Referenzquelle für die von ihnen angestrebten Bemühungen um allgemeine Lehren des Wirtschaftsrechts diskutieren, mit Blick auf das anders gelagerte Erkenntnisinteresse indessen verwerfen.    Mit dieser Eingrenzung denn auch etwa Masing, Gutachten D zum 66. DJT, D 14 und passim („Netzregulierung“ als Gegenstand der gutachtlichen Untersuchung) sowie bereits ders., Die Verwaltung 36 (2003), 1, 10  ff.; vgl. apodiktisch in der Sache schon Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 7, 17; vgl. auch bereits Ruffert, AöR 124 (1999), 237  ff. Dieses gegenstandsbezogen definierte Begriffsverständnis liegt weitgehend auch den übrigen Nachw. oben Fn. 6 zumindest unausgesprochen zugrunde. Deutlich weiter im Ausgangs­ punkt etwa Kämmerer, Privatisierung, S. 487 (Regulierung als „staatlicherseits vorgenomme­ ner ordnender und gestaltender Ausgleich von Rechtsverhältnissen (…) im Wege der Rechts­ setzung, d. h. durch gesetzgeberisches Handeln oder durch Erlaß exekutivischer Einzelakte,

38 2. Kapitel:  Regulierungsinstrumente und -strategien als Untersuchungsgegenstände Blick auf die Spezifika dieser Sachgebiete ein Bezug zum hier verfolgten Unter­ suchungsprogramm eher fernliegend und der Erkenntnisgewinn einer Rezepti­ on dieser Erträge zweifelhaft. Dieser Befund relativiert sich allerdings, bezieht man die weniger an der Di­ chotomie von öffentlichem und privatem Recht orientierte Perspektive der an­ glo-amerikanischen rechtswissenschaftlichen sowie der – in unterschiedliche Schulen geteilten – wirtschaftswissenschaftlichen Regulierungstheorie ein. Auch dort haben sich verschiedentlich unternommene Ansätze zur Klärung des Aussagegehalts des Regulierungsbegriffs zwar keineswegs durchsetzen kön­ nen.10 Die von diesen Ansätzen untersuchten Sachprobleme sind zudem teilwei­ se denjenigen vergleichbar, auf die sich das Augenmerk der einschlägigen deut­ schen verwaltungsrechtlichen Literatur richtet.11 Doch werden die untersuchten Sachprobleme weniger als gegenständlich beschränktes Forschungsfeld ver­ standen, sondern eher als Referenzgebiete zur Untersuchung einer abstrakter definierten Problemstellung: der staatlichen Einflußnahme (durch gesetzliche Regelung und gesetzliche Sanktionsinstrumente) im Interesse bestimmter – re­ gelmäßig rechtspolitisch aufgeladener – Schutzziele.12 Abweichend von der die im Einzelfall auch freiheitsbeschränkende Wirkung haben können, keineswegs jedoch müssen.“); siehe aber auch ebd., S. 495  ff. mit inhaltlicher Beschränkung auf die Netzregulie­ rung. Mit einem ähnlich gegenstandsbezogenen Ausgangspunkt im ökonomischen Schrift­ tum etwa auch Breyer, Regulation, S. 289  ff.; Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirt­ schaftspolitik, S. 255  ff.; Kahn, The Economics of Regulation, Bd. 1, S. 2  ff. („The Regulated Sector“) und passim.    „Normative“ und „positive“ Regulierungstheorie; vgl. zu beiden im Überblick zunächst Krakowski, in: ders. (Hrsg.), Regulierung, S. 19, 95  ff.; zusf. Bachmann, Private Ordnung, S. 48  f.; vgl. auch Ogus, Regulation, S. 29  ff. 10   Vgl. im Überblick nur Ogus, Regulation, S. 1  ff. („bewildering variety of meanings“); ferner Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. 1  f.; umfassende, wenn auch nicht mehr vollständig aktuelle Zusammenstellung bei Mitnick, Political Economy of Regulation, S. 2  ff. 11   Vgl. z. B. Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. 190  ff. (Regulierung von Versor­ gungsunternehmen); Ogus, Regulation, S. 180  ff. („specific regulatory regimes“, insbes. Um­ welt- und Verbraucherschutz). 12   Vgl. z. B. Mitnick, Political Economy of Regulation, S. 6 (“Regulation is the policing, according to a rule, of a subject’s choice of activity, by an entity not directly party to or invol­ ved in that activity.”); Kumpan, Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme, S. 45 („gezielte staatliche oder staatlich sanktionierte Beschränkung der Handlungs- und Ver­ fügungsmöglichkeiten von Menschen“; „im wirtschaftlichen Bereich ist Regulierung als staatlicher Eingriff in die Bereitstellung wirtschaftlicher Güter bzw. zur Beschränkung von Marktmechanismen zu verstehen“); weitergehend Baldwin/Cave, Understanding Regulati­ on, S. 2: „specific set of commands (…) to be applied by a body devoted to this purpose”, „deliberate state influence”, „all forms of social control or influence“ als alternative Wortbe­ deutungen. Vgl. auch R. A. Posner, 5 Bell J. Econ. & Mgmt. Science 335 (1974): (economic) regulation als „pattern of government intervention in the market“; grundlegend für die öko­ nomische Regulierungstheorie – allerdings ohne terminologische Festlegung insoweit – Stigler, 2 Bell J. Econ. & Mgmt. Science 3 (1971). Ähnlich in der deutschsprachigen rechtsökono­ mischen Literatur etwa Kirchner, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentli­ ches und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 63, 65  ff.; vgl. auch Kruse, Öko­ nomie der Monopolregulierung, S. 153 („Regulierungssystem“ als „Gesamtheit aller institu­

A. Regulierung

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Mehrheit der Stimmen in der deutschen verwaltungsrechtlichen Literatur um­ schreibt der Begriff der Regulierung hiernach somit ein offenes, (teil-) disziplin­ übergreifendes Querschnittsproblem. Auch in dieser Hinsicht dominiert zwar vielfach klar die öffentlich-rechtliche Einbettung,13 doch treten die Berüh­ rungspunkte zum hiesigen Thema schon deutlicher zutage: Geht es um die Ein­ flußnahme auf private wirtschaftliche Betätigung im weitesten Sinne, so liegt „Regulierung“ auch vor, wenn und soweit durch gesetzliche Vorgaben Einfluß auf die Rechtsbeziehungen der Mitglieder von Kapitalgesellschaften unterein­ ander sowie zur Gesellschaft selbst und ihren Organen, aber auch auf die Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und Dritten ausgeübt wird. Die­ se Einflußnahme dient konkreten Schutzzielen (Gläubiger-, Anleger-, Minder­ heitenschutz etc.), und zwar, worauf zurückzukommen sein wird, keineswegs nur durch Normen des zwingenden Rechts.14 So gewendet, ist das Phänomen der „Regulierung“ im Kapitalgesellschaftsrecht omnipräsent. Auch historisch ist, wie zu zeigen sein wird, der lenkende Eingriff des Gesetzgebers im Gesell­ schaftsrecht weltweit deutlich stärker spürbar als etwa im lange Zeit vom Grundsatz weitestgehender Privatautonomie geprägten allgemeinen Vertrags­ recht. All dies macht verständlich, warum die anglo-amerikanische gesell­ schaftsrechtliche Literatur Kategorien der Regulierungstheorie ganz selbstver­ ständlich rezipiert; eine gewichtige Rolle dürfte zudem gespielt haben, daß mit der aufsichtsrechtlichen Überwachung des Bundes-Kapitalmarktrechts durch die Securities and Exchange Commission (SEC) seit den Securities Acts der 1930er Jahre auch korporationsrechtliche Aspekte in erheblichem Umfang durch eine Regulierungsbehörde i. e. S. gestaltet worden sind. Im folgenden soll der Begriff in Anlehnung an diese Ansätze verstanden wer­ den: Regulierung ist hiernach die planvolle Einflußnahme auf gesellschafts­ rechtlich organisierte Wirtschaftstätigkeit durch Gesetz oder durch Substitute gesetzlicher Regelungen zur Durchsetzung bestimmter Schutzzwecke.15 Die tionellen Elemente, Organisationsformen und Funktionsweisen“ in einer Branche); ähnlich Weber, Regulierung in wirtschaftspolitischen Ausnahmebereichen, S. 31  f.; enger, aber gleich­ wohl sachgebietsübergreifend etwa Apolte/Kessler, in: dies. (Hrsg.), Regulierung und Dere­ gulierung, S. 3, 4  f. (staatlicher Eingriff in die Vertragsfreiheit von Marktakteuren außerhalb der für alle Branchen allgemein geltenden Regeln). Vgl. aus rechtssoziologischer Perspektive auch Raiser, Rechtssoziologie, S. 246: Rechtsvorschriften mit dem Ziel, „das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben zu steuern“, als „regulatorisches Recht“. 13   Besonders deutlich, freilich bereits einschränkend Baldwin/Cave, Understanding Reg­ ulation, S. 2: „regulatory law“ als „public law in the sense that in general it is for the state (or its agents) to enforce the obligations which cannot be overreached by private agreement be­ tween the parties concerned.” (eig. Hervorhebung). 14   Zu den Regelungszwecken dispositiven Rechts noch näher unten, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 2. a) (S. 82 f.). 15   Ähnlich wie hier insoweit der Ansatz von Bechtold, Grenzen zwingenden Vertrags­ rechts, S. 2  f., 47  ff. und passim; vgl. aus der verwaltungswissenschaftlichen Literatur noch­ mals auch Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 19 Rn. 5 (dazu bereits oben Fn. 4).

40 2. Kapitel:  Regulierungsinstrumente und -strategien als Untersuchungsgegenstände Durchsetzung von Schutzzwecken bietet damit zugleich ein Kriterium für die erforderliche Abgrenzung des Untersuchungsprogramms zu Nicht-Regulie­ rungsnormen oder -normprogrammen, mit anderen Worten: zu den Fällen, in denen Normen zwar „regeln“, aber nicht „regulieren“: Normen, die ausschließlich privatautonome Gestaltung ermöglichen oder vereinfachen sollen, fehlt da­ mit der regulierende Charakter. Allerdings ist die damit angedeutete Unter­ scheidung nicht gleichzusetzen mit der Dichotomie von zwingendem und pri­ vatem Recht; vielmehr wird zu zeigen sein, daß auch und gerade dispositives Recht bereits de lege lata durchaus mit regulierender Funktion eingesetzt wird.

II.  Fragestellungen Die vorstehenden Ausführungen illustrieren nur die Existenz von Parallelen zwischen dem Gegenstand der Regulierungstheorie und jenem der vorliegen­ den Untersuchung – und belegen damit die Möglichkeit eines Imports regulie­ rungswissenschaftlicher Methoden und Erkenntnisse. Über den damit potenti­ ell verbundenen Erkenntniswert und mithin über den Sinn dieser Kategorien­ bildung im vorliegenden Zusammenhang besagt dies noch nichts. Er erschließt sich indes mit Blick auf die von der Regulierungstheorie verfolgten Fragestel­ lungen, die sich zu einem erheblichen Teil für das hiesige Untersuchungspro­ gramm fruchtbar machen lassen. Dies gilt schon für die regulierungstheoreti­ schen Bemühungen um die Begründung hoheitlicher Einflußnahme,16 die den Blick auf die Zwecke gesetzlicher Regelungen schärfen helfen. Von zentraler Bedeutung ist dabei der Topos des Marktversagens als Legitimation für den regulierenden Eingriff: Letzterer wird nur dann als vertretbar, aber auch not­ wendig angesehen, wenn die privaten Akteure durch Markttransaktionen im weitesten Sinne, regelmäßig also durch vertragliche Vereinbarungen, nicht zu einer adäquaten Problemlösung gelangen (können).17 Auf diesen letztgenannten Zusammenhang ist allerdings das Interesse der vorliegenden Untersuchung zu­ gleich auch beschränkt; nicht behandelt werden auf der materialen Ebene ange­ siedelte Aspekte von Regulierungszielen und Regulierungsprogrammen.18 Auf­ 16   Dazu vorerst Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. 9  ff.; eingehend Ogus, Regu­ lation, S. 29  ff.; siehe ferner die Nachw. oben Fn. 9. Wie hier auch bereits Eidenmüller, JZ 2007, 487, 490  f. („Notwendigkeit einer Regulierung“ im Vergleich mit Marktinstitutionen und Selbstregulierung sowie mögliche Zielkonflikte als Forschungsfelder im Unternehmensrecht); knapp auch Bachmann, JZ 2008, 11, 12. 17   Allgemein Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. 9  ff.; Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 89  ff. (Ursachen und Ausprägung von Marktversa­ gen), S. 222  ff. und 255  ff. (regulatorische Bewältigung); Ogus, Regulation, S. 29  ff. 18   Auch insoweit wäre allerdings, worauf hier nur am Rande hinzuweisen ist, die Rezepti­ on regulierungstheoretischer Fragestellungen im Unternehmensrecht möglicherweise mit einem nicht unerheblichen Erkenntnisgewinn verbunden. So ließe sich etwa untersuchen, in­

A. Regulierung

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schlußreich sind sodann die Erträge der Regulierungstheorie zur Art der einge­ setzten Instrumente.19 Richtungsweisend ist zunächst der breite Untersu­ chungsansatz, der sich über die Kategorien des zwingenden und des dispositiven Rechts hinaus um eine präzise Typologie alternativer Regulierungsinstitute be­ müht hat, die sich zur Übertragung auch auf gesellschaftsrechtliche Normpro­ gramme eignet. Damit in Zusammenhang steht die Anerkennung der Funktionsäquivalenz unterschiedlicher Regulierungsinstrumente, die die Grenzen zwischen bürgerlichem, öffentlichem und Strafrecht transzendiert. Das damit eröffnete Spektrum reicht von Ge- und Verbotsnormen des Privatrechts oder öffentlichen Rechts über indirekte Anreize bis hin zur vollständigen Delegie­ rung von Regulierungsaufgaben an Private. 20 Die rechtswissenschaftliche Er­ forschung der Gesetzgebungstechnik kann von dieser Sichtweise nur profitie­ ren.21 Indem die Regulierungstheorie von grundsätzlicher Substituierbarkeit der alternativen Regulierungsinstrumente ausgeht, 22 konzentriert sie den Blick auf die Funktionsvoraussetzungen der verschiedenen Instrumente, die allein als entscheidungsrelevantes Kriterium für die Wahl unter mehreren Gestaltungsal­ ternativen herangezogen werden können. Weiterführend sind für die hier ver­ folgten Zwecke schließlich die mit alledem eng verflochtenen Erkenntnisse der Regulierungstheorie zur Funktionsweise und hier insbesondere zu den nicht beabsichtigten Konsequenzen einzelner Regulierungsinstrumente. In der rechtssoziologischen Forschung und hier insbesondere in den rechtssoziolo­ gisch fundierten Arbeiten zur Gesetzgebungslehre finden sich hierzu Vorläu­ fer- und Parallelentwicklungen; auch diese Arbeiten haben sich um eine syste­ wieweit vermeintlich objektiven Schutzzielen dienende Reformprojekte tatsächlich auch oder vielleicht sogar ausschließlich auf die Interessen der Regulierungsadressaten ausgerichtet sind (Phänomen der sog. regulatory capture, dazu grundlegend Stigler, 2 Bell J. Econ. & Mgmt. Science 3  ff. (1971); siehe auch schon Bernstein, Regulating Business, S. 1955; ferner Becker, 98 Q. J. Econ. 371  ff. (1983); Mitnick, Political Economy of Regulation, S. 94  ff.; Peltzman, 19 J.L. & Econ. 211, 212  ff. (1976); siehe noch näher unten, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub D. IV. 2. a) (S. 242 f.)). Ebenso könnten die in der Regulierungstheorie gewonnenen Erkenntnisse zur re­ gulatory capture den Blick für die Probleme der Einbindung privater Akteure in die Stan­ dardsetzung schärfen; vgl. dazu noch unten, 2. Teil, 1. Abschn., 2. Kap., sub C. (S. 279 ff.). 19   Vgl. auch Eidenmüller, JZ 2007, 487, 491, der die damit aufgeworfenen Fragen unter den Gesichtspunkten des „Regulierungszeitpunkts“ („kurz-, mittel- oder langfristig“), der „Re­ gulierungsintensität“ („Empfehlung oder verbindliche Regelung“) und „Regulierungseffek­ tivität“ („Ausmaß der Zielerreichung“) diskutiert. 20   Vgl. nochmals Schuppert, in: Voßkuhle (Hrsg.), Entbürokratisierung und Regulierung, 2006, S. 6, 26  ff. („instrumental choice“, „institutional choice“ und „regulatory choice“ als Aufgabe des Regulierungsgesetzgebers). 21   Etwas überspitzt daher Bullinger, DVBl. 2003, 1355, 1357, der dem Regulierungsbegriff fehlende „Spezifizität“ und damit fehlende Eignung als dogmatischer Unterbau eines Ge­ währleistungs-Verwaltungsrechts attestiert. 22   Anschaulich dazu die zunächst unterscheidungslos gleichrangige Zusammenstellung der in Betracht kommenden Instrumente bei Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. 34  ff. („regulatory strategies“), 96  ff. (Normdurchsetzung).

42 2. Kapitel:  Regulierungsinstrumente und -strategien als Untersuchungsgegenstände matisierende Erfassung und Aufbereitung typischer Ursachen für Effektivitäts­ defizite von Rechtsnormen bemüht. 23

B. Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien Als „Regulierungsinstrumente“ werden nachfolgend die unterschiedlichen Phänotypen gesetzlicher oder vertraglich gestalteter Regelungen bezeichnet, die im Kapitalgesellschaftsrecht allgemein und zur Regulierung der Finanzie­ rungsbeziehungen insbesondere Verwendung finden (unten I.). „Regulierungs­ strategien“ meint demgegenüber die Verknüpfung einzelner bzw. mehrerer In­ strumente mit einem Schutzzweck bzw. mehreren (konkurrierenden) Schutz­ zwecken (unten II.). Anders als bisherige Ansätze, die insoweit nicht differen­ zieren, 24 legt die vorliegende Untersuchung damit eine strikte konzeptionelle Unterscheidung zwischen dem einzelnen Normtyp als solchem und seiner An­ wendung durch den Gesetzgeber im jeweiligen Sachkontext zugrunde. Dies findet seine Begründung in jeweils unterschiedlichen Sachproblemen: Lassen sich für die einzelnen zur Verfügung stehenden Regulierungsinstrumente je­ weils strukturell bedingte unterschiedliche Funktionsvoraussetzungen, aber auch Abweichungen in der jeweiligen Funktionsweise feststellen, so gilt das In­ teresse bei der Definition von Regulierungsstrategien den sich daraus und aus der Kombination der Regulierungsinstrumente ergebenden Perspektiven für die Realisierung der Schutzziele im Kapitalgesellschaftsrecht. Regulierungs­ strategien bieten, so betrachtet, idealtypisch Möglichkeiten, die jeweiligen Spe­ zifika einzelner Regulierungsinstrumente gezielt zu nutzen und durch Kombi­ nation jeweilige Stärken auszubauen und/oder entsprechende Defizite zu kom­ pensieren. Anschaulich lassen sich Regulierungsinstrumente in der hier zu­ grundegelegten Terminologie mit Werkstoffen vergleichen, die bereits als solche bestimmte strukturimmanente Eigenschaften aufweisen, aber erst in der „Ver­ arbeitung“ – im Rahmen der Formulierung von Regulierungsstrategien – ihre Wirkungen voll entfalten.

23   Grundlegend Noll, Gesetzgebungslehre, S. 146  ff.; siehe im Anschluß daran auch van Aaken, Rational Choice, S. 164  ff., die Zweckverfehlung, unvorhergesehene, schädliche Ne­ benwirkungen und Spätfolgen, Perplexität von Ausgleichs- und Präventivwirkungen sowie einen lediglich symbolischen Regelungsgehalt ohne konkrete Auswirkungen als typische Fallgruppen ineffektiver Normen diskutieren. 24   Vgl. etwa Bachmann, JZ 2008, 11  ff., insbes. 13  f., der unter den Begriff des „Optionsmo­ dells“ sowohl dispositive Regeln, mithin Regulierungsinstrumente im hier verwendeten Sinn, als auch Kombinationen aus dispositiven und zwingenden Vorschriften subsumiert; siehe dazu noch im einzelnen unten, 2. Teil, 2. Abschn., 1. Kap., sub C. Insoweit ähnlich – teilweise im Anschluß an Bachmann, a.a.O. – auch Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 118  ff., S. 331  ff. und passim, der in beiden Fällen von „Regulierungsinstrumenten“ spricht.

B. Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien

43

I.  Regulierungsinstrumente Der Begriff des „Regulierungsinstruments“ ist in der hier verwendeten, engen Bedeutung25 weder in der deutschsprachigen noch (etwa als „regulatory instru­ ment“) in der anglo-amerikanischen Literatur gebräuchlich. Inhaltlich stehen ihm allerdings die Kategorien der „regulatory technique“26 bzw. der „regulato­ ry strategy“27 nahe, die sich als Oberbegriff für ein durchaus vielfältiges Spek­ trum verschiedener Handlungsoptionen etabliert haben: Ge- und Verbote, ho­ heitliche Eingriffsakte, kooperative Ansätze (insbesondere im Wege der ver­ traglichen Vereinbarung mit Regulierungsadressaten), Informationspflichten, Anreizstrukturen u.v.m. Die hier vorgeschlagene Kategorie („Regulierungsinstrument“) scheint diesem Bedeutungsgehalt indes angemessener als jene der „Strategie“. Letzterer impliziert bereits den planvollen Einsatz dieses oder jenes Instruments zu einem bestimmten Zweck. Art und Ausgestaltung der einzel­ nen Instrumente sind aber konzeptionell hiervon unabhängig, da diese Instru­ mente potentiell universell, d. h. typischerweise zu unterschiedlichen Zwecken, einsetzbar sind.28 Soll die hier angestrebte, modal orientierte Analyse untersu­ 25   Siehe aber einerseits Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 118  ff. und pas­ sim, der ohne Unterscheidung zwischen dem einzelnen Normtyp und Kombinationen unter­ schiedlicher Normtypen von „Regulierungsinstrumenten“ spricht; ferner Cziupka, Disposi­ tives Vertragsrecht, S. 9 („regulierungstechnisches Repertoire“); andererseits den inhaltlich vergleichbaren – allerdings eher unscharf definierten – Begriff des „Gesetzgebungsinstru­ ments“ bei Beier, Regelungsauftrag, S. 8 und passim (ebd. S. 8: „allgemein jedes Mittel des Gesetzgebers zur Gestaltung der Rechtsordnung“; anders S. 16: „alle Regelungen des einfa­ chen nationalen oder des europäischen Gesetzgebers, die das Verhältnis der Erstellung mate­ rieller Regeln zwischen Gesetzgeber und Privaten organisieren“). Ähnlich offen auch Littger, Deutscher Corporate Governance Kodex, S. 73  f. und passim; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150  ff.: DCGK als Regelungs- (Littger) bzw. „Regulierungsinstrument“ (Ulmer, jeweils ohne Pro­ blematisierung des Begriffs); Corporate-Governance-Kodizes als „hybride Regulierungsin­ strumente“ bezeichnend auch Weiß, Hybride Regulierungsinstrumente, S. 19  ff. und passim. Abweichendes Begriffsverständnis auch bei Kumpan, Regulierung außerbörslicher Wertpa­ pierhandelssysteme, S. 72, der „Preis-, Qualitäts- und Marktzugangsregulierung“ als „In­ strumente für eine Regulierung“ identifiziert und damit nicht zwischen Instrumenten und Gegenständen des regulatorischen Eingriffs differenziert; ähnlich auch E. von Hippel, ZG 2 (1987), 1, 2  ff. („Regelungstypen“, z. B. „Steuerung durch Information“, „Steuerung durch Anreize“, „Steuerung durch Befehle“). Eher wie hier dagegen Riesenhuber/Möslein, in: Rie­ senhuber (Hrsg.), Perspektiven des europäischen Schuldvertragsrechts, S. 1, 10  f. 26   Vgl. Davies/Hertig/Hopt, in: Kraakman u. a., Anatomy, 1. Aufl. 2004, S. 224 (in der 2. Aufl. nicht mehr enthalten); mit gleicher Terminologie, aber ohne definitorische Festlegung auch Wymeersch, in: Ferrarini u. a. (Hrsg.), Reforming Company and Takeover Law in Euro­ pe, 2004, S. 145  ff. Ähnlich im französischen Schrifttum die profunde vergleichende Arbeit zu Regelungstechniken im französischen und deutschen Privatrecht von Lasserre-Kiesow, Tech­ nique législative, S. 1  f., 19  ff. und passim. 27   Vgl. im Überblick vorerst Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. 34  ff., die aber – ohne klare Abgrenzung – auch von „regulatory techniques“ sprechen. Mit diesem Verständ­ nis möglicherweise auch Eidenmüller, JZ 2007, 487, 491. 28   Dies auch gegen die Verwendung des Begriffs des „Regulierungsinstruments“ bei Berringer, Regulierung als Erscheinungsform der Wirtschaftsaufsicht, S. 121  ff., der darunter un­

44 2. Kapitel:  Regulierungsinstrumente und -strategien als Untersuchungsgegenstände chen, ob sich für die unterschiedlichen Arten gesetzlicher Handlungsoptionen abstrakte Erkenntnisse zu Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise un­ terschiedlicher Regulierungsinstrumente jeweils im Zusammenhang mit unter­ schiedlichen Regulierungszwecken gewinnen lassen, so sind beide Ebenen auch deshalb strikt zu trennen. Für sich genommen, ist der Begriff des „Regulierungsinstruments“ gleich­ wohl erkennbar konturenarm und konkretisierungsbedürftig. Sein Bedeu­ tungsgehalt folgt aus der Funktion, die strukturimmanenten formalen Spezifi­ ka der unterschiedlichen Gestaltungsoptionen herauszuarbeiten. Insoweit kommen verschiedene Ansätze zur Systematisierung in Betracht, die im folgen­ den zu präzisieren und zu systematisieren sind:29 die Urheberschaft von Regu­ lierung (unten 1.), der Geltungsanspruch von Regulierung (unten 2.), sodann Unterschiede in der Dichte und Präzision der Tatbestände sowie, damit zusam­ menhängend, deren Konkretisierungszeitpunkt (unten 3.) und schließlich un­ terschiedliche Normdurchsetzungsmechanismen (unten 4.).

1.  Urheberschaft Unterschieden werden kann erstens und grundsätzlich nach der Urheberschaft von Regulierungsinstrumenten. Der Gesetzgeber kann sich zum einen ent­ schließen, Sachverhalte vollständig selbst zu regulieren (gesetzliche Regulie­ rung). Er kann alternativ auf Regulierung verzichten und dabei – ausdrücklich oder konkludent – die Regulierungsaufgabe vollständig (privatisierte bzw. private Regulierung) oder teilweise delegieren (teilprivatisierte Regulierung), wo­ bei nochmals zwischen der Normsetzungs- und der Normdurchsetzungsebene differenziert werden kann. Dabei werden im folgenden allerdings nicht die mit privater Regel- oder Standardsetzung verbundenen Rechtsfragen allgemein un­ tersucht,30 die in nicht geringem Maß eher materiale als modale Fragen betref­ fen. Vielmehr geht es vorrangig um eine Analyse des geltenden Regelungsrah­ mens unter formal-funktionalen Aspekten; private Alternativen hierzu werden als denkbare Lösung zur Behebung festgestellter Funktionsdefizite einbezo­ gen, soweit sie bereits de lege lata Verwendung finden.

terschiedliche Gegenstände regulierender Eingriffe subsumiert („Marktteilnahmeregulie­ rung“, z. B. durch Genehmigungspflichten, im Unterschied zur „Marktverhaltensregulie­ rung“, z. B. durch Einflußnahme auf Preise und Konditionen). 29   Ähnlich Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. 101: “Rules may vary according, inter alia, to: degree of specificity or precision; extent, coverage, or inclusiveness; accessibility and intelligibility, legal status and force; and the prescriptions or sanctions they incorporate.“ Vgl. auch die von Black, [1995] Public Law, 94, 96, vorgeschlagenen, ähnlichen, aber etwas unstrukturierten Systematisierungskriterien. 30   Umfassend dazu die Habilitationsschrift von Bachmann, Private Ordnung, passim.

B. Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien

45

2.  Geltungsanspruch Als zweiter Anknüpfungspunkt für die Systematisierung kommt sodann der unterschiedlich gestaltbare Geltungsanspruch von Regulierungsinstrumenten in Betracht. Den Ausgangspunkt bildet die klassische Dichotomie von zwin­ gendem und dispositivem Recht. Es wird sich allerdings erweisen, daß diese Kategorien die verfügbaren Gestaltungsmöglichkeiten nicht vollständig abbil­ den, sondern der Erweiterung bedürfen. Eine zunehmend beachtete Zwitter­ stellung nehmen Gestaltungsformen ein, die dem Adressatenkreis nicht die iso­ lierte Disposition über einzelne Rechtssätze überlassen, sondern die Wahl zwi­ schen verschiedenen Normprogrammen eröffnen.31 Dieser Aspekt betrifft indes bereits die Kombination von Regulierungsinstrumenten im Rahmen konkreter Regulierungsstrategien.

3.  Dichte, Komplexität und Präzision Weiterhin kann angeknüpft werden an Unterschiede in Dichte, Komplexität und Präzision und damit in der „formalen Realisierbarkeit“ des jeweiligen Tat­ bestands. Untechnisch formuliert, sind damit die Unterschiede zwischen „offe­ nen“, konkretisierungsbedürftigen (insbesondere: unter Verwendung unbe­ stimmter Rechtsbegriffe formulierten) und abschließenden Tatbeständen ange­ sprochen, die sich in der Realität naturgemäß wiederum nicht dichotomisch, sondern als Kontinuum präsentieren. Potentielle Effektivitätsvorteile offener „Standards“ gegenüber abschließenden „Rules“ sind ein zentraler Topos der jüngeren anglo-amerikanischen regulierungs- und rechtstheoretischen Litera­ tur und, darauf aufbauend, in der dortigen Gesellschaftsrechtstheorie. Schon deshalb wird dieser Unterscheidung im Verlauf der Untersuchung besonderes Augenmerk zu widmen sein.32 Eng mit dem Vorstehenden verknüpft sind damit Unterschiede im Hinblick auf den Wirkungszeitpunkt bzw. Konkretisierungs­ zeitpunkt und die zeitliche Wirkungsrichtung der Regulierungsinstrumente. Auch damit ist ein Aspekt angesprochen, dem in der anglo-amerikanischen Li­ teratur vielfach eine große Bedeutung im Hinblick auf die Effektivität von Rechtsnormen zugeschrieben wird: Normen, die ihre Wirkung erst nach dem tatbestandlich erfaßten Verhalten entfalten, soll danach ein größeres Potential zur Verhaltenssteuerung innewohnen als ex ante ansetzenden Regulierungsin­ strumenten. Beispielhaft dafür steht der vielfach postulierte Effektivitätsvorteil 31   Vgl. zu den Möglichkeiten derartiger Wahlmodelle vorerst nochmals Bachmann, JZ 2008, 11  ff.; Hertig/McCahery, ECFR 2006, 341  ff., insbes. 347  ff., und noch näher unten, 2. Teil, 2. Abschn., 2. Kap., sub C. (S. 367 ff.). 32   Siehe noch näher unten, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub C. II. (S. 178 ff.) und III. (S. 191 ff.).

46 2. Kapitel:  Regulierungsinstrumente und -strategien als Untersuchungsgegenstände haftungsinduzierter gegenüber institutionellen (Gläubiger-) Schutzmechanis­ men, wie er in der Reformdiskussion um den Stellenwert des Gläubigerschutzes durch gesetzliche Mindestkapital- und Kapitalschutzbestimmungen formuliert worden ist.33

4.  Unterschiedliche Normdurchsetzungsmechanismen Besonders bedeutsam sind schließlich – teilweise mit dem Vorstehenden ver­ knüpft – Unterschiede zwischen Regulierungsinstrumenten im Hinblick auf die Wahl und Ausgestaltung der Normdurchsetzungsmechanismen, die für die Effektivität einer Regulierungsstrategie regelmäßig von entscheidender Bedeu­ tung sein werden. Normdurchsetzungsmechanismen als Bestandteile von Re­ gulierungsinstrumenten nehmen im Vergleich zu den vorstehend skizzierten Kategorien schon deshalb eine Sonderstellung ein, weil sie eine gewisse Selb­ ständigkeit aufweisen, untereinander vielfach austauschbar sind und variabel mit dem jeweiligen Tatbestand und dessen unmittelbarer Rechtsfolge kombi­ niert werden können. So kommen für Ge- und Verbotsnormen gleichermaßen verschiedene Normdurchsetzungsmechanismen in Betracht, darunter nicht nur Haftungsfolgen, ordnungs- oder strafrechtliche Sanktionen, sondern ggf. auch – wie insbesondere im Kapitalmarktrecht – die hoheitliche Überwachung und Durchsetzung der Normbefolgung mit aufsichtsrechtlichen Mitteln, ferner die Kontrolle bestimmter Sachverhalte durch das Registergericht und schließlich sogar die mit Ge- oder Verboten ggf. verbundene Appellwirkung.34

II.  Regulierungsstrategien Beschreibt der Begriff der „Regulierungsstrategien“ im vorliegend verwendeten Sinn die Zuordnung eines Regulierungsinstruments oder mehrerer Instrumen­ te zu einem oder mehreren konkreten Regulierungszweck(en),35 so ist unmittel­ 33   Vgl. im Überblick aus der europäischen Reformdiskussion kontrovers etwa Armour, EBOR 7 (2006), 5  ff.; Enriques/Macey, 86 Cornell L. Rev. 1165, 1184  ff. (2001); Ferran, ECFR 2006, 178  ff.; Mülbert, EBOR 7 (2006), 257  ff.; ders./Birke, EBOR 3 (2002), 696  ff.; Kuhner, ZGR 2005, 755  ff.; zusf. Merkt, ZGR 2004, 305  ff. 34   Zu allem noch näher unten, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub D. (S. 202 ff.). 35   Daß diese Definition keineswegs allgemein anerkannt ist, ist bereits oben (sub I. (S. 43) bei und in Fn. 27) angeklungen. Mit einem abermals anders orientierten, engeren Verständnis Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a., Anatomy, 2. Aufl. 2009, S. 35, 37  ff., dort S. 37: “By ‘legal strategy’, we mean a generic method of deploying substantive law to mitigate the vulnerability of principals to the opportunism of their agents. These strategies can be di­ vided into two subsets, which we term, respectively, ‘regulatory strategies’ and ‘governance strategies’. Regulatory strategies are prescriptive; they dictate substantive terms that govern either the content of the agent-principal relationship, or the formation or dissolution of that

B. Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien

47

bar einsichtig, daß eine Konkretisierung insbesondere hinsichtlich der in Be­ tracht kommenden Zwecke vorgenommen werden muß. Denn diese setzen zu­ gleich den Maßstab, anhand dessen die Funktionsweise (und Funktionsdefizite) von Regulierungsinstrumenten festzustellen und zu bewerten sind. Daß die Konkurrenz mehrerer Regelungszwecke in „polyfunktionalen“ bzw. „polyte­ len“36 Regulierungsinstrumenten dabei besondere Probleme bereiten könnte, ist schon prima facie nachvollziehbar. Indessen begegnet diese Kategorie schon grundsätzlich einem durchaus er­ heblichen Einwand: Von „Strategie“ kann im eigentlichen Wortsinn nur ge­ sprochen werden, wenn die jeweils gemeinte Zweck-Mittel-Beziehung auf planund absichtsvoller Gestaltung beruht. Weniger überzeugend erscheint die Ter­ minologie demgegenüber dort, wo die Wahl von Regulierungsinstrumenten im geltenden Recht eher historische Zufälligkeiten und rechtskulturelle oder au­ ßerrechtliche Prägungen reflektiert als auf Analyse der Optionen und abwägen­ der Planung beruht. Dies ist, wie bereits angeklungen und im folgenden noch auszuführen ist, vielfach der Fall; beispielhaft dafür mag einstweilen die Ent­ wicklung fiduziarischer Geschäftsleiterpflichten stehen, die sich in den angloamerikanischen Rechtsordnungen von vornherein außerhalb der Sphäre gesetz­

relationship. By contrast, governance strategies build on the elements of hierarchy and de­ pendency that commonly characterize agency relationships; they attempt to protect princi­ pals indirectly, either by enhancing their power or by molding the incentives of their agents.” Ob die damit vorgeschlagene Kategorienbildung, die regulatory strategies und governance strategies offensichtlich als gleichrangige Unterkategorien von legal strategies (= „Regulie­ rungsstrategien“ im hier verwendeten Sinn) qualifiziert, die Vielzahl von Gestaltungsoptio­ nen voll erfaßbar macht, erscheint allerdings nicht zweifelsfrei. Unklar bleibt beispielsweise, wie Phänomene der Delegation von Regulierungsverantwortung und mithin der Problem­ kreis der Selbstregulierung hiernach einzuordnen wären, die nach der hier vorgeschlagenen Systematisierung unproblematisch unter den Oberbegriff der „Regulierungsstrategie“ zu subsumieren wären. Hinter der – deshalb nur scheinbar irrelevanten – terminologischen Fra­ ge stehen damit im Ergebnis Probleme der Abgrenzungsfähigkeit der Begriffe, die die hier verwendete Begrifflichkeit vorzugswürdig erscheinen lassen. Nicht synonym mit der Kategorienbildung von „Regulierungsinstrument“ und „Regulie­ rungsstrategie“ im hier verwendeten Sinne ist der Gegensatz zwischen „Rechtssatz“ und „Re­ gelung“, wie ihn in der methodenwissenschaftlichen Literatur etwa Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl. 1991, S. 264  ff., und ders./Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. 1995, S. 85  ff., eingeführt haben: „Regelung“ bezeichnet danach die Bildung von Tatbeständen und Zuordnung von Rechtsfolgen zu ihnen „unter bestimmten leitenden Gesichtspunkten“; „Regelung“ beschreibt mithin ein gegenständlich und nach seinem individuellen Zweck abgrenzbares Subsystem von Rechtssätzen innerhalb der (Privat-) Rechtsordnung. So stellt das System der kaufrechtlichen Mängelgewährleistung als ein aus verschiedenen, miteinander verzahnten und in der Anwen­ dung zusammenwirkenden Rechtssätzen eine „Regelung“ in diesem Sinne dar (vgl. jeweils a. a.O.). Der Schwerpunkt dieser Kategorie liegt – im Unterschied zur Kategorie der „Regulie­ rungsstrategie“ im hier verwendeten Sinne – mithin auf der materialen Ebene, nicht auf der Ebene der formalen Ausgestaltung von Tatbestand und Rechtsfolge als Instrumente zur Er­ reichung bestimmter Zwecke. 36   Formulierung nach Towfigh, Staat 48 (2009), 29, 33.

48 2. Kapitel:  Regulierungsinstrumente und -strategien als Untersuchungsgegenstände geberischer Gestaltung vollzogen hat.37 Wenn ohne Rücksicht hierauf im fol­ genden von Strategien die Rede ist und damit implizit von freier Austauschbar­ keit, Kombinierbarkeit und folglich von Planbarkeit ausgegangen wird, so ist dies mit Blick auf die historisch gewachsene Kontextabhängigkeit der „Strategi­ en“ mithin nicht unproblematisch, findet aber seine Rechtfertigung darin, daß die jüngere Gesetzgebungspraxis und teilweise auch die sie beratende Wissen­ schaft gerade diese Annahmen unausgesprochen zugrundelegen.

  Siehe dazu noch die historisch-vergleichende Untersuchung exemplarischer Regelungs­ gebiete im 3. Teil der Arbeit (S. 399 ff.). 37

2. Teil

Grundlagen einer Theorie der Regelsetzung im Kapitalgesellschaftsrecht Beschreibt der Begriff der „Regulierungsstrategie“ die Verknüpfung von Regu­ lierungsinstrumenten mit einem Regulierungsziel, so liegt die Annahme freier Kombinierbarkeit funktionsäquivalenter Instrumente zur Erreichung bestimm­ ter Ziele nicht fern. Sie entspricht, wie gezeigt, auch den Prämissen des bisheri­ gen regulierungswissenschaftlichen Schrifttums, das sich auf dieser Grundlage der Untersuchung von Vor- und Nachteilen der in Betracht kommenden Kom­ binationen widmet.  Eine Untersuchung dieser Zusammenhänge setzt zunächst die Systematisierung und vorläufige Bewertung der in Betracht kommenden Regulierungsinstrumente und der hierzu in der bislang vorliegenden Literatur formulierten Aussagen über deren strukturimmanente Merkmale (1. Abschnitt), sodann der damit realisierbaren Regulierungsstrategien (2. Abschnitt) voraus. Bereits im Ersten Teil der vorliegenden Arbeit ist begründet worden, weshalb dabei in methodischer Hinsicht ein integrativer, disziplinübergreifender Ansatz zugrundegelegt werden muß: Erforderlich ist die Einbeziehung originär gesell­ schaftsrechtswissenschaftlicher, aber auch zivilrechtsdogmatischer, rechtsöko­ nomischer, rechtstheoretischer und rechtssoziologischer Erkenntnisse, an die als Vorarbeiten angeknüpft werden kann. Dabei wird sich herausstellen, daß die Hypothese freier Austausch- und Kombinierbarkeit nicht voll verifizierbar ist. Der mit ihr verbundene Erkenntnisgewinn ist gleichwohl nicht gering zu veran­ schlagen, denn mit den funktionalen Unterschieden zwischen verschiedenen Regulierungsinstrumenten rücken zugleich die Grenzen ihrer Austauschbar­ keit in den Blick.

  Oben, 1. Teil, 2. Kap., sub B. II. (S. 46 f.).   Vgl. nochmals nur Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. 34  ff. („regulatory stra­ tegies“), 96  ff. (Normdurchsetzung) und bereits oben, 1. Teil, 2. Kap., sub A. II. (S. 40 f.).  

1. Abschnitt

Regulierungsinstrumente Daß unterschiedliche Ansätze zur Systematisierung der in Betracht kommen­ den Regulierungsinstrumente denkbar sind, ist bereits im 1. Teil angeklungen. Im folgenden sind die oben knapp vorgestellten Systematisierungskriterien aus­ zubauen und die hierzu bislang formulierten Aussagen über deren strukturim­ manente Eigenschaften einer ersten Plausibilitätskontrolle zu unterwerfen. Von zentraler Bedeutung ist dabei zunächst die Wahl zwischen den verschiedenen Gestaltungsalternativen der gesetzlichen Regulierung (1. Kapitel). Auf der Grundlage der damit vorgenommenen Auseinandersetzung mit Funktionswei­ se und Funktionsdefiziten gesetzlicher Regulierungsinstrumente kann in einem zweiten Schritt der Versuch unternommen werden, die Perspektiven privatisier­ ter und teilprivatisierter Regulierung als Ergänzung oder Substitut zur gesetz­ lichen Einflußnahme grob auszuloten (2. Kapitel). Während die Regelungsge­ genstände privater und teilprivatisierter Regulierung häufig mit jenen der ge­ setzlichen Regulierung vergleichbar sein werden, unterscheiden sich die Gestal­ tungsformen privatisierter Regulierung von ihr schon prima facie nicht allein hinsichtlich der Urheberschaft, sondern auch hinsichtlich ihrer jeweiligen Funktionsmerkmale. In einer Gesamtschau (3. Kapitel) erweist sich, daß die untersuchten Regulierungsmodi durch ein doppeltes Informationsproblem zu­ gleich motiviert und in ihrer Leistungsfähigkeit beschränkt werden: Gesetzli­ che Regulierung ist einerseits nicht zuletzt eine Reaktion auf unzureichende Information der betroffenen Akteure, die der effektiven Bewältigung der Sach­ probleme ausschließlich durch privatautonome Gestaltung Grenzen setzt. Ge­ setzliche Regulierung setzt jedoch andererseits ebenfalls eine hinreichende In­ formationsbasis auf der Gesetzgebungsebene voraus: Informationen nicht nur hinsichtlich des zu regelnden Sachproblems, sondern auch hinsichtlich der Funktionswirkungen der dazu eingesetzten Regulierungsinstrumente. Schon für die Regulierungsinstrumente erweisen sich damit Informationsdefizite als das Hauptproblem einer Rechtsetzungslehre (wohl nicht nur) im Kapitalgesell­ schaftsrecht.

1. Kapitel

Gesetzliche Regulierungsinstrumente Die im 1. Teil der Untersuchung eingeführten Unterscheidungskategorien ge­ setzlicher Regulierungsinstrumente – Geltungsanspruch, formale Realisierbar­ keit und Konkretisierungszeitpunkt, Normdurchsetzungsmodalitäten  – be­ zeichnen Strukturmerkmale, mit denen bereits Hypothesen über bestimmte funktionale Eigenschaften verknüpft werden. Diese sind im folgenden näher auszuloten und auf ihre Konsequenzen für die Bedeutung des jeweiligen In­ struments im System der Regulierung von Finanzierungsbeziehungen im Kapi­ talgesellschaftsrecht zu überprüfen. Allen gesetzlichen Regulierungsinstru­ menten gemeinsam ist die übergeordnete Funktion der Verhaltenssteuerung im Interesse der Umsetzung der Regulierungsziele (unten A.). Untersucht man so­ dann entsprechend den genannten Unterscheidungskategorien das „Wie“ der Verhaltenssteuerung näher, so zeigt sich ein facettenreiches Bild: Schon die Wahl zwischen den Grundformen des dispositiven und zwingenden Rechts (unten B.), aber auch Abstufungen im Hinblick auf die Detailliertheit der Rege­ lungen mit den daraus folgenden Konsequenzen (unten C.) haben Auswirkun­ gen auch auf die Effektivität von Regelungen. Gleiches gilt für die Wahl zwi­ schen unterschiedlichen Instrumenten der Normdurchsetzung (unten D.).

A.  Ausgangspunkt: gesetzliche Regulierung als Instrument der Verhaltenssteuerung Jedes Regulierungsinstrument zielt per definitionem darauf ab, menschliches Verhalten in einem bestimmten Sinne zu beeinflussen. Verhaltenssteuerung zählt zugleich zu den zentralen Funktionen von Rechtsnormen allgemein.  1. Teil, 2. Kap., sub B. I. (S. 43 ff.).   Z.B. Rüthers, Rechtstheorie, 4. Aufl. 2008, Rn. 72, 76  ff. („Aufgaben und Funktionen“); siehe auch Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 3  f.; Rehbinder, Rechtssoziolo­ gie, Rn. 101. Mit anderem Begriffsverständnis Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 263  ff., die von „Zwecken“ als den „beabsichtigte[n] Folgen einer Handlung“ und von „Funktionen“ als den „Wirkungen“ sprechen, „die eintreten ohne Rücksicht darauf, ob sie bezweckt worden sind“. Die vorliegend verwendete Terminologie folgt dem weiteren Be­ griffsverständnis, wie es etwa Rüthers, ebd., zugrundelegt, und meint mithin die hierarchisch den konkreten Zwecken übergeordnete, von diesen abstrahierende Aufgabe der Rechtsnorm (die freilich nicht oder jedenfalls nicht allein subjektiv unter Beschränkung auf die Motivation  

52

1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

­ iese Feststellung ist auch im vorliegenden Zusammenhang keineswegs trivial. D Wenn nachfolgend qualitative Aussagen über Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise von Regulierungsstrategien gewonnen werden sollen, präzi­ siert sie vielmehr den funktionsdogmatischen Bewertungsmaßstab: Zu fragen ist nach den tatbestandlichen und außertatbestandlichen Voraussetzungen da­ für, daß das jeweilige Regulierungsinstrument die beabsichtigte verhaltenssteuernde Wirkung tatsächlich erreichen kann. Dies entspricht dem Effektivitätsbe­ griff der Gesetzgebungswissenschaft rechtssoziologischer Orientierung, die sich mit dem Verhältnis der tatsächlichen Wirkungen bzw. Ergebnisse einerseits und den damit verfolgten gesetzgeberischen Zielen andererseits befaßt. Diese Wirkung ist keineswegs gleichzusetzen mit einer wie auch immer gearteten, z. B. sanktionsinduzierten, Zwangswirkung und setzt diese auch nicht voraus.  Verhaltenssteuernde Wirkung ist vielmehr auch (und gerade) dann zu konsta­ tieren, wenn Regeln freiwillig befolgt werden, z. B. weil entsprechende wirt­ schaftliche Anreize hierzu bestehen. Besonders aufschlußreich sind die Ergeb­ nisse rechtstheoretischer Arbeiten, die in jüngerer Zeit konkretere Aussagen zum „Wie“ der Verhaltenssteuerung durch Rechtsnormen formuliert haben. Auch in Auseinandersetzung mit den (freilich durchaus kontrovers beurteilten) Spezifika sozialer Normen, also unabhängig von gesetzlicher Kodifikation und gesetzlich fixierten Sanktionen auftretenden Verhaltensregelmäßigkeiten (z. B. etablierte Verhaltenspraktiken),  vermitteln diese Ansätze Erkenntnisse insbe­ des – historischen – Gesetzgebers, sondern objektiv mit Blick auf die durch die Norm tatsäch­ lich ausgelösten Wirkungen zu bestimmen ist). Umstritten, aber kaum zu leugnen ist demge­ genüber lediglich die verhaltenssteuernde Wirkung solcher Rechtssätze, die nicht ausdrück­ lich als Sollenssätze formuliert sind, insbesondere also Normen mit prima facie in erster Linie kompensatorischen Zwecken, vgl. – rechtsgebietsübergreifend, aber insbesondere zum zivilen Haftungs- und Schadensersatzrecht – Wagner, AcP 206 (2006), 352, 358  ff., 451  ff.    Vgl. im Überblick nochmals van Aaken, Rational Choice, S. 116  ff., 164  f.; siehe auch be­ reits oben, 1. Teil, 1. Kap., sub C. II. (S. 28).    Daß eine Reduktion des Rechtsbegriffs auf das Verständnis als Zwangsordnung verkürzt wäre, hat aus rechtssoziologischer Perspektive bereits Ehrlich prägnant betont; vgl. Ehrlich, Grundlegung, S. 29  ff.    Zur Bedeutung von Anreizen als Determinanten der Regelbefolgung aus dem rechtsöko­ nomischen Schrifttum allgemein etwa Kirchgässner, Homo Oeconomicus, S. 27  ff., 241  ff.; van Aaken, Rational Choice, S. 79.    Zum Begriff der sozialen Norm einführend z. B. Rüthers, Rechtstheorie, 4. Aufl. 2008, Rn. 97  ff.; vgl. auch Bachmann, Private Ordnung, S. 368; Raiser, Rechtssoziologie, S. 184  ff.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 199  ff.; vgl. allgemein auch bereits von Jhering, Der Zweck im Recht, Bd. 2, passim; Ehrlich, Grundlegung, S. 63  ff.; Weber, Wirt­ schaft und Gesellschaft, S. 181  ff. (Rechtssatz, Konvention und Sitte); aus der anglo-amerika­ nischen Diskussion vertiefend etwa McAdams, 96 Mich. L. Rev. 338  ff. (1997), sowie die Sym­ posiumsbeiträge von Coffee, 149 U. Pa. L. Rev. 2151 (2001); Cooter, 27 J. Legal Stud. 585 (1998); ders., 86 Va. L. Rev. 1577 (2000); Ellickson, 27 J. Legal Stud. 537 (1998); Hardin, 86 Va. L. Rev. 1821 (2000); Lessig, 144 U. Pa. L. Rev. 2181 (1996); Levmore, 86 Va. L. Rev. 1989 (2000); E.A. Posner, 144 U. Pa. L. Rev. 1697 (1996); R.A. Posner, 27 J. Legal Stud. 553 (1998); Scott, 86 Va. L. Rev. 1603 (2000); allgemein E.A. Posner, Law and Social Norms, 2002, passim; speziell zur Bedeutung sozialer Normen im Gesamtgefüge des Unternehmensrechts – jeweils

A.  Ausgangspunkt: gesetzliche Regulierung als Instrument der Verhaltenssteuerung 53

sondere über die wenig transparenten, vielfach unbeabsichtigten Wirkungsme­ chanismen von Rechtsnormen jenseits der durch die Kombination aus positi­ viertem Konditionalprogramm und Sanktion ausgelösten Steuerungswirkun­ gen. Normwirkungen sind damit in vielfältiger Weise denkbar. Für das Funkti­ onsverständnis der im Ersten Teil erwähnten und nachfolgend im einzelnen in den Blick zu nehmenden Regulierungsinstrumente sind konzeptionelle Unter­ schiede in der Normwirkung zentral und daher im folgenden zunächst kurz vorzustellen. Neben das tradierte, für zwingende Regulierung charakteristi­ sche Konzept der Verhaltenssteuerung durch Befolgungszwang (unten I.) treten dabei die vorliegend besonders interessanten expressiven, d. h. kommunikati­ onsvermittelten Funktionen von Rechtsnormen (unten II.), die insbesondere beim Einsatz dispositiver Normen als Regulierungsinstrument von besonderer Bedeutung sind. Systematisch quer zu dieser Einteilung liegen die mit Regulie­ rungsinstrumenten und Normdurchsetzungsmechanismen jeweils verknüpften spezifischen Anreizstrukturen, die zwar keinen eigenständigen Typus von Normwirkungen begründen, aber die Frage aufwerfen, inwieweit sich die Set­ zung wirtschaftlicher Anreize für oder gegen ein bestimmtes Verhalten ver­ stärkt zur Effektuierung von Regulierungsinstrumenten einsetzen ließe (un­ ten III.).

I.  Verhaltenssteuerung durch Befolgungszwang Für die Gesellschaftsrechtswissenschaft steht der durch die Verknüpfung von Konditionalprogrammen und Sanktionsmechanismen ausgelöste Befolgungs­ zwang traditionell im Vordergrund. Entsprechendes gilt für die Perspektive der zivilistischen Dogmatik,10 aber auch für die tradierten Schulen der Rechts­ ökonomik, die die verhaltenssteuernden Wirkungen von Rechtsnormen unter Einbeziehung der jeweiligen Sanktionen als entscheidenden Beitrag für die Ko­ sten der jeweils eröffneten Handlungsalternativen modellieren.11 mit unterschiedlicher Akzentsetzung und thematischer Eingrenzung – etwa Cooter/Eisenberg, 149 U. Pa. L. Rev. 1717 (2001); Eisenberg, 99 Colum. L. Rev. 1253 (1999); O. Hart, 149 U. Pa. L. Rev. 1701 (2001); Kahan, 149 U. Pa. L. Rev. 1869 (2001); Rock/Wachter, 149 U. Pa. L. Rev. 1619 (2001); Skeel, 149 U. Pa. L. Rev. 1811 (2001).    Vgl. auch Rüthers, Rechtstheorie, 4. Aufl. 2008, Rn. 85 („reale[r] Rechtszwang, der von den Rechtsnormen ausgeht“). 10   Charakteristisch insoweit bereits Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, S. 79: „Um eine zwingende Rechtsnorm durchsetzen zu können, muß die Rechtsordnung an ihre Mißachtung Rechtsfolgen knüpfen. Die Verletzung soll nicht ungestraft erfolgen kön­ nen. Die Sanktion erst macht eine Rechtsnorm dem Parteiwillen gegenüber zur wahrhaft zwingenden. Sie ist die Seele des zwingenden Rechts.“ Vgl. auch Wagner, AcP 206 (2006), 352, 358  ff. 11   Dazu Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 319 m. w. N.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

Verhaltenssteuernde Wirkung ist allerdings nicht allein solchen Rechtsnor­ men zuzuschreiben, die unmittelbar verhaltensbezogen konzipiert sind, wie es etwa bei den besonders im Aktienrecht sehr zahlreichen, ggf. sanktionsbewehr­ ten Gebotsnormen12 bzw. Verbotsnormen13 der Fall ist, deren logische Struktur in unterschiedlicher Weise gestaltbar ist.14 Vielmehr sind auch mittelbar verhal­ tenssteuernde Normen in vielfältiger Weise denkbar und in der Gesetzgebungs­ praxis etabliert. Als erstes Beispiel aus dem geltenden deutschen Recht mag die nunmehr in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifizierte, bereits zuvor aber von der   Vgl. aus dem Aktienrecht etwa §§ 7 und 8 Abs. 2 (Mindestnennbetrag und Nennbetrag der Aktien); §§ 20, 21 (Beteiligungspublizität); §§ 32–34, jeweils i.V.m. § 46  ff. (Gründungsbe­ richts- und Gründungsprüfungspflichten mit korrespondierenden Haftungsvorschriften); § 36 (Anmeldung zum Handelsregister); § 53a (Gleichbehandlungsgebot); § 83 Abs. 2 (Vor­ standspflicht zur Ausführung der von der Hauptversammlung beschlossenen Maßnahmen); § 90 (Information des Aufsichtsrats durch den Vorstand); § 91 (Organisationspflichten des Vorstands); § 92 (Vorstandspflichten bei Verlusten, Überschuldung und Zahlungsunfähig­ keit); § 111 (Pflicht zur Einberufung der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat, „wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert“) sowie die Pflichten zur Befassung der Hauptver­ sammlung bei satzungsändernden Beschlüssen (§§ 179 Abs. 1 Satz 1, 179 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3; 179a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und 3; 180 Abs. 1 und 2; 181 Abs. 2), ferner die insoweit bestehenden Anmeldepflichten (§§ 184, 188, 195, 201, 210, 223, 227 und 239) sowie die Pflicht zur Sicherheitenbestellung nach § 225 AktG. Vgl. aus dem GmbH-Recht etwa § 5 Abs. 1 (Mindeststammkapital); § 7 Abs. 1 (Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister); § 7 Abs. 3 (Pflicht zur effektiven Kapitalaufbringung); § 24 Satz 1 (Pflicht zur Aufbringung von Fehlbeträgen); § 39 Abs. 1 (Anmeldung der Geschäftsführer zum Handelsregister); § 40 Abs. 1 (Einreichung der Gesellschafterliste); § 41 (Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung, § 42a (Vorlage von Jahresabschluß und Lagebericht an die Gesellschafter); § 51a (Auskunfts- und Einsichtsrecht der Gesellschafter); zu Pflichten in Verbindung mit satzungsändernden Be­ schlüssen siehe die §§ 53  ff. GmbHG. 13   Aus dem Aktienrecht etwa § 56 Abs. 1 und 2 (Verbot der Zeichnung eigener Aktien durch die Gesellschaft); § 57 (Verbot der Einlagenrückgewähr); § 58 Abs. 1 und 2 sowie § 59 Abs. 2 (Gewinnausschüttungsschranken); § 66 (Verbot der Befreiung von der Leistungs­ pflicht); §§ 71, 71a und 71d (Schranken für den Rückerwerb eigener Aktien); § 88 (Wettbe­ werbsverbot für Vorstände); § 89 (Schranken für die Kreditgewährung an Vorstände); § 115 (Schranken für Kreditgewährung an den Vorstand); § 117 (verbotene Einflußnahme); aus dem GmbH-Recht siehe etwa § 6 Abs. 2 Satz 1 (Ausschlußgründe für das Amt des Geschäftsfüh­ rers); §§ 31, 32 (Ausschüttungssperren); § 33 (Erwerb eigener Geschäftsanteile durch die Ge­ sellschaft); § 43a (Kreditgewährung an Gesellschafter). 14   Naturgemäß enthält jedes Verbot zugleich das Gebot normgemäßen Verhaltens und je­ des konkrete Gebot zugleich das Verbot gebotswidrigen Verhaltens. Der Unterschied liegt indes darin, daß zwingende Verbote das gewünschte Verhalten nicht positiv vorschreiben, sondern lediglich einen Teil der insgesamt möglichen Verhaltensoptionen für unzulässig er­ klären; vgl. pointiert für die allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Rechtsnormen (aber insoweit voll verallgemeinerungsfähig) etwa Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 49 IV, S. 303; zu einer aufschlußreichen rechtshistorischen Analyse der Formulierungstendenzen und de­ ren Aufarbeitung im „Rechtswirkungsdenken“ Gmür, Rechtswirkungsdenken in der Privat­ rechtsgeschichte, 1981, S. 26  ff. und passim. Wie zu zeigen sein wird, bedingt denn auch die materiale Zielrichtung des Rechtssatzes (negativ i. S. des Ausschlusses bestimmter inkrimi­ nierter Verhaltensweisen oder positiv i. S. eines Hinwirkens auf bestimmte Verhaltensweisen) Unterschiede in Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise; siehe noch näher unten sub B. III. 2. (S. 155 f.). 12

A.  Ausgangspunkt: gesetzliche Regulierung als Instrument der Verhaltenssteuerung 55

Rechtsprechung anerkannte15 und auch für die GmbH bejahte16 Haftungser­ leichterung für unternehmerische Entscheidungen des Geschäftsleiters dienen, die an die Einhaltung von (allerdings nur vage umrissenen) Mindeststandards für das Verfahren der Entscheidungsfindung geknüpft ist („wenn das Vor­ standsmitglied vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“). Die Garantie der Haftungsprivilegierung soll (als sog. safe harbor) einen Anreiz gewähren für die Einhaltung dieser Mindestanforderungen; die anderenfalls drohende Haftungssanktion wegen Pflichtverletzung fungiert so als gesetzliches Druck­ mittel, das idealtypisch die Einhaltung dieser Standards absichert.17 Sogar auf den ersten Blick nur organisationsbezogene Pflichten sollen oft mittelbar auf das Verhalten der Normadressaten einwirken und entfalten insofern Befol­ gungszwang. So dient die in § 91 Abs. 2 AktG formulierte Pflicht zur Einfüh­ rung von Risikofrüherkennungssystemen nicht nur dazu, durch organisato­ risch-institutionalisierte Vorkehrungen die Stabilität des Geschäftsbetriebs quasi unabhängig vom Verhalten der Geschäftsleiter abzusichern, sondern soll die Adressaten – als Beispiel einer prozedural orientierten Regulierung im Ge­ sellschaftsrecht – zugleich zur laufenden Selbstvergewisserung über den Gang der risikotragenden Geschäfte anhalten.18 In eine ähnliche Richtung weisen Bestrebungen, durch gesetzliche Anreize die Hauptversammlungspräsenz in Publikumsgesellschaften zu steigern und so die Bedeutung der Hauptversammlung als Instrument zur Kontrolle der Ge­ schäftsleitung zu erhöhen und zum Abbau struktureller Informationsasymme­ trien beizutragen, ein Ziel, das zuletzt besonders deutlich mit den Vorschriften der EG-Aktionärsrechterichtlinie realisiert werden sollte.19 Auch dieses Bei­ spiel indiziert bereits, daß der Begriff des Befolgungszwangs im vorliegenden Zusammenhang weit zu verstehen ist. Auch wirtschaftliche Sanktionsmecha­ nismen, die Abweichungen von Sollenssätzen mit negativen Konsequenzen ver­ binden, werden darunter zu subsumieren sein. So wird man etwa börsenkurs-

  BGH, Urt. v. 21. 4. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 (ARAG/Garmen-beck).   BGH, Urt. v. 4. 11. 2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 280, 289; BGH, Beschl. v. 14. 7. 2008 – II ZR 202/07, NJW 2008, 3361, 3362; Ulmer/Habersack/Winter/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 52; Scholz/U.H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 53  f. 17   Vgl. dazu bereits oben, 1. Teil, 1. Kap., sub A. (S. 14) bei und in Fn. 4. 18   Vgl. dazu Binder, ZGR 2007, 745, 750  ff., 778. 19   Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 7. 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl­ EG. Nr. L 184/17; siehe besonders Erwägungsgründe 3 und 4, 6  ff. und 10 sowie Art. 5 (Infor­ mation der Aktionäre vor der Hauptversammlung); Art. 6 (Recht auf Ergänzung der Tages­ ordnung sowie auf die Einbringung von Beschlußvorlagen); Art. 7 (Voraussetzungen für die Teilnahme an der Hauptversammlung sowie die Ausübung des Stimmrechts); Art. 8 (Teil­ nahme an der Hauptversammlung auf elektronischem Wege) und Art. 9 (Fragerechte der Ak­ tionäre). 15 16

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

bezogene Anreizstrukturen, z. B. in Gestalt entsprechender Vergütungsrege­ lungen für die verantwortlichen Geschäftsleiter, ebenfalls einbeziehen müssen, wenn und soweit diese geeignet sind, Normverstöße durch die betreffenden Ak­ teure effektiv zu sanktionieren.20

II.  Appell- bzw. Erziehungsfunktion, expressive Wirkungen Ebenfalls mediatisiert, dies aber noch stärker als etwa die Verhaltenssteuerung durch Organisationsnormen, sind diejenigen Wirkungen von Rechtssätzen, die mit den Schlagworten der „symbolischen“, „Appell-“, „Bildungs-“, „Präge-“ oder „Erziehungsfunktion“21 bzw. englisch als „expressive function“22 beschrie­ ben werden. Die Termini sind unterschiedlich weit und reflektieren zugleich unterschiedliche Funktionsverständnisse: Wenn von der „Appellfunktion“ die Rede ist, ist die mit der Formulierung von Tatbestand und Rechtsfolge ver­ knüpfte Aussage über materiale Wertvorstellungen des Gesetzgebers gemeint. Wird von „Prägefunktion“ oder „expressiven Funktionen“ gesprochen, geht dies darüber hinaus und schließt die Kommunikation von Rechtsinhalten als Beitrag zu den verhaltenssteuernden Wirkungen von Rechtsnormen ein. 23 Er­ faßt sind damit auch Einwirkungen auf die Präferenzen der Adressaten, die aus der Kommunikation von Rechtsnormen etwa über Medien, Verbände, Rechts­ berater und andere Intermediäre resultieren. 24 Dieses weite Begriffsverständnis wird auch im folgenden zugrundegelegt. Expressive Wirkungen sind dabei eine Nebenfolge gesetzlicher Regulierung (unten 1.); dies gilt auch für das Unter­ nehmensrecht (unten 2.). Interessant ist nicht zuletzt die Frage, inwieweit ex­ pressive Wirkungen anderweit bestehende Funktionsdefizite möglicherweise   Siehe dazu noch näher unten sub D. III. 1. b) bb) (S. 221 ff.).   Z.B. Kindermann, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspo­ litik, 1988, S. 222  ff.; Noll, ZfSchwR 1981/I, 347  ff.; Th. Raiser, Rechtssoziologie, S. 188 („Bil­ dungsaufgabe“ des Rechts) sowie S. 243  f. („symbolische Funktion“); Rüthers, Rechtstheorie, 4. Aufl. 2008, Rn. 85 („Präge- und Erziehungsfunktion“); ferner auch Siehr, ARSP 91 (2005), 535  ff., insbes. 548 („Appellcharakter“); im strafrechtlichen Schrifttum Voß, Symbolische Ge­ setzgebung, 1989. 22   Vgl. – mit unterschiedlichen Einschätzungen – Adler, 148 U. Pa. L. Rev. 1363  ff. und 1577  ff. (2000); Anderson/Pildes, 148 U. Pa. L. Rev. 1503 (2000); Lipson, Stan. J.L. Bus. & Fin. 224, 261  ff. („expressive function of directors’ duties to creditors”) und 274  ff. („educative function”) (2007); McAdams, 79 Or. L. Rev. 339  ff., insbes. 358  ff. (2000); Sunstein, 144 U. Pa. L. Rev. 2021 (1996); ders., 83 Cal. L. Rev. 953, 970 (1995). Ökonomische Analyse der Wir­ kungs­zusammenhänge bei Cooter, 27 J. Legal Stud. 585 (1998); McAdams, 86 Va. L. Rev. 1649 (2000), und E. A. Posner, 27 J. Legal Stud. 765 (1998). Vgl. auch bereits Anderson, Value in Ethics and Economics, 1993, S. 33  ff. Im Anschluß in der deutschsprachigen Literatur auch Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 107  ff. („expressive Funktion des Rechts“). 23   Vgl. insoweit auch Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts, S. 35, der den notwendig kommunikativen Charakter des gesamten „Rechtssystems“ hervorhebt. 24   Vgl. Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 108 bei und in Fn. 360. 20 21

A.  Ausgangspunkt: gesetzliche Regulierung als Instrument der Verhaltenssteuerung 57

kompensieren könnten (unten 3.). Insoweit lassen sich allerdings nur vage Aus­ sagen formulieren, so daß der Wert expressiver Wirkungen als Erklärungsan­ satz für die Funktionsweise von Rechtsnormen allgemein als eher verhalten veranschlagt werden muß (unten 4.).

1.  Expressive Wirkungen als Nebenfolge gesetzlicher Regulierung „Expressive Wirkungen“ beschreiben eine in der bisherigen Gesetzgebungspra­ xis25 oft nicht planvoll angestrebte, wenn auch meist nicht unerwünschte Ne­ benfolge der Formulierung von Rechtsnormen. Vor allem zwei Spielarten sind denkbar: Von Normen mit einer expressiven Funktion kann erstens in den be­ reits genannten Fällen gesprochen werden, in denen Rechtsvorschriften (etwa moralische) Leitbilder kommunizieren (Appell- oder Erziehungsfunktion). Die Normwirkung beruht hier oft nicht erst auf der – ggf. mit Sanktionen erzwun­ genen – Verwirklichung des jeweiligen Normbefehls, 26 sondern setzt schon mit dem Gesetzgebungsverfahren als Ausdruck und Folge politischer Sorge um ein tatsächlich oder vermeintlich drängendes Regelungsproblem sowie aufgrund der damit und mit dem Kodifikationsergebnis ausgelösten Publizitätswirkung ein.27 Besonders deutlich illustrieren dies rein symbolische Rechtsänderungen ohne jede praktische Folge, die gleichwohl – wenn auch regelmäßig kaum quan­ tifizierbare – Steuerungswirkungen entfalten können, indem sie bestimmte Vorstellungen von „Gerechtigkeit“ oder andere gesellschaftliche Werte durch prominente Verankerung im Gesetzbuch kommunizieren. Als einfaches Bei­ spiel für derartige Regelungen mag man an die Einführung des § 90a BGB den­ ken, wonach Tiere – entgegen der früheren Praxis – nicht mehr als Sache i. S.d. § 90 BGB, wohl aber wie eine Sache zu behandeln sind.28 Alternativ lassen sich aber – zweitens – auch solche Fälle dem Kreis expressi­ ver Normwirkungen zuordnen, in denen diese Wirkungen auf kommunikati­ vem Verhalten beruhen, ohne daß es dabei um die Vermittlung moralisch be­ setzter Kategorien ginge. Auch wertneutrale Gestaltungen können damit Stan­ 25   Vgl. zum Entwicklungspotential der Appellfunktion als Element regulatorischer Ge­ setzgebung jedoch Pildes/Sunstein, 62 U. Chi. L. Rev. 1, 66  ff. (1995); siehe auch Bar-Gill/ Fershtman, 20 J.L. Econ. & Org. 331, 332 (2004); Lessig, 27 J. Legal Stud. 661  ff. (1998); Levmore, 86 Va. L. Rev. 1989 (2000); McAdams, 79 Or. L. Rev. 339  ff., insbes. 360  ff., 373  ff. (2000); Sunstein, 144 U. Pa. L. Rev. 2021, 2034  ff. (1996). 26   Diesen Gesichtspunkt betonend Rüthers, Rechtstheorie, 4. Aufl. 2008, Rn. 85. 27   Zum Kommunikationselement als Voraussetzung für die Wirksamkeit „appellierender“ Normen überzeugend Sunstein, 144 U. Pa. L. Rev. 2021, 2050  f. (1996). 28   Vgl. aus der rechtspolitischen Diskussion um die Einführung der Vorschrift mit dem Gesetz nur Braun, JuS 1992, 758  ff.; Mühe, NJW 1990, 2238  ff.; Lorz, MDR 1990, 1057  ff. Mit Beispielen aus dem US-amerikanischen Umweltrecht anschaulich auch Sunstein, 144 U. Pa. L. Rev. 2021, 2024 (1996); im deutschsprachigen strafrechtlichen Schrifttum monographisch Voß, Symbolische Gesetzgebung, passim.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

dardisierungstendenzen auslösen, ohne daß sie mit Zwangswirkungen verbun­ den wären. So ist allgemein beobachtet worden, daß schon die Existenz dispo­ sitiven Rechts auf die Gestaltungspraxis einwirkt und Gestaltungstendenzen vereinheitlicht, obwohl die jeweilige dispositive Lösung an sich eine einzelfall­ orientierte, individuelle Gestaltung ohne weiteres ermöglicht hätte. Auch hier spielen kommunikative Elemente, etwa die Rezeption der dispositiven Lösung durch die am Verhandlungsprozeß beteiligten Rechtsberater eine erhebliche Rolle. 29

2.  Expressive Wirkungen im Unternehmensrecht Im gesellschafts- und unternehmensrechtlichen Schrifttum sind die expressiven Funktionen bislang allenfalls am Rande erörtert worden.30 Die damit umrisse­ ne, quasi additive verhaltenssteuernde Wirkung von Normen über den durch die jeweils einschlägige Sanktion vermittelten Befolgungszwang hinaus harrt auch hier noch ihrer Entdeckung als Mittel zur gezielten Aktivierung von Re­ gulierungsinstrumenten in Ergänzung von und als Alternative zu tradierten Sanktionsmechanismen.31 Diese wäre freilich auf eine sorgfältige Untersuchung der maßgeblichen Wirkungszusammenhänge angewiesen, die idealiter auch empirisch abgesichert werden sollte. Ein möglicher Anwendungsbereich liegt etwa in der Bedeutung generalklauselartiger Tatbestände im Unternehmens­ recht, die als Vehikel für die Kommunikation und Durchsetzung allgemeiner Grundprinzipien und übergeordneter Wertvorstellungen naturgemäß nicht zu­ letzt mit Blick auf die charakteristische Verwendung moralisch besetzter Kate­ gorien („Treu und Glauben“, „gute Sitten“, „Fairneß“, „ordentlicher und gewis­ senhafter Geschäftsleiter“, usw.) besonders geeignet sind.32 Ein vergleichsweise hoher Stellenwert wohnt expressiven Wirkungen damit schon auf den ersten Blick im Zusammenhang mit offen gehaltenen, wenig spezifizierten Tatbestän­ den („Standards“) inne; hierauf ist zurückzukommen.33

  Dazu noch näher unten sub B. II. 3. b) und c) (S. 100 ff.).   Vgl. jetzt aber Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 108  ff. 31   Siehe nochmals auch die Nachw. soeben Fn. 25. 32   Vgl. allgemein etwa Raiser, Rechtssoziologie, S. 244. In der Rezeption allgemeiner (au­ ßerrechtlicher oder innerrechtlicher) Maßstäbe (soziale Normen, Moralvorstellungen, Rechtsprinzipien o.a.) wird denn auch vielfach die Funktion der Generalklauseln und zu­ gleich der Schlüssel zu ihrer Konkretisierung gesehen; vgl. zusf. Auer, Materialisierung, Fle­ xibilisierung, Richterfreiheit, S. 127  ff., 145  ff. (mit eigener, kritischer Stellungnahme S. 138  ff., 166  ff.), jeweils m. w. N. aus dem höchst kontroversen Schrifttum. Vgl. im vorliegenden Zu­ sammenhang auch Rock/Wachter, 149 U. Pa. L. Rev. 1619, 1640  ff. (2001); ferner Enriques/ Hertig/Kanda, in: Kraakman u. a., Anatomy, 2. Aufl. 2009, S. 153, 173  ff. 33   Siehe noch näher unten sub C. III. 2. b) (S. 199). 29

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A.  Ausgangspunkt: gesetzliche Regulierung als Instrument der Verhaltenssteuerung 59

Unabhängig hiervon liegt in expressiven Funktionen möglicherweise der Schlüssel zum Verständnis der Funktionsweise solcher Regulierungsinstru­ mente, deren Sanktionssystem zurückhaltend ausgestaltet, möglicherweise gar als defizitär einzustufen ist. Ein prominentes Beispiel bietet die Kontroverse über die Orientierung allein an der Maximierung des Unternehmenswerts im Sinne des Shareholder-Value-Ansatzes bzw. die Alternative der Einbeziehung weiterer Interessen(-gruppen) als normativer Bezugspunkt für die Definition der Geschäftsleiterpflichten in der Publikumsgesellschaft. Beide Alternativen sind, wenn man sie als positives Pflichtenprogramm (und nicht lediglich als Sy­ stem von Schranken des unternehmerischen Entscheidungsspielraums) konzi­ piert, kaum operationalisierbar. Viel spricht daher für die Annahme, daß die eigentliche Konsequenz der unterschiedlichen Auffassungen in der Kommuni­ kation unterschiedlicher Wertvorstellungen liegt, die das existierende Sankti­ onssystem nur begrenzt im eigentlichen Sinne durchsetzbar macht. Auch inso­ weit taugen möglicherweise die Reaktionen auf die Kodifikation der Business Judgment Rule in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG als Beispiel: Ob die Kodifikation durch das UMAG zu empirisch feststellbaren Veränderungen im tatsächlichen Haftungsrisiko von Geschäftsleitern geführt hat, ist nicht ermittelt. Doch ha­ ben sich die Bemühungen um eine Klärung der von einem „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter“ (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) bzw. von einem „or­ dentlichen Geschäftsmann“ (§ 43 Abs. 1 GmbHG) erwarteten Sorgfalt bei der Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen mit dem Inkrafttreten des Gesetzes jedenfalls deutlich intensiviert.34 Daß diese Bemühungen bislang vor allem literarischer Natur sind und zumindest die höchstrichterliche Judikatur noch nicht oft Gelegenheit zur Stellungnahme zu den diskutierten Einzelfragen hatte, ändert nichts an der zu vermutenden erheblichen Ausstrahlungswirkung der Diskussion auf die Gestaltungs- und Entscheidungspraxis in den Unterneh­ men. Obwohl die Haftung wegen fehlerhafter unternehmerischer Entscheidung aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG bzw. das Haftungsprivi­ leg aus bzw. analog § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG in der forensischen Praxis eher sel­ ten zum Tragen zu kommen scheint, hat die Kodifikation der Business Judg­ ment Rule mithin offenbar schon durch ihre bloße Existenz und durch die da­ mit ausgelösten literarischen Stellungnahmen verhaltenssteuernde Wirkungen ausgelöst. Zwar ist das Beispiel mit Blick auf die gleichwohl unverkennbare haf­ tungsrechtliche Einbettung im vorliegenden Kontext sicher als Grenzfall zu bewerten. Doch wie nicht zuletzt die von betriebswirtschaftlicher Seite formu­ lierten Bemühungen um eine Konkretisierung der Tatbestandsvoraussetzungen als Ausdruck umfassender qualitativer Standards guter Unternehmensführung 34   Repräsentativ aus der Vielzahl der um die Klärung und weitere Konkretisierung der Tatbestandsvoraussetzungen bemühten literarischen Stellungnahmen in Handbuchform etwa Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, passim.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

belegen,35 haben sich die mit der Kodifikation ausgelösten Steuerungswirkun­ gen von diesem haftungsrechtlichen Kontext durchaus emanzipiert. Jedenfalls nach der Kodifikation in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG lassen sich die Voraussetzun­ gen der Business Judgment Rule wohl tatsächlich – im Sinne eines „Appells“ an die Einhaltung bestimmter Mindeststandards durch die Geschäftsleiter als Normadressaten – auch als Vehikel zur mittelbaren Durchsetzung bestimmter Standards guter Unternehmensführung interpretieren. Beziehen sich diese Beispiele auf Normen mit Appellfunktionen im vorbe­ zeichneten Sinn, so sind indes auch für sonstige Fälle expressiver Normen ohne weiteres vielfältige Anwendungsbereiche denkbar. Wie zu sehen sein wird, wer­ den insbesondere die sich aus der Persistenzneigung dispositiver Lösungen er­ gebenden Perspektiven für den Einsatz dispositiver Normen als Regulierungs­ instrumente erst entdeckt: Kann der Gesetzgeber bereits durch die Bereitstel­ lung dispositiver Lösungen effektiv die Gestaltungspraxis vereinheitlichen, so wirft dies die Frage nach der verbleibenden Bedeutung zwingender Eingriffe auf. Die expressiven Wirkungen dispositiver Normen werden so zu einem Zen­ tralargument auch für die Diskussion um das Verhältnis von Gestaltungsfrei­ heit und zwingenden Vorgaben im Unternehmensrecht.

3.  Expressive Wirkungen als Kompensation funktionaler Defizite? Die expressiven Funktionen von Regulierungsinstrumenten könnten mithin selbst dann spürbare Steuerungseffekte auslösen, wenn das eigentlich vorgese­ hene Sanktionssystem aus rechtlichen oder rechtstatsächlichen Gründen leer­ läuft. Die Wirksamkeit von Regulierungsinstrumenten und Regulierungsstra­ tegien kann sich unter Umständen gänzlich darin erschöpfen, daß eine im übri­ gen praktisch bedeutungslose Norm Signalwirkungen im Hinblick auf die die Norm motivierenden Wertungen entfaltet. Daß unter Berufung darauf mögli­ cherweise sogar ein Eigenwert ansonsten vielfach eher kontraproduktiver, da allzu rasch ins Werk gesetzter und deshalb fehlerträchtiger Ad-hoc-Gesetzge­ bung begründet werden kann, weil gerade die damit prominent kommunizier­ ten Wertvorstellungen starke Signalwirkung auslösen könnten, erscheint im­ merhin denkbar, ohne daß dies hier entschieden werden könnte.

35   Vgl. nur Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmen“ der Schmalenbach Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. (Hrsg.), Praktische Empfehlungen für unternehmerisches Entscheiden, abgedruckt in DB 2006, 2189, 2193  ff.; Graumann/Linderhaus/Grundei, BFuP 61 (2009), 492  ff.; dies., ZCG 2009, 20  ff.; Grundei/von Werder, AG 2005, 825, 829  ff.

A.  Ausgangspunkt: gesetzliche Regulierung als Instrument der Verhaltenssteuerung 61

4.  Fazit Sollen Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise von Regulierungsin­ strumenten und Regulierungsstrategien zutreffend bewertet werden, sind ex­ pressive Normwirkungen nach alledem stets mitzubedenken. Die mit ihnen verbundenen Steuerungswirkungen können sich dabei je nach Zusammenhang durchaus verschieden auswirken. Kaum problematisch ist der Fall der Verstärkung der unmittelbaren Normwirkungen durch die expressiven Funktionen, wie er etwa im oben erörterten Beispiel der verhaltenssteuernden Wirkungen der Business Judgment Rule realisiert ist.36 Schon zweifelhafter ist der gleich­ falls bereits angeklungene Fall der ausschließlich symbolischen Regulierung, bei der der „Appell“ den effektiven Vollzug der betreffenden Norm vollständig substituiert.

III.  Verhaltenssteuerung durch Anreizsetzung Theoretisch und empirisch bislang nur wenig ausgeleuchtet ist bei alledem die Anreizwirkung von Rechtssätzen unterschiedlichen Typs als allgemeines Pro­ blem der Rechtsetzung (nicht nur) im Kapitalgesellschaftsrecht. Systematisch handelt es sich um ein den beiden vorstehend erörterten Wirkungsmodi überge­ lagertes Phänomen: Ökonomische oder anderweit auf das Verhalten einwirken­ de Anreize37 zur Befolgung des in einem Rechtssatz formulierten Ge- oder Ver­ bots sind nicht als Alternative zu den vorstehend erörterten, tradierten Wir­ kungsformen des unmittelbaren oder mittelbaren Befolgungszwangs oder der expressiven Wirkung zu verstehen, sondern sind jedem Rechtssatz immanent. Ansätze zu einer allgemeinen Lehre der Anreizstrukturen unterschiedlicher Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien finden sich jedoch für die Regelsetzung im vorliegend untersuchten Referenzgebiet – anders als in der verwaltungsrechtlichen Diskussion 38 – bislang nicht. Nicht nur in der rechtsökonomischen, sondern auch in der rechtssoziologi­ schen Literatur sind gleichwohl Bemühungen erkennbar, die Anreize zur Befol­ gung von Rechtssätzen als Bestandteil der Erforschung von Rechtswirkungen einzubeziehen;39 für das Unternehmensrecht sind diese Ansätze indes noch nicht im Rahmen einer systematischen Untersuchung fruchtbar gemacht wor­ 36   Siehe speziell zum Potential sozialer Normen als Instrument der Ergänzung von Rechts­ normen nochmals auch Levmore, 86 Va. L. Rev. 1989 (2000). 37   Siehe nochmals bereits oben bei und in Fn. 7; im vorliegenden Zusammenhang ferner Bar-Gill/Fershtman, 20 J.L. Econ. & Org. 331  ff. (2004). 38   Vgl. dazu die ebenso aktuelle wie umfassende Einführung bei Sacksofsky, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 2, § 40, S. 1459  ff. 39   Charakteristisch insoweit etwa rechtssoziologisch orientierte Untersuchungen des Phä­

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

den. Dabei ist ein tieferes Verständnis der mit der Wahl des Gestaltungsmodus verknüpften Anreizwirkung, wie sich zeigen wird, von großer Bedeutung für das Verständnis der Funktionsweise der jeweiligen Gestaltung. Für die tatsäch­ liche Beachtung etwa von Ge- oder Verbotsnormen und damit für die Effekti­ vität des regulierenden Eingriffs ist sie mitentscheidend. Wichtige Impulse ge­ hen in jüngerer Zeit von vielfältigen Bemühungen aus, den überkommenen Me­ thodenkanon der Rechtsökonomik am Maßstab verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse zu überprüfen und unter Rezeption dieser Erkenntnisse weiter­ zuentwickeln (Behavioral Law and Economics). 40 Gerade auch im vorliegenden Zusammenhang bedeutsame Untersuchungen betreffen etwa die Analyse der Handhabung dispositiver Normen in der Gestaltungspraxis.41 Ob angesichts der Komplexität der Anreizstrukturen das Ziel einer allgemei­ nen, verhaltenswissenschaftlich fundierten Lehre der Anreizstrukturen unter­ schiedlicher Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien überhaupt realistisch ist,42 muß indes auch deshalb eher zurückhaltend bewertet werden, weil schon die in Betracht kommende Untersuchungsmethodik innerhalb der einschlägigen Literatur durchaus kontrovers beurteilt wird.43 Erst recht ist bis­ nomens rechtstreuen Verhaltens; vgl. stellvertretend Rehbinder, Rechtssoziologie, Rn. 118  ff. m. w. N. 40   Vgl. im Überblick etwa Jolls, in: Diamond/Vartiainen (Hrsg.), Behavioral Economics and Its Applications, 2007, S. 115  ff.; Jolls/Sunstein/Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471  ff. (1998); Langevoort, 51 Vand. L. Rev. 1499  ff. (1998); Sunstein (Hrsg.), Behavioral Law and Econo­ mics, 2000, passim. 41   Siehe dazu im einzelnen unten sub B. II. 3. b) (S.  100 ff.) und c) (S.  115 ff.). 42   Vgl. exemplarisch für die sich insoweit schon in ausschließlich haftungsrechtlichem Zu­ sammenhang stellenden Probleme die tiefgründige Untersuchung zu „optimale[n] Anreize[n] für Unternehmensleiter“ im Hinblick auf die Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinforma­ tion bei Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 371  ff. (Haftung im Primärmarkt), 383  ff. (Haftung im Sekundärmarkt) mit eingehender Aufbereitung der kontroversen Diskussion. Allgemein zu den Perspektiven einer Rezeption verhaltenswissenschaftlicher Forschungser­ gebnisse im Unternehmensrecht nunmehr die Beiträge in Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Beitrag der Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) zum Handels- und Wirtschaftsrecht, 2011. 43   Siehe im Überblick etwa die Metastudie von Sayman/Öncüler, 26 J. Econ. Psychol. 289, 290  ff. (2005); vgl. – insbesondere zur Aussagekraft von Laborexperimenten insoweit – kri­ tisch auch Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 661  f. (1998); Thaler, in: Hogarth/Reder (Hrsg.), Rational Choice: The Contrast Between Economics and Psychology, 1987, S. 95, 96  ff. Beispie­ le für derartige Laborexperimente bieten etwa Kahneman/Knetsch/Thaler, 5:1 J. Econ. Persp. 193, 194  ff. (1991); Knetsch, 79 Am. Econ. Rev. 1277 (1989); Knetsch/Sinden, 99 Q. J. Econ. 507 (1984); Thaler, 1 J. Econ. Behav. & Org. 39, 44 (1980); aus der jüngeren Literatur Chow/Sarin, 52 Theory & Decision 127  ff. (2002); Franciosi u. a., 30 J. Econ. Behav. & Org. 213  ff. (1996); Inder/O’Brien, 55 Bull. Econ. Res. 289  ff. (2003); Samuelson/Zeckhauser, 1 J. Risk & Uncer­ tainty 7  ff. (1988); vgl. auch die Überblicksdarstellungen zur Entwicklung der empirischen Grundlagen bei Ben-Shahar/Pottow, 33 Fla. St. U. L. Rev. 651, 655  ff. (2006); Hoffman/ Spitzer, 71 Wash. U. L.Q. 59, 66  ff. (1993); Horowitz/McConnell, 44 J. Envtl. Econ. & Mgmt. 426  ff. (2002); Jones, 95 Nw. U. L. Rev. 1141, 1152  ff. (2001); Kahneman/Knetsch/Thaler, 6 J. Pol. Econ. 1325  ff. (1990); Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 625  ff. (1998); speziell in gesell­ schaftsrechtlichem Kontext (Untersuchungen zu den Anreizen für die Aushandlung von Ver­ tragsbedingungen in Prinzipal-Agenten-Strukturen) Arlen/Spitzer/Talley, 31 J. Legal Stud.

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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lang keine Einigkeit über die im vorliegenden Kontext interessierenden Einzel­ aspekte erreicht worden. Dies gilt zumal für die Frage, inwieweit die Setzung ökonomischer Anreize als Substitut für tradierte Sanktionssysteme in Betracht gezogen werden sollte. Damit angesprochen sind auch steuerrechtliche Aspek­ te, wenn und soweit Steuerrecht gezielt als Instrument zur Verhaltenssteuerung im Gesellschafts- und Unternehmensrecht aktiviert wird bzw. werden soll. Daß Unterschiede in der steuerrechtlichen Behandlung naturgemäß zu den zentra­ len Determinanten von Gestaltungsentscheidungen (auch) im vorliegend unter­ suchten Referenzgebiet zählen, ist bereits angeklungen. Aus den genannten Gründen muß eine vertiefte Behandlung dieser Aspekte indes unterbleiben;44 die nachfolgenden Abschnitte beschränken sich auf die Funktionsvorausset­ zungen und die Funktionsweise originär gesellschafts- und unternehmens­ rechtlicher Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien. Dabei muß versucht werden, die vorliegenden, in verschiedenen Disziplinen erarbeiteten Erkenntnisse und Hypothesen zusammenzustellen, zu systematisieren und ei­ ner ersten Plausibilitätskontrolle zu unterwerfen. Allein ein derartiger, integra­ tiver Ansatz kann sicherstellen, daß die hier angestrebten Aussagen über Funk­ tionsvoraussetzungen und Funktionsweise von Regulierungsinstrumenten und Regulierungsstrategien die als relevant erkannten Anreizstrukturen als poten­ tielle Wirkungsfaktoren berücksichtigen.

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht Die Reichweite des Geltungsanspruchs von Normen drängt sich als Grundlage und Ausgangspunkt einer Systematisierung der de lege lata im Recht der Finan­ zierungsbeziehungen realisierten Regulierungsinstrumente und möglicher Al­ ternativen geradezu auf. Die Wahl zwischen zwingendem Eingriff und der Be­ reitstellung (mehr oder weniger) frei verhandelbarer Regelungen rührt an kon­ zeptionelle Grundfragen. Ihre volle Bedeutung entfaltet sie zwar erst mit der Verknüpfung des einzelnen Regulierungsinstruments mit konkreten Zwecken – und damit auf der materialen Ebene. Ob eine Norm unbedingte Geltung be­ ansprucht, oder ob sie den betroffenen Akteuren lediglich eine Gestaltungsop­ tion zur Verfügung stellen will, begründet jedoch schon unabhängig von dem konkret verfolgten Regelungszweck einen grundsätzlichen Unterschied auch und gerade in funktionaler Hinsicht, der letztlich auf alle weiteren denkbaren Kriterien für die Systematisierung von Regulierungsinstrumenten – formale 1, 11  ff. (2002), die angesichts der ebenso reduktionistischen wie künstlich anmutenden La­ borbedingungen selbst darauf hinweisen, daß die so erzielten Ergebnisse zumindest vorsich­ tig zu interpretieren seien (S. 32  f.). Vgl. auch Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 223  ff., insbes. S. 237  ff. 44   Siehe nochmals oben, Einführung, sub B. a.E. (S. 7).

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

Realisierbarkeit im Sinne tatbestandlicher Präzision (dazu unten C.), unter­ schiedliche Arten der Normdurchsetzung (dazu unten D.) – ausstrahlt. Dabei wird sich erweisen, daß insbesondere die Bedeutung dispositiver Normen als Instrumente der Verhaltenssteuerung in der bisherigen zivilistischen und ge­ sellschaftsrechtlichen Dogmatik noch kaum hinreichend ausgeleuchtet ist.45 Nachfolgend (unten I.) wird zunächst der Versuch unternommen, die damit grob umrissene Standortbestimmung in Auseinandersetzung mit dem bislang erreichten Forschungsstand weiter zu präzisieren. Auf dieser Grundlage ent­ wickeln die dann folgenden Unterabschnitte vorläufige Aussagen zu Funkti­ onsvoraussetzungen und Funktionsweise dispositiven Rechts (unten II.) und zwingenden Rechts (unten III.).

I.  Dispositives Recht und zwingendes Recht als Gegenstand der Gesellschaftsrechtswissenschaft 1.  Einführung Ob eine Norm unbedingte Geltung beansprucht und damit als „zwingend“ zu qualifizieren ist oder ob die in ihr formulierte Lösung lediglich für den Fall gelten will, daß keine abweichende private Gestaltung vorliegt, und damit „dis­ positiver“ Natur ist,46 ist vielfach bereits unmittelbar aus der Formulierung des 45   Charakteristisch für eine verbreitete Auffassung, die allein das zwingende Recht als In­ strument zur Durchsetzung von Schutzinteressen anerkennt, etwa die apodiktische Feststel­ lung bei Hey, Freie Gestaltung, S. 120: „Auf dispositivem Wege lassen sich die Regelungsziele, die der Gesetzgeber mit einer zwingenden Normierung verfolgt, nicht verwirklichen.“ Vgl. auch Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 610 (1998): “[D]efault rules [sc. as opposed to manda­ tory rules] are not instruments well-suited to protecting third parties from deleterious effects of contracts, or to protecting the parties from each other.“ 46   Vgl. bereits die klassische Definition bei Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandekten­ rechts, 9. Aufl., 1906, Bd. 1, § 30, S. 125  f.: „Es gibt Rechtssätze, welche jede Privatwillkür aus­ schließen: sie kommen zur Anwendung, auch wenn die Personen, für welche sie gegeben sind, erklären, daß sie nicht zur Anwendung kommen sollen; sie zwingen. Andere Rechtssätze las­ sen es sich gefallen, daß das betreffende Verhältnis durch Privatwillkür anders geordnet wer­ de, und kommen nur dann zur Anwendung, wenn eine Ordnung des Verhältnisses durch Privatwillkür nicht vorliegt (oder die vorliegende unvollständig ist). Die nachgiebigen Rechts­ sätze kommen zur Anwendung, wenn nicht positiv etwas sie Ausschließendes rechtsgeschäft­ lich festgesetzt ist.“ (eig. Hervorhebungen; Fußnote weggelassen). Durchaus ähnliches Ver­ ständnis im anglo-amerikanischen Schrifttum etwa bei Cheffins, Company Law, S. 217  ff.; Eisenberg, 89 Colum. L. Rev. 1461 (1989). Im modernen deutschsprachigen Schrifttum wird z.T. näher differenziert; grundlegend insoweit bereits Ehrlich, Das zwingende und nichtzwin­ gende Recht, S. 44  ff., 74  ff.; vgl. – jeweils mit eigenem dogmatischen Ausgangspunkt und eige­ ner Systematik auch – Fröhlich, Vom zwingenden und nichtzwingenden Privatrecht, 1922, S. 3, 72  ff.; Laufke, Die Handelsgesellschaften und das zwingende Recht, S. 2  f., und neuer­ dings die tiefgründige Untersuchung von Kähler, Macht und Vielfalt, 1. Kap. sub E. 2. b). Zum Ganzen noch unten sub II. 2. (S. 81 ff.).

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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Tatbestands oder aus dem systematischen Zusammenhang mit anderen Tatbe­ ständen ableitbar. Ebenfalls dem dispositiven Recht zuzuschlagen sind solche Rechtssätze, die die privatautonome Gestaltung gestatten, ohne selbst Lösun­ gen für den Fall vorzusehen, daß davon nicht Gebrauch gemacht wird. Sie sind treffend als „ermächtigende“ Rechtssätze bezeichnet worden. Eine vergleichba­ re Kategorienbildung findet sich auch in der anglo-amerikanischen Literatur („permissive rules“ im Unterschied zu „presumptive rules“). 47 Die Grenze zu dispositiven Normen, die bereits eine konkrete Lösung vorschlagen, aber Ab­ weichungen davon zulassen, verläuft oft fließend, insbesondere dort, wo – wie etwa im Fall des § 1408 BGB (Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten im Ehevertrag) – der betreffende Rechtssatz selbst nur die Gestal­ tungsermächtigung als solche ausspricht und damit die Möglichkeit eröffnet, von anderen (als dispositiv identifizierbaren) Rechtssätzen derselben Quelle ab­ zuweichen. Naturgemäß sind gerade ermächtigende Vorschriften im deutschen Recht weitgehend auf Gebiete beschränkt, in denen der Grundsatz der Privat­ autonomie gerade nicht uneingeschränkt gilt (vgl. etwa §§ 1408, 1585c, 1587o BGB); deshalb ist diese Kategorie auch im hier untersuchten Zusammenhang von besonderem Interesse. Der Geltungsanspruch entfaltet seine Bedeutung vor allem im Zusammen­ hang mit der konkreten Entscheidung des Gesetzgebers für oder gegen die ab­ schließende gesetzliche Regelung einerseits oder die Gewährung von Gestal­ tungsfreiheit zugunsten der betroffenen Akteure andererseits. Der Schwer­ punkt der einschlägigen Diskussion liegt dabei mithin auf der Ebene der Regu­ lierungsstrategien, wie in Deutschland zuletzt die mit dem 67. Deutschen Juri­ stentag 200848 neu aktivierte Kontroverse um das rechte Verhältnis von zwingendem und nachgiebigem Recht im Recht der Aktiengesellschaft illu­ striert hat. Legitimation und Funktionen zwingender Regulierung stehen hier gleichermaßen auf dem rechtspolitischen Prüfstand. Wenngleich zwar stets ma  Vgl. nochmals Cheffins, Company Law, S. 218 (“Most often, permissive rules legitimize arrangements that otherwise might not be valid. Such rules can therefore also be referred to as ‘enabling’ provisions.”) sowie wiederum Eisenberg, 89 Colum. L. Rev. 1461 (1989). Die bei beiden gewählte Definition der „enabling rule” entspricht allerdings nicht dem allgemein üb­ lichen Begriffverständnis, das als „enabling“ vielmehr auch die dispositive Regelung im hier verwendeten Sinne beschreibt; vgl. nur die, soweit ersichtlich, erstmalige Stellungnahme hier­ zu bei Katz, 23 Law & Cont. Probs. 177, 179  ff. (1958); siehe im Anschluß daran vor allem Latty, 50 Cornell L.Q. 599  ff. (1965); aus der deutschsprachigen Literatur etwa Bachmann, Private Ordnung, S. 379. 48   Vgl. dazu einstweilen Bayer, Gutachten E zum 67. DJT, insbes. E 27  ff., E 81  ff.; dazu Habersack, AG 2009, 1  ff.; Spindler, AG 2008, 598  ff., insbes. S. 601, 603  ff.; Windbichler, JZ 2008, 840, 842  ff.; vgl. auch W. Richter, ZHR 172 (2008), 419  ff. Zur Paralleldiskussion in Österreich Kalss, Die Reform des österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, Verhandlungen des 16. ÖJT, 2006, Bd. II/1, S. 33  ff., 51  ff., 74  ff. und passim. Zur US-amerikanischen Kontro­ verse über die vertragliche Natur der Unternehmung, die ebenfalls nicht zuletzt dem Stellen­ wert der Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht gilt, noch im einzelnen unten sub I. 4. (S. 70 ff.). 47

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

teriale Aspekte der gesetzlichen Gestaltung konkreter Regelungsprobleme im Mittelpunkt der Diskussion hierüber stehen, ist unverkennbar, daß auch diese Kontroversen regelmäßig bereits auf Divergenzen in der Beurteilung der Lei­ stungsfähigkeit gesetzlicher Vorgaben einerseits und vertraglicher Regulierung anderseits zurückzuführen sind. Die Gestaltungsprobleme setzen damit, was in der bisherigen Auseinandersetzung mit den einschlägigen Sachproblemen meist zu wenig berücksichtigt wird,49 bereits auf der Ebene der Regulierungsinstru­ mente an. Diese ist daher hier zunächst in den Blick zu nehmen.

2.  Dispositives und zwingendes Recht als Gegenstand der tradierten zivilund gesellschaftsrechtlichen Dogmatik Die sich – zumindest50 – durch das gesamte Privatrecht ziehende Dichotomie von zwingendem und dispositivem Recht und, damit zusammenhängend, das Verhältnis von Privatautonomie und ihren Schranken sind spätestens seit der 1931 von Franz Laufke vorgelegten, richtungsweisenden Untersuchung zu Funktionen und systematischer Stellung zwingender Normen im Recht der Handelsgesellschaften 51 als Untersuchungsgegenstand auch in der deutschspra­ chigen handels- und gesellschaftsrechtrechtlichen Literatur thematisiert wor­ den. Bereits zuvor hatten insbesondere Friedrich Carl von Savigny, 52 Bernhard Windscheid,53 Rudolf Stammler,54 Oskar Bülow55 und schließlich Eugen Ehr­ lich 56 das zivilistische Funktionsverständnis beider Kategorien geprägt.57 Die moderne zivilrechtliche Literatur in deutscher Sprache befaßt sich bislang, falls   Charakteristisch insoweit etwa Beier, Regelungsauftrag, S. 57  ff.; ähnlich auch Procaccia, ZGR 1990, 169, 171  ff. Stärker zwischen beiden Ebenen differenzierend demgegenüber etwa Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 692  ff. 50   Über Reichweite und Verbreitung des Gegensatzes darüber hinaus hat die ältere Litera­ tur gestritten; zur geringen Bedeutung dieser Diskussion völlig überzeugend schon Westermann, Vertragsfreiheit, S. 41. 51   Laufke, Die Handelsgesellschaften und das zwingende Recht, 1931 (tschechisches, österreichisches und deutsches Recht). 52   Von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 1, 1840, § 16, S. 57  ff. 53   Vgl. zuletzt Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 1, 9. Aufl. 1906, § 30, S. 125  f. 54   Stammler, AcP 69 (1886), 1  ff., 13  ff., insbes. 21  ff.; ders., Das Recht der Schuldverhältnis­ se in seinen allgemeinen Lehren, 1897, S. 55  ff. 55   Bülow, AcP 64 (1880), 1  ff. 56   Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht im Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 1900, S. 44  ff., 74  ff. und passim. 57   Vgl. etwa die dogmengeschichtlichen Abrisse bei Sandrock, Zur ergänzenden Ver­ tragsauslegung, S. 13  ff., 33  ff. m. w. N., und neuerdings insbesondere Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 90  ff.; Kähler, Macht und Vielfalt, 1. Kap. und passim; knapper noch Bucher, in: FG Deschenaux, 1977, S. 249, 256  f.; siehe auch von Tuhr, Der Allgemeine Teil, Bd. 1, S. 25  ff.; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 49, S. 299  ff., und Westermann, Ver­ tragsfreiheit, S. 45, die (im Anschluß an Ehrlich, a.a.O., Fn. 56) „ermächtigende“, „auslegen­ 49

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überhaupt, meist nurmehr formelhaft mit den einschlägigen Sachproblemen und diesen – teilweise stark divergierenden – theoretischen Vorarbeiten: Näher diskutiert werden typischerweise in erster Linie die „Funktionen“ dispositiven Rechts, die zunächst in der Ergänzung privatautonomer Gestaltung („Ergän­ zungs-“ oder „Lückenfüllungsfunktion“), aber zum Teil auch in der Formulie­ rung positiver Ordnungs- und Wertvorstellungen („Leitbild-“ oder „Ord­ nungsfunktion“) verortet werden.58 Daß die damit nur sehr grob umrissenen Funktionen dispositiven Rechts bereits seit geraumer Zeit bis in die Gegenwart kaum mehr zum Gegenstand vertiefter Analysen gemacht werden, beruht aller­ dings nicht darauf, daß zwischenzeitlich Konsens erzielt worden wäre. Viel­ mehr verdeckt die zunehmend einheitliche Terminologie fortbestehende inhalt­ liche Konfliktlinien. Heute kaum mehr im Detail begründet wird bei alledem, daß zwingendes, d. h. unabhängig von und ohne Rücksicht auf einen entgegen­ stehenden Parteiwillen Geltung beanspruchendes Recht zunächst und insbe­ sondere dem absoluten Schutz bestimmter Interessen, sodann aber auch – wert­ neutral oder jedenfalls nicht in erster Linie Ordnungszwecken verpflichtet – der Bereitstellung von Kompetenzen, Verfahrensregelungen, Wirksamkeitsbedin­ gungen für Rechtsgeschäfte dient.59 Inhaltlich geradezu vorgeprägt war die besondere Aufmerksamkeit des ge­ sellschaftsrechtswissenschaftlichen Schrifttums für die damit angesprochenen Probleme bereits mit der historischen Entwicklung des Kapitalgesellschafts­ rechts von den frühneuzeitlichen, königlich privilegierten Kolonialhandelsge­ sellschaften über das sog. Konzessionssystem, unter dem ab dem 18. Jahrhun­ de“, „ergänzende“ und „zwingende“ Vorschriften unterscheiden. Aktuell nunmehr auch Möslein, Dispositives Recht, 1. Teil, §  2. 58   Charakteristisch knapp insoweit Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 3 Rn. 94  ff., insbes. Rn. 100  f. („Funktion des dispositiven Rechts“) – entsprechend detaillierte Ausführungen zur „Funktion“ zwingenden Rechts unterbleiben hier ganz. Knapp beispielsweise auch Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 88; noch knapper Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 95  f.; vgl. auch Bachmann, Private Ordnung, S. 52. Ausführlicher in der neueren Literatur dagegen etwa Beier, Rege­ lungsauftrag, S. 38  ff. (zwingendes Recht) und 57  ff. (dispositives Recht); vgl. – wiederum schon aufgrund der gewählten Themenstellung eher auf das dispositive Recht bezogen – auch Bucher, in: FG Deschenaux, 1977, S. 249, 256  ff.; ferner Henckel, AcP 159 (1959), 106, 122. In der älteren Lehrbuchliteratur eingehend noch Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 49 II–IV, S. 300  ff.; von Tuhr, Der Allgemeine Teil, Bd. 1, S. 25  ff. Wiederum zum dispositi­ ven Recht (im Zusammenhang mit der Bedeutung und Dogmatik dispositiven Rechts im Rah­ men der ergänzenden Vertragsauslegung) ferner Sandrock, Zur ergänzenden Vertragsausle­ gung, S. 23  ff., 55  ff. Zu den damit angesprochenen „Funktionen“ dispositiven Rechts und ih­ rer Bedeutung für das vorliegend verfolgte Untersuchungsprogramm noch näher unten sub II. 2. b) (S. 83 ff.). 59   Vgl. ausführlicher insoweit zuletzt Bucher, in: FG Deschenaux, 1977, S. 249, 250  ff., und nunmehr Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 35  ff., der die Gründe für den Erlaß zwin­ genden Rechts drei Kategorien zuordnet: „Paternalismus, Distribution, Effizienz“; siehe auch Kähler, Macht und Vielfalt, 1. Kap. sub B. 1.; zuvor noch Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht im BGB, S. 65  ff., 75; Fröhlich, Vom zwingenden und nichtzwingenden Privatrecht, S. 75  ff.; sehr knapp Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 3 Rn. 102 bei und in Fn. 85.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

dert bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Gesellschaftsgründung auf die gesetzlich gebundene Konzessionsentscheidung staatlicher Behörden angewie­ sen war, bis hin zum heutigen System der Gründungsfreiheit unter der Voraus­ setzung der Einhaltung bestimmter gesetzlich fixierter Anforderungen („Sy­ stem der Normativbestimmungen“). Diesen historischen Zusammenhängen ist hier zunächst noch nicht näher nachzugehen. 60 Sie indizieren indes schon in dieser ersten Annäherung, daß die Einflußnahme zwingenden Rechts auf die Gestaltung der Organisations- und Finanzverfassung von Kapitalgesellschaf­ ten seit jeher, wenn auch mit abnehmender Tendenz, deutlich intensiver war als etwa im Schuldvertragsrecht: Zunächst mit hoheitlichem Octroi, später mit ent­ sprechenden Restriktionen in der staatlichen Konzession, schließlich mit einem umfassenden Arsenal zwingender Vorschriften im modernen Gesellschafts­ recht nahm und nimmt der Gesetzgeber erheblichen Einfluß auf die bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten. Angesichts der Wurzeln des modernen Kapital­gesellschaftsrechts in den königlichen Privilegierungsakten der frühen Kolonialhandelsgesellschaften liegt die Annahme nicht fern, dem Recht der Ka­ pitalgesellschaften sei der Gedanke der Gestaltungsfreiheit ursprünglich sogar vollständig fremd gewesen; Gestaltungsfreiheit sei im Verlauf der weiteren Ent­ wicklung vielmehr erst im Wege der allmählichen Reduktion der anfangs um­ fassenden Gestaltungshoheit des Souveräns, später des Gesetzgebers aufgekom­ men. 61 Dieser Eindruck würde zwar, wie ein detaillierter Blick auf Ursprünge und Entwicklungsstufen kapitalgesellschaftsrechtlicher Normkomplexe im vorlie­ genden Zusammenhang erweisen wird, der historischen Entwicklung nicht ge­ recht. Tatsächlich war der Einfluß des Souveräns auf die Gestaltung der maß­ geblichen Rechtsverhältnisse im jeweiligen Gründungsdokument gegenüber der privaten Gestaltung ausweislich jüngerer rechtshistorischer Untersuchun­ gen zur Praxis des Octroi- und Konzessionswesens keineswegs übermächtig. Danach ist der gezielte hoheitliche Eingriff in bestimmte Aspekte der Organi­ sations- und Finanzverfassung entwicklungshistorisch deutlich jünger, nämlich erst ab dem 19. Jahrhundert nachweisbar. Dies ändert jedoch nichts an der Tat­ sache, daß seit jeher Ausmaß und Intensität staatlicher Einflußnahme auf die Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten auch und gerade im Binnenrecht der Kapitalgesellschaften über die allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Schran­ ken der Privatautonomie (gesetzliche Verbote, § 134 BGB; gute Sitten, § 138 60   Siehe dazu und zum folgenden aber noch näher unten, 3. Teil, 1. Kap., sub A. I. (S. 404 ff.). 61   Vgl. repräsentativ in diesem Sinne etwa Spindler, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Grund­ fragen, Bd. 2, S. 998 Rn. 4: „Im alten Octroi-System spielte die Satzungsfreiheit per definitio­ nem keine Rolle.“ Treffender, aber ohne Auseinandersetzung mit Einzelheiten der histori­ schen Entwicklung dagegen etwa der knappe Befund bei Kübler/Assmann, Gesellschafts­ recht, § 21 I, S. 332  f. (erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts allmähliches Vordringen zwingen­ den Rechts).

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BGB) deutlich hinausreichen. Dieser Befund ist grundsätzlich keineswegs auf die Rechtsentwicklung in Deutschland oder in Kontinentaleuropa beschränkt, wenn auch die Vergleichbarkeit mit dem US-amerikanischen Recht angesichts der dort schon seit dem frühen 20. Jahrhundert ausgeprägten Tendenz zum Rückbau zwingenden Rechts (bei allerdings gleichzeitigem Ausbau der Re­ striktionen zwingenden Bundes-Kapitalmarktrechts) stark abgenommen hat. Er gilt auch nicht allein für die Publikums-, sondern im Grundsatz ebenso für die personalistische Kapitalgesellschaft.

3.  Dispositives und zwingendes Recht in der Diskussion um Gestaltungsfreiheit und Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht Die wissenschaftliche Aufarbeitung des Verhältnisses von Gestaltungsfreiheit und zwingendem Recht im Gesellschaftsrecht hat sich in der Nachfolge der zi­ tierten Arbeit von Laufke insbesondere seit den 1970er Jahren verstärkt darum bemüht, die normative Begründung für den mit jeder zwingenden Vorgabe na­ turgemäß verbundenen Eingriff in die Gestaltungsmöglichkeiten herauszuar­ beiten. Richtungsweisend waren hier in der deutschsprachigen Literatur nicht zuletzt die 1970 nahezu zeitgleich erschienenen Habilitationsschriften zur Ge­ staltungsfreiheit in Gesellschaftverträgen von Arndt Teichmann62 (zum deut­ schen Gesellschaftsrecht allgemein) sowie von Harm Peter Westermann63 (zum Recht der Personengesellschaften). In Auseinandersetzung mit der rechtsver­ gleichend unterstützten Erkenntnis, daß das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht im internationalen Vergleich zu den besonders restriktiven Modellen zu rech­ nen ist, setzten in Deutschland sodann seit den 1990er Jahren verstärkte Bemü­ hungen um eine weitere Klärung ein. 64 Die in jener Zeit vermehrt formulierten Rufe nach einer umfassenden Deregulierung des Rechts der Kapitalgesellschaf­ ten allgemein und der Aktiengesellschaften insbesondere, auf die bereits ein­ gangs der vorliegenden Untersuchung eingegangen worden ist, 65 lassen sich als eine – oft stark rechtspolitisch gefärbte, manchmal eher schablonenhaft vorge­ tragene – Konsequenz auch jener Diskussion interpretieren, welche mit der Ha­ bilitationsschrift von Felix Hey66 2007 nochmals eingehend aufbereitet worden ist und mit dem von Walter Bayer vorgelegten Gutachten zum 67. Deutschen   A. Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970.   H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personenge­ sellschaften, 1970. 64   Vgl. stellvertretend nochmals das 11. ZGR-Symposion „25 Jahre ZGR“, ZGR-Sonder­ heft 13, 1998, und hier insbesondere die Beiträge von Hirte, S. 61  ff.; Hommelhoff, S. 36  ff.; Hopt, S. 123  ff. sowie Wiedemann, S. 5  ff. 65   Siehe repräsentativ nochmals insbesondere Escher-Weingart, Deregulierung; Bak, Akti­ enrecht zwischen Markt und Staat, jeweils passim. 66   Hey, Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen und ihre Schranken, 2007. 62

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

Juristentag 2008 67 wiederum breite Aufmerksamkeit erfahren hat. Sie hat sich allerdings bislang vor allem auf inhaltliche Aspekte der Vorschläge zur Deregu­ lierung von Teilen des Organisations- und Finanzverfassungsrechts konzen­ triert. Die zugrundeliegenden grundsätzlichen Probleme der funktionalen Un­ terschiede von zwingenden und dispositiven Normen sind innerhalb wie außer­ halb des gesellschaftsrechtlichen Schrifttums noch nicht aufgearbeitet wor­ den. 68

4.  Dispositives und zwingendes Recht in der US-amerikanischen Kontroverse um die vertragliche Natur der Unternehmung Bereits bevor das Verhältnis von zwingendem Recht und Gestaltungsfreiheit im Kapitalgesellschaftsrecht erneut in das Augenmerk der deutschen wissenschaft­ lichen Diskussion gerückt war, hatte sich indessen die US-amerikanische Ge­ sellschaftsrechtsdoktrin des Verhältnisses zwingender und dispositiver Vor­ schriften im Kapitalgesellschaftsrecht mit großer Intensität angenommen. Hier liegt ein Schwerpunkt der noch keineswegs entschiedenen, aber zwischenzeit­ lich kaum mehr mit neuen Argumenten weitergeführten, 69 aber nach wie vor grundlegenden Kontroverse zwischen den widerstreitenden Schulen der „con­ tractarians“ und „anti-contractarians“: Während erstere in Weiterentwicklung vor allem der neoklassischen, teilweise aber auch der transaktionskostenökono­ mischen Theorie der Unternehmung den vertraglichen Charakter aller Bezie­ hungen zwischen den verschiedenen Gruppen relevanter Akteure (Anteilseig­ ner, Geschäftsleiter, Dritte) betonen und dem Gesetzesrecht lediglich die Funk­ tion hilfsweise anwendbarer Vertragsmuster beimessen,70 treten letztere dem   Siehe nochmals oben bei und in Fn. 48.   Erste, nicht auf das Unternehmensrecht beschränkte und hierzu nur exemplarisch ver­ tiefte Ansätze bei Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, passim. 69   Vgl. mit diesem Resumee Bratton, 87 Nw. U. L. Rev. 180  ff., insbes. 192  f. (1992): „discus­ sion of the 1980s“; siehe auch Bainbridge, Corporation Law and Economics, § 1.5, S. 31: “As a matter of intellectual interest, the debate over the contractual nature of the firm is over.” 70   Im ökonomischen Schrifttum grundlegend Alchian/Demsetz, 62 Am. Econ. Rev. 777, insbes. 794 (1972); Fama/Jensen, 26 J.L. & Econ. 301, 302 (1983); Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 310  f. (1976); vgl. – mit transaktionskostenökonomischem Ausgangspunkt – auch Williamson, 93 Yale L.J. 1197, 1202  ff. (1984); zusf. Cheung, 26 J.L. & Econ. 1  ff. (1983), sowie – mit kritischer Diskussion der analytischen Vor- und Nachteile des Konzepts – Rock/Wachter, 149 U. Pa. L. Rev. 1619, 1628  ff. (2001); zu den unterschiedlichen theoretischen Strömun­ gen im vorliegenden Zusammenhang zusf. etwa Bachmann, Private Ordnung, S. 115  f.; Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn. 80  ff.; Ruffner, Ökonomi­ sche Grundlagen, S. 129  ff.; Schanze, JNPÖ 2 (1983), 161, 165  ff. Aus der gesellschaftsrechts­ wissenschaftlichen Diskussion rezipierend zunächst Hessen, 30 Hastings L.J. 1327, 1330 (1979); Kraakman, 93 Yale L.J. 857, 862 (1984); Scott, 35 Stan. L. Rev. 927, 930 (1983); die wei­ tere Gesellschaftsrechtstheorie prägend insbesondere Easterbrook/Fischel, 89 Colum. L. Rev. 1416  ff. (1989); dies., Economic Structure, S. 15  ff.; im Anschluß daran etwa Bainbridge, 82 67

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B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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normativen Postulat der contractarians nach einem völligen Rückbau zwingen­ der Schutzmechanismen dezidiert entgegen.71 Bereits der deskriptive Ausgangs­ punkt und die Aussagekraft der Terminologie stehen im Streit: Contractarians orientieren sich terminologisch an der ökonomischen Vertragstheorie und beto­ nen das Zustandekommen der Investitionsentscheidung der Finanzierungsge­ ber in Wechselwirkung mit teils individuell vereinbarten, teils marktinduzier­ ten Parametern.72 Ihr Anknüpfungspunkt liegt mithin nicht primär in vertrags­ rechtlichen, sondern in vertragsökonomischen Kategorien. Wenn anti-contrac­ tarians schon den deskriptiven Wert der Vertrags-Terminologie bestreiten und auf den zwingenden Normenbestand auch in den US-amerikanischen Gesell­ schaftsrechten hinweisen,73 beruht dies mithin auf einem unterschiedlichen me­ thodischen Ausgangspunkt. Zur inhaltlichen Entscheidung zwischen den di­ vergierenden normativen Standpunkten trägt gerade der Disput über Termino­ logisches jedoch kaum bei.74 Die materialen Unterschiede bestehen letztlich unabhängig vom deskriptiven Befund und bilden zugleich den Kern der Debat­ te.75 Sie reflektieren vor allem unterschiedliche Bewertungen der Tauglichkeit von vertraglichen Vereinbarungen sowie von Marktmechanismen für die Be­ wältigung der in Finanzierungsbeziehungen auftretenden Interessenkonflikte. Cornell L. Rev. 856  ff. (1997); ders., Corporation Law and Economics, § 1.5, S. 27  ff.; Butler, 11 Geo. Mason U. L. Rev. 99  ff. (1989); ders./Ribstein, 65 Wash. L. Rev. 1, 2  ff. (1990); Klein, 91 Yale L.J. 1521  ff. (1982); McChesney, 89 Colum. L. Rev. 1530  ff. (1989); ders., 90 Colum. L. Rev. 1332  ff. (1990); R. A. Posner, Economic Analysis, § 14.3, S. 424  ff.; im Kern ähnlich auch bereits Latty, 50 Cornell L.Q. 599  ff. (1965). 71   Vgl. etwa – mit unterschiedlichen Akzentuierungen im Detail – Branson, in: Mitchell (Hrsg.), Progressive Corporate Law, S. 93, 94  f.; Brudney, 85 Colum. L. Rev. 1403  ff. (1985); Clark, 89 Colum L. Rev. 1703  ff. (1989); Eisenberg, 89 Colum. L. Rev. 1461  ff. (1989); ders., 90 Colum. L. Rev. 1321  ff. (1990); ders., 24 J. Corp. L. 819  ff. (1999); vgl. auch Kornhauser, 89 Colum. L. Rev. 1449  ff. (1989); auf der Grundlage einer Auswertung empirischer Studien zu Investorenreaktionen auf Rechtsänderungen krit. auch Weiss/White, 75 Cal. L. Rev. 551, 603  f. (1989). Dezidiert kritisch auf der Grundlage eines eigenständigen, multipolaren CorporateGovernance-Modells, das den Interessen von stakeholder-Gruppen stärkere Geltung auch in der Unternehmensverfassung verschaffen will, neuerdings Greenfield, Failure of Corporate Law, S. 30  ff. und passim. 72   Vgl. nochmals die Nachw. soeben Fn. 70. 73   Vgl. aus dem Kreis der vorstehend Fn. 71 Zitierten besonders Eisenberg, 90 Colum. L. Rev. 1321, 1329 (1990); dens., 89 Colum. L. Rev. 1461, 1487  f. (1989); dens., 24 J. Corp. L. 819, 831 (1999); skeptisch insoweit auch Kornhauser, 89 Colum. L. Rev. 1449  ff. (1989). 74   Insoweit unabhängig vom rechtspolitischen Standpunkt und von den normativen Kon­ sequenzen jedenfalls zutr. Butler/Ribstein, 65 Wash. L. Rev. 1, 16  f. (1990); vgl. auch Bainbridge, 82 Cornell L. Rev. 856, 860  f. (1997) sowie neuerdings dens., New Corporate Govern­ ance, 2008, S. 24; McChesney, 89 Colum. L. Rev. 1530, 1536  ff. (1989), die – jeweils in Ausein­ andersetzung mit kritischen Standpunkten – grundlegende Mißverständnisse schon in termi­ nologischer Hinsicht konstatieren. 75   Pointiert in diesem Sinne etwa Bainbridge, Corporation Law and Economics, § 1.5, S. 32: “(…) most contractarians probably regard the normative story as being the more impor­ tant (…). As such, we cheerfully concede the existence of mandatory rules, while deploring that unfortunate fact.”

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

Allmählich gewinnen vermittelnde Stimmen an Gewicht, die – jeweils mit un­ terschiedlicher Akzentsetzung – vor allem hinsichtlich der rechtspolitischen Konsequenzen (Rückbau bzw. Ausbau zwingender Vorgaben) für Differenzie­ rungen plädieren.76 Mit der Erkenntnis, daß keine der beiden Extrempositionen eine vollständig befriedigende positive Analyse des geltenden Gesellschafts­ rechts (in den Bundesstaaten und auf der Bundesebene) liefert, relativiert sich zunehmend auch der jeweilige normative Anspruch zugunsten von Einzelbe­ wertungen konkreter Regelungsprobleme und Regelungskomplexe und der je­ weils diskutierten Lösungen hierfür. Es liegt auf der Hand, daß diese Diskussion auch und gerade vor dem Hinter­ grund der seit dem frühen 20. Jahrhundert eingeschlagenen Entwicklung eines Rückbaus der zwingenden Vorgaben an Organisations- und Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften in den Gesellschaftsrechten der Bundesstaaten (im Gegensatz zum Bundes-Kapitalmarktrecht) 77 zu sehen, mithin zu einem erheb­ lichen Teil spezifisch rechtskulturell fundiert ist. 78 Damit sind die vertretenen theoretischen und methodischen Standpunkte von vornherein nur einge­ schränkt auf andere Rechtsordnungen übertragbar. Gleichwohl haben sie wie­ derholt auch in die kontinentaleuropäische und in die deutschsprachige Diskus­ sion Eingang gefunden und diese befruchtet.79 Gerade aus der Perspektive des 76   In diese Richtung bereits etwa Bebchuk, 102 Harv. L. Rev. 1820  ff. (1989); ders., 89 Co­ lum. L. Rev. 1395  ff. (1989); siehe – mit hieran anknüpfenden Vorschlägen für einen Ausbau gesetzlicher Verfahrensregeln für die Änderung der corporate charter – auch dens., 118 Harv. L. Rev. 833, 866  ff. (2005); dens., 119 Harv. L. Rev. 1784, 1787 (2006); ferner Bebchuk/Hamdani, 96 Nw. U. L. Rev. 489, 491  f., 503  ff. (2007); Coffee, 89 Colum. L. Rev. 1618  ff. (1989); vgl. auch Armour/Whincop, (2007) 27 OJLS 429, 432  ff.; Whincop, (1999) 19 OJLS 19, 27  ff.; von einem in der Analyse der contractarian school zuneigenden Ausgangspunkt aus auch Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1549  ff. (1989); gegen ihn jedoch Romano, 89 Colum. L. Rev. 1599  ff. (1989). Differenzierend aus dogmengeschichtlicher Perspektive ferner Bratton, 41 Stan. L. Rev. 1471  ff. (1989); ders., 74 Cornell L. Rev. 245  ff. (1989); ders., 87 Nw. U. L. Rev. 180  ff. (1992); vgl. aus der jüngeren Literatur Klausner, 31 J. Corp. L. 779, 781  ff. (2006); siehe ferner das Postulat einer Synthese der unterschiedlichen Ansätze bei Bratton, 87 Nw. U. L. Rev. 180  ff., insbes. 213  f. (1992). 77   Siehe noch näher unten, 3. Teil, 2. Kap., sub A. I. 4. (S. 486 ff.). 78   Besonders deutlich insoweit etwa Easterbrook/Fischel, 89 Colum. L. Rev. 1416, 1417 (1989); dies., Economic Structure, S. 2; vgl. aus dem Lager der Gegenseite auch Bratton, 74 Cornell L. Rev. 407, 432  ff. (1989). 79   Siehe nochmals Bachmann, Private Ordnung, S. 115  f.; Grundmann, Europäisches Ge­ sellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn. 80  ff.; Hopt, ZGR-Sonderheft 13 (1998), S. 123, 124  f.; Wiedemann, ZGR-Sonderheft 13 (1998), S. 5; ferner Escher-Weingart, Deregulierung, S. 209  f.; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 38  f.; Kübler, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 225, 230; implizit auch Kalss, Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, S. 36 (gesellschaftsrechtliche Regulierung als Problem der Setzung „einiger für den Finanzierungsvertrag wesentlicher ‚Vertragsbedingungen‘“, eig. Hervorhebung); zusf., wenn auch in der Bewertung („[i]n Deutschland […] kaum wahrgenommen“) vor dem Hintergrund dieser Stimmen wohl etwas überspitzt Fleischer, ZGR 168 (2004), 673, 685  ff.; aus der neueren deutschsprachigen rechtsökonomisch orientierten Literatur eingehend Ruffner, Ökonomi­

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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vorliegend verfolgten Untersuchungsprogramms sprechen dafür gute Gründe. Die in diesem Zusammenhang erschienenen Stellungnahmen greifen weit über die Analyse des positiven Rechts hinaus, indem sie Fragen der optimalen Reich­ weite des Geltungsanspruchs gesellschaftsrechtlicher Normen erstmals – und keineswegs unkontrovers – auch unter Rekurs auf die Erkenntnisse und Hypo­ thesen der ökonomischen Theorie der Unternehmung zu beantworten suchen. Die daraus zu gewinnenden Erkenntnisse sind zwar mit Blick auf die in der hiesigen zivilistischen und frühen gesellschaftsrechtlichen Literatur geleistete Pionierarbeit, 80 die in den US-amerikanischen Arbeiten ihrerseits keinen sicht­ baren Niederschlag gefunden hat, nicht durchweg als revolutionär einzustufen, doch bauen sie die damit gelegten Grundlagen immerhin nicht unerheblich aus. Insgesamt handelt es sich, was die in dieser Diskussion zum Ausdruck ge­ brachten normativen Positionen angeht, mithin auch um eine Kontroverse um Legitimation und Erforderlichkeit staatlicher Einflußnahme durch zwingende Vorgaben an das Gesellschaftsrecht – nicht anders als bei der Diskussion um einen Ausbau der Gestaltungsfreiheit im deutschen Gesellschaftsrecht. Dies be­ trifft in erster Linie materiale Aspekte. Doch klingen in diesem Streit stets un­ terschiedliche Vorstellungen über Funktionsvoraussetzungen und Funktions­ weise zwingender und dispositiver Normen mit, die bereits im Rahmen der Systematisierung und ersten Bewertung von Regulierungsinstrumenten zu be­ rücksichtigen sind. Unabhängig von der jeweils eingenommenen Position, aber auch unabhängig von der rechtskulturellen Einbettung helfen sie damit, den Blick für die Funktionen zwingender Einflußnahme und, in geringem Ausmaß, wiederum auch für die Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise von Regulierungsinstrumenten zu schärfen.

5.  Flexibilisierung durch hybride Gestaltungen und Kombinationen Eng verknüpft mit der Kontroverse zwischen contractarians und anticontracta­ rians sind schließlich jüngere, wiederum rechtsökonomisch beeinflußte Ansät­ ze, die sich Gestaltungsmustern im Grenzbereich zwischen zwingendem und dispositivem Recht zugewandt und den Blick für mögliche Flexibilisierungen durch Regulierungsmodelle (Regulierungsinstrumente und -strategien) ge­ schärft haben, welche Elemente des zwingenden mit solchen des dispositiven Rechts verbinden und damit die traditionelle Dichotomie zwischen beiden In­ strumenten – in Erkenntnis der jeweiligen Stärken und Schwächen – zuneh­ sche Grundlagen, S. 129  ff., 293  ff.; neuerdings auch Bechtold, Grenzen zwingenden Vertrags­ rechts, S. 158  ff.; von Werder, in: Festschrift Schwark, 2009, S. 285, 286  f.; nur sehr knapp und wenig differenziert insoweit dagegen Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 29. 80   Siehe erneut oben sub 2. (S. 66 ff.) sowie sub 3. (S. 69 f.).

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

mend in Frage stellen. 81 Mit Blick darauf kann anschaulich von „hybriden“ Ge­ staltungen gesprochen werden. 82 Die Grenze zwischen der Ebene der Regulie­ rungsinstrumente und der Ebene der Regulierungsstrategien ist dabei oft nicht leicht zu ziehen: Regelmäßig wird Flexibilisierung in dieser Hinsicht im we­ sentlichen mit Empfehlungen assoziiert, durch verstärkte Wahlmöglichkeiten der Normadressaten unter verschieden konzipierten Regelungsprogrammen („Menüs“83) die Freiräume für privatautonome Gestaltung zu vergrößern, ohne im Detail den staatlichen Regulierungsanspruch preiszugeben. Besonders deutlich tritt das damit verfolgte Anliegen in denjenigen Modellen zutage, die die Wahlfreiheit durch eine Verbreiterung des Angebots der zur Ver­ fügung stehenden Rechtsformen vergrößern wollen: Die Wahl der Rechtsform ist hiernach gleichsam der Schlüssel, der die Tür zu jeweils einem in sich ge­ schlossenen, mehr oder weniger stark vorgegebenen Regelungsprogramm öff­ net. 84 Wichtige Impulse beziehen derartige Ansätze insbesondere aus der wis­ senschaftlichen Aufbereitung des Wettbewerbs der Gesellschaftsrechte der einzelnen US-Bundesstaaten, der nach verbreiteter, aber keineswegs unkontro­ verser Auffassung die Vorteile einer freien Wahl zwischen unterschiedlichen 81   Besonders deutlich in diesem Sinne Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 119: Gerade die Deregulierungsdebatte der jüngeren Zeit habe „die Dichotomie zwischen zwingendem und dispositivem Vertragsrecht mitunter zu stark betont. (…) Erst in den letzten Jahren wird [diese] Dichotomie (…) zunehmend hinterfragt. Es geht um die Frage, ob es nicht ein tertium, eine regulatorische Mittellösung zwischen zwingendem und dispositivem Ver­ tragsrecht, gibt. (…) Eine solche Mittellösung würde idealerweise ähnliche Wirkungen entfal­ ten wie zwingendes Vertragsrecht, ohne dessen Nachteile aufzuweisen, die aus dem kompul­ siven Charakter zwingenden Vertragsrechts resultieren. Es geht um die Suche nach alternati­ ven Regulierungsinstrumenten, die ähnlich effektiv, aber weniger einschneidend als zwin­ gendes Vertragsrecht sind.“ Ähnlich jetzt auch Kähler, Macht und Vielfalt, 3. Kap. sub D. sowie besonders Möslein, Dispositives Recht, 1. Teil, § 3, und 3. Teil, § 9 und passim. Dezi­ diert a.A., aber nach hier vertretener Ansicht nicht haltbar demgegenüber auf dem Boden der tradierten Betrachtungsweise z. B. Hey, Freie Gestaltung, S. 120, wonach sich „das Gebot ei­ ner exakten und scharfen Trennung zwischen dispositivem Recht (…) aus den grundsätzlich anderen Zielsetzungen beider Rechtsmaterien“ ergebe. 82   Teilweise werden derartige Gestaltungen auch als „halbzwingende“ Rechtssätze be­ zeichnet, so bei Beier, Regelungsauftrag, S. 51, im Anschluß an Hopt, ZGR-Sonderheft 13, 1998, S. 123, 135. Dies ist allerdings insofern mißlich, als dieser Begriff in der zivilistischen Dogmatik bereits etwas anders besetzt ist, vgl. etwa Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 4 Rn. 104: „halbzwingende Normen“ als Rechtssätze, die entweder „zum Schutz des schwäche­ ren Vertragspartners unabdingbar sind, zum Schutz des stärkeren Vertragspartners aber ab­ geändert werden können“ („subjektiv halbzwingende Normen“, z. B. §§ 312f, 536 Abs. 4 BGB) oder „die nicht vollinhaltlich, sondern nur bezüglich eines gewissen Kernbestandes unab­ dingbar sind“ („objektiv halbzwingende Normen“, z. B. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Ähnlich, allerdings ohne diese weitere terminologische Differenzierung auch Bork, Allgemeiner Teil, Rn. 97. Engeres Begriffsverständnis demgegenüber bei Bachmann, Private Ordnung, S. 52 Fn. 20, der – unter insoweit unzutr. Berufung auf Larenz/Wolf, a.a.O. – als „halbzwingend“ solche Normen des dispositiven Rechts qualifiziert, die „im Rahmen der AGB-Kontrolle den Maßstab für die Billigkeitskontrolle abgeben (vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB)“. 83   So anschaulich etwa Ayres, 73 U. Chi. L. Rev. 3 (2006): „Menus Matter“. 84   Zum Ganzen noch unten, 2. Abschn., 2. Kap., sub C. (S. 367 ff.).

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Corporate-Governance-Strukturen besonders deutlich illustriert hat. 85 Auch die jüngst auf der Ebene der Gemeinschaftsrechtssetzung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in der Europäischen Union feststellbaren Tendenzen zur Einführung optionaler Gestaltungen, bei denen die Wahl entweder den Mit­ gliedstaaten oder – häufiger – den jeweils interessierten Akteuren überlassen wird, können als rechtspolitische Reaktion auf die vermeintlichen oder tatsäch­ lichen Vorzüge der Wahl zwischen verschiedenen Regulierungsstrategien ver­ standen werden; die Herstellung von Wahlfreiheit ist neben dem Harmonisie­ rungsziel zu einem zentralen Anliegen der Gemeinschaftsrechtssetzung aufge­ stiegen und hat das Ziel möglichst umfassenden Harmonisierung zunehmend abgelöst. 86 Beispiele bieten die verschiedenen Initiativen zur Einführung neuer, gemeinschaftsweit einheitlich gestalteter Rechtsformen (SE, SPE), sodann in­ nerhalb dieser Regelungsprogramme bereitgestellte optionale Gestaltungen wie die Wahlmöglichkeit zwischen monistischer und dualistischer Verwaltungs­ struktur (vgl. Art. 38 SE-VO). Gerade umfassend angelegte „Wahlmodelle“, aber auch Forderungen nach verstärkten gegenständlich beschränkten Wahlmöglichkeiten im Hinblick auf einzelne Sachprobleme innerhalb größerer Regelungszusammenhänge betref­ fen indes die mit den Grundformen dispositiver Normen einerseits und zwin­ gender Normen andererseits zu realisierenden Kombinationen, nicht dagegen Eigenarten dieser Grundformen selbst. Sie setzen mithin bei den Regulierungs­ strategien auf nationaler und ggf. supranationaler Ebene an und sind daher erst an späterer Stelle näher in den Blick zu nehmen. 87 Gleiches gilt für das im jün­ geren Schrifttum vermehrt diskutierte Modell des sog. Regelungsauftrags, bei dem das Gesetz die betroffenen Akteure zur Verhandlung über ein konkretes Sachproblem und dessen Bewältigung im Rahmen privatautonomer Gestaltung, d. h. regelmäßig in der jeweiligen Satzung verpflichtet. Beispiele für Regelungs­ aufträge finden sich im deutschen Recht etwa mit den § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG,   Programmatisch insoweit Romano, Genius, passim; dies., 8 Cardozo L. Rev. 709, 753 (1987); Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 214; siehe auch Winter, 6 J. Legal Stud. 251 (1977); grundlegend für die dezidiert kritische Position demgegenüber Cary, 83 Yale L.J. 663  ff. (1974); vgl. auch Brandeis J. (dissenting) in Liggett Co. v. Lee, 288 U.S. 517, 569 (1933): “Companies were early formed to provide charters for corporations in states where the cost was lowest and the laws the least restrictive. The states joined in advertising their wares. The race was not of diligence but of laxity.” Grundsätzlich abweichend Roe, 117 Harv. L. Rev. 588  ff. (2003) (Wettbewerb zwischen den Bundesstaaten von vornherein nur innerhalb der durch den Bundesgesetzgeber faktisch gesetzten Grenzen möglich), siehe insbes. auch ebd., S. 597, 602  ff. zur Verlaufsgeschichte der Forderungen nach einer Vereinheitlichung auf Bun­ desebene; dem grundsätzlich zustimmend auch McDonnell, 30 J. Corp. L. 99, 109 (2004); zum Ganzen die kritische Neubewertung der zugrundeliegenden Wettbewerbshypothesen bei Kahan/Kamar, 55 Stan. L. Rev. 679  ff. (2002), sowie die eingehende Analyse bei Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen, S. 99  ff., 106  ff. und passim. 86   Programmatisch Hertig/McCahery, in: Ferrarini/Wymeersch (Hrsg.), Investor Protec­ tion in Europe, 2006, S. 119  ff.; dies., ECFR 2006, 343  ff. 87   Unten, 2. Abschn., 2. Kap., sub C. (S. 367 ff.). 85

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§ 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG (Festlegung von Firma, Sitz, Unternehmensgegen­ stand und Höhe des Stamm- bzw. Grundkapitals). 88 Auch dieses Modell reflek­ tiert insofern einen hybriden Ansatz, als damit eine an sich zwingende Regel formuliert wird, die sich aber materiell lediglich auf die Verpflichtung zur For­ mulierung einer – inhaltlich dann wiederum ausschließlich privatautonom defi­ nierten – Problemlösung beschränkt. Obwohl auf Regulierungsstrategien im hier verwendeten Sinne bezogen, hat auch die Diskussion von „Wahlmodellen“ im vorgenannten Sinn die Einsicht geschärft, daß die Kategorien des zwingenden und des dispositiven Rechts die auf der Ebene der Regulierungsinstrumente dem Gesetzgeber zur Verfügung stehenden Gestaltungsmuster nicht abschließend beschreiben. Schon hier sind vielmehr Differenzierungen geboten. Die tradierte Dichotomie von zwingen­ dem und dispositivem Recht als Instrument des Eingriffs in die Privatautono­ mie einerseits und als Grundlage für die privatautonome Gestaltung anderer­ seits orientierte sich vor allem an der Vorstellung schlicht nachgiebiger, d. h. im Geltungsanspruch auf den Fall fehlender abweichender Vereinbarungen be­ schränkter Regelungen. 89 Demgegenüber plädieren jüngere Ansätze dafür, durch die Ausgestaltung des Tatbestands die Möglichkeit abweichender Verein­ barungen nicht nur einzuräumen, sondern die betroffenen Akteure positiv hier­ zu zu animieren, um sicherzustellen, daß eine möglichst sachangemessene, auf die Bedürfnisse des Einzelfalls zugeschnittene Lösung gewählt wird. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der in der jüngeren rechtsökonomischen Diskus­ sion nach wie vor kontrovers bewerteten sog. penalty default rules:90 Rechtssät­ ze, die eine nachgiebige Lösung in einer Weise formulieren, daß zumindest eine der betroffenen Parteien starke Anreize zur Aufnahme von Verhandlungen über alternative Gestaltungen hat. Konzeptionell handelt es sich allerdings, wie zu sehen sein wird,91 keineswegs um einen völlig neuartigen Ansatz, sondern vielmehr um – allerdings eigenständig entwickelte – Erkenntnisse, die im Grundsatz ähnlich auch bereits in der deutschsprachigen Zivilistik um die Wen­ de vom 19. zum 20. Jahrhundert formuliert wurden und letztlich in der Natur dispositiver Normen angelegt sind. Die US-amerikanische Rechtsökonomik   Vgl. dazu monographisch Beier, Regelungsauftrag, passim; im Anschluß daran auch Bachmann, Private Ordnung, S. 376  f.; Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 696; erste Überlegun­ gen für eine Systematisierung dieser Kategorie bereits bei Hommelhoff, GmbHR 1979, 102, 109  ff. Siehe dazu noch im einzelnen unten, 2. Abschn., 2. Kap., sub B. (S. 352 ff.). 89   Auch insoweit charakteristisch Hey, Freie Gestaltung, S. 120. 90   Vgl. zunächst Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 89, 91 (1991); sodann dies., 101 Yale L.J. 729  ff. (1992); Ayres/Talley, 104 Yale L.J. 1027  ff. (1995); dazu Bechtold, Grenzen zwingenden Ver­ tragsrechts, S. 215  ff.; Beier, Regelungsauftrag, S. 199  ff.; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 430  ff., insbes. 432  ff.; Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 693  ff.; Ruffner, Ökonomische Grund­ lagen, S. 337  ff. 91   Siehe noch im einzelnen unten sub II. 4. b) (S. 134 ff.); nur eingeschränkt zutreffend auch deshalb Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 693 („hierzulande noch kaum gewürdigt“). 88

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hat derartige Erwägungen allerdings – zudem mit abweichendem normativem Ausgangspunkt – erheblich verfeinert. Insgesamt läßt sich weniger von einem eigenständigen Normtyp als vielmehr von einer (in ihrer Tragweite eher un­ spektakulären) Weiterentwicklung dispositiver Normen durch restriktive Vor­ gaben und Schranken für den damit eröffneten Gestaltungsspielraum sprechen. Ähnliches gilt für das im Unternehmens- und Kapitalmarktrecht zunehmend bedeutsame Konzept, Freiheit zur Gestaltungswahl mit der Pflicht zur Erklä­ rung über Befolgung oder Nichtbefolgung nicht zwingender (gesetzlicher oder in Kodizes niedergelegter) Grundsätze zu verknüpfen (sog. „comply-or-ex­ plain“-Ansatz).92

6.  Fazit Funktionen und Funktionsvoraussetzungen zwingenden Rechts, dispositiver Normen und hybrider Gestaltungsmuster sind nach alledem zwar weder für die zivilistische noch für die gesellschaftsrechtliche Dogmatik ein neues Studien­ objekt. Nicht zuletzt die neuere, rechtstheoretisch und vor allem rechtsökono­ misch inspirierte Diskussion im anglo-amerikanischen Gesellschaftsrecht bie­ tet indes Anlaß für eine Erweiterung der auf die Funktionen der jeweiligen Ka­ tegorie fixierten Perspektive um die Funktionsvoraussetzungen, indem sie ver­ stärkt auch die für die praktische Handhabung und Rezeption unterschiedlicher Gestaltungsmuster charakteristischen Wirkungsmechanismen betont. Zugleich legen diese Ansätze eine Modifikation des überkommenen, dichotomisch ge­ prägten dogmatischen Verständnisses von zwingendem und dispositivem Recht nahe: Denkbar sind neben zwingendem und dispositivem Recht jeweils im en­ geren Sinn auch hybride Gestaltungsmodelle, die Elemente beider Kategorien miteinander verbinden oder zumindest die privatautonome Gestaltung stärker zu konturieren suchen, als dies mit lediglich subsidiär eingreifenden dispositi­ ven Normen möglich wäre. Damit ist zugleich das Fundament für ein neues Funktionsverständnis gelegt, das die tradierte Vorstellung überwindet, wonach dem dispositiven Recht jede Eignung als Regulierungsinstrument fehlt. Diese Überlegungen sensibilisieren so für die Möglichkeit einer abgestuften Fortbil­ dung des etablierten Regulierungssystems de lege ferenda.

II.  Dispositives Recht Im folgenden wird der Versuch unternommen, die vorhandenen Ansätze für das untersuchte Referenzgebiet zu einer funktionalen Theorie dispositiver Regulie­   Siehe dazu noch unten, 2. Kap., sub A. I. 1. c) (S. 259 f.).

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rungsinstrumente zu erschließen, zu systematisieren und mit Blick auf die Konsequenzen für die weitere Untersuchung kritisch zu überprüfen. Einleitend ist zunächst das systematische Verhältnis dispositiven Rechts zu zwingenden gesetzlichen Vorgaben zu präzisieren (unten 1.). Im Anschluß daran wird eine vorläufige Typologie dispositiver Normen ermittelt, die der weiteren Untersu­ chung zugrundegelegt werden kann (unten 2.). Auf dieser Basis lassen sich so­ dann die Fundamente einer Funktionstheorie gestaltungserleichternder bzw. gestaltungsergänzender dispositiver Normen einerseits (unten 3.) und steuernder dispositiver Normen andererseits (unten 4.) legen. In einer Gesamtschau der gewonnenen Erkenntnisse (unten 5.) offenbart sich die Doppelnatur dispositi­ ven Rechts als Element der Infrastrukturgewährleistung und als Regulierungs­ instrument (auch) im Kapitalgesellschaftsrecht.

1.  Dispositives Recht als Ausgangspunkt der funktionalen Analyse Angesichts des Gewichts zwingender (Schutz-) Normen nicht nur im Recht der Publikums-,93 sondern auch im Recht der personalistischen Kapitalgesellschaf­ ten94 mag die Wahl des dispositiven Rechts als Ausgangspunkt verwundern und sich die Frage aufdrängen, ob nicht vielmehr das zwingende Recht als Regelfall an den Beginn der Untersuchung gestellt werden sollte. Allerdings ist bereits angedeutet worden, daß der Stellenwert privatautonomer Gestaltung in der Frühphase der Genese moderner Gesellschaftsrechte in der bisherigen Diskus­ sion tendenziell eher zu gering veranschlagt worden ist: Jedenfalls die frühen aktienrechtlichen Kodifikationen sind unabhängig von der jeweiligen Rechts­ kultur zu einem nicht geringen Teil Produkt einer „Sedimentation“95 von ur­ sprünglich privatautonom gefundenen und weiterentwickelten Gestaltungsmu­ stern, die erst vergleichsweise spät durch gezielte gesetzliche Eingriffe zum Schutz konkreter Interessen und Rechtsgüter überlagert und modifiziert wor­ den sind.96 Schon aus historischer Perspektive ist damit zunächst der Blick auf Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise dispositiver Normen im Kapi­ talgesellschaftsrecht sinnvoll, ohne deren Berücksichtigung die Eigenschaften des zwingenden Rechts nicht voll ermessen werden können. Entsprechendes gilt erst recht vom Standpunkt der normativen Regulierungstheorie aus, welche schon die Legitimation zwingender hoheitlicher Eingriffe durch Gesetz oder 93   Vgl. nur § 23 Abs. 5 AktG und bereits vor dieser Kodifikation der aktienrechtlichen Sat­ zungsstrenge RG, Urt. v. 25. 9. 1901 – I 142/1, RGZ 49, 77, 80; Urt. v. 12. 1. 1907 – I 542/06, RGZ 65, 91, 92. 94   Vgl. insbesondere das Gläubigerschutzregime der §§ 21–25 GmbHG sowie §§ 30–32 GmbHG. 95   Vgl. – in anderem Sachzusammenhang – schon Laband, AcP 73 (1888), 161, 164 („sedi­ mentäre Rechtsbildung“). 96   Siehe nochmals oben sub I. 2. (S. 67 f.) und noch im einzelnen unten, 3. Teil (S. 399 ff.).

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Administrativmaßnahmen nur dann anerkennt, wenn nachgewiesen werden kann, daß die privatautonome Gestaltung die auftretenden Konflikte zwischen den unmittelbar betroffenen Akteuren sowie zwischen diesen und Dritten nicht zu bewältigen vermag („Marktversagen“).97 Dies setzt die funktionale Analyse des dispositiven Rechts im Hinblick auf seine Bedeutung für die privatautono­ me Gestaltung geradezu logisch voraus: Aus dieser Perspektive betrachtet, kann das Prinzip der Gestaltungsfreiheit die Vermutung der Richtigkeit für sich in Anspruch nehmen, während der regulierende Eingriff die Vermutung der Un­ zulässigkeit überwinden muß, was nur gelingt, wenn in concreto Funktionsde­ fizite der freien Gestaltung bestehen.98 Daß diese liberal-individualistische Sichtweise auch den Ausgangspunkt für die oben berichtete Position der con­ tractarian school darstellt, bedarf kaum der näheren Begründung.99 Ihr norma­ tives Postulat freier Gestaltung der einschlägigen Rechtsbeziehungen folgt die­ sem methodischen Ansatz, und zwar ohne daß die Konsequenz der dezidierten Negation eines Marktversagens im Hinblick auf die konkrete Interessenlage da­ durch notwendig vorgeprägt wäre.100 Dogmatisch geboten ist ein derartiger Grundansatz indes ebenso aus der Perspektive des deutschen Verfassungsrechts und hier als Ausfluß des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Einschränkun­ gen der an sich durch Artt. 9 Abs. 2, 2 Abs. 1 GG (ggf. i.V.m. Artt. 12 und 14 GG) eröffneten und gewährleisteten Gestaltungsfreiheit.101 Schon vor der Gel­   Vgl. dazu bereits oben, 1. Teil, 2. Kap., sub A. II. (S. 40) bei und in Fn. 17; speziell zu den Implikationen für die Rechtfertigung zwingender Vorgaben im vorliegend untersuchten Re­ ferenzgebiet noch näher unten sub B. III. 1. (S. 152 ff.). 98   Besonders prägnant statt vieler stellvertretend Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 88 (1995): “Immutability [d. h. zwingender Eingriff] is justified only if unregulated contracting would be socially deleterious because parties internal or external to the contract cannot adequately protect themselves.“ 99   Vgl. dazu nochmals nur die gründliche dogmengeschichtliche Analyse bei Bratton, 41 Stan. L. Rev. 1471  ff., insbes. 1487  ff., 1491  ff., 1513  ff. (1989); ferner – mit dezidierter Kritik schon am rechtspolitischen Ausgangspunkt der contractarian school – auch Brudney, 85 Co­ lum. L. Rev. 1403, 1409  f. (1985); mit Blick auf den Stellenwert fiduziarischer Geschäftsleiter­ pflichten in der klassischen Gesellschaftsrechtslehre des Common Law Coffee, 89 Colum. L. Rev. 1618, 1658 (1989): “At bottom, the anticontractarians believe not only that beneficiaries desire such a relationship, but that public morality requires its preservation. Two visions of society here collide: the individualistic, wealth-maximizing view of the economist and the communitarian ethic of the moralist.” 100   Eindeutig insoweit etwa Bebchuk, 102 Harv. L. Rev. 1820, 1822 (1989): “(…) endorsing a complete freedom to opt out does not follow, as its advocates believe, from the contractual view of the corporation”; vgl. auch Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1714  f. (1989); Coffee, 89 Colum. L. Rev. 1618, 1619 und 1690 (1989). Repräsentativ für die contractarian school dagegen Butler/Ribstein, 65 Wash. L. Rev. 1, 33  ff. (1990). 101   Die genaue grundrechtsdogmatische Verortung der gesellschaftsrechtlichen Gestal­ tungsfreiheit ist umstritten; weil und soweit hier Finanzierungsbeziehungen unter Einschluß der Fremdfinanzierung als Referenzgebiet herangezogen werden, spielen indes aus der Per­ spektive der vorliegenden Untersuchung jedenfalls sowohl Art. 9 GG als auch Art. 2 GG eine Rolle. Vgl. zum Ganzen stellvertretend – teilweise kontrovers – etwa Bachmann, Private Ord­ nung, S. 108  ff.; Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 687  f.; Hey, Freie Gestaltung, S. 73  ff.; Wester97

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tung des Grundgesetzes ließen sich entsprechende Überlegungen auf den für das Bürgerliche Gesetzbuch prägenden Grundsatz der Privatautonomie stüt­ zen.102 Auch unabhängig vom rechts- bzw. wirtschaftspolitischen Ausgangspunkt103 und der verfassungsrechtlichen Einbettung der privatautonomen Gestaltung schließlich bleibt unbestreitbar, daß das zwingende Recht, das den Spielraum privatautonomer Gestaltung auf wenige zulässige Verhaltensweisen einengt oder gänzlich ausschließt, als schärfste Form der Gestaltungs- und Regelungs­ optionen für den Gesetzgeber nur mit Blick auf mögliche Defizite der Aus­ gleichswirkungen dispositiven Rechts verstanden werden kann. Dies erhellt insbesondere, wenn neben der Funktion dispositiver Normen als Instrumente zur Unterstützung der privatautonomen Gestaltung ihre noch im einzelnen zu untersuchende Bedeutung als Ausdruck von Wert- oder Ordnungsvorstellun­ gen in den Blick genommen wird: Lassen sich derartige Vorgaben schon mit dispositivem Recht nicht nur kommunizieren, sondern in gewissem Umfang sogar verläßlich zur Geltung bringen, so stellen sich zwingende Regulierungs­ instrumente erst recht weniger als aliud denn als bloße Verstärkung der schon mit dispositivem Recht verbundenen Steuerungswirkungen dar.104 Mit anderen Worten: Daß bei ihnen der Geltungsanspruch strenger ausgestaltet und ggf. mit schneidigen Sanktionen zusätzlich bewehrt ist, ändert nichts daran, daß dispo­ sitives Recht, darin dem zwingenden Recht im Grundsatz vergleichbar, zumin­ dest teilweise auch Steuerungsfunktionen entfaltet. Bei alledem darf allerdings nicht übersehen werden, daß der mit den vorste­ henden Überlegungen verbundene Erkenntnisgewinn von vornherein eher mann, Vertragsfreiheit, S. 28  ff.; knapp auch Bachmann, JZ 2008, 11; Reuter, Perpetuierung, S. 33  f. Eingehend zu den grundrechtlichen Prägungen für die Gestaltung dispositiven Rechts jetzt auch Möslein, Dispositives Recht, 3. Teil, § 8 sub III. 1. Inhaltlich ähnlich, aber aufgrund einer ökonomischen Analyse exemplarischer Sachprobleme auch Bechtold, Grenzen zwin­ genden Vertragsrechts, S. 264: „Zwingendes Vertragsrecht ist nicht erforderlich, wenn alter­ native Regulierungsinstrumente zur Verfügung stehen, welche die vom Gesetzgeber verfolg­ ten Ziele mit (annähernd) vergleichbarer Wirksamkeit erzielen können.“ 102   Vgl. etwa Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, S. 23; im Ansatz wohl auch Laufke, Die Handelsgesellschaften und das zwingende Recht, S. 24; siehe auch Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 17: „In einem solchen ‚Freiheitsmodell‘ wird der Wil­ le der Vertragsparteien in möglichst großem Umfang respektiert. Zwingendes Vertragsrecht ist die Ausnahme, gesetzgeberische Intervention ist im Schwerpunkt auf die Schaffung dispo­ sitiven Vertragsrechts beschränkt.“ Zur schwindenden Prägekraft des Leitbilds in jüngerer Zeit stellvertretend Bruns, JZ 2007, 385, 387  ff. 103   Zu einer umgekehrten Vermutung gelangt, wer von vornherein Gestaltungsfreiheit nur insoweit anerkennen will, als „die Gewähr dafür gegeben ist, daß mit der privaten Gestaltung der Rechtsverhältnisse wenigstens annähernd gerechte Ergebnisse erzielt werden können“, in diesem Sinne – in allgemeinem zivilrechtlichem Kontext, aber verallgemeinerungsfähig – etwa Henckel, AcP 159 (1959), 106, 113; dagegen krit. bereits Westermann, Vertragsfreiheit, S. 48. 104   In diese Richtung wohl auch bereits Bucher, in: FG Dechenaux, 1977, S. 249, 256; ten­ denziell a.A. dagegen nunmehr Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 124  ff., 186  ff.

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theoretischer Natur ist, als daß er in konkrete, unter Umständen gar verfas­ sungsrechtlich überprüfbare Vorgaben umgemünzt werden könnte. Die im fol­ genden zu entwickelnden Aussagen zu Funktionsvoraussetzungen und Funkti­ onsweisen dispositiver Normen legen zwar aus der Perspektive einer funktiona­ len Dogmatik zugleich auch die Grundlagen für das Verständnis des Stellen­ werts zwingender Regulierung. Daraus lassen sich indes schon deshalb keine unmittelbaren Folgerungen für die Gewichtung dispositiver und zwingender Normen bei der Gestaltung des gesetzlichen Ordnungsrahmens ableiten, weil sich die erforderlichen Abwägungs- und Wertungsprozesse nicht Norm für Norm abspielen, sondern sich regelmäßig auf ein ganzes Normenprogramm be­ ziehen werden. Die Wahl zwischen verschiedenen Regulierungsinstrumenten auf der Ebene der einzelnen Rechtsnorm ist insofern nur in geringem Umfang einer Einzelanalyse und erst recht kaum einer verfassungsrechtlichen Verhält­ nismäßigkeitsprüfung zugänglich. Auch deshalb überzeugt die im Mitbestim­ mungsurteil des Bundesverfassungsgerichts formulierte Anerkennung eines weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung von „Rechtsnormen und Normenkomplexen des Vereins- und Gesellschafts­ rechts“.105

2.  Typologie dispositiven Rechts Dispositive Normen bilden (auch) im Kapitalgesellschaftsrecht keinen homoge­ nen Typus. In Funktion und Wirkungsweise divergieren sie vielmehr schon pri­ ma facie erheblich. Beide Aspekte sind noch nicht abschließend geklärt. Auch insoweit macht sich negativ bemerkbar, daß die Bemühungen um eine funktio­ nale Dogmatik dispositiver Normen im allgemeinen Zivilrecht seit längerem erstarrt sind.106 Der Versuch einer Systematisierung kann dabei an verschiedene Gesichtspunkte anknüpfen. Der überkommenen dogmatischen Betrachtung entspricht eine Einteilung nach „ermächtigenden“, „ergänzenden“ und „ausle­ genden“ dispositiven Normen (unten a)); für die hier verfolgten Zwecke un­ gleich aussagekräftiger ist demgegenüber eine Einteilung, die gestaltungser­ leichternde und steuernde Funktionen unterscheidet (unten b)). Auch ein derar­ tiger Ansatz bedarf allerdings noch der weiteren Konkretisierung, um im hiesi­ gen Zusammenhang fruchtbar gemacht werden zu können (unten c)).   BVerfG, Urt. v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77, 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/79 und 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290, 355. 106   Siehe bereits im Überblick oben sub I. 2. (S. 66 f.). Auf die erst in jüngster Zeit, nach Abschluß des vorliegenden Manuskripts, erschienenen bzw. fertiggestellten Schriften von Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, passim, Möslein, Dispositives Recht, passim, sowie von Kähler, Macht und Vielfalt, die (1. Kap. sub E. 2.) eine eigene, vom folgenden z.T. erheblich abweichende Typologie entfaltet, kann hier nur hingewiesen werden. 105

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

a)  Anknüpfung an den Regelungsgehalt Verbreitet zugrundegelegt wird zunächst eine am Regelungsgehalt dispositiver Normen orientierte Phänotypik dispositiven Rechts. Folgt man diesem Ansatz, läßt sich eine erste Gruppe von Vorschriften identifizieren, die vertragliche Ab­ reden gestatten und dabei deren Inhalt teils stärker, teils schwächer vorprägen. Die Normen dieser Gruppe sprechen eine ausdrückliche Ermächtigung zur Re­ gelung und Konkretisierung aus und überlassen (in unterschiedlichem Ausmaß) die weitere Festlegung von Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen den Parteien.107 Derartige Normen sind meist Teil eines ansonsten im wesentlichen zwingenden Normenprogramms. Indem das Gesetz die Wahl einer Kombinati­ on aus Tatbestand und Rechtsfolge durch privaten Gestaltungsakt (sog. opt-inRegelungen)108 oder statt dessen allgemein privatautonome Gestaltungen über einen definierten Gegenstand erlaubt, verleiht es der privaten Gestaltung zu­ gleich Legitimation109 und damit zwar nicht Gesetzesrang, aber umfassende Autorität kraft Gesetzes110 und mithin die Voraussetzung auch für die zivilpro­ zessuale Durchsetzbarkeit der resultierenden Rechte und Pflichten. Eine Ermächtigung zur privatautonomen Gestaltung enthalten explizit oder implizit zwar notwendigerweise111 stets auch die dispositiven Normen der zweiten Gruppe. Allerdings beschränkt sich das Gesetz hier nicht auf die Ermächti­ gung als solche. Vielmehr formuliert es die unter bestimmten Tatbestandsvor­ aussetzungen eingreifenden Rechtsfolgen selbst, nimmt aber den Geltungsan­ spruch für den Fall zurück, daß die Parteien eine andere als die im Gesetz for­ mulierte Lösung vereinbaren; die gesetzliche Lösung gilt mithin subsidiär112 und tritt hinter die zulässige privatautonome Gestaltung zurück. Den betref­ fenden Parteien eröffnen Regelungen dieser Kategorie in der plastischen Termi­

107   Vgl. z. B. § 26 Abs. 1 GmbHG: „Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, daß die Gesellschafter über die Nennbeträge der Geschäftsanteile hinaus die Einforderung von wei­ teren Einzahlungen (Nachschüssen) beschließen können.“ (eig. Hervorhebung). 108   Zum Begriff etwa Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 695; vgl. auch Bachmann, Private Ordnung, S. 378  f.; ders., JZ 2008, 11, 14 (beide ohne klare Abgrenzung zwischen gegenständ­ lich isolierten Wahlmöglichkeiten und solchen hinsichtlich ganzer Normprogramme). 109   Vgl. umfassend zum Problem der Legitimation von Regeln, auch und insbesondere als „Schlüssel zur rechtswissenschaftlichen Bewältigung privater Regelsetzung“, stellvertretend Bachmann, Private Regelsetzung, S. 158  ff., der allerdings den Zusammenhang zwischen Le­ gitimation und Durchsetzbarkeit kaum betont. 110   Vgl. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 45; grundlegend Bülow, AcP 64 (1880), 1, 45: „Ausstattung des Rechtssubjects mit der rechtlichen Macht zur eigenen Rechtsbestimmung Namens und Kraft der Rechtsordnung“ (Hervorhebungen weggelassen); Fröhlich, Vom zwingenden und nicht zwingenden Privatrecht, S. 88. Ausführlich und kritisch zur Position Bülows jetzt Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 102  ff., insbes. S. 113  ff. 111   Deutlich etwa Fröhlich, Vom zwingenden und nichtzwingenden Privatrecht, S. 88. 112   So schon Bülow, AcP 64 (1880), 1, 45; Fröhlich, Vom zwingenden und nichtzwingenden Privatrecht, S. 87; vgl. auch Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 611 (1998).

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nologie der anglo-amerikanischen Theoriediskussion die Möglichkeit zum „opt-out“.113 Die dritte Kategorie dispositiver Normen schließlich klärt Auslegungsfragen insbesondere für den Fall zweifelhafter rechtsgeschäftlicher Erklärungen. Sie ist im Kapitalgesellschaftsrecht freilich kaum von Bedeutung, so daß auf die weitere Auseinandersetzung damit verzichtet werden kann,114 zumal auf die Wirkungsweise von Normen dieser Kategorie die Erwägungen zur ersten Kate­ gorie ohne weiteres übertragbar sein dürften. Die damit umrissene Grobeinteilung der Normen, die verbreitet als „ermäch­ tigende“ (erste Gruppe) und „ergänzende“ Normen (zweite Gruppe) bezeichnet werden,115 besagt freilich noch nichts über die Funktionen, die beide Typen auch im System des Kapitalgesellschaftsrechts erfüllen bzw. erfüllen können. Diese reichen von der bloßen Unterstützung privatautonomer Gestaltung über die inhaltliche Erweiterung und Ergänzung derselben bis hin zur Einflußnah­ me auf das Gestaltungsergebnis. b) Funktionale Anknüpfung Aus funktionaler Perspektive aussagekräftiger als die Einteilung nach „ermäch­ tigenden“ und „ergänzenden“ dispositiven Normen ist die Unterscheidung zwi­ schen Normen mit primär gestaltungserleichternder bzw. gestaltungsergänzender und solchen mit primär steuernder Funktion. Konzeptionell knüpfen diese Kategorien an die Unterscheidung von Normen mit Ergänzungs- bzw. Lücken­   Siehe zum Begriff bereits die Nachw. soeben Fn. 108.   Als Beispiel mag etwa an die Vorschrift des § 427 BGB für die Haftungsverteilung unter Gesamtschuldnern gedacht werden; vgl. insoweit grundsätzlich übereinstimmend, wenn auch mit unterschiedlichen Akzentsetzungen im Detail etwa Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, S. 44; vgl. auch Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 49 II, S. 300  f.; von Tuhr, Der Allgemeine Teil, Bd. 1, S. 25  f., und Bd. 2/1, S. 186  f.; vgl. dazu Bucher, in: FG Deschenaux, 1977, S. 149, 257; Sandrock, Zur ergänzenden Vertragsauslegung, S. 41; insoweit auch Westermann, Vertragsfreiheit, S. 45  f.; vgl. ferner – etwas unscharf – Beier, Re­ gelungsauftrag, S. 57  f. (Auslegungsregeln mit „Rahmensetzungsfunktion im methodischen Sinne“). 115   Vgl. insoweit etwa Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 49, S. 299  ff.; Fröhlich, Vom zwingenden und nichtzwingenden Privatrecht, S. 83; grundlegend bereits Bülow, AcP 64 (1880), 1, 75  ff.; im Anschluß daran auch Westermann, Vertragsfreiheit, S. 45; ähnlich aus der anglo-amerikanischen Literatur Cheffins, Company Law, S. 217  f., der „permissive (‚may‘)“ bzw. „enabling rules“ einerseits und „presumptive rules (‚may waive‘)“ andererseits unterscheidet: “Most often, permissive rules legitimize arrangements that otherwise might not be valid. Such rules can therefore also be referred to as ‘enabling’ provisions. (…) measures of a presumptive character apply without the parties affected taking an affirmative step; no opting in is required.” Ähnlich Eisenberg, 89 Colum. L. Rev. 1461 (1989): “Enabling rules give legal effect to rules that corporate actors adopt in a specified manner. Suppletory or default rules govern defined issues unless corporate actors adopt other rules in a specified manner.“ (Hervorhebungen im Original). 113 114

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füllungsfunktion einerseits und Normen mit Ordnungs- bzw. Leitbildfunktion andererseits an,116 sind jedoch zugleich weiter und präziser als diese. Dies gilt zunächst für die Bedeutung des dispositiven Rechts als Gestaltungs­ rahmen und Hilfsmittel privater Gestaltung. Sie beschränkt sich keineswegs dar­ auf, rechtsgeschäftliche Gestaltungsakte um Lösungen für Probleme zu ergän­ zen, die in der ursprünglichen Parteiabrede unberücksichtigt geblieben sind. Indem dispositives Recht (in Gestalt „ergänzender“ Normen) Lösungen vorfor­ muliert oder indem es (in Gestalt „ermächtigender“ Normen) Gestaltungsmög­ lichkeiten aufzeigt und damit legitimiert, unterstützt es die privatautonome Ge­ staltung darüber hinaus vielmehr in einer Weise, die mit der Funktion als Substi­ tut für privatautonome Gestaltungen bei lückenhaften Abreden zwar verknüpft, aber in ihrer Wirkungsweise ungleich komplexer ist: Ihre Wirkung entfalten die dieser Gruppe zugehörigen Normen nicht allein durch die richterliche Interpo­ lation und mithin ex post, sondern bereits vor und mit jedem privatautonomen Gestaltungsakt (ex ante), indem der Bestand dispositiver Normen den jeweiligen Akteuren Orientierung über mögliche Lösungen gewährt und sie zugleich zur Reflexion über die sachangemessene Lösung sowie zu Verhandlungen hierüber quasi einlädt.117 Insoweit ließe sich auch von der „Unterstützungsfunktion“ dis­ positiven Rechts sprechen. Erst nachdem die Parteien – nach reiflicher Überle­ gung oder in Unkenntnis der Spannbreite künftiger Problemfälle – von einer ausdrücklichen Lösung abgesehen haben, realisiert sich die den rechtsgeschäftli­ chen Willen ergänzende Wirkung dispositiven Rechts im eigentlichen Sinne. Unpräzise ist auch die explizite oder implizite Reduktion der verhaltenssteu­ ernden Wirkungen dispositiven Rechts auf dessen Bedeutung als Ordnungsrah­ men oder Leitbild. Die tatsächlichen Wirkungszusammenhänge sind auch in dieser Hinsicht komplexer. Sie beginnen im Grenzbereich zwischen der Unter­ stützung privatautonomer Gestaltung und der gezielten Verhaltenssteuerung: Schon indem jede dispositive Norm die betroffenen Akteure einlädt, Alternati­ ven zur kodifizierten Lösung zumindest zu erwägen, ist sie potentiell geeignet, Reflexionsprozesse in Gang zu setzen, die sich im Ergebnis der privaten Rechts­ gestaltung niederschlagen. Wie zu sehen sein wird, läßt sich dieser Effekt im Sinne einer auch materiale Aspekte umfassenden, gezielten Einflußnahme auf das Verhandlungsergebnis ausbauen, indem die dispositive Lösung inhaltlich variiert wird. Auch unabhängig hiervon besteht Grund zur Annahme, daß die bloße Existenz auch dispositiver Regelungen die Gestaltungspraxis à la longue prägt, was auf die Art und Weise der Rezeption dispositiver Regelungen durch die Gestaltungspraxis zurückzuführen ist und ebenfalls noch zu vertiefen sein wird. Das Potential zur Verhaltenssteuerung wohnt dispositivem Recht mithin schon ohne Rücksicht auf die Ausrichtung der dispositiven Lösung an mate­   Siehe nochmals oben sub 1. (S. 80) bei und in Fn. 104.   Ähnlich auch bereits Drexl, Selbstbestimmung des Verbrauchers, S. 106  f.

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rialen (Ordnungs-) Zielen inne, die die tradierte Vorstellung von der „Ord­ nungs-“ bzw. „Leitbildfunktion“ dispositiven Rechts tragen; in der Literatur sind Reichweite und Grenzen dieser Wirkungszusammenhänge bislang noch kaum angemessen gewürdigt.118 c)  Folgerungen und weitere Konkretisierung Dispositive Normen können nach alledem zum einen privatautonome Gestal­ tungsergebnisse erleichtern und ergänzen, zugleich aber auch deren Inhalt be­ einflussen. Beide Funktionen schließen einander keineswegs aus, sondern be­ schreiben, wie zu sehen sein wird, lediglich die Pole eines Kontinuums: Eine Vorschrift kann verhaltenssteuernde Wirkung entfalten, aber gleichwohl auch gestaltungserleichternd wirken; je nach Ausgestaltung kann die eine oder die andere Funktion stärker oder schwächer ausgeprägt sein. Soweit gelegentlich weitere „Funktionen“ dispositiven Rechts benannt worden sind,119 wird sich erweisen, daß diese unproblematisch als unselbständige Teilaspekte in die hier gewählten Kategorien integriert werden können. Die Trennschärfe einer funktionalen Unterscheidung zwischen im Kern ge­ stattenden und im Kern regulatorischen Zwecken wird allerdings zumindest implizit bisweilen bestritten.120 Insofern ist zuzugestehen, daß eine klare Ab­ grenzung nicht selten Probleme bereiten mag. Ebenso ist bereits angedeutet worden, daß sich verhaltenssteuernde Wirkungen auch dann mit dispositiven Vorschriften verbinden, wenn ein regulatorisches Motiv für die Formulierung einer dispositiven Regelung eindeutig nicht feststellbar ist. Wertvolle Impulse für die Bemühungen um eine Funktionstheorie dispositiven Rechts vermitteln auch und gerade mit Blick auf die eher vernachlässigten verhaltenssteuernden Wirkungen dispositiven Rechts nach wie vor nicht zuletzt die erwähnten dog­ matischen Untersuchungen aus der älteren deutschsprachigen Zivilistik. So geht   Eine Ausnahme insoweit bildet allerdings Westermann, Vertragsfreiheit, S. 40  ff., der sich explizit mit der „Bindungswirkung des nichtzwingenden Rechts“ befaßt, dabei aller­ dings zu Ergebnissen gelangt, die mit dem hier vertretenen, nachfolgend zu entwickelnden Standpunkt nur teilweise übereinstimmen. In jüngster Zeit eingehend behandelt wird die Fra­ ge nunmehr in der Habilitationsschrift von Bechtold, Grenzen zwingenden Privatrechts, pas­ sim; siehe in eine ähnliche Richtung auch Möslein, Dispositives Recht, 1. Teil, § 3, sowie 3. Teil, § 9. Vgl. zur Gegenauffassung, die die Eignung dispositiver Normen als Steuerungsin­ strument negiert, apodiktisch abermals Hey, Freie Gestaltung, S. 120, sowie – mit insgesamt kritischer Grundtendenz – nunmehr auch Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, passim; ähn­ lich auch insoweit Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 610 (1998). 119   Vgl. stellvertretend zunächst nochmals Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 692 m. w. N.: „Informationsfunktion“, „Entlastungsfunktion“. 120   Besonders deutlich etwa Westermann, Vertragsfreiheit, S. 45, der in „sämtlichen Kate­ gorien des nichtzwingenden Rechts (…) objektive Wertentscheidungen des Gesetzgebers nie­ dergelegt“ sieht; vgl., wenngleich unklar, auch Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 88; Larenz/ Wolf, Allgemeiner Teil, Rn. 100  f., die ebenfalls von der Omnipräsenz der Ordnungs- oder Leitbildfunktion auszugehen scheinen. 118

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die Erkenntnis, daß verschiedene Typen mit unterschiedlichem Funktionsprofil zu unterscheiden sind, insbesondere auf die bereits zitierte Arbeit von Ehrlich zurück.121 Die von ihm vorgeschlagene Systematisierung nach verschiedenen „Funktionen“ dispositiven Rechts122 impliziert zwar eine Unterscheidungs­ kraft, die in der Anwendung auf konkrete Rechtssätze bisweilen künstlich ­anmutet und zu nicht sachgerechten Abgrenzungen zwingt. Die zugrundelie­ genden Erwägungen indes können nach wie vor mit erheblichem Gewinn her­ angezogen werden; insoweit ist diesem Ansatz zu Unrecht fehlende Präzision vorgeworfen worden.123 Ursprünglich allein zur Dogmatik des deutschen bür­ gerlichen Rechts und hier insbesondere zur Rechtsgeschäftslehre formuliert, ist die Einsicht in unterschiedliche Funktionen dispositiver Normen rechtsgebietsund rechtsordnungsübergreifend verallgemeinerungsfähig. Ebenfalls für das Verständnis von Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise dispositiven Rechts nach wie vor von Bedeutung sind die Untersuchungen Oskar Bülows zur Bedeutung dispositiven Rechts im Zivilprozeß,124 die wichtige, nach wie vor gültige verallgemeinerungsfähige Erkenntnisse zur Funktionsweise dispositi­ ver Normen vermitteln. Jüngere Arbeiten, insbesondere die rechtsökonomisch informierten Ansätze in der US-amerikanischen Literatur, haben das damit ge­ legte Fundament – allerdings selbständig und ohne Auseinandersetzung mit den deutschsprachigen Quellen – nurmehr ergänzt und die Analyse verfeinert.

3.  Gestaltungserleichterndes und gestaltungsergänzendes Recht Damit sind im folgenden zunächst diejenigen dispositiven Normen in den Blick zu nehmen, welche die privatautonome Gestaltung erleichtern oder ergänzen. Daß diese Gruppe im vorliegenden Rahmen überhaupt Beachtung findet, ist nicht selbstverständlich. Soweit dispositives Recht Lösungen für den Fall un­   Siehe nochmals Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, S. 44  ff.; zusf. Bucher, in: FG Deschenaux, 1977, S. 249, 257; Sandrock, Zur ergänzenden Vertragsauslegung, S. 40  f.; vgl. auch Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 49 I, S. 299  ff. sowie – mit abwei­ chender Systematik – wiederum Laufke, Die Handelsgesellschaften und das zwingende Recht, S. 2  f. 122   Vgl. wiederum Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, S. 44  ff.: Ausle­ gungsregeln, ergänzende Rechtssätze, „fürsorgende“ Rechtssätze sowie Vorschriften, die eine Verkehrssitte kodifizieren. Vgl. dazu aber nochmals auch die kritische Untersuchung bei Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 102  ff., insbes. S. 113  ff. 123   Vgl. – allerdings vor allem im Hinblick auf die von Ehrlich vorgenommene Begrenzung auf zwingende und dispositive Normen in der Rechtsgeschäftslehre – nochmals Fröhlich, Vom zwingenden und nichtzwingenden Privatrecht, S. 63  ff.; grundsätzlich kritisch auch Wester­mann, Vertragsfreiheit, S. 45 Fn. 121, für den die von Ehrlich vorgenommene Unter­ scheidung daran „krankt (…), daß sie nicht durchweg das Verhältnis des Privatwillens zur Norm als Kriterium zugrundelegt“. Dies trifft zwar zu, ändert aber – wie zu sehen sein wird – nichts am Erkenntniswert der Ehrlich’schen Kategorien. 124   Bülow, AcP 64 (1880), 1  ff. 121

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vollständigen oder nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebrachten Par­ teiwillens zur Verfügung stellt, ohne daß die Parteien diese anzunehmen ge­ zwungen sind, scheint ein verhaltenssteuernder Impetus eher fernzuliegen. Mit Blick darauf könnte angenommen werden, daß es dispositiven Normen dieser Art von vornherein an einer Grundvoraussetzung für die Qualifikation als „Regulierungsinstrument“ im hier verwendeten Sinne, nämlich dem Element der gezielten Einflußnahme auf menschliches Verhalten, fehlt.125 Gleichwohl sind sie im hier untersuchten Kontext von Interesse: Erstens könnte schon die Notwendigkeit der – nicht immer trennscharf möglichen126 – Abgrenzung zu den als Regulierungsinstrument immerhin geeigneten Typen dispositiven Rechts den Blick für deren Funktionsprofil schärfen. Gerade aufgrund seiner engen systematischen Nachbarschaft zu den im engeren Sinne regulierenden Normen bietet sich ergänzendes dispositives Recht als Folie für die Untersu­ chung des Funktionsprofils nachgiebiger Regulierungsinstrumente an. Zum zweiten kann die einzelne dispositive Norm im Zusammenwirken mit anderen dispositiven oder zwingenden Normen durchaus Funktionen erfüllen, die sich insgesamt in ein System von Regulierungsstrategien einfügen.127 Drittens ist in jeder dispositiven Norm ein Potential für verhaltenssteuernde Wirkungen inso­ fern angelegt, als die bloße Existenz einer gesetzlichen, allgemeinen, aber dispo­ sitiven Lösung die Parteien zur Reflexion über die im Einzelfall sachadäquate Lösung quasi einlädt. Und viertens kann jeder Beitrag zur Standardisierung von Lösungen insofern als regulatorischer Akt qualifiziert werden, als damit auf Marktversagen in Gestalt strukturell bedingter Defizite in der privatauto­ nomen Gestaltung reagiert werden soll. Nachfolgend sind zunächst die mit der hier verwendeten Formulierung von der Erleichterung und Ergänzung privatautonomer Gestaltung beschriebenen Funktionen dispositiver Vorschriften ohne regulatorischen Charakter näher zu konkretisieren (unten a)). Hieraus lassen sich unmittelbare Folgerungen ableiten für die Art und Weise ihrer unmittelbaren Rezeption durch die Gestaltungspra­ xis und mithin ihre Wirkungsweise in der Gestaltungspraxis (unten b)). Diese erweitern schließlich den Blick auf die historische Dimension sowohl der Ent­ stehung als auch der Wirkung dispositiven Rechts, die für die mittelbare Wir­ kung dispositiver Normen von essentieller Bedeutung ist und das Funktions­ verständnis dispositiven Rechts erst komplettiert. Im Ergebnis präsentiert sich dispositives Recht nach alledem als Instrument, das zwar die flexible Anpas­ 125   Siehe nochmals oben, 1. Teil, 2. Kap., sub B. I. (S. 43). Insoweit zutreffend auch Hey, Freie Gestaltung, S. 120. 126   A.A., aber wenig überzeugend insoweit Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, S. 44  ff. 127   Vgl. etwa Cheffins, Company Law, S. 222; in diesem Sinne auch bereits Westermann, Vertragsfreiheit, S. 42; zu den damit verknüpften konzeptionellen Grundentscheidungen bei der Gestaltung des Regulierungssystems noch im einzelnen unten, 2. Abschn., 1. Kap., sub A. (S. 326 ff.).

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

sung an Interessen und Sachprobleme im Einzelfall ermöglicht, aber aufgrund verschiedener Faktoren, insbesondere aufgrund der sich über längere Zeiträume erstreckenden mittelbaren Wirkungsmechanismen, von höherer Persistenz ist, als dies mit Blick auf die strukturimmanente Gestaltungsoffenheit an sich an­ zunehmen wäre (unten c)). a)  Einführung: Dispositives Recht als Instrument zur Erleichterung und Ergänzung privatautonomer Gestaltung Die Begriffe der Erleichterung und der Ergänzung privatautonomer Gestaltung beschreiben unterstützende Funktionen. Wenn in der Literatur von der „Entla­ stungsfunktion“ dispositiven Rechts gesprochen und diese Funktion darin ge­ sehen wird, daß die Existenz dispositiver Vorschriften die betreffenden Akteu­ re von der Notwendigkeit enthebt, in aufwendigen Verhandlungen für alle auch nur im entferntesten denkbaren künftigen Ereignisse Vorkehrungen zu tref­ fen,128 bedeutet dies nichts anderes als eine Kurzformel für die Erleichterung und die Ergänzung privatautonomer Gestaltung:129 „Erleichterung“ ist vor al­ lem die Bereitstellung tauglicher, rechtlich unzweifelhaft zulässiger Lösungen, an denen sich die Vertragsgestaltung orientieren kann, aber schließt auch die bloße Ermächtigung zur privatautonomen Gestaltung und damit die Herstel­ lung von Rechtssicherheit ein. „Ergänzung“ meint demgegenüber die Bereit­ stellung von Lösungen für offen gelassene Regelungsprobleme, die ex post ein­ greifen, aber mit deren Verfügbarkeit die Parteien bereits im Zeitpunkt der Ver­ tragsgestaltung und mithin ex ante rechnen können. Es liegt auf der Hand, daß beide Gesichtspunkte bei Langzeitverträgen allgemein und damit zugleich bei der vertraglichen Gestaltung von Finanzierungsbeziehungen im besonderen potentiell von großer Bedeutung sind. Insoweit entspricht dies auch der Sicht­ weise der US-amerikanischen contractarian school, die, wie gesehen, den ver­ traglichen Charakter des Gesellschaftsrechts allgemein betont, die Existenz dispositiver Normen zur Unterstützung der privatautonomen Gestaltung aus­ drücklich begrüßt und befürwortet und sich darüber hinaus gegen den regulie­ renden Eingriff wendet.130 128   Z.B. Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 92  ff. (1989) (Ergänzung unvollständiger Verträge); Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 426  f.; vgl. aus der US-amerikanischen Rechtsökono­ mik auch Posner, Economic Analysis, § 4.1, S. 96  f. (zur lückenfüllenden Funktion richter­ rechtlicher Grundsätze, aber verallgemeinerungsfähig) sowie § 8.1, S. 251 (mit inhaltlich nicht gerechtfertigter Reduktion auf entsprechende Funktionen von Lehren des Common Law, aber wiederum verallgemeinerungsfähig); Trebilcock, Limits, S. 16; knapp im Anschluß auch an diese Stimmen Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 692. 129   Treffend deshalb auch Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 35, die eher den Charakter der Vereinfachung als Zweck denn als „Funktion“ betonen; siehe auch Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 92 (1989). 130   Siehe nochmals oben sub I. 4. (S. 70) bei und in Fn. 70.

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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Die bisherige dogmatische Analyse derjenigen dispositiven Normen, die ohne erkennbare Absicht zur Beeinflussung der Gestaltungspraxis, mithin ohne regulatorischen Impetus allein der Unterstützung und Ergänzung privat­ autonomer Gestaltung dienen, hat sich allerdings neben der (im folgenden aus den genannten Gründen auszuklammernden) „Auslegungsfunktion“ vor allem auf die Ergänzungsfunktion dispositiven Rechts konzentriert.131 Diese Perspek­ tive rückt mithin diejenigen Wirkungen in den Vordergrund, die eintreten, weil und soweit dispositive Rechtssätze nachträglich zur Interpolation von Lücken in der privatautonomen Gestaltung herangezogen werden. Das dispositive Recht ergänzt in derartigen Konstellationen das von den Parteien vereinbarte Regelprogramm um eine Lösung, die der Gesetzgeber als die sachgerechte an­ sieht und mangels abweichender Absprache in Kraft setzt, um Sicherheit bei der Abwicklung der betreffenden Rechtsgeschäfte zu gewährleisten.132 Bei der For­ mulierung der jeweiligen Lösung kann entweder der Wille überwiegen, irgend­ eine Gestaltungsalternative aus einer grundsätzlich gleichwertigen Auswahl möglicher Alternativen festzuschreiben, um auf diese Weise Verhalten zu stan­ dardisieren und damit die privatautonome Gestaltung zugleich zu vereinfachen. Oder es kann der Wille im Vordergrund stehen, diejenige Lösung vorzuschla­ gen, die die Parteien sinnvollerweise gewählt hätten, wenn sie sich ex ante auf eine Problemlösung verständigt hätten.133 Im Vordergrund steht hiernach in beiden Untergruppen das Bemühen, „für Fälle, an die die Parteien bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts in der Regel nicht denken, eine feste und billige Ent­

131   Insoweit im wesentlichen übereinstimmend etwa Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, S. 47  ff.; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 49 III, S. 301  f.; vgl. auch von Tuhr, Der Allgemeine Teil, Bd. 2/1, S. 187: „Nebenwirkungen“ des jeweiligen Rechtsgeschäfts als Regelungsinhalt ergänzender Normen; insoweit übereinstimmend wohl auch Westermann, Vertragsfreiheit, S. 45. Vgl. nunmehr auch die dogmengeschichtliche Ana­ lyse bei Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 76  ff. 132   Deutlich Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, S. 47  f.; zur Bedeutung dieser Position für die Dogmatik der ergänzenden Vertragsauslegung nochmals Sandrock, Zur ergänzenden Vertragsauslegung, S. 41  f. Im Grundsatz entsprechend in der jüngeren USamerikanischen Rechtstheorie etwa Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87 (1989). 133   Die von Ayres/Gertner vorgeschlagene Systematisierung, die „tailored“ und „untailo­ red defaults“ unterscheidet, ist damit allenfalls teilweise deckungsgleich, bezieht sich nämlich auf die Frage, nach welchen inhaltlichen Kriterien dispositives Recht bzw. Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung im deutschen Verständnis ausgestaltet werden sollten; vgl. dies., 99 Yale L.J. 87, 91 (1989): “A ‘tailored default’ attempts to provide a contract’s parties with precisely ‘what they would have contracted for.’ An ‘untailored default,’ true to its ety­ mology, provides the parties to all contracts with a single, off-the-rack standard that in some sense represents what the majority of contracting parties would want.“ Abweichend demge­ genüber Laufke, Die Handelsgesellschaften und das zwingende Recht, S. 2  f., der ohne weitere Differenzierung allgemein von „ausschließbare[n] Normen(-komplexen)“ spricht. Vgl. auch Sandrock, Zur ergänzenden Vertragsauslegung, S. 44; von Tuhr, Der Allgemeine Teil, Bd. 1, S. 25  f., identifiziert diese zweite Untergruppe geradezu als Regelfall der „ergänzenden Vor­ schriften“.

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scheidung zu geben“.134 Diese Akzentsetzung, die den Schwerpunkt auf abding­ bare Normen legt („ergänzende“ Normen i. e. S.), ermächtigende Normen aber ausklammert, ist zwar für das allgemeine Zivilrecht nachvollziehbar und be­ rechtigt (unten aa)). Auf das hier untersuchte Referenzgebiet ist dies jedoch nicht ohne weiteres übertragbar: Vielmehr ist anzunehmen, daß hier die Funk­ tion der Gestaltungsunterstützung die der Gestaltungsergänzung überwiegt (unten bb)). aa)  Ergänzendes dispositives Recht Es entspricht der Bedeutung der Ergänzungsfunktion dispositiver Vorschriften in der Gestaltungspraxis im allgemeinen Zivilrecht, daß die zivilistische Analy­ se bislang dieser Funktion besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat: Vor allem außerhalb beiderseits geschäftlicher Vertragsbeziehungen wird sie ganz im Vor­ dergrund stehen, weil sich der materiale Gehalt des Rechtsgeschäfts hier viel­ fach auf ein Minimum und insbesondere auf diejenigen Aspekte beschränkt, die sich den Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses als regelungsbedürftig ge­ radezu aufdrängen (man denke an einfache Einkäufe zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs). In einfachen Austauschbeziehungen werden daher lediglich die essentialia negotii und ggf. einzelne Leistungsmodalitäten (z. B. Leistungszeit und -ort), nicht aber etwa ein speziell auf die Bedürfnisse des Einzelfalls zuge­ schnittenes Mängelgewährleistungsregime ausgehandelt werden. Aus nachvoll­ ziehbaren Gründen liegt daher ein Schwerpunkt der zivilistischen Analyse dis­ positiver Normen auf der nach wie vor umstrittenen Frage, ob das Vorliegen einer dispositiven Regelung die Auflösung einer Regelungslücke in den rechts­ geschäftlichen Abreden der Parteien im Wege der ergänzenden Vertragsausle­ gung stets135 oder nur für den Regelfall ausschließt, wenn nicht im Wege der Auslegung dem Parteiwillen eine andere Lösung als die der dispositiven Rege­ lung klar zu entnehmen ist.136 Die besseren Gründe sprechen für die Differen­ zierung: Weshalb das dispositive – und damit von vornherein gerade nicht mit absolutem Geltungsanspruch gesetzte – Recht in Fällen erkennbar gegenläufi­ gen Parteiwillens Vorrang beanspruchen sollte, ist in der Tat schwer begründ­   Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, S. 54 (eig. Hervorhebung).   Dafür Henckel, AcP 159 (1959), 106, 124, 133  f.; Medicus, Allgemeiner Teil, Rn. 344; BGH, Urt. v. 10. 7. 1963 – VIII ZR 204/61, BGHZ 40, 91, 103; Urt. v. 1. 2. 1984 – VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 75. Vgl. auch bereits RG, Urt. v. 19. 2. 1931 – VI 389/30, RGZ 131, 343, 351. 136   So differenzierend – z.T. mit Abweichungen im Detail – z. B. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 28 Rn. 109  ff.; MünchKomm/Busche, BGB, § 157 Rn. 39, 45  f.; AnwKomm/Looschelders, BGB, § 157 Rn. 11; Staudinger/Roth, BGB, § 157 Rn. 23, und bereits Sandrock, Zur ergänzen­ den Vertragsauslegung, S. 47  f.; Westermann, Vertragsfreiheit, S. 48  ff., jeweils m. w. N.; in die­ se Richtung wohl auch BGH, Urt. v. 25. 6. 1980 – VIII ZR 260/79, BGHZ 77, 301, 304; vgl. auch Bucher, in: FG Deschenaux, 1977, S. 249, 267  ff., der danach differenziert, ob und inwie­ weit die konkret einschlägige Norm nur ergänzenden Charakter aufweist oder auch Ord­ nungs- bzw. Leitbildfunktionen erfüllt. 134 135

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bar.137 So ist in der höchstrichterlichen Judikatur zum deutschen Personenge­ sellschaftsrecht zu recht seit langem anerkannt, daß eine ergänzende Heranzie­ hung des dispositiven Gesetzesrechts für den Fall lückenhafter Abreden im Gesellschaftsvertrag nur in Betracht kommt, wenn eine ergänzende Ver­ tragsauslegung in concreto keine Lösung erbringt. Dies beruht auf der Einsicht, daß das tradierte gesetzliche Normgefüge den vielfältigen Anforderungen der modernen Praxis kaum je ohne Modifikationen gerecht werde.138 Diese Überle­ gungen lassen sich ohne weiteres auch auf das Kapitalgesellschaftsrecht übertra­ gen, soweit hier Gestaltungsfreiheit eingeräumt ist. Damit ist nicht nur das Rangverhältnis zwischen dispositivem Recht und (hypothetischem) Parteiwillen entwickelt. Vielmehr betonen diese Erwägun­ gen zugleich die Bedeutung der richterlichen Vertragsauslegung als wichtiger Transmissionsmechanismus für dispositives Gesetzesrecht: Indem der Richter als Gesetzesanwender im Streitfall die jeweils im dispositiven Recht formulierte Lösung bei der Auslegung lückenhafter Verträge heranzieht, diffundiert der Gestaltungswille des Gesetzgebers hinein in die Rechtswirklichkeit. Allerdings vollzieht sich dieser Prozeß ausschließlich ex post factum und ist zudem abhän­ gig vom Vorliegen eines konkreten Rechtsstreits, ohne daß dies mit einer Steue­ rungswirkung für künftige Sachverhalte verbunden wäre. Der damit identifizierte Wirkungsmodus gilt allerdings von vornherein nur für diejenigen Bestimmungen, die Geltung beanspruchen, soweit nicht die Par­ teien eine abweichende Regelung vereinbart haben („presumptive norms“, „de­ fault norms“, „opt-out norms“).139 Anders verhält es sich für die im Gesetz le­ diglich zur Annahme durch private Gestaltung angebotenen Regelungen, deren Geltung die Parteien positiv vereinbaren können („opt-in norms“). Vorschrif­ ten, die als „Lückenbüßer“140 für den Fall unvollständiger Verträge aufgrund einer Art Vervollständigung des Parteiwillens durch richterliche Gestaltung ex post Geltung erlangen, bedürfen keinerlei konstitutiver Handlungen der Partei­ 137   Ebenso dezidiert wie überzeugend in diesem Sinne bereits Westermann, Vertragsfrei­ heit, S. 48, 51  f. Grundlegend a.A. demgegenüber aber nunmehr Kähler, Macht und Vielfalt, 1. Kap. sub D. 3. a). 138   Vgl. BGH, Urt. v. 23. 11. 1978 – II ZR 20/78, NJW 1979, 1705, 1706; Urt. v. 24. 9. 1984 – II ZR 256/83, NJW 1985, 192, 193; Urt. v. 5. 6. 1989 – II ZR 227/88, NJW 1989, 2581  f. 139   Vgl. nochmals Cheffins, Company Law, S. 217  ff., der einheitlich von „presumptive (‚may waive‘) rules“ spricht; aus rechtsökonomischer Perspektive entsprechend (wenn auch weniger deutlich differenzierend) wiederum Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87 (1989): “Default rules fill the gaps in incomplete contracts: They govern unless the parties contract around them”; siehe auch zusf. ebd., S. 91, mit dem Befund fehlender Einheitlichkeit im Verständnis dispositiven Rechts nicht zuletzt im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum. Vgl. demgegenüber nochmals Eisenberg, 89 Colum. L. Rev. 1461 (1989), der „enabling“ und „suppletory or de­ fault rules“ deutlich unterscheidet. 140   So anschaulich bereits Bülow, AcP 64 (1880), 1, 73; im Anschluß daran entsprechend z. B. Fröhlich, Vom zwingenden und nichtzwingenden Privatrecht, S. 91; Sandrock, S. 34; Westermann, Vertragsfreiheit, S. 45.

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en über den ursprünglichen Gestaltungsakt hinaus. Dagegen kommt es bei der bloßen Gestaltungsermächtigung naturgemäß auf die positive Entscheidung der Parteien zugunsten der im Gesetz lediglich vorgeschlagenen Lösung an, um dieser zur Geltung zu verhelfen. Schon deshalb wird die Reduktion der Bedeu­ tung des dispositiven Rechts auf die eines Instruments der Ergänzung unvoll­ ständigen Parteiwillens der Komplexität dispositiver Vorschriften nicht voll gerecht. Nochmals verringert würde die Bedeutung der „Ergänzungsfunktion“ als Erklärungsmuster für die Wirkungsweise dispositiven Rechts im Kapitalgesell­ schaftsrecht als dem vorliegend untersuchten Referenzgebiet, wenn sich heraus­ stellen sollte, daß der Rechtsverkehr diese Funktion hier nicht oder nur in ge­ ringem Umfang nachfragt. Dabei kann die grundsätzliche Erwägung, daß die Formulierung wirklich umfassender Lösungen insbesondere bei langfristig an­ gelegten Pflichtenprogrammen ex ante kaum unter vertretbarem Umfang mög­ lich ist, an sich durchaus auch auf die Gestaltung von Finanzierungsbeziehun­ gen in Kapitalgesellschaften übertragen werden. Das Risiko künftiger adverser Geschäftsentwicklung mit daraus resultierenden Verlustrisiken ist unverkenn­ bar mit jedem finanziellen Engagement verknüpft und trifft Fremd- ebenso wie Eigenkapitalgeber. Im Ausgangspunkt besteht insofern kein wesentlicher Un­ terschied zur Interessenlage bei sonstigen langfristig angelegten Rechtsbezie­ hungen: Ebenso wie die Kapitalgesellschaft, der Eigen- oder Fremdkapital zur Verfügung gestellt wurde, in einer verschlechterten Wettbewerbsposition fi­ nanzielle Verluste erleiden und möglicherweise in die Überschuldung geraten kann, trägt etwa der Vermieter von Wohnräumen das Risiko, daß der anfäng­ lich solvente Mieter in finanzielle Bedrängnis gerät und deshalb den Mietzins schuldig bleibt, oder trifft den Arbeitgeber die nicht auszuschließende Gefahr, daß ein Angestellter treubrüchig wird und Unternehmensgeheimnisse mit er­ heblichen finanziellen Konsequenzen an die Konkurrenz verkauft oder sonst für sich verwertet. Finanzierungsbeziehungen in Kapitalgesellschaften sind da­ mit im Grundsatz nicht anders als sonstige Langzeitverträge durch ex ante nicht kontrollierbare Ereignisse in ihrer planmäßigen Durchführung bedroht, wie dies die ökonomische Theorie der relationen Verträge141 herausgearbeitet hat.142 141   Grundlegend Macaulay, 28 Am. Soc. Rev. 55  ff. (1963); vgl. allgemein Goetz/Scott, 67 Va. L. Rev. 1089  ff. (1981); MacNeil, 47 S. Cal. L. Rev. 691, 720  ff., 737  ff. (1974); allgemein auch Dixit, Lawlessness and Economics, S. 67  ff.; vgl. auch Bechtold, Grenzen zwingenden Ver­ tragsrechts, S. 155  ff.; Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 127  ff.; Rudolph, Unternehmens­ finanzierung und Kapitalmarkt, S. 141  ff. 142   Ob man auch hinsichtlich der Eigenkapitalgeber und mithin hinsichtlich der in Gesell­ schaftsvertrag bzw. Satzung wurzelnden Rechte und Pflichten der Anteilseigner von Gegen­ ständen relationaler Verträge sprechen will oder vielmehr die strikte konzeptionelle Tren­ nung zwischen Vertrag und Hierarchie benutzt und lediglich den Befund vielfach vergleich­ barer Interessenlagen in beiden Konstellationen akzeptiert, ist auch im rechtsökonomischen

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Gleichwohl ist die Annahme berechtigt, daß das dispositive Gesetzesrecht für die Bewältigung derartiger Konflikte im Kapitalgesellschaftsrecht rechts­ praktisch eine geringere Bedeutung hat, als dies im allgemeinen Zivilrecht der Fall wäre. Die Gründe dafür liegen zunächst in verbands- und kreditvertrags­ rechtlichen Regelungs- bzw. Gestaltungsmustern, die Langzeitrisiken für das finanzielle Engagement bereits ex ante, z. B. durch institutionalisierte Kontroll­ mechanismen oder durch Zinsansprüche der Finanzierungsgeber, kompensie­ ren. Sie lassen die ex-post-Bewältigung unvorhergesehener Risiken durch ein spezifisches Gewährleistungsregime weniger dringlich erscheinen, als dies etwa bei langfristig angelegten Miet- oder Arbeitsverträgen der Fall wäre: Bestimmte (Verlust-)Risiken, etwa alle Risiken, die aus fehlerhaften geschäftspolitischen Entscheidungen resultieren, sind beispielsweise von vornherein partiell in die Konditionen des finanziellen Engagements (wenn auch nicht notwendigerweise präzise) „eingepreist“. So wird jeder Vertrag über die Gewährung von Fremd­ kapital (Darlehen, Anleihen, etc.) mit dem vereinbarten Zins das Risiko der Insolvenz der Gesellschaft bereits berücksichtigen. Bei der voll am Verlust teil­ nehmenden Eigenkapitalbeteiligung ist das zwar nicht der Fall, doch sind dem Eigenkapitalgeber statt dessen Mitwirkungsrechte und die grundsätzlich unbe­ schränkte Partizipation am Unternehmensgewinn eingeräumt, die seine risi­ koreichere Position ausgleichen.143

Schrifttum umstritten. Es handelt sich allerdings eher um ein stark dogmengeschichtlich ge­ prägtes terminologisches Problem, als daß entsprechende Auseinandersetzungen zur inhalt­ lichen Klärung beitrügen: Ersteres entspricht etwa der modernen mikroökonomischen Theo­ rie der Unternehmung und ihrem juristischen Niederschlag in der contractarian school (siehe zu dieser bereits oben sub I. 4. bei und in Fn. 70  ff.); eindeutig in diesem Sinne mit guten Grün­ den etwa Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn. 80; Kalss, Reform des österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, S. 37; Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 128  f.; vgl. auch Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 681  f.; Whincop, (1999) 19 OJLS 19, 28, sowie die dogmengeschichtliche Verortung bei Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 157  f. Der zweitgenannte Ansatz bewegt sich demgegenüber eher auf dem Boden der klassi­ schen Unterscheidung von Vertrag und Hierarchie, wie sie maßgeblich von Coase (4 Econo­ mica 386  ff. (1937)) geprägt und insoweit insbesondere von North (Institutions, Institutional Chance, and Economic Performance, S. 92  ff.) weiterentwickelt wurde, vgl. etwa Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 632  ff., insbes. S. 643  ff.; wohl auch Arnold, Steuerung des Vor­ standshandelns, S. 26  f. Die Kontroverse weist Parallelen auf zur dogmatischen Diskussion über den Charakter der Handelsgesellschaften zwischen Vertrag und Organisation, vgl. dazu bereits Würdinger, Gesellschaften, Bd. 1, S. 42; später K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 7 I 1, S. 167  ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 1 II 1, S. 16  ff.; resümierend neuerdings Bachmann, Private Ordnung, S. 108  ff.; aus der Perspektive des Personengesellschaftsrechts etwa Wiedemann, ZGR 1996, 286  ff.; zusf. im vorliegenden Zusammenhang auch Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 683  f. 143   Vgl. stellvertretend etwa KK/Lutter, AktG, Vorb. § 182 Rn. 3  ff.; Großkomm/Wiedemann, Vor § 182 Rn. 5  ff.; ferner Henze, BB 2001, 53  ff.; Vollmer, AG 1991, 94  ff. Aus der USamerikanischen Literatur plastisch etwa Klein/Coffee, Business Organization and Finance, S. 45  ff.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

Auch unabhängig hiervon dürfte zudem der Stellenwert der Ergänzungs­ funktion i. e. S. – also der Bedeutung dispositiven Rechts für den nachträglichen Ausgleich von Lücken in der Parteiabrede – abnehmen, wenn die Rechtsgestal­ tung dem geschäftlichen Rechtsverkehr im weitesten Sinne zuzurechnen ist. Denn mit zunehmender Professionalität der Rechtsbeziehungen wird regelmä­ ßig höherer Aufwand für die Ermittlung potentieller Konfliktfelder aus der Sicht ex ante betrieben werden. Dabei wird auch eine Rolle spielen, daß die Ver­ tragsgestaltung hier typischerweise fachjuristisch beraten wird. Allgemein wird auch vor diesem Hintergrund der Stellenwert dispositiver Vorschriften gegen­ über der ergänzenden Vertragsauslegung bei der professionellen Rechtsgestal­ tung eher geringer ausfallen. Daß dies für die (personen-) gesellschaftsrechtliche Gestaltung auch in der höchstrichterlichen Judikatur sogar ausdrücklich anerkannt ist, ist bereits ange­ klungen.144 Für die Rechtsgestaltung im Kapitalgesellschaftsrecht tritt eine Rei­ he von Aspekten hinzu, welche die Ergänzungsfunktion dispositiver Normen weiter in den Hintergrund treten lassen: Erstens verliert dispositives Recht be­ reits mit Blick auf den hohen Stellenwert zwingender Vorschriften an Bedeu­ tung, welche die Spielräume für die privatautonome Gestaltung nicht nur im Recht der Publikums-, sondern teilweise auch im Recht der personalistischen Kapitalgesellschaft stark einschränken.145 Und zweitens dürfte jedenfalls für die Eigenkapitalfinanzierung auch das Erfordernis notarieller Beurkundung, so­ weit vorgeschrieben (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 23 Abs. 1 Satz 1 AktG), rechtstatsächlich geeignet sein, das Problem inhaltlich lückenhafter Verträge deutlich zu entschärfen. Eine Analyse der rechtstatsächlich etablierten Ver­trags­ praxis könnte nach alledem, auf den Punkt gebracht, möglicherweise ergeben, daß die Akteure regelmäßig entweder das dispositive Recht ausdrücklich abbe­ dingen bzw. modifizieren oder es wiederum ausdrücklich für den zu regelnden Einzelfall zugrundelegen, selten aber im Vertrauen auf das Eingreifen der dis­ positiven Rechtslage auf eine ausdrückliche Lösung für regelungsbedürftige Sachverhalte verzichten werden.146 Zwar mag auch der detaillierte Vertrag lüc­ kenhaft sein. Daß das dispositive Recht in derartigen Fällen Lösungen für einen von den Parteien übersehenen Fall tatsächlich vorsähe, ist dennoch eher un­ wahrscheinlich, wenn und soweit der – regelmäßig immerhin unter anwaltli­ cher und ggf. sonstiger fachkundlicher Beratung zustandegekommene – Vertrag von vornherein detaillierter ausfällt als die im Gesetz vorgesehenen, standardi­   Siehe nochmals soeben bei und in Fn. 138.   Exemplarisch zum Stellenwert dispositiver und zwingender Normen im deutschen Ka­ pitalgesellschaftsrecht rechtsvergleichend noch unten, 3. Teil (S. 399 ff.). 146   Einen (wenn auch allenfalls anekdotischen) Beleg für diese Annahme bieten in Deutsch­ land immerhin die üblichen Vertragshandbücher, die es an Warnungen nicht fehlen lassen, daß der gesetzlich vorgesehene Mindestgehalt der Satzung (vgl. §  3 Abs. 1 GmbHG, §  23 Abs. 2 AktG) regelmäßig nicht ausreichen wird, um die Interessenlage angemessen zu strukturieren; vgl. z. B. Heidenhain, in: Münch. Vertragshandbuch, Bd. 1, Muster IV.2, Anm. 2. 144 145

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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sierten Lösungen. Insgesamt wird nach alledem die ergänzende Funktion dis­ positiven Rechts im hier untersuchten Referenzgebiet wohl in der Tat von eher nachrangiger Bedeutung sein. Auch das mit dem MoMiG eingeführte „Musterprotokoll“ für die verein­ fachte GmbH-Gründung (§ 2 Abs. 1a GmbHG n.F.) veranlaßt nur bedingt eine abweichende Einschätzung. Zwar läßt diese Regelung als Substitut für individu­ ell gestaltete Gesellschaftsverträge eine vereinfachte und kostensparende Ge­ sellschaftsgründung für kleine und Einpersonengesellschaften unter Beschrän­ kung auf ein Minimum ausdrücklicher Vertragsklauseln147 zu und kalkuliert damit Lücken von vornherein ein. Gerade mit Blick auf die damit in Kauf ge­ nommene Rechtsunsicherheit ist diese Gestaltungsoption im Gesetzgebungs­ verfahren denn auch auf erhebliche Kritik gestoßen.148 Damit gewinnen zwangs­ läufig zugleich die gesetzlichen Bestimmungen als Instrument der Lückenfül­ lung an Bedeutung. Als Beispiel für die Lückenfüllungsfunktion dispositiven Rechts kann der Gesetzestext in diesem Zusammenhang gleichwohl nicht qua­ lifiziert werden, da von ihm abweichende Gestaltungen im Falle der Gründung unter Verwendung des Musterprotokolls ausdrücklich für unzulässig erklärt werden (vgl. § 2 Abs. 1a Satz 3 GmbHG) und er mithin seinen dispositiven Cha­ rakter gerade verliert. Dieser Ansatz zur Vereinfachung des Gründungsverfah­ rens bewirkt mithin keine Aufwertung der Lückenfüllungsfunktion dispositi­ ven Rechts, sondern schafft Möglichkeiten zur Wahl eines bestimmten, als sol­ ches gesetzlich vorgegebenen Regelungsprogramms, mit dem sich bestimmte Kostenvorteile im Gründungsstadium verbinden. Systematisch ist dieser An­ satz dem Kreis der hier sogenannten „Wahlmodelle“ zuzuordnen und nicht auf der Ebene der Regulierungsinstrumente, sondern auf jener der Regulierungs­ strategien in der hier verwendeten Systematik angesiedelt.149 Am Ergebnis einer eher schwächeren Bedeutung der Lückenfüllungsfunktion für die Finanzie­ rungsbeziehungen im Kapitalgesellschaftsrecht ändert sich mithin nichts.

  Vgl. im einzelnen die Mustertexte in der Anlage zum GmbHG i.d.F. des MoMiG.   Kritisch gegenüber dieser Gestaltungsoption gerade mit Blick auf die fehlende Anpas­ sung an die Bedürfnisse des konkreten Einzelfalls in der rechtspolitischen Diskussion (teil­ weise noch mit Blick auf frühere Entwurfsfassungen, die lediglich die öffentliche Beglaubi­ gung der Gesellschaftererklärungen und nicht notarielle Beurkundung vorsahen) etwa Gehrlein, Konzern 2007, 771, 774  f.; wohl auch Ulmer, ZIP 2008, 45, 46; vgl. auch Bayer/Hoffmann/J. Schmidt, GmbHR 2007, 953, 957  f., die de lege ferenda für eine Beschränkung der Mustersatzungslösung auf Einpersonengesellschaften eintraten; ähnlich insoweit Kindler, NJW 2008, 3249, 3251; insgesamt zurückhaltend auch Karsten, GmbHR 2007, 958, 959  ff. Rechtspolitisch befürwortend demgegenüber z. B. Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 169; Noack, DB 2007, 1395, 1398; positive Einschätzung der endgültigen Regelung auch bei Hirte, NZG 2008, 761, 762. 149   Siehe dazu noch im einzelnen unten, 2. Abschn., 2. Kap., sub C. (S. 367 ff.). 147

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

bb)  Gestaltungsunterstützendes dispositives Recht Damit rückt zugleich die insbesondere in der tradierten zivilistischen Analyse bislang eher vernachlässigte, in der gesellschaftsrechtlichen Literatur und auch allgemein in der Rechtsökonomik dagegen zunehmend vertieft erörterte Be­ deutung dispositiven Rechts als Orientierungsrahmen für die privatautonome Gestaltung in den Mittelpunkt: Dispositives Recht schafft nicht nur einen Ka­ talog von Lösungen, die ex post eingreifen, wenn sich unvorhergesehene Risi­ ken materialisiert haben, sondern bietet den Parteien zugleich Orientierung über mögliche und zulässige Gestaltungen ex ante.150 Jede gesetzliche Regelung, von der abgewichen werden kann, spricht dabei nicht nur die Ermächtigung zur privatautonomen Gestaltung aus und verleiht den Gestaltungsergebnissen ge­ setzliche Autorität.151 Sie enthält vielmehr (im Zusammenspiel mit der allgemei­ nen Rechtsgeschäftslehre) zugleich auch die Werkzeuge zur Realisierung des privaten Willens. Das Gesetz trägt so der Verantwortung des Gesetzgebers für die Infrastruktur der wirtschaftlichen Betätigung in assoziativen, arbeitsteili­ gen Organisationsformen Rechnung.152 Es stellt dispositive Regelungen – wie eine Art Vertragsmuster – gleichsam als „öffentliches Gut“153 bereit, das kosten­ günstig als Ausgangspunkt und Grundlage privatautonomer Gestaltung heran­ gezogen werden kann, während die betreffenden Akteure Regelungen von ver­ gleichbarer Qualität nicht bzw. nur unter prohibitiven Transaktionskosten ent­ wickeln könnten.154 Nichts anderes ist gemeint, wenn insbesondere in der rechtsökonomischen Literatur die Funktion dispositiven Vertragsrechts allge­ 150   Vgl. auch Beier, Regelungsauftrag, S. 57  f. („Rahmensetzungsfunktion“ dispositiven Rechts); Drexl, Selbstbestimmung des Verbrauchers, S. 106; Riesenhuber/Möslein, in: Riesen­ huber (Hrsg.), Perspektiven des Europäischen Schuldvertragsrechts, S. 1, 24 („Erleichterungs­ funktion“); knapp ferner auch Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 677 („Entlastungsfunktion“). Diesen Gesichtspunkt zu recht in den Vordergrund stellend auch Grigoleit, Gesellschafter­ haftung, S. 39. 151   Siehe bereits oben sub 2. a) (S. 82) bei und in Fn. 110. 152   Prägnant Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 677: gesellschaftsrechtliche Regelsetzung als Ausdruck der „Infrastrukturverantwortung“ des Gesetzgebers; vgl. auch Beier, Regelungs­ auftrag, S. 59; ähnlich Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 39. 153   So pointiert Bachmann, Private Ordnung, S. 52; vgl. auch dens., JZ 2008, 11; entspre­ chend nunmehr Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 364  ff.; ebenso bereits Easterbrook/ Fischel, Economic Structure, S. 35; auf der Grundlage empirischer Untersuchungen zu den Wirkungen dispositiver Normen auch Listokin, Corporate Default Rules and Menus, S. 40. 154   Vgl. Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 92  ff. (1989); entsprechend Schäfer/Ott, Ökonomi­ sche Analyse, S. 426: „Müßten die Parteien ihre Rechtsbeziehungen im konkreten Fall selbst umfassend regeln, so würden die Transaktionskosten vieler Geschäfte (…) prohibitiv hoch werden. Je näher die Parteien eines Vertrags dem Idealtypus des vollständigen Vertrags zu kommen suchen, desto höher werden die aufzuwendenden Informationskosten (…). Eine konsequente Durchführung des Grundsatzes der Privatautonomie in dem Sinne, daß nur das gilt, was die Parteien konkret gewollt und vereinbart haben, würde unerfüllbare Anforderun­ gen an die Vertragspraxis stellen und damit die Vertragsfreiheit selbst in Frage stellen. (…) Die vom Gesetzgeber durch das dispositive Vertragsrecht bereitgestellten Ersatzordnungen für wichtige Vertragstypen erweisen sich (…) als wesentliche Voraussetzungen für das Funktio­

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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mein als „Sammlung von Informationen über bestimmte Eventualitäten“ und problemadäquate Lösungen hervorgehoben oder kurz von der „Informations­ funktion“ dispositiven Rechts gesprochen wird,155 deren Stellenwert sich aller­ dings erst dann voll erschließt, wenn die Genese dispositiver Normen in histo­ rischen Evolutionsprozessen einbezogen wird.156 Naturgemäß ist diese Funkti­ on gerade in langfristig angelegten Austauschbeziehungen (relationalen Verträ­ gen, relational contracts) von besonderer Bedeutung. Denn deren planmäßige Durchführung ist in besonderem Maße von Risiken bedroht, die ex ante nur schwer prognostizierbar und damit auch nicht ohne weiteres durch entspre­ chende vertragliche Sicherungsmechanismen erfaßbar sind. Entsprechendes gilt naturgemäß auch für die rechtliche Gestaltung der Finanzierungsbeziehungen in Kapitalgesellschaften, die stets längerfristig ausgestaltet sind. 157 Im Grundsatz völlig überzeugend verortet die Rechtsökonomik – jedenfalls in ihrer mehrheitlich neoklassischen Orientierung – in dieser Erkenntnis zu­ gleich die Begründung für das normative Leitbild der Ausrichtung dispositiven Rechts an Praktikabilitätserwägungen und, soweit ermittelbar, am hypotheti­ schen Parteiwillen:158 Die Bereitstellung dispositiver Lösungen durch den Ge­ setzgeber ist ohne den Willen zur Erleichterung der privatautonomen Gestal­ tung, und zwar durch Reduktion der Transaktionskosten bei der Gestaltung von Austauschbeziehungen,159 überhaupt nicht denkbar. Hier liegt zugleich der berechtigte Kern der Position des gemeinen Rechts, das im hypothetischen Par­ teiwillen geradezu die Legitimation aller dispositiven Normen erblickte.160 Dis­ nieren der Vertragsfreiheit. Sie entlasten die jeweiligen Vertragsparteien und senken dadurch auch die Kosten des rechtsgeschäftlichen Verkehrs.“ 155   Vgl. schon Hirsch, Law and Economics, 3. Aufl. 1999, S. 106; im Anschluß daran einge­ hend Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 157  f.; knapp auch Beier, Regelungsauftrag, S. 59; Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 181; ders., ZHR 168 (2004), 673, 692; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 20 I 1, S. 332  f.; eingehend zu den Informationseffekten nunmehr auch Kähler, Macht und Vielfalt, 3. Kap. sub A. 3. 156   Dazu noch näher unten sub c) (S.  115 ff.). 157   Dazu und insbesondere zur umstrittenen Qualifikation der verbandsrechtlichen Rechtsbeziehungen als relationale Verträge im eigentlichen Sinn bereits soeben sub aa) (S.  92) bei und in Fn. 141  f. 158   Vgl. zum folgenden nunmehr auch die tiefgründige kritische Analyse bei Kähler, Macht und Vielfalt, 2. Kap. sub A. 159   Vgl. nochmals Hirsch, Law and Economics, 3. Aufl. 1999, S. 106  ff., Trebilcock, Limits, S. 15  ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 426  ff.; im Anschluß daran Behrens, Die öko­ nomischen Grundlagen des Rechts, S. 157  f.; entsprechend im gesellschaftsrechtlichen Kon­ text Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 35; Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 827  ff. (1995); allgemein Goetz/Scott, 69 Va. L. Rev. 967, 971 (1983); vgl. allgemein auch Hillman, Richness, S. 225  f.; Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 91 (1992); Barnett, 78 Va. L. Rev. 821  ff. (1992); zusf. Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1045. 160   Vgl. dazu näher Fröhlich, Vom zwingenden und nichtzwingenden Privatrecht, S. 44  ff.; Sandrock, Zur ergänzenden Vertragsauslegung, S. 34  ff., jeweils m. w. N.; eingehend nunmehr Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 70  ff., 87  ff.; grundlegend für die moderne Gegenauf­ fassung Stammler, AcP 69 (1886), 1, 21  ff.; vgl. knapp auch Windscheid/Kipp, Lehrbuch des

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

positives Recht entfaltet zwar durchaus auch verhaltenssteuernde Wirkung und wird vielfach nicht ausschließlich an Praktikabilitätserwägungen, sondern (auch) an bestimmten materialen Gerechtigkeitsvorstellungen ausgerichtet sein.161 Dies ändert jedoch nichts an der Bereitschaft des Gesetzgebers, die dis­ positive Lösung hinter den Parteiwillen zurücktreten und die Parteien aus einer – tatbestandlich teils mehr, teils weniger stark präformierten – Reihe alternati­ ver Möglichkeiten die für sie günstigste und praktikabelste (kostengünstigste) auswählen zu lassen.162 Die im jeweiligen Einzelfall praktikabelste Lösung wird meist auch diejenige Lösung sein, auf die sich die Parteien – in Abwesenheit von Transaktionskosten – einvernehmlich ohne entsprechende Hilfestellung durch das dispositive Recht verständigt hätten.163 Würde dispositives Recht unter Au­ ßerachtlassung derartiger Zweckmäßigkeitserwägungen entworfen und damit letztlich sachwidrig ausgestaltet, drohte ihm schon deshalb völlige Bedeutungs­

Pandektenrechts, Bd. 1, 9. Aufl. 1906, § 30, S. 126. Damit wird indes keineswegs Identität zwi­ schen dem hypothetischen Parteiwillen und dem materialen Gehalt dispositiven Rechts im Regelfall behauptet. M.E. wenig stichhaltig insoweit daher die von Westermann, Vertragsfrei­ heit, S. 45 in Fn. 121, vorgebrachte Kritik, der Ehrlich’schen Kategorienbildung fehle es an hinreichender Unterscheidung zwischen Privatwillen und Norm. Westermann relativiert dies denn auch durchaus selbst (vgl. ebd., S. 48: „Anknüpfung an dispositives Recht […], weil dar­ in die Rücksicht auf öffentliche Interessen mit der Wertung des vermuteten und für billig ge­ haltenen Parteiwillens zusammentrifft“). Auch die Frage, ob ein hypothetischer Parteiwille überhaupt je ermittelbar ist (vgl. etwa Stammler, AcP 69 (1886), 21  ff.) ist im Grunde falsch gestellt, weil das Postulat der Orientierung am hypothetischen Parteiwillen ein Leitbild für die Ausgestaltung (und ggf. die Auslegung) dispositiver Normen, nicht aber die Methode hierfür beschreibt und damit von vornherein als Präzisierung des Grundsatzes der Privatau­ tonomie verstanden werden kann. Wenn insbesondere die neuere anglo-amerikanische Literatur (charakteristisch neben den Nachw. soeben Fn. 159 etwa Cheffins, Company Law, S. 264  ff. sowie insbesondere auch die Anhänger der contractarian school, dazu im einzelnen die Nachw. oben sub I. 4. (S.  70 ff.) bei und in Fn. 70  ff.) die Ausrichtung am hypothetischen Parteiwillen („hypothetical bargain“, „majoritarian default“) als Maxime der Gesellschaftsrechtsetzung propagiert, ist dies mithin, für sich genommen, weder revolutionär noch kontrovers; die Orientierung am hypothetischen Parteiwillen entspricht vielmehr der Dogmatik des dispositiven Rechts, wie sie sich in Deutschland bereits vor der Kodifikation verfestigt hatte. Das Problem liegt weniger bei der Ausrichtung an diesem Leitbild für die Ausgestaltung dispositiven Rechts als auf der Ebene der Regulierungsstrategie, nämlich bei der Frage, wie im Einzelfall die Schranken für die private Gestaltungsfreiheit gezogen und insbesondere welchen Stellenwert dispositives im Verhältnis zum zwingenden Recht im Gesamtsystem der Regulierung der Finanzierungsbe­ ziehungen bildet bzw. bilden sollte. 161   Dazu noch näher unten sub 4. (S. 129 ff.). 162   Vgl. schon Bülow, AcP 64 (1880), 1, 45; entsprechend auch Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 1, 9. Aufl. 1906, § 30, S. 125  f. 163   Treffend bereits L. Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 293: dispositives Recht als „Objektivierung der Rechtsidee durch die Gesamtrechtsgemeinschaft, das heißt: es darf im allgemeinen (…) als der angemessene, natürliche Ausgleich der widerstre­ benden Partei- und der übergeordneten Gemeinschaftsinteressen angesehen werden, als die ‚normale‘ Ordnung des betreffenden Lebensverhältnisses“ (Hervorhebung im Original).

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losigkeit, weil die Anreize zur Abwahl der dispositiven Lösung von vornherein sehr stark wären.164 Die Formulierung dispositiver Vorschriften setzt mithin Zweckmäßigkeits­ erwägungen notwendig voraus. Zugleich liefert dieser Ansatz die Begründung dafür, daß die Orientierung am hypothetischen Parteiwillen der Mehrheit aller in Betracht kommenden Parteien als Leitbild für die Ausgestaltung dispositiven Rechts165 den größten gesamtwirtschaftlichen Nutzen stiftet. Denn diese Aus­ richtung hilft die Zahl der Fälle minimieren, in denen die Parteien abweichende Lösungen für effizienter halten werden und deshalb unter Inkaufnahme von Transaktionskosten alternative Lösungen aushandeln müssen.166 Die damit be­ schriebene Bedeutung dispositiver Vorschriften als Instrument zur Erleichte­ rung der privatautonomen Gestaltung wird in der Praxis desto stärker nachge­ fragt werden, je mehr Aufwand ex ante für die (vertragliche) Gestaltung der Rechtsbeziehungen in langfristig angelegten Finanzierungsbeziehungen betrie­ ben wird. Wenn und soweit die Parteien bereits bei der Vertragsgestaltung das dispositive Recht auf die Eignung für die Bedürfnisse des konkreten Einzelfalls prüfen und es schließlich entweder für sich akzeptieren oder verwerfen, greift diese Funktion bereits auf einer früheren Stufe ein als die Bedeutung dispositi­ ver Vorschriften für die nachträgliche Ausfüllung von Lücken.167 Mit alledem wird indes zugleich das bereits eingangs des vorliegenden Ab­ schnitts angedeutete Informationsproblem offenbar: Wenn der Gesetzgeber zum Zweck der Erleichterung privatautonomer Gestaltung derartige Informa­ tionen in Gestalt dispositiven Rechts zur Verfügung stellt, setzt eine insgesamt unter Wohlfahrtsgesichtspunkten förderliche Wirkung der dispositiven Norm konzeptionell voraus, daß er selbst über hinreichende Informationen – über das Sachproblem selbst, aber auch über die Nah- und Fernwirkungen der von ihm bereitgestellten Lösung auf die jeweilige Interessenlage – verfügt. Welche die angemessene Lösung ist, mag im Einzelfall leicht bestimmbar sein. Keineswegs auszuschließen ist aber auch das Risiko von Fehleinschätzungen, die dazu füh­ ren können, daß suboptimale Lösungen gesetzlich verankert werden: Die Gründe hierfür können in fehlender Homogenität der Interessenlagen, aber 164   Prägnant in diese Richtung Schwartz, 3 S. Cal. Interdisc. L.J. 389, 392, 399  ff. (1993): „acceptability constraint“ als faktische Beschränkung des gesetzgeberischen Gestaltungs­ spielraums. Vgl. nunmehr auch Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 87  ff., insbes. S. 89, 184  ff. 165   Daher häufig auch als „majoritarian default rule“ bezeichnet; vgl. z. B. Ayres, 3 S. Cal. Interdisc. L.J. 1, 5 (1993). 166   Z.B. Hillman, The Richness of Contract Law, 1997, S. 225  f.; Schwartz, 3 S. Cal. Inter­ disc. L.J. 389, 399 (1993); vgl. auch Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 614  f. (1998). 167   Angreifbar daher Westermann, Vertragsfreiheit, S. 45, der dispositive Normen einer (offenbar strikten) Hierarchie zuordnet: Zunächst schaffe das ermächtigende dispositive Recht Freiräume; diese sicherten dann „die ergänzenden und auslegenden Normen gesetzes­ technisch in der Weise ab, daß sie unerwünschte Lücken und Ungereimtheiten in der an sich vorrangigen privaten Regelung zu unterbinden suchen.“

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auch in gewandelten Präferenzen innerhalb des ursprünglichen Adressatenkrei­ ses bestehen. b)  Unmittelbare Wirkungsmechanismen Die unmittelbaren, d. h. von der Entwicklung der Gestaltungspraxis über län­ gere Zeiträume unabhängigen, Wirkungsmechanismen dispositiver Normen sind teilweise bereits angeklungen, nachfolgend aber noch zu präzisieren. Zwar legt die mit dispositiven Vorschriften eröffnete Gestaltungsfreiheit die Annah­ me hoher Flexibilität und Anpassungsfähigkeit und in der Konsequenz nahe, daß dispositive Normen regelmäßig zur Adaption situationsangemessener Ein­ zelfallösungen führen müßten (unten aa)). Diese Annahme relativiert sich je­ doch, berücksichtigt man potentielle Störfaktoren, die sich bei der Rezeption und Handhabung dispositiver Vorschriften durch den Rechtsverkehr ergeben. Sie können zu einem deutlich größeren Einfluß der dispositiven Lösung auf die Gestaltung privatautonomer Rechtsakte führen, als an sich zu erwarten wäre. Dispositives Recht wäre hiernach nicht lediglich ein Instrument, mit dessen Hilfe private Akteure ihre Rechtsverhältnisse entsprechend ihren Präferenzen gestalten können, sondern u.U. geeignet, diese Präferenzen seinerseits zu beein­ flussen. Für die Gestaltungspraxis in den US-amerikanischen Gesellschafts­ rechtsordnungen ist konstatiert worden, daß die tatsächlichen Gestaltungsmu­ ster vielfach kaum von den durch das überwiegend dispositive Recht präfor­ mierten Lösungen abweichen.168 Allerdings ist dieser Befund wohl weitgehend auf die Publikumsgesellschaft beschränkt.169 Erfahrungen aus dem englischen Gesellschaftsrecht stützen die These von einer strukturellen Neigung der Rechtspraxis zur Beibehaltung dispositiver Lösungen des Gesetzesrechts aller­ dings nicht durchgängig.170 Für das deutsche Recht fehlt es nicht nur an entspre­ chenden repräsentativen Untersuchungen,171 sondern schon an der Vergleich­   Vgl. Ben-Shahar/Pottow, 33 Fla. St. U. L. Rev. 651  ff., insbes. 655 ff (2006); Kahneman/ Knetsch/Thaler, 5:1 J. Econ. Persp. 193, 197  ff. (1991); Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 815  ff. (1995); Listokin, Corporate Default Rules and Menus, S. 6  ff.; zurückhaltend in diese Richtung auch Hansmann, 8 Am. L. & Econ. Rev. 1  ff. (2006). 169   Für das Recht der Limited Liability Company (LLC) und der Limited Liability Part­ nership (LLP) sind vergleichbare Effekte nicht nachgewiesen worden; hier spricht der empiri­ sche Befund offenbar für eine ungleich größere Bereitschaft zur individuellen Anpassung des dispositiven Gesetzesrechts, vgl. Ribstein/Kobayashi, 43 Wm. & Mary L. Rev. 79, 116  ff., 120  ff. (2001). 170   Vgl. Cheffins, Corporate Ownership and Control, S. 33 (betr. vertragliche Abreden zu Stimmrechten), S. 55  ff. (allgemein). Siehe aber auch dens., Company Law, S. 257  ff.: nur gerin­ ge Tendenz zu Abweichungen von den Mustersatzungen im „Table A“ der britischen Compa­ nies Acts; zu letzteren noch näher unten, 3. Teil, 1. Kap., sub A. II. 2. (S. 422 ff.) (Organisati­ onsverfassung) und sub IV. 2. c) (S. 454 ff.) (Finanzverfassung). 171   Vgl. aber immerhin Karsten, GmbHR 2006, 57, 58, der aufgrund einer bei der Hand­ werkskammer Chemnitz durchgeführten Auswertung von 250 GmbH-Gesellschaftsverträ­ gen einen hohen Standardisierungsgrad konstatiert; dagegen jedoch auf der Grundlage einer 168

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barkeit des hiesigen Gesellschaftsrechts mit der Rechtslage in den USA, nach­ dem das zwingende Recht in Deutschland einen größeren Stellenwert ein­ nimmt.172 Sucht man gleichwohl nach einem konkreten Beispiel für derartige Persistenzneigungen, ließe sich an die zumindest bei der börsennotierten Akti­ engesellschaft – ungeachtet des an sich durch § 11 AktG eröffneten Spielraums – wohl geringe Varianz bei der Gestaltung unterschiedlicher Aktiengattungen denken.173 All dies deutet prima facie auf Steuerungswirkungen dispositiver Normen hin, die die Eignung dispositiver Normen als Regulierungsinstrument in ein neues Licht rücken würden: Wenn allgemein anschaulich von einer „Bindungs­wirkung“ dispositiven Rechts gesprochen worden ist,174 ließe sich ­insoweit möglicherweise eine faktische (im Unterschied zu einer etwaigen nor­ mativen) Bindungswirkung feststellen. In der rechtstheoretischen, rechtsöko­ nomischen und gesellschaftsrechtlichen Literatur wird eine Reihe derartiger Wirkungsmechanismen erörtert. In Betracht kommen zunächst mögliche Ver­ zerrungen im Verhandlungsergebnis aufgrund von Unsicherheiten hinsichtlich der Grenzen der Zulässigkeit von Alternativgestaltungen (unten bb)) und Ver­ zerrungseffekte infolge strategischen Verhandlungsverhaltens der beteiligten Parteien (unten cc)). Ebenso intensiv wie kontrovers diskutiert wird zudem der Einfluß strukturell-irrationaler Präferenzen von Verhandlungsführern für den status quo (sog. endowment effect, status quo bias) (unten dd)). Ob und inwie­ weit diese Gesichtspunkte für das untersuchte Referenzgebiet tatsächlich von Bedeutung sind, muß allerdings schon nach einer ersten Plausibilitätskontrolle differenzierend bewertet werden, so daß für die weitere Untersuchung ein eher zurückhaltendes Fazit festzuhalten bleibt (unten ee)). aa) Dispositives Recht als flexibles Instrument Insbesondere im Vergleich zu zwingenden Vorschriften sind dispositive Nor­ men konzeptionell das flexiblere Regulierungsinstrument. Sie ermöglichen nicht nur eine Lösung, sondern lassen von vornherein eine je nach Ausgestal­ abweichenden Stichprobe von 146 Gründungsvorgängen Bayer/Hoffmann/J. Schmidt, Gmb­ HR 2007, 953, 954  ff. 172   Vgl. hierzu noch die vergleichende Untersuchung exemplarisch ausgewählter Rege­ lungsprogramme im 3. Teil der Arbeit (S. 399  ff.). Für das dispositive Vertragsrecht ist immer­ hin auch hierzulande bereits vermutet worden, ein Eingreifen der dispositiven Lösung sei „angesichts der natürlichen Trägheit der Rechtsgenossen (…) oft die Regel“, vgl. Bachmann, JZ 2008, 11, 14. 173   Vgl. exemplarisch etwa Butzke, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsen­ notierte AG, § 6 Rn. 22 (kapitalmarktinduzierte Tendenz zur Verringerung stimmrechtsloser Vorzugsaktien bei der börsennotierten AG in Deutschland). Vgl. auch ebd., Rn. 43: erschwer­ te „praktische Nutzung“ von Spartenaktien (tracking stocks) als Instrument der marktbasier­ ten Finanzierung. 174   Vgl. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 40  ff.; ähnlich auch bereits Bülow, AcP 64 (1880), 1, 46  f.; wohl auch Fröhlich, Vom zwingenden und nichtzwingenden Privatrecht, S. 90  ff.

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tung des Tatbestands mehr oder weniger umfangreiche Bandbreite möglicher Lösungen zu, was die Adaptionsfähigkeit für irreguläre Problemfälle grund­ sätzlich steigert.175 Dispositives Recht verlagert im Prinzip die Gestaltungsver­ antwortung und damit zugleich die Last der Aufklärung der zu regelnden Sach­ verhalte und der hierfür sachadäquaten Lösungen in größerem oder kleinerem Umfang vom Gesetzgeber auf die Parteien, die den Bedürfnissen des Einzelfalls näher stehen als der Gesetzgeber selbst, der sich stets um generell-abstrakte Lö­ sungen zu bemühen hat. Machen die Parteien von der Ermächtigung zur Wahl alternativer Lösungsansätze Gebrauch, sollte dies mithin zu situationsange­ messenen Einzellösungen führen, wenn und soweit die Lösung des dispositiven Rechts dem Anforderungsprofil des Einzelfalls nicht gerecht wird. Dispositive, zumal ergänzende Normen regen damit ihre eigene kritische Überprüfung und damit die Suche nach Alternativen geradezu an, weil und soweit diese Alternativen eine stärker auf die Bedürfnisse des Einzelfalls zuge­ schnittene Lösung in Aussicht stellen.176 Handeln die Akteure rational, dürften sie dadurch zu einer Analyse der Kosten und Vorteile der dispositiven Lösung veranlaßt werden. Jede Partei wird die für sie mit einer Abweichung hiervon verbundenen Vorteile quantifizieren und daraufhin entweder in Verhandlungen über Alternativmodelle eintreten oder die im dispositiven Recht vorgeschlagene Lösung für sich akzeptieren. Ein einfaches Beispiel hierfür läßt sich aus der Handhabung des Haftungsmaßstabs nach § 276 Abs. 1 BGB in vertraglichen Austauschbeziehungen gewinnen, wonach der Schuldner für Vorsatz und Fahr­ lässigkeit haftet, „wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen ist“. Auf dieser Grundlage können die Parteien sowohl einen geringeren (Reduktion auf grobe Fahrlässigkeit, Haftungsausschluß) als auch einen schärferen Maß­ stab (leichte Fahrlässigkeit, verschuldensunabhängige Garantie) für sich verein­ baren. Ersteres dürfte regelmäßig mit einem geringerem, letzteres mit einem höheren Preis für die vertragstypische Leistung einhergehen.177 Zwar kann das Machtgefälle zwischen den Parteien dazu führen, daß sich im Verhandlungser­ 175   Vgl. z. B. Cheffins, Company Law, S. 259 (wiederum nur für ergänzende Normen, aber insoweit ebenfalls übertragbar); Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 312; allgemein bereits Bülow, AcP 64 (1880), 1, 44, 47; vgl. auch Sunstein, 83 Cal. L. Rev. 953, 1016  ff. (1995): Flexibi­ lisierung durch „privately adaptable rules“. 176   Siehe bereits oben sub 2. b) (S. 83  f.). 177   Das einschlägige anglo-amerikanische Schrifttum bemüht analog vielfach die in der englischen Entscheidung des House of Lords in Hadley v. Baxendale (156 Eng. Rep. 145 (1854)) formulierte Beschränkung der Schadensersatzpflicht für Fälle der Schlecht- oder Nichterfüllung unter Ausschluß von weiteren Folgeschäden (consequential damages); vgl. – mit unterschiedlichen konzeptionellen Ansätzen und Folgerungen – etwa Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 101  ff. und 108  ff. (1990); dies., 101 Yale L.J. 729, 734  ff. (1992); Bebchuk/Shavell, 7 J.L. Econ. & Org. 284  ff. (1991); Bishop, 12 J. Legal Stud. 241, 252  ff. (1983); Johnston, 100 Yale L.J. 615  ff. (1990); vgl. auch Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 615  f. (1998).

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gebnis Partikularinteressen stärker als objektive, am Interessenausgleich orien­ tierte Sachaspekte niederschlagen.178 Davon abgesehen und unter Ausblendung der anfallenden Transaktionskosten179 dürfte sich nach dieser neoklassisch ge­ prägten, am „rational choice“-Ansatz orientierten Lesart jedoch stets die im jeweiligen Einzelfall effizienteste Lösung durchsetzen, während sich der Ge­ setzgeber auf die Verantwortung für eine „Auffanglösung“ zurückzieht. bb)  Strukturimmanente Auslegungs- und Anwendungsunsicherheiten Gerade der gestaltungserleichternde Informationswert dispositiver Normen kann sich indes als ambivalent erweisen und dazu führen, daß die Akteure in geringerem Umfang von der im dispositiven Recht stets enthaltenen Ermächti­ gung zur abweichenden Regelung Gebrauch machen, als nach Lage der Dinge im Einzelfall zu erwarten wäre. Unsicherheit über die Zulässigkeit und Prakti­ kabilität von außerhalb der dispositiven gesetzlichen Lösung angesiedelten Ge­ staltungsmustern ist letztlich die unvermeidliche Kehrseite der gestaltungser­ leichternden (Informations-) Funktion. In der Tat sind dem Bestand dispositiver Normen wertvolle Informationen über erlaubte Gestaltungsmöglichkeiten zu entnehmen, die nicht nur aufwen­ dige Verhandlungen über alle in Betracht kommenden, den planmäßigen Ver­ lauf der Finanzierungsbeziehungen bedrohenden Eventualitäten vermeiden helfen. Vielmehr liefern sie einen Katalog an Regelungsmustern, den die Partei­ en akzeptieren und/oder weiterentwickeln können: Anschaulich sind dispositi­ ve Normen gerade von Autoren der contractarian school mit Vertragsmustern (standard form contracts) gleichgestellt worden.180 Diesen Vergleich wird man auch auf solche ermächtigende Vorschriften erstrecken können, die nicht völlige Gestaltungsfreiheit, sondern durch entsprechende Vorgaben in Tatbestand oder Rechtsfolge beschränkte Gestaltungsoptionen eröffnen.181 Hier müssen die Par­ teien sich zwar einigen, um die gesetzlich vorgesehene Lösungsalternative zur Geltung zu bringen, was regelmäßig mit Transaktionskosten einhergehen wird. 178   Vgl. insoweit bereits Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 620 (1998): “If left to their own devices, parties might fail to contract around inefficient default rules not only because of high transaction costs, but also because strategic incentives pit the collective interests of the parties against the interests of each individual party.” 179   Dies setzt keineswegs die – unrealistische – Annahme voraus, daß der beschriebene Prozeß mit keinerlei Transaktionskosten verbunden ist; ausreichend ist vielmehr, daß beide Verhandlungsparteien mit Transaktionskosten in annähernd gleicher Höhe belastet sind, vgl. Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 615 (1998); siehe auch Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 93 (1989). 180   Siehe nochmals oben sub I. 4. (S. 70  f.) bei und in Fn. 70; entsprechend auch Cheffins, Company Law, S. 257; für das dispositive Vertragsrecht allgemein wiederum Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, S. 157  f.; Goetz/Scott, 73 Cal. L. Rev. 261, 287  f. (1985). 181   Zu undifferenziert insoweit m.E. Cheffins, Company Law, S. 257, der von vornherein nur ergänzende Bestimmungen entsprechend würdigt.

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Im übrigen kommen ihnen aber auch bei der Variante eines „opt-in“ die allge­ mein transaktionskostensenkenden Vorteile dispositiver Normen zugute, denn „opt-in“-Regelungen vermeiden in ähnlicher Weise wie subsidiär mangels ab­ weichender Parteiabrede eingreifende, ergänzende Normen („opt-out“-Rege­ lungen) Unsicherheiten über die Zulässigkeit der jeweils im Gesetz ausdrück­ lich geregelten Lösung. Dispositive Normen wirken mithin als eine Art „safe harbor“; sofern die Parteien die darin jeweils vorgeschlagene Lösung für sich akzeptieren, können sie sich auf deren Durchsetzbarkeit verlassen.182 Der damit eröffnete Vorteil kann sich indes als ambivalent erweisen. Auch insoweit hat bereits Ende des 19. Jahrhunderts die grundlegende Untersuchung von Bülow scharfsichtig einen Teil der Probleme herausgearbeitet: Zwar nimmt der Gesetzgeber bei der Formulierung dispositiven Rechts „von vornherein in seinen Plan eine Mehrzahl rechtlicher Normierungsweisen auf, deren keine er völlig mißbilligt, sondern deren jede er, wenn ihm auch vielleicht einige dersel­ ben weniger oder doch nur in seltenen oder seltensten Fällen erwünscht sind, (…) gestatten will“ – dies aber ebenso von vornherein nur „unter gewissen Eventualitäten, innerhalb bestimmter Schranken“.183 Die mit dispositivem Recht eingeräumte Freiheit ist, mit anderen Worten, notwendig stets bedingte und begrenzte Freiheit; schon die tatbestandliche Umschreibung der Vorausset­ zungen, unter denen eine bestimmte Lösung eingreift, wird oft die Gestal­ tungsspielräume einschränken. Die mit jeder dispositiven Norm implizit ausge­ sprochene Ermächtigung zur Abweichung ist jeweils nur unter „bestimmten, oft sehr streng bemessenen Voraussetzungen“ eingeräumt;184 dispositive Nor­ men eröffnen, so betrachtet, jeweils einen beschränkten Korridor zulässiger Gestaltungen. Schon deshalb ist dispositives Recht geeignet, die Gestaltungs­ praxis wirksam zu präformieren, und ist es mit faktischen Bindungswirkungen verbunden. Zumindest aber ist der mit dispositivem Recht eröffnete Gestal­ tungsspielraum vielfach trügerisch, weil es in der Natur ergänzender dispositi­ ver Normen liegt, daß zwar eine erlaubte Lösung aus dem Gesetz eindeutig abgeleitet werden kann (weil es diese Lösung eben ausdrücklich formuliert), die Grenzen zum Kreis der nicht mehr erlaubten, anstelle der gesetzlichen Lösung zu formulierenden Gestaltungsoptionen aber oft nicht ohne weiteres erkennbar sein werden.185 Auch mittels des anerkannten Methodenkanons, insbesondere im Wege der historischen, der systematischen und der teleologischen Auslegung 182   Vgl. auch Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 775  ff. (1995); dens., 31 J. Corp. L. 779, 793 (2006). 183   Bülow, AcP 64 (1886), 1, 44. 184   Bülow, AcP 64 (1886), 1, 44; siehe auch Möslein, Dispositives Recht, 1. Teil, § 3 („Un­ schärfedilemma“). Siehe dazu auch noch unten sub 4. a) (S. 131  ff.). 185   Vgl. in diesem Sinne auch schon Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1549, 1565  f. (1989), und im Anschluß daran Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 295. Insoweit unklar Bülow, AcP 64 (1886), 1, 47, der zwar die (im Vergleich zu zwingenden Vorschriften) geringere Bestimmtheit dispositiven Rechts ausdrücklich hervorhebt, dies aber erkennbar auf die Abgrenzung zwi­

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werden die daraus resultierenden Unsicherheiten vielfach kaum vollständig be­ seitigt werden können. cc)  Verzerrungen aufgrund strategischen Verhandlungsverhaltens Als weitere Ursache für Verzerrungen, die das Leitbild von der einzelfallorien­ tierte Lösungen begünstigenden Natur dispositiver Normen relativieren, dis­ kutiert insbesondere das jüngere US-amerikanische Schrifttum strategisches Verhandlungsverhalten der jeweiligen Akteure: Die vom dispositiven Recht ausgehenden Anreize zur rationalen Verhandlung über potentiell sachnähere Lösungen verlieren danach möglicherweise an Gewicht, wenn und soweit die Parteien sich nicht allein von rationaler Abwägung von Kosten und Nutzen lei­ ten lassen, sondern strategische Ziele verfolgen und die Preisgabe von Sonder­ wissen gegenüber der Gegenpartei zu vermeiden suchen. Liegen der einen Partei zwar Informationen vor, die darauf hindeuten, daß die in einem dispositiven Rechtssatz formulierte Lösung nicht sachangemessen ist, muß sie aber befürch­ ten, daß sich die Vertragsbedingungen insgesamt verschlechtern, wenn sie ihr Wissen gegenüber der Gegenpartei preisgibt, so könnten diese Erwägungen ihre Bereitschaft zur Aufnahme von Verhandlungen über die alternative Gestal­ tung von vornherein einschränken und mithin ein Festhalten an der dispositi­ ven Lösung begünstigen. Dies kann sich selbst dann ereignen, wenn die dispo­ sitive Lösung inhaltlich klar als nachteilig erkannt wird.186 Zwei Beispiele aus dem deutschen Vertragsrecht mögen die erörterten Probleme verdeutlichen: Hegt der nichtunternehmerische Verkäufer Zweifel an der Mangelfreiheit des von ihm verkauften Gebrauchtfahrzeugs, ohne daß ihm Mängel positiv bekannt wären, so steht es ihm zwar frei, einen Haftungsausschluß zu vereinbaren (§ 444 ΒGB) und damit von dem dispositiven Gewährleistungsrecht der §§ 437  ff. BGB abzuweichen. Doch wird er damit zugleich seine eigenen Zweifel an der Quali­ tät des verkauften Gutes signalisieren und regelmäßig einen geringeren Preis akzeptieren müssen. Ebenso wird ein Besteller eines Vorprodukts, der für die Weiterverarbeitung und die Lieferung an seine Endkunden auf die fristgerechte Lieferung gegenüber seinen Endkunden zwingend angewiesen ist, zwar an sich an der Vereinbarung verschuldensunabhängiger Haftung der Hersteller des Vorprodukts interessiert sein, aber möglicherweise trotzdem darauf verzichten, um den Preis für das Vorprodukt nicht in die Höhe zu treiben.187 schen den durch die dispositive Norm eröffneten Wahlmöglichkeiten und nicht den Grenzbe­ reich zwischen zulässigen und unzulässigen Gestaltungen bezieht. 186   In diesem Sinne Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 99  ff. (1989); vgl. auch Spier, 23 RAND J. Econ. 432 (1992). Zum Ganzen nunmehr auch die grundlegenden Überlegungen zum Dis­ positionsverhalten bei Möslein, Dispositives Recht, 2. Teil, § 6. 187   Vgl. nochmals Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 101 (1989) und insoweit auch Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 618 (1998), die ihrerseits jeweils die englische Entscheidung in Hadley v. Baxendale als Beispiel anführen; siehe dazu bereits soeben Fn. 177.

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Insgesamt stehen diese Erwägungen noch auf dem Boden der Annahme ra­ tionalen Verhaltens der Akteure, wie sie das für die Rechtsökonomik grundle­ gende Coase-Theorem188 formuliert.189 Sie erweitern die neoklassische Analyse lediglich um die Annahme, daß mit dem Zurückhalten verhandlungsrelevanter Informationen Anreize verbunden sind, die ein effizientes Verhandlungsergeb­ nis verhindern, wenn diese Anreize nicht durch entsprechende Ausgestaltung der dispositiven Lösung kompensiert werden. Die skizzierten Beispiele zeigen indes, daß Versuche, derartige Effekte auf die Existenz von Sonderwissen zu­ rückzuführen, den Kern des Problems eher verschleiern. Tatsächlich kann das Wissen um bestimmte Risiken für die planmäßige Durchführung des Lei­ stungsprogramms das (zentrale) Motiv für den Wunsch nach entsprechender Absicherung bilden, muß dies aber nicht. Das bloße Interesse an der wirtschaft­ lichen Optimierung des Verhandlungsergebnisses setzt Sonderwissen um be­ stimmte wertbildende Faktoren im weitesten Sinn keineswegs zwingend vor­ aus.190 Qualifiziert man demgegenüber schon die wirtschaftliche Bewertung des dispositiven Rechts einerseits und der möglichen Alternativlösung anderer­ seits durch die Parteien als relevantes Sonderwissen im vorgenannten Sinn,191 so büßt diese Kategorie erheblich an Erkenntniswert ein, denn daß jede Partei im Prinzip an einer bestmöglichen Absicherung ihrer Ausfallrisiken interessiert sein wird, ist auch für die Gegenpartei evident. Tatsächlich geht es allgemein eher um möglicherweise nur begrenzt rational begründbare Vorstellungen der Parteien hinsichtlich der erwartbaren Vor- und Nachteile der gesetzlichen Re­ gelung und möglicher Alternativen hierzu. Für die Verhandlungsbereitschaft über mögliche Abweichungen von dispositivem Gesetzesrecht sind sie wohl be­ deutender als der Wunsch, die eigenen wirtschaftlichen Präferenzen möglichst nicht offenzulegen.192 Nicht zu übersehen ist zudem, daß keineswegs jedes Verlangen nach einer Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht mit entsprechenden Nachteilen für die jeweilige Partei verbunden sein muß.193 Je nach Lage des Einzelfalls, z. B. weil die dispositive Lösung allgemein erkennbar infolge technischer Verände­   Coase, 3 J.L. & Econ. 1  ff. (1960).   Eindeutig insoweit auch Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 97  ff., 108  ff. (1989). 190   Vgl. auch Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 606, 650  f. (1998). 191   So allgemein aber Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 99  ff. (1989); insoweit wohl auch Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 606, 650 (1998). 192   Vgl. nochmals auch Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 606, 647  ff. (1998), der auf der Grund­ lage empirischer Fallstudien zu dem plausiblen Ergebnis gelangt, daß die Bedeutung von Son­ derwissen für das Verhandlungsergebnis in bestimmten Verhandlungskonstellationen auch eliminiert werden kann und daß eher eine komplexe Gemengelage verschiedener Faktoren als die reduktionistische Interpretation unter Berufung auf die Informationsverteilung als Er­ klärung für Persistenzneigungen dispositiver Lösungen taugt. Auch diese Gemengelage ist freilich bislang in der Verhaltenswissenschaft und ihrer rechtswissenschaftlichen Rezeption (behavioral law and economics) nicht voll erforscht. 193   Vgl. zum folgenden nunmehr auch Kähler, Macht und Vielfalt, 3. Kap. sub A. 1. (Ana­ 188 189

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rungen im Anwendungsgebiet an wirtschaftlicher Praktikabilität verloren hat, sind vielmehr sogar diametral entgegengesetzte Effekte denkbar, was dem Ver­ such einer konsistenten Theorie der Auswirkungen strategischen Verhaltens auf die Handhabung dispositiven Rechts den Boden entzieht. So kann nach der Verkehrsauffassung eine Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht geradezu die Regel darstellen und die Weigerung einer Partei, diese Abweichung zu ak­ zeptieren, mit negativen Signalen verbunden sein, die im Ergebnis die Partei eher davon abhalten wird, sich einer vertraglich zu vereinbarenden Alternativ­ lösung zu verweigern. Folgt man etwa der im deutschen Recht nach wie vor vertretenen, wenn auch angreifbaren Auffassung, daß die Banküberweisung nicht als Erfüllung einer Geldschuld nach § 362 BGB, sondern als Leistung an Erfüllungs Statt zu qualifizieren sei,194 oder verlangt man mit der inzwischen herrschenden Meinung für die Berechtigung des Schuldners, Geldschulden im Wege der Banküberweisung zu erfüllen, wenigstens das Einverständnis des Gläubigers,195 so kann nach beiden Ansichten der Gläubiger einer Geldforde­ rung die Banküberweisung zwar ohne weitere Begründung ablehnen. Gleich­ wohl ist kaum zu verkennen, daß dem Verlangen nach Barzahlung gelegentlich sogar der Ruch unseriöser Geschäftspraktiken anhaften wird, insbesondere wenn ein solches Verlangen im Geschäftsverkehr den Anschein finanzieller Schwierigkeiten und möglicherweise bereits eingeleiteter Kontenpfändung ver­ mittelt. Diese Erwägungen deuten darauf hin, daß die für die „strategischen“ Ent­ scheidungen der Parteien relevanten Bewertungen und Einschätzungen oft we­ niger autonom im Einzelfall getroffen als allgemein durch die jeweils maßgebli­ che Verkehrsauffassung geprägt sein werden. Insofern ist grundsätzlich über­ zeugend auf Parallelen der Praxis der Vertragsverhandlungen zur Entwicklung sozialer, also nicht gesetzlich positivierter Normen sowie auf die besonderen Bindungen der Parteien in langfristigen Austauschbeziehungen (relationalen Verträgen)196 als Erklärung für eine geringe Bereitschaft zur Ersetzung disposi­ tiver Lösungen durch individuell ausgehandelte aufmerksam gemacht wor­ den.197 Diese Bindungen können auch dazu führen, daß Parteien eine (dispositi­ lyse der Auswirkungen dispositiven Rechts auf die Verhandlungspositionen und Verhand­ lungsführung von Vertragsparteien). 194   So noch BGH, Urt. v. 13. 3. 1953 – V ZR 92/51, NJW 1953, 897; OLG Hamm, Urt. v. 13. 11. 1997 – 10 UF 266/87, NJW 1988, 2115  f.; a.A. – Erfüllung – z. B. Palandt/Grüneberg, BGB, § 362 Rn. 9; MünchKomm/Wenzel, BGB, § 362 Rn. 21  f. m. w. N. 195   Vgl. stellvertretend nochmals Palandt/Grüneberg, BGB, § 362 Rn. 9; MünchKomm/ Wenzel, BGB, § 362 Rn. 21; a.A. (schon die Eröffnung eines Girokontos ausreichend) Dücker, WM 1999, 1257, 1261  f. 196   Zu diesen bereits oben sub a) bb) (S. 97) bei und in Fn. 157. 197   Vgl. – teilweise kontrovers – Bernstein, 3 S. Cal. Interdisc. L.J. 59, 65  ff. (1993); Feinman, 3 S. Cal. Interdisc. L.J. 43, 54  ff. (1993), jeweils mit sehr weitreichenden Folgerungen nicht nur für die Analyse der Rezeption dispositiver Normen, sondern auch für deren materiale Aus­ richtung durch Gesetzgeber bzw. Gerichte. Vgl. dazu auch Ben-Shahar/Pottow, 33 Fla. St. U.

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ve) gesetzliche Regelung ganz ignorieren, wenn es ihnen im Interesse der Wei­ terführung ihrer Austauschbeziehung günstig erscheint, sich darauf nicht zu berufen.198 Gerade mit Blick auf diese Parallelen fällt es allerdings schwer, derartige Ver­ zerrungseffekte abstrakt für die Rezeption dispositiven Rechts allgemein, d. h. ohne Berücksichtigung des jeweiligen Sachzusammenhangs und Verkehrsum­ felds zu prognostizieren: Daraus resultierende Bindungen mögen in vielen Fäl­ len die Persistenz dispositiven Rechts fördern können; denkbar ist aber auch, daß das dispositive Recht sich mitunter gerade nicht durchsetzen kann, wenn eine andere Lösung als Verkehrssitte etabliert ist. So werden bestimmte Abwei­ chungen vom dispositiven Recht – wie eben die Einigung über die Banküber­ weisung als Erfüllungsmodus für Geldschulden – nicht nur anerkannt sein, sondern geradezu den Regelfall ausmachen. Ebenso werden etwa vom disposi­ tiven Zivilprozeßrecht abweichende Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten des Lieferanten im unternehmerischen Geschäftsverkehr ohne Preisaufschlag als Selbstverständlichkeit wahrgenommen und das Verlangen hiernach keines­ wegs als Ausdruck erhöhter Streitbarkeit bewertet werden, von dem man mit Rücksicht auf die damit verbundenen negativen Signale besser absähe. Um ein weiteres Beispiel zu bemühen: Auch der Abschlußprüfer, der seine Haftung im Rahmen der in § 54a WPO gesetzten Grenzen durch vertragliche Vereinbarung zu beschränken sucht, wird allein aufgrund dieses Ansinnens nicht mit Nach­ teilen rechnen müssen, weil und soweit eine entsprechende Vereinbarung als marktüblich anerkannt ist. Zutreffend ist beobachtet worden, daß hier letztlich eine im jeweiligen Verkehrskreis etablierte soziale Norm die Abweichung von der dispositiven Regelung nicht nur deckt und legitimiert, sondern sie praktisch als Standardfall durchgesetzt hat.199 Das Verlangen einer Partei nach Abwei­ chungen von der dispositiven Lösung des Gesetzesrechts ist damit nicht zwin­ gend mit negativen Signaleffekten verbunden, die die andere Partei von einer darauf gerichteten Vereinbarung eher abschrecken. 200

L. Rev. 651, 656  f. (2006), und bereits Goetz/Scott, 67 Va. L. Rev. 1089, 1094 (1981); Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 621  ff. (1998). 198   Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 621  ff. (1998). Dieser Effekt ist freilich nicht auf dis­ positives Recht beschränkt und kann auch bei zwingenden Vorgaben auftreten, die allein mit Haftungssanktionen belegt sind. Ebenso wenig ist Voraussetzung, daß die betreffenden Ak­ teure zueinander in einer echten Austauschbeziehung stehen; ausreichend ist vielmehr jedes Näheverhältnis, innerhalb dessen sich persönliche Bindungen entwickeln können. Zu denken ist etwa an pflichtwidrige Entscheidungen des Vorstands, für die der Aufsichtsrat mit Rück­ sicht auf persönliche Verbundenheit von einer Inanspruchnahme absieht, obwohl er hierzu an sich verpflichtet wäre (vgl. § 112 AktG; BGH, Urt. v. 21. 4. 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 251  ff. [ARAG/Garmenbeck]). 199   Zutr. Ben-Shahar/Pottow, 33 Fla. St. U. L. Rev. 651, 667 (2006). 200   Zu weitgehend deshalb Bernstein, 3 S. Cal. Interdisc. L.J. 43, 70  f. (1993); vgl. auch – al­ lerdings eher abgeschwächt – Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 621 (1998).

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Aus alledem folgt zwar keineswegs, daß strategisches Verhalten Verzerrun­ gen im Verhandlungsergebnis – hier verstanden als Abweichung von der eigent­ lich in concreto sachangemessenen Lösung – und die Persistenz einer dispositi­ ven Norm gegenüber eigentlich sachangemessenen Alternativen im Einzelfall nicht erklären könnte. Doch sind mit der Verkehrsauffassung und etablierten Gestaltungspraktiken, mithin mit „sozialen Normen“ im rechtssoziologischen Sinn Faktoren identifiziert, die die individuellen Präferenzen der Parteien, die den Ausgangspunkt strategischer Entscheidungen bilden, potentiell überla­ gern. 201 Eine theoretisch fundierte, allgemeingültige Aussage über die Auswir­ kungen strategischen Verhaltens auf die Akzeptanz oder fehlende Akzeptanz dispositiver Normen läßt sich auf dieser Grundlage nicht formulieren. Schon die grobe Plausibilitätskontrolle hat vielmehr ergeben, daß derartige Effekte durchaus ambivalent wirken können. Zudem dürfte ihr Stellenwert zumindest in komplexeren Transaktionen, die für das hier untersuchte Referenzgebiet cha­ rakteristisch sind, eher gering zu veranschlagen sein. Ob sie außerhalb dessel­ ben zur Erklärung der Persistenz dispositiven Rechts im Vergleich zu vertragli­ chen Alternativmodellen trägt, erscheint gleichfalls nicht zweifelsfrei. Für die weitere Untersuchung kann damit lediglich die theoretische Möglichkeit ent­ sprechender Verzerrungseffekte in verschiedene Richtungen festgehalten wer­ den. Ob und inwieweit sie auftreten und sich auf die praktische Handhabung dispositiven Rechts auswirken, kann jedoch allenfalls im Einzelfall und insbe­ sondere in Kenntnis möglicher Wechselwirkungen mit potentiell relevanten so­ zialen Normen sicher beurteilt werden. dd)  Besitzeffekte (endowment effects) In Bedeutung und Auswirkungen nur schwer theoretisch erfaßbar sind auch die in der jüngeren, verhaltenswissenschaftlich informierten Rechtstheorie (Beha­ vioral Law and Economics) und in der psychologischen und verhaltensbiologi­ schen Literatur verstärkt untersuchten irrationalen Neigungen von Verhand­ lungsführern zur Beibehaltung des status quo (sog. endowment effect, status quo bias). Diese Erklärungsmuster fußen auf der Beobachtung, daß Individuen, die vor die Wahl zwischen dem Verzicht auf einen bereits ihnen gehörenden Gegenstand und einer Veränderung in ihrem Vermögen gestellt sind, nicht nur in Konstellationen den status quo präferieren, in denen das Risiko einer Ver­ schlechterung ihrer Vermögenslage hoch ist, sondern auch dann zögern, wenn die Wahl der zweiten Alternative für sie an sich wirtschaftlich vorteilhaft wäre 201   Vgl. auch Ben-Shahar/Pottow, 33 Fla. St. U. L. Rev. 651, 667 (2006), die darauf hinwei­ sen, daß entsprechende Verzerrungs- und Persistenzeffekte nicht auf Verhandlungen über dispositives Gesetzesrecht beschränkt sind, sondern sich auch im Zusammenhang mit eta­ blierten Gestaltungsmustern unabhängig vom Gesetzesrecht entwickeln und sich diesem ge­ genüber durchsetzen können.

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und damit rationalem Verhalten entspräche. Dieser Effekt ist inzwischen in zahlreichen häufig zitierten, aber stark stilisierten Experimenten nachgewiesen worden. Im Zentrum dieser Literatur stehen Experimente, die erwiesen haben, daß Verhandlungsführer, die über einen bestimmten Vermögenswert verfügen, für dessen Veräußerung einen signifikant höheren Preis verlangen („willing­ ness-to-accept price“), als sie für dessen Ankauf zu bieten bereit wären („wil­ lingness-to-pay price“). 202 Ohne daß dies durch den objektiven Wert des Gegen­ stands erklärbar wäre, verändert sich hiernach mithin die Wertschätzung, je nachdem, ob sich der Gegenstand bereits in der Verfügungsmacht des Entschei­ ders befindet oder nicht. Wenn und soweit damit tatsächlich ein Grundmuster menschlichen Entscheidens identifiziert worden sein sollte, ließe sich mithin kaum mehr von konsistenten Präferenzen als Grundlage von Entscheidungs­ prozessen ausgehen. Mit der Voraussetzung einer rationalen Bewertung von Vermögenswerten (Rechten und Gütern) entfiele zugleich eine zentrale Prämis­ se des für die neoklassische Rechtsökonomik grundlegenden Coase-Theo­ rems, 203 nach dem sich bei freier Übertragbarkeit von Vermögenswerten und Abwesenheit von Transaktionskosten eine Pareto-effiziente Allokation der Vermögensgüter allein aufgrund der Verhandlungen zwischen allen beteiligten Akteuren einstellen werde, ohne daß das Ergebnis durch die ursprüngliche Ver­ teilung der Vermögenswerte beeinflußt würde. 204 Auch wenn Verhandlungen nur unter Transaktionskosten möglich sind, wird es danach gleichwohl zu ei­ nem allein an den Präferenzen der Parteien orientierten Verhandlungsergebnis kommen, solange die Differenz zwischen den Bewertungen des Gutes durch die jeweiligen Parteien größer ist als die Transaktionskosten.205 Verzerrten irratio­ nale Präferenzen das Verhandlungsverhalten der Parteien, ließe sich diese Inter­ pretation nicht mehr ohne weiteres aufrechterhalten. 202   Vgl. nochmals etwa Kahneman/Knetsch/Thaler, 5 J. Econ. Persp. 193  ff. (1991); dies., 6 J. Pol. Econ. 1325  ff. (1990); Knetsch, 79 Am. Econ. Rev. 1277  ff. (1989); Knetsch/Sinden, 99 Q. J. Econ. 507 (1984); aus der jüngeren Literatur Chow/Sarin, 52 Theory & Decision 127  ff. (2002); Franciosi u. a., 30 J. Econ. Behav. & Org. 213 (1996); Inder/O’Brien, 55 Bull. Econ. Res. 289 (2003); Samuelson/Zeckhauser, 1 J. Risk & Uncertainty 7  ff. (1988); im Überblick nochmals Ben-Shahar/Pottow, 33 Fla. St. U. L. Rev. 651, 655  ff. (2006); Hoffman/Spitzer, 71 Wash. U. L.Q. 59, 66  ff. (1993); Horowitz/McConnell, 44 J. Envtl. Econ. & Mgmt. 426 (2002); Jones, 95 Nw. U. L. Rev. 1141, 1152  ff. (2001); Kahneman/Knetsch/Thaler, 98 J. Pol. Econ. 1325, 1342  ff. (1990); Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 625  ff. (1998); Sayman/Öncüler, 26 J. Econ. Psych. 289, 290  ff. (2005). Im vorliegenden Kontext eingehend Bechtold, Grenzen zwin­ genden Vertragsrechts, S. 223  ff., insbes. S. 237  ff. 203   Zu diesen Konsequenzen bspw. Hoffman/Spitzer, 71 Wash. U. L.Q. 59, 98  f. (1993); Jolls/Sunstein/Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1497  ff. (1998); Kahneman/Knetsch/Thaler, 98 J. Pol. Econ. 1325, 1339  ff. (1990); Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 613  ff. (1998); ders., 51 Vand. L. Rev. 1583, 1584, 1592  ff. (1998); siehe auch Arlen/Spitzer/Talley, 31 J. Legal Stud. 1, 8 (2002); Jones/Brosnan, 49 Wm. & Mary L. Rev. 1935, 1941  ff. (2008); van Aaken, Rational Choice, S. 88  ff., insbes. 91  ff. 204   Grundlegend Coase, 3 J.L. & Econ. 1  ff. (1960). 205   S. J. Schwab, 72 Cornell L. Rev. 245, 275  ff. (1987).

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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Mit den zentralen Grundlagen der tradierten Rechtsökonomik ist zugleich die These in Frage gestellt, daß dispositive gesetzliche Lösungen die Parteien bei ihren Verhandlungen über die rechtliche Gestaltung ihrer (Austausch-) Bezie­ hungen zwar unterstützen, daß sich aber regelmäßig die im jeweiligen Einzelfall sachgerechte, „effiziente“ Lösung durchsetzen werde, auch wenn dies eine Ab­ weichung von der dispositiven Norm verlangt. Denn sollte sich bestätigen, daß sich die Neigung von Verhandlungsführern zur Beibehaltung des status quo nicht nur auf Entscheidungen über den Austausch von Vermögenswerten und Vermögensrechten, sondern auch auf die Verhandlung über Vertragsregeln er­ streckt, wäre das Verhandlungsergebnis auch insoweit nicht (nur) von rationa­ len Wertungen auf der Grundlage stabiler Präferenzen bestimmt. Vielmehr wäre es (auch) von der – rational möglicherweise nicht voll erklärbaren – Nei­ gung der Parteien beeinflußt, eine ihnen in Gestalt dispositiv eingreifender ge­ setzlicher Regelungen „sichere“ Position nicht aufzugeben. 206 Die für die Ver­ handlungsbereitschaft und Verhandlungsführung bestimmenden Präferenzen wären, mit anderen Worten, in diesem Fall gerade nicht als stabile verhandlungsexogene Parameter zu qualifizieren, sondern endogener Natur, nämlich durch die vorgefundene dispositive Rechtslage geprägt. 207 Die Ursachen derartiger Effekte sind allerdings ebenso wenig geklärt wie ihre Bedeutung für die Rezeption dispositiven Rechts durch die Gestaltungspraxis allgemein und im vorliegend untersuchten Referenzgebiet insbesondere; eine erschöpfende Theorie zur Erklärung des empirisch in einer Vielzahl unter­ schiedlicher Experimente gemessenen endowment effect hat sich bislang nicht durchgesetzt. 208 Vermutungen über Ursachen verweisen etwa auf Verzerrungen in der Verhandlungsführung aufgrund der Vermögenslage der Parteien 209 sowie auf Verzerrungen aufgrund bestimmter, aus der Sicht der betreffenden Akteure absolut gesetzter und einer Quantifizierung nicht zugänglich gemachter Präfe­ renzen.210 Teilweise wird auch eine strukturelle Neigung zur Risikoaversion 206   Vgl. Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 613 (1998), und bereits S. J. Schwab, 72 Cornell L. Rev. 245, 275  ff. (1987). 207   Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 623  ff. (1998). 208   Kritisch daher insgesamt etwa Kelman, 50 Stan. L. Rev. 1577, 1580  ff. (1998); R. A. Posner, 50 Stan. L. Rev. 1551, 1559  ff. (1998); vgl. auch Jones, 95 Nw. U. L. Rev. 1141, 1157  f. (2001); dagegen aber Jolls/Sunstein/Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1593, 1597 (1998); vgl. nochmals auch S. J. Schwab, 72 Cornell L. Rev. 245, 275  ff. (1987). 209   Sog. wealth effects, vgl. Hovenkamp, 20 J. Legal Stud. 225, 238 (1991): Die Zahlungsbe­ reitschaft hinsichtlich des Gebotspreises („willingness-to-pay“) werde bei Akteuren mit ge­ ringer Finanzkraft regelmäßig auch dann gering ausfallen, wenn die Akteure den Wert des gehandelten Gutes an sich hoch ansetzten; umgekehrt sei zu erwarten, daß Akteure in ent­ sprechenden Fällen einen extrem hohen Veräußerungspreis („willingness-to-sell“) verlang­ ten; siehe auch Hoffman/Spitzer, 71 Wash. U. L.Q. 59, 85  f. (1993); kritisch demgegenüber Korobkin, 46 Stan. L. Rev. 663, 680  ff. (1984). 210   Vgl. Baron/Spranca, 70 Org. Behav. & Human Dec. Proc. 1, 5 (1997); speziell zu Ver­ handlungen über umweltbezogene Rechtsgüter (z. B. Verschmutzungsrechte) Boyce u. a., 82

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

angenommen, 211 die mit Furcht vor nachträglicher Reue über Verluste, 212 aber auch mit Angst vor einem Informationsvorsprung der Gegenpartei 213 erklärt worden ist. Vereinzelt werden die Ursachen in entwicklungsbiologisch angeleg­ ten und psychologisch erklärbaren Verhaltensmustern gesucht. 214 Die Diskussi­ on im verhaltenswissenschaftlichen und biologischen Schrifttum ist keineswegs abgeschlossen, so daß die rechtswissenschaftliche Rezeption bislang nicht von gefestigten Grundlagen ausgehen kann.215 Festzuhalten bleibt immerhin, daß derartige Verzerrungseffekte zumindest experimentell auch in Verhandlungen über Beibehaltung oder Abwandlung dis­ positiver Regelungen bei der rechtsgeschäftlichen Gestaltung von Austauschbe­ ziehungen nachgewiesen werden konnten. 216 Wären sie auch im vorliegend un­ tersuchten Referenzgebiet präsent, so wäre damit zugleich eine Erklärung für nachweisliche Persistenzneigungen dispositiver Normen identifiziert. 217 Die Annahme, daß die Wahl zwischen dispositiver opt-out-Lösung und abweichen­ den Gestaltungen allein von Praktikabilitätserwägungen abhängig wäre, ließe sich damit nicht mehr halten. Vielmehr wäre anzunehmen, daß die an der pri­ vatautonomen Gestaltung der Finanzierungsbeziehungen beteiligten Akteure eine vom dispositiven Gesetzesrecht abweichende Lösung nur dann vereinbar­ ten, wenn die damit verbundenen (Effizienz-) Vorteile größer sind als (1) die aggregierten Transaktionskosten der Verhandlungen für beide Parteien, (2) die Kosten der für die Verhandlung offenzulegenden Informationen und (3) die Vorteile, die beide Parteien (aus anderen Gründen) mit der Beibehaltung des Am. Econ. Rev. 1366, 1369  ff. (1992), sowie Irwin, 60 Org. Behav. & Hum. Dec. Proc. 431, 437  ff. (1994). 211   Vgl. z. B. Tversky/Kahneman, 106 Q. J. Econ. 1039, 1041  ff. (1991); siehe auch bereits dies., 47 Econometrica 263  ff. (1979) (Aversion gegen Verlustrisiken als Teil einer allgemeinen Erwartungstheorie (prospect theory)); dazu auch Hoffman/Spitzer, 71 Wash. U. L.Q. 59, 87  ff. (1993); Korobkin/Guthrie, 93 Mich. L. Rev. 107, 129  ff. (1994); dies., 76 Tex. L. Rev. 77, 95  ff. (1997). 212   Sog. regret avoidance theory, vgl. z. B. Knetsch/Sinden, 99 Q. J. Econ. 507, 517 (1984); Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 657  ff. (1998), und insbes. dens., 51 Vand. L. Rev. 1583, 1610  ff. (1998); siehe auch Harrison, 33 UCLA L. Rev. 1309, 1360 (1986); umfassender aktueller Überblick z. B. bei Jones/Brosnan, 49 Wm. & Mary L. Rev. 1935, 1950 bei und in Fn. 50 (2008). 213   Z.B. Fox/Tversky, 110 Q. J. Econ. 585, 587  ff. (1995). 214   Eingehend Jones, 95 Nw. U. L. Rev. 1141, 1161  ff. (2001). In diese Richtung weisen auch jüngste Experimente mit Schimpansen, in denen die Tiere den bisherigen Experimenten ver­ gleichbaren „Verhandlungsproblemen“ ausgesetzt wurden und ebenfalls deutliche Tendenzen eines status quo bias feststellbar waren; dazu eingehend Jones/Brosnan, 49 Wm. & Mary L. Rev. 1935, 1955  ff., insbes. 1963  ff. (2008). Vgl. auch Korobkin, 51 Vand. L. Rev. 1583, 1616  ff. (1998) (psychologische Erklärungsmuster). 215   Überzeugend Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 647  ff. (1998). 216   Siehe nochmals oben bei und in Fn. 202. 217   Grundsätzlich skeptisch bezüglich der Tragfähigkeit der veröffentlichten Laborexperi­ mente für eine Theorie dispositiven Rechts z. B. Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 630  ff. (1998); ders., 51 Vand. L. Rev. 1583, 1587  ff. (1998).

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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status quo assoziieren. Typischerweise wird ein deutliches Überwiegen der Vorteile anderweitiger Gestaltungen erforderlich sein, um die Parteien tatsäch­ lich dazu zu bringen, eine Alternative zur dispositiven Lösung zu wählen. 218 Naturgemäß bezöge sich dies in erster Linie auf solche Normen des dispositiven Rechts, die mangels abweichenden Parteiwillens eingreifen („opt-out“), wäh­ rend dispositive Lösungen, die erst aufgrund einer einvernehmlichen Entschei­ dung der Parteien Geltung erlangen („opt-in“), entsprechenden Verzerrungsef­ fekten nicht ausgesetzt wären. Ob derartige Effekte indes tatsächlich auch bei der rechtlichen Gestaltung von Finanzierungsbeziehungen (und allgemein in gesellschaftsrechtlichem Re­ gelungskontext) auftreten, ist allerdings ungeklärt. Empirisch abgesicherte Er­ kenntnisse liegen bislang nicht vor.219 Zumindest prima facie erscheint diese Annahme auch nicht durchweg plausibel, 220 zumal die hierfür charakteristi­ schen komplexen, regelmäßig professionell begleiteten Verhandlungsprozesse die Auswirkungen irrationaler Präferenzen erheblich verringern dürften. 221 Während endowment effects in anderen Konstellationen durchaus als Erklä­ rung für die Persistenz dispositiver Normen taugen mögen, ist ihr Aussagege­ halt für entsprechende Tendenzen im vorliegend untersuchten Referenzgebiet mithin hochspekulativ.

218   Vgl. Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 666 (1998): “Although it is impossible to predict quantitatively the strength of the contracting parties’ preference for the status quo in any in­ dividual case, the status quo bias at a minimum suggests that parties will not contract around a default contract term when it would only be marginally efficient for them to do so (…) com­ pared with the alternative of accepting the default provision (…). They are, however, likely to contract around the default term when doing so would be overwhelmingly efficient (…).” (Hervorhebung im Original). Vgl. auch ebd. S. 675. 219   Skeptisch insoweit Arlen/Spitzer/Talley, 31 J. Legal Stud. 1  ff. (2002), die für PrinzipalAgenten-Beziehungen zwischen Anteilseignern und Geschäftsleitern von Unternehmen die Bedeutung von endowment effects in Abrede stellen – allerdings auf der Grundlage eines realitätsfernen Experiments mit studentischen Teilnehmern; eher zurückhaltend hinsichtlich der Verallgemeinerungsfähigkeit der Ergebnisse denn auch dies., ebd., S. 32; insgesamt ähn­ lich auch Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 237  ff. 220   So ist beispielsweise nicht anzunehmen, daß die künftigen GmbH-Gesellschafter an der Zweifelsregel des § 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG (Verteilung des Jahresüberschusses nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile) allein deshalb festhalten, weil sie sich aufgrund irrationaler Präferenzen zugunsten der dispositiven Lösung nicht auf eine abweichende, einen oder meh­ rere Gesellschafter begünstigende Lösung verständigen können; tatsächlich wird eine – durch § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG ausdrücklich zugelassene – abweichende Regelung im Gesell­ schaftsvertrag häufig als sachgerecht erscheinen und auch vereinbart werden; vgl. zu Anwen­ dungsfällen z. B. Scholz/Emmerich, GmbHG, § 29 Rn. 78; Ulmer/Habersack/Winter/Müller, GmbHG, § 29 Rn. 94  f. 221   In diese Richtung auch Ben-Shahar/Pottow, 33 Fla. St. U. L. Rev. 651, 653 (2006); vgl. auch Arlen/Spitzer/Talley, 31 J. Legal Stud. 1, 18  ff. (2002). Relativierend insoweit McDonnell, 60 S.M.U. L. Rev. 383, 391  f. (2007), der zwischen Publikums- und unternehmerisch gepräg­ ten Gesellschaften unterscheidet.

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ee)  Gesamtbewertung Gestaltungsoffenheit und Flexibilität sind nach alledem strukturimmanente Merkmale dispositiver Normen; sie stehen zu recht im Mittelpunkt der Analyse der gestaltungsergänzenden und gestaltungserleichternden Funktion dispositi­ ven Rechts. Einerseits gestatten sie die situationsangepaßte privatautonome Ge­ staltung, andererseits bieten sie den Parteien wertvolle Orientierung, auf deren Grundlage diese Gestaltung aufbauen kann. Die darauf gestützte Annahme, wonach Verhandlungen auf der Grundlage dispositiver Vorschriften im Ergeb­ nis regelmäßig zur Durchsetzung sachangemessener, effizienter Lösungen füh­ ren müßten, könnte indes zu relativieren sein: Den – vielleicht nur scheinba­ ren 222 – Effizienzvorteilen als Folge der den Parteien eingeräumten Handlungs­ spielräume steht zumindest die strukturbedingte Rechtsunsicherheit entgegen, die potentiell die Innovationskraft der privatautonomen Gestaltung in Ausnut­ zung der gewährten Spielräume beeinträchtigt. Weitere Verzerrungseffekte könnten sich aus strategischem Parteiverhalten und irrationalen Präferenzen der Parteien für die Beibehaltung des status quo ergeben, die insbesondere in der US-amerikanischen Theorie dispositiver Regeln (default norms) 223 in jünge­ rer Zeit verstärkt diskutiert worden, aber noch keineswegs abschließend er­ forscht sind. Gerade für das untersuchte Referenzgebiet, in dem Rechtsbezie­ hungen regelmäßig unter allseitiger rechtskundiger Beratung gestaltet werden, sprechen indes gute Gründe dafür, die Bedeutung dieser letztgenannten Fakto­ ren als eher gering einzuschätzen. Insgesamt ist die Tragweite möglicher Ver­ zerrungseffekte für die Gestaltung der Finanzierungsbeziehungen in Kapital­ gesellschaften naturgemäß kaum quantifizierbar. Inwieweit sie auch in der deutschen Praxis eine Rolle spielen, ließe sich allenfalls im Rahmen einer um­ fassenden rechtstatsächlichen Erhebung einer repräsentativen Auswahl der maßgeblichen Rechtsgrundlagen (Satzungen bzw. Gesellschaftsverträge; Ver­ träge über die Gewährung von Fremdkapital) ermitteln, wie sie in den USA zu Teilaspekten vorgenommen worden ist. 224 Die dort gewonnenen Erkenntnisse, 222   Als ambivalent erweisen kann sich in bestimmten Konstellationen insbesondere der mit Gestaltungsfreiheit einhergehende Verlust an Standardisierung; vgl. noch unten sub c) bb) (S. 117  ff.) sowie zum Standardisierungsbedarf als Legitimation für zwingende Eingriffe noch näher unten sub III. 3. (S. 156  ff.). 223   Terminologisch ist der Begriff der default norm allerdings nicht deckungsgleich mit dem hiesigen Verständnis dispositiven Gesetzesrechts: Als default norms werden vielmehr typischerweise auch solche von den Parteien nicht vereinbarten Regelungen verstanden, um die ein Richter im Falle eines Rechtsstreits nachträglich den Parteiwillen ergänzt – mithin auch Regelungen, die im deutschen dogmatischen Verständnis im Wege der ergänzenden Ver­ tragsauslegung gewonnen werden (charakteristisch z. B. Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87  ff. (1989)). Für die nachfolgenden Ausführungen ist dies weitgehend irrelevant, weshalb hier bei­ de Kategorien synonym verwendet werden, soweit nicht im konkreten Zusammenhang eine Klarstellung geboten erscheint. 224   Vgl. insbesondere Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713 (1997).

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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die insgesamt eine deutlich größere Persistenz des dispositiven Gesellschafts­ rechts indizieren, als eigentlich zu erwarten wäre, 225 sind schon mit Blick auf die anders gelagerten rechtskulturellen und ökonomischen Parameter nicht verall­ gemeinerungsfähig, doch wecken sie immerhin Zweifel an einer einseitig die Flexibilität dispositiver Regulierungsinstrumente betonenden Sichtweise. c)  Wirkungen in historischer Dimension Die bislang nur vage umrissenen und begründeten Einschränkungen der These von der Flexibilität dispositiven Rechts und die oben diskutierten Erklärungen für mögliche Persistenzneigungen dispositiver Normen gewinnen erheblich an Konturen, wenn diejenigen Wirkungsmechanismen berücksichtigt werden, die sich über längere Zeiträume hinweg in einer Vielzahl von Fällen realisieren. Erst in der historischen Perspektive entfaltet zugleich die „Informationsfunktion“ ihre volle Bedeutung: Die Aussage dispositiven Rechts beschränkt sich nicht allein darauf, welche Gestaltungen de lege lata zulässigerweise vereinbart wer­ den können. Wenn und soweit dispositives Recht – wie regelmäßig – auf histo­ rischen Erfahrungen mit konkreten Gestaltungen aufbaut, enthält es vielmehr zugleich Aussagen über die Praktikabilität dieser Gestaltungen (zumindest im historischen Kontext). 226 Diese – rechtspolitisch wie praktisch bedeutsame – Er­ kenntnis ist keineswegs neu, sondern zumal in der deutschsprachigen zivilisti­ schen Dogmatik in Grundzügen schon früh entwickelt worden (unten aa)). Ins­ besondere in der jüngeren US-amerikanischen Literatur sind mit den Lern- und Netzwerkeffekten bei der kollektiven Rezeption und Weiterentwicklung dispo­ sitiver Normen wesentliche Faktoren aufbereitet worden, die die Persistenz der im dispositiven Recht formulierten Lösungen plausibel erklären könnten (un­ ten bb)). Aus ihnen lassen sich zugleich wertvolle Aufschlüsse für die Tendenz   Siehe bereits oben vor aa) (S. 100) bei und in Fn. 168.   Vgl. bereits oben sub 3. a) bb) (S. 96  f.) bei und in Fn. 155. In der heutigen Zivilistik wird dies tendenziell zu wenig hervorgehoben; vgl. demgegenüber aber noch bspw. Danz, JherJB 54 (1908), 1, 23; Titze, Die Lehre vom Mißverständnis, 1910, S. 462  ff., die gerade die Bedeu­ tung dispositiven Rechts als „Niederschlag aus dem stereotypen Inhalt einer unendlichen Masse von gleichartigen Rechtsgeschäften, deren Inhalt aus den Gewohnheiten entnommen ist“ (Danz), bzw. als „kodifizierte Verkehrssitte“ (Titze) betonen; vgl. den Hinweis bei von Tuhr, Der Allgemeine Teil, Bd. 1, S. 26 Fn. 104, dispositives Recht entstehe „historisch (…) sehr oft aus Parteiverabredungen, die für ein Rechtsverhältnis typisch sind“. Sehr knapp dem­ gegenüber Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 20 I 1, S. 332  f.: Information „über in der Praxis bewährte Organisationsmodelle“ als eine Hauptaufgabe nachgiebigen Rechts (auch) im Gesellschaftsrecht; rechtsökonomisch begründet allgemein Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 157  f.; Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 181; im vorliegenden Kontext ders., ZHR 168 (2004), 673, 692. Skeptische Einschätzung insoweit bei Kähler, Macht und Vielfalt, 2. Kap. sub A. 1. b), der auf die geringe Aussagekraft der gängigen Gestaltungspraxis für die Bewertung der Eignung oder Nichteignung als dispositive Lösung hinweist, siehe auch ebd., 2. Kap. sub B. 1. c). Siehe nunmehr aber auch Möslein, Dispositives Recht, 3. Teil, §  9, sub I. 1. 225 226

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zur pfadabhängigen Entwicklung gesellschaftsrechtlicher Regelungen gewin­ nen (unten cc)). aa)  Erste Ansätze zur Theorie historischer Wirkungszusammenhänge dispositiven Rechts Für das allgemeine Zivilrecht hat bereits Eugen Ehrlich darauf aufmerksam ge­ macht, daß zahlreiche dispositive Normen weniger auf die freie Schöpfung des Gesetzgebers als vielmehr auf einen von diesem vorgefundenen Bestand an eta­ blierten Lösungsmustern zurückführbar sind. In der von ihm entwickelten Sy­ stematik bilden diejenigen Normen, die „mittelbar oder unmittelbar dem Ver­ kehrsgebrauch (der Usance) entnommen“ sind, eine selbständige Kategorie. 227 Ob diese Definition tatsächlich eindeutige Zuordnungen ermöglicht, ist im vor­ liegend gesetzten Rahmen nicht und auch allgemein zwar nur schwer festzustel­ len. Insbesondere im Verhältnis zu Normen mit gestaltungsergänzender Funk­ tion sind zahlreiche Grenzfälle denkbar, die daran eher zweifeln lassen. 228 Un­ abhängig hiervon weist die Einbeziehung der Genese dispositiver Normen in die funktionale Analyse indes auf zentrale Aspekte für das Verständnis dieser Regulierungsinstrumente hin. Auch allgemein ist der Erkenntniswert der hi­ storischen Evolutionsprozesse von Rechtssätzen für deren funktionale Analyse gerade von Ehrlich als Wegbereiter der modernen Rechtssoziologie besonders betont worden. 229 Zugleich ist damit die Bedeutung der historischen Gestal­ tungspraxis für die Entstehung dispositiven Rechts identifiziert: Wenn und so­ weit sich für ein bestimmtes Sachproblem eine Lösung nachweisen läßt, die sich zuvor schon in der Praxis als üblich und brauchbar durchgesetzt hat, muß der Gesetzgeber nurmehr erwägen, ob die praktisch etablierten Gestaltungsmuster im Zuge der Kodifikation im Interesse bestimmter Schutzgüter oder im Interes­ se systematischer Stimmigkeit umgestaltet werden sollten. Ist dies nicht der Fall, kann er sich darauf verlassen, daß die etablierte Gestaltung zumindest dem (hypothetischen) Willen der Mehrzahl der betroffenen Akteure entspricht. 230   Vgl. Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, S. 58.   Ehrlich selbst betont – eher vage – einerseits die „eigentümliche Mittelstellung zwi­ schen Auslegungs- und ergänzenden Rechtsnormen“, hebt andererseits aber auch – in dieser Schärfe überspitzt und angreifbar – hervor, daß von einer Orientierung am hypothetischen Parteiwillen im Fall der Kodifikation einer Verkehrssitte nicht die Rede sein könne; vgl. Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, S. 58  ff. 229   Programmatisch Ehrlich, Grundlegung, S. 331  ff. („Die Wandlungen des Rechts in Staat und Gesellschaft“), 398  ff. („Rechtsgeschichte und Jurisprudenz“). 230   Was häufig der Fall sein dürfte; vgl. insoweit überzeugend und verallgemeinerungsfähig Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, S. 60: „Das BGB hat sich jedoch in der Regel nicht damit begnügt, die Verkehrssitte zu kodifizieren; es macht darüber hinaus den Versuch, sie zu redigieren, sie bestimmter zu fassen, mit den sonstigen Rechtsvorschriften in Einklang zu bringen, Lücken, die sie enthält, auszufüllen, aus Zweckmäßigkeitsgründen ein­ zelne Anordnungen zu ändern.“ Auch deshalb eher widersprüchlich daher die oben Fn. 228 227

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Die Tragkraft dieser These wird allerdings relativiert, wenn sich über längere Zeiträume hinweg Lösungen nicht deshalb durchsetzen, weil die jeweiligen Ak­ teure sie zumindest mehrheitlich als sachgerecht anerkennen, sondern weil sich bereits Verzerrungseffekte bemerkbar gemacht haben.231 bb) Netzwerk- und Lerneffekte als Begründungsansatz Die vorstehend diskutierten Erwägungen erklären allerdings noch nicht, wes­ halb möglicherweise gerade die historische Evolution ihrerseits Persistenzef­ fekte auslösen könnte, die trotz der dem dispositiven Recht wesensimmanenten Offenheit und Flexibilität zu einer geringen Varianz der empirisch beobachtba­ ren Gestaltung führen. Auch wenn dispositives Gesetzesrecht auf historisch etablierten Gestaltungsmustern beruht, wird sein Wert angesichts der komple­ xen Interessenvielfalt in jedem Einzelfall vielleicht doch eher in einer Leitbildund Referenzfunktion liegen, als daß die vollständige Übernahme dieser Lö­ sung tatsächlich stets sachgerecht erschiene. Selbst wenn sich die im dispositiven Recht formulierte Lösung historisch in vielen Fällen bewährt haben sollte, wäre mithin zu erwarten, daß die Gestaltungspraxis in deutlich größerem Ausmaß zu Abweichungen von der gesetzlich präformierten Lösung gelangen müßte, als sich dies zumindest in der US-amerikanischen Praxis der Publikumskapitalge­ sellschaften nachweisen läßt.232 Dies gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, daß die Aussagekraft einer historisch etablierten Praxis für die Gegenwart nicht selten durch jüngere Entwicklungen, etwa Innovationen im Bereich der Unter­ nehmensfinanzierung, abgenommen haben dürfte; auch mit Blick darauf wäre an sich eine ungleich größere Varianz der empirisch beobachtbaren Gestal­ tungsmuster zu erwarten. Eine plausible Erklärung für die gleichwohl zu beobachtenden Persistenznei­ gungen ist in jüngerer Zeit durch – wiederum verhaltenswissenschaftlich infor­ mierte – Arbeiten im US-amerikanischen Schrifttum und hier insbesondere in mehreren Untersuchungen von Michael Klausner und Marcel Kahan entwickelt worden. Ausgehend von dem Befund überraschend starker Homogenität von Vertragsgestaltungen in einigen gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Problemkreisen in der US-amerikanischen Praxis der corporation, 233 haben sie sich um eine umfassende Theorie der Persistenz einmal etablierter Gestaltungs­ wiedergegebene These Ehrlichs. Vgl. nochmals aber auch die jüngst von Kähler hiergegen formulierten Bedenken (oben Fn. 226). 231   Vgl. Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 669 (1998). 232   Siehe zu diesem Befund nochmals oben sub b) (S. 100) bei und in Fn. 168  f. 233   Vgl. zunächst Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 818  ff. (1995): Anleihebedingungen zum Schutz gegen feindliche Übernahme des Emittenten, sodann ebd., S. 821  f.: Standardsatzun­ gen von Start-up-Unternehmen, sowie ebd., S. 822: Verwendung wenig ausdifferenzierter Musterverträge von Gesellschaften in den USA (ohne detaillierte empirische Aufbereitung). Siehe entsprechend in jüngerer Zeit auch dens., 31 J. Corp. L. 779, 784  ff. (2006) (in Auseinan­ dersetzung mit der contractarian school).

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muster bemüht, die insbesondere auf der Analyse von Lern- und Netzwerkef­ fekten (deutsch auch: „Netzeffekte“) infolge der Rezeption dispositiver Regeln durch eine Vielzahl von Akteuren über längere Zeiträume hinweg aufbaut. 234 Der Grund für Tendenzen zur Wahl standardisierter Gestaltungen wird da­ nach in Effizienzvorteilen gesehen, die der multiplen Anwendung standardi­ sierter Lösungen immanent sind: Mit zunehmender Zahl der Anwendung gleichgearteter Lösungen wächst der Kreis der Erfahrungen mit der Handha­ bung dieser Lösungen im praktischen „Ernstfall“. Vorhandene Rechtsprechung, aber auch verfügbares Fachwissen (etwa in Gestalt von anwaltlicher Expertise oder von Recherchemitteln in der auf praktische Bedürfnisse zugeschnittenen Fachliteratur) steigern die Rechtssicherheit und senken damit zugleich die mit der Verhandlungsvorbereitung und Verhandlungsführung verbundenen Trans­ aktionskosten.235 Diese Vorteile kommen nicht nur dem betreffenden Unter­ nehmen selbst, sondern auch dem Finanzierungsgeber zugute. Im Falle bör­ sennotierter Finanzierungstitel ist dies besonders deutlich: Mit zunehmender Standardisierung steigen die Marktgängigkeit und damit die Attraktivität des jeweiligen Instruments für potentielle Investoren, 236 aber auch bei nicht an or­ ganisierten Märkten gehandelten Instrumenten, z. B. Kreditverträgen, wird die Orientierung an bewährten, ggf. auch bereits durch die Judikatur geprüften Vertragsmustern mit unmittelbaren und mittelbaren Kostenvorteilen verbun­ den sein. Mit Klausner können vier Aspekte derartiger Netzwerkeffekte unterschieden werden, welche in der Praxis die Orientierung an vorgefundenen Gestaltungs­ mustern und mithin Persistenzeffekte dispositiver Regelungen begünstigten. Danach profitieren die Parteien erstens von größerer Auslegungssicherheit (in­ 234   Klausner, 81 Va. L. Rev. 757  ff. (1995); ders., 31 J. Corp. L. 779, 786  ff., 791  ff. (2006), so­ wie Kahan/Klausner, 74 Wash. U. L.Q. 347  ff. (1996); dies., 83 Va. L. Rev. 713  ff. (1997) und dazu sogleich im Text; siehe auch Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1730  ff. (1989); eher zurück­ haltend Hansmann, 8 Am. L. & Econ. Rev. 1, 6 (2006). Allgemein zur ökonomischen Theorie der Netzwerkeffekte etwa Lemley/McGowan, 86 Cal. L. Rev. 479, 482  ff., insbes. 488  ff. (1998), und bereits Katz/Shapiro, 75 Am. Econ. Rev. 424  ff. (1985), jeweils m. w. N. Vgl. auch North, Institutions, Institutional Change, and Economic Performance, S. 7  f. (Bedeutung von Netzwerkeffekten für die Entstehung von Institutionen); van Aaken, Rational Choice, S. 85 (Lerneffekte als Korrektiv zu systematischen Wahrnehmungsdefiziten). 235   Vgl. Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 774 (1998); Kahan/Klausner, 74 Wash. U. L.Q. 347, 351  ff. (1996); dies., Va. L. Rev. 713, 718  ff., 725  ff. (1997). Vgl. allgemein zu den Vorteilen stan­ dardisierter gegenüber individuell gestalteter Lösungen auch schon Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1549, 1567  ff., 1592 (1989); siehe auch Riles, in: Jansen/Michaels (Hrsg.), Beyond the State: Rethinking Private Law, S. 183, 201  ff. (zum Vergleich zwischen privater Standardisierung und hoheitlicher Regelsetzung). 236   Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 774 (1998); vgl. auch Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 726 (1997); allgemein zur Bedeutung standardisierter Produkte bei marktgängigen Rechtspo­ sitionen Goetz/Scott, 73 Cal. L. Rev. 261, 286  ff. (1985); Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1549, 1569  ff. (1989); Greely, 42 Vand. L. Rev. 133  ff., insbes. 152  ff. (1989); Lemley/McGowan, 86 Cal. L. Rev. 479, 491  ff. (1998).

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terpretative network externalities):237 Je stärker standardisierte Kategorien ver­ wendet würden, desto eher könne für die Auslegung auch unbestimmt formu­ lierter Klauseln auf anerkannte, konkrete Auslegungsgrundsätze zurückgegrif­ fen werden, deren Existenz bereits ex ante das Risiko künftiger Dispute über die rechtliche Bedeutung der vertraglichen Vereinbarungen reduziert. Naturge­ mäß ist diese Hypothese stark von den Eigenheiten einer Common-LawRechtsordnung und insbesondere von der Bedeutung der Präzedenzlehre für die Rechtspraxis geprägt. 238 Ähnliche Effekte werden jedoch auch in Rechtsord­ nungen auftreten, in denen Richterrecht einen geringeren Stellenwert hat. Auch hier bewähren sich innovative Gestaltungsmuster letztlich erst mit einer Über­ prüfung durch die obergerichtliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung; zudem wächst die Rechtssicherheit standardisierter Gestaltungen auch in dem Maße, wie diese etwa zum Gegenstand von Stellungnahmen in der Fachlitera­ tur gemacht werden. 239 Zweitens erleichtere die Verwendung einheitlicher Gestaltungsmuster die Herausbildung vergleichbarer Umsetzungspraktiken durch die betreffenden Akteure, was wiederum den aggregierten Erfahrungsschatz im Umgang damit und damit die Verläßlichkeit der Gestaltungen erhöhe (common practice net­ work externalities). Auch hier spielt die Aufbereitung in entsprechender Fachli­ teratur als Medium für die Verbreitung über das einzelne Unternehmen hinaus evidentermaßen eine gewichtige Rolle. Soweit sich auf diese Weise eine be­ stimmte Gestaltung als verkehrsüblich etabliert, kann sich dies auch insofern als vorteilhaft erweisen, als diese dann wiederum in Rechtsstreitigkeiten auch für die Interpretation offen formulierter Verhaltensstandards herangezogen werden kann. 240 237   Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 775  ff. (1998); Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 725  ff. (1997); vgl. im Anschluß daran – teilweise kritisch, aber insgesamt eher spekulativ – insoweit auch Lemley/McGowan, 86 Cal. L. Rev. 479, 565  ff. (1998) sowie – speziell zur Bedeutung von Präzedenzfällen – ebd., S. 571  ff. 238   Anschaulich Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 777  f. (1995) bei und in Fn. 65  ff.; vgl. (bezogen auf Lerneffekte) auch Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 722 (1997). 239   Vgl. zur Bedeutung der fachliterarischen Aufbereitung einschlägiger Rechtsfragen in­ soweit auch bereits Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 784 (1995). 240   Vgl. Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 780 (1995): “(…) the accumulation of business prac­ tices implementing the term reduces uncertainty, just as the accumulation of precedent does. By referring to the contemporaneous practices of other firms, a firm can learn more about the term’s future interpretation. Based on this additional knowledge, the firm can avoid litigation or, when faced with a lawsuit, assess its merits with greater certainty and litigate or settle it more efficiently. The more firms that operate under a given contract term, the larger, and pos­ sibly more varied, the base of common practices will be. (…) The prospect of a common prac­ tice that develop in the future to implement a contract term is thus a network benefit. Such a benefit can be expected to arise only if a term is commonly used. The more commonly firms use a particular term, the more reliable, and hence more valuable, common practices imple­ menting the term can be expected to be. Idiosyncratic practices will carry little weight and consistent variations in practices may emerge to reflect underlying heterogeneity among firms

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

Die Neigung der Praxis zur Übernahme standardisierter Gestaltungsmuster bei allenfalls geringer Variation werde sodann, drittens, weiter unterstützt durch die damit verbundenen Vorteile bei der begleitenden Inanspruchnahme von Beratungsdienstleistungen: Je umfassender die Erfahrungen mit der prakti­ schen Handhabung standardisierter Gestaltungsmuster auch auf Seiten der in die Vertragsverhandlungen involvierten Rechtsberater seien, desto zuverlässi­ ger sei deren Rat; zugleich sei damit häufig eine Senkung der Beratungshonora­ re verbunden, weil auch für diese der Gestaltungsaufwand mit zunehmender Standardisierung sinke.241 Diese Effekte seien um so eher zu erwarten, je kom­ plexer das jeweils vorgefundene Gestaltungsmuster – etwa infolge einer tatbe­ standlich offenen Gestaltung – im Einzelfall sei:242 Könne ein Sachproblem ohne wesentlichen Aufwand durch eine präzise auf die Bedürfnisse des Einzel­ falls abgestimmte Lösung geregelt werden, seien entsprechende Verzerrungen – anders als bei Problemen, die eine komplexere Lösung verlangten 243 – kaum zu befürchten. Mit zunehmender Abhängigkeit von professionellen (Rechts-) Be­ ratern nehme indes zugleich das Risiko zu, daß die jeweils entwickelten Lösun­ gen eher von Netzwerk- und Lerneffekten auf Seiten der Berater als von den tatsächlichen Bedürfnissen der Mandanten beeinflußt würden: Während die bei den Beratern selbst akkumulierten Kenntnisse deren eigenen Aufwand mini­ mierten, seien die Mandanten mangels eigener Sachkenntnis kaum in der Lage, den dadurch ausgelösten Verfestigungstendenzen entgegenzuwirken. 244 Auch diese Hypothesen sind ebenso außerhalb des anglo-amerikanischen rechtskul­ turellen Umfelds plausibel. Beispiele für ihre Tragfähigkeit für die deutsche Ge­ staltungspraxis bieten in jüngerer Zeit gerade die Bemühungen um eine Kon­ and business environments. Like judicial precedents, common practices are a source of net­ work benefits that are likely to continue accumulating even after a large number of firms have adopted a particular contract term.” (Fußnote weggelassen). Inhaltlich ähnlich auch Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1730  ff. (1989). 241   Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 782 (1995); entsprechend Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 720  f. (1997) („drafting efficiency“). 242   Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 784 (1995): “To the extent that a client seeks advice regard­ ing the meaning of a contract term, network externalities in legal services are likely to be greatest for open-ended terms, those that refer to common practice, and lengthy, complex terms.” Entsprechend (für Lerneffekte, aber übertragbar) auch Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 724 (1997). 243   Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 827 (1995). 244   Kahan/Klausner, 74 Wash. U. L.Q. 347, 353  ff. (1996); eingehend dies., 83 Va. L. Rev. 713, 736  ff. (1997); wiederum skeptisch insoweit, allerdings nur vage begründet Lemley/ McGowan, 86 Cal. Rev. 479, 577  f. (1998) unter Hinweis auf den Wettbewerb zwischen den Anbietern von Beratungsdienstleistungen, der derartigen Erstarrungstendenzen entgegen­ wirke. Daran trifft zwar sicher zu, daß der Wettbewerb in der Gestaltungspraxis in der Tat innovative Gestaltungen durchaus befördern dürfte; dies ändert indes nichts daran, daß die­ jenigen Fälle professionell gestalteter vertraglicher Lösungen, in denen es nicht zur innovati­ ven Gestaltung kommt, durchaus plausibel mit den vorstehend skizzierten Effekten erklärt werden können.

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kretisierung der allgemeinen aktienrechtlichen Geschäftsleiterpflichten im Hinblick auf Compliance-Funktionen 245 sowie die bereits seit längerem disku­ tierten Vorstandspflichten im Zusammenhang mit den durch § 91 Abs. 2 AktG nur vage formulierten Anforderungen an die interne Risikoüberwachung. 246 In beiden Fällen sind Tendenzen zur Herausbildung einheitlicher Gestaltungsmu­ ster nicht zuletzt auf Initiative der Anbieter von Rechtsberatungsdienstleistun­ gen unverkennbar; beide Bereiche sind zwischenzeitlich fast zu eigenständigen Geschäftsfeldern der Beratungsbranche avanciert. Gerade der letztgenannte Problemkreis belegt zudem, daß die geschilderten Effekte keineswegs auf die rechtliche Beratung beschränkt sind, sondern ebenso für andere Beratungs­ dienstleistungen, wie etwa die durch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ange­ botenen, gelten: Die Vereinheitlichung der verkehrsüblichen Gestaltungsmuster ist hier – auch aufgrund der Einbindung der Abschlußprüfer in die Durchset­ zung der gesetzlichen Pflicht aus § 91 Abs. 2 AktG247 – maßgeblich durch stan­ desintern entwickelte Prüfungsstandards vorangetrieben worden. 248 Beide Bei­ spiele belegen zugleich anschaulich pars pro toto allgemeine Konvergenzent­ wicklungen zwischen der anglo-amerikanischen und der deutschen Ver­trags­ praxis, die sich ungeachtet unterschiedlicher Vorgaben des positiven Rechts zwischenzeitlich auch in der Ausgestaltung des organisationsverfassungsrecht­ lichen Pflichtenprogramms bemerkbar machen und wohl nicht zuletzt auf die zunehmende internationale Integration der Anbieter von Beratungsdienstlei­ stungen zurückführbar sein dürften.249

245   Vgl. stellvertretend Bachmann, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, S. 66, 67  ff.; Fleischer, in: ders. (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 42 und § 8 Rn. 43; dens., AG 2003, 291, 299; Kort, NZG 2008, 81  ff.; U. H. Schneider, ZGR 1996, 225, 230; dens., ZIP 2003, 645, 648; dens., ZIP 2007, 2ß61  ff.; dens./S. H. Schneider, ZIP 2007, 2061  ff.; Münch­ Komm/Spindler, AktG, § 91 Rn. 36; Weber-Rey, AG 2008, 345, 348  ff.; speziell zu Comp­ liance-Beauftragten bei Wertpapierdienstleistern auch Casper, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 199, 205  ff.; dazu auch Veil, WM 2008, 1093  ff. 246   Vgl. stellvertretend MünchKomm/Spindler, AktG, § 91 Rn. 25; Pahlke, NJW 2002, 1680, 1683  f.; S.H. Schneider, Informationspflichten und Informationssystemeinrichtungs­ pflichten, S. 261  ff.; Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 19 Rn. 13  ff.; zusf. Binder, ZGR 2007, 745, 748  ff. 247   Vgl. im einzelnen §§ 317 Abs. 4 und 321 Abs. 4 HGB (Risikoüberwachung der Unter­ nehmen als Gegenstand der Abschlußprüfung in börsennotierten Aktiengesellschaften). 248   Vgl. IDW, Prüfungsstandard: Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach § 317 Abs. 4 HGB (IDW PS 340), abgedruckt in Wpg. 1999, 658  ff.; IDW, Prüfungsstandard: Die interne Kontrolle im Rahmen der Abschlußprüfung (IDW PS 260), abgedruckt in Wpg. 2001, 821  ff., und dazu stellvertretend Binder, ZGR 2007, 745, 749  f.; siehe zur Neufassung durch das BilMoG auch Wohlmannstetter, ZGR 2010, 472  ff. 249   Vgl. allgemein zur Konvergenz der Vertragsgestaltung aufgrund verstärkter transatlan­ tischer Konsolidierung marktüblicher Gestaltungspraxis sowie des Rechtsberatungsmarktes auch Merkt, ZHR 171 (2007), 490, 500  ff. Siehe zur Rezeption anglo-amerikanischer Gestal­ tungsmuster auf dem Gebiet konkreter Organisationspflichten auch noch näher unten, 3. Teil, 2. Kap., sub A. III. 2. (S. 538  ff.).

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

Markteinheitliche Gestaltungen sind in der Klausner’schen Systematik schließlich – viertens – aufgrund der damit verbundenen Rechtssicherheit be­ sonders geeignet, die Attraktivität standardisierter Rechtspositionen gegenüber potentiellen Investoren oder sonstigen interessierten Parteien zu erhöhen. Ein hoher Standardisierungsgrad eigne sich mithin als eine Art „Marketinginstru­ ment“ (marketing network externalities), während schon die Tatsache, daß eine bestimmte Regelung wenig bekannt sei, selbst dann abschrecke, wenn sie mate­ riell-rechtlich kaum Schwierigkeiten aufweise. 250 Daß auch diese These Stan­ dardisierungstendenzen wiederum gleichermaßen außerhalb der anglo-ameri­ kanischen Gestaltungspraxis251 plausibel erklären kann, indiziert beispielsweise die Tatsache, daß der Deutsche Corporate Governance Kodex als Instrument zur Vereinheitlichung von Corporate-Governance-Strukturen in Deutschland auch mit dem Ziel geschaffen wurde, die deutschen gesetzlichen Vorgaben und darüber hinausgehende einheitliche Praktiken gegenüber dem internationalen Kapitalmarkt transparenter kommunizieren zu können. 252 Insbesondere bei marktgängigen Rechtspositionen, mithin vor allem bei börsennotierten Finan­ zierungstiteln dürften derartige Netzwerkeffekte somit eine Rolle spielen, we­ niger dagegen in der personalistischen Kapitalgesellschaft und der hier von vornherein stärker an der Interessenlage des jeweiligen Einzelfalls orientierten Gestaltung der jeweiligen Finanzierungsbeziehungen. 253 Wirken diese Mechanismen über längere Zeiträume hinweg, so läßt sich das damit umrissene Modell noch um Lerneffekte ergänzen, die neben die Netz­ werkeffekte treten und sie auch im Hinblick auf die damit verbundenen Verfe­ stigungstendenzen standardisierter Gestaltungsmuster verstärken. Lerneffekte   Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 785  f. (1995); vgl. auch Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 726  f. (1997); in eine ähnliche Richtung Greely, 42 Vand. L. Rev. 133, 135  ff. (1989), der die Bedeutung standardisierter Vertragsklauseln für Dritte erörtert, die als Investoren in eine bestehende Vertragsbeziehung eintreten und dabei – ebd., S. 152  ff. – auch den Wert standar­ disierter Finanzierungstitel im Hinblick auf Verläßlichkeit und Transparenz der jeweiligen Konditionen als Voraussetzung für den marktförmigen Handel in diesen Positionen erörtert. Wiederum eher skeptisch insoweit dagegen Lemley/McGowan, 86 Cal. L. Rev. 479, 580  ff. (1998). 251   Vgl. zu dieser auch Rose, 32 J. Corp. L. 887, 916  ff. (2007): Wechselwirkungen zwischen Standardisierungstendenzen zur Steigerung der Attraktivität marktgehandelter Finanzie­ rungstitel für institutionelle Investoren einerseits und den durch diese Investoren veranlaßten Standardisierungstendenzen andererseits. 252   Vgl. nur die Begründung zu § 161 im RegE TransPuG, BT-Drs. 14/8769, S. 21, l. Sp.; vgl. auch Riesenhuber/Möslein, in: Riesenhuber (Hrsg.), Perspektiven des Europäischen Schuld­ vertragsrechts, 2008, S. 1, 8  f. Zur rechtlichen Qualifikation des Kodex und zu weiteren Ein­ zelheiten noch näher unten, 2. Kap., sub A. I. 1. c) (S. 259  f.). 253   Insofern wird die Hypothese von der Bedeutung von Netzwerkeffekten als Erklärung für Persistenzneigungen rechtlicher Gestaltungen im Kapitalgesellschaftsrecht keineswegs dadurch widerlegt, daß derartige Effekte bei personalistischen Rechtsformen wie der Limited Liability Company (LLC) und der Limited Liability Partnership (LLP) ausweislich entspre­ chender empirischer Untersuchungen kaum feststellbar sind; vgl. dazu nochmals Ribstein/ Kobayashi, 43 Wm. & Mary L. Rev. 79, 116  ff., 120  ff. (2001). 250

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können indes auch isoliert in einer bestimmten Organisation, also unabhängig vom Gebrauch in einer Vielzahl von Unternehmen, auftreten. In beiden Fällen handelt es sich um die Akkumulation von Erfahrungswissen über die Wirkun­ gen der jeweiligen Gestaltung, das im Umgang hiermit gewonnen, dokumen­ tiert und planmäßig oder eher intuitiv weiterentwickelt wird. 254 Diese Mecha­ nismen sind den oben skizzierten Netzwerkeffekten durchaus ähnlich; der Un­ terschied liegt vor allem in der zeitlichen Dimension: Netzwerkeffekte bilden sich idealtypisch durch Parallelentwicklungen in der Gestaltungspraxis in einer Vielzahl von Sachverhalten in der Gegenwart, Lerneffekte dagegen durch die Rezeption von Erfahrungen aus der Vergangenheit.255 Wenn Lerneffekte in die Analyse einbezogen werden, stellt sich die Evolution einheitlicher Standards damit als kontinuierlicher Optimierungsprozeß dar, in dem bewährte Gestal­ tungen tradiert und defizitäre Gestaltungen entweder verbessert oder gänzlich verdrängt werden. Auch diese Hypothese ist schon auf den ersten Blick nicht nur für den spezifischen institutionellen Zusammenhang einer Common-LawRechtsordnung, sondern unabhängig von der rechtskulturellen Einbettung plausibel, was für das deutsche Recht schon mit Blick auf den Stellenwert der Kommentarliteratur als Medium derartiger Lerneffekte kaum der weiteren Be­ gründung bedarf. Insgesamt sind damit Wirkungsmechanismen identifiziert, die den Wert eta­ blierter Gestaltungsmuster für die Gestaltungspraxis erhöhen, und zwar im Prinzip unabhängig von der Tauglichkeit und Problemadäquanz der jeweiligen Gestaltung im Einzelfall. Weil und soweit eine Gestaltung sich im Laufe einer längerfristigen Übung durch verbreiteten Gebrauch, wissenschaftliche Aufbe­ reitung und eventuell gerichtliche Prüfung bewährt hat und der Rechtsverkehr die Konsequenzen der Anwendung daher mit einiger Sicherheit einschätzen kann, steigen die Anreize, die Gestaltung selbst dann zu wählen, wenn sie nicht optimal auf die Bedürfnisse des jeweiligen Einzelfalls abgestimmt ist. Derart etablierte Gestaltungsmuster sind treffend mit Industrienormen verglichen worden, deren Wert schon in der Standardisierung als solcher liegt.256 Dies be­ 254   Eingehend Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 786  ff. (1995); Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 719  ff. (1997); vgl. auch Goetz/Scott, 73 Cal. L. Rev. 261, 288  f. (1985). 255   Kahan/Klausner, 74 Wash. U. L.Q. 347, 350 (1996); dies., 83 Va. L. Rev. 713, 725 (1997). Eine präzise Abgrenzung wird freilich schon wegen der vergleichbaren Einflußfaktoren oft schwer fallen; wohl eher zweifelhaft daher die These, Netzwerkeffekte seien eher in der Ge­ staltung von Langzeitverträgen, Lerneffekte dagegen bei jeder Art von Vertragsklauseln zu erwarten (so aber Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 727 (1997)); wie hier wohl auch Lemley/McGowan, 86 Cal. L. Rev. 479, 569 (1998). 256   Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 764 (1995), vgl. pointiert auch ebd., S. 837: “(…) corporate law is unlikely to be innocuous. (…) To the extent that corporate law provides default rules and allows firms to customize their own contracts, the law is analogous to voluntary stand­ ards in various fields of engineering, certain areas of telecommunicatios, and many other ar­ eas.“ Ähnlich für standardisierte Regelwerke auch bereits Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1541, 1569  ff. (1989); Greely, 42 Vand. L. Rev. 133, 135  f. (1989).

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deutet indes zugleich, daß der bloße Umstand der Verbreitung einer bestimm­ ten Gestaltung die Gefahr begründet, daß sich eben diese – teilweise und zu­ nächst – unabhängig von ihrer tatsächlichen Bewährung durchsetzt. Trifft diese Folgerung zu, so sind die unbestreitbaren (Effizienz-) Vorteile von Netzwerkund Lerneffekten mit ambivalenten Wirkungen und mit dem Risiko subopti­ maler Ergebnisse verknüpft: Das Ergebnis historischer Ausleseprozesse ist da­ mit jedenfalls partiell zufallsbestimmt. Welche Gestaltung sich letztlich durch­ setzt, wird nicht selten eher davon abhängen, welche sich in einem bestimmten Zusammenhang zeitlich als erste etabliert und damit praktisch einen Wettbe­ werbsvorteil erworben hat. 257 Selbst wenn sich eine Gestaltung etabliert hat, die anfangs den Bedürfnissen einer Vielzahl gleicher Sachverhalte entspricht, kann sich deren Eignung nachträglich verringern, wenn sich das zu lösende Sachpro­ blem wandelt; auch in derartigen Fällen kann die Verfestigung einer letztlich suboptimalen Lösung die Folge sein. 258 Im Ergebnis wird so zugleich die Ent­ wicklung innovativer und möglicherweise praktikablerer Gestaltungsmuster tendenziell behindert werden, denn damit sich neuere Alternativen ihrerseits durchsetzen, müssen die mit ihnen verbundenen (Effizienz-) Vorteile die mit Netzwerk- und Lerneffekten verbundenen Vorteile höherer Sicherheit und Ver­ läßlichkeit in der Einschätzung der jeweiligen Akteure überwiegen. 259 Die tatsächliche Bedeutung von Netzwerk- und Lerneffekten ließe sich zwar allenfalls auf der Grundlage einer umfassenden, empirisch abgesicherten Ana­ lyse der realen Gestaltungspraxis vollständig ermitteln.260 Insbesondere stehen Netzwerk- und Lerneffekte, wie der Erfolg neuer Rechtsformen – etwa der eng­ lischen Private Limited Company261 als Alternative zur GmbH oder der der SE als Alternative zur Aktiengesellschaft in Deutschland 262 – erweist, der Über­

257   Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 789  f. (1995); anschaulich Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 721 (1997): “There may be a limit (…) to the learning that accrues to a commonly used term. At some point, the accumulated experience of prior users of a term may become suffi­ ciently informative that a firm considering the term will not alter the term even if that firm adopts the term without analysis (…). To the extent that this occurs, no further learning takes place.” Siehe auch ebd., S. 727 und 730. Vorsichtig einschränkend dagegen Lemley/McGowan, 86 Cal. L. Rev. 479, 569  ff. (1998). 258   Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 833 (1995); zurückhaltender insoweit wiederum Lemley/ McGowan, 86 Cal. L. Rev. 479, 569  ff. (1998). Vgl. – in der Tendenz wie hier – nunmehr auch Möslein, Dispositives Recht, 3. Teil, § 9, sub I. 1. 259   Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 791 (1995); vgl. auch Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 727  ff. (1997): „switching costs“, d. h. erhöhter Aufwand infolge der Entwicklung alternativer Lösungen, als potentielle Ursache von Persistenzneigungen. 260   Wohl angreifbar daher Korobkin, 51 Vand. L. Rev. 1583, 1597  ff. (1998), der die Tragfä­ higkeit von Netzwerk- und Lerneffekten als Erklärungsmuster für die Persistenz etablierter Gestaltungen allein auf der Grundlage stilisierter Experimente eher skeptisch bewertet. 261   Vgl. zum empirischen Befund insoweit jüngst Westhoff, GmbHR 2006, 525  ff.; dens., GmbHR 2007, 474  ff. 262   Dazu jüngst Eidenmüller/Engert/Hornuf, AG 2008, 721  ff.

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windung von Persistenzneigungen nicht notwendig entgegen. 263 Doch sind da­ mit immerhin potentiell bedeutsame Ursachen für Verzerrungswirkungen ins­ besondere bei komplexeren Gestaltungen festgestellt, die die These von der Flexibilität und Anpassungsfähigkeit dispositiver Normen zwar nicht falsifizie­ ren, aber erheblich relativieren. Bei den Verhandlungen über die vertragliche Gestaltung (auch) von Finanzierungsbeziehungen stünden die Parteien, die sich zwischen der Übernahme dispositiver Regelungen und einer individuellen, auf die Bedürfnisse des Einzelfalls bezogenen Regelung gestellt sehen, mithin vor einem Dilemma: Keineswegs immer wird sich die individuelle Gestaltung als sachgerechteste Lösung empfehlen, auch wenn sie sich vielleicht den Einzelhei­ ten der konkreten Fallkonstellation theoretisch viel besser anpassen ließe. Viel­ mehr bedarf es der Abwägung zwischen den Effizienzvorteilen der etablierten Lösung und den Vorteilen einer innovativen, fallbezogenen Einzellösung, de­ ren fehlende praktische Bewährung nicht selten den Ausschlag für die Beibehal­ tung des etablierten Lösungsmodells geben mag. 264 In diesem Zusammenhang ist anschaulich von einem „institutional bias“, also einer strukturell bedingten einseitigen Neigung zur Akzeptanz der dispositiven Lösung gesprochen worden. 265 Je stärker diese Effekte sind, desto größer ist die Gefahr, daß die Gestaltungspraxis auch in einem von dispositiven Vorschriften geprägten Regelungssystem das dispositive Recht quasi routinemäßig akzep­ tiert und die Bereitschaft zur Gestaltung individueller Lösungen weitgehend erstarrt. 266 Auch hier zeigt sich der letztlich ambivalente Charakter, den Stan­ dardisierungstendenzen (auch) im Recht allgemein aufweisen: Einerseits erhöht Einheitlichkeit von Gestaltungsmustern deren Verläßlichkeit und reduziert die Transaktionskosten für die Gestaltung im Einzelfall, andererseits kann sie aber auch solche Innovationen verhindern oder erschweren, die sich als wohlfahrts­ fördernd erweisen könnten.

  Vgl. insoweit nochmals auch Ribstein/Kobayashi, 43 Wm. & Mary L. Rev. 79, 116  ff., 120  ff. (2001) (zur Limited Liability Partnership und zur Limited Liability Company in den USA); allgemein unter Hinweis auf abweichende Gestaltungen auch in US-amerikanischen Publikumsgesellschaften auch Hansmann, 8 Am. L. & Econ. Rev. 1, 6  f. (2006). 264   Vgl. Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 813  ff. (1995); Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 730 (für Lerneffekte), 734 (für Netzwerkeffekte) (1997); vgl. auch Goetz/Scott, 73 Cal. L. Rev. 261, 280 (1985): “Customary terms reduce the distortion from ill-fitting formulations but expose parties to incompleteness risk. Conversely, more particularized terms will reduce incom­ pleteness error but at the cost of a reduced supply of mature, customary formulations.” 265   Goetz/Scott, 73 Cal. L. Rev. 261, 290  ff. (1985). 266   Vgl. wiederum bereits Goetz/Scott, 73 Cal. L. Rev. 261, 288 (1985): „rote use“ und „en­ crustation“. 263

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

cc)  Folgerungen für die Erklärung pfadabhängiger Entwicklungstendenzen (auch) im Kapitalgesellschaftsrecht Die Einsichten in die Bedeutung von Netzwerk- und Lerneffekten für die Funktionsweise von Rechtsnormen wird man allgemein auch für die Erklärung von Pfadabhängigkeiten in der Entwicklung gesellschaftsrechtlicher Regelun­ gen heranziehen können. Entsprechende Effekte und daraus resultierende Per­ sistenzen lassen sich bereits bei rein privatautonom, (weitgehend) ohne Rekurs auf dispositive Normen entstandenen Gestaltungsformen beobachten. 267 So sind beispielsweise für die Gestaltung von Sicherungsklauseln (Covenants) in Fremdfinanzierungsverträgen Standardisierungstendenzen festgestellt worden, die einen eindeutigen Trend zur Verfestigung bestimmter marktüblicher Ge­ staltungsformen erkennen lassen. 268 Die Gründe für derartige Tendenzen ent­ sprechen dabei durchaus den soeben für das dispositive Recht diskutierten: Auch hier spielen insbesondere Netzwerk- und Lerneffekte im Zusammenhang mit der kontinuierlichen Erweiterung des für die betroffenen Akteure und ihre Berater verfügbaren Erfahrungswissens eine wichtige Rolle. Verzerrungseffek­ te und Persistenzneigungen aufgrund dieser beiden Effekte sind also keines­ wegs auf das (dispositive) Gesetzesrecht beschränkt. Eben weil dispositives Recht zumindest rechtliche Unbedenklichkeit signalisiert, dürfte allerdings schon die bloße Existenz einer dispositiven Rechtsnorm die Anreize für indivi­ duelle Lösungen tendenziell stärker verringern als Spielräume für ausschließ­ lich privatautonom entwickelte Gestaltungen. 269 Werden Problemlösungen durch dispositives Gesetzesrecht vorgeschlagen, dürften die Anreize zu ihrer Übernahme bei der Gestaltung des Einzelfalls also noch stärker ausfallen als bei privatautonom entwickelten Gestaltungsmustern. Diese Erkenntnis relativiert keineswegs nur die verbreitete Hypothese von der Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft privatautonomer Gestaltung. In dem Maße, in dem beide durch entsprechende Verzerrungseffekte verringert werden, nimmt vielmehr wiederum auch die Bedeutung der empirisch beob­ achtbaren Gestaltungspraxis als wertvolle Informationsquelle für den Gesetz­ geber ab: Hat sich aufgrund der mit Netzwerk- oder Lerneffekten verknüpften Effizienzvorteile ein bestimmtes Gestaltungsmuster am Markt durchgesetzt, ohne daß es inhaltlich den Interessen der Mehrheit der Akteure in vergleichba­ ren Konstellationen voll gerecht würde, so kann die Verbreitung der Lösung nicht mehr mit tatsächlicher Bewährung gleichgesetzt werden. Die empirisch beobachtbare Gestaltungspraxis eignet sich dann nurmehr eingeschränkt als Ausgangspunkt für eine ausschließlich an Praktikabilitätsgesichtspunkten ori­   Vgl. allgemein Goetz/Scott, 73 Cal. L. Rev. 261, 288 (1985).   Vgl. vorerst Servatius, Covenants, S. 33  ff., und bereits Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 740  ff. (1997); näher unten, 2. Kap., sub A. I. 1. a) (S. 256  f.). 269   Vgl. Goetz/Scott, 73 Cal. L. Rev. 261, 289 (1985). 267

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B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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entierte, dem Leitbild der Erleichterung und Ergänzung privatautonomer Ge­ staltung verpflichtete dispositive Rechtsetzung. 270 Ließe sich feststellen, daß das dispositive Gesetzesrecht bereits durch entsprechende Verzerrungen geprägt ist, also tatsächlich auf der Rezeption „erstarrter“, nicht primär aufgrund tat­ sächlicher Problemadäquanz, sondern infolge von Netzwerk- und Lerneffekten verfestigten Lösungen beruht, so relativierte sich damit zugleich eine eingangs erwähnte Grundannahme zur „Informationsfunktion“ dispositiver Normen: Dem dispositiven Recht könnte der Rechtsverkehr zwar nach wie vor eine Aus­ sage über zulässige Gestaltungsmuster, nurmehr begrenzt aber über deren praktische Bewährung entnehmen. Dispositives Recht konservierte mithin nicht mehr ausschließlich historisch gewonnenes Erfahrungswissen um geeig­ nete Lösungen, sondern auch die Ergebnisse historischer Verfestigungsprozes­ se der soeben skizzierten Art. Sein eigentlicher Wert läge im davon ausgehenden Standardisierungseffekt und den damit für den Rechtsverkehr verbundenen po­ sitiven Folgen von Netzwerk- und Lerneffekten (z. B. in größerem Erfahrungs­ schatz über Leistungsfähigkeit und Grenzen einer Lösung), nicht oder in gerin­ gerem Ausmaß dagegen in einer damit implizit verbundenen Vermutung, die im dispositiven Gesetzesrecht vorgegebene Lösung sei als besonders geeignet an­ zusehen. Mit alledem ist zunächst naturgemäß nur eine theoretische Möglichkeit be­ schrieben; ein empirischer Befund steht einstweilen aus. Bereits die Möglichkeit entsprechender Verzerrungseffekte indes ist – als potentieller Störfaktor für die mit dispositivem Recht strukturell verbundene Gestaltungsoffenheit und Flexi­ bilität – bei jedem Versuch einer Theorie der Regulierungsinstrumente (auch) für das Kapitalgesellschaftsrecht von großer Bedeutung. Jede Aussage zur Funktionsweise dispositiver Normen wird sorgfältig um derartige potentielle Verzerrungseffekte bereinigt werden müssen. Doch zeichnet sich bereits nach diesem ersten Aufriß in der Tat ab, daß die mit Netzwerk- und Lerneffekten verbundenen, sich selbst verstärkenden Persistenzneigungen auch einen wichti­ gen Beitrag zur Erklärung der Tendenz zur pfadabhängigen, also durch histo­ risch vorgefundene Gestaltungen präformierten und beschränkten Regelbil­ dung leisten können, 271 die in der modernen Gesellschaftsrechtsvergleichung 270   Vgl. auch Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 830  f. (1995); Bebchuk/Roe, 52 Stan. L. Rev. 127, 139  ff. (1999). Ähnlich, wenn auch bezogen auf die Auslegungspraxis der Gerichte, auch Lemley/McGowan, 86 Cal. L. Rev. 479, 498 (1998). Vgl. nochmals auch Goetz/Scott, 73 Cal. L. Rev. 261, 289 (1985): “The enhanced status of state-supplied terms has the perverse effect of reducing contractors’ incentives to innovate. Over time, the state-supplied preformulations will themselves fail to evolve, because the flow of innovative formulations, express and implied, will dwindle.” (eig. Hervorhebung). 271   Entsprechend Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 729 (1997); im Anschluß daran auch Bebchuk/Roe, 52 Stan. L. Rev. 127, 141 (1999); vgl. ferner Lemley/McGowan, 86 Cal. L. Rev. 479, 597  f. (1998), die Parallelen und Überschneidungen zwischen Pfadabhängigkeit und Netzwerkeffekten konstatieren; Liebowitz/Margolis, 11 J.L. Econ. & Org. 205, 215  ff. (1995);

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

zunehmend problematisiert werden. 272 Beruht das dispositive Gesetzesrecht seinerseits auf einer bereits vor der Kodifikation in der Gestaltungspraxis eta­ blierten Lösung, so handelt es sich sogar um einen sich selbst verstärkenden Trend: Ist schon die Entwicklung der Praxis vor der Kodifikation durch Netz­ werk- und Lerneffekte beeinflußt worden, wird die Aufnahme der praktisch etablierten Lösung in das dispositive Gesetzesrecht eben aufgrund der damit verbundenen, im Vergleich zu rein privatautonomen Gestaltungen höheren Prä­ gekraft die schon zuvor feststellbare Persistenz noch verstärken. d)  Fazit und Folgerungen Die gestaltungserleichternden Funktionen dispositiven Rechts sind nach alle­ dem nur ein Teilaspekt eines durchaus komplexen Phänomens. Die mit dem Schlagwort der „Erleichterungsfunktion“ umschriebene Bedeutung als Quelle von Informationen über zulässige, idealiter zugleich praktikable Gestaltungen für eine Mehrheit der relevanten Fallkonstellationen betont den Charakter dis­ positiven Gesetzesrechts als Infrastrukturangebot des Gesetzgebers an den Rechtsverkehr. 273 Die betreffenden Akteure sind frei, dieses Angebot – durch ausdrückliche Ausübung eines Wahlrechts im Falle von „opt-in“-Lösungen oder durch Verzicht auf eine alternative, individuelle Lösung im Falle abding­ barer („opt-out“) Vorschriften – anzunehmen oder abzulehnen. Diese Sichtwei­ se entspricht, wie gezeigt, der tradierten Dogmatik dispositiver Vorschriften. Von ihr ausgehend, wäre an sich zu erwarten, daß der Rechtsverkehr vergleichs­ weise häufig, nämlich stets dort, wo eine andere als die dispositive Lösung der Interessenlage des Einzelfalls eher entspricht, vom dispositiven Regelungsmo­ dell abweicht. Prima facie spricht viel dafür, daß dies insbesondere bei komple­ xeren, mit einer abstrakten Norm nur schwer abschließend erfaßbaren Sachpro­ blemen der Fall sein dürfte, bei denen die betreffenden Akteure über ungleich bessere Informationen hinsichtlich der zu bewältigenden Probleme verfügen als der Gesetzgeber. Neuere Bemühungen um eine vollständige rechtstheoretische Erfassung der Wirkungsweise dispositiver Normen indizieren indes, daß diese Sichtweise möglicherweise die tatsächlich involvierten Wirkungsmechanismen verkürzt darstellt. Danach schöpft die Varianz der empirisch beobachtbaren Gestaltungen den mit dispositivem Recht eröffneten Spielraum nicht aus und weist das abstrakt-generelle dispositive Gesetzesrecht gegenüber den Möglich­ allgemein auch bereits Arthur, in: Anderson/Arrow/Pildes (Hrsg.), The Economy as an Evolving Complex System, 1988, S. 10; ders., Increasing Returns and Path Dependence in Economics, 1994, S. 112  ff.; North, Institutions, Institutional Change, and Economic Per­ formance, S. 94; aus der jüngeren Literatur etwa Ackermann, Pfadabhängigkeit, S. 136  ff.; Kiwit/Voigt, ORDO 46 (1995), 119, 127  ff., 132  ff.; zusf. Beyer, Pfadabhängigkeit, S. 14  f. 272   Siehe bereits oben, 1. Teil, 1. Kap., sub C. I. (S. 24  ff.). 273   Vgl. in diesem Sinne nunmehr auch Kähler, Macht und Vielfalt, 1. Kap., sub C. 1.; tief­ gründige Analyse dieser Funktion ebd., 3. Kap. sub A.

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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keiten privatautonom-individueller Gestaltung deutlich größere Persistenznei­ gungen auf. Als mögliche Ursachen werden zunächst irrationale, allenfalls psy­ chologisch oder verhaltensbiologisch erklärbare Präferenzen für die Beibehal­ tung eines wie auch immer definierten status quo diskutiert. Im untersuchten Referenzgebiet dürften indes andere „Störfaktoren“ für die Wahl zwischen dis­ positivem Gesetzesrecht und individuellen privatautonom gefundenen Gestal­ tungen eine größere Rolle spielen. Vor allem der (subjektiv empfundene oder auch objektiv feststellbare, wenn auch vermutlich nicht quantifizierbare) Eigen­ wert einer standardisierten, über längere Zeiträume in der Gestaltungspraxis erprobten und optimierten und deshalb verläßlichen Lösung wird insoweit zur Erklärung herangezogen werden können. Für die weitere Untersuchung lassen diese Ergebnisse drei Folgerungen zu: Erstens lassen sich dadurch verursachte Persistenzeffekte, wie ausgeführt, zur Erklärung pfadabhängiger Entwicklungsmuster heranziehen. Auch dispositi­ ves Recht ist mit dem Risiko verbunden, daß derartige Verfestigungsprozesse innovative Reaktionen der Gestaltungspraxis auf komplexe, einem dynami­ schen Wandel unterliegende Interessenlagen zwar nicht verhindern, aber er­ schweren. Insbesondere bei der Auswertung historisch gewachsener Regelungs­ konzepte und der Überprüfung auf ihre Tragfähigkeit als Vorbilder für künfti­ ge Regulierungsvorhaben sind diese Effekte stets mitzubeobachten. Positiv konnte jedoch, zweitens, auch gezeigt werden, daß und warum standardisierten Gestaltungsmustern unabhängig davon, ob ihre Anwendung im Einzelfall tat­ sächlich zu optimalen Ergebnissen führt, als jedenfalls zuverlässigen Lösungen ein Eigenwert zukommt, der in gewissem Umfang sogar Effizienzverluste in­ folge fehlender Abstimmung auf die Bedürfnisse des Einzelfalls zu kompensie­ ren geeignet ist. Und drittens indiziert die Erkenntnis, daß das dispositive Ge­ setzesrecht eine starke Neigung zur Persistenz in der Gestaltungspraxis auf­ weist, zugleich deren Potential zum Einsatz als Regulierungsinstrument im hier verwendeten Sinne: Wenn und soweit unter Umständen schon die Formulie­ rung einer dispositiven Lösung ausreicht, um diese Lösung als Regelfall in der Gestaltungspraxis zu etablieren, bedarf es möglicherweise gar keiner zwingen­ den Vorgabe, um bestimmten (Schutz-) Zielen Geltung zu verschaffen. Auch dispositives Recht ist, mit anderen Worten, mit einer faktisch verhaltenssteuern­ den Wirkung ausgestattet, die die Wahl einer Lösung mit normativer Bindungs­ wirkung ganz oder teilweise entbehrlich machen könnte.

4.  Dispositives Recht als Regulierungsinstrument Die damit identifizierte Eignung dispositiver Normen als Instrument der Ver­ haltenssteuerung im Interesse konkreter Schutzziele – nicht nur zugunsten der vertraglich gebundenen Parteien, sondern potentiell auch zugunsten der von

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

der privatautonomen Gestaltung betroffenen Dritten – und mithin als Regulie­ rungsinstrumente im hier verwendeten Sinne ist bislang noch kaum ausgelotet worden. Soweit dem dispositiven Recht überhaupt Steuerungsfunktionen zuge­ standen wurden, 274 lag das Augenmerk der tradierten zivilistischen Dogmatik, aber auch in rechtsökonomischen Arbeiten vielmehr ganz auf der Bedeutung dispositiver Normen als Medium für Gerechtigkeitserwägungen und Ord­ nungsziele jenseits bloßer Praktikabilitäts- und Effizienzgesichtspunkte. In dieser überkommenen Betrachtungsweise beruht die Bindungswirkung dispo­ sitiver Normen maßgeblich darauf, daß der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung einer dispositiven Lösung (auch) durch das Interesse motiviert wird, materialen Wert- oder Ordnungsvorstellungen Geltung zu verschaffen, daß also ein regu­ latorischer Impetus neben das Bestreben nach der Bereitstellung von Gestal­ tungsmöglichkeiten tritt, der sich in einer entsprechenden Ausgestaltung der dispositiven Lösung niederschlagen kann. Ist dies der Fall, kann von normativer Bindungswirkung gesprochen werden. 275 Ihre Bedeutung ist nicht auf bloße Signalwirkungen beschränkt, sondern realisiert sich insbesondere mit Blick auf die Bedeutung des dispositiven Rechts als Kontrollmaßstab im Rahmen der richterlichen Inhaltskontrolle (unten a)). Ebenfalls bereits angedeutet wurde, daß die Existenz einer dispositiven Regelung – unabhängig von einer Inhalts­ kontrolle ex post – daneben bereits ex ante auf die Gestaltungspraxis einwirkt, weil und soweit das dispositive Recht auf einen regelungsbedürftigen Gesichts­ punkt hinweist, Verhandlungen über die im Einzelfall zu wählende Lösung an­ regt und damit die betreffenden Akteure zur Reflexion über Regelungsziele und maßgebliche Interessen einlädt (unten b)). Daß die oben gewonnenen Erkennt­ nisse zur faktischen Bindungswirkung dispositiven Rechts schließlich weiteren Anlaß geben, das tradierte, auf die Ordnungs- und Leitbildfunktion dispositi­ ven Rechts beschränkte Verständnis zu ergänzen, bedarf kaum der näheren Be­ gründung: Ist schon die Existenz einer dispositiven Lösung geeignet, die Gestaltungs­praxis maßgeblich zu beeinflussen, so lassen sich die oben unter­ suchten Wirkungsmechanismen als Instrument der Durchsetzung materialer Regulierungsziele fruchtbar machen, die unabhängig von der richterlichen In­ haltskontrolle, ja überhaupt unabhängig von formalisierten Normdurchset­ zungsstrategien eingreifen (unten c)). Dabei stellt sich heraus, daß die Leistungs­ fähigkeit dispositiven Rechts als Instrument zum Schutz bestimmter Interessen größer ist, als bislang angenommen wurde, aber auch auf Grenzen stößt, die für die spätere Untersuchung der Bedeutung zwingenden Rechts Relevanz entfal­ ten.

274   Dezidiert kritisch bspw. Hey, Freie Gestaltung, S. 120  ff.; siehe dazu bereits oben sub 2. b) (S. 85) bei und in Fn. 118. 275   Siehe bereits oben sub 3. b) (S. 101) bei und in Fn. 174.

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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a)  Ordnungs- und Leitbildfunktion dispositiver Normen: die tradierte Sichtweise Daß dispositives Recht in der Realität nicht ausschließlich in Praktikabilitätsund Effizienzgesichtspunkten wurzelt und sich nicht in bloß gestaltungser­ leichternden und -ergänzenden Funktionen erschöpft, ist insbesondere in der deutschsprachigen zivilistischen Dogmatik schon früh herausgearbeitet wor­ den. So interpretierte bereits Ludwig Raiser in seiner 1935 veröffentlichten Un­ tersuchung zum Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen dispositives Recht als „Objektivierung der Rechtsidee durch die Gesamtrechtsgemeinschaft, das heißt: es darf im allgemeinen (…) als der angemessene, natürliche Ausgleich der widerstrebenden Par­ tei- und der übergeordneten Gemeinschaftsinteressen angesehen werden, als die ‚normale‘ Ordnung des betreffenden Lebensverhältnisses“. 276

Bereits diese Arbeit entwickelte zugleich den bis in das heute geltende positive Recht wirkungsmächtigen Gedanken der Überprüfungsbedürftigkeit allgemei­ ner Geschäftsbedingungen am Maßstab des dispositiven Gesetzesrechts. 277 Auch der heute selbstverständliche Brückenschlag von der Bedeutung disposi­ tiven Rechts als Ausdruck gesetzgeberischer Ordnungsvorstellungen hin zu seiner Verwendung als Leitbild und Kontrollmaßstab für die Inhaltskontrolle vertraglicher Gestaltungen (vgl. heute § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB = § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG) 278 geht maßgeblich auf Ludwig Raiser zurück. 279 Der Begriff der „Leit­ bildfunktion“ dispositiver Normen, der sich im Anschluß an diese Arbeit in der deutschsprachigen Literatur neben dem der „Ordnungsfunktion“ fest etabliert hat, 280 bezieht damit die richterliche Inhaltskontrolle als Instrument zur Durch­ 276   Vgl. L. Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 293; vgl. zum Leit­ bild der ausgleichenden Vertragsgerechtigkeit als Maßstab für die Ausgestaltung dispositiven Vertragsrechts auch Canaris, AcP 200 (2000), 273, 285. 277   L. Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 293  ff. 278   Vgl. BGH, Urt. v. 21. 12. 1983 – VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206, 211; Urt. v. 18. 4. 1984 – VIII ZR 50/83, NJW 1985, 57; Urt. v. 23. 4. 1991 – XI ZR 128/90, BGHZ 114, 238, 240; Urt. v. 25. 6. 1991 – XI ZR 257/90, BGHZ 115, 38, 42; Urt. v. 9. 5. 1996 – III ZR 209/95, NJW-RR 1996, 1009  f.; vgl. aus der Rechtsprechung vor Inkrafttreten des AGBG 1976 bereits BGH, Urt. v. 29. 10. 1956 – II ZR 79/55, BGHZ 22, 90, 94  f.; Urt. v. 17. 2. 1964 – II ZR 98/62, BGHZ 41, 151, 154  f.; Urt. v. 16. 4. 1973 – VII ZR 140/71, BGHZ 60, 353, 356; aus der Literatur etwa Palandt/Grüneberg, BGB, § 307 Rn. 25; MünchKomm/Kieninger, BGB, § 307 Rn. 60  f.; Wolf/ Lindacher/Pfeifer/Wolf, AGB-Recht, § 307 Rn. 110. 279   Vgl. wiederum L. Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 293. 280   Geprägt wohl von Schapp, DB 1978, 621  ff.; vgl. im Anschluß daran auch Weick, NJW 1978, 11  ff., sowie im übrigen neben den Nachw. soeben Fn. 278 nochmals etwa Hübner, All­ gemeiner Teil, Rn. 88; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 3 Rn. 100; siehe auch Beier, Rege­ lungsauftrag, S. 60  ff., der „materielle Schutzwirkung“ und „Leitbildfunktion“ synonym ver­ wendet; nur von „Ordnungsfunktion“ sprechen dagegen Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, Bd. I/1, § 49 III, S. 301. Zum Ganzen jetzt die eingehende dogmengeschichtliche Analyse bei Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 118  ff.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

setzung der im dispositiven Recht verankerten Wert- oder Ordnungsprinzipien ein. Er meint mithin von vornherein mehr als eine zumindest prima facie weit­ gehend „folgenlose“ Signalwirkung der im dispositiven Gesetzesrecht formu­ lierten Gestaltungsvorschläge. Die funktionsdogmatischen Grundlagen hierfür wurden bereits angesprochen. 281 Soweit sich der Gesetzgeber zur Formulierung dispositiven Gesetzesrechts entschließt, verleiht er nicht lediglich einer be­ stimmten von mehreren möglichen Gestaltungen besondere Legitimation und verschafft ihr zugleich besondere Aufmerksamkeit. Vielmehr steckt er gleich­ zeitig implizit einen Korridor ab, der die Varianz zulässiger Gestaltungsalter­ nativen begrenzt. Dispositives Gesetzesrecht kombiniert danach ausdrückliche positive mit impliziten negativen Aussagen.282 Gänzlich unkontrovers war diese Interpretation allerdings nie. So ist gele­ gentlich eingewendet worden, eine klare Grenzziehung zu den nur gestaltungs­ erleichternden, also ohne regulatorischen Impetus formulierten Normen sei kaum möglich, so daß die Unterscheidung sinnlos sei. 283 Zum gleichen Ergebnis gelangt auch das rechtsökonomische Schrifttum unter Hinweis auf die Tatsa­ che, daß Ordnungsziel und Praktikabilitätsgesichtspunkte notwendig zusam­ menfallen, wo Effizienz zum alleinigen Maßstab für die Ausgestaltung (nicht nur) des dispositiven Vertragsrechts erhoben wird. 284 Letzteres entspricht auch der – insoweit von einer radikal abweichenden Sichtweise geprägten – US-ame­ rikanischen Theorie dispositiver Normen, die selbst in jüngeren, unorthodoxen Ansätzen zwar die praktische Realisierbarkeit einer auschließlichen Effizienz­ orientierung dispositiver Normen bezweifelt, diesen Maßstab als solchen aber nicht in Frage stellt. 285 Bereits an anderer Stelle ist allerdings betont worden, daß auch die (wohl keineswegs immer) auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten   Oben sub 3. b) bb) (S. 104).   Besonders deutlich insoweit BGH, Urt. v. 29. 10. 1956 – II ZR 79/55, BGHZ 22, 90, 94  f. („immanente Schranken“ der Gestaltungsfreiheit); vgl. insoweit nunmehr auch Cziupka, Dis­ positives Vertragsrecht, S. 223  ff. („Inhaltskontrolle anhand dispositiven Rechts als Reichwei­ tenkonkretisierung des bedingten Sollensanspruchs“). 283   Z.B. (aber ebenfalls relativierend) etwa Ulmer/Brandner/Hensen/Brandner, AGBG, § 9 Rn. 132, gegen BGH, Urt. v. 9. 5. 1996 – III ZR 209/95, NJW-RR 1006, 1009  f.; Fastrich, Rich­ terliche Inhaltskontrolle, S. 9, 317; Westermann, Vertragsfreiheit, S. 45; skeptisch auch Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 427. 284   Charakteristisch Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 427: „Aus wohlfahrtsökono­ mischer Sicht ist diese Unterscheidung jedenfalls insoweit nicht begründet, als es sich um Normen handelt, die die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien betreffen. Gerech­ tigkeits-, Ordnungs- und Zweckmäßigkeitsfunktion einer Norm fallen hier zusammen und sind identisch mit der ökonomischen Vertragsfunktion (Pareto-Kriterium). Dafür spricht auch aus juristischer Sicht, daß dispositives Recht, das vor allem Güter- und Leistungsaus­ tauschgeschäfte betrifft, ungerecht wäre, wenn es durch unzweckmäßige Regelungen unnöti­ ge Kosten verursachen und damit zur Verschwendung von Ressourcen führen würde.“ (eig. Hervorhebung). 285   Charakteristisch etwa Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 93  ff. (1989); dies., 101 Yale L.J. 729, 733 (1992). 281

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B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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am theoretischen Erkenntniswert der Kategorienbildung nichts ändern, 286 zu­ mal die rechtsökonomische Kritik naturgemäß mit der ihr zugrundegelegten normativen Prämisse steht und fällt – und schon deshalb nicht als zwingend zu qualifizieren ist. Beides mag indes dahinstehen, denn jedenfalls im deutschen Recht ist unver­ kennbar, daß einzelne dispositive Normen auch des Kapitalgesellschaftsrechts ganz im Sinne einer Leitbildfunktion im oben skizzierten Sinn wiederholt zur richterlichen Kontrolle privatautonom gefundener Gestaltungen herangezogen worden sind.287 Der Schwerpunkt der vorliegenden Judikate lag dabei zwar für die Eigenkapitalfinanzierung nicht auf einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB bzw. nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG. 288 Mit Blick auf § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB (= § 23 Abs. 1 AGBG) einerseits und den individualvertraglichen Charak­ ter eines großen Teils der maßgeblichen Rechtsbeziehungen andererseits ist das wenig verwunderlich. Doch ist das dispositive Modell des § 140 i.V.m. § 133 Abs. 1 und 2 HGB sowie der §§ 723 Abs. 3, 738 BGB immerhin beispielsweise bei der Kontrolle von Ausschließungs-289 und Abfindungsklauseln 290 sub specie des § 138 BGB auch für die Rechtsform der GmbH als Maßstab herangezogen worden. Schon dieser kursorische Überblick deutet indes darauf hin, daß bei so ver­ standenen verhaltenssteuernden nachgiebigen Normen die kategoriale Grenze zwischen dispositivem und zwingendem Recht deutlich an Trennschärfe ein­ büßt: Indem Tatbestand und/oder Rechtsfolge dispositiver Normen die Gestal­ tungsfreiheit begrenzen, sind sie in der Tat zugleich Ausdruck zwingender, durch die private Gestaltung gerade nicht überwindbarer Grundsätze – und damit faktisch bereits hybrider, also zugleich dispositiver und zwingender Na­ tur. Wird dispositives Recht als Leitbild und damit als Schranke für privatauto­   Siehe bereits oben sub 3. a) (S. 88) bei und in Fn. 129.   Vgl. zum folgenden grundlegend Beier, Regelungsauftrag, S. 60  ff.; siehe auch Hey, Freie Gestaltung, S. 226  f. 288   Zu Ausnahmen z. B. KG, Urt. v. 17. 9. 1997 – KartU 1885/97, WM 1999, 731, 733 (An­ wendbarkeit des AGBG auf den Erwerb von Anteilen an einer Kapitalanlagegesellschaft); offenlassend BGH, Urt. v. 27. 11. 2000 – II ZR 218/00, NJW 2001, 1270, 1271 (stille Gesell­ schaft); vgl. auch BGH, Urt. v. 5. 10. 1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305  ff. (AGB-rechtliche Überprüfbarkeit von Genußscheinbedingungen am Maßstab des § 9 AGBG); BGH, Urt. v. 28. 6. 2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 314  ff. (Anwendbarkeit der AGB-Kontrolle auf Emissionsbedingungen von Inhaberschuldverschreibungen durch eine Aktiengesellschaft), dazu auch Gottschalk, ZIP 2006, 1121  f. (Emissionsbedingungen); vgl. allgemein Münch­ Komm/Basedow, BGB, § 310 Rn. 26 und 86; Armbrüster, ZIP 2006, 406, 413 (Inhaltskontrol­ le am Maßstab der §§ 307  ff. BGB im Hinblick auf die gesellschaftsrechtliche Beteiligung zum Zweck der Vermögensanlage). 289   Grundlegend BGH, Urt. v. 23. 2. 1981 – II ZR 229/79, BGHZ 80, 346, 351; vgl. näher Ulmer/Habersack/Winter/Ulmer, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 10; a.A. dagegen noch Scholz/ Westermann, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 21. 290   Vgl. BGH, Urt. v. 16. 12. 1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359, 370  f. (GmbH), und insbe­ sondere BGH, Urt. v. 13. 6. 1994 – II ZR 38/93, BGHZ 116, 226, 230  ff., 237 (AG). 286 287

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

nome Gestaltung herangezogen, kann von einem ermächtigenden Charakter nicht mehr gesprochen werden, soweit es um Fälle geht, die sich außerhalb des damit eröffneten Gestaltungsspielraums – eines „Korridors“ um die gesetzlich ausdrücklich zugelassene Lösung herum – bewegen.291 Für diese Fälle bean­ sprucht der implizite, zwingende Regelungsgehalt eindeutig Vorrang gegenüber der expliziten, gestattenden Aussage der jeweiligen Norm. Aus dieser Perspek­ tive betrachtet, unterscheidet sich das dispositive vom zwingenden Recht nicht dadurch, daß es dem Rechtsverkehr keine Zügel anlegte; unterschiedlich fällt, um in diesem Bilde zu bleiben, lediglich die Länge der Zügel aus. Für die weite­ re Untersuchung ergibt sich schon daraus, daß allein die gesetzgeberische Wahl einer dispositiven anstelle einer zwingenden Lösung noch nichts über die Reich­ weite des damit eröffneten Spielraums besagt. Hierzu lassen sich erst Aussagen treffen, wenn die in Tatbestand und Rechtsfolge angelegten Grenzen für den Gestaltungsspielraum mit in die Bewertung einbezogen werden. Dies betrifft indes eher die Verknüpfung mit der materialen Ebene und mithin den Einsatz dispositiver Normen im Rahmen konkreter Regulierungsstrategien. b)  Regulierung durch Anregung zu Verhandlungsprozessen: prozedurale Wirkung dispositiven Rechts Unabhängig von ihrer Funktion als Leitbild und Maßstab für die richterliche Kontrolle und unabhängig von der materialen Ausgestaltung des mit ihnen er­ öffneten Gestaltungsspielraums entfalten dispositive Normen allerdings auch durchaus spezifische, gegenüber den Wirkungsmechanismen zwingender Nor­ men selbständige Steuerungswirkungen. Sie sind bereits an anderer Stelle ange­ klungen, als von der Bedeutung aller, also auch der nur gestaltungserleichtern­ den dispositiven Normen als Instrumente zur Aufnahme von Verhandlungen der jeweiligen Akteure über die im Einzelfall sachangemessene Lösungen die Rede war: Schon die ohne jeden regulatorischen Impetus erlassene dispositive Norm setzt, wie ausgeführt, 292 Anreize zur Auseinandersetzung über die Wahl der darin formulierten oder alternativer Lösungen und so zur Reflexion über die damit für die jeweiligen Parteien verbundenen Vor- und Nachteile. Diese Wirkung ließe sich möglicherweise noch steigern, wenn sich die gesetzliche Lö­ sung nicht allein an Praktikabilitätserwägungen orientierte, sondern zum Schutz der Interessen einer Partei oder einer Gruppe von Akteuren eine einsei­ tig diese Partei bzw. diese Akteure begünstigende Interessenverteilung vorsähe. Verlangt dann die benachteiligte Partei eine alternative Gestaltung, so läßt sich 291   Siehe auch bereits oben sub 3. b) bb) (S. 103  f.). Vgl. – allerdings insoweit eher vage – wie­ derum auch bereits Beier, Regelungsauftrag, S. 68: „soweit sich (…) die in den dispositiven Regelungen enthaltenen Wertungen in Verbindung mit einer Inhalts- und Rechtskontrolle durchsetzen, kann die private Gestaltungsfreiheit doch begrenzt sein“. 292   Siehe nochmals oben sub 3. (S. 87).

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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dies gegenüber der begünstigten Gegenseite kaum ohne eine adäquate Gegen­ leistung durchsetzen, die deren Interessen wahrte. Weil die in der gesetzlichen Lösung zum Ausdruck gelangte Lösung nicht einseitig, sondern stets nur ein­ vernehmlich aufgrund entsprechender Verhandlungen abbedungen werden kann, sichert das dispositive Recht mithin in derartigen Kon­stellationen die darin formulierten materialen Wertvorstellungen schon ex ante, also vor der praktischen und ggf. judiziellen Bewährung der jeweiligen Gestaltung quasi prozedural ab. 293 Diese Einsicht ist in der deutschsprachigen Zivilistik im Kern bereits früh formuliert worden (unten aa)) und wird in der jüngeren Rechts­ theorie vor allem unter dem Schlagwort der „penalty defaults“ intensiv disku­ tiert (unten bb)). Mit den prozeduralen Wirkungen dispositiver Normen gerät damit zugleich die Frage in den Blick, inwieweit diese durch begleitende Ver­ fahrensregeln ggf. noch gesteigert werden können (unten cc)). aa) Vorläufer der modernen Lehre Die Erkenntnis von den prozeduralen Wirkungen dispositiver Normen ist kei­ neswegs neu. Auch hierzu hat bereits die schon mehrfach zitierte, grundlegende Untersuchung Eugen Ehrlichs bedeutende Pionierleistungen erbracht und mit den von ihm sogenannten „Fürsorgerechtssätzen“ auf solche dispositive Nor­ men aufmerksam gemacht, die gezielt auf den Schutz der Interessen einer als schutzbedürftig erkannten Partei oder Gruppe von Akteuren ausgerichtet sind:294 „Dadurch ist die [scil. begünstigte] Partei vor ihrer eigenen Unerfahrenheit, aber auch gegen die geschäftliche Überlegenheit des anderen Teils geschützt: denn um dies ergän­ zende Recht außer Kraft zu setzen, müßten die Parteien dieses vereinbaren, und darauf wird auch die geschäftsunerfahrene Partei nur dann eingehen, wenn es ihr nach der Lage der Umstände vorteilhaft erscheint.“295

In der nachfolgenden Literatur hat – ungeachtet unterschiedlicher dogmatischer Ausgangspunkte – etwa Harm Peter Westermann ähnliche Erwägungen ange­ stellt und auf die „Warnfunktion“ dispositiver Normen aufmerksam gemacht: 293   Treffend daher Beier, Regelungsauftrag, S. 69 („prozedurale Schutzfunktion“). Siehe nunmehr auch Möslein, Dispositives Recht, 2. Teil, § 5, sub III. 294   Vgl. Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, S. 55  ff. Insoweit krit. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 45, der diese Kategorie ablehnt und vielmehr „in sämtlichen Kate­ gorien des nichtzwingenden Rechts (…) objektive Wertentscheidungen des Gesetzgebers nie­ dergelegt“ sieht (eig. Hervorhebung). Daran ist sicher richtig, daß die gesamte Rechtsordnung idealiter auf einheitliche Wertentscheidungen zurückführbar sein sollte, wie dies im deut­ schen Recht mit der seit BVerfG, Urt. v. 15. 1. 1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198, 205 („Lüth“) verfassungsrechtlich anerkannten Bedeutung der Grundrechte des Grundgesetzes als objektive Werteordnung markant postuliert wird. Doch schließt dies keineswegs aus, daß der Gesetzgeber zu bestimmten Sachfragen auf eine Einflußnahme auf die Interessenvertei­ lung verzichtet und das dispositive Recht an rein pragmatischen Erwägungen orientiert. 295   Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, S. 55.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

Sie stellten zwar nicht sicher, daß es tatsächlich bei der vom Gesetzgeber für material (sach-) gerecht gehaltenen und daher im dispositiven Recht veranker­ ten Lösung bleibe. Doch müsse diejenige Partei, die davon abweichen wolle, immerhin „mit offenem Visier“ kämpfen, 296 mithin einen fairen Interessenaus­ gleich bieten, um die ihr ungünstige Lösung des dispositiven Gesetzesrechts überwinden zu können. Dispositives Recht stellt sich in dieser Interpretation nicht nur als taugliches Medium für die Kommunikation materialer Wertvor­ stellungen dar, sondern zugleich, weil und soweit damit Anreize für Verhand­ lungen der Parteien hierüber gesetzt werden, auch als Instrument zur Durchsetzung dieser Maßstäbe im Rahmen des jeweils eröffneten Gestaltungsspielraums in der Praxis. Realisierbar ist dieser Ansatz naturgemäß in erster Linie in Ge­ stalt von opt-out-Regeln, also solchen dispositiven Normen, die Geltung bean­ spruchen, soweit die Parteien keine abweichende Vereinbarung getroffen ha­ ben. bb)  Penalty default rules Das in der jüngeren US-amerikanischen Rechtstheorie diskutierte Konzept sog. penalty default rules, die durch einseitig ungünstige Standardlösungen zu einer Nachverhandlung des dispositiven gesetzlichen Modells anregen sollen, läßt sich objektiv als Weiterentwicklung dieses Konzepts qualifizieren, wenn­ gleich es eigenständig und ohne erkennbare Auseinandersetzung mit den vor­ stehend berichteten Ansätzen entstanden ist. Auch dieses Modell beruht auf der Erwägung, daß eine Nachverhandlung dispositiven Rechts zur Optimierung der jeweiligen Problemlösung führen kann. Es versucht, den betroffenen Ak­ teuren planvoll stärkere Anreize zur Nachverhandlung zu setzen. Der Unter­ schied zu den vorstehend skizzierten Überlegungen des deutschsprachigen Schrifttums liegt weniger in der Ausgestaltung als im analytischen Ausgangs­ punkt: Anders als diese Ansätze, betont die Theorie der penalty default rules insbesondere den informationsinduzierenden 297 Charakter so gestalteter dispo­ sitiver Lösungen. Die dadurch benachteiligte Partei werde praktisch gezwun­ gen, gegenüber der anderen Partei die für ihre Willensbildung hinsichtlich des Verhandlungsergebnisses maßgeblichen Informationen offenzulegen.298 Im Er­ 296   Vgl. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 52; ähnlich für das Verbraucherschutzrecht auch Drexl, Selbstbestimmung des Verbrauchers, S. 306  f., und im Anschluß daran wiederum auch Beier, Regelungsauftrag, S. 69. 297   So im deutschsprachigen Schrifttum treffend Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 337. 298   Grundlegend Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 91 (1989); dies., 101 Yale L.J. 729  ff. (1992); vgl. auch Bainbridge, Corporation Law and Economics, S. 30  ff.; Ayres/Talley, 104 Yale L. J. 1027, 1045 (1995); Bebchuk/Shavell, 7 J.L. Econ. & Org. 284  ff. (1991); Armour/Hansmann/ Kraakman, in: Kraakman u. a., Anatomy, 2. Aufl. 2009, S. 1, 20  f.; UK Law Commission, Con­ sulting Paper No. 153 – Company Directors: Regulating Conflicts of Interest and Formula­ ting a Statement of Duties, Rn. 3.34; aus der deutschsprachigen Literatur Bechtold, Grenzen

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gebnis werden damit idealtypisch Verhandlungsprozesse angeregt, die von stra­ tegischer Aussendung von Signalen (signalling) der Akteure geprägt sind.299 Inwieweit das Abstellen auf die Informationsverteilung zwischen den betref­ fenden Akteuren im Verhältnis zu den erörterten früheren Interpretationsan­ sätzen in der deutschsprachigen zivilistischen Dogmatik zu einem präziseren Problemverständnis beiträgt, kann man allerdings skeptisch beurteilen. Letzt­ lich setzt das Konzept der penalty default rules ebenso wie seine deutschspra­ chigen Vorläufer darauf, der begünstigten Partei eine nicht einseitig abdingbare günstige Rechtsposition mit dem Ziel einzuräumen, Verhandlungsprozesse in Gang zu setzen.300 Die Grenzen zum zwingenden Recht verlieren damit zumin­ dest an Konturen.301 Allerdings offenbart die nähere Analyse zugleich einen fundamentalen Unterschied zu den vorstehend erörterten Interpretationen der prozeduralen Schutzfunktion dispositiver Normen: Anders als den zitierten Ansätzen in der deutschsprachigen Dogmatik kommt es der Theorie der penal­ ty defaults nicht im eigentlichen Sinn auf den Schutz der Interessen einer Partei an. Im Vordergrund steht für sie vielmehr die durchaus ergebnisoffene Anre­ gung der Suche nach einem ausschließlich an Effizienzkriterien orientierten Verhandlungsergebnis – und mithin ein im Ausgangspunkt ähnlicher Zweck, wie ihn das neoklassische Postulat von der Ausrichtung des dispositiven Rechts an dem vermuteten Willen einer Mehrheit der betreffenden Akteure zugrunde­ legt.302 Im Ergebnis gibt der Gesetzgeber hier die Regulierungsverantwortung in durchaus vergleichbarem Umfang frei wie bei der Formulierung dispositiver Normen ohne regulatorischen Impetus. Gleichwohl kann der penalty default rule – im Unterschied zu solchen Normen – der Charakter als Regulierungsin­ zwingenden Vertragsrechts, S. 215  ff.; Beier, Regelungsauftrag, S. 69; Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 693; Riesenhuber/Möslein, in: Riesenhuber (Hrsg.), Perspektiven des Europä­ ischen Schuldvertragsrechts, S. 1, 30; Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 337; vgl. nun­ mehr auch die kritische Bewertung bei Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 431  ff.; Kähler, Macht und Vielfalt, 2. Kap. sub C. 2. 299   Dazu aus rechtsökonomischer Sicht eingehend Bechtold, Grenzen zwingenden Ver­ tragsrechts, S. 218  ff. 300   Vgl. insoweit auch bereits Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 620 (1998). Besonders prä­ gnant nunmehr Kähler, Macht und Vielfalt, 2. Kap. sub C. 1. b): „Zumindest theoretisch kann es (…) in einigen Konstellationen sinnvoll sein, den Parteien eine, für sich genommen, subop­ timale Norm vorzugeben. Das ist etwa der Fall, wenn es aufgrund der Vielgestaltigkeit der zu regelnden Vertragsverhältnisse keine einheitliche Norm gibt, die auf sämtliche Verträge passt. Denn dann besteht unabhängig davon, welche abdingbare Norm gilt, in einer Vielzahl von Fällen der Anreiz zur Abbedingung.“ Siehe auch ebd. sub 2. c). 301   Dies wird besonders deutlich, wenn man selbst solche Regelungen als penalty defaults qualifiziert, die an sich eine zwingende Rechtsfolge vorsehen, welche aber dadurch vermieden werden kann, daß der Eintritt der tatbestandlichen Voraussetzungen umgangen wird; in diese Richtung möglicherweise Ayres, 59 U. Chi. L. Rev. 1391, 1397 (1992), der den Haftungsdurch­ griff (veil piercing) bei materieller Unterkapitalisierung als penalty default einstuft, welcher durch Aufklärung der Gegenpartei über die Finanzierungssituation vermieden werden kann. 302   Besonders deutlich wiederum Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 91, 93 (1989).

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

strument im hier verwendeten Sinne nicht abgesprochen werden: Zwar ist das mit der Setzung von Verhandlungsanreizen verfolgte Anliegen im Vergleich zu zwingenden Normen, die ein konkretes Ergebnis im Interesse materialer (Schutz-) Ziele vorgeben, bescheidener. Doch der Verzicht auf die Formulierung materialer Vorgaben bei penalty defaults ist keineswegs gleichbedeutend mit Gleichgültigkeit hinsichtlich der Reaktion der Parteien. Das hier verfolgte Schutzziel ist vielmehr ein prozedurales. Es besteht in der Sicherstellung von Verhandlungen auch dort, wo – etwa aufgrund prohibitiver Transaktionskosten oder aufgrund irrationaler Motive – die Parteien davon Abstand nehmen, ob­ wohl eine einvernehmliche, individuelle Gestaltung objektiv sachangemessen wäre. Im Kern zielt das Konzept der penalty default rules darauf ab, Marktver­ sagen 303 in Gestalt von Informationsasymmetrien im Prozeß der privatautono­ men Rechtsgestaltung zu korrigieren. Es verfolgt mithin ein originär regulato­ risches Anliegen, ohne daß damit das Leitbild prinzipieller Vorzugswürdigkeit der im Markt selbst (quasi selbstregulativ) gewonnenen Gestaltung aufgegeben würde: Durch eine gezielte Verzerrung der Interessen in der Ausgangsposition schafft die penalty default rule idealtypisch erst den Markt für Verhandlungen um die effizienteste Problemlösung im jeweiligen Einzelfall. Das scheinbar einfache Konzept ist allerdings seinerseits nicht frei von mög­ lichen Verzerrungen. Soweit beide Parteien es etwa infolge eines status quo bias unterlassen, in Verhandlungen über Alternativgestaltungen einzutreten, bleibt es im Fall einer penalty default rule nicht bei einer Norm, die aus der Sicht des Gesetzgebers für die Mehrheit der davon tatbestandlich erfaßten Fallgestaltun­ gen sinnvoll und (sach-) gerecht erscheint. Vielmehr setzt sich eine Lösung durch, bei der es an sich gerade nicht bleiben sollte und die eigentlich nicht für sachgerecht gehalten wurde, sondern die lediglich einen Ausgangspunkt für entsprechende Verhandlungen bieten sollte. Der sog. status quo bias ist damit gerade für das Regulierungsinstrument der penalty default rule ein besonders problematisches Phänomen.304 Seine Bedeutung wird man indessen für das hier untersuchte Referenzgebiet aus den gleichen Erwägungen, wie sie bereits oben allgemein für die Tragweite des status quo bias bei der professionell begleiteten Rechtsgestaltung hinsichtlich der Finanzierungsbeziehungen bei Kapitalgesell­ schaften angestellt wurden,305 eher als gering zu veranschlagen haben. Aller­ dings können potentiell auch Verzerrungswirkungen, die auf Netzwerk- und Lerneffekte zurückführbar sind,306 die mit penalty defaults verfolgten Zwecke konterkarieren.   Vgl. dazu allgemein bereits oben, 1. Teil, 2. Kap., sub A. II. (S. 40  ff.).   Bainbridge, Corporation Law and Economics, S. 31 in Fn. 9; Cziupka, Dispositives Ver­ tragsrecht, S. 465  ff.; Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 668  f. (1998); knapp auch Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 694; Kähler, Macht und Vielfalt, 2. Kap. sub C. 2. c). 305   Siehe nochmals oben sub 3. b) dd) (S. 109  ff.). 306   Vgl. dazu nochmals oben sub 3. c) bb) (S. 117  ff.). 303

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Nach der Theorie der penalty defaults, wie sie maßgeblich von Ayres und Gertner entwickelt worden ist, kann derartigen Problemen durch entsprechen­ de inhaltliche Ausgestaltung der jeweiligen dispositiven Regel entgegengewirkt werden: Benachteiligt deren materialer Zuschnitt beide betroffenen Parteien er­ heblich, so sollten die daraus resultierenden Anreize zur Verhandlung über Al­ ternativen hinreichend stark sein, um die so begründbaren Persistenzneigungen zu überwinden.307 Theoretisch ist damit auch die Gefahr gebannt, daß sich die einseitig begünstigte Partei von vornherein Verhandlungen verweigert, weil aus ihrer Sicht jede Abweichung von der dispositiv formulierten Lösung nur eine Verschlechterung bringen kann.308 Die Effektivität einer penalty default rule hängt hiernach von sorgfältiger Aufklärung der voraussichtlichen Interessen der Parteien und des Aufwands ab, den sie zur Erreichung ihrer Ziele voraus­ sichtlich betreiben werden.309 Für die Festlegung des materialen Gehalts der pe­ nalty default rule kommt es mithin auf die Interessen beider Parteien an. Die darin formulierte Lösung darf keiner Partei allzu sehr entgegenkommen, sollte andererseits aber auch ein Abweichen von der dispositiven Lösung nicht allzu kompliziert gestalten. Denn sind die Transaktionskosten, die eine Verhand­ lungslösung erforderte, zu hoch, droht wiederum ein strukturell bedingtes Festhalten an der an sich suboptimalen Lösung (lock-in-Effekt).310   Vgl. Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 98 (1989); deutlich auch Ayres, 59 U. Chi. L. Rev. 1391, 1397  f. (1992). 308   Vgl. etwa Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 695, der dies anhand der Verhandlungslösung zur Ausgestaltung der unternehmerischen Mitbestimmung in Art. 7 der SE-Richtlinie exem­ plifiziert: Richte sich die Arbeitnehmermitbestimmung bei einem Scheitern der Verhandlun­ gen nach dem höchsten in Betracht kommenden Mitbestimmungsstandard, bestehe aus der Perspektive der Arbeitnehmervertreter kaum ein Anreiz. Ob dieses Modell tatsächlich als Beispiel für eine penalty default rule taugt, ist freilich mit Blick auf die einseitige Besserstel­ lung der Arbeitnehmerseite durchaus zweifelhaft; näher liegt eine Zuordnung zur oben aa) diskutierten Variante der Durchsetzung materialer Wertvorstellungen durch entsprechenden Zuschnitt der dispositiven Lösung. Auch aus der Perspektive jenes Konzepts allerdings – ins­ besondere auch dann, wenn das übergeordnete Ziel der Sicherstellung eines hohen Mitbe­ stimmungsstandards rechtspolitisch akzeptiert wird – ist die in der Richtlinie verankerte Verhandlungslösung als wenig geglückt zu qualifizieren, eben weil ein Potential für wirklich offene Verhandlungen insoweit kaum besteht, so daß der prozedurale Schutzcharakter des Modells im Ergebnis leerläuft. Optimistischer demgegenüber insoweit etwa Riesenhuber/ Möslein, in: Riesenhuber (Hrsg.), Perspektiven des europäischen Schuldvertragsrechts, S. 1, 31. Vgl. allgemein auch Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 341 und insoweit bereits Ayres/ Gertner, 99 Yale L.J. 87, 107 (1989), unter Hinweis auf mögliche Konflikte zwischen dem Ziel der Anregung eines Informationsaustausches im Verhandlungswege einerseits und Anreizen zu strategischem Verhalten andererseits. Aus einer formallogischen Perspektive kritisch fer­ ner Maskin, 33 Fla. St. U. L. Rev. 557  ff. (2006); aus rechtsökonomisch-vertragsrechtlicher Perspektive auch E. A. Posner, 33 Fla. St. U. L. Rev. 563  ff. (2006). 309   Vgl. Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 116 (1989). 310   Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 694; vgl. – mit dezidierter Kritik – nunmehr auch Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 199  ff., 460  ff.; inhaltlich entsprechend schon Beier, Regelungsauftrag, S. 201; siehe auch bereits UK Law Commission, Consulting Paper No. 153 307

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

Schon diese Grundvoraussetzungen berechtigen allerdings zu Zweifeln an der Kalkulierbarkeit dieser Größen aus der Perspektive des Gesetzgebers, dem daran gerade in Fällen gelegen sein muß, in denen die dispositive Regel nicht nur Praktikabilitätsgesichtspunkte, sondern materiale Wertvorstellungen realisie­ ren soll. Auch wenn man regulatorische (Schutz-) Ziele als mögliches Motiv dispositiver Rechtsetzung aus der Analyse ausblendet, bleibt es indes bei dem soeben entwickelten Einwand, daß die für das Modell erforderliche Aufklärung ex ante vielfach kaum zu leisten sein wird. Dies gilt vor allem für Fälle, in denen die zu formulierende Regel ein hohes Maß an Komplexität erreichen müßte, um die Verhandlungsanreize hinreichend präzise zu gestalten.311 Schließlich droht der mit Netzwerk- und Lerneffekten verbundene Effizienzgewinn in Gestalt erhöhter Verläßlichkeit und Rechtssicherheit konterkariert zu werden, wenn die Reaktionen der betreffenden Akteure auf entsprechende penalty defaults zu einer Vielzahl unterschiedlicher Gestaltungsmuster führen.312 Vor diesem Hintergrund bleiben als mögliche Anwendungsgebiete vor allem Sachkomplexe, in denen eine generalisierende Regelung kaum je interessenge­ recht sein wird, weil jeder Einzelfall von abweichenden Interessen geprägt ist und Standardisierung keine Effizienzvorteile erbringt. Beispiele für sinnvolle penalty defaults bieten etwa schematisierende Regelungen über die Gewinnund Verlustverteilung, wie sie im deutschen Recht § 722 Abs. 1 BGB und § 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG formulieren.313 Gerade bei komplexen Sachzusammen­ hängen wird indes die Interessenlage ex ante kaum in dem Umfang aufzuklären sein, der eine Grundlage für die Ausrichtung der von der zu formulierenden Regel ausgehenden Anreizstruktur bieten könnte. Damit sind penalty defaults nur bedingt geeignet, solche Unschärfen und mögliche Fehlsteuerungseffekte zu vermeiden, die aus unzureichender Kenntnis des Gesetzgebers vom Rege­ lungsproblem und (ggf. auch unverschuldeter) lückenhafter Sachgebietsaufklä­ rung resultieren.

– Company Directors: Regulating Conflicts of Interest and Formulating a Statement of Du­ ties, Rn. 3.34. 311   Auch wegen der Komplexität der Modellannahmen kritisch E. A. Posner, 33 Fla. St. U. L. Rev. 563, 586 (2006); entsprechend Hermalin/Katz/Craswell, in: Polinsky/ Shavell (Hrsg.), Handbook of Law and Economics, Bd. 1, S. 3, 88; Hertig/McCahery, in: Ferrarini/Wymeer­ sch (Hrsg.), Investor Protection in Europe, S. 119, 128  f. 312   Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 834 (1995); vgl. jetzt auch Cziupka, Dispositives Vertrags­ recht, S. 465  f. 313   Vgl. bereits Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 693; im Anschluß daran auch Bechtold, Grenzen des zwingenden Vertragsrechts, S. 217; vgl. auch Ayres, 59 U. Chi. L. Rev. 1391, 1399 (1992) zu entsprechenden Regelungen in den US-amerikanischen partnership laws; insoweit unzutreffend daher Beier, Regelungsauftrag, S. 201  f., der dem Konzept der penalty defaults von vornherein die Operationalisierbarkeit abzusprechen scheint und deshalb einen grund­ sätzlichen Verzicht auf penalty defaults als Bestandteile des gesellschaftsrechtlichen Regulie­ rungssystems fordert.

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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Die Gestaltung von penalty defaults in komplexen Sachzusammenhängen ist mithin im Prinzip kaum anderen Problemen ausgesetzt als die Gestaltung an­ derer Normtypen, und zwar unabhängig davon, ob deren materialer Gehalt ledig­lich an Praktikabilitätsgesichtspunkten orientiert ist oder ob die Norm re­ gulatorische (Schutz-) Anliegen verfolgt.314 Nur wirken sich die skizzierten Informationsprobleme bei penalty defaults auf einer etwas anderen Ebene aus: Während sich ansonsten Unsicherheiten des Gesetzgebers hinsichtlich der rechtstatsächlichen Charakteristika des Regelungsproblems unmittelbar in De­ fiziten in Tatbestand und Rechtsfolge niederschlagen, entwerten oder schwä­ chen sie bei penalty defaults zunächst nur die beabsichtigte Anreizstruktur. Erst weil und soweit es nicht zur Aufnahme von Verhandlungen kommt oder weil das Verhandlungsergebnis durch Verzerrungen aufgrund der fehlerhaft realisierten Anreizstruktur beeinflußt wird, wirken sich unklare Vorstellungen hinsichtlich des Sachproblems hier auf das Gestaltungsergebnis aus. Unabhängig von diesen Unterschieden in der Funktionsweise bleibt es dabei, daß auch bei penalty defaults eine lückenhafte Informationsbasis des Gesetzge­ bers hinsichtlich des zu regelnden Sachproblems Funktionsdefizite verursachen kann. Schon nach der ersten Plausibilitätskontrolle spricht sogar einiges für die Vermutung, daß dies vielleicht sogar in noch größerem Umfang als bei anderen Regulierungsinstrumenten der Fall sein könnte: Anders als bei diesen, setzt die inhaltliche Gestaltung von penalty default rules weniger (jedenfalls zum Teil notwendigerweise spekulative, aber vielfach auch rational begründbare) Ver­ mutungen des Gesetzgebers über die „richtige“, weil dem hypothetischen Par­ teiwillen entsprechende oder als material gerecht erkannte Lösung des Sachpro­ blems voraus. Um die Anreize zur Aufnahme von Verhandlungen für die Per­ spektive der betroffenen Akteure verläßlich zu kalibrieren, bedarf es bei penalty defaults vielmehr vor allem hinreichend tragfähiger Annahmen hinsichtlich der Motivation der Parteien. Bei komplexer gelagerten Sachproblemen wird auch diese Voraussetzung vielfach kaum erfüllt sein, zumal dann, wenn in concreto Grund zur Annahme besteht, daß irrationale Motive der Verhandlungsparteien mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung der gesetzlichen Regelung den Aus­ schlag für ein Festhalten daran geben könnten.315 cc)  Dispositives Recht und Ausgestaltung „begleitender“ Verfahrensregeln Die volle Dimension der regulatorischen Wirkungen dispositiver Normen ist mit alledem noch nicht ausgeleuchtet. Schon die Betonung des prozeduralen Charakters dispositiver Normen impliziert vielmehr zugleich, daß deren 314   Vgl. – mit deutlicher Kritik am Konzept – nochmals neuerdings auch Kähler, Macht und Vielfalt, 2. Kap. sub C. 2. 315   Vgl. insoweit nochmals Bainbridge, Corporation Law and Economics, S. 31 in Fn. 9, und im Anschluß daran Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 694.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

(Schutz-) Wirkung nicht allein von der Abdingbarkeit als solcher, sondern eben­ so auch von den Voraussetzungen abhängt, unter denen die Parteien von der im dispositiven Recht angelegten Lösung abweichen können: Entscheidend ist mit­ hin zugleich die Ausgestaltung des Entscheidungs- und Gestaltungsprozesses, in dem über Wahl oder Abwahl der dispositiven Lösung jeweils entschieden wird. Zu recht ist gerade dieser Aspekt im jüngeren Schrifttum besonders be­ tont worden.316 Zumal in typischerweise polyzentrischen unternehmensrechtli­ chen Zusammenhängen sind damit durchaus komplexe Zusammenhänge ange­ sprochen: Ob und inwieweit die betreffenden Akteure tatsächlich Verhandlun­ gen aufnehmen und wie die Anreize für die Wahl der im dispositiven Recht formulierten Lösung oder einer Alternative beschaffen sind, hängt hier nicht zuletzt davon ab, welche (unterschiedlich informierten) Akteure unter welchen Bedingungen tatsächlich zur Entscheidung über Wahl oder Abwahl der dispo­ sitiven Lösung berufen sind. Die – implizite oder explizite – Ausgestaltung der prozeduralen Rahmenbedingungen für die Rechtsgestaltung entscheidet damit als bedeutsamer Faktor über den Einfluß, der sich mit dispositivem Recht auf die privatautonome Gestaltung gewinnen läßt.317 Nicht nur die Zuweisung von Entscheidungskompetenzen (etwa an die Ver­ waltung oder die Gesamtheit der Anteilseigner bei der Gestaltung der Bedin­ gungen der Eigenkapitalfinanzierung), sondern auch Vorgaben an das zu be­ achtende Verfahren (insbesondere im Hinblick auf Mehrheitserfordernisse und den Grad der Formalisierung) sind insoweit von Bedeutung. Je schärfer die diesbezüglichen Anforderungen gestaltet sind, desto höher sind die Hürden für flexible und einzelfallbezogene Gestaltungen; je niedriger sie gesetzt sind, desto eher wird zu erwarten sein, daß sich tatsächlich auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Lösungen durchsetzen.318 Ist die Entscheidung einer größeren und heterogenen Gruppe zugewiesen, z. B. der Gesamtheit der Aktionäre in einer Publikumsgesellschaft, werden die heterogenen Interessen und Anreize der Gruppenmitglieder eine einzelfallbezogene Lösung häufig verhindern (sog. collective action problem). Ist demgegenüber beispielsweise die Geschäftslei­ tung ermächtigt, über Wahl oder Abwahl dispositiven Gesetzesrechts zu ent­ scheiden oder erhält sie erheblichen Einfluß auf die wesentlichen Verhandlungs­ prozesse, z. B. durch die Befugnis zur Vorbereitung entsprechender Vorlagen, 316   Dazu und zum folgenden grundlegend McDonnell, 60 S.M.U. L. Rev. 383  ff. (2007), der sich um eine umfassende Analyse der „altering rules“ (Regeln über die Rechtsgestaltung) bemüht; vgl. im Ansatz, aber mit anderem thematischem Schwerpunkt auch bereits Ayres, 73 U. Chi. L. Rev. 3, 6 (2006). 317   Pointiert McDonnell, 60 S.M.U. L. Rev. 383, 392 (2007): Regulierung mittels dispositi­ ver Normen „not through manipulating default rules, but rather through manipulating alte­ ring rules“, d. h. die prozeduralen Vorgaben für die Entscheidung über Wahl oder Abwahl dispositiver Normen. 318   McDonnell, 60 S.M.U. L. Rev. 383, 393  ff., 397 (2007). Siehe zum Ganzen auch Möslein, Dispositives Recht, 2. Teil, § 5, sub III.

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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so ist zu erwarten, daß diese Effekte deutlich geringer ausfallen, eben weil inso­ weit eher homogene Anreize bestehen werden.319 Dies hat potentiell bedeutende Implikationen gerade für das Konzept der penalty defaults: Wenn davon auszu­ gehen ist, daß heterogene Anreizstrukturen bei Gesellschafterentscheidungen die Einigung auf effiziente Lösungen im Einzelfall erschweren werden, so könnte es sich auch deshalb anbieten, gerade bei Regelungen über die Kompe­ tenzverteilung zwischen Anteilseignern und Geschäftsleitung eher solche Lö­ sungen im dispositiven Recht vorzusehen, die einseitig den Interessen der An­ teilseigner entgegenkommen. Deren Anpassung an die Bedürfnisse des Einzel­ falls wäre der Initiative der Geschäftsleitung zu überlassen, die den Anteilseig­ nern Vorschläge für Abweichungen unterbreiten muß und schon dadurch an einer einseitig eigennützigen Gestaltung gehindert wird.320 In der Tat darf auch in solchen Fällen die Prägekraft der Ausgestaltung des Verhandlungsprozesses auf das Verhandlungsergebnis nicht unterschätzt werden.321 Auf einen Sonderfall aus dem Kreis möglicher „begleitender“ verfahrens­ rechtlicher Regelungen zur Effektuierung des Regulierungseffekts dispositiver Regelungen sei abschließend zunächst nur kurz hingewiesen: In Deutschland in Gestalt der Pflicht zur sog. Entsprechenserklärung zur Umsetzung des Deut­ schen Corporate Governance Kodex (§ 161 AktG) – und hier also nicht im Zu­ sammenhang mit dispositiven Regelungen – realisiert, könnten sog. complyand/or-explain-Lösungen 322 die Steuerungswirkungen dispositiver Lösungen quasi absichern, wenn und soweit damit Anreize zugunsten der Beibehaltung der im dispositiven Gesetzesrecht niedergelegten Lösung verbunden sein soll­ ten.323 Derartige Anreize sind denkbar einerseits in Gestalt einer möglichen Ab­ schreckungswirkung der Erklärungspflicht als solcher, andererseits – und da­ mit zusammenhängend – als Konsequenz der abschreckenden Signalwirkung, die von der Erklärung der Nichteinhaltung der jeweiligen Norm ausgeht. Schon weil eine solche Signalwirkung regelmäßig voraussetzen wird, daß Fehlinfor­ mationen mit Sanktionen belegt werden, werden derartige Lösungen allerdings   McDonnell, 60 S.M.U. L. Rev. 383, 393  ff. (2007).   Vgl. in diese Richtung Bebchuk, 102 Harv. L. Rev. 1820  ff. (1989); dens., 89 Colum. L. Rev. 1395, 1399  ff. (1989); dens./Hamdani, 96 Nw. U. L. Rev. 489, 501  ff. (2007); siehe auf die­ ser Grundlage auch Bebchuk, 118 Harv. L. Rev. 833, 866  ff. (2005); im Anschluß daran auch McDonnell, 60 S.M.U. L. Rev. 383, 390, 394 (2007). 321   Vgl. nochmals auch bereits oben sub bb) (S. 139) bei und in Fn. 308 zu den Konsequen­ zen der sog. Verhandlungslösung über die unternehmerische Mitbestimmung nach Art. 7 der SE-Richtlinie, die dieses Ergebnis anschaulich belegt. 322   Vgl. allgemein Statement of the European Corporate Governance Forum on the comp­ ly-or-explain principle vom 22. 6. 2006; zur bisherigen Fassung des § 161 AktG Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 525, 531; MünchKomm/Semler, AktG, § 161 Rn. 47; Lutter/K. Schmidt/ Spindler, AktG, § 161 Rn. 10; ders., in: VGR (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2001, 2002, S. 91, 93; vgl. auch Hüffer, AktG, § 161 Rn. 3. 323   Vgl. nochmals Statement of the European Corporate Governance Forum on the com­ ply-or-explain principle vom 22. 6. 2006; MünchKomm/Semler, AktG, § 161 Rn. 47 319

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im vorliegenden Referenzgebiet nicht durchgängig, sondern vor allem im Kon­ text gesetzlich präformierter und hoheitlich und/oder haftungsrechtlich sank­ tionierter Pflichtpublizität und also vor allem bei kapitalmarktorientierten Ge­ sellschaften zur Anwendung kommen können.324 Ob und inwieweit Entspre­ chenserklärungen rechtstatsächlich mit derartigen Anreizen verbunden sind, ist zudem bislang empirisch nicht eindeutig belegt.325 dd)  Fazit Für die Nutzung dispositiven Rechts als Regulierungsinstrument lassen sich nach alledem in der Tat strukturspezifische prozedurale Wirkungen fruchtbar machen, wobei die Grenze zwischen Form und materialer Gestaltung verfließt: Durch die planvolle Besserstellung eines Akteurs in der dispositiven Lösung kann der Gesetzgeber dergestalt auf die Akteure einzuwirken suchen, daß zwar Abweichungen von der gesetzlichen Lösung zugelassen werden, die ursprüng­ lich schlechter gestellte Partei hierfür aber regelmäßig finanzielle Kompensati­ on oder ein Entgegenkommen bei anderen Verhandlungspositionen gewähren muß. Damit verwandt ist das in der jüngeren US-amerikanischen Rechtstheorie intensiv erörterte Konzept informationsinduzierender sog. penalty defaults, die durch Manipulation der dispositiven Lösung durch Besserstellung der typi­ scherweise schlechter informierten Partei ebenfalls Verhandlungsprozesse in Gang zu setzen suchen. Ob und inwieweit beide Varianten im vorliegend unter­ suchten Referenzgebiet de lege ferenda zur Effektivitätssteigerung im Gesamt­ programm kapitalgesellschaftsrechtlicher Normen weiterentwickelt und aus­ gebaut werden könnten, läßt sich abschließend noch nicht bewerten. Für das Konzept der penalty defaults allerdings hinterläßt mit Blick auf die vielfach zu erwartenden Probleme bei der erforderlichen regulierungsvorbereitenden Auf­ klärung von Interessenlage und Motivation der betreffenden Akteure schon die erste Plausibilitätskontrolle erhebliche Bedenken. c)  Regulierung durch faktische Bindungswirkung? Ob die mit dispositivem Recht möglicherweise strukturimmanent verknüpften Persistenzneigungen als selbständiger Ansatzpunkt für die regulierende Ein­ flußnahme auf die privatautonome Gestaltung durch dispositives Recht tragen, ist bei alledem eher zweifelhaft: Die vorliegenden Erkenntnisse zu Ursachen und zur Reichweite derartiger Persistenzneigungen für das untersuchte Refe­ renzgebiet sind zu vage und insbesondere die empirische Absicherung ist zu 324   Vgl. nochmals Hüffer, AktG, § 161 Rn. 3, der anschaulich vom „Erwartungsdruck des Kapitalmarkts“ als konzeptionell wesentlichem Grund für die Akzeptanz der Empfehlungen des DCGK spricht. 325   Siehe noch unten sub D. III. 1. b) bb) (S. 221  ff.).

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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dünn, als daß allein darauf ein Vertrauen auf die verhaltenssteuernde Wirkung dispositiver Normen gestützt werden könnte. Wie gesehen, ist der mit den jün­ geren rechtstheoretischen Begründungsansätzen für Persistenzeffekte und den Versuchen zu ihrer empirischen Absicherung verbundene Erkenntnisgewinn vor allem negativer Natur: Das überkommene Leitbild von der privatautono­ men Gestaltung als dem gegenüber der zwingenden gesetzlichen Vorgabe vor­ zugswürdigen, weil effizientere Gestaltungen begünstigenden Regelungsmo­ dell wird damit zwar nicht vollständig, aber hinsichtlich eines Teils der Grundannahmen zu Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise erschüt­ tert. Dies indiziert zumindest einen Bedarf nach weiterer, möglichst auch empi­ risch abzusichernder Wirkungsforschung, ist aber kein positiver Beleg für die Funktionsäquivalenz dispositiven und zwingenden Rechts im Hinblick auf die Eignung als Regulierungsinstrument. Versuche, derartige Persistenzeffekte zu erklären, müssen zudem die soeben diskutierten prozeduralen Aspekte einbe­ ziehen, denn Unterschiede in der Ausgestaltung des Verhandlungsprozesses werden jeweils zugleich unmittelbar auf den Stellenwert (auch scheinbar irratio­ naler) Persistenzneigungen durchschlagen.326 Können Persistenzneigungen, für sich genommen, die Eignung dispositiven Rechts als Regulierungsinstrument nicht begründen, so bedeutet dies indes nicht, daß derartige Neigungen für einen anderweit fundierten Einsatz dispo­ sitiver Normen zur Verfolgung regulatorischer Anliegen nicht von erheblicher Bedeutung wären. Je stärker die hier mit dem Begriff der „faktischen Bindungs­ wirkung“ umschriebene Prägekraft dispositiver Normen 327 tatsächlich ist, de­ sto deutlicher läßt sich damit zwangsläufig auch eine etwa beabsichtigte normative Bindungswirkung dispositiver Gestaltungen unterstützen. Daß dabei beide Elemente – faktische und normative Bindungswirkungen – in einer durchaus vielschichtigen Wechselbeziehung zueinander stehen, ist bereits am Rande an­ geklungen: So werden gerade die mit der „Leitbildfunktion“ dispositiver Nor­ men zumindest implizit gezogenen Grenzen der Gestaltungsfreiheit nicht sel­ ten geeignet sein, bei den betreffenden Akteuren Unsicherheiten über den kon­ kreten Verlauf dieser Grenzen und damit die Schranken ihres Spielraums her­ vorzurufen.328 Die Unsicherheit über zulässige Alternativen zum dispositiven Gesetzesrecht wird vielfach die Wirksamkeit des regulierenden Eingriffs durch dispositive Normen mit Leitbildcharakter erhöhen. Entsprechendes gilt aber auch für die Einflußnahme durch Normen, bei denen die prozeduralen Wir­ kungen im Vordergrund stehen: Wie erörtert, kann gerade die Ausgestaltung der Interessenverteilung in der dispositiven Lösung Persistenzeffekte begünsti­ gen, wenn und soweit dadurch für die begünstigte Partei Anreize gesetzt wer­   Auch insoweit überzeugend McDonnell, 60 S.M.U. L. Rev. 383, 386  ff. (2007).   Vgl. nochmals oben sub 3. b) (S. 100  ff.). 328   Vgl. auch Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 237  f., 259. 326 327

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den, sich Verhandlungen über alternative Gestaltungen zu verweigern, falls ihr hierdurch eine Verschlechterung der in der dispositiven Lösung eingeräumten Position (tatsächlich oder auch nur vermeintlich) als Konsequenz droht. Die als strukturimmanente Eigenschaft dispositiver Normen allgemein ermittelte fak­ tische Bindungswirkung läßt sich nach alledem in der Tat im Interesse der Ef­ fektivitätssteigerung solcher dispositiver Normen aktivieren, die im Sinne der Leitbildfunktion oder im Wege indirekter, prozeduraler Einflußnahme auf Ver­ handlungsergebnisse regulierende Zwecke verfolgen. Allgemeine Aussagen über Bedeutung und Reichweite derartiger Effekte sind allerdings schon prima facie mit Blick auf die durchaus komplexen Wechselwirkungen zwischen fakti­ scher und normativer Bindungswirkung kaum möglich.

5.  Gesamtschau und Folgerungen Der damit zusammengefaßte Befund steht zugleich repräsentativ für die Ergeb­ nisse der vorstehend erarbeiteten Zusammenstellung der bisherigen Lehren zu Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise dispositiven Rechts insgesamt: Zwar bieten die vorstehend gewonnenen Erkenntnisse Anlaß zur umfassenden Ergänzung des tradierten Funktionsverständnisses dispositiver Normen (unten a)). Auch lassen sich bereits erste Grundmuster der Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise dispositiver Normen als Regulierungsinstrumente erken­ nen (unten b)). Insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen dispositiven Rechts für die an den jeweiligen Verhandlungen nicht unmittelbar beteiligten Akteure besteht indes noch erheblicher Konkretisierungsbedarf, auf den im weiteren Verlauf der Untersuchung zurückzukommen ist (unten c)). a)  Grundsätzliche Eignung als Regulierungsinstrument In negativer Hinsicht hat die oben vorgenommene Plausibilitätskontrolle zu­ nächst ergeben, daß das verbreitete Bild von der funktionalen Dichotomie dis­ positiven Rechts und zwingenden Rechts als Instrumente der Unterstützung privatautonomer Gestaltung einerseits und staatlicher Steuerung andererseits der Korrektur bedarf. Es hat sich herausgestellt, daß die Leistungsfähigkeit dis­ positiven Rechts als Instrument zum Schutz bestimmter Interessen und Rechts­ güter größer ist, als bislang angenommen wurde. Sie ist nicht unbeschränkt; ihre Grenzen sind aber mit Blick auf die komplexen Wirkungszusammenhänge kaum abstrakt-theoretisch zu definieren, sondern nur anhand konkreter Ge­ staltungen im Kontext konkreter Regelungsprobleme ermittelbar. Vor diesem Hintergrund verbieten sich zugleich auch allzu schematische Aus­ sagen über die Bedeutung dispositiver Normen als Instrument einer sinnvollen Deregulierung des gesellschaftsrechtlichen Regelprogramms: Wenn der Vorrang

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dispositiven Rechts in einer Gesellschaftsrechtsordnung ohne weitere Diskussi­ on mit den Effizienzvorteilen von Individualgestaltungen begründet wird, dann beruht dies ausweislich der Erkenntnisse zur Rezeption dispositiven Gesetzes­ rechts durch die Gestaltungspraxis teilweise auf falschen Prämissen. Wenn und soweit Persistenzneigungen mit Netzwerk- und Lerneffekten erklärbar sind, und wenn für Teilbereiche der anglo-amerikanischen Gesellschaftsrechte unge­ achtet einer weit überwiegenden Tendenz zu allenfalls behutsamen zwingenden Vorgaben an die privatautonome Gestaltung deutliche Persistenzneigungen konstatiert worden sind, so indiziert dies, daß die betreffenden Akteure beste­ hende Möglichkeiten zur Individualisierung nicht in vollem Umfang nach­fragen. Vielmehr besteht offenbar jedenfalls partiell ein nicht unerhebliches Bedürfnis nach Standardisierung, das durch marktinduzierte Gestaltungen befriedigt wird, wo nicht der Gesetzgeber selbst durch dispositive „Muster“ Standardisie­ rungstendenzen fördert oder gar mittels zwingender Vorgaben positiv forciert. Auch deshalb ist es wenig verwunderlich, wenn die auch hierzulande geführte Reformdiskussion im Kapitalgesellschaftsrecht – anders als noch in den 1990er Jahren 329 – zwischenzeitlich von pauschalisierenden Forderungen nach mög­ lichst umfassender „Deregulierung“ bzw. „Flexibilisierung“ abgerückt ist und sich, ungleich stärker differenzierend, eher auf einen Rückbau zwingender Vor­ gaben in Einzelaspekten als rechtspolitisches Programm konzentriert.330 Damit konnte in der Tat die grundsätzliche Eignung dispositiver Normen als Regulierungsinstrument ermittelt werden: Weil dispositives Recht den betref­ fenden Akteuren von vornherein keinen unbeschränkten Spielraum eröffnet, entfaltet es Prägewirkungen, die durchaus für die Umsetzung von Regulie­ rungszielen fruchtbar gemacht werden können. Die nicht nur in der deutsch­ sprachigen Literatur verbreitete gegenteilige Ansicht,331 wonach dispositives Recht hierfür grundsätzlich ausscheidet, formuliert daher allenfalls ein – (nur) als solches legitimes – rechtspolitisches Postulat, beschreibt aber keineswegs ein unumstößliches Strukturmerkmal (und liefert auch keine überzeugende Analy­ se des geltenden Rechts). b)  Grundzüge allgemeiner Lehren zur Regulierung durch dispositives Recht Ein positives Modell der Regulierung durch dispositives Recht ist damit indes noch nicht gewonnen. Vielmehr sind mit der Prägekraft dispositiver Normen und deren prozeduralen Wirkungen bislang nur die Eckpfeiler bezeichnet, auf denen ein derartiges Modell errichtet werden könnte. Funktionsvoraussetzun­   Vgl. nochmals bereits oben, 1. Teil, 1. Kap., Vor A (S. 12  f.) bei und in Fn. 1.   Dazu bereits oben, 1. Teil, 1. Kap., sub C. IV. (S. 33  f.) bei und in Fn. 66. 331   Vgl. repräsentativ nochmals Hey, Freie Gestaltung, S. 120; Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 610 (1998). Wie hier dagegen auch bereits Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 121 und passim; vgl. wiederum jetzt auch die Überlegungen bei Möslein, Dispositives Recht, 1. Teil, § 3, sowie 3. Teil, § 9. 329 330

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gen und Funktionsweise dispositiven Rechts als Regulierungsinstrument sind gleichwohl bereits in Umrissen erkennbar: Zentral ist zunächst der Umstand, daß dispositive Normen nicht nur Spielräume für die privatautonome Gestal­ tung eröffnen, sondern sie zugleich beschränken und ggf. auch inhaltlich nicht unerheblich vorprägen (Leitbildfunktion, prozedurale Wirkung!). Zwar ist auf dieser Grundlage und innerhalb des so definierten Spielraums die individuali­ sierte Gestaltung voll zulässig; dies ist auch deshalb von Bedeutung, weil da­ durch in geringerem Maße als bei zwingendem Recht die Gefahr besteht, daß – etwa infolge unzureichender Aufklärung von Regelungsproblem und/oder unzureichender Rechtsfolgenabschätzung – inadäquate Lösungen zementiert werden.332 Gleichzeitig ist die damit verbundene steuernde Wirkung auf das Verhalten der betreffenden Akteure jedoch unverkennbar. Diese ist allerdings subtiler als die Wirkungen einer ge- oder verbietenden zwingenden Norm.333 Dispositives Recht kommt ohne Befolgungszwang aus, weshalb es zur Entfal­ tung seiner Steuerungswirkung der Durchsetzung – etwa durch Inanspruch­ nahme gerichtlichen Rechtsschutzes oder durch Staatsaufsicht – nicht bedarf. Die Verhaltenssteuerung durch dispositives Recht bietet damit ein gutes Bei­ spiel für eine primär auf die Gestaltung von Anreizstrukturen, weniger auf un­ mittelbaren Befolgungszwang gestützte Art der Normdurchsetzung.334 Inso­ weit ist auch von einer expressiven Wirkung gesprochen worden.335 Wenn und soweit die Prägekraft auf kommunikativen Elementen beruht, wie dies bei Netzwerk- und Lerneffekten, aber auch bei der Heranziehung des dispositiven Rechts zur Ermittlung objektiver Wertentscheidungen des Gesetzgebers der Fall ist, überzeugt dies, wenn auch der Begriff der expressiven Funktionen da­ mit bereits recht weit gedehnt wird. Kaum zu verkennen ist allerdings, daß die verhaltenssteuernden Wirkungen ex ante kaum präzise kalkulierbar sind: Eben weil die verhaltenssteuernden Wirkungen mediatisiert sind und den dispositivem Recht unterworfenen Ak­ teuren per definitionem stets mehrere Gestaltungsoptionen offenstehen, muß der Gesetzgeber mit der Entscheidung zugunsten dispositiven Rechts stets eine gewisse Streuwirkung hinsichtlich der damit erreichbaren Ergebnisse hinneh­ men. Wie sich diese auf die Erreichbarkeit des Regulierungsziels auswirkt, kann allenfalls im Einzelfall und nur in sorgfältiger empirischer Analyse der Rechts­ tatsachen ermittelt werden, die Aufschluß über die in concreto eingetretenen 332   In diesem Sinne auch Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 313; vgl. auch schon Bebchuk, 89 Colum. L. Rev. 1395, 1411  ff. (1989). 333   Treffend Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 254 unter Hinweis auf Sunstein/Thaler, 70 U. Chi. L. Rev. 1159, 1162 (2003): „Solange die Kosten des Herausoptierens gering sind, liegt damit nur eine sehr schwache Form paternalistischer Gesetzgebung vor.“ 334   Zu diesen Alternativen allgemein bereits oben sub I. 1. (S. 64  ff.) und 3. (S. 69  f.) sowie noch im einzelnen unten sub D. I. (S. 203  ff.). 335   Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 210; zu den expressiven Funktionen von Rechtsnormen allgemein bereits oben sub A. II. (S. 56  ff.).

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Verzerrungseffekte vermitteln kann.336 Bei alledem sind zwar Verfestigungen gesamtwirtschaftlich ineffizienter Strukturen aufgrund der Persistenzneigun­ gen dispositiven Rechts nicht auszuschließen. Dies rechtfertigt aber schon des­ halb nicht notwendig eine völlige Ablehnung des Konzepts der Regulierung durch dispositives Recht, weil dispositive Normen jedenfalls im Vergleich zum zwingenden Recht immer als „geringeres Übel“ im Hinblick auf die damit ver­ bundenen Eingriffe in die Privatautonomie zu qualifizieren sind.337 c)  Regulierung durch dispositives Recht und der Schutz verhandlungsexterner Dritter Dispositives Recht delegiert die Lösung des jeweiligen Gestaltungsproblems an die betreffenden Akteure selbst. Es regt deren Verhandlungen an und beeinflußt sie zugleich inhaltlich. Daraus folgt unmittelbar, daß zunächst nur die Verhand­ lungsparteien selbst in den Genuß der aufgrund des jeweiligen Verhandlungser­ gebnisses realisierbaren Vorteile kommen – ebenso wie nur sie es sind, die die damit verbundenen Nachteile zu tragen haben. Dies gilt sowohl dann, wenn die betreffenden Akteure die im dispositiven Gesetzesrecht formulierte Lösung ak­ zeptieren, als auch dann, wenn sie an deren Stelle eine alternative Lösung ver­ einbaren. Gerade weil und soweit die Parteien dem Sachproblem näher stehen, soll es ja – innerhalb der durch den jeweiligen Tatbestand explizit oder implizit gezogenen Grenzen des Gestaltungsspielraums – ihnen überlassen bleiben, die Interessenverteilung im Einzelfall entsprechend ihren Präferenzen möglichst selbst vorzunehmen, um dann an dieses Ergebnis auch gebunden zu sein. Problematisch wird diese Ratio indes, wenn Dritte, die am ursprünglichen Verhandlungsprozeß nicht beteiligt waren und deshalb keine Gelegenheit hat­ ten, ihren individuellen Präferenzen entweder Geltung zu verschaffen oder eine Kompensation für entsprechende materielle oder ideelle Abstriche auszuhan­ deln, später in die Rechtspositionen der ursprünglichen Verhandlungsparteien eintreten, ohne die jeweiligen privatautonomen Verhandlungsergebnisse und ihre Konsequenzen abschließend ermessen zu können. Anschaulich wird dies 336   Vgl. zu den Problemen in dieser Hinsicht – in anderem Sachzusammenhang, aber ver­ allgemeinerungsfähig – treffend Engert, JbJZivRWiss 2002, 31, 39  f.: Es sei „zumindest auf den ersten Blick fraglich, ob der Gedanke der Pfadabhängigkeit je Schlüsse auf die Effizienz oder Ineffizienz (…) zuläßt. Um die (In-) Effizienz einer Normentwicklung zu belegen, müß­ te man einen Vergleich mit dem hypothetischen Zustand anstellen, der auf einem anderen Pfad der Entwicklung erreicht worden wäre. Eine solche Bewertung dürfte nur selten auf mehr als unbegründbarer Spekulation beruhen.“ Skeptisch hinsichtlich der Prognostizierbar­ keit mit guten Gründen auch Kähler, Macht und Vielfalt, 2. Kap. sub C. 2. d), der aber eben­ falls die Tauglichkeit dispositiven Rechts als Regulierungsinstrument anerkennt (ebd., 3. Kap. sub D.). Siehe nochmals auch Möslein, Dispositives Recht, 1. Teil, § 3 sub I. 1. 337   Grundsätzlich ablehnend Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 180  ff. und passim, der den Inhalt dispositiver Normen ausschließlich am hypothetischen Willen der relevanten Vertragsparteien orientiert wissen will.

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vor allem bei marktgängigen Finanzierungstiteln, die während der jeweiligen Laufzeit idealtypisch nacheinander eine Vielzahl von Rechteinhabern durch­ laufen. Hier ist das zwingende Recht, das allen Akteuren eine Lösung konkret vorschreibt, schon konzeptionell von vornherein treffsicherer. Denn unter der Geltung einer zwingend vorgeschriebenen Problemlösung ist es logisch ausge­ schlossen, daß die Position eines künftigen Rechtsnachfolgers durch individuel­ le Verhandlungsergebnisse des jeweiligen ersten Rechtsvorgängers präjudiziert wird. Entsprechendes gilt erst recht, wenn die Verhandlungsergebnisse negative Auswirkungen (externe Effekte) auf dauerhaft nicht an den jeweiligen Rechts­ verhältnissen beteiligte dritte Akteure entfalten. Als Beispiel aus dem vorlie­ gend untersuchten Referenzgebiet mögen hier Regelungen in Fremdfinanzie­ rungsverträgen mit potentiell nachteiligen Auswirkungen auf andere Gläubiger dienen – ein Befund, der etwa für bestimmte marktgängige Covenants in Kre­ ditverträgen diskutiert wird.338 In diesen Erwägungen liegt der berechtigte Kern der vorstehend339 nochmals in Erinnerung gerufenen Stimmen, die der hier vertretenen These von der Taug­ lichkeit dispositiver Normen als Regulierungsinstrument im hier verwendeten Sinn dezidiert ablehnend gegenüberstehen. Damit ist zugleich ein Grundpro­ blem für die Legitimation privatautonomer Gestaltung in der Rechtsordnung allgemein angesprochen: Sobald Interessen Dritter involviert sind, trägt die grundsätzliche Vermutung nicht, daß Verträge schon deshalb zu material „rich­ tigen“ Ergebnissen führen, weil die Vertragsparteien ihre Interessen selbst am besten einzuschätzen vermöchten („stat pro ratione voluntas“), denn zwischen diesen und den Interessen der betroffenen Dritten besteht typischerweise kein Gleichlauf.340 Allein daraus läßt sich allerdings nicht folgern, daß dispositives Recht von vornherein zum Schutz der Interessen Dritter ungeeignet wäre. Auch für die ungeklärten Folgewirkungen individualisierter Gestaltungen für mögli­ che künftige Rechtsnachfolger oder externe Effekte zu Lasten Dritter sind viel­ mehr Problemlösungen nicht nur denkbar, sondern bereits de lege lata vielfach realisiert. Derartiger Lösungen bedarf es indes von vornherein nur dort, wo nicht bereits andere Schutzmechanismen greifen. Letzteres ist etwa zugunsten der Rechtsnachfolger der ursprünglichen Vertragsparteien in marktgehandelten Fi­ nanzierungstiteln der Fall, wenn und soweit sich die daraus resultierenden Chan­ cen und Risiken im Marktpreis für die jeweilige Rechtsposition niederschlagen. Um Verläßlichkeit und Vergleichbarkeit der jeweiligen Preise zu fördern, könn­ ten sich ergänzend Abstufungen hinsichtlich der Möglichkeiten zur privatauto­ nomen Gestaltung anbieten, wie sie im US-amerikanischen Schrifttum in jün­ gerer Zeit de lege ferenda vorgeschlagen worden sind: Während diese Stimmen 338   Vgl. dazu vorerst nur Enriques/Macey, 86 Cornell L. Rev. 1165, 1172 (2001); siehe auch Merkt, ZGR 2004, 305, 313  f., 321, und noch näher unten, 2. Kap., sub C. (S. 280  f.). 339   Soeben sub a) (S. 147) bei und in Fn. 331. 340   Vgl. statt vieler Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S. 66  f.

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grundsätzlich am Prinzip weitestgehender Gestaltungsfreiheit bei der Formulie­ rung der Satzung von corporations festhalten wollen, fordern sie für nachträgliche Änderungen bestehender Satzungen weitreichende Einschränkungen, ins­ besondere um die berechtigten Erwartungen von Minderheitsgesellschaftern zu schützen.341 Vor allem aber kann, wenn gleichwohl ein Bedürfnis nach regulie­ render Gestaltung der fraglichen Rechtsbeziehungen bestehen sollte, den Inter­ essen Dritter beim Zuschnitt der jeweiligen dispositiven Lösung Rechnung ge­ tragen werden. Dies gilt nicht nur für den Schutz verhandlungsexterner Rechts­ nachfolger, sondern auch zugunsten sonstiger Dritter: Durch entsprechende Gestaltung, etwa durch gezielte Bevorzugung einer als schutzbedürftig erkann­ ten Interessengruppe lassen sich etwa die Transaktionskosten für unerwünschte Gestaltungen erhöhen, so daß diese an Attraktivität verlieren. Insbesondere Per­ sistenzneigungen dispositiver Normen aufgrund von Lern- und Netzwerkeffek­ ten lassen sich nutzen, um diese Effekte weiter zu stabilisieren.342 Dispositives Recht ist nach alledem konzeptionell keineswegs hilflos, was den Schutz der nicht an den jeweiligen Verhandlungen beteiligten Dritten anbe­ langt. Die allzu pauschale Gegenauffassung verkennt, daß sowohl materiale Gestaltungsschranken als auch strukturimmanente Persistenzneigungen zu de­ ren Schutz aktiviert werden können. Pauschale Aussagen zur Praktikabilität und zu Vor- und Nachteilen dieser Ansätze sind allerdings kaum möglich, weil in unterschiedlichen Sachzusammenhängen durchaus unterschiedliche Kom­ pensationsmechanismen in Betracht kommen.

III.  Zwingendes Recht Die oben gewonnenen Erkenntnisse entfalten Implikationen auch für das tra­ dierte Funktionsverständnis zwingender Normen. Konnte die Eignung dispo­ sitiver Normen zur Verhaltenssteuerung und somit ihre Tauglichkeit als Regu­ lierungsinstrumente festgestellt werden, so ist damit zwar noch kein abschlie­ ßendes Urteil über Legitimation, Nutzen und Defizite zwingenden Rechts verbunden. Doch lassen sich aus den bisherigen Ergebnissen Maßstäbe gewin­ nen, anhand derer diesen Aspekten nachgegangen werden kann. In den Blick zu nehmen sind nachfolgend zunächst die Konsequenzen, die sich aus den bisheri­ gen Erkenntnissen für die Legitimation zwingender Normen ergeben (unten 1.), sodann eine knappe Typologie der beiden Ausprägungen dieses Regulierungs­ instruments (unten 2.). Mit der Legitimation eng verknüpft ist die Frage nach den Funktionen zwingenden Rechts im einschlägigen Regelgefüge (unten 3.). Auch unter Heranziehung des eingangs der Untersuchung bereits kurz vorge­   In diese Richtung Bebchuk, 102 Harv. L. Rev. 1820  ff. (1989).   Vgl. schon Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 259.

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stellten Analyserahmens der ökonomischen Regulierungstheorie lassen sich schließlich aus den bisherigen Ergebnissen wichtige Rückschlüsse für mögliche Funktionsdefizite zwingenden Rechts ableiten (unten 4.). In einer Gesamtschau (unten 5.) sind auf dieser Grundlage die tradierten Aussagen zur Funktion zwingender Normen einzugrenzen und zugleich zu präzisieren. Die Funkti­ onsmerkmale dispositiven Rechts liefern dabei Kriterien für die Frage nach der Notwendigkeit und den Funktionen zwingender Normen als Instrumente zur Verhaltenssteuerung. Insgesamt ergibt sich ein ungleich stärker differenzieren­ des Funktionsverständnis der Regulierung durch zwingendes Recht, als es die bisherige Diskussion nicht nur im Gesellschafts-, sondern auch im allgemeinen Vertragsrecht geprägt hat.

1.  Legitimation zwingenden Rechts Die tradierte, nicht nur in der deutschsprachigen zivilistischen Dogmatik, son­ dern auch in der Rechtsökonomik fest verankerte Konzeption zwingenden Rechts als begründungspflichtige Beschränkung der freien privatautonomen Gestaltung einerseits, aber auch als notwendiges Instrument zum Schutz der betreffenden Vertragspartner und vertragsexterner Dritter andererseits ist be­ reits an anderer Stelle angesprochen worden. Sie wird, wie ausgeführt, heute kaum mehr im Detail problematisiert:343 Zwingendes Recht ist hiernach not­ wendig, wo schützenswerte Belange bei unbeschränkter Gestaltungsfreiheit nicht hinreichend berücksichtigt zu werden drohen.344 Als anerkannte Schutz­ güter im Gesellschaftsrecht kommen – unabhängig von der rechtskulturellen Einbettung – insbesondere die Interessen von Gläubigern, Anlegern, Minder­ heiten und Arbeitnehmern in Betracht.345 Mit Blick auf die zum dispositiven Recht gewonnenen Erträge erweist sich diese Argumentation freilich als unzureichend und ist zumindest zu präzisie­   Siehe schon oben sub I. 2. (S. 66  ff.).   Vgl. charakteristisch nochmals Bucher, in: FG Deschenaux, 1977, S. 249, 250  ff.; zuvor noch Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht im BGB, S. 65  ff., 75; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 3 Rn. 102 bei und in Fn. 85; vgl. auch Fröhlich, Vom zwingenden und nichtzwingenden Privatrecht, S. 75  ff., insbes. S. 77, der drei Gruppen zwingender Vorschrif­ ten unterscheidet: Vorschriften zur Aufrechterhaltung der „öffentlichen Ordnung“, zum Schutz der „Sittlichkeit“ sowie zum „Schutze der Schwachen“. Aus dem anglo-amerikani­ schen Schrifttum repräsentativ Burton, 3 S. Cal. Interdisc. L.J. 115, 139  f. (1993); Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 610 (1998). 345   Vgl. nur Hopt, in: ZGR-Sonderheft 13 (1998), S. 123, 128  ff.; Kalss, Reform des öster­ reichischen Kapitalgesellschaftsrechts, S. 35; Wiedemann, in: ZGR-Sonderheft 13 (1998), S. 5, 7  ff.; ders., Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 7, S. 357  ff. (Individualschutz), § 8, S. 404  ff. (Minderhei­ tenschutz), § 9, S. 472  ff. (Kapitalanlegerschutz), § 10, S. 513  ff. (Gläubigerschutz). Zum Stellen­ wert dieser Schutzgüter in der US-amerikanischen Rechtsentwicklung stellvertretend Coffee, 89 Colum. L. Rev. 1618, 1633 (1989). 343

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ren: Weil und soweit oben die für die bisherige dogmatische Diskussion durch­ aus prägende Überzeugung von der fehlenden Tauglichkeit dispositiver Nor­ men zur Umsetzung von Schutzanliegen erschüttert werden konnte, reicht auch das bloße Vorliegen eines anerkannten Schutzgutes nicht aus, um die Wahl zwingenden Rechts als Regulierungsinstrument zu erklären und zu rechtferti­ gen. Vielmehr bedarf es – nicht nur aus ökonomischer Perspektive,346 sondern ebenso sub specie des verfassungsrechtlich mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 GG zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und auch mit Blick auf den Grundsatz der Privatautonomie347 – der näheren Begründung, auf welche Defi­ zite dispositiver Normen der gravierende Eingriff durch zwingendes Recht konkret reagieren soll. Einen tauglichen Anknüpfungspunkt für die weitere Untersuchung liefert dabei wiederum die ökonomische Regulierungstheorie, die auch in diesem Zusammenhang für die Reformdiskussion im allgemeinen Vertragsrecht ebenso wie im Gesellschaftsrecht bereits wiederholt herangezo­ gen worden ist: Gerade der Eingriff durch zwingendes Recht setzt hiernach voraus, daß privatautonomes Handeln der Vertragsparteien, ggf. unterstützt und beeinflußt durch dispositives Recht, ein Marktversagen zur Folge hätte.348 Dieses Postulat ist insofern präziser als die soeben referierten Begründungsan­ sätze, als damit bereits Beurteilungskriterien für die Frage verbunden sind, wann von einer Benachteiligung der Interessen Dritter durch die privatautono­ me Gestaltung tatsächlich auszugehen und also der Einsatz zwingenden Rechts gerechtfertigt oder ggf. gar geboten ist. Die Kategorie des „Marktversagens“ beschreibt Fälle, in denen die nicht durch gesetzliche Vorgaben präformierte privatautonome Gestaltung – gemessen am Pareto-Kriterium 349 – nicht zu opti­ malen Verteilungsergebnissen führen würde:350 Auch hiernach reicht die bloße Existenz schutzwürdiger Belange zur Begründung des zwingenden Eingriffs mithin nicht aus. Vielmehr ist eine sorgfältige Analyse der Folgen einer (hypo­ thetischen) privatautonomen Regelung für diese Belange erforderlich, die aller­ 346   Vgl. insoweit deutlich Butler/Ribstein, 65 Wash. U. L. Rev. 1, 64 (1990): „the burden of proof“ für die Erforderlichkeit gesetzlicher Eingriffe liege bei den Gegnern völliger Gestal­ tungsfreiheit. 347   Siehe nochmals oben sub II. 1. (S. 79  f.) bei und in Fn. 99  ff. 348   Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 203  f., 264; Butler/Ribstein, 65 Wash. U. L. Rev. 1, 33  ff. (1990); Cheffins, Company Law, S. 244 (unter Konzentration auf externe Effekte zu Lasten verhandlungsunbeteiligter Dritter); Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1043; Hirte, ZGR-Sonderheft 13 (1998), S. 61, 73  f.; Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 294; inhalt­ lich entsprechend auch Kalss, Reform des österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, S. 35  ff.; siehe nochmals oben, sub II. 1. (S. 79) bei und in Fn. 97, sowie allgemein oben, 1. Teil, 2. Kap., sub A. II. (S. 40  f.). 349   Pareto-effiziente Allokation von Gütern und Ressourcen beschreibt bekanntlich das wohlfahrtstheoretische Ideal als Zustand, von dem aus die Besserstellung einer Person nur gelingt, wenn mindestens eine andere Person dadurch einen Nachteil erleidet; vgl. statt vieler Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 26. 350   Vgl. nur Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 107  ff.

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dings nicht ausschließlich objektiv, sondern von vornherein nur wertend ermit­ telbar sind.351 Zudem muß untersucht werden, ob und inwieweit sich die betrof­ fenen Akteure ggf. selbst (und möglicherweise effektiver, als zwingendes Geset­ zesrecht es könnte) gegen entsprechende Risiken schützen können.352 Ein zwin­ gender Eingriff kann insbesondere dann legitimiert sein, wenn der im Einzelfall verfolgte Regulierungszweck nicht mit den weniger einschneidenden Mitteln des dispositiven Rechts erreichbar ist. Dies kommt vor allem dann in Betracht, wenn – aus welchen Gründen auch immer – die prozeduralen Schutzfunktionen dispositiver Normen nicht realisierbar sind.353 Auch das kann grundsätzlich nur im konkreten Sachzusammenhang ermittelt werden. Ansätze zu einer Konkretisierung dieses Maßstabs sind wiederum bereits aus der regulierungstheoretischen Analyse verschiedener Formen von Marktversa­ gen ableitbar: Bedeutsam sind zunächst Fälle, in denen die privatautonome Ge­ staltung negative354 externe Effekte (externalities), also adverse Wirkungen zu Lasten von nicht an den Verhandlungen beteiligten Personen auslöst.355 Nach den vorstehend gewonnenen Erkenntnissen kommen insoweit insbesondere Fortwirkungen der privatautonomen Gestaltung auf mögliche Rechtsnachfol­ ger der ursprünglich an den Verhandlungen beteiligten Parteien, aber auch Aus­ wirkungen auf unbeteiligte Dritte, z. B. (andere) Gläubiger, in Betracht. Eine im vorliegenden Kontext bedeutsame weitere Ursache von Marktversagen bilden Fälle von Informationsasymmetrien: Ein Eingriff durch zwingendes Recht kann danach zur Korrektur asymmetrischer Verteilung der für die Verhand­ lungsführung sowie für die Preisbildung im jeweiligen Zusammenhang erfor­ derlichen Informationen gerechtfertigt und möglicherweise sogar geboten   Vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 106  ff.; pointiert zusf. Bechtold, Gren­ zen zwingenden Vertragsrechts, S. 32: „Marktversagen kann Anlaß für korrigierende staatli­ che Eingriffe geben. Allerdings ist dies kein Automatismus. Es gibt auch ‚Staatsversagen‘. Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob eine staatliche Intervention in der Praxis tatsächlich eine Verbesserung gegenüber den Marktergebnissen bewirken könnte.“ (Nachweise wegge­ lassen). 352   Vgl. zu letzterem Ayres/Gertner, 99 Yale L.J. 87, 88 (1989); pointiert Cheffins, Company Law, S. 245: “Still, it is doubtful whether externality concerns justify a mandatory approach in relation to measures designed to protect creditors. The reason is that creditors have ample opportunity to bargain for contractual protection against the effects of transactions under­ taken by their debtor companies.” Dies hängt allerdings davon ab, ob die betreffenden Gläu­ biger über die auch insoweit erforderliche Informationsbasis verfügen, was wiederum nicht abstrakt, sondern nur bezogen auf konkrete Sachprobleme feststellbar ist. 353   Johnston, 3 S. Cal. Interdisc. L.J. 335 (1993). 354   Auch positive externe Effekte sind denkbar. Zu ihnen zählen etwa die mit Netzwerkef­ fekten verbundenen Effizienzvorteile; siehe dazu nochmals oben sub II. 3. c) bb) (S. 117  ff.) und allgemein Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 101  ff., 259  f. 355   Zu externen Effekten allgemein z. B. Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirt­ schaftspolitik, S. 90  ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 394; zur Bedeutung im vorlie­ genden Zusammenhang Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 30  f., 44, 203; Hermalin/Katz/Craswell, in: Polinsky/Shavell (Hrsg.), Handbook of Law & Economics, Bd. 1, S. 7, 30  ff. 351

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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sein.356 Damit erweitert sich zugleich der traditionelle, auf die materiale Schutz­ funktion zwingenden Rechts fokussierte Blickwinkel; neben dem Marktteil­ nehmerschutz gerät auch die Sicherung der institutionellen Grundlagen der privatautonomen Gestaltung als möglicher Schutzzweck und Rechtfertigung für den Eingriff durch zwingendes Recht in den Blick.

2.  Negativ-präskriptive und positiv-präskriptive zwingende Normen Bevor den damit skizzierten Fragen nachgegangen werden kann, ist allerdings noch eine Einteilung zu entwickeln, die sich für die funktionale Analyse als bedeutsam erweisen wird und die an der Grenze zwischen formaler und mate­ rialer Ausgestaltung angesiedelt ist: Etwas unscharf könnte in diesem Zusam­ menhang von der Reichweite des mit einer Norm verfolgten regulatorischen Anspruchs gesprochen werden. Eine erste Annäherung vermittelt die nicht nur in der rechtswissenschaftlichen Literatur,357 sondern auch im allgemeinen Sprachgebrauch verwurzelte Unterscheidung von Ge- und Verbotsnormen. Die hier statt dessen mit den Begriffen der „negativ-präskriptiven“ und der „positivpräskriptiven“ Normen vorgenommene Kategorienbildung ist dagegen unüb­ lich 358 und begründungsbedürftig. Sie soll dem Umstand Rechnung tragen, daß eine klare Grenzziehung zwischen Ge- und Verboten häufig kaum möglich ist; semantische Zufälligkeiten sind in dieser Hinsicht häufig bedeutsamer als in­ haltliche Merkmale der Normen: Ob eine Norm ein „Gebot“ formuliert, also ein konkretes Verhalten gebietet, oder ob sie konkrete Verhaltensweisen verbie­ tet, bedeutet, für sich genommen, formallogisch keinen Unterschied.359 In der Tat läßt sich prinzipiell jedes Gebot auch als Verbot, jedes Verbot alternativ als Gebot formulieren;360 jedes Gebot verbietet die faktisch eröffneten alternativen Verhaltensweisen, während jedes Verbot es gebietet, eine andere als die konkret bezeichnete Verhaltensweise zu wählen. Ob es dem Gesetzgeber indes gerade darauf ankam, mit einer Ge- oder Ver­ botsnorm lediglich eine oder eine Reihe von mehreren denkbaren, aber nicht durchweg als schädlich angesehenen oder aus anderen Gründen unerwünschten Verhal­tens­weise(n) nach Möglichkeit zu verhindern, oder ob er ausschließlich eine bestimmte Verhaltensweise zulassen wollte, bedeutet gleichwohl einen qualitativen Unterschied und hat überdies, wie zu zeigen sein wird, durchaus   Vgl. nochmals Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 31, 205.   Siehe wiederum nur Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 49 IV, S. 303; Fröhlich, Vom zwingenden und nichtzwingenden Privatrecht, S. 75 m. w. N. 358   Vgl. aber Bachmann, Private Ordnung, S. 22, der „präskriptive Regeln“ und „Zweck­ mäßigkeitsregeln“ unterscheidet. 359   Vgl. auch Sieckmann, Regelmodelle und Prinzipienmodelle, S. 38. 360   Fröhlich, Vom zwingenden und nichtzwingenden Privatrecht, S. 75. 356 357

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erhebliche Implikationen für die Funktionsweise der jeweiligen Norm.361 Kommt es – quasi selektiv – auf den Ausschluß einzelner konkreter Verhaltens­ weisen an, während die hierzu bestehenden Alternativen zulässig bleiben, soll nachfolgend von „negativ-präskriptiven“ Regelungen gesprochen werden; alter­ nativ ließe sich von „prohibitiven“ Vorschriften sprechen. Beabsichtigt das Ge­ setz dagegen von vornherein, die normunterworfenen Akteure auf eine konkret bezeichnete Verhaltensweise festzulegen, soll also das Spektrum der faktisch eröffneten Verhaltensweisen auf nur mehr eine Alternative (oder einen positiv definierten, begrenzten Kreis von Alternativen) verengt werden, so wird dies als Fall einer „positiv-präskriptiven“ Regelung bezeichnet. Bei aller konzeptionel­ len Klarheit mag die Zuordnung bisweilen schwer fallen. Exemplarisch zeigen dies etwa gesetzliche Mindeststandards, z. B. Mindestkapitalvorschriften: Unterhalb des gesetzten Standards angesiedelte Gestaltungen sind verboten, wäh­ rend oberhalb Gestaltungsspielräume eröffnet sind.

3.  Funktionen zwingenden Rechts Von der Legitimation, dem Geltungsgrund, zu unterscheiden sind die Funktionen zwingenden Rechts. In der bisherigen dogmatischen, aber auch in der rechtsökonomischen Literatur ist ihnen eine geringere Aufmerksamkeit zuteil geworden als den Funktionen dispositiver Normen. Zumeist wird unmittelbar die Brücke von den referierten Legitimationsansätzen zu konkreten Sachfragen geschlagen, ohne daß der Versuch unternommen würde, allgemeine Lehren zu unterschiedlichen Funktionen zu formulieren oder auch nur Kriterien für die Systematisierung unterschiedlicher Funktionen aufzustellen.362 Ebenso wie die Funktionsanalyse dispositiver Normen kann indes auch die Untersuchung 361   Vgl. pointiert nochmals auch Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 49 IV, S. 303, die wie folgt unterscheiden: „a) Zwingende vernichtende Rechtsnormen (negative, Verbots­ normen): Sie verbieten etwas, ohne eine inhaltlich positive Rechtsnorm, die statt des Verbote­ nen gelten soll, auszusprechen. (…) b) Zwingend ergänzende Rechtsnormen (positive Nor­ men). Sie enthalten einen positiven, sich schlechthin durchsetzenden Rechtssatz, der entge­ genstehende Vereinbarungen nichtig macht und gewisse Rechtsfolgen positiv zwingend an­ ordnet.“ Die hier vorgeschlagene Terminologie ist damit inhaltlich identisch, erscheint aber jedenfalls insofern präziser und damit vorzugswürdig, als sie Verwechslungen mit der „Er­ gänzungsfunktion“ dispositiven Rechts (oben sub II. 2. b) (S. 83  ff.) sowie sub II. 3. a) aa) (S. 90  ff.)) vermeidet. 362   Charakteristisch insoweit etwa Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 203  f. Ansätze zu einer differenzierteren Betrachtung, an die im folgenden angeknüpft werden kann, finden sich dagegen insbesondere bei Beier, Regelungsauftrag, S. 35  ff.; Cheffins, Com­ pany Law, S. 227  ff.; Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 35  ff.; Kähler, Macht und Vielfalt, 1. Kap. sub B. 1. sowie 3. Kap. sub C.; Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 294  ff.; Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1549, 1585  ff. (1989); teilweise auch bei Hey, Grenzen freier Gestaltung, S. 149; aus der älteren zivilistischen Dogmatik vgl. insbesondere Enneccerus/Nipperdey, § 49 IV, S. 303; in Grundzügen auch schon Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht,

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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zwingenden Rechts von einem derartigen Grundgerüst profitieren, das nicht nur unterschiedliche Funktionen offenbart, sondern auch das Verhältnis zwin­ gender zu dispositiven Vorschriften klären hilft. Dabei erweist sich, daß die strenge, dichotomische Trennung zwischen beiden Bereichen auch von der Warte des zwingenden Rechts aus nicht vollständig überzeugt. Durchaus er­ hebliche Parallelen zwischen den jeweiligen Funktionen finden sich insbeson­ dere dann, wenn zwingende Vorschriften zum Einsatz gelangen, um die „Funk­ tionsbedingungen der Vertragsfreiheit“363 herzustellen oder zu gewährleisten (unten a)).364 Während die damit in Bezug genommenen Funktionen bislang kaum umfassend untersucht worden sind, lag der Schwerpunkt der traditionel­ len Bemühungen auf der Schutzwirkung im engeren Sinn (unten b)). a)  Infrastrukturgewährleistung durch zwingendes Recht Wer im zwingenden Recht ausschließlich ein Instrument der Einschränkung privatautonomer Gestaltung erblickt, wie dies insbesondere in rechtsökonomi­ schen Stellungnahmen zur Problematik gelegentlich durchscheint,365 übersieht die gewichtige Rolle nicht abdingbarer Vorschriften für die Bereitstellung struktureller Voraussetzungen, auf deren Grundlage die private Gestaltung erst aufbaut. Ähnlich wie bei dispositivem Recht kann hier von einer erleichternden Wirkung gesprochen werden. Als Beispiele lassen sich im vorliegenden Zusam­ menhang alle Regelungen anführen, mit denen das anwendbare Recht in zwin­ gender Form die Konstitution der Gesellschaften und wesentliche Grundzüge der Handlungsfähigkeit der Organe regelt.366 Daneben treten Mitwirkungs­ rechte und entsprechende Verfahrensregelungen 367 in den Blick, wobei Über­ schneidungen zu den konstitutiven Regelungen insoweit unvermeidlich sind. Verfahrensregeln sind insbesondere bei langfristig angelegten Austauschbezie­ S. 65  ff. Wenig ergiebig insoweit dagegen etwa Fröhlich, Vom zwingenden und nichtzwingen­ den Privatrecht, S. 75  ff. 363   Formulierung nach Hey, Freie Gestaltung, S. 149. 364   Um die Nähe zu den Funktionen dispositiven Rechts besonders zu betonen, ließe sich insoweit möglicherweise auch von der „Erleichterungsfunktion“ zwingender Vorschriften sprechen. Vollkommen deckungsgleich mit der entsprechenden Kategorienbildung zum dis­ positiven Recht (siehe nochmals oben sub II. 2. b) (S. 83  ff.) sowie sub II. 3. a) (S. 88  ff.)) wäre dies indes nicht, weshalb hier die terminologisch sperrigere Formulierung von der „Infra­ strukturgewährleistung“ gewählt werden soll. 365   Siehe nochmals nur die Aussagen der contractarian school zur Vorzugswürdigkeit pri­ vater Gestaltungen; dazu im einzelnen bereits oben sub I. 4. (S. 70  f.) bei und in Fn. 70 m. w. N. 366   Z.B. §§ 1  ff., 23  ff., 76, 78, 111, 118, 119 AktG, §§ 1, 13, 35, 46 GmbHG; vgl. auch Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1549, 1585  ff. (1989): „constitutive rules“; inhaltlich ähnlich, aber termino­ logisch etwas unschärfer Beier, Regelungsauftrag, S. 46: „Rahmensetzungsfunktion im struk­ turellen Sinne“. Siehe dazu noch näher unten, 3. Teil, 1. Kap. (S. 401  ff.). 367   Z.B. §§ 121  ff., 119, 133  ff., 179 AktG, §§ 46, 49, 53 GmbHG; vgl. auch Gordon, 89 Co­ lum. L. Rev. 1549, 1591 (1989): „procedural rules“.

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hungen und also bei Finanzierungsbeziehungen in Kapitalgesellschaften inso­ fern von Bedeutung, als sie Regeln für den Interessenausgleich bei Entwicklun­ gen vorsehen, welche bei der anfänglichen Festlegung der Rechte und Pflichten nicht vorhersehbar waren und auch durch eine Kompensation im Rahmen der Ausgestaltung der Finanzierungskonditionen nicht vollständig aufgefangen werden können.368 Insgesamt überwiegt hier erkennbar die oben als positiv-prä­ skriptiv bezeichnete Kategorie. Die bloße Erkenntnis, daß zwingende Vorgaben dieser Gruppe erleichternde (und nicht lediglich restringierende) Wirkungen entfalten, enthebt zwar noch nicht von der Auseinandersetzung mit der Frage, ob nicht auch insoweit dispo­ sitive Regelungen eine unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten vorzugs­ würdige, weil weniger einschneidende Alternative darstellen könnten. Sie fo­ kussiert aber das Augenmerk auf die Unterschiede zwischen der zwingenden und der dispositiven Lösung gerade im Hinblick auf die Erleichterungsfunkti­ on und trägt damit zur Präzisierung der Fragestellung bei. Dies führt auch zu den vorstehenden Überlegungen zur Legitimation zwingender Eingriffe zu­ rück: Ökonomisch gesehen, rückt eine möglicherweise bessere Eignung zwin­ genden Rechts im Vergleich zu dispositiven Normen zum Zweck der Komple­ xitätsreduktion als komparativer Vorteil in den Blick, der den wesentlichen Unterschied ausmachen könnte:369 Als strukturell gestaltungsoffene Regulie­ rungsinstrumente können dispositive Normen – ungeachtet aller feststellbaren Persistenzneigungen – niemals völlig einheitliche Lösungen garantieren; sie zie­ len ja gerade auf die Ermöglichung abweichender Gestaltungen ab. Insbesonde­ re in Fällen, in denen das Interesse der betreffenden Akteure an einer Standar­ disierung der Problemlösung das Interesse an eigenem Einfluß auf die materiale Gestaltung der Problemlösung überwiegt, können zwingende Vorgaben diesem Interesse effektiver Rechnung tragen als dispositive Normen. Werden entspre­ chende Gestaltungen durch zwingendes Recht geregelt, entfallen die mit der Entscheidung und Verhandlungen über die Beibehaltung der dispositiven Lö­ 368   Verfahrensvorschriften spielen insbesondere als präventiver Schutz gegen Nachteile aus nachträglichen (opportunistischen) Änderungen des Gesellschaftsvertrags auf Initiative der Gesellschaftermehrheit eine Rolle; vgl. zu diesem Aspekt besonders Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1549, 1555  ff. (1989); Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 307; siehe auch Beier, Rege­ lungsauftrag, S. 47; Kornhauser, 89 Colum. L. Rev. 1449, 1458 (1989): prozedurale Vorschrif­ ten als „secondary rules“ zur Absicherung ursprünglicher Erwartungen. Instruktiv ferner Kalss, Reform des österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, S. 82. Vgl. insoweit auch Bebchuk, 102 Harv. L. Rev. 1820, 1825  ff. (1989); ders., 89 Colum. L. Rev. 1395, 1399  ff. (1989), der sich – unter Befürwortung weitgehender Gestaltungsfreiheit im übrigen – für die Begrenzung der Möglichkeiten zur nachträglichen Statutenänderung durch zwingendes (Verfahrens-) Recht ausspricht; siehe dazu auch Bebchuk/Hamdani, 96 Nw. U. L. Rev. 489, 501 (2007) so­ wie bereits oben sub B. I. 4. (S. 72, 141  ff.) bei und in Fn. 76, sub B. II. 1. bei und in Fn. 100 (S. 79) und sub II. 4. b) cc) (S. 141  ff.). 369   Vgl. schon Kornhauser, 89 Colum. L. Rev. 1449, 1459 (1989); in Auseinandersetzung damit auch Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 310  ff.

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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sung oder mögliche Alternativen verbundenen Transaktionskosten. Zwingen­ des Recht schafft dann einen unabänderlichen und deshalb für alle Beteiligten besonders verläßlichen Datenkranz, auf dessen Grundlage die jeweiligen Ak­ teure weitere Einzelheiten vereinbaren können. Es kann damit durch die Vorga­ be klarer Parameter Verhandlungen in Fällen sogar erleichtern, in welchen diese anderenfalls an der Komplexität der Interessenlage zu scheitern drohten.370 Auch wenn letzteres nicht der Fall ist, können zwingende gesetzliche Lösun­ gen Effizienzvorteile gegenüber rein marktinduzierten Gestaltungen entfalten. Deutlich wird dies gerade in Fällen, in denen marktinduzierte Gestaltungsmu­ ster in einem System großer Gestaltungsfreiheit tatsächlich zu ähnlichen Lö­ sungen gelangen wie gesetzlich vorgeschriebene Gestaltungsmuster in einer stärker zwingend ausgestalteten Rechtsordnung. Ein Beispiel dafür bieten etwa die in marktüblichen covenants von Fremdkapitalfinanzierungsverträgen (Dar­ lehen und Anleihen) vereinbarten bilanzinduzierten Ausschüttungssperren. Diese sind vor allem in der anglo-amerikanischen Vertragspraxis vielfach mit individualvertraglich ausgehandelten Bilanzierungsgrundsätzen verknüpft, die den gesetzlichen Vorgaben der §§ 51, 230, 233 AktG nicht unähnlich sind.371 Jedenfalls im Grundsatz belegen derartige Abreden damit zugleich, daß die überkommenen deutschen Kapitalschutzregeln objektiv einen rechtsordnungs­ übergreifend gegebenen Bedarf erfüllen. Der im vorliegenden Kontext bedeut­ same Unterschied zu den privatautonom formulierten covenants besteht darin, daß das Gesetz die entsprechenden Mechanismen transaktionskostenfrei zur Verfügung stellt, während sie in covenants zunächst unter Eingehung signifi­ kanter Transaktionskosten ausgehandelt werden müssen.372 Allerdings ist nicht zu verkennen, daß dieser Umstand an Gewicht verliert, je stärker sich am Markt entsprechende einheitliche Gestaltungen bereits durchgesetzt haben.373 Auch wenn marktinduzierte Standardisierungstendenzen im Einzelfall eine entspre­ chend hohe Prägekraft entfalten können, ist jedoch kaum bestreitbar, daß zwin­ gendes Recht Standardisierungstendenzen schon deshalb noch effektiver absi­ 370   In diesem Sinne Kornhauser, 89 Colum. L. Rev. 1449, 1457 (1989); vgl. nochmals auch Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 311  f. 371   Nach wie vor eindrucksvoll insoweit der Vergleich zwischen derartigen marktüblichen Abreden und den deutschen Kapitalschutzregeln bei Leuz/Deller/Stubenrath, 28 Acc. & Bus. Res. 111, 113  ff. (1998); vgl. auch Merkt, in: Blaurock (Hrsg.), Anleger- und Gläubigerschutz bei Handelsgesellschaften, S. 64, 83  f.; mit insgesamt eher kritischer Bewertung auch Mülbert/ Birke, EBOR 3 (2002), 695, 729  f.; Schön, ZGR 2000, 706, 727; zu covenants als Beispielen für die private Regulierung von Finanzierungsbeziehungen im übrigen noch unten, 2. Kap., sub A. I. 1. a) (S. 256  f.). 372   Dies betonend Mankowski, in: Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft, S. 488, 501; aus der Perspektive der US-amerikanischen Gestaltungspraxis auch McDaniel, 41 Bus. Law. 413, 428  f. (1986); vgl. ferner Armour, 63 M.L.R. (2000), 355, 373; Baetge/Thiele, FS Beisse, 1997, S. 11, 22  f.; Kirchner, FS Beisse, 1997, S. 267, 279  f.; Schön, ZGR 2000, 706, 727; dens., Konzern 2004, 162, 167. 373   Merkt, ZGR 2004, 305, 313  f., 321.

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chern kann als dispositive Normen, weil hier jede von der zwingenden Lösung abweichende Gestaltung unzulässig ist. Ein erheblicher Teil der oben zur Funktionsweise dispositiver Normen ge­ wonnenen Erträge kann nach alledem auch für die Analyse der Funktionsweise zwingenden Rechts fruchtbar gemacht werden: Auch zwingendes Recht begün­ stigt die Entstehung von Netzwerk- und Lerneffekten und damit einhergehen­ de Effizienzgewinne über längere Zeiträume,374 und zwar in geeigneten Kon­ stellationen sogar noch deutlicher, als dispositives Recht dies könnte.375 In derarti­gen Fällen läßt sich der Erlaß zwingender Normen unter Umständen gerade­zu als optimale Erfüllung der Infrastrukturverantwortung376 des Ge­ setzgebers interpretieren; ein allzu pauschaler Ruf nach weiterer Deregulierung übersähe dies. Standardisierung ist unter derartigen Umständen ein Regulie­ rungsziel, das einem Marktversagen in Gestalt adverser Effekte (weitgehend) unbeschränkter privatautonomer Gestaltung entgegenwirken soll: einer unter Wohlfahrtsgesichtspunkten suboptimalen Gestaltungsvielfalt, die die Verläß­ lichkeit der individuellen Gestaltungen verringert und damit adäquate Preisbil­ dung im Hinblick auf die Finanzierungskonditionen erschwert.377 Aus dieser Warte betrachtet, steigert das zwingende Recht den Wert der standardisierten Lösung, indem es diese gegen ein „Zerfasern“ durch privatautonom entwickelte Alternativgestaltungen absichert.378

374   Auch insoweit liefert das soeben im Text erwähnte Beispiel vergleichbarer Rechnungs­ legungsprinzipien in covenants einerseits und dem tradierten deutschen bilanzinduzierten Kapitalschutz andererseits Anschauungsmaterial: Gerade aufgrund der Ausgestaltung als zwingendes Gesetzesrecht und aufgrund der damit verbundenen Netzwerkeffekte besteht größere Rechtssicherheit, so daß die Handhabung weniger konfliktanfällig sein dürfte als entsprechende vertraglich vereinbarte Gestaltungen ungeachtet ihrer inhaltlich durchaus großen Nähe zum Modell des zwingenden Gesetzesrechts. 375   In diese Richtung schon Coffee, 89 Colum. L. Rev. 1618, 1677, 1678 (1989). Vgl. noch­ mals insbesondere auch Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 774  ff. (1995); Kahan/Klausner, 74 Wash. U. L.Q. 347  ff. (1996); dies., 83 Va. L. Rev. 713  ff. (1997). 376   Siehe dazu erneut BVerfG, Urt. v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77, 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/79 und 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290, 355 (Mitbestimmung) und dazu Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1366  f.; zusf. Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 675, 677. 377   Nicht von ungefähr wird daher im jüngeren deutschsprachigen Schrifttum die aktien­ rechtliche Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG insbesondere mit den transaktionskosten­ senkenden Effekten der Standardisierung der Aktie gerechtfertigt, vgl. MünchKomm/Pentz, AktG, § 23 Rn. 150; eingehend Großkomm/Röhricht, § 23 Rn. 167; Hey, Freie Gestaltung, S. 170  ff.; differenzierend etwa Raiser/Veil, Kapitalgesellschaftsrecht, § 9 Rn. 19; Bayer, Gut­ achten E zum 67. DJT, E 81  ff.; Hirte, ZGR-Sonderheft 13 (1998), 61, 74  ff.; dezidiert ablehnend Mertens, ZGR 1994, 426  ff. Die Erkenntnis der mit standardisierten Lösungen potentiellen Effizienzvorteile trägt indes als solche das Postulat umfassender Satzungsstrenge keineswegs, sondern erfordert jeweils eine Einzelbetrachtung; siehe dazu auch noch den historisch-ver­ gleichenden Überblick im 3. Teil der Untersuchung (S. 399  ff.). 378   In diese Richtung Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1549, 1567  f. (1989); vgl. auch Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 295, 296  f.

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Auch in diesem Zusammenhang läßt sich nochmals das vorstehend erörterte Beispiel der in marktüblichen Covenants etablierten Bilanzierungsgrundsätze als Teil der darin insgesamt vereinbarten vertraglichen Gläubigerschutzmecha­ nismen zitieren: Derartige Praktiken mögen durchaus ähnliche Wirkungen ent­ falten wie gesetzliche Regelungen. Wenn aber – etwa in einer allgemein von spekulativen Marktentwicklungen geprägten Atmosphäre – die Praxis zuneh­ mend zum Rückbau entsprechender Schutzvorkehrungen neigt, wie dies in jüngster Zeit mit der Tendenz zum Verzicht auf entsprechende Schutzmecha­ nismen gegen höhere Rendite (sog. „covenant-light“-Finanzierung)379 festzu­ stellen war, verliert ein entsprechender Mechanismus an Verläßlichkeit. Daß Standardisierung durch zwingendes Gesetzesrecht neben der Erleichte­ rungsfunktion zugleich einen Verkehrs- und Rechtsgüterschutz bewirken kann, bedarf kaum der weiteren Begründung und wird besonders deutlich, nimmt man die Auswirkungen auf die Rechtsnachfolger der an der ursprünglichen Ausgestaltung der Rechtspositionen beteiligten Akteure in den Blick: Diese können sich grundsätzlich in ungleich stärkerem Umfang auf den Bestand der durch zwingendes Recht präformierten Gestaltung verlassen, als es bei einer dispositiven Lösung der Fall wäre.380 Im Lichte der oben zur Persistenzneigung dispositiver Normen gewonnenen Erkenntnisse lassen sich diese Aussagen in­ dessen dahin präzisieren, daß ein derartiger Nutzen „erzwungener“ Standardi­ sierung vor allem dann beachtlich wäre, wenn die betreffenden Akteure (der Markt) selbst entsprechende Gestaltungen nicht entwickeln können oder auf­ grund prohibitiver Transaktionskosten nicht entwickeln. Nur dann kann von einem Marktversagen als Rechtfertigung für einen entsprechenden regulieren­ den Eingriff durch zwingendes Recht gesprochen werden. Die Feststellung, ob das der Fall ist, erfordert Prognosen gleich in mehrfacher Hinsicht: Zu ermit­ teln sind zunächst das tatsächliche Bedürfnis nach einer Standardisierung im Hinblick auf die preisverzerrenden Konsequenzen hoher Variabilität von Ge­ staltungen, sodann die Transaktionskosten, die für die privatautonom vorange­ triebene Standardisierung aufzuwenden wären,381 schließlich die Folgekosten der Nachteile suboptimaler zwingender Gestaltungen 382 im Vergleich zu den möglichen Vorteilen einer sachnäheren Gestaltung durch die betreffenden Marktteilnehmer selbst. Nur wenn sich die erzwungene Standardisierung unter 379   Vgl. dazu etwa Begley/Freedman, 18 Acc. Hor. 81  ff. (2004); Coffee, 78 Geo. L.J. 1505  ff. (1990); wohl auch deshalb eher skeptisch hinsichtlich der Drittschutzwirkung bereits Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695, 729  f.; Schön, ZGR 2000, 706, 727. 380   Vgl. nochmals auch Großkomm/Röhricht, AktG, § 23 Rn. 167. 381   Diese zu wenig berücksichtigend Black, 84 Nw. U. L. Rev. 542, 552  ff. (1990), der gene­ rell zwingende Normen für „trivial“ hält, weil deren Inhalt regelmäßig, sofern er sich effizi­ enzfördernd darstelle, auch von den betroffenen Akteuren selbst vereinbart werden könnte; in diese Richtung insoweit wohl auch McDonnell, 60 S.M.U. L. Rev. 383, 389 (2007) und schon Romano, 89 Colum. L. Rev. 1599, 1599  ff. (1989). 382   Zu diesen noch sogleich unten sub 4. (S. 165  f.).

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Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen diesen Variablen unter Wohlfahrtsgesichtspunkten als effizient erweist, wäre sie gerechtfertigt. Diese Erwägung zeigt bereits, wo das Problem liegt: Begründung und Bedeutung der infrastrukturgewährleistenden Wirkungen zwingender Normen lassen sich zwar möglicherweise ökonomisch-modellhaft als Funktion unterschiedlicher Einflüsse noch einigermaßen transparent abbilden. Operationalisierbar im Sin­ ne einer Art Anleitung für die Wahl der jeweiligen Instrumente sind diese As­ pekte jedoch nicht; auch in dieser Hinsicht beruht die Wahlentscheidung zu­ mindest zu einem erheblichen Teil zwangsläufig auf wertenden Erwägungen und Prognosen.383 Jede modellhafte Rückführung auf scheinbare, u. U. sogar quantifizierte strukturelle Gesetzmäßigkeiten suggerierte vor diesem Hinter­ grund eine Tragfähigkeit der so begründeten Aussagen, die sich in der Realität nicht erreichen läßt. Am Erkenntniswert für das hier verfolgte Untersuchungsprogramm ändern die damit formulierten Einschränkungen allerdings aus zwei Gründen nichts: Erstens lassen sich, wie das im einschlägigen US-amerikanischen Schrifttum diskutierte Beispiel des unzureichenden Schutzes von Anlegern gegen nach­ trägliche opportunistische Statutenänderungen bei Annahme völliger Gestal­ tungsfreiheit ohne entsprechende Verfahrens- und Minderheitenschutzregelun­ gen zeigt,384 jedenfalls gute Gründe für die Standardisierung durch zwingendes Recht in einzelnen Sachzusammenhängen anführen. Zweitens ist zu berück­ sichtigen, daß historische Erfahrungen die erforderlichen Prognosen erheblich erleichtern können. Die – allerdings um den Einfluß von Verzerrungseffekten zu bereinigende – historische Perspektive liefert insofern nicht nur allgemein, d. h. auch über das vorliegend untersuchte Referenzgebiet hinaus,385 Anhalts­ punkte für die Annahme, daß standardisierte Bedingungen insbesondere, aber nicht nur bei marktgehandelten Finanzierungstiteln von hoher Bedeutung sind, die von einer Vielzahl nicht nur professioneller Anleger erworben werden.386

383   Prägnant insoweit auch Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1742  ff. (1989): „unknowable ideal balance“. 384   Vgl. nochmals soeben bei und in Fn. 368 (S. 158). 385   Ein anschauliches Beispiel bieten insoweit die Bemühungen, die in der gegenwärtigen Finanzkrise offenbar gewordenen Defizite bei der risikoadäquaten Preisbildung für innovati­ ve Finanzprodukte nicht zuletzt durch verstärkte Standardisierung, insbesondere durch Ein­ schränkung des over-the-counter-Handels und verstärkte Einbindung in den Börsenhandel, zu bekämpfen. Dahinter steht jeweils auch das Bestreben, durch die damit erzwungene höhe­ re Transparenz der Produktgestaltungen Standardisierung zu fördern; vgl. anschaulich inso­ weit Arner, 43 Int’l Law. 91, 122 (2009). 386   Vgl. auch Kahan, 89 Nw. U. L. Rev. 565, 585 (1995), der ein geringeres Bedürfnis nach Standardisierung in einem ausschließlich von professionellen Teilnehmern geprägten Markt konstatiert. Die Bedeutung standardisierter Rechtsverhältnisse für die Marktstabilität (dazu vorstehende Fn.) bleibt dabei freilich unberücksichtigt.

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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Vielmehr kann auch hier an die oben 387 zur historischen Dimension der „Infor­ mationsfunktion“ dispositiver Normen angestellten Überlegungen angeknüpft werden: Insoweit dem dispositiven Recht vergleichbar, lassen sich auch zwin­ gende Vorschriften, deren Entstehung sich einem längeren Evolutionsprozeß verdankt, als Speicher historisch gewonnener Bedeutungen und Inhalte inter­ pretieren, deren Bewahrung vielfach – aber keineswegs stets (dazu noch unten sub 4.) – Effizienzvorteile mit sich bringen wird: Die Anwendung der verläßli­ chen, zumindest im Hinblick auf Aspekte der Rechtssicherheit historisch be­ währten gesetzlichen Regelungen kann sich daher unter Wohlfahrtsgesichts­ punkten als vorzugswürdig gegenüber der Alternative größerer Gestaltungs­ freiheit erweisen.388 Läßt sich historische Kontinuität in diesem Sinne nachwei­ sen, etwa im Sinne einer Art Sedimentationsprozeß, bei dem marktübliche Gestaltungen zunächst in dispositivem Gesetzesrecht aufgenommen wurden, um dann durch zwingendes Recht endgültig fixiert zu werden,389 so spricht zu­ mindest eine Vermutung für die Problemadäquanz der historischen Lösung, wenn und soweit Verzerrungseffekte infolge der Persistenz inadäquater Struk­ turen ausgeschlossen werden können. Soll davon abgewichen werden, muß die­ se Vermutung widerlegt werden. b)  Schutzwirkung im engeren Sinn Die Bedeutung zwingender Vorschriften als Instrument zum Schutz bestimm­ ter Rechtsgüter ist, wie bereits angeklungen, nicht trennscharf von der Funkti­ on als Instrument der Infrastrukturgewährleistung abzugrenzen. Beide Kate­ gorien gehen oft nahtlos ineinander über. Soweit es um den Einsatz zwingender Vorschriften zu Schutzzwecken im engeren Sinne geht, sind die bisherigen Er­ gebnisse allerdings noch zu präzisieren. Ein besonders relevanter erster Aspekt ist bereits mit der oben vorgestellten Kategorienbildung, die sich an der Reich­   Sub II. 3. a) bb) (S. 96  f.); siehe allgemein zur Bedeutung historischer Information für die Regulierungsvorbereitung noch unten, 3. Kap., sub A. II. (S. 289  ff.) 388   Vgl. auch Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1727  ff., insbes. 1731 (1989): “Traditions great­ ly reduce the very high costs of repeated discovery, learning, and rational decisionmaking by individuals. To identify the most plausible alternative rules for a situation; to analyze the pos­ sible consequences of each rule and evaluate their probability; and then to place values on the predicted consequences and rank the options – all of this takes great time and effort to do well. Once done, it is far more expedient for others faced with a similar situation to copy the result than to reinvent it.” Ähnlich insoweit Goetz/Scott, 73 Cal. L. Rev. 261, 286  ff. (1985). 389   In diese Richtung bereits die von Arndt Teichmann entwickelte These von der fort­ schreitenden Institutionalisierung des Gesellschaftsrechts, vgl. A. Teichmann, Gestaltungs­ freiheit, S. 46, 127 und passim, zusf. S. 250: Institutionalisierung als „allmähliche Verfesti­ gung vertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten zu mehr oder weniger starren Konturen, die für die Beteiligten verbindlich sind und von ihnen nicht umgeformt werden können.“ Vgl. – allerdings für das dispositive Recht – nochmals auch Laband, AcP 173 (1888), 161, 164 („sedi­ mentäre Rechtsbildung“); im Anschluß daran nunmehr auch Cziupka, Dispositives Vertrags­ recht, S. 78. 387

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

weite des regulatorischen Anspruchs orientiert, von negativ-präskriptiven und positiv-präskriptiven Normen angesprochen worden. Materielle Schutzwir­ kungen lassen sich mit beiden Varianten erreichen. Negativ-präskriptive Nor­ men, die konkrete Verhaltensweisen verhindern sollen, anstatt ein bestimmtes Verhalten positiv vorzugeben, sind in dieser Hinsicht allerdings meist sinnvol­ ler, was darauf zurückzuführen ist, daß die Realisierung des Regulierungsziels hier einen deutlich geringeren Aufklärungsbedarf und insbesondere deutlich weniger komplexe Prognosen auf der Gesetzgebungsebene voraussetzt.390 Ein zweiter, ebenfalls noch zu vertiefender Gesichtspunkt betrifft die bei zwingen­ den Normen besonders relevante Ausgestaltung von Tatbestand und Rechtsfol­ ge im Hinblick auf die formale Realisierbarkeit, d. h. die Bestimmtheit und Klarheit der für die Normanwendung erforderlichen Informationen: Eine in hohem Maße formal realisierbare Norm definiert schon aus der Perspektive ex ante das ge- oder verbotene Verhalten präzise und weist damit einen höheren Informationswert auf, ist aber andererseits weniger flexibel. Demgegenüber sind weit gefaßte, tatbestandlich unbestimmte Normen besonders geeignet, Wertmaßstäbe zu kommunizieren und damit zugleich flexible Leitlinien für die Bewältigung der aus unvollständigen Regelsystemen resultierenden Probleme (z. B. im Wege der systematischen Auslegung, der teleologischen Extension oder der Analogie) zu bieten.391 Ähnlich vielfältig sind schließlich, drittens, die Wechselwirkungen zwischen den Normdurchsetzungsmechanismen und der Schutzwirkung zwingender Normen.392

4.  Funktionsdefizite zwingenden Rechts Funktionsdefizite zwingender Normen spielen gerade in rechtsökonomisch fundierten Postulaten nach möglichst breitflächiger Freigabe der Regulierungs­ verantwortung zumindest implizit eine erhebliche Rolle. Ein in allen einschlä­ gigen Stellungnahmen erkennbares Leitmotiv ist die allgemeine – und als solche kaum bestreitbare – These, daß die bloße Existenz einer zwingenden Regelung deren Beachtung in der Praxis und damit das Erreichen des Regulierungsziels keineswegs verläßlich gewährleistet.393 Die wohl umfassendste Darstellung ­dieser Zusammenhänge im rechtsökonomisch informierten gesellschaftsrecht­ lichen Schrifttum identifiziert als mögliche Ursachen unzureichende tatbe­

  Siehe noch im einzelnen unten, 3. Kap., sub B. IV. (S. 318  ff.).   Dazu unten sub C. I. 3. (S. 175). 392   Dazu noch unten sub D. (S. 202  ff.). 393   Pointiert Cheffins, Company Law, S. 224: “setting up a law in an immutable form will not ensure that company participants pay attention and act in accordance with the relevant terms”; vgl. auch schon Black, 84 Nw. U. L. Rev. 542, 555  ff. (1990). 390 391

B.  Dispositives Recht und zwingendes Recht

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standliche Präzision 394 und Defizite bei der Normdurchsetzung.395 Struktur­ typische Folgen seien dadurch ausgelöste Anreize für die Wahl von Umge­ hungsstrategien,396 aber auch Abschreckungseffekte gegenüber flexiblen, einzelfall­orientierten, (auch unter Wohlfahrtsgesichtspunkten) erstrebenswer­ ten privatautonom entwickelten Gestaltungen.397 Unter Einbeziehung der hi­ storischen Perspektive stellt sich zwingendes Recht zugleich als besonders an­ fällig für langfristige Tendenzen zur Verfestigung und Verkrustung ineffizien­ ter Strukturen dar.398 Diese Funktionsdefizite sind zum Teil der Ausgestaltung der jeweiligen Norm selbst, zum Teil der Ebene der Normdurchsetzung zuzu­ ordnen. Unterstellt man einen rational agierenden, an der tatsächlichen Durch­ setzung der (wie auch immer konditionierten) Regulierungsziele und entspre­ chend an der Optimierung des Regulierungsinstrumentariums interessierten Gesetzgeber,399 so wird man die damit skizzierten Funktionsdefizite regelmä­ ßig auf eine unzureichende Informationsgrundlage zurückführen können: Um effektive Ergebnisse zu erzielen, fehlt es dem Gesetzgeber häufig an Informatio­ nen über das zu regelnde Sachproblem, was in entsprechend unscharfer tatbe­ standlicher Ausgestaltung der gewählten Regulierungsinstrumente resultieren kann, oder über die Wirkungsweise der gewählten Normdurchsetzungsmecha­ nismen, oder über beide Aspekte gleichermaßen. 400 Dieser Erklärungsansatz weist interessante Parallelen auf zur verwaltungswissenschaftlichen Steue­ rungsdiskussion: Hier werden vielfach die unzureichende Erfassung von Risi­ ken einerseits, andererseits aber auch die Gefahr einer Fehlsteuerung aufgrund unvollständiger Erkenntnisse über Neben- und Wechselwirkungen der einge­ setzten Steuerungsinstrumente und ihrer Durchsetzung als strukturell beding­

  Cheffins, Company Law, S. 224 („imprecise wording“).   Cheffins, Company Law, S. 224 („lax or erratic monitoring“). 396   Cheffins, Company Law, S. 225, 231. 397   Cheffins, Company Law, S. 228; vgl. entsprechend allgemein schon Epstein, Simple Rules for a Complex World, 1995, S. 246  f.; Kahan, 89 Nw. U. L. Rev. 565, 586  f., 609  f. (1995) (am Beispiel von Anleihebedingungen); insoweit auch Ribstein, 61 Geo. Wash. L. Rev. 984, 996, 1008  f. (1993). 398   Aus der contractarian school deutlich etwa Butler/Ribstein, 65 Wash. U. L. Rev. 1, 53  ff., insbes. 56  f., 61 (1990). Vgl. auch Goetz/Scott, 73 Cal. L. Rev. 271, 289 (1985); Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1733 (1989). 399   Auch insoweit sind negative Einflüsse auf das Regulierungsergebnis denkbar; vgl. inso­ weit zutr. Butler/Ribstein, 65 Wash. U. L. Rev. 1, 57  f. (1990); aus der ökonomischen Regulie­ rungstheorie zur Verzerrung von Regulierungseffekten infolge von Einflüssen spezieller In­ teressengruppen auf die Regulierung (regulatory capture) grundlegend Stigler, 2 Bell J. Econ. & Mgmt. Science 3  ff. (1971); siehe auch Levine/Florence, 6 J.L. Econ. & Org. 167  ff. (1990); Ogus, Regulation, S. 57  ff. 400   Deutlich in diesem Sinne insbesondere Butler/Ribstein, 65 Wash. U. L. Rev. 1, 56  ff. (1990) unter Hinweis auf Informationsdefizite der Gerichte bei der Formulierung abstrakter Regelungen, aber verallgemeinerungsfähig. 394 395

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

te Defizite tradierter, final ausgerichteter (zwingender) verwaltungsrechtlicher Steuerungsinstrumente identifiziert.401 Allgemeine Lehren zu strukturimmanenten Funktionsdefiziten zwingender Normen können indes nur schwer und allenfalls auf einer großen Abstraktions­ höhe formuliert werden: Mit Blick auf die Unterschiede zwischen einer primär an Standardisierungszwecken ausgerichteten zwingenden Einflußnahme einer­ seits und materialen Schutzzweckprogrammen andererseits, aber auch auf die Wechselwirkungen zwischen dem Regulierungsziel und der Ausgestaltung von Tatbestand, Rechtsfolge und Normdurchsetzung, liegt auf der Hand, daß sich pauschale Aussagen von vornherein verbieten. Deshalb verwundert es kaum, daß bisherige Versuche, derartige Defizite zu identifizieren, entweder allzu schematisierend ausfallen402 oder sich weitgehend auf die Systematisierung ex­ emplarischer Fälle feststellbarer Funktionsdefizite beschränken, ohne eine vom konkreten Regelungskontext abgelöste, umfassende Darstellung liefern zu wol­ len.403

5.  Fazit Auf den Punkt gebracht, kann nach alledem nur festgehalten werden, daß theo­ retische, abstrahierende Aussagen zu Funktionsvoraussetzungen und Funkti­ onsweise zwingender Normen als Kategorie insgesamt kaum möglich sind. Zwar wird die Leistungsfähigkeit zwingenden Rechts gerade in der jüngeren, rechtsökonomischen Literatur vielfach ohne weitere Differenzierung ausge­ sprochen kritisch beurteilt. Schon die Erkenntnis der dabei regelmäßig kaum hinreichend gewürdigten Rolle zwingender Normen als Instrument einer unter Wohlfahrtsgesichtspunkten wünschenswerten, ja: teilweise wohl unentbehrli­ chen Standardisierung, aber auch die Interdependenzen zwischen der Wir­ 401   Vgl. besonders Ladeur, in: Jb. des Umwelt- und Technikrechts 1994, 297, 298  ff.; zusf. Hagenah, in: Grimm (Hrsg.), Staatsaufgaben, 1994, S. 487, 489  ff.; Voßkuhle, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 2006, § 1 Rn. 11, jeweils m. w. N.; ders., in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlan­ kem“ Staat, 1999, S. 47, 60  ff.; siehe auch Franzius, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle, ebd., § 4 Rn. 37  ff. Zum Ganzen auch noch näher unten, 3. Kap., sub A. II. 1. (S. 290  ff.). 402   Vgl. insbesondere nochmals die US-amerikanische Diskussion zwischen contractari­ ans und anti-contractarians zum Stellenwert zwingender Regulierung im Recht der Kapital­ gesellschaften; dazu bereits oben sub I. 4. (S. 70  ff.) bei und in Fn. 70  ff. 403   Vgl. charakteristisch insoweit etwa Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, passim, der nach Fällen der Nichterreichung des Regulierungsziels (S. 47  ff.), Fällen unbeab­ sichtigter Nebenfolgen zwingender Regulierung (S. 92  ff.) und Fällen unterscheidet, in denen der „Detailgrad von Regulierung“ angesichts heterogener Regelungsadressaten Probleme be­ reitet. Nur unwesentlich weiter am Beispiel des englischen Kapitalgesellschaftsrechts Cheffins, Company Law, S. 224  ff., insbes. S. 227  ff.

C.  Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt

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kungsweise und Unterschieden in der Ausgestaltung von Tatbestand und Normdurchsetzungsmechanismen zwingen jedoch zur Differenzierung und verbieten Pauschalurteile, die allein an die Zugehörigkeit einer Norm zu dieser Kategorie anknüpfen. Funktionsweise und Stellenwert zwingender Normen sind damit von geringerer Komplexität als die durchaus heterogene Kategorie dispositiven Rechts.

C.  Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt Zu den Merkmalen, nach denen sich die im Recht der Finanzierungsbeziehun­ gen realisierten oder de lege ferenda in Betracht kommenden Regulierungsin­ strumente systematisieren lassen, zählen neben den Grundformen des disposi­ tiven und zwingenden Rechts weiterhin insbesondere die formale (im Unter­ schied zur materialen) Realisierbarkeit von Normen, im Anschluß an Rudolph von Jhering404 verstanden als Maß für die Bestimmtheit und Klarheit der An­ wendungsvoraussetzungen, sowie der Konkretisierungszeitpunkt des jeweili­ gen Normbefehls. Beide Aspekte gehören zusammen: Die Ausgestaltung des Tatbestands beeinflußt unmittelbar den Zeitpunkt der Konkretisierung des Normbefehls und damit auch die Zuweisung der Konkretisierungsverantwor­ tung. Insbesondere die anglo-amerikanische gesellschaftsrechtstheoretische Diskussion mißt diesen Teilaspekten der tatbestandlichen Ausgestaltung von Regulierungsinstrumenten entscheidende Bedeutung bei und bewertet sie – ex­ plizit oder implizit – als wichtiges konzeptionelles Unterscheidungsmerkmal im Vergleich unterschiedlicher Regulierungssysteme. Eine Antwort auf die Frage, ob und inwieweit die damit verknüpften Hypothesen zutreffen, zählt schon deshalb zu den zentralen Anliegen der vorliegenden Arbeit, weil die lite­ rarische Diskussion zur vergleichenden Corporate-Governance-Forschung diesen Kriterien besonderes Augenmerk gewidmet hat.405 Konzeptionell liegen 404   Vgl. von Jhering, Geist des römischen Rechts, Bd. 1, S. 51  ff.: „Ich unterscheide (…) zwi­ schen materieller und formaler Realisierbarkeit eines Rechts und verstehe unter jener die Brauchbarkeit oder Angemessenheit der materiellen Bestimmungen des Rechts. (…) Unter formaler Realisierbarkeit aber verstehe ich die Leichtigkeit und Sicherheit der Anwendung des abstrakten Rechts auf die konkreten Fälle. Je nachdem diese Operation einen geringeren oder höheren Aufwand geistiger Kraft erfordert, und ihr Resultat sicherer oder unsicherer ist, spreche ich von einer höheren oder geringeren formalen Realisierbarkeit. (…) Je allgemeiner und innerlicher die Voraussetzungen und Folgen eines Rechtssatzes bestimmt sind, desto schwieriger die konkrete Ermittelung derselben; je konkreter und äußerlicher, desto leichter.“ (Hervorhebungen im Original). Entsprechend im Anschluß daran etwa Kennedy, 89 Harv. L. Rev. 1685, 1687  ff. (1976); Balkin, 39 Rutgers L. Rev. 1, 43  f. (1986); zusf. jüngst Auer, Materia­ lisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, S. 47  f. 405   Charakteristisch z. B. Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a., Anatomy, 2. Aufl. 2009, S. 35, 39 („most familiar pair of regulatory strategies“); vgl. auch Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 697.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

diese Unterscheidungen quer zu den bislang diskutierten Kategorien des dispo­ sitiven und des zwingenden Rechts: Grundsätzlich lassen sich sowohl bei dis­ positiven als auch bei zwingenden Normen entsprechende Abstufungen den­ ken. Diese Aussage charakterisiert das Verhältnis zwischen den beiden Ebenen indes nicht vollständig. Die bestehenden Gestaltungsoptionen sind keineswegs selbständig neben der Entscheidung über die Reichweite des Geltungsanspruchs und mithin neben der Wahl zwischen zwingendem und dispositivem Recht an­ gesiedelt. Typischerweise stellen sich die nachfolgend zu erörternden Probleme überhaupt erst dann, wenn der Gesetzgeber sich zur Regulierung mittels zwingender Vorschriften entschlossen hat; soll ein Sachverhalt dispositiv geregelt werden, so bleibt es kaum je bei der Wahl eines unbestimmten Standards, son­ dern dominiert die tatbestandlich präzise Formulierung des ge- oder verbote­ nen Verhaltens.406 Zugleich wirken sich, wie angedeutet, gerade bei zwingenden Normen Abstufungen auf die Funktionsweise aus; hier – und weniger in der Wahl des zwingenden Rechts als solchen – liegen zugleich wichtige Ursachen für die vielfach postulierten strukturellen Defizite zwingender Normen be­ gründet. Im Anschluß (unten I.) sind zunächst die mit den Begriffen der „for­ malen Realisierbarkeit“ und des „Konkretisierungszeitpunkts“ umrissenen Kriterien terminologisch zu präzisieren. Im Anschluß daran (unten II.) rücken die Regelform, sodann die Standardform (unten III.) mit den ihnen jeweils zu­ geschriebenen Eigenschaften in den Blick. In der Zusammenschau der einschlä­ gigen rechtstheoretischen und regulierungswissenschaftlichen Aussagen (un­ ten IV.) relativiert sich zwar der hohe Stellenwert, der diesen Kategorien als Bewertungsfaktor für die Effektivität von Regulierungssystemen vielfach zuge­ schrieben wird; gleichwohl lassen sich erste Anhaltspunkte festhalten, die im weiteren Verlauf der Untersuchung anhand des geltenden Rechts zu überprüfen sein werden.

  Ayres, 3 S. Cal. Interdisc. L.J. 1, 2 (1993); insoweit unscharf Korobkin, 83 Cornell L. Rev. 608, 670  ff. (1998). Vgl. auch Kalss, Reform des Österreichischen Kapitalgesellschafts­ rechts, S. 48. Damit ist freilich keine Aussage dahingehend verbunden, daß nicht auch offene Standards dispositiv ausgestaltet werden könnten, wie etwa die bereits erwähnte Diskussion um die Abdingbarkeit fiduziarischer Geschäftsleiterpflichten im US-amerikanischen Gesell­ schaftsrecht anschaulich illustriert. Gerade diese Diskussion erweist indes, daß der Wert dis­ positiver Standards tendenziell eher gering ist. 406

C.  Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt

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I.  Terminologie 1.  Formale Realisierbarkeit „Formale Realisierbarkeit“ bezeichnet bereits bei Jhering407 das Kontinuum tat­ bestandlicher Präzision, auf dem sich Rechtssätze je nach ihrer Ausgestaltung im konkreten Fall in grundsätzlich beliebiger Abstufung einordnen lassen, 408 und formuliert damit einen Maßstab für die unmittelbare, d. h. ohne weitere Konkretisierung in normativer Hinsicht gegebene Vollziehbarkeit eines Rechts­ satzes. a) Begriff Für die Kategorie der formalen Realisierbarkeit entscheidend sind Bestimmt­ heit und deskriptive Qualität der Tatbestandsvoraussetzungen. In hohem Maße formal realisierbar sind solche Normen, die die maßgeblichen Anwendungsvor­ aussetzungen selbst unmittelbar und abschließend in einer Weise festlegen, daß die Subsumtion der erfaßten Sachverhalte hierunter ohne weiteres möglich ist und Verzerrungen aufgrund individueller Wertungen des Normanwenders bzw. Normadressaten weitgehend ausgeschlossen sind. Dieser Maßstab ist – je­ denfalls tendenziell – etwa erfüllt in den Haftungstatbeständen der §§ 93 Abs. 3 AktG, 43 Abs. 3 GmbHG oder, besonders deutlich, in den gesetzlichen Min­ destkapitalbestimmungen (§§ 7 AktG, 5 I GmbHG). In deutlich geringerem Maße formal realisierbar, weil auf unbestimmte Rechtsbegriffe rekurrierend, ist hingegen die – material realisierbare – Definition des anwendbaren allgemeinen Sorgfaltsmaßstabs für die Erfüllung der organschaftlichen Pflichten der Ge­ schäftsleiter in §§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, 43 Abs. 1 GmbHG („ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter“ bzw. „ordentlicher Geschäftsmann“). Entspre­ chendes gilt für den in Umsetzung der Zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtli­ nie für die Aktiengesellschaft ausdrücklich formulierten Grundsatz der Gesell­ schaftergleichbehandlung (§ 53a AktG).409 Das Kriterium der formalen Reali­   Siehe soeben vor I. (S. 167) bei und in Fn. 404.   Vgl. bereits Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, S. 48; Raz, 81 Yale L.J. 823, 838 (1972). Daß es sich nicht um vollständig trennscharf abzugrenzende Kategorien, sondern eben um ein Kontinuum handelt, ergibt sich schon aus der Tatsache, daß bereits die Verwendung von Wörtern zur Formulierung von Tatbestand und Rechtsfolge Unbestimmt­ heit geradezu zwingend einschließt; vgl. auch Reimer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aß­ mann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 9 Rn. 61 m. w. N. (im Zusammenhang des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots). 409   Zum entsprechenden Grundsatz für die GmbH z. B. Ulmer/Habersack/Winter/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 52; Scholz/U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 53  f.; aus der Recht­ sprechung entsprechend BGH, Urt. v. 4. 11. 2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 280, 284; Beschl. v. 14. 7. 2008 – II ZR 202/07, NJW 2008, 3361, 3362. 407

408

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

sierbarkeit bestimmt damit zugleich die Vollzugsvoraussetzungen: Im Falle ei­ nes im hohen Maß formal realisierbaren Tatbestands kann und muß sich die Normanwendung im wesentlichen auf Feststellungen im Tatsächlichen be­ schränken und sind weitere Konkretisierungen der Tatbestandsvoraussetzun­ gen idealtypisch sogar vollständig entbehrlich; zumindest sind sie durch den Wortlaut der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen auf einen überschaubaren Kreis möglicher Bedeutungen festgelegt. Dabei können die Übergänge durch­ aus fließend ausfallen, wie etwa die gesetzlichen Geschäftsleiterpflichten bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (§§ 92 AktG, 64 GmbHG) illustrie­ ren: Hier ergeben sich troz begrifflicher Klarheit sowohl auf der Tatbestandsals auch auf der Rechtsfolgenebene erhebliche Auslegungsprobleme (bekannt­ lich nicht zuletzt im Hinblick auf den Überschuldungsmaßstab410), die im Er­ gebnis die formale Realisierbarkeit der Normen erheblich verringern. b) Formale Realisierbarkeit, „Dichte“ und Komplexität des Tatbestands Nicht zu verwechseln mit der formalen Realisierbarkeit ist das – allerdings ver­ wandte – Kriterium der Dichte, das die Anzahl der für die Normanwendung zu berücksichtigenden Informationen bezeichnet:411 Ein Tatbestand ist hiernach „dicht“ formuliert, wenn er die Voraussetzungen für das Eingreifen der jeweili­ gen Rechtsfolge begriffsreich (ggf. unter Rekurs auf technische Begriffe mit ex­ akt definiertem Aussagegehalt) und umfassend benennt. Gegenstück ist der unter Verwendung weniger und/oder unbestimmter, auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe formulierte, in geringem Maße „dichte“ Tatbestand. Die Kate­ gorie faßt somit Aspekte der tatbestandlichen Präzision (mithin der formalen Realisierbarkeit im soeben skizzierten Sinn) mit solchen der tatbestandlichen Komplexität zusammen. Beide Gesichtspunkte – formale Realisierbarkeit und Dichte in diesem Sinne – werden vielfach, aber keineswegs immer miteinander einhergehen:412 Ohne weiteres denkbar sind Tatbestände, die zwar höchst prä­ zise ausgestaltet sind, aber nur auf wenigen Anwendungsvoraussetzungen be­ ruhen und also gleichzeitig in hohem Maße formal realisierbar und in geringem Maße „dicht“ sind. Gerade in technischen Sachzusammenhängen (und damit nicht zuletzt im Wirtschaftsrecht) ist diese Kombination durchaus nicht sel­ ten.413 Umgekehrt kann es auch in hohem Maße „dichten“ Tatbeständen an for­ 410   Dazu statt vieler stellvertretend Hüffer, AktG, § 92 Rn. 10  ff.; Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 13  ff. 411   Ähnlich auch Towfigh, Staat 48 (2009), 29, 31  ff.; vgl. auch schon Schuck, 42 Duke L.J. 1, 3 (1992): „density“ und „technicality“ als Unterscheidungsmerkmale von Regelungssyste­ men; zu Aspekten der Regulierungsdichte aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht Schuppert, Gute Gesetzgebung, S. 60  ff. 412   Vgl. schon Schuck, 42 Duke L.J. 1, 9 (1992). 413   Vgl. beispielhaft etwa § 6 AktG: „Das Grundkapital muß auf einen Nennbetrag in Euro lauten.“ Ein Gegenbeispiel für eine tatbestandbestandlich komplexe, formal in hohem Maße

C.  Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt

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maler Realisierbarkeit fehlen, etwa, wenn innerhalb eines komplexen Katalogs von Anwendungsvoraussetzungen wiederholt (oder vereinzelt an zentralen Punkten) unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden.414 Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung ist die Unterscheidung nach der „Dichte“ der Anwendungsvoraussetzungen allerdings nur von untergeord­ neter Bedeutung. Denn die durch sie maßgeblich mitbestimmte, formale Kom­ plexität eines Tatbestands als solche wird im Rahmen der Regulierung von Finan­zierungs­beziehungen vielfach schon mit Blick auf den zumindest in erhebli­chem Umfang professionalisierten Adressatenkreis von vornherein als Ursache von Effektivitätsdefiziten ausscheiden: In Bereichen des allgemeinen bürgerlichen Rechts, die den rein privaten Rechtsverkehr betreffen (z. B. Wohn­ raum­mietrecht, Familienrecht, Erbrecht, etc.), mag man durchaus klar ver­ ständliche, nicht allzu komplexe Normen als Regelvoraussetzung für die Effek­ tivität des zwingenden Gesetzesrechts ansehen können.415 Dies gilt dagegen nur eingeschränkt in einer Sphäre, in der die fachkundige Beratung (zumindest im Hinblick auf Entscheidungen von gewisser Tragweite) die Regel sein dürfte oder gar rechtlich gefordert ist und in der daher die jeweiligen Adressaten (Ge­ sellschafter, Geschäftsleiter, Aufsichtsräte) von vornherein nicht unmittelbar aufgrund eines Normbefehls, sondern aufgrund der ihnen seitens fachkundiger Berater vermittelten Kenntnisse über den Inhalt des Normbefehls handeln. Solange die Berater selbst den Normgehalt unter Zurückgriff auf ihr (Erfah­ rungs-) Wissen und ihre methodischen Fertigkeiten ermitteln können, ist es weitgehend irrelevant, ob und inwieweit sich der Normengehalt auch dem letzt­ lich zur Entscheidung berufenen Akteur, etwa der Geschäftsleitung einer Ge­ sellschaft, ohne weiteres erschließt.416 Mit dieser These ist, was klarzustellen bleibt, keineswegs die Feststellung verbunden, daß im Kapitalgesellschaftsrecht die Komplexität einer Norm als Wirksamkeitshindernis von vornherein ausschiede. Vielmehr ist durchaus vor­ stellbar, daß besonders komplexe Tatbestände rechtstatsächlich schon deshalb realisierbare Regel bieten etwa die Ausschlußgründe für das Vorstandsamt nach § 76 Abs. 3 Satz 2 AktG. 414   Beispiele bieten etwa die §§ 76 Abs. 1 Satz 1 (Leitung der Aktiengesellschaft „unter ei­ gener Verantwortung“) und 93 Abs. 1–3 AktG (Sorgfaltspflicht und Haftung des Vorstands) in ihren Wechselwirkungen miteinander. 415   Auch dagegen allerdings bereits – mit beachtlichen Gründen – Towfigh, Staat 48 (2009), 29  ff., insbes. 44  ff., der statt dessen (ebd., S. 67  ff.) das Gebot der Normenklarheit nicht adres­ satenbezogen interpretieren, sondern von vornherein den Verständnishorizont von Juristen als Interpreten und Informationsintermediären als Bezugspunkt heranziehen will. Vgl. allge­ mein zum Zusammenhang zwischen Normbefolgung und Rechtskenntnis etwa Krüger, Adressat, S. 112; Noll, Gesetzgebungslehre, S. 188  ff.; Rehbinder, Jb. für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 3 (1972), 25, 35  ff.; skeptisch G. Müller, FS Eichenberger, 1982, S. 549  ff.; speziell aus strafrechtlicher Perspektive Voß, Symbolische Gesetzgebung, S. 188  ff. m. w. N. 416   Völlig überzeugend auch insoweit wiederum Towfigh, Staat 48 (2009), 29, 50  ff., insbes. 52  ff. (siehe schon vorige Fn.).

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

den Regelungszweck verfehlen, weil es den Normadressaten an hinreichendem Sachverstand mangelt, um daraus die essentialia des Normbefehls abzuleiten und ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Dies betrifft allerdings nicht As­ pekte der strukturimmanenten Funktionsvoraussetzungen von Regulierungs­ instrumenten und Regulierungsstrategien, sondern eher (mögliche) inhaltliche, z. B. systematisch bedingte, Unklarheiten in der Aussagekraft der betreffenden Regelungen und damit materiale Aspekte, die nur im konkreten Sachzusam­ menhang ermittelbar sind. c) Formale Realisierbarkeit, „Allgemeinheit“ und „Abstraktheit“ Aus entsprechenden Gründen ist auch die gelegentlich im Zusammenhang mit dem Gesichtspunkt der formalen Realisierbarkeit erörterte Frage der „Allge­ meinheit“ oder „Abstraktheit“417 von Tatbeständen im hiesigen Kontext von allenfalls nachrangiger, nämlich nur insoweit von Bedeutung, als sie ggf. mit der Einstufung als mehr oder weniger formal realisierbar zusammenfällt: Häufig wird zwar in der Tat die in hohem Maße formal realisierbare Norm im oben entwickelten Sinn zugleich einen speziellen Gegenstand haben und werden um­ gekehrt in geringerem Maß formal realisierbare Normen im Anwendungsbe­ reich weniger beschränkt (mithin „allgemein“ oder „abstrakt“) sein; zwingend ist dieser Zusammenhang jedoch keineswegs.418 Auch dies kann indes dahinste­ hen, weil auch diese Unterscheidung auf materiale Fragen bezogen und daher außerhalb des hier verfolgten Untersuchungsprogramms angesiedelt ist.

2.  Konkretisierungszeitpunkt Der Begriff des Konkretisierungszeitpunkts im hier verwendeten Sinn bezieht sich auf den Zeitpunkt, in dem der Normbefehl den für die Anwendung im konkreten Fall erforderlichen Konkretisierungsgrad erhält. 419 Erkennbar ist dieses Element mit dem Kriterium der formalen Realisierbarkeit untrennbar verwoben:420 Im Falle formal in hohem Maße realisierbarer Tatbestände liegt der Konkretisierungszeitpunkt (spätestens) im Moment des Inkrafttretens der Regelung, weil und soweit die gewählte, umfassende, abschließende und präzise Ausgestaltung des Tatbestands sicherstellt, daß bereits dem Gesetzestext die   Vgl. z. B. Hughes, 77 Yale L.J. 411, 419 (1977).   Vgl. Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, S. 49; in diese Richtung bereits Kennedy, 89 Harv. L. Rev. 1685, 1689  f. (1976); vgl. auch Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 586  ff. (1992). 419   Vgl. Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 559 (1992); grundlegend bereits H.L.A. Hart, Concept, S. 124  ff. und passim; H.M. Hart./Sacks, Legal Process, Bd. 1, S. 157. 420   Vgl. insoweit Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 560 und 568  ff. (1992); siehe auch Gavison, 14 Harv. J.L. & Pub. Pol’y 727, 747  f. (1991). 417 418

C.  Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt

173

Bedingungen für das Eingreifen der jeweiligen Rechtsfolge entnommen werden können.421 Offen gehaltene, formal nur in geringem Maße realisierbare Tatbe­ stände dagegen entbehren – jedenfalls idealtypisch – im Zeitpunkt des Inkraft­ tretens dieser Klarheit und erhalten ihre endgültige Aussage erst im Zuge der Anwendung des Tatbestands auf den konkreten Fall. Im Verhältnis zum rechts­ tatsächlichen Eintreten der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen läßt sich für formal in hohem Maße realisierbare Tatbestände von einer Konkretisierung „ex ante“, für das Gegenteil von einer Konkretisierung „ex post“ sprechen.422 Im erstgenannten Fall obliegt dem Rechtsanwender nur mehr die Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen, im zweiten Fall ist ihm mit der Konkretisie­ rungsaufgabe zugleich ein Teil der Regelsetzungsverantwortung zugewie­ sen.423 Unpräzise wäre es allerdings, aus dem unterschiedlichen Konkretisierungs­ zeitpunkt ohne weiteres auf die Wirkrichtung in zeitlicher Hinsicht zu schlie­ ßen, wie dies in der Diskussion gelegentlich zumindest implizit anklingt.424 Denn einerseits werden zweifellos auch formal in hohem Maße realisierbare Tatbestände unmittelbar vielfach erst ex post durchgesetzt, beispielsweise im Rahmen von Haftungsprozessen für Normverstöße, in denen die Anwendung des Rechtssatzes sich auf die Subsumtion des betreffenden Lebenssachverhalts ex post beschränkt und eine möglicherweise angestrebte Präventivwirkung tat­ sächlich verfehlt worden ist. Andererseits sollen natürlich auch – und vielleicht gerade – offen gehaltene Tatbestände auf künftiges Verhalten der Normadressa­ ten einwirken und inkriminierte Verhaltensweisen möglichst von vornherein unterbinden. Die Existenz von Präzedenzfällen, die über den offenen Wortlaut hinaus zur Konkretisierung auch und gerade offener Rechtssätze beitragen und sich ggf. zu mehr oder weniger detaillierten Fallgruppen verfestigen, relativie­ ren den Zusammenhang von Konkretisierungszeitpunkt und zeitlicher Wirk­ richtung weiter. 425 Insgesamt deuten schon diese ersten Erwägungen darauf hin,   Zwar bedarf vielfach auch der dichte Tatbestand der „Anwendung“ ex post auf den Einzelfall, damit die mit ihm verknüpfte Rechtsfolge zur Geltung gelangt, vgl. in diesem Sin­ ne Isay, Rechtsnorm und Entscheidung, S. 15, wonach „die Norm (…) nur in verhältnismäßig seltenen Fällen die Regelung des konkreten Einzelfalles [gibt], vielmehr bedarf es in der Regel dazu praktisch noch der Entscheidung.“ „Entscheidung“ wird in dieser Argumentation ver­ standen als „nachträgliche Regelung des individuellen (historischen) Falles“ (ebd., S. 9  f., 16). – Auch wenn dies grundsätzlich überzeugt, ändert das indes nichts an den hier vorrangig in­ teressierenden qualitativen Unterschieden in der Realisierung dichter und offen gehaltener Tatbestände. 422   Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 559 (1992). 423   Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 559  f. (1992); vgl. auch Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 324 („wichtige rechtssetzende Funktion“ der Gerichte als Konsequenz der Wahl der Stan­ dardform); knapp wiederum auch Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 583. 424   Zumindest mißverständlich insoweit Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a., Anatomy, 2. Aufl. 2009, S. 21, 23  f.: “Rules (…) prescribe behaviors ex ante“ (eig. Hervor­ hebung). 425   Siehe dazu noch näher unten sub II. 3. a) (S. 183  ff.) sowie sub III. 2. b) (S. 197  ff.). 421

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

daß die zeitliche Wirkrichtung dichter und offener Tatbestände offenbar ein durchaus komplexes Problem darstellt; der Konkretisierungszeitpunkt als sol­ cher besagt hierüber noch nichts.426 Im folgenden wird den damit aufgeworfe­ nen Fragen, die für das Verständnis von Funktionsvoraussetzungen und Funk­ tionsweise von Regulierungsinstrumenten und Regulierungsstrategien natur­ gemäß von großer Bedeutung sind, im einzelnen nachzugehen sein.

3.  Regel- und Standardform In der anglo-amerikanischen rechtstheoretischen und regulierungswissen­ schaftlichen und auch in der unternehmens- und bilanzrechtlichen Diskussion werden die vorstehend entwickelten Abgrenzungskriterien regelmäßig mit den Schlagworten von „rules“ und „standards“427 bzw., seltener, von „rules“ und „principles“428 zusammengefaßt. Auch in der deutschsprachigen Rechtstheorie ist – teils in Rezeption dieser Ansätze, teils autonom – die Diskussion über die Bedeutung von „Regeln“ und „Prinzipien“ als Gestaltungselemente der (Privat-) Rechtsordnung in erheblichem Umfang geführt worden.429 Schon weil die US-amerikanische Unternehmensrechtsdoktrin diese Kategorien aufge­ nommen und, wie angedeutet, zu einem zentralen Kriterium nicht zuletzt im Vergleich unterschiedlicher Gesellschaftsrechtssysteme erhoben hat,430 er­   Ähnlich auch schon Cunningham, 60 Vand. L. Rev. 1409, 1420 (2007).   Vgl. bspw. L. Alexander/Sherwin, 142 U. Pa. L. Rev. 1191 (1994); Braithwaite, 27 Austr. J. Leg. Phil. 47  ff. (2002); Diver, 83 Yale L.J. 65  ff. (1983); I. Ehrlich/R. A. Posner, 3 J. Legal Stud. 257  ff. (1974); H.M. Hart./Sacks, Legal Process, Bd. 1, S. 157; Kaplow, 42 Duke L.J. 557  ff. (1992); Kennedy, 89 Harv. L. Rev. 1685, 1687  ff. (1976); Korobkin, 79 Or. L. Rev. 23  ff. (2000); Schauer, Playing by the Rules, 1991, S. 12  ff., 16  ff. und passim; dens., 14 Harv. J.L. & Pub. Pol’y 645  ff. (1991); dens., N.Z. L. Rev. 303, 305  ff. (2003); dens., 14 J. Contemp. Legal Issues 803  ff. (2005); Schlag, 33 UCLA L. Rev. 379  ff. (1985); Schuck¸ 42 Duke L.J. 1, 9  ff. (1992); Sunstein, 83 Cal. L. Rev. 953, 961 und 964  f. (1995), sowie bereits Pound, An Introduction to the Philosophy of Law, 2. Aufl. 1954, S. 56  ff.; ders., 7 Tul. L. Rev. 475, 480  ff., insbes. 482  f. („rules“) und 485  ff. („standards“) (1933); vgl. – ohne diese terminologische Festlegung, aber mit entsprechender inhaltlicher Ausrichtung – ferner auch Hadfield, 82 Cal. L. Rev. 541 (1994); zusf. etwa Fikentscher, Methoden, Bd. 2, 1975, S. 82  f., 345  ff., und neuerdings Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 697  f.; Kalss, Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, S. 48  f. 428   Vgl. stellvertretend etwa D. Alexander/Jermakowicz, 42 Abacus 132 (2006); Bennett/ Bradbury/Prangnell, 42 Abacus 189 (2006); Benston/Bromwich/Wagenhofer, 42 Abacus 165 (2006); Bratton, 48 Vill. L. Rev. 1023, insbes. 1045  ff. (2003); Kershaw, 68 M.L.R. (2005), 594  ff. (zum Bilanzrecht des Vereinigten Königreichs); Nelson, 17 Acc. Hor. 91 (2002); Schipper, 17 Acc. Hor. 61 (2003); Vincent u. a., 17 Acc. Hor. 73 (2003). 429   Allgemein etwa Alexy, ARSP Beiheft 25 (1985), 13  ff.; ders., Rechtstheorie 18 (1987), 405  ff.; Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, S. 46  ff.; Larenz, Methoden­ lehre, 6. Aufl. 1991, S. 474  ff. und bereits ders., Richtiges Recht, S. 23  ff., 174  ff.; ders./Canaris, Methodenlehre, S. 302  ff. 430   Vgl. zusf. nochmals nur Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a., Anatomy, 426 427

C.  Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt

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scheint die Anlehnung an diese Kategorien auch für die vorliegende Untersu­ chung durchaus naheliegend: „Rule“ (Regel) ist danach der präzise formulierte, ohne weiteres subsumtionsfähige und mithin in hohem Maße formal realisier­ bare, „standard“ (bzw. „principle“) der unbestimmt gehaltene, wertungsoffene und damit material realisierbare Rechtssatz,431 wobei beide Kategorien wieder­ um Punkte in einem Kontinuum beschreiben und mithin nicht dichotomisch zu verstehen sind.432 Das damit umrissene Begriffsverständnis gilt mithin aus­ schließlich der deskriptiven Erfassung formaler Eigenschaften von Rechtssätzen allgemein und Regulierungsinstrumenten im eingangs entwickelten Sinne ins­ besondere; nicht gemeint sind Unterschiede im Hinblick auf Urheberschaft oder Rechtsnormqualität. Diese Terminologie ist indes nicht unproblematisch, weil sie ein etabliertes Begriffsverständnis suggeriert, das als solches gerade nicht existiert. So wird etwa der Begriff der „rule“ vereinzelt als Oberbegriff für Rechtssätze aller Art verstanden;433 teils auch ausschließlich auf den Konkretisierungszeitpunkt im vorbezeichneten Sinn bezogen.434 „Principle“ wird nur teilweise, insbesondere in der anglo-amerikanisch beeinflußten Bilanzrechtsdoktrin,435 im vorgenann­ ten Sinne synonym mit dem Begriff des „Standard“ verwendet, vielfach aber auch im Sinne ungeschriebener Rechtsgrundsätze auf hoher Abstraktionsebe­ ne, die die Auslegung und Fortbildung einfachen Rechts steuern. 436 Die damit S. 35, 39  f.; deutsch Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 697  ff.; Kalss, Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, S. 48  f. 431   In diesem Sinne – im Zusammenhang mit bürgerlich-rechtlichen Generalklauseln, aber verallgemeinerungsfähig – etwa Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, S. 47  f. und passim („Abgrenzung von Regeln und Prinzipien“ – eig. Hervorhebung). 432   Vgl. auch insoweit nochmals schon Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richter­ freiheit, S. 33, 48: Abgrenzung von Regeln und Prinzipien „keine qualitative, sondern stets nur eine graduelle“; siehe nochmals auch oben sub 1. (S. 169) bei und in Fn. 408. Ebenso deut­ lich bereits I. Ehrlich/R. A. Posner, 3 J. Legal Stud. 257, 258 (1974): “The difference between a rule and a standard is a matter of degree – the degree of precision”; gleichsinnig etwa Cunningham, 60 Vand. L. Rev. 1411, 1421 (2007); Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 600 (1992); Korobkin, 79 Or. L. Rev. 23, 26 (2000). 433   In diesem Sinne etwa Black, [1995] Public Law, 94, 96: “Rules have four dimensions, and may vary in each of these (…): substance (what the rule says); character (whether it is permissive or mandatory: may or shall); status (its legal force and the sanction attaching to it) and structure. The last is the most complex, and has four aspects; the scope or inclusiveness of the rule; precision or vagueness (the degree to which behaviour under the rule is prescribed); simplicity or complexity (the degree to which the rule may be easily applied to concrete situ­ ations) and clarity or opacity (the degree to which the rule contains words with well-defined and universally accepted meanings).” Ähnlich auch Baldwin, 53 M.L.R. (1990), 321  ff. 434   So dezidiert Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 559 (1992). 435   Vgl. nochmals die Nachw. soeben Fn. 428. 436   Aus dem deutschsprachigen Schrifttum in diese Richtung – jedoch mit erheblichen Un­ terschieden in inhaltlicher Ausrichtung und im Detail – z. B. Alexy, ARSP Beiheft 25 (1985), 13  ff.; ders., Rechtstheorie 18 (1987), 405  ff.; Esser, Grundsatz und Norm, S. 52  ff., 150  ff., 164, 259  ff. und passim; Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl. 1991, S. 474  ff.; ders., Richtiges Recht, S. 23  ff., 174  ff.; ders./Canaris, Methodenlehre, S. 302  ff.; im Anschluß daran auch Bydlinski,

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

aufgeworfenen Fragen liegen außerhalb des hiesigen Untersuchungsprogramms. Wenn nachfolgend gleichwohl am Begriffspaar „Regel/Standard“ mit dem skiz­ zierten Inhalt festgehalten wird, geschieht dies mit Blick auf das zumindest in der anglo-amerikanischen Regulierungs- und Gesellschaftsrechtstheorie in­ zwischen durchaus verfestigte Begriffsverständnis, aber von vornherein als ver­ einfachende Chiffre für die oben entfalteten Kriterien der formalen Realisier­ barkeit einerseits und des Konkretisierungszeitpunktes andererseits.

4.  Standards und Generalklauseln Noch zuvor bleibt allerdings auf die Verbindungslinien zwischen der Diskussi­ on um Regeln und Standards bzw. Prinzipien als formale Systematisierungskri­ terien zur Diskussion um Funktion und Ausgestaltung von Generalklauseln im System des Privatrechts hinzuweisen. Daß in ihnen der Typus des „Standards“ bzw. des „Prinzips“ im vorstehend entwickelten Sinne geradezu idealtypisch realisiert ist, bedarf kaum näherer Begründung.437 Soweit das einschlägige, überaus reiche Schrifttum Erkenntnisse zu den für die praktische Handhabung der Generalklauseln maßgeblichen Grundsätzen (und mithin zur Funktions­ weise der Generalklauseln im hier verwendeten Sinn) formuliert hat, ist darauf schon mit Blick auf diese Zusammenhänge auch und gerade in der vorliegenden Untersuchung zurückzukommen. Dies gilt zunächst für die mit der Verschie­ bung der Konkretisierungsaufgabe vom Gesetzgeber auf den Richter verbunde­ nen Probleme,438 sodann insbesondere für die mit der Formulierung von Gene­ Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 132  ff., 156  ff.; Penski, JZ 1989, 105  ff.; für die gemeinschaftsprivatrechtliche Methodenlehre grundlegend jüngst Metzger, Extra legem, in­ tra ius, S. 14  ff. und passim; aus der US-amerikanischen Literatur im Grundsatz ähnlich Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 82  ff.; ders., A Matter of Principle, S. 69  ff. und passim; ders., 35 U. Chi. L. Rev. 14, 22  ff. (1967); I. Ehrlich/R. A. Posner, 3 J. Legal Stud. 257, 259  f. (1974); Raz, 81 Yale L.J. 823, 839  ff. (1972); insoweit auch bereits Pound, An Introduction to the Philosophy of Law, 2. Aufl. 1954, S. 56  ff.; ders., 7 Tul. L. Rev. 475, 483 (principles als „au­ thoritative starting points for legal reasoning“); zum anglo-amerikanischen Begriffsverständ­ nis im übrigen Esser, Grundsatz und Norm, S. 183  ff.; vgl. inhaltlich ähnlich (ohne Übernah­ me der Begrifflichkeit) schließlich F. von Hippel, Richtlinie und Kasuistik im Aufbau von Rechtsordnungen, 1942, S. 6  ff. Näher zum Ganzen (mit weiteren Differenzierungen) Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, S. 49  f. m. w. N.; siehe auch Langenbucher, Richterrecht, S. 4  ff., 16  ff. (in Auseinandersetzung mit Dworkin, a.a.O.). 437   Vgl. nochmals bereits Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, insbe­ sondere S. 46  ff., 134  f. und passim; aus der älteren Literatur auch schon Esser, Grundsatz und Norm, S. 150  f. 438   Vgl. zur Interpretation der Generalklauseln als Instrumente der Delegation der Norm­ setzung an die Gerichte bereits Heck, Grundriß des Schuldrechts, § 4, S. 11  ff.; Hedemann, Die Flucht in die Generalklauseln, 1933, S. 58 (Generalklauseln als „Stück offengelassener Gesetz­ gebung“); Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB, 1956, S. 20  ff.; aus der jüngeren Literatur z. B. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 583; ders., in: WieackerSymposion, 1990, S. 189, 202; Hager, Rechtsmethoden, 2. Kap. Rn. 78  ff.; Ohly, AcP 201 (2001),

C.  Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt

177

ralklauseln typischerweise einhergehende Tendenz zur Konkretisierung im Wege der Fallgruppenbildung.439 Deren Aufarbeitung insbesondere in der pri­ vatrechtstheoretischen Literatur ist für die Bewertung qualitativer Unterschie­ de und damit der Leistungsfähigkeit von Regeln und Standards/Prinzipien als Regulierungsinstrumente im Kapitalgesellschaftsrecht insofern aufschlußreich, als damit die praktische Handhabung und mithin die Funktionsweise offener, nicht in hohem Maße formal realisierbarer im Vergleich zu präzisen, durch den Gesetzgeber selbst konkretisierten Tatbeständen näher ausgeleuchtet werden. Außer Betracht bleiben dagegen im folgenden diejenigen Aspekte der General­ klauseldiskussion, die sich auf die spezifischen (materialen) „Funktionen“ der Generalklauseln im System der (Privat-) Rechtsordnung beziehen.440 Für die vorliegende Untersuchung sind sie nur insofern von Bedeutung, als sie indizie­ ren, weshalb die Standardform regelmäßig nur in Gestalt zwingender Normen sinnvoll ist, während abdingbare offene Standards dagegen kaum sinnvoll er­ scheinen werden: Gerade weil der Standard konkretisierungsbedürftig ist, seine Handhabbarkeit Rechtssicherheit voraussetzt und sich diese Rechtssicherheit 1, 7  ff.; Ott, in: FS L. Raiser, 1974, S. 403, 417; Röthel, Normkonkretisierung, S. 49  ff.; kritisch demgegenüber Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, S. 107, 133, 152  f. (in Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte) und bereits Teubner, Standards und Di­ rektiven, S. 50  ff., 106  ff. Diese Kritik gilt indes der Interpretation im Sinne eines Normbil­ dungsauftrags, mithin der Annahme einer speziell darauf gerichteten Delegationsfunktion der Generalklauseln, nicht dagegen dem – als solchem kaum bestreitbaren – Befund der Ver­ schiebung der Konkretisierungsverantwortung von der Gesetzgebungs- auf die Rechtspre­ chungs- und damit auf die Normvollzugsebene als Konsequenz des Verzichts auf tatbestand­ liche Präzision. Allein auf diese Verschiebung als einen in der formalen Ausgestaltung der Regulierungsinstrumente angesiedelten Grund für mögliche Unterschiede in Funktionswei­ se und Leistungsfähigkeit von Regeln und Standards/Prinzipien kommt es im vorliegenden Kontext an. Vgl. im US-amerikanischen Schrifttum allgemein auch I. Ehrlich/R. A. Posner, 3 J. Legal Stud. 257, 261 (1974): “The legislature’s choice whether to enact a standard or a set of precise rules is implicitly also a choice between legislative and judicial rulemaking.” Ähnlich z. B. Schauer, 14 J. Contemp. Legal Issues 803, 804 (2005). 439   Vgl. dazu grundlegend (wenn auch avant la lettre) bereits Wieacker, Zur rechtstheoreti­ schen Präzisierung des § 242 BGB, 1956, S. 20  ff., insbes. S. 36  ff.; siehe auch Bydlinski, Juristi­ sche Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 583; ders., in: Wieacker-Symposion, 1990, S. 189, 191  f.; Ohly, Richterrecht und Generalklausel, S. 199  ff.; Ott, in: FS L. Raiser, 1974, S. 403, 406  ff. (speziell zu § 3 UWG); ferner Blaurock, Unterbeteiligung, S. 32  ff. (Entstehung sich ver­ festigender Fallgruppen in der Judikatur zur stillen Gesellschaft); Larenz/Canaris, Metho­ denlehre, S. 258; eingehend in jüngerer Zeit Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richter­ freiheit, S. 160  ff.; zu den historischen Wurzeln der Fallgruppenmethode HKK/Haferkamp, § 138 BGB Rn. 3; eingehend auch R. Weber, AcP 192 (1992), 516, 525  ff. Die von R. Weber, a.a.O., S. 535  ff., geäußerte grundsätzliche Kritik im Hinblick auf Tragfähigkeit und Legiti­ mation der Konkretisierung durch Fallgruppenbildung vermag beides nicht überzeugend zu widerlegen und besagt im übrigen nichts über den tatsächlichen Stellenwert der Methode, auf den es vorliegend in erster Linie ankommt. Überzeugend gegen R. Weber im übrigen bereits Beater, AcP 194 (1994), 82  ff.; Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, S. 161 bei und in Fn. 71. 440   Dazu stellvertretend wiederum Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfrei­ heit, S. 126  ff. m. w. N.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

nur aufgrund der in einer Vielzahl von Anwendungsfällen gewonnenen Erfah­ rungen erreichen läßt, verringerte sich sein Wert, wenn insoweit die privatauto­ nome Gestaltung zugelassen würde. Auch hier spielen mithin Lerneffekte in funktionaler Hinsicht eine gewichtige Rolle.441

II.  Regeln Die Eigenschaften, die Regeln vielfach zugeschrieben werden, beruhen unmit­ telbar auf den oben442 skizzierten Merkmalen formaler Realisierbarkeit (Be­ stimmtheit und deskriptive Qualität der Tatbestandsvoraussetzungen). Je prä­ ziser der Tatbestand in formaler Hinsicht gestaltet ist, desto geringer fällt der Auslegungsspielraum aus: Der Vollzug der Regel beschränkt sich im wesentli­ chen auf die Erhebung des erforderlichen Tatsachenmaterials. Die Subsumtion unter den eindeutigen Wortlaut ist hier idealtypisch einfach bewältigbar. Des­ halb sinkt zugleich das Risiko, daß die Regel infolge fehlerhafter Auslegung auf Sachverhalte unangewendet bleibt, die eindeutig von ihrer Ratio erfasst werden. Allerdings liegen gerade in der Präzision und Eindeutigkeit von Regeln Proble­ me angelegt, die die Tauglichkeit von Regeln als Regulierungsinstrumente er­ heblich mindern können. Damit angesprochen sind zunächst die mit Regeln nach verbreiteter Ansicht verbundenen Über- und Untersteuerungseffekte (un­ ten 1.), sodann die ebenso auf die formale Präzision zurückführbaren Anreize zur Normumgehung, die dazu geführt haben, daß der Regelform eine struktur­ immanente Umgehungsanfälligkeit attestiert worden ist (unten 2.). Einer Plau­ sibilitätskontrolle unter Einbeziehung insbesondere der unterschiedlichen Ge­ staltungsmöglichkeiten auf der Normdurchsetzungsebene und der praktischen Konsequenzen hieraus halten diese Befunde freilich nicht vollständig stand, so daß sie nur bedingt als Grundlage für die funktionale Analyse von Regeln als Regulierungsinstrumenten im weiteren Verlauf der Untersuchung taugen (un­ ten 3.).

1.  Über- bzw. Untersteuerung als Strukturmerkmal? Tatbestandliche Präzision schärft, wie angedeutet, sicherlich die „Treffsicher­ heit“ einer Regel im Hinblick auf klar nach dem Willen des Regelsetzers davon erfaßte Sachverhaltskonstellationen.443 Dies gilt schon deshalb, weil die präzise Beschreibung der Anwendungsvoraussetzungen regelmäßig – zumindest für 441   Vgl. zu den effizienzfördernden Konsequenzen von Lerneffekten nochmals oben sub B. II. 3. c) bb) (S. 117  ff.). 442   Oben sub I. 1. a) (S. 169  f.). 443   Vgl. insoweit auch Braithwaite, 27 Austl. J. Leg. Phil. 47, 52  f. (2002): hohe Effektivität

C.  Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt

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den fachkundigen oder fachkundig beratenen Normadressaten444 – von hohem deskriptivem Wert sein und damit sehr deutlich über das geforderte oder inkri­ minierte Verhalten informieren wird.445 Mit anderen Worten: Je präziser die Regel formuliert ist, desto eher vermag der Normadressat idealtypisch zu er­ kennen, welches Verhalten ihm abverlangt wird. Dies kann sogar in Grenzfällen gelten, in denen eine Norm trotz an sich präzisen und aussagekräftigen Wort­ lauts die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen selbst nicht vollständig abbil­ det und damit in ihrer formalen Realisierbarkeit beschränkt ist, wie dies oben etwa für die Geschäftsleiterpflichten in der Krise nach §§ 92 AktG, 64 GmbHG konstatiert wurde.446 Denn auch hier kann der, für sich genommen, klare, wenn auch mit komplexen technischen Auslegungsproblemen verbundene Wortlaut auch dem Laien zumindest Handlungsbedarf signalisieren. Dies kann in Ver­ bindung mit der jeweiligen Haftungssanktion jedenfalls tendenziell die Anreize zur Einholung fachkundigen Rats erhöhen, mit dessen Hilfe dann abschließend geklärt werden kann, ob die Anwendungsvoraussetzungen, wie sie in Recht­ sprechung und Literatur konkretisiert wurden, tatsächlich erfüllt sind. Steue­ rungswirkungen, die der Regelform entsprechen, können also auch solche Nor­ men auslösen, die nur bei vordergründiger Betrachtung der Regelform entspre­ chen und tatsächlich eher der Standardform nahestehen. Inwieweit dies in con­ creto (etwa bei den genannten Geschäftsleiterpflichten) der Fall ist, ist allerdings schwierig zu prognostizieren und bedürfte der weiteren (auch empirischen) Un­ tersuchung im Einzelfall. All dies besagt indes nur wenig über die Effektivität der Regelform als Regu­ lierungsinstrument. Denn wenn im vorliegenden Zusammenhang unter „Effek­ tivität“ das Potential zur Erreichung des mit dem Regulierungsinstrument je­ weils verfolgten Zwecks zu verstehen ist, so hängt diese weniger von der tatbe­ standlichen Präzision in formaler Hinsicht als vielmehr davon ab, ob und inwie­ weit die jeweiligen Anwendungsvoraussetzungen jedenfalls den Regelungszweck präzise abbilden. Insofern geht es zunächst um materiale, nicht um formale As­ pekte. Allerdings erhöhen die Wahl der Regelform und die damit per definitio­ nem einhergehende tatbestandliche Präzisierung das Risiko, daß an sich von der Ratio ohne weiteres erfaßte Sachverhalte nicht mehr unter den Wortlaut der An­ der Regelform in einfach gelagerten Sachverhalten; ähnlich I. Ehrlich/R. A. Posner, 3 J. Legal Stud. 257, 261  f. (1974). 444   Insbesondere im Fall hochspezieller, technischer Tatbestände ist die Gleichsetzung von tatbestandlicher Präzision und hohem Informationswert keineswegs selbstverständlich, vgl. zutr. etwa Schlag, 33 UCLA L. Rev. 379, 388 (1985). Zur zentralen Bedeutung rechtskundiger Beratung als Bewertungsfaktor für die Effektivität der Regelform auch Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 599 (1992). 445   Vgl. insoweit I. Ehrlich/R. A. Posner, 3 J. Legal Stud. 257, 262, 266 (1974); im Anschluß daran Cheffins, Company Law, S. 280; Diver, 83 Yale L.J. 65, 73 (1983); siehe ferner Sunstein, 83 Cal. L. Rev. 953, 972 (1995); Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 577 (1992). 446   Oben sub I. 1. a) (S. 170).

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

wendungsvoraussetzungen subsumiert werden können, während andererseits an sich nicht von der Ratio erfaßte Fälle noch darunter fallen. Dies kann gerade­ zu kontraproduktiv wirken, wenn und soweit die präzise Schrankenziehung zwischen erlaubtem und verbotenem Verhalten dazu animiert, die Grenze des Erlaubten kontinuierlich „auszureizen“ und damit z. B. das Risiko von Rechts­ gutsverletzungen, das eigentlich verringert werden soll, sogar erhöht. 447 Anschaulich lassen sich derartige Effekte etwa im Fall gesetzlicher Schranken für die zulässige Lärm- oder Schadstoffemission beobachten;448 im hier unter­ suchten Zusammenhang ließe sich, ohne daß dies abschließend ausgeleuchtet werden könnte, etwa an Regeln über die Mindestkapitalausstattung von Kapi­ talgesellschaften denken: Hier zielt die Festlegung zulässiger Mindest- oder Höchstwerte der jeweiligen Referenzgröße gerade nicht darauf ab, nur die Ein­ haltung dieser Werte sicherzustellen. Im Vordergrund steht vielmehr das Be­ streben, lediglich die Grenze zu den im Interesse des jeweils verfolgten Schutz­ ziels (Umwelt- oder Gesundheitsschutz im einen, Gläubigerschutz im anderen Fall) nicht mehr hinnehmbaren Verhaltensweisen klar zu definieren und damit justitiabel zu machen. Der jeweils festgelegte Wert erfüllt aber eben nur die Funktion eines Mindesterfordernisses im Rahmen eines insgesamt auf den Rechtsgüterschutz durch eigenverantwortliches Handeln der Akteure angeleg­ ten Regulierungsprogramms. Weil daraus – in Ermangelung einer Erweiterung der jeweiligen Regel um weitere Regeln oder einen Standard (die Umwelt nicht zu schädigen; adäquat kapitalisiert zu sein, etc.) – aber zugleich abgeleitet wer­ den kann, daß diesseits des Schwellenwerts mit Sanktionen nicht zu rechnen ist, birgt jede Festlegung von Mindest- oder Höchstwerten das Risiko, in der Ge­ staltungspraxis im Sinne einer „safe harbor“-Regelung ausgelegt zu werden und damit das Verhalten der jeweiligen Adressatengruppe geradezu kontraproduk­ tiv zu beeinflussen. Angesichts der begrenzten Leistungsfähigkeit der sprachlichen Ausdrucks­ mittel als Informationsträger ist die Erkenntnis, daß diese Probleme mit zuneh­ mender tatbestandlicher Präzision nicht notwendigerweise abnehmen, sondern möglicherweise sogar noch wachsen, nur scheinbar paradox. Sie macht ver­ ständlich, warum der Regelform vielfach eine strukturimmanente Neigung zur Über- und Untersteuerung449 bzw., in der anglo-amerikanischen Terminologie, zur „over- and underinclusiveness“450 zugeschrieben wird, die zur Annahme 447   Korobkin, 79 Or. L. Rev. 23, 36  f., 56 (2000); vgl. (skeptisch im Hinblick auf die Tragfä­ higkeit des Arguments) auch Schlag, 33 UCLA L. Rev. 379, 384  f. (1985). 448   Vgl. Korobkin, 79 Or. L. Rev. 23, 36  f., 56 (2000). 449   Auch insoweit liegen (terminologische) Anleihen bei der verwaltungswissenschaftli­ chen Regulierungsdiskussion nahe, deren Suche nach funktionalen Alternativen zu etablier­ ten Regulierungsinstrumenten nicht zuletzt auf der Erkenntnis von Steuerungsdefiziten tra­ dierter Konditionalprogramme in Gestalt der Über- oder Untersteuerung beruht; vgl. allge­ mein nochmals oben, 1. Teil, sub C. I. (S. 25) bei und in Fn. 39  f. 450   Besonders deutlich in diesem Sinne Ehrlich/Posner, 3 J. Legal Stud. 257, 268 (1974);

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einer gegenüber Standards/Prinzipien geringeren Effektivität der Regelform aus formalen Gründen berechtigen könnte. Daß alle, auch noch so präzis for­ mulierte Rechtssätze als semantische Abbreviaturen auslegungsbedürftig sind, ist allerdings an sich ein fast trivialer Befund. Das zum Umgang damit erforder­ liche Rüstzeug stellt die juristische Methodenlehre mit den seit jeher etablierten Auslegungsgrundsätzen und Instrumenten zur Bewältigung von Regelungslüc­ ken zur Verfügung.451

2.  Umgehungsstrategien als typische Reaktion des Rechtsverkehrs auf die Regelform? Die mit der Regelform einhergehende semantische Präzision der Anwendungs­ voraussetzungen verbessert notwendigerweise zugleich die Abgrenzbarkeit des Anwendungsbereichs; darin liegt gerade ihre Funktion. Sie schärft als Kehrseite zwangsläufig aber auch den Blick der Normadressaten für diejenigen Gestal­ tungsmöglichkeiten, die die Anwendung des jeweiligen Tatbestands und seiner Rechtsfolge selbst dann vermeiden, wenn sie zu vergleichbaren inhaltlichen, im vorliegenden Kontext mithin insbesondere wirtschaftlichen Konsequenzen führen wie die eindeutig vom Wortlaut erfaßte Alternative. Mit Blick auf diesen Zusammenhang ist der Regelform geradezu eine strukturimmanente Neigung zur Setzung von Anreizen für Umgehungsstrategien („compliant non-comp­ liance“) attestiert worden.452 Zugleich können zur Kontrolle der Einhaltung von Regeln berufene Institutionen oder Akteure – etwa Abschlußprüfer im Hin­ blick auf Regeln über die Rechnungslegung und Publizität der Kapitalgesell­ schaften – durch hohe tatbestandliche Präzision dazu verleitet werden, im Rah­ men der Erfüllung ihrer Aufgaben weniger auf materiale Gesichtspunkte zu achten und sich auf die (regelmäßig einfachere) Feststellung formaler Vereinbar­ keit mit dem jeweiligen Tatbestand zu beschränken. Die von tatbestandlicher Präzision ausgehenden Anreize zu Umgehungsstrategien auf der Ebene der Normadressaten selbst werden so gerade nicht, wie es dem Sinn der Einschal­ tung institutionalisierter Kontrolle eigentlich entspräche, bekämpft, sondern in ihrer Bedeutung noch verschärft. Denn dem Testat einer derartigen Kontrollin­ stanz dürfte vielfach zumindest in der Wahrnehmung der Rezipienten eine um­ entsprechend auch Diver, 83 Yale L.J. 65, 73 (1983); Kennedy, 89 Harv. L. Rev. 1685, 1689, 1695 (1976); Schauer, Playing by the Rules, S. 31  ff., 50; ders., 14 Harv. J.L. & Pub. Pol’y 645, 648  f. (1991); zusf. im Anschluß daran auch Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 698 (Regeln „mit­ unter zu eng oder zu weit geschnitten“). Vgl. auch Kershaw, 68 M.L.R. (2005), 594, 605  ff.; Sunstein, 83 Cal. L. Rev. 953, 984 (1995). 451   Siehe dazu noch näher unten sub 3. d) (S. 188  ff.). 452   Mit dieser Formulierung anschaulich Braithwaite, 27 Austl. J. Leg. Phil. 47, 55  f. (2002); vgl. auch Allen, 22 Del. J. Corp. L. 894, 898 (1997); Schlag, 33 UCLA L. Rev. 379, 384  f. (1985); zusf. Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 699.

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fassende qualitative Signalwirkung zugeschrieben werden, welche auch eine Aussage zu materialen Aspekten umfassen wird. Beschränkt sich die Prüfung jedoch tatsächlich weitgehend oder ausschließlich auf formale Rechtmäßigkeit der bewerteten Vorgänge, so verstärkt das Testat das trügerische Vertrauen der betroffenen Rezipienten auf die durch die betreffende Regel vermittelte Schutzwirkung und entwertet den Sinn institutioneller Schutzmechanismen, wie dies in den US-amerikanischen Bilanzskandalen in den Fällen Enron und WorldCom besonders deutlich geworden ist. 453 Ganz ähnlich wie im zuvor erörterten Problem der Über- bzw. Untersteue­ rung führt der Anreiz zu Umgehungsstrategien im Ergebnis zu Inkongruenzen zwischen dem Regelungszweck und dem tatsächlichen Geltungsbereich der Norm. Diese gehen in den Umgehungsfällen zwar nicht unmittelbar auf die semantische Präzision der tatbestandlichen Anwendungsvoraussetzungen zu­ rück, doch erleichtert der präzise Wortlaut die Umgehungsstrategie des Norm­ adressaten. Ebenso wie im Fall schon tatbestandlich induzierter Über- oder Untersteuerung reflektiert die auf der materialen Ebene angesiedelte Inkongru­ enz von Regelungszweck und Geltungsbereich wiederum nur tiefer liegende, in der formalen Ausgestaltung von Regeln angelegte Ursachen: Anstatt, wie regel­ mäßig beabsichtigt, Anreize zu einem rechtsgutsensitiven Verhalten zu setzen, hat die damit geschaffene Anreizstruktur zur Folge, daß sich das Interesse des Normadressaten vom Bemühen um ein material adäquates Verhalten hin zu Bestrebungen verschiebt, die formalen Restriktionen des präzise formulierten Pflichtenprogramms zu vermeiden. Besonders deutlich sind derartige Probleme in der anglo-amerikanischen Diskussion um die Ausgestaltung bilanzrechtli­ cher Vorgaben als Regeln betont worden.454 Die in den USA mit dem SarbanesOxley Act 2002 auch auf der Ebene des Bundes-Kapitalmarktrechts angestoße­ ne (Weiter-)Entwicklung bilanzieller Standards zur Ergänzung bzw. Substitu­ tion präskriptiver Bilanzierungsvorschriften („principles-based accounting“) 455 ist das Resultat dieser Diskussion und hat ihre rechtspolitische Bedeutung er­ heblich erhöht.

  Überzeugend insoweit etwa Kershaw, 68 M.L.R. (2005), 594, 596 m. w. N.   Vgl. dazu insbesondere Benston, 52 Em. L.J. 1325, 1344 (2003); kritisch Bratton, 48 Vill. L. Rev. 1023, 1036  ff., insbes. 1045  ff. (2003); ähnlich aus britischer Perspektive auch Kershaw, 68 M.L.R. (2005), 594, 596  ff. 455   Vgl. das im Sarbanes-Oxley Act § 108 (d)(1)(A) der SEC erteilte Mandat zur Durchfüh­ rung entsprechender Studien („study on the adoption by the United States financial reporting system of a principles-based accounting system“); speziell zur weiteren Entwicklung des da­ mit ausgelösten Konsultationsprozesses z. B. Benston/Bromwich/Wagenhofer, 42 ABACUS 165, 166  ff. (2006) m. w. N. 453

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3.  Differenzierungen Das Bild der Regelform, das Rigidität und mithin fehlende Flexibilität als Cha­ rakteristika in den Vordergrund rückt, fällt allerdings allzu schematisch aus, weil und soweit es auf die idealtypisch in der Wahl der Form angelegten Wir­ kungszusammenhänge beschränkt ist und rechtstatsächlich beobachtbare As­ pekte der Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise der Regelform in ihrer Verwendung als Regulierungsinstrument ausblendet. Insofern bestätigt sich der bereits in der Einführung angedeutete, im Forschungsprogramm der Rechtssoziologie besonders akzentuierte Umstand, daß Aussagen über die Ef­ fektivität von Rechtsnormen ohne Einbeziehung der Rezeption dieser Normen durch den Rechtsverkehr, präziser: durch die jeweiligen Adressaten und Dritt­ betroffenen, kaum möglich sind.456 Auch die einschlägige rechtstheoretische Literatur hat diese Zusammenhänge teilweise erkannt und ihre Aussagen zu strukturimmanenten Problemen der Regelform relativiert. 457 Vier Gesichts­ punkte verdienen besondere Beachtung: Von Bedeutung für die Effektivität von Normen sind zunächst Unterschiede im Hinblick auf die Zugänglichkeit des Aussagegehalts, die von der Entscheidung zwischen Regel- und Standardform durchaus unabhängig sind (unten a)). Ebenso wenig unmittelbar mit der Grund­ satzentscheidung zwischen beiden Kategorien verknüpft sind Effektivitätsun­ terschiede, die sich auf die jeweils eingesetzten Durchsetzungsmechanismen zurückführen lassen (unten b)). Als weitere, von der Regelform als solcher nicht unmittelbar abhängige Ursache sind sodann Defizite bei der tatsächlichen Wahrnehmung des Normengehalts durch den jeweiligen Adressatenkreis zu berücksichtigen (unten c)). Und schließlich verlieren die mit dem Idealtypus der Regelform verknüpften Funktionsmerkmale in der praktischen Handhabung an Konturen, weil sich Regeln vor allem über längere Zeiträume hinweg an die Standardform annähern (unten d)). a) Ermittlungsaufwand als Wurzel von Über- und Untersteuerung Schon die grundsätzliche Annahme, wonach tatbestandliche Präzision als prä­ gendes Merkmal der Regelform Defizite im Hinblick auf den Anwendungsbe­ reich nach sich ziehe (Problem der Über- bzw. Untersteuerung), mag die Kon­ sequenzen der Wahl dieser Gestaltung zwar für den Regelfall zutreffend be­ schreiben. Eine Tendenz zur Über- und Untersteuerung wird bei Rechtssätzen 456   Siehe bereits oben, 1. Teil, 1. Kap., sub C. II. (S. 27  ff.), und nochmals Epstein, in: Gi­ gerenzer/Engel (Hrsg.), Heuristics and the Law, S. 141: “It is only possible to select legal rules (…) to advance any social goal by understanding the (range of) responses that people will display toward the announcement and enforcement of these rules.” 457   Vgl. insbesondere I. Ehrlich/R. A. Posner, 3 J. Legal Stud. 257, 259  ff. (1974); Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 571  ff. (1992); Korobkin, 79 Or. L. Rev. 23  ff. (2000).

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in der Regelform tatsächlich vielfach zu konstatieren sein. Strukturell in der Regelform als solcher angelegt ist dieses Problem indes nicht. Vielmehr spre­ chen gute Gründe für die Annahme, daß die These von der strukturimmanen­ ten Neigung zur Fehlsteuerung das eigentliche Problem eher verschleiert als klärt. Denn theoretisch denkbar ist eine Regel, die derartige Probleme vermei­ det, durchaus. Ihr Tatbestand müßte naturgemäß stark ausdifferenziert sein und durch ein komplexes Zusammenspiel von Einzelvoraussetzungen mit je­ weils hohem deskriptivem Wert Regeln und Ausnahmen so umfassend definie­ ren, daß sich sämtliche potentiellen Anwendungsfälle darunter subsumieren ließen und Umgehungsstrategien mithin ausgeschlossen wären. Daß eine derar­ tig komplexe Struktur allerdings praktisch meist kaum realisierbar ist, liegt auf der Hand. Gerade dies führt auf den eigentlichen Kern des Fehlsteuerungspro­ blems hin, nämlich die Frage, inwieweit sich tatbestandliche Präzision aus der Sicht des Gesetzgebers, mithin aus der ex ante-Perspektive bezogen auf den Zeitpunkt der Normkonkretisierung, überhaupt je erreichen läßt. So gewendet, ist die vermeintlich strukturimmanente Neigung der Regel­ form zu Fehlsteuerungseffekten nichts anderes als ein Ausdruck der Probleme, die diese Form bereitet, wenn sie Fälle erfassen soll, die sich ex ante – auch im Hinblick auf die jeweils zu erwartenden negativen Fernwirkungen bestimmter Verhaltensweisen – kaum präzise prognostizieren und abgrenzen lassen. Die eigentliche Erklärung für eine Über- und Untersteuerung wäre danach nicht oder nicht ausschließlich zu suchen in strukturell bedingten semantischen Un­ schärfen präziser Tatbestandsmerkmale und/oder in ggf. vorliegenden Defizi­ ten in der Formulierung der jeweiligen Tatbestandsmerkmale im konkreten Beispiel, sondern letztlich in der Wahl der Regelform als Regulierungsinstru­ ment in Fällen erschwerter Vorhersehbarkeit der zu erwartenden Anwendungs­ fälle ex ante. Auch das Fehlsteuerungsproblem ließe sich damit interpretieren als Folge des zentralen Informationsproblems, das sich bei jedem Regulierungs­ versuch manifestiert: Sind die zu regelnden Sachprobleme in ihren Interdepen­ denzen mit den Folgewirkungen von Regulierungsinstrumenten ex ante nicht oder nur schwer aufklärbar, stößt Regulierung zwangsläufig an ihre Grenzen. In der Literatur zu den Unterschieden zwischen der Standard- und der Regel­ form hat vor allem Kaplow auf diese Zusammenhänge aufmerksam gemacht458 und einen wesentlichen Gesichtspunkt für die Wahl zwischen beiden Kategori­ en in erster Linie im Aufwand verortet, den die Aufklärung des jeweils zu re­ gelnden Problemkreises als Voraussetzung für die hinreichend präzise Formu­ lierung der Tatbestandsmerkmale bereitet: Aus dieser Perspektive präsentiert sich das Wahlproblem letztlich als Kostenproblem in Abhängigkeit von der In­ formationslage:459 Je diffiziler sich der zu regelnde Sachverhalt bzw. der Kreis   Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 586  ff. (1992).   Vgl. insbesondere Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 571  ff., 599  ff. (1992); ähnlich bereits I. Ehr-

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der zu regelnden, divergierenden Sachverhalte präsentiert, desto höher fallen die Kosten für die Aufklärung ex ante aus. Aus der Perspektive ex post dagegen sind die bewertungsrelevanten Konturen des jeweiligen Sachproblems oft schär­ fer und deshalb mit geringerem Aufwand erkennbar: Zum einen verliert das Problem an Komplexität, weil – gerade umgekehrt wie im Fall der Regelsetzung ex ante – nicht eine Reihe vergleichbarer Sachverhaltskonstellationen zu bewäl­ tigen ist, sondern nurmehr ein tatsächlich ermittelbarer Sachverhalt darauf zu überprüfen ist, ob er dem jeweiligen Rechtssatz unterfällt. Zum zweiten wird die rechtliche Bewertung durch den Umstand erleichtert, daß der festgestellte Sachverhalt selbst vielfach die relevanten Beurteilungskriterien quasi „mitlie­ fern“ wird.460 Dabei wird zwar die Bewertung des Rechtsanwenders schon durch die – häufig ja negativen – Konsequenzen einer Handlung beeinflußt und möglicherweise zu Lasten des Handelnden verzerrt werden (sog. Rückschau­ fehler, Hindsight Bias).461 An dem im Vergleich zur Bewertung ex ante geringe­ ren Aufklärungsaufwand ändert das aber nichts. Besonders anschaulich wird dies etwa in Haftungsfällen, in denen das Vorliegen einer Rechtsgutsverletzung und die Feststellung eines Kausalitätszusammenhangs zwischen dieser und dem streitgegenständlichen Verhalten erweisen, daß das Verhalten zur Herbei­ führung des Verletzungserfolgs immerhin geeignet war. Dies wird möglicher­ weise die rechtliche Bewertung des fraglichen Verhaltens im Hinblick auf den einschlägigen Sorgfaltsmaßstab beeinflussen und kann dazu führen, daß der zur Entscheidung berufene Rechtsanwender (Richter) die Verhaltensanforde­ rungen in Kenntnis des Schadenserfolgs auf einem Niveau ansetzt, das ex ante kaum mehr sinnvoll hätte verlangt werden können.462 Doch wäre eben die für eine Regelung des Sachproblems erforderliche Information, daß das Verhalten als riskant einzustufen war, aus der Perspektive ex ante möglicherweise nicht oder nur unter erheblichem Aufwand, z. B. im Wege komplexer Versuchsanord­ nungen, zu gewinnen gewesen. Festzuhalten bleibt zweierlei: Einerseits sprechen zumindest prima facie gute Gründe für die Annahme, daß mit der tatbestandlichen Präzision als prägen­ lich/R. A. Posner, 3 J. Legal Stud. 257, 267  ff. (1974); im Anschluß an beide auch Korobkin, 79 Or. L. Rev. 23, 29  ff. (2000); vgl. ferner Cheffins, Company Law, S. 281; Schuck, 42 Duke L.J. 1, 8 (1992): „ideale Komplexität“ rechtlicher Regeln abhängig vom Aufwand der Normset­ zung und Normdurchsetzung. 460   Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 580  ff., insbes. 582 (1992); vgl. im Anschluß daran zusf. auch Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 697  f. 461   Vgl. im vorliegenden Zusammenhang etwa Korobkin, 79 Or. L. Rev. 23, 47  ff. (2000); allgemein zum Hindsight Bias als hermeneutischem Problem in der rechtlichen Bewertung von Vorgängen aus der ex post-Perspektive grundlegend Fischhoff, 1 J. Exp. Psych. 288  ff. (1975); zusf. Hawkins/Hastie, 107 Psych. Bull. No. 3, 311  ff. (1990); zur Bedeutung im Haf­ tungsprozeß Kamin/Rachlinski, 19 L. & Hum. Behav. 89  ff. (1995); zur Bedeutung in materi­ ell-rechtlichen Zusammenhängen Rachlinski, 65 U. Chi. L. Rev. 571, 576 (1998); vgl. auch van Aaken, Rational Choice, S. 100  ff.; Spindler, AG 2006, 677, 678  f. 462   Vgl. nochmals die Nachw. soeben Fn. 461.

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dem Strukturmerkmal der Regelform zugleich die Risiken für Fehlsteuerungs­ effekte infolge möglicher semantisch bedingter Inkongruenzen zwischen Rege­ lungszweck und Geltungsbereich steigen. Andererseits steht zu vermuten, daß dieses Risiko nicht zwingende Konsequenz der Wahl der Regelform als gesetz­ geberische Gestaltungsmöglichkeit ist, sondern daß es maßgeblich davon beein­ flußt wird, wie es im jeweiligen Anwendungsgebiet um die Verfügbarkeit der bewertungsrelevanten Informationen über das Regelproblem in seinen künfti­ gen Erscheinungsformen bestellt ist. Dieses Zwischenergebnis widerlegt kei­ neswegs die zumal in der gesellschaftsrechtlichen Literatur zunehmend betonte Grundannahme der qualitativen Unterscheidungskraft von Regel- und Stan­ dardform im Hinblick auf die Effektivität unterschiedlicher Regulierungssy­ steme. Aber es schärft den Blick dafür, daß die eigentlichen Gründe für qualita­ tive Unterschiede zwischen beiden Gestaltungsalternativen möglicherweise tiefer liegen als in der Formenwahl als solcher. Dabei wird man zwar nicht so weit gehen müssen, die „Effizienz“ der Regelform vor allem mittels der Relation zwischen Aufklärungsaufwand und Zahl der Anwendungsfälle zu bestim­ men.463 Doch auch wenn nicht quantitativ erfaßbare Wertvorstellungen (z. B. ethische Erwägungen des Gläubiger- oder Arbeitnehmerschutzes) in die Abwä­ gung für oder wider die Wahl der Regelform eingestellt werden,464 erweist sich die Erkenntnis, daß die Leistungsfähigkeit von der Aufklärbarkeit der zu re­ gelnden Sachverhalte ex ante abhängt, als Kern der verbreitet formulierten An­ nahmen über typische Funktionsdefizite der Regelform. Damit entfällt zugleich die Basis für Pauschalurteile über die Effektivität der Regel- und der Standard­ form. Beide sind vielmehr auch abhängig von der jeweils verfügbaren regulie­ rungsvorbereitenden Informationsbasis, die nur im konkreten Regelungszu­ sammenhang festgestellt werden kann. b)  Unterschiedliche Normdurchsetzungsmechanismen als Wurzel von Überund Untersteuerung Zu ergänzen ist die eingangs vorgestellte Analyse der wesenstypischen Funkti­ onsweise ferner um diejenigen Funktionsvoraussetzungen, die nicht auf die strukturimmanente tatbestandliche Präzision der Regelform, sondern auf Un­ terschiede in der jeweiligen Ausgestaltung der Normdurchsetzungsmechanismen zurückzuführen sind. In der einschlägigen rechtstheoretischen Literatur wird ihnen gelegentlich zu wenig Beachtung gewidmet. Doch die Leistungsfä­ higkeit der Regelform beruht nicht nur im Hinblick auf den ihr immanenten, 463   In diese Richtung zuspitzend aber Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 563, 571  ff., 599  ff., zusf. S. 621 (1992). 464   Dafür wohl Braithwaite, 27 Austl. J. Leg. Phil. 47, 52  ff. (2002), der das Gewicht der betroffenen Schutzinteressen als Gesichtspunkt für die Formenwahl heranzieht.

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vergleichsweise hohen Informationswert,465 sondern – damit zusammenhän­ gend – auch im Hinblick auf ihr Potential zur Verhaltenssteuerung ex ante na­ turgemäß stark auf der jeweiligen Art der Normdurchsetzung466: Ob und in­ wieweit der Verkehrskreis auf eine Regel reagiert, hängt eben nicht nur von der formalen Ausgestaltung von Tatbestand und Rechtsfolge, sondern insbesondere auch davon ab, inwieweit die vorgesehenen Normdurchsetzungsmechanismen tatsächlich hinreichende Anreize setzen. Dabei handelt es sich naturgemäß nicht um ein auf die Regelform beschränktes Problem; Unterschiede zwischen hoheitlicher, teilprivatisierter und privatisierter Normdurchsetzung durchzie­ hen vielmehr das gesamte Spektrum der verfügbaren Regulierungsinstrumente (auch) im Kapitalgesellschaftsrecht. Auf sie ist (unten D.) daher gesondert ein­ zugehen; hier bleibt einstweilen nur festzuhalten, daß auch in dieser Hinsicht die der Regelform vielfach zugeschriebenen Eigenschaften zumindest einer ver­ feinerten Betrachtung bedürfen. c)  Unterschiede in der tatsächlichen Kenntnisnahme durch den Normadressaten als Wurzel von Über- und Untersteuerung Zu berücksichtigen sind darüber hinaus auch Verzerrungen, die sich durch un­ zureichende tatsächliche Kenntnisnahme der Normadressaten vom Inhalt der jeweiligen Regel ergeben: Die mit tatbestandlicher Präzision möglicherweise einhergehenden Vorteile laufen leer oder werden zumindest gestört, wenn und soweit der jeweilige Normadressat keine oder nur unklare Kenntnis vom Norm­ gehalt hat. Mit dem Einfluß unterschiedlicher Normdurchsetzungsmechanis­ men auf die Effektivität von Regeln ist dieses Problem insofern verknüpft, als die Art und Weise der Normdurchsetzung naturgemäß nicht nur Anreize für die Normbefolgung im allgemeinen setzt und also die Bereitschaft zur Befol­ gung einer bekannten Norm erheblich beeinflussen wird. Vielmehr werden von der Art und Weise der Normdurchsetzung, insbesondere von der Schärfe und der Eintrittswahrscheinlichkeit der Sanktionen für Verstöße, auch und gerade bereits die Anreize für die Normadressaten abhängen, sich um Kenntnisnahme des Normengehalts zu bemühen und ggf. rechts- oder anderweit fachkundigen Rat einzuholen.467 Ausschlaggebend ist allerdings nicht allein die Ausgestaltung der Normdurchsetzungsmechanismen im konkreten Fall, sondern insbesonde­ re die tatsächlich zu erwartende Sanktion.   Vgl. nochmals oben sub 1. (S. 179) bei und in Fn. 445.   Und nicht allein auf der Häufigkeit der Anwendung der Regel, worauf sich insoweit die Analyse von Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 581  f. (1992), reduziert. 467   Allgemein Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 581  f. (1992); vgl. auch bereits ebd., S. 564: “(…) the advantage of rules at the stage involving individuals’ behavior depends on whether individuals choose to acquire legal advice before they act.” Vgl. zu entsprechenden Pflichten und Oblie­ genheiten von Geschäftsleitern und Aufsichtsräten näher Binder, AG 2008, 274  ff., und (rechtsvergleichend) Fleischer, ZIP 2009, 1397  ff. 465

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Vollständig deckungsgleich sind Normbefolgungs- und Normkenntnisnah­ meproblematik indessen nicht: Denkbar ist zunächst, daß eine gesetzliche Haf­ tungssanktion zwar Anreize zur Informationsbeschaffung über die jeweilige Norm setzt, die daraufhin beschaffte genaue Normkenntnis aber – etwa, indem sie das Potential für Umgehungsstrategien einschätzen hilft oder ein im Einzel­ fall geringes Sanktionsrisiko transparent macht – die Anreize zur Normbefol­ gung gerade senkt.468 Unterschiedlich können zudem die Folgen tatbestandli­ cher Komplexität oder Technizität ausfallen: Hohe formale Technizität und Komplexität dürften zwar grundsätzlich geeignet sein, Beratungsbedarf zu si­ gnalisieren.469 Hinreichend effektive Sanktionen (oder andere Beweggründe) vorausgesetzt, sind beide Aspekte im Hinblick auf die Entscheidung für oder gegen normkonformes Verhalten allerdings wohl nur von nachrangiger Bedeu­ tung: Ein hochkomplexer bzw. hochgradig technischer Tatbestand mag, mit anderen Worten, Beratungsbedarf besonders deutlich erkennen lassen; Anreize zur Beachtung oder Nichtbeachtung sind allein mit der Komplexität bzw. Tech­ nizität noch nicht verbunden. d) Kompensation durch Methoden der Normrezeption und Normauslegung Nochmals nuancenreicher wird das gewonnene Bild, wenn die methodischen Möglichkeiten der Extension von Regeln über die an sich durch die Tatbestands­ merkmale (idealtypisch präzise) gezogenen Grenzen hinaus in die Betrachtung einbezogen werden. Insbesondere Analogien als rechtsordnungsübergreifend anerkannte und zumal in der deutschen Dogmatik klar konturierte 470 Methode der Lückenfüllung, aber etwa auch die teleologische Extension471 kommen hier in Betracht. Indem sie Korrekturen am primären Auslegungsergebnis zulassen, verringern sie die Gefahr von Fehlsteuerungseffekten nicht unerheblich. Bei formaler Betrachtung gehen die damit zwangsläufig verbundenen Abweichun­ 468   Vgl. auch Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 571 (1992): “(…) informed individuals might be deterred from conduct they would have undertaken if they had remained uninformed, which can occur when they learn that such conduct is illegal or subject to a higher sanction than they otherwise would have expected. Or, informed individuals might choose to undertake acts they would have been deterred from undertaking if they had remained uninformed.” (eig. Hervor­ hebung). 469   Vgl. Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 597  ff. (1992). 470   Vgl. aus der deutschsprachigen Methodenlehre allgemein nur Bydlinski, Juristische Me­ thodenlehre und Rechtsbegriff, S. 475  ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 381  ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 202  ff.; rechtsvergleichend Hager, Rechtsmethoden, 2. Kap. Rn. 98  ff.; Vogenauer, Auslegung von Gesetzen, S. 501  ff., 1018  ff., 1054  ff. und passim, jeweils m. w. N.; spe­ ziell im vorliegenden Zusammenhang auch Schauer, N.Z. L. Rev. 303, 312  ff. (2003); Sunstein, 83 Cal. L. Rev. 953, 967 (1995). 471   Dazu und zur – vielfach schwierigen Abgrenzung zur Analogie – näher Larenz, Me­ thodenlehre, S. 397  ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 216  ff. jeweils im Anschluß an Canaris, Vertrauenshaftung, S. 89  ff.

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gen von der als Regel vorgegebenen Kombination aus Tatbestand und Rechts­ folge unter Ausdehnung der Rechtsfolge auf nicht explizit genannte Tatbe­ standsmerkmale letztlich mit einer Auflösung der Regel­- zugunsten der Stan­ dardform einher: Die Regel wird, indem sie auf einen abstrakteren (Schutz-) Zweck oder ein Leitprinzip472 zurückgeführt wird, durch einen Standard quasi untermauert; hierin liegt zugleich der mittels des etablierten Methodenkanons, insbesondere im Wege der Analogie auch ohne ausdrückliches gesetzliches Mandat (etwa in Gestalt einer Generalklausel) verwendbare Schlüssel für eine Bekämpfung der der Regelform zugeschriebenen Untersteuerungseffekte.473 Gerade in Fällen überwiegend dispositiv ausgestalteter Regulierungsprogram­ me sind derartige Standards als Korrektiv unentbehrlich.474 Insoweit bestehen deutliche Parallelen zur Funktion (ungeschriebener) allgemeiner Rechtsgrund­ sätze als strukturbildende Leitprinzipien.475 Auch in der zivilrechtlichen Dog­ matik wird zu recht betont, daß gerade allgemeine Rechtsprinzipien als An­ knüpfungspunkt für die Analogiebildung ein höchst effektives Instrument zur sachgerechten Erfassung von Strategien zur Umgehung zwingenden Rechts darstellen, die spezielle Umgehungsverbote, wie sie im deutschen Recht etwa in § 42 AO realisiert sind, praktisch weitgehend unnötig werden lassen.476 Nichts

472   An dieser Stelle verfließt die Grenze zwischen „Prinzipien“ und „Standards“ in dem oben sub I. 3. (S. 175) bei und in Fn. 436 berichteten, verbreiteten Begriffsverständnis: Einerseits wird die Regel als Ausfluß eines allgemeinen Rechtsgedankens („Prinzip“) interpretiert; andererseits unterliegt sie insoweit einem Funktionswandel, als sie praktisch in eine Art Re­ gelbeispiel einer Generalklausel mit gleichen oder vergleichbaren Rechtsfolgen umgewidmet wird. Zumindest prima facie abweichend zwar Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 485, nach dem der „greifbare Unterschied zwischen der Anwendung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes und der Analogie (…) darin [liegt], daß diese einen vollstän­ digen Rechtssatz mit Tatbestand und Rechtsfolge ergibt, während das allgemeine Rechtsprin­ zip nur eine Werttendenz oder einen allgemeinen Zweck enthält, aber seine nähere Durchfüh­ rung und damit vor allem die genauere Rechtsfolge noch offenläßt.“ Dies trifft so sicher zu, ändert indes nichts daran, daß die Zurückführung der Regel auf einen übergelagerten Sollens­ satz im Wege der Analogie die Konturen zwischen Regel und Prinzip auflöst. Vgl. eindeutig in diesem Sinne etwa Larenz, Methodenlehre, S. 381 (zur Einzelanalogie): „Die Ausfüllung der Gesetzeslücke im Wege des Rückganges auf ein im Gesetz angelegtes Prinzip gründet sich darauf, daß der im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte Sachverhalt ein solcher ist, auf den das Prinzip (ebenfalls) zutrifft, ein Grund, hier eine Ausnahme von dem Prinzip zu machen, aber nicht vorliegt.“ (eig. Hervorhebung); entsprechend Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 202. 473   Vgl. auch I. Ehrlich/R. A. Posner, 3 J. Legal Stud. 257, 268 (1974): “The problem of un­ derinclusion can be solved by backing up the rule with a standard.“ In diese Richtung wohl auch Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 323 („materielle Leitplankenfunktion“ offener Tatbestände); vgl. auch Coffee, 89 Colum. L. Rev. 1618, 1653  ff., 1676 (1989); mit deutlicher Kritik an der Diskussion über strukturimmanente Vorteile der Standardform auch Cunningham, 60 Vand. L. Rev. 1411, 1414, 1423  ff., 1435  ff. (2007). 474   Überzeugend Coffee, 89 Colum. L. Rev. 1618, 1653  ff., 1676 (1989). 475   Zu diesen monographisch Metzger, Extra legem, intra ius, passim. 476   Monographisch Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 58  ff., speziell zur Norm des § 42 AO siehe ebd., S. 27  ff., 181  ff.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

anderes gilt für das Kapitalgesellschaftsrecht,477 und zwar auch für das angloamerikanische Recht.478 Daß gerade dieser rechtsdogmatisch höchst wertvolle, nämlich systemprägende Wert der Standardform verloren geht, wenn man offe­ ne Standards abdingbar ausgestaltet, ist bereits angeklungen.479 Auch für das Problem der Übersteuerung hält die etablierte Methodenlehre ein etabliertes Instrumentarium bereit: Ein außerhalb des eigentlich (aus der Sicht des Gesetzgebers oder der Sicht des den Gesetzestext interpretierenden Normanwenders) gemeinten Anwendungsbereichs angesiedelter Sachverhalt läßt sich bekanntlich im Wege der teleologischen Reduktion von der Anwen­ dung eines Rechtssatzes freistellen, wenn dessen Wortlaut die Anwendung an sich durchaus trägt.480 Das soeben beschriebene Phänomen der Auflösung der Regel- zugunsten der Standardform tritt in diesem Vorgang zwar weniger deut­ lich zutage. Doch ist es auch hier feststellbar, weil und soweit die Normanwen­ dung wiederum unausgesprochen mit der Figur eines die positivierte Regel fun­ dierenden Standards arbeitet und die Regel im Wege der teleologischen Reduk­ tion letztlich auf diesen Standard zurückführt.481 Nach alledem relativieren die – zur Vermeidung sinnwidriger Ergebnisse ab­ solut legitimen und notwendigen482 – etablierten Methoden der Handhabung in hohem Maße formal realisierbarer und damit an sich prima facie unflexibler Tatbestände mithin die Tragweite der oben zusammengestellten Aussagen über „typische“ strukturimmanente Eigenschaften der Regelform nicht unerheblich. Auch aus diesem Befund läßt sich ableiten, daß diese allzu schematischen Aus­ 477   Zur Bedeutung für die Analogiebildung zur Erfassung von Umgehungsgeschäften im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht allgemein zunächst Sieker, Umgehungsgeschäfte, S. 161  ff.; siehe daneben bereits die Nachw. soeben Fn. 473. In eine ähnliche Richtung weist das prominent von K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 3 III, S. 53  f., formulierte Postulat einer Sy­ stematisierung des Gesellschaftsrechts durch „Institutionenbildung“, wobei auf „allgemeine Lehren, die eine differenzierte, aber doch stimmige Handhabung der Einzelrechtsformen tra­ gen“, abgezielt wird (ebd.). 478   Überzeugend Cunningham, 60 Vand. L. Rev. 1411, 1435  ff. (2007). 479   Vgl. aus der Diskussion über die Abdingbarkeit fiduziarischer Geschäftsleiterpflichten in den US-amerikanischen Gesellschaftsrechten exemplarisch nochmals (ablehnend) Clark, 89 Colum L. Rev. 1703, 1706  ff. (1989); Coffee, 89 Colum. L. Rev. 1618, 1653  ff., 1676 (1989), dezidiert a.A. allerdings Butler/Ribstein, 65 Wash. U. L. Rev. 1, 2  ff. (1990). 480   Dazu aus der deutschsprachigen Methodenlehre stellvertretend Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 480  f.; Larenz, Methodenlehre, 391  ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 210  ff.; entsprechend zum anglo-amerikanischen Recht im vorliegenden Zusammenhang etwa Schauer, N.Z. L. Rev. 303, 312  ff. (2003) („avoidance of rules“); allge­ mein Vogenauer, Auslegung von Gesetzen, S. 68  ff., 374  ff., 1115  ff. und passim, zusf. S. 1259  f. 481   Besonders deutlich in diesem Sinne Larenz, Methodenlehre, S. 39f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 210  f. 482   Vgl. zur methodologischen Bedeutung der durch Extension und Restriktion eröffneten Flexibilisierungspotentiale neben den Nachweisen soeben Fn. 470  f., 480 im vorliegenden Zu­ sammenhang auch Sunstein, 83 Cal. L. Rev. 953, 991  ff. (1995) unter Hinweis auf strukturimmanente Fehlerneigung von streng auf Regelbefolgung programmierten Verhaltensweisen ohne methodisch eingehegte Flexibilität in der Regelanwendung.

C.  Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt

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sagen nur eingeschränkt als gesicherte Grundlage für die nachfolgende Analyse der verfügbaren und im geltenden Recht verwendeten Phänotypen gesetzlicher Regulierungsinstrumente unter funktionalen Gesichtspunkten taugen: Im Hinblick auf die der Regelform zugeschriebenen strukturimmanenten Eigen­ schaften suggerieren sie eine systematische Trennschärfe, die auch aufgrund der bestehenden und praktizierten Möglichkeiten zur Extension oder Restriktion des Anwendungsbereichs tatsächlich nicht voll gegeben ist.483

III.  Standards bzw. Prinzipien In ihrer Idealform sind Standards nicht nur im Hinblick auf die Kriterien der formalen Realisierbarkeit und des Konkretisierungszeitpunkts das konzeptio­ nelle Gegenstück zur Regelform. Auch die der Standardform zugeschriebenen strukturimmanenten Merkmale korrespondieren daher quasi dialektisch meist unmittelbar mit einer entsprechenden Eigenschaft im Idealbild der Regelform (unten 1.).484 Der Katalog strukturimmanenter Eigenschaften der Standardform ist allerdings ebenfalls insbesondere mit Blick auf Aspekte der Normdurchset­ zung in erheblichem Umfang zu relativieren (unten 2.). Auch der Erkenntnis­ wert der rechtstheoretischen Diskussion zur Standardform als Grundlage für die weitere Untersuchung fällt somit geringer aus, als der hohe Stellenwert ver­ muten ließe, der den Kategorien als Ausgangspunkt einer qualitativen Bewer­ tung unterschiedlicher Regulierungssysteme in der Literatur beigemessen wird.

1.  Standards als funktionaler Kontrapunkt zur Regelform Wenn Standards der formalen Realisierbarkeit im oben entwickelten Sinn ent­ behren und die Konkretisierung des Normengehalts bei ihnen an den Norm­ adressaten im konkreten Entscheidungsprozeß bzw. an Richter oder Verwal­   Pointiert Schauer, N.Z. L. Rev. 303, 313 (2003): “(…) insofar as even facially exceptionless rules are understood in a decision-making environment to be permissibly open to the creation of ad hoc exceptions when the exception-less rule confronts a case not envisaged by the rule itself, and in which the rule would generate what appears at the time of application to be an erroneous outcome, then what looks on its face like a crisp and rigid rule is in practice less crisp and less rigid – and therefore more standard-like (…).” Ähnlich auch die Zusammen­ stellung gängiger schematischer Aussagen zu den der Regel- und der Standardform jeweils zugeschriebenen Eigenschaften bei Kennedy, 89 Harv. L. Rev. 1685, 1710  f. (1976). 484   Anschaulich insoweit Schlag, 33 UCLA L. Rev. 379, 383 (1995): “The possibility of cast­ ing or construing directives as either rules or standards has given rise to patterned sets of (…) pro and con arguments about the value of adopting either rules or standards in particular contexts. I call these stereotyped arguments the ‘dialectic’.” 483

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

tungsbehörden als Normanwender delegiert ist, ergibt sich daraus unmittelbar, daß und warum die oben als strukturimmanente Risiken der Regelform disku­ tierten Probleme bei der Wahl der Standardform idealtypisch ausscheiden. Standards vermeiden die für die Regelform charakteristischen Über- und Un­ tersteuerungseffekte (unten a)) ebenso wie die oben für diese konstatierten ad­ versen Anreize (unten b)). Die aus der fehlenden tatbestandlichen Konkretheit resultierenden Unschärfen begründen allerdings – ambivalente – Abschrec­ kungseffekte eigener Art (unten c)). a)  Vermeidung von Über- und Untersteuerungseffekten Eben weil Standards nicht konkrete Sachverhaltsgestaltungen vorgeben, son­ dern weil sie qualitative Kriterien für künftige Entscheidungen formulieren, sind insbesondere die der Regelform als strukturimmanent zugeschriebenen Über- und Untersteuerungseffekte bei ihnen idealtypisch ausgeschlossen.485 Standards sind damit, wie vermutet wird, insbesondere besser geeignet, kom­ plexe, ex ante kaum abstrakt definierbare Interessenlagen regulatorisch zu er­ fassen.486 Damit werden zugleich die Anreize für die planvolle Umgehung des Regelungszwecks bei gleichzeitiger formaler Beachtung des Wortlauts wenn nicht beseitigt, so doch gemindert. 487 So betrachtet, präsentiert sich die Stan­ dardform im Vergleich zur Regel als die flexiblere Alternative, dies insbesonde­ re im Hinblick auf sich über längere Zeiträume hinweg – etwa aufgrund verän­ derter technologischer Gestaltungsmöglichkeiten – wandelnde Rahmenbedin­ gungen.488 Bedeutsam für die positive Bewertung ist erkennbar auch der Um­ stand, daß zur Konkretisierung des Normgehalts stärker als bei der Regelform auf dezentral unterhalb der Ebene des Gesetzgebungsverfahrens verfügbares Praxiswissen zurückgegriffen werden kann und muß: Im Rahmen der Ausle­ gungspraxis durch Gerichte und sonstige Normanwender fließt eine Vielzahl situationsbezogener Erfahrungen und Wertungen in den Aussagegehalt von Standards ein, die in der Regelbildung ex ante nur schwer zu erfassen und zu kanalisieren wären. Während die Regelform umfassende Information des Ge­ setzgebers hinsichtlich der insgesamt zu regelnden Sachprobleme in allen Facet­ 485   Insofern kann verwiesen werden auf Darstellung und Nachweise oben sub II. 1. (S. 180  f.) bei und in Fn. 450; die dort zitierten Ausführungen zur Regelform beziehen sich auf deren Eigenschaften im Vergleich zur Funktionsweise von Standards. 486   Pointiert zusammenfassend insoweit Schlag, 33 UCLA L. Rev. 379, 399 (1985). Vgl. ex­ emplarisch auch Rock/Wachter, 149 U. Pa. L. Rev. 1619, 1661 (2001): duty of loyalty als beson­ ders geeignetes Instrument, opportunistisches Geschäftsleiterverhalten einzufangen. 487   Siehe nochmals oben sub II. 2. (S. 181  f.). 488   Vgl. in diesem Sinne etwa Posner, Economic Analysis, § 20.3, S. 590; siehe auch Braithwaite, 27 Austl. J. Leg. Phil. 47, 52  ff.; I. Ehrlich/R. A. Posner, 3 J. Legal Stud. 257, 267, 277 (1974); siehe auch Kershaw, 68 M.L.R. (2005), 594, 597; zusf. Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 698.

C.  Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt

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ten voraussetzt, sind die Anforderungen für die Formulierung eines Standards in dieser Hinsicht deutlich geringer. Einen deutlichen Beleg für diese Überlegungen liefert die Entwicklung der Auslegungspraxis zu den zivilrechtlichen Generalklauseln, die seit der Kodifi­ kation vielfältig gewandelten wirtschaftlichen, sozialen oder technischen Reali­ täten Rechnung getragen und sich so als ebenso „flexibel“ wie (deshalb) „über­ lebensfähig“ erwiesen haben.489 Näher am Gegenstand der vorliegenden Unter­ suchung angesiedelt ist die mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) 490 in § 91 Abs. 2 AktG kodifizierte Vorstands­ pflicht, „geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssy­ stem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Ent­ wicklungen früh erkannt werden“. Indem diese Vorschrift „geeignete“ und also inhaltlich nicht spezifizierte Maßnahmen verlangt, verzichtet der Gesetzgeber auf materiale Vorgaben, überläßt deren Formulierung und Weiterentwicklung der Praxis und eröffnet damit die Möglichkeit kontinuierlicher Rezeption ge­ wandelter und ggf. verbesserter Informationen als Kriterien für die Auslegung der jeweiligen Normen durch die Judikatur. b)  Anreizwirkung Eng mit dem Vorstehenden verknüpft ist die – meist nur implizit anklingende – Vermutung, die tatbestandlichen Unschärfen von Standards seien eher als die Regelform geeignet, Anreize für die Optimierung entscheidungsbezogener Re­ flexionsprozesse zu setzen.491 Dem liegt erkennbar die Vorstellung zugrunde, der Normadressat werde durch den unklaren Pflichtengehalt von Standards stärker als durch die präzisere Regelform dazu veranlaßt, die für die rechtliche Beurteilung seines geplanten Verhaltens bedeutsamen Gesichtspunkte (wenn auch nur im Wege der Parallelwertung in der Laiensphäre) zu antizipieren und zu gewichten. So betrachtet, präsentieren sich Standards prima facie zugleich als besonders geeignete Regulierungsinstrumente, wenn mittels gesetzlicher Vor­ gaben an sich ergebnisoffene, reflexive Entscheidungsprozesse vorstrukturiert werden sollen. Dies betrifft nicht nur das Verhalten der Normadressaten, sondern läßt sich – mutatis mutandis – grundsätzlich auch auf die Ebene der Normdurchsetzung 489   Vgl. nochmals etwa Ohly, Richterrecht und Generalklausel, S. 199  ff.; Ott, in: FS L. Raiser, 1974, S. 403, 406  ff. Prägnant auch die Feststellung von AK/Teubner, § 242 BGB Rn. 5: Generalklauseln als „durch das Mittel der Unbestimmtheit lernendes Recht (…), das flexible Reaktionen des Rechts auf gesellschaftliche Wandlungen ermöglicht.“ Entsprechend auch R. A. Posner, Economic Analysis, § 20.3, S. 586. 490   Vom 27. 4. 1998, BGBl. 1998 I, S. 786  ff. 491   Besonders deutlich insoweit Braithwaite, 27 Austl. J. Leg. Phil. 47, 60  ff. (2002) – am Beispiel allgemeiner Standards für die Erbringung von Dienstleistungen in der Seniorenpfle­ ge, aber verallgemeinerungsfähig.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

übertragen. Im hier untersuchten Zusammenhang wird dies besonders deutlich am Beispiel der bereits oben erwähnten Kontroverse über tatsächliche oder ver­ meintliche Nachteile der Regelform als Regulierungsinstrument im Bilanz­ recht: Wie ausgeführt, ist insbesondere in Reaktion auf jüngere Bilanzskandale in den USA die These vertreten worden, Abschlußprüfer als institutionalisierte Akteure seien durch ein einseitig an der Regelform orientiertes Bilanzrecht letztlich dazu verleitet worden, nur mehr die formale Vereinbarkeit von Bilan­ zierungspraktiken mit bilanzrechtlichen Regeln zu prüfen, ohne die materialen wirtschaftlichen Konsequenzen der jeweiligen Entscheidung hinreichend zu ermessen.492 Darin klingt die Erwartung mit, Standards könnten derartige Ver­ haltensweisen effektiv ausschließen und statt dessen in erster Linie auf materi­ ale Aspekte bezogene Entscheidungsprozesse auslösen. c)  Gegenläufige Effekte Die mit geringer formaler Realisierbarkeit einhergehenden Unsicherheiten be­ züglich des Regelungsgehalts aus der Perspektive vor der Konkretisierung ge­ gen die zur Entscheidung berufenen Akteure (Gerichte, Verwaltungsbehörden, externe Verifikateure o.ä.) sind allerdings von ambivalenter Wirkung. Nicht nur reduzieren sie die Gefahr von Umgehungsstrategien, sondern gehen möglicher­ weise noch darüber hinaus und entfalten abschreckende Wirkung auch für sol­ che Verhaltensweisen, deren wirtschaftliche oder anderweitige rechtstatsächli­ che Konsequenzen mit dem Regelungszweck an sich nicht konfligieren (sog. „chilling effects“).493 Diese Konsequenzen stellen das Gegenstück der oben als Merkmal der Regelform konstatierten Tendenz dar, den Adressaten durch die tatbestandliche präzise Abgrenzung erlaubter von unerlaubten Verhaltenswei­ sen zur planmäßigen „Ausreizung“ der Handlungsspielräume zu verleiten, die dem Regelungszweck der Risikoreduktion zuwiderläuft. Auch bei der Wahl von Standards als Gestaltungsform sind damit im Ergebnis Inkongruenzen zwischen Regelungszweck und Geltungsbereich keineswegs ausgeschlossen. Derartige abschreckende Wirkungen sind unter funktionalen Aspekten aller­ dings nicht per se positiv oder negativ zu beurteilen, was das Bild bereits ver­ kompliziert: Sie können als negativ zu qualifizieren sein, wenn und soweit die Verhaltensweisen, von denen abgeschreckt wird, unter rechts- oder wirtschafts­ politischen Gesichtspunkten eigentlich wünschenswert wären. Ebenso ist aber auch denkbar, daß die durch fehlende Präzision ausgelösten Abschreckungsef­ fekte eine Art „Sicherheitszone“ zwischen ex ante sicher als schädlich erkenn­ baren und erkannten Verhaltensweisen einerseits und erkennbar risikolosen   Siehe nochmals oben sub II. 2. (S. 182) bei und in Fn. 454.   Vgl. z. B. Ehrlich/Posner, 3 J. Legal Stud. 257, 264 (1974); Korobkin, 79 Or. L. Rev. 23, 37 (2000); allgemein Craswell/Calfee, 2 J.L. Econ. & Org. 279  ff. (1986); zusf. – ohne sich dies zu eigen zu machen – Schlag, 33 UCLA L. Rev. 379, 385 (1985). 492 493

C.  Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt

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Verhaltensweisen andererseits schaffen. Die innerhalb dieser Risikozone ange­ siedelten, den erkennbar schädlichen Verhaltensweisen inhaltlich benachbarten und potentiell riskanten, aber in ihren Konsequenzen ex ante nicht voll abseh­ baren Verhaltensweisen unterbleiben dann möglicherweise infolge der abschrec­ kenden Wirkung eher, als wenn eine klar gefaßte Regel die Unbedenklichkeit von Verhaltensweisen außerhalb ihres Anwendungsbereichs signalisierte.494

2.  Differenzierungen Das Bild der Standardform als leistungsfähiger, einfach handhabbarer und flexibler Gestaltungsmöglichkeit verliert an Plausibilität, wenn weitere funktio­ nale Aspekte, insbesondere die jeweils gewählten Normdurchsetzungsmecha­ nismen, in die Betrachtung einbezogen werden.495 Die daraus resultierenden Einwände sind jenen vergleichbar, die oben496 zu den vielfach formulierten Aus­ sagen über strukturimmanente Merkmale der Regelform zusammengestellt worden sind. Auch die Tragkraft der Standardform als kategorialer Ausgangs­ punkt für die im weiteren Verlauf der Untersuchung vorzunehmende funktio­ nale Analyse der zur Verfügung stehenden Regulierungsinstrumente wird da­ mit erheblich verringert. Dies betrifft zunächst die Standards zugeschriebenen Abschreckungseffekte (unten a)). Insofern sprechen gewichtige Gründe für die Annahme, daß die oben diskutierten Gesichtspunkte nicht schlechthin als strukturimmanente Eigenschaften der Standardform qualifiziert werden kön­ nen, sondern vielmehr in der jeweiligen tatbestandlichen Komplexität – und damit eben nicht oder nicht nur in der formalen Ausgestaltung – wurzeln. Un­ abhängig hiervon ist auch bei Standards eine Tendenz zur Auflösung in der Praxis und Annäherung an die Regelform zu beobachten (unten b)), ähnlich derjenigen Neigung, die oben spiegelbildlich auch für die Regelform konstatiert wurde. a)  Abschreckungseffekte und Zugänglichkeit des Norminhalts Bezieht man die Art und Weise der Normdurchsetzung in die Funktionsanaly­ se ein, so relativieren sich zunächst die im Hinblick auf Abschreckungseffekte 494   Vgl. allgemein Craswell/Calfee, 2 J.L. Econ. & Org. 279  ff. (1986); dazu auch Schäfer/ Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 173. In diese Richtung für das vorliegende Re­ ferenzgebiet etwa Allen, 22 Del. J. Corp. L. 894, 898 (1997) zur Bedeutung fiduziarischer Geschäftsleiterpflichten als Korrektiv im Common Law; zusf. – aber auch insofern mit skep­ tischer Bewertung – ferner Schlag, 33 UCLA L. Rev. 379, 385 (1985). 495   Vgl. insoweit auch Braithwaite, 27 Austl. J. Leg. Phil. 47, 52 (2002); grundlegend bereits Baldwin, 53 M.L.R. (1990), 321, 323  ff. zu den wechselseitigen Einflüssen zwischen der Wahl des Regulierungsinstruments und der Art der Normdurchsetzung. 496   Sub II. 3. (S. 183  ff.).

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

einerseits und Zugänglichkeit des Pflichtengehalts andererseits geäußerten Er­ wartungen. Insbesondere leuchtet unmittelbar ein, daß ein an sich in seiner Reichweite nicht ohne weiteres berechenbarer Standard an abschreckender Wir­ kung erheblich verliert, wenn die vorgesehenen Sanktionen entweder von gerin­ ger Schärfe sind oder nicht wirksam durchgesetzt werden.497 So ist überzeugend auch in der US-amerikanischen Diskussion über eine stärkere Orientierung bi­ lanzrechtlicher Vorgaben an Standards eingewandt worden, die eigentliche Ur­ sache defizitärer Prüfungspraktiken – zu geringe Anreize der Abschlußprüfer zugunsten material orientierter Prüfung (auch angesichts geringer Haftungser­ wartung) anstelle einer allein auf formal korrekte Bilanzierungspraxis konzen­ trierten Prüfungspraxis – werde damit kaum beseitigt.498 Auch im Hinblick auf den höheren Informationsgehalt von Regeln gegenüber Standards wird das Po­ stulat höherer Abschreckungswirkung und damit größerer verhaltenssteuern­ der Wirkung von Standards im Vergleich zu Regeln mit gewichtigen Gründen bestritten: Indem Regeln das inkriminierte Verhalten präzisier definierten als Standards, erleichterten sie regelkonform handelnden Normadressaten die Identifikation „richtiger“ Verhaltensweisen.499 Bei Einbeziehung von Aspekten der Normanwendung und -durchsetzung in der Analyse können mithin schein­ bar eindeutige Argumente für die Standardform durchaus leicht entkräftet wer­ den und verlieren so an Aussagekraft and Tragfähigkeit als potentielle Anknüp­ fungspunkte für eine Systematisierung der insgesamt verfügbaren Regulie­ rungsstrategien. Vor diesem Hintergrund spricht viel für die Annahme, daß die Diskussion über das Abschreckungspotential der Standardform den Blick auf an sich nicht in der Formenwahl, sondern in der Komplexität der jeweiligen Tatbestände an­ gesiedelte Probleme verschleiert. Diese lassen sich wiederum auch auf die für jedes Regulierungsvorhaben zentrale Frage zurückführen, inwieweit das rege­ lungsbedürftige Sachproblem einerseits und die (Folge-) Wirkungen der zu sei­ ner Bewältigung eingesetzten Regulierungsinstrumente andererseits ex ante aufgeklärt werden können. Zutreffend hat bereits Louis Kaplow darauf hinge­ wiesen, daß in der Diskussion um die Vorzüge von Regel- und Standardform regelmäßig nicht hinreichend zwischen Tatbeständen hoher und solchen niedri­ ger Komplexität im oben 500 entwickelten Sinn und den Reaktionen der Norm­ adressaten hierauf unterschieden wird.501 Ob eine Norm über ihren eigentlichen 497   Vgl. allgemein etwa Kennedy, 89 Harv. L. Rev. 1685, 1696 (1976); Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 590   ff., 606 (1992). 498   In diesem Sinne Bratton, 48 Vill. L. Rev. 1023, 1045  ff., zusf. 1055 (2003); im Anschluß daran ebenso Kershaw, 58 M.L.R. (2005), 594, 596. 499   Vgl. insoweit I. Ehrlich/R. A. Posner, 3 J. Legal Stud. 257, 275  f. (1974); in diese Richtung auch schon Raz, 81 Yale L.J. 823, 841 (1972). 500   Sub I. 1. b) (S. 170  ff.). 501   Vgl. nochmals Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 586  ff. (1992); ähnlich auch Schuck, 42 Duke L.J. 1, 18  f. (1992); vgl. auch bereits I. Ehrlich/R. A. Posner, 3 J. Legal Stud. 257, 271 (1974): “(…)

C.  Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt

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Zweck hinaus von an sich unproblematischen Verhaltensweisen abschreckt, und ob sich die Informationen, die der Normadressat für seine Entscheidungsfin­ dung benötigt und die derartige Abschreckungseffekte begünstigen oder ver­ meiden, aus dem Tatbestand mit hinreichender Klarheit entnehmen lassen, hängt ganz entscheidend davon ab, wie groß die Menge der für die Konkretisie­ rung der Anwendungsvoraussetzungen erforderlichen Informationen im jewei­ ligen Einzelfall tatsächlich ist. Allgemeine Aussagen hierzu verbieten sich, weil beide Aspekte stark von den Eigenarten des jeweiligen Sachproblems, aber auch des Regelungsumfelds abhängen. b)  Verfestigung von Standards Von vornherein ausgeblendet werden in der insofern allzu schematischen Dis­ kussion vielfach zudem die allenthalben beobachtbaren Tendenzen zur Verfe­ stigung und Konkretisierung von Standards in der Anwendungspraxis: Stan­ dards bleiben, wie in der anglo-amerikanischen rechtstheoretischen Literatur insbesondere von Frederick Schauer überzeugend herausgearbeitet worden ist,502 regelmäßig nur dann Standards, wenn die Zahl der Anwendungsfälle zu gering bleibt, als daß sich für unterschiedliche charakteristische Sachverhalts­ konstellationen jeweils spezifische Lösungen in Ableitung aus dem allgemeinen Standard etablieren könnten. Anderenfalls bildet sich mit zunehmendem „Al­ ter“ der Standards ein immer dichterer Katalog etablierter Auslegungsgrund­ sätze, dem sich bereits ex ante konkrete Leitlinien für die Bewältigung konkre­ ter Sachprobleme entnehmen lassen. Inhaltlich handelt es sich auch hier um Netzwerk- und Lerneffekte;503 die volle Wirkung von Standards kann erst nach Ablauf hinreichend langer Zeiträume bewertet werden, innerhalb derer die je­ weilige Norm vielfältig angewendet und interpretiert und die jeweiligen Ergeb­ nisse (etwa durch gefestigte Rechtsprechung) dokumentiert werden.

precision can be measured only by reference to whom the rule is addressed to.” Gegen Kaplow, a.a.O., insoweit aber Korobkin, 79 Or. L. Rev. 23, 27 (2000) in Fn. 13: Ein Abstellen auf die Komplexität als deskriptives Merkmal sei mißverständlich, weil sich dies auf die Durchführung des Standards beziehe, während die Ausgestaltung des Standards durchaus einfach sei (“while […] a standard is complex for an adjudicator to apply, it is easy to describe.“). Dies überzeugt nicht: Der Aussagegehalt scheinbar noch so einfacher Tatbestandsvoraussetzun­ gen, z. B. „Treu und Glauben“, „ordentlicher Geschäftsleiter“, ist für Normadressaten und Normanwender gleichermaßen komplex. Die zu erwartenden Reaktionen müssen daher auf der Normsetzungsebene sorgfältig ausgelotet werden, um Fehlsteuerungen zu vermeiden. 502   Deutlich Schauer, 14 J. Contemp. Legal Issues 804, 805  ff. (2005): „migration of stand­ ards to rules“; ders., N.Z. L. Rev. 303, 315  ff. (2003); vgl. auch bereits dens., Playing by the Rules, S. 181  ff.; ferner Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 583; I. Ehrlich/R. A. Posner, 3 J. Legal Stud. 257, 266 (1976); in diese Richtung neuerdings auch Cunningham, 60 Vand. L. Rev. 1411, 1414, 1435  ff., 1442  ff. (2007). 503   Siehe dazu oben sub B. II. 3. c) bb) (S. 117  ff.).

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

Dieser Befund gilt keineswegs nur für das Common Law, wo er in der Bedeu­ tung der Bindungswirkung von Präjudizien besonders deutlich zu Tage tritt.504 Bereits oben 505 ist auf die Tendenz zur Konkretisierung der zivilrechtlichen Ge­ neralklauseln des deutschen Rechts nach Fallgruppen und die Verbindungslini­ en zur Praxis des Umgangs mit Standards aufmerksam gemacht worden, die belegen, daß es sich um ein rechtsordnungsunabhängiges Phänomen handelt. Unabhängig hiervon sind zumindest faktisch Annäherungstendenzen hinsicht­ lich der Bindungswirkung von Präjudizien zwischen kontinentaleuropäischen und anglo-amerikanischen Rechten unverkennbar.506 Im Ergebnis tragen diese Tendenzen dem Interesse von Normadressaten und anderweit zur Norman­ wendung berufenen Instanzen an einer Reduktion der Unsicherheiten Rech­ nung, die aus tatbestandlicher Unschärfe resultieren: Indem Präjudizien Wissen aus konkreten Normanwendungsfällen konservieren und zugleich mehr oder weniger formalisiert zumindest gegenüber den juristischen Beratern der Norm­ adressaten kommunizieren, erleichtern sie die Handhabung des in dem jeweili­ gen Standard verankerten Pflichtenprogramms für die Zukunft; ökonomisch gewendet: Sie können die aus tatbestandlicher Unschärfe resultierenden Trans­ aktionskosten für die Normadressaten und die von der Norm begünstigten Ak­ teure erheblich reduzieren.507 Die Funktion von Präjudizien wird dabei ggf. – zumindest in einer entsprechend disponierten Rechtsordnung wie der deut­ schen – auch die Aufarbeitung in der praxisorientierten Kommentar- oder Handbuchliteratur übernehmen können. Standards sind nach alledem als Rechtssätze zu qualifizieren, deren Inhalt von vornherein auf kooperativen Regelbildungsprozessen beruht: Der Gesetz­ geber kann einen offenen Standard zwar festlegen; um dessen Wirkung zu ent­ falten, bedarf es aber der Konkretisierung durch die Rechtspraxis über längere Zeiträume hinweg. Erst in diesem Rahmen wächst das Wissen um den Aussage­ gehalt und entfalten sich zugleich die beabsichtigten verhaltenssteuernden Wir­   Vgl. nochmals bereits I. Ehrlich/R. A. Posner, 3 J. Legal Stud. 257, 266 (1974). Anschau­ lich – mit Blick auf alternative Ansätze zur gesetzlichen Gestaltung von Abstimmungsregeln für die Gesellschafterversammlung in der corporation – auch Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1549, 1590  f. (1989): Ein offen gehaltener Standard, wonach Änderungen in den Statuten dem Prinzip der „fair adoption“ genügen müßten, als denkbare Alternative de lege ferenda zu ge­ setzlichen Verfahrensregelungen de lege lata verschiebe lediglich die Regulierungsverantwor­ tung vom Gesetzgeber auf die Gerichte, ohne am zwingenden Charakter der Vorgaben etwas zu ändern. Mit der Konkretisierung der Vorgaben durch die Rechtsprechung würden dann letztlich doch konkrete Organisationsvorgaben festgelegt, die der Standard eigentlich gerade ersetzen solle: “Thus a non-constitutive rule of fair adoption will in the end become constitu­ tive, as the court prescribes specific corporate governance structures.“ 505   Sub I. 4. (S. 177) bei und in Fn. 439. 506   Rechtsvergleichend die Beiträge in Blaurock (Hrsg.), Präjudizien, passim; eingehend Vogenauer, Auslegung von Gesetzen, S. 224  ff. (Deutschland); S. 338  ff. (Frankreich); S. 776  ff., 955  ff. (England); siehe auch bereits Fikentscher, Methoden, Bd. 4, S. 241  ff. 507   R. A. Posner, Economic Analysis, § 20.4, S. 590  f.; vgl. auch Cunningham, 60 Vand. L. Rev. 1411, 1442  ff. (2007). 504

C.  Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt

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kungen. Standards sind damit besonders geeignet, Erfahrungen der Rechtspra­ xis mit den jeweiligen Sachproblemen aufzunehmen und zu konservieren. Daß expressive Wirkungen, nämlich die Kommunikation von Informationen über Auslegungsgrundsätze und deren kontinuierliche Erweiterung durch die Kom­ munikation einer großen Zahl Rechtsanwender über längere Zeiträume hinweg, für die Funktionsweise von Standards eine wichtige Rolle spielen, ist bereits angeklungen.508 Standards initiieren und strukturieren Kommunikationspro­ zesse, in deren Zusammenhang Wissen gesammelt, gespeichert und ausgebaut wird; darin liegt ihr Wert gerade in Fällen, in denen die Sachverhaltsaufklärung und Folgenprognose ex ante schwer fällt. Auch hier sind die Parallelen zur Evo­ lution ungeschriebener allgemeiner Rechtsgrundsätze unverkennbar, deren Entstehung sich (rechtsordnungsübergreifend) jeweils Evolutionsprozessen verdankt, in deren Verlauf entsprechende Grundsätze aus vorgefundenen Re­ geln abgeleitet und verdichtet werden.509 Die damit beobachteten und grundsätzlich für alle Fälle der Wahl der Stan­ dardform prognostizierbaren Verfestigungsprozesse sind allerdings als ambiva­ lent zu qualifizieren. Weil diese Art der Verfestigung im Ergebnis eine Annähe­ rung der Standard- an die Regelform bewirkt, ist sie zugleich mit dem Verlust der idealtypisch mit der Standardform einhergehenden Flexibilität verbunden. Dies gilt gerade mit Blick auf die Tendenz zur pfadabhängigen und deshalb eher unflexiblen Weiterentwicklung der konkretisierten Anwendungsgrundsätze in präjudiziell beachteten Fallgruppen.510 Derartige Konsequenzen sind unaus­ weichlich und im Interesse der Rechtssicherheit in der Handhabung von Stan­ dards keineswegs kritikwürdig, 511 erweisen aber zugleich nochmals, daß das rechtstheoretisch scheinbar klar begründete Bild derselben als flexibles, anpas­ sungsfähiges Regulierungsinstrument einer Überprüfung anhand der empi­ risch beobachtbaren Reaktionen auf die Wahl der Standardform nicht unbe­ dingt standhält.

  Oben sub A. II. 2. (S. 58  ff.).   Vgl. dazu besonders Metzger, Extra legem, intra ius, S. 25  ff. und passim, dessen „proze­ durale Theorie des allgemeinen Rechtsgrundsatzes“ (ebd., S. 25  f.) diesen Befund sehr deutlich zum Ausdruck bringt. 510   Vgl. R. A. Posner, Economic Analysis, § 20.4, S. 591. Allgemein zur Methode der Fall­ gruppenbildung auch bereits oben sub I. 4. (S. 177) bei und in Fn. 439. 511   Vgl. auch in diesem Zusammenhang nochmals Beater, AcP 194 (1994), 82  ff., sowie Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, S. 161 bei und in Fn. 71, gegen die von R. Weber, AcP 192 (1992), 516, 535  ff., geäußerte grundsätzliche Kritik im Hinblick auf Tragfä­ higkeit und Legitimation der Konkretisierung durch Fallgruppenbildung. 508 509

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

IV.  Zwischenzusammenfassung Die scheinbar klare Kategorienbildung („Regeln/Standards“) verliert nach alle­ dem schon in einer ersten Plausibilitätskontrolle insgesamt nicht unerheblich an Aussagekraft. An ihrer Tauglichkeit als (gar alleiniger) Anknüpfungspunkt zur präzisen Ermittlung der qualitativen Unterschiede zwischen Regulierungssy­ stemen bestehen deshalb Zweifel.512 In dieser Hinsicht wirkt sich bereits aus, daß die Kategorien keine Dichotomie, sondern ein beliebig abstufungsfähiges Kontinuum beschreiben, so daß klare Abgrenzungen unmöglich und Aussagen zu strukturimmanenten Merkmalen von Regeln und Standards schon deshalb allenfalls näherungsweise formulierbar sind. Sodann hat sich herausgestellt, daß die Unterscheidungsmerkmale der formalen Realisierbarkeit und des Kon­ kretisierungszeitpunkts kaum isolierbare Konsequenzen für die Funktionszu­ sammenhänge entfalten, sondern mit einer Reihe weiterer Faktoren verknüpft sind, die die Wirkungen stärkerer oder schwächerer formaler Realisierbarkeit teilweise überlagern, verzerren und jedenfalls beeinflussen könnten. In diesem Zusammenhang von Bedeutung sind insbesondere Unterschiede in den jeweils gewählten Normdurchsetzungsmechanismen und, damit teilweise verflochten, im Ausmaß, in dem die jeweilige Norm durch die Normadressaten überhaupt zur Kenntnis genommen wird. Modellhaft erfaßbar sind diese Faktoren und ihr Einfluß auf die der Regel- und der Standardform zugeschriebenen strukturim­ manenten Eigenschaften kaum. Festgehalten werden können allenfalls Tendenzen, z. B. die Tendenz zur Fehlsteuerung durch Regeln, die Tendenz zur Verfe­ stigung von Standards und nicht zuletzt die Neigung zur funktionalen Konver­ genz von Regeln und Standards aufgrund der Handhabung beider Formen in der Praxis. Diese Tendenzen bleiben aber zunächst zu unbestimmt und zu ab­ hängig von anderen Gesichtspunkten, als daß die Kategorien der Regel- und der Standardform – entgegen einem gelegentlich vermittelten Eindruck – als sichere Grundlage für die funktionale Analyse von Regulierungsinstrumenten dienen könnten. Viel spricht auch deshalb dafür, daß die Kategorien der Regel- und der Stan­ dardform nicht als Anknüpfungspunkte für die Systematisierung unterschied­ licher Regulierungsstile in verschiedenen Rechtsordnungen taugen werden. Schon mit Blick auf den rechtswissenschaftlichen Methodenkanon und hier 512   In diese Richtung auch bereits Cunningham, 60 Vand. L. Rev. 1411  ff. (2007), der die These von der Bedeutung der Kategorienbildung nicht nur als Identifikationsmerkmal unter­ schiedlicher Regulierungsstrategien, sondern auch als qualitative Determinante zurückweist und sie – ebd., S. 1471  ff. – im wesentlichen auf unausgesprochene rechtspolitische Bedürfnisse nach einer Absicherung von Mindeststandards einerseits und nach schlagkräftigen Argumen­ ten im Wettstreit konkurrierender Jurisdiktionen andererseits (Attraktivität „moderner“ Re­ gulierung von geringer Regulierungsdichte in der Standardform gegenüber der Rigidität „starrer“ Regulierung in der Regelform) zurückführt.

C.  Formale Realisierbarkeit und Konkretisierungszeitpunkt

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insbesondere auf die Instrumente der systematischen sowie der teleologischen Auslegung und der Analogiebildung kann beispielsweise dem deutschen Recht keine Fixierung auf die Regelform attestiert werden; vielmehr treten teils unge­ schriebene, teils aber auch ausdrücklich formulierte Standards neben detaillier­ te Regeln. Umgekehrt konnte bereits in der ersten Plausibilitätskontrolle festge­ stellt werden, daß auch das anglo-amerikanische Regelmodell, das vielfach als Domäne offener Standards dargestellt wird, infolge der Verfestigung von Leit­ entscheidungen zu durchaus konkreten Fallgruppen mit im einzelnen subsum­ tionsfähigen Tatbestandsmerkmalen zur Auflösung der Standard- zugunsten der Regelform neigt. Nicht die Begründung allgemeiner Präferenzen für oder gegen die Wahl einer der beiden Gestaltungsalternativen kann daher nach alle­ dem im folgenden das Ziel sein, sondern von vornherein nur differenzierende Aussagen zu bestimmten Einzelaspekten im Zusammenhang mit der Formen­ wahl für bestimmte Regulierungsstrategien.513 Als wesentliches Ergebnis der Auswertung des reichen Schrifttums zu den funktionalen Unterschieden von Regel- und Standardform auch und gerade im vorliegend untersuchten Zusammenhang bleibt damit einstweilen vor allem die Erkenntnis, daß ein gewichtiger Faktor für den effektiven Einsatz der Regelbzw. der Standardform als Regulierungsinstrumente offenbar die Aufklär­ barkeit des zu regelnden Sachverhalts aus der Perspektive ex ante ist. Insofern verfestigt sich der bereits im vorangegangenen Unterabschnitt angeklungene Befund, daß jede Art gesetzlicher Regulierung letztlich durch die dafür vorhan­ dene Informationsbasis gleichermaßen motiviert wie geprägt wird.514 Im hier untersuchten Kontext hat darauf insbesondere die von Louis Kaplow vorge­legte rechtsökonomische Studie aufmerksam gemacht, die das Formenwahlproblem als Problem der Abwägung zwischen Aufklärungs- und Durchsetzungsauf­ wand beschrieben hat.515 Wenn oben 516 die Verfestigung und Konkretisierung von Standards durch Fallgruppen- und/oder Präjudizienbildung als Elemente der Konservierung und Kommunikation vergangenen Anwendungswissens be­ zeichnet worden ist, so folgt daraus zugleich, daß (insbesondere pathologische) Sachverhalte aus der Vergangenheit generell – und damit auch bei der Konzep­ tion der tatbestandlichen Ausgestaltung der Regelform – als Informationsquel­ le heranzuziehen sind. Die Gestaltungsaufgabe des Regulierungsgesetzgebers auch im Kapitalgesellschaftsrecht impliziert damit stets auch die Notwendig­ keit, die aus der Vergangenheit zur Verfügung stehenden Informationen über 513   Aufschlußreich insoweit auch Braithwaite, 27 Austl. J. Leg. Phil. 47, 65  ff. (2002), der trotz deutlicher Präferenzen für die Standardform gleichwohl konstatiert, letztlich sei nur „a prudent mix of rules and principles“ im Hinblick auf die Umsetzung komplexerer Schutzzie­ le leistungsfähig. 514   Siehe schon oben sub II. 3. a) (S. 183  ff.). 515   Vgl. nochmals Kaplow, 42 Duke L.J. 557, 586  ff. (1992); näher oben sub II. 3. a) (S. 184  f.). 516   Sub III. 2. b) (S. 197  ff.).

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

potentielle Konflikte von (Schutz-) Interessen mit dem Bedürfnis nach hinrei­ chender Flexibilität des Regulierungsrahmens zur Erfassung künftiger, nicht vorhersehbarer Verhaltensweisen auszutarieren. Dabei ist abzuwägen, inwie­ weit durch restriktive Regulierung möglicherweise wünschenswerte Innovatio­ nen auf Seiten der betroffenen Akteure abgeschnitten werden. Am Beispiel der rechtstheoretischen Kontroverse über Vorzüge und Nachteile von Regeln und Standards ist damit zugleich ein Grundkonflikt deutlich geworden, dem sich jeder Ansatz zur Regulierung gleich welchen ökonomischen Problems notwen­ dig ausgesetzt sieht.516a

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen Daß funktionierende Durchsetzungsmechanismen für die Effektivität von Rechtsnormen ganz allgemein von zentraler Bedeutung sind, ist eine an sich alles andere als neue,517 aber zumindest für das moderne, an modalen Fragen der Regelsetzung interessierte deutschsprachige Schrifttum gleichwohl keineswegs selbstverständliche Erkenntnis.518 Mit welchen Instrumenten das Recht einem Sollenssatz zur Geltung verhilft, entscheidet zugleich über die Intensität, mit der das geschieht. Unterschiede in dieser Hinsicht beeinflussen ihrerseits un­ mittelbar die durch die jeweilige Norm geschaffene Anreizstruktur.519 Um so erstaunlicher ist, daß man allgemeine Lehren der Normdurchsetzungsmecha­ nismen bislang jedenfalls in der zivilrechtsdogmatischen Literatur weithin ver­ geblich sucht. Die nachfolgenden Ausführungen unternehmen den Versuch, diese Lücke zu füllen, soweit dies zur Vervollständigung der Erkenntnisse über Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise von Regulierungsinstrumen­ ten im untersuchten Referenzgebiet erforderlich ist. Im Anschluß ist zunächst das hier zugrundegelegte, weit gefaßte Funktionsverständnis zu klären, von   Vgl. dazu nunmehr wiederum auch Möslein, Dispositives Recht, 3. Teil, § 9, sub V. 1.   Vgl. anschaulich nochmals bereits Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, S. 79: „Um eine zwingende Rechtsnorm durchsetzen zu können, muß die Rechtsordnung an ihre Mißachtung Rechtsfolgen knüpfen. Die Verletzung soll nicht ungestraft erfolgen kön­ nen. Die Sanktion erst macht eine Rechtsnorm dem Parteiwillen gegenüber zur wahrhaft zwingenden. Sie ist die Seele des zwingenden Rechts.“ 518   Als eigenständige Wirksamkeitsfaktoren ausgeblendet bleiben die damit umrissenen Sachfragen etwa bei Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, passim; ähnlich auch bei Fleischer, ZHR 168 (2004), 673  ff. Eingehende Überlegungen zur „Umsetzung des Regelungs­ auftrags“ und damit zu formenspezifischen Durchsetzungsmechanismen im hier verwende­ ten Sinn demgegenüber beispielsweise bei Beier, Regelungsauftrag, S. 91  ff. 519   Grundlegend aus der ökonomischen Analyse des (Straf-) Rechts Becker, 76 J. Pol. Econ. 169  ff. (1968); vgl. vorerst auch Polinsky/Shavell, in: dies. (Hrsg.), Handbook of Law and Eco­ nomics, Bd. 1, S. 403  ff.; R. A. Posner, Economic Analysis of Law, § 23.1, S. 659  f., und dazu noch im einzelnen unten sub IV. 1. b) (S. 236  ff.) (private Normdurchsetzung), 2. (S. 240  ff.) (hoheitliche Normdurchsetzung) und 3. (S. 245  ff.) (teilprivatisierte Normdurchsetzung). 516

517

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

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sonstigen Wirkungsmechanismen abzugrenzen und damit zugleich der Stellen­ wert von Durchsetzungsmechanismen als Determinanten der Regelbefolgung kurz zu präzisieren (unten I.). Dieses Funktionsverständnis, aus dessen Per­ spektive unterschiedliche Durchsetzungsmechanismen in unterschiedlichen dogmatischen Zusammenhängen idealtypisch als Funktionsäquivalente er­ scheinen, hat sich im rechtswissenschaftlichen Schrifttum bislang kaum durch­ setzen können (unten II.). Ein Versuch, diesen Ansatz auszubauen, muß sich mit einer breiten Typologie verschiedener Durchsetzungsmechanismen ausein­ andersetzen (unten III.), mit denen jeweils erhebliche Unterschiede im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit korrespondieren. Die Ursachen dafür werden deut­ lich, wenn im Anschluß die Funktionsvoraussetzungen für die private, die teil­ privatisierte und die hoheitliche Rechtsdurchsetzung im einzelnen in den Blick genommen werden (unten IV.). In einer Gesamtschau (unten V.) präsentiert sich die Wahl zwischen verschiedenen Durchsetzungsmechanismen auch und gera­ de als Möglichkeit, die Initiative für die Normdurchsetzung dort anzusiedeln, wo nicht nur entsprechende ökonomische Anreize, sondern auch die notwendi­ ge Informationsbasis hierfür am ehesten gewährleistet sind.

I.  Normdurchsetzungsmechanismen als Teil des Problems der Normwirkungen Als „Normdurchsetzungsmechanismus“ wird im folgenden ein mit den einzel­ nen Regulierungsinstrumenten verknüpftes, unselbständiges, aber prinzipiell in verschiedenen Alternativen gestaltbares Element verstanden, das – auch in Kombination und mithin kumulativ – die mit dem Regulierungsinstrument verfolgten objektiven Zwecke absichert und damit dessen Wirkungen vervoll­ ständigt und ggf. ergänzt. Zentrales Charakteristikum ist, daß so die Nichtbe­ folgung der jeweiligen Norm mit einer für den Adressaten negativen Konse­ quenz verknüpft wird. Im weitesten Sinne ließe sich daher alternativ auch von Sanktionsmechanismen sprechen. Allerdings bestünde insofern die Gefahr, da­ mit von vornherein das Begriffsverständnis auf tradierte Gestaltungsmuster (Haftungssanktionen, Strafen, etc.) zu verengen und so wichtige Aspekte der Normdurchsetzung auszublenden, denn der Kreis der in Betracht kommenden Durchsetzungsmechanismen beschränkt sich gerade nicht auf diese Beispiele. Tatsächlich sind insbesondere derartige Sanktionen zwar bedeutende Determi­ nanten für die Regelbefolgung und damit für Normwirkungen allgemein. Wie bereits gesehen, ist der durch Sanktionssysteme ausgelöste Befolgungszwang indes nicht der einzige Weg, um Normwirkungen auszulösen.520 Als alternati­   Oben sub A. (S. 51  ff.). Vgl. auch Schreiber, Die Geltung von Rechtsnormen, S. 32: „Die Feststellung, nur solche Normen seien als Rechtsnormen zu betrachten, die einen Tatbestand 520

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

ver Wirkungsmechanismus kommen insbesondere expressive Wirkungen von Normen in Betracht. Die Untersuchung der strukturtypischen Funktionswir­ kungen dispositiver Normen hat gezeigt, daß möglicherweise schon die expres­ sive, also kommunikativ vermittelte Wirkung dispositiver Normen – konkret in Gestalt von Lern- und Netzwerkeffekten – ausreicht, um dem in der jeweiligen dispositiven Norm formulierten Gestaltungsmodell zur Geltung zu verhelfen und damit die Gestaltungspraxis wirksam zu beeinflussen. Auf ein zum jewei­ ligen Tatbestand hinzutretendes, damit verknüpftes Instrument der Norm­ durchsetzung kommt es hier nicht an. Allenfalls läßt sich die regulatorische Wirkung dispositiver Normen mittels begleitender Verfahrensregeln (ein­ schließlich comply-or-explain-Regelungen) weiter effektuieren.521 Die beab­ sichtigte Steuerungswirkung tritt ein, ohne daß ein abweichendes Verhalten mit negativen Konsequenzen verbunden wäre. Aus den bisher gewonnenen Ergeb­ nissen folgt damit unmittelbar, daß von vornherein keineswegs jedes Regulie­ rungsinstrument eines Durchsetzungsmechanismus bedarf, um die beabsich­ tigte verhaltenssteuernde Wirkung zu erzielen. Auch zwingende Normen kön­ nen grundsätzlich entsprechende Wirkungen entfalten, ohne daß es auf Instru­ mente der Normdurchsetzung im hier verwendeten Sinne ankäme.522 All dies relativiert den Stellenwert von Normdurchsetzungsmechanismen im Gesamtsystem gesellschaftsrechtlicher Regulierung, hilft aber auch, ihn zu prä­ zisieren: Die Wahl zwischen verschiedenen Normdurchsetzungsmechanismen ist nach alledem vor allem ein Problem der Gestaltung zwingender Regulie­ rungsinstrumente. Vor allem die mit dispositivem Recht verbundenen Steue­ rungseffekte beruhen demgegenüber eben gerade nicht auf der Durchsetzung im Wege einer unmittelbaren oder mittelbaren Nachteilszufügung für abwei­ chendes Verhalten, sondern auf strukturimmanenten positiven Anreizen für die Beibehaltung der dispositiven Lösung. Erst nachdem die betreffenden Akteure sich auf diese Lösung verständigt haben, werden Aspekte der Durchsetzung der jeweils vereinbarten Rechte und Pflichten relevant. Aus der Perspektive des hier zugrundegelegten Funktionsverständnisses erfüllt die Rechtsverfolgung dann indes einen anderen Zweck als den eines Normdurchsetzungsmechanismus im

mit einer Sanktion eines eigens hierfür geschaffenen Sanktionsapparats verknüpfen, schließt jedoch nicht aus, daß das mit solchen Rechtsnormen verfolgte Verhalten der Rechtsgenossen nicht noch durch andere Arten von Sanktionen berührt wird. Wenn es auch noch keine gesi­ cherten Prognosen für den Fall gibt, daß in einer Gemeinschaft alle übrigen Sanktionen außer denen des rechtlichen Sanktionsapparates fehlen, so kann man doch vermuten, daß die Rechts­ ordnungen der Kulturvölker [scil. anderenfalls] erheblichen Belastungsproben ausgesetzt wä­ ren.“ 521   Oben sub B. II. 3. b) (S. 100  ff.) und c) (S. 115  ff.) sowie sub B. II. 4. c) (S. 144  ff.). 522   Wie zu sehen sein wird, gilt dies jedenfalls cum grano salis für konstitutives zwingendes Gesellschaftsrecht, siehe noch im einzelnen unten, 3. Teil, 1. Kap., insbes. sub B. II. (S. 464  ff.).

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

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eigentlichen Sinn: Geht es um die Durchsetzung von Rechten und Pflichten, die vertraglich unter Rekurs auf dispositives Gesetzesrecht begründet wurden, steht vielmehr die Geltendmachung subjektiver Rechte im Vordergrund. Die in der dispositiven Norm formulierte objektiv-rechtliche Gestaltung und damit die Steuerungswirkungen der dispositiven Norm sind demgegenüber bereits mit der Verständigung der Parteien realisiert worden, es bei dieser Lösung zu belassen und von Abweichungen abzusehen. Leitet einer der Akteure Maßnah­ men der Rechtsverfolgung ein, so mag dies die Umsetzung des objektiven Re­ gulierungszwecks noch begünstigen; eine zentrale Rolle für die Erreichung des Regulierungsziels mit den Instrumenten des dispositiven Rechts spielen Durch­ setzungsmechanismen hier nicht.

II.  Tradiertes Funktionsverständnis, moderne Weiterungen und Konsequenzen Anders als etwa die ökonomische Regulierungstheorie,523 aber auch die neuere verwaltungsrechtliche Diskussion um die Einbeziehung privatrechtlicher Ele­ mente in das Instrumentarium hoheitlicher Steuerung524 hat sich vor allem die kontinentaleuropäische Zivilrechtswissenschaft hinsichtlich der Formulierung allgemeiner Erkenntnisse zu unterschiedlichen Formen der Normdurchsetzung bislang zurückgehalten. Der Grund dafür mag darin zu suchen sein, daß sich die für die Durchsetzung zwingender Normen des Vertragsrechts verfügbaren Durchsetzungsmechanismen traditionell weitgehend auf deren Geltendma­ chung im Zivilprozeß beschränken. Dies bedingt einerseits typologische Über­ schaubarkeit der aus dieser Perspektive einzubeziehenden Sachprobleme. Ande­ rerseits hat es zur Folge, daß die Fragen der Normdurchsetzung quasi als vom materiellen Recht mehr oder weniger unabhängige Domäne der Prozessualistik als Nachbardisziplin erscheinen. Der instrumentale Charakter der privaten Rechtsverfolgung für die Durchsetzung objektiven Rechts ist dieser zivilisti­ schen Dogmatik eher fremd und wird kaum je besonders betont.525 Erst in jün­ gerer Zeit werden auch in der zivilrechtlichen Literatur und hier vor allem in haftungsrechtlichem Kontext Rufe vernehmbar, das tradierte, allein am Schutz subjektiver Rechte orientierte Funktionsverständnis privater Rechtsverfolgung 523   Vgl. insoweit im Überblick etwa Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. 97  ff., Ogus, Regulation, S. 79  ff. 524   Vgl. insbesondere Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261, 278  ff.; allgemein zum Stand der Diskussion bereits oben, 1. Teil, 1. Kap., sub C. II. (S. 30  f.) bei und in Fn. 57. 525   Dies illustriert anschaulich etwa die übliche Darstellung der Rolle von Einreden und Einwendungen sowie ihrer prozessualen Geltendmachung in der Lehrbuchliteratur; charak­ teristisch etwa Bork, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2011, § 10 Rn. 310  ff.; Larenz/Wolf, Allgemei­ ner Teil, 9. Aufl. 2004, § 18 Rn. 42  ff.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

zugunsten einer erweiterten Interpretation zu öffnen, welche die Bedeutung privater Rechtsverfolgung für die Verhaltenssteuerung durch objektives Recht einbezieht.526 So betrachtet, erhält private Rechtsverfolgung im Zivilprozeß quasi eine Doppelfunktion: Sie dient nicht allein der prozessualen Absicherung subjektiver Rechte, sondern zugleich als eines unter mehreren – grundsätzlich als Funktionsäquivalente begriffenen – Durchsetzungsmechanismen der Absi­ cherung objektiv-rechtlicher Schutzgüter. Ein wirklich umfassender Untersuchungsansatz und erst recht umfassend angelegte allgemeine Lehren der Normdurchsetzungsmechanismen sind aus al­ ledem bislang nicht hervorgegangen. Entsprechendes gilt für die Prozessuali­ stik, die die Rolle des Zivilprozesses als Instrument der „Bewährung des objek­ tiven Rechts“ zwar teilweise durchaus anerkennt, 527 dabei aber meist die unter­ geordnete Rolle dieser Funktion neben dem Schutz subjektiver Rechte betont. Die Vorstellung von der privaten Rechtsverfolgung im Zivilprozeß als eines auf die Durchsetzung objektiver Regulierungsziele gerichteten Instruments ist auch diesen Stimmen erkennbar fremd. Für ein offeneres Funktionsverständ­ nis, das die zivilprozessuale Rechtsdurchsetzung als Unterfall der Normdurch­ setzung mittels einer Reihe funktionsäquivalenter Instrumente begreift, schärft sich hier erst in jüngerer Zeit und vereinzelt der Blick.528 Demgegenüber hat etwa die rechtssoziologische Literatur, wie bereits angeklungen,529 die erhebli­ che Bedeutung der Vollzugsebene in einem umfassenden Sinne als Determinan­ te für die Wirkungsweise von Rechtsnormen zwar längst erkannt und zum Gegen­stand ihres Untersuchungsprogramms erhoben. Auch sie hat indes allge­ meine Aussagen zu den Charakteristika unterschiedlicher Normdurchset­ zungsmechanismen bislang nicht formuliert. Zwar eher heterogen, aber insgesamt deutlich substantieller fällt demgegen­ über eine Gesamtschau der Ansätze zu einer Theorie der Normdurchsetzung aus, die in der jüngeren, zumeist an deliktsrechtlichen Sachproblemen orientier­ ten rechtsökonomischen Literatur vorgelegt worden und zum Teil ausdrücklich dem Anspruch verpflichtet sind, mit den Mitteln der ökonomischen Analyse die auf der Vollzugsebene angesiedelten Determinanten für Unterschiede in der 526   In diesem Sinne grundlegend Wagner, AcP 206 (2006), 352, 355  ff., insbes. 358  ff., 434  ff., 446  ff. (dort unter der programmatischen Überschrift: „Nutzung privater Informationen und Initiative für die Rechtsdurchsetzung“). 527   Z.B. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 1 Rn. 9 (unter unzutr. Beru­ fung auf Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, S. 57 – vgl. dazu dezidiert kritisch Henckel, ebd., S. 58  ff.); Gaul, AcP 168 (1968), 27  ff., insbes. 46  f.; zusf. auch Koch, Prozeßfüh­ rung im öffentlichen Interesse, S. 4  f., jeweils m. w. N. zu der – inzwischen erkalteten – Kon­ troverse zum „Zweck des Zivilprozesses“. 528   Grundlegend H. Koch, Prozeßführung im öffentlichen Interesse, S. 4  ff., 71  ff. (dort zum Funktionsvergleich zwischen administrativer und zivilprozessualer Normdurchsetzung) und passim; unter Einbeziehung neuerer rechtsökonomischer und rechtsvergleichender Er­ kenntnisse richtungsweisend auch Kern, ZZPInt 12 (2007), 351  ff. 529   Siehe nochmals oben, 1. Teil, 1. Kap., sub C. II. (S. 27  ff.).

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

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Normwirkung aufzuklären.530 Weitgehend aus der Perspektive der spezifischen Sanktionssysteme von Common Law-Rechtsordnungen, aber durchaus verall­ gemeinerungsfähig sind zum einen die Mechanismen zur Durchsetzung ver­ traglicher Pflichten in den Blick genommen worden.531 Ein anwachsender Kreis von Arbeiten widmet sich jenseits der tradierten Grenzen zwischen Zivil-, Zi­ vilprozeß-, Verwaltungs- und Strafrecht 532 zum anderen dem qualitativen Ver­ gleich unterschiedlicher Normdurchsetzungsmechanismen im Hinblick auf Funktionsvoraussetzungen und Effektivität. Im Mittelpunkt stehen dabei die Alternativen der privaten und der hoheitlichen Normdurchsetzung. 533 Unge­ mein erweitert hat sich das Wissen um die Funktionsweise unterschiedlicher Normdurchsetzungsmechanismen schließlich mit den bereits eingangs des Ab­ schnitts angesprochenen, jüngeren Arbeiten zur Bedeutung sozialer Normen als Determinanten für die Regelbefolgung.534 In der Gesellschaftsrechtswissenschaft sind die sich aus den damit angespro­ chenen Forschungsansätzen hervorgegangenen Ergebnisse bislang kaum rezi­ piert worden.535 Repräsentativ für diese Zurückhaltung steht etwa die Diskussi­ on um die Gesellschafterhaftung für gläubigerschädigendes Finanzierungsver­ halten in der GmbH: Noch in der jüngeren Literatur ist grundsätzlich bezwei­ felt worden, daß eine drohende persönliche Haftung der Gesellschafter oder Geschäftsführer mit verhaltenssteuernden Wirkungen einhergehe, welche im Sinne eines als marktnaher „Ausleseprozeß“ gestalteten Sanktionssystems dienstbar gemacht werden könne.536 Zwischen der Eignung der Haftungssank­ 530   Vgl. insoweit etwa Bhattacharya/Daouk, 57 J. Fin. 75, 103  f. (2002) (zur Effektivität des Insiderrechts); allgemein Coffee, 156 U. Pa. L. Rev. 229, 244 (2007). 531   Vgl. im Überblick etwa Hermalin/Katz/Craswell, in: Polinsky/Shavell (Hrsg.), Hand­ book of Law and Economics, Bd. 1, S. 1, 99  ff.; ferner Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 455  ff.; Klöhn, Private versus public enforcement, passim. Vgl. auch Hay/Shleifer, 88 Am. Econ. Rev. 398  ff. (1998), die die Normdurchsetzung im Wege der privaten Rechtsverfolgung als ideal für die Anwendung in Schwellenländern mit Defiziten in der hoheitlichen Rechts­ durchsetzung propagieren; aus institutionenökonomischer Perspektiver zur Bedeutung der Normdurchsetzung repräsentativ North, Institutions, Institutional Change, and Economic Performance, S. 54  ff. 532   Für Ansätze zu einem modernen Funktionsverständnis von Straftatbeständen als Ele­ ment der Durchsetzung wirtschaftsrechtlicher Pflichten vgl. instruktiv neuerdings Ransiek/ Hüls, ZGR 2009, 157, 161  ff. („Strafrecht als akzessorisches Recht“). 533   Vgl. neben den Nachw. soeben Fn. 530 im Überblick Polinsky/Shavell, in: dies. (Hrsg.), Handbook of Law and Economics, Bd. 1, S. 403  ff.; R. A. Posner, Economic Analysis of Law, § 23, S. 659  ff.; Viscusi, 6 Yale J. on Reg. 65  ff. (1989); vgl. auch die vergleichende Analyse von Normdurchsetzungsmechanismen für kapitalmarktrechtliche Normen bei Coffee, 156 U. Pa. L. Rev. 229, 254  ff. (2007); Jackson, 24 Yale J. on Reg. 253, 278  ff. (2007); Jackson/Roe, 64 J. Fin. 207  ff. (2009); dies., 93 J. Fin. Econ. 207  ff. (2009). 534   Siehe nochmals oben sub A. (S. 52  f.) bei und in Fn. 8. 535   Vgl. zu einer Analyse der „Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschaftsund Kapitalmarktrecht“ aber neuerdings die Beiträge im gleichnamigen, von Bachmann u. a. hrsg. Band. 536   Vgl. etwa Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 126; Ott, Typenzwang, S. 193  ff.; Wiede-

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tion als Anreiz für ein bestimmtes Verhalten und ihrer faktischen Entwertung durch Vollzugsdefizite wird dabei nicht immer trennscharf differenziert. Etwas anders ist dies im Kapitalmarktrecht, wo schon im positiven Recht das Neben­ einander verwaltungsrechtlicher Eingriffstatbestände mit zivilrechtlichen Haf­ tungsregeln und, wenn auch nicht von gleicher praktischer Bedeutung, straf­ rechtlichen Sanktionen Anlaß für eine erweiterte Perspektive bietet. 537 Dies re­ flektiert allgemeine Tendenzen in der verwaltungsrechtlichen Diskussion, die sich unter dem Sammelbegriff der verwaltungsrechtlichen Formenlehre seit langem auch mit den Charakteristika unterschiedlicher Durchsetzungsmecha­ nismen befaßt.538 Auch im Kartellrecht werden Fragen der zivilrechtlichen Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Pflichten zunehmend diskutiert.539 Im Un­ terschied dazu hat sich in der gesellschaftsrechtlichen Literatur ein umfassendes Funktionsverständnis der Normdurchsetzungsmechanismen als eines vom materiel­len Recht und seinen Strukturprinzipien zumindest konzeptionell un­ abhängigen Problemfelds bislang nicht durchgesetzt. 540 Daß sich gerade das Unternehmens­recht schon typologisch etwa vom allgemeinen Vertragsrecht deutlich unterscheidet, 541 wird insofern zwar durchaus gesehen, aber kaum um­ fassend problematisiert. Im Anschluß an die ökonomischen Theorien der Un­ mann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 10 III 2, S. 545  f.; dagegen zu Recht kritisch Grigoleit, Ge­ sellschafterhaftung, S. 25. Innovativer demgegenüber Bitter, in: Bachmann u. a. (Hrsg.), Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, S. 57, 60  ff.; Casper, ebd., S. 33, 35  ff.; Haas, Geschäftsführerhaftung, S. 4  ff., insbes. S. 12  ff., und pas­ sim. 537   Vgl. exemplarisch für insoweit umfassender angelegte Untersuchungsprogramme aus dem jüngeren Schrifttum etwa Binninger, Gewinnabschöpfung als kapitalmarktrechtliche Sanktion, 2010; Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 202 und passim, und bereits Veil, ZGR 2005, 155, 164  ff., 179  ff. (insbes. zu einer möglichen Gewinnabschöpfung als Sanktions­ instrument de lege ferenda); speziell zur Funktionsäquivalenz zivilrechtlicher und verwal­ tungsrechtlicher Steuerungsinstrumente für die Kontrolle von Ratingagenturen rechtsver­ gleichend Blaurock, ZGR 2007, 603  ff. Vgl. aus strafrechtlicher Sicht nochmals auch Ransiek/ Hüls, ZGR 2009, 157, 161  ff. 538   Vgl. dazu im Überblick Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 2, § 33, S. 885  ff., und Michael, ebd., § 42, S. 1567  ff. 539   Vgl. exemplarisch Zimmer/Höft, ZGR 2009, 662  ff.; vgl. aus dem anglo-amerikanischen Schrifttum allgemein bereits Roach/Trebilcock, 34 Osgoode Hall L.J. 461  ff. (1996); Stephenson, 91 Va. L. Rev. 93  ff., insbes. 106  ff. (2005), sowie bereits die rechtsökonomischen bzw. rechtstheoretischen Grundsatzüberlegungen bei Cohen/Rubin, 3 Yale J. on Reg. 167  ff. (1985); Stewart/Sunstein, 95 Harv. L. Rev. 1193, 1289  ff. (1982); zur privatrechtlichen Durchsetzung umweltrechtlicher Standards auch B. H. Thompson, U. Ill. L. Rev. 185  ff. (2000). 540   Vgl. exemplarisch nochmals Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, passim; ähnlich auch bei Fleischer, ZHR 168 (2004), 673  ff. und dazu bereits oben sub D. (S. 202) bei und in Fn. 518. 541   Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die vielfältigen, im Organisationsverfassungs­ recht verankerten Formen institutioneller Kontrolle, aber auch für besondere hoheitliche Durchsetzungsinstrumente wie die richterliche Registerkontrolle; siehe dazu sogleich im ein­ zelnen sub III. (S. 210  ff.).

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ternehmung näher erörtert wurde insofern bislang vor allem die Bedeutung des marktförmigen Austritts („exit“) anstelle der Wahrnehmung unternehmeri­ scher Mitspracherechte („voice“) als Instrumente der privaten Sanktionierung für realisierte Investitionsrisiken in der Publikumskapitalgesellschaft.542 Erst in jüngster Zeit ändert sich dies und etabliert sich ein umfassendes Problemver­ ständnis durch, wobei ein Schwerpunkt der Diskussion unterschiedlicher „enforcement strategies“ auf der Bedeutung der privaten Rechtsverfolgung und hier wiederum auf Gesellschafterklagen in Publikumsgesellschaften liegt. 543 Unterschiede in der Durchsetzung objektiv-rechtlicher Vorgaben werden da­ nach zunehmend als Gesichtspunkt begriffen, der für den Systemvergleich ver­ schiedener Rechtsordnungen möglicherweise von größerer Bedeutung sein könnte als materiell-rechtliche Unterschiede, die im Zuge allfälliger Konver­ genzprozesse ohnedies eher abgeschliffen werden.544 Besondere Aufmerksam­ keit hat insbesondere in Reaktion auf prominente Bilanzskandale in den Jahren 2001, 2002 und 2003 (Enron, WorldCom, Parmalat) daneben die Rolle der zur Prüfung von Unternehmensinformationen berufenen externen Informationsin­ termediäre bzw. Verifikateure (sog. Gatekeeper), insbesondere der Abschluß­ prüfer, erfahren.545 Diese Debatte, der aus deutscher Perspektive auch die mit dem Stellenwert der Notare als Gewährleister des objektiven Rechts verknüpf­ ten Sachfragen zugeschlagen werden müssen,546 ist allerdings nur teilweise dec­ kungsgleich mit der hier untersuchten Kategorie; nicht alle Verifikateure erfül­ len zugleich Normdurchsetzungsfunktionen in dem Sinne, daß sie die Nichtbe­ folgung objektiv-rechtlicher Vorgaben mit Sanktionen belegen oder in entspre­ chende Sanktionierungsprozesse eingebunden sind. Dies zeigt insbesondere das 542   Grundlegend Hirschman, Exit, Voice and Loyalty, S. 21  ff.; 30  ff. und passim; eingehend im deutschsprachigen Schrifttum etwa Kalss, Anlegerinteressen, S. 339  ff.; Ruffner, Ökono­ mische Grundlagen, S. 173  ff., 195  ff. 543   Vgl. insbesondere die empirischen Ansätze bei Armour, Enforcement Strategies in UK Corporate Governance: A Roadmap and Empirical Assessment, ecgi Law Working Paper No. 106/2008, sowie dems. u. a., Private Enforcement of Corporate Law: An Empirical Compari­ son of the UK and US, ecgi Law Working Paper No. 120/2009. Eher vage und ohne klare Trennung von der materialen Ebene insoweit Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a., Anatomy, 2. Aufl. 2009, S. 35, 39  ff. Sehr weitgehend Greenfield, Failure of Corporate Law, S. 94  ff., der private Rechtsverfolgung umfassend als Instrument für die Durchsetzung sozialer Regulierungsziele aktivieren will. 544   Besonders pointiert – in kapitalmarktrechtlichem Zusammenhang, aber verallgemeine­ rungsfähig – Coffee, 156 U. Pa. L. Rev. 229, 232  f., 242, 254 (2007) m. w. N. 545   Grundlegend Kraakman, 93 Yale L.J. 857, 888  ff. (1984); ders., 2 J.L. Econ. & Org. 53  ff. (1986). Vgl. aus der jüngeren Literatur etwa Coffee, Gatekeepers, passim; Cox in: Armour/ McCahery (Hrsg.), After Enron, S. 295  ff.; Kremer, Zivilrechtliche Verantwortlichkeit, S. 124  ff.; Leyens, in: FG Hopt, 2008, S. 439  ff.; ders., in: Handelskammer Hamburg (Hrsg.), Die Hamburger Börse 1558–2008, S. 293, 295  ff.; ders., in: FS Schäfer, 2008, S. 159  ff.; zusf. ders., JZ 2007, 1061, 1071. 546   Vgl. einführend rechtsvergleichend etwa Mauch, ZVglRWiss 106 (2007), 275  ff.; siehe auch Stürner, FS Leipold, 2009, S. 835  ff.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

Beispiel der Rating­agenturen als in jüngster Zeit intensiv diskutierte Spielart der Gate­keeper.547 Vor allem an die zu den beiden damit umrissenen Zusammenhängen – private Normdurchsetzung einerseits, Normdurchsetzung durch Verifikateure ande­ rerseits – vorliegenden Ergebnisse kann im folgenden angeknüpft werden. Voll­ ständig ausgeleuchtet sind die Sachprobleme damit freilich schon deshalb nicht, weil sich die einschlägigen Arbeiten schwerpunktmäßig mit Regelungsproble­ men kapitalmarktorientierter Gesellschaften befassen und personalistische Un­ ternehmensstrukturen ausblenden. Dabei kann es im vorliegend gesetzten Rah­ men nicht darum gehen, die mit Normdurchsetzungsmechanismen aufgeworfe­ nen Rechtsfragen insgesamt aufzuarbeiten. Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich vielmehr auf die Interdependenzen zwischen der Wahl der Normdurchsetzungsmechanismen einerseits und der Effektivität der jeweiligen Regulierungsinstrumente andererseits. Ausgeblendet bleiben damit insbeson­ dere institutionelle Aspekte, z. B. die materielle und personelle Ausstattung von Aufsichtsinstanzen 548 oder materielle Anforderungen an Gründung, (Selbst-) Organisation und Aufgabenerfüllung von Verifikateuren.549

III.  Typologie der Durchsetzungsmechanismen Das Spektrum der im Unternehmensrecht etablierten Normdurchsetzungsme­ chanismen ist außerordentlich breit. Damit ist das Referenzgebiet geradezu prä­ destiniert, um die Perspektiven und den potentiellen Erkenntniswert eines auf einen qualitativen Vergleich gerichteten, umfassenden Begriffsverständnisses auszuloten. Eine erste Grobeinteilung könnte anknüpfen an die Art der Wir­ kungsweise (unten 1.). Präziser und für die vorliegenden Zwecke fruchtbarer ist indes die Einteilung nach verschiedenen Initiatoren und Trägern der Norm­ durchsetzung (unten 2.), wobei die bereits erwähnten Obergruppen der priva­ ten, der teilprivatisierten und der hoheitlichen Normdurchsetzung unterschie­ den werden können. Beide Kategorien sind verwandt, aber nicht deckungsgleich mit der zeitlichen Wirkrichtung der Normdurchsetzungsmechanismen (unten 3.), die allerdings nur auf den ersten Blick als Systematisierungskriterium taugt.

  Aus der Diskussion von Ratingagenturen als Gatekeeper etwa Coffee, Gatekeepers, S. 283  ff.; Leyens, in: FG Hopt, 2008, S. 423, 446  ff.; rechtsvergleichend Blaurock, ZGR 2007, 603  ff. 548   Dazu näher z. B. Jackson, 24 Yale J. on Reg. 253  ff. (2007); ders./Roe, 93 J. Fin. Econ. 207  ff. (2009); siehe auch dies., 64 J. Fin. 207  ff. (2009); vgl. auch Coffee, 156 U. Pa. L. Rev. 229, 258  ff. (2007). 549   Siehe nochmals die Nachw. soeben sub II. (S. 209) Fn. 545. 547

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

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1.  Unmittelbar und mittelbar wirkende Normdurchsetzungsmechanismen Die Trennung nach unmittelbar und mittelbar wirkenden Normdurchsetzungs­ mechanismen impliziert ein weites, funktional orientiertes Begriffsverständnis. Sie zeigt zugleich, daß ein umfassendes Konzept der Normdurchsetzungsme­ chanismen zugrundegelegt werden muß, wenn wirklich alle auf die Einhaltung objektiv-rechtlicher Vorgaben hinwirkenden Mechanismen adäquat erfaßt wer­ den sollen. Einbezogen sind danach nicht allein die etablierten Kategorien der privaten und der hoheitlichen Rechtsdurchsetzung, sondern darüber hinaus auch solche Mechanismen, die indirekt Abweichungen von einer vorgegebenen Regel mit negativen Konsequenzen für den Normadressaten verbinden.550 In diesem Zusammenhang kann von unmittelbaren (unten a)) und mittelbaren Normdurchsetzungsmechanismen (unten b)) oder alternativ von Durchset­ zungsmechanismen im weiteren und solchen im engeren Sinne gesprochen wer­ den. Legt man dieses Verständnis zugrunde, erweitert sich das Spektrum gerade im unternehmensrechtlichen Zusammenhang erheblich. Für eine funktionale Analyse der verfügbaren Regulierungsinstrumente sind sie nicht durchweg, sondern nur zum Teil weiterzuverfolgen, insoweit aber auch zur Grundlegung eines problemadäquaten Funktionsverständnisses unentbehrlich. a)  Unmittelbar wirkende Normdurchsetzungsmechanismen Als Relikt des Konzessionssystems spielt im deutschen Kapitalgesellschafts­ recht zunächst die Kontrolle von Gesellschaftsvertrag bzw. Satzung durch das Registergericht nach wie vor eine wichtige Rolle als Normdurchsetzungsin­ strument,551 wobei sich Prüfungsumfang und -intensität im Zuge der histori­ schen Evolution dieses Instituts erheblich abgeschwächt haben.552 Mit entspre­ chenden Einschränkungen greift diese Kontrolle bekanntlich nicht nur bei der Gründung und bei Beschlüssen mit satzungsändernder Wirkung,553 sondern auch bei sonstigen eintragungspflichtigen Vorgängen im weiteren Geschäftsbe­ trieb.554 Ebenso zur Gruppe der unmittelbaren Normdurchsetzungsmechanis­ 550   Vgl. dazu und zum folgenden mit einem ähnlich weiten, funktional orientierten Ansatz auch Armour, Enforcement Strategies, S. 4  ff. 551   Vgl. §§ 36  ff. AktG, §§ 7  f., 9c GmbHG, § 3 SEAG i.V.m. §§ 36 AktG. 552   Vgl. § 38 Abs. 3 AktG, §§ 9c Abs. 2, 40 GmbHG; ein erheblicher Rückbau der materiel­ len Registerkontrolle war zunächst mit dem Handelsrechtsreformgesetz von 1998 (BGBl. I, S. 1474), zuletzt sodann mit dem MoMiG verbunden (vgl. die damit vollzogene Abschaffung von § 37 Abs. 4 Nr. 5 AktG a.F., § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG a.F.); insgesamt zum Stellenwert der Registerkontrolle als Instrument zur Überwachung und Durchsetzung zwingenden Gesell­ schaftsrechts stellvertretend Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 2.12  ff.; krit. Hüffer, AktG, § 38 Rn. 12. 553   Vgl. §§ 181, 188, 195, 210, 223, 227 und 239 AktG, § 54 GmbHG, Artt. 13 und 59 Abs. 3 SE-VO i.V.m. § 181 Abs. 1 AktG. 554   Vgl. insbes. §§ 45 (Sitzverlegung), 81 (Änderungen in der Zusammensetzung des Vor­

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

men im hier verwendeten Sinne zählen Maßnahmen der Rechtsverfolgung durch Gesellschafter (insbesondere Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen),555 durch Organe oder durch Dritte, insbesondere Gläubiger, gegen Gesellschaft oder Gesellschafter, soweit damit gegen Verletzungen (auch) objektiv-rechtli­ cher Pflichten vorgegangen wird. Von unmittelbar wirkender Normdurchset­ zung kann weiterhin gesprochen werden, wenn im Rahmen einer Abwicklung oder Liquidation die Abwickler bzw. Liquidatoren 556 oder bei insolvenzförmi­ ger Auflösung der Insolvenzverwalter557 derartige Ansprüche geltend macht. Unmittelbar wirken schließlich auch ordnungswidrigkeiten- oder strafrechtli­ che Sanktionen.558 Die damit umrissenen Institute werden ungeachtet der ausgesprochen hete­ rogenen Ausgestaltung verklammert durch ein zentrales, gemeinsames Merk­ mal, nämlich den Umstand, daß sich in allen Varianten die jeweilige Rechtsfolge (Versagung der Registereintragung und mithin Unwirksamkeit entsprechender Rechtshandlungen, Haftung, Bußgeld oder Strafe) unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Dieses selbst legt abstrakt fest, welche Folge die Nichteinhaltung einer objektiv-rechtlichen Pflicht nach sich zu ziehen droht. Nur ist die – für die Ef­ fektivität der jeweiligen Rechtsfolge als Element der Verhaltenssteuerung natür­ lich wesentliche – Realisierung dieser Rechtsfolge der Initiative unterschiedli­ cher Akteure und unterschiedlichen Verfahren zugewiesen. b)  Mittelbar wirkende Normdurchsetzungsmechanismen Der letztgenannte Befund läßt sich zugleich auf die hier unter dem Begriff der „mittelbaren Normdurchsetzungsmechanismen“ zusammengefaßten Institute übertragen. Im Unterschied zur vorstehend vorgestellten Kategorie verknüpft hier das Gesetz nicht selbst den Verstoß gegen objektiv-rechtliche Vorgaben mit negativen Konsequenzen. Vielmehr beschränkt es sich darauf, die (verfahrens­ rechtlichen oder institutionellen) Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß andere Akteure als der Gesetzgeber selbst auf die Verletzung objektiv-rechtlicher Vorgaben in einer Weise reagieren, die möglichst mit Anreizen zu einem norm­ stands und hinsichtlich der Vertretungsbefugnis), 106 (Änderungen bei der Zusammenset­ zung des Aufsichtsrats), 266 (Anmeldung der Abwickler) AktG, §§ 39 (Anmeldung der Ge­ schäftsführer), 65 (Anmeldung und Eintragung der Auflösung) und 67 (Anmeldung der Li­ quidatoren) GmbHG, ggf. i.V.m. Art. 38 Abs. 1 SE-VO. Zu Grundlage, Reichweite und Schranken der materiellen Registerkontrolle allgemein stellvertretend Baumbach/Hopt, HGB, § 8 Rn. 8; MünchKomm/Krafka, HGB, § 8 Rn. 59  ff.; Ebenroth/Boujong/Schaub, HGB, § 8 Rn. 131  ff. 555   Vgl. §§ 246  ff., 249 AktG. 556   Vgl. §§ 265  ff. AktG (ggf. i.V.m. Art. 38 Abs. 1 SE-VO: Abwickler der AG bzw. SE), §§ 66  ff. GmbHG (Liquidatoren). 557   Vgl. §§ 80, 85 InsO. 558   Vgl. aus dem einschlägigen Ordnungswidrigkeiten- und Nebenstrafrecht nur §§ 399  ff. AktG, §§ 79, 82, 84  f. GmbHG, daneben etwa §§ 283  ff. StGB.

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konformen Verhalten verbunden sein sollte. Aus dieser Perspektive betrachtet, läßt sich wiederum ein ganzes Bündel vielgestaltiger Institute in den Kreis der Normdurchsetzungsmechanismen einbeziehen (unten aa)). Nicht alle der dar­ unter fallenden Instrumente sind allerdings im vorliegenden Kontext gleicher­ maßen von Belang, wie sich an den Sonderfällen der in der kapitalmarktökono­ mischen und kapitalmarktrechtlichen Diskussion intensiv erörterten Gruppe marktinduzierter Sanktionsmechanismen und der auf der Wirkung sozialer Normen beruhenden Durchsetzungsmechanismen (unten bb)) erweist. aa)  Erscheinungsformen mittelbar wirkender Normdurchsetzungsmechanismen Mittelbare Normdurchsetzungsmechanismen im soeben formulierten Sinne finden sich im untersuchten Referenzgebiet in vielfältiger Form. Ein gefestigtes Funktionsverständnis dieser Mechanismen hat sich allerdings bislang kaum durchgesetzt. Vielmehr ist schon die Qualifikation der nachfolgend erörterten Institute als Instrumente zur Durchsetzung objektiv-rechtlicher Vorgaben, nicht unumstritten. Dies gilt sowohl für die in der verbandsinternen Sphäre angesiedelten (unten (1)) als auch die unternehmensexternen Mechanismen (un­ ten (2)) und ist darauf zurückzuführen, daß deren Funktion jeweils nicht allein und nicht einmal in erster Linie in der Durchsetzung objektiver Vorgaben be­ steht, sondern auch und vorrangig anderen wirtschaftlichen Zwecken dienen. (1) Betrachtet man zunächst die verbandsinterne Sphäre, so ist dies bei den Informationsrechten und korrespondierenden Berichtspflichten besonders au­ genfällig:559 Publizitätspflichten sind zwar gerade von der deutschen Unterneh­ mensrechtswissenschaft erst in jüngerer Zeit als Instrumente erkannt worden, die neben oder anstelle einer auf unmittelbar eingreifende Sanktionen setzen­ den Regulierungsstrategie die Einhaltung objektiv-rechtlicher Normen mittel­ bar dadurch absichern, daß sie Fehlverhalten transparent machen und damit individuelle Reaktionen der betroffenen Akteure gewährleisten:560 Information und Publizität erfüllen danach eine Doppelrolle. Schon die Informationspflicht selbst ist Sanktion insofern, als davon Kontroll- und Sanktionswirkungen für 559   Eine abschließende Aufzählung der insoweit relevanten handels-, gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Informationsrechte und Publizitätspflichten kann hier nicht unter­ nommen werden; vgl. insoweit die ungeachtet der zwischenzeitlich eingetretenen Rechtsän­ derungen nach wie vor gültige Systematisierung bei Merkt, Unternehmenspublizität, S. 132  ff. Eine aktuelle Übersicht über die kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten findet sich etwa bei Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 237  ff. 560   Grundlegend aus dem deutschsprachigen Schrifttum Merkt, Unternehmenspublizität, S. 332  ff., insbes. S. 338 („Informations- bzw. Entscheidungsvorbereitungsfunktion“), S. 340 („Kontrollfunktion“) und passim; siehe auch dens., zfbf Sonderheft 54 (2006), 24  ff.; mono­ graphisch zum Stellenwert im Gemeinschafts-Gesellschaftsrecht Grohmann, Das Informati­ onsmodell im Europäischen Gesellschaftsrecht, 2006, passim.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

Verstöße gegen anderweit begründete Pflichten ausgehen,561 zugleich können auf ihrer Grundlage spezifischere Maßnahmen der Normdurchsetzung einge­ leitet, z. B. Klagen erhoben oder aufsichtsrechtliche Sanktionen angeordnet werden.562 Die Berechtigung dieser Sichtweise wird inzwischen kaum mehr als solche in Frage gestellt; der Schwerpunkt der Diskussion hat sich vielmehr auf Fragen der Reichweite des damit umrissenen „Informationsmodells“ als Instru­ ment des Rechtsgüterschutzes verlagert.563 Aus gleichgelagerten Erwägungen lassen sich auch die Einwirkungsbefugnis­ se der Gesellschafter auf die Geschäftsleitung, wie sie sich aus Entscheidungs­ kompetenzen von Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung,564 aber auch aus Minderheitenrechten 565 ergeben, als Normdurchsetzungsmechanismen im hier verstandenen Sinne qualifizieren, soweit damit zumindest auch auf die Einhal­ tung objektiv-rechtlicher Vorgaben hingewirkt werden kann. Sie erfüllen inso­ fern eine Doppelfunktion, dienen nämlich der Mitentscheidung im eigenen In­ teresse und der Durchsetzung objektiver Pflichten. Schließlich kommen orga­ nisatorisch-institutionelle Elemente, insbesondere der Aufsichtsrat, als Instru­ mente in Betracht, die die Einhaltung objektiv-rechtlicher Organpflichten ge­ währleisten.566 Einen Sonderfall in dieser Kategorie bilden die speziell auf den Gründungsvorgang beschränkten Vorgaben nach § 32 AktG (Gründungsbe­ richt) und §§ 33, 34 AktG (Gründungsprüfung), die Elemente der Selbstkon­ trolle und Publizitätsfunktionen miteinander vereinen.567 Die damit angesprochenen Beispiele sind allerdings alles andere als unkon­ trovers; ihre Qualifikation als Instrumente zur Durchsetzung objektiv-rechtlicher Vorgaben ist zumindest erklärungsbedürftig. Zahlreiche Stimmen insbe­ sondere im (rechts-) ökonomischen Schrifttum lehnen ihre Einbeziehung in Untersuchungen zur Normdurchsetzung ab und unterscheiden strikt zwischen 561   Besonders plastisch den Sanktionscharakter betonend nach wie vor das berühmte Dik­ tum des amerikanischen Juristen Louis Brandeis: “Publicity is justly commended as a remedy for social and industrial diseases. Sunlight is said to be the best of disinfectants; electric light the most efficient policeman.“ (Brandeis, Other People’s Money, S. 62). 562   Besonders deutlich ausgeprägt ist diese Funktion in der Ausgestaltung von Offenle­ gungspflichten als akzessorische Pflichten zu materiell-rechtlichen Ansprüchen in § 810 BGB. Entsprechendes gilt aber auch für alle prozessualen Offenlegungspflichten, vgl. zu diesen all­ gemein etwa Stürner, ZZP 98 (1985), 237  ff.; dens., ZZP 104 (1991), 208  ff.; dens., FG Vollkom­ mer, 2006, S. 201, 205  f.; Waterstraat, ZZP 118 (2005), 459  ff.; speziell zur Offenlegung elektro­ nisch gespeicherter Unternehmensinformationen auch Binder, ZZP 122 (2009), 187  ff. Für unternehmensrechtliche Offenlegungspflichten wiederum Merkt, Unternehmenspublizität, S. 340 m. w. N. 563   Dazu stellvertretend Schön, FS Canaris, 2007, S. 1191  ff. 564   Vgl. insbes. § 129 AktG, § 46 GmbHG. 565   Vgl. §§ 120 Abs. 1 Satz 2, 122, 130 Satz 2, 142 Abs. 2, 148, 258, 260 sowie neuerdings 172a AktG, § 50 GmbHG. 566   Vgl. insbes. §§ 95  ff., 170  f. AktG 567   Vgl. z. B. K. Schmidt/Lutter/Bayer, AktG, § 32 Rn. 1; Großkomm/Röhricht, AktG, § 32 Rn. 2.

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Instrumenten der Normdurchsetzung („enforcement“) und solchen der Ge­ währleistung von Mitverwaltungs- und Kontrollrechten („governance“).568 An­ gesichts der zumindest prima facie eindeutigen Strukturunterschiede zwischen den „klassischen“ Sanktionen und den genannten Instituten überrascht das kaum. Derartige Einteilungen sind insofern plausibel, als bei der Ausübung von Informationsrechten, Kontrollbefugnissen, Mitspracherechten o.ä. die Durch­ setzung des objektiven Rechts naturgemäß nicht im Vordergrund steht. Vor­ rangig geht es vielmehr um deren Bedeutung für die Wahrung subjektiver Rechte. Die Einräumung der für die Gesellschafterstellung typischen Mitwir­ kungsrechte fungiert, so betrachtet, geradezu als Substitut dafür, daß angesichts der für die relationalen Finanzierungsbeziehungen charakteristischen Unsi­ cherheiten 569 eine abschließende Festlegung subjektiver Rechte einschließlich entsprechender Durchsetzungsmechanismen am Beginn der Vertragsbeziehung nicht in der Lage wäre, alle künftigen Risiken abschließend hinreichend zu er­ fassen. Mitwirkungsrechte liefern so in funktionaler Hinsicht eine Kompensa­ tion für das Versagen des allgemeinen Vertragsrechts als Instrument zur privat­ autonomen Risikosteuerung in langfristigen Austauschbeziehungen.570 Legt man diese Perspektive zugrunde, reduziert sich die Bedeutung von Normdurchsetzungsmechanismen im Zusammenhang mit Mitverwaltungsund Kontrollrechten auf die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes und die materiell-rechtlichen Sanktionen für den Fall, daß die Ausübung der jeweiligen Rechte behindert wird.571 Eine derartige Konsequenz ist freilich ab­ zulehnen: Damit würde ausgeblendet, daß zwischen subjektivem und objekti­ vem Recht regelmäßig zumindest beschränkter Gleichlauf besteht, weil das   Vgl. z. B. Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a., Anatomy, 2. Aufl. 2009, S. 35  ff., mit der Unterscheidung zwischen „regulatory strategies“ und „governance strate­ gies“; Rock/Wachter, 149 U. Pa. L. Rev. 1619, 1648  f. (2001) (governance mechanisms als Sub­ stitut für durchsetzbare Rechtspflichten); Polinsky/Shavell, in: dies. (Hrsg.), Handbook of Law and Economics, Bd. 1, S. 403, 406; schließlich Coffee, 156 U. Pa. L. Rev. 229, 254 (2007), der als „enforcement mechanisms“ nur solche Institute qualifiziert, die nachträglich – als Sanktion – nach erfolgtem Regelverstoß zur Geltung gelangen. Vgl. auch Armour, Enforce­ ment Strategies in UK Corporate Governance: A Roadmap and Empirical Assessment, ecgi Law Working Paper No. 106/2008, S. 6  f. 569   Zu diesen bereits oben sub B. II. 3. a) aa) (S. 92  f.) bei und in Fn. 141  f. 570   Neben den Nachw. soeben Fn. 558 deutlich Whincop, (1999) 19 OJLS, 19, 28. 571   Vgl. pointiert auch Armour, Enforcement Strategies in UK Corporate Governance: A Roadmap and Empirical Assessment, ecgi Law Working Paper No. 106/2008, S. 6  f., der frei­ lich ein weiteres Funktionsverständnis vertritt und sich damit diese Auffassung gerade nicht zu eigen macht; wie hier auch ders. u. a., Private Enforcement of Corporate Law: An Empiri­ cal Comparison of the UK and US, ecgi Law Working Paper No. 120/2008, S. 4. Unzutr. vor diesem Hintergrund Rock/Wachter, 149 U. Pa. L. Rev. 1619, 1648  f. (2001), die bei der Formu­ lierung der Dichotomie von durchsetzbaren Rechtspflichten einerseits und nicht durchsetz­ baren (sozialen) Normen andererseits („non-legally enforceable rules and standards“) die Bedeutung der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes als Instrument zur Durchset­ zung von Verfahrensregeln im Zusammenhang mit der letztgenannten Kategorie gänzlich ausblenden. 568

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subjektive Interesse (beispielsweise der Gesellschafter an einer ordnungsgemä­ ßen Unternehmensführung) mit dem öffentlichen Interesse an der Durchset­ zung des Geltungsanspruchs objektiv-rechtlicher Verhaltensge- oder -verbote schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht selten einhergehen werden.572 Schon deshalb bekräftigt die Durchsetzung individueller Rechtspositionen zugleich den Geltungsanspruch objektiv-rechtlicher Vorgaben, soweit tatsächlicher In­ teressengleichlauf besteht. Dies entspricht auch der Konzeption des geltenden deutschen Aktienrechts, das ein Anfechtungsrecht allgemein bei „Verletzung des Gesetzes“ durch Gesellschafterbeschlüsse eingreifen läßt (vgl. §§ 246 Abs. 1, 243 AktG).573 Soweit, auf den Punkt gebracht, privates Sonderinteresse und die Einhaltung objektiv-rechtlicher Pflichten zusammenfallen, was nicht die Aus­ nahme bilden wird, dient die individuelle Rechtsverfolgung gleichermaßen der Bewahrung der objektiven Rechtsordnung. Durchaus zu recht ist daher allge­ mein der „interessenausgleichenden Mehrheitsbildung“ unter den Gesellschaf­ tern auch die Funktion einer Art (begrenzter) objektiver Richtigkeits- und Ordnungsmäßigkeitskontrolle der Gesellschafterentscheidung beigemessen worden.574 Je stärker die Anreize für die betreffenden Akteure sind, beispiels­ weise Kontroll- oder Mitwirkungsrechte tatsächlich im Sinne der Einhaltung objektiv-rechtlicher Vorgaben durch den Überwachten auszuüben, etwa, weil anderenfalls originäre Haftungsrisiken oder ein Wertverlust der Beteiligung drohen,575 desto verläßlicher sind derartige Rechte zugleich als Instrument zur Durchsetzung dieser objektiv-rechtlichen Vorgaben. Besonders deutlich wird die Berechtigung eines derart umfassenden Funktionsverständnisses, wenn man das Bild um die Rechte von Anleihegläubigern nach dem reformierten 572   Ein besonders drastisches Beispiel bietet etwa das Interesse der Aktionäre einer Publi­ kumsgesellschaft, daß die Geschäftsleitung dieser Gesellschaft sich nicht an Bestechungsde­ likten zur Auftragsakquisition beteiligt, die nicht zuletzt an ausländischen Kapitalmärkten zu empfindlichen finanziellen Sanktionen gegen das Unternehmen selbst führen könnten (Fall Siemens). 573   Schon deshalb wird das Anfechtungsrecht des Gesellschafters von einer gewichtigen Meinung nicht nur als Instrument der individuellen Rechtsverfolgung, sondern zugleich als (objektives) Instrument der Rechtmäßigkeitskontrolle interpretiert, vgl. in diesem Sinne be­ reits Lutter, ZGR 1978, 347, 349  f.; dens., AcP 180 (1980), 84, 143; im Anschluß daran etwa Hüffer, AktG, § 245 Rn. 3; Großkomm/K. Schmidt, AktG, § 245 Rn. 10; krit. gegenüber der Rolle des „Aktionärs als Wahrer des Rechts“ demgegenüber Mertens, AG 1990, 49  ff., insbes. 54  f. Vgl. – mit insgesamt positiver Einschätzung der shareholder derivative suit als Instru­ ment zur Durchsetzung objektiver Verhaltensstandards in der Publikumskapitalgesellschaft (str.) – aus dem US-amerikanischen Schrifttum auch R. B. Thompson/Thomas, 57 Vand. L. Rev. 1747, 1749 (2004). Siehe aber auch noch unten, 3. Teil, 2. Kap., sub B. II. (S. 548  ff.) zu den unvermeidlichen Funktionsdefiziten aufgrund nur teilweise Kongruenz zwischen privaten und öffentlichen Interessen. 574   Vgl. auch Haas, Geschäftsführerhaftung, S. 37 („Verhaltenssteuerung durch Partizipa­ tion“). 575   Zu Problemen der Anreizstruktur bei der privaten Normdurchsetzung auch noch un­ ten IV. 1. b) (S. 236  ff.).

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

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Schuldverschreibungsgesetz576 erweitert, bei denen Mitwirkung und Rechts­ verfolgung in einem teilweise kollektivierten Verfahren ineinander verfließen;577 in den kollektiven Mitentscheidungsbefugnissen des Insolvenzverfahrens ist die Kombination aus Rechtsschutz und Mitentscheidung (governance) sodann ge­ wissermaßen in letzter Schärfe realisiert. Nach alledem trifft zu, daß weder Informationsrechte noch Kontrollbefug­ nisse zwingend sicherstellen, daß beispielsweise die Geschäftsleitung einer Ge­ sellschaft die ihr objektiv zugewiesenen Pflichten tatsächlich einhält. Unmittel­ bar wirkende Normdurchsetzungsmechanismen mögen in ihrer Funktionswei­ se einfacher erscheinen, mittelbare dagegen komplexer und weniger verläßlich. Doch lassen sich Informations- und Mitentscheidungsrechte unter zwei Vor­ aussetzungen auch als Instrumente zur Durchsetzung objektiv-rechtlicher Vor­ gaben dienstbar machen: Zum einen ist erforderlich, daß der jeweilige Sach­ komplex und damit die im einzelnen (auch) unter Mitwirkung der Gesellschaf­ ter zu treffenden Entscheidungen überhaupt durch objektives Recht zumindest teilweise vorgeprägt sind. Nur dann kann davon gesprochen werden, daß die Mitwirkung der Gesellschafter und die damit verbundene Kontrolle über die Geschäftsleitung zugleich der Durchsetzung objektiver Pflichten dienen. Und zum zweiten muß die Einhaltung der objektiven Pflicht auch im subjektiven Interesse der zur Mitwirkung berufenen Akteure liegen. Unabhängig davon kann schon die Existenz von Informationsrechten ggf. die Anreize zu einem normkonformen Verhalten erhöhen, indem sie die Transparenz der Entschei­ dungsfindung erhöhen und damit ein Bekanntwerden etwaiger Pflichtverstöße wahrscheinlicher werden lassen. Ein Schlaglicht auf die Bedeutung von Mitwirkungsrechten als Normdurch­ setzungsmechanismus im hier verwendeten Sinn wirft pars pro toto auch die unterschiedliche praktische Bedeutung der Anfechtungsklage für Minderheits­ gesellschafter einerseits und Mehrheitsgesellschafter andererseits: Ein Angriff gegen Beschlußmängel ex post im Klagewege wird für den Minderheitsgesell­ schafter regelmäßig die einzige wirklich effektive Möglichkeit sein, Individual­ interessen gegenüber der Gesellschaftermehrheit und der Verwaltung zur Gel­ tung zu bringen. Der Mehrheitsaktionär dagegen wird vielfach schon durch entsprechende Einflußnahme im Vorfeld, insbesondere auch vermittelt durch Repräsentanz im Aufsichtsrat, seine wirtschaftlichen Ziele ohne weiteres errei­ chen können, ohne daß er auf Anfechtungsrecht und Anfechtungsklage ange­ wiesen wäre. Ohne daß es sich bei der Anfechtungsklage systematisch um ein

576   Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (Schuldverschreibungsge­ setz – SchVG) vom 31. 7. 2009, BGBl. I, S. 2512. 577   Vgl. §§ 5  ff. SchVG n.F.; siehe dazu auch Baums, ZBB 2009, 1  ff.; Hopt, FS Schwark, 2009, S. 441  ff.; Horn, ZHR 173 (2009), 12, 43  ff.; Schlitt/Schäfer, AG 2009, 477  ff.; Schmolke, ZBB 2009, 8  ff.

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Institut des Minderheitenschutzes handelte, 578 ist ihre praktische Bedeutung heute weithin auf die einer – bekanntlich oft mißbrauchten, nämlich strategisch zu Blockadezwecken eingesetzten 579 – Waffe des Minderheitsaktionärs redu­ ziert. So betrachtet, treten die Mitwirkungsrechte des Mehrheitsaktionärs funktional an die Stelle der der individuellen Rechtsdurchsetzung durch An­ fechtungsklagen, auf die der Minderheitsaktionär verwiesen bleibt. Dies illu­ striert, daß und weshalb die in der anglo-amerikanischen Literatur unter dem Schlagwort der „governance mechanisms“ zusammengefaßten Institute nicht anders als die Anfechtungsklage der Kategorie der Normdurchsetzung in der hier verwendeten Terminologie zugeordnet werden müssen.580 Diese Sichtweise wird implizit zugrundegelegt, wenn teilweise die Existenz ausdifferenzierter institutioneller Kontrollmechanismen und Mitentscheidungsbefugnisse im Un­ ternehmensrecht mit den Defiziten unmittelbarer Durchsetzungsmechanismen erklärt wird.581 Mittelbare Normdurchsetzungsmechanismen sind danach dann eine geeignete Alternative zur individuellen Rechtsdurchsetzung im engeren Sinn, wenn Entscheidungen zu fällen sind, bei denen die Gesellschaftergesamt­ heit oder die unternehmerisch engagierte Mehrheit der Gesellschafter im Vor­ feld die anstehenden Entscheidungen so beeinflussen kann, daß Konflikte mit individuellen Mitgliedschaftsrechten weitgehend vermieden werden. Liegt ein solcher Fall vor, sind die ex ante eingreifenden mittelbar normdurchsetzenden Wirkungen von Informations- und Mitwirkungsrechten der Korrektur von Er­ gebnissen ex post vorzuziehen: Wenn und soweit die divergierenden Interessen damit bereits ex ante kanalisiert werden können, verringert sich damit zugleich das Potential für ggf. kostenträchtige Konflikte ex post. (2) Dieses Verständnis von Mitwirkungsrechten auch als Instrumenten zur Durchsetzung objektiven Rechts verfestigt sich, wenn als mittelbare Norm­ durchsetzungsmechanismen solche Elemente einbezogen werden, die zwar au578   Vgl. z. B. MünchKomm/Hüffer, AktG, § 245 Rn. 7; Großkomm/K. Schmidt, AktG, § 245 Rn. 10. 579   Vgl. etwa die empirische Studie zur Realität der Anfechtungsklagen in Publikumsge­ sellschaften von Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629  ff.; siehe auch Baums/Drinhausen, ZIP 2008, 145, 146  f.; zuvor auch bereits Baums, Gutachten F zum 63. DJT, 2000, F 52, F 56  f.; vgl. auch MünchKomm/Hüffer, AktG, § 245 Rn. 7, 52. Mit dieser Erkenntnis allein ist noch keine Bewertung des Instituts des Anfechtungsrechts als solchen verbunden; vgl. prononciert kritisch gegenüber Einschränkungen insoweit de lege ferenda etwa Großkomm/K. Schmidt, AktG, § 245 Rn. 11; differenzierend z. B. MünchKomm/Hüffer, AktG, § 245 Rn. 11  ff.; ders., AktG, § 245 Rn. 27; insoweit auch Baums, Gutachten F zum 63. DJT, F 58. 580   Ähnlich wie hier, aber in der Begründung vor allem kapitalmarktrechtlich orientiert auch Armour, Enforcement Strategies in UK Corporate Governance: A Roadmap and Empi­ rical Assessment, ecgi Law Working Paper No. 106/2008, S. 7. 581   In diesem Sinne etwa Eisenberg, 24 J. Corp. L. 819, 835 (1999); siehe auch Ruffner, Öko­ nomische Grundlagen, S. 489: „(…) verbesserte Governance-Strukturen als permanentes Monitoring bzw. partielle Kontrolle [machen] disziplinierende Übernahmen überflüssig (…) und [bergen] ein hohes Potential, die interne Kapitalallokation von Publikumsgesellschaften auf Dauer zu verbessern.“ (eig. Hervorhebung).

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ßerhalb der Sphäre der Organisationsverfassung der Gesellschaften angesiedelt sind, ihr aber zumindest nahe stehen.582 Darunter fallen im deutschen Recht insbesondere Aufgabe und Tätigkeit der bei der Rechtsgestaltung (teils erzwun­ genermaßen, teils freiwillig) mitwirkenden Notare,583 der – nach heutigem Ver­ ständnis nahezu unstreitig nicht als Gesellschaftsorgane zu qualifizierenden584 – Abschlußprüfer, schließlich auch der Insolvenzverwalter.585 Im Rahmen der kapitalmarktorientierten Fremdkapitalfinanzierung bietet sich als weiteres Bei­ spiel der Treuhänder für die Durchsetzung der Rechte von Anleihegläubigern an, wie ihn im deutschen Recht bislang die §§ 14  ff. SchuldVG 1899 konturie­ ren.586 Die Einbindung derartiger Akteure als Gewährleister der Einhaltung objektiv-rechtlicher Vorgaben („Verifikateure“) 587 führt nicht zwingend dazu, daß Pflichtverstöße unmittelbar mit negativen Konsequenzen geahndet wür­ den, sieht man von den – nicht der Regel entsprechenden – Extremfällen der Verweigerung der notariellen Beurkundung im einen oder der Verweigerung des Prüfvermerks im anderen Fall ab. Gleichwohl stellen die gesetzlichen Pflich­ ten zur Beurkundung durch den Notar588 im einen Fall ebenso wie die gesetz­ liche Anordnung der Abschlußprüfung589 mit entsprechenden Vorgaben an Auswahl und Qualifikation der Abschlußprüfer,590 den Umfang der Prüfungs­ 582   Vgl. MünchKomm/Ebke, HGB, § 316 Rn. 32  ff.; Hopt, in: FS Nobbe, 2009, 853, 854; dens., ZGR 2000, 779, 792: Abschlußprüfer als Element zwischen externer und interner Cor­ porate Governance; siehe auch schon dens., ZHR 141 (1977), 389, 401  ff. 583   Vgl. abermals Mauch, ZVglRWiss 106 (2007), 272  ff.; siehe auch Schmitz-Vornmoor/ Kordel, Notar 2009, 4  ff. 584   Stellvertretend MünchKomm/Ebke, HGB, § 316 Rn. 26; Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 401  ff.; BayObLG, Beschl. 17. 9. 1987 – BReg 3 Z 76/87, BayObLGZ 1987, 297, 305; anders noch BGH, Urt. v. 15. 12. 1954 – II ZR 322/53, BGHZ 16, 17, 25; unklar BGH, Urt. v. 24. 3. 1980 – II ZR 88/79, BGHZ 76, 338, 342; vgl. auch Mattheus, ZGR 1999, 682, 686. 585   Zur Qualifikation der Aufgaben des Insolvenzverwalters als Sachproblem der „teilpri­ vatisierten“, hoheitliche mit privatrechtlichen Aspekten verknüpfenden Normdurchsetzung noch näher unten sub 2. c) (S. 230  f.) bei und in Fn. 630  ff. 586   Vgl. dazu und zu den geplanten Änderungen nochmals die Nachw. soeben Fn. 577. Zu ähnlichen Gestaltungen im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht etwa Amihud/Garbade/ Kahan, 51 Stan. L. Rev. 447, 469  ff. (1999). 587   Zum Begriff bereits oben sub II. (S. 209) bei und in Fn. 545. Ähnlich in der deutschspra­ chigen Literatur für den Abschlußprüfer auch Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2123 („öffentlicher Garant“); Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 251; Mattheus, ZGR 1999, 682, 684 („öffent­ liche Garantiefunktion“); inhaltlich ebenso auch bereits Schulze-Osterloh, ZGR 1976, 411, 412  f. 588   Vgl. etwa § 23 Abs. 1 AktG (Feststellung der Satzung) sowie § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG (Form des Gesellschaftsvertrags). 589   Vgl. §§ 316  ff. HGB; eingehend zu den Funktionen der Abschlußprüfung („Kontroll-, Informations- und Beglaubigungsfunktion“ zugunsten der Gesellschaft, ihrer Organe und Gesellschafter, aber auch externer Interessenten) eingehend MünchKomm/Ebke, HGB, § 316 Rn. 24  ff., 30; siehe auch dens., 79 Nw. U. L. Rev. 663, 673  ff. (1984); Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Wiedmann, HGB, § 316 Rn. 4  ff.; vgl. knapp auch Staub/Zimmer, HGB, § 316 Rn. 3. Aus US-amerikanischer Perspektive etwa Coffee, Gatekeepers, S. 108  ff. 590   Vgl. §§ 318, 319, 319a HGB.

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pflichten,591 die Intensität und Qualität der Prüfungstätigkeit,592 Informa­tions­ rechte gegenüber der Gesellschaft 593 und die entsprechenden Berichtspflichten 594 der Abschlußprüfer im anderen Fall zugleich sicher, daß eine fach- und rechts­ kundige Prüfung verbandsinterner Vorgänge und Entscheidungen durch einen unabhängigen Dritten erfolgt, dessen Auffassung nicht beliebig ignoriert wird und werden kann. Die Bedeutung des Prüfungsvermerks, insbesondere eines mit Einschränkungen versehenen Bestätigungsvermerks (§ 322 HGB) etwa für den Börsenkurs595 macht dies besonders deutlich. Sie illustriert zugleich, daß der Einsatz externer Verifikateure als Normdurchsetzungsmechanismus mit anderen, hier z. B. marktinduzierten Sanktionsmechanismen, zusammenwir­ ken kann. Indirekt – mittelbar – stellen damit auch die Aufgabenzuweisungen an Notare und Abschlußprüfer zugleich ein Instrument zur Durchsetzung ob­ jektiv-rechtlicher Vorgaben dar, soweit diese im Rahmen der ihnen gesetzlich zugewiesenen Funktionen die Einhaltung derartiger Vorgaben zu überwachen und dazu Stellung zu nehmen haben. Eine im Grundsatz ähnliche, nämlich wiederum verbandsexterne Stellung nimmt bei kapitalmarktorientierten Un­ ternehmen die Prüfstelle für Rechnungslegung im sog. Enforcement-Verfahren ein.596 Insbesondere im jüngeren US-amerikanischen Schrifttum zur Funktion von „Gatekeepers“ ist auf die Bedeutung derartiger Verifikateure als Instrument zur Durchsetzung objektiv-rechtlicher Vorgaben zu recht aufmerksam gemacht worden.597 Auch diese ergänzen das Spektrum zumindest konzeptionell funkti­ onsäquivalenter Normdurchsetzungsmechanismen im vorliegend untersuchten Referenzgebiet, wobei darauf hinzuweisen bleibt, daß der Stellenwert der Bera­ tung durch den Notar – insbesondere aufgrund verbreiteter Neigungen zur De­ regulierung des Gründungsaufwands598 – tendenziell eher schwindet, während   Vgl. insbes. § 317 HGB.   Vgl. insbes. § 317 Abs. 1 Satz 3, 323, 332, 333, 334 Abs. 2 HGB. 593   Vgl. § 320 HGB. 594   Vgl. §§ 321, 321a, 322 HGB. 595   Vgl. z. B. MünchKomm/Ebke, HGB, § 322 Rn. 2 (Bestätigungsvermerk als „unterneh­ mensexternes Informationsinstrument“, an das das „Vertrauen des Rechtsverkehrs“ geknüpft ist); Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, § 322 Rn. 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Wiedmann, HGB, § 316 Rn. 7 und § 322 Rn. 5; Kremer, Zivilrechtliche Verantwortlichkeit, S. 124  ff.; Staub/Zimmer, HGB, § 322 Rn. 1; siehe auch Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 300; Hopt, ZGR 2000, 779, 795. 596   Vgl. im einzelnen §§ 342b–342e HGB und dazu z. B. Bräutigam/Heyer, AG 2006, 188  ff.; Gelhausen/Hösch, AG 2005, 511  ff.; Scheffler, Konzern 2007, 589  ff. 597   Siehe nochmals bereits oben sub II. (S. 209  f.) bei und in Fn. 545  ff. 598   Vgl. exemplarisch zuletzt die Kontroverse um die vereinfachten Gründungsmodalitä­ ten mittels eines Muster-Gründungsprotokolls (§ 2 Abs. 1a GmbHG) und dessen notarielle Beurkundung, dazu bereits oben sub B. II. 3. a) aa) bei und in Fn. 148; sowie die vergleichbare Diskussion über den Stellenwert gesetzlicher Mustersatzungen bei der Gründung der SPE, dazu zunächst den Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft vom 25. 6.  2008, KOM(2008) 396 endg., und be­ 591

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die Bedeutung der Abschlußprüfung mit einer erheblichen Ausweitung der ge­ setzlich vorgegebenen Prüfungsgegenstände in neuerer Zeit kontinuierlich aus­ geweitet worden ist.599 Daß dies in Verbindung mit der Verwendung unbe­ stimmter Rechtsbegriffe bei der Definition objektiv-rechtlicher Vorgaben, de­ ren Einhaltung Gegenstand der Abschlußprüfung ist, praktisch zugleich auf die Delegation von Regelsetzungsfunktionen vom Gesetzgeber auf die Prüfer hin­ ausläuft, wird noch zu erörtern sein. 600 bb)  Marktinduzierte Normdurchsetzung und soziale Normen als Sonderfall Die Kategorie der mittelbaren Normdurchsetzungsmechanismen als Determi­ nanten der Regelwirkung hat allerdings noch zusätzliche Facetten: Oben wurde diese Gruppe dadurch gekennzeichnet, daß sich hier das Gesetz darauf be­ schränkt, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß andere Akteure als der Gesetzgeber selbst auf die Verletzung objektiv-rechtlicher Vorgaben reagieren. Faßt man diese Voraussetzung großzügig und läßt dafür jeden beliebigen Wir­ kungsmechanismus genügen, den das Gesetz in irgendeiner Weise präformiert, so lassen sich auch diejenigen „Sanktionsmechanismen“ noch darunter subsu­ mieren, die, soweit es um marktgehandelte Finanzierungstitel geht, bereits mit der Preisbildung am Markt bzw. dem mit ihr verknüpften Anreizsystem ver­ knüpft sind (unten (1)). Geht man noch weiter und läßt es ausreichen, wenn die Befolgung objektiv-rechtlicher Pflichten allein durch außerrechtliche Faktoren durchgesetzt wird, wie dies für die Sanktionswirkung sozialer Normen disku­ tiert wird (unten (2)), ist das Bild an Komplexität kaum mehr zu übertreffen. Gerade diese Beispiele belegen indes anschaulich, daß die damit einschlägig be­ faßten Nachbardisziplinen der Ökonomik und der Verhaltenswissenschaft tragfähige Erkenntnisse, die einer rechtswissenschaftlichen Theorie der Regel­ wirkungen zugrundegelegt werden könnten, bislang allenfalls modellhaft, aber nicht hinreichend empirisch abgesichert vorgelegt haben. (1) Deutlich wird dies zunächst für das Konzept der marktinduzierten Sanktionierung von Regelverstößen durch die Marktpreisentwicklung bzw. daran anknüpfende Anreizsysteme, das für die Kapitalmarktökonomik (zunächst ins­ besondere unter dem Stichwort des Marktes für Unternehmenskontrolle), 601 damit zugleich für das rezipierende Kapitalmarktrecht und schließlich – über reits Helms, in: Hommelhoff/Helms (Hrsg.), Neue Wege in die Europäische Privatgesell­ schaft, 2001, S. 259  ff.; aus der jüngeren Diskussion z. B. Cannivé/Seebach, GmbHR 2009, 519, 521  f.; Hadding/Kießling, WM 2009, 145, 155; Hommelhoff/C. Teichmann, GmbHR 2008, 897, 900; Maul/V. Röhricht, BB 2008, 1574, 1575. 599   Vgl. Mattheus, ZGR 1999, 682, 683  ff.; ausf. auch Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 411  ff. („vom financial audit zu einem umfassenden business audit“); siehe auch bereits Binder, ZGR 2007, 745, 749. 600   Siehe noch näher unten, 2. Kap., sub A. I. 2. (S. 263). 601   Grundlegend Manne, 73 J. Pol. Econ. 110  ff. (1965); vgl. im Anschluß etwa Easterbrook/ Fischel, 94 Harv. L. Rev. 1161, 1169  ff. (1981); dies., Economic Structure, S. 171  ff.; Jensen, 2 J.

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das Leitbild wertorientierter Unternehmensführung (shareholder value) 602 – bis hinein in das verbandsrechtliche Pflichtenprogramm nach wie vor große Präge­ kraft entfaltet. Theoretischer Ausgangspunkt war die Erwägung, daß eine ne­ gative Kursreaktion auf Veränderungen im Unternehmenswert zu Lasten der Finanzierungsgeber Anreize zur Korrektur durch die Geschäftsleiter oder an­ dere verantwortliche Akteure, z. B. Mehrheitsgesellschafter, auslösen kann. Diese Folge wird etwa dann eintreten, wenn und soweit der jeweilige Börsen­ kurs die Einhaltung oder Nichteinhaltung bestimmter Vorgaben, z. B. anleger­ schützender Standards, abbildet und die Verhaltensanreize für Geschäftsleiter, z. B. im Rahmen von Vergütungssystemen oder aufgrund steigender Gefahr ­einer feindlichen Übernahme, zumindest mittelbar an die Kursentwicklung gekop­pelt sind. Vor diesem Hintergrund haben börsenkursbezogene Anreiz­ strukturen in den Vergütungssystemen der Geschäftsleiter besondere Auf­ merksamkeit in der unternehmensrechtlichen Reformdiskussion auf sich ­gezogen. In Rezeption anglo-amerikanischer Gestaltungsmuster gelten sie in­ zwischen auch hierzulande als Kernbestandteil guter Corporate Governance, wobei Inhalt und Ausgestaltung kontrovers diskutiert werden603 und der oft kurzfristig orientierte Charakter der in der Praxis etablierten Anreizstrukturen etablierter Vergütungssysteme bekanntlich soeben gesetzliche Restriktionen ausgelöst hat. 604 Allerdings ist nicht zu verkennen, daß derartige marktinduzierte Anreizsy­ steme, um effektive Steuerungswirkungen zu entfalten, nicht nur Kursbewe­ gungen adäquat und vollständig mit entsprechenden Resultaten für die Höhe Econ. Persp. 21, 23  ff. (1988); dazu Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 235  ff. sowie – mit deutlich skeptischer Bewertung – S. 244  ff. 602   Aus dem deutschsprachigen Schrifttum befürwortend einerseits Mülbert, ZGR 1997, 129, 131  ff.; ders., FS Röhricht, S. 421, 427  ff.; zusf. Großkomm/Kort, § 76 Rn. 54; distanziert andererseits z. B. Hüffer, AktG, § 76 Rn. 13; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 II 3 c), S. 768; differenzierend Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 31  ff.; K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 76 Rn. 12; MünchKomm/Spindler, AktG, § 76 Rn. 76  ff.; siehe auch Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 47  ff.; Kuhner, ZGR 2004, 244  ff.; zu den ökonomischen Ansätzen wertorientierter Unternehmensführung grundlegend Rappaport, Shareholder Value, passim; vgl. aus der deutschsprachigen Literatur stellvertretend Coenenberg/Salfeld, Wert­orientierte Unternehmensführung, 2. Aufl. 2007, passim; F. W. Wagner, BFuP 49 (1997), 473, 475  ff. 603   Vgl. nur DCGK, Ziff. 4.2, insbes. Ziff. 4.2.3 (anreizorientierte Vergütung); zu den jüng­ sten Änderungen insoweit J.-H. Bauer/C. Arnold, BB 2008, 1692  ff.; Mutter, AG 2009, 401  ff. Aus der ökonomischen Literatur im Überblick Core/Guay/Larcker, 9 Econ. Pol’y Rev. 27  ff. (2003) sowie den Review empirischer Studien bei Weiss/White, 75 Cal. L. Rev. 551 (1987); vgl. aus der US-amerikanischen Reformdiskussion auch R. A. Posner, 58 Duke L.J. 1013  ff. (2009) und bereits Bebchuk/Fried, Pay Without Performance, 2004; ferner Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1549, 1562  ff. (1989). Zusf. jüngst – sehr kritisch – Arnold, Steuerung des Vorstandshan­ delns, S. 115  ff., insbes. S. 129  ff., 143. 604   Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31. 7. 2009, BGBl. I, S. 2509; siehe dazu stellvertretend Bosse, BB 2009, 1650  ff.; Fleischer, NZG 2009, 801  ff.; Hanau, NJW 2009, 1652  f.; Wagner/Wittgens, BB 2009, 906  ff.

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

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der Vergütung verknüpfen müssen. Ein funktionierendes System der über den Börsenkurs vermittelten mittelbaren Normdurchsetzung setzt vielmehr schon grundsätzlich regelmäßig effiziente Preisbildung am Kapitalmarkt voraus:605 Nur dann, wenn der Preis die Chancen und Risiken von Finanzierungstiteln abbildet, können negative Veränderungen im Marktpreis, z. B. über dessen Be­ rücksichtigung in der Bemessung der Geschäftsleitervergütung, überhaupt die skizzierten Anreize in der beabsichtigten Weise auslösen. In der ökonomischen Literatur werden diese Fragen unter dem Schlagwort der sog. Effizienzhypo­ these (Efficient Capital Markets Hypothesis) in unterschiedlich ausgeprägten Varianten (schwach, halbstreng und streng) als Eckpfeiler der modernen Kapi­ talmarktökonomik bekanntlich nach wie vor kontrovers diskutiert. 606 Diese Zusammenhänge sind auch im deutschsprachigen Schrifttum längst vielfach aufgearbeitet 607 und müssen schon deshalb nicht nochmals entfaltet werden. Ob und inwieweit Ausmaß und Qualität der Umsetzung rechtlicher Vorgaben durch Unternehmen überhaupt Niederschlag im Börsenkurs von Fi­ nanzierungstiteln finden, ist indes empirisch noch ungeklärt, was nicht zuletzt stark divergierende Studien zur Befolgung der Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex zeigen. 608 Auch die Aussagekraft der (vor allem zum US-amerikanischen Kapitalmarkt, kaum aber zu europäischen Marktent­ wicklungen) vorliegenden empirischen Studien zur Wirksamkeit der Unterneh­ menskontrolle durch marktpreisinduzierte Anreizstrukturen, insbesondere mit Blick auf den Markt für Unternehmensübernahmen, ist Gegenstand kontrover­ ser Bewertungen. 609 Allerdings herrscht inzwischen Einigkeit, daß jedenfalls   Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 134  ff.   Grundlegend Fama, 25 J. Fin. 383  ff. (1970); ders., 31 J. Fin. 143  ff. (1976); ders., 46 J. Fin. 1575  ff. (1991); siehe auch dens., 49 J. Fin. Econ. 283  ff. (1998). Zur Ausstrahlungswirkung der Effizienzhypothese auf die kapitalmarktrechtliche Theorie im anglo-amerikanischen Schrift­ tum stellvertretend etwa Cheffins, Company Law, S. 55  ff.; Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549  ff. (1984); Stout, 3 Berkeley Bus. L.J. 43  ff. (2006). 607   Vgl. eingehend zuletzt etwa Adolff, Unternehmensbewertung, S. 15  ff., 84  ff.; ferner Klöhn, Spekulation, S. 59  ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapital­ markt, S. 129  f.; Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 349  ff. 608   Speziell zu Letzterem etwa einerseits (Kursrelevanz der Befolgung von DCGK-Emp­ fehlungen verneinend) Nowak/Rott/Mahr, ZGR 2005, 252  ff.; andererseits (bejahend) Bassen u. a., DBW 66 (2006), 375  ff.; Bassen/Pupke/Zöllner, Finanzbetrieb 8 (2006), 551  ff.; Zimmermann/Goncharov/Werner, 14 Corp. Gov. Int’l Rev. 432  ff. (2006). Vgl. allgemein zur Korrela­ tion zwischen Corporate-Governance-Standards und Firmenwert – wiederum ohne konsi­ stente Ergebnisse – auch die empirischen Studien von Bebchuk/Cohen/Ferrell, 22 Rev. Fin. Stud. 283  ff. (2009); Bhagat/Bolton, 14 J. Corp. Fin. 257  ff. (2008); Brown/Caylor, 25 J. Acc. & Pub. Pol’y 409  ff. (2006); Gompers/Ishi/Metrick, 118 Q. J. Econ. 107  ff. (2003); für Auswirkun­ gen auf die Kurse für Fremdkapitaltitel Klock/Mansi/Maxwell, 40 J. Fin. & Quant. Anal. 693  ff. (2005); vgl. auch bereits Kahan, 89 Nw. U. L. Rev. 565, 575  ff. (1995) (Anleihebedingun­ gen und Börsenkurse); skeptische Bewertung der empirischen Befunde auch bei Bebchuk, 105 Harv. L. Rev. 1437, 1440  f. (1992); Coffee, 8 Cardozo L. Rev. 759, 760 (1987); optimistischer Ribstein, 61 Geo. Wash. L. Rev. 984, 993  ff. (1993). 609   Vgl. stellvertretend zuletzt einerseits Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, 605

606

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

die längerfristige Wertentwicklung von Unternehmen in den Börsenkursen ih­ rer marktgehandelten Finanzierungstitel nicht präzise abgebildet wird. 610 Im hier gesetzten Rahmen kann es damit sein Bewenden haben: Maßgeblich für den hier angestrebten Versuch eines möglichst umfassenden Verständnisses der Funktionswirkungen gesellschaftsrechtlicher Regulierungsinstrumente ist nicht die hier nicht zu entscheidende Frage der theoretischen Überzeugungs­ kraft der Konzeption marktinduzierter Normdurchsetzung und ihrer ökono­ mischen Grundlagen, sondern der – enttäuschende – Befund, daß die relevanten Wirkungsmechanismen der empirischen Überprüfung bislang nicht standge­ halten haben. Damit werden, was klarzustellen bleibt, weder Legitimation und Tragfähigkeit der Effizienzhypothese noch (erst recht) die hieraus abgeleiteten Folgerungen etwa im Hinblick auf Bedeutung und Ausgestaltung des Über­ nahmerechts abschließend bewertet. Wenn sich ein kausaler Zusammenhang zwischen Normbefolgung und Marktpreisentwicklung nicht mit hinreichender Sicherheit nachweisen läßt, ändert dies insbesondere nichts am kaum ernsthaft bestreitbaren praktischen Bedürfnis nach effektiven, ergebnisoffenen gesetzli­ chen Rahmenbedingungen für Übernahmeangebote. 611 Doch es begründet Zweifel an der Tauglichkeit marktpreisinduzierter Sanktionssysteme als Instru­ ment zur Absicherung objektiv-rechtlicher Vorgaben. Zu unsicher ist der Zu­ sammenhang zwischen dem kurzfristig am Marktpreis ablesbaren Unterneh­ menswert einerseits und dem Umstand der Befolgung oder Nicht­befolgung konkreter Rechtspflichten bzw. Akzeptanz oder Nichtakzeptanz unverbindli­ cher Standards andererseits. Allein darauf kommt es für die hier untersuchte Frage an, inwieweit sich nach dem erreichten Stand der betriebswirtschaftli­ chen Forschung marktinduzierte Sanktionen als Instrumente der Normdurch­ setzung im Unternehmensrecht gezielt aktivieren lassen. Angesichts der wenig tragfähigen empirischen Grundlagen ist dies derzeit nicht der Fall. (2) Aus entsprechenden Gründen ist auch die potentielle Bedeutung sozialer Normen612 als Instrumente zur Durchsetzung objektiv-rechtlicher (gesetzli­ cher) Vorgaben im Verhältnis zu den gesetzlich vorgesehenen unmittelbaren und mittelbaren Normdurchsetzungsmechanismen kaum abstrakt definier-

S. 244  ff. (mit skeptischer Beurteilung), andererseits (optimistischer) Bechtold, Grenzen zwin­ genden Vertragsrechts, S. 180  ff.; vgl. auch Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2006, Rn. 55  ff. 610   Vgl. zum Stand der betriebswirtschaftlichen Forschung insoweit etwa Shleifer, Ineffici­ ent Markets, 2000, passim; siehe auch Langevoort, 97 Nw. U. L. Rev. 135, 139  ff. (2003). 611   Vgl. etwa Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 226  f.; ders./Binder, BB 2006, 1285, 1286; Mülbert/Birke, WM 2001, 705, 709  ff.; insoweit übereinstimmend wohl auch Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 254. 612   Zum Begriff (unabhängig von gesetzlicher Kodifikation und gesetzlich fixierten Sank­ tionen geltende Verhaltensregelmäßigkeiten) oben sub A. (S. 52) bei und in Fn. 8.

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

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bar. 613 Zwar ist eingangs dieses 2. Teils bereits angeklungen, daß soziale – also nicht gesetzlich positivierte – Normen zweifellos menschliches Verhalten ganz allgemein in erheblichem und vielleicht gar in stärkerem Maße beeinflussen als das positive Gesetzesrecht. 614 Insoweit überzeugt auch die Überlegung, daß mit sozialen Normen verknüpfte Sanktionsmechanismen „in vielen Fällen stärker motivierend“ wirkten „als diejenigen des rechtlichen Sanktionsapparats“, schon intuitiv:615 In der Tat erscheint es plausibel, daß die Normbefolgung durch jeden Adressaten objektiv-rechtlicher Verhaltensge- oder -verbote in nicht geringem Maße davon abhängt, ob die gegen die objektiv-rechtliche Pflicht verstoßende Verhaltensalternative im Verkehrskreis des Adressaten als akzeptabel gilt, ein Normverstoß mithin (allenfalls) als „Kavaliersdelikt“ behandelt wird – oder ob neben die rechtliche Sanktion zusätzlich die negativen Folgen eines verschlech­ terten sozialen Status treten. Anschaulich ist etwa die Steuerdelinquenz auf nicht hinreichende soziale Adäquanz der steuerrechtlichen Zahlungspflichten zurückgeführt worden;616 als vergleichbares Beispiel ließe sich an die Beschäfti­ gung von „Schwarzarbeitern“ denken. Gesetzliche Pflichten und soziale Nor­ men stehen damit unbestreitbar in einem Kooperationsverhältnis;617 gegen eta­ blierte soziale Verhaltensmuster lassen sich objektiv-rechtliche Verhaltens­ pflichten allgemein offenbar zumindest nicht ohne weiteres durchsetzen. Ob soziale Normen als gegenüber gesetzlichen Sanktionsmechanismen selbständiger Normdurchsetzungsmechanismus qualifiziert werden können, ist damit indes noch nicht festgestellt. Objektiv-rechtliche Verhaltenspflichten ohne ein gesetzlich vorgesehenes Sanktionssystem, deren Durchsetzung allein oder weit überwiegend sozialen Normen überlassen bleiben, dürften sich allge­ mein kaum finden lassen. Erst recht gilt dies für das untersuchte Referenzgebiet. Inwieweit sozialen Normen hier überhaupt eine nennenswerte Bedeutung zu­ kommt, wird kontrovers diskutiert. 618 Soweit sie etwa als Quelle von Leitbil­ 613   Zur Bedeutung sozialer Normen als Bestandteil privater Regulierung unabhängig von objektiv-rechtlichen Vorgaben noch unten, 2. Kap., sub B. I. 2. (S. 269  ff.). 614   Siehe nochmals oben sub A. (S. 52) bei und in Fn. 8. 615   So schon Schreiber, Die Geltung von Rechtsnormen, S. 32. 616   Vgl. grundlegend E.A. Posner, 86 Va. L. Rev. 1781 (2000); krit. z. B. Hardin, 86 Va. L. Rev. 1821  ff. (2000). 617   Anschaulich Levmore, 86 Va. L. Rev. 1989 (2000): “(…) the coexistence of social prac­ tices and legal obligations raises a set of interesting questions, both about the division of labor between laws and norms and about the ability of these tools, jointly and severally, to promote common ends”. 618   Vgl. repräsentativ einerseits Rock/Wachter, 149 U. Pa. L. Rev. 1619  ff. (2001), nach deren Interpretation das gesetzlich fixierte Gesellschaftsrecht lediglich einen organisationsrechtli­ chen Rahmen bildet, innerhalb dessen Rechte und Pflichten weitgehend sanktionsfrei auf der Grundlage sozialer Normen festgelegt werden; in eine ähnlich Richtung, aber weniger weit­ gehend auch Coffee, 149 U. Pa. L. Rev. 2151, 2154  ff. (2001); Eisenberg, 99 Colum. L. Rev. 1253, 1264  ff. (1999); Engert, in: JbJZivRWiss. 2003, S. 31, 33  ff. Hertig/Kanda, in: Kraakman u. a., Anatomy, S. 101, 118; Skeel, 149 U. Pa. L. Rev. 1811, 1823  ff. (2001) (zur Bedeutung von Repu­ tationsverlusten aufgrund von „shaming” im Recht der Publikumsgesellschaften); anderer­

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

dern guter Praxis, die insbesondere zur Konkretisierung offen gehaltener ge­ setzlicher Pflichten, z. B. allgemein gehaltener Sorgfalts- und Treuepflichten (duty of loyalty, duty of care), herangezogen werden können, 619 handelt es sich jedenfalls nicht um ein Problem, das mit dem Begriff der Sanktionswirkung sozialer Normen als Instrument zur Durchsetzung objektiv-rechtlicher Pflich­ ten zutreffend erfaßt ist. Vielmehr geht es um die Heranziehung verkehrsübli­ cher Gestaltungen oder Verhaltensstandards als Referenzmaßstab in haftungs­ rechtlichem Zusammenhang und dabei zugleich um die Frage, inwieweit für die Konkretisierung formal nur in geringem Maße realisierbarer Verhaltenspflich­ ten (Standards) auf die Gepflogenheiten im jeweiligen Verkehrskreis zurückge­ griffen werden kann. Dies berührt nicht nur die Wirkungen sozialer Normen bei der Ausfüllung des durch das objektiv-rechtliche Pflichtenprogramm er­ richteten Rahmens für die privatautonome Gestaltung, sondern zugleich die Frage der Ausstrahlungswirkung sozialer Normen als Teilaspekt privater Re­ gulierung auf den materialen Gehalt objektiv-rechtlicher Vorgaben, aber nicht die Durchsetzung derselben. Damit muß es auch für das untersuchte Referenzgebiet einstweilen bei der vagen These bleiben, daß Divergenzen zwischen objektiv-rechtlichem Pflich­ tengehalt und sozialen Normen negative Rückwirkungen für die (subjektive) Akzeptanz objektiv-rechtlicher Vorgaben und damit für deren (objektive) Be­ folgung entfalten können, während ein Gleichklang der Regelbefolgung förder­ lich sein wird. Abweichende soziale Normen sind damit als potentieller Stör­ faktor für die Regelwirkung identifiziert. Positive Aussagen über die Eignung als alternativer Normdurchsetzungsmechanismus für objektiv-rechtliche Vor­ gaben lassen sich jedoch nicht formulieren; ein derartiger Zusammenhang ist zumindest nicht empirisch nachgewiesen (und wäre wohl auch schwer nach­ weisbar). Wie marktinduzierte Anreizstrukturen sind auch soziale Normen kein vollwertiges Funktionsäquivalent zu den oben untersuchten Formen un­ mittelbarer und mittelbarer Normdurchsetzungsmechanismen, auch wenn sie mit den Funktionen des objektiven Rechts und den im Zusammenhang damit etablierten Normdurchsetzungsmechanismen in Wechselwirkungen stehen. 620

seits Kahan, 149 U. Pa. L. 1876, 1882  ff. (2001), der sozialen Normen ein nur geringes Gewicht im Vergleich mit sonstigen Anreizen, insbesondere markinduzierten Sanktionsmechanismen, zuschreibt. 619   In diese Richtung Coffee, 149 U. Pa. L. Rev. 2151, 2154  ff. (2001); Eisenberg, 99 Colum. L. Rev. 1253, 1264  ff. (1999); Hertig/Kanda, in: Kraakman u. a., Anatomy, 1. Aufl. 2004, S. 101, 118 (in 2. Aufl. nicht mehr enthalten); Rock/Wachter, 149 U. Pa. L. Rev. 1619  ff. (2001). 620   Insoweit zutr., wenn auch im einzelnen angreifbar Rock/Wachter, 149 U. Pa. L. Rev. 1619, 1641 (2001); siehe dazu bereits oben sub aa) (S. 215) Fn. 571.

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

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c)  Zum Erkenntniswert der Kategorien Die Bedeutung der vorstehend vorgenommenen Grobeinteilung nach unmittel­ bar und mittelbar wirkenden Normdurchsetzungsmechanismen liegt vor allem darin, daß sie in Abweichung von der tradierten Perspektive eine umfassende, intradisziplinäre und also nicht durch die Scheidelinien zwischen privatem, öf­ fentlichem (Verwaltungs-) und Strafrecht beschränkte Systematisierung unter­ schiedlicher Sanktionsmechanismen als Funktionsäquivalente ermöglicht. Da­ bei bezieht sie mit den hier als „mittelbare“ Normdurchsetzungsmechanismen bezeichneten Instituten auch solche Wirkungsmechanismen ein, deren Berück­ sichtigung konventionelleren, am klassischen Bild der „Sanktion“ orientierten Betrachtungsweisen eher fernliegend erscheinen mag. Sie dürfen aber keines­ wegs vernachlässigt werden, wenn ein wirklich präzises Bild der Funktionswir­ kungen unterschiedlicher Regulierungsmodi gewonnen werden soll. Insoweit sind diese Kategorien wertvoll, weil ein derartiges umfassendes Funktionsver­ ständnis, wie gezeigt, 621 erst etabliert werden muß; nur auf seiner Grundlage kann – zumal im Unternehmensrecht mit seinem komplexen Zusammenspiel aus unmittelbaren und mittelbaren Durchsetzungsmechanismen – ein realisti­ sches Bild der Normwirkungen gewonnen werden. Während diese Kategorienbildung somit funktionale Parallelen zwischen den unterschiedlichen Instituten identifizieren hilft, bleibt ihre Aussage indes weit­ gehend deskriptiver Natur. Für die Funktionsanalyse der unter den Schlagwor­ ten der unmittelbaren und der mittelbaren Normdurchsetzungsmechanismen zusammengefaßten Institute gibt sie wenig her: Zu unterschiedlich sind die je­ weils zur Normdurchsetzung ermächtigten oder gar berufenen Akteure, zu unterschiedlich ist daher auch die jeweils verfügbare Informationsbasis, sind die – zum Teil damit, aber auch mit den ökonomischen Chancen und Risiken der Normdurchsetzung für den betreffenden Akteur allgemein verknüpften – Anreize zur Einleitung entsprechender Verfahren und die jeweils eröffneten Handlungsmöglichkeiten. 622 Die den beiden Kategorien zugeordneten Phäno­ mene lassen sich in dieser Hinsicht gerade nicht über einen Leisten schlagen, so daß sich auf der Basis dieser Kategorien allgemeine Lehren zur Funktionsweise unterschiedlicher Typen von Normdurchsetzungsmechanismen nicht werden formulieren lassen. Über eine erste, ordnende Annäherung an das Spektrum der zu untersuchenden Sachprobleme führen sie mithin nicht hinaus.

  Oben sub II. (S. 205  ff.).   Hierzu bereits Armour, Enforcement Strategies in UK Corporate Governance: A Roadmap and Empirical Assessment, ecgi Law Working Paper No. 106/2008, S. 3. 621

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

2.  Durchsetzungsinitiative und Trägerschaft der Normdurchsetzung als Systematisierungskriterien Regulierungsinstrumente mögen die beabsichtigte Wirkung verfehlen, weil die von dem gewählten Normdurchsetzungsmechanismus ausgehenden Anreizwir­ kungen kontraproduktiv wirken. Dies ist allerdings eine Frage des Einzelfalls; allgemeine Lehren hierzu können kaum formuliert werden. Bereits der mit die­ ser Einsicht verknüpfte Hinweis auf die unterschiedlichen Akteure, von denen die Initiative zur Normdurchsetzung ausgeht und die die Last der Durchfüh­ rung entsprechender Maßnahmen tragen, weist indes auf ein für die Funktions­ dogmatik der Normdurchsetzungsmechanismen ungleich fruchtbareres Syste­ matisierungskriterium: die Urheberschaft und Trägerschaft der Normdurchset­ zung. Der erstgenannte Begriff soll im folgenden erfassen, bei welchem Akteur die Initiative der Normdurchsetzung liegt, der zweitgenannte sodann, wer das jeweilige (formelle oder informelle) Verfahren der Normdurchsetzung betrei­ ben muß. Beides wird regelmäßig, aber nicht notwendig623 zusammenfallen. Knüpft man an diese Kategorien an, so rückt die Struktur der Anreize für Maß­ nahmen der Normdurchsetzung als wesentliche – mittelbare – Determinante der Regelbefolgung in den Blick. Insoweit lassen sich in der Tat erhebliche, strukturelle Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen von Initiatoren ausmachen, die in der jüngeren rechtsökonomischen Literatur zu Fragen der Normdurchsetzung zu recht zunehmend im Vordergrund stehen. 624 Zu diffe­ renzieren ist nach den Erscheinungsformen der privaten Normdurchsetzung (unten a)), der hoheitlichen (unten b)) sowie der teilprivatisierten Normdurch­ setzung (unten c)). Sie zeichnen sich nicht nur durch unterschiedliche Ansied­ lung der Durchsetzungsiniative und der Trägerschaft aus, sondern eben zu­ gleich durch unterschiedliche (positive und negative) Anreize zur (oder gegen die) Einleitung von Maßnahmen der Normdurchsetzung – mit entsprechenden Konsequenzen für die Regelwirkungen. In allen drei Kategorien, deren Funkti­ onsmerkmale im Anschluß an diesen Überblick im einzelnen zu untersuchen sein werden, sind Initiative und Trägerschaft der Normdurchsetzung nicht gleichzusetzen mit finanzieller Kostenlast hinsichtlich des im Rahmen der Normdurchsetzung anfallenden Aufwands. Diese kann vielmehr unabhängig von der Urheberschaft angesiedelt sein, z. B. durch zivilprozessuale Kostentra­

  Ausnahmen bilden etwa Antragsdelikte im Strafrecht (vgl. § 77 StGB).   Dies belegt insbesondere die kaum mehr überschaubare Literatur, die seit einer bahn­ brechenden Abhandlung von Gary Becker aus dem Jahre 1968 („Crime and Punishment: An Economic Approach“, in: 76 J. Pol. Econ. 169 (1968)) zu den Strukturmerkmalen privater und hoheitlicher Normdurchsetzung erschienen ist; vgl. im Überblick vorerst nur Polinsky/Shavell, in: dies. (Hrsg.), Handbook of Law and Economics, Bd. 1, S. 402  ff.; dies., 38 J. Econ. Lit. 45  ff. (2000), jeweils m. w. N. 623 624

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

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gungsregeln bei der privaten oder Verwaltungsgebühren bei der hoheitlichen Normdurchsetzung. a)  Private Normdurchsetzung Zu den Maßnahmen der privaten Normdurchsetzung im hier verwendeten Be­ griffsverständnis zählen alle Instrumente, bei denen die Entscheidung für die Einleitung von Maßnahmen der Normdurchsetzung – im weitesten, unmittel­ bar und mittelbar wirkende Normdurchsetzungsmechanismen einschließenden Sinn – und ggf. die Wahl zwischen mehreren sich bietenden Alternativen aus­ schließlich privaten Akteuren zugewiesen ist. Da es allein auf Durchsetzungs­ initiative und Trägerschaft als Kriterien ankommt, ist gleichgültig, ob bei der Realisierung der jeweiligen Maßnahme ein Hoheitsträger, z. B. ein Gericht, oder ein zumindest auch öffentlichen Aufgaben dienender Akteur beteiligt ist. 625 Zu den privaten Normdurchsetzungsmechanismen zählen damit alle pri­ vaten Rechtsverfolgungsmaßnahmen durch Gesellschafter, Organe oder Drit­ te, daneben die oben als verbandsinterne, mittelbar wirkende Normdurchset­ zungsmechanismen bezeichneten Informations-, Mitwirkungs- und Kontroll­ rechte sowie begrenzte Mitwirkungsrechte der Gläubiger. 626 In allen diesen Fällen liegt nicht nur die Initiative zur Normdurchsetzung, sondern zugleich auch die Trägerschaft im oben definierten Sinne bei den jeweiligen Akteuren, die die Verfahren der Rechtsverfolgung, aber auch im Fall der mittelbar wirken­ den Normdurchsetzungsmechanismen entsprechende Maßnahmen – z. B. die Ausübung von Kontrollrechten – aktiv betreiben müssen. b)  Hoheitliche Normdurchsetzung Das Gegenstück der privaten Normdurchsetzung bilden die Mechanismen der hoheitlichen Normdurchsetzung, die dadurch gekennzeichnet sind, daß hier die Initiative (und wiederum regelmäßig auch die Trägerschaft im oben defi­ nierten Sinn) bei einer öffentlichen Stelle – Gericht oder Behörde – liegt. Die registerrechtliche Kontrolle in den gesetzlich vorgesehenen Fällen627 bildet im Verbandsrecht die wichtigste Fallgruppe; daneben tritt bei kapitalmarktorien­ tierten Unternehmen die Aufsicht durch die BaFin mit den sich aus den ein­ schlägigen Regelwerken, insbes. WpHG und WpÜG, ergebenden verwaltungs­ rechtlichen Eingriffsbefugnissen. In Verbindung mit straf- oder ordnungsrecht­ lichen Sanktionen ist schließlich die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden zu dieser Gruppe zu rechnen.   Vgl. in diese Richtung auch schon Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 504.   Siehe nochmals oben sub 1. b) aa) (S. 213  ff.). 627   Siehe nochmals oben sub 1. a) (S. 211  f.) bei und in Fn. 551. 625 626

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

c)  Teilprivatisierte Normdurchsetzung Die hier sogenannten Mechanismen der teilprivatisierten Normdurchsetzung schließlich bilden einen für das untersuchte Referenzgebiet durchaus charakte­ ristischen Fall der Normdurchsetzung in Gestalt der Verbindung hoheitlicher mit privaten Elementen; in diesem Zusammenhang ließe sich auch von einem hybriden Konzept sprechen. 628 Die zu dieser Gruppe zählenden Instrumente – durchweg mit mittelbarer Wirkung im oben diskutierten Sinn ausgestattet – zeichnen sich zunächst dadurch aus, daß bei ihnen die Initiative zur Norm­ durchsetzung (in unterschiedlichem Maße) gesetzlich vorgeprägt ist: Abschluß­ prüfer, Notare und Prüfstelle für Rechnungslegung erfüllen gesetzlich festge­ legte Aufgaben, selbst wenn ihr Tätigwerden – wie beim erstgenannten Ak­ teur629 – im Einzelfall auf schuldrechtlichen Beziehungen zur Gesellschaft beruht. Auch ihre Aufgabenwahrnehmung ist typischerweise stärker gesetzlich gebunden als die Formen privater Normdurchsetzung. Wie bei dieser, liegen die Trägerschaft und damit die Verantwortung für die Durchführung des Verfah­ rens der Normdurchsetzung in dieser Gruppe jedoch bei nichtstaatlichen Ak­ teuren. Einen Sonderfall innerhalb der ihr zuzuschlagenden Institute bildet der Auf­ gabenkreis der Insolvenzverwalter, wie er im deutschen Recht durch die §§ 56, 58 InsO (Bestellung, Aufsicht durch das Gericht) festgelegt und sodann durch die weiteren Verfahrensbestimmungen, insbesondere § 80 InsO (Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts), konkretisiert wird. Die rechtliche Stel­ lung des Insolvenz- bzw. zuvor des Konkursverwalters im Interessendreieck zwischen Gemeinschuldner, Gläubigern und ggf. öffentlichen Schutzgütern ist bekanntlich seit langem Gegenstand eines nach wie vor ausgetragenen Streits zwischen den Positionen der sog. „Amtstheorie“ (Insolvenzverwaltung als pri­ vates Amt), der „Organtheorie“ (Insolvenzverwalter als Organ der rechtlich verselbständigten Masse) und den neueren „Vertretertheorien“ (Insolvenzver­ walter als Vertreter der Masse), die vor allem um die richtige dogmatische Erfas­ sung der rechtlichen Beziehungen zwischen Verwalter und Insolvenzmasse rin­ gen. 630 Dabei wird die Qualifikation des Insolvenzverwalters als Träger öffentlicher Aufgaben zwar – mit Blick auf die gesetzlich präformierte Einbettung als 628   Vgl. auch Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 504  ff.: „Privatisierung der Administration von Recht“. 629   Zur – umstrittenen – Rechtsnatur des Prüfungsvertrags (Werk-, Dienst- oder Ge­ schäftsbesorgungsvertrag) stellvertretend MünchKomm/Ebke, HGB, § 318 Rn. 23; Baum­ bach/Hopt/Merkt, HGB, § 318 Rn. 3; aus der höchstrichterlichen Judikatur zuletzt BGH, Urt. v. 1. 2. 2000 – X ZR 198/97, NJW 2000, 1107 (Werkvertrag); inhaltlich besteht Einigkeit, daß der schuldrechtlichen Qualifikation wegen der detaillierten gesetzlichen Ausgestaltung des Pflichtenprogramms kaum Bedeutung zukommt. 630   Vgl. dazu etwa Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 15.02  ff.; MünchKomm/Ott/Vuia, InsO, § 80 Rn. 26  ff.; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56 Rn. 66  ff.; Jaeger/Windel, InsO, § 80 Rn. 19, und schon K. Schmidt, KTS 1984, 345  ff., 360  ff.; Stürner, ZZP 94 (1981), 263, 286  ff.

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

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Funktionsträger im Interesse der kollektiven Haftungsverwirklichung zugun­ sten der Befriedigung der Insolvenzgläubiger überzeugend – überwiegend ab­ gelehnt. 631 Legt man die Vorstellung von der Organstellung des Insolvenzver­ walters zugrunde, spricht auch sie eher gegen seine Qualifikation als Instrument der teilprivatisierten, also hoheitliche mit privaten Aspekten verbindenden Normdurchsetzung und legt vielmehr zumindest prima facie die Zuordnung zu den Instrumenten der privaten Normdurchsetzung nahe. Entscheidend für die hier vorgenommene Zuordnung zu den Instrumenten der teilprivatisierten Normdurchsetzung ist aber, daß der Insolvenzverwalter als unabhängiger (§ 56 Abs. 1 Satz 1 InsO) und also – anders als die Akteure privater Normdurch­ setzung – auf die Wahrnehmung objektiv festgelegter Funktionen festgelegter Amtsträger nur im Hinblick auf Vergütungsbelange, aber nicht im Hinblick auf den Erfolg seiner Entscheidungen und Rechtshandlungen eigene finanzielle In­ teressen verfolgt. In diesem Rahmen tritt er in der Unternehmensinsolvenz ge­ rade im Verhältnis zu Gesellschaftern und Gesellschaftsorganen als eigenstän­ diger Akteur auf, wenn er diesen gegenüber – als Partei kraft Amtes im Zivil­ prozeß632 – Haftungsansprüche geltend macht oder Rechtshandlungen zu ihren Gunsten anficht. Allein auf diese Zusammenhänge kommt es im vorliegenden Zusammenhang an, in dem die umfassende dogmatische Aufarbeitung und Er­ klärung der Rechtsstellung des Verwalters, sofern überhaupt möglich, 633 dahin­ stehen mag.

3.  Zeitliche Wirkrichtung als alternatives Systematisierungskriterium? Mit beiden vorstehend skizzierten Kategorien verknüpft ist schließlich die zeit­ liche Wirkrichtung als möglicherweise in Betracht kommendes alternatives Sy­ stematisierungskriterium: Die im vorliegenden Referenzgebiet relevanten Normdurchsetzungsmechanismen lassen sich auch danach unterscheiden, ob sie präventiv oder repressiv wirken. Die damit zu gewinnende Einteilung ist nicht deckungsgleich mit der oben vorgeschlagenen Grobunterscheidung von unmittelbar und mittelbar wirkenden Mechanismen:634 Unmittelbar wirkende   Vgl. Jaeger/Windel, InsO, § 80 Rn. 19; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56 Rn. 66.   Zum Konkursverwalter BGH, Urt. v. 30.10.1067 – VIII ZR 176/65, BGHZ 49, 11, 16; Beschl. v. 27. 10. 1983 – I ARZ 334/83, BGHZ 88, 331, 334; vgl. zum Insolvenzverwalter ent­ sprechend BGH, Urt. v. 7. 1. 2008 – II ZR 283/06, BGHZ 175, 86, 90; aus der insoweit einhel­ ligen Literatur stellvertretend MünchKomm/Ott/Vuia, InsO, § 80 Rn. 73; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 68. 633   Ob sich überhaupt in Weiterentwicklung der zitierten Verwaltertheorien einheitliche Systematisierungsansätze definieren lassen, wird – wie der Streit um die zutreffende Kon­ struktion insgesamt – zwischenzeitlich zunehmend skeptisch beurteilt; vgl. erneut die Nachw. soeben Fn. 630. 634   Vgl. dazu bereits oben sub III. 1. c) (S. 211  ff.). 631

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

Mechanismen, also solche, bei denen das Gesetz unmittelbar bestimmte Konse­ quenzen für Regelverstöße inhaltlich festlegt, können sowohl in erster Linie präventiv (Beispiel: Registerkontrolle) als auch repressiv (Beispiel: Haftungs­ sanktionen) orientiert sein; ebenso können mittelbare Durchsetzungsmecha­ nismen entweder ex ante auf Regelbefolgung hinwirken (Beispiel: Mitwir­ kungsrechte) oder aber Regelverstöße ex post identifizieren und sanktionieren (Beispiel: Kontrollrechte). Schon das Beispiel der Pflicht-Abschlußprüfung, die am Ende der unternehmensinternen Rechnungslegungsprozesse eingreift, aber gleichwohl schon ex ante fehlerhafte Publizitätsakte verhindern soll, zeigt frei­ lich, daß eindeutige Zuordnungen schwer fallen. Bereits im Zusammenhang mit der Diskussion der Auswirkungen unterschiedlicher formaler Realisierbarkeit von Normen auf die zeitliche Wirkungsrichtung ist zudem deutlich geworden, daß die zeitliche Wirkrichtung als Unterscheidungsmerkmal auch deshalb von geringem Erkenntniswert ist, weil die Existenz repressiver (ex-post-) Wirkun­ gen regelmäßig schon aus der Perspektive ex ante verhaltenssteuernde Impulse ausstrahlt. 635 Ist deshalb schon die Einteilung unterschiedlicher Normtypen nach diesem Schema wenig hilfreich, so gilt dies erst recht für die Ebene der Normdurchsetzungsmechanismen, weil die von Maßnahmen der Normdurch­ setzung ausgehenden Anreizstrukturen sich naturgemäß auch und gerade an der damit jeweils verbundenen verhaltenssteuernden Wirkung aus der ex-antePerspektive messen lassen müssen.

IV.  Funktionsvoraussetzungen privater, hoheitlicher und teilprivatisierter Normdurchsetzung Nachdem sich die Anknüpfung an die Initiative und Trägerschaft der Norm­ durchsetzung als fruchtbarstes Systematisierungskriterium abzeichnet, können im folgenden die Funktionsvoraussetzungen der damit umrissenen Gruppen von Normdurchsetzungsmechanismen im einzelnen untersucht werden. Als erster Untersuchungsgegenstand drängt sich dabei schon mit Blick auf ihre nach wie vor dominierende Rolle für die Durchsetzung objektiv-rechtlicher Gebote im vorliegend untersuchten Referenzgebiet die private Normdurchsetzung auf (unten 1.). Das Gegenstück dazu bilden die verschiedenen Beispiele hoheitlicher Normdurchsetzung (unten 2.); eine Zwischenstellung mit teils verwandten, teils eigenständigen Funktionsmerkmalen nimmt die teilprivatisierte Norm­ durchsetzung ein (unten 3.).

  Siehe nochmals oben sub C. I. 2. (S. 172  ff.).

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D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

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1.  Private Normdurchsetzung Daß private Normdurchsetzung, zumal in ihren Erscheinungsformen mit mit­ telbaren Wirkungen und hier insbesondere in Gestalt der Ausübung von Mit­ wirkungsrechten der Gesellschafter, im Kapitalgesellschaftsrecht einen höheren Stellenwert einnimmt als die hoheitliche Überwachung, entspricht nach Aufga­ be des Konzessionsprinzips und dem Übergang zum System der Normativbe­ stimmungen der Realität. Dies gilt ungeachtet der in jüngerer Zeit erweiterten Bedeutung der Kapitalmarktaufsicht, die von vornherein auf punktuelle, näm­ lich gegenstandsbezogene, Einflußnahme in besonderen Konstellationen kon­ zentriert ist. Gleichwohl sind die Funktionsvoraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit private Normdurchsetzungsmechanismen ihre Rolle als Instru­ mente zur Durchsetzung objektiv-rechtlicher Vorgaben erfüllen können, in der gesellschaftsrechtsdogmatischen Literatur bislang allenfalls kursorisch erörtert worden. 636 Die Rechtsökonomik hat demgegenüber seit längerem allgemeine Lehren für effiziente Sanktionen formuliert, die – mit den gebotenen Anpas­ sungen insbesondere im Hinblick auf die Kategorie der mittelbaren Norm­ durchsetzungsmechanismen – auch im hiesigen Kontext fruchtbar gemacht werden können. Relevante Determinanten sind danach zum einen die bei dem betreffenden Akteur verfügbare Informationsbasis (unten a)), zum anderen die durch die Last und die Chancen der Rechtsverfolgung bestimmten Anreize (unten b)), wobei beide Aspekte eng miteinander verwoben sind. a)  Informationen als Grundlage privater Normdurchsetzung Nicht anders als andere Fälle der Normdurchsetzung auch setzen Initiativen zur privaten Normdurchsetzung praktisch voraus, daß der betreffende Akteur über eine hinreichende Informationsbasis verfügt. Damit gemeint ist nicht die positive Kenntnis von einem Normverstoß, der im Wege der privaten Norm­ durchsetzung zu ahnden wäre. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr die Möglichkeit des Zugangs zu den benötigten Informationen: Der jeweilige Akteur muß in der Lage sein, sich (je nach Konstellation unterschiedlich weit­ gehende) 637 Kenntnisse über das jeweilige Sachproblem zu verschaffen, um ent­ scheiden zu können, ob er die Initiative zur Normdurchsetzung im oben defi­ nierten Sinne ergreift. Und er muß in der Lage sein, diese Informationen – ggf.   Vgl. exemplarisch nochmals die oben sub III. 1. b) aa) (S. 216) bei und in Fn. 573 berich­ tete Kontroverse zur Bedeutung der Anfechtungsklage als Absicherung objektiv-rechtlicher Vorgaben in der Publikums-AG im deutschen Recht. 637   Dies gilt beispielsweise auch für denjenigen, der Strafantrag stellt – zwar liegt dann die eigentliche Aufklärungslast bei der Staatsanwaltschaft, doch wird praktisch auch hier jeden­ falls eine auf Informationen gestützte Vermutung vorliegen, die den Verdacht einer Straftat rechtfertigt, damit es überhaupt zur Stellung des Strafantrags kommt. 636

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

mit fachkundiger Unterstützung – sachgerecht zu verarbeiten. Nur solche Normdurchsetzungsmechanismen sind als effektiv zu bewerten und damit ob­ jektiv zur Verhaltenssteuerung geeignet, bei denen überhaupt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, daß der Initiator der Normdurchsetzung sich die für ein Tätigwerden erforderlichen Informationen beschaffen kann. 638 Besteht ein derartiger Zugang nicht, kann und wird dies die Effektivität privater Norm­ durchsetzung als Instrument zur Durchsetzung objektiv-rechtlicher Vorgaben erheblich beeinträchtigen. Dieses Erfordernis scheint auf den ersten Blick kaum Probleme aufzuwerfen. Vielfach wird es erfüllt sein, weil und soweit private Akteure, die unmittelbare Begünstigte objektiv-rechtlicher Vorgaben sind, die Folgen von Regelverstößen als Betroffene – wiederum unmittelbar – wahrnehmen. Tatsächlich wird in dem Umstand, daß Maßnahmen privater Normdurchsetzung ohne die Überwa­ chung durch externe Akteure auskommen und statt dessen die Informationsba­ sis sachnäherer Parteien aktivieren, allgemein gerade deshalb ein Vorteil der privaten Normdurchsetzung im Verhältnis zu funktionsäquivalenten Alterna­ tiven unter Einbindung hoheitlicher Akteure gesehen. 639 Wenn gelegentlich au­ ßerdem postuliert wird, private Normdurchsetzung sei per se kostengünstiger als hoheitliche Alternativen hierzu, 640 so steht dies erkennbar in engem Zusam­ menhang gerade mit diesem Gesichtspunkt.

638   Vgl. allgemein – zur Theorie der hoheitlichen Normdurchsetzung (public enforcement), aber verallgemeinerungsfähig – Polinsky/Shavell, 38 J. Econ. Lit. 45, 47  ff., 50  ff. (2000); dies., in: dies. (Hrsg.), Handbook of Law and Economics, Bd. 1, S. 403, 406; vgl. auch Rock/Wachter, 149 U. Pa. L. Rev. 1619, 1632 (2001). Zu Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise privater Rechtsverfolgung aus ökonomischer Perspektive etwa R. A. Posner, Economic Ana­ lysis of Law, § 21.4, S. 597  ff. (speziell zur Entscheidung zwischen Vergleich und streitiger Ver­ handlung, aber wiederum verallgemeinerungsfähig hinsichtlich der Anreizstruktur). 639   Vgl. speziell im unternehmensrechtlichen Zusammenhang Coffee, 89 Colum. L. Rev. 1618, 1621  ff. (1989); allgemein etwa Duggan, (2006) 26 OJLS 303, 322  ff.; Roach/Trebilcock, 34 Osgoode Hall L.J. 461, 472 (1996); Stephenson, 91 Va. L. Rev. 93, 107  ff. (2005); Wagner, AcP 206 (2006), 352, 446  f. („Nutzung privater Informationen und Initiative für die Rechtsdurch­ setzung“, eig. Hervorhebung); zusf. Kern, ZZPInt 12 (2007), 351, 360  f. Vgl. aus dem rechts­ ökonomischen Schrifttum gleichsinnig auch Polinsky/Shavell, in: dies. (Hrsg.), Handbook of Law and Economics, S. 403, 406; Klöhn, Private versus public enforcement, S. 7  f. 640   In diese Richtung etwa Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 35; Romano, Geni­ us, S. 27; zusf. Kern, ZZPInt 12 (2007), 362  f.; differenzierend demgegenüber z. B. Cohen/Rubin, 3 Yale J. on Reg. 167, 169  ff. (1985) sowie die Nachw. soeben Fn. 639. Wenn Romano, a. a.O., darin einen generellen Effizienzvorteil des Common Law-Systems im Vergleich mit konkurrierenden Rechtsordnungen sieht, überzeugt dies für das Recht der Publikumskapi­ talgesellschaften schon deshalb nicht, weil Intensität und Kosten hoheitlicher Normdurchset­ zung gerade in den USA mit Blick auf Bedeutung und Kompetenzen der Securities Exchance Commission für die Durchsetzung von Verhaltensstandards nicht nur im Kapitalmarktrecht i. e. S. ungleich größer ausfallen als in prinzipiell vergleichbaren europäischen Rechtsordnun­ gen (einschließlich des Vereinigten Königreichs); vgl. dazu wiederum Jackson, 24 Yale J. on Reg. 253, 278  ff. (2007); Jackson/Roe, 93 J. Fin. Econ. 207  ff. (2009).

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Angewendet auf das facettenreiche System der privaten Normdurchsetzung und die damit verknüpften Probleme, sind diese Überlegungen allerdings noch zu differenzieren. Unproblematisch anwendbar sind sie zumindest prima facie nur auf eine Teilmenge der in Betracht kommenden Mechanismen, nämlich ei­ nerseits Maßnahmen der privaten Rechtsverfolgung, insbesondere im Wege ge­ richtlichen Rechtsschutzes, und andererseits Mitwirkungsrechte, soweit damit (auch) auf die Einhaltung objektiv-rechtlicher Vorgaben hingewirkt wird bzw. werden soll. 641 Nicht recht in Einklang zu bringen sind damit hingegen bloße Informationsrechte und die Möglichkeiten ihrer prozessualen Durchsetzung, die oben deshalb den Normdurchsetzungsinstrumenten zugeordnet wurden, weil schon die Existenz, erst recht aber die Ausübung und Geltendmachung von Informationsrechten und -ansprüchen mit Anreizen zur Normbefolgung ver­ knüpft sind. 642 Läßt man diese Zuordnung gelten, scheint es wenig sinnvoll, eine hinreichende Informationsbasis als Funktionsvoraussetzung auch dieser Me­ chanismen (Informationsrechte!) zu postulieren. Denn deren Funktion liegt ja gerade darin, Informationen zu beschaffen, die dann – praktisch in einem zwei­ ten Schritt – als Grundlage anderweitiger Normdurchsetzungsinitiativen die­ nen können. Man muß sich allerdings nur vor Augen führen, daß die prozessu­ ale Durchsetzung von Informationsansprüchen durchweg substantiierten Sach­ vortrag erfordert, den nur ein zumindest minimal informierter Kläger leisten kann, 643 um zu erkennen, daß dieser Einwand letztlich nicht verfängt. Erst recht belegen dies die Beispiele der Bestellung eines Sonderprüfers auf Initiative einer Aktionärsminderheit im Falle des § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG (Prüfung von Vor­ gängen der Gründung oder der Geschäftsführung) 644 sowie des Antrags auf Be­ stellung eines Sonderprüfers nach § 258 Abs. 1 Satz 1 AktG 645 sowie nach § 315 Satz 2 AktG. 646 Auch wer den Zugang zu (weiteren) Informationen gerichtlich erstreiten will, benötigt mithin grundlegende Informationen, um Erfolg zu ha­ ben: Das Erfordernis einer hinreichenden Informationsbasis als Voraussetzung für die Geltendmachung von Informationsrechten, die ihrerseits Anreize zu­ gunsten der Normbefolgung durch die so kontrollierten Akteure (Geschäftslei­   Dazu bereits oben sub III. 1. b) aa) (S. 215  ff.).   Siehe nochmals oben sub III. 1. b) aa) (S. 213  f.) bei und in Fn. 560  f. 643   Vgl. allgemein zu den zivilprozessualen Darlegungspflichten im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Informationsrechten nur Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 142 Rn. 9 und § 144 Rn. 7; Musielak/Stadler, ZPO, § 142 Rn. 1 und § 144 Rn. 1; zusf. Binder, ZZP 122 (2009), 187, 220  f. m. w. N. 644   Zur Darlegungslast insoweit (substantiierte Behauptung, aber weder Beweis noch Glaubhaftmachung erforderlich) etwa Großkomm/Bezzenberger, AktG, § 142 Rn. 62; Hüffer, AktG, § 142 Rn. 20; MünchKomm/Schröer, AktG, § 142 Rn. 66; Hirte, ZIP 1988, 953, 957. 645   Zur – inhaltlich wie bei § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG (vorige Fn.) definierten – Darlegungs­ last stellvertretend Hüffer, AktG, § 258 Rn. 3; Lutter/K. Schmidt/Kleindiek, AktG, § 258 Rn. 6; OLG München, Beschl. v. 20. 6. 2006 – 31 Wx 036/06, AG 2006, 801, 802  f. 646   Auch insoweit besteht unstr. Gleichlauf mit den soeben genannten Fällen; vgl. nur Hüffer, AktG, § 315 Rn. 3a m. w. N. 641

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ter u. a.) setzen, ist mithin nur scheinbar ein Paradox. Letztlich läßt sich dieses Prinzip ebenso aber auch auf die Ausübung verbandsrechtlicher Informations­ rechte (z. B. § 51a GmbHG, § 131 AktG) übertragen: Auch wer sich in Ausübung dieser Mitgliedschaftsrechte zu informieren sucht, wird dazu durch Erwägun­ gen motiviert sein, die ihrerseits auch auf einer bestimmten Informationsbasis beruhen; wer keinerlei zuvor erworbene Informationen zur allgemeinen Ge­ schäftsentwicklung hat, wird meist gar nicht erkennen, daß in einer bestimmten Situation die Inanspruchnahme von Informationsrechten sinnvoll ist. Daß jede Normdurchsetzungsinitiative eine hinreichende Informationsbasis erfordert, gilt nach alledem tatsächlich unbeschränkt. Umfang und Intensität der erforderlichen Informiertheit sind jedoch abhängig von der Ausgestaltung des jeweiligen Normdurchsetzungsmechanismus. Dies zeigt sich gerade an In­ formationsrechten und -ansprüchen, die, wie gezeigt, eine Doppelfunktion er­ füllen und nicht nur selbst als Normdurchsetzungsmechanismus gelten können, sondern zugleich die informationelle Grundlage für anderweitige Initiativen der privaten Normdurchsetzung verschaffen helfen. 647 Derartige anderweitige Initiativen der Normdurchsetzung, etwa die Geltendmachung von Haftungs­ ansprüchen, aber zumindest faktisch auch die interessen- und sachgerechte Ausübung von Mitwirkungsrechten, werden regelmäßig einen höheren Grad an Informiertheit voraussetzen als die bloße Geltendmachung von Informations­ rechten, die vielfach erst die spätere Ausübung materiell-rechtlicher Rechte er­ möglichen soll. Insgesamt läßt sich jedoch festhalten, daß schon Defizite in der Informationsbasis der zu Trägern der Normdurchsetzungsinitiative berufenen Akteure Effektivitätsverluste im Hinblick auf die Bedeutung der privaten In­ itiative als Instrument zur Durchsetzung objektiv-rechtlicher Vorgaben nach sich ziehen ­können. Bestehen strukturelle Informationsdefizite, etwa, weil die für Finanzierungsbeziehungen typischen Informationsasymmetrien648 in con­ creto durch Informationsrechte nur unzureichend kompensiert werden, sind Funktionsdefizite der privaten Normdurchsetzung die fast unvermeidliche Konsequenz. b)  Anreize zur Normdurchsetzung Eine ausreichende Informationsbasis ist allerdings nur die Grundvoraussetzung für die Effektivität (auch) privater Normdurchsetzungsmechanismen. Auch wenn die im jeweiligen Sachzusammenhang erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen oder auch nur – wiederum etwa durch Ausübung von Infor­ mationsrechten oder Geltendmachung von Informations- und Offenlegungs­ ansprüchen – beschafft werden könnten, bietet dies allein noch keine Gewähr   Oben sub III. 1. b) aa) (S. 213  f.) bei und in Fn. 560  f.   Siehe dazu noch näher unten, 3. Kap., sub A. I. (S. 285  ff.).

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dafür, daß der jeweilige Akteur tatsächlich die Initiative zur Normdurchset­ zung ergreifen wird. Damit richtet sich der Blick auf die Anreizstruktur als Problemfeld, das gerade auf der Ebene der privaten Normdurchsetzung eine wichtige Rolle spielt. Gerade hierzu hat die ökonomische Analyse unterschied­ licher Sanktionsmechanismen in jüngerer Zeit Erkenntnisse formuliert, die auch im Rahmen einer Funktionsdogmatik dieser Instrumente fruchtbar ge­ macht werden können. 649 Als positive Anreize kommen die mit der Ausübung der jeweiligen Rechte verbundenen Chancen in Betracht: Allgemein hängt etwa die Inanspruchnah­ me gerichtlichen Rechtsschutzes nicht zuletzt vom erwarteten Nutzen in Ge­ stalt und aufgrund eines dem (potentiellen) Kläger förderlichen Urteils – und mithin auch von der Wahrscheinlichkeit eines solchen Urteils – ab. 650 Entspre­ chend werden beispielsweise auch die Anreize eines Gesellschafters, sich aktiv an der Entscheidungsfindung zu beteiligen oder im Klagewege die Aufhebung mehrheitlich gefaßter Beschlüsse anzustreben, einerseits von der Wahrschein­ lichkeit des Erfolgs seiner Initiative und andererseits von den daraus für den jeweiligen Akteur resultierenden finanziellen Vorteilen abhängen. 651 Wenn und soweit etwa ein Gesellschafter in der Lage ist, beispielsweise durch Ausübung von Mitverwaltungsrechten auf die Wahrnehmung bestimmter Geschäftschan­ cen hinzuwirken oder riskante Investitionsprojekte durch eine erfolgreiche An­ fechtung der darauf gerichteten Beschlüsse oder Geschäftsführungsmaßnahme zu verhindern, kann dies unmittelbar oder mittelbar den Wert des Unterneh­ mens erhöhen; damit steigt zugleich der individuelle Wert seiner Finanzie­ rungsposition. Potentielle negative Anreize sind demgegenüber insbesondere die Kosten der Vorbereitung der Normdurchsetzungsinitiative, einschließlich der hierfür erforderlichen Sachverhaltsaufklärung, und zum anderen die infolge der Ausübung von Mitwirkungsrechten oder der Inanspruchnahme gerichtli­ chen Rechtsschutzes entstehenden (Verfahrens-) Kosten. 652 Rechtsunsicherheit, die sich – wie gesehen653 – etwa daraus ergeben kann, daß die Reichweite von 649   Vgl. zu den Anreizen und Motiven für die private Rechtsverfolgung stellvertretend nochmals Cooter/Rubinfeld, 27 J. Econ. Lit. 1067, 1082  f. (1989); R. A. Posner, Economic Ana­ lysis, § 21.4, S. 597  ff.; ferner die Nachw. oben sub a) (S. 234) Fn. 639; siehe auch Armour, Enforcement Strategies, S. 8. Die darin speziell für die Frage, ob eine Vergleichslösung oder gerichtlicher Rechtsschutz in streitiger Verhandlung angestrebt wird, formulierten Erwägun­ gen lassen sich, mutatis mutandis, auf Maßnahmen der privaten Normdurchsetzungen allge­ mein übertragen. 650   Cooter/Rubinfeld, 27 J. Econ. Lit. 1067, 1082  f. (1989); R. A. Posner, Economic Analysis of Law, § 21.4, S. 598  f. 651   Vgl. allgemein auch Klöhn, Private versus public enforcement, S. 9  f. 652   Vgl. allgemein für die private Rechtsverfolgung wiederum Cooter/Rubinfeld, 27 J. Econ. Lit. 1067, 1087  ff. (1989); R. A. Posner, Economic Analysis of Law, § 21.4, S. 599  f. Spezi­ ell für die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten, aber ebenfalls verallgemeinerungsfähig z. B. Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 175. 653   Oben sub C. III. 2. a) (S. 195  ff.).

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Rechten und Pflichten infolge der Verwendung offener Standards ex ante un­ klar bestimmt ist, kann diese Probleme verschärfen. 654 Über diese Erkenntnisse hinaus lassen sich die Anreizstrukturen für die pri­ vate Rechtsausübung und Rechtsdurchsetzung in den verschiedenen Sachzu­ sammenhängen aufgrund höchst unterschiedlicher Interessenlagen kaum auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Soweit es um die Anreize von Gesellschaftern geht, ihre Rechte wahrzunehmen, zeichnet sich immerhin schon prima fa­ cie ab, daß strukturelle Unterschiede zwischen unternehmerisch und nicht un­ ternehmerisch engagierten Gesellschaftern bestehen. Dies ist in der rechtsöko­ nomischen Analyse des Unternehmensrechts insbesondere für die Ausübung von Mitverwaltungsrechten durch Minderheitsaktionäre sattsam aufbereitet worden. Soweit sie nicht ohnehin durch gesetzliche Schranken für die Aus­ übung von Minderheitenrechten an einer effektiven Wahrnehmung ihrer Rech­ te gehindert sind, 655 unterliegen nicht unternehmerisch engagierte (Klein-) An­ leger danach einem strukturell bedingten Problem der kollektiven Aktion (col­ lective action problem) mit der Folge „rationaler Apathie“: Weil der erzielbare Nutzen völlig außer Verhältnis zu den Informations- und Transaktionskosten der aktiven Wahrnehmung ihrer Rechte steht, haben Minderheitsaktionäre kaum Anreize, ihre Mitverwaltungsrechte tatsächlich auszuüben. Auch die ob­ jektiv sinnvolle Koordination der eigenen Durchsetzungsinitiativen mit ande­ ren Akteuren in vergleichbarer Lage stößt meist auf erhebliche (prohibitive) Transaktionskosten. Trittbrettfahrerprobleme reduzieren damit die Qualität der Kontrollaktivitäten zumindest der Publikumsgesellschafter ganz erheblich. Auch wenn die kollektive Rechtsausübung an sich allen Gesellschaftern nützte, kommt es deshalb nicht zur Ausübung der Individualrechte, sondern bleibt bei einem insgesamt suboptimalen Ausmaß privater Rechtsausübung. 656 Entspre­ chende faktische Schranken stehen aber auch der Rechtsverfolgung im engeren Sinne, also der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes (oder vergleich­ barer verfahrensförmiger Rechtsschutzmöglichkeiten, insbesondere durch Schiedsgerichte) entgegen: Wiederum werden an sich objektiv wünschenswerte Initiativen vielfach auch deshalb unterbleiben, weil und soweit der einzelne Ak­ 654   Vgl. dazu Cooter/Rubinfeld, 27 J. Econ. Lit. 1067, 1090 (1989); Klausner, 31 J. Corp. L. 779, 793 (2006); ferner Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 99. 655   Vgl. in Deutschland insbes. §§ 122 Abs. 1 (Einberufung der Hauptversammlung), 142 Abs. 2 (Bestellung von Sonderprüfern), 148 (Geltendmachung von Ersatzansprüchen) und 254 Abs. 2 (Anfechtung von Gewinnverwendungsbeschlüssen) AktG. 656   Dazu eingehend Clark, Corporate Law, § 9.5, S. 390  ff.; Levmore, 92 Yale L.J. 49, 53  f. (1982); Bebchuk, 102 Harv. L. Rev. 1820, 1837  ff. (1989); Easterbrook/Fischel, 89 Colum. L. Rev. 1416, 1436  ff. (1989); Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1549, 1575  ff. (1989); im Anschluß daran z. B. Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S. 73  f.; Baums, Gutachten F zum 63. DJT, 2000, F. 24  f. Kalss, Anlegerinteressen, S. 353  ff., 363; Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 175  f.; vgl. auch Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a., Anatomy, 2. Aufl. 2009, S. 55  ff.; allgemein auch Klöhn Private versus public enforcement, S: 10  f. Grundlegend zur Ökonomik der kollektiven Aktion Olson, The Logic of Collective Action, passim.

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teur eine erhebliche Kostenlast trägt, aber auch im Falle eines rechtlich erfolg­ reichen Vorgehens nur einen geringen Nutzen erwarten darf. 657 Die erörterten Beispiele indizieren nach alledem, daß das für die Effektivität privater Normdurchsetzung unentbehrliche Element hinreichender Anreize keineswegs in jeder Fallkonstellation gewährleistet sein wird. Allein der Um­ stand, daß eine objektiv-rechtliche Vorgabe die Interessen eines Akteurs oder einer Gruppe von Akteuren mit vergleichbarer Interessenlage zu schützen be­ stimmt ist und diese Position zu subjektiven Rechten verfestigt oder zumindest mittelbar mit Informations- und Mitwirkungsrechten abgesichert ist, besagt mithin noch nichts darüber, ob dieser Akteur oder diese Gruppe von Akteuren die ihr daraus erwachsenen Vorteile tatsächlich durchsetzen wird. 658 Umgekehrt läßt sich aus dem Umstand allein, daß – etwa durch den Zuschnitt von Haf­ tungstatbeständen oder Kostentragungsregeln im Einzelfall – hinreichende Anreize zur individuellen Rechtsverfolgung gesetzt werden, noch nicht die Tragfähigkeit einer auf die private Initiative setzenden Durchsetzungsstrategie ableiten. Wie etwa das bereits erörterte Beispiel der Beschlußmängelklagen im deutschen Aktienrecht erweist, 659 gehen vielmehr individuelles (Vermögens-) Interesse und objektive Rechtspflichten keineswegs notwendig einher. 660 Unge­ achtet möglicherweise bestehender finanzieller Anreize zur Einleitung von Maßnahmen der privaten Rechtsverfolgung kann ein öffentliches Interesse dar­ an als an einer Maßnahme der Wahrung objektiv-rechtlicher Vorgaben durch­ aus fehlen. Im Einzelfall kann sich die private Rechtsverfolgung sogar als objek­ tiv nicht wünschenswert, vielmehr geradezu als rechtsmißbräuchlich erweisen. Maßnahmen zur Aktivierung der privaten Rechtsausübung und Rechtsverfol­ gung im Interesse der Durchsetzung des objektiven Rechts können deshalb so­ gar kontraproduktiv wirken, wenn eine mögliche Divergenz zwischen objekti­ vem Schutzgut und privatem Sonderinteresse nicht hinreichend berücksichtigt 657   Eingehend Kalss, Anlegerinteressen, S. 353  ff., die das Problem völlig zu recht dem In­ formations- und Transaktionskostenaufwand der individuellen Rechtsausübung gleichstellt; knapp ebenso auch Baums, Gutachten F zum 63. DJT, 2000, F 25, F 29. Vgl. nunmehr im deutschen Recht aber die reformierte Kostenregelung für das Klagezulassungsverfahren in § 148 Abs. 6 AktG, die diese Hürde abmildern soll. 658   Erst recht als unrealistisch erweisen dürften sich Versuche, zur Durchsetzung solcher objektiv-rechtlichen Vorgaben auf die private Initiative zu setzen, die nicht dem zur Norm­ durchsetzung berufenen Akteur, sondern den Interessen Dritter zu dienen bestimmt sind. Von vornherein zweifelhaft daher z. B. die Erwägungen de lege ferenda bei Greenfield, Fail­ure of Corporate Law, S. 94  ff. (shareholder injunctive suits als Instrument der Normdurchset­ zung für illegales Verhalten der Geschäftsleitung allgemein). 659   Zum Problem der mißbräuchlichen Beschlußmängelklagen siehe bereits oben sub III. 1. b) aa) (S. 218) bei und in Fn. 578  f. 660   Vgl. zu möglichen Divergenzen zwischen öffentlichem und privatem Interesse und den Konsequenzen für die Bedeutung privater Rechtsdurchsetzung als Instrument der Durchset­ zung objektiv-rechtlicher Vorgaben eingehend auch bereits Koch, Prozeßführung im öffentli­ chen Interesse, S. 181  ff. Zu Funktionsdefiziten privater Normdurchsetzungsmechanismen in derartigen Fällen noch unten, 3. Teil, 2. Kap., sub B. II. (S. 548  ff.).

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

wird. 661 Auch dafür bietet das Problem mißbräuchlicher Anfechtungsklagen in der Praxis des deutschen Aktienrechts ein anschauliches Beispiel. Diese Einwände dürfen indes nicht den Blick auf die Tatsache verstellen, daß die private Initiative als Instrument der Normdurchsetzung im hier verwende­ ten Sinne, mithin zur Absicherung objektiv-rechtlicher Vorgaben neben der reinen privaten (subjektiven) Interessenwahrnehmung prinzipiell durchaus ge­ eignet ist. Nochmals ist zu betonen, daß das private Interesse der zur Norm­ durchsetzung berufenen Akteure in vielen Fällen (partiell) mit objektiv-rechtli­ chen Vorgaben übereinstimmen kann und vielfach auch übereinstimmen wird. 662 Mit unzureichenden Anreizstrukturen ist ein potentieller Störfaktor für das Konzept der privaten Normdurchsetzung identifiziert, aber kein durchweg un­ überwindliches Hindernis und erst recht kein Grund, der dieses Konzept von vornherein unrealisierbar erscheinen ließe. Für die Untersuchung der Funkti­ onsvoraussetzungen und Funktionswirkungen von Regulierungsinstrumenten folgt daraus allein, daß unzureichende Anreizsysteme als mögliche Ursache von Funktionsdefiziten berücksichtigt werden müssen, nicht aber, daß es sich hier­ bei um ein dem Konzept zwingend immanentes Defizit handelte.

2.  Hoheitliche Normdurchsetzung Hoheitliche Normdurchsetzungsmechanismen im oben formulierten Sinn sind nicht nur im Hinblick auf die Ausgestaltung und die jeweiligen Handlungsop­ tionen eine im Vergleich mit den unterschiedlichen Varianten der privaten Normdurchsetzung eigenständige Kategorie. Auch hinsichtlich der Wirksam­ keitsvoraussetzungen und damit aus funktionaler Perspektiver unterscheiden sich beide erheblich. Anders als bei der privaten Normdurchsetzung spielen bei hoheitlichen Sanktionsmechanismen zunächst die Anreize der jeweiligen Ak­ teure zur Einleitung von Maßnahmen der Normdurchsetzung eine allenfalls begrenzte Rolle (unten a)). Um so wichtiger ist die Bedeutung einer hinreichen­ den Informationsbasis als zentraler Funktionsvoraussetzung, die strukturbe­ dingt ungleich stärkere Probleme bereitet als bei der privaten Normdurchset­ zung (unten b)). a)  Eingeschränkte Bedeutung von Anreizstrukturen Weil und soweit staatliche Stellen in öffentlichem Auftrag und damit auch zur Wahrnehmung grundrechtlich präformierter Schutzpflichten tätig werden, 661   Vgl. in diese Richtung auch bereits Kalss, Anlegerinteressen, S. 366  f. m.w.N; siehe aus dem US-amerikanischen Schrifttum auch Thompson/Thomas, 57 Vand. L. Rev. 1747, 1758 (2004), mit ähnlichen Erwägungen zur Anreizstruktur von derivative suits. 662   Siehe nochmals auch bereits oben sub III. 1. b) aa) (S. 216) bei und in Fn. 573.

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

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können Determinanten wie der Sachaufklärungsaufwand und im Wege der Normdurchsetzung realisierbare finanzielle Vorteile von vornherein allenfalls eine beschränkte Rolle für die Effektivität hoheitlicher Normdurchsetzung spielen. Zwar ist die Berücksichtigung des finanziellen Aufwands als Entschei­ dungsfaktor bei der Wahl zwischen mehreren möglichen Handlungsformen weder im allgemeinen Recht der Gefahrenabwehr663 noch im Strafprozeß- 664 und Ordnungswidrigkeitenrecht 665 per se unzulässig. Daß insbesondere eine begrenzte Ausstattung in personeller und finanzieller Hinsicht die Effektivität hoheitlicher Aufsichtstätigkeit und damit die verhaltenssteuernden Effekte der davon ausgehenden Sanktionswirkungen schmälern können, bedarf kaum der weiteren Begründung. 666 Wenngleich dies gelegentlich sogar als wünschenswert im Interesse der Begrenzung hoheitlicher Eingriffsintensität beurteilt wird, 667 stehen die effektivitätsmindernden Wirkungen im Vordergrund. 668 Doch han­ delt es sich regelmäßig nicht um ökonomische Anreize im eigentlichen Sinne, die die Motivation des jeweiligen Akteurs für oder gegen die Einleitung von Maßnahmen der Normdurchsetzung beeinflussen, sondern um einen von meh­ reren ermessensleitenden Gesichtspunkten, der mit Blick auf den hoheitlichen Schutzauftrag immer nur in Relation zum Wert des im Einzelfall betroffenen Schutzgutes berücksichtigt werden darf. 669 663   Vgl. dazu Art. 114 GG (Verpflichtung der Verwaltung, ihre Mittel „wirtschaftlich“ ein­ zusetzen) und zu den gefahrenabwehrrechtlichen Konsequenzen etwa Drews u. a., Gefahren­ abwehr, § 24, S. 373; siehe auch Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht Baden-Württemberg, Rn. 495: Nichteinschreiten bei „geringeren oder nur vorübergehenden Gefährdungen (…) auch im Hinblick auf die Personalsituation zweckmäßig“ und vereinbar mit dem polizei­ rechtlichen Opportunitätsprinzip (eig. Hervorhebung); zu noch weitergehenden Möglichkei­ ten der Berücksichtigung ökonomischer Gesichtspunkte bei der Ausfüllung des polizeirecht­ lichen Ermessens im Rahmen des Opportunitätsprinzips ebd., Rn. 497; zum Ganzen Gröpl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 5, 3. Aufl., § 121 Rn. 7  ff., insbes. Rn. 9–38. 664   Zur rechtstatsächlichen Bedeutung von Aspekten der Justizökonomie bei der Handha­ bung von Legalitäts- und Opportunitätsprinzip in der Verfolgungspraxis stellvertretend Löwe/Rosenberg/Beulke, StPO, § 152 Rn. 40 m. w. N. Vgl. auch Ransiek/Hüls, ZGR 2009, 157, 182  ff. („deals“ zwischen Angeklagtem, Staatsanwaltschaft und Gerichten mit Einstel­ lungsfolge als Regelfall der Strafverfolgung bei Wirtschaftsdelikten). 665   Vgl. exemplarisch § 47 OWiG und dazu insbes. Göhler/Seitz, OWiG, § 47 Rn. 4 (Abse­ hen von der weiteren Verfolgung bei erschwerter Aufklärbarkeit des Sachverhalts); monogra­ phisch Maiazza, Opportunitätsprinzip, S. 81  ff. 666   Vgl. allgemein wiederum Jackson, 24 Yale J. on Reg. 253, 278  ff. (2007); Jackson/Roe, 93 J. Fin. Econ. 207  ff. (2009) (Ausstattung der Personalressourcen der Aufsichtsbehörden); all­ gemein in der rechtsökonomischen Analyse der hoheitlichen Normdurchsetzung schon Dam, 4 J. Legal Stud. 47, 67  f. (1975); Landes/R. A. Posner, 4 J. Legal Stud. 1, 36  f. (1975); vgl. noch­ mals auch Coffee, 156 Pa. L. Rev. 229, 254  ff., 292  ff. (2007); Duggan, (2006) 26 OJLS 303, 322  ff.; Stephenson, 91 Va. L. Rev. 93, 107  ff. (2005); zusf. auch Kern, ZZPInt 12 (2007), 351, 360. 667   In diese Richtung wohl Landes/R. A. Posner, 4 J. Legal Stud. 1, 36  ff. (1975). 668   Entsprechend wohl auch Kern, ZZPInt 12 (2007), 351, 360. 669   Siehe zu – gegenständlich sehr beschränkten, im vorliegend untersuchten Referenzge­

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

Die Abwesenheit von Anreizen, die aus unmittelbaren (finanziellen oder ide­ ellen) Interessen am Ergebnis der Normdurchsetzung resultieren, wird man allerdings nicht uneingeschränkt als Vorteil der hoheitlichen im Vergleich mit der privaten Normdurchsetzung qualifizieren können. Wenn und soweit die Interessen privater Akteure mit den Vorgaben des objektiven Rechts deckungs­ gleich sind, ist vielmehr gerade das private (Vermögens-) Interesse die entschei­ dende Treibkraft, die die Effektivität der privaten Initiative als Instrument der Normdurchsetzung absichern hilft. Fehlt dieses Element auf Seiten des idealty­ pisch unparteiischen hoheitlichen Trägers der Normdurchsetzung, so fehlt es damit auch an positiven ökonomischen Anreizen, das Verfahren der Norm­ durchsetzung gründlich und beharrlich zu betreiben, was sich wiederum nega­ tiv auf Intensität und Effektivität der Durchsetzungsbemühungen auswirken kann. 670 Hinzu können unter Umständen auch auf der Ebene der Normdurch­ setzung Probleme treten, die aus der schleichenden Einflußnahme auf die je­ weils zur Normdurchsetzung berufenen Akteure durch die Interessen (-wahr­ nehmung) der jeweiligen Normadressaten resultieren. In der Regulierungs­ theorie hat sich dafür der anschauliche Begriff der „regulatory capture“ eta­ bliert. 671 Mit dem Befund der Abwesenheit finanzieller Anreize als Treibkräfte für die Normdurchsetzungsinitiative bestehen dabei insofern Berührungs­ punkte, als gerade das Fehlen finanzieller Vorteile den jeweils verantwortlichen Hoheitsträger empfänglich für pekuniäre oder ideelle Leistungen der Norm­ adressaten machen und zu einer Interessenverflechtung mit negativen Auswir­ kungen auf die Überwachungsintensität führen kann. In diesem Zusammen­ hang werden vielfältige Phänomene diskutiert, die von Fällen strafrechtlich re­ levanter Korruptionsdelikte bis hin zum subjektiv empfundenen Reputations­ gewinn aus Einladungen zu Vortragsveranstaltungen oder zum informellen „Meinungsaustausch“ reichen. 672 Dabei ist nicht zu verkennen, daß die hierzu entwickelten Erklärungsmuster vor allem auf die Regulierungsaktivitäten von biet irrelevanten – Formen der Anreizsteuerung innerhalb der Verwaltung im übrigen Sacksofsky, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Ver­ waltungsrechts, Bd. 2, § 40 Rn. 26  ff. Zu den – im Kontext der Normdurchsetzung weniger als auf der Ebene der Regelsetzung relevanten – strukturtypischen Anreizstrukturen von Akteu­ ren der Leistungserwaltung, im Wege der Steigerung der eigenen Aktivität unnötige und ob­ jektiv unerwünschte Steuerungswirkungen zu entfalten, siehe im Überblick etwa Fritsch/ Wein/Ewers, Marktversagen, S. 422; Ogus, Regulation, S. 68  f.; grundlegend Niskanen, Bu­ reaucracy and Representative Government, 1972, passim. 670   Vgl. etwa Kern, ZZPInt 12 (2007), 351, 361. 671   Siehe nochmals Stigler, 2 Bell J. Econ. & Mgmt. Science 3  ff. (1971); siehe auch schon Bernstein, Regulating Business by Independent Commissions, 1955, S. 74  ff., 169  ff.; vgl. auch Becker, 98 Q. J. Econ. 371  ff. (1983); Mitnick, Political Economy of Regulation, S. 94  ff.; Peltzman, 19 J.L. & Econ. 211, 212  ff. (1976); zusf. Baldwin/Cave, Understanding Regulation, S. 20, 22  ff.; Ogus, Regulation, S. 57  f., 106  f.; in der deutschsprachigen Literatur bereits Koch, Pro­ zeßführung im öffentlichen Interesse, S. 86  ff. 672   Siehe nochmals die Nachw. vorige Fn.

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

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Aufsichtsbehörden anwendbar sind, weniger dagegen auf andere Formen, etwa die Registerkontrolle. Schon deshalb ist zweifelhaft, ob regulatory capture als Determinante der Effektivität der Normdurchsetzung im untersuchten Refe­ renzgebiet überhaupt eine Rolle spielt. b)  Informationsprobleme und geringe Aufklärungswahrscheinlichkeit Aus der Tatsache, daß die hoheitliche Normdurchsetzung mit den potentiell empfindlichen Folgen von Normverstößen prinzipiell in geringerem Maße von der Anreizstruktur der jeweils zur Durchsetzung berufenen Akteure abhängig ist, ist keineswegs zu folgern, daß sie im Vergleich mit der privaten Normdurch­ setzung als effektivere Methode zur Absicherung objektiv-rechtlicher Vorga­ ben zu qualifizieren wäre. Auch das anders strukturierte Spektrum verfügbarer Handlungsformen (Verwaltungsverfahren, Straf- und Ordnungswidrigkeiten­ recht) trüge diese Einschätzung nicht ohne weiteres. Entscheidend ist vielmehr auch und gerade für die Effektivität der hoheitlichen Normdurchsetzung eine hinreichende Informationsbasis als wichtige Funktionsvoraussetzung, deren Bedeutung für die erzielbare Sanktionswirkung kaum unterschätzt werden kann. 673 Auch die soeben diskutierten Gesichtspunkte der Verfahrens- und Ju­ stizökonomie werden unter anderem von dem Aufwand abhängen, den die für ein Einschreiten erforderliche Sachaufklärung bereitet, womit wiederum Infor­ mationsbeschaffung und Informationsverarbeitung gleichermaßen angespro­ chen sind. Selbst wenn die Rechtsfolgen hoheitlicher Normdurchsetzung emp­ findlicher ausgestaltet sind als die Sanktionen, die im Rahmen der privaten Normdurchsetzung zur Absicherung objektiv-rechtlicher Vorgaben dienstbar gemacht werden, kann die verhaltenssteuernde Wirkung hoheitlicher Norm­ durchsetzung aufgrund geringerer Aufklärungswahrscheinlichkeit hinter der privaten Normdurchsetzung zurückbleiben. 674 Weil der zur hoheitlichen Norm­ durchsetzung berufene Akteur als externe Instanz von vornherein nicht in die verbandsrechtlich oder vertraglich strukturierten Informationsflüsse eingebun­ den ist, liegen die faktischen Hürden für eine hinreichende Sachverhaltsaufklä­ rung bei der hoheitlichen Normdurchsetzung typischerweise höher. Gerade für das untersuchte Referenzgebiet und die hier vorzufindenden In­ strumente der hoheitlichen Normdurchsetzung sind diese Beobachtungen noch 673   Aus rechtsökonomischer Perspektive Polinsky/Shavell, in: dies. (Hrsg.), Handbook of Law and Economics, Bd. 1, S. 403, 321. 674   Vgl. allgemein aus der ökonomischen Theorie der „optimalen Sanktion“ stellvertretend Ogus, Regulation, S. 90  ff.; Polinsky/Shavell, in: dies. (Hrsg.), Handbook of Law and Eco­ nomics, Bd. 1, S. 403, 407  ff.; dies., 38 J. Econ. Lit. 45  ff. (2000); siehe auch Innes, 24 Int’l Rev. L. & Econ. 29  ff. (2004); speziell für kapitalmarktrechtliche Sanktionen Easterbrook/Fischel, 52 U. Chi. L. Rev. 611  ff. (1985); zusf. jüngst Klöhn, Private versus public enforcement, passim. Mit ähnlicher Einschätzung für den Vergleich strafrechtlicher mit privaten Haftungssanktio­ nen auch Ransiek/Hüls, ZGR 2009, 157, 185.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

zu differenzieren. Insoweit sind zunächst in kognitiver Hinsicht zwei Ebenen zu unterscheiden: Die für die Normdurchsetzung erforderliche Informations­ basis setzt nicht nur voraus, daß Anhaltspunkte für einen Regelverstoß vorlie­ gen; sie erfordert regelmäßig vielmehr die vollständige Aufklärung des Sachver­ halts in Reaktion auf diese Anhaltspunkte zur Vorbereitung von Maßnahmen im Verwaltungs-, Straf- oder Bußgeldverfahren. Funktionsdefizite können auf beiden Ebenen angelegt sein. Vielfach wird die hoheitliche Normdurchsetzung gerade bei unternehmensinternen Sachverhalten schon deshalb leerlaufen, weil Anhaltspunkte für einen Regelverstoß nicht oder nicht rechtzeitig nach außen dringen. Auch wenn Anhaltspunkte für eine Verletzung objektiv-rechtlicher Vorgaben vorliegen, kann die weiter erforderliche Sachverhaltsaufklärung auf der zweiten Ebene Probleme in einem Umfang bereiten, der weitere Verfol­ gungsbemühungen inopportun erscheinen läßt. 675 Inwieweit derartige Probleme tatsächlich auftreten, wird allerdings wieder­ um sehr von der Ausgestaltung des jeweiligen Normdurchsetzungsinstruments abhängen. So liefern die vorstehend angestellten Erwägungen möglicherweise eine tiefere Begründung dafür, daß (nicht nur) das geltende deutsche Kapitalge­ sellschaftsrecht der repressiven Normdurchsetzung durch hoheitliche Akteure auf dem Gebiet der Überwachung objektiv-rechtlicher Vorgaben in organisati­ ons- und finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht eine geringere Bedeutung ein­ räumt als der präventiven hoheitlichen Normdurchsetzung in Gestalt der mate­ riellen Registerkontrolle. Und sie könnten weiterhin erklären, warum wieder­ um deren Stellenwert hinter dem Stellenwert der privaten und teilprivatisierten Normdurchsetzung zurückbleibt: Anders als die repressive Überwachung, ist das Registergericht im Rahmen seiner Prüfungsbefugnis bei der präventiven Normdurchsetzung nicht auf die eigene Initiative angewiesen, um Anhalts­ punkte für mögliche Normverstöße zu gewinnen; vielmehr werden die für die Prüfung maßgeblichen Informationen zwangsläufig mit der Anmeldung zum Handelsregister (§ 12 HGB) durch die dazu Verpflichteten bzw. ihre Vertreter beigebracht. Insbesondere die Kombination der Pflicht zur Vorlage von Doku­ menten mit einer konstitutiven Wirkung des Registereintrags (vgl. z. B. § 41 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 11 Abs. 1 GmbHG) mildert bei der materiellen Register­ kontrolle – in dem ihr eingeräumten, engen Anwendungsbereich676 – allerdings die sonst allgegenwärtigen, strukturimmanenten Informationsprobleme der hoheitlichen Normdurchsetzung.

  Vgl. dazu instruktiv nochmals die Nachw. soeben Fn. 665.   Siehe nochmals oben sub III. 1. a) (S. 211) bei und in Fn. 552.

675 676

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

245

3.  Teilprivatisierte Normdurchsetzung Die verschiedenen Varianten teilprivatisierter Normdurchsetzungsmechanis­ men stehen nicht nur phänomenologisch, sondern auch in funktionaler Hin­ sicht zwischen den Kategorien der privaten und der hoheitlichen Normdurch­ setzung und den jeweiligen strukturtypischen Funktionsvoraussetzungen. Ähnlich wie bei der privaten Normdurchsetzung, läßt sich auch damit die für die Effektivität der Normdurchsetzung bedeutsame Last der Informationsbe­ schaffung dezentralisieren und näher am eigentlichen Sachproblem ansiedeln. Im Vergleich zur ausschließlich hoheitlichen Normdurchsetzung ist damit das Risiko von Funktionsdefiziten aufgrund unzureichender Informationsgrund­ lage abgemildert, wenngleich auch die zur teilprivatisierten Normdurchsetzung berufenen Akteure als unternehmensexterne Dritte nicht die gleiche Sachnähe aufweisen wie die unmittelbar betroffenen Akteure (unten a)). Als potentielle Ursache für Funktionsdefizite kommt hier die – von Vergütungsaspekten, aber auch von der Ausgestaltung des hoheitlich definierten Auftrags abhängige – An­ reizstruktur der relevanten Akteure in Betracht (unten b)). a)  Teilprivatisierte Normdurchsetzung und Informationsbeschaffung Der Zusammenhang zwischen der Allokation der Normdurchsetzungsinitiati­ ve und dem Erfordernis hinreichender Information als Voraussetzung für die Effektivität von Normdurchsetzungsinstrumenten wird besonders deutlich in denjenigen Fällen teilprivatisierter Normdurchsetzung, in denen dem Träger der Normdurchsetzungsinitiative selbst Informationsrechte gesetzlich zuge­ wiesen sind:677 In funktionaler Hinsicht sind diese Rechte, obwohl sie von ei­ nem Akteur wahrgenommen werden, dessen Aufgaben als die eines externen Instruments der Normdurchsetzung beschrieben werden können, 678 denen ei­ nes Gesellschaftsorgans zumindest angenähert. 679 Die Doppelfunktion insbe­ sondere der Abschlußprüfer als Instrument der Normdurchsetzung und der Absicherung der Informationsproduktion im Rahmen einer auf Information

677   Vgl. aus dem deutschen Recht exemplarisch § 320 HGB (Vorlagepflichten gegenüber dem Abschlußprüfer und korrespondierende Auskunftsrechte); § 22 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 InsO (Prüfungspflichten und Informationsrechte des vorläufigen Insolvenzverwalters); für den In­ solvenzverwalter im eröffneten Verfahren folgt Entsprechendes aus § 80 InsO (Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis) und § 148 InsO (Sicherung der Vermögensmasse). 678   Siehe nochmals oben sub III. 1. b) aa) (S. 218  ff.). 679   Ein Vergleich zwischen Gegenstand und Reichweite der vorstehend Fn. 677 zitierten Vorschriften mit den dem Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 2 Satz 1 und 2 AktG in Ergänzung zu den Berichtspflichten des Vorstands nach § 90 AktG zugewiesenen Informationsrechten macht diesen Zusammenhang besonders deutlich.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

und Publizität setzenden Regulierungsstrategie tritt darin deutlich zutage. 680 Dieser Zusammenhang deutet zugleich an, inwiefern die teilprivatisierte Norm­ durchsetzung unter dem Gesichtspunkt der Informationsbeschaffung oft strukturbedingte Effektivitätsvorteile für sich in Anspruch nehmen kann: Ge­ rade mit Blick auf das von unmittelbarer Kooperation geprägte Verhältnis zu den unternehmensinternen Akteuren (Vorstand, Prüfungsausschuß, etc.) ste­ hen externe Verifikateure wie die Abschlußprüfer, aber auch der in die Ver­ tragsgestaltung eingebundene Notar den relevanten Informationen ungleich näher, als sich dies bei einem Hoheitsträger, z. B. einer Aufsichtsbehörde, prak­ tisch realisieren ließe. Die Effektivitätsvorteile der teilprivatisierten im Ver­ gleich zur hoheitlichen Normdurchsetzung erstrecken sich auch auf die Informationsverarbeitung. Auch hier macht sich bemerkbar, daß die jeweiligen Veri­ fikateure, jedenfalls soweit sie auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge mit der Gesellschaft tätig und von dieser vergütet werden, regelmäßig nicht unter den Bedingungen von Haushaltszwängen und knappen Ressourcen leiden, die für die Infrastruktur der hoheitlichen Normdurchsetzung prägend ist. 681 Das Merkmal der Sachnähe zu den maßgeblichen Informationen und die da­ mit umrissenen Effektivitätsvorteile sind indes nicht in allen Formen der hier unter dem Begriff der teilprivatisierten Normdurchsetzungsmechanismen zu­ sammengefaßten Institute in gleichem Umfang realisiert. Je weniger ausgeprägt die kooperativen Elemente im Verhältnis zwischen dem betreffenden Akteur und der Gesellschaft und je schwächer die insoweit bestehenden Informations­ rechte sind, desto geringer fallen vielmehr notwendig auch die komparativen Vorteile auf der Ebene der Informationsbeschaffung aus. Vorteile auf der Ebene der Informationsverarbeitung bleiben davon allerdings grundsätzlich unbe­ rührt. Ein anschauliches Beispiel dafür bietet die Tätigkeit der privatrechtlich organisierten Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung e.V. auf der ersten Stufe des mit dem Bilanz-Kontrollgesetz von 2004 geschaffenen EnforcementVerfahrens nach § 342b HGB, die nicht als „zweite Abschlußprüfung“ ausge­ staltet, sondern als eine (in der Praxis selektive) „Nachprüfung“ von vornherein auf einen geringeren Prüfungsumfang festgelegt ist, welcher eine Detailprüfung aller dokumentierten Vorgänge nicht einschließt. 682

  Anschaulich Gilson, 94 Yale L.J. 239, 298 (1984): Abschlußprüfer als „specialists in in­ formation production“. 681   Siehe nochmals oben sub 2. b) (S. 243  f.). 682   Zu den – nach wie vor umstrittenen – Einzelheiten insoweit näher MünchKomm/Ebke/ Paal, HGB, § 342b Rn. 19; Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, § 342b Rn. 10; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Wiedmann, HGB, § 342b, Rn. 9  f.; Böcking/Stein, Konzern 2007, 43, 52  f.; Scheffler, Konzern 2007, 589, 592  ff. 680

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

247

b)  Anreizprobleme, insbesondere Interessenkonflikte Den Vorteilen im Hinblick auf Informationsbeschaffung und Informationsver­ arbeitung als Determinanten für die Effektivität der von der privaten Norm­ durchsetzung ausgehenden verhaltenssteuernden Wirkungen stehen im Ver­ gleich zur hoheitlichen Normdurchsetzung potentielle Funktionsdefizite auf­ grund adverser Anreize gegenüber. Auch in dieser Hinsicht sind die verschiede­ nen Erscheinungsformen der teilprivatisierten Normdurchsetzung funktional zwischen privaten und hoheitlichen Normdurchsetzungsmechanismen ange­ siedelt. Die Anreizstruktur der zur privaten Normdurchsetzung berufenen Akteure entspricht allerdings typischerweise nicht jener der von ihrer Tätigkeit begünstigten Akteure, z. B. der Aktionäre der Gesellschaft, von der sie als Veri­ fikateure herangezogen werden. Entscheidend sind vielmehr die originären Vermögensinteressen der zur Normdurchsetzung berufenen Akteure selbst. Diese wurzeln zum einen in der Vergütung für ihre Tätigkeit, zum zweiten auch in der Erwartung einer Mandatierung zu gleichen Leistungen in der Zu­ kunft und zum dritten teilweise in der Erwartung der Berücksichtigung bei der Mandatierung für andere, mit der Normdurchsetzungsaufgabe nicht verknüpf­ te Aufgaben, z. B. Beratungsdienstleistungen. Die resultierenden Gefahren für die Unabhängigkeit der jeweiligen Akteure und damit letztlich für die Qualität der Aufgabenwahrnehmung als Interessenwahrer werden insbesondere in der bereits an anderer Stelle zitierten Diskussion zur Bedeutung von Abschlußprü­ fern, Finanzanalysten und Ratingagenturen als Informationsintermediäre, Ve­ rifikateure bzw. „Gatekeeper“ – zumal nach den US-amerikanischen und euro­ päischen Bilanzskandalen in den Jahren 2001–2003 (Enron, WorldCom, Par­ malat) – intensiv diskutiert. 683 Die in Umsetzung der Abschlußprüfungsrichtli­ nie mit dem BilMoG in Deutschland nochmals verschärften Ausschlußgründe nach §§ 319, 319a HGB n.F. belegen exemplarisch die gesetzgeberischen Reak­ tionen hierauf. Im Extremfall führt die Delegation der Überwachungsverantwortung auf private Akteure vor diesem Hintergrund nicht zu Vorteilen bei der Informati­ onsbeschaffung und Informationsverarbeitung, sondern verschiebt aus der Per­ spektive des an der Normdurchsetzung interessierten Gesetzgebers nur den Fokus des Überwachungsproblems, ohne dieses abzumildern: An die Stelle des Aufwands, den die Überwachung der Regelbefolgung durch die Normadressa­ ten verursacht, tritt dann der kaum geringere Aufwand, den die Überwachung der Aufgabenwahrnehmung durch die privaten Überwachungsakteure berei­ tet. 684 Hierin liegt ein zentraler Unterschied sowohl zur privaten als auch zur hoheitlichen Normdurchsetzung.   Vgl. bereits oben sub II. (S. 209) bei und in Fn. 545.   Vgl. pointiert Easterbrook/Fischel, 89 Colum. L. Rev. 1416, 1423 (1989): “Who monitors

683

684

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

Besonders anschauliche Beispiele für Versuche, diesen Gefahren durch ge­ setzliche Schranken zu begegnen, bieten die seither in Deutschland in den §§ 319 Abs. 2 und 3, 319a Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 HGB mit dem Bilanzrechtsreform­ gesetz 2004 eingeführten bzw. ausgebauten Vorkehrungen zur Bekämpfung von Interessenkonflikten bei der Abschlußprüfung, die entsprechende Vorar­ beiten in Gestalt einer Empfehlung der EU-Kommission685 reflektieren und in der neuen Abschlußprüfungsrichtlinie von 2006 eine Entsprechung finden. 686 Im Zusammenhang mit der wachsenden Einsicht in die Bedeutung unabhängi­ ger Akteure der Normdurchsetzung in gesetzlichem Auftrag stehen auch zu­ nehmend formulierte Forderungen nach einem Ausbau der Haftungssanktion für fehlerhafte Pflichterfüllung auch und gerade im Rahmen einer – in Deutsch­ land nach wie vor restriktiv gehandhabten687 – Dritthaftung zugunsten derjeni­ gen Akteure, die beispielsweise auf testierte Prüfungsergebnisse vertraut und daraufhin entsprechende Vermögensdispositionen getätigt haben. Auch diese Risiken bestehen allerdings nicht bei allen Erscheinungsformen teilprivatisierter Normdurchsetzung in gleichem Ausmaß. Ist oben konstatiert worden, daß die Fähigkeit der hierzu berufenen Akteure zur Informationsbe­ schaffung von ihrer Sachnähe zur Gesellschaft und den Parteien der Finanzie­ rungsbeziehung abhängt, 688 so läßt sich ein umgekehrtes Verhältnis für die Ri­ siken aus Interessenkonflikten konstatieren: Je eigenständiger die Tätigkeit des zur Normdurchsetzung berufenen Akteurs ausgestaltet und je weniger dieser (z. B. aufgrund einer Festlegung der Gebühren durch eine gesetzliche Gebüh­ renordnung, wie im Fall der Notare) auf die Kooperation mit der Geschäftslei­ tung angewiesen ist, desto geringer fällt auch das Risiko von Interessenkonflik­ ten mit entsprechenden Auswirkungen für die Qualität der Aufgabenwahrneh­ mung aus. Je stärker die hoheitlichen Aspekte bei der Ausgestaltung von Aus­ wahl, Auftrag und Aufgabenkreis der zur teilprivatisierten Normdurchsetzung berufenen Akteure ausgeprägt sind, desto weniger besteht mithin die Gefahr, daß die Qualität ihrer Aufgabenwahrnehmung durch parallel zum Überwa­

the monitors’ efforts?” Zu den zivil- und aufsichtsrechtlichen Perspektiven einer Kontrolle von Ratingagenturen statt vieler Blaurock, ZGR 2007, 603  ff. 685   Empfehlung 2002/590/EG der Kommission zur Unabhängigkeit des Abschlußprüfers in der EU – Grundprinzipien vom 16. 5. 2002, ABlEG Nr. L 191/22; dazu näher Ebke, in: Fer­ rarini u. a. (Hrsg.), Reforming Company and Takeover Law in Europe, 2004, S. 507, 509  ff.; S. Schmidt, BB 2003, 779  ff. 686   Vgl. Richtlinie 2006/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. 5. 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Ände­ rung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABlEU. Nr. L 157/87, Artt. 21, 22; zur deutschen Umset­ zung mit dem BilMoG §§ 319a und b HGB n.F. Siehe dazu wiederum auch Leyens, in: FG Hopt, 2009, S. 423, 439  ff. 687   Vgl. stellvertretend statt vieler J. C. Richter, Dritthaftung, S. 214  ff. 688   Siehe nochmals soeben sub a) (S. 246) a.E.

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

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chungsauftrag begründete finanzielle Interessen verzerrt wird. Schon struktu­ rell unabhängig hiervon, da von jeder Art begleitender Beratungstätigkeit aus­ geschlossen, ist etwa die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (§ 342b HGB). Anfälliger für Interessenkonflikte ist dagegen das Amt des Insolvenz­ verwalters, obwohl auch dessen Aufgabenkreis der hoheitlichen Aufgaben­ wahrnehmung funktional näher steht als der von Abschlußprüfern: Interessen­ konflikte, die die von § 56 Abs. 1 InsO ausdrücklich geforderte unabhängige Aufgabenwahrnehmung in Frage stellen könnten, sind auch hier mit Blick auf – meist der Bestellung vorangegangene – Beratungsmandate des (späteren) In­ solvenzverwalters denkbar; zumindest die umfassende Beratung im Vorfeld ist dementsprechend als Hinderungsgrund anerkannt. 689 Insgesamt läßt sich damit festhalten, daß die Effektivitätsvorteile der teilpri­ vatisierten Normdurchsetzung vielfach nur um den Preis von Interessenkon­ flikten realisierbar sind, für deren Bewältigung (nicht nur im deutschen Recht) abschließende Lösungen noch nicht gefunden worden sind. Diese Risiken kön­ nen auch als spezifische Ausprägung des Problems der Einflußnahme von Norm­ adressaten auf die zu ihrer Überwachung berufenen Akteure interpretiert wer­ den, wie es für die hoheitliche Normdurchsetzung in der Regulierungstheorie unter dem Schlagwort der „regulatory capture“ diskutiert wird. 690 Während die teilprivatisierte Normdurchsetzung aus funktionaler Perspektive teilweise durchaus stark an Instrumente der privaten Normdurchsetung angenähert ist, unterliegt sie mithin strukturbedingten Risiken, die für die hoheitliche Norm­ durchsetzung charakteristisch sind. Letztlich ist dies eine unvermeidliche Folge der Verbindung privater mit hoheitlichen Elementen, welche die hier sog. Kate­ gorie der teilprivatisierten Normdurchsetzung maßgeblich prägt.

V.  Gesamtschau Im Recht der Finanzierungsbeziehungen bei Kapitalgesellschaften sind nach alledem vielfältige Normdurchsetzungsmechanismen in Kombination reali­ siert. Nicht erst seit Aufgabe des Konzessions- zugunsten des modernen Sy­ stems der Normativbestimmungen als regulatorisches Grundkonzept nehmen die private Kontrolle und Rechtsdurchsetzung eine wichtige Rolle bei der Kon­ trolle und Disziplinierung der Geschäftsleitung ein. Beide wirken teilweise auch auf die Einhaltung objektiv-rechtlicher Vorgaben hin. Auch heute existie­ ren zu dem Elemente der hoheitlichen Normdurchsetzung. Beide Säulen wer­ den um Mechanismen der teilprivatisierten Normdurchsetzung ergänzt. Die 689   Vgl. näher z. B. Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56 Rn. 20  ff.; MünchKomm/H. Hefermehl, InsO, § 56 Rn. 25  ff. 690   Dazu bereits oben sub 2. a) (S. 242) bei und in Fn. 671 m. w. N.

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1. Kapitel:  Gesetzliche Regulierungsinstrumente

Entscheidung zwischen unterschiedlichen Normdurchsetzungsmechanismen ist damit, was auch und gerade das geltende Gesellschaftsrecht eindeutig illu­ striert, 691 schon konzeptionell keine Wahl zwischen einander ausschließenden Gestaltungen. Sie betrifft eher die Balance zwischen mehr oder weniger deut­ lich funktionsäquivalenten oder zumindest komplementären Modellen. Diese Wahl hängt nicht allein von der Schärfe der jeweils verfügbaren Sanktionen (im weitesten Sinne) ab. Entscheidend dafür, ob diese Sanktionen im Einzelfall überhaupt zur Geltung gelangen und damit ihre verhaltenssteuernden Wirkun­ gen entfalten können, ist vielmehr, inwieweit die spezifischen, nicht eindimen­ sional auf einzelne Faktoren zu reduzierenden692 Funktionsvoraussetzungen der einzelnen Gruppen von Durchsetzungsmechanismen im Einzelfall erfüllt sind. Insofern hat sich als besonders bedeutsam erwiesen, daß die Entscheidung über die Verteilung der Normdurchsetzungsinitiative und Normdurchset­ zungslast zugleich eine Entscheidung über die Ansiedlung der für die Norm­ durchsetzung erforderlichen Sachaufklärung impliziert. Wie schon die Wahl zwischen den Regelungsmodi des dispositiven und des zwingenden Rechts auf der Ebene der Regelsetzung, ist auch die Entscheidung zwischen den unter­ schiedlichen Gruppen der Normdurchsetzungsmechanismen damit zugleich ein Instrument, um die Initiative zur Problemlösung dort anzusiedeln, wo die für sachgerechte Problemlösungen erforderlichen Informationen am ehesten verfügbar sind. Es wäre jedoch verfehlt, das Optimum stets dann als erreicht anzusehen, wenn die Durchsetzungsinitiative jeweils beim sachnächsten Ak­ teur und damit in größtmöglicher Nähe zu den maßgeblichen Informationen angesiedelt ist. Wie gesehen, gewährleisten Sachnähe und auch unmittelbare Be­ troffenheit keineswegs zwingend hinreichende Anreize für die Einleitung von Maßnahmen zur Normdurchsetzung. Die Gestaltungsaufgabe für den Gesetz­ geber läßt sich damit schon grundsätzlich nicht einseitig zugunsten der privaten Normdurchsetzung lösen. Seine Entscheidung muß vielmehr unterschiedliche Faktoren, darunter neben der Verfügbarkeit der erforderlichen Informations­ grundlage auch die positiven und negativen Anreize der potentiell zur Norm­ durchsetzung berufenen Akteure und sonstige finanzielle und organisatorische Einflüsse und Restriktionen, abwägen, um eine hinreichend verläßliche Wir­ kung zu erzielen. Die zentrale Rolle der Informationsbasis als Voraussetzung für die Effektivität des jeweiligen Durchsetzungsmechanismus bleibt davon un­ berührt: Verfügt der jeweilige Träger der Durchsetzungsinitiative und Durch­

691   Dies läßt sich rechtsordnungsübergreifend für praktisch alle Formen der Normdurch­ setzung verallgemeinern, vgl. Kern, ZZPInt 12 (2007), 351, 370. 692   Wiederum zutr. Kern, ZZPInt 12 (2007), 351, 370, gegen Versuche, die Funktionsvor­ aussetzungen der privaten Normdurchsetzung einerseits und hoheitlicher Durchsetzungs­ mechanismen andererseits auf das Verhältnis der jeweiligen Verfahrenskosten zu den finanzi­ ellen Konsequenzen zu Lasten des Normadressaten zu reduzieren.

D.  Normdurchsetzung und Normwirkungen

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setzungslast nicht über hinreichende Informationen, wird die mit seiner Tätig­ keit verknüpfte Absicherung der jeweils berührten objektiv-rechtlichen Vorga­ ben beschränkt bleiben.

2. Kapitel

Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente Das Spektrum der privatisierten bzw. privaten und teilprivatisierten Regulie­ rung ist ebenso breit wie heterogen: Läßt man mit dem hier vorgeschlagenen Ansatz die gezielte Einflußnahme auf das Verhalten privater Akteure in funk­ tionaler Hinsicht als übergreifendes Bestimmungsmerkmal regulatorischer Steuerung genügen, so fallen darunter so unterschiedliche Phänomene wie die individualvertragliche Festlegung von Rechten und Pflichten, z. B. durch Ge­ staltung von Kreditverträgen und verbandsrechtlichen Satzungen bzw. Gesell­ schaftsverträgen, aber auch die der staatlichen Gesetzgebung näherstehende private Regelsetzung in Gestalt abstrakt-genereller Regelwerke, z. B. Corpora­ te-Governance-Kodizes. Private Regulierung im hier verwendeten Sinne be­ schränkt sich mithin gerade nicht auf private Normen, also die von privaten Akteuren formulierten abstrakt-generellen Regeln,  auf die sich die bisherigen Untersuchungen der Probleme privater Regulierung meist konzentrieren. Aus­ zuschließen von der weiteren Untersuchung sind, weil nicht mit einer gezielten, also planvoll gestalteten Einflußnahme im Sinne der Einschränkung von Ver­ haltensoptionen oder der positiven Vorgabe konkreter Verhaltensweisen ver­ bunden, lediglich rein marktinduzierte Steuerungsmechanismen sowie die ver­ haltenssteuernden Wirkungen sozialer Normen. Vorliegend wirft das damit umrissene, weite Spektrum bereits in tatsächlicher Hinsicht Schwierigkeiten auf. Die Einzelprobleme privater und teilprivatisierter Regulierung können schon mit Blick auf die kaum begrenzbare Materialfülle vorliegend nicht auch nur annähernd vollständig ausgelotet werden. Auch inhaltlich bestehen zwi­ schen den Formen der individuellen Rechtsgestaltung einerseits und der priva­ ten Regelsetzung andererseits gravierende Unterschiede, die einen Detailver­ gleich im hier gesetzten Rahmen wenig sinnvoll erscheinen lassen. Dennoch muß jeder Versuch, Erkenntnisse über Funktionsvoraussetzungen und Funkti­ onsweise gesetzlicher Regulierung zu ermitteln, die Gestaltungsmuster, Funk­   Oben, 1. Teil, 2. Kap., sub A. I. (S. 36  ff.).   Vgl. insoweit bereits die treffende Definition bei Augsberg, Private Rechtsetzung zwi­ schen Staat und Gesellschaft, S. 36  f.; wenn im folgenden von den „Produkten“ privater Regu­ lierung die Rede ist, werden die in privaten Regelwerken formulierten abstrakt-generellen Lösungen als „private (bzw. teilprivatisierte) Normen“ bezeichnet; im Unterschied dazu ist von vertraglichen Regelungen die Rede, wenn es sich um individuell-konkrete Abreden han­ delt.    Zu diesen schon oben, 1. Kap., sub D. III. 1. b) bb) (S. 221  ff.).  

2. Kapitel: Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente

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tionsvoraussetzungen und Funktionsweise privater und teilprivatisierter Re­ gulierung zumindest als Folie heranziehen. Dies ergibt sich schon aus dem Um­ stand, daß gesetzliche Regulierung und private Gestaltung als Einflußfaktoren auf menschliches Verhalten (auch) im vorliegend untersuchten Referenzgebiet notwendig stets zusammenwirken. Damit ist zugleich eine inhaltliche Be­ schränkung auf diejenigen Aspekte geboten, hinsichtlich derer private und teil­ private Regulierung in regulierungstechnischer Hinsicht von der gesetzlichen Regulierung abweichen. Ein weitergehender Anspruch wird nicht verfolgt und ist mit Blick auf jüngere Arbeiten, die die Probleme privater Steuerungsformen umfassend untersucht haben, auch verzichtbar. Ausgeklammert bleiben damit insbesondere Fragen der Legitimation und des Geltungsgrunds privater Regel­ setzung einschließlich ihrer verfassungsrechtlichen Bezüge. Zu ermitteln ist allein, inwieweit mit der vollständigen (private Regulierung) oder teilweisen (teilprivatisierte Regulierung) Delegierung von Regulierungsverantwortung vom Gesetzgeber auf private Akteure Unterschiede in funktionaler Hinsicht einhergehen. Dazu werden nachfolgend zunächst die relevanten Erscheinungs­ formen privater und teilprivatisierter Regulierung systematisiert (unten A.). Ein Blick auf die Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise beider Er­ scheinungsformen indiziert erhebliche Unterschiede, teilweise aber auch Ge­ meinsamkeiten (unten B.). Wichtige Aspekte in dieser Hinsicht sind bereits im Zusammenhang mit der Diskussion der Funktionsmerkmale dispositiven Ge­ setzesrechts angeklungen und müssen nurmehr vertieft werden. Als Kehrseite    Grundlegend zur Theorie der privaten Regelsetzung monographisch aus zivilrechtlicher Sicht Bachmann, Private Ordnung, passim; aus staatsrechtlicher Sicht Augsberg, Rechtset­ zung zwischen Staat und Gesellschaft, passim; siehe auch Hohl, Private Standardsetzung, passim; Hommelhoff/Schwab, in: FS Kruse, 2001, 693  ff., Köndgen, AcP 206 (2006), 478  ff.; Mertens, AG 1982, 29  ff.; aus internationaler Perspektive die Beiträge in Jansen/Michaels (Hrsg.), Beyond the State: Rethinking Private Law, 2008; aus der US-amerikanischen Rechts­ theorie Di Robilant, 54 Am. J. Comp. L. 499, 507  ff. (2006); rechtshistorisch Meder, Ius non scriptum – Traditionen privater Rechtsetzung, 2008; zu Problemen der Regelbildung im transnationalen Wirtschaftsrecht Zumbansen, Neither ‚Public‘ Nor ‚Private‘, passim. Rich­ tungsweisend für das moderne Verständnis privater Rechtsetzung Großmann-Doerth, Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft und Staatliches Recht, 1933, passim. Speziell zu den Problemen privater Rechnungslegungsstandards, aber in vielem verallgemeinerungsfähig in­ soweit Staub/Hommelhoff/Schwab, § 342 Rn. 12  ff., 82  ff., und schon dies., BFuP 1998, 38  ff. Zu den Rechtsproblemen der privaten Regulierung in Gestalt der Festlegung von Covenants in Fremdfinanzierungsverträgen monographisch Servatius, Covenants, passim; siehe auch be­ reits Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 136–163; Kästle, Covenants, passim.    Siehe dazu und zu den auch verfassungsrechtlich geforderten gesetzlichen Vorgaben in­ soweit besonders Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 83  ff.; Bachmann, Private Ordnung, S. 58  ff. („Selbstregulierung als verfassungsrechtliches Problem“), 111  ff. (Legitimation privater Gestaltung im Verbandsrecht), 126  ff. (Legitimation allgemeiner Geschäftsbedingungen), 159  ff. („Legitimation von Regeln“ allgemein); Hohl, Private Stan­ dardsetzung, S. 64  ff., 151  ff.; Jansen/Michaels, in: dies. (Hrsg.), Beyond the State: Rethinking Private Law, S. 69, 101  ff., 107  ff.; Rödl, ebd., S. 323  ff.; vgl. auch Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 521  ff.

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2. Kapitel:  Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente

möglicher Effektivitätsvorteile der privaten im Vergleich zur gesetzlichen Re­ gulierung erweisen sich Probleme des Ausgleichs unterschiedlicher Interessen, die allein mit den Instrumenten der privaten oder teilprivatisierten Regulierung regelmäßig nicht bewältigt werden können (unten C.). In der Gesamtschau prä­ sentieren sich private und teilprivatisierte Regelung damit weniger als vollstän­ diges Substitut für gesetzliche Regulierung als vielmehr als teilweise funktions­ äquivalentes Komplementärelement hierzu (unten D.)

A.  Typologie privater und teilprivatisierter Regulierungsinstrumente Eine Grobeinteilung der – sehr unterschiedlichen und damit von vornherein nur bedingt systematisch erfaßbaren – Erscheinungsformen für die vorliegend verfolgten Zwecke  hat sich zunächst um eine Abgrenzung zwischen beiden Kategorien der privaten und der teilprivatisierten Regulierung (unten I.) zu be­ mühen. Dabei ist vor allem für die private Regulierung weiter zu unterscheiden zwischen den Kategorien individueller Regulierung einerseits und der abstrak­ ten privaten Regelsetzung andererseits. Gerade aus der Perspektive der vorlie­ genden Untersuchung von großem Interesse ist die allen Erscheinungsformen privater und teilprivatisierter Regulierung gemeinsame Tendenz zu einer im Vergleich mit der gesetzlichen Regulierung ungleich geringeren formalen Vari­ anz vor allem auf der Ebene der Wahl der Regulierungsinstrumente (unten II.).

I.  Private und teilprivatisierte Regulierung „Private Regulierung“ in der hier verwendeten Terminologie beschreibt die au­ tonome Regulierung eines Sachverhalts durch private Akteure in eigener Ver­ antwortung in Fällen, in denen der Gesetzgeber ausdrücklich (z. B. im Wege eines Regelungsauftrags) oder implizit (z. B. durch einfaches Unterlassen einer    Abweichend aber die Typenbildung in der tiefgründigen Untersuchung von Augsberg, Private Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 126  ff.: „‚verstaatlichte‘ private Normsetzung“ (darunter öffentlich-rechtliche Satzungen, Normsetzung durch die Wirt­ schaftsprüferkammer und durch die Frankfurter Wertpapierbörse), S. 173  ff.: „staatliche Rechtsnormsetzung unter Inbezugnahme privater Normen“ (darunter Fälle der Inkorporati­ on privater in staatliche Regeln und Fälle der – statischen oder dynamischen – Verweisung auf private Regelwerke), S. 227  ff.: „private Rechtsetzung innerhalb einer staatlichen Rahmenord­ nung“ (darunter verbands- und vertragsrechtliche Formen privater Regelsetzung), schließlich S. 278  ff.: „private Normsetzung ohne Rechtsverbindlichkeit“. Im hiesigen Zusammenhang erscheint demgegenüber eine Trennung nach dem Ausmaß der inhaltlichen Unabhängigkeit, sodann nach der Reichweite des Geltungsanspruchs (Vertrag einerseits, privates Regelwerk andererseits) fruchtbarer.    Siehe dazu noch näher unten, 2. Abschn., 2. Kap., sub B. (S. 352  ff.).

A.  Typologie privater und teilprivatisierter Regulierungsinstrumente

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gesetzlichen Lösung) auf den regulierenden Eingriff durch Gesetzesrecht ver­ zichtet hat (unten 1.). Das in funktionaler Hinsicht entscheidende Abgren­ zungskriterium zur gesetzlichen Regulierung ist darin zu erblicken, daß die je­ weilige Problemlösung bei der privaten Regulierung allein auf privater Sach­ kompetenz beruht. Hierin liegt zugleich ein Unterschied zu den verschiedenen Formen der teilprivatisierten Regulierung im hier zugrundegelegten Verständ­ nis: Diese zeichnen sich dadurch aus, daß der Gesetzgeber wesentliche materiale Leitlinien vorgibt und damit die Beteiligung der privaten Akteure von vornher­ ein auf die Ausfüllung eines gesetzlichen Rahmens beschränkt sind (unten 2.). Private Regulierung beruht mithin auf umfassender, teilprivatisierte Regulie­ rung auf vorkonturierter und damit eingeschränkter inhaltlicher Freiheit. Nicht entscheidend kann dagegen sein, inwieweit die unmittelbare Initiative zum je­ weiligen Regulierungsakt vom Gesetzgeber oder von den jeweiligen privaten Akteuren ausgegangen ist: Der gesetzliche Auftrag zur privaten Regelsetzung bedeutet noch keine Beeinflussung der jeweiligen materiellen Lösung. Diese Kriterien beschreiben allerdings die Pole eines Kontinuums und nicht trenn­ scharf zu unterscheidende Kategorien: Wie schon die Diskussion dispositiver Normen deutlich gemacht hat,  liegt es beim Gesetzgeber zu entscheiden, wie weit oder eng der Spielraum für die durch dispositives Recht zugleich ermög­ lichte und präformierte private Gestaltung gezogen wird. Dies läßt sich verall­ gemeinern für alle Fälle, in denen Gesetzesrecht die Spielräume für privatauto­ nome Gestaltung definiert – und gilt damit letztlich für alles privatautonom gestaltete Recht. Die Unterscheidung zwischen der privaten und der teilprivati­ sierten Regulierung ist somit gradueller Natur, was die Einordnung solcher ver­ traglicher Gestaltungen erschweren kann, die auf der Grundlage eines umfas­ senden Systems dispositiver Vorschriften des Gesetzesrechts gewonnen worden sind.

1.  Private Regulierung Kennzeichnend für die private Regulierung im hier verwendeten Sinn ist, daß Wertungen des Gesetzgebers für die jeweilige Problemlösung allenfalls inso­ weit eine Rolle spielen, als die allgemeinen Grenzen privater Gestaltungsfreiheit – etwa im Grundsatz von Treu und Glauben – auch bei der privatautonomen Gestaltung zu beachten sind. Klar dieser Gruppe zuzuordnen sind zunächst die praxisüblichen Formen der vertraglichen Bedingungen für die Fremdkapitalfi­ nanzierung (unten a)). Damit kontrastieren die typischerweise ungleich restrik­ tiver ausgestalteten Möglichkeiten, die Konditionen der Eigenkapitalfinanzie­ rung in Satzungen bzw. Gesellschaftsverträgen zu gestalten (unten b)). Im Ver­   Oben, 1. Kap., sub B. II. 3. b) bb) (S. 103  f.).



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2. Kapitel:  Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente

gleich dazu weniger stark durch gesetzliche Vorgaben konturiert sind die eben­ falls der privaten Regelsetzung zuzurechnenden Beispiele privater Regelsetzung in Gestalt von Kodizes oder ähnlichen Sammlungen von Standards (unten c)). a)  Vertragsbedingungen für die Fremdkapitalfinanzierung Die mit der Fremdkapitalfinanzierung einhergehenden Rechte und Pflichten beruhen bekanntlich in wohl allen relevanten Rechtsordnungen weitestgehend auf privatautonomer Gestaltung. Ausnahmen sind lediglich die gesetzlichen Vorgaben für die Rechtsposition der Gläubiger in notleidenden Anleihen nach dem Schuldverschreibungsgesetz, die sich aus dem jeweils anwendbaren Insol­ venzrecht ergebenden Beschränkungen der Gläubigerrechte in der Unter­ nehmensinsolvenz und die kapitalmarktrechtlichen Transparenzpflichten. Um­ fassende gesetzliche Vorgaben für alle Einzelaspekte der Fremdkapital­ finanzierung, die auch nur annähernd der Regulierung der verbandsrechtlichen Rechtsposition der Gesellschafter vergleichbar wären, existieren nicht. Die Ausgestaltung der jeweiligen Finanzierungskonditionen durch Vertrags- und Anleihebedingungen bietet auch deshalb ein besonders anschauliches Beispiel für Leistungsfähigkeit und Funktionsmerkmale privater Regulierung, weil hier die Grenzen zwischen individueller Gestaltung und marktinduzierten Standar­ disierungstendenzen vielfach verfließen und damit die für die private Regulie­ rung charakteristische Rolle von Marktentwicklungen als Motor der Regelbil­ dung besonders deutlich werden. Exemplarisch zeigen dies etwa die am Markt etablierten Vertragsmuster für Kreditkonditionen. Mit zunehmendem Einfluß anglo-amerikanischer Finanzierungspraktiken gewinnen zudem auch hierzu­ lande nicht nur für das Anleihe-, sondern auch das Bankkreditgeschäft und mo­ derne Formen der Hybridkapitalfinanzierung sog. (financial)10 covenants als international inzwischen weithin etablierter Standard an Bedeutung. Sie räu­ men dem jeweiligen Finanzierungsgeber weit über die Ausgestaltung der Fi­ nanzierungskonditionen im engeren Sinn (Betrag, Zins, Laufzeit, etc.) umfas­ sende Sicherungs- und Kontrollrechte ein11 und versuchen, die Gläubiger insbe­    Vgl. z. B. Wenzel, in: BuB, Rn. 4/287  ff. (Sicherheitenpoolvertrag); Wittig, ebd., Rn. 4/1153 (Sicherheitenbestellung). 10   Die Terminologie schwankt; überwiegend werden unter den Begriff der financial covenants ausschließlich bilanzinduzierte Restriktionen subsumiert, während der Begriff der Covenants die Sicherungsrechte insgesamt bezeichnet; vgl. z. B. Kästle, Covenants, S. 62; Servatius, Covenants, S. 39  ff. 11   Vgl. aus dem englischsprachigen Schrifttum allgemein Gooch/Klein, Loan Documenta­ tion, S. 62  ff.; Bratton, EBOR 7 (2006), 39  ff.; Drukarczyk/H. Schmidt, in: Hopt u. a. (Hrsg.), Comparative Corporate Governance, S. 7, 59  ff.; Enriques/Macey, 86 Cornell L. Rev. 1165, 1172, 1188  ff. (2001); McDaniel, 41 Bus. Law. 413, 416  ff. (1986); Smith/Warner, 7 J. Fin. Econ. 117  ff. (1979); Press/Weintrop, 12 J. Acc. & Econ. 65  ff. (1990); vergleichend zur Gestaltungs­ praxis in den USA, dem Vereinigten Königreich und in Deutschland Leuz/Deller/Stubenrath, 28 J. Acc. & Bus. Res. 111  ff. (1998); aus der deutschsprachigen Literatur Alberth,

A.  Typologie privater und teilprivatisierter Regulierungsinstrumente

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sondere durch rechnungslegungsinduzierte Begrenzungen für Finanzierungs­ entscheidungen zu schützen.12 Derartige Gestaltungsmuster sind ein Kernbe­ standteil der privat gestalteten Corporate-Governance-Mechanismen, deren Stellenwert als Funktionsäquivalent zu gesetzlichen Anforderungen an die Or­ ganisations- und Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften vor allem in der Theorie der Unternehmensfinanzierung (Corporate Finance) in jüngerer Zeit zu recht hervorgehoben worden ist.13 In sämtlichen dieser Gestaltungsmuster ist das Merkmal der inhaltlich freien privaten Problemlösung voll realisiert. Der Einfluß des Gesetzesrechts beschränkt sich darauf, einerseits mit dem allgemei­ nen Vertragsrecht das Instrumentarium für die privatautonome Gestaltung zur Verfügung zu stellen und andererseits (insbesondere im Insolvenzrecht) die Grenzen für Beeinträchtigungen der Rechte Dritter durch entsprechende Ge­ staltungen zu ziehen. Als Folie für die Untersuchung gesetzlicher Regulie­ rungsinstrumente und Regulierungsstrategien sind die praxisüblichen Muster von financial covenants besonders geeignet, weil und soweit sie vielfach – etwa in Gestalt bilanzinduzierter Grenzen für Finanzierungsentscheidungen – ge­ setzliche Regulierungsprogramme nicht nur in formaler, sondern auch in mate­ rialer Hinsicht nachbilden. b)  Rechte und Pflichten der Eigenkapitalgeber: Satzung bzw. Gesellschaftsvertrag In deutlichem Kontrast zur Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf die Fremdka­ pitalfinanzierung steht die Ausgestaltung der mit der Eigenkapitalfinanzierung verbundenen Rechte und Pflichten von Finanzierungsgebern und Finanzie­ rungsnehmern. Selbst in Rechtsordnungen, die umfassende Gestaltungsfreiheit einräumen, z. B. in den generell permissiv („enabling“)14 orientierten Gesell­ schaftsrechten der US-amerikanischen Bundesstaaten, sind der Bestand der zwingend zu beobachtbaren Grenzen der Gestaltungsfreiheit und die Zahl po­ tentiell regulatorisch wirkender dispositiver Normen für die Eigenkapitalfi­ Wpg. 1997, 744  ff.; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 136  ff.; ders., in: Hart (Hrsg.), Privatrecht im Risikostaat, 1997, S. 43  ff.; Gauch, Credit Covenants, S. 20  ff.; Kästle, Covenants, S. 48  ff. (mit Beispielen im Anhang, S. 239  ff.); Köndgen, in: Prütting (Hrsg.), Insolvenzrecht 1996, S. 127  ff.; Servatius, Covenants, S. 32  ff. und passim; zu Einzelfragen ferner Fleischer, ZIP 1998, 313  ff. (Covenants und Kapitalersatzrecht); Hoffmann, ZBB 2007, 413  ff. (Covenants bei Akquisitionskrediten); Thießen, ZBB 1996, 19  ff.; Weitnauer, ZBB 2005, 1443  ff. (Co­ venants und AGB-Kontrolle); Wittig, WM 1996, 1381  ff.; ders., in: BuB, Rn. 4/3139  ff. (Co­ venants in der deutschen Kreditpraxis). 12   Speziell zu diesem Aspekt neben den Nachw. Fn. 11 etwa Begley/Freedman, 18 Acc. Hor. 81  ff. (2004); Duke/Hunt, 12 J. Acc. & Econ. 45  ff. (1990); Enriques/Macey, 86 Cornell L. Rev. 1165, 1188  ff. (2001); Leftwich, 58 Acc. Rev. 23  ff. (1983); deutsch Alberth, ZfB 68 (1998), 803  ff.; vgl. auch Merkt, ZGR 2004, 305, 313  f. und 321. 13   Eingehend z. B. Bratton, Duke L.J. 92, 102  ff. (1989). 14   Zur Terminologie bereits oben, 1. Kap., sub B. I. 1. (S. 65) in Fn. 47.

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2. Kapitel:  Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente

nanzierung größer als die für die Gestaltung der Fremdkapitalfinanzierung zu beachtenden Restriktionen. Im einzelnen fällt der Befund für verschiedene Rechtsordnungen und hier wiederum für verschiedene Rechtsformen allerdings durchaus unterschiedlich aus, worauf zurückzukommen ist.15 Einstweilen bleibt festzuhalten, daß die Rechte und Pflichten der Eigenkapitalgeber (nur) insoweit als Gegenstände privater Regulierung im hier verwendeten Sinne qua­ lifiziert werden können, als im jeweiligen Kontext tatsächlich Gestaltungsfrei­ heit besteht. Beruht die Existenz der Gesellschaft und damit auch der Finanzie­ rungsbeziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft zwar auf einer Satzung als Akt der privatautonomen Gestaltung, ist aber deren Inhalt durch zwingen­ des Gesetzesrecht präformiert, wie dies im deutschen Aktienrecht mit dem Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) besonders deutlich der Fall ist, so ist die Ausgestaltung des jeweiligen Pflichtenprogramms eindeutig gera­ de nicht Ausdruck privater Sachkompetenz und dieses deshalb kein Produkt privater, sondern vielmehr Resultat gesetzlicher Regulierung. c)  Private Regelwerke Strukturell unabhängiger vom Einfluß hoheitlicher Vorgaben sind dagegen wiederum die unterschiedlichen Formen privater Regelwerke, die im unter­ suchten Referenzgebiet in verschiedenen Rechtsordnungen in jüngerer Zeit für die Finanzierung kapitalmarktorierter Unternehmen erheblich an Bedeutung gewonnen haben. Damit sind insbesondere nichtstaatliche Corporate-Gover­ nance-Kodizes angesprochen, die sich seit den 1990er Jahren in zahlreichen Rechtsordnungen zum festen Bestandteil moderner kapitalmarktrechtlicher Rechtsquellensysteme entwickelt haben.16 Ebenso in diese Kategorie gehören Standards guter Unternehmensführung, die von einzelnen institutionellen In­ vestoren veröffentlicht werden, die ihrerseits deren Einhaltung zur Vorbedin­ gung für ein finanzielles Engagement machen. Beispielhaft dafür stehen etwa die öffentlich u. a. im Internet zugänglichen Standards US-amerikanischer Pen­ sionsfonds.17 Unproblematisch der Kategorie privater Regulierung im hier ver­ wendeten Sinne zuzuschlagen sind derartige Regelwerke, wenn sie weder ho­ heitlich veranlaßt noch inhaltlich durch den Gesetzgeber vorgeprägt sind. Dies

15   Zum Stellenwert zwingender Regulierung in den US-amerikanischen Gesellschafts­ rechten im Vergleich zu den europäischen Rechten noch im einzelnen unten, 3. Teil (S. 399  ff.). 16   Vgl. im Überblick etwa Hopt, in: Hommelhoff/Hopt/von Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 29, 36  ff.; Ringleb, in: ders. u. a., DCGK-Kommentar, Vorbem. Rn. 3  ff.; siehe auch Kalss, Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, S. 75  ff. 17   Prominent etwa die Corporate-Governance-Standards des kalifornischen Pensions­ fonds CalPers, vgl. dazu die Internetpräsentation www.calpers-governance.org (mit abrufba­ ren länderspezifischen Corporate-Governance-Standards).

A.  Typologie privater und teilprivatisierter Regulierungsinstrumente

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gilt beispielsweise18 für den britischen UK Corporate Governance Code (2010), der verschiedene, ihrerseits weitestgehend19 auf private Initiative entstandene Vorarbeiten aufnimmt. Deutlich stärker von hoheitlicher Initiative und inhalt­ licher Einflußnahme gekennzeichnet sind dagegen die Empfehlungen und An­ regungen des Deutschen Corporate Governance Kodex. Mit Blick auf seine Entstehung insbesondere20 aufgrund von Empfehlungen der „Regierungskom­ mission Corporate Governance“21 sowie mit Blick auf die gesetzliche Verpflich­ tung der börsennotierten Aktiengesellschaften zur Abgabe einer „Entspre­ chenserklärung“ hinsichtlich der Einhaltung der Empfehlungen des DCGK (§ 161 AktG), die nachträglich zu einer umfassenden „comply-or-explain“Pflicht im eigentlichen Sinne ausgebaut worden ist, 22 nimmt der Kodex eine Sonderstellung als zumindest staatlich initiiertes Projekt ein. Inhaltlich beru­ hen die in ihm formulierten Empfehlungen und Anregungen gleichwohl auf dem Sachverstand der in der Regierungskommission versammelten Praktiker und Wissenschaftler, 23 so daß auch sie grundsätzlich der Gruppe der privaten 18   Vgl. auch Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 497 zum insoweit ähnlich gelagerten Schweizer Kodex. 19   Die Initiative bereits für den ersten, 1991 von der sog. Cadbury Commission erarbeite­ ten britischen Corporate-Governance-Kodex war u. a. auch vom Financial Reporting Coun­ cil (FRC) ausgegangen, dessen Chairman und Vice Chairman jeweils vom staatlichen Depart­ ment of Trade and Industry und der Bank of England ernannt werden. Der damit bestehende mittelbare staatliche Einfluß ist allerdings inhaltlich kaum von großer Relevanz gewesen und reichte über die organisatorische Unterstüzung der Arbeit der jeweiligen Komitees kaum hin­ aus; vgl. stellvertretend Gower/Davies, Principles, Rn. 14–29  ff.; deutsch Hornberg, Regelun­ gen, S. 44  f., 91  f.; Zinser/Spreng, ZVglRWiss. 103 (2004), 401  ff. 20   Zu vorgelagerten, nicht staatlich beeinflußten Initiativen für die Einführung eines Ko­ dex auch in Deutschland vgl. bereits Grundsatzkommission Corporate Governance (Hrsg.), DB 2000, 238  ff.; Berliner Initiativkreis Corporate Governance, DB 2000, 1573  ff.; im Über­ blick etwa K. Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, § 161 Rn. 3; vgl. auch U. H. Schneider/Strenger, AG 2000, 106  ff.; Peltzer/von Werder, AG 2001, 1  ff. 21   Vgl. zunächst Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Gover­ nance: Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts, 2001, insbes. Rn. 5  ff.; näher Hohl, Private Standardsetzung, S. 32  ff., Hornberg, Regelungen, S. 64  ff.; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150  ff. 22   Vgl. § 161 Abs. 1 Satz 1 AktG i.d.F. des BilMoG, wonach Abweichungen nunmehr zu erklären sind. 23   Zutr. zwischen inhaltlicher Ausgestaltung und Geltungsgrund differenzierend z. B. Hornberg, Regelungen, S. 101; Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 496 („rule-making in the sha­ dow of the law“, „staatlich initiierte private Rechtssetzung, aber unter jederzeitigem staatli­ chem Widerrufsvorbehalt“); Ringleb, in: ders. u. a. (Hrsg.), DCGK-Kommentar, Vorbem. Rn. 10  ff., insbes. Rn. 13, 15; wohl auch Hüffer, AktG, § 161 Rn. 3  f.; tendenziell wie hier auch etwa Seibt, AG 2002, 249, 250 (privates Regelwerk); Seibert, ZIP 2001, 2192 (Selbstregulie­ rungsmaßnahme der unternehmerischen Wirtschaft); abweichend (vollständig staatlichem Handeln zurechenbar) etwa – deutlich überzogen – Hohl, Private Standardsetzung, S. 48  ff. (Regierungskommission als „eine der Regierung nachgeordnete, nicht rechtlich verselbstän­ digte staatliche Stelle dem Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung zuzurechnen“); vgl. in­ soweit entspr., aber mit kontroverser verfassungsrechtlicher Bewertung auch Heintzen, ZIP 2004, 1933  ff.; Seidel, ZIP 2004, 285  ff.; dens., NZG 2004, 1095; wohl auch K. Schmidt/Lutter/

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2. Kapitel:  Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente

Regulierung in der hier verwendeten Terminologie zuzurechnen sind. Gerade im Vergleich zum englischen Corporate Governance Code sind die Spielräume für private Gestaltungen im deutschen Recht indes schon mit Blick auf den Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) und das damit im deutschen Aktienrecht etablierte System überwiegend zwingender Regulierung deutlich geringer. Ungeachtet der verbleibenden inhaltlichen Freiheit für die Empfeh­ lungen und Anregungen des Kodex ist dieser damit unverkennbar an die Grup­ pe der teilprivatisierten, d. h. von vornherein nur im Rahmen konkreter materi­ aler Vorgaben freien privaten Gestaltung immerhin angenähert. Wiederum eine Sonderstellung unter den verschiedenen Erscheinungsformen privater Regulierung nehmen schließlich Empfehlungen oder (so der Regelfall) verbindliche Vorgaben ein, die von den Betreibern organisierter Kapitalmärkte zur Bedingung für die Aufnahme in bestimmte Marktsegmente erhoben wer­ den. Je nach Ausgestaltung der nationalen Börsenstrukturen handelt es sich um allein privat formulierte Regelungen 24 oder aber – wie etwa in Deutschland, 25 aber auch für das Listing an der London Stock Exchange in Gestalt der von der Financial Services Authority erlassenen „Listing Rules“26 – um die Konkretisie­ rung bzw. Ergänzung gesetzlicher Zulassungsanforderungen in Ausübung ge­ setzlich eingeräumter Kompetenzen. Bei ersteren liegt ein Fall der privaten Re­ gulierung vor, die Regelungen der zweiten Gruppe sind eher als stärker hoheit­ lich präformierte Formen der teilprivatisierten Regulierung zu qualifzieren. Im Grenzbereich zwischen der privaten und der teilprivatisierten Regulierung an­ gesiedelt sind schließlich die verschiedenen, auf nationaler und internationaler Ebene von privat verfaßten Akteuren erarbeiteten Standards für die externe Rechnungslegung, die hier aufgrund ihrer Einbettung in die gesetzlichen Vor­ gaben für die Publizität insbesondere der kapitalmarktorientierten Unterneh­ men und der damit verbunden stärkeren inhaltlichen Orientierung am gesetzli­ Spindler, AktG, § 161: „Regulierungsform zwischen (normalerweise unverbindlicher) Selbst­ regulierung, Kapitalmarkt und zwingendem Recht“ als „neues Instrument (…), dessen sich der Staat außerhalb der traditionellen Rechtsetzungsformen bedient“ (eig. Hervorhebung); ähnlich schon ders., in: VGR (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2001, S. 91, 93; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 160  ff., 164, der den Verzicht auf eine formalisierte Einbettung in das gesetzliche Regulierungsprogramm ähnlich der Regelung des § 342 HGB für die Ein­ beziehung privater Rechnungslegungsstandards kritisiert; Weiß, Hybride Regulierungsin­ strumente, S. 100  ff. (DCGK als „dem Staat zurechenbares … hybrides Regulierungsinstru­ ment“); unbestimmt Spindler/Stilz/Sester, AktG, § 161 Rn. 32  f., der lediglich den fehlenden Normcharakter der Empfehlungen und Anregungen des Kodex betont; insoweit ähnlich Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1.56. 24   Wie etwa in den USA, vgl. dazu stellvertretend Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 292. 25   Vgl. zur gesetzlichen Grundlage §§ 16 (Börsenordnung) und 48 (Rechtsgrundlagen für die Organisation des Freiverkehrs) BörsG. 26   Zur Rechtsnatur der Listing Rules als untergesetzliche Regelungen (delegated rule-ma­ king) siehe ss. 84  ff. FSMA 2000; näher etwa Gower/Davies, Principles, Rn. 1–11; deutsch Hornberg, Regelungen, S. 87  ff.

A.  Typologie privater und teilprivatisierter Regulierungsinstrumente

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chen Regulierungsprogramm der Kategorie der teilprivatisierten Regulierung zugeordnet werden.

2.  Teilprivatisierte Regulierung Anders als bei der gesetzlichen Regulierung beruht die jeweils gefundene Lö­ sung in den Fällen der teilprivatisierten Regulierung nur teilweise auf privater Sachkompetenz. Insgesamt ist sie stärker das Produkt eines hoheitlich gelenk­ ten Zusammenspiels von gesetzlicher und privater Gestaltung als das der freien Gestaltung durch private Akteure im Rahmen individueller Vertragsgestaltung oder organisatorisch wie auch immer verfaßter Regelsetzungsprozesse. Wenn­ gleich – wie ausgeführt – eine trennscharfe Abgrenzung zu den Erscheinungs­ formen der privaten Regulierung im engeren Sinne nicht möglich ist, offenbart sich darin zugleich ein wichtiger Unterschied zwischen beiden Kategorien: Private Regulierung i. e. S. verfolgt regelmäßig eigene Interessen der jeweils han­ delnden Akteure; im Rahmen der teilprivatisierten Regulierung, die der Ge­ setzgeber initiiert und inhaltlich präformiert, wird die private Sachkompetenz regelmäßig in das gesetzliche Regulierungsprogramm integriert und damit ins­ gesamt zu exogenen Zwecken instrumentalisiert.27 Für die beiden im hier untersuchten Referenzgebiet relevanten Erscheinungs­ formen trifft dieser Befund unmittelbar zu: So geht die Tätigkeit privater Gre­ mien für die Erarbeitung von Standards für die externe Rechnungslegung28 als erstes Beispiel nicht oder nicht in erster Linie auf ein rein marktinduziertes Be­ dürfnis nach harmonisierten Regelungen zurück, sondern reflektiert den Stel­ lenwert anerkannter Rechnungslegungsregeln innerhalb des gesetzlichen kapi­ talmarktrechtlichen Regulierungsprogramms, das zugleich wesentliche Leitli­ nien für den Inhalt und die Reichweite der Standards vorgibt.29 Auch inhaltlich   Auch mit Blick auf diese Erkenntnis spricht in der Tat viel dafür, daß private Regulie­ rung (i.w.S.) nicht abstrakt entweder als rein autonomes Phänomen oder als Instrument mit­ telbarer staatlicher Einflußnahme qualifiziert werden kann, sondern daß beide Aspekte je­ weils unterschiedlich stark akzentuiert sein können; vgl. zu den insoweit widerstreitenden rechtstheoretisch-rechtsphilosophischen Grundkonzeptionen mit vermittelnder Lösung etwa Dagan, in: Jansen/Michaels (Hrsg.), Beyond the State: Rethinking Private Law, S. 387, 390  ff., und dazu Teubner, ebd., S. 411  ff. 28   Also insbesondere des FASB und des IASB; besonders deutlich ist dies beim Aufgaben­ kreis des Deutschen Rechnungslegungs-Standards-Committee (sic!), dessen Aufgabenkreis und damit auch die inhaltliche Reichweite seiner Arbeitsergebnisse in der durch Art. 2 Kon­ TraG 1998 eingefügten Vorschrift des § 342 HGB überhaupt erst festgelegt wurden; vgl. dazu monographisch Paal, Rechnungslegung und DRSC, S. 33. 29   Vgl. für die USA secs. 5(a) Securities Act (Erstemission), 13 Securities Exchange Act mit Forms 10-K (Jahresbericht) und 10-Q (Quartalsbericht); dazu im Überblick Merkt, Unter­ nehmenspublizität, S. 185  f.; Pellens u. a. (Hrsg.), Internationale Rechnungslegung, S. 141  ff.; für die Europäische Union siehe insbes. die Vorgaben der Vierten und Siebten Gesellschafts­ rechtlichen Richtlinie (Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates v. 25. 7. 1978 aufgrund von 27

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2. Kapitel:  Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente

bedienen die Standards damit nicht lediglich autonome Bedürfnisse der Marktteilnehmer. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Genese der USamerikanischen Generally Accepted Accounting Principles (GAAP): Zwar ver­ lief die historische Entwicklung US-amerikanischer Rechnungslegungsregeln, im wesentlichen getrieben vom Informationsbedarf der Teilnehmer an den or­ ganisierten Kapitalmärkten, bis hinein in die 1930er Jahre tatsächlich weitge­ hend frei von staatlichem Einfluß und konnten die insbesondere auf Initiative der Wirtschaftsprüferverbände zunehmend standardisierten Praktiken in der Tat als Erscheinungsformen originär privater Regulierung qualifiziert werden. Der heutige Normenbestand ist indes inhaltlich weitestgehend durch die mit dem Securities Act 1933 sowie dem Securities Exchange Act 1934 konturierten und seither kontinuierlich präzisierten Informationsbedürfnisse hoheitlich ge­ prägt worden, was den Charakter der GAAP als Produkt der teilprivatisierten Regulierung klar hervortreten läßt.30 Ebenso klar auch auf der materiellen Ebe­ ne gesetzlich vorgegeben sind aber auch die vom DRSC aufgrund der Auf­ gabenzuweisung in § 342 Abs. 1 HGB entwickelten Rechnungslegungsgrund­ sätze. Zwar ist das DRSC und insbesondere der als sein Kernbestandteil einge­ richtete Deutsche Standardisierungsrat (DSR) gesetzlich zur Unabhängigkeit verpflichtet (§ 342 Abs. 1 Satz 2 HGB).31 Doch ist schon mit Blick auf die Aufga­ bendefinition in § 342 Abs. 1 Satz 1 HGB, erst recht aber vor dem Hintergrund der in dem sog. „Standardisierungsvertrag“32 zwischen DRSC und Bundesmi­ nisterium der Justiz vorgenommenen Abstimmung auf der Grundlage des § 342 Abs. 1 Satz 1 HGB kaum zu verkennen, daß der Gesetzgeber auf die Ausgestal­ tung der Standards durchaus auch materiell einigen Einfluß ausüben kann. Im Zusammenhang mit der Bekanntmachung der vom DRSC erarbeiteten Stan­

Art. 54 Abs. 3 Buchst. g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimm­ ter Rechtsformen, ABlEG. Nr. L 222/11, sowie Siebte Richtlinie des Rates vom 13. 6. 1989 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 des Vertrages über den konsolidierten Abschluß, ABlEG. Nr. L 193/1, beide i.d.F. der Richtlinie 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14. 6. 2000 zur Änderung der Richtlinien des Rates 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG hinsichtlich der Jahresabschlüsse, ABlEU. Nr. L 224/1); zum Ganzen Merkt, Unternehmenspublizität, S. 140  ff. 30   Vgl. zur Entwicklung Loss/Seligman, Fundamentals, S. 1  ff., insbes. S. 32  ff.; zusf. (unter Konzentration auf die Entwicklung der Publizitätspflichten) Merkt, Unternehmenspublizi­ tät, S. 117  ff. Zur Entwicklung der Rechnungslegungsgrundsätze in den USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts näher Previts/Merino, History of Accountancy, S. 207  ff. (Jahr­ hundertwende bis Anfang der 1920er Jahre), 259  ff. (1920er Jahre), 273  ff. (Entwicklung ein­ heitlicher Standards unter dem Einfluß der Securities Laws). 31   Vgl. § 8 Abs. 4 DRSC-Satzung; § 1 DSR-GeschO; § 1 Abs. 1 Satz 2 des „Standardisie­ rungsvertrags“; zum Ganzen MünchKomm/Ebke/Paal, HGB, § 342 Rn. 10; Staub/Hommelhoff/Schwab, HGB, § 342 Rn. 45  ff. 32   Abrufbar unter www.drsc.de/ger/gasc/_tasks.html; vgl. dazu auch Staub/Hommelhoff/ Schwab, HGB, § 342 Rn. 22; Paal, Rechnungslegung und DRSC, S. 33, 50  f., 60  f., 90.

A.  Typologie privater und teilprivatisierter Regulierungsinstrumente

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dards im Bundesanzeiger nach § 342 Abs. 2 HGB soll dies auch verfassungs­ rechtlichen Erfordernissen Rechnung tragen.33 Entsprechendes gilt – zweitens – auch für die bereits erwähnten, von den Standesorganisationen der Abschlußprüfer erarbeiteten Regelwerke zu Fragen der Prüfungspraxis und Bewertung der Rechnungslegung. In Deutschland sind dies insbesondere die sog. Prüfungsstandards des Instituts der Wirtschaftsprü­ fer (IDW),34 die – in Rezeption der aus der Verbandsarbeit der International Federation of Accountants hervorgegangenen International Standards on Audi­ ting (ISA) 35 – nicht allein Leitlinien für die praktische Prüfungstätigkeit formu­ lieren. Jedenfalls teilweise konkretisieren sie zugleich den den Abschlußprüfern in Ausübung ihrer Tätigkeit eröffneten Beurteilungsspielraum für Bilanzie­ rungsentscheidungen und strahlen damit zumindest indirekt auch auf das ge­ sellschaftsrechtliche Pflichtenprogramm aus.36 Die gesetzliche Aufgabe der Überprüfung der Unternehmensrechnungslegung im Hinblick auf ihre Verein­ barkeit mit zumindest partiell offen formulierten bilanzrechtlichen Vorgaben ist daher nicht nur ein Auftrag zur Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen der teilprivatisierten Normdurchsetzung.37 Sie läßt sich mit Blick auf die gesetz­ geberische Zurückhaltung bei der Konkretisierung der jeweiligen Anforderun­ gen vielmehr zugleich teilweise als – verfassungsrechtlich sicher nicht unproble­ matischer – Auftrag zur weiteren (wenn auch inhaltlich recht eng präformierten) Konkretisierung der gesetzlichen Vorschriften interpretieren. Der Charakter der teilprivatisierten Regulierung als Instrumentalisierung privaten Sachver­ stands zur Vervollständigung gesetzlicher Regulierungsprogramme tritt darin besonders deutlich zutage. 33   Vgl. dazu eingehend Staub/Hommelhoff/Schwab, § 342 Rn. 94  ff. (mit deutlicher Kritik an der Ausgestaltung). 34   Zum rechtlichen Stellenwert der IDW-Prüfungsstandards kontrovers einerseits (keine Rechtsnormqualität) MünchKomm/Spindler, AktG, § 91 Rn. 27 („nur mit Vorbehalten anzu­ erkennen“); Hommelhoff/Mattheus, in: Dörner u. a. (Hrsg.), Praxis des Risikomanagements, 2000, S. 6, 33  f.; allgemein MünchKomm/Ebke, HGB, § 323 Rn. 27; andererseits – sehr weitge­ hend – Preußner/Becker, NZG 2002, 846, 848 (Prüfungsstandards als verbindlicher Maßstab für die Auslegung der von den Abschlußprüfern zu beurteilenden gesellschaftsrechtlichen Pflichten); offen Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, 2003, S. 237  f. 35   Vgl. dazu näher Merkt, FS Wymeersch, 2009, S. 244  ff.; eingehend auch Köhler/Merkt/ Böhm, Evaluation of the Possible Adoption of International Standards on Auditing (ISAs) in the European Union, Studie im Auftrag der Kommission vom 12. 6. 2009. 36   Besonders deutlich wird dies etwa in den Aussagen der IDW-Prüfungsstandards zur Qualität der von § 91 Abs. 2 AktG geforderten internen Risikokontrolle, deren Bewertung bei börsennotierten Gesellschaften nach § 317 Abs. 4 HGB Gegenstand der Abschlußprüfung ist und nach § 321 Abs. 4 HGB im Prüfungsbericht besonders dokumentiert werden muß; siehe IDW, Prüfungsstandard: Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach § 317 Abs. 4 HGB (IDW PS 340), Wpg. 1999, 658  ff.; IDW, Prüfungsstandard: Die interne Kontrolle im Rahmen der Abschlussprüfung (IDW PS 260), Wpg. 2001, 821  ff., und dazu bereits Binder, ZGR 2007, 745, 749  f., 782. 37   Dazu bereits oben, 1. Kap., sub D. III. 2. c) (S. 230  f.) und IV. 3. (S. 245  ff.).

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2. Kapitel:  Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente

II.  Geringe formale Varianz als übergreifendes Charakteristikum privater und teilprivatisierter Regulierung Angesichts der soeben im Überblick vorgestellten, ausgesprochen heterogenen Erscheinungsformen privater und teilprivatisierter Regulierung ist der Befund geringer formaler Varianz der privaten und teilprivatisierten Regulierung im Hinblick auf die jeweils verwendeten Regulierungsinstrumente ebenso auffäl­ lig wie aus der Perspektive der modal orientierten Normanalyse aufschlußreich. Schon konzeptionell nicht anwendbar ist hier die Unterscheidung zwischen dis­ positivem und zwingendem Recht: Private Regulierung in Vertragsform ist stets insofern „zwingend“, als damit die Rechte und Pflichten der Parteien verbind­ lich festgelegt werden soll; sie ist zugleich „dispositiv“, wenn und soweit sich die Parteien auf Vertragsänderungen einlassen. Private Regelwerke sind regelmäßig „zwingend“ nur insofern, als sich private Akteure deren Geltung verbindlich unterwerfen; sie sind „dispositiv“ insofern, als es prinzipiell jedem Akteur un­ benommen bleibt, dies nicht zu tun.38 Hier liegen aus regulierungstechnischer Sicht die wesentlichen grundsätzlichen Unterschiede zwischen gesetzlicher und privater Regulierung; in dieser Hinsicht sind private und gesetzliche Regulie­ rung schon phänotypisch jeweils ein aliud.39 In formaler Hinsicht dominiert im übrigen ungeachtet aller Divergenzen zwischen unterschiedlichen Regelungsgegenständen und rechtskulturellen Hintergründen in den oben erwähnten Beispielen privater und teilprivatisierter Regulierung durchweg die Regelform. Privat gesetzte Regeln weisen regelmä­ ßig hohe formale Realisierbarkeit auf, während die Standardform eine geringe Rolle spielt. Dies bedeutet nicht, daß stets auf die Verwendung offener Rechts­ begriffe verzichtet würde, doch bleibt deren Zahl meist gering. Standards von extrem geringer formaler und hoher materialer Realisierbarkeit, etwa general­ klauselartige Tatbestände, finden sich kaum.40 Eine Erklärung könnte darin lie­ 38   Zu den – als solchen hier nicht näher interessierenden – Möglichkeiten der Anpassung privater Regulierung an gewandelte äußere Bedingungen und/oder geänderte Bewertungen der Akteure Bachmann, Private Ordnung, S. 399  ff.; für die aufgrund gesetzlicher Regelungs­ aufträge formulierten Regeln auch Beier, Regelungsauftrag, S. 155  ff. 39   Vgl. dazu näher bereits Bachmann, Private Ordnung, S. 359  ff. 40   Wenn überhaupt, so sind Klauseln nachweisbar, in denen sich eine Partei Befugnisse zur nachträglichen Konkretisierung von Pflichteninhalten einräumen läßt, die aber dieser Partei gerade zum Ausgleich für Unsicherheiten über künftig zu erwartende Risiken dienen; cha­ rakteristisch insoweit das bei E. A. Bernstein, 74 Or. L. Rev. 189, 222  f. (1995), berichtete Bei­ spiel einer offen gehaltenen acceleration clause als Bestandteil von loan agreements (repay­ ment demand „if bank feels insecure“). Dem im Text wiedergegebenen Befund steht auch nicht entgegen, daß private Regulierung auch darin bestehen kann, gesetzliche Standards ab­ zubedingen oder inhaltlich zu modifizieren. Regelmäßig werden gesetzliche Standards, so­ weit überhaupt zulässig, nicht durch individuell gestaltete private Vorgaben in der Standard­ form, sondern durch tatbestandlich präzisere Regelungen ersetzt; vgl. charakteristisch etwa die US-amerikanische Praxis, gesetzliche Treuepflichten abzubedingen und dazu einerseits

A.  Typologie privater und teilprivatisierter Regulierungsinstrumente

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gen, daß private Akteure bei der Gestaltung von Austauschbeziehungen und/ oder organisatorischer Strukturen daran interessiert sein werden, das von ihnen jeweils prognostizierte Sachproblem abschließend und deshalb möglichst de­ tailliert zu regeln. Wenn an anderer Stelle bereits auf die Schwierigkeiten der Formulierung umfassender Vertragsbedingungen für relationale Austauschbe­ ziehungen aufmerksam gemacht worden ist,41 ändert dies nichts daran, daß – je­ denfalls bei vollständiger Abwesenheit gesetzlicher Regelungen, auf die ergän­ zend zurückgegriffen werden könnte – die Lösung aller zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses überhaupt prognostizierbaren künftigen Probleme das Ideal darstellt. Offene Standards werden dem nicht gerecht. Auch wenn sie im Prin­ zip besser als die detaillierte tatbestandliche Aufzählung geeignet wären, einen größeren Kreis möglicher Risiken in die vertragliche Absprache einzubezie­ hen,42 ist die Formulierung derartiger Standards für vertragsgestaltende Partei­ en kaum sinnvoll, weil die mit der Standardform notwendig verbundenen Unsi­ cherheiten über künftige Auslegungsprobleme dem Bedürfnis der Parteien nach verläßlichen, kalkulierbaren Lösungen gerade nicht entgegenkommen.43 Diese Erklärung trägt zwar auf den ersten Blick nur für die vertragliche Re­ gulierung und läßt sich nicht ohne weiteres auf private Regelwerke übertragen. So ist beispielsweise für die Empfehlungen des Deutschen Corporate Gover­ nance Kodex, die häufig unbestimmte (Rechts-) Begriffe verwenden, zutreffend geurteilt worden, sie seien durchaus „principles based“.44 Gleichwohl spricht viel für die Annahme, daß private im Vergleich mit der gesetzlichen Regulie­ rung auch auf dieser Ebene generell weniger in der Lage ist, praktikable Vorga­ ben in der Standardform zu formulieren.45 Der Grund liegt vor allem darin, daß offene Standards nach den oben in der Diskussion gesetzlicher Regulierung ge­ wonnenen Erkenntnissen ihre volle Bedeutung als effektives Regulierungsin­ strument erst über längere Zeiträume hinweg im Wege der kontinuierlichen Anwendung und der damit verknüpften Konkretisierung der Normaussagen insbesondere durch Fallgruppenbildung in der Judikatur entfalten:46 Erst da­ durch gewinnen formal nur gering realisierbare Tatbestandsmerkmale und ge­ winnt damit die Normaussage insgesamt an Konturen. Zu Beginn dieses Pro­ zesses sind offene Standards von den Normadressaten in Ermangelung verfüg­ barer Erfahrungen aus der Auslegungspraxis kaum sicher einzuschätzen. (die Zulässigkeit befürwortend) Butler/Ribstein, 65 Wash. L. Rev. 1, 30 (1990) und anderer­ seits (ablehnend) Clark, 89 Colum L. Rev. 1703, 1706  ff. (1989); Coffee, 89 Colum. L. Rev. 1618, 1653  ff., 1676 (1989). 41   Oben, 1. Kap., sub B. II. 3. a) bb) (S. 96  ff.). 42   Siehe dazu nochmals oben, 1. Kap., sub C. III. 1. (S. 191  ff.). 43   Überzeugend Ayres, 59 U. Chi. L. Rev. 1391, 1405 (1992). 44   Ringleb, in: ders. u. a. (Hrsg.), DCGK-Kommentar, Vorbem. Rn. 21; vgl. auch von Werder, FS Hopt, 2010, 1471, 1478  f. 45   So pointiert bereits Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 332. 46   Oben, 1. Kap., sub C. III. 2. b) (S. 197  ff.).

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2. Kapitel:  Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente

Rechtssicherheit ist bei Standards damit allenfalls auf der Grundlage gefestigter Rechtsprechung, die ggf. durch literarische Stellungnahmen vorbereitet und er­ gänzt wird, zu erwarten. Ihr Wert liegt darin, daß sie gesetzliche Vorgaben und Erfahrungen aus der Praxis in kooperativer Weise miteinander vereinen.47 Ein derartiger kooperativer Ansatz läßt sich allein aufgrund privater Initiative kaum realisieren. Auch bei längerfristiger Handhabung offener Standards durch die Praxis bleibt im übrigen das Restrisiko, daß ein bestimmter Sachverhalt, der nicht in das Raster der etablierten Fallgruppen paßt, bei wertender Betrachtung gleichwohl unter den offenen Tatbestand subsumiert werden könnte. 48 Für pri­ vate Akteure bestehen vor diesem Hintergrund kaum Anreize, ihrerseits offene Standards neu zu formulieren und abzuwarten, welche Antworten auf offene Anwendungsfragen die Praxis über längere Zeit hinweg entwickeln wird. Hin­ zu kommt, daß privat gesetzte Standards auch in privaten Regelwerken im Un­ terschied zu gesetzlicher Regulierung geringere Aussichten haben, langfristig und in hinreichend großer Frequenz zum Gegenstand gerichtlich entschiedener Rechtsstreitigkeiten zu werden, innerhalb derer sich gefestigte, über den Ein­ zelfall hinaus beachtete Auslegungsgrundsätze herausbilden könnten. Insofern gilt das Gleiche wie für individuell ausgehandelte Verträge, bei denen es ja schon an einer über alle Einzelverträge hinweg gleichen Terminologie fehlen wird, aber auch für viele verkehrsübliche Vertragsmuster oder private Regelwerke, wenn und soweit es an einer hinreichenden Prozeßfrequenz fehlt. Die mit ihr verbundene kontinuierliche Klärung wird sich auch und gerade im Rahmen schiedsgerichtlicher Streitentscheidung keineswegs in vergleichbarem Ausmaß erreichen lassen, weil und soweit hier die Publizitätswirkung hoheitlicher Streit­ entscheidung und damit eine Grundvoraussetzung für die erforderlichen Lern­ prozesse wegfällt.49 Insofern stellen die Empfehlungen des Deutschen Corpora­ te Governance Kodex eine Besonderheit dar, weil und soweit die gesetzliche Pflicht zur Entsprechenserklärung ein Einfallstor für die gerichtliche Überprü­ fung der Einhaltung der Empfehlungen und damit zugleich für die Auslegung der hier verwendeten unbestimmten Begriffe schafft. Ob sich hieraus ein gefe­ stigter Kanon an Auslegungsgrundsätzen entwickeln wird, läßt sich einstwei­ len allerdings nicht absehen.50 Hier liegt die Annahme nicht fern, daß die Ent­   Oben, 1. Kap., sub C. I. 4. (S. 177  f.) sowie III. 2. b) (S. 197  ff.).   Zu den strukturimmanenten Unschärfen von Standards und den daraus resultierenden Unsicherheiten für den Normadressaten bereits oben, 1. Kap., sub C. III. 1. c) (S. 194  f.). 49   Dies folgt schon daraus, daß Schiedssprüche regelmäßig der Vertraulichkeit unterliegen, vgl. etwa den empirischen Überblick bei Schmidt-Diemitz, DB 1999, 369, 370; repräsentativ für entsprechende Klauseln etwa § 43 Abs. 1 der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Insti­ tution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS); Art. 30 der Schiedsgerichtsordnung des London Court of International Arbitration; Art. 43 der Internationalen Schiedsordnung der Schwei­ zerischen Handelskammern (Swiss Rules). Für diesen Hinweis danke ich meinem Kollegen PD Dr. Ulrich Schroeter. 50   Aus der bisherigen Judikatur zu § 161 AktG finden sich Aussagen zur Auslegung von 47

48

B.  Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise

267

sprechenserklärung (§ 161 AktG) im Hinblick auf offene, auslegungsbedürftige Empfehlungen in der Standardform mit einer deutlich geringeren Signalwir­ kung für den Kapitalmarkt verbunden sein könnte als im Hinblick auf konkre­ ter gefaßte Empfehlungen. Dies könnte mit entsprechenden Einbußen in der erzielbaren Steuerungswirkung verbunden sein.51 Die verschiedenen Erscheinungsformen privater Regulierung nehmen nach alledem gesetzlich festgelegte Standards zwar auf. Privat formulierte Standards existieren im untersuchten Referenzgebiet aber kaum. Dies beruht auch und gerade darauf, daß die für die Handhabung gesetzlicher Standards charakteri­ stischen Lernprozesse, die einen sicheren Umgang damit ermöglichen, bei pri­ vaten Standards nicht möglich wären. Sie setzen vielmehr die dauerhafte Ausle­ gungspraxis in hoheitlich geleiteten Zivilverfahren zwingend voraus.52 Sämtli­ che dieser Erwägungen sind auch auf die vorerwähnten Formen teilprivatisier­ ter Regulierung übertragbar und liefern damit eine tragfähige Erklärung auch für die hier bestehende Tendenz zur geringen formalen Varianz.

B.  Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise privater und teilprivatisierter Regulierungsinstrumente Der Befund formaler Unterschiede, insbesondere auch im Hinblick auf die em­ pirisch beobachtbare Neigung zur geringen formalen Varianz, schlägt die Brüc­ ke zur Untersuchung der Funktionsmerkmale privater und teilprivatisierter im Vergleich zur gesetzlichen Regulierung. Dabei ist zwischen Funktionsvoraus­ setzungen und Funktionsweise zu trennen: Hinsichtlich der Funktionsvoraus­ setzungen weist private bzw. teilprivatisierte Regulierung kaum Unterschiede zu hoheitlich gesetzten Regeln auf (unten I.). Anders verhält es sich auf der Ebe­ ne der Wirkungsweise; hier treten neben die bereits zur gesetzlichen Regulie­ rung ermittelten Eigenschaften der Regelform besondere, strukturell bedingte Wirkungsmechanismen, die insbesondere mit der Rezeption und Handhabung privater Regulierung durch die jeweiligen Urheber und Dritte verknüpft sind (unten II.).

Kodexempfehlungen lediglich in BGH, Urt. v. 16. 2. 2009 – II ZR 185/07, ZIP 2009, 460, 464  ff. (Kirch/Deutsche Bank) (zum Begriff der „aufgetretenen Interessenkonflikte“ i. S.d. Ziff. 5.5.3 DCGK); OLG München, Urt. v. 6. 8. 2008 – 7 U 5628/07 (MAN/VW) – Nichtzulas­ sungsbeschwerde zurückgewiesen durch BGH, Beschl. v. 9. 11. 2009 – II ZR 14/09) (zur Al­ tersbegrenzung nach Ziff. 5.4.1 sowie zu den Empfehlungen zur Unabhängigkeit des Auf­ sichtsrats in Ziff. 5.4.1 und 5.4.2 DCGK); keine Auslegungsprobleme behandeln dagegen etwa OLG München, Urt. v. 23. 1. 2008 – 7 U 3668/07, ZIP 2008, 742  ff.; Urt. v. 19. 11. 2008 – 7 U 2405/08 (MWG Biotech AG), ZIP 2009, 718  ff. 51   Von Werder, FS Hopt, 2010, 1473, 1478, siehe auch ebd. S. 1482. 52   Vgl. bereits Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 763 (1997).

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2. Kapitel:  Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente

I.  Funktionsvoraussetzungen privater und teilprivatisierter Regulierung Im Prinzip sind die Gestalter privater und teilprivatisierter Regulierung ver­ gleichbaren Gestaltungsproblemen ausgesetzt wie der Gesetzgeber im Rahmen der hoheitlichen Regelsetzung. Auch die oben zu den Funktionsvoraussetzun­ gen gesetzlicher Regulierung in Gestalt der Regelform gewonnenen Erkennt­ nisse sind damit grundsätzlich auf alle Formen der privaten und teilprivatisier­ ten Regulierung übertragbar.53 Dies gilt – mit Besonderheiten – vor allem für die formale Ausgestaltung der Regulierungsinstrumente und den dafür erfor­ derlichen regulierungsvorbereitenden Aufwand (unten 1.), mutatis mutandis aber auch für das Erfordernis effektiver Durchsetzungsmechanismen (un­ ten 2.).

1.  Formale Ausgestaltung und Regulierungsvorbereitung Auch privat gesetzte Regeln müssen zunächst insbesondere das jeweilige Sach­ problem tatbestandlich hinreichend klar erfassen, um die aus unpräzise gestal­ teten Anwendungsbereichen resultierenden Über- und Untersteuerungseffekte auszuschließen. Ähnlich wie die hoheitliche Regelsetzung bedürfen deshalb so­ wohl vertragliche Regulierung als auch die Regulierung in Gestalt privat pro­ mulgierter Regelwerke der vorbereitenden Problemanalyse. Diese muß ihrer­ seits eine sorgfältige Erhebung von Informationen nicht nur zum jeweiligen Sachproblem, sondern auch zu den Auswirkungen der gewählten Lösung, z. B. den damit verbundenen Anreizen für Umgehungsstrategien o.ä., einschließen. Bereits angeklungen ist, daß die (gesellschafts- oder schuld-) vertragliche Ge­ staltung von Finanzierungsbeziehungen geradezu paradigmatisch für die Pro­ bleme relationaler Austauschbeziehungen steht. Schon mit Blick auf die typi­ scherweise lange Geltungsdauer ist eine umfassende Prognose aller künftigen Risiken für die ordnungsgemäße Durchführung des vertraglichen Pflichten­ programms kaum möglich, so daß sich wirklich erschöpfende Regelungen ex ante kaum definieren lassen.54 Private Regulierung kann in diesem Zusammen­ hang dann Vorteile für sich beanspruchen, wenn es für ein bestimmtes Regulie­ rungsproblem gerade auf die Verfügbarkeit lokaler Information ankommt.55 Dies setzt allerdings voraus, daß sich die jeweils sachnächsten Akteure am Zu­ standekommen der Sachlösung tatsächlich beteiligt haben – und damit erst recht, daß sie sich überhaupt daran beteiligen konnten. Die bloße Möglichkeit   Vgl. in diesem Sinne auch bereits Goetz/Scott, 73 Cal. L. Rev. 261, 264  ff. (1985).   Oben, 1. Kap., sub B. II. 3. a) bb) (S. 97). 55   Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1718, 1731 (1989). 53

54

B.  Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise

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zur Teilnahme reicht dabei nicht aus. Vielmehr ist durchaus denkbar, daß auch bei rechtlich an sich gegebenen Mitwirkungsmöglichkeiten die wirtschaftlichen Anreize fehlen, um diese Möglichkeiten tatsächlich auszunutzen (Problem der rationalen Apathie). Exemplarisch zeigt dies etwa der geringe Einfluß eines ein­ zelnen Akteurs in einer multipolaren Interessenlage, z. B. eines Kleinaktionärs im Gesamtgefüge der Anteilseigner einer Publikumskapitalgesellschaft.56 Auch darauf wird zurückzukommen sein; einstweilen genügt der Hinweis, daß schon mit Blick auf die vergleichbaren Prognoseprobleme die verbreitete These von der Vorzugswürdigkeit privater Regulierung infolge größerer Sachnähe der je­ weiligen Akteure tatsächlich keineswegs durchweg komparative Vorteile der privaten im Vergleich mit der gesetzlichen Regulierung begründet.57

2.  Durchsetzungsmechanismen Wiederum grundsätzlich ähnlich wie die gesetzliche Regulierung setzen dane­ ben auch private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente effektive Durch­ setzungsmechanismen58 voraus. In dieser Hinsicht bestehen allerdings schon in formaler Hinsicht nur teilweise Überschneidungen zwischen beiden Grundfor­ men, teilweise aber auch erhebliche Abweichungen, die mit Unterschieden auch in der Funktionsweise einhergehen. Dem Problem der Durchsetzung gesetzli­ cher Regulierung am nächsten stehen die Erscheinungsformen der teilprivati­ sierten Regulierung (unten a)). Ungleich komplexer gestaltet sind die für private Regelwerke i. e. S. charakteristischen Durchsetzungsmechanismen (unten b)). Einfacher gelagert, aber wiederum nur bedingt mit der Durchsetzung gesetzli­ cher Regulierungsinstrumente vergleichbar ist schließlich die private Regulie­ rung in Gestalt vertraglicher Abreden (unten c)). Insgesamt erweisen sich die typischerweise mit den verschiedenen Erscheinungsformen privater Regulie­ rung einhergehenden Durchsetzungsmechanismen im Vergleich mit privaten Regulierungsinstrumenten als zugleich komplexer und weniger formalisiert (unten d)), was bereits die Brücke zur nachfolgend untersuchten Frage der Funktionsweise privater Regulierung schlägt.   Siehe bereits oben, 1. Kap., sub D. IV. 1. b) (S. 238) bei und in Fn. 656.   Zum Erfordernis einer hinreichenden Sachbereichsaufklärung und Folgenprognose, das für Regulierung aller Art gilt, sowie zu Unterschieden zwischen dem erforderlichen Auf­ wand für die Gestaltung gesetzlicher und privater Lösungen insoweit noch näher unten, 3. Kap., sub A. I. (S. 285  ff.); zu den Konsequenzen für die Allokation der Informationsverant­ wortung sub A. II. (S. 289  ff.). 58   Da es um die Effektuierung nicht nur privater Normen, sondern auch individuell-kon­ kreter privater Regelungen geht (vgl. bereits oben vor A. (S. 252) bei und in Fn. 2), wird im folgenden von „Durchsetzungsmechanismen“ anstelle des im Zusammenhang mit gesetzli­ chen Regulierungsinstrumenten verwendeten Begriffs der „Normdurchsetzungsmechanis­ men“ gesprochen. 56 57

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2. Kapitel:  Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente

a)  Teilprivatisierte Regulierung Die hier unter dem Oberbegriff der teilprivatisierten Regulierung zusammen­ gefaßten Erscheinungsformen sind auch im Hinblick auf die anwendbaren Durchsetzungsmechanismen regelmäßig in das jeweilige gesetzliche Regulie­ rungsprogramm eingebettet, dessen Konkretisierung sie dienen.59 Private Re­ gelsetzung kann dabei auch durch ausdrückliche gesetzliche Anordnung im weitesten Sinne legitimiert sein, die ggf. in formalisierten Verfahren zur gesetz­ lichen Anerkennung der privaten Regelwerke und zur Inkorporation derselben in ein gesetzliches Regulierungsprogramm bestehen kann. 60 Eine derartige Le­ gitimationsgrundlage kann dazu führen, daß sich die betreffenden Normen auch im Hinblick auf die Durchsetzungsmechanismen zwanglos und ohne An­ passungsbedarf in das gesetzliche Regulierungsprogramm einschließlich der jeweiligen Durchsetzungsmechanismen einordnen. Exemplarisch realisiert ist dies etwa in der Koexistenz von autonom entstandenen Bilanzierungsregeln des Handelsgesetzbuchs einerseits und der durch das privatrechtlich organisierte IASB erarbeiteten Internationalen Rechnungslegungsstandards andererseits, deren zwingende Geltung für die Konzernrechnungslegung kapitalmarktori­ entierter Unternehmen gemeinschaftsrechtlich vorgegeben ist (Art. 4 IAS-VO). Insgesamt hat die Aufwertung der IAS/IFRS zu rechtsnormgleichen Bestim­ mungen diese auch mit Blick auf die Durchsetzung der autonomen gesetzlichen Regulierung der Rechnungslegung systematisch gleichgestellt. 61 b)  Private Regelwerke Anderes gilt demgegenüber für die Durchsetzung der in privaten Regelwerken im hier verwendeten Sinne formulierten Pflichten, also solcher Regeln, die au­ ßerhalb gesetzlicher Regulierungsprogramme und ohne inhaltliche Beeinflus­ sung durch diese promulgiert wurden. Weil damit nicht nur ein gesetzlich zu­ mindest in allgemeinen Leitlinien vorgegebenes Pflichtenprogramm konturiert, sondern originär zumindest ergänzende Pflichten formuliert werden, kann zur Umsetzung derselben nicht auf vorgefundene Durchsetzungsmechanismen zu­ rückgegriffen werden. Daß private Regelsetzung per definitionem Ausdruck privater, gesetzlich nicht verfaßter Selbstorganisation ist, bedingt auch auf der Normdurchsetzungsebene erhebliche Abweichungen von der Durchsetzung gesetzlicher Pflichten: Gerade solche Durchsetzungsmechanismen, die nicht auf das „staatliche Zwangspotential“ zurückgreifen, lassen sich vor diesem   Vgl. allgemein schon oben sub A. I. 2. (S. 261  ff.).   Vgl. exemplarisch das Endorsement-Verfahren für Internationale Rechnungslegungs­ standards nach der EG-IAS-Verordnung (VO [EG] Nr. 1606/2002 des Europäischen Parla­ ments und des Rates vom 19. 7. 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungsle­ gungsstandards, ABlEU Nr. L 243/1). 61   Vgl. bereits Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 494. 59

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B.  Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise

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Hintergrund als unmittelbare Konsequenz der kooperativen privaten (Selbst-) Verpflichtung auf materiale Vorgaben interpretieren. 62 Werden privat formu­ lierte Regelwerke tatsächlich von den beteiligten Akteuren akzeptiert, kann dies ausschließlich auf sozialen Normen beruhen, ohne daß ein Regelverstoß je eine irgendwie formalisierte Sanktion nach sich ziehen müßte. 63 Hinsichtlich der Wirkungsweise bestehen damit Parallelen zur Anreizstruktur sozialer Nor­ men. Als besondere Sanktionssysteme sind bereits im Zusammenhang mit der Durchsetzung gesetzlicher Regulierungsinstrumente verschiedene Formen marktinduzierter, insbesondere: über den Börsenkurs marktgehandelter Finan­ zierungstitel vermittelter Sanktionen diskutiert worden. Dabei ist bereits ange­ klungen, daß diese Sanktionsform gerade als Instrument zur Durchsetzung privater Corporate-Governance-Grundsätze in Betracht gezogen wird, wäh­ rend ihr Wert als Sanktion für Verstöße gegen gesetzliche Pflichten zweifelhaft ist. 64 Ließe sich tatsächlich ein Zusammenhang zwischen der Befolgung der Empfehlungen von Corporate-Governance-Kodizes einerseits und der Börsen­ kursentwicklung empirisch feststellen, so könnte mithin auch dies als Beleg für die Hypothese zu werten sein, daß die Akzeptanz privater Regulierung per se nicht auf gesetzlichen oder sonst hoheitlichen Zwang angewiesen ist. Damit wäre allerdings nicht ausgeschlossen, daß die Effektivität privater Re­ gelwerke durch hoheitliche Anerkennung und Unterstützung auf der Ebene der Normdurchsetzung noch gesteigert und damit die Effektivität der betreffenden Regeln verbessert werden könnte. Ein Beispiel für eine solche Gestaltung bietet etwa die mit der Pflicht zur Abgabe der – nunmehr zu einer umfassenden „com­ ply-or-explain“-Pflicht im engeren Sinne ausgebauten – Entsprechenserklärung nach § 161 AktG verbundene Einbeziehung der Befolgung des DCGK in den Kreis der Gegenstände der Pflichtpublizität kapitalmarktorientierter Unter­ nehmen. Funktional handelt es sich um einen Mechanismus, der die Empfeh­ lungen und Anregungen des Kodex zu einem Wahlmodell in Gestalt einer „optout“-Lösung erhebt: Die der Verpflichtung unterworfenen Vorstände und Auf­ sichtsräte sind frei, von den Empfehlungen und Anregungen des Kodex ganz oder teilweise abzuweichen, werden aber durch die Verpflichtung zur Befas­ sung mit dieser Frage und zur Entscheidung darüber gezwungen. 65 Praktisch führt dies zur Aufwertung der Empfehlungen und Anregungen des Kodex zu einem Katalog dispositiv eingreifender Vorgaben, die Geltung beanspruchen, 62   Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 504; eingehend Dixit, Lawlessness and Economics, S. 11  f., 59  ff.; zu den Mechanismen der Regelbindung bei privat gesetzten Normen auch Bachmann, Private Ordnung, S. 229  ff. (unter besonderer Betonung der Formen rechtsgeschäftlicher Bin­ dung insoweit). 63   Vgl. nochmals Levmore, 86 Va. L. Rev. 1989  ff. (2000), und schon oben, 1. Kap., sub D. III. 1. b) bb) (S. 224  ff.). 64   Siehe nochmals oben, 1. Kap., sub D. III. 1. b) bb) (S. 223  f.). 65   Zur Beschlußfassung insoweit vgl. etwa Hüffer, AktG, § 161 Rn. 10  ff.; MünchKomm/ Semler, AktG, § 161 Rn. 74  ff.; K. Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, § 161 Rn. 19  ff.

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2. Kapitel:  Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente

solange und soweit keine abweichende Entscheidung getroffen worden ist. 66 Dies wird zwar vereinzelt bestritten. 67 Für die auch hier vertretene Lesart spricht aber, daß das Risiko einer Außenhaftung bzw. einer Beschlußanfech­ tung als Konsequenz fehlerhafter Entsprechenserklärungen68 die Abgabe sche­ matischer Erklärungen ohne Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Befol­ gung des Kodex mit potentiell empfindlichen Sanktionen belegt. Schon deshalb setzt die haftungsfreie Nichtbefolgung von DCGK-Empfehlungen eine reflek­ tierte Abwahl-Entscheidung gegen das Kodex-Modell voraus. 69 In jedem Fall ist kaum zu bestreiten, daß die Pflicht zur Abgabe der Entsprechenserklärung als durchaus wirksames Normdurchsetzungsinstrument sui generis qualifiziert werden muß.70 Die Verknüpfung privat formulierter Empfehlungen und Anregungen mit einem gesetzlichen Durchsetzungsmechanismus kann allerdings zugleich die Akzeptanz der Empfehlungen und damit ihre Wirksamkeit beeinträchtigen, weil und soweit diese damit ihren Charakter als Ergebnis der Selbstregulierung verlieren.71 Dies illustriert zugleich den schmalen Grat zwischen der bloßen Unterstützung privatautonomer Gestaltung durch den Gesetzgeber einerseits und der – auch verfassungsrechtlich problematischen72 – Einbeziehung privater Regelwerke in das gesetzliche Regulierungsprogramm.73 Staatliche Unterstüt­ zung privater Gestaltung auf der Durchsetzungsebene wird diesem Dilemma kaum entgehen können und wirft die – hier nicht näher zu erörternde – Frage auf, inwieweit der Staat durch formelle und materiell-rechtliche Vorgaben für den privaten Regelbildungsprozeß den damit skizzierten verfassungsrechtli­ 66   Ähnlich bereits Hüffer, AktG, § 161 Rn. 3: „Geltungsanspruch mit Ausstiegsklausel“; wohl auch Engert, JbJZivRWiss. 2002, 31, 57; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 160  f. 67   Bachmann, Private Ordnung, S. 378 („opt-in-Modell“); vgl. bereits dens., WM 2002, 2137, 2138. 68   Vgl. nochmals BGH, Urt. v. 16. 2. 2009 – II ZR 185/07 (Kirch/Deutsche Bank), ZIP 2009, 460, 464  ff.; zur Kontroverse über mögliche Haftungstatbestände und deren Reichweite und praktische Relevanz im übrigen stellvertretend Hüffer, AktG, § 161 Rn. 25  ff.; Münch­ Komm/Semler, AktG, § 161 Rn. 187  ff.; Lutter/K. Schmidt/Spindler, AktG, § 161 Rn. 63  ff.; Bachmann, WM 2002, 2137, 2139  ff.; Kort, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 945, 953  ff.; Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 540  ff.; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 166  f. 69   Zuzugeben ist der Gegenauffassung allerdings, daß die Formulierung des § 161 AktG keine Vermutung der Einhaltung des Kodex begründet; insoweit zutr. schon Bachmann, WM 2002, 2137, 2138. 70   Zutr. bereits Hüffer, AktG, § 161 Rn. 1. 71   Vgl. dazu auch noch unten sub II. 1. (S. 274  ff.). 72   Mit Blick auf den Gesetzesvorbehalt (Art. 20 Abs. 3 GG) soweit das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG). 73   Mit guten Gründen kritisch insoweit etwa Hüffer, AktG, § 161 Rn. 4; Spindler/Stilz/Sester, AktG, § 161 Rn. 4; K. Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, § 161 Rn. 11. Allgemein zu den Anforderungen an die private Regelsetzung aus staatsrechtlicher Sicht Augsberg, Rechtset­ zung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 79  ff.; Hohl, Private Standardsetzung, S. 64  ff.; spezi­ ell zur Zulässigkeit privater Rechnungslegungsstandards auch Kirchhof, ZGR 2000, 681, 692; siehe auch Bachmann, Private Ordnung, S. 58  ff.

B.  Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise

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chen Vorgaben unter Beibehaltung der mit privater Regulierung potentiell ver­ bundenen Vorteile gerecht werden kann.74 c)  Private Regulierung durch Vertrag Ungleich unproblematischer ist demgegenüber naturgemäß die Durchsetzung der privaten Regulierung in Gestalt vertraglicher Vereinbarungen. Auch hier spielen, wie bereits angeklungen, informelle Durchsetzungsmechanismen, nicht zuletzt soziale Normen, eine Rolle.75 Von zentraler Bedeutung ist allerdings die Möglichkeit der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes als prinzipell jederzeit verfügbare Form der Absicherung aller wirksamen vertraglich be­ gründeten Verpflichtungen. Als dritte Form der Normdurchsetzung schließ­ lich ist die vertragliche Gestaltung eigenständiger (mittelbarer oder unmittelba­ rer 76) Sanktionsmechanismen denkbar und wird gerade im hier untersuchten Referenzgebiet vielfach praktiziert. Die entsprechenden Gestaltungen treten neben die Möglichkeit der Rechtsverfolgung im Zivilprozeß und schaffen Sank­ tionsmechanismen im Vorfeld, deren Effektivität gerade auf dem besonderen Kräfteverhältnis im jeweiligen Einzelfall beruht. Beispielhaft illustrieren dies im untersuchten Referenzgebiet insbesondere die praxisübliche Gestaltung von Sicherungsrechten der Fremdkapitalgeber in financial covenants und vergleich­ baren Abreden und hier vor allem Rechte zur Fälligstellung der jeweiligen For­ derungen bei der Verletzung bestimmter Informationspflichten und/oder bei Unterschreitung bestimmter bilanzieller Kennzahlen.77 Die Verknüpfung von Informationsrechten mit dem Risiko der Entziehung der benötigten Finanz­ mittel etabliert in diesen Fällen ein wirksames Sanktionssystem, dessen Hand­ habung vielfach ohne Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes auskom­ men wird. d)  Fazit Im Prinzip nicht anders als die gesetzliche bedarf nach alledem auch die private und teilprivatisierte Regulierung der Durchsetzung im weitesten Sinne, um ef­ fektiv zu sein. Im Vergleich mit den oben untersuchten Formen von Norm­ durchsetzungsmechanismen gesetzlicher Regulierungsinstrumente hat der vor­ stehende Überblick allerdings ein komplexes, von den charakteristischen For­ 74   Vgl. dazu weiterführend Bachmann, Private Ordnung, S. 380  ff.; aus staatsrechtlicher Perspektive Augsberg, Private Rechtsetzung, S. 99  ff.; Hohl, Private Standardsetzung, S. 79  ff., 240  ff. 75   Vgl. nochmals oben, 1. Kap., sub D. III. 1. b) bb) (S. 221  ff.). Vgl. auch Coffee, 53 Brook. L. Rev. 919, 934  ff., insbes. 941  ff. (1988): Preiskonditionen als Mechanismus, der Regelbefol­ gung sichert. 76   Vgl. zu dieser Unterscheidung nochmals oben, 1. Kap., sub D. III. 1. (S. 211). 77   Siehe zur üblichen Praxis insoweit bereits oben sub A. I. 1. a) (S. 256  f.) bei und in Fn. 11.

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2. Kapitel:  Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente

men der Durchsetzung gesetzlicher Regulierung abweichendes Bild ergeben. Vor allem für die beiden Erscheinungsformen der privaten Regulierung, ver­ tragliche Regeln einerseits und privat formulierte Regelwerke andererseits, hat sich gezeigt, daß hier der hoheitliche Zwang jedenfalls nicht das alleinige In­ strument zur Absicherung der jeweiligen Vorgaben darstellt, sondern zusätzli­ che, informelle Formen von Normdurchsetzungsmechanismen hinzutreten, die ohne jeden staatlichen Einfluß auskommen. Von Bedeutung sind einerseits so­ ziale Normen und marktinduzierte Sanktionsmechanismen, andererseits aber auch vertraglich geschaffene Einwirkungsmöglichkeiten einer Partei, die die In­ anspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes vielfach entbehrlich machen. Wenngleich gesetzliche Normdurchsetzungsmechanismen eine gewichtige Rol­ le spielen, ist damit der eigenständige Charakter der privaten Regulierung als Quelle verhaltenssteuernder Ge- oder Verbote auch auf der Ebene der Norm­ durchsetzung unverkennbar.

II.  Funktionsweise privater und teilprivatisierter Regulierung Auch mit Blick auf die Funktionsweise weisen die unterschiedlichen Erschei­ nungsformen privater und teilprivatisierter Regulierung im Vergleich mit ge­ setzlichen Regulierungsinstrumenten durchaus eigenständige Probleme auf. Dies gilt insbesondere auch für die Ebene der Normdurchsetzung. Hieraus er­ klären sich die Eigenschaften, die gemeinhin als strukturell bedingte kompara­ tive Vorteile der teilprivatisierten und der privatisierten Regulierung identifi­ ziert werden (unten 1.). Hinsichtlich der Wirkungen im einzelnen ist sodann zu differenzieren: Je nach Ausgestaltung der jeweiligen Regelung überwiegt die unmittelbar verhaltenssteuernde Wirkung ähnlich jener gesetzlicher Regulie­ rungsinstrumente oder wird das Verhalten der jeweiligen Adressaten eher indi­ rekt beeinflußt (unten 2.). Letzteres gilt auch für die Frage, inwieweit private Regulierung ungeachtet ihrer strukturell bedingten Flexibilität möglicherweise mit ähnlichen Persistenzneigungen verbunden sein könnte, wie sie zum dispo­ sitiven Gesetzesrecht festgestellt worden sind (unten 3.).

1.  Flexibilität, Sachnähe, Akzeptanz Nicht nur für die vertragliche Gestaltung auf der Grundlage dispositiven Ge­ setzesrechts,78 sondern auch für die hiervon unabhängige private und teilpriva­ tisierte Regelbildung in entsprechenden Regelwerken wird in Anspruch genom­ men, daß die Delegierung der Regulierungsverantwortung aufgrund der größe­   Dazu schon oben, 1. Kap., sub B. I. 4. (S. 70  ff.).

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B.  Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise

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ren Sachnähe zwischen den jeweiligen Urhebern zur größeren Problemadäqua­ nz und damit zur qualitativen Verbesserung führe. Begründet wird dies insbe­ sondere mit der größeren Sachkompetenz der jeweiligen Akteure, aber auch mit der größeren Flexibilität derselben im Hinblick auf etwa erforderlich werden­ den Anpassungsbedarf.79 Selbstbetroffenheit der Regelurheber begründet da­ mit, so der Grundgedanke, die Vermutung der Sachgerechtigkeit der privat ent­ wickelten Lösung. 80 Idealtypisch sollten diese Vorteile nicht nur objektiv zur qualitativen Optimierung führen, sondern zugleich die Akzeptanz unter den betroffenen Akteuren und damit letztlich seine Effektivität erhöhen: 81 Je stärker die unmittelbar betroffenen Akteure an der Gestaltung der jeweiligen Sachlö­ sung beteiligt werden, desto höher sollte auch ihre Identifikation mit dem je­ weiligen Ergebnis ausfallen. Dies sollte zugleich das Bedürfnis nach formali­ sierten Sanktionsmechanismen verringern und könnte mithin den im Vergleich mit gesetzlichen Regulierungsinstrumenten geringeren Stellenwert derselben ebenso erklären wie die im Vergleich zur gesetzlichen Regulierung größere Be­ deutung informeller Durchsetzungsmechanismen für die Effektivität privater Regulierungsinstrumente. In dieser Hinsicht ist allerdings schon nach den Ergebnissen der obigen Be­ standsaufnahme zu differenzieren. Wie gesehen, gilt der Befund der geringeren Bedeutung formalisierter Durchsetzungsmechanismen im untersuchten Refe­   Vgl. aus der Diskussion um den Stellenwert privater Regelwerke als Antwort auf die Steuerungsverluste zwingender hoheitlicher Regulierung eingehend etwa Augsberg, Private Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 51  ff.; Schuppert/Bumke, in: Kleindiek/ Oehler (Hrsg.), Zukunft des deutschen Bilanzrechts, S. 71, 86  ff.; vgl. auch Bachmann, Private Ordnung, S. 54  f.; in kapitalmarktrechtlichem Zusammenhang, aber verallgemeinerungsfähig auch Cheffins, Company Law, S. 378  ff.; Merkt, Gutachten G zum 64. DJT, G 60  ff.; vgl. noch­ mals auch Dixit, Lawlessness and Economics, S. 59  ff. Vgl. speziell zu Corporate-GovernanceKodizes charakteristisch auch Kalss, Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, S. 76: „Ein Kodex hat den Vorteil, nicht bloß das vielfach zu starre Gesetzesrecht fortzu­ schreiben, sondern bietet die Möglichkeit der Öffnung nach mehreren Seiten: Einbeziehung der Praxis in die Entstehungsgeschichte, schnellere und effizientere Entstehungsverfahren, größere Flexibilität zum Nutzen besonderer Bedürfnisse (zugeschnittene Lösungen für ein­ zelne Gesellschaften), leichtere Anpaßbarkeit im Zeitablauf, keine Preisgabe und keine Fest­ legung hoheitlicher Prärogative, was insbesondere für den Verhandlungsfortschritt förderlich sein kann, zudem sind funktional beste Lösungen statt second-best-Kompromisse leichter möglich.“ Vgl. mit skeptischer Einschätzung demgegenüber aber auch Engert, JbJZivRWiss 2002, 31, 55  f. 80   Prägnant Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S. 21: „Selbstbetroffenheit [ist] in der Privatautonomie immer noch der beste Garant für Sachgerechtigkeit, nicht die richterliche Vormundschaft.“ 81   Augsberg, Private Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 54  f.; vgl. allgemein auch bereits Hoffmann-Riem, AöR 115 (1990), 400, 414  f.; Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 95  f.; pointiert zusf. Merkt, Gutachten G zum 64. DJT, G 61: Da die Erscheinungsformen privater Regulierung „weniger dem Dünkel eines von außen aufoktroyierten Regelungsre­ gimes begegnen, erhofft man sich von den betroffenen Kreisen geringen Widerstand und grö­ ßere Akzeptanz.“ Vgl. auch Engert, JbJZivRWiss 2002, 31, 56, der auch die potentiell größere Akzeptanz unter internationalen Kapitalmarktteilnehmern hinweist. 79

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2. Kapitel:  Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente

renzgebiet weniger für die teilprivatisierte als vielmehr für die Erscheinungs­ formen der privaten Regulierung. Gerade wenn man der These von der tenden­ ziell größeren Akzeptanz der unmittelbar von privater Sachkompetenz gepräg­ ten Gestaltung folgt, die schon intuitiv plausibel erscheint, ist diese Differenzie­ rung unschwer zu erklären: Je stärker der in Gestalt formeller und materieller Vorgaben ausgeübte hoheitliche Einfluß auf die Produkte teilprivatisierter Re­ gulierung ausfällt, desto stärker wird eben auch das Element freier, allein an den privaten Sacherwägungen der jeweiligen Akteure ausgerichteter Gestaltung zu­ rückgedrängt, das für die Akzeptanz der schließlich gefundenen Lösung „als eigene“ konstitutiv ist. Der Verzicht auf formale Durchsetzungsmechanismen muß daher keineswegs Umsetzungsdefizite zur Folge haben. Diese Erkenntnis erklärt nicht nur das offenbar größere Bedürfnis nach for­ malisierten Durchsetzungsmechanismen bei der teilprivatisierten im Vergleich zur privaten Regulierung, sondern ist zugleich mit erheblichen Implikationen für das Funktionsverständnis teilprivatisierter Regulierung allgemein verbun­ den. Für die Legitimation teilprivatisierter Regulierung und die Begründung ihrer komparativen Vorteile gegenüber gesetzlichen Regulierungsinstrumenten kann dann nicht oder nur in geringerem Maße auf den Topos der höheren Ak­ zeptanz unter den jeweiligen Adressaten zurückgegriffen werden. Akzeptanz wäre damit weniger eine Konsequenz der regelmäßig auch bei der teilprivati­ sierten Regulierung zweifellos gegebenen größeren Sachnähe der jeweiligen Re­ gulierungsurheber, sondern beruhte vor allem auch auf dem unmittelbaren Ein­ fluß der Regeladressaten auf den Prozeß der Regelbildung. Eine abschließende Bewertung der Tragfähigkeit und Reichweite dieser The­ se ist ohne rechtstatsächliche Überprüfung naturgemäß kaum möglich. Ihre praktische Bedeutung könnte, worauf hinzuweisen bleibt, vor allem im Grenz­ bereich zwischen teilprivatisierter, also auch inhaltlich in erheblichem Umfang staatlich präformierter, Regulierung einerseits und privater, also inhaltlich frei­ er Regulierung andererseits liegen. Möglicherweise ist hierin etwa die Erklä­ rung für die bereits erörterte Tatsache zu suchen, daß ein empirischer Zusam­ menhang zwischen der Befolgung der Empfehlungen und Anregungen des DCGK und der Börsenkursentwicklung bislang nicht eindeutig ermittelt wer­ den konnte:82 Ließe sich verifizieren, daß Befolgung oder Nichtbefolgung des Kodex als preisbildender Faktor praktisch keine Rolle spielen, so könnte dies dafür sprechen, daß die Kodex-Empfehlungen möglicherweise ungeachtet der bestehenden Spielräume für die private Gestaltung von den betroffenen Akteu­ 82   Vgl. nochmals einerseits (Kursrelevanz der Befolgung von DCGK-Empfehlungen ver­ neinend) Rott/Nowak/Mahr, ZGR 2005, 252  ff.; andererseits (bejahend) Bassen u. a., DBW 66 (2006), 375  ff.; Bassen/Pupke/Zöllner, Finanzbetrieb 8 (2006), 551  ff.; Zimmermann/Goncharov/Werner, 14 Corp. Gov. Int’l Rev. 432  ff. (2006); allgemein zur Korrelation zwischen der Einhaltung rechtlicher Vorgaben und der Kursentwicklung marktgehandelter Finanzierung­ stitel bereits oben, 1. Kap., sub D. III. 1. b) bb) (S. 221  ff.).

B.  Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise

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ren nicht als wirklich „eigene“, d. h. an den eigenen Bedürfnissen und Interessen orientierte Lösung aufgenommen werden, weil der Anteil staatlicher Gestal­ tung überwiegt.

2.  Mittelbare und unmittelbare Verhaltenssteuerung durch private und teilprivatisierte Regulierung Auf der Grundlage der Ergebnisse zu den charakteristischen Durchsetzungs­ mechanismen privater Regulierungsinstrumente kann auch festgehalten wer­ den, daß neben der unmittelbar verhaltenssteuernden Wirkung privater und teilprivatisierter Regelungen offenbar mittelbare, außerhalb formalisierter Ver­ knüpfungen zwischen Ge- oder Verbotsnormen und entsprechenden Sanktio­ nen angesiedelte Wirkungen bedeutsam sind. Private und teilprivatisierte Regu­ lierung kann mithin auch dann Wirkungen entfalten, wenn sie nicht rechtsver­ bindlich ausgestaltet ist. Die Intensität der Steuerungswirkungen changiert zwischen den Polen der freiwilligen Selbstbindung oder Unterwerfung unter exogene Gestaltungen – etwa mit Rücksicht auf Reputationserwägungen – ­einerseits und der stark den Rechtswirkungen gesetzlicher Regulierungsinstru­ mente angenäherten Bindung an rechtlich durchsetzbare Vorgaben ande­ rerseits. 83 Auch bei privater Regulierung beeinflussen neben dem durch Sanktions­drohungen ausgelösten Befolgungszwang auch andere Wirkungsme­ chanismen, z. B. expressive Wirkungen, die Akzeptanz und Effektivität. 84 Die soeben als charakteristische Determinanten der Wirkungen privater Regulie­ rung identifizierten informellen Wirkungsmechanismen, insbesondere die po­ tentiell größere Bereitschaft zur Befolgung aufgrund größerer subjektiver Ak­ zeptanz durch die Adressaten, unterscheiden sich von den Wirkungen gesetzli­ cher Regulierung somit vor allem im Hinblick auf den praktischen Stellenwert diese informellen Wirkungsmechanismen: In der Tat kann festgehalten werden, 83   Vgl. für die private Regelsetzung schon Bachmann, Private Ordnung, S. 368  ff., mit dem Entwurf einer „Skala möglicher Rechtswirkungen privater Normen“ und der Unterschei­ dung zwischen Normen ohne jede rechtliche Verbindlichkeit (Bsp.: soziale Normen), deklaratorischen Normen, die geltendes Recht lediglich abbilden, empfehlenden Normen, Normen mit „sanften Sanktionen“ und verbindlichen Normen. 84   Vgl. nochmals oben, 1. Kap., sub A. (S. 51  ff.). Vgl. zu Corporate-Governance-Kodizes zusf. auch Kalss, Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, S. 76: „Der Kodex erfüllt zwei Funktionen, nämlich die gesellschaftsrechtliche Ordnungs- und zugleich die marktrechtliche Kommunikationsfunktion“, wobei auch hinsichtlich ersterer die expressiven Wirkungen betont werden: „Die gesellschaftsrechtliche Ordnungsfunktion (…) trägt dazu bei, bestehendes Aktienrecht stärker in das Bewußtsein der Verantwortlichen zu rücken und deren Bereitschaft zu erhöhen, die aktienrechtlichen Regelungen tatsächlich einzuhalten und in Ausfüllung ihrer Mandatspflicht zu leben.“ (Hervorhebungen im Original, Nachweise weggelassen). Knapp in diese Richtung auch Bachmann, Private Ordnung, S. 377 bei und in Fn. 91.

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2. Kapitel:  Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente

daß mittelbaren Normwirkungen bei den Erscheinungsformen der privaten Re­ gulierung funktional ein größeres Gewicht zukommt als bei gesetzlichen Regu­ lierungsinstrumenten, bei denen etwa die Bedeutung expressiver Normwir­ kungen im untersuchten Referenzgebiet wohl eher gering bleibt. 85

3.  Flexibilität und Persistenzneigungen Parallelen zwischen gesetzlicher und privater Regulierung in funktionaler Hin­ sicht bestehen auch im Hinblick auf Tendenzen zur längerfristigen Standardi­ sierung von Gestaltungsmustern in der Form, wie sie oben am Beispiel disposi­ tiver gesetzlicher Vorschriften diskutiert worden sind. 86 Es ist bereits angeklun­ gen, daß die – potentiell effizienzsteigernde – Entwicklung standardisierter Gestaltungsmuster keineswegs zwingend auf gesetzliche Vorgaben angewiesen ist, sondern sich durchaus auch marktinduzierte Standards findet. 87 Dies gilt keineswegs nur für die Kategorie der privaten Regelwerke, sondern auch für Gestaltungsmuster in (Finanzierungs- oder Gesellschafts-)Verträgen. Wieder­ um im Prinzip nicht anders als bei der gesetzlichen Regulierung sind damit auch bei der privaten Regulierung und hier insbesondere bei Transaktionsfor­ men, die sich typischerweise in einer Vielzahl von Anwendungsfällen unter Be­ teiligung einer bestimmten Gruppe von Akteuren wiederholen, Tendenzen zur Verfestigung bestimmter Lösungen denkbar, die sich in pfadabhängigen Ent­ wicklungssträngen äußern können. Beispielhaft dafür stehen etwa die aus­ schließlich marktinduziert entwickelten Sicherungsrechte für Fremdkapitalge­ ber in Form der bereits erwähnten financial covenants anglo-amerikanischer Prägung, für die sich zunehmend standardisierte, in langfristiger Übung konti­ nuierlich erweiterte und optimierte Gestaltungsmuster etabliert haben. Nicht anders als im Umgang mit Gesetzesrecht neigt die Gestaltungspraxis, wie das Beispiel zeigt, mithin auch bei der privaten Regulierung zur Ausnutzung von Netzwerk- und Lerneffekten. 88 Und auch hier geht dies mit der durchaus ambi­ valenten Folge von Persistenzneigungen einher, die auch in Fällen, in denen an sich innovative Lösungen sachgerecht wären, statt dessen zur Durchsetzung der etablierten Gestaltungen führen können. Auch im Hinblick auf die Tendenz zur pfadabhängigen Entwicklung stehen private und gesetzliche Regulierung einander mithin durchaus näher, als mit Blick auf die unterschiedliche Phäno­

  Vgl. nochmals oben, 1. Kap., sub A. II. 4. (S. 61).  1. Kap., sub B. II. 3. c) (S. 115  ff.). 87   Siehe schon oben, 1. Kap., sub B. II. 3. c) cc) (S. 126  ff.). 88   Zu empirisch feststellbaren Netzwerk- und Lerneffekten bei der Gestaltung von finan­ cial covenants Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 740  ff. (1997); vgl. allgemein auch bereits oben sub A. I. 1. a) (S. 256  f.) bei und in Fn. 11  f. 85

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C.  Interessenausgleich als Kernproblem …

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typik, aber auch auf das üblicherweise zur Legitimation privater Regulierung bemühte Bild ungleich größerer Flexibilität zu vermuten wäre. Für die weitere Untersuchung lassen sich aus diesen Erwägungen einstweilen nur zwei Folgerungen ableiten: Erstens bedarf das Funktionsverständnis priva­ ter und teilprivatisierter Regulierung als einer flexibleren, innovationsförderli­ chen Alternative zur gesetzlichen Regulierung immerhin der Differenzierung; die damit verbundenen Annahmen sind immerhin um die ambivalenten oder gar effizienzmindernden Einflüsse möglicher Persistenzneigungen zu korrigie­ ren. Zweitens – und damit zusammenhängend – verfestigt sich der Eindruck, daß mit den aus der erleichterten Handhabbarkeit in einer Vielzahl vergleichba­ rer Sachverhaltskonstellationen resultierenden Vorteilen standardisierter Lö­ sungen einerseits und den Vorteilen individuell angepaßter Problemlösungen andererseits zwei Parameter in unauflöslichem Widerstreit miteinander kon­ kurrieren, deren optimale Gewichtung jeweils nur anhand konkreter Anwen­ dungsprobleme, aber nicht pauschal entschieden werden kann. Insoweit gilt wiederum nichts anderes als für gesetzliche Regulierungsinstrumente. 89

C.  Interessenausgleich als Kernproblem privater und teilprivatisierter Regulierung Eine auf die Bedürfnisse des Einzelfalls abgestimmte Problembewältigung wird nach der These von den Effizienzvorteilen, die in größerer Sachnähe der Regu­ lierungsurheber wurzeln, durch private Regulierung eher erreicht werden kön­ nen als durch die notwendig abstrakt-generelle hoheitliche Regelsetzung. Priva­ te Regulierung kann sich gerade deshalb als vorteilhaft erweisen, weil sie Parti­ kularinteressen besser zu berücksichtigen vermag als das interessenpluralistisch orientierte staatliche Gesetzgebungsverfahren. Darin sind allerdings zugleich Ausgleichsprobleme angelegt. Letztlich ist damit die unvermeidliche Kehrseite privater Regulierung angesprochen: Anders als bei der gesetzlichen Regulie­ rung, die sich am Leitbild interessenunabhängiger Gestaltung zumindest zu orientieren hat, weshalb der Einfluß von Interessengruppen auf Prozeß und Er­ gebnis der staatlichen Gesetzgebung („regulatory capture“) schon konzeptio­ nell als schädlich einzustufen ist,90 liegt der Einfluß von Sonderinteressen auf die Regelbildung zwangsläufig in der Natur jeder Form privater Regelsetzung und kann allenfalls kompensiert, aber nicht aufgehoben werden.91 Wenn und soweit die Ergebnisse teilprivatisierter oder privater Regulierung Auswirkungen für die Belange Dritter entfalten, die nicht am jeweiligen Ver­   Vgl. in diesem Sinne auch schon Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 814  f. (1995).   Vgl. bereits oben, 1. Kap., sub D. IV. 2. a) (S. 242) bei und in Fn. 671. 91   Vgl. auch Bachmann, Private Ordnung, S. 397 bei und in Fn. 26: „Sachkunde und Unab­ hängigkeit“ der privaten Regelsetzer als „zwei nicht immer kompatible Eigenschaften“. 89

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2. Kapitel:  Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente

handlungsprozeß beteiligt waren, wirft dies mithin die Frage auf, inwieweit diese bewältigt werden können, ohne die Vorteile der privaten Regulierung als solche aufgeben zu müssen. Das Problem strukturbedingter externer Effekte zum Nachteil Dritter betrifft keineswegs nur private Regulierung in Gestalt privat formulierter Regelwerke. Vergleichbare Probleme ergeben sich vielmehr auch und gerade auf der Ebene der privaten Regulierung in Gestalt vertraglicher Abreden: Während immerhin denkbar ist, daß der Regelbildungsprozeß für privat gestaltete Standardwerke in einer Weise verfaßt werden könnte, welche die Berücksichtigung der jeweils berührten Drittbelange ex ante institutionell gewährleistet, ist eine organisationsverfassungsrechtliche Lösung unter Einbe­ ziehung Dritter für die Formulierung vertraglicher Abreden praktisch nicht vorstellbar. Eine zusätzliche Schwierigkeit besteht in beiden Konstellationen darin, daß die jeweils sachnächsten Akteure, von denen die wesentlichen Im­ pulse zur Gestaltung der Sachlösung ausgehen werden, vielfach kaum Anreize zur Berücksichtigung der Interessen anderer, mittelbar Betroffener haben wer­ den. Die mit jeder Form der privaten Regulierung verbundenen Probleme des Interessenausgleichs zwischen den Urhebern der jeweiligen Lösung und Drit­ ten sind damit in der Tat ein strukturimmanentes Element privater Regulierung und in deren Entstehungsprozeß zwangsläufig angelegt. Hier liegt ein zentrales Funktionsproblem privater Regulierung, das hoheitliche Regelsetzung nicht aufweist. Beispielhaft für dieses Grundproblem stehen die vor allem im deutschspra­ chigen Schrifttum betonten negativen Auswirkungen alternativer Sicherungs­ mechanismen in financial covenants auf die Rechtsposition Dritter, insbesonde­ re der daran nicht beteiligten Gläubiger: Mit den marktüblichen Erscheinungs­ formen derartiger Abreden verschaffen sich die Fremdkapitalgeber, wie bereits angeklungen, nicht nur effektive Kontrollmöglichkeiten über das Finanzie­ rungsverhalten der Finanzierungsnehmer.92 Hinzu kommen vielmehr Vorteile in Gestalt eines verringerten Ausfallrisikos, indem indem ihnen ein rascher Verwertungszugriff auf bestellte Sicherheiten eingeräumt wird, der zu einer im Vergleich mit sonstigen Gläubigern effektiveren Absicherung führen kann.93 Vor diesem Hintergrund sind verschiedene Instrumente, u. a. die Umqualifika­ tion in Eigenkapitalersatz94 und eine restriktive materielle Klauselkontrolle,95 92   Vgl. dazu etwa Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 142  ff. („covenants als Früh­ warnsystem“); zu Einzelbeispielen etwa Kästle, Covenants, S. 53  ff.; Servatius, Covenants, S. 40  ff. sowie die weiteren oben sub A. I. 1. a) (S. 256  f.) in Fn. 11 genannten Quellen. 93   Dazu wiederum Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 146  ff.; vgl. auch Servatius, Covenants, S. 80  ff.; sehr pauschal Mankowski, in: Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktienge­ sellschaft, S. 488, 490  ff. 94   Vgl. bereits Fleischer, ZIP 1998, 313  ff.; eingehend jetzt Servatius, Covenants, S. 453  ff. (früheres Recht) sowie S. 481  ff. (befürwortend für Fälle „widersprüchlichen Gläubigerverhal­ tens“ nach neuem Recht). 95   Vgl. dazu – jeweils mit differenzierenden Ergebnissen – etwa Köndgen, in: Prütting

C.  Interessenausgleich als Kernproblem …

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erwogen worden, um die Externalitäten zu Lasten der sonstigen Gläubiger ein­ zudämmen. Den damit grob umrissenen Rechtsfragen kann im vorliegend ge­ setzten Rahmen nicht nachgegangen werden. Zwar spricht viel für die These, daß die einseitige Betonung einer möglichen Benachteiligung der übrigen Gläu­ biger durch derartige Absprachen die potentiell erheblichen Schutzwirkungen außer Acht läßt, die von den marktüblichen Gestaltungen und den damit ge­ schaffenen Restriktionen für das Finanzierungsverhalten des Schuldners auf unbeteiligte dritte Gläubiger ausgehen.96 Gleichwohl belegen gerade diese Pro­ bleme anschaulich, daß vertraglich vereinbarte Regulierung als solche ohne das Hinzutreten gesetzlicher Regulierung in Gestalt positiv-präskriptiver Vorgaben oder auch nur in Gestalt materieller Schranken für die Vertragsfreiheit, die den Ausgleich zwischen den Vertragsparteien und den Rechtspositionen Dritter re­ gelt, nicht auskommen kann. Dies gilt unabhängig von der inhaltlichen Ausge­ staltung der Ausgleichslösung und insbesondere unabhängig von der Entschei­ dung zugunsten oder gegen weite Spielräume für die vertragliche Regelung. Im geltenden Recht lassen sich – rechtsordnungsübergreifend – zahlreiche Belege für zwingende gesetzliche Regelungen finden, die auf den Ausgleich bei unerwünschten Externalitäten privatautonomer Risikoverteilung abzielen. So können insbesondere die Bestimmungen des jeweiligen formellen und materiel­ len (Unternehmens-) Insolvenzrechts als eine – historisch bis auf römisch-recht­ liche Wurzeln zurückführbare97 – gesetzgeberische Reaktion auch auf die infol­ ge der privatautonomen Gestaltung der Finanzierungsbeziehungen entstehen­ den Ausgleichsprobleme interpretiert werden: Indem das Gesetz die verfah­ rensrechtlichen Grundlagen für die Vermögensauseinandersetzung im kollekti­ ven Insolvenzverfahren legt und damit eine Art Insolvenzverfassung für die Gläubigergesamtheit errichtet,98 aber auch durch Festlegung der materiellen Rangfolge zwischen den unterschiedlichen Arten von Ansprüchen (vgl. in Deutschland vor allem §§ 38  ff., 129  ff. InsO) einschließlich ihrer Absicherung im Recht der Insolvenzanfechtung kanalisiert es die widerstreitenden Interes­ sen zwischen Eigen- und Fremdkapitalgebern sowie sonstigen Gläubigern, wo­ bei sich die Regelung auf die Krise beschränkt. Hinzu treten funktionsver­ wandte Institute, in Deutschland traditionell insbesondere das Eigenkapitaler­ satzrecht (§§ 32a, b GmbHG a.F., vgl. nunmehr §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO). Auf einer anderen Ebene angesiedelt sind materiell-rechtliche und prozedurale Vorkehrungen, mit denen der Gesetzgeber auf den Prozeß und Ergebnisse der privaten Regelsetzung Einfluß zu nehmen sucht, um eine möglichst interessen­ (Hrsg.), Insolvenzrecht 1996, S. 127, 140  ff.; speziell zur AGB-rechtlichen Kontrolle Weitnauer, ZIP 2005, 1443  ff. 96   Vgl. dazu nochmals Enriques/Macey, 86 Cornell L. Rev. 1165, 1172  ff. (2001); im An­ schluß daran auch Merkt, ZGR 2004, 305, 315  f./321. 97   Vgl. zur historischen Entwicklung nur Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.1  ff. 98   Grundlegend Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 71  ff.

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2. Kapitel:  Private und teilprivatisierte Regulierungsinstrumente

pluralistische Orientierung sicherzustellen. Originär verbandsrechtliche Rege­ lungen zur Bewältigung des Konflikts zwischen Eigen- und Fremdkapitalfi­ nanzierungsgebern finden sich schließlich in Gestalt prozeduraler Anforderun­ gen an die Emission hybrider Finanzierungstitel (in Deutschland § 221 AktG). Schon diese wenigen Beispiele zeigen indes zugleich, daß die Lösung der in teil­ privatisierten und privaten Regulierungsinstrumenten angesiedelten Probleme des Interessenausgleichs zugunsten unbeteiligter Dritter nur in konkreten Sachzusammenhängen und damit im Rahmen der Einbettung der teilprivati­ sierten und privaten Regulierung in konkrete Regulierungsstrategien bewältigt werden kann. Auch in dieser Hinsicht lassen sich kaum allgemeine, auf alle Er­ scheinungsformen privater und teilprivatisierter Regulierung anwendbare Grundsätze formulieren.

D.  Gesamtschau Die teilprivatisierte und die private Regulierung operiert nach alledem zwar mit einem von der gesetzlichen Regulierung phänotypisch (zum Teil erheblich) ab­ weichenden Instrumentarium. Doch haben sich auch deutliche Parallelen erge­ ben, die den Charakter dieser alternativen Regulierungsformen als der gesetzli­ chen Regelung funktionsverwandte Möglichkeiten der Beeinflussung mensch­ lichen Verhaltens unterstreichen. Typologisch ist zunächst zu unterscheiden zwischen den Kategorien der teilprivatisierten, auch inhaltlich durch gesetzli­ che Vorgaben zumindest erheblich vorgeprägten Regulierung einerseits und der inhaltlich freien privaten Regulierung andererseits. In der letztgenannten Kate­ gorie sind so unterschiedliche Erscheinungsformen wie die vertragliche Gestal­ tung und privat formulierte Regelwerke zusammengefaßt. Während die in bei­ den Kategorien verwendeten Regulierungsinstrumente durchweg von geringer formaler Varianz geprägt sind und meist detaillierte Regeln anstelle offener Standards verwendet werden, bestehen im Hinblick auf die Durchsetzung der jeweiligen Vorgaben und damit auch auf der Ebene der Funktionswirkungen zwischen den beiden Kategorien deutliche Unterschiede: Die teilprivatisierte Regulierung steht auch insofern der staatlichen Gesetzgebung näher. Soweit privat formulierte Regeln in gesetzliche Regulierungsprogramme eingebettet sind und mithin einen nur begrenzten Gestaltungsspielraum aufgrund gesetzli­ cher Vorgaben näher ausgestalten, finden sich auf der Ebene der Durchset­ zungsmechanismen kaum Unterschiede zu originär hoheitlich formulierten Regeln. Die verschiedenen Erscheinungsformen der privaten Regulierung wei­ chen davon insofern ab, als hier informelle Durchsetzungsmechanismen, etwa die Normbefolgung mit Rücksicht auf Reputationserwägungen, aber auch ver­ traglich gestaltete Kontrollrechte mit faktischem Befolgungszwang, ein deut­ lich größeres Gewicht aufweisen. Insgesamt konnte gezeigt werden, daß das der

D.  Gesamtschau

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privaten Regelsetzung häufig zugeschriebene Attribut größerer Akzeptanz und damit einhergehender höherer Effektivität wohl nicht voraussetzungslos, son­ dern nur für solche Fälle gilt, in denen der Gestaltungsprozeß die Interessen der jeweils betroffenen Akteure tatsächlich berücksichtigt. Insofern bestehen deut­ liche Gemeinsamkeiten zwischen den unterschiedlichen Formen gesetzlicher und privater Regulierung. Schließlich hat sich erwiesen, daß das praktische Be­ dürfnis nach an sich effizienzfördernden standardisierten Gestaltungen im Zu­ sammenwirken mit allfälligen Netzwerk- und Lerneffekten im praktischen Umgang auch mit privat formulierten Lösungen Persistenzneigungen beför­ dern könnte, die das Funktionsverständnis privater Regulierung als stets flexib­ lere und anpassungsfähigere Alternative zur gesetzlichen Regulierung keines­ wegs widerlegt, aber zu Differenzierungen Anlaß gibt.

3. Kapitel

Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen Der Topos der hinreichenden Informationsbasis als Voraussetzung effektiver Regulierung zieht sich wie ein Leitmotiv durch die bisherigen Überlegungen zu Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise von Regulierungsinstrumen­ ten und Durchsetzungsmechanismen: Offenbar setzt jeder regulatorische Ein­ griff durch Gesetzesrecht oder durch privatautonome Gestaltung eine hinrei­ chende Informationsgrundlage voraus, deren Bedeutung als zentrales regulie­ rungstechnisches Problem immer deutlicher hervorgetreten ist. Dies beginnt bei der Motivation für den regulierenden Eingriff und reicht, wie gesehen, bis hinein in die Auswahl aus mehreren zur Verfügung stehenden Durchsetzungs­ mechanismen. Wenn und soweit sich der Gesetzgeber zur Regulierung eines Sachverhalts entschließt, impliziert dies nach den bisher gewonnenen Erkennt­ nissen zwingend die Annahme, er, der Gesetzgeber, verfüge über hinreichende Informationen, um den jeweiligen Sachverhalt einer effektiven generell-abstrak­ ten Lösung zu unterwerfen. Zumindest im Falle der Verwendung zwingender Normen ist sogar anzunehmen, daß der Gesetzgeber davon ausgeht, über bes­ sere bzw. mehr Informationen hinsichtlich der sachangemessenen Lösung zu verfügen als zumindest eine der jeweils betroffenen, als schützenswert qualifi­ zierte Akteursgruppen, die (auch) aufgrund eines Informationsdefizits einen vertraglichen Selbstschutz unterläßt. Der regulierende Eingriff durch Gesetz läßt sich damit in technischer Hinsicht als doppeltes Informationsproblem cha­ rakterisieren: Gesetzliche Regulierung reagiert idealtypisch auf Informations­ defizite, die (ggf. ergänzt um weitere Faktoren, z. B. ein Machtgefälle zwischen den Beteiligten) effiziente privatautonome Lösungen verhindern; zugleich ist die gesetzliche Regulierung selbst Informationsproblemen ausgesetzt (unten A.). Damit ist zwar keine abschließende Beschreibung der Gestaltungsaufgabe gesetzlicher Regulierung im Kapitalgesellschaftsrecht (oder gar darüber hinaus) gefunden. Doch spricht nach den bislang gewonnenen Erkenntnissen viel für die These, daß die Verfügbarkeit hinreichender Information die wesentliche Determinante für die gesetzgebungstechnische Wahl zwischen Regulierungs­ instrumenten und Durchsetzungsmechanismen und zugleich das Kernproblem darstellt, das in regulierungstechnischer Hinsicht zu bewältigen ist. Die Ver­ fügbarkeit der (jeweils im einzelnen zu spezifizierenden) erforderlichen Infor­ mation ist damit als zentrale Funktionsvoraussetzung (nicht nur) gesetzlicher Regulierung allgemein identifiziert. Dieser Befund gewinnt an Komplexität,

A.  Regulierung als doppeltes Informationsproblem

285

wenn man berücksichtigt, daß gesetzliche Regulierung – wie ebenfalls bereits mehrfach angeklungen – selbst als Speicher von Informationen über idealiter richtige, bewährte oder jedenfalls zulässige Problemlösungen dient (unten B.). Die Positivierung einer Lösung im Gesetzesrecht trägt damit, nur scheinbar paradox, über längere Zeiträume ihrerseits zur Lösung des Informationspro­ blems bei. Diese Erkenntnis relativiert zwar Bedenken gegen den staatlichen Eingriff, indem sie den Blick für die Bedeutung gesetzlicher Vorgaben – im Ver­ gleich zur uneingeschränkten privatautonomen Gestaltung in Abwesenheit ge­ setzlicher Vorgaben – schärfen hilft. An der Tatsache, daß der informationelle Wert gesetzlicher Vorgaben im Spannungsverhältnis zur Notwendigkeit regu­ latorischer Innovation steht, die sich aus veränderten ökonomischen und sonsti­ gen rechtstatsächlichen Entwicklungen, aber auch mit Blick auf sich wandelnde rechtliche Rahmenbedingungen ergeben kann, ändert dies allerdings nichts. Als vorläufiges Ergebnis, das Aufgabe und Schranken gesetzlicher Regulierung im Vergleich mit der privaten Regulierung gleichermaßen präzisiert, läßt sich die Gestaltung regulierender Eingriffe abschließend als Problem des Ausgleichs zwischen den Polen der Optimierung und der Erneuerung vorhandenen Wis­ sens um Regulierungsprobleme und die zur Verfügung stehenden Lösungen definieren (unten C.).

A.  Regulierung als doppeltes Informationsproblem I.  Finanzierungsbeziehungen als offene Verträge – Kompensation von Informationsdefiziten als Aufgabe gesetzlicher Regulierung Auf die „Informationsfunktion“ dispositiven Rechts, aber auch die Bedeutung zwingender Normen als Instrument zur Bereitstellung einer verläßlichen Infra­ struktur für privates Wirtschaften  ist bereits aufmerksam gemacht worden. Beide Aspekte zeigen, daß gesetzliche Regulierung neben der Aufgabe der Ab­ sicherung konkreter Schutzgüter und in Ergänzung hierzu regelmäßig auch die Aufgabe erfüllt, den jeweiligen Akteuren Informationen über mindestens zu­ lässige und schon deshalb tragfähige Problemlösungen zur Verfügung zu stel­ len, deren Beschaffung ihnen ohne diese Form der Unterstützung kaum mög­ lich wäre: Es konnte gezeigt werden, daß die Bedingungen typischerweise län­ gerfristig angelegter Finanzierungsbeziehungen in Kapitalgesellschaften einen Musterfall relationaler Austauschbeziehungen darstellen, die schon deshalb re­ gelmäßig nicht für alle das vertragliche Pflichtenprogramm bedrohenden Risi­ ken Lösungen vorsehen, weil die Aufklärung aller möglichen Eventualitäten   Oben, 1. Kap., sub B. II. 3. a) bb) (S. 97) sowie sub B. II. 3. c) (S. 115).   Oben, 1. Kap., sub B. III. 3. a) (S. 157  ff.).

 

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3. Kapitel:  Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen

und die Erarbeitung problemadäquater Lösungen aus der Perspektive ex ante allenfalls unter prohibitiven Transaktionskosten möglich wäre. Vor diesem Hintergrund läßt sich die Aufgabe des Gesetzgebers abstrakt mit der These zu­ sammenfassen, dieser habe in Wahrnehmung seiner Infrastrukturverantwor­ tung durch Gesetzgebung auch und insbesondere die für das Referenzgebiet typischen Informationsdefizite zu kompensieren, die der effizienten Problem­ lösung durch die betroffenen Akteure Grenzen setzen. Diese Erwägung legiti­ miert keineswegs nur die Bereitstellung dispositiver Normen. Vielmehr ist ebenso auch das zwingende Recht Bestandteil des durch Gesetzgebung insge­ samt geschaffenen Datenkranzes, innerhalb dessen sich unternehmerisches Wirtschaften unter privatautonomer Gestaltung des damit eröffneten Spiel­ raums vollziehen kann. Die Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers erschöpft sich dabei zwar keineswegs in der Kompensation von Informationsdefiziten. Sie umfaßt vielmehr insbesondere auch die Wahrnehmung von Schutzinteressen, die unabhängig von derartigen Defiziten bestehen. Kompensation von Informa­ tionsdefiziten der jeweils involvierten Akteure ist mithin nur eine unter mehre­ ren Motiven für gesetzliche Regulierung. Dennoch erfüllt jede gesetzliche Re­ gelung, gleichviel, welche Ausgestaltung sie gefunden hat, stets und notwendig auch Informations- und Kommunikationsfunktionen. Viel spricht deshalb für die Annahme, daß ein nicht geringer Teil der das zwingende Gesellschaftsrecht motivierenden Schutzerwägungen auch auf die damit angesprochenen Informationsdefizite zurückgeht,  daß also, aus regulie­ rungstheoretischer Perspektive betrachtet, ein Marktversagen, das den regula­ torischen Eingriff legitimieren könnte, regelmäßig auch in Form derartiger In­ formationsdefizite in Erscheinung tritt. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die tradierte Rechtfertigung umfassender gesetzlicher Gläubigerschutzregelun­ gen, die regelmäßig mit fehlenden Möglichkeiten der Gläubiger zum Selbst­ schutz durch vertragliche Abreden mit der Gesellschaft begründet werden. So­ weit damit Vertragsgläubiger (Fremdkapitalgeber, Lieferanten, auch Arbeitneh­ mer) geschützt werden, beruht das zumindest implizit, gelegentlich auch expli­   Oben, 1. Kap., sub B. II. 3. a) bb) (S. 97).   Vgl. nochmals BVerfG, Urt. v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77, 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/79 und 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290, 355 (Mitbestimmung); Schön, FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1366  f.; zusf. Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 675, 677, und dazu bereits oben, 1. Kap., sub B. III. 3. a) (S. 160) bei und in Fn. 376.    Gleichsinnig aus staatsrechtlicher Perspektive allgemein etwa Reimer, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 9 Rn. 14.    Ebenso Eisenberg, 89 Colum. L. Rev. 1461, 1465  f. (1989) unter Hinweis auf Arrow, 20 Econ. Inquiry 1, 5 (1982); vgl. auch Eisenberg, 47 Stan. L. Rev. 211  ff. (1995). Vgl. aus dem re­ gulierungstheoretischen Schrifttum auch Ogus, Regulation, S. 38  ff.; allgemein Fritsch/Wein/ Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 282  ff. (Informationsdefizite als typische Form von Marktversagen).  

A.  Regulierung als doppeltes Informationsproblem

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zit auf der Annahme, daß diesen Akteuren neben entsprechender Verhand­ lungsmacht typischerweise auch eine hinreichende Informationsgrundlage fehle, um sich vertraglich gegen das infolge riskanter Geschäftspolitik oder aus sonstigen Gründen bestehende Ausfallrisiko abzusichern. Unzureichende In­ formation über die das Ausfallrisiko beeinflussenden Faktoren trägt somit dazu bei,  daß das Ausfallrisiko im vertraglich ausgehandelten Preis für die gegen­ über der Gesellschaft erbrachte Leistung nicht angemessen berücksichtigt wird. Informationsdefizite und Informationsasymmetrien, deren Ausmaß zunimmt, je weiter eine Partei (z. B. als externer Gläubiger oder als nicht unternehmerisch engagierter Eigenkapitalgeber) von Unternehmensinterna entfernt ist, bilden hiernach eine wichtige Erscheinungsform möglichen Marktversagens im Recht der Finanzierungsbeziehungen. Hinzu kommen externe Effekte der unterneh­ merischen Betätigung zu Lasten Unbeteiligter, etwa etwaiger Deliktsgläubiger, denen gegenüber sich die Haftungsbeschränkung als zumindest problematische Privilegierung der Gesellschafter darstellt. Zumindest ein bedeutender Teil des gesellschaftsrechtlichen Regulierungsprogramms dient letztlich auch der Kom­ pensation des damit angesprochenen Informationsmangels: Gläubigerschüt­ zende Vorschriften, die anstelle privater Gestaltungen ein Mindestgründungs­ kapital vorschreiben und Regeln zur Kapitalerhaltung vorsehen, lassen sich ebenso in diesem Sinne interpretieren wie Vorschriften, die unmittelbar durch Informationsreche oder Publizitätspflichten die bestehenden Informationsdefi­ zite auszugleichen suchen. Diese Gesichtspunkte betreffen zwar in erster Linie die materiale Ausgestal­ tung gesellschaftsrechtlicher Regulierung und mithin die Verknüpfung von Re­ gulierungsinstrumenten mit konkreten Regulierungszielen auf der Ebene der Formulierung von Regulierungsstrategien.10 Bereits im vorliegenden Zusam­ menhang ist das Beispiel des Gläubigerschutzes indes von Bedeutung, weil es den Befund untermauert, daß in der gesetzgeberischen Entscheidung zum regu­ lierenden Eingriff in Gestalt eines bestimmten Regulierungsinstruments zwin­ gend zugleich eine Entscheidung über die Allokation der Aufklärungslast liegt:    Charakteristisch etwa Mankowski, in: Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 488, 495; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 10 I 1, S. 515; vgl. auch Eidenmüller/Grunewald/Noack, in: Lutter (ebd.), S. 17, 25  f.; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 39.    Als weiterer Faktor wird häufig insbesondere eine fehlende Verhandlungsmacht „klei­ ner“ Vertragsgläubiger oder Vertragsgläubiger mit Sonderinteressen (z. B. Arbeitnehmer) be­ müht; vgl. nochmals Mankowski, in: Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 488, 495; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 10 I 1, S. 515. A.A. etwa Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 42  ff.    Insoweit unstr., vgl. Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 45. Umstritten ist lediglich, wel­ che rechtspolitischen Schlüsse daraus gezogen werden sollten, vgl. etwa den sehr weitgehen­ den Vorschlag von Hansmann/Kraakman, 100 Yale L.J. 1879  ff. (1991), die Haftungsbeschrän­ kung gegenüber Deliktsgläubigern generell für unbeachtlich zu erklären. 10   Vgl. insoweit auch bereits oben, 1. Kap., sub C. II. 3. a) (S. 184).

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3. Kapitel:  Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen

Wenn der Gesetzgeber sich entschließt, abstrakt-generelle Lösungen vorzuge­ ben, weil den als schützenswert eingestuften Parteien die Informationsbasis für eine angemessene Problembewältigung im Wege der Berücksichtigung des Aus­ fallrisikos in der jeweiligen Preisgestaltung tatsächlich oder vermeintlich fehlt, so substituiert die gesetzgeberische Entscheidung insoweit die Information der betroffenen Parteien und deren Bewertung dieser Information durch eine eigene Information des Gesetzgebers. An die Stelle der privaten Risikosteuerung tritt seine Bewertung der Konsequenzen dieser Information im Hinblick auf die Ri­ siken der betroffenen Akteure. Weil die Kapitalgesellschaft als juristische Per­ son auf die Legitimation und Ausgestaltung durch Gesetzesrecht angewiesen ist und (auch nach Abschaffung des Erfordernisses einer hoheitlichen Konzession als Konstitutivakt) nicht allein durch private Initiative geschaffen werden kann, ist diese Allokationsentscheidung zwingend dem Gesetzgeber als originäre Kompetenz zugewiesen. Erst der Verzicht auf den regulierenden Eingriff eröff­ net insoweit Spielräume für die privatautonome Gestaltung. Aus alledem läßt sich indes nicht folgern, daß der Gesetzgeber stets versuchen sollte oder überhaupt stets versuchen kann, sich bei der erforderlichen Sachver­ haltsaufklärung zur Vorbereitung eines regulierenden Eingriffs daran zu orien­ tieren, welche Entscheidung des zu regelnden Problems vollständig informierte Parteien getroffen hätten. Eine Entscheidungsvorbereitung, die versuchte, in Umfang und Intensität der Sachaufklärung die Informationsbeschaffung der jeweils betroffenen Akteure quasi nachzubilden, d. h. die gesetzliche Lösung letztlich am idealtypischen vollständigen Vertrag zu orientieren, den die jeweils betroffenen Akteure in Abwesenheit von Transaktionskosten zur Bewältigung des fraglichen Sachproblems geschlossen hätten,11 stieße vielmehr zwangsläufig auf Schwierigkeiten. Standardisierung durch abstrakt-generelle Rechtssetzung und Einzelfallorientierung schließen einander konzeptionell aus. Insofern be­ stehen zwar zumindest im Hinblick auf die Erkundung des jeweiligen Sachpro­ blems Parallelen zwischen dem Aufklärungsaufwand, den ein Gesetzgeber be­ treiben muß, und der vergleichbaren Informationsermittlung durch private Parteien oder organisierte private Standardsetzer.12 Die sich jeweils stellenden Informationsprobleme sind jedoch keineswegs deckungsgleich: Die gesetzgebe­ rische Informationsbasis ist vielmehr strukturell von anderer Art als die Infor­ mationsbasis der unmittelbar betroffenen Parteien bei der vertraglichen Regulierung im Einzelfall. Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, daß zu den für die Parteien jeweils relevanten Informationen eben auch ihre individuellen Prä­ 11   So das etwa von Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 401  ff., für die Ausgestaltung des Vertragsrechts durch Gesetz und Rechtsprechung postulierte Leitbild. Vgl. für das dispositi­ ve Recht nunmehr eingehend auch Möslein, Dispositives Recht, 1. Teil, § 2, sub II. 2. 12   Vgl. insoweit (am Beispiel der international ohne jeden staatlichen Einfluß etablierten Standardwerke der International Swap Dealers Association) auch Riles, in: Jansen/Michaels (Hrsg.), Beyond the State: Rethinking Private Law, S. 183, 201  ff.

A.  Regulierung als doppeltes Informationsproblem

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ferenzen, z. B. hinsichtlich der Risikobereitschaft im Verhältnis zu erwarteten Gewinnchancen, gehören, die für die gesetzgeberische Entscheidung naturge­ mäß allenfalls im Rahmen einer typisierenden Interessenabwägung von Belang sind.13 Und im Vergleich zur privaten Regulierung in Gestalt der Standardset­ zung durch private Regelgeber wird der Gesetzgeber zumindest insoweit ande­ re Informationen berücksichtigen, als er auch die potentiellen Auswirkungen auf nicht unmittelbar beteiligte Dritte in die Abwägung einbeziehen muß. Für private Standardsetzer spielen derartige Belange demgegenüber zumindest dann nur eine untergeordnete Rolle, wenn nicht jeweils alle potentiell betroffenen Akteure als stakeholder am Prozeß der Standardsetzung beteiligt werden. Insgesamt muß die regulierungsvorbereitende Sachaufklärung auf der Ebene der Gesetzgebung also schon deshalb qualitativ über die Sachaufklärung auf der Ebene privater und teilprivatisierter Regulierung hinausgehen, weil das Gesetz abstrakt-generell eine Vielzahl von Sachverhaltskonstellationen erfaßt und nicht lediglich auf die Regelung eines bestimmten Rechtsverhältnisses im Interesse der Parteien beschränkt ist. Erforderlich ist insbesondere die Erhebung von In­ formationen darüber, inwieweit der gesetzliche Tatbestand eine hinreichend repräsentative Problemkonstellation abbildet und erfaßt, welche Auswirkungen die abstrakt-generelle Regelung einschließlich der vorgesehenen Durchset­ zungsmechanismen voraussichtlich für tatbestandlich nicht erfaßte, aber be­ nachbarte Problemkonstellationen entfaltet und inwieweit unerwünschte Fol­ gewirkungen zu erwarten sind.14 Die Wahl zwischen unterschiedlichen Regu­ lierungsinstrumenten ist nach alledem stets auch eine Wahl zwischen unter­ schiedlich komplex ausgestalteten Problemen der Informationsbeschaffung; regelt der Gesetzgeber Sachprobleme umfassend selbst, ist der zu bewältigende Sachaufklärungsaufwand strukturbedingt größer als bei der privaten Regulie­ rung.

II.  Regulierungsverantwortung als Informationsverantwortung: das Allokationsproblem des Regulierungsgebers Dem Gesetzgeber fällt nach alledem mit der Entscheidung über die Alloka­tion der Regulierungsverantwortung zugleich die Entscheidung über die Aufklä­ rungslast zu. Damit rücken – als zentrale Determinante für die Leistungsfähig­ keit und Effektivität gesetzlicher Regulierung – zugleich seine eigenen Erkennt­ 13   Vgl. Kornhauser, 89 Colum. L. Rev. 1449, 1455  f. (1989); in diese Richtung wohl auch Brudney, 85 Colum. L. Rev. 1403, 1405  f. (1985); dezidiert a.A. demgegenüber Butler/Ribstein, 65 Wash. U. L. Rev. 1, 14  f., 36  ff. (1996). 14   Vgl. zum Umfang der erforderlichen Prognosen auch Führ, Rationale Gesetzgebung, S. 31  ff.; Noll, Gesetzgebungslehre, S. 86  ff.; Schuppert, Gute Gesetzgebung, S. 23  f.; van Aaken, Rational Choice, S. 170  ff.

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3. Kapitel:  Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen

nisgrenzen in den Blick: Gesetzliche Regulierung erfüllt zwar eine Informati­ onsfunktion, stößt aber ihrerseits auf Informationsprobleme. Beide Aspekte sind keineswegs auf das hier untersuchte Referenzgebiet beschränkt. Gerade die Erkenntnis, daß staatliche Regulierung – wie letztlich jede Entscheidung15 – hinreichende Informationen voraussetzt, zählt vielmehr zu den Kernthemen der ökonomischen Regulierungstheorie und der Gesetzgebungslehre, die Leit­ linien zur Konkretisierung der Informationsverantwortung formuliert haben. Daran kann zur weiteren Konkretisierung auch im hiesigen Zusammenhang angeknüpft werden (unten 1.). Zugleich haben diese Arbeiten das Verständnis für die damit verbundene Allokationsaufgabe und die Schlüsselstellung ge­ schärft, welche die Wahl zwischen den im vorliegenden Kapitel untersuchten Regulierungsinstrumenten und den ihnen zugeordneten Durchsetzungsme­ chanismen in dieser Hinsicht einnimmt (unten 2.). Ist damit die sorgfältige Prü­ fung hinreichender Information zentrale Voraussetzung nicht nur für die Ent­ scheidung zum regulierenden Eingriff als solche, sondern auch für die Wahl des Regulierungsmodus, so läßt sich auf dieser Grundlage ein Prüfungsraster nach Fallgruppen formulieren, auf dessen Grundlage erste, noch kursorische Leitli­ nien für die Grobstruktur des maßgeblichen Entscheidungsprozesses gestützt werden können (unten 3.).

1.  Informationsverantwortung als Ausgangspunkt: Umfang und Struktur regulierungsvorbereitender Aufklärung Ein Versuch, das bislang nur vage als „Informationsverantwortung“ bzw. „Auf­ klärungslast“ umrissene Problem zu konkretisieren, findet in der insoweit teil­ weise auch durch die Regulierungstheorie inspirierten Rechtsetzungslehre zu­ mindest eine erste Orientierung. Diese Ansätze sensibilisieren zunächst für die volle Dimension der strukturellen Informationsprobleme jedes Regulierungs­ vorhabens (unten a)), lassen aber auch bereits erste Folgerungen für den Um­ gang hiermit zu (unten b)). a)  Gesetzgeberische Erkenntnisgrenzen als Grundproblem In der öffentlich-rechtlichen Rechtsetzungslehre hat die Einsicht in die Gren­ zen der Steuerbarkeit zumal komplexer wirtschaftlicher und sozialer Zusam­ menhänge16 bereits seit geraumer Zeit gezeigt, daß die konstatierten Steue­ rungsdefizite tradierter Regulierungsziele auch und zu einem nicht geringen 15   Zur Bedeutung von Informationen als Voraussetzung für rationales Entscheiden allge­ mein etwa Laux, Entscheidungstheorie, 7. Aufl. 2007, S. 337  ff. 16   Dazu bereits oben, 1. Teil, 1. Kap., sub C. II. (S. 30  f.).

A.  Regulierung als doppeltes Informationsproblem

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Teil auf Defizite bei der regulierungsvorbereitenden Informationsbeschaffung zurückzuführen sind.17 In Auseinandersetzung damit ist im Verwaltungsrecht und hier vor allem im Zusammenhang mit der Aufgabe der hoheitlichen Gefah­ renabwehr die Rechtstatsachenforschung sowohl zur Aufklärung der jeweili­ gen Realbereiche als Maßnahme zur Vermeidung von Programmfehlern18 einer­ seits und zum Gesetzesvollzug mit dem Ziel der Bekämpfung von Vollzugsde­ fiziten19 andererseits vorangetrieben worden. Die jeweiligen Ergebnisse sind allerdings nicht durchweg geeignet, Hilfestellung zur Optimierung des gesetz­ lichen Instrumentariums an materialen Vorgaben und Durchsetzungsmecha­ nismen zur Verfügung zu stellen. Eine nicht hinreichende empirische Absiche­ rung zählt ebenso zu den Ursachen dafür wie die Mehrdeutigkeit der vorliegen­ den Ergebnisse im Hinblick auf daraus ableitbare konkrete Folgerungen.20 Die Gesetzgebungswissenschaft hat ihrerseits zwar der Prognose und Bewertung von Regulierungsfolgen große Aufmerksamkeit gewidmet, 21 dabei zugleich aber auch die kognitiven Grenzen besonders deutlich werden lassen, die der rationalen Folgenabschätzung gesetzt sind. Wohl auch deshalb ist parallel zu dieser Entwicklung ein wachsendes Bewußtsein um den hohen Stellenwert von Wissen, auch und insbesondere von historischem Erfahrungswissen, und Infor­ mationen als Grundlage staatlicher Aufgabenwahrnehmung festzustellen, das sich in einem rasch anwachsenden staatsrechtlichen Schrifttum zu grundsätzli­ chen Fragen der Wissensgenerierung und Wissensverwaltung und deren techni­ scher Umsetzung niederschlägt. 22 17   Vgl. allgemein etwa Führ, Rationale Gesetzgebung, S. 31  ff.; Müller, Elemente einer Rechtssetzungslehre, Rn. 339  ff., insbes. 341; Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aß­ mann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 1 Rn. 29; vgl. auch Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen, S. 83; siehe ferner Loebenstein, in: Schäffer (Hrsg.), Theorie der Rechtssetzung, S. 167  ff. (Bedeutung der Verfügbarkeit von Expertenwissen als Voraussetzung effektiver Regelsetzung). Grundlegend für die Entwicklung der modernen Rechtstatsachenforschung Nußbaum, Rechtstatsachenforschung, passim; vgl. allgemein nochmals Raiser, Rechtssoziologie, S. 15  ff.; Rehbinder, Rechtssoziologie, Rn. 52  ff.; van Aaken, Rational Choice, S. 124  ff. Siehe auch bereits oben, 1. Kap., sub B. III. 4. (S. 165  f.) bei und in Fn. 400  f. 18   Vgl. zum Begriff etwa Röhl, in: Hof/Lübbe-Wolff (Hrsg.), Wirkungsforschung, S. 413, 422  ff.; zusf. Reimer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 9 Rn. 87. 19   Dazu wiederum Reimer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 9 Rn. 88. 20   Voßkuhle, VerwArch 85 (1994), 567, 579  ff.; zusf. ders., in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 1 Rn. 30. 21   Vgl. etwa Deckert, Folgenorientierung, passim; Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen und Realfol­ gen, 1981, insbes. S. 137  ff.; van Aaken, Rational Choice, S. 169  ff.; Wälde, Folgenorientierung, passim, und bereits Noll, Gesetzgebungslehre, S. 86  ff.; zusf. Reimer, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 9 Rn. 110  ff. 22   Repräsentativ hierzu Faßbender, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staats­ rechts, Bd. IV, § 76 Rn. 41  ff., 80  ff., sowie die Beiträge in Schuppert/Voßkuhle (Hrsg.), Gover­ nance von und durch Wissen, 2008, daraus im Überblick insbesondere Voßkuhle, ebd., S. 13  ff.,

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3. Kapitel:  Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen

Auf das hier untersuchte Referenzgebiet, das als privatrechtlich dominierte Materie in den einschlägigen Arbeiten bislang kaum Beachtung findet, läßt sich der damit umrissene Befund im Ausgangspunkt ohne weiteres übertragen. Daß Rechtstatsachenforschung und Gesetzesfolgenabschätzung im Gesellschaftsund Unternehmensrecht bislang allenfalls in ersten Ansätzen entwickelt sind, ist bereits angeklungen.23 Ebenso hat die im vorliegenden Teil der Untersuchung vorgenommene Sichtung bisheriger Ansätze zur Erforschung von Funktions­ voraussetzungen und Funktionsweise unterschiedlicher Regulierungsmodi im­ mer wieder deutlich werden lassen, daß insbesondere die formulierten Annah­ men zur jeweils erreichbaren verhaltenssteuernden Wirkung empirisch noch nicht verifiziert worden sind. So betrachtet, droht das Postulat der regulierungsvorbereitenden Realbe­ reichsanalyse von vornherein überfordert zu werden, wenn diese am Leitbild der vollständigen Aufklärung der jeweils charakteristischen Wirkungszusam­ menhänge ausgerichtet werden soll. Diese Einsicht ist in der ökonomischen Staatstheorie bereits früh maßgeblich von Friedrich August von Hayek betont worden, der sich in mehreren Schriften kritisch mit den Möglichkeiten zentra­ lisierter (Wirtschafts- und Gesellschafts-) Planung auseinandergesetzt und auf die begrenzte Kapazität zentral verantwortlicher Akteure zur Erhebung, Verar­ beitung und angemessenen Berücksichtigung der planungsrelevanten Informa­ tionen hingewiesen hat. 24 Dieser Ansatz ist auch und gerade für den eher regu­ lierungsskeptischen Ansatz der neoklassisch orientierten Rechtsökonomik wir­ kungsmächtig geworden. 25 Praktische Bestätigung findet diese theoretische Warnung in jüngerer Zeit überall dort, wo die Leistungsfähigkeit der hoheitli­ chen Eingriffsverwaltung an (natur-) wissenschaftliche Erkenntnisgrenzen ge­ stoßen ist und erkennbar deshalb Steuerungsverluste erlitten hat. 26 Dies steht im Kontrast zur älteren Gesetzgebungslehre, die von prinzipiell umfassender Steuerungsfähigkeit sozialer Sachverhalte ausging. 27 Besonders augenfällig wer­ 19  f.; Spiecker gen. Döhmann/Collin (Hrsg.), Generierung und Transfer staatlichen Wissens, 2008. 23   Oben, 1. Teil, 1. Kap., sub C. III. (S. 31  f.). 24   Von Hayek, 13 Economica 33  ff. (1937); ders., 35 Am. Econ. Rev. 519 (1945); ders., Anma­ ßung von Wissen, passim; ders., Recht, Gesetz und Freiheit, S. 13  ff., 171  ff.; vgl. in dieser Tra­ dition auch Hoppmann, Unsicherheit, Wirtschaftsordnung und Staatsgewalt, 1993, S. 27  ff. 25   Vgl. explizit etwa R.A. Posner, Economic Analysis of Law, § 14.1, S. 420 bei und in Fn. 5; siehe auch Barnett, 78 Va. L. Rev. 821, 836  ff. (1992). 26   Siehe nochmals bereits oben, 1. Kap., sub B. III. 4. (S. 165  f.) bei und in Fn. 400  f. 27   Besonders charakteristisch insoweit etwa Noll, Gesetzgebungslehre, S. 9: „Die weltwei­ te Diskussion um den Umweltschutz hat mindestens eines gezeigt: (…) Kollektive Vernunft kann nur durch Normen hergestellt werden. (…) Die moderne Gesellschaft ist in allen Teilbe­ reichen instabil geworden, und es gibt keine freien Räume mehr, in die sich der Druck entla­ den kann. Steuerndes soziales Handeln ist überall unvermeidlich geworden.“ (eig. Hervorhe­ bung). Vgl. aus der Rechtsetzungslehre allgemein bereits die Nachw. oben, 1. Teil, 1. Kap., sub C. IV. (S. 33) Fn. 64.

A.  Regulierung als doppeltes Informationsproblem

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den diese Probleme im Umweltrecht, das in besonderer Weise mit Erkenntnis­ grenzen der Naturwissenschaften und daraus resultierenden Unzulänglichkei­ ten bei der Umsetzung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse in konkrete Rechtssätze kämpft. Unzureichende Erfassung von Risiken einerseits, anderer­ seits aber auch die Gefahr einer Fehlsteuerung aufgrund unvollständiger Er­ kenntnisse über Neben- und Wechselwirkungen der eingesetzten Steuerungs­ instrumente und ihrer Durchsetzung sind die Konsequenzen. 28 Entsprechendes gilt für das öffentliche Produktsicherheitsrecht 29 und hier besonders für das Arzneimittelrecht,30 aber auch für das Atomrecht, in dem etwa die Kalkar-Ent­ scheidung des Bundesverfassungsgerichts die Schwierigkeiten einer adäquaten Risikoerfassung als Grundlage der rechtlichen Risikobewältigung deutlich for­ muliert hat.31 Die aus den naturwissenschaftlichen Erkenntnisgrenzen resultie­ renden Effektivitätsdefizite werden zudem durch originär rechtswissenschaftliche Erkenntnisgrenzen hinsichtlich der Funktionsvoraussetzungen und Funk­ tionsweise der jeweils eingesetzten Regulierungsinstrumente noch verschärft: In der Tat setzt effektive Regulierung nicht nur eine tragfähige fachwissen­ schaftliche Erforschung des jeweiligen Sachproblems, sondern zugleich eine verläßliche Handlungslehre voraus, die in der Prognose der regulierungsbe­ dürftigen Risiken und der Voraussetzungen und Wirkungen der zu ihrer Be­ kämpfung eingesetzten Instrumente zusammenspielen müssen.32 b)  Konsequenzen Die aus den bisherigen Überlegungen zu ziehenden Folgerungen für eine Regu­ lierungslehre für das untersuchte Referenzgebiet sind zunächst negativer Na­ tur: Allgemein mehren sich Zweifel an der Realisierbarkeit eines Regulierungs­ ansatzes, der auf ein fein austariertes „Mikromanagement“ von Risiken abzielt, auch mit Blick auf den begrenzten Fundus verhaltenswissenschaftlich-ökono­ mischer Erkenntnisse zu den Determinanten von Regelwirkung und Regelbe­ folgung weit über diese Referenzgebiete hinaus.33 Für das Recht der Finanzie­ 28   Vgl. abermals Ladeur, in: Jb. des Umwelt- und Technikrechts 1994, 297, 298  ff.; zusf. Hagenah, in: Grimm (Hrsg.), Staatsaufgaben, 1994, S. 487, 489  ff.; Voßkuhle, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 1 Rn. 11; ders., in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, 1999, S. 47, 60  ff. 29   Dazu besonders Ladeur, BB 1993, 1303, 1304  ff. 30   Dazu z. B. Calliess, Prozedurales Recht, 1999, S. 242  ff.; Fuhrmann, Sicherheitsentschei­ dungen im Arzneimittelrecht, S. 138  ff. 31   Vgl. BVerfG, Beschl. v. 8. 8. 1978 – 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, 135  ff. 32   Überzeugend van Aaken, Rational Choice, S. 174. 33   Vgl. Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 345  f. (besonders zum Kartell­ recht); in eine ähnliche Richtung Cheffins, Company Law, S. 281. In der französischsprachi­ gen Rechtsetzungslehre in diese Richtung auch Lasserre-Kiesow, La Technique Législative, S. 8.

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3. Kapitel:  Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen

rungsbeziehungen in Kapitalgesellschaften gilt nichts anderes. Mit vollem Recht hat in jüngster Zeit etwa Stefan Bechtold die Risiken eines solchen Ansatzes prägnant dahingehend zusammengefaßt, je stärker sich der Gesetzgeber um eine Feinsteuerung bemühe, desto größer sei „die Gefahr, selektiv zu regulieren [und] wichtige Aspekte zu vernachlässigen. Dies kann die Vorteile der jeweiligen Regulierung zunichte machen. Ein Mikromanagement erfordert eine Faktenbasis, über die der Gesetzgeber oftmals nicht verfügt. Der Detail­ grad der ökonomischen Analyse des Rechts kann zu der Illusion eines ‚social enginee­ ring‘ verleiten, wonach jeder gewünschte gesellschaftliche Zustand durch entsprechende Rechtsnormen oder sonstige Institutionen hergestellt werden kann.“34

Dies erklärt zugleich den bereits an anderer Stelle angeklungenen Umstand, daß (auch) im vorliegend untersuchten Referenzgebiet die Festlegung positiv-präskriptiver Verhaltensgebote – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Effek­ tivität der Regulierungsinstrumente – oft auf größere Schwierigkeiten stößt als diejenige negativ-präskriptiver Verbote:35 Soll das Gesetz die Adressaten auf eine bestimmte Verhaltensweise positiv festlegen, so ist der Sachaufklärungsund Begründungsaufwand höher, als wenn lediglich eine bestimmte Verhal­ tensweise ausgeschlossen werden soll. Letzteres verlangt neben dem Wissen um die Schädlichkeit dieser Verhaltensweise in regulierungstechnischer Hinsicht zusätzliches Wissen um die durch ein Verbot geschaffene Anreizstruktur, um etwa bestehende Umgehungsstrategien der betroffenen Akteure und um Mög­ lichkeiten zu deren Bekämpfung. Für die positiv-präskriptive Regulierung reicht dies nicht aus. Hier ist zusätzlich die Vorfrage zu beantworten, warum gerade die vom Gesetzgeber ausgewählte Verhaltensweise als einzige Lösung zu richtigen Ergebnissen führt, warum also jede Alternative hierzu, die ja verhin­ dert werden soll, suboptimal ist. Damit ist nicht nur eine Prognose hinsichtlich der positiv vorgeschriebenen Alternative und deren Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise erforderlich. Hinzu treten müssen vielmehr zum einen die – regelmäßig schon als solche ausgesprochen komplexe – Ermittlung idealiter aller bestehender Alternativen und zum anderen die Aufstellung vergleichbarer Prognosen auch hierzu. Oft wird die inhaltliche Ausgestaltung positiv-prä­ skriptiver Normen indes nicht nur dadurch behindert, daß belastbare, empi­ risch verifizierte Erkenntnissen zu „richtigen“ Problemlösungen weithin kaum vorliegen. Regelmäßig fehlt es vielmehr schon an etablierten Bewertungsmaß­ stäben, anhand derer sich die „Richtigkeit“ von Lösungen überhaupt objektiv ermitteln ließe. Versucht man, dieses Problem durch Substitution des „Richtig­ keitskriteriums“ durch das Kriterium der „Effizienz“ aufzulösen und auf diese Weise zu präziseren Ergebnissen zu gelangen, werden damit die Schwierigkei­ 34   Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 344  f.; inhaltlich ähnlich auch Cheffins, Company Law, S. 281. 35   Zum Begriff bereits oben, 1. Kap., sub B. III. 2. (S. 155  f.).

A.  Regulierung als doppeltes Informationsproblem

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ten regelmäßig nur auf eine andere Ebene verschoben: Zwar wird dann die Ei­ nigung über das Merkmal der „Richtigkeit“ entbehrlich, doch bleiben die be­ reits im 1. Teil der Untersuchung36 diskutierten Schwierigkeiten, Variablen zu definieren, anhand derer sich die Effizienz rechtlicher Lösungen als Bestandteil eines Systems in realistischer Würdigung der jeweils zu berücksichtigenden sy­ stematisch-kulturellen Wirkungsmechanismen empirisch verifizierbar ermit­ teln läßt. Ob vor diesem Hintergrund mehr als eher vage, vor allem auf anekdotisch ermittelte Beispiele gestützte Leitlinien für die Ausgestaltung des materiellen Kapitalgesellschaftsrechts überhaupt erwartet werden können, wird zumindest in dieser Allgemeinheit beim gegenwärtigen Stand der betriebswirtschaftlichen Forschung eher bezweifelt werden müssen. Beispiele hierfür bieten prominente Probleme sowohl organisations- als auch finanzierungsbezogener Gesellschaf­ ter- und Geschäftsleiterpflichten: Wenig geklärt ist bislang etwa, welchen positiven Inhalt die gesellschaftsrechtlichen Organisationspflichten zur Risikofrüh­ erkennung und -kontrolle konkret haben. Zwar fehlt es nicht an einer Reihe betriebswirtschaftlicher Empfehlungen, die recht konkrete Standards aufstel­ len und dabei den Anspruch erheben, verallgemeinerungsfähige Aussagen zu verkehrsüblichen und -bewährten Gestaltungen zu formulieren.37 Ähnliches gilt für Leitlinien für die innere Organisation des Aufsichtsrats und die Aufga­ benwahrnehmung durch diesen, wie sie ebenfalls in der jüngeren betriebswirt­ schaftlichen Literatur vorgelegt worden sind,38 welche damit die ältere Diskus­ sion um betriebswirtschaftlich informierte „Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensleitung und -überwachung“39 wieder aufgenommen hat. Schon die Tauglichkeit dieser Ansätze als Grundlage für die Konkretisierung der ob­ jektiv-rechtlichen Vorgaben ist indes hochumstritten. Auch mit Blick auf den wenig gefestigten Forschungsstand wird die unmittelbare Heranziehung als bindend für die rechtliche Bewertung im rechtswissenschaftlichen Schrifttum

  Oben, 1. Teil, 1. Kap., sub B. II. (S. 23  f.).   Vgl. dazu näher Binder, ZGR 2007, 745, 748  f.; Spindler, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, § 19 Rn. 16  ff., jeweils m. w. N. Siehe dazu auch noch unten, 3. Teil, 2. Kap., sub A. III. 2. (S. 538  ff.). 38   Vgl. exemplarisch Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmen“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., Best Practice des Aufsichtsrats der AG – Empfehlungen zur Verbesserung der Effektivität und Effizienz der Aufsichtsratstä­ tigkeit, abgedruckt in: DB 2006, 1625  ff.; ders./Arbeitskreis „Externe Unternehmensrech­ nung“, Anforderungen an die Überwachungsaufgaben von Aufsichtsrat und Prüfungsaus­ schuß nach § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG i.d.F. des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, abge­ druckt in: DB 2009, 1279  ff.; vgl. auch von Werder/Wieczorek, DB 2007, 297  ff. (Anforderun­ gen an die Qualifikation von Aufsichtsräten); Nonnenmacher/Polle/von Werder, DB 2007, 2412 ff (betriebswirtschaftliche Anforderungen an Prüfungsausschüsse). 39   Dazu stellvertretend Hommelhoff/Schwab, zfbf Sonderheft 36 (1996), 149  ff., insbes. 168  ff.; aus betriebswirtschaftlicher Sicht Theisen, zfbf Sonderheft 36 (1996), 75, 93  ff. 36 37

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3. Kapitel:  Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen

zu Recht überwiegend abgelehnt.40 Schon innerhalb der betriebswirtschaftli­ chen Literatur wenig gefestigt und damit erst recht bislang ungeeignet als Grundlage für die rechtliche Definition positiver Pflichten und Entscheidungs­ parameter sind Anforderungen an die Vorbereitung unternehmerischer Ent­ scheidungen, die sich zur Konkretisierung der gesellschaftsrechtlichen Business Judgment Rule heranziehen ließen,41 oder an die Wahl der Finanzierungsstruk­ tur und Entscheidungen zur materiellen Kapitalisierung von Unternehmen, die als Grundlage positivierter Kapitalisierungsregeln dienen könnten.42 Auch hier gehen (allzu) optimistische Versuche, unternehmerisches Handeln über die negativ-präskriptive Festlegung von Grenzen zulässiger Entscheidungen hinaus positiv gesetzlich vorzugeben, offenbar von der Verfügbarkeit hinreichend ab­ gesicherten Wissens um positiv (wie auch immer definiert) sachgerechte, verall­ gemeinerungsfähige Lösungen aus, das nicht existiert und angesichts der Viel­ falt der Lebensbedingungen auch nicht existieren kann. Beispielhaft zeigt dies gerade die Diskussion um eine Durchgriffshaftung der Gesellschafter bei mate­ rieller Unterkapitalisierung der GmbH, die nicht zuletzt auch wegen fehlender betriebswirtschaftlich fundierter Finanzierungsregeln bislang nicht zu einem Ergebnis geführt hat.43 Als Gegenbeispiel bietet sich die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (§ 15a InsO n. F.) an. Obwohl im Wortlaut positiv formuliert, handelt es sich im hiesigen Verständnis um eine negativ-präskriptive Regelung: Anstatt eine bestimmte Fi­ 40   Für § 91 Abs. 2 AktG etwa Hommelhoff/Mattheus, in: Dörner u. a. (Hrsg.), Praxis des Risikomanagements, 2000, S. 7, 33  f.; J. Koch, ZGR 2006, 769, 789 („betriebswirtschaftliche Auswüchse“); vgl. auch MünchKomm/Ebke, HGB, § 323 Rn. 27; zum Ganzen auch bereits Binder, ZGR 2007, 745, 779  f. 41   Vgl. nochmals Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmen“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., Praktische Empfehlungen für unter­ nehmerisches Entscheiden, abgedruckt in: DB 2006, 2189, 2193  ff.; Graumann/Linderhaus/ Grundei, BFuP 61 (2009), 492  ff.; dies., ZCG 2009, 20  ff.; Grundei/von Werder, AG 2005, 825, 829  ff. 42   Vgl. zum Stand der betriebswirtschaftlichen Forschung zu Unternehmensfinanzierung allgemein etwa Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, passim; Tirole, Theory of Corpora­ te Finance, passim; deutsch Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapital­ markt, insbes. S. 468  ff.; Rudolph, Unternehmensfinanzierung, passim; zu den für die Finan­ zierungsstruktur maßgeblichen Entscheidungsparametern aus juristischer Sicht z. B. Eilers, in: ders./Rödding/Schmalenbach (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung, Teil A Rn. 20  ff. 43   Vgl. aus der kontroversen Diskussion einerseits (kritisch) stellvertretend Ulmer/Haber­ sack/Winter/Raiser, GmbHG, Rn. 153  ff.; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 230  ff. und S. 394  ff.; Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, Gutachten E zum 66. DJT, 2006, E 93  f.; Möller, Die materiell unterkapitalisierte GmbH, 2005, S. 50  ff. und passim; siehe auch Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 5.169; andererseits (differenziert befürwor­ tend) Scholz/Emmerich, GmbHG, § 13 Rn. 81  ff.; G. H. Roth, ZGR 1993, 170, 177  ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV, S. 240  ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 4 III 1, S. 224  ff., und § 10 IV 3, S. 565  ff. Siehe dazu auch noch unten, 3. Teil, 2. Kap., sub A. III. 1. c) bb) (S. 529).

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nanzierungsentscheidung vorzugeben, wird ausschließlich das fortgesetzte Wirtschaften in einem Zeitpunkt unterbunden, in dem es bereits zur konkreten Gefährdung von Gläubigerinteressen gekommen ist. Insoweit nimmt der Ge­ setzgeber, mit anderen Worten, keine Beurteilungskompetenz hinsichtlich aller erdenklichen Auswege aus der finanziellen Krise für sich in Anspruch, sondern reagiert lediglich auf den empirisch leicht feststellbaren Erfahrungswert, daß eine ungehinderte Weiterführung des Geschäftsbetriebs in der Krise die Gläu­ bigergefährdung nur zu vertiefen droht. c)  Fazit Auch für das untersuchte Referenzgebiet ist das Postulat einer umfassend ange­ legten, (betriebswirtschaftlich) wissenschaftlich abgesicherten, auf die abschlie­ ßende Erforschung der Interessenlage und der Gesetzesfolgen ausgerichteten regulierungsvorbereitenden Realbereichsanalyse nach alledem unrealistisch. Die Aufgabe der empirisch abgesicherten Erforschung des jeweiligen Referenz­ gebiets ist somit nur eine in ihrer Leistungsfähigkeit und Reichweite begrenzte, erste Stufe im Prozeß der Regulierungsvorbereitung. Ein wichtiger Aspekt der Realbereichsanalyse ist daher stets die Suche nach den insofern bestehenden Erkenntnisgrenzen; die für jede Regulierungsentscheidung erforderliche Informa­ tionsbasis schließt das Wissen um den Verlauf der Grenzen des verfügbaren Wissens zwingend mit ein. Eben weil der regulierende Eingriff in die Finanzie­ rungsbeziehungen in Kapitalgesellschaften geradezu per definitionem einen Eingriff in private Selbstorganisation darstellt, sollte die Erkenntnis, daß es dem Gesetzgeber selbst an hinreichendem Wissen mangelt, nicht dazu verleiten, entweder unter mehreren auf der Grundlage der verfügbaren Informationen als gleichwertig eingeschätzten Lösungen eine beliebige auszuwählen oder aber auf Regulierung im Interesse als schützenswert erkannter Rechtsgüter von vorn­ herein zu verzichten. Vielmehr sollten die in der Realbereichsanalyse gewonne­ nen Erkenntnisse (einschließlich der Erkenntnisse zu den Grenzen der verfüg­ baren Informationsbasis) in eine Entscheidung darüber einfließen, auf welcher Ebene – beim Gesetzgeber, bei den betroffenen Akteuren selbst oder bei Drit­ ten – die Regulierungsverantwortung und damit zugleich die Aufklärungslast mit Blick auf die auf diesen Ebenen eröffneten Möglichkeiten der Informations­ beschaffung in einem zweiten Schritt idealiter angesiedelt werden müssen.

2.  Die Wahl des Regulierungsmodus als Weichenstellung der Allokation der Aufklärungslast Nach alledem ist grundsätzlich völlig zu recht postuliert worden, Regulie­ rungsverantwortung und Aufklärungslast auf derjenigen Ebene anzusiedeln,

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3. Kapitel:  Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen

auf der die Verfügbarkeit der jeweils relevanten Informationsgrundlage am ehe­ sten gesichert erscheint. Dies gilt, wie gesehen, nicht allein für die inhaltliche Ausgestaltung von Regulierungszielen und die Zuordnung von Regulierungs­ instrumenten hierzu, sondern auch für die Auswahl unter den verschiedenen zur Verfügung stehenden Normdurchsetzungsmechanismen. Denn auch die Effektivität der Normdurchsetzung hängt, wie erörtert, nicht zuletzt von der Informationsbasis des jeweiligen Trägers der Normdurchsetzungsinitiative ab.44 Schon weil die grundsätzliche Allokationsentscheidung jeweils durch den Gesetzgeber zu treffen ist, ist damit nicht „Verfügbarkeit“ im tatsächlichen Sin­ ne gemeint, sondern eine Voraussetzung, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen wiederum abstrakt-typisierend zu prognostizieren ist. Wenn und soweit eine sachgerechte Problemlösung lokal-individuelle Information voraussetzt, ist die gesetzliche Regelung von vornherein wenig prädestiniert, zu einer adäquaten Lösung zu gelangen.45 Die bisherige Untersuchung hat erwiesen, daß der Ent­ scheidung zwischen den unterschiedlichen zur Verfügung stehenden Regulie­ rungsinstrumenten und Durchsetzungsmechanismen in diesem Zusammen­ hang die Funktion der Weichenstellung zukommt: Mit der Wahl zwischen dis­ positivem und zwingendem Recht (unten a)), zwischen Regel- und Standard­ form (unten b)) sowie zwischen privater, hoheitlicher und teilprivatisierter Normdurchsetzung (unten c)) sind Entscheidungen über die Allokation der In­ formationsverantwortung und Aufklärungslast verbunden. Damit besteht in der Tat ein enger Zusammenhang zwischen der Wahl der Regulierungsinstru­ mente und der Leistungsfähigkeit von Regulierung, zwischen Regulierungs­ technik und Effektivität der Regulierung.46 Die Ergebnisse der bisherigen Un­ tersuchung der dem Gesetzgeber zu Gebote stehenden Gestaltungsinstrumente sind geeignet, diese These zugleich zu untermauern und zu konkretisieren; sie zeigen aber auch, daß die damit umrissene Leitlinie von präzise operationali­ sierbaren Handreichungen für die Gesetzgebungspraxis weit entfernt ist. a)  Dispositives und zwingendes Recht Die Grundentscheidung über die Allokation der Informationslast fällt dabei mit der Wahl zwischen den Regulierungsinstrumenten des dispositiven und des zwingenden Rechts zusammen: Wird zwingendes Recht gewählt, so nimmt der Gesetzgeber eine hinreichende Informationsgrundlage hinsichtlich des zu re­   Siehe nochmals oben, 1. Kap., sub D. IV. (S. 232  ff.).   Überzeugend schon Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1718, 1731 (1989): “Contractual rule making does or should flourish when local information is most relevant to the choice of an optimal rule.” 46   Vgl. auch Rhinow, Rechtsetzung und Methodik, S. 249  f.: „Verteilung der Regelungslast [vom Gesetzgeber] auf Funktionsträger“ als notwendige Konsequenz komplexer Regulie­ rungserfordernisse. A.A., aber zweifelhaft, insoweit wohl van Aaken, Rational Choice, S. 167 und passim, die die modale Normanalyse als technische Frage von vornherein ausklammert. 44 45

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gelnden Sachproblems und hinsichtlich der Wirkungsweise des gewählten Re­ gulierungsinstruments (einschließlich der ihm zugeordneten Normdurchset­ zungsmechanismen) für sich in Anspruch. Zugleich führt die Grundentschei­ dung zur zwingenden Regulierung dazu, daß der privaten Informationsbasis und damit der privaten Problemlösungskompetenz von vornherein nurmehr ein geringer Stellenwert zukommt; in materialer Hinsicht sind beide allenfalls noch insoweit von Belang, als die gewählte Regulierungsstrategie Spielräume für Umgehungsstrategien läßt. Dispositive Normen übertragen die Informati­ onsverantwortung demgegenüber zu einem erheblichen Teil auf die jeweils in­ volvierten privaten Akteure. Zwar ist auch dispositives Recht, wie gezeigt, als Regulierungsinstrument geeignet, soweit es die privatautonome Lösung zu­ mindest faktisch beeinflußt. Die Gründe dafür können in strukturimmanenten Persistenzneigungen, aber auch in der gewählten materialen Ausgestaltung der dispositiven Lösung mit entsprechenden Folgewirkungen für Verhandlungs­ prozeß und Verhandlungsergebnis liegen.47 Doch steht jede dispositiv formu­ lierte Lösung von vornherein unter dem Vorbehalt ihrer Substitution durch eine privatautonome und damit auf der Grundlage privater Informationen gewon­ nene, individualisierte Lösung.48 So betrachtet, läßt sich die Wahl dispositiven Rechts als Ausdruck der gesetzgeberischen Einsicht in die Möglichkeit inter­ pretieren, daß die den Akteuren zur Verfügung stehenden Informationen im Einzelfall eine von der abstrakt-typisierenden Wertung des Gesetzesrechts ab­ weichende Regelung begründen mögen. Dies gilt selbst in den Fällen, in denen – etwa in Gestalt klar konturierter penalty defaults – die jeweilige Lösung ein­ deutig nicht nur gestaltungserleichternde Zwecke verfolgt, sondern zumindest auch regulatorischer Natur ist. Dispositive Regelungen mögen nach den oben gewonnenen Erkenntnissen zwar die Verhandlungsbereitschaft der betroffenen Akteure in einer Weise beeinflussen, daß diese sich nur mehr bei ausgeprägten Präferenzen gegen die dispositive Lösung auf eine hiervon abweichende indivi­ dualvertragliche Gestaltung verständigen werden.49 Dies ändert indes nichts daran, daß hier gleichwohl der privaten im Vergleich zur hoheitlichen Informa­ tion prinzipiell der Vorrang eingeräumt wird. Auch aus diesen Überlegungen lassen sich Argumente für eine Art Zweifels­ regel dahingehend ableiten, jedenfalls bei Unsicherheiten im Hinblick auf die erforderliche Informationsbasis tendenziell dem dispositiven Recht den Vor­ rang einzuräumen.50 Diese Folgerung sollte allerdings nicht überdehnt werden.   Siehe nochmals oben, 1. Kap., sub B. II. 4. b) (S. 135  ff.).   Vgl. bereits Bülow, AcP 64 (1880), 1, 45. 49   Sunstein/Thaler, 70 U. Chi. L. Rev. 1159, 1162 (2003); im Anschluß daran auch Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 254. 50   In diese Richtung teilweise ausdrücklich auch die Anhänger der contractarian school in der US-amerikanischen Gesellschaftsrechtstheorie; vgl. besonders prägnant insoweit Butler/ Ribstein, 65 Geo. Wash. L. Rev. 1, 64 (1990); ähnlich – in kapitalmarktrechtlichem Zusam­ menhang, aber verallgemeinerungsfähig – Cheffins, Company Law, S. 386  f. Allgemein zum 47

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Ihre Tragweite hängt nicht nur davon ab, wie jeweils die Anforderungen an die erforderliche Informationsbasis in konkreten Sachzusammenhängen zu defi­ nieren sind. Zudem schließt die damit angesprochene Aufgabe der regulierungs­ vorbereitenden Sachaufklärung notwendig stets die wertende Gewichtung von (ggf. widersprüchlichen) Informationen und erkannten Informationsdefiziten in Relation zu ggf. verfolgten Schutzzielen ein, die komplexe Prognosen erfor­ dert und sich insbesondere einer formalen Modellierung entzieht. Die Formel „im Zweifel dispositives Recht – nur (oder allenfalls) bei gesicherter Informati­ onsbasis zwingendes Recht“ mag damit als Faustregel taugen, ändert aber nichts an der Komplexität der Abwägungsprobleme im Einzelfall. Diese gewinnen an Gewicht, je bedeutender das jeweils für relevant erachtete Schutzgut ist: Die Abwägung zwischen der Delegierung von Regulierungsverantwortung und In­ formationslast einerseits und der restriktiven Einflußnahme durch zwingendes Recht andererseits wird selbst dann nicht selten zugunsten privater Gestal­ tungsfreiheit ausfallen, wenn einerseits das Risiko einer Schutzgutsverletzung klein ist und andererseits die gesetzgeberische Entscheidung jede Innovation durch private Gestaltung vollständig verhindert, solange dem Schutzgut selbst ein herausragender Stellenwert eingeräumt wird.51 Die im Gesetzgebungsprozeß zur Gestaltung berufenen Akteure sind bei ih­ rer Entscheidung über die Methodenwahl mithin im Prinzip kaum anderen Verzerrungsrisiken ausgesetzt als denen, die in der verhaltenswissenschaftli­ chen und der verhaltenswissenschaftlich informierten ökonomischen Literatur allgemein als Störfaktoren für rationales Entscheiden identifiziert worden sind.52 Zutreffend ist beobachtet worden, daß sich derartige Probleme insbeson­ dere in Fällen unmittelbar kriseninduzierter Rechtsetzung manifestieren wer­ den. Denn hier werden die in der Krise gemachten Beobachtungen zu tatsächli­ chen oder vermeintlichen Ursachen und Fehlentwicklungen in der Abwägung gegenüber eher zur Zurückhaltung mahnenden Gesichtspunkten tendenziell zu stark gewichtet. Deshalb, aber auch unter dem Druck der öffentlichen Meinung, der diese Einschätzung noch verstärkt, ist die Risikobewertung durch den Ge­ setzgeber in derartigen Konstellationen häufig von sog. Verfügbarkeitsheuristi­

zugrundeliegenden, stark rechtspolitisch gefärbten Streit über Reichweite und Grenzen der Gestaltungsfreiheit im US-amerikanischen Gesellschaftsrechts bereits oben, 1. Kap., sub B. I. 4. (S. 70  ff.). 51   Vgl. zum – im Ergebnis problematischen – Zusammenspiel von Prognose und Werturteil bei der Gesetzesvorbereitung allgemein auch Noll, Gesetzgebungslehre, S. 120  ff.; siehe auch Krems, Grundfragen, S. 146  f. 52   Zur psychologisch erklärbaren systematischen Fehleinschätzung von Risiken allgemein grundlegend schon Arrow, 20 Econ. Inquiry 1 (1982); vgl. auch Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. 1051, 1083  ff. (2000); Sunstein, 97 Nw. U. L. Rev. 1295  ff. (2003); siehe zu spezifischen Defiziten, insbesondere zum hindsight bias, bereits oben, 1. Kap., sub C. II. 3. a) (S. 185) bei und in Fn. 461.

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ken geprägt,53 wonach die Wahrscheinlichkeit des künftigen Eintritts von Er­ eignissen systematisch höher eingeschätzt wird, wenn sich entsprechende Fälle soeben ereignet haben.54 Damit sind zentrale Defizite angesprochen, an denen gesetzliche Regulierung vielfach leiden wird. Zugleich erweitern diese Überlegungen die bereits oben gewonnene Erkenntnis, daß regulierungsvorbereitende Sachaufklärung das Leitbild wirklich umfassender, allein an objektiven Maßstäben orientierter Tat­ sachenermittlung notwendig verfehlen muß, um die Feststellung, daß schon die regulierungsvorbereitende Ermittlung der Grenzen der verfügbaren Informati­ onsbasis notwendig wertende Aspekte einbezieht. Einstweilen – noch ohne Be­ rücksichtigung konkreter Sachprobleme aus dem vorliegend untersuchten Refe­ renzgebiet, die dem 3. Teil der Untersuchung vorbehalten ist – läßt sich damit lediglich festhalten, daß die Wahl dispositiver Normen eine Gestaltungsoption beschreibt, die in der Gesetzgebungspraxis nicht nur auf rein objektiven Ge­ sichtspunkten beruht, sondern auch voluntative Elemente einschließt. Die Wahl zwischen zwingendem und dispositivem Recht ist nach alledem zwar in der Tat zugleich eine Entscheidung über die Allokation der Informationsverantwor­ tung und Aufklärungslast. Sie beruht aber ihrerseits auf Prognose- und Wer­ tungsentscheidungen und ist mithin auch ihrerseits Informationsproblemen ausgesetzt. Daß zwingende Normen auch dann als Gestaltungselement gewählt werden, wenn keine vollständige Klarheit über die jeweiligen Funktionsvoraus­ setzungen und Funktionswirkungen – einschließlich der damit unvermeidlich einhergehenden innovationshemmenden Wirkungen – besteht, ist deshalb un­ vermeidlich. b)  Regel- und Standardform Um so größere Bedeutung kommt den mit der Ausgestaltung zwingender Nor­ men im Detail verbundenen weiteren Differenzierungsmöglichkeiten hinsicht­ lich der Allokation von Informationsverantwortung und Aufklärungslast zu. Auch wenn die Grundentscheidung – etwa mit Blick auf den besonderen Rang des jeweiligen Schutzguts – zugunsten des zwingenden Rechts gefallen ist, er­ öffnen Abstufungen hinsichtlich der formalen Realisierbarkeit Möglichkeiten, mit deren Hilfe sich Informationsdefizite auf der Ebene der Gesetzgebung im Wege der Delegierung von Auslegungsverantwortung und Durchsetzungsin­ itiative zumindest kompensieren lassen. Da diese Differenzierungen eingreifen, 53   Anschaulich Ribstein, Mich. St. L. Rev. 279, 283 (2004); im Anschluß daran auch Fleischer, FS Priester, 2008, S. 75, 85. 54   Zur Verfügbarkeitsheuristik (availability bias) grundlegend Tversky/Kahneman, 5 Cog. Psych. 207  ff. (1973); dies., 185 Science 1124, 1127 (1974); siehe auch Schwarz/Vaughn, in: Gi­ lovich/Griffith/Kahneman (Hrsg.), Heuristics and Biases, S. 103  ff.; zu Perspektiven einer rechtswissenschaftlichen Rezeption allgemein Eisenberg, 47 Stan. L. Rev. 211, 220  ff. (1995).

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3. Kapitel:  Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen

nachdem die grundsätzliche Entscheidung zugunsten der Regulierung durch zwingendes Recht gefallen ist, ließe sich anschaulich von sekundärer Verteilung von Informationsverantwortung und Aufklärungslast (im Unterschied zur primären, mit der Wahl zwischen dispositivem und zwingendem Recht vollzoge­ nen Allokationsentscheidung) sprechen. Wird statt der Regelform, die dem Ge­ setzgeber eine abschließende Entscheidung über die jeweilige Problemlösung im Detail abverlangt, die Standardform gewählt, verschiebt sich die Aufgabe der Sachaufklärung teilweise auf die Ebene der Rechtsanwender und Gerichte, denen mit der Feststellung der Tatbestandsmäßigkeit zugleich die Aufgabe der Konkretisierung der Tatbestandsvoraussetzungen zufällt. Logisch ist diese Aufgabe der Feststellung des Sachverhalts und der Subsumtion zwar vorgela­ gert, doch tatsächlich fällt die Auswertung der jeweils vorliegenden Informati­ onsbasis mit der Konkretisierungsaufgabe unvermeidlich teilweise zusammen. Wie gesehen,55 werden der Standardform auch deshalb komparative Vorteile im Vergleich mit der Regelform zugeschrieben, weil ihre Handhabung in weiterem Umfang die Einbeziehung lokal verfügbarer Informationen in den Vollzug des Normgehalts erlaubt. Standards werden damit von vornherein stärker mit Blick auf individuelle Aspekte des jeweiligen Sachverhalts ausgelegt, als dies bei der tatbestandlich präziser gefaßten, regelmäßig abschließend formulierten Regel der Fall wäre. Die mit der Standardform verbundene Delegierung der Norm­ konkretisierungsverantwortung und damit eines Teils der Regelsetzungsver­ antwortung56 schafft so den Spielraum für Auslegungsentscheidungen auf der Ebene der Rechtsanwendung (nicht nur, aber insbesondere durch die Gerichte), die von der „Autorität der Sachnähe“57 getragen werden, nämlich die maßgebli­ chen Beurteilungs- und Wertungskriterien aus der unmittelbaren Anschauung konkreter Sachprobleme beziehen. Standards sind deshalb besonders geeignet, bei Unsicherheit über Art und Ausmaß regulierungsbedürftig erscheinender Sachprobleme einen Rahmen aus groben Leitlinien aufzustellen, innerhalb des­ sen im Verlauf der praktischen Handhabung durch Normadressaten und Ge­ richte die fehlenden Informationen aus dem Realbereich in den Norminhalt diffundieren.58 Delegierung von Regelsetzungsverantwortung durch die Wahl der Standardform kann nach alledem insbesondere sehr komplexe Sachverhalte flexibel erfassen und einem abgestuften System gesetzlich vorgegebener Ober­ ziele und dezentral im Rahmen der Normanwendung zu gewinnender Nahzie­ le unterwerfen. Allerdings begrenzen die strukturimmanenten Eigenschaften von Standards zugleich ihre Einsatzmöglichkeiten: Gerade weil ihre Wirkung   Oben, 1. Kap., sub C. III. 1. a) (S. 192  f.).   Vgl. auch bereits oben, 1. Kap., sub C. I. 4. (S. 176  f.) bei und in Fn. 438 zur Diskussion um die Probleme der mit der Wahl unbestimmter Rechtsbegriffe verbundenen Delegation der Aufgabe der Normkonkretisierung. 57   So anschaulich Kübler, in: FS Stimpel, 1985, S. 3. 58   Vgl. auch bereits Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 774  ff. (1995). 55

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von der längerfristigen Handhabung und Konkretisierung durch die Rechts­ praxis abhängt, ist die Formulierung inhaltlich neuer Standards ohne Gestal­ tungsvorbilder, auf die zur Konkretisierung zurückgegriffen werden kann, mit erheblichen prognostischen Unsicherheiten hinsichtlich der künftigen Ausle­ gung behaftet. Die Wirkungen derartiger „neuer“ Standards werden sich meist kaum präzise vorhersagen lassen. Der Hinweis auf das Zusammenwirken von privater Rechtsverfolgung, ge­ richtlicher Streitentscheidung und der kontinuierlichen Dokumentation der Ergebnisse dieses Zusammenwirkens als Charakteristika der Standardform in­ diziert zugleich, daß die mit dieser Form verbundene Allokationsentscheidung auch als Entscheidung für einen prozeduralen Umgang mit Prognoseproblemen interpretiert werden kann:59 Mit der Wahl der Standard- anstelle der Regelform ist ein zumindest vorläufiger, durch das Wissen um Erkenntnisschranken hin­ sichtlich aller künftigen regelungsbedürftigen Sachverhalte motivierter Ver­ zicht auf endgültige Detailvorgaben zugunsten einer evolutorischen Lösungs­ findung im Verfahren verbunden. Dies reflektiert einen Umgang mit Informa­ tionsdefiziten, der insbesondere im Öffentlichen Recht, 60 aber auch im Unter­ nehmensrecht 61 zunehmend als regulierungstechnisches Rezept in Fällen ent­ deckt wird, in denen gesetzliche Vorgaben mit Rücksicht auf die jeweils betroffenen Schutzgüter nicht als verzichtbar qualifiziert werden, in denen es aber an einer hinreichenden Informationsbasis für die Konzeption entspre­ chender final konzipierter Steuerungsmodelle fehlt. Ziel ist jeweils die mittelbare Ergebnisoptiminierung durch Verbesserung des Prozesses der Entschei­ dungsfindung, auch und gerade durch Allokation von Entscheidungskompe­ tenzen im Rahmen von Verfahrensregeln. 62 Auch die mit der Wahl der Stan­ dardform zwingend verknüpfte Zuweisung der Normkonkretisierungsaufgabe an den Richter läßt sich in diesem Sinne interpretieren. Sie kombiniert die ge­ setzgeberische Grundentscheidung mit der Konkretisierung des Normenge­   Vgl. nochmals auch die von Metzger, Extra legem, intra ius, S. 25  ff., entworfene „proze­ durale Theorie des allgemeinen Rechtsgrundsatzes“, die in eine ganz ähnliche Richtung weist; dazu bereits oben, 1. Kap., sub C. III. 2. b) (S. 199) bei und in Fn. 509. 60   Vgl. nochmals z. B. Ladeur, in: Jb. des Umwelt- und Technikrechts 1994, 297, 298  ff.; Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungs­ rechts, Bd. 1, § 1 Rn. 11; ders., in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung und „schlan­ kem“ Staat, 1999, S. 47, 60  ff. zusf. Hagenah, in: Grimm (Hrsg.), Staatsaufgaben, 1994, S. 487, 489  ff.; vgl. auch schon Binder, ZGR 2007, 745, 764  ff. m. w. N. 61   Für eine Bestandsaufnahme prozeduraler Tendenzen in der Corporate Governance deutscher Kapitalgesellschaften umfassend Binder, ZGR 2007, 745  ff.; siehe auch schon Amstutz, Konzernorganisationsrecht, insbes. S. 55  ff.; Ruffner, Ökonomische Grundlagen, ins­ bes. S. 86  ff.; ferner Damm, in: Hart (Hrsg.), Privatrecht im „Risikostaat“, S. 13, 33  f.; Ladeur, in: Hart (Hrsg.), ebd., S. 137  ff., insbes. S. 145  ff. (jeweils zur Übertragung der Erkenntnisse der rechtstheoretisch-verwaltungsrechtlichen Diskussion auf unternehmensrechtliche Frage­ stellungen). Siehe auch bereits oben, 1. Kap., sub A. I. (S. 55) bei und in Fn. 18 sowie sub B. II. 4. b) (S. 134  ff.). 62   Zusf. wiederum Binder, ZGR 2007, 745, 764 und 771  f. 59

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halts durch die Rechtsanwender in einer Art Kooperationsverhältnis zwischen beiden Ebenen, in dessen Konsequenz es zur kontinuierlichen Erweiterung von Erfahrungswissen kommt. c)  Unterschiedliche Normdurchsetzungsmechanismen Etwas anders gelagert ist demgegenüber die mit der Wahl zwischen privaten, hoheitlichen und teilprivatisierten Formen der Normdurchsetzung verbundene Allokationsentscheidung: Informationsdefizite des Gesetzgebers, die der sach­ adäquaten Festlegung des Regelgehalts entgegenstehen, können allein durch die Ansiedlung der Normdurchsetzungsverantwortung bei privaten Akteuren mit größerer Sachnähe kaum kompensiert werden. Eine Norm, deren Effektivitäts­ defizit auf eine nicht hinreichende regulierungsvorbereitende Sachaufklärung zurückzuführen ist, gewinnt nicht an Wirksamkeit, wenn und weil ihre Durch­ setzung privaten Akteuren überlassen wird. Doch ist, wie gezeigt, eben auch die effektive Normdurchsetzung auf eine hinreichende Informationsbasis angewie­ sen. 63 Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung über die Allokation der Aufklärungslast auf der Normdurchsetzungsebene gegenüber der Allokations­ entscheidung auf der Ebene der Normbildung verselbständigt, auch wenn sie einem vergleichbaren Muster folgt. In Fortführung der soeben vorgeschlagenen Terminologie kann diese Ebene mit dem Schlagwort der tertiären Verteilung von Informationsverantwortung und Aufklärungslast bezeichnet werden. Auch hier gilt das Postulat der größtmöglichen Sachnähe zumindest als grobe Faustregel, wenn Effektivitätsverluste aufgrund unzureichender Information vermieden werden sollen.

3.  Konsequenzen Als Summe der vorstehenden Überlegungen kann festgehalten werden, daß die Effektivität von Regulierungsinstrumenten entscheidend abhängt von Infor­ mationen des zur Regelsetzung berufenen Akteurs über das Regelungsproblem in seinen tatsächlichen und wirtschaftlichen Bezügen und über die zu erwar­ tende Reaktion des Rechtsverkehrs (nicht nur der unmittelbaren Adressaten) auf gewählten Modus und den Durchsetzungsmechanismus. Welche Informa­ tionen im Einzelfall benötigt werden, hängt naturgemäß vom jeweils zu regeln­ den Sachproblem und der zur präzisen Erfassung ex ante erforderlichen tatbe­ standlichen Komplexität ab. Insoweit handelt es sich um ein Problem der For­ mulierung von Regulierungsstrategien und nicht primär ein auf der Ebene der

  Siehe nochmals bereits oben, 1. Kap., sub D. IV. (S. 232  ff.).

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Regulierungsinstrumente angesiedeltes Problem. 64 Doch schon unabhängig von diesen Gesichtspunkten stellt die Wahl zwischen den jeweils bestehenden Ge­ staltungsalternativen den Gesetzgeber vor komplexe Prognose- und Wertungs­ probleme. Für deren Bewältigung bietet sich zunächst die Formel von der An­ siedlung der Regulierungslast beim sachnächsten Akteur als brauchbare Faust­ regel an. Nochmals ist aber zu betonen, daß sie nur dann gilt, wenn und soweit die Problemlösung überhaupt auf lokal-individuelle Information angewiesen ist. 65 Die Regulierungsverantwortung ist damit zwar beim Akteur mit der be­ sten Informationsbasis in der Tat grundsätzlich am besten aufgehoben. Dies erzwingt – entgegen vielfältigen, regelmäßig auch rechtspolitisch gefärbten Stel­ lungnahmen nicht nur im US-amerikanischen Schrifttum66 – allerdings keines­ wegs durchweg die Ansiedlung bei den jeweils unmittelbar betroffenen privaten Akteuren. Entscheidend dürfte vielmehr sein, ob und inwieweit für die Pro­ blemlösung im Einzelfall auf historische Informationen zurückgeriffen werden kann: Handelt es sich um sich dynamisch entwickelnde Sachprobleme ohne hi­ storische Vorbilder, wird die private im Vergleich mit der gesetzlichen Regulie­ rung regelmäßig in der Tat über komparative Vorteile im Hinblick auf Informa­ tionsbeschaffung und -auswertung verfügen (unten a)). Im Hinblick auf die Erhebung und Auswertung historischer Erfahrungen dürfte dagegen die ho­ heitliche Regelsetzung tendenziell leistungsfähiger sein (unten b)). a)  Regulierung bei neuartigen Sachproblemen Im Rahmen der privatautonomen Gestaltung von Lösungen sind private Ak­ teure jedenfalls bei erstmaligem Auftreten des Sachproblems in ähnlicher Weise auf Prognosen und Spekulationen über die Dimension und Eigenart des Sach­ problems, aber ebenso über die Tragfähigkeit der von ihnen formulierten Lö­ sung angewiesen, wie es der Gesetzgeber wäre, wenn er das Problem einer ab­ strakt-generellen Lösung unterwerfen wollte. Anders als der Gesetzgeber sind private Akteure allerdings aufgrund ihrer Sachnähe tendenziell eher in der Lage und haben aufgrund ihres wirtschaftlichen Interesses an einer effektiven Pro­   Vgl. auch bereits oben, 1. Kap., sub C. II. 3. a) (S. 183  ff.) zu den Wechselwirkungen zwi­ schen der Komplexität von Tatbeständen in der Regelform und dem insoweit jeweils erforder­ lichen Aufklärungsaufwand. 65   Siehe wiederum Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1718, 1731 (1989) und dazu bereits oben sub 2. (S. 298) bei und in Fn. 45. 66   Vgl. repräsentativ insbesondere nochmals Butler/Ribstein, 65 Geo. Wash. L. Rev. 1, 64, 69  f. (1990); insoweit ähnlich Bebchuk, 89 Colum. L. Rev. 1395, 1407 (1989); Cheffins, Compa­ ny Law, S. 386  f.; inhaltlich gleichsinnig im deutschsprachigen Schrifttum beispielsweise auch Kalss, Reform des österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, S. 39: Der Gesetzgeber könne „niemals so ‚gescheit‘ sein wie [die] Parteien, die selbst am besten wissen, welche Sicherheit ihnen wieviel wert ist; gesetzliche Begleitung darf nicht zur gesetzlichen Be- oder Übervor­ mundung abgleiten.“ 64

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blembewältigung vielfach auch starke Anreize dazu, das Sachproblem ebenso wie die Tragfähigkeit der zunächst gefundenen Lösung kontinuierlich zu beob­ achten und ggf. Anpassungen an der privatautonom gestalteten Sachlösung vor­ zunehmen. Dabei sind zwar multipolare Rechtsverhältnisse, z. B. Gesellschafts­ verträge oder Satzungen, in dieser Hinsicht statischer als bipolare, z. B. Fremd­ kapitalfinanzierungsverträge. 67 Wegen der unmittelbaren Sachbetroffenheit der jeweiligen Akteure ist die Rückkopplung neuer Informationen zum Urheber der Sachlösung gleichwohl in allen Fällen ungleich rascher als bei der Gesetzge­ bung, was die fortdauernde, iterative Verbesserung der Sachlösung zumindest erheblich erleichtert. Diese Erwägungen gelten unmittelbar zunächst nur für die individualver­ tragliche Ebene. Für die marktinduzierte Herausbildung von Standards allge­ mein und im Rahmen privater Regelwerke insbesondere sind sie jedoch nur geringfügig anzupassen. Das Bedürfnis nach standardisierten Pflichtprogram­ men, das gerade für marktgehandelte Finanzierungspositionen charakteristisch ist, ist bereits an anderer Stelle angeklungen: Wo sich standardisierte Bedingun­ gen transaktionskostenminimierend zugunsten einer Vielzahl von Rechtsbe­ ziehungen auswirken, kann die Frage der materialen Ausgestaltung der jeweili­ gen Lösung unter Umständen von untergeordneter Bedeutung sein. Hier kön­ nen also die mit der Standardisierung verbundenen Effizienzvorteile (z. B. in Gestalt verringerten Aufklärungs- und Beratungsaufwands im Einzelfall) die Effizienzvorteile einer auf die Bedürfnisse des Einzelfalls abgestimmten, indi­ viduell gestalteten Lösung überwiegen. 68 Das kann Fälle erklären, in denen sich rein marktinduziert standardisierte Gestaltungen etablieren, aber auch Fälle, in denen die Praxis von dem mit dispositiven Rechtsnormen eröffneten Gestal­ tungsspielraum nur geringen Gebrauch macht. Bei solchen Standardisie­rungs­ tendenzen verliert zwar die lokal-individuelle Information der Normurheber an Bedeutung. Dennoch wird auch diese Form der privaten Regulierung ten­ denziell gerade mit Blick auf die Erhebung und Verarbeitung regulierungsrele­ vanter Informationen flexibler sein als der staatliche Gesetzgebungsprozeß. 69 In 67   Vgl. exemplarisch einerseits Beier, Regelungsauftrag, S. 155  ff., zur Anpassung privater Satzungsgestaltungen, die auf einem gesetzlichen Regelungsauftrag beruhen; andererseits (empirisch beobachtbare hohe Anpassungsfrequenz in den financial covenants börsengehan­ delter Anleihen) Amihud/Garbade/Kahan, 51 Stan. L. Rev. 447, 466 (1999). Allgemein zu den für die Anpassung privater Regelwerke in Betracht kommenden Mechanismen wiederum Bachmann, Private Ordnung, S. 399  ff. 68   Vgl. nochmals oben, 1. Kap., sub B. II. 3. c) bb) (S. 117  ff.). 69   Pointiert in diese Richtung auch schon Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 512: „Kosten – vor allem Such- und Informationskosten – spart (…) die Möglichkeit zu ‚experimenteller Gesetz­ gebung‘, die im trial-and-error-Charakter privater Regelsetzung ihren idealen Ort findet. Angesichts der zunehmend kürzeren Halbwertszeit von Regulierungsrecht ist (…) die Flexi­ bilität und Reaktionsschnelligkeit privater Rechtsetzung ein entscheidender Vorzug.“ (eig. Hervorhebung). Vgl. auch Augsberg, Private Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft,  S. 51  ff.; Bachmann, Private Ordnung, S. 50  ff., insbes. S. 54 sowie S. 378 (dort zum DCGK); zu

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der Diskussion über Vorzüge und Stellenwert privat formulierter Rechnungsle­ gungsstandards ist dies etwa mit den Schwierigkeiten illustriert worden, die die Erfassung innovativer Finanzprodukte mit dem Instrumentarien des gesetzlichen Bilanzrechts verursacht haben und die überzeugend als Ausdruck struktu­ reller Defizite des Gesetzesrechts bei der Bewältigung dynamischer Innovati­ onsprozesse interpretiert worden sind.70 Wenngleich auch private Standards insbesondere aufgrund von Netzwerk- und Lerneffekten Persistenzneigungen aufweisen, wird bei ihnen ggf. die Rückkopplung neuer Informationen, die Än­ derungs- und Anpassungsbedarf belegen, zum Urheber im Vergleich mit ge­ setzlicher Regulierung aufgrund des typischerweise weniger komplexen Regel­ setzungsverfahrens schneller stattfinden. b)  Regulierung bei Vorliegen historischen Erfahrungswissens Diese Bewertung ändert sich allerdings, soweit es um Probleme geht, für deren Lösung auf historische Erfahrungen zurückgegriffen werden kann. Welche Art von Informationen in dieser Hinsicht von Bedeutung sind, kann abstrakt nur grob definiert werden: Grundsätzlich kommen historische Informationen im Hinblick auf beide Aspekte der regulierungsvorbereitenden Informationserhe­ bung, die Aufklärung des jeweils zu regelnden Sachproblems ebenso wie die Ermittlung der Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise der jeweils ge­ planten Regulierungsinstrumente, in Betracht. Zu beiden können beispielswei­ se historische Gerichtsentscheidungen, empirische Erkenntnisse zur tatsächli­ chen Gestaltungspraxis, aber auch die (wirtschafts-) historische Aufarbeitung von (Fehl-) Entwicklungen in der Gestaltung der Finanzierungsbeziehungen Anhaltspunkte liefern. Auch materiale Wertungsentscheidungen – etwa zugun­ sten des Schutzes einer Interessengruppe – können historisch fundierte Infor­ mationen reflektieren, denen zufolge die betreffende Interessengruppe im Falle fehlender materialer Vorgaben systematisch benachteiligt zu werden pflegt. Be­ reits die obige Auseinandersetzung mit der Funktion dispositiver Normen als Ausdruck einer oft historisch gewachsenen Quelle von Informationen über ge­ eignete bzw. zulässige Gestaltungen hat exemplarisch gezeigt, daß der Gesetz­ geber vor allem dort über strukturell bedingte komparative Informationsvor­ teile verfügt, wo es um die Speicherung, Aufbereitung und Auswertung histo­ rischen Erfahrungswissens geht. Dies betrifft zunächst den Zugang zu entspre­ chenden Wissensquellen, der für die nicht unter den Kostenrestriktionen des privaten Rechtsverkehrs leidende staatliche Gesetzgebung idealtypisch unter kapitalmarktrechtlichen Regelungsproblemen Merkt, Gutachten G zum 64. DJT, G 60  ff.; aus britischer Perspektive (mit Blick auf den Cadbury Code) auch Cheffins, Company Law, S. 378  ff. 70   In diesem Sinne Havermann, ZGR 2000, 693, 698; im Anschluß daran auch Staub/ Hommelhoff/Schwab, HGB, § 342 Rn. 19.

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leichteren Bedingungen eröffnet sein sollte als für die Akteure der zudem von Zeitnöten geprägten Praxis der privatautonomen Rechtsgestaltung.71 Auch unabhängig hiervon fallen die Bedingungen für die Konservierung von Informationen für die hoheitliche Regelsetzung typischerweise günstiger aus für die individuelle Regelsetzung durch Private. Dies liegt gerade daran, daß hier der Regelsetzungsprozeß meist nicht ad hoc aufgrund und zur Bewälti­ gung einer individuellen Problemkonstellation ins Werk gesetzt,72 sondern län­ gerfristig mit Blick auf abstrakte Interessenkonstellationen und in systemati­ scher Auseinandersetzung mit der historischen Rechtsentwicklung vorbereitet wird. Denn dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit geringer, daß es zur Wieder­ holung von historisch bereits (u.U. wiederholt) aufgetretenen Fehlern kommt, die sich bei sorgfältiger Aufarbeitung historischer Erfahrungen hätten vermei­ den lassen.73 Dies illustrieren etwa Fehlentwicklungen in sich dynamisch ent­ wickelnden Marktsituationen, die sich zwar im historischen Vergleich als typi­ sche Charakteristika spekulativer Tendenzen („Blasen“) identifizieren lassen. Diese werden von den beteiligten Marktakteuren nach den Erkenntnissen der Verhaltenswissenschaften praktisch regelmäßig so lange systematisch unter­ schätzt, wie es nicht zu einem Abbruch der Aufwärtsentwicklung maßgeblicher Marktpreise kommt.74 Ein anschauliches Beispiel aus dem vorliegend unter­ suchten Referenzgebiet bietet die bereits oben diskutierte, im Vorfeld der jüng­ sten globalen Finanzkrise beobachtbare Tendenz zum Abbau gläubigerschüt­ zender Sicherungsmechanismen in Fremdfinanzierungsverträgen, für die der illustrative Begriff der „covenant-light“-Finanzierung geprägt worden ist: Mit dem stetig verbreiterten, spekulationsgetriebenen Angebot an Fremdkapital ging vor dem Zusammenbruch der dynamischen Konjunktur an den globalen Kapitalmärkten offenbar eine zunehmende Bereitschaft der Finanzierungsge­ ber zum Verzicht auf Absicherung in Gestalt restriktiver financial covenants einher. Dies reflektierte zwar sicherlich auch eine verschlechterte Verhand­ lungsposition der Finanzierungsgeber im Hinblick auf einen verschärften An­ gebotswettbewerb, aber eindeutig zugleich eine (teilweise dadurch verstärkte) systematische Fehleinschätzung der jeweiligen Ausfallrisiken.75 Nicht nur dispositive Normen, sondern Gesetzesrecht allgemein wird unter diesen Voraussetzungen zu einer Art Wissensspeicher, der den Wert des positi­ ven Rechts als Orientierungsmaßstab erhöht.76 Gesetzesrecht kann insoweit 71   Vgl. dazu insbesondere Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1718  ff. (1989); vgl. auch Kahan/ Klausner, 74 Wash. U. L.Q. 347  ff., insbes. 354 (1996). Insoweit besteht ein gewichtiger Unter­ schied zu den Restriktionen staatlicher Verwaltung auf der Vollzugsebene, vgl. dazu oben, 1. Kap., sub D. IV. 2. (S. 240  ff.). 72   Zu den dabei drohenden Fehlern nochmals soeben sub b) (S. 308  f.) bei und in Fn. 76  f. 73   Vgl. auch Eisenberg, 89 Colum. L. Rev. 1461, 1465 (1989). 74   Vgl. z. B. Aviram, 25 Yale J. on Reg. 1, 5  ff. (2008). 75   Vgl. dazu nochmals oben, 2. Kap., sub C. (S. 280  ff.) bei und in Fn. 93  ff. 76   Für das vorliegend untersuchte Referenzgebiet besonders Clark, 89 Colum. L.

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nicht zuletzt als Gegengewicht zu sog. Ankereffekten qualifiziert werden, die in der Verhaltenswissenschaft als Ursache von Prognosefehlern identifiziert worden sind und die Effektivität individueller Problembewältigung in der Form privatautonomer Gestaltung beeinträchtigen kann: Hiernach neigen Akteure dazu, einmal gefundene Problembewertungen auch im Lichte veränderter Ver­ hältnisse und neuer Erkenntnisse hierzu nicht mehr aufzugeben; die einmal ge­ faßte Meinung wird zum „Anker“, der eine (trügerische) Sicherheit vermittelt, und verzerrt so die Reaktion auf neue Gegebenheiten.77 Auch dieser Effekt läßt sich am Beispiel der Erosion von Sicherungspraktiken in Zeiten dynamisch-spe­ kulativer Marktentwicklungen nachvollziehen: Weil und soweit Marktteilneh­ mer bei allgemein steigenden Gewinnmargen den jeweiligen status quo als „Anker“ für die Einschätzung künftig zu erwartender Risiken zugrundelegen, verlieren die Risiken in der individuellen Wahrnehmung an Bedeutung mit der Folge, daß immer weniger Wert auf vertragliche Sicherungsmechanismen gelegt wird. Derartige Ankereffekte werden zwar auch auf der Ebene der Gesetzge­ bung eintreten. Soweit die Gesetzgebung indes in der Vergangenheit bereits (je­ weils ex post) auf vorgefundene Problemkonstellationen reagiert hat, ist auch damit eine Art Anker ausgelegt worden, der die Erosion des Problembewußt­ seins aufgrund immer neuer, jeweils von größerem Optimismus geprägter An­ kereffekte begrenzt: Zwar bleibt es möglich, restriktive, kriseninduzierte Ge­ setzgebung durch künftige deregulierende Reformen wieder zu korrigieren. Doch zeigt schon der allgemeine historische Befund einer immer stärkeren Ver­ dichtung des Normenbestandes im Kapitalgesellschaftsrecht allgemein,78 daß einmal formulierte gesetzliche Lösungen vielfach auch dann Bestand haben, wenn ihre Erforderlichkeit zunehmend kontrovers beurteilt wird. Schon die formalen Hürden des verfassungsrechtlich determinierten Gesetzgebungsver­ fahrens, aber auch der Umstand, daß umfassende deregulierende Reformpro­ gramme im Kapitalgesellschaftsrecht eher selten die erforderliche politische Rev. 1727  ff., insbes. 1731 (1989); vgl. insoweit nochmals auch Kahan/Klausner, 74 Wash. U. L.Q. 347  ff. (1996); Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 784  ff., 827  ff. (1995). Aus dem verwaltungs­ wissenschaftlichen Schrifttum allgemein Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungs­ recht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2004, 6. Kap. Tz. 34: etablierte Rechtsformen des Verwal­ tungshandelns mit fest umrissenem Inhalt als „fertige Zuordnungsmuster, die das Auffinden konkreter Lösungen erleichtern (Speicherfunktion)“; ähnlich auch Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 2, § 33 Rn. 3. Vgl. – allerdings mit dezidiert kritischem Ausgangspunkt – auch H.-P. Schneider, in: Hesse/Zöpel (Hrsg.), Der Staat der Zukunft, S. 127, 128: „rechtliche Regelungen als ein Stück geronnener, mit allgemeiner Verbindlichkeit ausgestatteter Politik“. 77   Grundlegend wiederum Tversky/Kahneman, 5 Cog. Psych. 207  ff. (1973); dies., 185 Sci­ ence 1124, 1127 (1974); zum aktuellen Forschungsstand insoweit Chapman/Johnson, in: Gilo­ vich/Griffin/Kahneman (Hrsg.), Heuristics and Biases, S. 120  ff.; Epley/Gilovich, ebd., S. 139  ff.; Gilbert, ebd., S. 167  ff., ferner R. G. Noll/Krier, in: Sunstein (Hrsg.), Behavioral Law & Economics, S. 325, 331. 78   Vgl. zu den historischen Entwicklungssträngen anhand exemplarisch ausgewählter Re­ gelungsprobleme noch näher unten, 3. Teil (S. 399  ff.).

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Unterstützung finden, können dies – und damit zugleich die Funktion gesetzli­ cher Vorgaben als Speicher von Informationen – erklären. Je mehr historisches Erfahrungswissen in dieser Form angesammelt und ver­ arbeitet wird, desto sicherer lassen sich auf dieser Grundlage zugleich die mit jedem Regulierungsvorhaben verknüpften Gestaltungsprobleme bewältigen. Dies gilt auch mit Blick auf die Normdurchsetzung unter hoheitlicher Mitwir­ kung: Besonders aufschlußreich ist in diesem Kontext der bereits diskutierte Befund, daß private Regulierung regelmäßig gerade mit Blick auf die mit der Standardform verknüpften Auslegungsunsicherheiten auf deren Verwendung weitestgehend verzichtet und sich statt dessen fast ausschließlich in hohem Maße formal realisierbarer Regeln bedient.79 Standards bedürfen, um langfri­ stig verläßlich gehandhabt werden zu können, einer dauerhaften Übung, die Lern- und Netzwerkeffekte auf Seiten der Normadressaten und (sonstigen) Rechtsanwender ermöglichen. Eine derartige langfristige Übung läßt sich im Rahmen der Normdurchsetzung unter hoheitlicher Beteiligung eher gewährlei­ sten als bei einer rein marktinduzierten Praxis, so daß hier die hoheitliche Re­ gelbildung – in Gestalt der Konkretisierung generalklauselartiger Tatbestände durch Fallgruppenbildung in der Rechtsprechung80 – im Vergleich zur aus­ schließlich privaten Regelbildung erhebliche Vorteile im Hinblick auf die Aus­ wertung historischer Erfahrungen bietet. Im Prinzip wird diese Erkenntnis auch von dezidiert regulierungskritischen Stimmen keineswegs bestritten;81 kontrovers beurteilt wird lediglich, inwieweit derartige Gesichtspunkte auch den zwingenden Eingriff (anstelle lediglich dis­ positiver Vorgaben) legitimieren können. 82 Zumindest prima facie ist allerdings denkbar, daß historische Kontinuitäten die besonders dramatischen Prognose­ probleme zu lindern vermögen, mit denen, wie gesehen, Ansätze zur positivpräskriptiven Regulierung verknüpft sind:83 Läßt sich nachweisen, daß für ein bestimmtes Sachproblem historisch unterschiedliche Lösungsansätze formu­ liert und praktiziert wurden, sich aber aus nachvollziehbaren Gründen letztlich nur eine bestimmte Sachlösung als adäquat erwiesen hat, so kann sich die Posi­ tivierung eben dieser Lösung zumindest auf eine gewisse historische Evidenz   Siehe oben, 2. Kap., sub A. II. (S. 364  ff.).   Vgl. dazu auch bereits oben, 1. Kap., sub C. I. 4. (S. 177) bei und in Fn. 439. 81   Pointiert auch aus der Sicht der dezidiert regulierungskritischen contractarian school etwa Easterbrook/Fischel, 89 Colum. L. Rev. 1416, 1435 (1989): “The ‘game’ of corporate gov­ ernance is most assuredly a repeat game in which people learn from experience.” 82   Vgl. nochmals auch Easterbrook/Fischel, 89 Colum. L. Rev. 1416, 1435 (1989), sowie allgemein die Kontroverse um den Stellenwert zwingenden Rechts zwischen „contractarians“ und „anti-contractarians“ (dazu bereits oben, 1. Kap., sub B. I. 4. (S. 70)); sehr weitgehend Klick/Mitchell, 90 Minn. L. Rev. 1620, 1627  ff. (2006), wonach bereits die Existenz staatlicher Regulierung regelmäßig dazu beiträgt, daß die jeweiligen Akteure auf einen wirksamen Ei­ genschutz durch Korrektur von Fehleinschätzungen verzichteten. 83   Vgl. nochmals oben sub 1. b) (S. 294) bei und in Fn. 35. 79

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berufen. Der Einwand der willkürlichen Einschränkung privater Gestaltungs­ freiheit unter Verhinderung möglicherweise effizienterer Alternativen würde damit zwar nicht widerlegt, aber immerhin relativiert. Historisches Erfah­ rungswissen kann mithin das Informationsproblem des Gesetzgebers lindern und damit eine zentrale Hürde jeder Regelsetzung bewältigen helfen;84 es ist85 keineswegs durchweg als innovationshemmender Ballast zu qualifizieren, son­ dern kann im Rahmen aktueller und künftiger Regulierungsvorhaben als wert­ volle Erkenntnisquelle planvoll erschlossen werden. Aus dieser Perspektive ist historisches Erfahrungswissen – insbesondere in Gestalt historischer Gerichtsentscheidungen – nicht nur eine wichtige Quelle für die regulierungsvorbereitende Sachaufklärung, sondern erweist sich auch die Verfügbarkeit dieses Wissens zugleich als komparativer Vorteil der hoheit­ lichen im Vergleich zur privaten Regelsetzung: Die Ergebnisse hoheitlicher Re­ gelsetzung werden idealtypisch schon wegen der von vornherein nicht auf die Verfolgung von Individualinteressen einer Partei beschränkten Perspektive eher als Produkt historisch gewachsenen Erfahrungswissens interpretiert wer­ den können als die Ergebnisse individueller Rechtsgestaltung. Diese Erkennt­ nis bleibt allerdings noch insofern zu präzisieren, als die jeweiligen Informatio­ nen in einer Weise verfügbar sein müssen, die eine hinreichend präzise Gestal­ tung des jeweiligen Tatbestands gestatten. Nicht ausreichend ist das bloße Wis­ sen um die Tatsache, daß ein näherungsweise bekanntes Phänomen sich aus­ weislich der historischen Erfahrungsbasis als schädlich erwiesen hat. Soll darauf beispielsweise in Gestalt einer konkreten Verbotsnorm reagiert werden, so kann dies vielmehr nur gelingen, wenn sich auf der Grundlage der vorliegenden Informationen über das Sachproblem und die (Fern-) Wirkungen der zu Gebo­ te stehenden Regulierungsinstrumente trennscharfe und damit praktisch hand­ habbare Tatbestandsvoraussetzungen formulieren lassen. 86 Daneben treten zwei Voraussetzungen, denen sogleich im Anschluß im einzelnen nachzugehen 84   Zu skeptisch insoweit m.E. Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 724 (1997), die zwar ihrerseits die Bedeutung von Lernprozessen auch für die Verbesserung der Regelungsqualität herausarbeiten, aber zu wenig berücksichtigen, daß ein hinreichend abgesichertes Fundament historischer Erfahrungen zwar nicht ausreicht, um regulierende Eingriffe abschließend posi­ tiv zu legitimieren, die oben diskutierten Informationsprobleme aber zumindest weitgehend entfallen lassen kann. 85   Insoweit entgegen H.-P. Schneider, in: Hesse/Zöpel (Hrsg.), Der Staat der Zukunft, S. 127, 128. 86   Exemplarisch mag wiederum an die Schwierigkeiten gedacht werden, einen hinreichend konkreten (Haftungs-) Tatbestand der materiellen Unterkapitalisierung zu formulieren, vgl. dazu bereits oben sub 1. b) (S. 296) bei und in Fn. 43 und noch unten, 3. Teil, 2. Kap., sub A. III. 1. c) bb) (S. 529): Daß materielle Unterkapitalisierung mit Rücksicht insbesondere auf die Interessen der nicht vertraglich gebundenen Gläubiger als problematisch einzustufen ist, mag sattsam bekannt sein, doch lassen sich die insoweit vorliegenden, historisch fundierten Infor­ mationen nicht in handhabbare Tatbestandsmerkmale ummünzen, die einer Haftungsnorm zugrundegelegt werden könnten.

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3. Kapitel:  Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen

ist: Erstens muß der Rechtsetzungsprozeß historisches Erfahrungswissen als Resultat und Ergebnis historischer Gestaltungsentscheidungen tatsächlich aus­ werten. Und zweitens muß sichergestellt sein, daß die mit jeder gesetzlichen Regelung und zumal mit der Formulierung zwingenden Rechts einhergehen­ den Erstarrungseffekte durch geeignete Gegenmaßnahmen möglichst ausba­ lanciert werden und Spielräume für wünschenswerte Innovation möglichst er­ halten bleiben.

B.  Hoheitlich gesetzte Regeln als Wissensspeicher: Historisches Erfahrungswissen und private Information Aus der Perspektive einer modal orientierten Regulierungslehre kommt es nach alledem auf eine Analyse historischer Evolutionsprozesse und nicht lediglich der periodisch modifizierten, aber zumindest vorübergehend statischen Rechtszustände an, die bislang im Vordergrund der rechtshistorischen Aufarbeitung des Kapitalgesellschaftsrechts standen (unten I.). Wenn und soweit unter diesem Blickwinkel das geltende Recht als Ausdruck eines bruchfreien Evolutionspro­ zesses interpretiert werden könnte, so ließe sich damit das Verständnis der In­ formationsfunktion gesetzlicher Regulierung erheblich präzisieren (unten II.). Die bislang gewonnenen Ergebnisse entfalten damit zugleich erhebliche Impli­ kationen für die Bewertung der jüngeren, typischerweise von Diskontinuitäten begleiteten Tendenz zur umfassenden Rezeption ausländischen Rechts (un­ ten III.). Jede hoheitliche Regulierung, die historische Informationen aufnimmt, legt so allerdings zugleich die künftige Entwicklung fest und schränkt damit den Spielraum für Innovationen zumindest ein. Das Postulat historisch infor­ mierter und sensibilisierter Regulierung muß sich vor diesem Hintergrund not­ wendig auch mit der Frage auseinandersetzen, wie der damit drohenden Erstar­ rungsgefahr wirksam begegnet werden kann (unten IV.).

I.  Von der regulierungsvorbereitenden zur regulierungsbegleitenden Information: dynamische Evolutionsprozesse als zentraler Untersuchungsgegenstand Schließt die mit der Wahl zwischen verschiedenen Regulierungsmodi verbun­ dene Gestaltungsaufgabe stets auch die Entscheidung über die Allokation der Informationsverantwortung ein, folgt daraus nicht nur die Erkenntnis, daß in die regulierungsvorbereitende Sachaufklärung allgemein stets auch der jeweils vorgefundene historische Rechtszustand einzubeziehen ist. Dies ist an sich selbstverständlich und entspricht dem tradierten Verständnis nicht nur der dog­

B.  Hoheitlich gesetzte Regeln als Wissensspeicher

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matischen Rechtswissenschaft, sondern gerade auch der Gesetzgebungslehre:87 Beiden dienen die Ergebnisse historischer Gesetzgebung und Gestaltungspra­ xis vor allem als mehr oder weniger statische Informationsquelle, welche einer­ seits zur (historischen) Auslegung des geltenden Rechts beitragen, andererseits aber auch mögliche Gestaltungsalternativen inspirieren kann. Diese Sichtweise muß jedoch erweitert werden: Von Interesse im vorliegen­ den Zusammenhang sind weniger jeweils periodisch modifizierte Rechtszustände als vielmehr Evolutionsprozesse. 88 Insbesondere richtet sich das Augen­ merk auf Evolutionsprozesse, die mit Veränderungen in der Wahl von Regulie­ rungsinstrumenten und -strategien nicht lediglich einhergehen, sondern bei denen Veränderungen in der Gewichtung von Regulierungsinstrumenten und -strategien geradezu als Medium und vielleicht gar als Katalysator wirken. Aus der Perspektive einer modal orientierten Untersuchung geht es mithin darum zu ermitteln, inwieweit historische Regulierungsprozesse das Problem der re­ gulierungsvorbereitenden Informationsbeschaffung nicht nur passiv reflektie­ ren (etwa durch Regulierungsverzicht bei fehlender Information), sondern im Rahmen der Verteilung der Regulierungs- und damit der Informationsverant­ wortung auch aktiv gestaltet haben. 89 Mit diesem Ziel betrieben, wäre die Ana­ lyse historischer Evolutionsprozesse geeignet, mit präziseren Aussagen über Gewinnung, Festigung und Veränderung der regulierungsunterstützenden Informationsbasis zugleich den Blick dafür zu schärfen, inwieweit der historisch gewachsene Rechtszustand tatsächlich als verläßlicher Indikator für die Taug­ lichkeit der im positiven Recht fixierten Lösungen trägt. Die Erforschung hi­ storischer Entwicklungsstränge fügte sich damit als tragender Bestandteil in die Konzeption einer informationssensitiven Gestaltung des gesetzlichen Ord­ nungsrahmens ein, die das vorgefundene Recht – ganz im Sinne der (Neuen)

  Vgl. allgemein etwa Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 1 Rn. 35 („Ergänzend zur Folgenprogno­ se muß daher das Lernen aus Erfahrungen und Vergleich treten.“); Franzius, ebd., § 4 Rn. 97  ff. Vgl. auch bereits Noll, Gesetzgebungslehre, S. 88, der die historische Entwicklung von Rechts­ instituten immerhin als Teil der regulierungsvorbereitenden „Tatsachenanalyse“ berücksich­ tigt wissen will, den daraus zu gewinnenden Erkenntniswert allerdings eher verhalten bewer­ tet. 88   Vgl. dazu und zum folgenden auch von Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, S. 171  ff.; zu dessen Ansatz kritisch z. B. Vanberg, 2 Econ. & Philos. 75  ff. (1986); siehe auch Röthel, Normkonkretisierung, S. 167  ff. Die Kritik gilt dabei allerdings eher dem von Hayek, a.a.O., formulierten normativen Postulat, wonach sich Gesetzgebung auf die Festlegung we­ niger Verhaltensregeln und die Ermöglichung ergebnisoffener Entscheidungsprozesse be­ schränken sollte, und weniger der – nach hiesiger Auffassung durchaus treffenden – Analyse evolutorischer Regelbildungsprozesse. 89   Vgl. exemplarisch auch Röthel, Normkonkretisierung, S. 241  ff.: Normkonkretisierung durch nachträgliche Ergänzung und Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch quantitative Größen in der Rechtsprechung. 87

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3. Kapitel:  Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen

Institutionenökonomik90 – als Ergebnis dynamischer Evolution begreift und in diesem Sinne fortentwickelt. Besonderes Augenmerk verdient damit insbesondere das facettenreiche Zu­ sammenspiel von regulierungsvorbereitender und regulierungsbegleitender In­ formationsgewinnung. Als besonders anschauliches Beispiel sei nochmals an die Wahl der Standardform als Ausdruck einer prozeduralen, auf die Optimie­ rung der Informationsbasis durch Delegation von Normkonkretisierungsauf­ gaben auf die Ebene der Rechtsanwendung gerichteten Konzeption erinnert.91 Gerade die fortlaufende Konkretisierung tatbestandlich offen gehaltener Stan­ dards durch die Gerichte und sonstigen Normanwender bildet vielfach über längere Zeiträume einen sich zunehmend verfestigenden Kanon von Ausle­ gungsgrundsätzen heraus, der – unterhalb der Ebene der Gesetzgebung – den betreffenden Akteuren selbst zunehmende Sicherheit im Umgang mit der jewei­ ligen Norm vermittelt. Im Zusammenhang mit den effizienzfördernden Konse­ quenzen von Netzwerk- und Lerneffekten ist dies bereits diskutiert worden.92 Die Ergebnisse einer derartigen regulierungsbegleitenden Informationsgewin­ nung durch die jeweils involvierten Akteure können indes zugleich auf der Ebe­ ne der Gesetzgebung beobachtet und im Rahmen der vorbereitenden Informa­ tionsgewinnung für neue oder konkretisierende Regulierungsvorhaben frucht­ bar gemacht werden. Ein anschauliches Beispiel für eine nahezu ungebrochene Kontinuität derartiger Austauschprozesse zwischen Anwendungs- und Ge­ setzgebungsebene bietet etwa die bereits an anderer Stelle angesprochene Ent­ wicklung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel in § 3 UWG.93

II.  Bisheriger Forschungsstand Ob und inwieweit ein derartiger Ansatz tatsächlich Erkenntnisse zu vermitteln vermag, die über die tradierte Form der historischen Analyse als Erklärung für das geltende Recht und Auslegungshilfe hinaus eine künftige Theorie der Re­ gelsetzung fundieren könnten, läßt sich allerdings erst beurteilen, wenn das gesamte Referenzgebiet einer so konzipierten Untersuchung unterworfen wurde. Idealiter sollte die Untersuchung dabei, um das gewonnene Bild um mögliche 90   Richtungsweisend insoweit bereits von Hayek, Recht, Gesetz und Freiheit, S. 171  ff.; North, Institutions, insbes. S. 73  ff., 83  ff.; ferner Hoppmann, Unwissenheit, Wirtschaftsord­ nung und Staatsgewalt, S. 27  ff.; siehe auch Hansmann, 8 Am. L. & Econ. Rev. 1, 8  ff. (2006). 91   Siehe nochmals soeben sub A. II. 2. b) (S. 303) bei und in Fn. 60  ff. Anschaulich zum ko­ operativen Charakter der Standardform insoweit Hager, Rechtsmethoden, 2. Kap. Rn. 81: „Was die methodische Funktion des unbestimmten Rechtsbegriffs anlangt, so stoßen wir auf eine Zusammenarbeit zwischen Gesetzgeber und Rechtsanwender. Der Gesetzgeber bestimmt den abstrakten Standard; dessen konkrete Umsetzung ist dann Sache des Rechtsanwenders.“ 92   Siehe nochmals oben, 1. Kap., sub B. II. 3. c) bb) (S. 117  ff.). 93   Vgl. schon oben, 1. Kap., sub C. III. 1. a) (S. 193) bei und in Fn. 489.

B.  Hoheitlich gesetzte Regeln als Wissensspeicher

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Verzerrungen durch Sonderentwicklungen im nationalen Recht bereinigen zu können, von vornherein mehrere Rechtsordnungen einbeziehen. Einen wert­ vollen Ausgangspunkt bietet eine wachsende Zahl insbesondere (rechts-) öko­ nomisch orientierter Arbeiten vor allem im anglo-amerikanischen Schrifttum, die sich in jüngerer Zeit bemüht haben, rechtstatsächliche und wirtschaftliche Einflußfaktoren auf die historische Entwicklung des Rechts der Kapitalgesell­ schaften auch länderübergreifend aufzuarbeiten und dabei insbesondere das Verhältnis von gesetzlicher Prägung und privatautonomer Gestaltung zu klä­ ren.94 Daß der damit formulierte Anspruch im vorliegend gesetzten Rahmen nicht auch nur annähernd eingelöst, sondern allenfalls programmatisch kontu­ riert und konkretisiert werden kann, bedarf kaum der weiteren Begründung. In diesem Sinne dient die im nachfolgenden 3. Teil der Untersuchung unternom­ mene Analyse ausgewählter historischer Entwicklungsstränge lediglich der Ex­ ploration der damit skizzierten Perspektiven. Sie wird zeigen, daß sich für die dort exemplarisch beleuchteten Sachkomplexe teilweise in der Tat eine kontinu­ ierliche Sedimentation und Verfestigung der Ergebnisse privatautonomer Ge­ 94   In diese Richtung mit jeweils unterschiedlicher thematischer Ausrichtung im Detail etwa Anderson/Tollison, 3 Int’l Rev. L. & Econ. 107  ff. (1983) (zum ökonomischen Hinter­ grund für die Entwicklung der modernen Kapitalgesellschaften); Bebchuk/Roe, 52 Stan. L. Rev. 127  ff. (1999) (Versuch einer Theorie der pfadabhängigen Entwicklung insbesondere des Organisationsrechts von Kapitalgesellschaften); Bratton, 41 Stan. L. Rev. 1471  ff. (1989) (Überprüfung der ökonomischen Theorie der Unternehmung anhand der historischen Evo­ lution des Gesellschaftsrechts insbesondere in den USA); Butler, 45 Washburn L.J. 267  ff. (2006) (Bedeutung von Zufallseinflüssen für die Rechtsentwicklung am Beispiel der Entwick­ lung der Business Judgment Rule in der Rechtsprechung des Bundesstaats Delaware); ders., 6 Int’l Rev. L & Econ. 169  ff. (1986) (Wechselwirkung zwischen Common Law und Gesetzge­ bung in der Gesellschaftsrechtsentwicklung im England des 19. Jh.); Gilson, 74 Wash. U. L.Q. 327  ff. (1996) (Stellenwert von Effizienzgesichtspunkten für die Erklärung institutioneller Grundlagen des Gesellschaftsrechts); Hansmann, 8 Am. L. & Econ. Rev. 1  ff. (2006) (Wech­ selwirkungen privatautonomer Gestaltung und Gesetzgebung im Kapitalgesellschaftsrecht); Hansmann/Kraakman/Squire, 119 Harv. L. Rev. 1332  ff. (2006) (Gesetzesrecht und ökonomi­ sches Interesse als Einflußfaktoren für die Herausbildung der modernen Rechtsformen); Kamar, 98 Colum. L. Rev. 1908  ff. (1998) (Wettbewerb zwischen Bundesstaaten und korrespon­ dierender Einfluß von Interessengruppen auf den Rechtsetzungsprozeß als Determinanten für Regulierungsstrategien); Roe, 109 Harv. L. Rev. 640  ff. (1996) (Zufallsentwicklungen und Pfadabhängigkeiten in der Gesellschaftsrechtsentwicklung); ders., 120 Harv. L. Rev. 460  ff. (2006) (Entwicklung moderner Kapitalmärkte als Einflußfaktor für die Gesellschaftsrech­ tsentwicklung in unterschiedlichen Rechtsordnungen); monographisch etwa Cheffins, Cor­ porate Ownership and Control, 2008; Roe, Strong Managers, Weak Owners: The Political Roots of American Corporate Finance, 1994; ders., Political Determinants of Corporate Gov­ ernance, 2003; Whincop, An Economic and Jurisprudential Analysis of Corporate Law, 2009; ferner die Beiträge in McCahery u. a. (Hrsg.), Corporate Governance Regimes. Convergence and Diversity, 2002. Vgl. allgemein auch Basedow, in: Jansen/Michaels (Hrsg.), Beyond the State: Rethinking Private Law, S. 281  ff. (zur Entwicklung des Handelsrechts aus privater Ge­ staltungspraxis, aber verallgemeinerungsfähig); aus institutionenökonomischer Perspektive aufschlußreich Williamson, 19 J. Econ. Lit. 1537  ff. (1981) (allgemeine Diskussion der Ursa­ chen für die Entwicklung der modernen Kapitalgesellschaft).

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3. Kapitel:  Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen

staltung zunächst zu dispositivem und dann zu zwingendem Recht,95 teilweise aber auch historische Diskontinuitäten nachweisen lassen. Beides präzisiert den Aussagewert des vorgefundenen Rechtszustands als Speicher historisch fun­ dierten Erfahrungswissens und hilft, historisch „bewährte“ Lösungen von zu­ fällig etablierten zu unterscheiden. Das Funktionsverständnis gesetzlicher Re­ gulierung als Speicher von Informationen über bewährte Gestaltungsmuster oder Verhaltensstandards läßt sich so genauer fassen: Nur für die erstgenannte Gruppe kann von historisch fundierter Evidenz der Tauglichkeit gesprochen werden, welche immerhin eine starke Vermutung für die Tragfähigkeit der je­ weiligen Lösung begründet. Für zufällig, nicht im Rahmen kontinuierlicher Evolutionsprozesse entstandene Institute dagegen läßt sich eine vergleichbare Vermutung nicht aufstellen.96 Die – rechtsordnungsübergreifende – Existenz derartiger kontinuierlicher Sedimentationsprozesse im allgemeinen ist an sich kein neuer Befund. Nicht nur die historisch informierte deutschsprachige Zivilistik,97 sondern wiederum auch die Institutionenökonomik98 haben etwa die mit Sedimentationsprozessen vergleichbare sukzessive Verfestigung von zunächst ausschließlich individuellprivatautonomen Gestaltungen über die Herausbildung von Verkehrssitten bis zur Aufnahme in das positive Recht beobachtet und beschrieben.99 Am Beispiel der fortschreitenden Aufnahme von Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex in das zwingende Aktienrecht läßt sich die Expansion zwin­ gender gesetzlicher Vorgaben zu Lasten privater Gestaltungsspielräume auch im zeitgenössischen deutschen Recht deutlich beobachten. Hier haben bislang bekanntlich vor allem die vergütungsbezogenen Empfehlungen des Kodex Vor­ bilder für nachfolgende gesetzliche Eingriffe geliefert. Sowohl die mit dem Vorst­OG 2005100 eingeführten Transparenzpflichten als auch die mit dem Vorst­ 95   Vgl. insoweit auch bereits die Analyse von „Institutionalisierungsprozessen“ im Gesell­ schaftsrecht bei Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 26  ff. 96   Siehe auch noch sogleich unten sub III. (S. 317  f.) zur Frage, welche Implikationen sich daraus für die Bewertung von Rezeptionsvorgängen im Recht der aufnehmenden Rechtsord­ nung ergeben. 97   Vgl. aus der älteren deutschsprachigen Zivilistik auch terminologisch grundlegend Laband, AcP 73 (1888), 161, 164; von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. 1, S. 26 Fn. 104, unter Hinweis auf die Herkunft zahlreicher Normen des dispositiven Rechts in der privatautonomen Gestal­ tung; allgemein nochmals auch Röthel, Normkonkretisierung, S. 167  ff. („Normkonkretisie­ rung als Prozeß“). 98   Vgl. nochmals die Nachw. soeben Fn. 90. 99   Dogmengeschichtlicher Abriß bei Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 78  f. Vgl. auch den Ansatz zu einer grundlegenden rechtstheoretischen Erfassung bei Amstutz, Evolutori­ sches Wirtschaftsrecht, 2001, passim, sowie zur kooperativen Regelsetzung im Rahmen von „Rückkopplungsprozessen zwischen dem Gesetzgeber dispositiver Vorgaben und der Rechts­ praxis neuerdings Möslein, FS Hopt, 2010, S. 2861, 2869  ff. 100   Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offen­ legungsgesetz – VorstOG) vom 3. 8. 2005, BGBl. I, S. 2267.

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AG 2009101 vorgeschriebenen materiell-rechtlichen Restriktionen sind ausweis­ lich der Gesetzesmaterialien durch entsprechende, aber nicht als ausreichend empfundene Empfehlungen des DCGK beeinflußt worden.102 Bislang wenig verbreitet ist allerdings die Erkenntnis, daß es sich – wiederum rechtsordnungs­ übergreifend – um ein historisches Kontinuum handelt: Der tradierten Sicht­ weise der gesellschaftsrechtlichen Diskussion entsprach bislang eher die Inter­ pretation der Geschichte des Kapitalgesellschaftsrechts als Produkt einer zu­ nächst ausschließlich hoheitlich geprägten, nämlich durch den Souverän im Rahmen der Entscheidung über die Erteilung von Octroi bzw. Konzession als hoheitlichem Gründungsakt vorgenommenen Regelbildung: Wie bereits am Rande angeklungen und im 3. Teil der Untersuchung noch zu vertiefen ist,103 werfen neuere Untersuchungen der frühen Octroi- und Konzessionspraxis nicht nur in den deutschen Staaten indes ein neues Licht auf diese Interpretati­ on, was die Perspektiven für die Auswertung im Rahmen eines dynamischen, informationssensitiven Regulierungskonzepts im vorstehend entworfenen Sinn erheblich erweitert hat.

III.  Rezeptionsforschung als Anwendungsgebiet und Bewährungsprobe Die Notwendigkeit einer modalen Analyse von Regulierungsinstrumenten und Regulierungsstrategien als Forschungsansatz im vorliegend untersuchten Refe­ renzgebiet ist eingangs104 auch und gerade mit den methodischen Schwierigkei­ ten begründet worden, den für die Aufarbeitung und Vorbereitung der omni­ präsenten Rezeptions- und Vereinheitlichungstendenzen im Gesellschafts- und Unternehmensrecht unerläßlichen Systemvergleich mit den Instrumenten des tradierten Methodenkanons zu bewältigen. Die Tragfähigkeit des skizzierten Ansatzes muß sich daher nicht zuletzt an der Aufgabe bewähren, verläßliche Aussagen über Voraussetzungen und Konsequenzen der Rezeption ausländischer Institute zu bieten, die regelmäßig auch mit Verschiebungen im vorgefun­ denen System der Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien ein­ hergehen. Soweit die Rezeption ausländischer Regelungsvorbilder zu Diskonti­ nuitäten in der aufnehmenden Rechtsordnung führt,105 stellt sich die Frage, ob 101   Gesetz über die Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31. 7. 2009, BGBl. I, S. 2509. 102   Vgl. für das VorstOG den Abgeordnetenentwurf vom 31. 5. 2005, BT-Drs. 15/1557, S. 5 (textgleich Begr. RegE, BR-Drs. 398/05); siehe dazu auch Fleischer, DB 2005, 1611  ff., insbes. 1617; für das VorstAG Begr. RegE, BT-Drs. 16/12278, S. 6 (zu § 107 AktG Abs. 3 n.F.), dazu Fleischer, NZG 2009, 801  ff. 103   Siehe zunächst oben, 1. Kap., sub B. I. 2. (S. 67  f.), und noch näher unten, 3. Teil, 1. Kap., sub A. I. (S. 404  ff.). 104   Oben, 1. Teil, 1. Kap., sub A. (S. 13  ff.) und B. (S. 15  ff.). 105   Vgl. dazu nochmals bereits oben, 1. Teil, 1. Kap., sub A. (S. 14) bei und in Fn. 3.

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3. Kapitel:  Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen

damit zugleich der Informationswert des überkommenen Rechts beeinträchtigt wird oder gar entfällt. Ein derartiger Schluß wäre in dieser Allgemeinheit aller­ dings abzulehnen. Die Gleichstellung von Rezeption und Diskontinuität wäre auch mit Blick auf die historischen Evolutionsprozesse, die im untersuchten Re­ ferenzgebiet oft ausländische Einflüsse bruchfrei aufgenommen und invididuell weiterentwickelt haben,106 nicht haltbar und führte dazu, daß der historischen Entwicklung konsequent jeder Aussagegehalt abgesprochen werden müßte. Richtigerweise ist vielmehr anzunehmen, daß gerade in der historisch-verglei­ chenden modalen Analyse der in unterschiedlichen Rechtsordnungen etablier­ ten Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien eine Chance liegt, die Bedeutung der funktionalen Rechtsvergleichung als Instrument zur Ver­ breiterung der regulierungsvorbereitenden Informationsbasis aufzugreifen und weiterzuentwickeln.

IV.  Historisches Erfahrungswissen und Innovationsfähigkeit Schon im Zusammenhang mit der Untersuchung der charakteristischen Persi­ stenzneigungen dispositiver Lösungen ist deutlich geworden, daß die unter der Chiffre der „Informationsfunktion“ gesetzlicher Regelungen zusammengefaß­ ten impliziten Aussagen über die Bewährung, Tauglichkeit und Zulässigkeit der jeweiligen Problemlösung nicht nur mit positiven Wirkungen verbunden sind: Weil und soweit schon die Festlegung dispositiver Lösungen im Gesetzesrecht künftiges Entscheidungsverhalten präformiert, gehen mögliche Effizienzvor­ teile infolge von Lerneffekten vielmehr mit dem Risiko einher, daß Vertrags­ parteien entsprechende Regelungsmuster zunehmend ohne kritische Auseinan­ dersetzung mit möglichen Alternativen hierzu akzeptieren.107 Je stärker der Evolutionsprozeß von Rechtsinstituten durch so verursachte Persistenzneigun­ gen beeinflußt wird, desto größer wird daher das Risiko der pfadabhängigen Verfestigung eigentlich suboptimaler, ineffizienter Lösungen, während die an sich wünschenswerte und durch die Wahl des dispositiven Rechts prinzipiell ermöglichte Innovationskraft privatautonomer Gestaltung abnimmt.108 Wenn aus rechtsökonomischer Perspektive die wohlfahrtsmindernden Kosten verrin­ gerter Innovation als Charakteristikum der Regulierung durch zwingendes 106   Beispielhaft dafür steht nicht zuletzt die Frühphase der Entwicklung der Handelsge­ sellschaften in Europa, die von komplexen Wechselwirkungen zwischen Rezeptionsprozes­ sen und autonomen Entwicklungen geprägt war; vgl. dazu stellvertretend Lehmann, Ge­ schichtliche Entwicklung, S. 4–28; Schmoller, Schmollers Jb. 17 (1893), 1  ff. 107   Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 720  f., 724  ff. (1997); insoweit ähnlich auch Bebchuk/Roe, 52 Stan. L. Rev. 127, 139  ff. (1999); Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1772  ff., 1731 (1989); siehe näher bereits oben, 1. Kap., sub B. II. 3. c) (S. 115  ff.). 108   Vgl. in diese Richtung auch schon Cheffins, Company Law, S. 281; Goetz/Scott, 73 Cal. L. Rev. 271, 289 (1985), siehe auch oben, 1. Kap., sub B. II. 3. c) cc) (S. 126  ff.).

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Recht besonders betont werden,109 beschreibt dies mithin einen Befund, der ab­ geschwächt auch auf das dispositive Recht zu übertragen ist. Eine Regulierungslehre, die die Aktivierung des im vorgefundenen positiven Recht sedimentierten historischen Erfahrungswissens als Informationsbasis für künftige Regulierungsvorhaben anstrebt, muß sich mit diesen Einsichten auseinandersetzen, um der Gefahr zu entgehen, suboptimale Lösungen zu ze­ mentieren und damit quasi die Rechtsentwicklung „einzufrieren“. Diese Risi­ ken lassen sich allenfalls verringern, aber nicht eliminieren, indem bereits bei der Auswertung historischer Evolutionsprozesse auf den Einfluß pfadabhängi­ ger Verzerrungen geachtet wird und die darauf gestützten Thesen nach Mög­ lichkeit um derartige Einflüsse bereinigt werden. Da das Phänomen der Pfadab­ hängigkeit ineffizienter Strukturen als Kehrseite an sich effizienzfördernder Lerneffekte ebenso unvermeidlich wie omnipräsent ist,110 ist allerdings fraglich, ob dieses Postulat überhaupt realisierbar ist und mehr als eine vage Sensibilisie­ rung für die Grenzen des Erkenntniswerts historischer Entwicklungsstränge erreicht werden kann. Ob eine kontinuierliche Überprüfung und qualitative Verbesserung des geltenden Rechts wirklich leistbar ist, wird man durchaus be­ zweifeln können.111 So hat die Diskussion der Nachteile kriseninduzierter Re­ gelsetzung („quack regulation“) angesichts der hektisch anmutenden Reform­ frequenz nicht nur im deutschen Unternehmensrecht charakteristische Defizite identifiziert, die oft bestenfalls Systembrüche hervorrufen und schlimmsten­ falls durch Setzung fehlerhafter Anreizstrukturen die zu regulierenden Sach­ probleme eher verschärfen als lindern.112 Den Wert als Leitbild wird man For­ derungen nach einer kontinuierlichen, evolutorischen, informationssensiblen Überprüfung und Beobachtung des geltenden Rechts jedoch schon deshalb nicht absprechen können, weil sie letztlich nur qualitative Maßstäbe für eine 109   Z.B. Black, 84 Nw. U. L. Rev. 542, 574  ff. (1990); zusf. Ruffner, Ökonomische Grundla­ gen, S. 313  f.; vgl. insoweit auch Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1733 (1989). 110   Siehe nochmals oben, 1. Kap., sub B. II. 3. c) bb) (S. 117  ff.), im Zusammenhang mit der Diskussion der Funktionsweise dispositiver Normen. 111   Krit. – am Beispiel des englischen Rechts, aber verallgemeinerungsfähig – insoweit etwa Cheffins, Company Law, S. 232  ff. Dies gilt selbst dann, wenn – was etwa Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1549, 1570 (1989), für die Gesetzgebung Delawares in Anspruch nimmt – die betref­ fenden politischen Akteure fiskalischen Anreizen zur Anpassung an Bedürfnisse der Kapital­ nachfrageseite ausgesetzt sind. Daß die Bedienung einzelner Interessengruppen nicht gleich­ zusetzen ist mit objektiver Verbesserung, hat bereits die ökonomische Regulierungstheorie überzeugend herausgearbeitet und gezeigt, daß interessengruppenorientierte (De-) Regulie­ rung weniger ein Qualitätsmerkmal denn eine typische Ursache für Fehlsteuerung und Steuerungsverluste darstellt („regulatory capture“), vgl. bereits oben, 1. Kap., sub D. IV. 2. a) (S. 242) bei und in Fn. 671 m. w. N. 112   Siehe nochmals oben sub A. II. 2. a) (S. 300  f.) bei und in Fn. 53; vgl. ähnlich, wenn auch mit sehr optimistischer Einschätzung der Prognostizierbarkeit künftiger Gefahrenlagen auch Gower/Davies, Principles, 7. Aufl. 2003, S. 370: “[T]here is a danger that rule-makers will constantly change company law so as to address the last corporate scandal rather than suc­ cessfully identify where the next challenge will come from.”

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3. Kapitel:  Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen

ohnehin etablierte, allerdings häufig wenig rational und systematisch betriebe­ ne Aktivität liefert. Bei alledem wäre es wiederum verfehlt, zwingendes Recht a limine als nach­ teilig im Vergleich mit dispositiven Normen zu qualifizieren. So ist im jüngeren rechtsökonomischen Schrifttum argumentiert worden, daß für die Gestaltung marktgehandelter Finanzierungspositionen ein System im wesentlichen zwingender, aber kontinuierlich durch den Gesetzgeber überprüfter und ggf. an neue Bedürfnisse angepaßter Vorgaben innovationsfreundlicher wirken könne als die Freigabe der Regulierungsverantwortung durch dispositive Regelungen.113 Wenn die Preisbildung für Finanzierungstitel am Markt aufgrund von Informa­ tionsasymmetrien zwischen Geschäftsleitung bzw. unternehmerischen Gesell­ schaftern einerseits und nicht unternehmerisch engagierten Anlegern anderer­ seits verzerrt sei, so drohten Abweichungen von etablierten, aber dispositiven Gestaltungsmustern auch dann als Negativsignale interpretiert zu werden, wenn mit ihnen an sich sinnvolle Innovationen realisiert würden. Die hoheitlich gesetzte, zwingende Regel sei demgegenüber schon als solche geeignet, vertrau­ ensbildend zu wirken. Komme es zu Änderungen am gesetzlichen Rahmen, werde dem neuen Recht ebensolches Vertrauen entgegengebracht, so daß auch auf Seiten der Kapitalnachfrager die Sorge vor einer negativen Signalwirkung und damit begründete Vorbehalte gegenüber sinnvollen Innovationen abnäh­ men. Unabhängig davon ist jedenfalls nochmals zu erinnern, daß insbesondere im Zusammenhang mit marktgehandelten Finanzierungspositionen das Be­ dürfnis nach Standardisierung (dem zwingendes Recht effektiv Rechnung zu tragen vermag) Zweckmäßigkeitserwägungen als Qualitätsmaßstab in den Hin­ tergrund treten lassen kann.114 Für die Frage, welche Bedeutung der Wahl des Regulierungsmodus als In­ strument zur Verbesserung der informationellen Voraussetzungen gesell­ schaftsrechtlicher Regulierung zukommt, ist damit auf den ersten Blick nur eine ernüchternde Erkenntnis gewonnen: Mit Blick auf die Grundsatzentschei­ dung zwischen den Modellen des dispositiven und des zwingenden Rechts kön­ nen allgemeine Leitlinien nur schwer definiert werden.115 Zumindest a priori besteht kein Grund, der privaten Informationsbasis im Vergleich mit der histo­ risch fundierten Informationsbasis gesetzlicher Regulierung stets geringere Be­ deutung beizumessen.116 Ebensowenig läßt sich aber auch das Postulat einer 113   Vgl. dazu und zum folgenden Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1549, 1570 (1989) (am Beispiel der US-amerikanischen Diskussion um die Abdingbarkeit von Sorgfaltspflichten von Ge­ schäftsleitern); im Anschluß daran Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 300  f.; insoweit mit guten Gründen skeptisch Romano, 89 Colum. L. Rev. 1599, 1604  f. (1989). 114   Siehe nochmals bereits oben, 1. Kap., sub B. III. 3. a) (S. 158  f.). 115   Vgl. auch Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1742  ff. (1989). 116   Überzeugend abermals Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1720  f. (1989): “There is no a priori reason to preclude the possibility that the informational advantages of elite rule making may outweigh the agency costs it creates, at least in some contexts. In a complex and differen­

C.  Fazit

321

strukturellen, ausnahmslosen Überlegenheit der privaten Information halten. Letztlich handelt es sich um Fragen, die nur im Zusammenhang mit konkreten Regulierungsproblemen und mithin in Auseinandersetzung mit den Möglich­ keiten der Verknüpfung von Regulierungsinstrumenten mit Regulierungszielen auf der Ebene der Regulierungsstrategien untersucht werden können. Schon unabhängig von dieser Verknüpfung zeichnet sich indes ab, daß auch unter dem Gesichtspunkt der Innovationsoffenheit der negativ-präskriptiven im Vergleich mit positiv-präskriptiver Regulierung der Vorzug zu geben ist:117 Die positive Verpflichtung der jeweiligen Normadressaten auf nur mehr eine zulässige Ge­ staltung eröffnet per se prinzipiell keinen Spielraum und ist damit strukturell anfälliger für die Gefahr, zur Verfestigung suboptimaler Gestaltungspraktiken beizutragen als eine Regelung, die lediglich eine oder mehrere aus einer Vielzahl möglicher Gestaltungen zu verhindern sucht. Auch in dieser Hinsicht läßt sich bereits für die nachfolgende Untersuchung der insgesamt zur Verfügung ste­ henden Formen von Regulierungsstrategien festhalten, daß jede positive Fixie­ rung konkreter Verhaltensgebote oder organisatorischer Pflichten die innovati­ ve Weiterentwicklung von Entscheidungsmustern und organisatorischer Prak­ tiken einzufrieren droht.118

C.  Fazit Die Untersuchung der informationellen Grundlagen jeder Regulierung hat noch keine positive Antwort auf die Frage erbracht, wann und unter welchen Voraussetzungen gesetzliche Regulierung der privaten vorzuziehen und wann das Gegenteil der Fall ist. Sie hat jedoch erwiesen, daß und in welcher Hinsicht Defizite auf der Ebene der regulierungsvorbereitenden Sachaufklärung auf die Effektivität gesetzlicher und privater Regulierung gleichermaßen durchschla­ gen können. Informationsdefizite sind damit als Einflußfaktor identifiziert worden, der die Wirksamkeit von Regulierung beschränken kann. Dies gilt selbst dann, wenn die Legitimation des regulierenden Eingriffs in der jeweiligen Konstellation vollkommen unbestritten sein mag. Die Ergebnisse dieser Unter­ suchung streiten weder pauschal für eine Politik der Deregulierung, noch lassen sie sich in den Dienst rechtspolitischer Forderungen nach einer Intensivierung tiated society, one might even expect these contexts to make up an even larger set. But wheth­ er or not there is such a trend, there simply is no conclusive argument for an exclusively con­ tractual perspective, even one with an externalities proviso.” 117   Vgl. allgemein nochmals auch oben sub A. II. 1. (S. 290  ff.). 118   Vgl. in diese Richtung bereits Fleischer, ZIP 2004, 685, 687 (unter Hinweis auf im angloamerikanischen Recht bestehende Vorbehalte gegenüber einer gesetzlichen Fixierung der Business Judgment Rule, aber verallgemeinerungsfähig); für die Positivierung konkreter Vor­ gaben hinsichtlich der Ausgestaltung prozeduraler Verhaltenspflichten auch Binder, ZGR 2007, 745, 758.

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3. Kapitel:  Regulierung als Informationsproblem – Fazit und Folgerungen

von Regulierung in Anspruch nehmen. Sie zeigen vielmehr, daß Regulierungs­ systeme zwar dynamisch, aber auch sensibel für die Perspektiven sowie die je­ weils bestehenden Restriktionen iterativ119 weiterentwickelt werden müssen, die sich aus der Beschränkungen der verfügbaren Informationsbasis zu den je­ weiligen Sachproblemen, aber auch zu Funktionsmerkmalen der eingesetzten Regulierungsinstrumente ergeben. Die Wahl der Regulierungsinstrumente und der ihnen zugeordneten Normdurchsetzungsmechanismen hat sich als Schlüs­ sel zur Bewältigung dieser Aufgabe erwiesen, die im Sinne einer Kooperation von gesetzlicher und privater bzw. teilprivatisierter Regulierung aufzulösen sein wird.120 Stärker als es der tradierten Rechtsetzungslehre entspricht, sind dabei von vornherein auch die mittel- bis langfristigen Perspektiven der dyna­ mischen Weiterentwicklung von Regelprogrammen in das Aufgabenverständ­ nis einzubeziehen.121 All dies legt zwei Lehren nahe: Erstens dürfte positiv-präskriptive Regulie­ rung, die Gestaltungs- oder Verhaltensmuster mit Ausschließlichkeitsanspruch vorgibt und alle Alternativen hierzu implizit oder explizit ausschließt, regelmä­ ßig auf einer defizitären Informationsbasis beruhen, weil sich Tauglichkeit und Sachdienlichkeit nur einer einzigen Lösung kaum je werden nachweisen lassen. Zweitens und damit verknüpft sind Vorbehalte gegenüber jedem Versuch be­ gründet, Schutzinteressen oder andere Regulierungsziele im Rahmen einer Art gesetzlichen Mikromanagements (Bechtold) privaten Verhaltens Rechnung tra­ gen zu wollen. Sind schon die Funktionsmechanismen und insbesondere die mit der Anreizstruktur verknüpften Fernwirkungen einzelner Regulierungsinstru­   Insoweit gleichsinnig für kontinuierliche, aber schrittweise Anpassungsprozesse z. B. Hertig/McCahery, ECFR 2006, 341, 343; krit. demgegenüber mit Blick auf das österreichi­ sche Kapitalgesellschaftsrecht und zahlreiche durch die „Methode der kleinen Schritte“ ver­ ursachte systematische „Bruchlinien“ dagegen Kalss, Reform des österreichischen Kapitalge­ sellschaftsrechts, Verhandlungen des 16. ÖJT, 2006, Bd. II/1, S. 20. 120   Zum letztgenannten Postulat grundlegend Augsberg, Rechtsetzung zwischen Staat und Gesellschaft, S. 19  ff. (Kooperationsbedürfnis als Konsequenz der Steuerungsdefizite des Ge­ setzesrechts); Bachmann, Private Ordnung, S. 359, 375 („modulare Regelsetzung“); Schuppert/Bumke, in: Kleindiek/Oehler (Hrsg.), Zukunft des deutschen Bilanzrechts, S. 71, 86  ff.; im Anschluß daran auch Hohl, Private Standardsetzung, S. 42  ff.; siehe auch bereits Hommelhoff/Schwab, BFuP 1998, 38, 45  f. („Angewiesenheit des Staates auf Kooperation“ angesichts allgegenwärtiger Steuerungsverluste öffentlichen Regulierungsrechts); dies., FS Kruse, 2001, S. 693, 694; Kirchner, in: Korff (Hrsg.), Handbuch der Wirtschaftsethik, Bd. 2, S. 127, 136  f.; Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 7  ff. Ähnlich wohl auch Bechtold, Gren­ zen zwingenden Vertragsrechts, S. 255 (Erforderlichkeit experimenteller Gesetzgebung, um die insbesondere mit dispositiven Regulierungsstrategien verbundenen Steuerungswirkun­ gen zu erproben). 121   Ebenso pointiert wie überzeugend in diese Richtung schon Reimer, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundfragen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 9 Rn. 109 (Rechtsetzungslehre zugleich als „Rechtsumsetzungslehre“ und „Rechtsänderungs­ lehre“). 119

C.  Fazit

323

mente schwer zu prognostizieren, so wird dies ersichtlich erst recht für das Zusammen­spiel und die Wechselwirkungen miteinander kombinierter Instru­ mente gelten.

2. Abschnitt

Regulierungsstrategien Die Analyse gesetzlicher, teilprivatisierter und privater Regulierungsinstru­ mente hat gezeigt, daß Regulierungsziele keineswegs nur mit zwingendem Recht realisiert werden können. Materiale Schutzziele liefern mithin noch keine Wertungsgesichtspunkte, die stets den zwingenden Eingriff erforderten. Eben­ sowenig legitimiert ihre Abwesenheit einen Verzicht auf jede gesetzliche Rege­ lung. Die Funktionsanalyse einzelner Regulierungsinstrumente stellt zwar nur begrenzt positive Leitlinien für die Wahl der Regulierungsmodi zur Verfügung, doch hat sie den Blick auf die Grenzen der Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Instrumente geschärft. Zudem wurden zwei wesentliche Erkenntnisse gewon­ nen: Erstens wurde die Verfügbarkeit hinreichender Informationen über das je­ weilige Sachproblem einerseits und über Funktionsmerkmale der zur Verfügung stehenden Regulierungsinstrumente andererseits als zentrales Problem identifi­ ziert, das zur Rückbesinnung auf Erkenntnisgrenzen und Erkenntnisdefizite zwingt. Zweitens wurde gezeigt, daß in der Kombination von Regulierungsin­ strumenten ein Schlüssel für die Bewältigung dieses Informationsproblems liegt. Im folgenden sind diese Erkenntnisse um Aussagen zu den Funktions­ merkmalen der in Betracht kommenden Kombinationen und weitergehender Regulierungsstrategien zu ergänzen. Damit geht es zunächst um die Entschei­ dung über Ausmaß und Intensität gesetzlicher im Verhältnis zur privaten Regu­ lierung sowie die insoweit bestehenden Gestaltungsoptionen (1. Kapitel). So­ dann sind verschiedene Möglichkeiten der Aktivierung privater Regulierung vertiefend in den Blick zu nehmen (2. Kapitel). Auf der Grundlage der dabei gewonnenen Erkenntnisse lassen sich abschließend erste Leitlinien für die Wahl zwischen den jeweils bestehenden Gestaltungsoptionen des Gesetzgebers ge­ winnen (3. Kapitel), die im nachfolgenden 3. Teil der Untersuchung auf ihre Tragfähigkeit überprüft und präzisiert werden.

   Insoweit nach wie vor zutr. A. Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 99: „Das allgemeine Streben nach gesunden Rechtsverhältnissen kann (…) nicht als Abgrenzungskriterium für zwingende und nachgiebige Vorschriften verwandt werden. Der entscheidende Fehler einer solchen Argumentation liegt darin, daß sie kein Merkmal für die Wertung liefert, auf wel­ chem Weg – über zwingendes Recht oder durch freie Gestaltung verantwortlicher Partner – das gewünschte Ziel am besten erreicht werden kann.“ (Nachweise weggelassen).

1. Kapitel

Regulierung, Regulierungsverzicht, Flexibilisierungslösungen? Die Frage nach der optimalen Intensität der hoheitlichen Regelsetzung im Ka­ pitalgesellschaftsrecht hat im jüngeren Schrifttum gerade unter solchen Arbei­ ten große Aufmerksamkeit auf sich gezogen, die sich der Untersuchung unter­ schiedlicher Regulierungsmodi und damit dem auch in der vorliegenden Arbeit behandelten Problemkreis widmen. Exemplarisch belegt dies etwa die im Ur­ sprungsland allerdings bereits wieder abgekühlte Kontroverse zwischen den Verfechtern eines vertraglichen Leitbilds der Kapitalgesellschaft und seinen Gegnern in der US-amerikanischen Literatur, in deren Rahmen die contracta­ rians für einen umfassenden Regulierungsverzicht plädieren, anti-contractari­ ans hingegen den regulierenden Eingriff durch Gesetzesrecht verteidigen.  Vor dem Hintergrund der bisher gewonnenen Erkenntnisse ist allerdings weder das eine noch das andere Extrem, sondern sind allein differenzierende Lösungen begründbar (unten A.). Auch diese Überlegung liefert zwar noch keine allge­ meinen Leitlinien für die Zuweisung von Regulierungsverantwortung; insofern bleibt es dabei, daß allein am Beispiel konkreter Sachprobleme beurteilt werden kann, ob und inwieweit die Funktionsvoraussetzungen der in Betracht kom­ menden alternativen Regulierungsinstrumente jeweils vorliegen. In Auseinan­ dersetzung mit der Einsicht, daß die Wahl der Regulierungsmodi insbesondere auch von der Verfügbarkeit hinreichender Informationen abhängen muß, läßt sich die Gestaltung von Regulierungsstrategien allerdings bereits abstrakt, d. h. noch ohne Überprüfung anhand einzelner Sachfragen, näher spezifizieren: Dem Postulat modal differenzierter Regulierung kann nicht nur durch die Wahl der Regulierungsinstrumente auf der Mikroebene Rechnung getragen werden, d. h. durch die Zuweisung der Regulierungsverantwortung für die einzelne Norm und die damit verknüpfte Wahl unter verschiedenen denkbaren Gestal­ tungsmöglichkeiten (dispositives Recht, zwingendes Recht, unterschiedliche Durchsetzungsmechanismen). Ihre volle Bedeutung entfalten die unterschiedli­ chen Funktionsmerkmale der einzelnen Regulierungsinstrumente vielmehr erst auf der Makroebene, d. h. in der Kombination miteinander und der Zuord­ nung als Gesamtprogramm zu einem bestimmten Ziel oder Zielsystem. Das Spektrum der bestehenden Möglichkeiten reicht vom umfassenden Gebrauch zwingender Normen über die Einräumung von Wahlmöglichkeiten zwischen   Siehe dazu bereits oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. I. 4. (S. 70  ff.).



326

1. Kapitel:  Regulierung, Regulierungsverzicht, Flexibilisierungslösungen?

unterschiedlichen, als solche jeweils zwingend ausgestalteten Regulierungsre­ gimes einerseits und gegenständlich begrenzten Gestaltungsspielräumen ande­ rerseits bis hin zur vollständigen Freigabe der Regulierungsverantwortung und Zuweisung an die privatautonome Gestaltung, die ggf. formal durch Verfah­ rensregelungen oder material durch inhaltliche Vorgaben bzw. Schranken näher konturiert werden kann (unten B.).

A.  Die konzeptionelle Grundentscheidung Die Entscheidung über Umfang und Reichweite des regulierenden Eingriffs ist eine Aufgabe des Gesetzgebers. Auch mit Blick auf die zur Verwirklichung konkreter Regulierungsziele zur Verfügung stehenden Regulierungsstrategien gilt insofern das zur Entscheidung über die Allokation der Informationsverant­ wortung und Aufklärungslast Gesagte: Weil die Kapitalgesellschaft als juristi­ sche Person ihre Anerkennung erst dem Gesetzesrecht verdankt und damit die Regelungsprärogative für die weiteren Modalitäten von vornherein beim Ge­ setzgeber angesiedelt ist, liegt es zwangsläufig auch bei diesem zu entscheiden, ob und in welchem Maße die Gesellschaft als Rechtssubjekt detaillierten Vorga­ ben und Restriktionen unterworfen werden soll. Im Kern handelt es sich wie­ derum – ähnlich wie schon bei der Wahl der Regulierungsinstrumente – um eine Wahl zwischen drei grundsätzlichen Alternativen: Neben den beiden Ex­ tremen, der umfassenden Einflußnahme auf alle Einzelheiten der Finanzie­ rungsbeziehungen einerseits und dem vollständigen Regulierungsverzicht zu­ gunsten der privaten Gestaltung andererseits, stehen auch in dieser Hinsicht differenzierende Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung. In der ersten Alter­ native fällt die Entscheidung zugunsten zentralisierter Steuerung der betreffen­ den Rechtsbeziehungen, in der zweiten Alternative zugunsten dezentralisierter Steuerung, und die dritte ist geprägt von einem kooperativen, zwischen gesetz­ licher und privater Steuerung vermittelnden Grundansatz. Schon ein kursorischer Überblick erweist indes, daß damit die konzeptionell möglichen Grundentscheidungen zwar zutreffend, aber nur bedingt trenn­ scharf abgebildet sind. Zudem beschreiben die beiden Extreme Modelle, die in dieser Schärfe so nirgends realisiert worden sind: Rechtsordnungsübergreifend ordnen sich die Regulierungssysteme durchweg jeweils zwischen den beiden Extremen ein. Während der Grad der Einflußnahme durchaus abweicht, findet sich kein System, in dem die Finanzierungsbeziehungen für alle Kapitalgesell­ schaften umfassend durch Gesetzesrecht geregelt worden wären – ebenso wenig wie ein System, das in allen Aspekten am Prinzip unbeschränkter Gestaltungs-

 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 1. (S. 290  ff.).



A.  Die konzeptionelle Grundentscheidung

327

freiheit orientiert wäre. Unterschiede zwischen einzelnen Rechtsordnungen be­ treffen Abstufungen im „Mischverhältnis“, die rechtssystematische Verortung zwingender und dispositiver Bestandteile und deren Zuordnung zu konkreten Sachproblemen im Einzelfall: Weder im US-amerikanischen Recht noch in den kontinentaleuropäischen Rechten ist die Regulierungsverantwortung entweder ausschließlich bei den privaten Akteuren oder ausschließlich beim Gesetzgeber angesiedelt. Ungeachtet aller – durchaus tiefgehenden – Unterschiede, die im 3. Teil der Untersuchung exemplarisch in den Blick genommen werden, sind Kombinationslösungen weltweit die Regel. Auch und gerade diese Befunde indizieren, daß sich die Grundentscheidung zwischen den Paradigmen der „Deregulierung“ und der „Regulierung“ unter funktionalen Aspekten eindeutigen Leitlinien entzieht. Ein vollständig an un­ beschränkter Vertragsfreiheit orientiertes System, in dessen Rahmen auf jede Standardisierung durch gesetzliche Einflußnahme verzichtet würde, setzte sich dem Risiko aus, daß es aufgrund der darin zwangsläufig angelegten Unsicher­ heiten für die Gestaltungspraxis zu Effizienzverlusten käme. Umgekehrt ist keineswegs selbstverständlich, daß gesetzliche Regulierung auch bei unstreitig als schutzwürdig erkannten Regulierungszielen notwendig effektiver ist als Al­ ternativen in Gestalt privater oder teilprivatisierter Regulierung und/oder Durchsetzungsmechanismen. Flexibilisierung und Differenzierung sind da­ nach nicht nur ein rechtspolitisches Postulat für die Weiterentwicklung gesetz­ licher Regulierungsprogramme de lege ferenda, sondern rechtsordnungsüber­ greifend letztlich schon historisches Kontinuum. Der – besonders unter dem Gesichtspunkt des Systemvergleichs – interessante Kern der Diskussion liegt damit weniger bei der konzeptionellen Grundentscheidung zwischen den in Deutschland vor allem in der Diskussion der 1990er Jahre beschworenen Para­ digmen der „Regulierung“ und der „Deregulierung“ als vielmehr bei der kon­ kreten Ausgestaltung der Kombinationslösungen und der Verteilung der Regu­ lierungsverantwortung im Detail. Die wesentlichen Parameter für die Gestaltungsaufgabe sind bereits im Zu­ sammenhang mit den Informationsproblemen jeder Regulierung skizziert wor­    Vgl. Hertig/McCahery, ECFR 2006, 341, 343; Hopt, ZGR Sonderheft 13 (1998), 123, 124, 128  ff.; vorsichtig in diese Richtung auch Kalss, Reform des Österreichischen Kapitalgesell­ schaftsrechts, Gutachten zum 16. ÖJT, 2006, S. 39: „[G]erade die grundlegenden Mechanis­ men des Kapitalgesellschaftsrechts [können] nicht zur Gänze als dispositives Recht ausgestal­ tet werden, weil ein privatautonomes Modifizieren und Austauschen an einzelnen Bausteinen unter Umständen das gesamte Regelgebäude zum Einsturz bringt“. Auch im US-amerikani­ schen Schrifttum, in dem dies zwischen regulierungsskeptischen „contractarians“ und ihren Gegnern lange kontrovers diskutiert worden war, hat sich die Auseinandersetzung insoweit zwischenzeitlich sichtbar beruhigt; vgl. nochmals schon oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. I. 4. (S. 705 ff.); sehr dezidiert in diesem Sinne Bratton, 87 Nw. U. L. Rev. 180   ff., insbes. 192   f. (1992): „discussion of the 1980s“.    So prägnant schon Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1549, 1564 (1989).    Siehe nochmals oben, 1. Teil, 1. Kap., vor A. (S.12).

328

1. Kapitel:  Regulierung, Regulierungsverzicht, Flexibilisierungslösungen?

den: Es bedarf der sorgfältigen Abwägung zwischen den jeweils verfolgten Schutzzielen – darunter der Schutz materialer Rechtsgüter, aber auch das Be­ dürfnis der betroffenen Verkehrskreise insbesondere bei marktgehandelten Fi­ nanzierungstiteln nach standardisierten Vertragsbedingungen – und der Ver­ fügbarkeit der erforderlichen Informationsbasis. Der letztgenannte Aspekt setzt der Leistungsfähigkeit sowohl der gesetzlichen als auch der privaten Re­ gulierung Grenzen, die jeweils nur sachproblembezogen ermittelbar sind; er sollte, wie gezeigt, idealtypisch als zentraler Gesichtspunkt für die Entschei­ dung über die Allokation der Regulierungsverantwortung herangezogen wer­ den. Übertragen auf die Ebene der Formulierung von Regulierungsstrategien, läßt sich damit die Gestaltungsaufgabe als Problem der Verteilung der Informa­ tionsbeschaffungs- und Informationsverarbeitungsverantwortung durch Kom­ bination einzelner Regulierungsinstrumente beschreiben. Dies präzisiert zu­ gleich die im folgenden anzulegenden Bewertungsmaßstäbe: Die in Betracht kommenden Möglichkeiten der Gestaltung von Regulierungsstrategien sind darauf zu überprüfen, inwieweit damit das oben ermittelte Informationspro­ blem in einem kooperativ orientierten, gesetzliche und private Initiative und Information verbindenden Regulierungsansatz gelöst werden kann.

B.  Grundstrukturen von Differenzierungsmöglichkeiten aus der Perspektive der Gesetzgebung Durchmustert man die de lege lata in unterschiedlichen Rechtsordnungen rea­ lisierten Differenzierungsmodelle, so lassen sich diese grob zwei verschiedenen Ebenen zuordnen: Differenzierungen zwischen gesetzlicher und privater Regu­ lierung ist zum einen denkbar in Gestalt der Einräumung von Wahlmöglichkei­ ten zwischen unterschiedlichen, für sich jeweils (mehr oder weniger) zwingend gehaltenen Regelprogrammen. Zum anderen sind Kombinationen gesetzlicher, privater und teilprivatisierter Regulierungsinstrumente innerhalb einzelner Regulierungsprogramme möglich (unten I.). Die damit umrissenen Grundfor­ men lassen sich miteinander verbinden, was die Differenzierungsmöglichkeiten nochmals erhöht; rechtstatsächlich sind derartige Kombinationen bedeutsamer als die Reinform der Wahlmöglichkeit zwischen jeweils inhaltlich zwingend festgelegten Regelprogrammen (unten II.). Insgesamt läßt sich so eine brauch­ bare Typologie der unterschiedlichen Regelungsoptionen gewinnen, die der im nachfolgenden 2. Kapitel vorbehaltenen Untersuchung der Funktionsmerkmale unterschiedlicher Regulierungsstrategien zugrundegelegt werden kann (unten III.).   Oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 3. (S. 304  ff.).   Dazu nochmals oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub C. (S. 321  f.).

 

B.  Grundstrukturen von Differenzierungsmöglichkeiten

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I.  Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Regelprogrammen Sehr begrenzt bleibt der Anteil privater Gestaltungsinitiative in Modellen, in denen das Gesetz den jeweils betroffenen Akteuren die Wahl zwischen zwei oder mehreren, prinzipiell gleichermaßen zulässigen Regelprogrammen eröff­ net, die als solche inhaltlich mehr oder weniger durch Gesetzesrecht vorgegeben sind. Den privaten Akteuren steht es frei, sich auf die Geltung jeweils eines der alternativ zur Verfügung stehenden Regelprogramme zu verständigen; damit ist die Ablehnung der Alternativen jeweils in toto verbunden. In der strengsten Form kombinieren derartige Modelle ausschließlich zwingende Regulierungs­ instrumente: Alle Details sind hier unabdingbar ausgestaltet, nur die „Einwahl“ in das Modell ist ein Akt der freien Gestaltung. Dispositiver Natur im eigentli­ chen Sinn ist allein das Gesamtprogramm, nicht die einzelne Norm; die priva­ ten Akteure haben die Wahl zwischen verschiedenen zwingenden „Menüs“.10 Derartige Wahlmodelle sind dem geltenden Recht – auch über das vorliegend untersuchte Referenzgebiet hinaus11 – seit langem bekannt, allerdings jeweils in   Vgl. auch Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a., Anatomy, 2. Aufl. 2009, S. 1, 22. Inhaltlich ähnlich Bachmann, JZ 2008, 11, 15, der insoweit von „strengen“ im Unter­ schied zu „weichen Optionsmodellen“ spricht; terminologisch ist dies insofern etwas un­ scharf, als davon alle Modelle erfaßt sein sollen, die den betroffenen Akteuren „keine gänzlich freie Gestaltung nach eigenem Belieben“ ermöglichen (ebd.; eig. Hervorhebung), während als „weiche“ Modelle solche Wahlmöglichkeiten bezeichnet werden, „die den Beteiligten ein Mu­ ster anbieten, ohne sie in ihrer Gestaltungsfreiheit zu beschneiden“ (ebd., S. 14; Hervorhe­ bung im Original). Auch weil dabei nicht zwischen der Ebene der einzelnen Regulierungsin­ strumente und jener der Regulierungsstrategien in der vorliegend verwendeten Terminologie unterschieden wird, verfließen die Grenzlinien zunächst bei solchen „strengen“ Modellen, bei denen das Gesetz selbst zwar bedeutende Grundentscheidungen in einzelnen Alternativen festlegt, hinsichtlich der anderen Gestaltungen jedoch umfassende Gestaltungsfreiheit ein­ räumt (Beispiel: die Wahlmöglichkeit zwischen den Rechtsformen der Kapital- und der Per­ sonenhandelsgesellschaften im deutschen Recht). Entsprechendes gilt für Modelle, in denen mehrere jeweils ähnlich gestaltungsoffene Alternativen zur Verfügung stehen (Beispiel: die verschiedenen, jeweils von weitgehender Gestaltungsfreiheit geprägten Rechtsformen in den US-amerikanischen Gesellschaftsrechten). Die Unterscheidungskraft der Kategorien relati­ vierend denn auch Bachmann, JZ 2008, 11, 13 und 14 in Fn. 46. Eine gefestigte Terminologie hat sich bislang insgesamt noch nicht etabliert; vgl. auch z. B. Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 121  ff. („optionales Vertragsrecht“); Kalss, Reform des Österreichischen Ka­ pitalgesellschaftsrechts, S. 39  ff. („Wahlrechte“). 10   Den Begriff hat in der rechtstheoretischen Literatur erstmals Ayres geprägt, der das mo­ derne Funktionsverständnis der Wahlmöglichkeiten zwischen Regelprogrammen maßgeb­ lich beeinflußt hat; vgl. Ayres, 73 U. Chi. L. Rev. 3 (2006): „menus matter“; dens., 59 U. Chi. L. Rev. 1391, 1416 (1992); vgl. im Anschluß daran auch Bechtold, Grenzen zwingenden Privat­ rechts, S. 121  ff.; Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a., Anatomy, 2. Aufl. 2009, S. 1, 20; Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 839  ff. (1995); Listokin, Corporate Default Rules and Menus, S. 2  ff.; Riesenhuber/Möslein, in: Riesenhuber (Hrsg.), Perspektiven des Europäischen Schuldvertragsrechts, S. 1, 30. 11   Vgl. Bachmann, JZ 2008, 11, 15 mit Beispielen; etwas mißverständlich insoweit Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 120 („erst in den letzten Jahren“ Suche nach vermit­ telnden Lösungen zwischen dispositivem und zwingendem Recht), treffender demgegenüber 

330

1. Kapitel:  Regulierung, Regulierungsverzicht, Flexibilisierungslösungen?

abgeschwächter Form. Beispielhaft dafür steht die bereits erwähnte Koexistenz unterschiedlicher – und jeweils in unterschiedlichem Maße gesetzlich kontu­ rierter – Rechtsformen, wobei der Kreis nicht auf Kapitalgesellschaften be­ schränkt ist, sondern auch Personengesellschaften einschließt. Innerhalb dieser Palette stehen strenge Modelle, wie die vom Prinzip der Satzungsstrenge (vgl. § 23 Abs. 5 AktG) geprägte Aktiengesellschaft im deutschen Recht, gestaltungs­ offenen Varianten, z. B. den Personenhandelsgesellschaften, aber auch der GmbH, gegenüber. Die Bereitstellung in sich abschließend vorgegebener „Menüs“ in Gestalt von Wahlmodellen in der vorstehend diskutierten Form dient zugleich der eher punktuellen, sachproblembezogenen Freigabe von Regulierungsverantwortung innerhalb ansonsten gesetzlich vorgegebener Regelprogramme, die ggf. um eine gezielte Einflußnahme zum Zweck der Aktivierung der privatautonomen Ge­ staltung ergänzt wird. Innerhalb eines solchen Modells ist die gesetzliche Vor­ gabe konzeptionell die Regel, private Gestaltung dagegen die Ausnahme. Diese „Regelungsprärogative“ des Gesetzgebers resultiert ihrerseits daraus, daß die juristische Person und jede privatautonome Gestaltungsmöglichkeit mit Haf­ tungsbeschränkung zugunsten der Gesellschafter ihre Existenz überhaupt erst der Anerkennung durch Gesetzesrecht verdanken. Das Regel-/Ausnahmever­ hältnis sollte allerdings nicht überbetont und in seinen praktischen Auswirkun­ gen nicht überschätzt werden. In dieser Hinsicht sind praktisch beliebig viele Abstufungen möglich, die ein breites Spektrum unterschiedlicher Eingriffsin­ tensitäten ermöglichen: In Betracht kommt zum einen die Schaffung inhaltlich eng begrenzter Gestaltungsspielräume innerhalb eines ansonsten dicht regu­ lierten Regelprogramms; beispielhaft ließe sich etwa an die im deutschen Akti­ enrecht ausdrücklich formulierten Ausnahmen vom Grundsatz der aktien­ rechtlichen Satzungsstrenge denken.12 Das andere Extrem liegt in der breitflä­ chigen Schaffung von Gestaltungsspielräumen, bei denen zwingend geregelte Sachprobleme die Ausnahme bilden, wie dies etwa im Recht der GmbH reali­ ebd., S. 123, wonach „Menü-Regelungen im deutschen Privatrecht [scil. schon de lege lata] weit verbreitet“ sind. 12   Derartige Gestaltungsspielräume für Abweichungen vom gesetzlichen Regelprogramm bestehen etwa nach §§ 24, 52 Abs. 5 Satz 3; 58 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 3 Satz 2; 59 Abs. 1; 60 Abs. 3; 63 Abs. 1 Satz 2; 77 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1; 78 Abs. 2 Satz 1; 95 Abs. 2; 103 Abs. 1 Satz 3; 109 Abs. 3; 121 Abs. 4 und Abs. 5; 122 Abs. 1 Satz 2; 123 Abs. 2 bis 4; 133 Abs. 1, 2; 134 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 und Abs. 2 Satz 2; 139 Abs. 1; 140 Abs. 3; 150 Abs. 2; 179 Abs. 2 Sätze 2 und 3; 179a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 179 Abs. 2 Sätze 2 und 3; 182 Abs. 1 Sätze 2 und 3 sowie Abs. 4 Satz 2; 186 Abs. 3 Satz 3; 193 Abs. 1 Satz 2; 202 Abs. 2 und 4; 203 Abs. 3 Satz 2; 221 Abs. 1 Satz 3; 222 Abs. 1 Satz 3; 229 Abs. 3 i.V.m. 222 Abs. 1 Satz 2; 237 Abs. 4 Satz 3 AktG; vgl. – je­ weils mit umfassendem Überblick – zum Ganzen Hüffer, AktG, § 23 Rn. 35; MünchKomm/ Pentz, AktG, § 23 Rn. 152  ff.; K. Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 23 Rn. 54  ff. Zur Zulässigkeit ergänzender Satzungsbestimmungen vgl. § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG und dazu Hüffer, a.a.O., Rn. 37; Pentz, a.a.O., Rn. 157  ff.; Seibt, a.a.O., Rn. 57, 64  ff.; siehe eingehend auch bereits Luther, in: FG Hengeler, 1972, S. 167  ff., jeweils mit Beispielen.

B.  Grundstrukturen von Differenzierungsmöglichkeiten

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siert ist.13 Weitere Abstufungen verbinden sich im deutschen Recht mit der Fra­ ge, inwieweit vertragliche Gestaltung durch festgefügte „Wesensmerkmale“,14 „Institutionen“,15 Typengesetzlichkeiten16 und Typenzwang,17 durch spezifi­ sche unantastbare funktionale Prinzipien,18 durch einen nicht disponiblen „Kernbereich“ gesetzlicher Grundtypen19 oder durch sonstige allgemeine Grundsätze bereits unter dem geltenden Recht eingehegt sind oder de lege fe­ renda eingehegt werden sollten.

II.  Kombinationslösungen und weitere Ausdifferenzierung Schon die Gegenüberstellung der regulierungstechnischen Grundmuster im Recht der Aktiengesellschaften einerseits und der Gesellschaften mit beschränk­ ter Haftung andererseits indiziert, daß die Systematisierung der empirisch be­ obachtbaren Regulierungsstrategien anhand der oben definierten Grundfor­ 13   Zu den nicht frei gestaltbaren Normkomplexen im GmbH-Recht näher Hommelhoff, ZGR-Sonderheft 13, 1998, 36, 40  ff. 14   Vgl. zunächst § 241 Nr. 3 AktG (Nichtigkeit „wesensfremder“ Beschlüsse in der AG). Die Vorschrift hat allerdings in der Praxis keine besonders große Bedeutung erlangt; vgl. dazu und zum umstrittenen Aussagegehalt näher MünchKomm/Hüffer, AktG, § 241 Rn. 47  ff.; ders., AktG, § 241 Rn. 21; Großkomm/K. Schmidt, AktG, § 241 Rn. 57  ff.; K. Schmidt/Lutter/ Schwab, AktG, § 241 Rn. 15  ff.; Spindler/Stilz/Würthwein, AktG, § 241 Rn. 194  ff. Zur ent­ sprechenden Anwendbarkeit (mit ähnlichen Einschränkungen) BGH, Urt. v. 12. 6. 1954 – II ZR 154/53, BGHZ 14, 53, 55  f.; OLG Celle, Urt. v. 28. 4. 1999 – 9 U 236/98, GmbHR 1999, 1099  f.; aus der Literatur Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 16  f.; Ulmer/ Habersack/Winter/Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 57; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 50; zum Ganzen auch bereits die Grundsatzkritik zum „Wesensargument“ bei H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 57  ff., 78  ff., 94  ff.; kritisch zu ungeschriebenen „We­ sensmerkmalen“ als Kontrollmaßstab auch Hey, Freie Gestaltung, S. 226  f. 15   In diesem Sinne das an die französische Institutionenlehre anknüpfende Institutionen­ verständnis bei Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 17  ff., 43  ff. und passim. 16   Grundlegend H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 112  ff.: „Gesetzliche Typen als Grenzen der Vertragsfreiheit“; vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 II, S. 106  ff., 111  ff. 17   Zur nach wie vor umstrittenen, zumindest faktisch durch die Anerkennung gemischter Typen wie GmbH & Co. KG, GmbH & Co. KGaA, unter Einbeziehung ausländischer Rechtsformen sogar der Ltd. & Co. KG allerdings weithin nur mehr theoretischen Frage der Zulässigkeit gemischter Typen einerseits (Typenzwang befürwortend) Koller, Grundfragen einer Typuslehre, S. 96  ff.; Ott, Typenzwang, S. 142  ff.; andererseits (differenzierende Gestal­ tungen zulassend) K. Schmidt, Zur Stellung der oHG, S. 129  ff.; H.P. Westermann, Vertrags­ freiheit, S. 118 und passim; zusf. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 II, S. 106  ff., 111  ff.; vgl. auch Bachmann, Private Ordnung, S. 266  f. Vgl. aus der höchstrichterlichen Judikatur insbe­ sondere das grundsätzliche Bekenntnis zur privaten Ausgestaltung der gesetzlichen Typen in weitem Umfang im sog. „Rektorfall“ (BGH, Urt. v. 17. 3. 1966 – II ZR 282/63, BGHZ 45, 204, 206: Kommanditgesellschaft); sodann BGH, Beschl. v. 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 396  ff. (Anerkennung der GmbH & Co. KGaA). 18   In diese Richtung Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S. 34  ff. 19   Vgl. dazu Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S. 11  ff.

332

1. Kapitel:  Regulierung, Regulierungsverzicht, Flexibilisierungslösungen?

men letztlich auch eine Frage der gewählten Perspektive ist: Bezieht man beide Rechtsformen in die Betrachtung ein, so präsentiert sich das Gesamtbild einer Kombination aus Wahlmodell und situativer Differenzierung. Jedenfalls das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht kombiniert spätestens seit der Einführung der Rechtsform der GmbH in einer durchaus facettenreichen Weise beide Ebe­ nen miteinander. Daß Kombinationsmodelle, die beide oben erörterten Grund­ formen durch Verknüpfung oder „Hintereinanderschaltung“20 miteinander verbinden, (auch) hierzulande die Regel darstellen, ist denn auch keine neue Erkenntnis. In seiner richtungsweisenden Untersuchung zur Bedeutung zwin­ gender Vorschriften im Recht der Handelsgesellschaften hat dies Franz Laufke bereits 1931 herausgearbeitet.21 Anschaulich hat im Anschluß daran Harm Peter Westermann zwischen „primärer“ und „sekundärer“ Entscheidungsfreiheit un­ terschieden, wobei die erstere die Entscheidung über die Anwendbarkeit des Normenkomplexes insgesamt meint, während die sekundäre Entscheidung die innerhalb gegebener Normkomplexe bestehenden Spielräume betrifft.22 In Deutschland entspricht diesem Konzept die nach wie vor (allerdings nur grund­ sätzlich und nicht ausnahmslos23) durchgehaltene, an funktionalen Leitbildern (personalistische Gesellschaften einerseits, kapitalmarktorientierte Publikums­ gesellschaften andererseits) orientierte Zweiteilung der kapitalgesellschafts­ rechtlichen Rechtsformen. Stärker zersplittert und nicht mehr allein an funk­ tionalen Kategorien orientiert ist die Regelungsmaterie im französischen Recht, das von einer – allerdings zunehmend disparat anmutenden oder jedenfalls stark experimentell geprägten – Rechtsformenvielfalt geprägt ist, die unterschiedli­ che Gestaltungsformen für jeweils vergleichbare Funktionen zur Verfügung stellt.24 Auch in den US-amerikanischen Gesellschaftsrechten haben sich seit 20   Begriff nach Bachmann, JZ 2008, 11, 15; vgl. anschaulich auch bereits dens., Private Ordnung, S. 375: „Berücksichtigen wir die ganze Breite des regulatorischen Potentials, ergibt sich ein modulares System, das als Baukasten der Regelsetzung bezeichnet werden kann.“ In eine ähnliche Richtung wohl auch Kalss, Reform des Österreichischen Kapitalgesellschafts­ rechts, S. 39  ff. 21   Laufke, Die Handelsgesellschaften und das zwingende Recht, S. 4  ff., der zwischen der Ebene der „Norm“ und jener der „Normkomplexe“ unterscheidet und hier nach „unentrinn­ baren“, d. h. in vollem Umfang zwingenden Normkomplexen, „entrinnbaren“, in denen die Einzelnormen zwingend ausgestaltet sind, die aber insgesamt vermieden werden können, „gewillkürten“, die nur Anwendung finden, wenn der Adressat dies so gewollt hat, und „aus­ schließbaren“ Normkomplexen einteilt. Im Anschluß daran ebenso H.P. Westermann, Ver­ tragsfreiheit, S. 42. In der englischsprachigen Literatur entsprechend Cheffins, Company Law, S. 222: “Permissive rules can operate in tandem with mandatory as well as presumptive regulations.” 22   H.P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 42; vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 III, S. 111. 23   Zu Inkonsistenzen insoweit näher etwa Fleischer, ZIP 2006, 451, 456  ff.; Habersack/ Schürnbrand, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. I, Kap. 17 Rn. 71; zusf. Bayer, Gutachten E zum 67. DJT, 2008, E 58  ff. 24   Heute stehen neben den „klassischen“ Rechtsformen der kapitalmarktorientierten So­

B.  Grundstrukturen von Differenzierungsmöglichkeiten

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den 1980er Jahren mit der Limited Liability Partnership (LLP) und der Limited Liability Company (LLC) Alternativen zur an sich sowohl für personalistisch geprägte als auch für Publikumsgesellschaften offenstehenden Rechtsform der corporation entwickelt, 25 deren Recht wiederum für kapitalmarktorientierte Unternehmen durch Vorgaben des Bundes-Kapitalmarktrechts ergänzt wird. 26 Erst recht gilt der Befund einer abgestuften, Elemente von Wahlmodellen und problembezogenen Differenzierungslösungen kombinierenden Grundkonzep­ tion indes für das Recht der Fremdkapitalfinanzierung, hinsichtlich derer die „Menüs“ verschiedener Regelungskomplexe (Verbandsrecht, allgemeines Ver­ tragsrecht, Wertpapierrecht i. e. S., Kapitalmarktrecht) in jeweils unterschiedli­ cher Weise miteinander verzahnt sind. Zunächst mit der Einführung der Societas Europaea, nunmehr auch mit der geplanten Societas Privata Europaea als „kleiner“ Kapitalgesellschaft befördert der Gemeinschaftsgesetzgeber seinerseits die Erweiterung der verbandsrechtli­ chen Wahlmöglichkeiten. Auch die mit den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zur Möglichkeit der existenzwahrenden Sitzverlegung von Kapi­ talgesellschaften aus der Sicht der Zuzugsstaaten 27 eröffnete Wahlfreiheit zwi­ schen den Rechtsformen praktisch aller Mitgliedstaaten läßt die Rechtsentwick­ lung in der EU in die Richtung einer kompetitiven Koexistenz vielfältiger Re­ gelungsprogramme tendieren. Das damit eröffnete „Angebot“ verdankt sich allerdings gerade nicht einer planvollen, an funktionalen Leitbildern ausgerich­ teten Gestaltungsentscheidung, sondern beruht auf historisch-rechtskulturell vollständig selbständigen Entwicklungssträngen in verschiedenen Rechtsord­ nungen. Weil und soweit die Intensität der inhaltlichen Beeinflussung durch zwingendes Recht jeweils unterschiedlich ausfällt, 28 ist der damit eröffnete ciété Anonyme (SA) und der Société à responsabilité limitée (SARL) als der französischen Rezeption der deutschen GmbH zusätzlich Sonderformen wie die Einpersonengesellschaft (Entreprise unipersonnelle à responsabilité limitée – EURL), die Société par actions simpli­ fiée (SAS) und die Société par actions simplifiée unipersonnelle (SASU) zur Verfügung; siehe dazu noch näher unten, 3. Teil, 1. Kap., sub A. I. 2. (S. 413). 25   Siehe wiederum noch näher unten, 3. Teil, 1. Kap., sub A. I. 2. (S. 413  f.). 26   Zum Verhältnis von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht insoweit einführend Merkt/ Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 235  ff.; Merkt, AG 2003, 126, 127. Siehe auch noch unten, 3. Teil, 2. Kap., sub A. I. 4. (S. 486  ff.). 27   Vgl. zur Sitzverlegung aus der Perspektive des Zuzugsstaats EuGH, Urt. v. 9. 3. 1999 – C212/97, Slg. 1999, I-459 (Centros); Urt. v. 5. 11. 2002 – C-208/00, Slg. 2002, I-9919 (Übersee­ ring); Urt. v. 30. 9. 2003 – C-167/01, Slg. 2003, I-10805 (Inspire Art); siehe auch EuGH, Urt. v. 13. 12. 2005 – C-411/03, Slg. 2005, I-10805 (SEVIC Systems). Zu Wegzugsfällen restriktiver grundlegend EuGH, Urt. v. 27. 9. 1988 – C-81/87, Slg. 1988, 5483 (Daily Mail); offener vor­ übergehend EuGH, Urt. v. 11. 3. 2004 – C-9/02, Slg. 2004, I-243 (Lasteyrie du Saillant); re­ striktiv wiederum nunmehr EuGH, Urt. v. 16. 12. 2008 – C-210/06, Slg. 2008, I-9641 (Carte­ sio). 28   Vgl. exemplarisch nur die Diskrepanz zwischen den Gläubigerschutzregimes bei der deutschen GmbH und bei ihrem englischen Funktionsäquivalent, der Private Limited Com­ pany; rechtsvergleichend dazu statt vieler Steffek, Gläubigerschutz, passim.

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1. Kapitel:  Regulierung, Regulierungsverzicht, Flexibilisierungslösungen?

Spielraum für die private Gestaltung enorm. Zugleich verbleibt mit Rücksicht auf die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zumal der Niederlassungsfreiheit (Art. 34, 38 EG) kaum eine Möglichkeit für die Aufnahme-Mitgliedstaaten, die Bedingungen für den Markteintritt und die Marktteilnahme ausländischer Rechtsformen restriktiven Vorgaben zu unterwerfen. Insbesondere autonome Regulierungskonzepte, die im nationalen Verbandsrecht materiale Schutzziele (z. B. des Gläubigerschutzes) zu verwirklichen suchen, geraten so unter Druck. 29

III.  Weitere Varianten der Ausdifferenzierung Nach alledem richtet sich das Augenmerk auf die regulierungstechnischen Möglichkeiten der Ausgestaltung von Differenzierungsmodellen im einzel­ nen.30 In dieser Hinsicht haben die im 1. Abschnitt des vorliegenden Teils ge­ wonnenen Ergebnisse erwiesen, daß schon mit der Wahl unterschiedlicher Re­ gulierungsinstrumente mit jeweils unterschiedlichen Funktionsmerkmalen ausgesprochen vielfältige Gestaltungen realisiert und auf die Bedürfnisse kon­ kreter Regelungsprobleme abgestimmt werden können. Die Möglichkeiten ei­ ner präziseren Einbettung privater Regulierung in gesetzliche Regulierungs­ programme auf der Ebene der Regulierungsstrategien erschöpfen sich dabei keineswegs in der Wahl (und Kombination) entsprechend geeigneter Regulie­ rungsinstrumente, insbesondere des dispositiven Rechts, und/oder privater Normdurchsetzung. Der Gesetzgeber kann sich darauf beschränken, mit der Wahl dispositiven Rechts private Regulierungsinitiativen zu aktivieren und mit gesetzlicher Regulierung abzustimmen; er kann aber auch darüber hinausge­ hen. Neben unterschiedlich abgestuften Wahlmodellen, in deren Rahmen ent­ weder verschieden strukturierte Rechtsformen oder Lösungen zu Teilaspekten zur Verfügung gestellt werden, kommen zunächst verfahrensrechtliche Lösun­ gen in Betracht, bei denen zwar die Gestaltungsfreiheit der jeweiligen Akteure grundsätzlich erhalten bleibt, aber das Gesetz auf die Entscheidungsprozesse – und damit mittelbar auch auf das Entscheidungsergebnis – Einfluß nimmt. Konzeptionell verwandt damit sind Regelungen, die zur privatautonomen Ge­ staltung nicht nur ermächtigen, sondern dazu sogar verpflichten und damit die jeweiligen Akteure zwingen, sich nicht nur mit möglichen Gestaltungsalterna­ tiven auseinanderzusetzen, sondern sich auch auf eine bestimmte ausgehandelte Lösung zu verständigen (sog. Regelungsaufträge). In einer abgeschwächten Form beschränkt sich das Gesetz darauf, die private Gestaltung von Einzelpro­ 29   Vgl. exemplarisch nochmals die Judikate des EuGH in den Sachen Centros, Überseering und Inspire Art (soeben Fn. 27). 30   Vgl. zum folgenden nochmals auch schon Bachmann, Private Ordnung, S. 375 („modu­ lare Regelsetzung“).

B.  Grundstrukturen von Differenzierungsmöglichkeiten

335

blemen lediglich unverbindlich anzuregen, ohne daß insoweit Zwang ausgeübt würde (sog. Anregungsnormen). Auch die Wahl unter diesen Strategien hängt allerdings wiederum vor allem auch von den Bedürfnissen des jeweiligen Sach­ zusammenhangs ab.

2. Kapitel

Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale Aus dem vorstehend abgesteckten Kreis von Differenzierungslösungen sollen nunmehr diejenigen Modelle näher in den Blick genommen werden, die sich nicht in der bedarfsweisen Kombination verschiedener Regulierungsinstru­ mente erschöpfen, sondern gezielt auf die private Regulierungsinitiative einwir­ ken. Die Unterschiede liegen insbesondere in der Intensität der staatlichen Ein­ flußnahme auf die Ergebnisse und, damit korrespondierend, im verbleibenden Spielraum für die private Gestaltung. Insoweit besteht ein Stufenverhältnis: Am stärksten zurückgenommen ist der gesetzgeberische Einfluß, wenn die Rege­ lung bestimmter Sachprobleme – mit oder ohne Unterstützung oder Lenkung durch dispositive Regelungen – grundsätzlich allein den jeweils betroffenen Akteuren überlassen bleibt, deren Entscheidung aber im Rahmen gesetzlich festgelegter Verfahrensregeln gewonnen werden muß (unten A.). Ebenfalls ohne materiale Vorgaben hinsichtlich des Verhandlungsergebnisses kommt der Regelungsauftrag als Beispiel für die gezielte gesetzliche Einbettung privater Regu­ lierung aus, bei dem allerdings der gesetzgeberische Einfluß im Vergleich mit einfachen Verfahrensregeln stärker ausfällt: Hier wird die Regulierungsinitiati­ ve, das „Ob“ der Regulierung, nicht in das Ermessen der betroffenen Akteure gestellt, sondern gesetzlich vorgegeben (unten B.). Nochmals stärker gesetzlich präformiert sind die jeweiligen Sachlösungen im Rahmen von Wahlmodellen, bei denen die Akteure zwischen mehreren gesetzlich vorgegeben Gestaltungs­ möglichkeiten wählen können; hier wird sowohl auf die Regulierungsinitiative (das „Ob“ der Regulierung) als auch auf das Regulierungsergebnis (das „Wie“ der Regulierung) Einfluß ausgeübt (unten C.). Auch diese Kategorien beschrei­ ben Idealtypen, die miteinander kombiniert werden können; dies gilt besonders für Verfahrensregeln, die vielfach auch im Zusammenhang mit der Umsetzung von Regelungsaufträgen oder der Entscheidung zwischen Wahlmodellen ein­ greifen werden.

A.  Verfahrensregeln Die Zuordnung von Verfahrensregeln – Regeln über Entscheidungskompeten­ zen und die Ausgestaltung von Entscheidungsprozessen – zu den hier zu unter­ suchenden Strategien der Verknüpfung von gesetzlicher und privater Regulie­

A.  Verfahrensregeln

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rung ist zumindest aus der Perspektive der tradierten Gesellschaftsrechtsdog­ matik nicht selbstverständlich. Ein vergleichender Blick auf die Diskussion „prozeduraler“ Steuerungsansätze in der jüngeren Rechtstheorie und, daran anknüpfend, in der neueren Verwaltungswissenschaft zeigt indes, daß sich tra­ gende Elemente des Prozeduralisierungsgedankens durchaus auch auf die Ent­ scheidungsfindung im Unternehmen übertragen lassen (unten I.). Auf dieser Grundlage lassen sich zugleich auch vorläufige Aussagen zu den Funktions­ merkmalen derartig konzipierter Verfahrensregeln formulieren (unten II.), die im 3. Teil der Untersuchung anhand konkreter Sachprobleme zu überprüfen sein werden.

I.  Verfahrensregeln als Ausdruck prozeduraler Regulierung Daß die gezielte Einflußnahme auf die Entscheidungsvorbereitung und Ent­ scheidungsfindung konzeptionell als Substitut für final orientierte, also materi­ ale Zielvorgaben setzende Regulierung in Betracht kommt, ist zumal in der deutschen Gesellschaftsrechtslehre bislang nur in Ansätzen aufgearbeitet wor­ den. Durchaus treffend hat die tradierte Dogmatik indes die grundlegende Be­ deutung der verfahrensförmigen Willensbildung als eine Art materieller Rich­ tigkeitskontrolle hervorgehoben (unten 1.). In dieser Hinsicht bestehen deutli­ che Parallelen zur rechtstheoretischen Diskussion, die sich in unterschiedlichen Strömungen seit geraumer Zeit um prozedurale Regulierungskonzepte als Al­ ternative zu final orientierten Steuerungskonzepten bemüht (unten 2.). Die Un­ ternehmensrechtsdogmatik hat diese Ansätze zwar bislang allenfalls zögerlich aufgegriffen. Mit Blick auf den schon de lege lata hohen Stellenwert von Verfah­ rensregeln im unternehmensrechtlichen Regulierungsprogramm sind sie indes aus dogmatischer Perspektive weniger als neues Gestaltungsprinzip denn als neuer Erklärungsansatz zu qualifizieren, der unterschiedliche Phänomene auf einen einheitlichen Grundgedanken zurückzuführen und damit zu systemati­ sieren helfen könnte (unten 3.).

1.  Verfahren als „Richtigkeitsgewähr“: konzeptionelle Grundlagen Daß die verfahrensförmige Willensbildung nicht nur einen Interessenausgleich im Rahmen der Mehrheitsbildung, sondern damit zugleich eine Art natürliche „Richtigkeitsgewähr“ im Hinblick auf das Entscheidungsergebnis bewirkt,    Grundlegend Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 149  ff. (Richtigkeitsgewähr durch Verfahrensregeln für das Zustandekommen von Rechtsgeschäften); ders., FS Nipperdey, 1955, 1, 6  ff.; ders., FS L. Raiser, 1974, S. 3  ff.; dazu und zu den Folgerungen für das normative Postu­ lat materialer Gestaltungsfreiheit krit. Hey, Freie Gestaltung, S. 52  ff. Aus der neueren Litera­

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

wird auch und gerade in der deutschen Unternehmensrechtsdogmatik seit ge­ raumer Zeit betont. Dies hängt erkennbar mit der bereits an anderer Stelle for­ mulierten These von der Problemadäquanz von Lösungen kraft Sachnähe der Lösungsurheber zusammen: Zwar begründet letztere, wie gezeigt, keineswegs in jedem Fall die Vorzugswürdigkeit privater im Vergleich mit der gesetzlichen Regulierung; andere Faktoren als die in unmittelbarer Sachnähe privater Regu­ lierungsurheber wurzelnde verbesserte Berücksichtigung der individuellen Umstände des Einzelfalls, z. B. verfügbares historisches Erfahrungswissen um strukturelle Fehleinschätzungen oder Fehlverhalten von Akteuren, können durchaus für gesetzliche Vorgaben anstelle umfassender Gestaltungsfreiheit streiten. Doch trifft nach den bisher gewonnenen Ergebnissen zu, daß die Be­ teiligung der betroffenen Akteure am Zustandekommen der jeweiligen Sachlö­ sung deren Akzeptanz regelmäßig steigern wird, was sich auch am typischer­ weise geringeren Stellenwert formaler Sanktionselemente bei privaten Regulie­ rungsinstrumenten ablesen läßt. Gerade diese Erwägungen indizieren aller­ dings zugleich die besondere Bedeutung von Verfahrensregeln nicht nur für das materiale Verfahrensergebnis, sondern auch für dessen Funktionswirkungen im weiteren Sinne: Je nachdem, wie Entscheidungskompetenzen (einschließlich der Entscheidungsinitiative) und die Einzelheiten der verfahrensförmigen Um­ setzung von Entscheidungsprozessen (einschließlich der ggf. zu beachtenden Mehrheitserfordernisse) zugeschnitten werden, sind gerade bei heterogener In­ teressenverteilung durchaus unterschiedliche Ergebnisse, damit zugleich aber auch entsprechende Abweichungen in der Akzeptanz für die jeweils am Ab­ stimmungsprozeß Beteiligten zu erwarten. Vor diesem Hintergrund ist zunächst in der jüngeren Rechtstheorie überzeu­ gend auf die Bedeutung von Verfahrensregeln gerade in komplexen Problemfel­ dern aufmerksam gemacht worden, in denen die für die Formulierung final konzipierter Regulierungsprogramme erforderliche Informationsbasis nicht zur Verfügung steht. In unterschiedlichen Strömungen teils diskurstheoreti­ scher, teils systemtheoretischer Orientierung hat sich ein zwar nach wie vor in den Details ausgesprochen kontrovers diskutiertes, insgesamt aber zunehmend konsolidiertes Funktionsverständnis prozeduraler Normen herausgebildet, welche die Bedingungen für Entscheidungsprozesse festlegen und dabei auf die mittelbare Ergebnisoptimierung abzielen: Ziel ist die „prozedurale Rationalität tur z. B. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 I 2, S. 451, und § 19 III 4, S. 561; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 8 I, S. 406; Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S. 14.    Vgl. bereits oben, 1. Abschn., 2. Kap., sub B. II. 1. (S. 275).    Oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 3. b) (S. 308  f.).    Dazu wiederum oben, 1. Abschn., 2. Kap., sub B. II. 1. (S. 275).    Vgl. schon oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 2. b) (S. 303). Siehe zum Ganzen – auch zu weiteren, hier nicht näher erörterten Konzeptionen – etwa Eder, in: Grimm (Hrsg.), Wach­ sende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 187  ff.; Calliess, Prozedu­

A.  Verfahrensregeln

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des juristischen Diskurses,“ insbesondere durch Rationalisierung der relevan­ ten Einflußfaktoren und Versachlichung der Diskussion. Dabei geht es stets auch um einen Legitimitätsgewinn für die Entscheidungsergebnisse.  Prakti­ sche Umsetzungsmöglichkeiten werden insbesondere in der Regulierung for­ maler Anforderungen an die Entscheidungsfindung einzelner Akteure gesehen, wie sie im Unternehmensrecht etwa in Gestalt der Business Judgment Rule for­ muliert werden. Im hier untersuchten Sachzusammenhang von Interesse ist zunächst das Postulat der prozeduralen Regulierung durch Gestaltung von kollektiven Entscheidungsprozessen, in deren Rahmen unterschiedliche Interessen artikuliert und zum Ausgleich gebracht werden sollen. Daß derartige Überle­ gungen sich ohne weiteres gerade auf die innerverbandliche Willensbildung bei heterogenen wirtschaftlichen Interessen zumal, aber nicht nur in der kapital­ marktorientierten Kapitalgesellschaft übertragen lassen, ist offensichtlich: Auch hier sind final konzipierte Vorgaben für konkrete Entscheidungsergebnisse an­ gesichts der Vielfalt der Sachverhalte und Interessenlagen kaum möglich und können allenfalls die Grenzen zulässiger Entscheidungen gesetzlich fixiert wer­ den.

2.  Unternehmensrechtliche Perspektiven prozeduraler Regulierung In der unternehmensrechtlichen Diskussion sind die damit verknüpften regu­ lierungstechnischen Perspektiven – anders als im Öffentlichen Recht und hier insbesondere in der verwaltungswissenschaftlichen Diskussion10 – bislang eher rales Recht, passim; Tschentscher, Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit, passim; im vorlie­ genden Sachzusammenhang zusf. auch Binder, ZGR 2007, 745, 764  f.    Calliess, Prozedurales Recht, S. 83  ff., 175  ff. und passim; ders., ZfRSoz 21 (2000), 293, 296; siehe auch bereits etwa Habermas, Faktizität und Geltung, S. 138  ff., 210  ff., 367  ff. und passim.    Charakteristisch etwa Teubner, ARSP LXVIII (1982), 13, 23; zum Rationalitätsaspekt insbes. auch Eder, ZfRSoz 7 (1986), 1  ff.    Vgl. zu diesem Aspekt besonders Habermas, Faktizität und Geltung, S. 138  ff., 210  ff., 367  ff. und passim; Teubner, ARSP LXVIII (1982), 13, 44  ff. (in Auseinandersetzung mit von Habermas und Luhmann vertretenen Ansätzen); Calliess, Prozedurales Recht, S. 29  ff. (pro­ zedurale Gerechtigkeitstheorien), S. 91  ff. (Analyse der verschiedenen Konzeptionen proze­ duralen Rechts) sowie S. 181  ff. (eigener Theorieansatz); vgl. ferner Tschentscher, Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit, S. 309  ff.; krit. Würdigung etwa bei Auer, Materialisierung, Flexi­ bilisierung, Richterfreiheit, S. 33  ff. Vgl. auch den Gedanken einer „Legitimation durch Ver­ fahren“ im gleichnamigen Werk Luhmanns, passim. Zusf. Bachmann, Private Ordnung, S. 160  ff., insbes. S. 191  f.; Binder, ZGR 2007, 745, 764  ff.    Siehe dazu bereits oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub A. I. (S. 54  f.) sowie sub A. II. 2. (S. 59). 10   Vgl. nochmals Hagenah, in: Grimm (Hrsg.), Staatsaufgaben, 1994, S. 493  ff.; Ladeur, Jb. des Umwelt- und Technikrechts 1994, S. 297  ff.; Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aß­ mann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 1 Rn. 11; vgl. auch schon Binder, ZGR 2007, 745, 765  ff.

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

zögerlich aufgegriffen worden.11 Angesichts der zentralen Rolle, die derartige Regeln rechtsordnungsübergreifend in den organisationsverfassungsrechtli­ chen Regelungen des gesetzlichen (Kapital-) Gesellschaftsrechts einnehmen,12 überrascht dies. Inhaltlich wahrgenommen wurde die Bedeutung der verfah­ rensförmigen Entscheidungsbildung allerdings durchaus. Daß der Schwerpunkt der Diskussion dabei regelmäßig auf der Willensbildung der Gesellschafter liegt, wird dem Umstand zuzuschreiben sein, daß die Gesellschaftergesamtheit zumal bei Publikumsgesellschaften von heterogenen Interessen geprägt ist, die eine verfahrensförmige Kanalisierung sinnvoll erscheinen lassen kann. Ent­ sprechend motivierte Initiativen zur hoheitlichen Einflußnahme auf die Moda­ litäten der Beschlußfassung in der Gesellschafterversammlung lassen sich im deutschen Recht bis in die preußische Konzessionspraxis zurückverfolgen.13 Insbesondere vor dem Übergang vom Konzessionssystem zum System der Normativbestimmungen ist in den 1860er Jahren das Konzept der Regulierung des Organisationsverfassungsrechts als Substitut für die unmittelbare hoheitli­ che Lenkung intensiv diskutiert worden.14 Mit dem Ausbau gesetzlicher Vorga­ ben zur Organisationsverfassung und der damit verbundenen Betonung der selbstregulativen Kräfte in der Aktienrechtsnovelle von 1870 und vor allem in der Aktienrechtsreform 1884 wurden sodann konsequenterweise auch die Ver­ fahrensregeln für die Willensbildung der Gesellschafter ausgebaut.15 Wenn im jüngeren US-amerikanischen Schrifttum der Ausgestaltung der gesetzlichen Anforderungen an Gesellschafterbeschlüsse als Voraussetzung und rechtlicher Rahmen für einen von weitgehender Selbstbestimmung der Gesellschaften ge­ tragenen Regulierungsansatz verstärktes Augenmerk zugewendet worden ist,16 sind die Parallelen zur damit nur grob skizzierten Diskussion in der älteren deutschen Rechtspolitik unverkennbar. Verfahrensregeln sind damit auch im untersuchten Referenzgebiet schon de lege lata in begrenztem Umfang als Funktionsäquivalent zur final konzipierten Regulierung und damit zur Festlegung materialer Vorgaben zu qualifizieren. Insofern ist es folgerichtig, wenn die jüngere Diskussion zu den Grundsätzen guter Unternehmensführung im deutschen Recht etwa der Entscheidungsfin­ 11   Vgl. aber bereits Amstutz, Konzernorganisationsrecht, S. 55  ff.; Meier-Schatz, Wirt­ schaftsrecht und Unternehmenspublizität, S. 48  ff., 86  ff.; Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 86  ff.; siehe auch Damm, in: Hart (Hrsg.), Privatrecht im Risikostaat, 1997, S. 13, 33  f.; Ladeur, in: Hart, ebd., S. 137  ff., insbes. S. 145  ff.; siehe nochmals auch den Versuch einer Syste­ matisierung bei Binder, ZGR 2007, 745  ff. 12   Vgl. nochmals Binder, ZGR 2007, 745  ff. 13   Vgl. Schubel, Verbandssouveränität, S. 254 mit Beispielen. 14   Vgl. zusf. Schubel, Verbandssouveränität, S. 269  ff. 15   Vgl. insbes. Artt. 215 Abs. 2 (Mindestquorum für Satzungsänderungen), 215a Abs. 2 (Kapitalmaßnahmen), 236  ff. (neu gefaßte Verfahrensregeln) ADHGB i.d.F. 17.7.1884; zur Gesetzgebungsgeschichte insoweit eingehend Schubel, Verbandssouveränität, S. 349  ff. 16   Programmatisch insbes. Bebchuk, 118 Harv. L. Rev. 833  ff. (2005); ders., 119 Harv. L. Rev. 1784  ff. (2006); siehe auch dens., 102 Harv. L. Rev. 1820, 1829  ff. (1989).

A.  Verfahrensregeln

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dung im Aufsichtsrat verstärkte Aufmerksamkeit widmet und versucht, mit stärker konturierten, bislang allerdings nur begrenzt positiv festgelegten An­ forderungen an das Verfahren der Aufgabenwahrnehmung die Qualität der Überwachungstätigkeit zu verbessern.17 Daß sich gerade in Deutschland eine starke Tendenz zur gesetzlichen Einflußnahme auf Einzelfragen abzeichnet (vgl. auch §§ 90, 110, 111 AktG), könnte darauf zurückzuführen sein, daß der deutsche Aufsichtsrat aufgrund der Regelungen über die unternehmerische Mitbestimmung zwangsläufig von größeren Interessenkonflikten gekennzeich­ net ist als ausländische Regimes, welche die Überwachung der Geschäftsleitung von vornherein ausschließlich oder zumindest in stärkerem Umfang Vertretern der Anteilseigner vorbehalten. Gerade das Augenmerk, das den Entscheidungs­ modalitäten des Aufsichtsrats in der deutschen unternehmensrechtlichen Dis­ kussion gewidmet wird, indiziert zugleich das Potential, das Verfahrensregeln auch über den Problemkreis der Willensbildung der Gesellschafter hinaus für alle Arten konfligierender Interessen in Problemlagen zukommt, die sich ex ante nicht oder nicht vollständig durch materiale Vorgaben für das jeweilige Entscheidungsergebnis erfassen lassen. Dies entspricht auch der – freilich in den Details der Ausgestaltung und in der praktischen Handhabung alles andere als unproblematischen – prozeduralen Grundkonzeption des deutschen Mitbe­ stimmungsrechts, das von vornherein auch zur mittelbaren Entscheidungsver­ besserung durch Verbreiterung der Legitimationsbasis für die Unternehmens­ kontrolle gedacht war.18 Das damit umrissene Funktionsverständnis von Verfahrensregeln ist nicht auf den Interessenausgleich zwischen Gesellschaftern und/oder Organen be­ schränkt, sondern läßt sich auch für die Bewältigung der Interessenkonflikte unterschiedlicher Gläubiger(-gruppen) untereinander und im Verhältnis zu den Eigenkapitalgebern fruchtbar machen. Auch in dieser Hinsicht kennt bereits das geltende Recht Regelungen, die sich als Ausdruck eines prozedural gepräg­ 17   Dies gilt insbesondere für die Information des Aufsichtsrats, vgl. zunächst Leyens, In­ formation des Aufsichtsrats, S. 145  ff., 243  ff.; Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 325  f.; Seibt/Wilde, in: Hommelhoff/Hopt/von Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 377, 390  ff.; aus betriebswirtschaftlicher Sicht Arbeitskreis „Externe und Interne Überwa­ chung der Unternehmen“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., Best Practice des Aufsichtsrats der AG – Empfehlungen zur Verbesserung der Effektivität und Effizienz der Aufsichtsratstätigkeit, abgedruckt in: DB 2006, 1625  ff.; ders./Arbeitskreis „Ex­ terne Unternehmensrechnung“, Anforderungen an die Überwachungsaufgaben von Auf­ sichtsrat und Prüfungsausschuß nach § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG i.d.F. des Bilanzrechtsmoder­ nisierungsgesetzes, abgedruckt in: DB 2009, 1279  ff.; vgl. auch von Werder/Wieczorek, DB 2007, 297  ff. (Anforderungen an die Qualifikation von Aufsichtsräten); Nonnenmacher/Pohle/von Werder, DB 2007, 2412  ff. (betriebswirtschaftliche Anforderungen an Prüfungsaus­ schüsse); vgl. insoweit auch die Empfehlungen in Ziff. 5.3 und 7.2.3.1 DCGK; zusf. Binder, ZGR 2007, 745, 756  f. 18   Pointiert Großkomm/Assmann, AktG, Einl. Rn. 248; vgl. auch Teubner, Recht als auto­ poietisches System, 1989, S. 160  ff.; näher Binder, ZGR 2007, 745, 755  f.

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ten, im Prinzip ergebnisoffenen Regulierungsansatzes interpretieren lassen, welcher neben die finale Steuerung von Interessenkonflikten tritt und sie er­ gänzt. Daß beide Aspekte einander keineswegs ausschließen, sondern kombi­ niert werden können, zeigt dabei – wiederum rechtsordnungsübergreifend – insbesondere das Insolvenzrecht, das materielle Regelungen, insbesondere zur Rangfolge der Ansprüche unterschiedlicher Gläubigergruppen, mit einem Rechtsrahmen für den verfahrensförmigen Interessenausgleich verbindet, des­ sen Ausgang grundsätzlich in das Ermessen der Gläubiger gestellt ist. Als weite­ res Beispiel lassen sich Verfahrensregeln für die Auseinandersetzung von Fremd­ kapitalgebern in der Krise des Anleiheemittenten anführen, wie sie im deut­ schen Recht im Schuldverschreibungsgesetz von 1899 realisiert wurden und mit der Reform des Schuldverschreibungsrechts 2009 neugefaßt worden sind.19

3.  Fazit Ein Funktionsverständnis von Verfahrensregeln, das die traditionellen Trenn­ linien zwischen verbandsrechtlich und schuldrechtlich fundierten Rechtsposi­ tionen sowie zwischen Eigenkapital- und Fremdkapitalfinanzierung transzen­ diert, ist nach alledem keineswegs revolutionär, sondern bereits de lege lata – wenn auch für einzelne Problemkreise in unterschiedlichem Rege­lungszusammenhang und in unterschiedlichem Ausmaß – realisiert. Der vorstehend skizzierte, umfassende Erklärungsansatz, der sich auf rechtstheoretische Vorar­ beiten zur Bedeutung prozeduraler Regulierung stützen kann, gestattet es aber, die unterschiedlichen Phänomene einer einheitlichen Analyse zu unterwerfen und damit insbesondere zu ermitteln, inwieweit sich prozedurale Regelungen, die divergierende oder gar kollidierende Interessen in Entscheidungsprozessen kanalisieren, ohne konkrete Entscheidungsergebnisse vorzugeben, tatsächlich als Funktionsäquivalent finaler Regulierungsansätze und als Substitut hierfür eignen. Aus der Perspektive der hiesigen, modal orientierten Untersuchung ist naturgemäß gerade diese Frage von besonderem Interesse.

II.  Funktionsweise und Funktionsvoraussetzungen Wenn Verfahrensregeln Interessen zum Ausgleich bringen und dabei den Pro­ zeß des Interessenausgleichs anstoßen und rational ausgestalten sollen, 20 so sind 19   Siehe dazu nochmals §§ 5  ff. SchVG n.F. und dazu Baums, ZBB 2009, 1  ff.; Hopt, FS Schwark, 2009, S. 441  ff.; Horn, ZHR 173 (2009), 12, 43  ff.; Schlitt/Schäfer, AG 2009, 477  ff.; Schmolke, ZBB 2009, 8  ff., und bereits oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub D. III. 1. b) aa) (S. 216  ff.). 20   Vgl. nochmals soeben sub I. 1. (S. 338  f.) bei und in Fn. 5  ff.

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damit Funktionswirkungen der auf Verfahrensregeln setzenden Regulierungs­ strategien angesprochen, die bereits im Zusammenhang mit der Diskussion der Funktionsweise dispositiver Normen als Regulierungsinstrumente begegnet sind. Insoweit bestehen zwischen beiden Bereichen unverkennbare Parallelen, aber auch Unterschiede (unten 1.). Entsprechendes gilt für die jeweiligen Funk­ tionsvoraussetzungen (unten 2.). In der Gesamtschau präsentieren sich Verfah­ rensregeln als Instrumente, die – selbständig anstelle finaler gesetzlicher Vorga­ ben oder ergänzend hierzu – die private Gestaltung anregen und damit deren Vorteile realisieren helfen können, aber deren Nachteile nicht entfallen lassen (unten 3.).

1.  Funktionsweise Verfahrensregeln setzen den Verzicht auf abschließende Regelung des jeweili­ gen Sachproblems durch den Gesetzgeber selbst zugunsten privater Regulie­ rungsinitiative und privater Regulierungskompetenz um, ohne den Anspruch aufzugeben, die damit eröffneten Spielräume für die private Gestaltung zu kon­ turieren und damit mittelbar auf Gestaltungsergebnisse einzuwirken. Ihr Sinn liegt gerade darin, ergebnisoffen „reflexive“21 Erkenntnisgewinnungs- und Ent­ scheidungsprozesse zu aktivieren. Anders als bei dispositiven Regelungen greift damit im Fall einer auf Verfahrensregeln beschränkten Regulierungsstrategie auch keine durch das Gesetz vorgegebene Lösung subsidiär ein, wenn die be­ treffenden Akteure die damit vorgegebene Anregung zur verfahrensförmigen Problembewältigung nicht umgesetzt haben. Dies kann auch verhindern, daß sich eine gesetzlich formulierte Lösung aufgrund der oben 22 für das dispositive Recht erörterten strukturimmanenten Persistenzneigungen in der Praxis verfe­ stigt. Derartige Persistenzneigungen werden bei der Beschränkung auf Verfah­ rensregeln nicht auftreten, es sei denn, die jeweilige Verfahrensregel begünstigt einseitig die Interessen einer Partei, z. B. durch Feslegung einer subsidiär für das Scheitern der Verhandlungen festgelegten Lösung. 23 Der Einfluß des Gesetzes­ rechts auf das Gestaltungsergebnis bei Verfahrensregeln reicht damit bei wirk­ lich neutral gehaltenen Verfahrensregeln erheblich weniger weit als bei disposi­ tivem Recht; insgesamt lassen sich die Gestaltungsergebnisse in einem aus­ schließlich auf Verfahrensregeln beschränkten Regulierungsregime schon aus   Vgl. z. B. Teubner, ARSP LXVIII (1982), 13  ff.; siehe auch bereits Luhmann, Soziale Sy­ steme, S. 617. 22   Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 4. b) (S. 134  ff.). 23   Exemplarisch dafür stehen die Vorgaben für die unternehmerische Mitbestimmung nach Scheitern der sog. Verhandlungslösung in Art. 7 der SE-RL (Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hin­ sichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, ABlEG. Nr. L 294/22), §§ 34  ff. SEBG. 21

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konzeptionellen Gründen in deutlich geringerem Maße prognostizieren (und beeinflussen) als durch die Formulierung dispositiver, aber eben final orientier­ ter Lösungen. Aus alledem folgt zugleich, daß der Stellenwert der privaten Sachkompetenz für das Gestaltungsergebnis größer ist als im Rahmen dispositiven Gesetzes­ rechts: Entscheidet sich der Gesetzgeber unter Verzicht auf materiale Vorgaben (auch in Gestalt dispositiven Rechts) für eine ausschließlich verfahrensrechtli­ che Lösung, so ist damit vielfach das Bestreben verbunden, das Sachwissen der jeweiligen Akteure für die Bewältigung künftiger Problemlagen fruchtbar zu machen und zugleich über längere Zeiträume hinweg auszubauen. Dies kann auch durch die Einsicht des Gesetzgebers in die Begrenztheit der eigenen Sach­ kompetenz und der eigenen Informationsbasis motiviert sein. Prozedurale Re­ gulierung in diesem Sinne zielt darauf ab, die „Lernfähigkeit“ der beteiligten Akteure zu steigern, um die Reaktionsfähigkeit angesichts neuer Problemlagen auch unter Unsicherheitsbedingungen systematisch zu verbessern. 24 Vergleich­ bar dem mit der Wahl der Standardform geschaffenen Kooperationsverhältnis zwischen Rechtsetzungs- und Rechtsanwendungsebene im Hinblick auf die Konkretisierung von Normaussagen, 25 legen auch Verfahrensregeln die Grund­ lagen für eine kooperative Normgewinnung: Der Gestaltungsanspruch des Ge­ setzes beschränkt sich hier allerdings darauf, durch Vorgaben für Vorschlagsbzw. Entscheidungskompetenzen, Verfahrensregeln im engeren Sinne (z. B. Einberufungsregeln, technische Details der Entscheidungsprozesse, Publizität von Entscheidungsprozessen, Mindestquoren, etc.) dafür zu sorgen, daß das Entscheidungsergebnis etwa möglichst viele Interessen widerspiegelt oder be­ stimmte Interessengruppen besonders berücksichtigt. So verstanden, sind ge­ setzlich fixierte Verfahrensregeln eine Entsprechung zu den als soziale Normen fest verankerten, bislang kaum vollständig erforschten Verhaltensregeln, auf de­ ren Wert als Leitlinien für das menschliche Verhalten gerade bei Entscheidun­ gen in Ungewißheit bereits Hayek aufmerksam gemacht hat:26 Sie reflektieren die Einsicht, daß in Situationen, die sich regulatorisch ex ante nicht erfassen lassen, den jeweils betroffenen Akteuren statt finaler Vorgaben immerhin be­   Vgl. z. B. Ladeur, Jb. des Umwelt- und Technikrechts 1994, S. 297, 308  ff., 326  ff.; dens., BB 1993, 1303, 1309; dens., in: Hart (Hrsg.), Privatrecht im „Risikostaat“, 1997, S. 137, 145; siehe auch Amstutz, Konzernorganisationsrecht, S. 117  f.; Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht und Unternehmenspublizität, S. 49  ff.; zusf. Binder, ZGR 2007, 745, 774  f. 25   Vgl. nochmals oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 2. b) (S. 301  ff.). 26   Vgl. von Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, S. 171  ff., insbes. S. 173: „Verhaltens­ regeln sind ebenso wie Sprachregeln das Ergebnis nicht einer unmittelbaren Anpassung an bestimmte bekannte Tatsachen, sondern eines kumulativen Prozesses, in dem der Hauptfak­ tor jederzeit das Vorhandensein einer durch bereits eingeführte Regeln festgelegten Ordnung ist. (…) Wie die meisten Instrumente sind Regeln nicht Teil eines Handlungsplanes, sondern Rüstzeug für gewisse unbekannte Umstände.“ Vgl. auch Hoppmann, Unsicherheit, Wirt­ schaftsordnung und Staatsgewalt, 1993, S. 27  ff. 24

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stimmte bewährte Mechanismen und Heuristiken für deren Bewältigung an die Hand gegeben werden können.27 Inwieweit sich die damit verbundenen Gestaltungsziele erreichen lassen, ins­ besondere: inwieweit die Gestaltung der Regeln für das Zustandekommen und den Ablauf des Entscheidungsverfahrens tatsächlich auf das Entscheidungser­ gebnis durchschlägt, läßt sich allerdings nicht abstrakt beurteilen, sondern hängt von der Ausgestaltung der Verfahrensregeln im konkreten Sachzusam­ menhang ab. Bereits oben wurde gezeigt, daß auch und gerade die Funktions­ wirkungen dispositiver Normen davon abhängen, wie die Bedingungen für die Entscheidung über Annahme oder Umgestaltung der dispositiven Lösung in concreto ausfallen. Die Zuweisung der Gestaltungsinitiative spielt dafür eine ebenso wichtige Rolle wie das eigentliche Entscheidungsverfahren. 28 Für die Funktionswirkungen von Verfahrensregeln gilt nichts anderes. Insoweit sind höchst unterschiedliche Gestaltungen denkbar. So können auch Verfahrensre­ geln sowohl zwingend als auch dispositiv ausgestaltet werden. Je nachdem, wel­ che Form gewählt wird, erweitert sich der Spielraum für die private Gestaltung, während sich die Möglichkeit zur mittelbaren Einwirkung auf das Entschei­ dungsergebnis verringert. Weitere Abstufungen kommen im Hinblick auf die Anforderungen an die Beschlußfassung und hier vor allem an Mindestquoren bzw. Vetorechte in Betracht. Dabei wird die Grenze zu materiell-rechtlichen Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit vielfach verschwimmen. Je nach­ drücklicher das Gesetz etwa die Berücksichtigung von Minderheiteninteressen im Verfahren sicherzustellen sucht, desto stärker wird die jeweilige Verfahrens­ regelung an materialen Schutzerwägungen und weniger am Leitbild einer wirk­ lich ergebnisoffenen Regulierung orientiert sein. Soweit dies der Fall ist und mithin das jeweilige Gestaltungsergebnis zumin­ dest auch von materialen gesetzlichen Vorgaben und nicht lediglich von den Sacherwägungen der beteiligten Akteure und der Entscheidungsfindung im Einzelfall geprägt ist, relativieren sich auch die mit der Einräumung von Gestal­ tungsfreiheit idealtypisch verbundenen Vorteile der größeren Sachnähe, höhe­ ren Effizienz und größeren Akzeptanz der Sachlösung. Letztlich ist dies in der Konzeption prozeduraler Regulierung insofern unvermeidlich angelegt, als die gesetzliche Einwirkung auf Entscheidungsprozesse allgemein kaum ohne mate­ riale Grundentscheidungen auskommen kann:29 Wenn Verfahrensregeln gesetzt werden, damit sich die jeweils betroffenen Interessengruppen in einem fairen Verfahren auf diejenige Lösung verständigen, die von den betroffenen Akteuren 27   Vgl. zur Bedeutung von Heuristiken für prozedurale Regulierungsansätzen näher Eisenberg, 47 Stan. L. Rev. 211, 215  ff. (1995); Epstein, in: Gigerenzer/Engel, Heuristics and the Law, S. 141, 142  ff. 28   Vgl. nochmals insbes. McDonnell, 60 S.M.U. L. Rev. 383  ff. (2007), und bereits oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 4. b) bb) (S. 136  ff.) und cc) (S. 141  ff.). 29   Vgl. schon Binder, ZGR 2007, 745, 776  f.

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als sachgerechte anerkannt wird, impliziert dies bereits ein Urteil darüber, was in concreto als „faires“ Verfahren zu qualifizieren, d. h. welche Interessen zu berücksichtigen und wie diese artikuliert worden sein müssen, um das Ergebnis tragen zu können. Schon diese Erwägungen zeigen, daß Verfahrensregeln viel­ fach eher eine ergänzende Funktion zukommen wird, als daß sie finale Vorga­ ben vollständig entbehrlich machen könnten.30

2.  Funktionsvoraussetzungen Die vorstehenden Überlegungen leiten unmittelbar über zu den Voraussetzun­ gen, von denen die Tauglichkeit von Verfahrensregeln als Instrument der Akti­ vierung und Lenkung privater Gestaltungsprozesse abhängt. Positiv lassen sich die Funktionsvoraussetzungen nur eingeschränkt definieren (unten a)). Doch sind bereits in anderem Zusammenhang wesentliche Probleme identifiziert worden, die letztlich jeder auf Verfahrensregeln setzenden Regulierungsstrate­ gie immanent sind. Dazu zählen zunächst die Gefährdung kollektiver Entschei­ dungsfindung durch rationale Apathie (unten b)) und systematische Fehlent­ scheidungen der beteiligten Akteure (unten c)). Ungelöst ist schließlich die Bewälti­gung von Fällen, in denen die Ergebnisse der verfahrensförmigen Ent­ scheidungsbildung auf erst nachträglich hinzutretende Dritte ausstrahlen ­(unten d)). a)  Positive Funktionsvoraussetzungen Weil und soweit Verfahrensregeln gerade auf die Aktivierung privater Regulie­ rungsinitiative und privater Regulierungskompetenz abzielen, kann hinsicht­ lich ihrer Wirkungen auf die bereits formulierten Erwägungen zu den kompa­ rativen Vor- und Nachteilen privater im Vergleich mit der gesetzlichen Regulie­ rung verwiesen werden.31 Gesetzlich fixierte Verfahrensregeln können dazu beitragen, daß die Vorteile privater Regulierung, insbesondere eine größere Problemadäquanz der jeweils gefundenen Lösung aufgrund größerer Problem­ nähe der jeweiligen Akteure, realisiert werden, wenn und soweit sich auf ihrer Grundlage und mit ihrer Unterstützung tatsächlich Entscheidungsprozesse ab­ spielen, in denen die jeweiligen Akteure Sachlösungen aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen aushandeln. Erforderlich ist dafür insbe­ sondere, daß Entscheidungsprozeß und Entscheidungsergebnis in der konkret gewählten Ausgestaltung tatsächlich den betroffenen Interessen hinreichend 30   Vgl. auch schon Binder, ZGR 2007, 745, 776  f.; in diese Richtung auch bereits Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 106  f.; optimistischer insoweit Amstutz, Konzernorganisati­ onsrecht, S. 150. 31   Siehe bereits oben, 1. Abschn., 2. Kap., sub B. (S. 267  ff.) und C. (S. 279  ff.).

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Rechnung tragen. Ob und inwieweit dies indes durch die Ausgestaltung der Regelungsprogramme gewährleistet werden kann, läßt sich abstrakt nicht be­ antworten, sondern ist abhängig vom jeweiligen Sachzusammenhang und der Ausgestaltung der Verfahrensregeln im Detail. Besondere Aufmerksamkeit be­ anspruchen neben dem Zuschnitt der jeweiligen Entscheidungskompetenzen wiederum die Modalitäten des eigentlichen Entscheidungsfindungsprozesses und hier insbesondere die jeweiligen Anforderungen an die Beschlußfassung. Verfahrensregeln setzen zumindest voraus, daß der Kreis der jeweiligen Akteu­ re grundsätzlich in einer Weise konstituiert ist, daß es überhaupt zu koordinier­ ten Verhandlungsprozessen zwischen den Trägern der jeweils involvierten In­ teressen kommen kann. Angewendet auf das hier untersuchte Referenzgebiet, wird dies regelmäßig voraussetzen, daß die jeweiligen Rechtsbeziehungen nicht nur ad hoc und zufällig koexistieren, sondern über einen gewissen Zeitraum hinweg unmittelbare Wechselwirkungen in rechtlicher und/oder wirtschaftli­ cher Hinsicht aufeinander entfalten. Während vor diesem Hintergrund eine Koordination etwa von Fremdkapitalgebern und sonstigen Gläubigern im lau­ fenden Geschäftsgang kaum sinnvoll konstruierbar wäre, sind diese Bedingun­ gen für die Rechtsposition der Gesellschafter permanent erfüllt. Für sonstige Finanzierungsgeber und weitere Gläubiger, deren Ansprüche gegen die Gesell­ schaft normalerweise unkoordiniert bestehen, erwächst demgegenüber erst im Stadium der Insolvenz oder Insolvenznähe der Gesellschaft die Notwendigkeit einer wechselseitigen Abstimmung, weil und soweit die bei der Schuldnerin noch vorhandenen Vermögenswerte zur vollständigen Deckung aller Verbind­ lichkeiten nicht mehr ausreichen und damit alle Gläubiger als eine Art Schick­ salsgemeinschaft zu Abstrichen gezwungen sind. Dies macht verständlich, wa­ rum für diese Akteure de lege lata erst in diesem Stadium allgemeine32 oder (für Anleihegläubiger nach dem Schuldverschreibungsgesetz) besondere33 Verfah­ rensregeln eingreifen. Auch wenn es aufgrund von Verfahrensregeln tatsächlich zu interessenplura­ listischen Entscheidungsprozessen kommt, sind Akzeptanz, Umsetzung und Befolgung der jeweiligen Ergebnisse damit allerdings noch keineswegs sicher­ gestellt. Vielmehr bedürfen grundsätzlich auch die Ergebnisse von Verhand­ lungsprozessen der Durchsetzung, um ihre Effektivität zu sichern. Wie bei der vollständig privaten, d. h. von materiell-rechtlichen und formellen gesetzlichen 32   Vgl. exemplarisch die deutschen insolvenzrechtlichen Regelungen über die Entschei­ dungskompetenzen der Gläubiger im kollektiven Insolvenzverfahren, insbes. §§ 67  ff. (Gläu­ bigerausschuß), 74  ff. (Gläubigerversammlung), 187  ff. (Verteilung des Verwertungserlöses), 222 (Gruppenbildung im Planverfahren), 232 (Stellungnahmen zum Plan) und 235  ff. (Annah­ me und Billigung des Plans) InsO. 33   Vgl. nochmals die Regelungen über die kollektive Willensbildung nach dem reformier­ ten Schuldverschreibungsgesetz und hier insbes. §§ 5–22 SchVG n.F. über die kollektive Wil­ lensbildung der Anleihegläubiger.

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Vorgaben unabhängigen Regulierung34 kann die Sachnähe der Verhandlungs­ parteien und kann deren Einfluß auf das Zustandekommen der Problemlösung zu höherer Identifikation mit dem inhaltlichen Resultat führen. Auch in diesem Kontext können soziale Normen den Befolgungsgrad erhöhen. Zwingend ist dies jedoch keineswegs, sondern wiederum stark von der Komplexität der Inter­ essenlage im jeweiligen Einzelfall einerseits und der Ausgestaltung der Verfah­ rensregeln andererseits abhängig. Insgesamt beruht die Effektivität von Verfah­ rensregeln als Strategie zur Aktivierung privater Verhandlungslösungen insbe­ sondere in Fällen, in denen finale Vorgaben – etwa aufgrund von Informations­ defiziten auf der Gesetzgebungsebene – zu Fehlsteuerungseffekten führen könnten, mithin auf durchaus komplexen Voraussetzungen. b)  Rationale Apathie als strukturimmanentes Kernproblem Als zentrales Hindernis für eine effektive Problembewältigung im Verfahren wird vielfach eine Tendenz der Verfahrensbeteiligten zur „rationalen Apathie“ überwunden werden müssen. Bereits oben ist darauf hingewiesen worden, daß gerade die Publikumsgesellschafter in kapitalmarktorientierten Gesellschaften systematisch die ihnen an sich eröffneten Möglichkeiten zur Partizipation an der verfahrensförmigen Entscheidungsbildung nicht ausnutzen, weil es an hin­ reichenden Anreizen dazu fehlt:35 Obwohl ihnen an sich die allgemeinen Mit­ wirkungsrechte jedes Gesellschafters ohne weiteres zu Gebote stehen, nimmt die weit überwiegende Mehrheit der Kleinanleger an der Hauptversammlung als dem Forum der innerverbandlichen Willensbildung nicht einmal teil, ge­ schweige denn, daß es in der Hauptversammlung tatsächlich zu interessenplu­ ralistischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen käme. Die Ursa­ chen dafür liegen zunächst in der bei nicht unternehmerisch engagierten Anle­ gern typischerweise begrenzten Informationsbasis, die die rationale Mitwir­ kung an den anstehenden Entscheidungsprozessen kaum möglich macht. Hinzu kommt, daß der zur Überwindung derselben sowie der zur Koordination der Einzelpositionen erforderliche Aufwand typischerweise außer Verhältnis zum Wert der jeweiligen Beteiligung steht. Faktisch ist damit jeder Versuch, jenseits der vorfestgelegten Agenda eigenen Anliegen nicht nur Gehör, sondern entspre­ chende Mehrheiten zu verschaffen, bei realistischer Betrachtung meist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Gerade das Phänomen der rationalen Apa­ thie von Publikumsaktionären illustriert vor diesem Hintergrund zugleich, daß und weshalb Verfahrensregeln nur begrenzt geeignet sind, fehlende Anreize zum privaten Engagement zu kompensieren: Zwar ist es durchaus möglich, die Modalitäten für die Teilnahme an Abstimmungsprozessen oder die Transpa­   Dazu nochmals oben, 1. Abschn., 2. Kap., sub B. II. 1. (S. 275).   Vgl. dazu und zum folgenden bereits oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub D. IV. 1. b) (S. 238).

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renz der Entscheidungsfindung auch durch erweiterte Kommunikationsmög­ lichkeiten im Vorfeld des eigentlichen Abstimmungsprozesses zu verbessern, wie dies auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene paradigmatisch zuletzt die Aktio­ närsrechterichtlinie versucht hat.36 So betrachtet, repräsentieren die mit der Richtlinie realisierten Erleichterungen für die Mitwirkung auch der Kleinak­ tionäre an den Hauptversammlungen der Publikumsgesellschaften geradezu den Idealtypus gestaltungsaktivierender Verfahrensregeln. Damit ist indes zwar ein Teil der faktisch bestehenden Hürden für die aktive Mitwirkung an der in­ nerverbandlichen Willensbildung abgebaut oder zumindest zurückgedrängt worden.37 Das Problem der fehlenden positiven Anreize, die eine aktive Nut­ zung der erweiterten Mitwirkungsmöglichkeiten auslösen könnten, ist jedoch unverändert geblieben. Ob die Richtlinie das Ziel einer signifikanten Verbesse­ rung der Hauptversammlungsteilnahme tatsächlich erreichen wird, bleibt da­ her abzuwarten. Sie illustriert damit pars pro toto, daß Verfahrensregeln allein anderweit bestehende positive Anreize zur aktiven Teilnahme am verfahrens­ förmigen Interessenausgleich nicht ersetzen können. Vielmehr spricht viel für die Annahme, daß Verfahrensregeln ihre Aufgabe erst dann erfüllen können, wenn derartige Anreize überhaupt bestehen. c)  Systematische Entscheidungsverzerrungen als Restrisiko Selbst wenn alle betroffenen Akteure und Akteursgruppen sich umfassend an der verfahrensförmigen Entscheidungsfindung beteiligen und damit die unter ihnen verfügbaren Informationen umfassend in das Verhandlungsergebnis ein­ gehen, bieten Verfahrensregeln ohne begleitende materiale Vorgaben keine wirksame Absicherung gegen die bereits an anderer Stelle diskutierten systema­ tischen Informationsdefizite und Verzerrungen in der entscheidungsvorberei­ tenden Informationsverarbeitung durch die Betroffenen.38 Wie die privatauto­ nome Gestaltung auf der Grundlage dispositiver Normen oder bei völligem Verzicht auf jegliche gesetzliche Vorgaben ist auch die im Rahmen eines gesetz­ lich durch ergebnisoffene Verfahrensregeln ausgestalteten Entscheidungspro­ 36   Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 7. 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl­ EU. Nr. L 184/17, Artt. 5 (Information vor der Hauptversammlung), 6 (Recht auf Ergänzung der Tagesordnung und auf Einbringung von Beschlußvorlagen), 7 (Voraussetzungen für die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts), 8 (Teilnahme an der Hauptversammlung auf elektronischem Wege), 9 (Fragerecht), 12 (Abstimmung per Brief); dazu etwa Grundmann/Winkler, ZIP 2006, 1421  ff.; Noack, NZG 2006, 321  ff.; J. Schmidt, BB 2006, 1641  ff.; Wand/Tillmanns, AG 2006, 443  ff. 37   Vgl. nochmals die Nachw. soeben Fn. 36 a.E. 38   Zu den insoweit in Betracht kommenden Ursachen nochmals oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub C. II. 3. a) (S. 185) bei und in Fn. 461 (Rückschaufehler), 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 2. a) (S. 300  f.) bei und in Fn. 54 (Verfügbarkeitsheuristiken), und 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 3. b) (S. 309) (Ankereffekte).

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zesses gefundene Lösung nicht dagegen gefeit, daß das jeweils zu bewältigende Sachproblem in seiner Dimension systematisch unterschätzt wird und damit die jeweils gefundene Lösung nicht problemadäquat ausgestaltet wird. Diese Erkenntnis stellt nicht die Tauglichkeit privater Gestaltung als Alternative zur gesetzlichen Regulierung insgesamt in Frage. Das Postulat der Ansiedlung der Regulierungsverantwortung auf derjenigen Ebene, auf der die erforderlichen Informationen am ehesten vorhanden sind,39 bleibt davon völlig unberührt. Ebenso wenig können darauf Vorbehalte gegen das Konzept der Aktivierung privater Gestaltung durch Verfahrensregeln allgemein gestützt werden. Doch zeigt sich, daß Verfahrensregeln kaum geeignet sind, etwaige Informationsbzw. Informationsverarbeitungsdefizite der Gestaltungsurheber zu kompen­ sieren und damit über strukturelle Defizite der privaten Gestaltung hinwegzu­ helfen. Daß materiale gesetzliche Vorgaben im Vergleich mit privat formulierten Regelungen über komparative Vorteile verfügen, wenn und soweit sich über hi­ storische Evolutionsprozesse hinweg historisches Erfahrungswissen für die Identifikation und Bewältigung von Problemen ansammeln konnte,40 gilt mit­ hin unverändert auch für den Vergleich zwischen materialen gesetzlichen Vor­ gaben einerseits und der Beschränkung auf gesetzliche Verfahrensregeln ande­ rerseits. d)  Verfahrensförmige Entscheidungsfindung und künftig hinzutretende Interessen(-gruppen) Verfahrensregeln sind schließlich schon konzeptionell ungeeignet, die Interes­ sen solcher Akteure einzubinden, die erst künftig, d. h. nach Abschluß der ver­ fahrensförmigen Entscheidungsfindung, mit dem Entscheidungsergebnis kon­ frontiert werden. Auch dabei handelt es sich wiederum nur um eine Variation der mit privater Regulierung allgemein verknüpften Probleme: Bereits oben ist herausgearbeitet worden, daß die mit der besonderen Sachnähe der Regulie­ rungsurheber begründete Vermutung einer Art erhöhter Richtigkeitsgewähr der privaten im Vergleich mit der gesetzlichen Regulierung stets notwendig leerläuft, wenn und soweit die Träger der konkret berührten Interessen an den Verhandlungen über die jeweils gefundene Gestaltung nicht beteiligt waren.41 Nicht anders liegt es hinsichtlich der Interessen derjenigen Akteure, die erst nach Abschluß eines gesetzlich ausgestalteten Verhandlungsprozesses mit des­ sen Ergebnissen konfrontiert werden. Wenn insbesondere im US-amerikani­ schen Schrifttum erwogen worden ist, die Entscheidungsfreiheit der Gesell­ schaftergesamtheit im Hinblick auf Satzungsänderungen durch zwingende,   Vgl. bereits oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 2. (S. 297  f.).   Oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 3. b) (S. 307  f.). 41   Oben, 1. Abschn., 2. Kap., sub C. (S. 279  ff.). 39

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nicht durch die Satzung selbst gestaltbare Mitspracherechte bei Satzungsände­ rungen erheblich zu beschränken,42 so lassen sich diese Stimmen auch als Aus­ druck strukturimmanenter Defizite einer allein auf den verfahrensförmigen Interessenausgleich anstelle materialer Vorgaben setzenden gesetzlichen Regu­ lierungsstrategie interpretieren.

III.  Fazit Verfahrensregeln können nach alledem zwar das jeder Art von Regulierung im­ manente Informationsproblem gestalten, indem sie mit der privaten Regulie­ rungsinitiative auch die private Information für die Lösungsfindung aktivieren. Während sie Hürden für die Geltendmachung von Partikularinteressen in mul­ tipolaren Interessenkonstellationen abbauen können, sind sie allerdings kaum geeignet, positive Anreize hierfür zu schaffen. Auch wenn Verfahrensregeln existieren, ist das Ingangsetzen rationaler Entscheidungsfindungsprozesse, de­ ren Ergebnis die widerstreitenden Interessen adäquat berücksichtigt, daher auf anderweit begründete Anreize zur aktiven Teilnahme am Gestaltungsprozeß angewiesen. Auch eine abschließende Lösung des Informationsproblems kann in der Beschränkung auf Verfahrensregeln und der damit verbundenen voll­ ständigen Delegierung der Regulierungsverantwortung auf die Ebene der pri­ vaten Gestaltung in gesetzlich vorgegebenen Verfahren nicht gesehen werden.43 Wenn in der rechtstheoretischen Literatur die Bedeutung entsprechender Vor­ gaben als Absicherung rationaler Entscheidungsfindung zur (mittelbaren) Um­ setzung von (Verfahrens-) Gerechtigkeitszielen diskutiert wird,44 so äußert sich darin zwar die berechtigte Vermutung, daß die Einflußnahme auf die jeweiligen Entscheidungsmodalitäten infolge der größeren Sachnähe der beteiligten Ak­ teure durchaus zur qualitativen Verbesserung des Entscheidungsergebnisses, zumindest aber zur Verbesserung der Akzeptanz desselben beitragen kann. Nicht recht bewältigt sind in diesen Ansätzen allerdings die auch in der jünge­ ren Ökonomik vermehrt problematisierten, entscheidungswissenschaftlich fundierten Erkenntnisse zu strukturellen Grenzen der menschlichen Erkennt­ nisfähigkeit und ihren Implikationen für das Leitbild der rationalen Entschei­ dungsfindung. Sie konfrontieren die oben skizzierten konzeptionellen Grund­ lagen prozedural orientierter Regulierungsstrategien mit einem erheblich erweiter­tem Argumentationsaufwand: Sollen die damit verknüpften Erwartun­ gen an die mittelbare Verbesserung von Entscheidungsergebnissen durch er­ höhte Rationalität der Entscheidungsfindung realisiert ­ werden, so bedarf der   Vgl. nochmals insbes. Bebchuk, 102 Harv. L. Rev. 1820, 1830  ff., 1848  ff. (1989).   Vgl. nochmals auch bereits Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 106  f., gegen die opti­ mistischere Bewertung bei Amstutz, Konzernorganisationsrecht, S. 150. 44   Siehe nochmals oben sub I. 1. (S. 338  f.) bei und in Fn. 5  ff. 42 43

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näheren Begründung, daß und wie Verfahrensregeln imstande sein sollen, diese strukturellen Defizite zu bewältigen. Auf konzeptionell-theoretischer Ebene steht dieser Nachweis noch aus. Eine Gesamtbewertung von Verfahrensregeln als selbständigen Regulierungsalternative und Substitut für finale Regulierung kann nach alledem nur zurückhaltend ausfallen; es besteht wenig Grund für die Annahme, daß die Beschränkung gesetzlicher Vorgaben auf bloße Verfahrens­ regeln die mit gesetzlicher Regulierung allgemein verbundenen Defizite umfas­ send kompensieren kann. Vielmehr stoßen auch solche Lösungen, die auf der Grundlage gesetzlicher Verfahrensregeln gefunden werden, wiederum auf die bereits ermittelten typischen Funktionsdefizite privater Gestaltung allgemein.

B.  Der Regelungsauftrag und vergleichbare Modelle der gesetzlichen Einbettung privater Regulierungsinitiative Der zentrale Unterschied zwischen Regelungsaufträgen und ihnen vergleichba­ ren Modellen einerseits und Verfahrensregeln andererseits liegt in der stärkeren Einflußnahme des Gesetzes auf die Regulierungsinitiative. Sie läßt die bei Re­ gelungsaufträgen und ihnen verwandten Instituten zugleich charakteristische Unwägbarkeiten hinsichtlich der Effektivität einer auf Verfahrensregeln be­ schränkten Regulierungsstrategie teilweise entfallen: Das Risiko, daß es auf­ grund der Untätigkeit der jeweiligen Akteure nicht zu entsprechenden Ver­ handlungen kommt und damit das Ziel der Delegierung von Regulierungsver­ antwortung verfehlt wird, spielt hier eine untergeordnete Rolle. Dies gilt beson­ ders für den Regelungsauftrag (unten I.), aber auch für vergleichbare Formen der Einbettung privater Regulierungsinitiative (unten II.). Eine Sonderstellung nehmen allerdings die dem Regelungsauftrag konzeptionell immerhin ver­ wandten sog. Anregungsnormen ein, die sich auf unverbindliche Anstöße zur privaten Gestaltung beschränken (unten III.). Sie zeigen indes, daß die Effekti­ vität des Regelungsauftrags gerade von der damit vermittelten, mit eigenen Durchsetzungsmechanismen bewehrten Zwangswirkung ausgeht. Unabhängig davon erweist sich allerdings, daß auch die nachfolgend untersuchten Strategien – insoweit kaum anders als Verfahrensregeln – die private Gestaltung zwar un­ terstützen können, aber an den bereits gewonnenen Erkenntnissen zu Funkti­ onsmerkmalen der einzelnen Regulierungsinstrumente und ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen nichts ändern.

B.  Der Regelungsauftrag und vergleichbare Modelle der gesetzlichen Einbettung 353

I.  Regelungsaufträge Regelungsaufträge verpflichten ihre Adressaten dazu, Lösungen für ein be­ stimmtes Problem zu entwickeln und sie vertraglich festzulegen.45 Beispiele fin­ den sich im deutschen Recht etwa in § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG, § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG (Festlegung von Firma, Sitz, Unternehmensgegenstand und Höhe des Stamm- bzw. Grundkapitals); die erstgenannte Bestimmung gilt dabei gem. Art. 15 Abs. 1 SE-VO auch für die in Deutschland ansässigen SE. Ihre histori­ schen Wurzeln liegen in entsprechenden Regelungsmustern in den ersten Akti­ engesetzen nach Einführung des Systems der Normativbestimmungen.46 An­ ders als mit dispositiven Normen und Verfahrensregeln nimmt hier der Gesetz­ geber nicht einfach einen eigenen Regulierungsanspruch zurück und überläßt zugleich die Regulierungsinitiative vollständig den jeweils betroffenen Akteu­ ren. Diesen bleibt es gerade nicht selbst überlassen, ob sie das fragliche Problem überhaupt regeln wollen; die Entscheidung über das „Ob“ der Regulierung trifft vielmehr der Gesetzgeber selbst.47 Regelungsaufträge sind keineswegs auf das vorliegend untersuchte Referenzgebiet beschränkt. Traditionell große Be­ deutung kommt ihnen etwa im Verfassungsrecht zu.48 Weil sie (auch) in unter­ nehmensrechtlichen Zusammenhängen stets zur dauerhaften rechtsverbindli­ chen Gestaltung verpflichten und nicht lediglich zur einvernehmlichen Klärung eines Sachverhalts ad hoc, ist ihr Anwendungsbereich hier praktisch auf Vorga­ ben für die Satzungsgestaltung beschränkt. Aus funktionaler Perspektive läßt sich auch die Formulierung von Regelungsaufträgen als Ausdruck eines prozedural orientierten Regulierungskonzepts im oben anhand der Verfahrensregeln erörterten Sinne qualifizieren (unten 1.). Mit Blick auf den beschränkten An­ wendungsbereich sind ihre Funktionsvoraussetzungen zwar vergleichsweise unproblematisch (unten 2.), zugleich ist damit allerdings auch festgestellt, daß Regelungsaufträge konzeptionell von vornherein nur für einen Teilausschnitt der vorliegend behandelten Problemfelder geeignet sind (unten 3.).

45   Vgl. schon Beier, Regelungsauftrag, S. 5: „Den Privaten wird durch einen Regelungsauf­ trag zwingend aufgegeben, kraft ihrer Privatautonomie eine rechtlich bindende Regelung zu erstellen, womit die Regelungsverantwortung für einen bestimmten Sachverhaltskomplex bei den Privaten begründet wird.“ 46   Siehe dazu noch unten, 3. Teil, 2. Kap., sub A. (S. 470  ff.). 47   Vgl. nochmals Beier, Regelungsauftrag, S. 5; siehe auch Bachmann, Private Ordnung, S. 375  ff.; Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 696; Kalss, Reform des Österreichischen Kapitalge­ sellschaftsrechts, S. 81, 796 und passim, sowie bereits Hommelhoff, GmbHR 1979, 102, 109  f. 48   Vgl. z. B. Artt. 6 Abs. 5, 33 Abs. 5, 98 Abs. 1 GG und dazu – mit weiteren Beispielen – eingehend Beier, Regelungsauftrag, S. 5  ff.

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

1.  Funktionsweise Regelungsaufträge erfüllen – im Grundsatz Verfahrensregelungen nicht unähn­ lich – eine prozedurale Schutzfunktion, indem sie die Adressaten zu Verhand­ lungen und damit zugleich zur kritischen Befassung mit den in concreto beste­ henden Lösungsmöglichkeiten anhalten.49 Insoweit bestehen deutliche Paralle­ len zu den oben ermittelten prozeduralen Wirkungen dispositiver Normen.50 Wie diese, führt auch der Regelungsauftrag den Adressaten zunächst die Exi­ stenz eines regelungsbedürftigen Sachproblems deutlich vor Augen.51 Indem er die Regulierungsverantwortung bei den sachnächsten Akteuren ansiedelt, er­ möglicht er zudem die präzise Abstimmung der Sachlösung auf die Bedürfnisse des konkreten Einzelfalls: Durch Informationsdefizite des Gesetzgebers indu­ zierte Fehlsteuerungseffekte als Charakteristikum abstrakt-genereller gesetzli­ cher Detailregelungen lassen sich damit vermeiden. Ebenso ist – wiederum nicht anders als bei Verfahrensregeln52 – die Gestaltung bei ergebnisoffenen Rege­ lungsaufträgen nicht dem Risiko ausgesetzt, daß infolge strukturimmanenter Persistenzneigungen gesetzlicher Lösungen die wünschenswerte Innovation hinter dem an sich möglichen Ausmaß zurückbleibt.53 In der Tat können sich Regelungsaufträge vor diesem Hintergrund gerade in einem Umfeld zuneh­ mend komplexer und sich dynamisch weiterentwickelnder Problemkonstella­ tionen als vorzugswürdig anbieten, für deren Bewältigung standardisierte Lö­ sungsansätze noch nicht etabliert worden sind.54 Anders als bei dispositiven Vorschriften und auch bei Verfahrensregeln ohne Zwang zur Teilnahme an der verfahrensförmigen Entscheidungsfindung, steht den jeweiligen Akteuren die Option unreflektierter Untätigkeit oder rationaler Apathie jedoch nicht offen, wenn ein Regelungsauftrag besteht: Wollen sie Sanktionen vermeiden, insbesondere die Unwirksamkeit des gesamten Ver­ tragsverhältnisses, wenn der Regelungsauftrag zum Gegenstand einer allgemei­ nen Wirksamkeitskontrolle erhoben wird,55 so müssen die Akteure zu einer Einigung gelangen. Die mit Regelungsaufträgen verknüpften prozeduralen (Schutz-) Wirkungen reichen damit weiter als diejenigen des dispositiven Rechts; 49   Treffend in diesem Sinne bereits Beier, Regelungsauftrag, S. 79; vgl. auch bereits Hommelhoff, GmbHR 1989, 102, 109. 50   Siehe bereits oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 4. b) bb) (S. 136  ff.). 51   Vgl. schon Hommelhoff, GmbHR 1979, 102, 109 (mit konkretem Beispiel). 52   Vgl. oben sub A. II. 1. (S. 343  f.) 53   Vgl. Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 696. 54   Vgl. in diesem Sinne auch schon Beier, Regelungsauftrag, S. 2: „Zum Zeitpunkt der gro­ ßen Kodifikationen drängte sich [der Regelungsauftrag] dem Gesetzgeber noch nicht auf, da die wirtschaftlichen Lebenssachverhalte und die Zahl der agierenden Unternehmen noch überschaubar und damit für den Gesetzgeber mit abstrakten Regeln greifbarer waren[,] als dies heute der Fall ist.“ (eig. Hervorhebung). 55   Zu den in Betracht kommenden und de lege lata realisierten Durchsetzungsmechanis­ men sogleich unten sub 2. a) (S. 358  f.).

B.  Der Regelungsauftrag und vergleichbare Modelle der gesetzlichen Einbettung 355

im Unterschied zu dispositivem Recht können zwingend ausgestaltete Rege­ lungsaufträge eine Befassung der Akteure mit dem konkreten Sachproblem tat­ sächlich sicherstellen. Der Regelungsauftrag gewährleistet damit in der Tat zu­ gleich „einen prozeduralen Schutz, wo die dispositiven Regelungen ihn lediglich als Möglichkeit in Aussicht stellen.“56 Damit ist insbesondere gewährleistet, daß die betroffenen Parteien sich über ihre Interessen erklären und eine gemeinsame Informationsgrundlage schaffen, auf der die mit verschiedenen Gestaltungsop­ tionen verbundenen Vor- und Nachteile bewertet werden können.57 Dies redu­ ziert das Potential für Versuche zur strategischen Verweigerung einer koopera­ tiven Lösung,58 wobei strategisches Verhalten mit entsprechenden Konsequen­ zen für das Verhandlungsergebnis an sich gerade bei ungleich verteilter Ver­ handlungsmacht durchaus möglich bleibt. Wenn der Regelungsauftrag – wie regelmäßig – auf langfristige Problemlösungen mit Satzungsrang bezogen ist, schafft er durch die Einbettung in den Gründungsvorgang zugleich die Voraus­ setzungen für eine gründliche, fach- und rechtskundig begleitete Befassung der Akteure unter Berücksichtigung der insgesamt getroffenen Gestaltungsent­ scheidungen.59 Soweit der Regelungsauftrag dem mit ihm eröffneten Gestaltungsspielraum effektiv Grenzen setzt, können damit indes auch materiale Schutzwirkungen zugunsten der betroffenen Akteure verbunden sein. In diesem Zusammenhang ist von „mittelbaren Schutzfunktionen“ gesprochen worden. 60 Tatsächlich müs­ sen die Grenzen zulässiger Gestaltungen keineswegs zwingend im jeweiligen Regelungsauftrag selbst festgelegt sein, sondern können sich auch aus anderen ausdrücklich formulierten oder impliziten Vorgaben, z. B. allgemeinen Rechts­ grundsätzen, ergeben. 61 Wenn und soweit das aufgrund eines Regelungsauftrags gefundene Gestaltungsergebnis einer gerichtlichen oder anderweit vorgenom­ menen materiellen Inhaltskontrolle zugänglich ist, ist der Spielraum für die pri­ vate Gestaltung in einer Weise eingehegt, die sich nicht grundsätzlich von den allgemeinen Schranken der Privatautonomie unterscheidet. Die damit verbun­ dene „Schutzwirkung“ ist in diesen Fällen, bei Lichte besehen, keine Eigen­ schaft des Regelungsauftrags selbst, sondern ergibt sich aus anderweit begrün­ deten Schranken, die von vornherein auch bei der durch einen Regelungsauftrag veranlaßten Gestaltung zu beachten sind. 62 Besonderheiten etwa gegenüber Fäl­   Treffend Beier, Regelungsauftrag, S. 197.   Vgl. Beier, Regelungsauftrag, S. 79, 197  f. 58   Zutr. Beier, Regelungsauftrag, S. 79. 59   Vgl. schon Hommelhoff, GmbHR 1979, 102, 109  f. 60   Beier, Regelungsauftrag, S. 75. 61   Dies zeigen gerade die von Beier, Regelungsauftrag, S. 76  ff. diskutierten Beispiele (Gren­ zen der zulässigen Bestimmung von Unternehmensgegenständen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Gmb­ HG, § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG; Grenzen der zulässigen Bestimmung genossenschaftlicher Rücklagenbildung nach § 7 Nr. 2 GenG). 62   Zumindest unscharf insoweit Beier, Regelungsauftrag, S. 76  ff., ähnlich ebd., S. 194 (mit­ 56 57

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

len, in denen die private Gestaltung nicht durch einen Regelungsauftrag initiiert wird, bestehen nicht. Insofern gilt nichts anderes als für die Gestaltung auf der Grundlage dispositiver Normen einerseits oder an sich ergebnisoffener Verfah­ rensregeln andererseits, bei denen ebenfalls anderweit begründete Schranken der Gestaltungsfreiheit zu beachten sein können und werden. Im Unterschied zu dispositiven Regelungen, aber ebenso wie ergebnisoffene Verfahrensregeln stellen Regelungsaufträge bei alledem keine subsidiär für den Fall einer fehlenden Einigung zwischen den Parteien eingreifenden Lösungen zur Verfügung, bei denen eine abstrakt-generelle, durch den Gesetzgeber auf­ grund typisierender Problembewertung entwickelte Sachlösung an die Stelle der individuell ausgehandelten tritt. 63 Während Regelungsaufträge im Hinblick auf die Regulierungsinitiative selbst keinen Spielraum belassen und in ihren Wirkungen über diejenigen dispositiver Vorschriften hinausgehen, bleiben sie – nicht anders als Verfahrensregeln – im Hinblick auf die inhaltliche Problem­ lösung hinter dispositivem Recht zurück. Daß dem Gesetzgeber kaum Mög­ lichkeiten zur Verfügung stehen, das jeweilige Gestaltungsergebnis positiv zu präformieren, also über die bloße Begrenzung des Gestaltungsspielraums hin­ aus konkrete Lösungen zumindest nahezulegen, liegt in ihrer Natur. Nicht an­ ders als Verfahrensregeln bieten Regelungsaufträge daher auch keine Gewähr gegen systematische Entscheidungsverzerrungen. 64 Will der Gesetzgeber sich vor diesem Hintergrund einen weiterreichenden Einfluß sichern, ohne damit die private Initiative gänzlich einzuschränken, 65 so könnte sich die Kombinati­ on aus Regelungsauftrag mit einer hilfsweise eingreifenden, gesetzlich vorgege­ benen oder anderweit entwickelten Standardlösung empfehlen. Ein derartiges Modell, das den Regelungsauftrag mit Elementen eines Wahlmodells im nach­ folgend noch zu untersuchenden Sinn kombiniert, schafft auf der Ebene der Regulierungsstrategien eine „opt-out“-Lösung, in deren Rahmen die jeweiligen Akteure die gesetzliche Lösung durch eine eigene ergänzen können. 66 In dieser Hinsicht gelten dann die oben im Zusammenhang mit der Diskussion der Funk­ tionsmerkmale dispositiver Normen angestellten Erwägungen entsprechend. 67 telbare Schutzfunktion des Regelungsauftrags selbst, auch wenn anderweit begründete Schranken eingreifen). 63   Etwas unklar insoweit Beier, Regelungsauftrag, S. 196, der diesen Unterschied lediglich im Zusammenhang mit dem Sonderfall unwirksamer Gestaltungen diskutiert. 64   Insoweit gelten die Ausführungen zu Verfahrensregeln entsprechend; siehe oben sub A. II. 2. c) (S. 349  f.). 65   Vgl. in diese Richtung schon Beier, Regelungsauftrag, S. 122  ff., 198, der insoweit aller­ dings in erster Linie gesetzlich nicht fixierte „Musterregeln“ als subsidiär eingreifende Lö­ sungen in den Blick nimmt; richtigerweise nicht darauf beschränkt demgegenüber Bachmann, Private Ordnung, S. 375  f. („Regelungsauftrag mit staatlicher Auffangregelung“); vgl. – termi­ nologisch wie hier – auch Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 124  f. 66   Bachmann, Private Ordnung, S. 376; insoweit zutr. auch Beier, Regelungsauftrag, S. 198. 67   Vgl. nochmals oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 2. a) (S. 82  f.).

B.  Der Regelungsauftrag und vergleichbare Modelle der gesetzlichen Einbettung 357

Je niedriger die Hürden für deren Eingreifen gelegt werden, desto deutlicher verlieren damit allerdings notwendigerweise zugleich die Funktionsmerkmale so konstruierter Regelungsaufträge an Kontur: Von einem durch den Rege­ lungsauftrag ausgelösten Zwang zur inhaltlichen Befassung mit alternativen Problemlösungen im Verhandlungswege kann kaum noch gesprochen werden, wenn es den jeweiligen Akteuren möglich ist, sich ohne weiteres in die gesetzli­ che Regelung „einzuwählen“. Wenn und soweit diese einen der betreffenden Akteure systematisch besserstellt, nehmen dessen Anreize ab, sich überhaupt auf eine Alternativlösung einzulassen. Insofern liegen die Parallelen mit den oben diskutierten Fällen der „penalty defaults“ auf der Hand. 68 Dieser Effekt kann durchaus gewünscht sein, doch ist er eben nur um den Preis des Verlusts der an sich strukturimmanenten Funktionsmerkmale von Regelungsaufträgen zu realisieren, die – wie gezeigt – gerade in der Veranlassung einer aktiven Pro­ blemlösung durch die betroffenen Parteien selbst liegen. 69 Befriedigend aufge­ löst werden kann das damit skizzierte, in derartigen Kombinationen unver­ meidliche Spannungsverhältnis zwischen finaler und prozeduraler Ergebnis­ steuerung letztlich wohl kaum.

2.  Funktionsvoraussetzungen Nicht anders als bei Verfahrensregeln hängt auch die Effektivität von Rege­ lungsaufträgen maßgeblich davon ab, ob es auf ihrer Grundlage tatsächlich zu Verhandlungsprozessen kommt, in deren Verlauf sich die beteiligten Akteure auf eine auf die individuellen Bedürfnisse des Einzelfalls abgestimmte, sachge­ rechte Lösung einigen und festlegen. Gerade weil der Gesetzgeber hier die Re­ gulierungsinitiative an sich zieht und den Adressaten insoweit kein Spielraum verbleibt, sind die Voraussetzungen hierfür allerdings strukturell erheblich ver­ läßlicher zu schaffen als bei Verfahrensregeln. Doch muß gewährleistet sein, daß das mit dem Regelungsauftrag formulierte zwingende Gebot tatsächlich befolgt wird und nicht folgenlos ignoriert werden kann. Schon Regelungsauf­ träge selbst – und nicht erst die jeweiligen Verhandlungsergebnisse70 – sind mit­ hin auf Durchsetzungsmechanismen angewiesen, die sicherzustellen haben, daß die beteiligten Akteure den Regelungsauftrag formal und inhaltlich vollständig erfüllen (unten a)). Wiederum wie bei Verfahrensregeln stellt sich so­ dann auch bei Regelungsaufträgen das Problem, wie später eintretende Verän­

  Siehe nochmals oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 4. b) bb) (S. 136  ff.).   Tendenziell wie hier wohl auch Bachmann, Private Ordnung, S. 376; zu undifferenziert insoweit demgegenüber Beier, Regelungsauftrag, S. 198. 70   Hierzu gilt nichts anderes als für die auf der Grundlage gesetzlicher Verfahrensregeln gefundenen Ergebnisse; siehe dazu bereits oben sub A. II. 2. a) (S. 346  ff.). 68 69

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

derungen in der Interessenlage angemessen berücksichtigt werden können (un­ ten b)). a)  Durchsetzungsmechanismen Erfüllen die beteiligten Akteure den Regelungsauftrag nicht oder – praktisch bedeutsamer – nicht im Einklang mit dessen Sinn und Zweck bzw. nicht voll­ ständig, kommen grundsätzlich zwei verschiedene Reaktionen in Betracht: Denkbar ist zunächst, die damit verbundenen Probleme ausschließlich ex post im Rahmen etwaiger Rechtsstreitigkeiten etwa der betroffenen Finanzierungs­ geber zu bewältigen. Ein unter Verstoß gegen den Regelungsauftrag zustande­ gekommener Vertrag würde dabei nicht anders behandelt als jedes andere Rechtsgeschäft, das die im Rahmen der jeweiligen Austauschbeziehung auftre­ tenden Sachprobleme nicht oder nicht erschöpfend löst. Die Reaktion auf den Verstoß gegen den Regelungsauftrag richtete sich hierbei (aus der Perspektive des deutschen Rechts) nach den allgemeinen Regeln, die die Rechtsgeschäftsleh­ re für die ergänzende Vertragsauslegung bzw. die Behandlung von Fällen des (offenen oder versteckten) Dissenses zur Verfügung stellt, oder nach den funk­ tionsäquivalenten Instituten in anderen Rechtsordnungen. Ein derartiger An­ satz birgt indes nicht nur dann Probleme, wenn der Regelungsauftrag sich ggf. auch auf die Klärung von Rechtspflichten gegenüber Dritten bezieht, denen als Unbeteiligten die nachträgliche Klärung der Parteiabreden in der beschriebe­ nen Weise nicht oder nicht ohne weiteres möglich wäre.71 Entscheidend ist viel­ mehr, daß in derartigen Fällen das mit der Strategie der Verwendung von Rege­ lungsaufträgen verbundene Ziel vollkommen verfehlt würde, die Adressaten präventiv zu Verhandlungen über die aus ihrer Sicht sachgerechte Lösung zu veranlassen und damit mittelbar die Qualität der Problemlösung im Vergleich mit einer gesetzlichen Alternative zu verbessern.72 Bliebe der Verstoß gegen den Regelungsauftrag zunächst folgenlos und würde er erst nachträglich durch eine gerichtliche, also gerade nicht kooperativ von den Beteiligten erarbeitete Sach­ lösung kompensiert, liefe der prozedurale (Schutz-) Zweck des Regelungsauf­ trags leer. Vermeidbar sind diese Konsequenzen letztlich nur, wenn präventiv orientier­ te Durchsetzungsmechanismen eingreifen, die in unmittelbarem zeitlichem Zu­ sammenhang mit dem jeweiligen Gestaltungsakt die Erfüllung des Regelungs­ auftrags sicherstellen. Die Umsetzung des Regelungsauftrags kann dabei auch im Zusammenhang mit der präventiven Kontrolle anderer Rechtsakte überprüft und damit zugleich wirksam durchgesetzt werden, wie gerade die im geltenden   Insoweit zutr. auch bereits Beier, Regelungsauftrag, S. 93.   Insoweit zumindest unscharf Beier, ebd. (vorige Fn.), der lediglich die „Regelungsver­ antwortung“ des Gesetzgebers gefährdet sieht. 71

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B.  Der Regelungsauftrag und vergleichbare Modelle der gesetzlichen Einbettung 359

deutschen Kapitalgesellschaftsrecht etablierten Regelungsaufträge anschaulich zeigen: Weil sich die in den § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG, § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG formulierten Regelungsaufträge auf die Gestaltung der Satzung bzw. des Ge­ sellschaftsvertrags beziehen, ist ihre Umsetzung in das Gründungsverfahren mit den dafür maßgeblichen formellen Voraussetzungen eingebunden. Auch die auf dieser Grundlage entwickelten Gestaltungen sind damit zunächst Gegen­ stand der notariellen Kontrolle (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 2 Abs. 1 GmbHG); hinzu tritt die Überprüfung im Rahmen der Registerkontrolle (vgl. § 38 Abs. 1 AktG, § 9c Abs. 1 GmbHG).73 Bei der Aktiengesellschaft stellt zu­ dem die Gründungsprüfung (§§ 33, 34 AktG), die den Satzungsinhalt insgesamt einzubeziehen hat,74 zugleich auch die Selbstvergewisserung der Gründungsge­ sellschafter über die Umsetzung des Regelungsauftrags sicher.75 Insgesamt grei­ fen damit für Regelungsaufträge die gleichen Durchsetzungsmechanismen, die allgemein für die Anforderungen des zwingenden Gesetzesrechts an Form und Inhalt konstitutiver Rechtsakte vorgesehen sind. Weil und soweit die Befolgung des Regelungsauftrags durch die Gründungsgesellschafter quasi zur Vorbedin­ gung für die Wirksamkeit des Gründungsakts erhoben wird, verbleiben diesen praktisch kaum Möglichkeiten, den Regelungsauftrag einfach zu ignorieren. Auch einer bloß formalen Befolgung sind zumindest deutliche Grenzen ge­ setzt. In einem derart konstruierten System wird der zentrale Regelungszweck, eine inhaltliche Auseinandersetzung über die jeweilige Sachlösung unter den betreffenden Akteuren zu veranlassen und deren Einigung zu erzwingen, selbst dann erreicht, wenn eine materielle Kontrolle des Gestaltungsergebnisses nicht oder nicht in vollem Umfang stattfindet, z. B. weil der privaten Regulierungs­ kompetenz gerade der Vorrang vor finaler Ergebnissteuerung durch gesetzliche Vorgaben eingeräumt werden soll. Ob und inwieweit derartige Vorgaben den damit eröffneten Gestaltungsspielraum beschränken sollten, ist eine Frage des jeweiligen Regelungszusammenhangs; allgemeine Festlegungen hierzu lassen sich nicht treffen. Zu weit gingen jedenfalls allzu etatistische Forderungen, die präventiv eingreifende materielle Inhaltskontrolle anhand gesetzlich fixierter Vorgaben über die allgemeinen Grenzen der Gestaltungsfreiheit hinaus als Re­ gelfall zu betreiben.76 Auch damit würde die Funktion des Regelungsauftrags 73   Vgl. im vorliegenden Sachzusammenhang auch Beier, Regelungsauftrag, S. 95  ff.; zur Re­ gisterkontrolle als Instrument der Normdurchsetzung im übrigen bereits oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub D. IV. 2. b) (S. 244). 74   Vgl. stellvertretend K. Schmidt/Lutter/Bayer, AktG, § 34 Rn. 2; Hüffer, AktG, § 34 Rn. 2; KK/Arnold, AktG, § 34 Rn. 5; Großkomm/Röhricht, AktG, § 34 Rn. 3. 75   Βeier, Regelungsauftrag, S. 93  f., der u. a. auf den nach §§ 8 Abs. 1, 36 Abs. 1, 127, 135 Abs. 1, 192 UmwG für Umwandlungsvorgänge erforderlichen Gründungsbericht als weiteres Bei­ spiel hinweist. 76   In diese Richtung aber möglicherweise Beier, Regelungsauftrag, S. 102. Kaum praktika­ bel auch die ebd., S. 112  ff., insbes. S. 114  ff., entwickelten Überlegungen für gesetzliche Anfor­

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

gefährdet, die Regulierungsverantwortung in solchen Fällen auf Private zu de­ legieren, in denen die Voraussetzungen für eine sachgerechte Problembewälti­ gung auf der Gesetzgebungsebene fehlen. b)  Regelungsaufträge und das Problem der späteren Veränderung der Interessenlage Ebenso wie privatautonome Gestaltungen, die auf der Grundlage gesetzlich fi­ xierter Verfahrensregeln entwickelt werden,77 sind Gestaltungen auf der Grund­ lage von Regelungsaufträgen vor strukturimmanente Schwierigkeiten gestellt, wenn sich die für das jeweilige Gestaltungsergebnis maßgebliche Interessenlage nachträglich verändert. Insofern kann es sich geradezu als Nachteil erweisen, wenn auf final konzipierte, abstrakt-generelle gesetzliche Problemlösungen zu­ gunsten ergebnisoffener Regelungsaufträge verzichtet wird: Weil und soweit die auf deren Grundlage entwickelten Sachlösungen stärker auf die Bedürfnisse der jeweiligen Sachverhaltskonstellation und nicht typisierend auf eine Vielzahl möglicher Anwendungsfälle zugeschnitten werden, sind nachträgliche Verän­ derungen hier um so eher mit der Notwendigkeit verbunden, die einmal gefun­ dene Lösung an die neue Lage anzupassen. Derartige Anpassungen werden ge­ rade dann schwierig zu realisieren sein, wenn sich der Regelungsauftrag – wie in den vorstehend bereits diskutierten Beispielen der § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG, § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG – auf die Konstitution der Kapitalgesellschaften bezieht und damit Änderungen am ursprünglich vereinbarten Pflichtenprogramm zwangsläufig satzungsändernden Rang einnehmen. Je höher die damit verbun­ denen Hürden praktisch ausfallen, desto stärker droht der Regelungsauftrag zugleich Lösungen zu manifestieren, die zwar im Zeitpunkt des Vertragsschlus­ ses situationsangemessen sind, nach entsprechenden Veränderungen aber gera­ dezu kontraproduktiv sein können. Damit Regelungsaufträge ihren Zweck nachhaltig erfüllen können, muß deshalb sichergestellt werden, daß einmal ver­ einbarte Lösungen für künftige Entwicklungen offen gehalten werden. Weil und soweit sich der Regelungsauftrag auf die Gestaltung von Satzung bzw. Ge­ sellschaftsvertrag bezieht, die insgesamt nicht sakrosankt, sondern eben durch­ aus veränderlich ausgestaltet sind, wird diesem Postulat zwar Rechnung getra­

derungen an die Verhandlungsführung. Treffend demgegenüber die insoweit voll übertragba­ re Warnung bei Bachmann, JZ 2008, 11, 18, vor übermäßiger Betonung des Mißbrauchsrisikos bei der gezielten Erweiterung privater Gestaltungsspielräume: Der Sinn entsprechender Spielräume liege „gerade darin, zwingendes Recht für Gestaltungen zu öffnen, die nicht in jeder Hinsicht durchgeplant sind, um vorsichtigen Raum für Innovationen zu schaffen. Ob eine kreative Gestaltung sich als Mißbrauch erweist, hängt auch von der Perspektive des Be­ trachters ab und läßt sich oft erst aufgrund gesammelter Erfahrungen beurteilen.“ 77   Vgl. dazu bereits oben sub A. II. 2. d) (S. 350  f.).

B.  Der Regelungsauftrag und vergleichbare Modelle der gesetzlichen Einbettung 361

gen,78 wenn auch unter qualifizierten Voraussetzungen (vgl. im deutschen Recht §§ 179  ff. AktG, §§ 53  ff. GmbHG). Hält man die damit verbundene Beschränkung der Anpassungsfähigkeit mit Blick auf die innovationsfördernde Funktion des Regelungsauftrags für zu ein­ schneidend, so ließe sich an die Verknüpfung von Regelungsaufträgen mit einer Pflicht zur laufenden oder periodischen Überprüfung des Gestaltungsergebnis­ ses mit der Folge von Neuverhandlungspflichten bei veränderter Sach- oder In­ teressenlage als Lösung denken.79 Derartige Pflichten hat das deutsche Kapital­ gesellschaftsrecht bislang bekanntlich nicht ausdrücklich kodifiziert. Als Aus­ fluß der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Gesellschafter sind zwar nach inzwischen herrschender Meinung sowohl für die GmbH als auch für die AG Zustimmungspflichten bei Satzungsänderungen (und damit faktisch zugleich Neuverhandlungspflichten) anerkannt. Diese greifen indes lediglich in beson­ ders gelagerten Ausnahmefällen ein und sind insbesondere bei der Publikums­ aktiengesellschaft nur von sehr geringer praktischer Bedeutung. 80 Ob ein ge­ setzlicher Ausbau derartiger Pflichten mit dem Ziel, die Gesellschafter über die Gestaltung des Konstitutivaktes hinaus zur kontinuierlichen Anpassung des vertraglichen Pflichtenprogramms anzuhalten, praktikabel wäre, muß bezwei­ felt werden. Anstatt der angestrebten Effizienzsteigerung dürften – insbeson­ dere bei periodisch ausgestalteten Pflichten zur Überprüfung der Satzung – nur allzu häufig redundante Auseinandersetzungen über Anpassungen auftreten. 81 Vor allem für Publikumsgesellschaften ist die Vorstellung kaum realistisch, ein derart ausgestalteter Auftrag zur kontinuierlichen Anpassung der Satzung wer­ de tatsächlich zur kritischen Überprüfung führen; vielmehr liefe er zumal dann, wenn tatsächlicher Anpassungsbedarf objektiv nicht auszumachen ist, lediglich auf die durchaus streitträchtige und mit hohem Aufwand betriebene, aber oft rein formale Befassung der Hauptversammlung mit einer letztlich irrelevanten 78   Die Abänderbarkeit von Satzung und Gesellschaftsvertrag ist nach heute ganz h.M. je­ denfalls im deutschen Recht als zwingendes Grundprinzip gewährleistet, vgl. für die AG z. B. Spindler/Stilz/Holzborn, AktG, § 179 Rn. 5; Hüffer, AktG, § 179 Rn. 3; K. Schmidt/Lutter/ Seibt, AktG, § 179 Rn. 5; MünchKomm/Stein, AktG, § 179 Rn. 55  f.; Großkomm/Wiedemann, AktG, § 179 Rn. 3; KK/Zöllner, AktG, § 179 Rn. 2; für die GmbH z. B. Ulmer/Habersack/ Winter/Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 2, 93. 79   In diese Richtung Beier, Regelungsauftrag, S. 155  ff., insbes. S. 179  ff. 80   Vgl. für die GmbH näher BGH, Urt. v. 25. 9. 1986 – II ZR 262/85, BGHZ 98, 276, 279  f.; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 38  ff.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 31; Ulmer/Habersack/Winter/Ulmer, GmbHG, § 53 Rn. 81  ff.; Baumbach/Hueck/Zöllner, Gmb­ HG, § 53 Rn. 90; Lutter, AcP 180 (1980), 89, 105  ff., 109; monographisch Winter, Mitglied­ schaftliche Treubindungen, S. 175  ff., insbes. 178  ff.; einschränkend demgegenüber Scholz/ Priester, GmbHG, § 53 Rn. 37; Michalski/Hoffmann, GmbHG, § 53 Rn. 110; Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Zimmermann, GmbHG, § 53 Rn. 58; für die AG (durchweg sehr restriktiv) Spindler/Stilz/Holzborn, AktG, § 179 Rn. 176; Hüffer, AktG, § 179 Rn. 30; K. Schmidt/Lut­ ter/Seibt, AktG, § 179 Rn. 45; MünchKomm/Stein, AktG, § 179 Rn. 218; Großkomm/Wiedemann, AktG, § 179 Rn. 157; grundsätzlich zweifelnd KK/Zöllner, AktG, § 179 Rn. 213  f. 81   Zweifelhaft daher die Überlegungen bei Beier, Regelungsauftrag, S. 179  ff.

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

Frage hinaus. Daß auch die aus der Treuepflicht abgeleitete Zustimmungspflicht zur Satzungsänderung vor allem bei der Publikums-AG bislang sehr zurück­ haltend bewertet wird, 82 beruht unausgesprochen auch auf der zutreffenden Wertung, daß Pflichten zur aktiven Förderung des Unternehmenszwecks hier im Regelfall weder gewünscht noch sinnvoll umzusetzen sind. Eine Perpetuierung der prozeduralen Wirkung des ursprünglichen Rege­ lungsauftrags ist nach alledem nicht realisierbar. Im Ergebnis maßte sich der Gesetzgeber damit eine Entscheidung an, für die es ihm wiederum an der erfor­ derlichen Informationsbasis mangelt: Jede Verpflichtung zur periodischen Überprüfung und ggf. Anpassung der Konstitutivakte der Gesellschaften be­ ruht auf der impliziten Einschätzung, daß ein derartiger Vorgang bei allen Re­ gelungsadressaten sachgerecht sei. Die Einsicht in die mit Regelungsaufträgen verbundenen Vorteile der Delegierung von Regulierungsverantwortung trägt dieses Postulat keineswegs. Auch insoweit gelten vielmehr die bereits an ande­ rer Stelle entwickelten Vorbehalte gegenüber positiv-präskriptiv ausgestalteten Verhaltenspflichten:83 Der Nachweis, daß eine positiv vorgegebene Pflicht zur periodischen Evaluation und ggf. Neuverhandlung von Satzungen in allen denkbaren Anwendungsfällen sachgerecht wäre, ist kaum zu erbringen. Das Ri­ siko, daß die aufgrund eines Regelungsauftrags gefundene, anfangs sachgerech­ te Lösung ungeachtet späterer Veränderungen in der jeweiligen Sachverhalts­ konstellation beibehalten wird, z. B. weil die Hürden für eine an sich sachge­ rechte Anpassung (auch aufgrund der dafür einzuhaltenden Verfahrensregeln) sich als praktisch zu hoch erweisen, ist der Konzeption des Regelungsauftrags letztlich strukturimmanent und muß in Kauf genommen werden.

3.  Fazit und Folgerungen Die bisherige Untersuchung hat Stärken und Schwächen von Regelungsaufträ­ gen im Vergleich mit materialen Vorgaben des dispositiven und zwingenden Gesetzesrechts einerseits und einer auf die Formulierung von Verfahrensregeln beschränkten Regulierungsstrategie andererseits ermittelt. Der Regelungsauf­ trag kann zwar als Ansatz qualifiziert werden, der die jeweiligen Vorteile des dispositiven und des zwingenden Rechts miteinander kombiniert. Anders als bei Verfahrensregeln entfällt die Gefahr, daß es aufgrund fehlender wirtschaft­ licher Anreize hierzu nicht zu den angestrebten Verhandlungsprozessen über die im Einzelfall von den Parteien für richtig gehaltene Lösung kommt. Indem sich der Gesetzgeber die Regulierungsinitiative selbst vorbehält und soweit er mittels geeigneter Durchsetzungsinstrumente die Ausübung der Gestaltungs­   Vgl. nochmals die Nachw. soeben Fn. 81.   Vgl. schon oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub B. IV. (S. 321).

82 83

B.  Der Regelungsauftrag und vergleichbare Modelle der gesetzlichen Einbettung 363

befugnisse erzwingt, ist sichergestellt, daß sich die Adressaten tatsächlich mit dem jeweiligen Sachproblem und den in Betracht kommenden Lösungsalterna­ tiven befassen. Insofern ist der Regelungsauftrag die effektivere Strategie. Im Vergleich mit dispositiven Regelungen fallen die damit erreichbaren Steue­ rungswirkungen hinsichtlich des Verhandlungsergebnisses jedenfalls dann ge­ ringer aus, wenn der Gesetzgeber auf die Verknüpfung mit detaillierten materi­ alen Lösungen verzichtet. Weil kein materiales Ergebnis vorgegeben oder auch nur unverbindlich zur Verfügung gestellt wird, fehlt es an den für das dispositi­ ve Recht konstatierten Persistenzneigungen, so daß die bei diesen bestehenden Effizienzverluste, aber eben auch das verhaltenssteuernde Potential entfallen. Wie erörtert, besteht zwar die Möglichkeit, den Regelungsauftrag mit hilfswei­ se eingreifenden (dispositiven) Regelungsprogrammen zu verknüpfen. Wenn und soweit damit auch gesetzliche Vorgaben Einfluß auf das Gestaltungsergeb­ nis gewinnen, verringert sich allerdings zwangsläufig zugleich der Einfluß der privaten Regulierungskompetenz, auf deren Aktivierung der Regelungsauftrag an sich gerade abzielt. In letzter Konsequenz verlieren damit die von prozedu­ ralen Regulierungsstrategien erwarteten Vorteile der grundsätzlich ergebnisof­ fenen Einflußnahme auf private Gestaltung an Bedeutung. Mit den skizzierten Strukturmerkmalen sind zugleich erhebliche Einschrän­ kungen für den Kreis der möglichen Anwendungsfelder von Regelungsaufträ­ gen als Bestandteil prozeduraler Regulierungsstrategien verbunden. Schon grundsätzlich kommen Regelungsaufträge letztlich wohl nur für den Einsatz im Rahmen ansonsten in weitem Umfang gesetzlich präformierter Rechtsver­ hältnisse in Betracht, bei denen gezielt einzelne Problemfelder für die privatau­ tonome Gestaltung reserviert werden sollen. Nur im Zusammenhang mit insge­ samt ex ante ansetzenden präskriptiven gesetzlichen Vorgaben sind geeignete Durchsetzungsmechanismen denkbar, die sicherstellen, daß die betreffenden Akteure Regelungsaufträge tatsächlich in der beabsichtigten Weise umsetzen. Regelungsaufträge eignen sich damit als Methode der Abstimmung zwischen gesetzlicher und privater Regulierung in Problembereichen, in denen die ge­ setzliche Regulierung allgemein dominiert. Weniger tauglich sind sie dagegen für Gebiete, die von vornherein weitestgehend durch private Gestaltungen ge­ prägt sind und in denen das Gesetzesrecht auf vereinzelte, punktuell eingreifen­ de Regelungen mit Unterstützungs- oder Schrankenfunktion reduziert bleibt. Dies zeigt, weshalb die praktische Bedeutung von Regelungsaufträgen de lege lata auf Lösungen von Satzungsrang und mithin die Gestaltung der Rechtspo­ sition der Eigenkapitalgeber beschränkt ist und eine auf den Ausbau von Rege­ lungsaufträgen abzielende Regulierungsstrategie auch de lege ferenda nur für darauf bezogene Problembereiche diskutiert wird. 84 Der Rechtsposition der   Zu Erwägungen für einen Ausbau von Regelungsaufträgen im deutschen und europä­ ischen (Kapital-) Gesellschaftsrecht de lege ferenda Beier, Regelungsauftrag, S. 229  ff. 84

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

Fremdkapitalgeber fehlt es an der gesetzlichen Typisierung, in die Regelungs­ aufträge eingebettet werden könnten. Sie ist ohnehin von privatautonom ent­ wickelter schuldvertraglicher Ausgestaltung geprägt, dabei aber so vielgestaltig, daß die Formulierung konkreter Regelungsaufträge ebenso schwerfiele wie die Formulierung geeigneter Durchsetzungsinstrumente. Weil Regelungsaufträge die Parteien konkreter Rechtsverhältnisse zur indi­ viduellen Problemlösung anhalten und weil damit gerade keine Standardlösun­ gen angestrebt werden, ist ihr Wert zudem von vornherein in allen Konstellatio­ nen in Frage gestellt, in denen ein besonderes Bedürfnis nach standardisierten Regeln besteht. Dies gilt, wie bereits erörtert, insbesondere für marktgehandel­ te Finanzierungstitel, deren Preis sich aufgrund standardisierter Informationen bildet. 85 Hier können individuell an die Bedürfnisse der ursprünglichen Inter­ essenlage angepaßte Gestaltungen – etwa Regelungen zur Unternehmensfüh­ rung und deren Kontrolle – geradezu kontraproduktiv und ineffizient wirken. Dies bedeutet keineswegs, daß nicht auch in Konstellationen, in denen ein prak­ tisches Bedürfnis nach standardisierten Rechtsgrundlagen besteht, private Standardbildung gegenüber der Standardisierung durch Gesetz vorteilhaft sein könnte, z. B. weil die private Gestaltung sich schneller an gewandelte Bedürf­ nisse anpassen läßt. 86 Ob und wann private Standardisierungstendenzen der Standardisierung durch Gesetzesrecht vorzuziehen sind, läßt sich allerdings nur im Zusammenhang konkreter Regelungsprobleme beurteilen.

II.  Vergleichbare Formen der Einbettung privater Regulierung Regelungsaufträge stellen, wie eingangs des vorliegenden Unterabschnitts be­ tont, nur eine von mehreren Möglichkeiten dar, private Regulierungsverant­ wortung gezielt neben und anstelle gesetzlicher Regulierung zu aktivieren und in umfassende Regulierungsprogramme einzubetten. Ihnen funktional ver­ gleichbar sind solche Regelungen, die die Adressaten nicht zur vertraglichen Regulierung, sondern zur Regulierung in Gestalt privater (oder teilprivatisier­ ter) Regelwerke anhalten. Derartige Formen der Einflußnahme auf Erstellung und Gestaltung privater Regelwerke sind bereits an anderer Stelle begegnet: Anschauliche Beispiele im deutschen Recht bieten zum einen die Regelung des § 161 AktG zur Entsprechenserklärung im Hinblick auf die Einhaltung der Empfehlungen des DCGK, 87 zum anderen die §§ 342, 342a HGB über das priva­ te Rechnungslegungsgremium und den Rechnungslegungsbeirat. 88 § 161 AktG   Siehe bereits oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. III. 3. a) (S. 161  f.).   Vgl. allgemein bereits oben, 1. Abschn., 2. Kap., sub B. II. (S. 274  ff.). 87   Siehe nochmals oben, 1. Abschn., 2. Kap., sub A. I. 1. c) (S. 259) und B. I. 2. b) (S. 271  f.), sowie zuvor schon oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 4. b) cc) (S. 143  f.). 88   Siehe bereits oben, 1. Abschn., 2. Kap., sub A. I. 2. (S. 262). 85

86

B.  Der Regelungsauftrag und vergleichbare Modelle der gesetzlichen Einbettung 365

ist dabei insofern von Interesse, als er zeigt, daß die gesetzliche Einbettung pri­ vater bzw. teilprivatisierter Regulierungskompetenz keineswegs auf den aus­ drücklichen Auftrag zur Formulierung eines Regelwerks beschränkt ist, wie er etwa in § 342 HGB formuliert ist, sondern auch mittelbar in Gestalt eines com­ ply-or-explain-Ansatzes ausgestaltet werden kann. Die Grundkonzeption der beiden Normkomplexe muß hier nicht nochmals aufgegriffen werden. Zu ergänzen bleibt im hiesigen Sachzusammenhang je­ doch, daß Parallelen zwischen derartigen „Einbettungsnormen“ und Rege­ lungsaufträgen nicht nur im Hinblick auf die jeweiligen Grundfunktionen be­ stehen. Sie lassen sich vielmehr zugleich und darüber hinausgehend auch und gerade im Hinblick auf die jeweiligen Funktionsmerkmale feststellen:89 Nicht anders als mit Regelungsaufträgen, delegiert der Gesetzgeber mit den hier ange­ sprochenen Einbettungsnormen die inhaltliche Regulierungsverantwortung in weitem Umfang an die jeweiligen privaten Akteure, während er sich die Regu­ lierungsinitiative – die Entscheidung über das „Ob“ der Regulierung – selbst vorbehält. Das Risiko, daß innerhalb eines auf diese Weise zur eigenverant­ wortlichen Regulierung aufgerufenen Verkehrskreises, im Falle des DCGK also der börsennotierten Kapitalgesellschaften, eine Auseinandersetzung mit den jeweiligen Regelungsproblemen unterbleibt, ist damit im Falle derartiger Einbettungsnormen ebenso gering wie bei Regelungsaufträgen. Einbettungs­ normen können so sicherstellen, daß es überhaupt zum privaten Gestaltungsakt kommt. Die Qualität des Gestaltungsergebnisses können sie allerdings ohne hinzutretende materiale gesetzliche Anforderungen ebenso wenig wie ergeb­ nisoffene Regelungsaufträge beeinflussen. Will sich der Gesetzgeber nicht dar­ auf beschränken, jedes beliebige Gestaltungsergebnis im Vertrauen auf die Sachnähe und die darin wurzelnde Sachkompetenz der jeweiligen Akteure an­ zuerkennen, so ist er auch hier darauf angewiesen, dem Gestaltungsauftrag mit ergänzenden materialen Vorgaben Konturen zu verleihen. Wiederum nicht anders als bei derart erweiterten Regelungsaufträgen, ist al­ lerdings auch hier mit einer materialen Einflußnahme zwangsläufig die Konse­ quenz verbunden, daß damit Abstriche an der prozeduralen Grundkonzeption hingenommen werden müssen: Je stärker das Gesetz selbst mit final konzipier­ ten Vorgaben auf das Gestaltungsergebnis Einfluß nimmt, desto stärker verliert zwangsläufig die private Sachlösungskompetenz an Gewicht, die an sich mit dem Gestaltungsauftrag aktiviert werden sollte. Mit dieser Feststellung ist, was klarzustellen bleibt, keineswegs schon eine negative Bewertung jeder Form der­ 89   Abweichend insoweit Bachmann, Private Ordnung, S. 377  f., der die Regelung des § 161 AktG dem Kreis der – nachfolgend sub III. (S. 366  ff.) zu erörternden – Anregungsnormen zuordnet. Dies läßt sich zwar für die Rezeption der Empfehlungen des DCGK durch die der Vorschrift unterworfenen börsennotierten Gesellschaften in der Tat vertreten, erfaßt aber nicht die mit der Bestimmung inzident verbundene Legitimation der Regelungen des DCGK als solche; insoweit ist § 161 AktG jedenfalls als polyfunktional zu qualifizieren.

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

artiger Einflußnahmen verbunden. Tatsächlich kann und wird, wenn die Ein­ bettung privater oder teilprivatisierter Regelwerke in gesetzliche Regulierungs­ programme verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Legitimation genü­ gen soll, eine Überprüfung der privaten Gestaltungsergebnisse durch den Ge­ setzgeber und, damit einhergehend, auch seine Letztentscheidung über den Gestaltungsinhalt unvermeidlich sein.90 Doch zeigt gerade diese Erwägung, daß der gesetzlichen Einbettung privater und teilprivatisierter Regelsetzung jenseits der bloßen Anerkennung privater Regulierung in Form privater Verträ­ ge von vornherein Grenzen gesetzt sind. Dies schränkt zugleich den Kreis der möglichen Anwendungsgebiete vor allem dann ein, wenn die private Regulie­ rung Auswirkungen auf schützenswerte Interessen Dritter hat.

III.  Anregungsnormen Vergleichbare Probleme begegnen auch im Falle der sog. „Anregungsnormen“,91 die Anstöße für die Gestaltung von Problemlösungen geben, ohne den jeweili­ gen Akteuren die Regulierungsinitiative zu entziehen.92 Das Gesetz regt damit, wie etwa in den Fällen der § 26 Abs. 1 GmbHG (Vereinbarung von Nachschuß­ pflichten) oder § 52 GmbHG (Möglichkeit der Einrichtung eines Aufsichtsrats) sowie in § 107 Abs. 3 AktG (Einrichtung von Ausschüssen des Aufsichtsrats) und § 129 AktG (Geschäftsordnung der Hauptversammlung), bestimmte Ge­ staltungen an, indem es sie ausdrücklich für zulässig erklärt. Dadurch werden die Adressaten zugleich auf das jeweilige Sachproblem und auf mögliche Lösun­ gen hierfür aufmerksam gemacht. Inhaltlich handelt es sich nicht um dispositive Normen in der Form ermächtigender Normen i. e. S.,93 weil das Gesetz hier nicht zu einem Rechtsgeschäft, sondern zur Vornahme komplexerer Abreden meist organisatorischer Art ermächtigt. Unter den Möglichkeiten zur gesetzli­ chen Aktivierung privater Gestaltung stehen Anregungsnormen gleichwohl auch funktional dem dispositiven Recht am nächsten. Ähnlich wie dieses laden sie zur Reflektion über mögliche Gestaltungen ein und bieten gleichzeitig An­ haltspunkte für die Suche nach zulässigen und geeigneten Problemlösungen. Auch Anregungsnormen erfüllen damit gestaltungserleichternde Funktionen, indem sie Regelungsvorbilder unverbindlich zur Verfügung zu stellen und zu­   Siehe dazu bereits oben, 1. Abschn., 2. Kap., vor A. (S. 253) bei und in Fn. 5.   Der Begriff geht, soweit ersichtlich, zurück auf Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 250 (dort u. a. für die Anregung zur Einrichtung eines Audit Committee in Aufsichtsräten nach § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG i.d.F. des KonTraG; vgl. heute § 107 Abs. 3 AktG). 92   Hierzu – jeweils im Anschluß an Hommelhoff/Mattheus, a.a.O. (vorige Fn.) – eingehend Beier, Regelungsauftrag, S. 81  ff.; ferner Bachmann, Private Ordnung, S. 377; ders., JZ 2008, 11, 15; knapp auch Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 697. 93   Vgl. zur – im Detail nach wie vor kontroversen – Einteilung der dispositiven Vorschrif­ ten nochmals oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 2. (S. 81  ff.). 90 91

C.  Wahlmodelle

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gleich über zulässige Gestaltungen informieren.94 Weil sie darauf abzielen, ent­ sprechende Gestaltungsprozesse zu initiieren, kann auch bei ihnen von einer prozeduralen (Schutz-) Funktion gesprochen werden.95 Zu Funktionsmerkma­ len dispositiver Vorschriften bestehen allerdings auch insoweit Parallelen, als Anregungsnormen keine Gewähr dafür bieten, daß die betreffenden Akteure die Anregungen tatsächlich umsetzen. Gerade weil dieser Normtyp auf die mit Regelungsaufträgen und vergleichbaren Einbettungsnormen verbundene Mo­ nopolisierung der Regulierungsinitiative beim Gesetzgeber verzichtet, sind die Steuerungsmöglichkeiten gering. Charakteristikum von Anregungsnormen ist die Beschränkung auf eine bloße Appellfunktion;96 mit ihnen zieht sich der Ge­ setzgeber im Rahmen der Kooperation zwischen gesetzlicher und privater Re­ gulierung in eine passive Rolle zurück. Auch wenn Anregungsnormen prima facie Ähnlichkeiten mit Regelungsaufträgen aufweisen, bestehen in funktiona­ ler Hinsicht zwischen beiden Formen mithin erhebliche Unterschiede.

C.  Wahlmodelle Wahlmodelle in der hier verwendeten Terminologie können sich zunächst auf umfassend angelegte Regelungsprogramme beziehen. Idealtypisch realisiert ist ein derartiger Ansatz im vorliegend untersuchten Referenzgebiet insbesondere in den bestehenden Möglichkeiten zur Wahl unter verschiedenen Rechtsfor­ men.97 Mit der Wahl einer bestimmten Rechtsform sind dabei umfassende Fest­ legungen für alle Aspekte des Verbandsrechts und sogar für die Rechtsbezie­ hungen zu Dritten (etwa im Hinblick auf unterschiedliche Gläubigerschutz­ standards) verbunden. Bereits oben wurde darauf hingewiesen, daß auch Kom­ binationen mit Regelungsaufträgen in Betracht kommen, die den Auftrag zur individuellen Gestaltung von Problemlösungen mit hilfsweise eingreifenden Pflichtenprogrammen verknüpfen. Dabei müssen letztere keineswegs zwingend gesetzlich vorgegeben sein, sondern können auch auf privat entwickelte Rege­ lungsmuster zurückgehen.98 Wahlmodelle können sich aber auch, enger fokus­ siert, auf bestimmte Problemfelder innerhalb größerer Normkomplexe bezie­ hen. Beispielhaft dafür stehen die – ihrerseits dispositiv ausgestaltete – Verwei­ sung auf aktienrechtliche Vorschriften für den fakultativen Aufsichtsrat in der GmbH (§ 52 Abs. 1 GmbHG), die in Art. 38 lit. b SE-VO eröffnete Möglichkeit zur Wahl zwischen einer monistischen und einer dualistischen Verwaltungs­ 94   Vgl. zu den entsprechenden Funktionen dispositiver Vorschriften schon oben, 1. Ab­ schn., 1. Kap., sub B. II. 2. b) (S. 83  ff.). 95   Zutr. Beier, Regelungsauftrag, S. 83. 96   Bachmann, Private Ordnung, S. 377. 97   Siehe bereits oben, 1. Kap., sub B. I. (S. 330). 98   Siehe oben sub B. I. 1. (S. 356  f.) bei und in Fn. 66  ff.

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

struktur, die im Bilanzrecht realisierten Bilanzierungs- und Bewertungswahl­ rechte99 oder die optional ausgestaltete Regelung zum Vereitelungsverbot in Artt. 9, 12 der Übernahmerichtlinie.100 Im Hinblick auf die Funktionsweise (unten I.) sowie die Funktionsvoraussetzungen (unten II.) bestehen zwischen den damit skizzierten Alternativen kaum nennenswerten Unterschiede.

I.  Funktionsweise Durch die Verknüpfung aus gesetzlicher Einflußnahme und der Aktivierung privater Regulierungskompetenz sollen Wahlmodelle die Vorteile dispositiver Normen mit jenen des zwingenden Rechts verbinden.101 In dieser Hinsicht dis­ positivem Recht vergleichbar, stellen sie den betreffenden Akteuren zunächst Informationen über zulässige Gestaltungen zur Verfügung. Weil und je mehr die Informationen nicht Einzellösungen betreffen, sondern sich auf umfassende Regelprogramme beziehen, geht ihr Informationswert allerdings über den ein­ zelner dispositiver Normen hinaus. Bei Wahlmodellen sind die Parallelen zu Vertragsmustern besonders augenfällig.102 Nicht anders als einzelne dispositive Vorschriften erfüllen sie zugleich Informations- bzw. Speicherfunktionen, die es ermöglichen, daß die Adressaten(-gruppen) über längere Zeiträume hinweg weiteres Erfahrungswissen um die Handhabung der jeweiligen Sachlösungen gewinnen und von den damit eröffneten Effizienzvorteilen profitieren.103 Auch unter Wohlfahrtsgesichtspunkten können sich Wahlmodelle so im Vergleich mit solchen Regulierungsstrategien als effizienter erweisen, die ohne inhaltliche Vorprägung der jeweiligen Sachlösungen umfassende Gestaltungsfreiheit ein­

99   Z.B. §§ 248 Abs. 2 (Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte), 250 Abs. 3 Satz 1 (Aktivierungswahlrecht beim Disagio), 256 Satz 1 (Bewertungsvereinfachungs­ regeln) sowie 274 Abs. 1 (Wahlrechte zum Ansatz latenter Steuern) HGB n.F. Vgl. dazu im vorliegenden Sachzusammenhang (noch zur Rechtslage vor dem BilMoG) bereits Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 125 bei und in Fn. 450 mit weiteren Beispielen. 100   Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 4. 2004 be­ treffend Übernahmeangebote, ABlEU. Nr. L 142/12; vgl. zu diesem – nachfolgend ausge­ klammerten – Beispiel aus der Perspektive einer modalen Normanalyse statt vieler eingehend Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 136  ff. (Rechtsgrundlagen), 248  ff. (rechts­ ökonomische Analyse); knapp auch Bachmann, JZ 2008, 11, 15. 101   Prägnant in diesem Sinne etwa Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 127; ähnlich bereits Ayres, 73 U. Chi. L. Rev. 3, 4 (2006); Kalss, Reform des Österreichischen Ka­ pitalgesellschaftsrechts, S. 41. 102   Vgl. insbes. Ayres, 73 U. Chi. L. Rev. 3  ff. (2006); dens., 59 U. Chi. L. Rev. 1391, 1416 (1992); Riesenhuber/Möslein, in: Riesenhuber (Hrsg.), Perspektiven des Europäischen Schuld­ vertragsrechts, S. 1, 30; allgemein zu den Parallelen zwischen dispositivem Recht und Ver­ tragsmustern bereits oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 3. a) bb) (S. 96  f.). 103   Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 839  ff. (1995); eher skeptisch, aber nicht plausibel insoweit Lemley/McGowan, 86 Cal. L. Rev. 479, 584  f. (1998).

C.  Wahlmodelle

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räumen und damit die Ausnutzung der mit Netzwerkeffekten verbundenen Ef­ fizienzvorteile von vornherein entfallen lassen.104 Wahlmöglichkeiten zwischen zwei oder mehreren Alternativen legen ihre Adressaten allerdings nicht auf eine bestimmte Sachlösung fest; sie ermöglichen nicht nur die Auswahl anhand von Einzelfallerwägungen, sondern regen dazu ausdrücklich an. Werden Wahlmodelle mit Regelungsaufträgen kombiniert, bleibt es nicht bei der bloßen Anregung, sondern sind die betreffenden Akteure zur Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse im Rahmen der durch die Wahlmodel­ le eröffneten Möglichkeiten sogar verpflichtet. Dies ermöglicht es in der Tat, daß sich unterschiedliche Netzwerke – etwa für unterschiedliche Rechtsformen – mit Teilnehmern bilden, deren Interessen jeweils mehr oder weniger homogen gelagert sind und die deshalb auf der Grundlage der ihnen eröffneten Wahl­ möglichkeiten jeweils vergleichbar gelagerte Gestaltungsmuster entwickeln.105 Auch die in Wahlmodellen bereitgestellten Lösungen können damit – im Prin­ zip ähnlich wie dispositives Recht – Persistenzneigungen infolge von Netz­ werk- und Lerneffekten aufweisen. Doch werden die auf ihrer Grundlage ange­ nommenen Gestaltungen eine größere Varianz aufweisen, als es bei bloßer Be­ schränkung auf lediglich eine gesetzliche Lösung der Fall wäre, die sich kraft strukturimmanenter Persistenzneigungen vielfach selbst dann durchsetzen wird, wenn sie dispositiv ausgestaltet ist.106 Sofern die Wahlmöglichkeiten hin­ reichend diversifiziert sind, besteht damit zugleich in geringerem Maße das Ri­ siko, daß derartige strukturimmanente Persistenzneigungen zur Verfestigung an sich suboptimaler, ineffizienter Gestaltungen führen.107 Wahlmodelle eröffnen damit der privatautonomen Gestaltung zumindest in vergleichbarem Maße, faktisch aber unter Umständen sogar noch effektiver Spielräume als isolierte dispositiv ausgestaltete Lösungen. Allerdings wird zu­ gleich auch ihr Potential zur gezielten Einflußnahme auf die Gestaltungspraxis in jeder der mit ihnen eröffneten Gestaltungsvarianten noch über das mit dispo­ sitivem Recht realisierbare Maß hinausgehen. Gerade weil damit selbst dann Gestaltungsfreiheit geschaffen werden kann, wenn die zur Wahl gestellten Re­ gelungsprogramme, für sich genommen, in erheblichem Umfang durch zwin­ gendes Recht charakterisiert sind, kann der Gesetzgeber ggf. in durchaus wei­ tem Umfang auf die Gestaltungspraxis Einfluß nehmen, ohne die Vorteile pri­ vater Wahlentscheidungen preisgeben zu müssen. Die Öffnung zugunsten pri­ vater Entscheidungsfreiheit, die – wie gezeigt – durch Kombination mit weiteren Differenzierungslösungen (z. B. Regelungsaufträgen) noch weiter effektuiert 104   Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 839  ff. (1995); vgl. auch dens., 31 J. Corp. L. 779, 793  ff. (2006). 105   Überzeugend Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 839  ff. (1995). 106   Siehe nochmals bereits oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 3. c) bb) (S. 117  ff.). 107   Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 840 (1995); vgl. auch Ayres, 59 U. Chi. L. Rev. 1391, 1416 (1992).

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

werden kann, verringert zugleich das ansonsten mit rigider gesetzlicher Regu­ lierung verbundene Risiko von Übersteuerungseffekten. Wahlmodelle mit je­ weils abgestufter Regulierungsintensität können helfen, den gesetzlichen Ein­ griff auf bestimmte Sachverhaltskonstellationen zu konzentrieren, in anderen, weniger sensiblen Bereichen dagegen Spielräume für die private Gestaltung zu schaffen. Exemplarisch dafür stehen etwa die mit der Wahl zwischen den Rechtsformen der AG und der GmbH verknüpften Konsequenzen für die Dich­ te der gesetzlichen Vorgaben für die Organisations- und Finanzverfassung. Auch dies macht verständlich, warum Wahlmöglichkeiten rechtspolitisch gera­ de für Fallkonstellationen empfohlen worden sind, in denen zwar starke Schutz­ interessen die gesetzliche Einflußnahme geboten erscheinen lassen und eine gewisse Standardisierung der jeweiligen Rechtspositionen erwünscht ist, aber zugleich die mit privater Regulierung verbundene Innovationskraft erhalten bleiben soll.108 Indem Wahlmodelle nicht nur eine zulässige Gestaltung, sondern eine mehr oder weniger breit ausgestaltete Palette unterschiedlicher Gestaltungsoptionen zur Verfügung stellen, tragen sie zugleich dem Bedürfnis der Adressaten nach größtmöglicher Rechtssicherheit Rechnung.109 Auch wenn sie im Ergebnis die Spielräume für die private Gestaltung stärker eingrenzen als der breitflächige Einsatz dispositiver Normen, die im Prinzip ja typischerweise eine größere Va­ rianz zulassen, ist die Entscheidung der Normadressaten zwischen den gesetz­ lich stärker präformierten Alternativen im Rahmen von Wahlmodellen weniger von Unwägbarkeiten hinsichtlich der Zulässigkeit begleitet als die privatauto­ nome Gestaltung aufgrund dispositiven Rechts. Dies begünstigt, worauf zu recht aufmerksam gemacht wurde, nicht nur die jeweiligen Adressaten, sondern auch potentiell von der Wahlentscheidung betroffene Dritte: Weil und soweit das Gesetz im Fall von Wahlmodellen für jede zur Wahl stehende Alternative auch die Rechtsposition Dritter vorgeben wird und insoweit keine Gestaltungs­ freiheit besteht, ist es für sie deutlich einfacher, die ihnen aus Rechtsbeziehun­ gen mit einer derart präformierten Konstruktion erwachsenden Chancen und Risiken einzuschätzen, als dies bei einer allein privatautonom entwickelten Ge­ staltung der Fall wäre. Ein anschauliches Beispiel bieten etwa die mit der Wahl zwischen verschiedenen Rechtsformen verbundenen unterschiedlichen Gläubi­ gerschutzregimes: Wenn und soweit einzelne Rechtsformen, wie dies insbeson­ dere für das deutsche Recht charakteristisch ist, jeweils mit zwingenden Pflich­ tenprogrammen einhergehen, dient schon die Wahl der Organisationsform als Signal eines bestimmten Schutzniveaus an die (künftigen) Vertragspartner und sonstige Gläubiger. Diese können darauf reagieren, beispielsweise indem sie 108   Deutlich in diese Richtung Kalss, Reform des Österreichischen Kapitalgesellschafts­ rechts, S. 39. 109   Zutr. Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 264.

C.  Wahlmodelle

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sich für die Bereitstellung von Finanzierungsmitteln Sicherheiten bestellen las­ sen. Dieser Befund ist verallgemeinerungsfähig: Letztlich erfüllt jedes Wahl­ modell zugleich eine entsprechende Signalfunktion für alle (potentiell) betrof­ fenen Akteure, die gerade mit der teilweise restriktiven Ausgestaltung der in Betracht kommenden Alternativen zusammenhängt.110 Bereits an anderer Stelle ist angeklungen, daß es sich hierbei letztlich um eine spezielle Ausprägung von Netzwerk- und Lerneffekten handelt.111 Ähnlich wie die Notierung in einem bestimmten Börsensegment mit qualitativen Signalen hinsichtlich der Sicher­ heit und Transparenz der Investition verbunden ist, kann damit unter Umstän­ den auch die Wahl eines bestimmten Regelungsprogramms, z. B. die Wahl einer bestimmten Rechtsform, Investoren oder anderen Gläubigern Informationen über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gesellschaft und damit letztlich über ihre Qualität als Schuldnerin vermitteln. Auch die Funktionsweise von Wahlmodellen ist damit nicht zuletzt von expressiven Normwirkungen ge­ prägt.112 Insgesamt erfüllen Wahlmodelle – im Prinzip nicht anders als dispositive Vorschriften mit regulatorischer Ausrichtung – sowohl Erleichterungs- als auch Ordnungsfunktionen. Aus funktionaler Perspektive können sie einerseits ge­ staltungsoffen und damit flexibel genug gehalten werden, um private Problem­ lösungskompetenz zu aktivieren. Andererseits sind sie aber geeignet, die Schutzfunktionen zwingender Regulierung zu übernehmen. Unter funktiona­ len Gesichtspunkten besonders interessant sind die offenbar bestehenden Wech­ selwirkungen zwischen der damit notwendigerweise ausgelösten Beschränkung der insgesamt bestehenden Gestaltungsspielräume einerseits und den Vorteilen, die auf den mit erhöhter Standardisierung verbundenen Gewinn an Rechtssi­ cherheit für alle jeweils betroffenen Akteure zurückzuführen sind.113 110   Anschaulich Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a., Anatomy, 2. Aufl. 2009, S. 1, 22: “[A] given jurisdiction can provide for a menu of different standard form legal entities from which parties may choose in structuring an organization. (…) The result is to enhance an entrepreneur’s ability to signal, via her choice of form, the terms that the firm of­ fers to other contracting parties, and to make credible the entrepreneur’s commitment not to change those terms. Formation as a business corporation, for example, signals simply and clearly – to all who deal with the firm, whether by purchasing shares or simply by contract – that the firm is characterized by a variety of familiar governance provisions, and that it will continue to have those characteristics unless and until it changes statutory form. Thus, para­ doxically, greater rigidity within any particular form may actually enhance overall freedom of contract in structuring private enterprise, so long as there is a sufficiently broad range of alternative forms to choose from.” Vgl. allgemein Iacobucci, 6 Am. L. & Econ. Rev. 319  ff. (2004); in diese Richtung wohl auch Coffee, 53 Brook. L. Rev. 919, 948, 973  ff. (1988). Speziell zu den daraus resultierenden Perspektiven für den Systemwettbewerb in Europa Kamar, in: Ferrarini/Wymeersch (Hrsg.), Investor Protection in Europe, 2006, S. 59  ff. 111   Siehe bereits oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 3. c) bb) (S. 117  ff.). 112   Zu diesen allgemein bereits oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub A. II. (S. 56  ff.). 113   Letzteres läßt sich als Ausprägung eines allgemeinen Grundprinzips begreifen. So be­ stehen beispielsweise deutliche Parallelen zur verwaltungswissenschaftlichen Diskussion

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

II.  Funktionsvoraussetzungen Im Grundsatz ähnlich wie bei den bisher untersuchten Formen von Strategien, die die private Initiative als innerhalb im übrigen gesetzlich präformierter Re­ gelprogrammen zu aktivieren suchen, zählt zu den Funktionsvoraussetzungen von Wahlmodellen, daß es auf ihrer Grundlage tatsächlich zu den vom Gesetz­ geber angestrebten Wahlentscheidungen kommt. Der Stellenwert dieser Vor­ aussetzung ist allerdings geringer als bei rein prozedural orientierten Regulie­ rungsstrategien (unten 1.). Bedeutsamer ist, daß die Grundfunktion von Wahl­ modellen, durch inhaltliche Vorgaben für die zur Verfügung gestellten Gestal­ tungsmöglichkeiten insgesamt Ordnungszielen zur Durchsetzung zu verhelfen, nur unter der Voraussetzung homogener Regulierungskompetenz realisiert werden kann (unten 2.).

1.  Passivität der Normadressaten Auch die Effektivität von Wahlmodellen hängt grundsätzlich davon ab, daß die betreffenden Akteure tatsächlich von der Wahlmöglichkeit Gebrauch machen und sich dabei von rationalen, sachbezogenen Erwägungen leiten lassen. Wahl­ modelle geben dabei die Ergebnisse der privaten Gestaltung in stärkerem Maße vor als Verfahrensregeln oder Regelungsaufträge. Das Ziel, einen flexiblen, aber gleichwohl verläßlichen und bestimmte Schutzzwecke berücksichtigen Rahmen für die private Gestaltung zu bieten, kann daher zumindest in gewissem Um­ fang unabhängig davon erreicht werden, ob die zugrundeliegenden Prämissen im Hinblick auf die bei den Adressaten verfügbare Problemlösungskompetenz erfüllt sind oder nicht. Daß es aufgrund von Wahlmodellen überhaupt zu Wahl­ entscheidungen kommt, bleibt damit zwar eine Funktionsvoraussetzung, die erfüllt sein muß; tatsächlich wird sie indes immer dann erfüllt sein, wenn die jeweiligen Akteure gezwungen sind, diese Entscheidung zu treffen, um über­ haupt von den Vorteilen einer der insgesamt zur Verfügung stehenden Hand­ lungsmöglichkeiten profitieren zu können. Sollen beispielsweise die mit der Organisation als Kapitalgesellschaft verknüpften Vorteile, z. B. die Haftungs­ beschränkung zugunsten der Gesellschafter, in Anspruch genommen werden, über die Gewährleistung von Rechtssicherheit durch Beschränkung des Verwaltungshan­ delns auf einen bestimmten Formenkanon; vgl. zur „ordnenden Kraft“ der verwaltungswis­ senschaftlichen Rechtsformenlehre grundlegend insoweit Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, Sechstes Kap. Tz. 34  ff. m. w. N., insbes. Rn. 34: „Rechts­ praktisch wirken [etablierte Rechtsformen des Verwaltungshandelns mit festem Inhalt] als fertige Zuordnungsmuster, die das Auffinden konkreter Lösungen erleichtern (Speicherfunk­ tion). Rechtskonstruktiv sollen sie das Verwaltungshandeln nach den Prinzipien der distanz­ schaffenden Konzentration und der adäquaten Rechtsfolgenverknüpfung strukturieren (Ordnungsfunktion).“

C.  Wahlmodelle

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so muß eine Entscheidung zwischen den jeweils zur Verfügung stehenden Rechtsformen einschließlich aller jeweils damit verbundener Vor- und Nachtei­ le getroffen werden. Und wollen sich die Gesellschafter in der Rechtsform der SE (neu) organisieren, so ist damit nach Art. 38 lit. b SE-VO zwingend die Wahl zwischen dualistischer und monistischer Verwaltungsstruktur verbunden. Ein derartiger Handlungszwang, der zumindest ein vollständiges Fehlschlagen der auf die Aktivierung privater Gestaltung abzielenden Strategie ausschließt, kann aber – außer durch eine Kombination aus Wahlmodellen und Regelungsaufträ­ gen114 – auch durch isolierte Wahlmöglichkeiten innerhalb ansonsten zwingen­ der Regelungsprogramme ausgelöst werden, wie er im Bilanzrecht mit der han­ dels- und kapitalmarktrechtlichen Pflichtpublizität verknüpft ist: Weil und so­ weit die Adressaten von Publizitätspflichten zur Rechnungslegung in einer be­ stimmten Form gezwungen sind, ist das Risiko, daß es nicht zur Ausübung der bereits erwähnten bilanzrechtlichen Wahlrechte kommt,115 praktisch kaum von Bedeutung. Damit ist ein wichtiger Unterschied zwischen Wahlmodellen und den oben diskutierten Formen prozeduraler Regulierungsstrategien identifi­ ziert: Gerade weil Wahlmodelle mit finalen Vorgaben auf die Ergebnisse der privaten Gestaltung einwirken und mithin nicht als Ausdruck einer prozedura­ len Regulierungsstrategie qualifiziert werden können, ist ihr Funktionieren in geringerem Maße von ex ante oft kaum verifizierbaren Prämissen über Anreize und Motivation der privaten Akteure zur eigenverantwortlichen Problemlö­ sung abhängig. Auch in diesem Zusammenhang spielt zudem eine Rolle, daß Wahlmodelle umfassende Informationen über die insgesamt zur Verfügung ste­ henden Gestaltungsmöglichkeiten bieten und damit Prognoseprobleme und Planungsunsicherheiten reduzieren, die bei ergebnisoffenen Verfahrensregeln und Regelungsaufträgen zu suboptimaler Verhandlungsaktivität führen kön­ nen.116

2.  Konsistenz von Regulierungszielen und Homogenität der Normurheberschaft Wahlmodelle können nach den oben gewonnenen Erkenntnissen Schutzziele effektiver erreichen, als es im Rahmen von Verfahrensregeln oder Regelungs­ aufträgen realisierbar wäre. Dies weist allerdings zugleich auf eine weitere Funktionsvoraussetzung hin: Eine Regulierungsstrategie, die Regulierungszie­ le mittels Wahlmodellen verwirklichen will, setzt naturgemäß eine konsistente Ordnungskonzeption ebenso voraus wie einen tatsächlichen Ordnungswillen.   Siehe hierzu bereits oben sub B. I. 1. (S. 356) bei und in Fn. 65  f.   Siehe nochmals oben vor I. (S. 368) bei und in Fn. 99. 116   Vgl. nochmals Ayres, 73 U. Chi. L. Rev. 3, 5 (2006), und insoweit bereits oben vor I. (S. 368) bei und in Fn. 99. 114

115

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

Deshalb erfordert sie insbesondere die Hegemonie des jeweiligen Normurhe­ bers über das Spektrum der zur Wahl gestellten Regelprogramme. Hieran kann es auch und gerade dann fehlen, wenn den jeweiligen privaten Akteuren die Wahl zwischen untereinander nicht abgestimmten Regelungsprogrammen er­ öffnet wird, welche von unterschiedlichen Urhebern mit jeweils abweichenden Ordnungsvorstellungen verfaßt worden sind. Derartige Diskrepanzen können – beispielsweise infolge einer unkoordinierten Koexistenz von Ordnungszielen aus unterschiedlichen historischen Phasen – sogar ohne äußere Einflüsse entste­ hen. Besondere Probleme ergeben sich indes im Zusammenhang mit Normen­ programmen, die ohne (oder gegen) den Willen der Normurheber in Wettbe­ werb miteinander treten. Dieser erhöht zwar die Wahlfreiheit und vergrößert damit den Entscheidungsspielraum der Normadressaten, verringert aber gerade deshalb zugleich die gesetzgeberischen Möglichkeiten, durch die Ausgestaltung der zur Wahl gestellten Regelprogramme insgesamt die auf ihrer Grundlage entwickelten Gestaltungsergebnisse inhaltlich zu beeinflussen. In einem rein autonom bestimmten Regulierungsumfeld kann ein Normurheber Schutzziele erreichen, indem er die von ihm alternativ zur Verfügung gestellten Gestal­ tungsmöglichkeiten mit objektiven, für die Adressaten mit Restriktionen ver­ bundenen Ordnungszielen quasi auflädt. Versucht er dies allerdings in einem von Systemwettbewerb geprägten Umfeld, setzt er sich dem Risiko aus, daß die betroffenen Adressaten keiner der ihnen von diesem Normurheber gebotenen Alternativen, sondern statt dessen eine weniger restriktive Alternative aus ei­ nem konkurrierenden Wahlmodell eines anderen Normurhebers wählen. Daß derartige Arbitrageeffekte gerade im Zusammenhang mit der Konkurrenz von Rechtsordnungen drohen, ist naturgemäß keine neue Erkenntnis; die Konse­ quenzen eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen auch und gerade im Gesell­ schaftsrecht sind vielmehr schon vielfach untersucht.117 Eine (De-) Regulie­ rungsstrategie, die auf eine umfassende Öffnung von Rechtsordnungen für ei­ nen Systemwettbewerb abzielt, kann vor diesem Hintergrund schon aus kon­ zeptionellen Gründen nicht zu den Wahlmodellen im hier verwendeten Sinne gerechnet werden,118 obwohl sie die Maximierung der Wahlmöglichkeiten be­ wirkt. Vielmehr bedroht sie zwangsläufig die Existenz nationaler Wahlmodelle insofern, als sich damit autonom vorgegebene Ordnungsziele in faktischer Irre­ levanz zu verlieren drohen. 117   Vgl. aus dem US-amerikanischen Schrifttum – mit kontroversen Bewertungen – noch­ mals einerseits Cary, 83 Yale L.J. 663  ff. (1974) („race to the bottom“ als Konsequenz), ande­ rerseits (positive Effekte des Systemwettbewerbs betonend) Romano, Genius, passim; dies., 8 Cardozo L. Rev. 709, 753 (1988); und bereits Winter, 6 J. Legal Stud. 251  ff. (1977); in der deutschsprachigen Literatur grundlegend Kieninger, Wettbewerb der Rechtsordnungen, S. 99  ff., 106  ff.; zur neueren Entwicklung in Europa etwa Gelter, (2005) 5 JCLS 247  ff.; Heine, Regulierungswettbewerb, passim; siehe auch Eidenmüller/Engert/Hornuf, EBOR 10 (2009), 1  ff. (SE als Vehikel für die Regulierungsarbitrage). 118   Insoweit abweichend wohl Bachmann, JZ 2008, 11, 15.

C.  Wahlmodelle

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Zu betonen ist allerdings, daß derartige Effekte keineswegs nur negativ zu bewerten sein müssen. Systemwettbewerb zwischen autonomen Regelungspro­ grammen kann zur Erosion der diese prägenden Wertvorstellungen und Ord­ nungsziele führen, wie dies – unter dem Schlagwort des „race to the bottom“ – die Kritiker des gesellschaftsrechtlichen Regulierungswettbewerbs zwischen den US-Bundesstaaten zugunsten des permissiven Gesellschaftsrechts in Dela­ ware prominent problematisiert haben.119 Ein derartiger Systemwettbewerb kann dabei durchaus fruchtbar sein, indem er auf Verkrustungen und Fragwür­ digkeiten nationaler Gestaltungsmuster aufmerksam macht und zur kritischen Überprüfung möglicherweise ineffizienter Lösungen anregt.120 Zudem muß es auch bei umfassender Konkurrenz der Rechtsordnungen nicht zwangsläufig dazu kommen, daß sich die am wenigsten restriktive Alternative durchsetzt. Dies wird, ohne daß dem im vorliegenden Rahmen nachgegangen werden könn­ te, teilweise auch für die Rechtsentwicklung in den Vereinigten Staaten postu­ liert.121 Aus der jüngeren deutschen Rechtsentwicklung läßt sich als Indiz an­ führen, daß die nach der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Ge­ richtshofs zulässige Abwahl der mit den Rechtsformen der AG und der GmbH einhergehenden, restriktiven Pflichtenprogramme, insbesondere der jeweiligen Gläubigerschutzregimes, keineswegs zur vollständigen Ablösung etwa der deutschen GmbH durch die englische Private Limited Company als Funktions­ äquivalent geführt hat.122 Neben der jeweiligen Regulierungsdichte und der Ri­ gidität der Regelungen spielen vielmehr weitere Faktoren eine Rolle, welche die mit permissiven Regimes verbundene Attraktivität relativieren, ggf. sogar aus­ gleichen können. Insbesondere kann die „Abwahl“ eines etablierten Regelpro­ gramms unterbleiben, weil und soweit im jeweiligen Sachkontext Erfahrungen mit der Handhabung einer später hinzutretenden Alternative fehlen und/oder die „neue“ Alternative im Rechts- und Wirtschaftsverkehr der „aufnehmen­   Vgl. nochmals insbes. Cary, 83 Yale L.J. 663  ff. (1974).   Vgl. auch den Hinweis auf die mit Wahlmodellen verknüpften Perspektiven einer expe­ rimentellen Rechtssetzung Bachmann, JZ 2008, 11, 17. Ein anschauliches Beispiel hierfür bie­ tet die Diskussion über den Stellenwert des Gläubigerschutzes durch starre Mindestkapitalre­ gelungen und Kapitalschutzvorschriften in Europa, die in jüngerer Zeit insbesondere auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Zulässigkeit der identitätswah­ renden Sitzverlegung in den Rechtssachen Centros, Inspire Art und Überseering befeuert worden (dazu oben, 1. Kap., sub B. II. (S. 333) bei und in Fn. 27); vgl. exemplarisch aus dieser Diskussion nochmals die Beiträge in Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft, pas­ sim; Merkt, ZGR 2004, 305  ff.; Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695  ff.; Schön, ZGR 2000, 706  ff. 121   In diese Richtung wiederum etwa Romano, Genius, passim; Winter, 6 J. Legal Stud. 251  ff. (1977); ders., 89 Colum. L. Rev. 1526  ff. (1989); siehe nochmals auch Daines, 62 J. Fin. 525  ff. (2001), der einen unternehmenswertsteigernden Effekt der Inkorporierung in Delawa­ re postuliert; dagegen Subramanian, 20 J.L. Econ. & Org. 32 (2004) (dies verneinend); dazu auch Bebchuk/Cohen/Ferrell, 90 Cal. L. Rev. 1775, 1786  f. (2008); Bebchuk/Hamdani, 112 Yale L.J. 553  ff. (2002). 122   Vgl. nochmals auch Klausner, 31 J. Corp. L. 779, 793  f. (2006). 119

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

den“ Rechtsordnung deshalb oder aus anderen Gründen nur geringe Reputati­ on genießt. Auch insoweit wirken die sich die mit den jeweiligen Alternativen verbundenen Signalwirkungen aus. Je stärker die Handhabung von der Einbet­ tung in größere Regelungszusammenhänge abhängt, die nicht durch den kon­ kurrierenden Normurheber, sondern durch den Urheber der „aufnehmenden“ Rechtsordnung geprägt sind, desto größer kann die Unsicherheit über die wei­ teren Implikationen der Wahlentscheidung ausfallen, was die Anreize zur Wahl der Alternative weiter verringert. Beispielhaft auch dafür stehen die mit der Wahl der Rechtsform einer Private Limited Company englischen Rechts ver­ bundenen Unwägbarkeiten im deutschen Recht, die etwa die kollisionsrechtlich zu entscheidenden Konflikte zwischen Gesellschafts- und Insolvenzstatut und die Vereinbarkeit deutschen Sachrechts mit der Organisations- und Finanzver­ fassung der Limited Company betreffen.123 Ob tatsächlich autonom entwickelte nationale Wahlmodelle an Steuerungs­ kraft einbüßen, wenn die jeweilige Rechtsordnung freiwillig oder gezwunge­ nermaßen in Wettbewerb zu konkurrierenden Regulierungsprogrammen tritt, läßt sich nach alledem nicht schematisch und verallgemeinernd bewerten. Ent­ scheidend kommt es vielmehr zunächst darauf an, ob und inwieweit die hinzu­ tretenden konkurrierenden Gestaltungsmodelle im jeweiligen Fall tatsächlich im Hinblick auf die jeweils verfolgten Ordnungsziele und, damit verknüpft, die Regulierungsdichte von den vorgefundenen Wahlmodellen abweichen. Eine Erosion nationaler Regulierungsstrategien ist naturgemäß nur dann zu be­ fürchten, wenn überhaupt ein signifikantes Gefälle besteht, das entsprechende Anreize zur „Abwahl“ der etablierten und vertrauten Gestaltungen, mithin zur Ausnutzung von Arbitrageeffekten durch Abwanderung in eine permissivere ausländische Rechtsform, begründen kann. Zu berücksichtigen sind sodann die erörterten zusätzlichen Faktoren für die Wahlentscheidung und damit letztlich der wiederum nur im Hinblick auf konkrete Problemkomplexe, aber nicht ab­ strakt identifizierte Stellenwert von Netzwerk- und Lerneffekten, die sich in der Handhabung mit dem vorgefundenen Wahlmodell entwickelt haben:124 Je gewichtiger die mit diesen verbundenen Effizienzvorteile in concreto ausfallen, desto stärker relativiert dies zugleich die von einer neu hinzutretenden Wahl­ möglichkeit erwartbaren Vorteile. Auch die nationalen Wahlmöglichkeiten weisen mithin – insofern dispositivem Recht nicht unähnlich125 – Persistenznei­ gungen auf, die auch angesichts objektiv oder subjektiv „besserer“ (bzw. effizi­ 123   Vgl. etwa Kühnle/Otto, IPRax 2009, 117  ff.; siehe auch Schillig, ZVglRWiss 106 (2007), 299  ff. und 484  ff.; ferner Blaurock, in: FS H. P. Westermann, 2008, S. 821  ff. (zu den kollisions­ rechtlichen Problemen einer stillen Beteiligung an einer Limited). 124   Grundlegend insoweit Klausner, 31 J. Corp. L. 779, 789  ff. (2006); siehe auch schon dens., 81 Va. L. Rev. 757, 790  f. (1995); insoweit abweichend wohl Butler/Ribstein, 65 Wash. L. Rev. 1, 58  ff. (1990). 125   Vgl. allgemein zur Bedeutung von Netzwerk- und Lerneffekten für strukturimmanen­ te Persistenzneigungen schon oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 3. c) bb) (S. 117  ff.).

C.  Wahlmodelle

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enterer, weniger restriktiver Modelle) Alternativen nur überwunden werden, wenn die für die Wahl einer abweichenden Alternative streitenden Anreize in der Wahrnehmung der jeweiligen Entscheidungsträger besonders gewichtig sind. Erst wenn sich für die Handhabung der neu hinzutretenden Alternative wiederum ein gewisser Kanon an dokumentierten126 und damit auch für künf­ tige Entscheidungssituationen verfügbaren praktischen Erfahrungen angesam­ melt hat, verlieren die mit dem vorgefundenen Recht verbundenen Persistenz­ neigungen an Bedeutung. Exemplarisch zeigt dies die Entwicklung der Rezep­ tion der Rechtsform der SE insbesondere in Deutschland: Nach anfänglich auch hierzulande zu beobachtender Zurückhaltung ist inzwischen die Einschätzung weitverbreitet, daß das bei der SE im Vergleich zur AG vereinfachte Mitbestim­ mungsregime einen hinreichenden Anreiz auslöst, nicht nur den mit der Um­ wandlung als solcher unmittelbar verbundenen Aufwand, sondern zugleich die Unsicherheiten aufgrund der deutlich geringeren Praxiserfahrungen mit der neuen Rechtsform hinzunehmen.127 Es steht zu vermuten, daß derartige Stan­ dardisierungstendenzen sich bei kapitalmarktorientierten und damit überre­ gional finanzierten Unternehmen rascher durchsetzen als bei Unternehmen, deren Eigen- und Fremdkapitalgeber regional beschränkt und damit resistenter gegen neu hinzukommende Gestaltungsmöglichkeiten sind.128 Dies gilt nicht nur, weil die für die Börsennotierung zu erfüllenden standardisierten Anforde­ rungen typischerweise internationale Entwicklungen der Finanzierungspraxis nachzeichnen werden, sondern auch, weil (institutionelle) Investoren in den Gesellschafterkreis eintreten können, die ihr Engagement vielfach an die Be­ dingung der Einhaltung bestimmter einheitlicher Corporate-GovernanceGrundsätze knüpfen und sich damit als durchaus effektive Katalysatoren von Standardisierungstendenzen erwiesen haben.129 Für die funktionale Bewertung von Wahlmodellen können nach alledem vier zentrale Ergebnisse festgehalten werden: Erstens können, auch wenn dieser Ef­ fekt durch die soeben skizzierten Persistenzneigungen in gewissem Umfang kompensiert wird, Systemwettbewerb und dadurch induzierte Inkonsistenzen im Hinblick auf die jeweils verfolgten Regulierungsziele den planvollen Einsatz von Wahlmodellen gefährden und die Effektivität einer darauf setzenden Regu­ lierungsstrategie verringern. Umgekehrt müssen neu zu etablierende Wahlmo­ delle – zweitens – zusätzlich zu den bei jedem Rezeptionsprozeß begegnenden 126   Insoweit spielt ein Kanon veröffentlichter Judikatur ebenso eine Rolle wie – jedenfalls in der deutschen Praxis – die wissenschaftliche Aufbereitung der jeweiligen Rechtsproble­ me. 127   Bestätigend nunmehr die empirische Untersuchung von Eidenmüller/Engert/Hornuf, EBOR 10 (2009), 1  ff.; siehe auch dies., AG 2008, 721  ff. 128   Dies indizieren zumindest empirische Beobachtungen zum Systemwettbewerb in den US-amerikanischen Bundesstaaten, der sich praktisch vor allem auf kapitalmarktorientierte Gesellschaften beschränkt; vgl. dazu nochmals die Nachw. soeben Fn. 117. 129   Vgl. schon oben, 1. Abschn., 2. Kap., sub A. I. 1. c) (S. 258) bei und in Fn. 17.

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

technisch-systematischen Anpassungsschwierigkeiten130 stets bestehende Per­ sistenzneigungen der vorgefundenen Regelungsmodelle überwinden. Etwas anderes gilt nur, wenn sie zusätzlich zu bereits vorhandenen implementiert wer­ den und nicht (praktisch heute kaum mehr denkbar) erstmals überhaupt be­ stimmte Gestaltungen ermöglichen sollen. Fehlen starke Anreize zur „Ein­ wahl“ in ein neues Regime, wie sie etwa für die in Deutschland errichtete SE mit dem im Vergleich mit der AG vorteilhaften Mitbestimmungsregime ver­ knüpft zu sein scheinen, kann auch deshalb die Akzeptanz der Neuregelung gering bleiben.131 Auch in diesem Kontext sind Netzwerk- und Lerneffekte mit durchaus ambivalenten Wirkungen verbunden; die mit ihnen verknüpften Effi­ zienzvorteile führen zwangsläufig zur Trägheit auch gegenüber objektiv sinn­ vollen und sachgerechten Innovationen.132 Umfassend angelegte Wahlmodelle, z. B. solche, die unterschiedliche Rechtsformen mit jeweils abweichenden Orga­ nisationsmustern und abweichend geschnittenen Rechten und Pflichten zur Verfügung stellen, sind aus diesen Gründen – drittens – in einem vom System­ wettbewerb geprägten Regulierungsumfeld ohne Abstimmung auf der Ebene der Regulierungsgeber kaum mehr geeignet, Ordnungszielen zur Durchset­ zung zu verhelfen. Ihre Funktion muß sich zunehmend auf die bloße Unterstüt­ zung privatautonomer Gestaltung beschränken. Denn die restriktive Ausge­ staltung der Gestaltungsalternativen ist dem Risiko ausgesetzt, infolge der „Abwahl“ überkommener nationaler Regelprogramme und „Einwahl“ in ein weniger restriktives Regime an Bedeutung zu verlieren. Unter derartigen Be­ dingungen sind deshalb, viertens, Regulierungsstrategien, die auf die Aktivie­ rung und Steuerung privater Gestaltung durch Wahlmodelle setzen, weniger in Gestalt umfassend angelegter Regelprogramme als vielmehr isoliert bezogen auf einzelne Sachprobleme in größeren Regulierungszusammenhängen denk­ bar.133

  Dazu im vorliegenden Kontext Bachmann, JZ 2008, 11, 17.   Exemplarisch zeigt dies die in Europa insgesamt sehr ungleiche Verteilung der Rechts­ form der SE; während die Verbreitung in Deutschland in jüngster Zeit stark zugenommen hat (dazu soeben bei und in Fn. 127), ist die Nachfrage beispielsweise in Großbritannien, dessen autonomes Gesellschaftsrecht eher permissiv geprägt ist, ausgesprochen gering; vgl. etwa die Übersicht bei Wenzel, in: Van Hulle/Maul/Drinhausen (Hrsg.), Handbuch SE, 1. Abschn., Rn. 19. 132   Vgl. allgemein nochmals schon Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 808  ff. (1995), und bereits oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 3. c) cc) (S. 126  ff.). 133   Beispielhaft dafür stehen wiederum die durch Artt. 9, 12 der Übernahmerichtlinie er­ öffneten Wahlmöglichkeiten; vgl. dazu bereits oben vor I. (S. 368) bei und in Fn. 99. 130 131

C.  Wahlmodelle

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III.  Fazit Wahlmodelle kombinieren nach alledem die Steuerungswirkungen des zwin­ genden Rechts mit den Vorteilen dispositiver Normen.134 Dies gilt sowohl für Wahlmodelle im umfassenden, komplette Regelprogramme einschließenden Sinn, als auch für solche, die sich auf isolierte Sachprobleme in größeren Rege­ lungszusammenhängen beschränken. Die darin angelegte Allokation der Regu­ lierungsverantwortung im Zusammenspiel von Normgeber und privaten Ak­ teuren kann auch zur Gewinnung von Informationen über die mit den zur Wahl gestellten Alternativen und mithin im Sinne einer Art experimenteller Recht­ setzung genutzt werden.135 Zwar ist die Gestaltung neuer Wahlmodelle wie je­ des Regulierungsrecht auf Prognosen angewiesen und begegnet damit wieder­ um den bereits an anderer Stelle erörterten Informationsproblemen.136 Wenn ihre Rezeption durch die Normadressaten seitens des Gesetzgebers kontinuier­ lich beobachtet wird, läßt sich die regulierungsvorbereitenden Informationsba­ sis damit allerdings besonders wirksam verbessern: Zeichnen sich Veränderun­ gen im Wahlverhalten ab, so kann dies ggf. Korrekturbedarf signalisieren, auf den dann mit entsprechenden Anpassungen reagiert werden kann. Wenn und soweit die jeweiligen Alternativen, für sich genommen, inhaltlich detailliert durch Gesetzesrecht vorgegeben werden, geht dies mit verschärften Restriktionen für die private Gestaltungsfreiheit, aber potentiell auch mit ei­ nem erhöhten positiven Informationswert und mit größerer Verläßlichkeit für die Adressaten einher, die insgesamt der privaten Gestaltung förderlicher sein können als ergebnisoffene Regelungen oder die Beschränkung auf lediglich eine dispositive Lösung. Eine derart starke materiale Prägung führt allerdings dazu, daß die betreffenden Wahlmodelle nicht mehr dem Kreis der prozeduralen Re­ gulierungsstrategien137 zugerechnet werden können. Weil sie private Gestaltung ermöglichen, aber zugleich inhaltliche Grundentscheidungen der Gestaltung durch die Adressaten entziehen und dem Gesetzgeber vorbehalten, sind Wahl­ modelle zugleich auf Konsistenz der Regulierungsziele und damit letztlich auf Homogenität der Urheber der insgesamt zur Verfügung stehenden Gestaltungs­ alternativen angewiesen: Je stärker die inhaltliche Ausgestaltung der Vorgaben für die jeweils zur Wahl stehenden Alternativen in den Dienst konkreter Ord­ nungsziele gestellt werden soll, desto stärker ist das betreffende Wahlmodell in   Zutr. Bachmann, JZ 2008, 11.   Vgl. nochmals schon Bachmann, JZ 2008, 11, 17. 136   Treffend Bachmann, JZ 2008, 11, 17: „Erschwert wird die Gestaltung alternativer Mo­ delle durch die Komplexität des Rechtssystems. Modelle in zwingender Rechtsform sind ein­ gepaßt in ein Geflecht bestehender Regeln der Gesamtrechtsordnung. Sehr häufig hat sich dabei im Laufe der Zeit ein evolutionäres Gleichgewicht zwischen dem Modell und seinem Rechtsumfeld herausgebildet. Fern- und Nebenwirkungen, die ein neues, am Reißbrett ent­ worfenes Alternativmodell auslöst, kann selbst der weiseste Gesetzgeber nicht vorhersehen.“ 137   Zu diesen bereits oben sub A. I. 1. (S. 338  f.). 134 135

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

einem vom Systemwettbewerb geprägten Regulierungsumfeld von Effektivi­ tätsverlusten bedroht. Damit reduzieren sich die Möglichkeiten, Wahlmodelle zu Regulierungszwecken und nicht lediglich zur bloß unterstützenden Erwei­ terung des Kreises möglicher Gestaltungsalternativen einzusetzen, zunehmend auf die Bereitstellung von Alternativen im Hinblick auf konkrete, gegenständ­ lich beschränkte Regelungsprobleme.

D.  Zwischenbilanz Das vorstehende Kapitel hat mit Verfahrensregeln, Regelungsaufträgen (sowie verwandten Konzepten) und den hier sogenannten Wahlmodellen mögliche Re­ aktionen auf das im vorangegangenen Abschnitt herausgearbeiteten Problem der regulierungsvorbereitenden Information untersucht. Aus funktionaler Per­ spektive weisen die drei Modelle eine zentrale Parallele auf: Wenn auch auf un­ terschiedliche Weise, kann damit auf der Ebene der Formulierung von Regulie­ rungsstrategien versucht werden, die private Regulierungsinitiative und private Regulierungskompetenz gezielt zu aktivieren und zugleich in gesetzliche Regu­ lierungsprogramme einzubetten. Die Unterschiede liegen in den Gegenständen und der Intensität der gesetzlichen Einflußnahme: Verfahrensregeln delegieren im Kooperationsverhältnis zwischen Gesetzgeber und privaten Akteuren so­ wohl die Regulierungsinitiative als auch die inhaltliche Regulierungsverant­ wortung auf die letzteren; der Gesetzgeber beschränkt sich darauf, lediglich Rahmenbedingungen und Ablauf der Entscheidungsprozesse zu konturieren, während die eigentliche Entscheidungsfindung in dem so gesetzten Rahmen den jeweiligen Akteuren überlassen bleibt.138 Letzteres gilt ebenso für Rege­ lungsaufträge, bei denen sich der Gesetzgeber – im Unterschied zu Verfahrens­ regeln – die Regulierungsinitiative selbst vorbehält, indem er den jeweiligen Adressaten die vertragliche Bewältigung eines bestimmten Sachproblems zwin­ gend aufgibt.139 Das bei Regulierungsstrategien, die allein auf Verfahrensregeln setzen, stets gegebene Risiko der Ineffektivität aufgrund von Apathie der Ent­ scheidungsträger kann damit minimiert werden. Deutlich stärker ausgeprägt ist der Einfluß des Gesetzgebers auf das Gestaltungsergebnis demgegenüber in Wahlmodellen, die den privaten Akteuren (lediglich) die Wahl zwischen zwei oder mehreren inhaltlich jeweils mehr oder weniger stark gesetzlich vorgepräg­ ten Regelprogrammen belassen.140 Diese tragen hier zwar insofern die Regulie­ rungsverantwortung, als sie die Entscheidung treffen müssen, ob sie sich über­ haupt im damit gesetzten Rahmen gesellschaftsrechtlich organisieren oder an­   Oben sub A. II. 1. (S. 343  ff.).   Oben sub B. I. 1. (S. 354  ff.). 140   Oben sub C. I. (S. 368  ff.). 138 139

D.  Zwischenbilanz

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derweit wirtschaftlich betätigen möchten, doch ist ihre Entscheidungsfreiheit durch wirtschaftliche Anreize praktisch stark eingeschränkt. Die Gefahr der Apathie und damit der Irrelevanz der Wahlmöglichkeit besteht daher letztlich kaum. Wahlmodelle regen also private Gestaltung insofern an, als die Entschei­ dung, welche der jeweils angebotenen Gestaltungen am ehesten den Bedürfnis­ sen des Einzelfalls entspricht, im Rahmen der rechtsgeschäftlichen Einigung zu treffen ist. Je stärker ausdifferenziert der Kreis der zur Verfügung stehenden Alternativen ausfällt, desto mehr Gestaltungsfreiheit haben die Parteien, die zugleich vor Unsicherheiten bezüglich der Grenzen zulässiger Gestaltungen in deutlich größerem Umfang geschützt sind als im Falle eines weitgehenden Re­ gulierungsverzichts einerseits oder der Beschränkung auf nur eine, wenn auch dispositiv gehaltene, gesetzliche Lösung andererseits. Zwischen den Kategorien der Verfahrensregeln und Regelungsaufträge und der Wahlmodelle besteht bei alledem ein grundlegender konzeptioneller Unter­ schied: Sowohl Verfahrensregeln als auch Regelungsaufträge sind dem Kreis prozeduraler Regulierungsstrategien zuzuordnen. Sie sind durch das Prinzip der grundsätzlich (weitgehend) ergebnisoffenen Aktivierung privater Gestal­ tung gekennzeichnet und beruhen auf der Prämisse, daß rationale, unter Aus­ schöpfung aller den Beteiligten zu Gebote stehenden Informationsquellen ge­ führte Verhandlungen, welche die jeweils berührten Interessen umfassend inte­ grieren, zu qualitativ höherwertigen Lösungen führen als gesetzlich vorgegebe­ ne Gestaltungen.141 Wahlmodelle zeichnen sich dagegen konzeptionell gerade durch (oft weitreichende) materiale Vorgaben aus. Auch wenn sie durch die Be­ reitstellung von Handlungsalternativen Gestaltungsfreiheit gewähren, die ver­ traglich und damit im Rahmen von Verhandlungen zwischen den betroffenen Akteuren ausgeübt werden muß, sind Wahlmodelle daher nicht der Kategorie prozeduraler Regulierung zuzurechnen, sondern stellen vielmehr ein Beispiel für die Flexibilisierung final orientierter Steuerungskonzepte dar. Es konnte gezeigt werden, daß sich die drei Grundkonzepte kombinieren las­ sen, wobei die Grenzen zwischen den jeweils strukturimmanenten Funktions­ merkmalen verschwimmen. Vollständig trennscharf sind sie ohnedies insofern nicht, als auch Verfahrensregeln und Wahlmodelle in der Regel keineswegs ohne gesetzliche Schranken der Gestaltungsfreiheit auskommen werden.142 Auch Re­ gelungsaufträge orientieren sich zwar am Leitbild vollständiger Ergebnisoffen­ heit. Die mit ihnen eröffneten Spielräume finden aber schon durch die Einbet­ tung in den jeweiligen größeren Regelungszusammenhang ihre Grenzen. Gleichwohl konnte festgestellt werden, daß prozedurale Steuerungskonzepte an Funktionsfähigkeit einbüßen, je stärker sie im Rahmen von Kombinationslö­ 141   Oben sub A. I. 1. (S. 344); die dort formulierten Überlegungen lassen sich entsprechend auch auf den Regelungsauftrag übertragen. 142   Vgl. nochmals bereits Binder, ZGR 2007, 745, 774  ff.

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2. Kapitel:  Einzelne Modelle und ihre Funktionsmerkmale

sungen mit final orientierten materialen Vorgaben „aufgeladen“ werden. Die mit ihnen verknüpften, aus der Aktivierung privater Gestaltungskompetenz re­ sultierenden Vorteile gehen daher zwingend mit Einbußen im Hinblick auf ge­ setzliche Steuerungsmöglichkeiten einher. Insoweit beruhen Verfahrensregeln und Regelungsaufträge einerseits und Wahlmodelle andererseits auf konzeptio­ nell im Kern durchaus inkompatiblen Regulierungsansätzen. Ergänzend hat sich erwiesen, daß die drei Regelungsmodelle – anders als dies die gelegentlich zu wenig differenzierende rechtstheoretische Diskussion ver­ muten ließe – keineswegs unbeschränkt für alle Arten von Regelungszusam­ menhängen geeignet sind. Unmittelbar verknüpft mit den jeweiligen struk­tur­ immanenten Funktionsmerkmalen sind vielmehr Einschränkungen hinsicht­ lich des Anwendungsbereichs, die für das Funktionsverständnis der Modelle von größter Bedeutung sind: Verfahrensregeln kommen, wie ausgeführt, nur in Betracht bei Akteursgruppen, die sich überhaupt förmlich konstituieren kön­ nen, was voraussetzt, daß die jeweiligen Interessen zumindest auf gewisse Frist in unmittelbaren Wechselbeziehungen zueinander stehen. Auf das untersuchte Referenzgebiet bezogen, scheiden sie mithin aus, wo es um die Abstimmung der Rechte unterschiedlicher Gläubiger(-gruppen) außerhalb einer Insolvenz der jeweiligen Gesellschaft geht.143 Regelungsaufträge sind praktisch beschränkt auf die Gestaltung von Einzelproblemen in langfristig angelegten, im übrigen auch gesetzlich vorgegebenen Rechtsbeziehungen. Für das hier untersuchte Re­ ferenzgebiet bedeutet dies, daß Regelungsaufträge letztlich nur im Zusammen­ hang mit den gesetzlichen Vorgaben an die Konstitutivakte für die Rechtsposi­ tion der Gesellschafter (Gesellschaftsvertrag, Satzung), nicht jedoch für die überwiegend schuldrechtlich gestalteten und vielfach nicht auf eine längere Laufzeit angelegten Rechte der Fremdkapitalgeber sinnvoll konstruierbar sind.144 Allein Wahlmodelle sind nicht auf konkrete Sachzusammenhänge be­ schränkt, sondern vielfältig einsetzbar.

  Oben sub A. II. 2. a) (S. 347)   Oben sub B. I. 2. a) (S. 358  f.).

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3. Kapitel

Gestaltungsaufgabe und gestaltungsleitende Kriterien – vorläufige Grundzüge einer Regulierungslehre Die bisher gewonnenen Erträge zu Funktionsvoraussetzungen und Funktions­ weise der zur Verfügung stehenden Regulierungsinstrumente sind im Zweiten Teil der Untersuchung um Erkenntnisse zu den sich auf der Ebene der Regulie­ rungsstrategien bietenden Kombinationsmöglichkeiten erweitert worden. Zum Abschluß des vorliegenden Teils sollen nunmehr in Auseinandersetzung damit regulierungstechnische Grundprinzipien ermittelt werden, die der Gestaltung von Regulierungsprogrammen – im Rahmen des bestehenden, weiten Gestal­ tungsermessens des Gesetzgebers – als Leitlinien dienen könnten. Dabei geht es nicht darum, Empfehlungen für die Verwendung einzelner Modelle in kon­ kreten Regelungszusammenhängen zu formulieren. Vielmehr wird angestrebt, im Sinne einer Art Prüfungsraster, das der rechtsetzungsvorbereitenden Analy­ se der in Betracht kommenden Gestaltungsmodi zugrundegelegt werden könn­ te, die wesentlichen Eckdaten herauszuarbeiten, auf die es bei der Regelsetzung jeweils ankommen wird. Damit sind zugleich diejenigen Hypothesen zu sam­ meln und zu systematisieren, die im nachfolgenden 3. Teil der Arbeit – zusam­ men mit dem methodischen Ansatz der Untersuchung allgemein – anhand aus­ gewählter Sachprobleme aus dem untersuchten Referenzgebiet auf ihre Tragfä­ higkeit überprüft werden sollen. In diesem Zusammenhang können sich die nachfolgenden Ausführungen an der in der Rechtsetzungslehre im Grundsatz seit langem etablierten Abfolge von regulierungsvorbereitender Realbereichs­ analyse, Festlegung eines Kanons der verfolgten Regelungszwecke und Analyse der in Betracht kommenden Steuerungsmethoden orientieren.  Im Rahmen der Realbereichsanalyse ist nach den bisherigen Ergebnissen der Untersuchung vor allem zu ermitteln, wie es um die Verteilung der Informationen über das jewei­ lige Sachproblem und die in Betracht kommenden Lösungen zwischen dem Ge­ setzgeber und den jeweils betroffenen privaten Akteuren steht. Wie sich gezeigt hat, handelt es sich dabei um die wichtigste Determinante für die Effektivität    Beachte dazu für das deutsche Recht nochmals BVerfG, Urt. v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77, 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/79 und 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290, 355 (Mitbestim­ mung) und dazu bereits oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 1. (S. 81).    Vgl. insoweit nochmals nur Noll, Gesetzgebungslehre, S. 63  ff.; siehe auch schon oben, 1. Teil, 1. Kap., sub C. IV. (S. 33) bei und in Fn. 64.    Oben, 1. Abschn., 3. Kap. (S. 284  ff.).

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3. Kapitel:  Gestaltungsaufgabe und gestaltungsleitende Kriterien

von Rechtsnormen (unten A.). Die in Betracht kommenden Regulierungsziele lassen sich bereits nach den schon vorliegenden Erkenntnissen zwei Gruppen zuordnen (unten B.): Einerseits kann es um Standardisierung mit dem (aus­ schließlichen) Ziel der Erleichterung des Rechtsverkehrs gehen; andererseits können materielle Schutzziele (etwa der Schutz einzelner Interessen oder Inter­ essengruppen) verfolgt werden, wobei beide Aspekte auch miteinander ver­ knüpft sein können. Schließlich läßt sich aus den bisher gewonnenen Erträgen ein Katalog von Einzelerwägungen für die Wahl unter den jeweils in Betracht kommenden Regulierungsinstrumenten und Regulierungsstrategien zusam­ menstellen (unten C.).

A.  Informationelle Rahmenbedingungen Daß das – letztlich in den Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit wur­ zelnde – Problem einer unzureichenden Informationsgrundlage zu den zentra­ len Ursachen für Funktionsdefizite gesetzlicher Regulierung zählt, ist bereits gezeigt worden. Die damit angesprochenen Schranken begrenzen auch den Spielraum für die Gewinnung von Leitlinien für die Wahl unter den verfügba­ ren Regulierungsmodi (Regulierungsinstrumente und -strategien) (unten I.). In Auswertung der bisherigen Erkenntnisse zu den Funktionsmerkmalen un­ terschiedlicher Regulierungsstrategien lassen sich gleichwohl einige Grundsät­ ze für die Wahlentscheidung aufstellen, die im Rahmen der Neu- oder Weiter­ entwicklung von Regulierungsprogrammen für das vorliegend untersuchte Referenzgebiet herangezogen werden könnten (unten II.).

I.  Erkenntnisgrenzen und Auswirkungen auf die Programmierbarkeit der Wahlentscheidung Jeder Versuch einer Art Rezeptur für die Optimierung des Wahlergebnisses in konkreten Regelungszusammenhängen wäre schon deshalb unrealistisch und zum Scheitern verurteilt, weil die Informationsbasis nicht nur hinsichtlich der einzelnen Regulierungsgegenstände, sondern auch hinsichtlich der Wirkungen der in Betracht kommenden Regulierungsinstrumente und -strategien im kon­ kreten Sachzusammenhang begrenzt ist. Dies gilt nicht nur für die Verteilung der Regulierungsverantwortung durch Verwendung zwingenden oder disposi­ tiven Rechts, sondern allgemein für alle der bisher untersuchten Sachfragen. Verläßliche Maßstäbe für die Beurteilung der Effektivität von Regulierungs­   Treffend insoweit Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1742  ff. (1989): „unknowable ideal ba­ lance“. 

A.  Informationelle Rahmenbedingungen

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programmen stehen auch mit Blick auf die komplexen Sachzusammenhänge, in die das Regulierungsrecht eingreift und mit denen es in Wechselwirkungen steht, nicht zur Verfügung. Daher kann es im folgenden nicht darum gehen, Entscheidungsregeln für die Gewinnung der (jeweils) „optimalen“ Gestaltungs­ lösung zu gewinnen. Der Kreis der erforderlichen Informationen läßt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern hängt von der formalen und inhaltlichen Ausge­ staltung der im Einzelfall angestrebten Lösung ab.  Deshalb ist es ausgeschlos­ sen, abstrakte, aber gleichwohl für jedes Regulierungsvorhaben operationali­ sierbare Konzepte aufzustellen, nach denen sich die jeweils erforderliche Infor­ mationsbasis in standardisierten Erkundungsprozessen gewinnen ließe. Inso­ fern stehen die rechtstatsächlichen Rahmenbedingungen mit den durch die eingesetzten Regulierungsinstruente ausgelösten Verhaltensanreizen in Wech­ selwirkungen, die – je nach Lage des Einzelfalls – die beabsichtigen Steuerungs­ wirkungen erhöhen, sie verringern oder zu unbeabsichtigten Fehlsteuerungsef­ fekten führen können.  Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, daß auch die in der Rechtsetzungslehre bislang entwickelten Grundsätze für eine regulie­ rungsvorbereitende Realbereichsanalyse über allgemeine Leitlinien nicht hin­ ausgelangt sind und sich im wesentlichen auf grundlegende Postulate, z. B. zur Einbeziehung der Erkenntnisse anderer einschlägiger Forschungsdisziplinen oder zur Berücksichtigung von komplexen Nebenfolgen bei der Normfolgen­ prognose, beschränken. Normative Pauschalaussagen über die regulierungs­ technische Reaktion auf diese Herausforderungen müssen angesichts der kom­ plexen Problemlage als unpraktikabel zurückgewiesen werden. Vielmehr muß es darauf ankommen, im Rahmen von Kooperationslösungen, die gesetzliche und private Steuerungselemente miteinander verbinden, näherungsweise auf die unvermeidlichen Unsicherheiten zu reagieren.10 Inhaltlich im Detail program­ mierbar ist die Wahlentscheidung des Gesetzgebers damit nach alledem nicht.

   Vgl. auch Reimer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundla­ gen des Verwaltungsrechts, § 9 Rn. 110 („Mobile sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Beziehungen“ mit der Folge fehlender Prognostizierbarkeit der Steuerungswirkungen).    Vgl. nochmals oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 1. (S. 290  ff.).    In diese Richtung wohl auch Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1742  ff. (1989).    Vgl. zusf. nochmals Reimer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 9 Rn. 110; zum Ganzen nochmals bereits oben, 1. Ab­ schn., 3. Kap. (S. 284  ff.).    Vgl. nochmals etwa Deckert, Folgenorientierung, passim; Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen und Realfolgen, 1981, insbes. S. 137  ff.; Noll, Gesetzgebungslehre, S. 86  ff.; van Aaken, Ratio­ nal Choice, S. 169  ff.; Wälde, Folgenorientierung, passim; siehe auch Fleischer, in: FS von Ro­ sen, 2008, S. 595  ff.; zusf. Reimer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 9 Rn. 110  ff. 10   Vgl. wiederum Clark, 89 Colum. L. Rev. 1703, 1720  f. (1989); entsprechende Plädoyers für Differenzierung und Flexibilisierung insoweit auch bei Coffee, 89 Colum. L. Rev. 1618, 1625 (1989); Eisenberg, 24 J. Corp. L. 819, 824  f. (1989).

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3. Kapitel:  Gestaltungsaufgabe und gestaltungsleitende Kriterien

II.  Verfügbarkeit historischen Erfahrungswissens als Schlüsselproblem Es ist bereits herausgearbeitet worden, daß der Verfügbarkeit historischer In­ formationen über den jeweiligen Regulierungsgegenstand in rechtstatsächlicher Hinsicht einerseits und über in Betracht kommende Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien einschließlich ihrer Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise andererseits eine Schlüsselrolle zukommt:11 Gesetzliche Regulierung, gleichviel, ob zwingend oder dispositiv ausgestaltet, konserviert Informationen über das Auftreten entsprechender Regulierungsprobleme in der Vergangenheit, aber eben auch – insbesondere in der Genese von Rechtsvor­ schriften und ihrer Umgestaltung in historischen Evolutionsprozessen – über die Funktionsmerkmale der zu ihrer Bewältigung eingesetzten Lösungen. Da­ her kann und sollte die Analyse der jeweiligen historischen Entwicklungssträn­ ge an den Anfang der regulierungsvorbereitenden Sachaufklärung gestellt wer­ den. In diesem Zusammenhang kann unmittelbar an die bereits oben entwickel­ ten Szenarien und die hierzu formulierten Erwägungen angeknüpft werden, die vorliegend mit Blick auf die zu unterschiedlichen Regulierungsstrategien ge­ wonnenen Erkenntnisse nur mehr angepaßt werden müssen: Entweder ist das Regulierungsproblem neuartiger Natur und liegen noch keine tragfähigen Er­ kenntnisse über mögliche Sachlösungen vor (unten 1.) – oder es handelt sich um Probleme, die bereits zumindest in vergleichbarer Form aufgetreten sind und für die damit auf historisches Erfahrungswissen in Gestalt gesetzlicher Rege­ lungen zurückgegriffen werden kann (unten 2.).

1.  Regulierung bei neuartigen Sachproblemen Handelt es sich um ein neuartiges Sachproblem, bei dem Informationen über die zu regelnden Sachzusammenhänge und/oder über die Funktionsmerkmale der in Betracht gezogenen Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien nicht zur Verfügung stehen, gelten im wesentlichen die bereits formulierten Grundsätze fort: Die jeweils unmittelbar betroffenen privaten Akteure werden meist schon aufgrund ihrer größeren Nähe zum Sachproblem eher zur Formu­ lierung sachadäquater Lösungen in der Lage sein als der Gesetzgeber, der auf oft wenig verläßliche Prognosen angewiesen ist. Vielfach werden die Beteiligten auch hinreichende Anreize haben, eine Problemlösung im Verhandlungswege zu finden. Selbst wenn der Gesetzgeber aus punktuell gewonnenen Erfahrun­ gen mit ähnlichen Sachproblemen, etwa in der Folge eines prominenten Rechts­ streits, erste Kenntnisse erlangt, wird die Formulierung sachgerechter Lösun­ gen in Gestalt abstrakt-genereller Vorschriften vielfach auf Probleme stoßen,   Oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 3. (S. 304  f.).

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A.  Informationelle Rahmenbedingungen

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weil es an Erfahrungswissen um die tatsächlichen (nahen und fernen) Auswir­ kungen der gewählten Sachlösung mangelt.12 In derartigen Konstellationen liegt es nach den bisherigen Erkenntnissen zu­ mindest nahe, auf die (positiv-präskriptive) gesetzliche Feinsteuerung von Sachverhalten zu verzichten, weil und soweit der damit verbundene Gewinn in Gestalt erhöhter Effizienz bzw. der Erreichung anderweitiger materieller Schutzziele von den Kosten der möglicherweise zu erwartenden, durch Infor­ mationsdefizite induzierten Fehlsteuerungseffekte aufgewogen wird.13 Akzep­ tiert man dies, verbleiben dem Gesetzgeber zwei Alternativen: Er kann entweder auf jeden Regulierungsversuch verzichten und statt dessen abwarten, bis sich aus der empirisch feststellbaren Gestaltungspraxis und/oder etwa vorlie­ gender Judikatur bestimmte gefestigte Lösungsmuster ablesen lassen, die eine Rezeption durch (zwingendes oder dispositives) Gesetzesrecht gestatten. In­ haltlich prognostizieren läßt sich der Ausgang eines solchen, passiv-beobach­ tenden Ansatzes, der auf die rein marktinduzierte Standardisierung von Gestal­ tungsmustern setzt, kaum, da diese Entwicklung von Zufälligkeiten, aber auch von Pfadabhängigkeiten geprägt sein wird. Auch in dieser Hinsicht sind Effizi­ enzverluste infolge strukturimmanenter Persistenzneigungen denkbar, so daß die empirisch beobachtbare Praxis nur eine näherungsweise, nicht aber eine „blind“ verläßliche Entscheidungsgrundlage vermittelt.14 Zudem wird dieser Ansatz zumindest dann auf eine dauerhaft suboptimale Gestaltungsvielfalt hinauslaufen, wenn es an hinreichender Kommunikation zwischen den Urhe­ bern der einzelnen privatautonom entwickelten Gestaltungen fehlt, die markt­ getriebene Standardisierungstendenzen und damit einhergehende positive Netzwerk- und Lerneffekte nach sich ziehen könnte. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die betreffenden Gestaltungen nicht ausreichend oft und repräsenta­ tiv Gegenstand veröffentlichter Judikate werden. Auch und gerade weil die privaten Akteure insbesondere bei der Gestaltung langfristiger Austauschbeziehungen (relationaler Verträge) auf Schwierigkeiten stoßen, während schon eine gestaltungsoffene, dispositive Gesetzesbestimmung Anhaltspunkte vermitteln könnte, wird ein völliger Rückzug des Gesetzgebers aus der Regulierungsverantwortung oft wenig hilfreich sein.15 Alternativ kann   Vgl. schon oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 3. a) (S. 305  f.).   Überzeugend schon Cheffins, Company Law, S. 236: “If concern exists about the costs a mandatory rule will impose and there is likely to be a considerable delay before any sort of detailed amendment can take place, a solution might well be to make the relevant rules pre­ sumptive. The advantages to this approach are two-fold. One is that there is no need to worry about changing the substantive content of the legal rule in question. Instead, all that is re­ quired is the addition of a contracting out option.” Vgl. nochmals auch das Plädoyer gegen ein regulatorisches „Mikromanagement“ von Risiken bei Bechtold, Grenzen zwingenden Ver­ tragsrechts, S. 344  f. 14   Vgl. auch Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 818  f. (1995) („bandwagon pattern“). 15   Oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. I. (S. 285  f.). 12 13

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3. Kapitel:  Gestaltungsaufgabe und gestaltungsleitende Kriterien

der Gesetzgeber versuchen, auf die Entwicklung durch nuanciertere Formen der Regulierung Einfluß zu nehmen. Er wird dies regelmäßig dann anstreben, wenn das jeweilige Sachproblem hinreichend praktisch bedeutsam erscheint und die betroffenen Interessen von allzu hohem Stellenwert sind, als daß die materielle Gestaltung allein längerfristigen Evolutionsprozessen überlassen bleiben sollte. Auch das Bedürfnis der jeweils betroffenen privaten Akteure nach effizienzsteigernder Standardisierung der privaten Gestaltungspraxis kann ein Motiv zumindest für zurückhaltende und gestaltungsoffene gesetzli­ che Vorgaben liefern. Insoweit hat die Untersuchung einen umfassenden Kata­ log an Gestaltungsmöglichkeiten ermittelt, die von der dispositiven Ausgestal­ tung einzelner Normen bis hin zu den vorstehend erörterten, ganzheitlichen Ansätzen zur Aktivierung der privaten Regulierungsinitiative und Regulie­ rungskompetenz (Verfahrensregeln, Regelungsaufträge, Wahlmodelle, ggf. er­ gänzt um punktuelle negativ-präskriptive Gestaltungsschranken zum Schutz besonders sensibler Rechtsgüter) reichen.

2.  Regulierung bei Vorliegen historischen Erfahrungswissens Liegt historisches Erfahrungswissen vor, was bereits die Existenz einschlägigen Gesetzesrechts zumindest indiziert, so verfügt nach den bisher gewonnenen Erkenntnissen die hoheitliche im Vergleich mit der privaten Regulierung ten­ denziell über komparative Vorteile, was auch und gerade mit der Funktion ge­ setzlicher Bestimmungen als Speicher von Informationen über taugliche und zulässige Problemlösungen zusammenhängt.16 Läßt sich der vorgefundene Rechtszustand in diesem Sinne interpretieren, dann verlagert sich damit für den Gesetzgeber der Aufgabenschwerpunkt. Anstelle der Neugestaltung (in Rezep­ tion marktinduziert gefundener Gestaltungen oder – problematischer – im Wege der Neuschöpfung auf der Grundlage einer eigenen Bewertung des Sach­ problems) treten die Überwachung und ggf. die Anpassung des vorgefundenen Regulierungsprogramms an gewandelte Anforderungen in den Vordergrund (wobei hier die Grenzen zur oben erörterten Problematik neuartiger Sachpro­ bleme naturgemäß fließend verlaufen). Ein vollständiger Regulierungsverzicht wird dann, wenn bereits einschlägige Vorschriften zur Lösung konkreter Sach­ probleme existieren, als Option regelmäßig ausscheiden, zumal die mit dem Rückbau gesetzlicher Regelungen verbundenen Unsicherheiten für die Gestal­ tungspraxis nicht zu vernachlässigen sein werden. Deshalb, aber auch mit Blick auf das bereits erörterte Problem einer „Verkru­ stung“ durch Innovations- und Verbesserungsresistenz des geltenden Rechts17   Vgl. nochmals oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 3. b) (S. 307  ff.).   Oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub B. IV. (S. 318  ff.).

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B.  Materiale Schutzzwecke oder Standardisierung?

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sind auch bei Vorliegen historischen, gesetzlich konservierten Erfahrungswis­ sens die vorstehend untersuchten Möglichkeiten zur Aktivierung privater Ge­ staltung von Interesse. Lassen sie sich bei neuartigen Sachproblemen einsetzen, um private Gestaltungsinitiativen in experimentell orientierte, noch nicht voll­ ständig ausgereifte gesetzliche Regulierungsprogramme einzubetten,18 so liegt ihr Reiz im Rahmen bereits etablierter, in langfristigen Evolutionsprozessen gewachsener Regulierungsprogramme darin, daß mit ihrer Hilfe gewachsenes Recht partiell „aufgebrochen“ werden kann, um es innovativen Lösungsansät­ zen zu öffnen, ohne regulatorische Grundanliegen preiszugeben. Besonders deutlich wird dies am Beispiel von Wahlmodellen, bei denen – wie gezeigt – für sich genommen durchaus restriktive inhaltliche Anforderungen mit der Eröff­ nung von Gestaltungsspielräumen durch Wahl alternativer Regelprogramme verbunden werden können. Wird ein etabliertes Regulierungsprogramm um eine neue Alternative ergänzt, kann dies die Innovationskraft eines Gesamtsy­ stems erheblich erhöhen, ohne daß dies mit einem Verlust an Steuerungswir­ kungen einhergehen muß.

B.  Materiale Schutzzwecke oder Standardisierung? Die regulierungsvorbereitende Vorfrage nach der verfügbaren Informationsba­ sis über das jeweilige Regulierungsproblem und die zu erwartenden Funktions­ wirkungen der einzusetzenden Regulierungsinstrumente und Regulierungs­ strategien ist mit der Frage, welche Regulierungsziele in concreto verfolgt ­werden, eng verflochten: Verfügbare Erkenntnisse über bestimmte als lösungs­ bedürftig erkannte Sachprobleme werden meist die Formulierung konkreter Regulierungsziele erst veranlassen; auch in dieser Hinsicht steht die Informati­ on und nicht die Festlegung normativer Zielperspektiven am Beginn des Regel­ setzungsprozesses.19 Damit rücken zugleich Unterschiede in der Motivation des Gesetzgebers in den Blick, die bereits angeklungen sind, deren Auswirkungen auf die Funktionsweise unterschiedlicher Regulierungsmodi aber nochmals aufgegriffen werden müssen: Regulierung kann einerseits das Ziel verfolgen, Marktversagen in Gestalt suboptimaler Standardisierungstendenzen zu beseiti­ gen; in dieser Form liegt ihr Wert schon darin, daß den betreffenden Akteuren überhaupt eine einheitliche Lösung zur Verfügung gestellt wird. Andererseits   Vgl. insoweit nochmals auch Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 512 (speziell zur Einbettung privater Regulierung durch Corporate-Governance-Kodizes, aber verallgemeinerungsfähig); siehe dazu auch bereits oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub B. IV. (S. 318  ff.). 19   Vgl. insoweit wiederum grundlegend Noll, Gesetzgebungslehre, S. 72  ff., der folgende Phasen des Rechtsetzungsprozesses unterscheidet: den „Problemimpuls“ („alle Gründe, die die gesetzgebenden Gremien dazu bewegen, normativ tätig zu werden“), die „Problemdefini­ tion“ und erst anschließend den „Entwurf von Zielvorstellungen“. 18

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3. Kapitel:  Gestaltungsaufgabe und gestaltungsleitende Kriterien

kann sie materiellen Schutzzwecken, im untersuchten Referenzgebiet beispiels­ weise dem Schutz der Gläubiger oder dem verbandsrechtlich oder anderweit ausgestalteten Minderheitenschutz, zu dienen bestimmt sein. Die Festlegung der Regulierungsziele hat dabei auch Auswirkungen auf die Funktionsmerk­ male: Regulierung zu materialen Schutzzwecken (unten I.) wird insoweit kon­ zeptionell von höherer Komplexität sein als Regulierung zu Standardisierungs­ zwecken (unten II.). Wenn und soweit beide Zwecke miteinander verknüpft werden, relativieren sich damit allerdings auch die konzeptionellen Unterschie­ de zwischen beiden Kategorien (unten III.).

I.  Regulierung zu materialen Schutzzwecken Umfang und Gegenstände der regulierungsvorbereitenden Sachaufklärung sind bereits mehrfach erörtert worden: Effektive Regulierung setzt Informationen über das zu regelnde Sachproblem, aber auch über die Funktionsmerkmale der jeweils in Betracht kommenden Regulierungsinstrumente und Regulierungs­ strategien voraus.20 Je stärker dabei Interdependenzen zwischen beiden Aspek­ ten auftreten, desto schwieriger gestaltet sich auch die Prognose über die Rezep­ tion und Handhabung geplanter Regulierung durch die Adressaten und ggf. sonstige davon betroffene Akteure. Eben weil menschliches Verhalten in eine konkrete Richtung gesteuert werden soll, ist die Regulierungsvorbereitung auf Prognosen darüber angewiesen, welche Wirkungen die geplante Regulierung voraussichtlich auslösen wird. Insbesondere im Rahmen komplexer Regelungs­ zusammenhänge, in denen die Rechtsbeziehungen von vielfältigen Interessen und, damit teilweise verknüpft, unterschiedlichen Entscheidungsfaktoren in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht geprägt sind, können derartige Pro­ gnoseaufgaben schwierig zu bewältigen sein. Daß dies gerade für die typischen Zwecke von Regulierungsprogrammen im Gesellschafts- und Unternehmens­ recht, z. B. Gläubiger- oder Minderheitenschutz, gilt, liegt auf der Hand. Hier werden die erforderlichen Prognosen schon durch das komplexe Geflecht der involvierten heterogenen Interessen erschwert. Hinzu kommt, daß jeder An­ satz zur regulatorischen Bewältigung der vorfindlichen Sachprobleme im Rah­ men eines vielschichtigen Gefüges vorgefundener Rechtspositionen und Rechts­ pflichten implementiert werden muß, was die Komplexität der Interessenabwä­ gung nochmals erhöht.

  Oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. I. (S. 285  ff.).

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B.  Materiale Schutzzwecke oder Standardisierung?

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II.  Regulierung zu Standardisierungszwecken Diese Erwägungen lassen sich auf Regulierung, die allein oder überwiegend den Zweck verfolgt, den betreffenden Akteuren standardisierte Lösungen zur Ver­ fügung zu stellen, nicht ohne weiteres übertragen. Standardisierung kann, wie gezeigt, in bestimmten Konstellationen schon einen „Wert an sich“ darstellen. Bestehen mehrere Gestaltungsalternativen von unterschiedlicher Qualität und wählt der Gesetzgeber aus diesem Kreis eine denkbare Alternative aus, so kön­ nen die mit der Standardisierung verbundenen Effizienzvorteile unter Umstän­ den sogar Nachteile überwiegen, die sich daraus ergeben, daß eine andere als die gewählte Lösung in einzelnen Sachzusammenhängen oder allgemein vielleicht vorzugswürdig gewesen wäre. 21 Geht es einem konkreten Regulierungsvorha­ ben nur oder deutlich überwiegend um die Bereitstellung standardisierter Lö­ sungen, etwa weil davon ausgegangen wird, daß der Markt selbst derartige Lö­ sungen nicht in hinreichendem Maße produziert hat und sich daraus Ineffizien­ zen ergeben, so läßt sich daraus folgern, daß Funktionsunterschiede zwischen den jeweils bestehenden Gestaltungsalternativen an Bedeutung für den Wert der schließlich gefundenen Lösung verlieren. Ist die Standardisierung als solche mit Effizienzvorteilen verbunden, so muß nicht notwendig bis in alle Einzelhei­ ten aufgeklärt werden, welche Nah- und Fernwirkungen die geplante Regelung oder das geplante Regelungsprogramm voraussichtlich auslösen wird, um den Regulierungszweck zu erfüllen. Dies bedeutet indes keineswegs, daß es auf ei­ nen qualitativen Vergleich zwischen unterschiedlichen Gestaltungsoptionen überhaupt nicht ankäme, also jede beliebige Lösung gewählt werden könnte. Vielmehr fallen die mit der Standardisierung verbundenen Effizienzvorteile von vornherein ja nur relativ zu den anderweit bestehenden funktionalen Un­ terschieden zwischen den jeweiligen Alternativen ins Gewicht. Sind die mit ­einer anderen als der gesetzlich vorgesehenen Lösung verknüpften Effizienz­ vorteile groß genug, können auch die mit der Standardisierung realisierbaren Effizienzgewinne sie nicht aufwiegen. Einen maßgeblichen Einfluß auf die Be­ wertung wird nach den bisherigen Ergebnissen die Wahl der Regulierungsin­ strumente und Regulierungsstrategien ausüben: Wird Standardisierung durch gestaltungsoffene Modi, z. B. durch dispositive Regelungen, ausgelöst, 22 so kön­ nen diese Nachteile durch abweichende privatautonome Gestaltungen über­ wunden werden; wird dagegen zwingendes Recht gewählt, ist eine Korrektur durch die betroffenen Akteure ausgeschlossen. In vielen Fällen wird es allerdings bereits um die grundlegende Vorfrage ge­ hen, inwieweit angesichts des jeweiligen Sachproblems und innerhalb des jewei­   Siehe schon oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 1. b) (S. 293  f.).   Vgl. zur Standardbildung aufgrund dispositiver Regelungen nochmals bereits oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub C. III. 2. b) (S. 197  ff.). 21

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3. Kapitel:  Gestaltungsaufgabe und gestaltungsleitende Kriterien

ligen Regelungszusammenhangs standardisierte Lösungen überhaupt sinnvoll sind. Daß Standardisierungstendenzen im vorliegend untersuchten Referenzge­ biet insbesondere im Zusammenhang mit marktgehandelten Finanzierungsbe­ ziehungen effizient und sachgerecht sein können, ist bereits angeklungen. Hier kann es also sogar sinnvoll sein, eine allzu große Varianz in der Gestaltung der jeweiligen Rechtspositionen durch gesetzliche Schranken zu unterbinden. 23 Der marktförmige Handel verlangt dabei geradezu nach Homogenität der gehandel­ ten Produkte, die erst Vergleichbarkeit, aber auch das Vertrauen in einheitliche Gestaltungsmerkmale als Grundlage für die marktförmige Preisbildung sicher­ stellt.24 Zugleich schafft die strukturell jeweils gleiche Rollenverteilung zwi­ schen dem Emittenten marktgehandelter Finanzierungsformen und den Anle­ gern auch die Voraussetzungen dafür, daß die jeweiligen Interessen überhaupt sinnvoll einer abstrakt-generellen Lösung unterworfen werden können. Auch dies erklärt, warum die Standardisierung von Rechtsverhältnissen bei Publi­ kumsgesellschaften tendenziell sinnvoller ist als bei der personalistischen Kapi­ talgesellschaft: Die Kategorie der Publikumskapitalgesellschaft steht für eine in Erscheinungsform und Einzelproblemen durchaus homogene Gruppe, während der Begriff personalistische Kapitalgesellschaften ausgesprochen heterogene Phänomene erfaßt.

III.  Bewertung und Folgerungen Die These von der strukturell geringeren Komplexität der Regulierungsvorbe­ reitung bei Normen oder Normprogrammen, die allein oder überwiegend Stan­ dardisierungszwecken dienen, überzeugt nach alledem zwar in der Tendenz. Weil auch die damit angesprochenen funktionalen Unterschiede vielfältigen weiteren Einflüssen ausgesetzt sind, lassen sich jedoch kaum allgemeingültige Aussagen zu praktischen Konsequenzen formulieren. Dies gilt erst recht, wenn Standardisierung als Regulierungszweck im Einzelfall mit materiellen Schutz­ zwecken zusammenfällt, insbesondere: wenn der Schutz der jeweils einschlägi­ gen Rechtsgüter gerade durch Standardisierung erreicht werden soll. Auch im untersuchten Referenzgebiet ist dies keineswegs selten der Fall. Beispielhaft da­ für stehen etwa Regelungen zur Standardisierung der Handlungskompetenzen der Gesellschaftsorgane im Außenverhältnis, die nicht nur Praktikabilitätser­ wägungen Rechnung tragen, sondern zugleich dem Vertrauensschutz sämtli­ cher Verkehrsteilnehmer dienen.25 Insgesamt bleibt es damit bei der allgemeinen   Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. III. 1. (S. 152  ff.).   Vgl. Coffee, 89 Colum. L. Rev. 1618, 1677  f. (1989); siehe nochmals auch Klausner, 31 J. Corp. L. 779, 793  ff. (2006); dens., 81 Va. L. Rev. 757  ff., insbes. 772  ff. (1995); krit. aber Lemley/McGowan, 86 Cal. L. Rev. 479, 580  ff. (1998). 25   Siehe dazu noch unten, 3. Teil, 1. Kap., sub A. II. (S. 415  ff.). 23 24

C.  Leitlinien für die Methodenwahl

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Erkenntnis, daß der Vorbereitung von Regulierungsmaßnahmen, die materi­ alen Schutzzwecken dienen sollen, tendenziell größere Aufmerksamkeit wird gewidmet werden müssen und daß gerade hier die von der Standardisierung je­ weils erhofften Vor- und Nachteile sorgfältig gegen die Effizienzverluste abge­ wogen werden müssen, die jede abstrakt-generelle Lösung im Vergleich mit in­ dividuell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Einzelfalls abgestimmten Gestal­ tungen zwangsläufig aufweist. Auch und gerade mit Blick auf die damit zwangs­ läufig verbundenen Prognoseprobleme könnte es sich anbieten, vermehrt auf nicht zwingende Regulierungsprogramme zurückzugreifen, mit denen – wie gezeigt – die private Gestaltungspraxis konditioniert werden kann, so daß sich Ordnungsziele konzeptionell in durchaus weitem Umfang realisieren und zu­ gleich die gesetzlichen Vorgaben für sachgemäße Alternativgestaltungen offen­ halten lassen.

C.  Leitlinien für die Methodenwahl Nach der Realbereichsanalyse und der Festlegung der jeweils zu verfolgenden Regulierungsziele bilden die Wahl zwischen den in Betracht kommenden Regu­ lierungsinstrumenten (einschließlich der jeweiligen Durchsetzungsmechanis­ men) und Regulierungsstrategien sowie, damit zusammenhängend, die Ent­ scheidung über die Allokation von Regulierungsinitiative und inhaltlicher Re­ gulierungsverantwortung die letzte Stufe im Rechtsetzungsprozeß. Die bislang gewonnenen Ergebnisse haben Grenzen der Leistungsfähigkeit sowohl gesetz­ licher als auch privater und teilprivatisierter Regulierung aufgezeigt. Danach kann es bei der Methodenwahl nicht um die Entscheidung zugunsten der Extre­ me unbeschränkter Gestaltungsfreiheit einerseits oder vollständig zwingend ausgestalteter gesetzlicher Regulierung andererseits gehen. Entscheidend ist vielmehr, wie den Unzulänglichkeiten jeder Form von Regulierung im Rahmen eines kooperativen Ansatzes, der gesetzliche mit privater Regulierung verbin­ det, durch die Kombination einzelner Regulierungsinstrumente am besten Rechnung getragen werden kann.26 Für die beiden in Betracht kommenden Grundentscheidungen, für zwingende Steuerung einerseits (unten I.) sowie fle­ xiblere nichtzwingende Regulierungsmodi andererseits (unten II.), sollen im folgenden die im vorliegenden Teil der Untersuchung erarbeiteten vorläufigen Erkenntnisse nochmals kurz zusammengestellt werden.

  Vgl. schon oben, 1. Kap., sub A. (S. 326  f.).

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3. Kapitel:  Gestaltungsaufgabe und gestaltungsleitende Kriterien

I.  Zwingende Einflußnahme Zwingendes Recht bietet sich zwar prima facie in allen Konstellationen an, in denen die jeweils verfolgten Zwecke als so bedeutsam eingestuft werden, daß Spielräume für die private Gestaltung ausgeschlossen bleiben sollen. Dies kann insbesondere bei materialen Schutzzwecken der Fall sein, die im Wege der pri­ vaten Regulierung beispielsweise aufgrund von Informationsdefiziten der Par­ teien, aufgrund fehlender Verhandlungsmacht eines schützenswerten Partners oder mit Blick auf die Belange nicht an der Verhandlung beteiligter Akteure nicht durchweg erfüllt werden. Doch auch für Normen oder Normprogramme, die ausschließlich oder weit überwiegend auf Standardisierungszwecke be­ schränkt sind, kann sich zwingendes Recht anbieten, wenn der angestrebte Standardisierungseffekt gegen Abweichungen im Einzelfall gesichert werden soll. Zwingendes Recht kann damit einerseits der Wahrnehmung der Infra­ strukturgewährleistungsverantwortung des Gesetzgebers dienen, 27 andererseits aber auch materiale Schutzfunktionen erfüllen.28 „Marktversagen“ mit der Fol­ ge systematischer Benachteiligung einzelner Interessen(-gruppen) oder subop­ timaler Standardisierung der jeweils etablierten Gestaltungsmuster begründet indes nicht bereits die Legitimation zwingender Eingriffe. Vielmehr sollte stets ermittelt werden, ob und inwieweit sich vergleichbare Steuerungseffekte even­ tuell auch mit gestaltungsoffenen nichtzwingenden Alternativen erreichen lie­ ßen;29 dies gilt schon deshalb, weil zwingende Vorgaben typischerweise mit dem Risiko behaftet sind, daß damit Sachlösungen konserviert werden, die inad­ äquat sind oder angesichts gewandelter rechtstatsächlicher Anforderungen ihre ursprüngliche Funktion nicht mehr erfüllen können.30 Das Risiko einer Verfestigung und Verkrustung der Rechtsentwicklung, die sowohl zu Unter- als auch zu Übersteuerungseffekten führen kann, hängt aller­ dings auch davon ab, in welcher konkreten Ausgestaltung zwingendes Recht eingesetzt wird: Zwingende Vorgaben in der Regelform sind dieser Gefahr ins­ besondere dann ausgesetzt, wenn sie sich nicht darauf beschränken, bestimmte bereits in der Vergangenheit als schädlich erkannte Verhaltens- bzw. Gestal­ tungsmuster auszuschließen (hier sog. negativ-präskriptive Normen), sondern statt dessen bestimmte Verhaltens- bzw. Gestaltungsmuster explizit vorschrei­ ben (positiv-präskriptive Normen).31 Zwingende Vorgaben in der Standardform dagegen, die per definitionem keine derartigen Vorgaben, sondern allgemeine Bewertungsmaßstäbe formulieren, an denen sich die Rechtsanwender bei der   Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. III. 3. a) (S. 157  ff.).   Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. III. 3. b) (S. 163  f.). 29   Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. III. 1. (S. 153  f.). 30   Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. III. 4. (S. 165). 31   Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. III. 2. (S. 155  f.), 1. Abschn., 3. Kap., sub B. IV. (S. 321). 27

28

C.  Leitlinien für die Methodenwahl

395

Bewertung konkreter Verhaltensweisen bzw. Gestaltungsmuster zu orientieren hat, unterliegen ihr in geringerem Maße.32 Allerdings sollten die sich zwischen beiden Kategorien ergebenden Funktionsunterschiede mit Blick auf die letzt­ lich strukturimmanenten Tendenzen zur Annäherung von Regel- und Stan­ dardform im Rahmen der Handhabung durch die Praxis insbesondere über längere Zeiträume hinweg nicht überbetont werden.33 Auch vor diesem Hinter­ grund muß die insbesondere in der jüngeren US-amerikanischen Literatur for­ mulierte These von der Überlegenheit der flexibleren Standard- im Vergleich mit der rigideren Regelform relativiert werden; in funktionaler Hinsicht be­ deutsamer ist wiederum die Unterscheidung zwischen negativ-präskriptiven und positiv-präskriptiven Normen. Nochmals an Komplexität gewinnt das Bild, wenn Unterschiede in den je­ weils gewählten Durchsetzungsmechanismen als Determinante für die Effekti­ vität der Instrumente zwingenden Rechts berücksichtigt werden. Anders als bei der privaten Regulierung, deren Wirkungen oft auf anderen Faktoren als einem durch Sanktionen vermittelten Befolgungszwang beruht,34 aber auch anders als bei dispositiven Vorschriften, realisiert sich der Geltungsanspruch zwingender Gestaltungen in der Regel vor allem auf der Grundlage der jeweils anwendbaren Durchsetzungsmechanismen. Diese reichen von klassischen zivilrechtlichen Haftungssanktionen über mittelbare Formen der Durchsetzung objektiv-recht­ licher Vorgaben und teilprivatisierte Durchsetzungsmechanismen (etwa die Pflichtprüfung von Jahresabschlüssen) bis hin zu hoheitlichen Konzepten, z. B. in Gestalt der Registerkontrolle oder des Aufsichtsrechts.35 Als wesentliche De­ terminante für die Effektivität insbesondere der privaten Durchsetzungsme­ chanismen ist dabei die jeweilige Anreizstruktur identifiziert worden: Sowohl unmittelbar als auch mittelbar wirkende private Durchsetzungsmechanismen sind nur dann geeignet, objektiv-rechtlichen Vorgaben zur Geltung zu verhel­ fen, wenn hinreichende Kongruenz zwischen diesen und den (rechtlichen und/ oder) wirtschaftlichen Interessen der jeweilige Akteure besteht.36 Diese Funkti­ onsvoraussetzung findet bei den Mechanismen der teilprivatisierten Norm­ durchsetzung insofern eine Entsprechung, als dort Interessenkonflikte der zur Durchsetzung berufenen Akteure Anreize zur nachlässigen Erfüllung des je­ weils gesetzlich präformierten Auftrags setzen können.37 Dieses Risiko entfällt bei der hoheitlichen Normdurchsetzung, doch ist deren Leistungsfähigkeit ty­ pischerweise schon aufgrund knapper Ressourcen und, damit verbunden, be­ schränkten Möglichkeiten zur effektiven Ahndung von Regelverstößen ex post   Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub C. III. 1. (S. 191  ff.).   Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub C. II. 3. d) (S. 188  ff.) sowie sub C. III. 2. b) (S. 197  ff.). 34   Oben, 1. Abschn., 2. Kap., sub B. I. 2. (S. 269  ff.). 35   Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub D. III. (S. 210  ff.). 36   Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub D. IV. 1. b) (S. 239  f.). 37   Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub D. IV. 3. b) (S. 247  ff.). 32 33

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3. Kapitel:  Gestaltungsaufgabe und gestaltungsleitende Kriterien

typischerweise keineswegs als höher einzustufen.38 Auch insoweit spricht viel für differenzierende Lösungen, die verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten und ihre jeweiligen Stärken und Schwächen kombinieren. Die ungeachtet aller Differenzierungsmöglichkeiten auf der Ebene der ein­ zelnen Regulierungsinstrumente bestehende Tendenz zur Verfestigung zwin­ gend ausgestalteter Regulierung, die eine Anpassung an rechtstatsächliche Ver­ änderungen erschweren kann, läßt sich nach den vorstehend gewonnenen Erkennt­nissen nicht nur durch dispositive und damit per se innovationsfreund­ lichere Regelungen ausgleichen. Gerade wenn der Zweck einer Regulierung die weitgehende oder vollständige Zurücknahme der Regulierungsverantwortung und damit des Geltungsanspruchs der gesetzlichen Vorgaben inopportun er­ scheinen läßt, kann es sich anbieten, anstelle lediglich einer zwingenden Vorga­ be im Rahmen von Wahlmodellen die Auswahl aus einem Katalog tatbestand­ lich entsprechend eingegrenzter Alternativen durch privatautonome Gestaltung zu erlauben. Dies eröffnet Spielräume, die die Qualität der jeweiligen Gestal­ tungsergebnisse durch Aktivierung und Einbettung privater Sachlösungskom­ petenz verbessern können. Wahlmodelle kommen aber von vornherein nur im Rahmen anderweit gesetzlich präformierter Regelungszusammenhänge und mithin vor allem im Kontext der verbandsrechtlichen Konstitutivakte in Be­ tracht, nicht dagegen beispielsweise zur Ergänzung oder als Ersatz ad hoc ein­ greifender zwingender Verhaltenspflichten.39

II.  Nichtzwingende Gestaltungsmodelle Zumal die Funktionsschwächen zwingender Regulierung begründen ein be­ sonderes Interesse an den oben gewonnenen Erkenntnissen über das verhaltens­ steuernde Potential nichtzwingender Normen. Liegt das Augenmerk insbeson­ dere der tradierten zivilistischen Dogmatik nach wie vor auf den gestaltungser­ leichternden und gestaltungsergänzenden Funktionen dispositiven Rechts,40 so ist mit Blick auf die mittelbaren Wirkungen dispositiver gesetzlicher Bestim­ mungen in historischer Perspektive nicht zu verkennen, daß die darin enthalte­ nen Sachlösungen die private Gestaltung durchaus intensiv prägen können.41 Mit Blick darauf ist das Potential dispositiven Gesetzesrechts keineswegs auf die traditionell diskutierte Funktion als Maßstab und Leitbild für die Inhalts­

  Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub D. IV. 2. b) (S. 244).   Oben, 2. Kap., sub C. I. (S. 368  ff.). 40   Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. I. 2. (S. 66  ff.) sowie sub B. II. 3. a) (S. 88  ff.). 41   Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 3. c) (S. 115  ff.); zu Persistenzneigungen, die sich aufgrund der unmittelbaren, zeitunabhängigen Wirkungen dispositiver Normen ergeben könnten, siehe ebd., sub B. II. 3. b) (S. 100  ff.). 38 39

C.  Leitlinien für die Methodenwahl

397

kontrolle privater Rechtsgestaltung42 beschränkt. Vielmehr lassen sich die je­ weiligen Gestaltungsinhalte ggf. schon durch die von dispositiven Regelungen ausgelösten Standardisierungstendenzen beeinflussen. Das verhaltenssteuernde Potential dispositiver Normen läßt sich noch steigern, wenn der Gesetzgeber durch die inhaltliche Ausgestaltung der jeweiligen Lösung und die Definition von Grenzen für zulässige Abweichungen durch die jeweiligen Parteien gezielt Einfluß auf den Verhandlungsprozeß nimmt; damit können insbesondere Un­ gleichgewichte in der Verhandlungsmacht kompensiert werden.43 Die (Schutz-) Wirkungen dispositiven Rechts sind bei alledem konzeptionell keineswegs zwangsläufig auf das Verhältnis inter partes beschränkt. Durch ent­ sprechende Gestaltungsgrenzen können grundsätzlich auch die Auswirkungen der privatautonomen Gestaltung auf die Interessen und Rechtspositionen Drit­ ter gesteuert werden.44 Je stärker damit die jeweils eröffneten Gestaltungsspiel­ räume durch gesetzliche Vorgaben eingehegt werden, desto stärker verschwim­ men allerdings zugleich die Grenzen zum zwingenden Recht. Auch dies illu­ striert, daß dispositives Recht schon deshalb kaum als vollständiges Substitut für zwingende Normen taugt, weil auch nachgiebige, gestaltungsoffene Vor­ schriften notwendigerweise – entweder ausdrücklich oder konkludent durch Einbeziehung anderweit im Regelungssystem angelegter Gestaltungsschranken – typischerweise nicht unbeschränkte, sondern von vornherein gesetzlich prä­ formierte und begrenzte Gestaltungsfreiheit gewähren. Das verhaltenssteuernde Potential dispositiven Rechts begründet damit seine Eignung als alternatives Regulierungsinstrument insbesondere im Vergleich zu zwingenden Normen in der Regelform: Dispositive Regelungen sind, weil ab­ weichende Gestaltungen stets möglich bleiben, in geringerem Umfang dem Ri­ siko ausgesetzt, daß sich die in ihnen fixierten Lösungen auch dann verfestigen, wenn unter Wohlfahrtsgesichtspunkten alternative Gestaltungsmuster sinnvoll wären. Die hier mit dem Begriff der Persistenzneigungen dispositiver Normen bezeichnete Trägheitstendenz verhindert nicht, daß die Normadressaten abwei­ chende Gestaltungen wählen und ggf. sogar als verkehrsüblich etablieren, wenn die mit inadäquaten dispositiven Lösungen verbundenen Nachteile nicht mehr durch die aus Netzwerk- und Lerneffekten resultierenden Vorteile kompensiert werden. Insofern kann der Vorteil dispositiven Rechts darin gesehen werden, daß es – anders als zwingende Normen – ungeachtet aller strukturimmanenten Persistenzneigungen eine Art „Ausstiegsmöglichkeit“ zugunsten situationsan­ gemessener, qualitativ besserer Lösungen vorhält. Gerade deshalb ist es sinn­ voll, dispositive Alternativen zu zwingenden Vorgaben insbesondere in Fällen zu erwägen, in denen Unsicherheit über mögliche negative Fernwirkungen des   Hierzu oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 4. a) (S. 131  ff.).   Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 4. b) (S. 134  ff.). 44   Oben, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 4. (S. 130). 42 43

398

3. Kapitel:  Gestaltungsaufgabe und gestaltungsleitende Kriterien

jeweiligen zwingenden Eingriffs besteht.45 Allerdings ist nicht zu übersehen, daß ein sachgerechter und effizienzfördernder Gebrauch von der Ausstiegs­ möglichkeit sich ex ante kaum gewährleisten läßt. Gerade auch für die nachträg­ liche Bewertung und ggf. Korrektur privater Gestaltungen, die in Abweichung von dispositiven Lösungen zustandegekommen sind, werden zwingende Stan­ dards vielfach kaum entbehrlich sein. Auch in dieser Hinsicht – und nicht nur im Rahmen der praktischen Handhabung von Normen in der Regelform – ist die Rolle von Standards als unverrückbarer, allgemeiner Maßstab gerade im Kontext überwiegend dispositiv ausgestalteter Regulierungskonzepte kaum zu unterschätzen. Besteht schon insoweit Anlaß zur Kombination und Integration dispositiver und zwingender Gestaltungsmuster, so sind vorstehend weitere Möglichkeiten identifiziert und untersucht worden, die Vorteile hoheitlicher und privater Re­ gulierung miteinander zu verknüpfen. Sollen angesichts von Unsicherheiten und Prognoseproblemen auf der Gesetzgebungsebene materiale Vorgaben für die private Gestaltung vermieden werden, um Verfestigungsprozesse zu verhin­ dern und private Akteure ergebnisoffen zu experimentellen Gestaltungen an­ zuregen, so können sich im Rahmen hinreichend konstitutionalisierter Rechts­ beziehungen die Beschränkung auf Verfahrensregeln sowie im Zusammenhang mit Konstitutivakten Regelungsaufträge als Lösung anbieten. Kommt beides nicht in Frage, läßt sich ergänzend wiederum über den Einsatz von Wahlmodel­ len nachdenken.

45   Überzeugend in diese Richtung bereits Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 312  ff.; vgl. auch bereits Bebchuk, 89 Colum. L. Rev. 1395, 1411 (1989) sowie oben, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 2. a) (S. 298  ff.) und 3. b) (S. 310).

3. Teil

Konstitution und Restriktion – Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien in ausgewählten Problemfeldern aus historisch-vergleichender Perspektive Die Tragfähigkeit der im 2. Teil der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse zu Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise von Regulierungsinstru­ menten und Regulierungsstrategien kann nur anhand konkreter Regelungszu­ sammenhänge und Regulierungsziele verläßlich ausgelotet werden. Während die im bisherigen Verlauf erörterten Beispiele zwar Belege für Einzelaussagen erbracht haben, steht auch ein Nachweis für die Eignung der modalen Norm­ analyse im hier entwickelten Begriffsverständnis als Methode für die umfas­ send orientierte Systemanalyse noch aus. Entsprechendes gilt zumal für die im 1. Teil der Untersuchung aufgeworfene Frage, ob und inwieweit dieser Ansatz den überkommenen Methodenkanon, insbesondere die funktionale Rechtsver­ gleichung sowie die ökonomische Analyse, bei der Aufarbeitung der das gelten­ de Gesellschaftsrecht prägenden Reform- und Rezeptionsvorgänge unterstüt­ zen, erweitern und präzisieren kann. Hier liegen zugleich die erheblichen Schwierigkeiten begründet, mit denen sich jeder Versuch einer Überprüfung der oben formulierten Aussagen konfrontiert sieht: Einerseits ist schon aus praktischen Gründen eine Beschränkung auf exemplarische Sachzusammen­ hänge geboten. Andererseits müssen die Probleme vermieden werden, die ein­ gangs der Untersuchung als zentrale Hindernisse für einen Systemvergleich identifiziert worden sind: Soll ein Rechtsvergleich zwischen (möglicherweise) unterschiedlichen Regulierungsstilen verschiedener Rechtsordnungen reprä­ sentative und um kontextspezifische Besonderheiten möglichst bereinigte Aus­ sagen erbringen, darf er sich nicht auf gegenständlich allzu eng beschränkte Fragestellungen beziehen. Dies erschwert nicht nur die Auswahl der zu unter­ suchenden Problemfelder, sondern auch die Definition des jeweils anzulegen­ den qualitativen Bewertungsmaßstabs. Zusätzlich an Komplexität gewinnt der Vergleich, wenn die jeweiligen Systeme einschließlich der das heute geltende Recht prägenden historischen Entwicklungsstränge in den Blick genommen werden sollen: Wie gesehen, hängt die Tragfähigkeit der für jedes Regulierungs­   Siehe nochmals oben, 1. Teil, sub A. (S. 13  ff.) und B. (S. 15  ff.).



400

3. Teil:  Konstitution und Restriktion

vorhaben erforderlichen Informationsbasis auch davon ab, inwieweit an histori­ sches Erfahrungswissen über das jeweilige Sachproblem einerseits und die Wir­ kung der in Betracht gezogenen Regulierungsinstrumente und -strategien an­ dererseits angeknüpft werden kann. Auch wenn dies die zu bewältigende Stoff­ menge beträchtlich erweitert, ist daher die Einbeziehung der historischen Per­ spektive unerläßlich, wenn ein möglichst präzises Bild der jeweiligen Systeme als Voraussetzung für einen tragfähigen Vergleich gewonnenen werden soll. Da­ bei geht es nicht um den Versuch einer umfassenden, vollständigen Darstellung der Verlaufsgeschichte der Rechtsentwicklung zu den einschlägigen Sachpro­ blemen, sondern vielmehr darum, vor allem auf der Grundlage der für die ein­ zelnen Rechtsordnungen durchaus reichhaltigen Sekundärliteratur exempla­ risch wichtige Regulierungsmuster im Vergleich darzustellen. Insgesamt ver­ folgt der vorliegende Teil der Untersuchung vier miteinander verknüpfte Zwec­ ke: Zunächst bemühen sich die folgenden Ausführungen – erstens – um einen systemver­gleichenden Überblick über Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Regulierungsstilen ausgesuchter Rechtsordnungen (Deutschland, Frank­ reich, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten). Zweitens sollen die im bisherigen Verlauf der Untersuchung gewonnenen Einzelergebnisse zu Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise von Regulierungsinstrumen­ ten und Regulierungsstrategien anhand konkreter Regelungszusammenhänge überprüft werden. Drittens muß versucht werden, exemplarisch die Reichweite der These von der Prägekraft historischen Erfahrungswissens und seiner Be­ deutung für neue Regulierungsvorhaben auszuloten und auszubauen. Viertens, und damit verknüpft, soll anhand der hierzu gewonnenen Erträge eine Antwort auf die eingangs der Untersuchung formulierte Frage gefunden werden, ob und inwieweit der oben entwickelte modale Untersuchungsansatz tatsächlich als sinnvolle Ergänzung des bisherigen Methodenkanons für die wissenschaftliche Aufarbeitung der omnipräsenten Reform- und Rezeptionsprozesse im unter­ suchten Referenzgebiet bezeichnet werden kann. Die nachfolgenden Ausfüh­ rungen bemühen sich, den soeben skizzierten Anforderungen gerecht zu wer­ den, indem sie – jeweils aus einer historisch-vergleichenden Perspektive – zwei abstrakt formulierte (und im folgenden noch näher zu konkretisierende) zentra­ le Ziele gesellschaftsrechtlicher Regulierung in den Blick nehmen: die (organi­ sations- und finanzverfassungsrechtliche) Konstitution von Finanzierungsbe­ ziehungen (1. Kapitel) einerseits und die Restriktion von Entscheidungsträgern (2. Kapitel) andererseits.

1. Kapitel

Konstitution Unter dem Begriff der „Konstitution“ werden im folgenden die Voraussetzun­ gen für das Entstehen funktionsfähiger Rechtsbeziehungen sowie die Grundla­ gen für ihre Koordination untereinander und mit hieran unbeteiligten, aber davon betroffenen Dritten zusammengefaßt. Zur Konkretisierung kann zwar auf die Kategorien der Organisations- und Finanzverfassung zurückgegriffen werden, die in der deutschen Gesellschaftsrechtsdogmatik nach wie vor als zen­ trale Ordnungskriterien herangezogen werden. Anders als es dieser Kategori­ enbildung in ihrer heutigen Ausprägung entspricht, sollen als konstitutive Re­ gulierungszwecke hier indessen nur solche bezeichnet werden, die sich auf die Begründung von Institutionen und auf grundsätzliche „Spielregeln“ beschrän­ ken. Nicht erfaßt sind Regelungen, die beispielsweise zugunsten einer bestimm­ ten Gruppe von Akteuren die Entscheidungen anderer Akteure im Detail vor­ geben bzw. einschränken, oder die auf andere Weise, z. B. durch Information, bestimmte Interessen schützen sollen. Konstitutive Regelungen im hier zugrun­ degelegten Sinne schaffen idealtypisch einen Rechtsrahmen, der im Wege der privatautonomen Gestaltung oder durch gesetzliche Vorgaben erst noch ausge­ staltet werden muß, um alle Aspekte der Gründung und werbenden Tätigkeit der Gesellschaften zu regeln. Die damit vorgeschlagene Einteilung entspricht grob derjenigen, die sich in der anglo-amerikanischen Rechtstheorie zwischen „constitutive“ und „regulative rules“ eingebürgert hat. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist das Recht der Organisations- und Finanzverfassung nur teilweise den konstitutiven Normen, teilweise dagegen auch den regulatorischen Nor­ men zuzurechnen: Konstitutiver Natur sind zunächst die Bereitstellung von   Z.B. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 I 2, S. 407  f. („Organisationsverfassung“), § 18 II, S. 513  ff. (Finanzverfassung); siehe auch Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, § 3, S. 77  ff. (Or­ ganisationsverfassung), § 5, S. 243  ff. (Finanzverfassung).    Charakteristisch für die moderne Begrifflichkeit wiederum K. Schmidt, Gesellschafts­ recht, § 14 I 2, S. 407  f.: „Das Innenrecht der Verbände ist durch ihre Organisationsverfassung bestimmt. Diese Organisation [sic!] besteht nicht ausschließlich, aber doch zu einem wesent­ lichen Teil in der Einrichtung von Verbandsorganen.“ Enger demgegenüber noch die ältere, von Gierke geprägte deutsche Verbandslehre, die als konstitutive Regelungen nur solche über die Einrichtung einer rechtlich und vermögensmäßig selbständigen, durch ihre Organe hand­ lungsfähigen Verbandsinfrastruktur in den Blick nimmt; vgl. von Gierke, Genossenschafts­ theorie, S. 303  ff., insbes. 614  ff.    Vgl. exemplarisch Schauer, Playing by the Rules, S. 7. 

402

1. Kapitel:  Konstitution

Rechtsformen für Kapitalgesellschaften als Vehikel für kollektive Investitionen mit Haftungsbeschränkung auf die erbrachte Einlage, sodann die Festlegung von Art und Zusammensetzung der Gesellschaftsorgane und schließlich die Grundentscheidungen zur Kompetenzverteilung und Entscheidungsfindung zwischen diesen, die jeweils auch verfahrensrechtliche Fragen umfassen. Regulatorischer Natur sind dagegen etwa solche Normen, die auf die Kontrolle von Geschäftsleiterentscheidungen im Interesse der Gesellschafter oder auf die Wahrung von Minderheitenrechten abzielen. Eine klare Abgrenzung der kon­ stitutiven Normen zur zweiten Gruppe, z. B. zur im 2. Abschnitt untersuchten Gruppe von Normen zur Restriktion von Entscheidungen, ist allerdings nicht möglich. Vielmehr werden häufig beide Arten von Regulierungszielen, wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung, verfolgt: Wenn etwa das Gesetz Organe mit bestimmten Kompetenzen festlegt, ist dies zugleich mit einer Beschrän­ kung der Entscheidungsspielräume anderer Akteure verbunden. Ein Beispiel bietet die Aufgabenverteilung zwischen Vorstand und Hauptversammlung im deutschen Aktienrecht (§ 76 AktG einerseits, § 119 AktG andererseits), die Ein­ flußsphären konstituiert und zugleich die Möglichkeiten der Gesellschafter zur Einflußnahme auf Geschäftsführungsentscheidungen auf ein Minimum be­ schränkt. Die Unterscheidung zwischen konstitutiven und anderen Regulie­ rungszwecken begründet hiernach keine Kategorien, nach denen sich Rechtsin­ stitute trennscharf voneinander unterscheiden ließen. Dennoch ist sie sinnvoll: Die bisherigen Überlegungen haben deutlich werden lassen, daß Normen, de­ ren Zweck in erster Linie in der Bereitstellung einer standardisierten Infrastruktur besteht, weniger weitreichenden Funktionsvoraussetzungen unterlie­ gen als solche, die (zusätzlich) materialen Schutzzwecken dienen: Je deutlicher der Interessen- oder Rechtsgüterschutz das Zielprogramm dominiert, desto komplexer sind die erforderlichen regulierungsvorbereitenden Prognosen, die regulierungsvorbereitende Informationsbeschaffung und damit die Vorausset­ zungen für die Effektivität des regulierenden Eingriffs. Je nach Regelungs­ schwerpunkt können sich unterschiedliche Regulierungsinstrumente und -strategien anbieten. Im folgenden wird sich zeigen, daß sich das Gewicht von der Infrastrukturgewährleistung zur Durchsetzung materialer Schutzinteres­ sen in den organisations- und finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen im hi­ storischen Evolutionsprozeß zugunsten der letzteren verlagert hat, wobei deut­ liche Unterschiede zwischen den in den Blick genommenen Rechtsordnungen    Dies gilt letztlich allgemein für die Unterscheidung von konstitutiven und regulatori­ schen Normen (soeben bei und in Fn. 4), vgl. besonders deutlich Schauer, Playing by the Rules, S. 7: “Although the distinction between regulative and constitutive rules is illuminating, it is also misleading, for many constitutive rules have their regulative side. Although sets of con­ stitutive institutions such as games, universities, corporations, and language, these constitu­ tive rules lose their constitutive character within those institutions, serving instead to regu­ late antecedently defined behaviour. The rule has a double aspect – first defining the behav­ iour and then regulating it.” (Hervorhebung im Original).

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

403

bestehen (unten A.). Dies hat erhebliche Auswirkungen sowohl hinsichtlich der Tragfähigkeit der historischen Entwicklungsverläufe als Informationsquelle für künftige Regulierungsvorhaben als auch hinsichtlich des Systemvergleichs zwi­ schen unterschiedlichen Regulierungsstilen (unten B.). Die Untersuchung be­ schränkt sich bei alledem auf originär gesellschaftsrechtliche Regelungen. Aus­ geklammert bleiben insbesondere die konstitutive Bedeutung der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre für die Gestaltung von Fremdfinanzierungstiteln sowie die sich sonst aus dem allgemeinen Zivilrecht ergebenden Vorgaben und Schran­ ken für die privatautonome Gestaltung im Gesellschafts- und Unternehmens­ recht. Diese Aspekte belegen zwar ihrerseits, daß jeder Vergleich zwischen un­ terschiedlichen Regulierungssystemen unvollständig bleiben muß, wenn er die Einbettung gesellschafts- und unternehmensrechtlicher Regelungen in die je­ weilige Privatrechtsordnung ausblendet. Eine auch nur annähernd erschöpfen­ de Analyse dieser Querverbindungen kann allerdings im hier gesetzten Rah­ men, der eine Beschränkung auf exemplarisch ausgewählte Untersuchungsge­ genstände gebietet, nicht geleistet werden.

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive Konstitutive Regelungen betreffen die gesetzliche Anerkennung der Rechtsfor­ men mit Haftungsbeschränkung zugunsten der Gesellschafter, sodann die Bin­ nenorganisation der Gesellschaften, die Grundlagen ihrer Finanzverfassung und die Außenbeziehungen der Gesellschaften zu Dritten. Die damit einzube­ ziehenden Regelungskomplexe sind – auch und gerade mit Blick auf die jeweili­ gen historischen Entwicklungsstränge – heterogen: Betrachtet man die Entste­ hungsgeschichte der im geltenden Recht verbreiteten Rechtsformen (unten I.), so sind die Gemeinsamkeiten unter den im folgenden exemplarisch herangezogenen Rechtsordnungen hier formal wie inhaltlich am deutlichsten: Mit wenigen zen­ tralen Normen, die durchweg in der Regelform gehalten sind, erkennt heute jede der exemplarisch untersuchten Rechtsordnungen die Rechtsnatur der Gesell­ schaften an. Dazu bedarf es keiner besonderen Durchsetzungsmechanismen, da lediglich Rechtsverhältnisse ausdrücklich legitimiert werden. Im Kern war die­ ser Stand in den europäischen Rechten etwa ab der Mitte des 19. Jahrhunderts erreicht. Eine spätere, zweite Welle der Entwicklung, die 1892 mit der Einfüh­ rung der GmbH im deutschen Recht begann und mit der Einführung gesetzli­ cher Grundlagen für sog. Limited Liability Companies in den USA sowie der derzeit diskutierten Einführung einer Europäischen Privatgesellschaft bis in die Gegenwart fortgesetzt wird, dehnt das Grundprinzip auf weitere, neue Rechts­ formen aus. Sie ergänzt das geltende Recht zu einer von Wahlmodellen mit un­ terschiedlicher Regulierungsintensität geprägten Materie. Größere konzeptio­ nelle Unterschiede sind demgegenüber mit Blick auf die gesetzlichen Anforde­

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1. Kapitel:  Konstitution

rungen an die Organisationsverfassung (unten II.) der Kapitalgesellschaften festzustellen. Zwar reflektieren die Grundzüge der Binnenorganisation – teil­ weise bis heute – vertragliche Gestaltungen in Vorläufern der heutigen Kapital­ gesellschaften. Vor allem das deutsche und das französische Recht der Aktienge­ sellschaft bzw. société anonyme sind allerdings bereits seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert von einer kontinuierlichen Überlagerung der konstitutiven Re­ gelungen i. e. S. mit materialen Schutzzielen gekennzeichnet, die zunehmend mit den Instrumenten des zwingenden Rechts umgesetzt wurden. Das englische Recht wählte dagegen seit den Gesellschaftsrechtsgesetzen des 19. Jahrhunderts, die die Rechtsform der Limited Company allgemein für den Rechtsverkehr öff­ neten, eine Kombination aus wenigen, punktuell eingreifenden Vorgaben und detaillierten, dispositiv gehaltenen Mustersatzungen. Die frühen US-amerika­ nischen Gesellschaftsrechte beschritten zunächst einen eher restriktiven Mittel­ weg, der allerdings unter dem Einfluß des aufkeimenden Wettbewerbs um at­ traktive Gründungskonditionen bereits ab der Wende zum 20. Jahrhundert durch einen umfassenden Rückbau zwingender Vorgaben abgelöst wurde. Vor allem hinsichtlich der Organisationsverfassung der Kapitalgesellschaften zeich­ net sich heute ein deutlicher Unterschied zwischen den anglo-amerikanischen Rechten und den hier untersuchten kontinentaleuropäischen Rechten ab: Anders als auf dem europäischen Kontinent, ist in England und in den USA das zwin­ gende Recht in dieser Hinsicht weitgehend auf konstitutive Regelungen im enge­ ren, nicht durch materiale Schutzziele überlagerten Sinn beschränkt. In starkem Kontrast zu der damit grob skizzierten Entwicklung schließlich steht das Recht der Außenbeziehungen der Kapitalgesellschaften zu Dritten, das rechtsord­ nungsübergreifend von einer Tendenz zur Regulierung in Gestalt zwingender Regeln gekennzeichnet ist (unten III.). Deutlichere Divergenzen ergeben sich dagegen hinsichtlich der gesetzlichen Vorgaben für die Finanzverfassung, hier allerdings mit der Besonderheit, daß das englische Recht der Publikums-Gesell­ schaften infolge der Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben, insbeson­ dere aus der Zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie,  den kontinentaleuro­ päischen Rechten formal und inhaltlich stark angenähert ist (unten IV.).

I.  Anerkennung der Rechtsform und Weiterungen Für die rechtliche Gestaltung der Finanzierungsbeziehungen in Kapitalgesell­ schaften ist die gesetzliche Anerkennung der Rechtsformen mit Beschränkung    Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. 12. 1976 zur Koordinierung der Schutz­ bestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften (…) im Interesse der Gesell­ schafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu ge­ stalten, ABlEG. Nr. L 26/1.

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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der Gesellschafterhaftung auf die erbrachte Einlage naturgemäß von zentraler Bedeutung. Diese Anerkennung wird mit Normen ausgesprochen, die der pri­ vatautonomen (Um-) Gestaltung nicht zugänglich und also dem Bestand zwin­ gender Normen zuzuschlagen sind; dies gilt heute für alle untersuchten Rechts­ ordnungen und galt bereits für die ersten gesellschaftsrechtlichen Kodifikatio­ nen, die entsprechende Vorläuferentwicklungen in den hoheitlichen Privile­ gierungs- und Konzessionsakten der frühen Kolonialhandelsgesellschaften ­(Octroi, Charter) aufnahmen. Die Anerkennung der Rechtsform mit Haftungs­ beschränkung durch zwingendes Gesetzesrecht liefert so zugleich einen gerade­ zu paradigmatischen Beleg für die an anderer Stelle erörterte Eignung zwingen­ der Normen zur Infrastrukturgewährleistung in Zusammenhängen, in denen Standardisierung von Gestaltungen eine besonders große Rolle spielt. Die da­ mit angesprochenen Entwicklungsstränge müssen im folgenden nicht in allen Einzelheiten nachgezeichnet werden. Die historischen Wurzeln der modernen Kapitalgesellschaft sind Gegenstand zahlreicher Untersuchungen sowohl zum deutschen Recht als auch zu den Rechten Englands, Frankreichs und der Ver­ einigten Staaten von Amerika, die vorliegend als repräsentative Beispiele für gemeinsame Wurzeln, aber auch unterschiedliche Entwicklungsstränge in ihrer historischen Entwicklung verglichen werden sollen.10 Im vorliegenden Kontext    Vgl. exemplarisch für Deutschland: § 1 AktG, § 13 GmbHG; für Frankreich: Art. L. 2231 nC.com. (für die SARL) sowie Art. L. 225-1 nC.com. (für die SA); für England: secs. 1, 3-6 Companies Act 2006; aus den US-amerikanischen Gesellschaftsrechten §§ 101, 121, 122 Del. Gen. Corp. L.    Siehe nochmals oben, 2. Teil, 1. Absch., 1. Kap., sub B. III. 3. a) (S. 157  ff.) sowie 2. Ab­ schn., 3. Kap., sub C. I. (S. 394).    Das englische Recht steht hier exemplarisch für die frühe Entwicklung der Kolonialhan­ delsgesellschaften im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts, zugleich aber für innovative Lö­ sungsansätze in der jüngeren Rechtsentwicklung, die gleichermaßen zumindest die kontinen­ taleuropäischen Rechte inspiriert haben und noch inspirieren. Gerade in ihrer Frühphase re­ zipierten die Gestaltungsmuster der englischen Kolonialhandelsgesellschaften allerdings ih­ rerseits bereits zuvor schon etablierte Strukturen der frühen niederländischen Kapitalgesell­ schaften (insbesondere der Niederländisch-Ostindischen Compagnie), die damit zumindest partiell eher als Schrittmacher der späteren Entwicklung auf dem Kontinent zu qualifizieren sind als das englische Recht (vgl. dazu stellvertretend Frentrop, History of Corporate Gover­ nance, S. 49  ff. und passim; siehe auch bereits Lehmann, Geschichtliche Entwicklung, S. 7  f., 29  ff. und passim). 10   Vgl. insoweit die im vorliegenden Kontext besonders interessanten Untersuchungen zur Frühphase der Entwicklung in Deutschland von Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien in Brandenburg und Preußen, 2006; Söhnchen, Die historische Entwicklung der rechtlichen Gründungsvoraussetzungen von Handels- und Aktiengesellschaften, 2005; Schubel, Ver­ bandssouveränität und Binnenorganisation der Handelsgesellschaften, 2003, sowie die Bei­ träge in Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, passim, ferner Meyer, Haftungsbe­ schränkung im Recht der Handelsgesellschaften, 2000, passim; aus der älteren Literatur all­ gemein bereits Lehmann, Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts, 1895; vgl. ferner Rauch, ZRG GA 69 (1952), 239  ff.; Schmoller, in: Schmollers Jb. 17 (1893), 1  ff.; siehe auch Blaurock, Unterbeteiligung, S. 25  ff. zu frühen Gestaltungsmustern der stillen Beteiligung; zur Entwicklung in England siehe Formoy, The Historical Formations of Modern Company

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1. Kapitel:  Konstitution

von Bedeutung sind vor allem zwei Aspekte. Erstens handelt es sich um Prozes­ se, bei denen die Funktion gesetzlicher Regulierung als Ausdruck der gesetzge­ berischen Infrastrukturverantwortung11 schon früh deutlich zutage getreten ist: Indem der Gesetzgeber seit dem 19. Jahrhundert Kapitalgesellschaften aner­ kannt hat, hat er einen Bedarf bedient, der durch private Gestaltung kaum hätte gedeckt werden können (unten 1.). Von besonderem Interesse aus der Perspekti­ ve der modalen Normanalyse ist sodann – zweitens – der mit der Erweiterung des Kreises verfügbarer Rechtsformen verbundene Übergang von starren, auf zwingende Vorgaben setzenden Regulierungsstrategien zu einem komplexen, auf die Bereitstellung von Wahlmodellen gerichteten System, das konstitutive Normen mit unterschiedlichen Regulierungsprogrammen auch zur Durchset­ zung materialer Schutzzwecke miteinander verknüpft (unten 2.).

1.  Kapitalgesellschaftsrechtsformen als Infrastruktur: die Frühphase Daß die historische Entwicklung der Kapitalgesellschaft zu Unrecht weithin als Geschichte stetiger „Befreiung“ der Gesellschaften von der ebenso umfassen­ den wie intensiven staatlichen Einflußnahme nicht allein auf den Gründungs­ vorgang, sondern auch auf den laufenden Geschäftsbetrieb interpretiert wird, ist bereits angeklungen.12 Zutreffend ist daran, daß die Vorläufer der heutigen Kapitalgesellschaftsrechtsformen, die königlich privilegierten bzw. staatlich konzessionierten Handelsgesellschaften des 16., 17. und 18. Jahrhunderts, ihre Existenz einem Hoheitsakt verdankten, der neben der Rechtsfähigkeit auch Einzelheiten der Organisations- und Finanzverfassung regelte. Insbesondere die während der Frühphase, unter dem sog. Octroisystem erlassenen königli­ chen Privilegierungsakte behielten dabei der Krone regelmäßig Einfluß- und Überwachungsmöglichkeiten während des laufenden Geschäftsbetriebs vor.13 Law, 1923; Gower, Principles, 5. Aufl. 1992, S. 19  ff.; Scott, The Constitution and Finance of English, Scottish and Irish Joint-Stock Companies to 1720, Bd. 1 und 2, 1910/1912; zu Frankreich besonders Koberg, Die Entstehung der GmbH in Deutschland und Frankreich, 1992, S. 196  ff.; Lefèbvre-Teillard, La Société Anonyme au XIXe Siècle, 1985; Lévy-Bruhl, Histoire Juridique des Sociétés de Commerce en France aux XVIIe et XVIII Siècles, 1938; zur Ent­ wicklung in den USA Blumberg, 11 J. Corp. L. 573, 587  ff. (1986); Hurst, The Legitimacy of the Business Corporation in the Law of the United States 1780–1970, 1970, insbes. S. 147  ff.; Presser, Piercing the Corporate Veil, § 1.2, S. 1–12  ff.; Seavoy, The Origins of the American Business Corporation 1784–1855, 1982; siehe auch Berle/Means, Modern Corporation, S. 119  ff.; zusf. Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2006, S. 59  ff. 11   Dazu oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 3. a) bb) (S. 96) bei und in Fn. 152. 12   Oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. I. 2. (S. 67  f.). 13   Vgl. für England: Gower, Principles, 5. Aufl. 1992, S. 20  f.; Holdsworth, History, Bd. 8, S. 199  ff.; Williston, 2 Harv. L. Rev. 105, 108  ff. (1888); vgl. ferner die Analyse einzelner Han­ delsgesellschaften des 16. bis 18. Jh. bei W.R. Scott, Joint-Stock Companies, Bd. 2, passim, sowie zur Frühphase der Entwicklung ebd., Bd. 1, S. 15  ff.

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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Auch darin kam zum Ausdruck, daß die Tätigkeit der Handelsgesellschaften eng mit der zeitgenössischen Wirtschaftspolitik verwoben und ihr untergeord­ net war, was die finanzielle Beteiligung nicht allein der Kaufmannschaft, son­ dern auch der Krone selbst erklärt. Auch der Übergang vom Octroisystem zum sog. Konzessionssystem,14 unter dem ab dem 18. Jahrhundert bis etwa zur Mit­ te des 19. Jahrhunderts die Gesellschaftsgründung auf die gesetzlich geregelte Konzessionsentscheidung staatlicher Behörden angewiesen war, stimmt zu die­ sem Bild. England nahm in dieser Hinsicht allerdings eine Sonderstellung ein: Hier erschwerte der sog. „Bubble Act“ von 1720 in Reaktion auf die Krise der hochspekulativen South Sea Company die Gründung neuer Kapitalgesellschaf­ ten.15 Als Folge dieser Entwicklung erlebten uninkorporierte partnerships eine Renaissance, die sich in der autonom gestalteten Organisations- und Finanz­ verfassung an den joint stock companies orientierten, aber mit Blick auf die Restriktionen des Gesetzes die Ausgabe frei handelbarer Aktien vermieden.16 Für Frankreich siehe z. B. Bonnassieux, Compagnies de Commerce, S. 165  ff.; Lévy-Bruhl, Histoire Juridique, S. 42  ff. („sociétés de capitaux“); Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Com­ merciales, Bd. 1, S. 7  ff.; Pic/Kréher, Sociétés Commerciales, Bd. 1, S. 111  ff.; zusf. Meyer, Haf­ tungsbeschränkung, S. 208  f. und S. 217  ff. Für Deutschland (insbes. Brandenburg und Preußen) vgl. bereits Goldschmidt, Universal­ geschichte, S. 290  ff.; monographisch Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien, passim (Un­ tersuchung von 21 Compagnien); Söhnchen, Gründungsvoraussetzungen, passim; zusf. Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 211  ff. Pars pro toto am Beispiel der Emder Handelscompagnien des 17. und 18. Jahrhunderts eingehend auch Gmür, in: FS Harry Westermann, 1974, S. 167  ff. Siehe schließlich bereits Lehmann, Geschichtliche Entwicklung, S. 4  ff., jeweils m. w. N. Zur frühen Konzessionspraxis der englischen Kolonien in den heutigen USA siehe Berle/ Means, Modern Corporation, S. 119  ff. (dort S. 121: charter als „the product of a threefold ne­ gotiation, involving the state and the combined associates, and between the associates acting for themselves“); Davis, Earlier History, Bd. 1, S. 9  ff., S. 75  ff. und S. 349  ff. sowie Bd. 2, S. 21  ff. und passim; ausf. zu zeitgenössischen Entscheidungen über die Rechtsnatur der charter fern­ er Dodd, American Business Corporations, S. 124  ff. 14   Die Terminologie findet sich bereits in Quellen des 19. Jahrhunderts, vgl. nur Schubert, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 1, 8  f. m. Nachw. In Deutschland (insbes. Bran­ denburg und Preußen) vollendete das Preußische Aktiengesetz von 1843 (Abdruck bei Baums (Hrsg.), Pr. Aktiengesetz, S. 211  ff.) den Übergang vom Octroi- zum Konzessionssystem; vgl. zum eher bruchfreien, kaum schlagartigen Charakter des Systemwechsels Schubel, Verbands­ souveränität, S. 87  ff., 245  ff. Gesamtdarstellungen und Würdigungen u. a. bei Baums, Einfüh­ rung, in ders. (Hrsg.), Pr. Aktiengesetz, S. 29  ff.; Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 255  ff.; Reich, Ius Commune II (1969), 238  ff.; Schumacher, Entwicklung, S. 10  ff. und S. 45  ff.; Söhnchen, Gründungsvoraussetzungen, S. 155  ff.; siehe auch Großkomm/Assmann, AktG, Einl. Rn. 44  ff., insbes. 51  ff.; zu den gesamtwirtschaftlichen Hintergründen besonders Bösselmann, Entwicklung, S. 1  ff. und S. 76  ff. 15   An Act for better securing certain powers and privileges intended to be granted by His Majesty by two charters for assurance of ships and mechandize at sea and for lending money upon bottomry; and for restraining several extravagant and unwarrantable practices therein mentioned, 6 George I. c. 18; vgl. dazu besonders Formoy, Historical Foundations, S. 47  ff.; siehe auch Butler, 6 Int’l Rev. L. & Econ. 169, 171  ff. (1986). 16   Näher dazu und zu Versuchen, diese Einschränkungen kautelarjuristisch durch Umge­ hungskonstruktionen zu bewältigen, Gower, Principles, 5. Aufl. 1992, S. 29  ff.

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1. Kapitel:  Konstitution

Mit dem Joint Stock Companies Act von 184417 war dann sogleich der Über­ gang zu einem System der Normativbestimmungen verbunden. Vollständig verfestigte sich die Rechtsform der joint stock company mit Haftungsbeschrän­ kung erst mit dem Limited Liability Act von 185518 sowie dem diesen rasch ab­ lösenden Companies Act von 1856.19 Kontinuierlicher verlief die Entwicklung dagegen in Frankreich, wo der Übergang vom speziellen hoheitlichen Inkorporationsakt in Gestalt der charte zur behördlichen Genehmigung mit dem 1807 unter Napoleon erlassenen Code de Commerce vollzogen wurde, 20 sowie in Deutschland: Hier schrieb das Preu­ ßische Allgemeine Landrecht ausdrücklich die im formalisierten Entschei­ dungsverfahren zu erteilende hoheitliche Verleihung von Korporationsrechten als Voraussetzung für die Gründung einer inkorporierten (Aktien-)Gesellschaft vor. 21 Die USA schließlich ließen die für Kontinentaleuropa charakteristische Pha­ se einer gesetzlich abgesicherten Konzessionspraxis aus. Die Gründung inkor­ porierter Gesellschaften wurde nur aufgrund der Erteilung eines hoheitlichen Verleihungsakts zugelassen, was einstweilen noch die Gründung von partner­ ships anstelle inkorporierter Gesellschaften als Rechtsform für privatwirt­ schaftliche Unternehmen überwiegen ließ. 22 Erst das Ende des 18. Jahrhunderts markiert den Übergang von dem bisherigen System der special incorporation (d. h. Inkorporierung durch legislativen Einzelakt) hin zum System der general incorporation. 23 Das verbreitete Bild von der „Befreiung“ aus der restriktiven Gründungskon­ trolle des Octroi- und Konzessionssystems durch Einführung der Gründungs­   An Act for the Registration, Incorporation, and Regulation of Joint Stock Companies, 7 & 8 Vict. c. 110; eingehend dazu Formoy, Historical Foundations, S. 67  ff.). 18  18 & 19 Vict. c. 133. 19  19 & 20 Vict. c. 47; dazu Formoy, Historical Foundations, S. 114  ff.; zusf. Gower, Princip­ les, 5. Aufl. 1992, S. 42  ff.; Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 243  ff. 20   Vgl. Artt. 37 und 40 C.com. 1807, die durch Verwaltungsanordungen ergänzt wurden; näher dazu insbes. Lefèbvre-Teillard, S. 21  ff.; ferner Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Com­ merciales, Bd. 1, S. 13  f.; Pic/Kréher, Sociétés Commerciales, Bd. 1, S. 119  ff.; deutsch Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 221  ff. 21   ALR II 6 § 16 i.V.m. §§ 25  ff.; vgl. im einzelnen Söhnchen, Geschichtliche Entwicklung, S. 134  f.; siehe auch Landwehr, ZRG GA 99 (1982), 1, 4  ff.; Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 249  ff., jeweils m. w. N. 22   Vgl. näher Cox/Hazen, Corporations, Bd. 1, § 2.03, S. 86  f.; Dodd, American Business Corporations, S. 195  ff. (insbes. zur Rechtsentwicklung in Massachusetts); zusf. Merkt/ Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 12  ff. 23   Vgl. dazu die Überblicke z. B. bei Berle/Means, Modern Corporation, S. 119  ff.; Cox/Hazen, Corporations, Bd. 1, § 2.04, S. 87  ff.; Davis, Earlier History, Bd. 2, S. 16  ff.; Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 15, jeweils m. w. N. Eingehend etwa Blumberg, 11 J. Corp. L. 573, 592  ff. (1986); Dodd, American Business Corporations, S. 197  ff. (Massachusetts). Vgl. auch Arsht, 1 Del. J. Corp. L. 1  ff. (1976); Moore, in: Balotti/Finkelstein, Delaware, H-1  ff. (beide zur Entwicklung in Delaware); Yablon, 32 J. Corp. L. 379  ff. (2007) (insbes. zur Rechtsent­ wicklung in New Jersey). 17

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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freiheit und dispositiver Elemente bleibt allerdings trotz allem zu korrigieren. Zwar hat der mit den Privilegierungs- und Konzessionsakten verbundene, mit effektiven Kontrollbefugnissen gekoppelte hoheitliche Eingriff in die Gestal­ tungsfreiheit der Gesellschaftsgründer eine wichtige Rolle für die Anerkennung und Durchsetzung von Rechtsformen gespielt, die die kollektive Investition in (wirtschaftspolitisch für bedeutsam erachtete) Projekte ermöglichten und dabei ihren Gesellschaftern Haftungsbeschränkung auf die erbrachte Einlage sicher­ stellten. Bewertet man die praktische Bedeutung der damit eröffneten Gestal­ tungs- und Handlungsmöglichkeiten für die kollektive wirtschaftliche Betäti­ gung ihrer Gesellschafter, verliert der Eindruck einer primär restriktiv orien­ tierten Rechtsetzung deutlich an Gewicht, auch wenn über die Anerkennung der rechtlichen Selbständigkeit der Gesellschaften hinaus wesentliche Fragen der Organisations- und Finanzverfassung schon in den hoheitlichen Privilegie­ rungs- und Konzessionsakten und später gesetzlich fixiert wurden.24 Aus (wirt­ schafts-) historischer Perspektive ist deren ermöglichende Funktion bedeutsa­ mer: Mit der Anerkennung von Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlich­ keit und der Beschränkung der Mitgliederhaftung auf die erbrachte Einlage schuf der Souverän in den untersuchten Rechtsordnungen ein Vehikel, das für die Finanzierung riskanter Großprojekte, zunächst vor allem die Errichtung und den Betrieb von Überseehandelsverbindungen, später auch bedeutsamer Infrastrukturvorhaben, besonders geeignet war. Insbesondere im US-amerikanischen rechtsökonomischen Schrifttum wird gelegentlich bestritten, daß damit tatsächlich Eigenschaften (eigene Rechtsper­ sönlichkeit, Haftungsbeschränkung) durch Hoheitsakt geschaffen worden wä­ ren, für die eine vertragliche Regelung zwischen den beteiligten Investoren und Dritten nicht zumindest wirtschaftliche Funktionsäquivalente hätten entwic­ keln können. Dabei wird nicht zuletzt die britische Gestaltungspraxis unter der Geltung des Bubble Act von 1720 als Beleg zitiert, 25 der die Gründung von Han­ delsgesellschaften in einer der frühen Aktiengesellschaft entsprechenden Rechtsform praktisch ausschloß, aber zu vielfältigen Umgehungsstrategien An­ laß gab. 26 Die erheblichen Vereinfachungen für den Wirtschafts- und Rechts­ verkehr, die mit der Anerkennung der rechtlichen Selbständigkeit der Gesell­ schaften verbunden waren, können derartige Einwände allerdings kaum plausi­ bel entkräften. Gerade im Zusammenwirken mit der Festlegung zentraler Grundsätze für die Finanzverfassung der Gesellschaften, die ebenfalls bereits in den frühen Privilegierungs- und Konzessionsakten festgelegt waren und auf die zurückzukommen sein wird, schuf die grundsätzliche Anerkennung der Kapitalgesellschaft mit rechtlich und wirtschaftlich gegenüber ihren Gesell­ 24   Siehe dazu noch sogleich unten sub III. 1. (S. 432  ff.) (Organisationsverfassung) sowie sub IV. 1. (Finanzverfassung) (S. 444  ff.). 25   Besonders pointiert G. M. Anderson/Tollison, 3 Int’l Rev. L. & Econ. 107, 109  ff. (1983). 26   Siehe nochmals soeben bei und in Fn. 15.

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schaftern verselbständigten, unabhängig von diesen existierenden und damit auch unabhängig von diesen kreditwürdigen Vermögensmassen überhaupt erst die Infrastruktur, die für die Frühphase der Industrialisierung geradezu ent­ scheidend war. In der jüngeren rechtsökonomischen Analyse der Unterneh­ mung haben vor allem Henry Hansmann und Reinier Kraakman überzeugend herausgearbeitet, daß die Verselbständigung der Vermögensmasse die wirt­ schaftlich wohl bedeutsamste Konsequenz der rechtlichen Anerkennung der Kapitalgesellschaftsrechtsformen darstellt. Erst sie legte die Basis für einen ei­ genständigen Auftritt im Rechtsverkehr. Die Anerkennung der Haftungsbe­ schränkung auf die Einlage war dagegen von sekundärer Bedeutung, auch wenn sie entscheidend zur Attraktivität der Investitionen in die neuartigen Gesell­ schaften beitrug.27 Die rechtliche und wirtschaftliche Verselbständigung, die die Vermögensmasse der Gesellschaft für die jeweiligen Gläubiger reserviert und schützt und damit eine realistische Risikoentscheidung über Geschäfte mit und Investitionen in die Gesellschaft ermöglicht, 28 ist zugleich in der Tat eine Leistung, die im Wege vertraglicher Abreden zwischen der Gesellschaft und ihren gegenwärtigen und zukünftigen Gläubigern praktisch kaum wirksam er­ reicht werden könnte. 29 Im Zusammenhang mit der Genese gesetzlicher Anfor­ derungen an die Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften wird darauf noch­ mals zurückzukommen sein.30 Die nur scheinbar ausschließlich restriktiv-repressiv geprägte Frühphase der historischen Entwicklung der Kapitalgesellschaft unterstützt zugleich den im bisherigen Verlauf der Untersuchung gewonnenen Befund, daß allzu schemati­ sche Vorstellungen von der Dichotomie von (belastendem) zwingendem und (ermöglichendem, unterstützendem) dispositivem Recht korrigiert werden müssen.31 Die rechtliche Anerkennung verselbständigter Vermögenssphären ist eine Kulturleistung des nicht abdingbaren, mithin des zwingenden Rechts, die durch dispositives Recht nicht realisierbar wäre. Darauf gerichtete konstitutive Regelungen lassen sich mit einem engen Verständnis zwingender Normen als nur ausnahmsweise legitimierter Instrumente des regulierenden Eingriffs im Interesse materialer Schutzgüter nicht erfassen. Das bereits an anderer Stelle   Vgl. eingehend Hansmann/Kraakman, 110 Yale L.J. 387  ff., insbes. 428  ff. (2000); dies./ Squire, 119 Harv. L. Rev. 1333  ff. (2006). Repräsentativ für die rechtsökonomische Gegenauf­ fassung, die in der Haftungsbeschränkung den zentralen Aspekt der Kapitalgesellschaften erblickt, etwa Easterbrook/Fischel, 52 U. Chi. L. Rev. 85  ff. (1985); dies., Economic Structure, S. 40  ff. 28   Anschaulich Hansmann/Kraakman, 110 Yale L.J. 387, 393  ff. (2000): „affirmative asset partioning“ im Unterschied zum „defensive asset partioning“, dem Schutz des Gesellschaf­ tervermögens vor dem Zugriff der Gläubiger der Gesellschaft; siehe zur wirtschaftlichen Be­ deutung auch dies./Squire, 119 Harv. L. Rev. 1333, 1343  ff. (2006). 29   Hansmann/Kraakman, 110 Yale L.J. 387, 428  ff., 430 (2000). 30   Siehe noch unten sub IV. (S. 443  ff.). 31   Vgl. auch schon Hansmann/Kraakman, 110 Yale L.J. 386, 437  f. (2000). 27

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entwickelte Funktionsverständnis, wonach zwingende Normen neben der Re­ gulierung zu materialen Schutzzwecken auch Funktionen als Instrumente zur Infrastrukturgewährleistung erfüllen,32 wird damit nochmals präzisiert. Schon unter dem Octroi- und dem Konzessionssystem waren nicht gestaltbare Vorga­ ben unerläßlich, um die rechtliche und wirtschaftliche Verselbständigung der Gesellschaften durchzusetzen. Der für die Entstehung der modernen Kapital­ gesellschaften konstitutive Schritt in diese Richtung wurde bereits in dieser Frühphase vollzogen. Mit dem Übergang vom Konzessionssystem zum System der Normativbestimmungen ab dem 19. Jahrhundert,33 der Freigabe des Grün­ dungsakts zugunsten zwingender Vorgaben an Organisations- und Finanzver­ fassung, welche die fortgefallene staatliche Kontrolle über den Gründungsakt kompensieren sollte, wurde die Praxis nur mehr auf einheitliche gesetzliche Grundlagen gestellt. Dieser Befund ist unabhängig von der Einbettung in einen spezifischen Regelungskontext; auch dort, wo – wie in den anglo-amerikani­ schen Gesellschaftsrechten – Reichweite und Intensität zwingender Einfluß­ nahme auf die Gestaltung der Finanzierungsbeziehungen weitgehend reduziert wurden, ist die Bedeutung zwingender Regeln für die Konstitution der Kapital­ gesellschaften nach wie vor zentral.

2.  Die weitere Entwicklung: Entstehung und Ausbau von Wahlmodellen Das Aufkommen neuer Rechtsformen hat in den untersuchten Rechtsordnun­ gen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Bedeutung zwingender Regeln für die Konstitution der Gesellschaften bestätigt. In den Alternativen zu den über­   Siehe nochmals schon oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. III. 3. a) (S. 157  ff.).   Für England und die USA siehe bereits soeben, bei und in Fn. 19 und 23. In Frankreich vollzog sich der Übergang zum System der Normativbestimmungen mit der loi sur les sociétés à responsabilitée von 1863 (Abdruck bei Lefèbvre-Teillard, Société Ano­ nyme, S. 455  ff.) und der diese ablösenden loi sur les sociétés von 1867 (Abdruck in ZHR Bei­ lagenheft zu Bd. 12 (1868), 98  ff.); dazu näher Koberg, Entstehung der GmbH, S. 218  ff.; Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 419  ff., insbes. S. 425  ff.; Pic/Kréher, Sociétés Com­ merciales, Bd. 1, S. 124  ff.; deutsch Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 224  ff., jeweils m. w. N. Die mit der loi sur les sociétés à responsabilité limitée vom 7. 3. 1925 eingeführte Rechtsform der Société à responsabilité limitée (SARL) erforderte von Anfang an keine staatliche Konzes­ sion, sondern lediglich Registrierung und Publizität des Gründungsakts (vgl. Artt. 2, 4, 12 loi du 7. 3. 1925); zusf. Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 1, S. 393  ff.; eingehend zur Entwicklungsgeschichte Koberg, Entstehung der GmbH, S. 276  ff., jeweils m. w. N. In Deutschland verbindet sich der Übergang vom Konzessionssystem zum System der Normativbestimmungen mit der Aktienrechtsnovelle von 1870; siehe dazu etwa Lieder, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 10 Kap., Rn. 2  ff., insbes. 14  f.; Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 280  f.; Schubel, Verbandssouveränität, S. 280  ff.; Söhnchen, Grün­ dungsvoraussetzungen, S. 178  ff. Der Begriff der Normativbestimmungen wird dabei schon in den Quellen des 19. Jahrhunderts verwendet, vgl. Schubert, in: Schubert/Hommelhoff, Hun­ dert Jahre, S. 1, 8  f. 32 33

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kommenen Rechtsformen der Aktiengesellschaft und ihren Funktionsäquiva­ lenten spielt zwingendes Organisationsrecht auch heute noch die bereits mit den Privilegierungs- und Konzessionsakten der frühen Handelsgesellschaften vor­ gezeichnete, konstitutive Rolle. Auch und gerade diese Erweiterung diente der Infrastrukturgewährleistung, indem das bis dahin auf jeweils eine Rechtsform beschränkte Recht der Kapitalgesellschaften aufgebrochen und für unterschied­ liche Bedürfnisse ausdifferenziert wurde. Von Interesse aus historisch-verglei­ chender Perspektive ist im hiesigen Zusammenhang indessen vor allem der ­damit eingeschlagene Weg zur Durchsetzung von Wahlmodellen im Gesell­ schaftsrecht, die heute mehr oder weniger vielfältige „Menüs“ mit jeweils unter­ schiedlicher Regulierungsdichte und -intensität für jeweils unterschiedliche Anforderungen zur Verfügung stellen. Bereits das früheste Beispiel hierfür, das GmbH-Gesetz von 189234 in Deutschland, zeigt diese Entwicklung recht deutlich: Der Erlaß des Gesetzes stand am Ende einer längeren, außerordentlich kontrovers geführten rechtspo­ litischen Debatte um Möglichkeiten zur Ausdehnung der Haftungsbeschrän­ kung auch auf kleinere, personalistische Rechtsformen, was vielfach dargestellt ist 35 und hier nicht im einzelnen nachgezeichnet werden muß. Im Vordergrund stand indessen das Ziel, mit der Gewährung von Haftungsbeschränkung das Risiko unternehmerischer Betätigung zu minimieren, was nicht zuletzt im Ver­ gleich mit ausländischen Rechtsordnungen als wünschenswert angesehen wur­ de.36 Die damit verfolgte wirtschaftspolitische Zielsetzung richtete sich von Anfang an darauf, neben der bereits etablierten Rechtsform der Aktiengesell­ schaft und als Alternative hierzu eine Organisationsform mit geringerer Regu­ lierungsdichte zu etablieren, die auf zwingende organisatorische Vorgaben in weitem Umfang verzichtete und die Ausgestaltung der Binnenorganisation weitgehend dem Gesellschaftsvertrag überließ. Für die Gründer von personali­ stisch-unternehmerisch geprägten Gesellschaften erweiterte sich damit das Spektrum der verfügbaren Gestaltungsspielräume erheblich. Dabei beschränk­ te sich die für die neue Rechtsform maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen von vornherein nicht auf konstitutive Elemente als solche, sondern verknüpfte diese

34   Gesetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, RGBl. 1892 Nr. 24, S. 477. 35   Beispielhaft Verhandlungen des 18. DJT 1886, Bd. 1: Gutachten Cosack; S. 235  ff. (Dis­ kussion), S. 250 (Abstimmung: gegen den Vorschlag); näher Hadding, in: FS Reichsjustizamt, 1977, S. 263, 307  ff.; Koberg, Entstehung der GmbH, S. 35; dort eingehend S. 36  ff. zu weiteren zeitgenössischen Gesetzesvorschlägen aus Wissenschaft und Praxis; Limbach, Normaltypen, S. 14  ff.; Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 289  ff.; Schubert, in: Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), 589  ff.; ders., in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, 1  ff.; zusf. Scholz/Westermann, GmbHG, Einl. Rn. 59  ff. m. w. N. 36   Vgl. dazu nochmals die Nachw. soeben Fn. 35.

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mit einem restriktiven Regulierungsprogramm insbesondere im Hinblick auf die Finanzierungsentscheidungen der Gesellschafter.37 Entsprechendes gilt auch für die Erweiterung des Rechts der Kapitalgesell­ schaften in Frankreich, die unmittelbar auf die Rezeption der deutschen GmbH zurückging: In Reaktion auf den Erfolg des GmbH-Gesetzes38 wurde hier 1925 mit der loi sur les sociétés à responsabilité limitée die SARL als Rechtsform für kleine, personalistische Kapitalgesellschaften geschaffen. Auch mit diesem Pro­ jekt verfolgte der Gesetzgeber von vornherein ein eigenständiges Regulierungs­ programm mit im Verhältnis zur société anonyme abgestufter Regulierungsin­ tensität. Das französische Recht belegt zugleich die Dimension, die ein auf die Einräumung von Wahlmöglichkeiten zwischen unterschiedlichen Rechtsfor­ men ausgerichtetes Regulierungsprogramm annehmen kann: Als Alternative zu den Rechtsformen der SA und der SARL sind hier 199439 mit der société par actions simplifiée (SAS) und ihrer Erscheinungsform als Einpersonengesell­ schaft (Société par actions simplifiée unipersonnelle, SASU) 199940 Rechtsfor­ men speziell mit dem Ziel geschaffen worden, deregulierte41 und damit indivi­ duell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Einzelfalls abstimmbare Wahlmöglich­ keiten zur Verfügung zu stellen. Die Attraktivität dieser Rechtsformen, denen allerdings der Zugang zum organisierten Kapitalmarkt verschlossen ist,42 ist ge­ rade im Vergleich zur Alternative der SA hoch.43 Während anfänglich nur juri­ stische Personen eine SAS oder SASU gründen konnten, steht die Rechtsform seit 1999 auch natürlichen Personen als Gesellschaftern offen. Sie hat damit als Alternative für kleinere und mittlere Unternehmen und Einzelunternehmer an Bedeutung gewonnen,44 wenngleich das vorgeschriebene Mindestkapital mit S 37.000 45 recht hoch ausfällt. In den USA setzte die Integration der überkommenen konstitutiven Regelun­ gen zur corporation in komplexere Wahlmodelle demgegenüber erst in jüngerer   Siehe dazu noch näher unten, 2. Kap., sub A. II. 1. b) (S. 495).   Ausschlaggebend ist nicht zuletzt der Umstand, daß sich die GmbH in den ehemaligen deutschen Regionen Elsaß und Lothringen seit 1892 bereits weithin etabliert hatte, was den französischen Gesetzgeber nach dem Ersten Weltkrieg in den bereits zuvor erörterten Re­ formkonzeptionen bestärkte; vgl. Merle, Sociétés commerciales, Rn. 173; Escarra/Escarra/ Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 1, Tz. 336, S. 393  ff. 39   Vgl. loi no. 94-1 du 3. 1. 1994, JCP E 1994, III, 66605. 40   Vgl. loi no. 99-587 du 12. 7. 1999, JO no. 160 du 13. 7. 1999, p. 10396. Dazu zusf. etwa Hartmann, WM 2000, 1530  ff. mit umfassendem Überblick über die französische Literatur. 41   Siehe dazu noch unten, 2. Kap., sub A. I. 2. (S. 478) bei und in Fn. 44 (Organisationsver­ fassung) sowie sub A. II. 2. c) (S. 501) bei und in Fn. 182 (Finanzverfassung). 42   Artt. L. 227-2, L. 244-4 nC.com. 43   Dazu Merle, Sociétés commerciales, Rn. 2, mit entsprechenden Jahresstatistiken: 2004 – 128.085 SA/63.624 SAS; 2006 – 133.158 SA/110.276 SAS. 44   Zusf. Merle, Sociétés commerciales, Rn. 595-2; aus der deutschsprachigen Literatur Hartmann, WM 2000, 1530  ff.. 45   Art. L. 227-1 al. 3 i.V.m. Art. L. 224-2 al. 1 nC.com. Damit gilt der gleiche Mindestbe­ trag wie für die nicht kapitalmarktorientierte SA. 37

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1. Kapitel:  Konstitution

Zeit, nämlich seit den 1980er Jahren ein. Bereits an anderer Stelle ist auf die neuen Rechtsformen der Limited Liability Partnership (LLP) und der Limited Liability Company (LLC) hingewiesen worden, die sich heute in allen Bundes­ staaten als Alternativen zur an sich sowohl für personalistische geprägte als auch für Publikumsgesellschaften offenstehenden Rechtsform der corporation durchgesetzt haben.46 Die damit verfolgten Ziele sind insofern mit der Entwick­ lung der deutschen GmbH und der französischen SARL vergleichbar, als mit LLC und LLP eigenständige Vehikel speziell für personalistische Gesellschaf­ ten geschaffen werden sollten, für deren Bedürfnisse die idealtypisch auf große (Publikums-) Gesellschaften ausgelegte corporation nicht paßte. Im Unter­ schied zur Entwicklung in Deutschland und Frankreich verbinden sich mit der Einführung dieser Rechtsformen allerdings kaum signifikante Unterschiede hinsichtlich der Reichweite und Intensität der gesetzlichen Einflußnahme auf Belange der Organisations- und Finanzverfassung; vielmehr sind sowohl das Recht der corporation als auch die alternativen Rechtsformen in allen Bundes­ staaten weitgehend permissiver Natur.47 Entsprechend den jeweiligen Zielgrup­ pen unterschiedlich gehalten sind lediglich die jeweiligen dispositiven Regelun­ gen, so daß nicht von Menüs mit unterschiedlicher Regulierungsdichte gespro­ chen werden kann. Einen Sonderweg im Hinblick auf die Erweiterung des Kapitalgesellschafts­ rechts zu Wahlmodellen für unterschiedliche praktische Bedürfnisse beschritt das englische Gesellschaftsrecht. Anders als in den übrigen untersuchten Rechts­ ordnungen kam es hier nicht zur Ausprägung im eigentlichen Sinne selbständi­ ger Rechtsformen für personalistische Unternehmungen. Die Unterscheidung zwischen den Grundformen der Publikumsgesellschaft (Public Limited Com­ pany) einerseits und der personalistischen Gesellschaft (Private Limited Com­ pany) wurde vielmehr (seit dem Companies Act 190748) durch Wahlmodelle innerhalb eines einheitlichen Rechtsrahmens für die Kapitalgesellschaften ge­ regelt. Während beide Erscheinungsformen schon aufgrund spezifisch kapi­ talmarkt­rechtlicher Sonderregeln de facto in zahlreichen Aspekten durchaus verselbständigt sind, sind sie gerade im Hinblick auf bestimmte konstitutive Aspekte nach wie vor einheitlichen gesetzlichen Regelungen unterworfen. 49 Nur eingeschränkt vergleichbar mit der Ausdifferenzierung unterschiedli­ cher Rechtsformen auf nationalstaatlicher Ebene ist die Einführung konkurrie­ render Rechtsformen durch europäisches Gemeinschaftsrecht, wie sie, soweit   Siehe bereits oben, 2. Teil, 2. Abschn., 1. Kap., sub B. II. (S. 333).   Siehe dazu noch unten sub II. 2. b) (S. 422  ff.) sowie 2. Kap., sub A. I. 4. (S. 486  ff.) (Orga­ nisationsverfassung) und IV. 1. d) (S. 450  f.) sowie 2. Kap., sub II. 4. (S. 502  ff.) (Finanzverfas­ sung). 48  7 Edw. VII, c. 50; vgl. dazu näher Formoy, Historical Foundations, S. 146  f. 49   Vgl. insbes. secs. 3 (Anerkennung der Haftungsbeschränkung), 7  ff. (allgemeine Rege­ lungen über die Gründung) Companies Act 2006. 46 47

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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vorliegend von Interesse,50 zunächst mit der Einführung der Societas Europa­ ea 51 vollzogen wurde und derzeit mit dem Verordnungsvorschlag zur Europä­ ischen Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea, SPE) 52 diskutiert wird. Zwar werden auch damit überkommene nationale Regulierungsprogramme aufgebrochen und wird die Wahlfreiheit für Gründungsgesellschafter erhöht. Anders als bei der Weiterentwicklung autonomer Regulierungsmodelle ist es den Mitgliedstaaten als Urhebern der vorgefundenen Wahlprogramme indes hier nur begrenzt, nämlich durch Ausübung ihrer Mitwirkungsrechte in Ab­ stimmung mit anderen Staaten im Rechtsetzungsverfahren möglich, die neuen Regulierungsprogramme mit dem vorgefundenen System abzustimmen. Die Einführung neuer Rechtsformen auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts ist da­ mit, wie gezeigt, nicht dem Kreis der Wahlmodelle im hier verwendeten Sinne zuzuordnen,53 ohne daß damit allerdings, wie klarzustellen bleibt, eine inhaltliche Bewertung der dadurch eröffneten Wahlmöglichkeiten verbunden wäre.

II.  Grundlagen der Organisationsverfassung: die Binnenorganisation Bereits die hoheitlichen Privilegierungs- und Konzessionsakte in den Handels­ gesellschaften des 16., 17. und 18. Jahrhunderts beschränkten sich nicht darauf, die jeweiligen Gesellschaften als rechtlich und vermögensmäßig verselbständig­ te Akteure anzuerkennen. Vielmehr legten sie auch die Organisationsstruktur bis hinein in Einzelheiten zur Zusammensetzung und Funktion der Organe fest. Auch die diesbezüglichen Regelungen fallen unter den Begriff konstitutiver Normen im eingangs definierten Sinn; für die Entstehung funktionsfähiger Gesellschaften sind derartige Festlegungen naturgemäß zentral. Im Unterschied zur rechtlichen Anerkennung der eigenen Rechtspersönlichkeit handelt es sich bei den organisationsrechtlichen Grundlagen allerdings nicht um Gegenstände, die nicht auch durch privatautonome Gestaltung festgelegt werden könnten. Vielmehr ließen sich entsprechende Strukturen ohne weiteres auch ausschließ­ lich vertraglich (in Satzungen und funktionsäquivalenten Abreden) festlegen,   Nicht behandelt, da keine Kapitalgesellschaft betreffend, wird hier die EWIV (dazu VO (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirt­ schaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), ABlEG. Nr. L 199/1). 51   VO 2157/2001/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABlEG. Nr. L 293/1; Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, ABlEG. Nr. L 294/22. 52   Vgl. nochmals den Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft vom 25. 6. 2008, KOM(2008) 396 endg.; dazu Cannivé/Seebach, GmbHR 2009, 519, 521  f.; Hadding/Kießling, WM 2009, 145, 155; Hommelhoff/Teichmann, GmbHR 2009, 897, 900; Maul/V. Röhricht, BB 2008, 1574, 1575. 53   Siehe dazu bereits oben, 2. Teil, 2. Abschn., 2. Kap., sub C. II. 2. (S. 377  f.). 50

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1. Kapitel:  Konstitution

ohne daß der Gesetzgeber auch nur dispositive Regelungen hierfür bereitstellte. Auch vor diesem Hintergrund lassen sich konstitutive Funktionen und materi­ ale Schutzziele bei organisationsrechtlichen Regelungen im Gesetz häufig nicht trennscharf voneinander abgrenzen: Je stärker die Gestaltungsfreiheit in dieser Hinsicht durch gesetzliche Vorgaben eingeschränkt wird, desto stärker geht der Regelungszweck typischerweise über die bloße Konstitution hinaus und be­ zieht andere Aspekte, z. B. des Gesellschafter- bzw. Minderheitenschutzes ein. Ein vergleichender Blick auf die historischen Entwicklungsstränge zeigt, daß sich die hier exemplarisch untersuchten Rechtsordnungen in dieser Hinsicht nach anfänglichen deutlichen Parallelen unterschiedlich entwickelt haben: In der Frühphase der Entwicklung beschränkten sich die – nach heutigem Ver­ ständnis zwingenden – Vorgaben der hoheitlichen Gründungsakte weitgehend darauf, die zuvor von den jeweiligen Gründern vorgeschlagenen Strukturen ausdrücklich festzulegen (unten 1.). Ab dem 19. Jahrhundert – nur teilweise synchron mit dem Übergang vom Konzessionssystem zum System der Norma­ tivbestimmungen – setzte sodann eine heterogene Entwicklung in den exempla­ risch untersuchten Rechtsordnungen ein (unten 2.): Während die konstitutiven Regulierungszwecke in Frankreich und Deutschland zunehmend durch mate­ riale Schutzziele überformt wurden und das gesetzliche Organisationsrecht sei­ nen gestaltungserleichternden Charakter verlor, wahrten das englische Recht und die US-amerikanischen Bundesrechte in dieser Hinsicht bis in die Gegen­ wart deutliche Zurückhaltung.

1.  Frühphase der modernen Entwicklung a)  England Die charters von regulated companies im England des 16. Jahrhunderts erkann­ ten die Befugnis der Gesellschaften zur Selbstverwaltung sowie die Gestal­ tungsfreiheit hinsichtlich der Binnenorganisation vielfach ausdrücklich an.54 So finden sich bereits für Gründungen im 16. Jahrhundert detaillierte Regelungen zur Wahl von Leitungspersonal durch die Gesellschafterversammlung, insbe­ sondere zu Aufgaben und Funktionen des „Gouverneurs“ und der „Konsuln“, denen die Geschäftsführung und Verwaltung oblag.55 Die Organisations- und Leitungsstrukturen selbst trugen noch deutliche Züge mittelalterlicher Kauf­ mannsgilden.56 Die Festlegung organisationsrechtlicher Einzelheiten in der   Vgl. Holdsworth, History, Bd. 8, S. 201.   Aufschlußreich W.R. Scott, Joint-Stock Companies, Bd. 1, S. 19  f. sowie Bd. 2, S. 38 (am Beispiel der Russia Company); siehe auch ebd., S. 86 zu vergleichbaren Strukturen bei der Levant Company, S. 92  f. (East India Company). 56   Vgl. Holdsworth, History, Bd. 8, S. 202. Das Recht zur Selbstverwaltung auch in Gestalt 54 55

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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(zwingenden) charter war insoweit eher Nebenprodukt der quasi-legislativen Rechtsverleihung durch dieses Dokument. Insbesondere wurde, obwohl die Aktionärsstruktur durchaus vielfältig war und keineswegs nur Kaufleute ver­ treten waren,57 kein Versuch unternommen, die Interessen der Minderheitsak­ tionäre gegenüber Gesellschaftsgründern und Mehrheitsaktionären durch Ein­ griffe in die Organisationsverfassung zu regulieren. Regelungen zur Organisa­ tionsverfassung in den charters stellten vielmehr die Bestätigung von Gestal­ tungsmodellen dar, deren Ursprung in privatautonomer Gestaltung durch die Gesellschaftsgründer lag.58 b)  Frankreich Ein vergleichbares Bild ergibt sich auch für die privilegierten Gesellschaften in Frankreich („sociétés de capitaux“). Die Geschäftsführung oblag hier einem Verwaltungsrat („conseil“ oder „comité d’administration“) sowie einem Direk­ torium („directeurs“); daneben trat die Generalversammlung („assemblée géné­ rale des actionnaires“).59 Zwar war der Einfluß der Generalversammlung be­ schränkt und wurde vielfach geschwächt durch die Bindung des Stimmrechts an Mindestbeteiligungen sowie durch Teilnahme- und Stimmrechte von Vertre­ tern der Krone. Teilweise läßt sich sogar nachweisen, daß bedeutsame Entschei­ dungen regelmäßig auf Initiative der Krone und nicht der Gesellschaftsver­ sammlung getroffen wurden. 60 Doch war die hoheitliche Einflußnahme keines­ wegs in allen Fällen derart massiv, daß die übrigen Gesellschafter faktisch von wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen blieben. Zudem fiel auch in sonsti­ gen, nicht privilegierten Gesellschaften mit einem größeren Anteilseignerkreis die Kompetenz für Grundsatzentscheidungen praktisch vielfach mit der Ge­ schäftsführungskompetenz des regelmäßig aus den Hauptanteilsinhabern zu­ sammengesetzten Verwaltungsrats oder des Direktoriums zusammen. 61 Die Krone gerierte sich damit in den privilegierten Handelsgesellschaften ähnlich wie Hauptaktionäre in anderen zeitgenössischen Gesellschaften ohne quasi-öf­ der für die Verbandsmitglieder bindenden by-laws leitete sich dabei bereits aus dem römi­ schen Recht her; vgl. Williston, 2 Harv. L. Rev. 105, 121  f. (1888). 57   Kaufleute machten bspw. nur ca. 20 Prozent der Aktionäre der East India Company aus, vgl. Schmoller, Schmollers Jb. 17 (1893), 959, 999 m. w. N. 58   Mit entsprechender Tendenz auch bereits Lehmann, Geschichtliche Entwicklung, S. 83  f. 59   Dazu und zum folgenden Lévy-Bruhl, Histoire Juridique, S. 191  ff.; Rothweiler/Geyer, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 46  ff. 60   Ebd., S. 192  ff. m. w. N. zu Einzelbeispielen. Vgl. zur Bedeutung des königlichen Einflus­ ses auf die Gesellschaft auch Bonnassieux, Compagnies de Commerce, S. 253  ff., zusf. S. 320  ff., sowie ferner ebd., S. 214  f. (Wahrnehmung hoheitlicher Interessen durch einen königlichen Kommissar bei der Compagnie d’Afrique). 61   Vgl. Lévy-Bruhl, Histoire Juridique, S. 196  ff.

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1. Kapitel:  Konstitution

fentlichen Charakter. 62 Eine Einflußnahme durch zwingendes Recht zur Durch­ setzung bestimmter Schutzziele über das wirtschaftlich-politische Interesse an der Geschäftsentwicklung hinaus kann mithin auch für die französische Rechts­ entwicklung in der Frühphase nicht festgestellt werden. c)  Deutschland In den Handelscompagnien in Deutschland waren ebenfalls Grundzüge der Organisationsstruktur in den Octrois festgelegt. Oft wurden hier auch Verfah­ rensfragen etwa der Wahl oder Einberufung der Gremien geregelt. 63 Teilweise war eine umfassende, alle Aspekte der Verwaltungsstruktur abdeckende Sat­ zungskompetenz ausdrücklich anerkannt;64 eine direkte Einflußnahme des Souveräns auf die Besetzung von Organpositionen blieb Fällen vorbehalten, in denen sich die Krone selbst in der Gesellschaft finanziell engagiert hatte. 65 Daß damit der Gesellschaft und ihren Mitgliedern eine Organisationsverfassung aufgezwungen worden wäre, die sie selbst nicht gewählt hätten, ist indes wie­ derum nicht erkennbar. Vielmehr ist anzunehmen, daß das Octroi auch hierzu eher Strukturen vorgab, die sich in der – ihrerseits kaum durch zwingendes Recht eingeschränkten66 – Gestaltungspraxis für Personengesellschaften bereits bewährt hatten. 67 Noch unter dem Preußischen Allgemeinen Landrecht blieb es bei weitgehender Organisationshoheit der Gesellschaften und ihrer Gründer. 68 Ob und inwieweit der Eingriff der Konzessionsbehörden in die zeitgenössi­ schen Statuten auf gefestigte „Ordnungsvorstellungen“ (des Aktionärs- oder Gläubigerschutzes) zurückzuführen ist, ist zwar umstritten. 69 Eine konsistente   Ähnliche Einschätzung bei Wiethölter, Interessen, S. 61; vgl. – ähnlich relativierend – auch Lehmann, Geschichtliche Entwicklung, S. 85  f. 63   Vgl. zu Einzelheiten nur die eingehende Analyse der vorhandenen Quellen bei Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien, S. 98  ff. (Direktoren), S. 116  ff. (Präsidenten) und S. 118  ff. (Generalversammlung), jeweils m. w. N. zu den einzelnen Compagnien, sowie die umfassende Darstellung der Statutenpraxis vor den Kodifikationen des 19. Jahrhunderts bei Schubel, Ver­ bandssouveränität, S. 97–136. 64   Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien, S. 99 bei und in Fn. 497. 65   Ebd. bei und in Fn. 490 (Beispiel der Asiatischen Handlungscompagnie de la Touche von 1750). 66   Vgl. etwa Söhnchen, Gründungsvoraussetzungen, S. 52  f. (nur rudimentäre Regelungen in den mittelalterlichen Stadtrechten auf deutschem Boden). 67   Vgl. auch Blaurock, Unterbeteiligung, S. 25  ff. (Frühformen der stillen Beteiligung als Vorläufer der modernen Entwicklung der Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaf­ ten). 68   Vgl. im einzelnen ALR II 6 §§ 26, 51  ff. (umfassende Gestaltungsfreiheit für die Aufga­ ben von Gesellschafterversammlung und Geschäftsleitung; Verzicht auf Regelungen über den Minderheitenschutz); siehe dazu etwa Emmerich, Beschlußverfahren, S. 78  ff.; ebenfalls jeden­ falls eine weitreichende Gestaltungsmacht konstatierend auch Schubel, Verbandssouveräni­ tät, S. 97  ff., zusf. S. 130  ff. 69   Dagegen Landwehr, ZRG GA 99 (1982), 1, 21  ff., 101  f.; a.A. insoweit Schubel, Verbands­ souveränität, S. 93  f., 131, 256. 62

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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Regulierungspraxis wird man allerdings kaum bejahen können.70 Auch in den deutschen Staaten beschränkten sich die Vorgaben einstweilen auf im engeren Sinne konstitutive Regelungen, ohne daß dabei materiale Schutzinteressen ver­ folgt worden wären. d)  USA In den amerikanischen Kolonien lag der Schwerpunkt der charters für die vor Erlaß der ersten corporation acts gegründeten Gesellschaften auf der Verlei­ hung besonderer Rechtspositionen und der Festlegung von Einzelheiten zum Geschäftsfeld. Während den Gesellschaftern regelmäßig Haftungsbeschrän­ kung gewährt wurde, um die Kapitalaufnahme zu erleichtern, nahm der Ge­ setzgeber hier noch keinerlei Einfluß auf die Organisationsstruktur der Gesell­ schaften und verzichtete meist vollständig auf entsprechende Regelungen in den einzelnen Konzessionierungsakten. Auch hier war somit die Organisationsver­ fassung letztlich das Resultat privatautonomer, an praktischen Erfordernissen orientierter Gestaltung in den allgemeinen Grenzen von Equity und Common Law;71 die charters beschränkten sich darauf, das Recht zur Selbstorganisation allgemein anzuerkennen72 und waren im übrigen Ergebnis privatautonomer Gestaltung.73 Tatsächlich sind die frühen Gründungen kaum abweichend von größeren zeitgenössischen Personengesellschaften organisiert worden.74 70   Im Ergebnis wohl auch Schubel, Verbandssouveränität, S. 135 („möglichst effektives Funktionieren der verschiedenen Gesellschaftsorgane in ihrem Zusammenspiel“ als Haupt­ anliegen gesetzlicher Regelungen vor den Kodifikationen des 19. Jahrhunderts). 71   Soweit überhaupt Entscheidungen zu Sachverhalten aus der Phase vor Erlaß allgemeiner corporation acts nachgewiesen sind, wurden die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen vor allem auf Equity-Grundsätze, aber durchweg nicht auf entsprechende Vorgaben des zwingenden Gesetzesrechts gestützt: vgl. z. B. People ex rel. Barker v. Kip, 4 Cow. 382 (N.Y. Sup. Ct. 1822) (stimmrechtsbeschränkende by-laws als Verstoß gegen die charter); ähnlich People ex rel. Israel v. Tibbets, 4 Cow. 358 (N.Y. Sup. Ct. 1825); Ex p. Holmes, 5 Cow. 426 (N.Y. Sup. Ct. 1826) (Unzulässigkeit der Wahrnehmung von Stimmrechten aus eigenen Akti­ en (treasury stock) zum Zweck der Wiederwahl der directors); Ex p. Willcocks, 7 Cow. 426 (N.Y. Sup. Ct. 1826) (Mindestquoren für Entscheidungen von shareholders und directors); vgl. auch. Taylor v. Griswold, 14 N.J.L. 222 (N.J. Sup. Ct. 1834); allgemein zum Verfahren der Entscheidungsfindung und zu Minderheitenrechten ferner State ex rel. Kilbourn v. Tudor, 5 Day 329 (Conn. 1812); Stow v. Wyse, 7 Conn. 214 (1828); zum Ganzen Dodd, American Busi­ ness Corporations, S. 67  ff. 72   Vgl. z. B. Dodd, American Business Corporations, S. 201 (am Beispiel der 1782 erteilten charter der Bank of North America in Massachusetts); Davis, Earlier History, Bd. 1, S. 379  ff. (am Beispiel der 1791 in New Jersey gegründeten und konzessionierten „Society for establish­ ing useful Manufactures“). 73   Siehe die Nachw. vorige Fn.; ferner Berle/Means, Modern Corporation, S. 121. 74   Vgl. z. B. Davis, Earlier History, Bd. 1, S. 22 mit dem Beispiel des Konzessionsantrags einer „New London Society united for Trade and Commerce“ von 1733: „they have united themselves together to be a society and have a common stock”. Siehe auch ebd., S. 352  ff. (Grün­ dungskonzeption der „Society for establishing useful Manufactures“).

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1. Kapitel:  Konstitution

2.  Zwischen Gestaltungsfreiheit und Regulierung: Gesetzliche Regelungen zur Organisationsverfassung im 19. Jh. a)  England In England beschränkten sich sowohl der Bubble Act von 1720 75 als auch der Joint Stock Companies Act von 184476 weitgehend auf Vorgaben für die Grün­ dung sowie Einzelheiten des Gründungsverfahrens und respektierten im übri­ gen die durch die Gesellschafter festgelegte Organisationsverfassung. Das Er­ fordernis, die „bye-laws“ der Gesellschaft öffentlich registrieren zu lassen und jedem Gesellschafter auf Verlangen zur Verfügung zu stellen (sec. 47 Joint Stock Companies Act 1844), bedeutete in dieser Hinsicht gerade keine Einschränkung der privatautonomen Gestaltung, sondern schrieb lediglich die Publizität ihrer Ergebnisse vor. Prägend für diese frühen Kodifikationen war damit absolute Zurückhaltung bei konstitutiven Regelungen für die Organisationsverfassung. Erst mit dem Companies Act 185677 änderte sich das Bild. In Reaktion auf die festgestellten Mißstände in Organisation und Administration der existierenden Kapitalgesellschaften, die mit dem Vertrauen der potentiellen Anleger zugleich die für die frühindustrielle Wirtschaft dringend benötigte Kapitalsammelfunk­ tion bedrohen,78 legte das Gesetz (wenige und gegenständlich stark beschränk­ te) Mindestvorgaben für die innere Organisation fest. Der Grundsatz der Selbstverwaltung durch die Gesellschaftergemeinschaft blieb weiterhin prä­ gend.79 Allerdings wurde ein Mindestturnus für das Zusammentreten der Ge­ sellschafterversammlung (ein Jahr) festgelegt. 80 Geregelt wurde auch das Aus­ kunftsrecht der Gesellschafter: Erreichte eine Gruppe von ihnen mindestes ein Fünftel aller Gesellschafter und ein Fünftel des Kapitals, so konnte sie eine ho­ heitliche Buchprüfung durch das Board of Trade 81 erzwingen; auf Beschluß der Gesellschafterversammlung konnte ferner eine umfassende Prüfung von Ange­ legenheiten der Geschäftsführung durch unabhängige Sachverständige veran­ laßt werden. 82 Im übrigen blieb die Gestaltung der Kompetenzverteilung wei­ terhin den articles of association überlassen, die seit dem Gesetz von 1856 bis heute zusammen mit dem Gründungsdokument (memorandum of association) die rechtlichen Grundlagen der Verfassung (constitution) der Kapitalgesell­   Oben sub A. I. 1. (S. 407) bei und in Fn. 15.   Ebd. bei und in Fn. 17. 77   Ebd. bei und in Fn. 19. 78   Vgl. zu den Motiven des historischen Gesetzgebers nochmals nur Formoy, Historical Foundations, S. 114  ff. 79   Vgl. insbes. 19 & 20 Vict. c. 47, secs. 33  ff. (Selbstverwaltung durch regulations, die durch special resolution der Gesellschafter förmlich geändert werden können). 80  19 & 20 Vict. c. 47, sec. 32. 81   Zu dessen Funktion und zur Entwicklungsgeschichte vgl. Gower, Principles, 5. Aufl. 1992, S. 35  f.; ferner Leyens, Information, S. 53  f. 82  19 & 20 Vict. c. 47, secs. 48 und 52. 75 76

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schaften ausmachen. 83 Auch der neue Companies Act von 1862, 84 der bis zum Companies Act 1908 – bis auf Anpassungen in Einzelfragen85 – maßgebliche Rechtsquelle bleiben sollte, beließ es im wesentlichen dabei. Das Gesetz führte im Anhang (sog. „Table A“) erstmals zwar in extenso Regelungen auch zu orga­ nisationsverfassungsrechtlichen Fragen auf;86 die Gesellschafter waren jedoch frei, diese zu übernehmen oder nicht zu übernehmen und sie ganz oder teilwei­ se durch speziell auf die konkreten Umstände des Einzelfalls zugeschnittene Lösungen zu substituieren. Inhaltlich handelt es sich mithin um eine Kombina­ tion aus Regelungsauftrag und einem umfassenden Menü dispositiver Normen mit freier Abwahlmöglichkeit. Der Schwerpunkt der genannten Gesetze lag somit nach wie vor auf der Unterstützung der privatautonomen Gestaltung durch die Bereitstellung dispositi­ ver konstitutiver Regelungen und nicht auf dem regulierenden Eingriff. Beson­ ders deutlich zeigt dies der erstmals mit dem Companies Act von 1862 als An­ hang zum Gesetzestext vorgelegte, dispositive Katalog an Musterregelungen für die Satzung. Dieses Regulierungsmodell hat sich bis heute erhalten und ist mit den heute sogenannten Model Articles of Association für unterschiedliche Arten von Gesellschaften unter dem Companies Act 2006 nochmals stärker ausdifferenziert worden. 87 Bereits an anderer Stelle ist darauf aufmerksam ge­ macht worden, daß diese Mustersatzungen die Gestaltungspraxis offenbar viel­ fach spürbar beeinflußt haben, wobei Abweichungen durchaus vorkommen. 88 Die damit etablierte Strategie, den Gesellschaftsgründern umfassende Menüs an die Hand zu geben und zugleich ihre Gestaltungsentscheidungen zu beein­ flussen, hat sich mithin als erfolgreich erwiesen. Empirisch umfassend erforscht sind diese Wirkungen allerdings, soweit ersichtlich, bislang nicht. Selbst wenn die Muster sich faktisch nicht auf bloß gestaltungserleichternde Wirkungen be­ schränken, bleibt es allerdings dabei, daß dieser Einfluß gerade nicht auf dem Geltungsanspruch der gesetzlichen Lösung beruht. Ausschlaggebend dürfte

83   Zum Rang und zum Verhältnis beider Dokumente zueinander stellvertretend Gower/ Davies, Principles, Rn. 3–10  ff. 84  25 & 26 Vict. c. 89. 85   Vgl. dazu den Überblick bei Formoy, Historical Foundations, S. 133  ff. 86   Vgl. 25 & 26 Vict. c. 89, Sch. 1, Table A (z. B. ergänzende Verfahrensvorschriften für Einberufung und Abhaltung des general meeting, paras. 29  ff.; Selbstorganisationsrecht der directors und Wahl eines oder mehrerer managing director, para. 68). 87   Vgl. heute secs. 19 und 20 Companies Act 2006 i.V.m. den hierzu durch den Secretary of State erlassenen Model Articles für private limited companies und public companies; siehe The Companies (Model Articles) Regulations 2008, SI 2008 No. 3229, und dazu Gower/Davies, Principles, Rn. 3–10 und 3–11. 88   Vgl. nochmals Cheffins, Corporate Ownership and Control, S. 33 (betr. vertragliche Ab­ reden zu Stimmrechten), S. 55  ff. (allgemein). Siehe aber auch dens., Company Law, S. 257  ff. (allgemein nur geringe Tendenz zu Abweichungen von den Mustersatzungen); siehe dazu be­ reits oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 3. b) (S. 100) bei Fn. 169.

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1. Kapitel:  Konstitution

neben der – auch durch umfassende Konsultationsprozesse 89 beförderten – Pra­ xistauglichkeit nicht zuletzt auch der Umstand sein, daß die Promulgation im Wege der delegierten Rechtsetzung zumindest die Zulässigkeit der darin aus­ drücklich erwähnten Regelungen verläßlich sicherstellt. Zugleich dürfte davon auszugehen sein, daß die Standardisierung derartiger Regelungen effizienzför­ dernde Netzwerk- und Lerneffekte in der praktischen Handhabung ermöglicht. Insgesamt bieten die Mustersatzungen damit ein durchaus repräsentatives Bei­ spiel für die im 2. Teil der Untersuchung erörterten Persistenzneigungen dispo­ sitiven Rechts und die hierfür maßgeblichen Ursachen.90 b)  USA Auch in den US-amerikanischen Bundesstaaten nahmen die Gesetzgeber der im Verlauf des 19. Jahrhunderts erlassenen business incorporation acts nur zu­ rückhaltend Einfluß auf die Organisationsverfassung der Kapitalgesellschaften. Die wenigen einschlägigen Bestimmungen beschränkten sich weitgehend auf die Anerkennung der ohnedies üblichen Gestaltungspraxis monistischer Lei­ tungsstrukturen (board). Beispiele91 hierfür bieten etwa der 1811 erlassene gene­ ral incorporation act92 von New York als einer der ersten seiner Art, das 1888 erlassene, zunächst im aufkeimenden Wettbewerb der Bundesstaaten um die attraktivsten Inkorporationsbedingungen besonders erfolgreiche Gesellschafts­ recht von New Jersey93 sowie das in Reaktion auf diese „Konkurrenz“ 1899 in Kraft getretene Gesetz von Delaware.94 Die wenigen auf Fragen der Organisati­ onsverfassung bezogenen Regelungen dieser Rechtsakte galten überwiegend der Verteilung der Stimmrechte in der Gesellschaft sowie den Voraussetzungen für wirksame Beschlüsse der Gesellschafter und ließen im übrigen weiten Raum für die Gestaltung durch by-laws.95 Die sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts 89   Vgl. dazu zusf. Explanatory Memorandum to The Companies (Model Articles) Regula­ tions 2008 (http://opsi.gov.uk/si/si2008/em/uksiem_20083229_en.pdf), sub 8. 90   Siehe nochmals oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 3. b) (S. 100  ff.) und c) (S. 115  ff.). 91   Siehe daneben etwa die Analyse der Rechtsentwicklung in Massachusetts und Illinois bei Dodd, 50 Harv. L. Rev., 27, 31  ff. bzw. 39  ff. (1936). 92   Act Relative to Incorporations for Manufacturing Purposes, 1811 N.Y. Laws ch. 67. 93   Siehe zunächst den Act concerning corporations of this state, and of other states, doing business in this state, 1888 N.J. Laws ch. 269; abgelöst durch den erheblich umfangreicheren Act concerning corporations (Revision of 1896), 1896 N.J. Laws ch. 185. Zum bereits zuvor erreichten Erfolg New Jerseys als Inkorporierungsstandort näher Keasbey, 13 Harv. L. Rev. 198  ff. und 264  ff. (1899), siehe auch Dodd, 50 Harv. L. Rev. 27, 34 (1936). 94   An Act Providing a General Corporation Law, 1899, ch. 273, 21 Del. Laws 445. 95   Vgl. z. B. – bereits recht detailliert – N. J. Corp. Act 1896, Part I cl. 8. VI. (Ermächtigung zum Erlaß von „by-laws fixing and altering the number of its directors, and providing for the management of its property, the regulation and government of its affairs, and the transfer of its stock, with penalties for the breach thereof”), cl. 17 (Stimmrecht und Einberufung der meetings of stockholders), Part III (Elections, Stockholders Meetings); deutlich knapper

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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immer deutlicher abzeichnende Tendenz zur starken Position des Board gegen­ über der für die Verwaltung unzuständigen Gesellschafterversammlung, die bereits durch die Gestaltung der special charters begünstigt worden war, wurde weiterhin durch das positive Recht gefördert.96 Auch in dieser Hinsicht erkann­ te der Gesetzgeber aber nur Strukturen an, die sich angesichts der Mehrheits­ verhältnisse in den großen corporations wohl auch ohne gesetzlichen Einfluß entwickelt hätten. Bereits früh waren die Anforderungen an die Organisations­ verfassung im US-amerikanischen Recht somit gestattender („enabling“), nicht zwingender Natur. Diese Tendenz setzte sich letztlich bis in die Gegenwart fort:97 Schon 1901 wurde der richtungsweisende Delaware General Business Incorporation Act von 1899 nochmals erheblich dereguliert98 und setzte sich damit als attraktivster Rechtsrahmen für die Inkorporation zumal großer Publikumsgesellschaften durch. In Konkurrenz hierzu trat der auf den Erfahrungen mit den bis dahin erlassenen Gesetzen der einzelnen Gliedstaaten beruhende Uniform Business Corporation Act von 1928,99 der zwar nur in Idaho, Louisiana und Washington unmittelbar umgesetzt wurde, aber die Gesetzesentwicklung auch in den übri­ gen Staaten beeinflußte.100 Auch dieses Modellgesetz enthielt im Hinblick auf

dagegen N. Y. Gen. Inc. Act, cl. III und VI (Ermächtigung zu by-laws aller Art, „provided that such by-laws be not inconsistent with the constitution and laws of this state or of the United States“); wiederum detaillierter Del. Gen. Corp. L. 1899, secs. 2 Nr. 6, 8 (Kompetenz zur Regelung der Organisationsverfassung in by-laws); 20 (board of directors – mind. drei directors erforderlich; Stimmrecht in meetings und elections); 21 (Erfordernis der Bestellung von president, treasurer und secretary). 96   Besonders deutlich insoweit secs. 26 (Möglichkeit, dem board of directors Kompeten­ zen zur Änderung der by-laws einzuräumen), 135 (Initiativrecht des board of directors für Grundlagenentscheidungen) Del. Gen. Corp. Law 1899. Siehe allgemein stellvertretend Berle/ Means, Modern Corporation, S. 119  ff., insbes. S. 128  ff. und passim; siehe auch Hurst, Legiti­ macy, S. 48  f. 97   Pointiert Solomon/Bauman/Schwartz, Corporations: Law & Policy, 3. Aufl. 1994, S. 7: „Enablingism“ als „dominant statutory mode“. Charakteristisch für die zeitgenössische Mo­ tivation der gesetzgebenden Organe in den Bundesstaaten etwa Report of the Committee on Corporation Law (Massachusetts), 1903, S. 20, zit. nach Dodd, 50 Harv. L. Rev. 27, 34  f. (1936): Befürwortung der „modern (…) theory that, in the absence of fraud in its organization or government, an ordinary business corporation should be allowed to do anything that an indi­ vidual may do.“ 98   Act of 7 March 1901, ch. 167, 5, 22 Del. Laws 287–289 (umfassende Kompetenz zur freien Gestaltung der Organisationsverfassung und der Befugnisse der Organe, „provided, such provisions are not contrary to the laws of this state“); siehe auch Act of 7. 3. 1901, ch. 166, 1, 22 Del. Laws 255 (Deregulierung in weiteren 48 der insgesamt 139 Vorschriften des ursprüngli­ chen Gesetzes). 99   Uniform Business Corporation Act, drafted by the National Conference of Commis­ sioners of Uniform State Laws and by it Approved and Recommended for Enactment in All the States at its Thirty-Eight Annual Conference at Seattle, Washington, July 17th to 23rd, 1928. 100   Vgl. Cox/Hazen, Corporations, § 2.05, S. 90.

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die Organisationsverfassung weitgehend dispositives Recht.101 Nachdem es 1958 aufgegeben worden war,102 gewann der durch die American Bar Associa­ tion entwickelte Model Business Incorporation Act Bedeutung als Alternativ­ modell zur Gesetzgebung Delawares, das von fast allen übrigen Bundesstaaten vollständig oder in wesentlichen Teilen rezipiert worden ist.103 Sowohl nach dem Recht von Delaware als auch nach der aktuellen Fassung des Revised Mo­ del Business Incorporation Act ist die Gestaltung der Organisationsverfassung für Publikumsgesellschaften ebenso wie für die close corporation weitestge­ hend der privatautonomen Gestaltung zunächst der Gesellschaftsgründer und sodann der zur Entscheidung darüber berufenen Gesellschafterversammlung zugewiesen, deren Kompetenzen durch charter und by-laws erheblich beein­ flußt werden können.104 Entsprechendes gilt für die Rechtsgrundlagen für die Limited Liability Company.105 All dies reflektiert allgemeine Trends:106 Einer jüngeren Erhebung zufolge sind heute rund 75 Prozent des Normenbestandes im Kapitalgesellschaftsrecht deckungsgleich.107 c)  Frankreich In Frankreich regelte der Code de Commerce von 1807 die Organisationsstruk­ tur der sociétés anonymes zunächst weiterhin nur sporadisch, und zwar in An­ lehnung an das nach Art. 18 C.com. subsidiär anwendbare allgemeine Recht der sociétés. Für diese bestand umfassende Organisationsfreiheit.108 Eine Regelung zu den Kompetenzen der Gesellschafterversammlung etwa fehlte vollständig. Art. 31 C.com sah lediglich das Grundprinzip der Geschäftsleitung durch einen   Vgl. insbesondere secs. 26 (by-laws), 27  f. (shareholders’ meetings; voting rights), 29 (voting trusts), 30 (Mindestquoren für Entscheidungen), 31 (board of directors) und 32 (offi­ cers and agents) Uniform Business Incorporation Act. 102   Zu den Gründen (mangelnde Akzeptanz einer Vollharmonisierung; vollständige Rezeption nur in Louisiana, Idaho und Washington, teilweise Rezeption lediglich in Kentuc­ ky); näher Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 213  f. 103   Fletcher, Cyc. Corp., § 2.22; zusf. Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 215  ff. 104   Siehe z. B. zu den Gestaltungskompetenzen in articles bzw. certificate of incorporation und by-laws allgemein § 109 Del. Gen. Corp. L., § 2.06 R.M.B.C.; zur Struktur des board of directors § 141 Del. Gen. Corp. L., §§ 8.02  ff. R.M.B.C.; zur Bestellung und zu den Aufgaben von officers § 142 Del. Gen. Corp. L., §§ 8.40  ff. R.M.B.C.; zu Fragen der Entscheidung der shareholders §§ 211  ff., 216, 222, 231 Del. Gen. Corp. L., §§ 7.01  ff. R.M.B.C.; zu Anforderun­ gen an Änderungen des certificate of incorporation § 249 Del. Gen. Corp. L., §§ 10.01  ff. R.M.B.C. 105   Vgl. exemplarisch für die LLC: Del. Limited Liability Company Act, Del. Code. §§ 18– 201 (Gründung), 18–302 (Ausgestaltung von Anteilen und Mitverwaltungsrechten), 184– 402  ff. (Verwaltung der LLC). 106   Vgl. allgemein etwa Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 24 m. w. N.; speziell zur fortlaufenden Deregulierung des Rechts von Delaware Moore, in: Balotti/Finkelstein (Begr.), Delaware Law of Corporations and Business Organizations, H-1, H-9  ff. m. w. N. 107   Carney, 71 S. Cal. L. Rev. 715, 731  ff. (1998). 108   Eingehend zur Rechtsentwicklung Lévy-Bruhl, Histoire juridique, S. 121  ff. 101

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oder mehrere „mandataire(s)“ vor, die entweder aus dem Kreis der Gesellschaf­ ter oder als außenstehende Dritte zu bestellen waren. Die Gestaltungspraxis zeigte, daß damit keine Vorfestlegung hinsichtlich der Organisationsstruktur verbunden sein sollte: Der durch Art. 32 C.com eingeräumte Gestaltungsspiel­ raum für den Aufgabenkreis der mandataires wurde denkbar weit ausgelegt.109 Für die unter der Urfassung des Code de Commerce konzessionierten Gesell­ schaften sind dementsprechend vielfältige Gestaltungsmodelle nachgewiesen, die von der Leitung durch einzelne Direktoren (directeurs, administrateursgérens), häufig ergänzt durch ein Überwachungsgremium, und mithin von Vorfor­men einer dualistischen Organstruktur bis hin zu einer monistischen Organisationsverfassung mit einem kollektiven Leitungsorgan an der Spitze reichten.110 Besonders die Zusammensetzung und Kompetenzen des oft einge­ richteten Verwaltungsrats (conseil d’administration) variierten erheblich; teils handelte es sich inhaltlich eher um ein Geschäftsführungs-, teils eher um ein Aufsichtsorgan.111 Entsprechend schwankte die Abgrenzung der Kompetenz­ sphären von conseil und Direktoren.112 Eine zunehmende Einflußnahme des Conseil d’Etat als zuständiger Konzes­ sionsbehörde auf Fragen der Organisationsverfassung war zwar seit etwa 1820 insofern zu beobachten, als er Mindestquoren für wirksame Beschlüsse der as­ semblée générale forderte, welche grundsätzlich zur Entscheidung über Grund­ satzfragen und zur Wahl der übrigen Organe berufen war. Doch verblieb den Gesellschaftsgründern, die sich zu Lasten der Minderheitsaktionäre erhebli­ chen Einfluß auf die Entscheidungsfindung sichern konnten, auch weiterhin umfassender Gestaltungsspielraum.113 Meist wurden so die Einflußverhältnisse in der Frühphase der Gründung der Gesellschaften fortgeschrieben, die regel­ mäßig als einfache Personengesellschaft oder Kommanditgesellschaft gegrün­ det und mit der Konzessionierung förmlich in Aktiengesellschaften umgewan­ delt wurden.114 Auf der Übernahme personengesellschaftsrechtlicher Grund­ sätze beruhte wohl auch das zunehmend in der Judikatur bejahte, aber im Code de Commerce gar nicht und in den Statuten nur teilweise ausdrücklich geregel­ te Kontrollrecht der Aktionäre gegenüber den mandataires.115 Daneben nahm die Bedeutung institutionalisierter Aufsichtsgremien mit teils allgemein gefaß­ ten, teils spezifisch auf die Prüfung der Rechnungslegung beschränkten Kom­ petenzen (censeurs, contrôleurs, inspecteurs, commissaires aux comptes) zu, je 109   Siehe zur Bedeutung der Qualifikation als mandataire im Rahmen der Kompetenzen im Außenverhältnis allerdings noch unten sub III. 2. b) (S. 437) bei und in Fn. 167. 110   Eingehend Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 260  ff. mit Einzelbeispielen. 111   Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 268  ff. und S. 289  ff. 112   Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 312  ff. und S. 325  ff. 113   Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 374  ff. 114   Vgl. dazu Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 109  ff. sowie S. 325 (directeur der SA als Funktionsäquivalent des gérant in der Kommanditgesellschaft). 115   Vgl. Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 332  ff. m. w. N.

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1. Kapitel:  Konstitution

mehr die Gesellschaften darauf angewiesen waren, Kapital aus breiteren Anle­ gerschichten zu gewinnen, denen als Grundlage für die Investitionsbereitschaft vertrauensfördernde Maßnahmen geboten werden mußten.116 Auch hier wur­ zelte deren Einrichtung aber in der freiwilligen Entschließung der Gesell­ schaftsgründer, nicht in zwingendem Recht. Die Gestaltungsfreiheit der Grün­ der und Mehrheitsaktionäre wurde insgesamt durch hoheitliche Vorgaben im Rahmen des Konzessionsverfahrens kaum eingeschränkt. Die Phase bis zur Re­ formgesetzgebung von 1863 und 1867117 ist vor allem deshalb von Interesse, weil sich hier aufgrund privatautonomer Gestaltung wesentliche Organisationsmu­ ster herausbildeten, die späterhin gesetzlich festgeschrieben wurden. Mit den Reformgesetzen von 1863 (loi sur les sociétés à responsabilité limitée) und 1867 (loi sur les sociétés) wurde die Organisationsverfassung in den ge­ wachsenen Strukturen zum Gegenstand zwingender Vorgaben. Anstelle des bisherigen Konzessionszwangs enthielten beide Legislativakten durchaus um­ fassende gesetzliche Anforderungen auch an die Organisationsverfassung. Die damit eingeführten Neuregelungen spiegelten allerdings noch deutlich den zu­ vor erreichten Stand der Gestaltungspraxis, d. h. der Ausgestaltung der vom Conseil d’Etat gebilligten Statuten, wider.118 Für die Organisationsverfassung lebte damit die bislang überwiegend privatautonom geprägte Gestaltungspraxis weiter fort. Mit der Positivierung von Organisationsgrundsätzen wurde die so­ ciété zur institutionalisierten Rechtsform, aber eben diese Grundsätze gehen zurück auf Gestaltungen, die die beteiligten Parteien ursprünglich selbst ge­ wählt hatten.119 Gleichwohl ist unverkennbar, daß das Gesetz von 1867 einen Paradigmenwechsel markierte: Bestehende Spielräume für die privatautonome Gestaltung entfielen; der bis dahin in einer Mehrheit von Gesellschaften er­ reichte Entwicklungsstand wurde zum verbindlichen Standard erhoben. Die Epoche einer von ausschließlich konstitutiven Zwecken geprägten Rechtsetzung zur Organisationsverfassung war damit abgeschlossen. d)  Deutschland aa)  Preußisches Aktiengesetz von 1843 Ähnlich wie der Code de Commerce von 1807 enthielt auch das Preußische Aktiengesetz von 1843 als die unter der Geltung des Konzessionssystems maß­ gebliche Rechtsgrundlage für die Gesellschaftsgründung noch keinerlei Vorga­ ben für die Organisationsverfassung. Der notwendige Inhalt der Satzung wur­   Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 334  ff.   Siehe nochmals oben sub I. 1. (S. 411) bei und in Fn. 33. 118   Eingehend Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 439  ff. 119   Pointiert Lefèbvre-Teillard, ebd., S. 448: „Du contrat à l’institution, telle pourrait être brièvement résumée l’évolution que nous avons décrite de la société anonyme au XIXe sièc­ le.“ 116

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A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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de lediglich durch einen zwingenden Regelungsauftrag vorgegeben, ohne daß damit der Gestaltungsspielraum der Gründer inhaltlich eingeschränkt worden wäre: Gem. § 2 Satz 2 Nr. 6–7 des Gesetzes zählten zum Mindestinhalt des Ge­ sellschaftsvertrags Angaben zur „Form, in welcher die Zusammenberufung der Mitglieder erfolgt; (…) Art und Weise, wie das Stimmrecht von den Mitgliedern ausgeübt wird; [über] die Gegenstände, über welche schon durch einfache Stim­ menmehrheit oder nur durch eine noch größere Anzahl von Mitgliedern Be­ schluß gefaßt werden kann“.120 Ohne inhaltliche Vorgaben nahm der Gesetzge­ ber hier also mit einem Regelungsauftrag Einfluß auf die Gestaltungsentschei­ dungen der Gründungsgesellschafter. Eine umfassende Regulierung der Orga­ nisationsverfassung unterblieb.121 Nach § 10 galten vielmehr die allgemeinen sozietätsrechtlichen Regelungen subsidiär, die umfassenden Gestaltungsspiel­ raum gewährten.122 In der Praxis blieb die Organisationsverfassung von den Interessen der Mehrheitsgesellschafter bestimmt.123 bb) ADHGB Die Reformdiskussion um die Neufassung des Aktienrechts im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch von 1861124 war sodann zwar bereits gekenn­ zeichnet vom Bemühen des Gesetzgebers um einen verstärkten Schutz der Kleinaktionäre,125 doch setzten sich Vorschläge für eine strengere Regulierung der Organisationsverfassung126 einstweilen nur in geringem Umfang durch. Die Entwürfe ebenso wie das verabschiedete Gesetz hielten zunächst an den Grund­ zügen der bereits im Preußischen Aktiengesetz von 1843 anerkannten zwei­ gliedrigen Organisationsstruktur aus geschäftsführendem Vorstand und Gene­ ralversammlung fest, ohne die jeweiligen Kompetenzsphären klar zu definieren und voneinander abzugrenzen. Vor allem wurde der Vorstand verpflichtet, im Innenverhältnis „die Beschränkungen einzuhalten, welche in dem Gesell­   Zu Einzelheiten näher M. Emmerich, Beschlußverfahren, S. 84  ff.   Siehe zur zeitgenössischen Gestaltungspraxis näher Kießling, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 7. Kap., Rn. 53  ff. 122   ALR II 6 § 26, II 8 §§ 614  ff. Siehe zum allgemeinen sozietätsrechtlichen Regelungsum­ feld unter dem ALR etwa Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. 4, S. 544  ff.; zusf. Schumacher, Entwicklung, S. 5  ff. 123   Zur Gestaltungspraxis bis 1861 eingehend M. Emmerich, Beschlußverfahren, S. 93  ff. in Auseinandersetzung mit Beispielen zeitgenössischer Satzungen. 124   Vgl. dazu allgemein Baums, in: ders. (Hrsg.), ADHGB-Entwurf, S. 29  ff. und passim; Pahlow, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 8. Kap., S. 237  ff.; einge­ hend auch Wiethölter, Interessen, S. 270  ff. (unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung des Aufsichtsrats). 125   Dazu näher M. Emmerich, Beschlußverfahren, S. 107; Schubel, Verbandssouveränität, S. 177, 183  ff. 126   Zu den einzelnen Entwürfen aus Ländern und Wissenschaft eingehend Schubel, Ver­ bandssouveränität, S. 167  ff.; ferner Pahlow, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 8. Kap., Rn. 6  ff. 120 121

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1. Kapitel:  Konstitution

schaftsvertrage oder durch Beschlüsse der Generalversammlung für den Um­ fang seiner Befugniss, die Gesellschaft zu vertreten, festgesetzt sind“ (Art. 231 Abs. 1 ADHGB). Insbesondere dem satzungsmäßig und damit durch Gesell­ schafterbeschluß zu bestimmenden „Gegenstand des Unternehmens“ (Art. 209 Ziff. 2 ADHGB) wuchs damit eine gewisse Bedeutung als Korrektiv zur ver­ gleichsweise starken Stellung des Vorstandes zu.127 Im übrigen waren dem Vor­ stand eher punktuell Aufgaben zugewiesen.128 Für die – durch den Vorstand einzuberufende (Art. 236 ADHGB) – Generalversammlung bestimmte Art. 224 ADHGB lediglich, in dieser übten die Aktionäre die ihnen „in den Angelegen­ heiten der Gesellschaft“ zustehenden Rechte aus. Allerdings statuierten die Artt. 236–238 ADHGB nunmehr ausdrücklich die Voraussetzungen für die Einberufung der Generalversammlung und die dabei zu beachtenden Verfah­ rens­bestimmungen. In weitem Umfang dispositiv geregelt war aber die Rechts­ position der Aktionäre im Hinblick auf Satzungsänderungen (Artt. 214  f. ADHGB). So bestimmte Art. 215 ADHGB, daß sogar die Änderung des Un­ ternehmensgegenstands mit einfacher Mehrheit beschlossen werden konnte, wenn dies in der Satzung gestattet worden war; war dies nicht der Fall, bedurf­ te es allerdings einer einstimmigen Entscheidung. Ebenso blieben die „Art der Bestellung und Zusammensetzung des Vorstands“ und „die Bedingung des Stimmrechts der Aktionäre und die Form, in welcher dasselbe ausgeübt wird“, gem. Art. 209 Nrn. 8 und 10 ADHGB nach wie vor durch die Satzung zu gestal­ ten. Auch das in Art. 224 § 2 ADHGB festgelegte Prinzip der Gleichwertigkeit aller Aktien in Bezug auf die damit verknüpften Stimmrechte war dispositiver Natur und konnte in der Satzung abbedungen werden. Beachtlich ist allerdings die im Entwurf von 1857 vorgesehene Einführung eines Verwaltungsrats.129 Das Vorhaben wurde allerdings in der verabschiedeten Fassung wieder aufgege­ ben und durch einen fakultativen Aufsichtsrat ersetzt.130 Dabei ließ man sich bei der Neuregelung durch einen vergleichenden Blick in das französische Gesell­ 127   Ähnlich hatten bereits die unter dem Octroi- und dem Konzessionssystem erteilten Gründungsakte durch die Bestimmung des Unternehmensgegenstandes zugleich den Kreis der Organaufgaben definiert und eingegrenzt; vgl. dazu besonders Tieves, Unternehmensge­ genstand, S. 59  ff. (historische Kontinuität der Funktion satzungsmäßiger Bestimmung des Unternehmensgegenstandes und neuere Entwicklungen). 128   Siehe insbes. Artt. 236 (Einberufung der Generalversammlung), 239 (Buchführung). 129   (Revidierter) Entwurf eines Handelsgesetzbuches für die Preußischen Staaten; wieder­ gegeben bei Schubert (Hrsg.), Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten und Protokolle über die Berathungen mit kaufmännischen Sachverständigen und praktischen Juristen (1856), 1986, Artt. 158, 164 und 165 ADHGB-E. 130   Artt. 225  ff. ADHGB. Bei der KGaA war die Einrichtung eines Aufsichtsrats dagegen verpflichtend, Artt. 175 Nr. 5, 193 ADHGB. Vgl. zu den Hintergründen der Einführung – mit jeweils unterschiedlicher Bewertung – Großkomm/Assmann, AktG, Einl. Rn. 71 und 74  f.; Pahlow, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 8. Kap., Rn. 66  ff.; Schubel, Verbandssouveränität, S. 184  ff.; Schumacher, Entwicklung, S. 68  ff.; Wiethölter, Interes­ sen, S. 270  ff. und bereits Passow, ZHR 64 (1909), 27  ff.

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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schaftsrecht leiten.131 Die Kompetenzen des fakultativ einzurichtenden Auf­ sichtsrats blieben indessen noch unscharf. Teilweise orientierte man sich an den Funktionen der bestehenden Verwaltungsräte132 in der Praxis und stufte den Aufsichtsrat eher als Administrativ- denn als Kontrollorgan ein;133 teils neigte man aber auch der gegenteiligen Auffassung zu, die an sich auch der Gesetzes­ text134 nahelegte, die aber in den Verhandlungsprotokollen der Redaktionskom­ missionen keinen Niederschlag fand. Mit dem ADHGB war damit zwar auf lange Sicht eine „bahnbrechende Wei­ chenstellung (…) im Hinblick auf eine dreigliedrige Verfassung der AG und der KGaA“135 vollzogen. Allerdings handelte es sich zunächst weniger um einen planvollen Ausbau der zwingenden Vorgaben für die innere Organisation der Aktiengesellschaften in Umsetzung einer konkreten Regulierungsstrategie als vielmehr um ein in der Tat „wenig durchdachtes Resultat von Kompromissen oder Kompromißformeln“.136 Sicher war die Einführung des Aufsichtsrats nicht mehr eine bloße Rezeption bereits praktizierter Organisationsmodelle im posi­ tiven Recht, sondern wich von bisherigen Gestaltungsmustern sowohl inner­ halb als auch außerhalb Deutschlands deutlich ab.137 Der Bereich der ausschließ­ 131   Vgl. eingehend Wiethölter, Interessen, S. 275  ff., insbes. S. 278  ff.; aus der älteren Litera­ tur eingehend Passow, ZHR 64 (1909), 27, 29  ff., insbes. 42  ff. 132   Organcharakter kam den Verwaltungsräten nicht zu. Vgl. nur Wiethölter, Interessen, S. 72 m. w. N.; siehe auch M. Emmerich, Beschlußverfahren, S. 90  ff. (mit unklarer Einordnung S. 90), sowie Schumacher, Entwicklung, S. 22  ff. unter Hinweis auf Hansemann, Die Eisen­ bahn und die Aktionäre, 1837, S. 118 (Verwaltungsrat als Instrument zur Kanalisierung der Aktionärsinteressen). Vgl. zu Gestaltungsbeispielen auch Schubel, Verbandssouveränität, S. 105  ff., 110 (vorkodifikatorische Periode) sowie S. 248  f., 252  f. (Periode nach Aufhebung des Konzessionssystems). 133   Eingehend zu den unterschiedlichen zeitgenössischen Auffassungen – mit unterschied­ lichen Ergebnissen – einerseits (Weiterführung der bisherigen Praxis der Verwaltungsräte) Passow, ZHR 64 (1909), 27, 53  ff.; Renaud, Actiengesellschaften, S. 625  ff.; siehe auch Mestmäcker, Verwaltung, S. 85  f.; andererseits (echtes Kontrollorgan) Schumacher, Entwicklung, S. 73  ff.; differenzierend Wiethölter, Interessen, S. 280  ff.; zusf. Lieder, Aufsichtsrat, S. 89  f.; Großkomm/Assmann, AktG, Einl. Rn. 75. 134   Art. 225a Abs. 1 ADHGB: „Der Aufsichtsrath überwacht die Geschäftsführung der Gesellschaft in allen Zweigen der Verwaltung (…)“. 135   Großkomm/Assmann, AktG, Einl. Rn. 72; entsprechend auch Pahlow, in: Bayer/Ha­ bersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, 8. Kap., Rn. 70  f. 136   Großkomm/Assmann, AktG, Einl. Rn. 72; siehe ähnlich auch Wiethölter, Interessen, S. 272 und bereits Passow, ZHR 64 (1909), 27, 28, 57. Abweichend Schumacher, Entwicklung, S. 68  ff., der eine organische Entwicklung aus der zeitgenössischen Gestaltungspraxis an­ nimmt; differenzierend Schubel, Verbandssouveränität, zusf. S. 187  ff. (Aktienrecht des ADHGB als Resultat praktischer Erfahrungen auch aus der Konzessionspraxis, aber zugleich „nicht frei von inneren Widersprüchen“). 137   Aufsichtsräte existierten zwar bei den Aktiengesellschaften auf deutschem Boden be­ reits durchaus vor der Aufnahme des Instituts in das ADHGB, dies jedoch nur in wenigen Einzelfällen. Von einer auch nur annähernd verbreiteten Praxis kann nicht gesprochen wer­ den, vgl. insoweit weitgehend übereinstimmend einerseits Passow, Aktiengesellschaft, 2. Aufl. 1922, S. 389  ff.; Schumacher, Entwicklung, S. 69; zu Vorläufern der Aufsichtsräte in der Orga­

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1. Kapitel:  Konstitution

lich an konstitutiven Zwecken orientierten Gesetzgebung wurde verlassen, in­ dem mit dem Aufsichtsrat ein für die Handlungsfähigkeit des Verbandes nicht zwingend erforderliches Organ eingeführt wurde.138 Gerade in dieser organisa­ tionsrechtlichen Neuschöpfung lag unverkennbar ein Vorzeichen für den be­ vorstehenden Kontinuitätsbruch in der aktienrechtlichen Gesetzgebung,139 die Überlagerung konstitutiver Funktionen der gesetzlichen Regelungen durch materiale Schutzzwecke und die Hinwendung zu einer stärker präskriptiven Regulierung der Organisationsverfassung insgesamt. Mit dem Aktienrecht des ADHGB von 1861 kündigte sich dieser Bruch jedoch erst an. Sie selbst vollzog ihn noch nicht, sondern bewegte sich insgesamt noch stark auf dem Boden der bisherigen, organisationsrechtliche Fragen weitgehend dem Gestaltungsermes­ sen der Gründer vorbehaltenden Konzeption. Dies änderte sich, worauf zu­ rückzukommen ist, erst mit der Aktienrechtsnovelle von 1870,140 die den Über­ gang zur umfassenden, gezielten Regulierung der Organisationsverfassung durch zwingendes Recht markierte.

3.  Fazit Anders als für die Anerkennung der Rechtsformen von Kapitalgesellschaften als eigenständige Rechtspersönlichkeiten ist jedenfalls für die Frühentwicklung der Organisationsverfassungsrechte nach alledem keine besondere Rolle des zwingenden Rechts aufgrund des spezifischen Funktionsprofils dieses Nor­ menkomplexes feststellbar. Insbesondere ergibt sich nichts Gegenteiliges aus dem Umstand, daß die hoheitlichen Privilegierungs- und Konzessionsakte in den frühen Kolonialhandelsgesellschaften teilweise auch organisationsrechtli­ che Fragen bereits recht detailliert regelten. Damit verband sich, wie gezeigt werden konnte, schon deshalb meist kein zwingender Eingriff in die Gestal­ tungsfreiheit der Gesellschaftsgründer, weil und soweit diese es waren, die die betreffenden Grundsätze, die oft aus der zeitgenössischen Praxis des Personen­ gesellschaftsrechts abgeleitet waren, dem Souverän zur Aufnahme in die Kon­ stitutivakte vorschlugen. Während zwingende Normen im Kernbereich des konstitutiven Rechts, nämlich für die Anerkennung der rechtlichen Selbstän­ digkeit und die sich daran anknüpfenden vermögensrechtlichen Konsequenzen, eine praktisch unentbehrliche Rolle spielen, könnte die Binnenorganisation nisationsverfassung der holländischen Kolonialhandelsgesellschaften auch Lehmann, Ge­ schichtliche Entwicklung, S. 65  f. 138   Vgl. pointiert auch Renaud, Actiengesellschaften, S. 625, der zwischen „notwendigen“ (Generalversammlung und Vorstand) und „anderweitigen“ Organen unterscheidet. 139   Überzeugend Wiethölter, Interessen, S. 284. 140   Abdruck bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 107  ff. Siehe dazu noch näher unten, 2. Kap., sub A. I. 1. a) (S. 472  ff.).

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ohne weiteres auch vollständig ungeregelt und der Gestaltung durch die (Grün­ dungs-) Gesellschafter überlassen bleiben. Die Entstehungsgeschichte dieses Teils konstitutiver Regelungen belegt das ganz deutlich. Soweit die ersten Ge­ sellschaftsrechtskodifikationen nach der Ablösung des Octroi- und des Kon­ zessionssystems im 19. Jahrhundert Regelungen zur Binnenorganisation der Gesellschaften enthielten, lag ihr Zweck ausschließlich in der Bereitstellung ei­ ner dispositiven Infrastruktur, die durch die Gesellschaftsgründer an die Be­ dürfnisse des Einzelfalls angepaßt werden konnte. Diese ersten Kodifikationen beschränkten sich damit ganz auf konstitutive Regelungen im hier verwendeten Sinn; sie erleichterten die Satzungsgestaltung durch Aufnahme derjenigen Ge­ staltungsmuster, die sich in der Konzessionspraxis bewährt hatten, ohne die Gestaltungsfreiheit in nennenswertem Umfang zu begrenzen. Allerdings konn­ te auch gezeigt werden, daß sich spätestens ab der zweiten Hälfte des 19. Jahr­ hunderts die Rechtsentwicklung auf dem europäischen Kontinent von der in England sowie in den US-amerikanischen Bundesstaaten abzukoppeln begann: Während der Grundsatz der Gestaltungsfreiheit und der Beschränkung auf die Bereitstellung dispositiver Normen mit gestaltungserleichternden Funktionen für die anglo-amerikanischen Rechte bis in die Gegenwart beherrschend blieb, begann auf dem europäischen Kontinent ein Verfestigungsprozeß durch zuneh­ mend vereinheitlichte Kodifikation, an den die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzende Überformung des Organisationsrechts durch materi­ ale Schutzziele anknüpfte. Das bis hierher gewonnene Bild des Rechts der kon­ stitutiven Regelungen zur Binnenorganisation der Gesellschaften liefert damit nur eine Bestandsaufnahme für den Zeitraum vor diesem Prozeß: Es zeigt, daß konstitutive Regelungen zur Binnenorganisation des zwingenden Eingriffs nicht bedürfen, um ihren gestaltungserleichternden Zweck zu erfüllen, dem vielmehr auch mit dispositiven Regelungen ohne weiteres Rechnung getragen werden kann. Eine tragfähige Beschreibung des geltenden Rechts ist damit noch nicht verbunden.

III.  Organisationsrechtliche Aspekte des Außenrechts der Gesellschaften Ohne Regelungen über die Vertretung der Gesellschaften im Verhältnis zu Dritten wäre das Organisationsrecht unvollständig. Derartige Regelungen schaffen erst die Grundlage für eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung gegen­ über Dritten und sind heute weitgehend unkontroverser Bestandteil des zwingenden Gesellschaftsrechts. Nicht anders als die Anerkennung der rechtlichen Eigenständigkeit der Gesellschaften werden sie in den hier untersuchten Rechts­ ordnungen durchweg in der Regelform festgelegt. Auch hier sind konstitutive und materiale (Schutz-) Zwecke nicht trennscharf voneinander abzugrenzen: Je

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zurückhaltender die gesetzlichen Vorgaben für Organkompetenzen ausfallen, desto weniger kann sich der Rechtsverkehr auf die Rechtswirksamkeit von Or­ ganhandlungen verlassen; je weiter die Grenzen gezogen werden, desto größer ist damit auch der Schutz außenstehender Dritter.141 Allerdings sind die betref­ fenden Regelungen in den einzelnen Rechtsordnungen nicht ausschließlich spe­ zifisch gesellschaftsrechtlichen Regelungen unterworfen, sondern sie richten sich stets jedenfalls auch nach allgemeinen zivilrechtlichen (insbesondere stell­ vertretungsrechtlichen) und handelsrechtlichen (insbesondere firmenrechtli­ chen) Grundsätzen. Zudem handelt es sich nicht um ein auf Kapitalgesellschaf­ ten beschränktes, sondern bei allen rechtsfähigen Gesellschaftstypen auftreten­ des Problem. Da die rechtsgeschäftliche Vertretung Ausgangspunkt für die Begründung aller vertraglichen Verpflichtungen der Gesellschaft gegenüber Dritten ist, ist sie für eine Untersuchung der Finanzierungsbeziehungen im Ka­ pitalgesellschaftsrecht dennoch von besonderer Bedeutung. Wiederum lassen sich verschiedene Entwicklungsstufen feststellen: In der Frühphase (sub 1.) ist eine Differenzierung zwischen Innen- und Außenrecht nicht feststellbar. Ein­ heitliche Grundsätze für das Außenrecht der Gesellschaften existierten nicht; die Kompetenzen der Organe zur rechtsgeschäftlichen Verpflichtung der Ge­ sellschaften im Außenverhältnis blieben abhängig von der Aufgabenzuweisung im Innenverhältnis. Erst in der neueren Entwicklung (sub 2.) setzten sich stan­ dardisierte, umfassende Organkompetenzen als Korrelat zur rechtlichen Ver­ selbständigung der juristischen Person durch – eine Entwicklung, die außerhalb Deutschlands in Europa erst vergleichsweise spät im 20. Jahrhundert ihren Ab­ schluß fand.

1.  Frühphase a)  England Für die charters der (rechtsfähigen) englischen regulated companies sind Rege­ lungen über Kompetenzen der Geschäftsführung im Außenverhältnis kaum nachgewiesen. Regelmäßig scheint die zeitgenössische Praxis von einem Gleich­ lauf zwischen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnissen ausgegangen zu sein. Auf die Geschäftsleiter fanden bereits früh die Grundsätze über die Rechtsstellung des trustee Anwendung,142 die zugleich eigennütziges Verhalten   Pointiert Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 10 II, S. 523  ff. („Gläubigerschutz durch zwingende Vertretungsmacht“) sowie ebd., S. 525 („bewußte Bevorzugung des Ver­ trauensschutzes außenstehender Dritter“ durch gesetzlich fixierten Grundsatz unbeschränk­ barer organschaftlicher Vertretungsmacht). 142   Vgl. etwa The Charitable Corporation v. Sutton, 2 Atk. 400 (Geschäftsleiter als agents); Great Eastern Railway Co. v. Turner (1872), 8 Ch. App. 149, 152; Kasolowsky, Fiduciary Du­ ties, S. 55; differenzierend Sealy, (1967) 25 C.L.J. 83, 84  ff.; rechtsvergleichend Fleischer, in: GS 141

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der verantwortlichen Geschäftsleiter untersagten.143 Allenfalls im case law bil­ deten sich – in Übertragung von Regeln für Personensozietäten – erste Grund­ sätze über die Vertretungsmacht heraus, indem als Rechtshandlungen der Ge­ sellschaft nur solche anerkannt wurden, die unter deren Siegel vorgenommen worden waren.144 Vielfach werden gerade im Außenverhältnis die mit der char­ ter eingeräumten quasi-hoheitlichen Konsequenzen der Organe allgemeine ge­ sellschaftsrechtliche Grundsätze überlagert haben.145 Ab 1720 setzte sich in der Rechtsprechung sodann die später in der ultra-vires-Lehre146 formalisierte Leh­ re durch, wonach der in der Satzung angegebene Unternehmenszweck den äu­ ßeren Rahmen für die zulässige Unternehmenstätigkeit und damit auch für die Wirksamkeit der Organhandlungen bestimmte. Da die charters stets zu einem bestimmten Geschäftszweck erteilt wurden, war die damit verbundene Be­ schränkung im Außenverhältnis streng.147 Eine Trennung zwischen den Kom­ petenzen im Innenverhältnis der Organe zur Gesellschaft und ihren Hand­ lungsmöglichkeiten im Außenverhältnis fand somit noch nicht statt. Wirksam vereinbart werden konnte mit Dritten vielmehr nur, was auch im Innenverhält­ nis zulässig war; der Gesellschaftszweck (bzw. -gegenstand) blieb die maßgeb­ liche Determinante für den Umfang der Vertretungsbefugnis. b)  Frankreich Auch in den französischen Kolonialhandelsgesellschaften des 17. Jahrhunderts fehlten oft ausdrückliche Regelungen zur Vertretung der Gesellschaft. Zeitge­ nössische Texte unterschieden nicht zwischen Geschäftsführungs- und Vertre­ tungsbefugnis,148 die grundsätzlich allen Gesellschaftern gleichermaßen zu­ standen. Auch hier sind zunächst etablierte Prinzipien des Personengesell­ Heinze, 2005, S. 177, 179  f.; ders., in: FS Kilian, 2004, 645, 646  ff.; aus der Perspektive der frü­ hen US-amerikanischen Rechte auch Williston, 2 Harv. L. Rev. 149, 158 (1888). 143   Dazu näher stellvertretend Gower/Davies, Principles, Rn. 16–12  ff. Zum insoweit maß­ geblichen Pflichtenprogramm noch näher unten, 2. Kap., sub A. III. 1. a) aa) (S. 509  ff.). 144   Holdsworth, History, Bd. 8, S. 202; zu den Ursprüngen der Siegelverwendung in diesem Sinne auch Williston, 2 Harv. L. Rev. 105, 117  ff. (1888); allgemein zu den zeitgenössischen Grundsätzen der Vertretung bei partnerships Formoy, Historical Foundations, S. 32  f. 145   Vgl. anschaulich etwa W.R. Scott, Joint-Stock Companies, Bd. 2, S. 38  f. (charter der Russia Company), siehe ferner auch ebd. S. 92  f. (East India Company). 146   Siehe dazu noch unten sub 2. c) (S. 439  f.). 147   Näher Holdsworth, History, Bd. 8, S. 216 m. w. N. zur Judikatur. Tatsächlich hat man die ultra-vires-Lehre auch als Versuch interpretiert, die wirtschaftliche Verselbständigung der Gesellschaften einzudämmen und damit Machtkonzentrationen vorzubeugen, welche das öffentliche Interesse am Unternehmenszweck hätten gefährden können; vgl. sehr deutlich z. B. Colman v. Eastern Counties Railway. Co., 50 Eng. Rep. 481, 486 (M.R. 1846); dazu – un­ ter Einbeziehung der Rechtsentwicklung in den USA – auch Rajak, 26 Cambrian L. Rev., 9  ff., 18 (1995); ferner Greenfield, 87 Va. L. Rev. 1279, 1302  ff. (2001). 148   Anschaulich Pothier, Traité du contrat de société, 1769 (zit. nach Bonnassieux, Histoire juridique, S. 122): „chacun des associés est censé s’être réciproquement donné le pouvoir

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schaftsrechts auf die neuen Erscheinungsformen der inkorporierten Gesell­ schaften angewendet worden. Insbesondere für größere Gesellschaften finden sich Klauseln über die Vertretungsmacht in den Gründungsurkunden oder spä­ teren Änderungen derselben.149 Auch hierfür kann ungeachtet der Verankerung der Klauseln in den chartes kaum von einer hoheitlichen Einflußnahme auf konstitutionelle Fragen gesprochen werden; vielmehr handelte es sich, wie die Quellen belegen, eindeutig um ausschließlich an Zweckmäßigkeitsgesichts­ punkten orientierte Regelungen, welche die Zusammensetzung des Gesell­ schafterkreises reflektierten. c)  Deutschland Regelmäßig dürfte die Befugnis der Direktoren zur rechtsgeschäftlichen Ver­ pflichtung auch in den hiesigen Kolonialhandelsgesellschaften grundsätzlich aus deren Geschäftsführungskompetenzen abgeleitet worden sein.150 Die darauf bezogenen Regelungen in den Octrois reichten von umfassenden Zustimmungs­ erfordernissen der Generalversammlung mit Nichtigkeitssanktion bei Verstö­ ßen über Einschränkungen der Vertretungsmacht in Fällen der Kreditaufnah­ me und Kreditvergabe bis hin zu Restriktionen für Geschäfte zwischen Organ­ mitgliedern und Gesellschaft.151 Insgesamt überwog mithin auch hier die Ein­ zelfallregelung. d)  USA Die durch Legislativakte der (ehemaligen) britischen Kolonien inkorporierten Gesellschaften folgten auch im Hinblick auf die Rechtsverhältnisse zu Dritten weitgehend dem Vorbild des englischen Rechts.152 Bereits in den ersten charters wurden die directors als trustees qualifiziert,153 so daß die Annäherung an die allgemeinen Lehren über die Vertretungsmacht im Trust vorgeprägt war. Auch für diese Konstruktion war die Ausrichtung der Vertretungsmacht im Außen­ verhältnis an der umfassenden Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis prägend; Gestaltungen der Geschäftsführungsbefugnisse in den Gründungs­ verträgen schlugen daher unmittelbar auf das Außenverhältnis durch.154 Allge­ d’administrer l’un pour l’autre les affaires ordinaires, comme de vendre des marchandises, acheter, payer et recevoir“ (eig. Hervorhebung). 149   Bonnassieux, Histoire juridique, S. 122  ff., insbes. S. 126  f. (mit Beispielen). 150   Vgl. etwa Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien, S. 108. 151   Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien, S. 108  f. 152   Vgl. Davis, Earlier History, Bd. 1, S. 5  ff., 49  ff. 153   Vgl. Seavoy, Origins, S. 65 mit Beispielen; rechtsvergleichend Fleischer, in: GS Heinze, 2005, S. 177, 180  f. m. w. N. 154   Vgl. auch Davis, Earlier History, Bd. 1, S. 225  f. (Möglichkeit der Delegierung von Ge­ schäftsführungsaufgaben durch ein management committee).

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meine Regeln für die Vertretung der Gesellschaften existierten nicht oder traten hinter die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten der (Gründungs-) Gesell­ schafter zurück. Im übrigen etablierte sich auch hier seit Beginn der eigenstän­ digen Rechtsentwicklung bis weit hinein in das 19. Jahrhundert155 die in Eng­ land bereits fest verankerte ultra-vires-Lehre, die im Zusammenhang mit der Festlegung eines bestimmten Gesellschaftszwecks oder -gegenstands in den charters zu einer recht weitgehenden Beschränkung der rechtlichen Handlungs­ möglichkeiten im Verhältnis zu Dritten führte.156 Allerdings galten die in Eng­ land bereits etablierten Grundsätze nur modifiziert; noch aus der Zeit bis Mitte des 19. Jahrhunderts finden sich Judikate, die etwa die Kreditaufnahme durch eine corporation auch ohne ausdrückliche Gestattung in der charter für vom Gesellschaftszweck gedeckt und damit wirksam unter dem Gesichtspunkt der ultra-vires-Lehre erklärten.157

2.  Konsolidierungsphase: einheitliches Außenrecht als Korrelat zur organisatorischen und rechtlichen Verselbständigung a)  Deutschland Im deutschen Recht finden sich bereits mit den Artt. 227, 231, 234 des ADHGB von 1861 die ersten positivrechtlichen Vorgaben für die rechtsgeschäftliche Ver­ pflichtung der Gesellschaften im Außenverhältnis, die klar zwischen Befugnis­ sen im Innenverhältniss (Art. 231 Abs. 1 ADHGB) einerseits und unbeschränk­ barer Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis unterschieden.158 Dies entsprach der Rechtslage bei sonstigen handelsrechtlichen Vertretungsverhältnissen, für die bereits eine generelle Trennung von Vollmacht und zugrundeliegendem Rechtsgeschäft (Auftrag, Anstellungsverhältnis, Bestellung zu vertretungsbe­ rechtigter Person etc.) charakteristisch war. Eine richtungsweisende, 1866 ver­ öffentlichte Abhandlung von Paul Laband159 arbeitete dieses Grundmuster erst­ malig heraus und ließ so den im Handels- und Gesellschaftsrecht erreichten Entwicklungsstand auch auf die allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsät­

155   Repräsentativ noch Dodge v. Woolsey, 59 U.S. (18 How.) 331, 341 (1855) (Handeln ultra vires als „breach of trust“). 156   Zusf. Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 296; vgl. zur rechtlichen Bewertung der Gestaltungspraxis auch Street, Ultra Vires, S. 74  f. 157   Vgl. Dodd, American Business Corporations, S. 188  ff. 158   Vgl. demgegenüber noch die unscharfe Bestimmung des § 21 Preuß. AktG 1843 (Ab­ druck bei Baums (Hrsg.), Pr. Aktiengesetz, S. 345): „Die Befugniß des Vorstandes zur Vertre­ tung der Gesellschaft bei gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften erstreckt sich auch auf diejenigen Fälle, in welchen eine Spezialvollmacht erforderlich ist.“ 159   Laband, ZHR 10 (1866), 183  ff., insbes. S. 203  ff.

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ze zur Stellvertretung ausstrahlen.160 In der gesetzlichen Anordnung unbe­ schränkbarer Vertretungsmacht angelegt war zugleich das moderne Konzept der organschaftlichen Vertretungsmacht als Ausdruck eines Konzepts gesetz­ lich definierter Organaufgaben, die nicht mehr der Legitimationskraft einer bis in die Einzelheiten reichenden Regelung in der Satzung bedurften. Die Institu­ tionalisierung der Gesellschaft als juristischer Person, die selbständig durch ihre Organe im Rechtsverkehr auftritt, ist damit in Deutschland faktisch161 schon früh vollzogen worden. Die Entwicklung des Außenrechts der Kapitalgesellschaften in ihren materi­ ell-rechtlichen Grundpositionen war mit diesen gesetzlichen Vorgaben weitge­ hend abgeschlossen. In weiteren Reformen des Aktienrechts wurden sie in ihrer Substanz nicht mehr angetastet; das GmbH-Gesetz übernahm sie (§ 37 Abs. 2 GmbHG i.d.F. von 1892 = § 35 Abs. 2 GmbHG n.F.). In der jüngeren Entwick­ lung ging und geht es nur mehr darum, den Grundsatz der unbeschränkbaren organschaftlichen Vertretungsmacht in Grenzbereichen näher zu konturieren. Dies betrifft zunächst die Fälle, in denen das Gesetz selbst die Vertretungs­ macht begrenzt (für das Außenverhältnis relevant z. B. §§ 293, 295 AktG), und sodann insbesondere Fälle des Mißbrauchs der Vertretungsmacht, für die sich in der Judikatur gefestigte, wenn auch keineswegs unumstrittene Grundsätze herausgebildet haben.162 Der damit im deutschen Recht erreichte Standardisierungsgrad strahlte zu­ gleich auf die Rechtsentwicklung im Gemeinschaftsrecht aus. Beeinflußt durch das deutsche Recht, schrieb Art. 9 der Ersten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie von 1968163 den Grundsatz der im Außenverhältnis unbeschränkbaren organ­ schaftlichen Vertretungsmacht fest, was in den meisten übrigen Mitgliedstaaten erst zur Einführung dieses Grundsatzes führte.164

  Näher Müller-Freienfels, Vertretung, S. 2  ff.; HKK/Schmoeckel, §§ 164–181 Rn. 3; zusf. Staudinger/Schilken, Vor §§ 164  ff. BGB Rn. 12  ff., 33. 161   Zur Kontroverse zwischen der von Otto von Gierke (Genossenschaftstheorie, S. 603  ff.; Deutsches Privatrecht, Bd. 1, § 67 I, S. 518  ff.) entwickelten „Organtheorie“ (eigene Willensund Handlungsträgerschaft des Verbands selbst) und der gegensätzlichen, zumal von Friedrich Carl von Savigny (System, 1840, § 90, S. 282  f.) vertretenen sog. „Vertretertheorie“, wo­ nach der Verband nicht selbst, sondern nur aufgrund Dritter, nämlich seiner Vertreter, hand­ lungsfähig ist, vgl. z. B. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 I, S. 250  ff.; ferner Beuthien, in: FS Zöllner, Bd. 1, S. 87, 89  ff.; grundsätzlich a.A. – im Anschluß an die Position Savignys – nach wie vor Flume, Juristische Person, § 11 I, S. 377  ff. 162   Vgl. stellvertretend Hüffer, AktG, § 82 Rn. 6  f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 II, S. 254  ff., jeweils m. w. N. 163   Erste Richtlinie 68/151/EWG vom 9. 3. 1968 zur Koordinierung von Schutzbestim­ mungen im Gesellschaftsrecht (Publizitätsrichtlinie), ABlEG. Nr. L 65/8. 164   Vgl. etwa Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2011, § 5 Rn. 30; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 10 II 1. a), S. 527; monographisch Fischer-Zernin, Rechtsangleichungserfolg, S. 15  ff.; siehe auch Einmahl, AG 1969, 167, 169  ff. 160

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b)  Frankreich Die Vertretungsmacht der mandataires der unter dem Code de commerce von 1807 gegründeten Gesellschaften entsprach demgegenüber noch vollständig je­ ner in den unter dem Octroi- und Konzessionssystem gegründeten Gesellschaf­ ten. Sie richtete sich nach den im Gesellschaftsvertrag festgelegten Kompeten­ zen; subsidiär griffen die allgemeinen Stellvertretungsregeln der Artt. 1984  ff. C.civ. ein, die nicht nach Grundgeschäft und (Umfang der) Vertretungsmacht differenzieren.165 Standardisierte und damit für den Rechtsverkehr transparente Vertretungskompetenzen qua Amt existierten nicht. Suchten Vertragspartner Orientierung über Ausmaß und generelle oder auf konkrete Geschäfte bezoge­ ne Grenzen der Vertretungsmacht ihres Verhandlungspartners, blieben sie da­ für auf die Festlegung des Gesellschaftsgegenstands bzw. -zwecks in den Statu­ ten verwiesen. Die Kompetenzverteilung zwischen conseil d’administration und directeur war in der Praxis uneinheitlich geregelt; teilweise wurde der di­ recteur durch das Statut zum allein zeichnungsbefugten Organ für Rechtsge­ schäfte mit Dritten erklärt, teilweise blieb seine Vertretungsmacht aber auch hinter jener der administrateurs zurück. Den (Gründungs-) Gesellschaftern si­ cherte dies großen Einfluß auf die Kompetenz zur rechtswirksamen Verpflich­ tung der Gesellschaft im Außenverhältnis. Lediglich negativ legte Art. 32 Code de Commerce im Hinblick auf die Vertretungsverhältnisse fest, daß aus der Ge­ schäftsführung der sociétés anonymes den administrateurs keine persönliche Verpflichtung erwachse. Unter der Geltung des Gesetzes von 1867166 änderte sich dies zwar auf den ersten Blick, indem sich Rechtsprechung und Gestaltungspraxis zunehmend dem Grundsatz umfassender Vertretungsmacht der gérants annäherten. In der Sache selbst blieb man allerdings dem überkommenen Bild von der Qualifikati­ on der gérants als mandataires i. S.d. Artt. 1984  ff. C.civ.167 und damit als vertre­ tungsberechtigte Beauftragte der Gesellschafter verhaftet (sog. Mandatstheo­ rie). Ihre Vertretungsmacht erwuchs danach nicht ipso iure aus der Organstel­ lung, sondern verdankte sich der vertraglichen Aufgabendelegierung in den Statuten.168 Vom Aufgabenkreis der gérants und damit vom Kreis zulässiger Rechtsgeschäfte im Außenverhältnis ausgeschlossen blieben zunächst Verfü­ gungen über das Immobiliar- und Mobiliarsachvermögen der Gesellschaft (ein­ schließlich ihrer Belastung). Insbesondere konnten die gérants wegen der auf das Außenverhältnis ausstrahlenden Verpflichtung zur Beachtung des statuta­   Hierzu und zum folgenden Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 295  ff. (conseil d’administration), 325  ff. (directeur). 166   Dazu oben sub II. 2. c) (S. 426). 167   Zu den römisch-rechtlichen Wurzeln des mandat vgl. nur Laband, ZHR 10 (1866), 183, 203  f. 168   Vgl. dazu Berr, L’exercice du pouvoir, S. 28  ff.; deutsch Fischer-Zernin, Rechtsanglei­ chungserfolg, S. 15  ff. m. w. N. 165

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rischen Unternehmenszwecks ohne spezielles Mandat nur solche Rechtsge­ schäfte wirksam eingehen, die sich innerhalb des damit gezogenen Rahmens bewegten.169 Diese Grundsätze wurden erstmals 1925 durch Art. 24 al. 2 der loi sur les sociétés à responsabilité limitée gelockert, der den gérants gegenüber Dritten alle Kompetenzen (Vollmachten) einräumte, um in allen Angelegenheiten für die Gesellschaft zu handeln. Damit näherte sich das französische Recht – ange­ sichts der deutschen Wurzeln der SARL nicht verwunderlich – dem deutschen Organverständnis an. Zwar räumte die Urfassung der Norm den Gesellschaf­ tern die Möglichkeit ein, durch Beschränkungen im Statut die gesetzliche Wer­ tung zu korrigieren und die Vertretungsmacht auf das gewohnte Maß zurück­ zuführen, doch änderte sich das dem Vertretungsrecht zugrundeliegende Para­ digma: Nunmehr war zumindest für die Organkompetenzen im Außenverhält­ nis klargestellt, daß sie auf gesetzlicher Anordnung, nicht allein auf privatauto­ nomer Gestaltung als Legitimationsakt beruhten. Die Ausstrahlungskraft dieser Neuregelung auf die Neuorientierung der Dogmatik der Organstellung und ihre Konsequenzen während des 20. Jahrhunderts kann daher kaum unter­ schätzt werden.170 Dies zeigt sich auch in einer wenig später, 1927, ergangenen Entscheidung der Cour de cassation, die auch für die société anonyme, für wel­ che eine vergleichbare Regelung nicht existierte, den Grundsatz umfassender Vertretungsmacht vorbehaltlich abweichender Gestaltungen in den Statuten ausdrücklich formulierte.171 Nach wie vor aber blieb der durch den Gesell­ schaftszweck bzw. -gegenstand definierte Handlungsrahmen die äußerste Grenze der Befugnis zur rechtsgeschäftlichen Vertretung der Gesellschaft. Dies änderte sich – bereits vor der Umsetzung der Ersten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie – erst mit der Reform des Gesellschaftsrechts durch das Gesetz no. 66-537 von 1966,172 das die Zahl der Gründungsmängel mit Nichtigkeitssankti­ on reduzierte173 und außerdem Mängel bei der Vertretungsmacht der Geschäfts­ leiter im Außenverhältnis für unerheblich erklärte.174 c)  England Das englische Recht unterschied sich von der Position des französischen über lange Zeit hinweg weniger im materiellen Kern als in der technischen Ausge­ staltung. Mit dem Aufschwung der registered incorporated companies nach 169   Näher Pic/Kréher, Sociétés Commerciales, Bd. 2, S. 534  ff.; allgemein dies., Sociétés Commerciales, Bd. 1, S. 506  ff.; siehe auch Berr, L’exercice du pouvoir, S. 32, 34. 170   Vgl. Berr, L’exercice du pouvoir, S. 31. 171   D. P. 1927. I. 118, note A. G. 172   Dazu im vorliegenden Kontext eingehend Merle, Sociétés commerciales, Rn. 68  ff. 173   Vgl. Artt. 360  ff. loi no. 66-537 = Artt. L. 235-1  ff. nC.com. 174   Vgl. nunmehr Artt. L. 225-56 al. 2, L. 225-64 al. 2 nC.com. für die SA sowie Art. L. 223-18 al. 5 nC.com. für die SARL.

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dem Joint Stock Companies Act 1856 ergab sich ein praktisches Bedürfnis nach einer Definition der Organkompetenzen im Außenverhältnis, die das House of Lords in einer Entscheidung aus dem Jahr 1875 zunächst dazu veranlaßte, die Geltung der ultra-vires-Lehre für Kapitalgesellschaften ausdrücklich zu beja­ hen.175 Die Grenzen zulässigen Organhandelns im Verhältnis zu Dritten richte­ ten sich damit auch hier nach der Definition des Unternehmenszwecks in den Gründungsdokumenten. Die Gestaltungspraxis reagierte darauf mit zuneh­ mend weit gefaßten – und damit in ihrer Aussagekraft und Restriktionswir­ kung bedeutungslosen – Zweckklauseln, die den directors im Ergebnis (teilwei­ se explizit) erheblichen Spielraum verschafften.176 Da gleichwohl nicht alle Ge­ sellschaften dieser Praxis folgten, wurden Gläubiger insbesondere nach Ände­ rungen im Geschäftsfeld häufig mit der ultra-vires-Einrede konfrontiert, was zu erheblicher Rechtsunsicherheit führte. Hinzu kam, daß das Common Law die Kenntnis der Vertragspartner von registered companies bezüglich aller pu­ blic documents der Gesellschaft unwiderleglich vermutet, weshalb der ultravires-Einwand auch gegenüber an sich gutgläubigen Dritten regelmäßig durch­ drang.177 Erst mit dem Beitritt Englands zur Europäischen Wirtschaftsgemein­ schaft 1972 wurde zunächst zum Zweck der Umsetzung der Anforderungen der Ersten Richtlinie eine Bestimmung eingeführt, wonach zugunsten gutgläubiger Dritter alle Rechtsverhältnisse als vom Unternehmenszweck gedeckt anzuse­ hen waren, die von den directors mitentschieden worden waren.178 1989 wurde diese Bestimmung nochmals geändert; sec. 35(1) CA 1985 i.d.F. des CA 1989 schloß nunmehr generell die Berufung der Gesellschaft auf fehlende Hand­ lungsmacht gegenüber Dritten auf der Grundlage des memorandum of associa­ tion aus.179 Die Geltendmachung der ultra-vires-Lehre zu Lasten von Vertrags­ partnern180 ist damit heute nicht mehr möglich. Die Möglichkeiten, die Vertretungsbefugnis der directors im Außenverhält­ nis zu beschränken, waren allerdings unter früherem Recht mit der ultra-viresLehre nicht erschöpft. Auch unabhängig vom Unternehmenszweck im memo­ randum of association konnte vielmehr die Vertretungsmacht für einzelne oder alle Vertreter (agents) der Gesellschaft beschränkt werden. Anders als die ultra  Ashbury Railway Carriage Company v. Riche, (1875) L.R. 7 H.L. 653.   Vgl. z. B. Bell Houses Ltd v. City Wall Properties Ltd [1966] Q.B. 656, CA (object of company „to carry on … [and] any other trade or business whatsoever which can, in the opin­ ion of the board of directors, be advantageously carried on by the company in connection with or as ancillary to any of the above businesses or the general business of the company” [and] to do all such other things as are incidental or conducive to the above objects or any of them”). 177   Sog. constructive notice, vgl. Gower/Davies, Principles, Rn. 7-2. 178   European Communities Act 1972, sec. 9(1); später sec. 35 CA 1985. 179   Ausf. Gower/Davies, Principles, Rn. 7-2  ff. 180   Gesellschaftern verblieb gegenüber der Geschäftsleitung nach sec. 35(2) CA 1985 i.d.F. des CA 1989 die Möglichkeit, die Beachtung der durch den Gesellschaftszweck gesetzten Handlungsgrenzen im Wege der injunction gerichtlich durchzusetzen. 175 176

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vires-Doktrin führte der Einwand der fehlenden Vertretungsmacht in diesem Sinn allerdings nur zur schwebenden Unwirksamkeit mit der Möglichkeit einer nachträglichen Genehmigung (ratification) entsprechend den in der Satzung vorgesehenen Verfahren. Diese Möglichkeit wurde zwar mit der Entscheidung in Royal British Bank v. Turquand bereits im 19. Jahrhundert insofern zurück­ geschnitten, als danach gutgläubige Dritte nicht verpflichtet waren, sich von der Einhaltung der im memorandum vorgesehenen internen Entscheidungsverfah­ ren zu überzeugen; war dagegen verstoßen worden, blieben die betreffenden Rechtsakte der Vertreter im Außenverhältnis dennoch wirksam.181 Schränkte das memorandum allerdings die Vertretungsmacht von vornherein für be­ stimmte Arten von Rechtsgeschäften ein, blieb auch ein gutgläubiger Dritter in seinem Vertrauen auf Zusagen des handelnden directors (oder eines anderen an sich Vertretungsberechtigten) ungeschützt. Auch diese Regeln sind mit dem Companies Act 1989 reformiert worden. Seither gilt der Grundsatz effektiven Verkehrsschutzes durch eine umfassende Vertretungsmacht der directors; nur solchen Dritten, die positiv um die Existenz von Einschränkungen wissen, kön­ nen diese entgegengehalten werden.182 Auch in England kann der Rechtsverkehr seither bis zur Mißbrauchsgrenze auf die Vertretungsmacht der directors als Geschäftsführungsorgane vertrauen. Mit dem Companies Act 2006 sind so­ wohl die Regelungen zur Handlungsmacht der Gesellschaft als auch zur Vertre­ tungsmacht der directors im Außenverhältnis nochmals neu gefaßt worden. Die Vorschriften der secs. 39  ff. CA 2006 präzisiseren nunmehr die umfassende Ver­ tretungsmacht der directors erheblich. Sec. 40(2) CA 2006 stellt klar, daß Dritte keine Erkundigungsobliegenheit bezüglich der gesellschaftsinternen Kompe­ tenzverhältnisse trifft und daß eine bloße Kenntnis der Tatsache, das das betref­ fende Rechtsgeschäft die statutarischen Kompetenzen des handelnden directors übersteigt, nicht ausreicht, um den Schutz der Bestimmung wegen Bösgläubig­ keit entfallen zu lassen. d)  USA In den USA wirkte die aus dem englischen Recht rezipierte, aber abgeschwäch­ te Verknüpfung der ultra-vires-Lehre mit einem gesetzlich nicht geregeltem Umfang der Vertretungsmacht der Organe zunächst fort. So sahen auch die frü­ hen general incorporation statutes durchweg vor, daß in den Gründungsunter­ lagen der Gesellschaftszweck (purpose of the corporation) anzugeben sei.183   Royal British Bank v. Turquand, (1856) 6 E. & B. 327.   Vgl. sec. 35A CA 1985 i.d.F. des CA 1989 und zu Einzelheiten Gower/Davies, Princip­ les, Rn. 7–15  ff. 183   Z.B. N.Y. Inc. Act, 1811 N.Y. Laws ch. 67, sec. I; N.J. Corp. Act, 1896 N.J. Laws ch. 185, sec. 8.IV; Del. G. Corp. L. 1899, 21 Del. Laws 445, c. 273, sec. 7 Ziff. 3; N.Y. Stock Corpora­ tion Act 1892. 181

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Teilweise wurde der Kreis der Kompetenzen im Außenverhältnis ausdrücklich unter Rekurs darauf beschränkt,184 im übrigen ergab sich Entsprechendes aus der allgemeinen ultra-vires-Lehre des Common Law. Auch hier zeichnete sich indes rasch ab, daß die Fixierung auf das Erfordernis eines statutarisch festge­ legten Gesellschaftszwecks oder -gegenstands als Maßstab für die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten der Gesellschaft im Verhältnis zu Dritten unflexibel und unpraktikabel war.185 Die Gliedstaaten gaben daher die Beschränkung auf nur einen zulässigen Gesellschaftszweck schon während des 19. Jahrhunderts zunehmend auf.186 Die Gestaltungspraxis reagierte auch hier prompt mit extrem weit gefaßten Zweckklauseln, sog. multi purpose clauses. Dies wurde zur heute noch weithin üblichen Form weiterentwickelt, wonach die Angabe des Gesell­ schaftszwecks um die Formulierung „and any other lawful purpose“ ergänzt wird. Dies soll einerseits über das tatsächliche Geschäftsfeld aufklären und an­ dererseits den Beschränkungen der ultra-vires-Lehre entgehen helfen,187 die be­ reits damit an Bedeutung verloren hat.188 Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts hat auch das US-amerikanische Recht zunehmend zum Grundsatz einer durch den Gesellschaftszweck unbeschränkten Handlungsfähigkeit gefunden: Zog etwa noch der Uniform Business Corporation Act 1928 den Unternehmenszweck als maßgebliche Determinante für den Kreis zulässiger Rechtshandlungen heran,189 so entfernte sich die neuere Gesetzgebung von diesem Grundsatz zunehmend. Insbesondere der Model Business Corporation Act schließt heute die Berufung der Gesellschaft auf den ultra-vires-Einwand gegenüber Dritten ausdrücklich aus (§ 3.04(a) M.B.C.A.), wobei allerdings Aktionäre die Vornahme oder Erfül­ lung konkreter Rechtsgeschäfte, die gegen den Gesellschaftszweck bzw. -ge­ genstand verstoßen, im Wege der injunction verhindern können (§ 3.04(b)(1) M.B.C.A.).190 Auch der Delaware General Corporation Act hat diese Lösung übernommen (§ 124). 184   Z.B. N. J. Corp. Act, 1896 N.J. Laws ch. 185, secs. 1.IV und 2; entsprechend (nur für Eigentumserwerb) Del. G. Corp. L. 1899, c. 273, 21 Del. Laws 445, sec. 4. 185   Dazu und zum folgenden etwa Rajak, 26 Cambrian L. Rev. 9, 12  ff. (1995); ferner Greenfield, 87 Va. L. Rev. 1279, 1310  ff. (2001). 186   Vgl. nochmals die Nachw. soeben Fn. 183 (Zulässigkeit auch der Angabe mehrerer Ge­ sellschaftszwecke in den Gründungsunterlagen). Siehe auch Uniform Business Corporation Act 1928 (dazu oben sub II. 2. b) (S. 423) bei und in Fn. 99), sec. 3.I. 187   Vgl. stellvertretend Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 298 m. Nachw. 188   Abweichend die – indes keineswegs der herrschenden Auffassung entsprechende – Ein­ schätzung bei Greenfield, 87 Va. L. Rev. 1279, 1283  ff. (2001): Pflicht zur Einhaltung der ge­ setzlichen Schranken für die Unternehmenstätigkeit als zentraler Unternehmenszweck, der über die ultra-vires-Doktrin Prägungskraft für das gesamte Pflichtenprogramm der Gesell­ schaftsorgane entfalte. 189   Uniform Business Corporation Act 1928 (dazu oben sub II. 2. b) (S. 423) bei und in Fn. 99), sec. 11.I („… a corporation shall have authority to perform only such acts as are neces­ sary or proper to accomplish its purposes…“). 190   Vgl. z. B. Inter-Continental Corp. v. Moody, 411 S.W.2d 578 (Tex.Civ. App. 1966). Zum Ganzen näher Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 308  ff.

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1. Kapitel:  Konstitution

Bedeutsamer für die Reichweite des Verkehrsschutzes ist in der Praxis das Problem standardisierter Vertretungsmacht der Organe, hier vor allem der of­ ficers. Ähnlich dem englischen Recht kannten die frühen US-amerikanischen Gesellschaftsrechtskodifikationen bereits früh den Grundsatz weitgehender Dispositivität; der Umfang der Vertretungsmacht konnte in den by-laws – selte­ ner: in den articles of association – in weiten Grenzen frei bestimmt werden. Subsidiär griffen die Common Law-Grundsätze der agency ein. Generell wur­ de danach Vertretungsmacht eher restriktiv gewährt und richtete sich im we­ sentlichen nach der Ressortaufteilung innerhalb der Geschäftsleitung.191 Weit­ hin auch heute noch überläßt es der Gesetzgeber der Gestaltung durch die bylaws, den Umfang der Vertretungsmacht frei zu bestimmen.192 Eine der jüngeren europäischen Rechtsentwicklung vergleichbare Standardisierung der Vertre­ tungsverhältnisse läßt sich auf der Ebene des Gesetzesrechts bislang nicht beob­ achten. Allerdings kompensieren die agency-Grundsätze des Common Law dies zumindest teilweise und schränken die Gestaltungsfreiheit insofern ein, als insbesondere beim president bzw. CEO eine den üblichen Gepflogenheiten ent­ sprechende Vertretungsmacht vermutet wird (sog. implied authority).193 Gleich­ wohl verbleiben erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der zulässigen Reich­ weite entsprechender Restriktionen in den by-laws, die sich in entsprechend reicher Kasuistik niedergeschlagen haben.194

3.  Fazit Das Außenrecht der Gesellschaften – und hier vor allem die Grundsätze für deren Vertretung im Verhältnis zu Dritten – steht in gewisser Weise zwischen dem eingangs untersuchten Kernbestand konstitutiver Regelungen, der sich auf die Anerkennung der Rechtsform und die rechtliche Selbständigkeit bezieht, und den sodann in den Blick genommenen konstitutiven Regelungen zur Bin­ nenorganisation: Wie die Entwicklungsgeschichte zeigt, bedürfen die Grund­ sätze für die Vertretung der Gesellschaften im Außenverhältnis – anders als die Normen der ersten Gruppe – nicht unbedingt zwingender gesetzlicher Rege­ lungen, um überhaupt wirksam werden zu können. Vielmehr konnte bei der Gründung der ersten (Kolonial-) Handelsgesellschaften insoweit nahtlos an die allgemeinen Regeln des Stellvertretungsrechts bzw. treuhandrechtliche Grund­   Vgl. aus der Judikatur repräsentativ z. B. noch Black v. Harrison Home Corp., 99 P. 494 (Cal. 1909); In re Westec Corp., 434 F.2d 195 (5th Cir. 1970); Schwartz v. United Merchants & Manufacturers Inc., 72 F.2d 256 (2d Cir. 1934). 192   Z.B. § 8.41 M.B.C.A.; §§ 141(a), 142(a) Del. G. Corp. L. 193   Vgl. zusf. etwa Perlmuter Printing Co. v. Strome, Inc., 436 F. Supp. 409 (N.D. Ohio 1976); zu Einzelheiten näher Dodd, American Business Corporations, S. 191  ff. 194   Zu Einzelheiten näher stellvertretend Clark, Corporate Law, § 3.3, S. 114  ff. 191

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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sätze angeknüpft werden, die eine selbständige, originär kapitalgesellschafts­ rechtliche Regelung zunächst entbehrlich erscheinen ließen. In Verbindung mit der Festlegung der Organzuständigkeiten im Innenverhältnis schienen für Oc­ troi- und Konzessionspraxis ebenso wie für die frühen kapitalgesellschafts­ rechtlichen Kodifikationen die Grundlagen für die Handlungsfähigkeit der Ge­ sellschaften im Außenverhältnis damit ausreichend gelegt. Anders als beim Recht der Binnenorganisation hat die Praxis allerdings offenbar gezeigt, daß zwingende Vorgaben, die die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter hinsicht­ lich der Vertretungsmacht der Geschäftsleiter im Außenverhältnis einschrän­ ken, mit sinnvollen Standardisierungseffekten einhergehen, die die Verläßlich­ keit der Handlungskompetenzen der Geschäftsleiter gegenüber Dritten steigern und sich damit insgesamt effizienzfördernd auswirken. Wenn zumal das deut­ sche Recht schon früh zu einheitlichen Grundsätzen in diesem Sinne gefunden (und damit die jüngere Rechtsentwicklung in Europa geprägt) hat, so bedeutet das deshalb nicht in erster Linie einen belastenden Eingriff des Gesetzesrechts. Vielmehr nimmt auch hier das Gesetz mit zwingenden Vorgaben in der Regel­ form wiederum Aufgaben der Infrastrukturgewährleistung wahr. Das Außen­ recht der Gesellschaften im vorstehend entwickelten Sinn ist damit als Rechts­ gebiet identifiziert, auf dem zwingendes Recht in der Regelform zwar keine notwendige, aber eine nützliche, effizienzsteigernde Funktion übernommen hat. Besonders deutlich belegt dies die Entwicklung in England, wo die mit dem früheren Recht verbundenen Unsicherheiten zuletzt zur abschließenden gesetz­ lichen Klärung im Companies Act 2006 geführt haben, aber auch in den USA, wo die Praxis den an sich eröffneten Gestaltungsspielraum oft nicht in An­ spruch genommen und aus Praktikabilitätsgründen den Unternehmenszweck offen gehalten und damit die Geltendmachung des ultra-vires-Einwands ausge­ schlossen hat.

IV.  Finanzverfassung Gesetzliche Vorgaben für die Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften sind naturgemäß mit der hoheitlichen, später gesetzlichen Anerkennung als eigen­ ständige, auch vermögensrechtlich selbständige Rechtspersönlichkeiten unmit­ telbar verknüpft: Ohne Festlegungen zur inneren Finanzordnung ist die Tren­ nung der Vermögenssphären von Gesellschaft und Gesellschaftern schlechthin undenkbar. Regelungen zur Finanzverfassung gehören damit ebenso zum Kernbestand konstitutiver Regelungen wie die Grundzüge der Organisations­ verfassung. Zwar tendierten die hoheitlichen Vorgaben für die Finanzverfas­ sung der Gesellschaften während der Frühphase noch stark dazu, die jeweiligen Fragen in das Gestaltungsermessen der Gesellschafter zu stellen, oder nahmen immerhin Regelungen auf, die ursprünglich von diesen vorgeschlagen worden

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1. Kapitel:  Konstitution

waren. Gleichwohl ging die hoheitliche Einflußnahme in den hier untersuchten Rechtsordnungen insbesondere auf Kapitalaufbringung und Kapitalschutz schon früh durchaus weiter als in organisationsrechtlichen Fragen (unten 1.). Anfangs wird das Hauptmotiv dafür zwar noch im Interesse des jeweiligen Souveräns bzw. der Konzessionsbehörden an der Absicherung der finanziellen Leistungsfähigkeit der privilegierten bzw. konzessionierten Gesellschaften zu suchen sein. Wenn diese in die Lage versetzt werden sollten, die jeweils ja auch fiskalisch und politisch fundierten wirtschaftlichen Ziele effektiv zu erreichen, setzte dies eben auch hinreichende Kapitalisierung voraus. Schutzinteressen Dritter, insbesondere der Gläubiger, dürften in dieser Hinsicht dagegen kaum eine nennenswerte Rolle gespielt haben. Dennoch legten die einschlägigen Vor­ gaben bereits ein Fundament, auf dem die mit dem Übergang zum System der Normativbestimmungen einsetzende Regulierung der Kapitalisierung im In­ teresse von Gläubigern und Anlegern aufbauen konnte. Die weitere Rechtsent­ wicklung verlief allerdings stark unterschiedlich: Während die konstitutiven Zwecke gesetzlicher Vorgaben in den kontinentaleuropäischen, anfangs aber auch in den US-amerikanischen Gesellschaftsrechten recht früh durch materi­ ale Schutzinteressen überlagert wurden, behielt das englische Recht bis weit ins 20. Jahrhundert hinein seine weitgehende Zurückhaltung bei (unten 2.).

1.  Frühphase a)  England Das englische Recht fand schon früh zur Trennung der Vermögenssphären von Gesellschaftern und Gesellschaft. Bereits im 15. Jahrhundert wurde der Grund­ satz formuliert, daß ein Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft nicht haftbar gemacht werden könne; im 17. Jahrhundert hatte sich dieses Prinzip endgültig durchgesetzt.195 Solange allerdings die charters noch Zubußpflichten der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft vorsahen, die über die erste Kapi­ taleinlage hinausgingen, konnten Gläubiger diese Forderungen der Gesellschaft zur Tilgung von Gesellschaftsverbindlichkeiten einziehen.196 Einheitliche Grundsätze für die innere Finanzverfassung sind für diese Früh­ phase demgegenüber noch nicht feststellbar. Charakteristisch war die jeweils projektbezogene Aufbringung des erforderlichen Kapitalbeitrags. Ein – gar sta­ tutarisch fixiertes – permanentes Grundkapital blieb unüblich; die Grenzen zur 195   Holdsworth, History, Bd. 3, S. 484 und Bd. 8, S. 203  f.; aus der Judikatur maßgeblich Edmunds v. Brown and Tillard, (1667) 1 Lev. 237; Salmon v. The Hamborough Company, (1671) 1 Ch. Cas. 204. 196   Zu Einzelheiten: Holdsworth, History, Bd. 8, S. 204; die vorstehend Fn. 195 zitierte Entscheidung des House of Lords in der Sache Salmon v. The Hamborough Company betraf einen so gelagerten Fall.

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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Kapitalstruktur der zeitgenössischen Personenhandelsgesellschaft waren flie­ ßend.197 Insbesondere die South Sea Company als wichtigste Kolonialgesell­ schaft wich von späteren Charakteristika von Kapitalgesellschaften ab; ihre Fi­ nanzierung wurde nur zu einem Teil durch Eigenkapitalbeteiligungen und im übrigen mit Schuldverschreibungen eingeworben.198 Nur teilweise und erst all­ mählich legten die charters anderer Gesellschaften den Nennbetrag der Aktien fest;199 zuvor war ein – der heutigen Stückaktie in Grundzügen vergleichbares – System verbreitet, bei dem die Zahl der Aktien (shares) im Verlaufe des Ge­ schäftsbetriebs nicht mehr verändert wurde, sondern der Wert der Aktie im weiteren Verlauf stieg oder fiel. 200 Insgesamt blieb auch während des 17. Jahr­ hunderts die Kapitalausstattung der durch hoheitlichen Gründungsakt errich­ teten Gesellschaften uneinheitlich. 201 Etablierte Standards zur Kapitalaufbrin­ gung, zur Kapitalerhaltung und zur Gewinnverwendung lassen sich nicht nach­ weisen. Eine konsistente Regulierung der Finanzverfassung fand nicht statt. Erkennbar zeichnete sich indessen bereits in der Frühphase der Rechtsentwick­ lung die Verselbständigung der Aktien (shares) zu handelbaren, verselbständig­ ten Kapitalanteilen auch in wertpapierrechtlicher Hinsicht ab. Bereits im 16. Jahrhundert war der organisierte Handel in Kapitalanteilen weit verbreitet und entwickelten sich entsprechende Grundsätze über die Rechtsnatur der Anteile als Wertpapiere. 202 b)  Frankreich Mit der Klärung des vermögensrechtlichen Status der Aktionäre verband sich auch im französischen Recht die rechtliche Verselbständigung und Trennung der Vermögenssphären und damit die Anerkennung des Prinzips der Haftungs­ beschränkung. Bereits früh enthielten die chartes Regelungen zu diesem Zweck, 197   Vgl. z. B. Formoy, Historical Foundations, S. 6; W.R. Scott, Joint-Stock Companies, Bd. 1, S. 59  ff.; ferner Williston, 2 Harv. L. Rev. 105, 110 (1888). Speziell zum – wohl repräsen­ tativen – Beispiel der englischen East India Company auch Lehmann, Geschichtliche Ent­ wicklung, S. 38  ff. 198   Näher Formoy, Historical Foundations, S. 25  ff. 199   Formoy, Historical Foundations, S. 21. 200   Vgl. – auch zur allmählichen Hinwendung zu einem System der Nennbetragsaktie – W.R. Scott, Joint-Stock Companies, Bd. 1, S. 44  ff. 201   Vgl. zusf. nochmals auch den – auf England übertragbaren – Befund bei Lehmann, Geschichtliche Entwicklung, S. 44, wonach „dem germanischen Norden in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts das feste und ewige Grundkapital, sowie die Zerlegung desselben in glei­ che Antheile unbekannt ist. (…) Die Art der geplanten Unternehmung entscheidet über die Höhe der nöthigen Kapitalien. Die Beiträge sind freigestellt, höchstens ein Minimum festge­ setzt. Vielfach wird nicht dauernder Betrieb, sondern ein einzelnes Wagniss unternommen, nach dessen Durchführung das Kapital zurückgenommen wird, um zu neuem Wagniss später verwendet oder definitiv herausgezogen zu werden.“ 202   Vgl. Holdsworth, History, Bd. 8, S. 202  f.; mit Beispiel W.R. Scott, Joint-Stock Compa­ nies, Bd. 1, S. 442  f.; siehe auch Formoy, Historical Foundations, S. 8  ff.

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1. Kapitel:  Konstitution

die insbesondere die Zwangsvollstreckung von Gläubigern der Gesellschaft in das Vermögen der Gesellschafter für unzulässig erklärten. Insbesondere für die Insolvenz eines Aktionärs fanden sich aber noch sehr unterschiedliche Modelle, die teilweise die Forderungen der Gläubiger gegen die Gesellschaft auf Auszah­ lung des Kapitalanteils, teilweise aber auch Eintrittsrechte der Gläubiger in die Gesellschafterstellung bei Nichterfüllung von Gesellschaftsforderungen vorsa­ hen.203 Nach wie vor kannten die chartes auch Nachschußpflichten der Aktio­ näre, die nur teilweise höhenmäßig begrenzt waren oder durch ein Abandon­ recht kompensiert wurden und deren Nichterfüllung zum Verlust der Gesell­ schafterrechte führte. 204 Jedenfalls in den älteren Gesellschaften konnten die Gläubiger diese Forderungen der Gesellschaften gegen ihre Gesellschafter ver­ werten, wenn die Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllte; eine strikte Trennung der Haftungssphären wurde zunächst nur zugunsten der directeurs der Gesellschaften angeordnet. Erst ab 1780 etablierte sich das Verbot des Haf­ tungsdurchgriffs gegen die Gesellschafter endgültig.205 Hinsichtlich der inneren Finanzverfassung vollzogen die chartes der franzö­ sischen sociétés de capitaux die Abkehr von personengesellschaftsrechtlichen Grundsätzen deutlicher als die zeitgenössischen und älteren englischen Grün­ dungsdokumente. Zumindest für die Gründungsdokumente des 17. Jahrhun­ derts sind vielfach Klauseln nachgewiesen, die teilweise sogar bereits ein festes Grundkapital und zumindest Nennwert und Mindestbetrag der Kapitalbeteili­ gung festlegten. 206 Die Entwicklung zu einem festen, in einheitliche Anteile, sog. „sols“ oder „actions“, 207 aufgeteilten Grundkapital verlief hier dynamischer als in England.208 Das Gesellschaftskapital als vermögensrechtlicher Kern der Gesellschaften trat damit bereits in der Frühphase der Entwicklung konturen­ schärfer als dort hervor, auch wenn die Abgrenzung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften in dieser Frühphase noch nicht vollständig durchgesetzt war. 209 Allerdings wich die zeitgenössische Praxis von den an sich bereits ausgepräg­ ten Grundsätzen über Kapitalumfang, Kapitalaufteilung und Kapitalaufbrin­ gung wohl oft ab. So finden sich Berichte über willkürliche Eingriffe der Krone in die Finanzierungsstruktur der privilegierten Kolonialhandelsgesellschaften,

  Vgl. Lévy-Bruhl, Histoire juridique, S. 187  ff., 243  ff.   Lévy-Bruhl, Histoire juridique, S. 238  ff.; vgl. auch Lehmann, Geschichtliche Entwick­ lung, S. 46  ff. 205   Näher Lévy-Bruhl, Histoire juridique, S. 242  ff. 206   Näher etwa Lehmann, Geschichtliche Entwicklung, S. 45  ff.; Lévy-Bruhl, Histoire ju­ ridique, S. 181  ff. 207   Zu beiden Konzeptionen und den – zu vernachlässigenden – Unterschieden insoweit näher Lévy-Bruhl, Histoire juridique, S. 182  ff. 208   Vgl. entsprechend auch Lehmann, Geschichtliche Entwicklung, S. 45. 209   Vgl. auch Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 8. 203

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A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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in denen sie selbst engagiert war;210 auch scheinen vielfach Anteile ohne Gegen­ leistung ausgegeben worden zu sein.211 Erstmals wurde teilweise aber auch ein festes Grundkapital als Garantiekapital vorgeschrieben und damit vor allem die Rückgabe von Anteilen gegen Erstattung des Kapitalbeitrags ausgeschlossen. 212 Teilweise finden sich Regelungen zugunsten von Kreditgebern der Gesellschaf­ ter, die die Beitragsleistung vorfinanzierten. Regelmäßig legten die chartes fest, wann die Beiträge zu leisten waren, meist unmittelbar bei Gründung oder in Raten. Sanktionen für den Fall der säumigen Zahlung reichten von einer Aus­ setzung von Gewinnbeteiligungen bis hin zum Verfall der Beteiligung.213 Deut­ licher als in England bildeten sich auch allgemeine Grundsätze über die aus der Kapitalbeteiligung resultierenden Vermögensrechte aus.214 Auch in dieser Hin­ sicht allerdings verlief die Aufgabe personalistischer Tendenzen keineswegs bruchfrei.215 Eine Besonderheit stellte die vielfach neben dem Dividendenbe­ zugsrecht eingeräumte gewinnunabhängige Verzinsung des eingezahlten Kapi­ talanteils dar. 216 Die Festlegung der Dividende selbst war regelmäßig Angele­ genheit der Generalversammlung.217 Auch in Frankreich entwickelten sich mit der Verselbständigung der Kapital­ anteile in verbrieften Aktien schließlich bereits früh erste wertpapierrechtliche Grundsätze für den Handel in diesen (als Namens- oder Inhaberpapiere ausge­ stalteten) Anteilen. Rasch setzte sich der Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Anteile durch. Auch in Frankreich gewann auf dieser Grundlage die Speku­ lation in Aktien schnell an Umfang. 218 Insgesamt ist gerade das wirtschaftliche Bedürfnis nach einer Übertragbarkeit der Anteile als treibende Kraft für die Entwicklung der finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen in den frühen fran­ zösischen Kapitalgesellschaften interpretiert worden, deren Stellenwert anfangs die Vorteile der Haftungsbeschränkung deutlich überwogen haben dürfte. 219

210   Näher Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 211 m. w. N.; siehe auch Lévy-Bruhl, Histoire juridique, S. 230  f. (Manipulation des Dividendenbezugsrechts). 211   Dazu eingehend Lévy-Bruhl, Histoire juridique, S. 184  ff., 210  f. 212   Lévy-Bruhl, Histoire juridique, S. 220 (Compagnie des Indes Orientales; Compagnie formée pour fournir des bois à la Marine royale). 213   Lévy-Bruhl, Histoire juridique, S. 236  f. 214   Vgl. dazu Lévy-Bruhl, Histoire juridique, S. 215  f. 215   Zu Beispielen – insbesondere zur Einschränkung des Veräußerungsrechts durch Andie­ nungspflichten gegenüber den Mitgesellschaftern – aus der Zeit bis zum Ende des 18. Jahr­ hunderts Lévy-Bruhl, Histoire juridique, S. 217  ff. 216   Dazu Lévy-Bruhl, Histoire juridique, S. 225  ff. 217   Zu Einzelheiten: Lévy-Bruhl, Histoire juridique, S. 227  ff. 218   Näher Lévy-Bruhl, Histoire juridique, S. 188  ff., 213  ff. 219   Lévy-Bruhl, Histoire juridique, S. 46  ff.

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1. Kapitel:  Konstitution

c)  Deutschland Auch in Brandenburg und Preußen ging mit der rechtlichen Verselbständigung der Gesellschaftsanteile zu Aktien die Anerkennung der Haftungsbeschrän­ kung als Konstitutivmerkmal der Kapitalgesellschaft einher. Die Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen unter Ausschluß des Rückgriffs­ rechts auf das Vermögen der Anteilseigner war zumindest in den älteren Oc­ trois nicht durchweg geregelt; die gemeinrechtliche Position ist nicht vollständig geklärt. 220 Doch sind bereits für die Frühphase im 17. Jahrhundert Regelungen nachgewiesen, die das Gesellschaftsvermögen vom Vermögen der Direktoren und Hauptanteilseigner abgrenzten und letztere vor dem haftungsrechtlichen Zugriff wegen Schulden der Gesellschaft schützten. 221 Umgekehrt wurde die Haftung der Gesellschaft für Schulden der Gesellschafter ausgeschlossen – bis hin zu Regelungen, die die Aktie zum beschlagnahmefreien Vermögen der An­ teilseigner schlugen. 222 Das Hauptmotiv für derartige Privilegien dürfte weni­ ger in der Privilegierung der Anteilseigner als vielmehr – ähnlich wie bei der Pflicht zur Bareinlage – darin bestanden haben, den einmal erreichten Vermö­ gensstatus der Gesellschaft schon im Interesse der Sicherung ihrer Handlungs­ fähigkeit zu erhalten und vom Risiko einer Verschlechterung der finanziellen Situation der Anteilseigner weitestgehend abzukoppeln. Ein festes Grundkapital hatten die Kolonialhandelsgesellschaften in Bran­ denburg und Preußen ebenso wenig wie jene in Frankreich und England.223 Nicht anders als bei der mittelalterlichen Commenda, der gemeinschaftlichen Finanzierung eines gemeinsamen Unternehmens (meist einer See- oder Land­ expedition), konnte auf diese Weise an Kapital eingeworben werden, was das Angebot am Markt eben hergab, und das damit realisierbare Geschäftsvolumen ließ sich hieran flexibel anpassen.224 Die Vorgabe eines festen Mindestkapitals dürfte auch den preußisch-brandenburgischen Octroigebern, denen es in erster Linie auf die Realisierung des Unternehmens als Kapitalsammelstelle zu einem den hoheitlichen Interessen günstigen Zweck ankam, eher ferngelegen haben.225 220   Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien, S. 89; zusf. auch Cordes/Jahntz, in: Bayer/ Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 1. Kap., Rn. 33  ff.; vgl. auch Lehmann, Ge­ schichtliche Entwicklung, S. 55  f. (zunächst Weiterentwicklung der bereits aus der commenda bekannten Strukturen); ferner Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 211  ff.; stärker zugunsten der Annahme einer Haftungsbeschränkung wohl Söhnchen, Gründungsvoraussetzungen, S. 132. 221   Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien, S. 89  f. m. w. N. 222   Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien, S. 91  f. m. w. N. 223   Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien, S. 52; Lehmann, Geschichtliche Entwick­ lung, S. 44; vgl. auch Söhnchen, Gründungsvoraussetzungen, S. 127  f. 224   Zu den Ursprüngen der Aktiengesellschaft in der Finanzierungspraxis der mittelalter­ lichen Commenda sowie der Weiterentwicklung in den frühen Kolonialhandelsgesellschaften etwa Lehmann, Geschichtliche Entwicklung, S. 23  ff.; vgl. auch Jahntz, Privilegierte Handels­ compagnien, S. 53  ff. 225   In diese Richtung auch Söhnchen, Gründungsvoraussetzungen, S. 128.

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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Wenn die Octrois vorsahen, daß die Kapitaleinlage in bar zu erbringen war, 226 wird dies auch hier vor allem den (unter den Gründungsgesellschaftern regel­ mäßig wohl unkontroversen) Zweck verfolgt haben, die wirtschaftliche Hand­ lungsfähigkeit der zu gründenden Gesellschaft abzusichern.227 Nichts anderes dürfte für die Regelungen gelten, die in den preußisch-brandenburgischen Oc­ trois ein Verbot der Einlagenrückgewähr festlegten. 228 Ein konsistentes, auf Ka­ pitalerhaltung ausgelegtes Regelungsmuster wird man darin noch nicht sehen können, wohl aber das Bestreben, die einmal eingeworbenen Kapitalien nach Möglichkeit für die von der Gesellschaft betriebene Unternehmung verfügbar zu halten. Dafür spricht auch ein Vergleich mit der zeitgenössischen, nur teil­ weise in den Octrois niedergelegten Praxis der Reservenbildung.229 Auch hier überwog das Praktikabilitätsinteresse den Gesichtspunkt der hoheitlichen Ein­ flußnahme wohl eindeutig. Eher in die Richtung einer Art „Seriositätsschwelle“ weisen die in den Oc­ trois regelmäßig vorgesehenen und zunehmend einheitlich gestalteten Mindest­ nennbeträge. 230 Weil der Betrag der Kapitalbeteiligung oberhalb des Mindest­ nennbetrags frei zu bestimmen war, wird das Motiv für dessen Festlegung we­ niger in dem Bestreben nach einer Standardisierung der Anteile im Interesse besserer Handelbarkeit zu suchen sein, als vielmehr in dem Wunsch, nur sol­ vente Anteilseigner aufzunehmen. Dies dürfte indes wiederum auch im Interes­ se der Gründungsgesellschafter selbst gelegen haben, denen vermutlich die Be­ schränkung auf einen wohlhabenden, kaufmännisch erfahrenen Aktionärskreis nur recht war. 231 Die Gewinnverwendung war in den brandenburgisch-preußischen Octrois uneinheitlich geregelt. 232 Auch insofern ist allerdings anzunehmen, daß die be­ treffenden Klauseln eher bereits seit langem etablierte Standards reflektierten, als daß sie einseitig dem Schutz externer Rechtsgüter dienten. Mit einer jährli­ chen (meist fixen) Dividendenausschüttung, deren Auszahlungsmodalitäten 226   Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien, S. 60; zu weiteren Einzelheiten ebd., S. 68  ff. Davon unberührt blieb freilich eine offenbar durchaus verbreitete Praxis, finanzschwachen Gesellschaftern bei Gründung den Anteilserwerb zu finanzieren, vgl. Söhnchen, Historische Entwicklung, S. 51 (sog. Fürlegung). 227   Anschaulich Lehmann, Geschichtliche Entwicklung, S. 47: „Die Octrois schweigen zum grossen Theil über das Grundkapital überhaupt und überlassen den Statuten die Höhe desselben wie die Grundsätze über die Verhaftung näher zu regeln. Diese Dinge erscheinen als Internum der Betheiligten (…).“ 228   Zur zeitgenössischen Praxis (auch zu Ausnahmen) insoweit Jahntz, Privilegierte Han­ delscompagnien, S. 61  ff. 229   Zu letzterer Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien, S. 62  f. 230   Dazu und zum folgenden näher Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien, S. 74  ff. 231   Als aufschlußreich insoweit könnte sich, was im hiesigen Zusammenhang nicht gelei­ stet werden kann, der Vergleich mit der Anteilsstruktur der zeitgenössischen Personenhan­ delsgesellschaften erweisen. 232   Vgl. dazu und zum folgenden Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien, S. 81  ff.

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1. Kapitel:  Konstitution

zunächst regelmäßig durch das Direktorium, später eher durch die Generalver­ sammlung nach Rechnungslegung festzulegen war, wurden die Anteilseigner entsprechend ihrem Kapitalanteil an den erlösten Gewinnen beteiligt. Charakteristisch für die frühen brandenburgisch-preußischen Gesellschaf­ ten waren nach alledem weder ein bestimmtes Kapitalvolumen noch einheitlich festgelegte Grundsätze zur Gewinnbeteiligung. Vielmehr stellte auch hier die mit der Aufteilung des Kapitals in Aktien als verselbständigte, eigenständig handelbare und mit feststehenden, standardisierten Rechten ausgestattete An­ teile das innovative Wesensmerkmal dar, das den Erfolg der Gesellschaften als Vehikel der gemeinsamen Investition in profitable Unternehmungen maßgeb­ lich mitbegründete. 233 Auch in dieser Hinsicht entfalteten vor allem die nieder­ ländischen Handelsgesellschaften Ausstrahlungskraft.234 Kennzeichnend für die Rezeption der dort entwickelten Gestaltungsmuster in den brandenburgi­ schen und preußischen Kolonialhandelsgesellschaften war dabei eine recht weitgehende Antizipation moderner wertpapierrechtlicher Grundsätze (freie wertpapierrechtliche Übertragung ohne Beteiligung der Gesellschaft selbst; Vererblichkeit der Anteile), ohne daß dies in der zeitgenössischen Jurisprudenz bereits in Anlehnung an vorgefundene allgemeine wertpapierrechtliche Grund­ sätze systematisiert worden wäre. 235 d)  USA Für die frühen, vor Erlaß der general incorporation statutes gegründeten USamerikanischen corporations ist die Finanzverfassung bislang nur in Ansätzen aufbereitet. 236 Deren Gestaltung fiel deutlich uneinheitlicher aus als in den oben untersuchten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen; charakteristische Grundmuster begegnen aber auch hier. Wiederum scheint ein festes Grundka­ pital nicht vorgegeben worden zu sein. Jedenfalls teilweise ist auch auf Vorgaben bezüglich des Mindestnennbetrags der Kapitalanteile und der Modalitäten der Kapitalaufbringung in noch weiterem Umfang verzichtet worden, als für das englische Recht nachgewiesen werden konnte. So scheint die Aufbringung der Kapitalbeiträge in der kolonialen und postkolonialen Frühphase oft völlig in das Ermessen der directors gestellt worden zu sein, welche die Anteile von den 233   Vgl. dazu stellvertretend Lehmann, Geschichtliche Entwicklung, S. 24  ff.; daneben – insbesondere auch zur Rezeption des Aktienbegriffs aus der niederländischen Praxis – Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien, S. 64  ff.; zur Herausbildung der Aktie als Wertpapier ebd., S. 71  ff. 234   Näher Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien, S. 92  f.; siehe auch Gmür, in: FS H. Westermann, S. 167, 187  f. 235   Jahntz, Privilegierte Handelscompagnien, S. 94  f. 236   Vgl. vor allem die Darstellung der zeitgenössischen Judikatur insoweit bei Dodd, Ame­ rican Business Corporations, S. 74  ff., aus der sich immerhin Konturen der zeitgenössischen Gestaltungspraxis ableiten lassen; sehr knapp ferner Hurst, Legitimacy, S. 26  ff.

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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Gesellschaftern jeweils einfordern konnten, wenn und soweit Kapitalien ent­ sprechend dem Verlauf der Geschäfte benötigt wurden. Die Nichterbringung der Einlage führte nicht zwangsläufig zum Verfall des Anteils. Für die Gesell­ schafter blieb es damit in der Frühphase oft noch bei einer weitgehend unbe­ schränkten Einstandspflicht für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die al­ lenfalls durch vertragliche Abreden außerhalb der charter begrenzt wurde. 237 Eine klare Trennung der Vermögens- und Haftungssphären war hier somit noch nicht vollzogen; die Vorstellung eines festen Grundkapitals als des vermö­ gensrechtlichen Kerns der Gesellschaft lag fern. Gläubiger der Gesellschaft konnten in dieser Situation die Gesellschafter entweder unmittelbar in An­ spruch nehmen, wenn und soweit diese ihren gezeichneten Kapitalanteil nicht eingezahlt hatten. Oder sie konnten die Forderung der Gesellschaft auf Zah­ lung eines situationsangemessenen Nachschusses zur Deckung der ihnen ge­ genüber bestehenden Verbindlichkeiten verwerten. Erst im Verlauf des 19. Jahr­ hunderts war der Grundsatz der Haftungsbeschränkung als Charakteristikum der Kapitalgesellschaft allgemein anerkannt.238 Soweit die charters überhaupt zur effektiven Aufbringung eines bestimmten Kapitalbetrags verpflichteten, sollte dies in erster Linie die Handlungsfähigkeit des zu betreibenden Unter­ nehmens – regelmäßig im öffentlichen Interesse an der Durchführung des je­ weiligen Unternehmenszwecks – sicherstellen; 239 sonstige Schutzzwecke wur­ den nicht verfolgt. Auch die US-amerikanischen charters sahen im übrigen bereits – teilweise wertpapierrechtliche – Grundsätze für die Übertragbarkeit der Anteile vor, die weitgehend der in Europa etablierten Praxis entsprachen. Vielfach statuierten die charters indes Vinkulierungsregelungen, und auch im übrigen konnten die Gesellschafter die freie Übertragbarkeit der Anteile noch recht weitgehend ein­ schränken.240 Auch hier standen die frühen charters nach alledem in erster Linie unter dem Primat der Praktikabilität der Finanzierungspraxis, das auch das In­ teresse der Anteilseigner an einer Beschränkung ihres finanziellen Engagements zunächst deutlich überwog. 241 Anstatt gezielt Einfluß auf das Ergebnis der pri­ vatautonomen Gestaltung der Gründer auszuüben, ließ das Gründungsverfah­ ren hierfür großen Spielraum, und das jeweilige Ergebnis reflektierte regelmä­ ßig, was den Gründern unter den konkreten Umständen als praktikabelste Lö­ sung erschien.   Zum Ganzen eingehend Dodd, American Business Corporations, S. 74  ff.   Vgl. Dodd, American Business Corporations, S. 84  ff.; Hurst, Legitimacy, S. 26  f. 239   Vgl. Dodd, American Business Corporations, S. 80  f. 240   Näher Dodd, American Business Corporations, S. 114  ff. 241   Überzeugend Hurst, Legitimacy, S. 28: “(…) there seems to be good reason to think that the other limited-commitment opportunities facilitated by corporate organization (defined purposes, defined shares, assurance of limited drafts upon investor time and energy) played as substantial a role in the growing popularity of incorporation as did formal legal limits on shareholder responsibility of debts.” 237

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1. Kapitel:  Konstitution

2.  Die Finanzverfassung zwischen Konstitution und Restriktion a)  Deutschland Einschränkungen für die bestehenden Gestaltungsspielräume in Fragen der Fi­ nanzverfassung deuteten sich in Deutschland bereits in der ersten aktienrecht­ lichen Kodifikation unter dem Konzessionssystem an. Nach § 2 des Preußi­ schen Aktiengesetzes von 1843 blieben zwar die Höhe des Grundkapitals, dane­ ben die Stückelung der Aktien, deren Ausgestaltung als Inhaber- oder Namens­ aktien und die Festlegung der auch für finanzierungsbezogene Gesellschafter­ beschlüsse erforderlichen Mehrheiten der Gestaltung durch das Statut zuge­wiesen. Allerdings verlangten die Behörden im Rahmen der Konzessions­ entscheidung eine mit Blick auf das Geschäftsprofil als angemessen bewertete Kapitalisierung; Konzessionen wurden nur erteilt, wenn der Umfang des Un­ ternehmenszwecks tatsächlich die Verwendung der Rechtsform der Aktienge­ sellschaft als „Kapitalsammelstelle“ als sinnvoll erscheinen ließ.242 Das Gesetz selbst schrieb zudem ein Verbot von Ausschüttungen vor, die das Grundkapital verringert hätten (§ 17 Abs. 1); eine gewinnunabhängige Verzinsung der Kapi­ talanteile wurde nur für den Gründungszeitraum „bis zum Anfange des vollen Betriebes“ gestattet (§ 17 Abs. 2). 243 Schon das ADHGB von 1861 enthielt stren­ gere Vorgaben sowohl für die Kapitalaufbringung als auch für die Kapitalerhal­ tung. Bereits 1861 war damit die Epoche einer vor allem der Konstitution die­ nenden gesetzlichen Regelung im deutschen Recht abgeschlossen. b)  Frankreich Ähnlich wie in Deutschland fiel die gesetzliche Regelung der Finanzverfassung nach dem Übergang zum Konzessionssystem in Frankreich zunächst zurück­ haltend aus. Der Code de Commerce in seiner ursprünglichen Fassung legte nur rudimentäre Grundsätze der Finanzverfassung der société anonyme fest: Art. 33 C.com. beschränkte die Haftung der Gesellschafter auf ihre Einlagepflicht. Nach Art. 34 C.com. teilte sich das Kapital der SA in Aktien oder Aktiencou­ pons mit gleichem Nennwert; nach Artt. 35  f. C.com. konnten sowohl Inhaberals auch Namensaktien emittiert werden. Weitergehende Anforderungen for­ mulierte das Gesetz nicht. Ihre Festlegung blieb der Konzessionspraxis des Conseil d’Etat im Einzelfall überlassen, der allerdings sein Ermessen stärker als die preußischen Konzessionsbehörden zu restriktiven Vorgaben nutzte. 244 So­ 242   Vgl. etwa Söhnchen, Gründungsvoraussetzungen, S. 170; zur Konzessionspraxis allge­ mein etwa Baums, Preußisches Aktiengesetz, S. 36  ff.; Bayer, in: ders./Habersack, Aktien­ recht im Wandel, Bd. 2, S. 708, 718. 243   Zur Entwicklung des Zinsverbots Baums, in: FS Horn, 2006, 245, 251  f. 244   Vgl. Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 49  ff., 108  ff.

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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weit allerdings Vorgaben zum Umfang des Kapitals auferlegt wurden, verfolg­ ten sie eher wettbewerbspolitische als gläubigerschützende Zwecke; es sollte verhindert werden, daß die Gesellschaften wirtschaftliche (Über-)Macht ge­ wannen.245 Detaillierteren Vorgaben unterworfen war allerdings auch hier die Kapital­ aufbringung.246 Früh etablierte sich in der Konzessionspraxis der Grundsatz, wonach die Gründungsgesellschafter mindestens ein Viertel der Aktien der Ge­ sellschaft als Bedingung für die Konzession gezeichnet haben mußten; später wurde meist die vollständige Zeichnung aller Aktien vor dem Gründungsakt verlangt. 247 Die Art und Weise der Kapitalaufbringung variierte jedoch wäh­ rend der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch erheblich; Umgehungsprakti­ ken waren weit verbreitet. 248 Stärkeren Einfluß übte die Konzessionspraxis auf die Kapitalerhaltung aus. So wurde nach 1818 die feste Verzinsung der Kapi­ taleinlage für unzulässig erklärt. 249 Bereits seit 1818 wurde das Erfordernis einer festen, jährlich aus dem jeweils erzielten Gewinn aufzustockenden Rücklage (reserve obligatoire) vorgeschrieben. Die Höhe der jährlichen Zuführungen schwankte im Vergleich zwischen den einzelnen Gesellschaften allerdings er­ heblich. Ein einheitliches Funktionsverständnis fehlte; teils wurde darin ein Schutz des Gesellschaftskapitals im Interesse der Gläubiger gesehen, teils eine finanzielle Reserve für die Finanzierung außerordentlicher Investitionsvorha­ ben, teils diente die Reserve dazu, die finanziellen Spielräume für die Dividen­ denzahlung auch in weniger gewinnträchtigen Geschäftsjahren zu verstetigen. Entsprechend war die Verfügung über die Rücklagen oft noch weitgehend in das Ermessen der Generalversammlung gestellt.250 Für die Stückelung und Ausgestaltung der Aktien und die resultierenden Rechtspositionen, einschließlich des Dividendenbezugsrechts, entwickelten sich nur zögerlich einheitliche Grundsätze. 251 Waren Sacheinlagen vorgesehen, wurden bereits früh sachverständige Bewertungen der einzubringenden Ver­ mögenswerte in die Entscheidung über die Konzession einbezogen. Die Kon­ zessionspraxis verfuhr insofern wohl – vor allem mit wachsender Erfahrung aus Einzelfällen – zunehmend restriktiv, aber uneinheitlich. Seit den 1840er Jahren scheint die Gestaltungspraxis in Reaktion darauf von Sachgründungen einst­ weilen ganz abgesehen zu haben; soweit der zu gründenden Gesellschaft Sach­ vermögen zur Verfügung gestellt wurde, geschah dies unabhängig vom Grün­   Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 59, 117  ff.   Einzelheiten: Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 108  ff. (Umwandlung) und S. 117  ff. (allgemeine Anforderungen). 247   Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 121. 248   Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 126  ff. 249   Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 190  ff. 250   Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 222  ff. 251   Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 166  ff. (Rechtsnatur und Ausgestaltung der Aktie), 190  ff. (Vermögensrechte der Aktionäre). 245

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1. Kapitel:  Konstitution

dungsvorgang. 252 Unterschiedliche Regelungen in den Statuten finden sich für Voraussetzungen und Verfahren der Kapitalerhöhung. Erst allmählich gaben die Gesellschaften während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Praxis auf, auftretenden Kapitalbedarf durch – von der Gesellschafterversammlung zu beschließende253 – Aufforderungen zur Leistung von Nachschüssen zu decken (sog. appel de fonds), und gingen zu förmlichen Kapitalerhöhungsmaßnahmen unter Emission neuer Aktien über. In diesem Zusammenhang sind zunehmend Interventionen des Conseil d’Etat gegen Versuche nachgewiesen worden, durch Unterpari-Emissionen die Kapitalaufnahme zu erleichtern. 254 Insgesamt stellte sich die damit société anonyme in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwar bereits als „regulierte“ Rechtsform dar. Insbesondere in den Bemühungen um die Effektuierung der Kapitalaufbringung und in der Reser­ vepflicht wird das Bestreben erkennbar, gezielt auch im Interesse verbandsex­ terner Dritter die Haftungsmasse der Gesellschaft möglichst zu stärken. Hier finden sich erste Ansätze zum später auch in Frankreich etablierten institutio­ nellen Gläubigerschutz. Im Ganzen vollzieht sich im fraglichen Zeitraum der Übergang hin zur Verfestigung gesetzlicher Vorgaben, die parallel zur Ent­ wicklung des Aktienhandels am Kapitalmarkt fortschritt. Noch dominierte allerdings das Bedürfnis nach situationsangemessenen – und das heißt: für den Gesellschafterkreis und das avisierte Investitionsprojekt „maßgeschneiderten“ – Finanzierungsmodellen. Dies änderte sich erst mit dem reformierten Gesell­ schaftsrecht von 1867, das an die in der Konzessionspraxis angelegten Grundli­ nien anknüpfte, aber endgültig den Übergang zur umfassenden Regulierung im Interesse sowohl der Verbandsmitglieder als auch verbandsexterner Dritter vollzog und damit die Rechtsentwicklung bis in die Gegenwart prägte. 255 Auch in der französischen Rechtsentwicklung war damit die ursprüngliche Beschrän­ kung des Rechtsrahmens für die Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften auf konstitutive Zwecke in den 1860er Jahren beendet. c)  England Dem englischen Kapitalgesellschaftsrecht demgegenüber ist der regulierende Eingriff in die Finanzverfassung bis weit in das 20. Jahrhundert hinein fremd geblieben. Bis zur Umsetzung der Zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtli­ nie, 256 die den Paradigmenwechsel auslöste, blieb die Gestaltung auch der finan­ zierungsbezogenen Aspekte der Gründung und des laufenden Betriebs der Ka­   Vgl. Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 142  ff. mit zahlreichen Beispielen.   Vgl. Pic/Kréher, Sociétés commerciales, Bd. 2, Tz. 780, S. 109. 254   Zum Ganzen Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 243  ff.; siehe auch ebd. S. 247  ff. zur – praktisch wohl kaum bedeutsamen – Gestaltungspraxis bei der Kapitalherabsetzung. 255   Siehe dazu noch näher unten, 2. Kap., sub A. II. 2. a) (S. 497). 256   Siehe dazu noch unten, 2. Kap., sub A. II. 3. (S. 502). 252 253

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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pitalgesellschaft im wesentlichen in das Ermessen der betroffenen Parteien (ins­ besondere: Gründungsgesellschafter und Vertragspartner) gestellt. Der Charte­ red Companies Act von 1837 schrieb lediglich die Publizität der Kapitalstruktur sowie die Benachrichtigung der Gesellschaft nach einer Anteilsübertragung vor und überließ alle Einzelheiten im übrigen der Gestaltung durch die (Grün­ dungs-) Gesellschafter. 257 Auch die im Rahmen der Gladstone’schen Reformge­ setzgebung vorgenommene umfassende Reform des Gesellschaftsrechts258 be­ ließ die Gestaltung der Finanzierungsverhältnisse der Gesellschaft weitgehend im Ermessen der Gesellschafter. Der Joint Stock Companies Act 1844259 als das Kernstück der Reform enthielt über allgemeine Anforderungen an die wirksa­ me Übertragung von Aktien (sec. 54) hinaus kaum finanzierungsbezogene Re­ gelungen; allerdings wurde die Ausübung der Gesellschafterrechte nunmehr ausdrücklich an die Einzahlung des jeweiligen Kapitalanteils geknüpft (sec. 26). Die (Gründungs-) Gesellschafter waren nur verpflichtet, im Gründungsvertrag (deed of settlement) das Verfahren für die Kapitalerhöhung ausdrücklich zu re­ geln;260 außer diesem isolierten Regelungsauftrag fanden sich keine Vorgaben an Kapitalmaßnahmen. Der zeitgleich verabschiedete Winding-up Act etablierte den Grundsatz der vermögensrechtlichen Selbständigkeit von Gesellschaft und Gesellschaftern auch für das Insolvenzverfahren;261 darüber hinaus schränkte auch er die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter kaum ein. Erst mit dem Limited Liability Act von 1855, 262 der den Grundsatz der Haf­ tungsbeschränkung für Kapitalgesellschaften erstmals festschrieb, 263 schwächte sich diese gesetzgeberische Zurückhaltung etwas ab. Die Regulierungsintensi­ tät blieb indes weiterhin gering. Jede Gesellschaft mit Haftungsbeschränkung (company with limited liability) unterlag nunmehr moderaten Mindestanforde­ rungen an das Verfahren bei Kapitalerhöhung, die die Effektivität der Kapital­ aufbringung sicherstellen sollten;264 die Anforderungen an die Kapitalaufbrin­ gung wurden verschärft.265 Die ursprünglich geplante Einschränkung des Ge­ setzes auf Gesellschaften mit einem Grundkapital von mindestens 50.000 Pfund, die für alle künftig zu gründenden Kapitalgesellschaften faktisch ein  7 Will. IV and 1 Vict. c. 73, sec. 6.   Vgl. nochmals Formoy, Historical Foundations, S. 60  ff.; Gower, Principles, 5. Aufl. S. 38  ff. 259  7 & 8 Vict. c. 110; siehe dazu nochmals oben sub I. 1. (S. 408) bei und in Fn. 17. 260  7 & 8 Vict. c. 110, Sch. A cl. 33. 261   An Act for facilitating the winding up the affairs of Joint Stock Companies unable to meet their pecuniary engagements, 7 & 8 Vict., c. 111, insbes. secs. 2, 8. 262  18 & 19 Vict. c. 133. 263  18 & 19 Vict. c. 133, sec. 8; siehe zum Kontext bereits oben sub I. 1. (S. 408) bei und in Fn. 18. 264  18 & 19 Vict. c. 133, sec. 6 (Registrierungserfordernis gegen Nachweis, daß mindestens 20 Prozent der teilnehmenden Kapitalanteile erbracht waren). 265  18 & 19 Vict. c. 133, sec. 10 (Grundsatz der Bareinzahlung; Verbot der Finanzierung des Anteilserwerbs durch die directors). 257

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1. Kapitel:  Konstitution

entsprechendes Mindestkapitalerfordernis in dieser Höhe bedeutet hätte, wur­ de im Gesetzgebungsverfahren aufgegeben, um kleinere Unternehmen nicht zu benachteiligen.266 Auch die finanzierungsbezogenen Regelungen des Companies Act 1856 267 waren weitgehend dispositiv gehalten. Insbesondere das Grundkapital und die Kapitalstruktur der company limited by shares konnten in den articles of asso­ ciation frei festgelegt werden. 268 Gegenstände zwingender Regelungen betrafen vor allem die Beschränkung der Mitgliederhaftung auf die Einlage, 269 Modalitä­ ten der Übertragung der shares270 und Pflichten zur Führung eines Aktien- und Aktionärsregisters. 271 Ergänzend enthielten die jeweiligen Muster für articles of association („Table A“) 272 Regelungen für die Einziehung der Anteile bei Nicht­ erfüllung der Einlagepflichten sowie Verfahrensregelungen für Kapitalerhö­ hungen und insbesondere auch für die Gewinnverwendung. Dabei sollten nach den Musterregelungen Dividendenzahlungen nur aus tatsächlich erzieltem Ge­ winn und abzüglich einer durch die directors frei festsetzbaren Kapitalrücklage zulässig sein und kam der Gesellschafterversammlung lediglich die Entschei­ dung für oder gegen die von den directors vorgelegten Vorschläge zu. 273 Der Companies Act 1908274 behielt diese Grundlinie bei. Zwar enthielt das Gesetz Regelungen über die Kapitalherabsetzung (secs. 46  ff.), die etwa ein Wider­ spruchsrecht der Gläubiger für den Fall der Beeinträchtigung ihrer Rechte durch die Kapitalmaßnahme vorsahen (sec. 49). In eingeschränktem Umfang gestattete das Gesetz Zinszahlungen auf das Kapital (sec. 91). Zentrales Element des Gläubigerschutzes war die neu eingeführte Registrierungspflicht für mort­ gages und floating charges (secs. 93  ff.). Im übrigen blieb es jedoch bei weiter Gestaltungsfreiheit, die durch die Musterregeln der Table A ausgestaltet, aber nicht beschränkt wurde. 275 Nichts anderes gilt für die Companies Acts von 1929276 und 1949. 277

  Vgl. Formoy, Historical Foundations, S. 116  f.  19 & 20 Vict. c. 47. 268   CA 1856, sec. 5 Nr. 5; CA 1862, sec. 8 Ziff. 5. 269   CA 1856, sec. 61; CA 1862, sec. 38. 270   CA 1856, sec. 20; CA 1862, sec. 24. 271   CA 1856, secs. 16  ff.; CA 1862, secs. 25  ff. 272   Siehe zu diesen bereits oben sub II. 2. a) (S. 421) bei und in Fn. 86. 273   Siehe im einzelnen CA 1862, Sch. 1, Table A, paras. 17  ff. (forfeiture of shares), 26  ff. (increase in capital), 72  ff. (dividends). 274   8 Edw. 7 c. 69. 275   Vgl. CA 1908, Sch. 1, Table A, paras. 12  ff. (calls on shares); 24  ff. (forfeiture of shares), 41  ff. (alteration of capital); 95  ff. (dividends and reserve); insbesondere Kapitalmaßnahmen wurden damit deutlich detaillierter geregelt als in den vor allem auf die Kapitalerhöhung kon­ zentrierten Regelungsvorläufern. 276  19 & 20 Geo. 5 c. 23. 277  11 & 12 Geo. 6 c. 38. 266 267

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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Die englische Rechtsentwicklung stand damit bis in die Gegenwart in deutli­ chem Kontrast zur Entwicklung auf dem europäischen Kontinent. Die gesetzli­ che Regelung der Finanzverfassung beschränkte sich auf die Bereitstellung ei­ ner weitestgehend dispositiven Normeninfrastruktur; zwingend vorgeschrie­ ben war lediglich die Publizität der Kapitalisierung. Bis zu den Companies Acts 1980 (c. 22) und 1981 (c. 62), mit denen nach dem Beitritt Großbritanniens zur Europäischen Gemeinschaft die Zweite gesellschaftsrechtliche Richtlinie um­ gesetzt und das darin für Publikumskapitalgesellschaften vorgeprägte dreistu­ fige Schutzkonzept von Mindestkapital-, Kapitalaufbringungs- und Kapitaler­ haltungsregeln teilweise auch auf geschlossene Kapitalgesellschaften übertragen wurde, blieb die Gestaltung der wesentlichen Grundsätze sowohl der Eigenka­ pital- als auch der Fremdkapitalfinanzierung der Gesellschaften weitgehend der Gestaltung durch die (Gründungs-) Gesellschafter überlassen. d)  USA aa)  Frühe gesellschaftsrechtliche Kodifikationen Die frühen Gesellschaftsrechte in den US-amerikanischen Bundesstaaten be­ wegten sich zwischen den Extremen der präskriptiven kontinentaleuropäischen und der von regulatorischer Zurückhaltung geprägten englischen Gesetzeslage: Während die ersten Kodifikationen eher dem kontinentaleuropäischen Ansatz eines institutionellen, an Kapitalisierung und Kapitalerhalt ausgerichteten Gläubigerschutzes nahestanden, tendierte die weitere Entwicklung im 20. Jahr­ hundert stärker zu einer dem englischen Recht vergleichbaren Offenheit für die privatautonome Gestaltung auch in der Finanzierungsverfassung. Die Aus­ gangslage war indes auch hier von weitgehender Gestaltungsfreiheit gekenn­ zeichnet. Beispielhaft dafür steht etwa das Recht von New York, dessen general incorporation act (1811) 278 als älteste gesellschaftsrechtliche Kodifikation die Einzelheiten der Finanzierungsstruktur ebenso wie die diesbezüglichen Ent­ scheidungskompetenzen und -verfahren der privatautonomen Gestaltung in den jeweiligen by-laws überließ. Entsprechendes gilt für das knapp gehaltene Gesellschaftsgesetz von New Jersey aus dem Jahre 1888, 279 das allgemein noch keine materiellen Vorgaben formulierte, sondern sie der staatlichen Konzessi­ onsentscheidung im Einzelfall vorbehielt. In beiden Staaten änderte sich das Bild – wiederum repräsentativ auch für die Rechtsentwicklung in anderen Bundesstaaten 280 – vorübergehend mit den 1892  1811 N.Y. Laws ch. 67; siehe bereits oben sub II. 2. b) (S. 422) bei und in Fn. 92.   Act concerning corporations of this state, and of other states, doing business in this state, 1888 N.J. Laws ch. 269. 280   Vgl. für die Finanzverfassung nach den general incorporation acts von Massachusetts bis 1936 Dodd, 50 Harv. L. Rev. 27, 31  ff. (1936), sowie für die Entwicklung in Illinois im glei­ chen Zeitraum ebd., S. 39  ff. 278

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1. Kapitel:  Konstitution

(New York) 281 bzw. 1896 (New Jersey) 282 erlassenen incorporation statutes der zweiten Generation, die diese Zurückhaltung aufgaben und durchaus restriktiv in die Gestaltungsfreiheit der Gründungsgesellschafter eingriffen. Auch das 1899 erlassene, erste Delaware General Corporation Law folgte diesem Mu­ ster. 283 Insgesamt wiesen diese general incorporation statutes zwar erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Kreises der erfaßten Regelungsgegenstände eben­ so wie hinsichtlich der Regelungsdichte auf. Gleichwohl sticht das Gewicht ins Auge, das diese Kodifikationen der Kapitalisierung der Gesellschaften (auch) im Interesse des Gläubiger-, aber auch des Anlegerschutzes zumaßen. Inhaltlich standen sie der etwa in Deutschland und Frankreich vollzogenen Hinwendung zur dichten Regulierung der Finanzverfassung im Interesse insbesondere des Gläubiger- und Anlegerschutzes näher als das nach wie vor permissive zeitge­ nössische englische Recht. Mit ihnen schien die Epoche einer auf die Festlegung eines Kernbestands konstitutiver Regelungen für die Finanzverfassung be­ schränkten Rechtsetzung auch in den USA vorüber zu sein. bb)  Deregulierung im 20. Jahrhundert Im Unterschied zu den kontinentaleuropäischen Rechten wurde dieser Ent­ wicklungsstrang indes im aufkommenden Wettbewerb der Bundesstaaten um attraktive Inkorporierungsbedingungen wieder aufgegeben und durch ein auch im Hinblick auf die Finanzverfassung weitgehend dispositives Regime abge­ löst. 284 Während die gläubigerschützenden Anforderungen im übrigen differen­ ziert weiterentwickelt, teilweise auch ausgebaut worden sind, erodierte dabei vor allem der institutionelle Gläubigerschutz durch Mindestanforderungen an die Kapitalisierung der Gesellschaften und korrespondierende Kapitalaufbrin­ gungsregeln. Nicht weiterverfolgt wurde insbesondere das Konzept eines Gläu­ bigerschutzes durch festen Nennwert der emittierten Anteile. 285 Delaware etwa gestattete bereits 1917286 früh die Ausgabe nennwertloser Anteile (no par shares) und flexibilisierte damit die Finanzverfassung erheblich; auch der Uniform Business Corporation Act von 1928287 ließ die Emission nennwertloser Anteile 281   An Act to amend the stock corporation law, 1892 N.Y. laws ch. 688; An Act to amend the business corporations law, 1892 N.Y. laws ch. 691. 282   Act concerning corporations (Revision of 1896), 1896 N.J. Laws ch. 185. 283   An Act Providing a General Corporation Law, 1899, ch. 273, 21 Del. Laws 445. 284   Vgl. allgemein nochmals Latty, 50 Cornell L.Q. 599  ff., insbes. 602  ff. (1965); siehe auch Dodd, 50 Harv. L. Rev. 27, 31  ff. (1936) (am Beispiel der Gesellschaftsrechtsentwicklung in Massachusetts und Illinois). 285   Vgl. aus der zeitgenössischen Diskussion stellvertretend einerseits Cook, 19 Mich. L. Rev. 583, 592 (1921); andererseits die Kritik bei Bonbright, 24 Colum. L. Rev. 449  ff., insbes. 457  ff. (1924), und dazu Böckmann, Gläubigerschutz, S. 44  ff. 286   Act of March 20, 1917, ch. 113, 29 Del. Laws 327; geändert durch Act of April 2, 1925, ch. 112, 34 Del. Laws 274–275. 287   Siehe dazu bereits oben II. 2. b) (S. 423) bei und in Fn. 99.

A. Konstitutive Regelungen in historisch-vergleichender Perspektive

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zu (sec. 13 II.). In allen Gesellschaftsrechten aller Bundesstaaten hat sich der Stellenwert des festen Nennkapitals als Instrument des Gläubigerschutzes im Verlauf des 20. Jahrhunderts weiter relativiert; auch insoweit stehen die hier un­ tersuchten Entwicklungen in einzelnen Bundesstaaten und den Modellgesetzen beispielhaft für Veränderungen in den Gesellschaftsrechten praktisch aller Gliedstaaten.288 Ein gesetzlich festgelegtes Mindestkapital sehen heute nur noch wenige Staaten vor; wo weiterhin derartige Anforderungen gelten, 289 sind sie schon aufgrund der durchweg geringen Höhe (regelmäßig USD 1.000,00) prak­ tisch bedeutungslos. 290 Auch dort, wo – wie etwa in Delaware und New York – die Emission von par value shares weiterhin vorgesehen ist, ermöglicht das Ge­ sellschaftsrecht alternativ auch die Ausgabe von nennwertlosen Anteilen. 291 Weit fortgeschritten ist die völlige Abkehr von der Anknüpfung an ein als zu schematisch und wenig aussagekräftig empfundenes festes Nennkapital. So sieht etwa – seit 1980 – der Model Business Corporation Act die Ausgabe nenn­ wertloser Anteile als Regelfall vor und vermeidet so das Problem der Fehlbe­ wertung(-shaftung) von vornherein.292 Recht weitgehende Gestaltungsfreiheit hat sich inzwischen auch für Verfah­ ren und Voraussetzungen von Maßnahmen der Kapitalbeschaffung durchge­ setzt. Hierzu beschränken sich die bundesstaatlichen Gesellschaftsrechte auf einen groben, stark dispositiv geprägten Rahmen, der durch entsprechende Re­ gelungen in den by-laws auszufüllen und zu ergänzen ist. 293 Durchweg flexibi­ lisiert wurden im Verlauf des 20. Jahrhunderts auch die Grundsätze über das Bezugsrecht bei Neuemissionen. Teilweise ist die Geltung des schon als Ausfluß des Common Law anerkannten 294 Bezugsrechts ausdrücklich vorgeschrieben, aber seine Abbedingung im certificate of incorporation erlaubt (opt-out-Mo­ dell), 295 teilweise ist kein Bezugsrecht vorgesehen, wohl aber die Befugnis einge­ räumt, es gleichwohl im certificate festzulegen (opt-in-Modell). Die gesetzli­

288   Vgl. wiederum Dodd, 50 Harv. L. Rev. 27  ff. (1936); Latty, 50 Cornell L.Q. 599, 602  ff., insbes. 609  ff. (1965). 289   Vgl. im Überblick Bauer, Gläubigerschutz, S. 132  f. 290   Näher rechtsvergleichend Böckmann, Gläubigerschutz, S. 50; siehe auch Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 447; J. Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 420. 291   Vgl. für Delaware heute §§ 102(a)(4), 152  f., 156  f. Del. Gen. Corp. L.; für New York §§ 102(a)(12) 504 N.Y. Bus. Corp. L. 292   Vgl. im einzelnen § 6.21 M.B.C.A.; nach § 2.02(b)(2)(iv) M.B.C.A. ist die Festlegung eines Nennwerts fakultativ möglich. Zur 1980 vollzogenen Abkehr von der traditionellen Konzeption Committee on Corporate Laws, 34 Bus. Law. 1867  ff. (1979), sowie 35 Bus. Law. 1365 (1980); siehe auch Committee on Corporate Laws, Model Business Corporation Act, Official Comment, insbes. S. 6–25  f. 293   Vgl. repräsentativ etwa §§ 151  ff. Del. Gen. Corp. L.; §§ 6.01  ff. M.B.C.A. 294   Vgl. Stokes v. Continental Trust Co., 78 N.E. 1090 (N.Y. 1906). 295   So z. B. § 622(b) N.Y. Bus. Corp. L.

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1. Kapitel:  Konstitution

chen Anforderungen an die Kapitalaufbringung sind allerdings während des 20. Jahrhunderts beibehalten und sogar ausgebaut worden.296 Die gesetzlichen Regelungen für die Finanzverfassung von corporations in den US-amerikanischen Bundesstaaten entziehen sich nach alledem einer ein­ deutigen Zuordnung zu ausschließlich konstitutiven Zwecken einerseits; auch hier sind diese Zwecke zunehmend durch materiale Schutzinteressen überlagert worden. Stärker als im englischen Recht (vor der Umsetzung der Zweiten gesell­ schaftsrechtlichen Richtlinie) werden insoweit zwingende (Schutz-) Vorschrif­ ten mit dispositiven Regelungen kombiniert; die im 20. Jahrhundert vollzogene Aufgabe eines institutionellen Gläubigerschutzes ist nicht gleichzusetzen mit dem Verzicht auf zwingende Vorgaben für die Finanzverfassung.

3.  Fazit Für das Finanzverfassungsrecht der Kapitalgesellschaften läßt sich nach alle­ dem ein ähnlicher Befund festhalten wie für das Recht der Binnenorganisation: Sieht man von der inzwischen weitgehend beendeten Periode einer dichteren, zwingenden Regulierung finanzverfassungsrechtlicher Fragen in den US-ame­ rikanischen Gesellschaftsrechten ab, so ist auch insoweit – wie bei der Binnen­ organisation – für die anglo-amerikanischen Rechte der Zweck der gesetzlichen Vorgaben nach wie vor weitgehend auf konstitutive Zwecke beschränkt. Die beiden untersuchten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen dagegen haben diese Beschränkung bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgege­ ben und sind, worauf zurückzukommen sein wird, zur umfassenden Regulie­ rung im Interesse materialer Schutzziele übergegangen. Entsprechend ist das einschlägige Gesetzesrecht in England und in den US-amerikanischen Gesell­ schaftsrechten nach wie vor zu einem erheblichen Teil durch dispositive Nor­ men gekennzeichnet, während die europäischen Rechte auf diesem Gebiet eher zwingende Regelungsprogramme aufweisen. Schon dieser Vergleich zeigt, daß Regelungen zu finanzierungsbezogenen Fragen im Prinzip ebenso wenig dem Kernbestand konstitutiven Rechts zuzurechnen sind, der allein durch zwingen­ des Recht bewältigt werden kann, wie das Recht der Binnenorganisation. Dies gilt allerdings nicht für die mit der Trennung der Vermögenssphären von Ge­ sellschaftern und Gesellschaft unmittelbar zusammenhängenden Fragen; diese Trennung kann, wie gesehen, von vornherein überhaupt nur mit zwingendem Recht abgesichert werden. Vergleicht man die Genese finanzierungsbezogener Normen mit jener der gesetzlichen Regelungen zur Binnenorganisation, fällt allerdings auf, daß die – zunächst noch weitgehend dispositiven – gesetzlichen Regelungen schon früh deutlich dichter ausfallen als der Rechtsrahmen für or­   Dazu unten, 2. Kap., sub A. II. 4. (S. 503  f.).

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B. Auswertung

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ganisatorische Fragen. Dies wird damit zu erklären sein, daß hinsichtlich der Organisation der Gesellschaften meist etablierte Grundsätze des Personenge­ sellschaftsrechts herangezogen werden konnten, während die Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung der Gesellschaften eben aufgrund des Prinzips der Vermögenstrennung und Haftungsbeschränkung neuartige und eigenständige Probleme aufwies, für die Lösungen erst entwickelt werden mußten. Exempla­ risch zeigen dies insbesondere die schon in einzelnen hoheitlichen Konstitu­tiv­ akten und sodann die in den ersten kapitalgesellschaftsrechtlichen Kodifikatio­ nen enthaltenen wertpapierrechtlichen Bestimmungen. In dieser Hinsicht war die Verantwortung des Gesetzgebers für die Infrastrukturgewährleistung auf dem Gebiet der Finanzverfassung von vornherein stärker gefragt als bei der Binnenorganisation der Gesellschaften. Ebenso wie bei ihr und anders als hin­ sichtlich des Außenrechts handelt es sich allerdings, wie der vergleichende Blick auf die Entstehungsgeschichte zeigt, auch bei finanzierungsbezogenen Fragen um ein Gebiet, das zwingende Eingriffe nicht notwendig voraussetzt und bei dem grundsätzlich schon dispositive Normen genügen, um die erforderliche In­ frastruktur zu schaffen.

B. Auswertung Ein auf konstitutive Regelungen beschränkter historisch-vergleichender Über­ blick ist kein vollständiger Systemvergleich. Weil damit Regelungen mit materi­ alen Schutzzwecken ausgeblendet bleiben, ist das Bild noch unvollständig und bedarf der Erweiterung, der die Untersuchung restriktiver Regelungen im 2. Kapitel dienen wird. Ausgeklammert bleibt einstweilen insbesondere die kom­ munikative Bedeutung der mit den einzelnen Rechtsformen eröffneten Wahl­ programme, d. h. deren Signalwirkung für mögliche Investoren, Gläubiger oder sonstige Stakeholder, die ohne Einbeziehung der mit den konstitutiven Elemen­ ten jeweils verknüpften Schutznormen sich nicht einschätzen läßt.297 Gleich­ wohl lassen sich bereits jetzt erste Ergebnisse zu den vier eingangs des vorlie­ genden Teils aufgeworfenen Fragestellungen festhalten: Lassen sich mit Blick auf den untersuchten Regelungszusammenhang Unterschiede und/oder Ge­ meinsamkeiten in den Regulierungsstilen der hier exemplarisch herangezoge­ nen Rechtsordnungen feststellen (unten I.)? Bestätigt die Untersuchung kon­ kreter Regelungszusammenhänge die gewonnenen Erkenntnisse zu Funktions­ voraussetzungen und Funktionsweise unterschiedlicher Regulierungsinstru­ mente und -strategien (unten II.)? Welche Rolle spielt für den untersuchten Re­ gelungszusammenhang historisches Erfahrungswissen als Voraussetzung für   Siehe zur Signalwirkung der einzelnen „Menüs“ im Rahmen von Wahlmodellen bereits oben, 2. Teil, 2. Abschn., 2. Kap., sub C. I. (S. 370  f.). 297

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1. Kapitel:  Konstitution

die Regelbildung auf der Ebene der Gesetzgebung (unten III.)? Und schließlich: Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Frage nach den Perspektiven einer modalen Normanalyse als Ergänzung des tradierten Kanons rechtsver­ gleichender und rechtsökonomischer Methoden für die Aufarbeitung von Kon­ vergenz- und Rezeptionsvorgängen (auch) im untersuchten Referenzgebiet (un­ ten IV.)?

I.  Systemvergleich: Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Regulierungsstilen Der Vergleich zwischen den Einzelaspekten konstitutiver Regelungen und ihrer Entwicklungsgeschichte in den exemplarisch untersuchten Rechtsordnungen zeigt zunächst, daß die Unterscheidung zwischen primär zwingend und primär permissiv orientierten Regulierungsstilen kein brauchbares Abgrenzungskrite­ rium für Unterschiede in den Regulierungsstilen abgibt. Ebenso kann auch die Dichotomie zwischen Regel- und Standardform nicht als Unterscheidungs­ merkmal für einen Systemvergleich zwischen kontinentaleuropäischen Rechten einerseits und anglo-amerikanischen Rechten andererseits herangezogen wer­ den. Für einen Kernbestand konstitutiver Regelungen ist vielmehr rechtsord­ nungsübergreifend eine deutliche Präponderanz zwingender Normen in der Regelform festgestellt worden; offene Standards spielen in diesem Zusammen­ hang keine Rolle. Divergenzen ergeben sich jedoch hinsichtlich der einzelnen Teilaspekte konstitutiver Normen: Während die rechtliche Anerkennung der Kapitalgesellschaften selbst nach wie vor durchweg auf zwingenden Regeln be­ ruht und beruhen muß, 298 sind die Grundzüge der Binnenorganisation in unter­ schiedlichem Maß durch zwingendes Gesetzesrecht vorgegeben. In dieser Hin­ sicht beschränkte sich das englische Recht schon früh darauf, die privatautono­ me Gestaltung durch dispositive Mustersatzungen in Verbindung mit einem – allerdings offen gehaltenen Regelungsauftrag – zu beeinflussen, 299 die US-ame­ rikanischen Gesellschaftsrechte konzentrierten sich auf (wenige) Regelungen im dispositiven Gesetzesrecht.300 Sowohl das französische als auch – etwas spä­ ter – das deutsche Aktienrecht 301 gelangten demgegenüber bereits ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu recht detaillierten zwingenden Vorgaben, deren Zweck zu­ nehmend nicht mehr auf die Konstitution als solche reduziert, sondern durch materiale Schutzinteressen geprägt war. Die ursprünglich auch hier etablierten Regelungsaufträge wurden damit abgelöst durch materiale Vorgaben.302   Oben sub A. I. (S. 405).   Oben sub A. II. 2. a) (S. 420  ff.). 300   Oben sub A. II. 2. b) (S. 422  ff.). 301   Oben sub A. II. 2. c) (S. 424  ff.) und d) (S. 426  ff.). 302   Entwicklungshistorisch präsentiert sich die Strategie des Regelungsauftrags mithin in 298

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B. Auswertung

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Diese Divergenzen kontrastieren mit der Entwicklung der gesetzlichen Re­ gulierung des Außenrechts der Gesellschaften und hier insbesondere mit den Vorgaben für die Vertretungsmacht der Gesellschafter im Außenverhältnis, für die nach anfänglicher Gestaltungsfreiheit jedenfalls in Europa eine zunehmen­ de Konvergenz zu einheitlichen zwingenden Vorgaben und damit eine Abkehr von der ursprünglich gewährten Gestaltungsfreiheit zu beobachten ist.303 Hin­ sichtlich der konstitutiven Regelungen zur Finanzverfassung der Kapitalgesell­ schaften schließlich sind die Übereinstimmungen zwischen den jeweiligen Ent­ wicklungssträngen am geringsten: Im deutschen und französischen Recht sind schon unter der Praxis des Konzessionssystems erste Anzeichen für eine re­ striktive hoheitliche Einflußnahme auf Grundsätze für Finanzierungsentschei­ dungen festzustellen, deren Zweck sich allerdings einstweilen noch in der Si­ cherstellung einer belastbaren Finanzierung im Interesse der Realisierbarkeit des jeweiligen Unternehmensziels erschöpfte.304 Das englische Modell beließ es demgegenüber bis zur Umsetzung der Zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtli­ nie bei weitestgehender Gestaltungsfreiheit, die wiederum lediglich durch dis­ positive Regelungen in den als Anhang zu den einzelnen Companies Acts ver­ öffentlichten Mustersatzungen ergänzt wurden.305 Schon diese kursorische Zusammenfassung macht deutlich, daß von unter­ scheidbaren Regulierungsstilen mit jeweils klarem Profil für die vier exempla­ risch untersuchten Rechtsordnungen nicht die Rede sein kann. Nicht einmal für die einzelnen Teilaspekte – Anerkennung der Rechtsformen, Binnenorgani­ sation, Außenrecht und Finanzverfassung – lassen sich in modaler Hinsicht einheitliche Gestaltungsmuster ausmachen. Aussagen zu den Charakteristika unterschiedlicher Rechtsordnungen im Hinblick auf die Wahl zwischen den insgesamt zur Verfügung stehenden Regulierungsinstrumenten und Regulie­ rungsstrategien müssen nach alledem zunächst nach konkreten Regelungszu­ sammenhängen differenzieren: Während die gesetzliche Anerkennung der Ka­ pitalgesellschaften als (vermögens-) rechtlich verselbständigte Rechtsträger nicht nur von deutlicher Homogenität, sondern auch von historischer Konti­ nuität geprägt ist, ist für das Außenrecht eine zunehmende, aber von unter­ schiedlichen Entwicklungsgeschwindigkeiten geprägte Konvergenz hin zu ein­ heitlichen, zwingenden Vorgaben charakteristisch. Für Binnenorganisation und Finanzverfassung hingegen fällt das Bild heterogen aus. Rechtsordnungs­ übergreifend vergleichbar ist die bereits Ende des 19. Jahrhunderts einsetzende Tendenz zum Auf- und Ausbau von Wahlmodellen, wobei allerdings hinsicht­ der Tat als Relikt der frühen Aktienrechtsetzung nach Umstellung vom Konzessionssystem auf das System der Normativbestimmungen; siehe bereits oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. I. 2. (S. 68) bei Fn. 60. 303   Oben sub A. III. 2. (S. 435  ff.). 304   Oben sub A. IV. 2. a) (S. 452) und b) (S. 452  ff.). 305   Oben sub A. IV. 2. c) (S. 454  ff.).

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1. Kapitel:  Konstitution

lich der Regulierungsdichte und -intensität in den jeweils verfügbaren „Menüs“ erhebliche Abweichungen festzustellen sind.

II.  Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise konstitutiver Regelungen Damit ist zunächst die Brücke zu Funktionsvoraussetzungen und Funktions­ weise unterschiedlicher Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien geschlagen. Die dazu im 2. Teil der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse werden durch die historisch-vergleichende Untersuchung der konstitutiven Re­ gelungen dabei zugleich bestätigt und weiter konkretisiert. Dies gilt zunächst insbesondere für die in der bisherigen Diskussion häufig vernachlässigte Bedeu­ tung zwingender Regulierung für die Konstitution der relevanten Rechtsbezie­ hungen. Mit der Standardisierung im Außenrecht konnte darüber hinaus ein Bereich identifiziert werden, in dem zwar privatautonome Gestaltungen ohne weiteres an die Stelle gesetzlicher Vorgaben treten könnten, in dem aber der von zwingendem Recht ausgehende Vereinheitlichungszwang möglicherweise mit Effizienzvorteilen im Vergleich zu einem eher permissiven Regime verbunden sein könnte. Ein Kernbestand eindeutiger Regeln über unbeschränkte Vertre­ tungsbefugnisse der Geschäftsleiter im Außenverhältnis (idealtypisch: §§ 78 Abs. 1, 82 Abs. 1 AktG, §§ 35 Abs. 1, 37 Abs. 2 GmbHG) führt zu einer Verläß­ lichkeit, die auch durch zwingende Vorgaben in der Standardform nicht zu er­ reichen wäre. Die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft wird durch derartige Regeln eindeutig verbessert, wie ein Vergleich mit den Schwierigkeiten belegt, die etwa die anglo-amerikanische ultra-vires-Lehre mit ihrer diffizilen Kasui­ stik mit sich bringt. Dafür spricht immerhin die in Kontinentaleuropa zu beob­ achtende Konvergenz zu einem einheitlichen Rechtsrahmen für das Auftreten der Gesellschaft im Rechtsverkehr, der – im Verein mit der Publizität der ver­ antwortlichen Geschäftsleiter – das Interesse der Vertragspartner der Gesell­ schaften an klaren Kompetenzen schützt und damit zugleich entlastend für die Gesellschaft und ihre Gesellschafter wirkt.306 In beiden Sachzusammenhängen – Anerkennung der Gesellschaften als Rechtsträger, Außenrecht – begründet die spezifische Funktion der gesetzli­ chen Vorgaben zugleich einen Unterschied zu zwingenden Bestimmungen in 306   Auch aus der Perspektive der Gesellschaften und Gesellschafter sind die mit dem Ver­ zicht auf eine unbeschränkbare Vertretungsmacht im Außenverhältnis einhergehenden Ge­ staltungsspielräume und die damit verbundenen Möglichkeiten der Kontrolle über das Or­ ganhandeln im Außenverhältnis keineswegs vorteilhaft. Dies belegen eindrucksvoll auch die bereits oben sub III. 2. c) (S. 439) bei und in Fn. 176 berichteten Tendenzen in der englischen Gestaltungspraxis, den Unschärfen der ultra-vires-Lehre durch entsprechend weit gefaßte Unternehmenszweckklauseln in den articles of association von vornherein möglichst zu ent­ gehen.

B. Auswertung

465

anderem Kontext: Anders als etwa solche Vorgaben, die im Interesse materialer Regulierungsziele die Entscheidungsfreiheit einzelner Akteure oder Akteurs­ gruppen einschränken, bedürfen die zwingenden Vorgaben, mit denen die Ge­ sellschaften als selbständige Rechtsträger anerkannt werden und die die Hand­ lungsfähigkeit der (bzw. durch die) Organe im Außenverhältnis klären, keiner besonderen Durchsetzungsmechanismen, um die beabsichtigten Rechtswir­ kungen zu entfalten. Soweit durch zwingendes Recht im Ergebnis ausschließ­ lich die Rechtswirksamkeit von Rechtsverhältnissen, z. B. die eigene Rechtsper­ sönlichkeit der Kapitalgesellschaften oder die im Außenverhältnis unbeschränk­ bare Vertretungsmacht ihrer Organe, ausdrücklich anerkannt wird, liegt darin zugleich der Vollzug dieser Gestaltungsentscheidung des Gesetzgebers, ohne daß es weiterer Schritte zur Durchsetzung bedürfte. Diese Eigenschaft betrifft allerdings erkennbar nur einen Kernbestand konstitutiver Normen; sie entfällt, sobald das Gesetz sich nicht mehr auf die Anerkennung der Wirksamkeit von Rechtsverhältnissen beschränkt, sondern darüber hinausgehende organisati­ ons- oder finanzverfassungsrechtliche Grundentscheidungen vorgibt, deren Realisierung ohne die unmittelbare Legitimation durch das Gesetz nicht von vornherein undenkbar ist. Diese Beobachtung indiziert zugleich, daß in funktionsdogmatischer Hin­ sicht zwischen den einzelnen oben in den Blick genommenen Normen mit kon­ stitutivem Zweck nochmals zu unterscheiden ist: Nur ein Teil des Gesamtbe­ stands konstitutiver Regelungen, nämlich die mit der Anerkennung der Gesell­ schaften als selbständige Vermögens- und Rechtsträger verbundenen Normen, ist offenbar notwendig auf die Ausgestaltung als zwingendes Recht (in der Re­ gelform) angewiesen, um ihren Zweck überhaupt erfüllen zu können. Hiervon zu unterscheiden sind solche Normen (in erster Linie die Handlungsfähigkeit im Außenverhältnis betreffend), die grundsätzlich zwar auch dispositiv geregelt werden könnten, bei denen der Standardisierungseffekt zwingenden Rechts je­ doch zweifellos nützlich ist. Hinzu treten solche Regelungszusammenhänge, z. B. das Recht der Binnenorganisation oder der Finanzverfassung jenseits der grundsätzlichen Entscheidung zugunsten der Trennung zwischen den Vermö­ gensmassen der Gesellschaft und jenen der Gesellschafter, bei denen der konsti­ tutive Zweck durch die Ausgestaltung des Rechtsrahmens als zwingend nicht erkennbar gefördert wird. Soweit sich zwischen den oben exemplarisch untersuchten Rechtsordnungen Unterschiede im Sinne verschiedener Regulierungsstile feststellen lassen, be­ trifft dies letztlich vor allem die dieser letztgenannten Gruppe zugehörigen Re­ gulierungsbereiche. Verallgemeinerungsfähige Aussagen über Vorteile und Nachteile dispositiven Rechts einerseits und zwingenden Rechts andererseits im Hinblick auf den konstitutiven Zweck lassen sich für diese Gruppe auf der Grundlage des vorstehenden, notwendigerweise groben historisch-vergleichen­ den Überblicks nicht gewinnen. Insoweit ist lediglich nochmals auf den bereits

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1. Kapitel:  Konstitution

an anderer Stelle berichteten Befund hinzuweisen, daß auch dispositive konsti­ tutive Regelungen in eher permissiv orientierten ausländischen Rechtsordnun­ gen offenbar eine beachtliche Prägekraft entfaltet haben und die damit eigent­ lich bestehenden Gestaltungsspielräume keineswegs zu einer unüberschaubaren Varianz in der Gestaltungspraxis führen.307 Dies unterstreicht, daß der konsti­ tutive Zweck außerhalb der beiden erstgenannten Regelungskomplexe keines­ wegs auf zwingende Vorgaben angewiesen ist, ja: daß zwingende Vorgaben in dieser Hinsicht keine feststellbaren Effektivitätsvorteile gegenüber dispositi­ vem Recht aufweisen.

III.  Historische Legitimation konstitutiver Regeln? Die bisherigen Ergebnisse der historisch-vergleichenden Untersuchung konsti­ tutiver Regeln bewegen sich nach alledem durchaus auf dem Boden der im 2. Teil der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse. Ein geeignetes Beispiel für die oben entwickelte These von der Funktion gesetzlicher Vorgaben als „Spei­ cher“ von im Verlauf historischer Sedimentationsprozesse gesammelten Erfah­ rungswissens308 bietet das konstitutive Recht allerdings ausweislich der bisher gewonnenen Ergebnisse nur in geringerem Maße. Zwar konnte – mit Ausnahme der Vorgaben für eine unbeschränkte Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis – festgestellt werden, daß die Ursprünge der gesetzlichen Regulierung von Or­ ganisations- und Finanzverfassung vielfach Gestaltungsmuster aufnahm, die in privatautonom entwickelten Vorläufern wurzelten. Von einer ungebrochenen historischen Legitimation kann damit allerdings einstweilen nur solange ge­ sprochen werden, wie die jeweiligen Regelungen im Zuge ihrer Sedimentation zu zwingendem Gesetzesrecht nicht im Interesse materialer Schutzzwecke um­ gestaltet wurden. Dem wird im 2. Kapitel näher nachzugehen sein. Schon die Hinwendung zur dualistischen Unternehmensverfassung im deutschen Akti­ enrecht mit dem ADHGB von 1861 zeigt allerdings, daß für die Organisations­ verfassung der Aktiengesellschaften in Deutschland nur begrenzt von histori­ scher Kontinuität gesprochen werden kann:309 Wie gezeigt, beruhte die Einfüh­ rung eines (zunächst fakultativen) Aufsichtsrats nicht auf bereits zuvor etablier­ ten Gestaltungsmustern; erst recht entbehrte damit der spätere Ausbau des Aufsichtsrats zu einem zwingenden Organ 310 der historischen Legitimation. Ein weiteres, gerade aus der Perspektive einer modal orientierten Untersuchung 307   Oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 3. b) (S. 100) bei und in Fn. 168  f. (Persistenz­ neigungen dispositiver Regelungen im US-amerikanischen und englischen Gesellschafts­ recht). 308   Siehe nochmals oben, 2. Teil, 1. Abschn., 3. Kap., sub B. (S. 312  ff.). 309   Dazu oben sub A. II. 2. d) bb) (S. 428  f.) bei und in Fn. 130  ff. 310   Siehe dazu noch unten, 2. Kap., sub A. I. 1. a) (S. 472).

B. Auswertung

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interessantes Beispiel für anfangs eher von Zufälligkeiten als von planvoller Weiterentwicklung vorgefundener Gestaltungsmuster geprägte Entwicklungen bietet die Einführung von Mustersatzungen in Ergänzung des gesetzlichen Normenbestandes durch die englischen Companies Acts 1856 und 1862.311 In beiden Fällen handelt es sich um neuartige Institute, die sich – im Falle des Auf­ sichtsrats in der deutschen Praxis unter Schwierigkeiten – zunächst als Fremd­ körper im geltenden Recht etablierten und dann pfadabhängig bis in die Gegen­ wart wiederholt weiterentwickelt wurden. Auch wenn sich in beiden Fällen die Praxis damit längst arrangiert sowie entsprechendes Erfahrungswissen akku­ muliert hat und kontinuierlich erweitert, kann von einer historischen Legitimi­ tät insoweit nicht gesprochen werden.

IV.  Fazit und Folgerungen Regulierungsstile sind, wie schon die Untersuchung der konstitutiven Regelun­ gen der exemplarisch herangezogenen Kapitalgesellschaftsrechte ergeben hat, weniger rechtsordnungsspezifisch als vielmehr zunächst kontext- und funkti­ onsabhängig: Die Präponderanz zwingender Normen in der Regelform für das konstitutive Recht folgt unmittelbar aus dem Anforderungsprofil, das sich aus dem jeweiligen Regulierungszweck (insbesondere: Anerkennung der eigenen Rechtspersönlichkeit; Standardisierung der Rechtsbeziehungen zu Dritten) ab­ leiten läßt. Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen bestehen vor allem dort, wo das Regulierungsziel nicht von vornherein nur oder am effektivsten mit einem bestimmten Regulierungsinstrument erreicht werden kann. Gerade dies bestätigt zugleich den Wert der modalen Normanalyse im hier entwickel­ ten Begriffsverständnis als Ergänzung für den tradierten Methodenkanon ins­ besondere der funktionalen Rechtsvergleichung: Insgesamt hat sich gezeigt, daß die Wahl von Regulierungsinstrumenten rechtsordnungsübergreifend von dem jeweils verfolgten Regulierungsziel abhängt und damit unabhängig von wirtschaftlichen oder politischen Einflüssen, Pfadabhängigkeiten oder Konti­ nuitätsbrüchen vorgenommen wird. Dies bedeutet allerdings nicht, daß Unter­ schiede in Regulierungsstilen insbesondere außerhalb des Kernbestands konsti­ tutiver Normen, der weitgehend auf zwingende Regeln angewiesen ist, von derartigen Einflüssen unabhängig wären: Nicht anders als die materialen Lö­ sungen der jeweiligen Rechtsordnungen, lassen sich auch die jeweiligen moda­ len Grundentscheidungen ohne die Einbeziehung der rechtskulturellen Prä­ gungen nicht abschließend beurteilen. Exemplarisch hierfür steht etwa der rechtsordnungsübergreifend feststellbare Ausbau konstitutiver Regelungen zu Wahlmodellen mit unterschiedlichen Rechtsformen für unterschiedliche prak­   Dazu oben sub A. II. 2. a) (S. 421) bei und in Fn. 86.

311

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1. Kapitel:  Konstitution

tische Bedürfnisse: Diese Entwicklungsstränge können von vornherein nicht isoliert von den jeweiligen Abstufungen im Hinblick auf Regulierungsdichte und -intensität betrachtet werden, die ihrerseits durch jeweils rechtsordnungs­ spezifische wirtschaftspolitische Aspekte motiviert waren und sind. Ein – ge­ genständlich stärker begrenztes – Beispiel für die Prägekraft des jeweiligen rechtsordnungsspezifischen Regelungsumfelds bietet aber auch der Einfluß, den treuhand- bzw. stellvertretungsrechtliche Rechtsgrundsätze in den anglo­ amerikanischen Rechten, aber auch in Frankreich, lange Zeit auf die Vertre­ tungsbefugnisse der Organe im Außenverhältnis hatten und teilweise noch aus­ üben. Die vielfältigen Determinanten, die in dieser Hinsicht von (potentieller) Bedeutung sind, lassen sich im hier gesetzten Rahmen ebenso wenig ausloten wie die entsprechenden Einflußfaktoren für die Entwicklung des materiellen Gesellschaftsrechts.312 Schon diese kursorisch ausgewählten Beispiele, denen hier nicht weiter nachgegangen werden kann, indizieren jedoch zugleich, daß sich eine Verbindung von traditionellen Fragestellungen der funktionalen Rechtsvergleichung und rechtsökonomischen Analysen mit einer modal orien­ tierten Funktionsdogmatik im hier vorgeschlagenen Sinne in der Tat als frucht­ bar erweisen könnte.

  Vgl. nochmals oben, 2. Teil, 1. Abschn., 3. Kap., sub B. II. (S. 314  f.) bei und in Fn. 94.

312

2. Kapitel

Restriktion Unter dem Begriff der Normen mit restriktiven Zwecken werden hier und im folgenden solche verstanden, die auf die Einschränkung von Entscheidungsund Verhaltensspielräumen abzielen. Ihre Funktion liegt in der Bewältigung der für die Finanzierungsbeziehungen sowohl in Publikums- als auch in perso­ nalistischen Kapitalgesellschaften charakteristischen Interessenkonflikte und daraus resultierenden Überwachungsprobleme, die in der ökonomischen Ana­ lyse vor allem in agency-theoretischen Ansätzen einer Theorie der Unterneh­ mung problematisiert worden sind: Stark geprägt von der US-amerikanischen Realität der Publikumsgesellschaft mit weit gefächertem Gesellschafterkreis, hat sie zunächst insbesondere die (vertikalen) Prinzipal-Agenten-Konflikte zwischen Gesellschaftern und Geschäftsleitern betont; später sind auch die (horizontalen) Prinzipal-Agenten-Beziehungen zwischen Mehrheits- und Min­ derheitsgesellschaftern  und zwischen Anteilseignern und sonstigen Stakehol­ dern, insbesondere den Fremdkapitalgebern und sonstigen Gläubigern, ver­ stärkt in den Blick genommen worden. Unabhängig davon, inwieweit die darauf beruhende Problemanalyse auch auf abweichende Kapitalmarktstrukturen mit geringerem Streubesitz übertragen werden kann, sind damit Konfliktfelder identifiziert, die sich rechtsordnungsübergreifend als Raster für die Systemati­ sierung kapitalgesellschaftsrechtlicher Regulierungszwecke heranziehen lassen: Die damit erfaßten Regelungen – de lege lata (naturgemäß) in erster Linie solche des zwingenden Rechts – dienen der Einschränkung von Spielräumen einer Ak­ teursgruppe, z. B. der Mitglieder des Geschäftsleitungsorgans, im Interesse ei­    Grundlegend für das moderne Problemverständnis bereits Berle/Means, Modern Cor­ poration, passim; vgl. aus der späteren Literatur zentral Jensen/Meckling, 5 J. Fin. Econ. 305  ff. (1976); sodann Fama, 88 J. Pol. Econ. 288  ff. (1980); ders./Jensen, 26 J.L. & Econ. 301  ff. und 327  ff. (1983); zusf. Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy, 2. Aufl. 2009, S. 35  ff.; Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 9  ff., 73  ff.; Pratt/Zeckhauser, in: dies. (Hrsg.), Principals and Agents, S. 1  ff.; deutsch Arnold, Steuerung des Vorstands­ handelns, S. 18  ff.; Ruffner, Ökonomische Grundlagen, S. 131  ff.; Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1047  f.    Siehe neben den Nachw. soeben Fn. 1 auch Black, 39 UCLA L. Rev. 811  ff. (1992) (Agen­ cy-Konflikte zwischen institutionellen Investoren und sonstigen Anteilseignern); zusf. wie­ derum Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy, 2. Aufl. 2009, S. 36.    Zusf. wiederum Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u. a. (Hrsg.), Anatomy, 2. Aufl. 2009, S. 36; Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1048  ff.

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2. Kapitel:  Restriktion

ner anderen Gruppe von Akteuren, z. B. der (Minderheits-) Gesellschafter oder der Fremdkapitalgeber und der sonstigen Gläubiger. Auch der folgende histo­ risch-vergleichende Abriß (unten A.) soll bei alledem Antworten auf die vier eingangs des vorliegenden Teils umrissenen Fragestellungen erbringen und mit­ hin neben weiteren Erkenntnissen zu den Funktionsmerkmalen der jeweils ein­ gesetzten Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien insbesondere Aufschluß über die Verfügbarkeit und Bedeutung historischen Erfahrungswis­ sens sowie mögliche rechtsordnungsspezifische Besonderheiten in dieser Hin­ sicht geben (unten B.).

A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive Die Kategorie der restriktiven Normen im hier verwendeten Sinn ist denkbar weit, liefert aber gerade deshalb ergiebiges Anschauungsmaterial für die Über­ prüfung der im 2. Teil der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse zu Funkti­ onsvoraussetzungen und Funktionsweise von Regulierungsinstrumenten und Regulierungsstrategien. Erfaßt sind sowohl Institute zur Restriktion des Ge­ schäftsleiterverhaltens als auch solche, die die Entscheidungs- und Verhaltens­ spielräume der Gesellschafter beschränken. Nicht behandelt werden im folgen­ den allerdings Publizitätspflichten. Zwar wirken auch sie restringierend auf die Adressaten ein; ein umfassender historisch-vergleichender Abriß ist in dieser Hinsicht allerdings schon deshalb entbehrlich, weil hierzu auf andere Arbeiten verwiesen werden kann. Die danach verbleibenden, nachfolgend näher in den Blick zu nehmenden Regelungen beschränken sich keineswegs auf positive Ver­ haltenspflichten, auch wenn insoweit aufschlußreiche Unterschiede zwischen den untersuchten Rechtsordnungen festzustellen sind und die Verhaltenspflich­ ten damit auch aus der Perspektive einer modalen Normanalyse besonderes Augen­merk verdienen. Entwicklungshistorisch älter sind indes restriktive Re­ gelungen im Recht der Organisations- und Finanzverfassung und damit die ­bereits oben angedeutete Entwicklung zur Verfestigung und Überformung ur­ sprünglich ausschließlich konstitutiven Zwecken dienender Regelungen im ­Interesse materialer Schutzgüter. Entsprechend der Genese dieser Institute überwiegt auch in dieser Gruppe zwingendes Recht in der Regelform (unten I. und II.). Eine – wenigstens auf den ersten Blick – größere formale Varianz weist   Oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub D. III. 1. b) aa) (S. 213) bei und in Fn. 559.   Insbesondere Merkt, Unternehmenspublizität, S. 31–129; speziell zur Entwicklung der gesetzlichen Vorgaben für die Rechnungslegung der Aktiengesellschaften in Deutschland auch Schön/Osterloh-Konrad, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, S. 893  ff. Beide Werke gelten zwar nicht in erster Linie der jeweiligen Regulierungstechnik, sondern materialen Fragen, lassen sich aber auch aus der Perspektive einer modal orientierten Normanalyse fruchtbar machen.  

A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive

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demgegenüber die Gruppe der positiven Verhaltenspflichten auf, die sich auch entwicklungshistorisch deutlich von organisations- und finanzverfassungs­ rechtlichen, institutionellen Regelungen unterscheidet (unten III.).

I.  Restriktion durch Organisationsverfassungsrecht Unter den untersuchten Rechtsordnungen ragen das deutsche (unten 1.) sowie das französische Recht (unten 2.) sowohl hinsichtlich des frühen Zeitpunkts als auch des Ausmaßes heraus, in dem die Organisationsverfassung zum Gegen­ stand zwingender Regulierung erhoben worden ist. Zumal in Deutschland sind im ausgehenden 19. Jahrhundert die Vorgaben des zwingenden Gesetzesrechts für die Binnenorganisation der Gesellschaften wiederholt ausgebaut worden. Deutlich zögerlicher und zurückhaltender verlief demgegenüber die Rechtsent­ wicklung in England (unten 3.) und in den USA (unten 4.): Beide Rechtsord­ nungen überlassen die Gestaltung der Organisationsverfassung bis heute in ungleich größerem Umfang als die kontinentaleuropäischen Rechte der Gestal­ tung durch die (Gründungs-) Gesellschafter. Wenn und soweit überhaupt ver­ sucht wird, gezielt Einfluß auf die Organisationsverfassung zu nehmen, um bestimmten Schutzinteressen – insbesondere des Gesellschafter- und Anleger­ schutzes – im Verbandsrecht Rechnung zu tragen, überwiegt allerdings rechts­ ordnungsübergreifend zwingendes Recht in der Regelform. Lediglich verein­ zelt finden sich offene Standards oder wird auf andere Weise, z. B. in Gestalt von Regelungsaufträgen, versucht, den gesetzlichen Einfluß flexibler zu halten und mit gesetzlich präformierter privatautonomer Gestaltung zu verbinden.

1.  Deutschland Für das deutsche Aktienrecht verbindet sich der Beginn der zwingenden Regu­ lierung der Organisationsverfassung mit der Novelle von 1870.  Mit ihr beginnt die bis heute geltende Konzeption, durch ein grundsätzlich zwingend ausgestal­ tetes Regime (vgl. heute § 23 Abs. 5 AktG) einen institutionellen Rechtsrahmen zu schaffen, der schon durch standardisierte Organisationsgrundsätze charak­ teristische Interessenkonflikte zwischen Geschäftsleitung, Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern einzuhegen und auszugleichen sucht (unten a)). In deutlichem Kontrast dazu steht die Entwicklung des GmbH-Rechts, das von vornherein auf detaillierte zwingende Vorgaben für die Binnenorganisation verzichtet (unten b)).

  Abdruck bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 107  ff.



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2. Kapitel:  Restriktion

a)  Aktienrecht Mit der Novelle von 1870 reagierte der Gesetzgeber einerseits auf die verwal­ tungsorganisatorischen Schwierigkeiten, die seit Mitte der 1850er Jahre einset­ zende Gründungswelle mit den Instrumenten des Konzessionszwangs zu be­ wältigen, und andererseits auf zeitgenössische wirtschaftsliberale Forderungen nach einer Freigabe der Gründungsmöglichkeiten für Kapitalgesellschaften. Nach Artt. 209a  ff. i.d.F. der Novelle fand nur mehr eine handelsgerichtliche Prüfung der Einhaltung der formalen Anforderungen bei der Gründung statt; eine weiterreichende Kontrolle im laufenden Geschäftsbetrieb entfiel. Im Ge­ genzug gegen die Abschaffung des Konzessionszwangs für die AG (und die KGaA) erweiterte das Reformgesetz (unter anderem) dabei auch die Vorschrif­ ten des ADHGB über die Organisationsverfassung, und hier wiederum insbe­ sondere über den Aufsichtsrat. Dieser wurde zu einem obligatorischen Organ aufgewertet, dessen Mitglieder dem Kreis der Aktionäre angehören mußten (Art. 209 Nr. 6 ADHGB n.F.). Seine Funktion wurde in Art. 225 ADHGB n.F. nunmehr ausdrücklich im Sinne der Überwachung der Geschäftsführung auch durch Überprüfung der Jahresrechnung definiert. Berichtspflichtig war der Aufsichtsrat gegenüber der Generalversammlung (Art. 225 Abs. 2 ADHGB n.F.), womit sich das Gesetz endgültig von der Praxis der früheren Verwal­ tungsräte distanzierte. Die durch den Aufsichtsrat ausgeübte Kontrolle begriff man als Funktionsäquivalent zur Staatsaufsicht und damit als notwendige Kon­ sequenz der Umstellung vom Konzessions- auf das System der Normativbe­ stimmungen. Die Praxis erfüllte die mit dem reformierten Organisationsrecht verknüpften Erwartungen indes auch weiterhin nicht: Vielfach blieb es bei der bereits etablierten Aufgabenverteilung zwischen dem nunmehr umbenannten Verwaltungsrat und dem Vorstand, so daß die Kontrollfunktion oft jedenfalls nicht im Interesse der Gesamtheit der Aktionäre ausgeübt wurde. Die frühe Praxis des Pflicht-Aufsichtsrats bietet damit zugleich ein erstes, repräsentatives Beispiel für ein Auseinanderfallen von regulatorischem Anliegen und tatsächli­ cher Umsetzung in der Praxis infolge fehlender historischer Legitimation eines Rechtsinstituts: Nachdem, wie ausgeführt,10 die Einführung eines dualistischen Regimes mit Trennung von Leitungs- und Überwachungsfunktionen sich nicht auf etablierte Vorläufer in der Gestaltungspraxis vor und unter dem ADHGB    Vgl. zunächst Großkomm/Assmann, Einl. Rn. 79  ff.; Schubel, Verbandssouveränität, S. 280  ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 1 II 2, S. 26, sowie zu Einzelheiten unten im jeweiligen Sachzusammenhang.    Der Schwerpunkt der Regelungen lag nicht auf der Organisations-, sondern auf Fragen der Finanzverfassung; siehe im einzelnen noch unten sub II. 1. a) (S. 491) bei und in Fn. 121  ff.    Vgl. Passow, Aktiengesellschaft, S. 355  ff. m. w. N.; Steinitzer, Ökonomische Theorie der Aktiengesellschaft, S. 154  ff.; zusf. Wiethölter, Interessen, S. 286  f. 10   Siehe nochmals oben, 1. Kap., sub A. II. 2. d) bb) (S. 429  f.).

A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive

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stützen konnte, sind die auch nach der Weiterentwicklung des Aufsichtsrats zu einem Pflichtorgan zu beobachtenden Adaptionsschwierigkeiten kaum ver­ wunderlich. Während der Gründerjahre ab 1870 nahm die Zahl der Aktiengesellschaften rasant zu. Ein erheblicher Teil der neu gegründeten Gesellschaften verließ aller­ dings wenig später durch Liquidation oder Konkurs den Markt; im sog. Grün­ derkrach von 1873 kulminierte die Krise.11 Die zweite Aktienrechtsnovelle von 188412 zog hieraus die Konsequenz noch weiterreichender Eingriffe in die Or­ ganisationsverfassung. Schon in der vorbereitenden wissenschaftlichen Diskus­ sion gewann der Gedanke Bedeutung, die Kontrollwirkungen der fortgefalle­ nen staatlichen Konzession durch verschärfte Einflußnahme auf das Innenrecht der Gesellschaften zu kompensieren.13 Deutlicher als bislang grenzte die Novel­ le die Aufgaben der Generalversammlung als Organ der Willensbildung (Artt. 215, 221, 236–238a), des Vorstands als Geschäftsleitungsorgan (Artt. 227– 235, 239) und des Aufsichtsrats als Kontrollorgan (Artt. 209 f., 224–226) vonein­ ander ab. Die – unter Einhaltung zwingender Verfahrensregeln einzuberufende und abzuhaltende (Artt. 236  ff.) – Generalversammlung hatte über Statutenän­ derungen (Art. 215) und Kapitalmaßnahmen (Art. 215a Abs. 2) zu beschließen und den Aufsichtsrat (Art. 224 i.V.m. Art. 191) zu wählen, wobei jeweils Min­ destquoren vorgeschrieben wurden.14 Erst nach diesen Neuerungen erlangte der Aufsichtsrat seine Bedeutung als institutionalisiertes Kontrollorgan,15 wenngleich seine Effektivität nach wie vor beschränkt blieb.16 Jede Aktie war zwingend mit einem Stimmrecht verbunden; die bis dahin geltende Gestal­ tungsfreiheit für Stimmrechtsklauseln in Gesellschaftsverträgen wurde einge­ schränkt (Art. 221 Abs. 2 i.V.m. Art. 190 Abs. 1). Individual- und Minderheiten­ rechte wie das Recht einzelner Aktionäre zur Anfechtung von Beschlüssen der Generalversammlung (Art. 222 i.V.m. Art. 190a), das Recht einer Minderheit von zehn Prozent des Grundkapitals, eine Sonderprüfung (Revision) verlangen   Vgl. Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetzes, betreffend die KGaA und die GmbH von 1884, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 404, 408  ff. Zu den zeitge­ nössischen wirtschaftlichen Umständen zusf. Großkomm/Assmann, Einl. Rn. 82  ff.; Hofer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 388  ff.; Schubel, Verbandssouveränität, S. 287  ff. 12   Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften und die Aktiengesellschaften, RGBl. 1884 Nr. 22 vom 31.7.1884, Abdruck bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 561  ff. Vgl. näher Großkomm/Assmann, Einl. Rn. 89  ff.; Hofer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 388, 398  ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 1 II 2, S. 27 m. w. N. 13   Vgl. Hofer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 388, 390  ff.; Schubel, Verbandssouveränität, S. 330  ff. m. w. N. aus der zeitgenössischen Literatur. 14   Vgl. dazu nur Großkomm/Assmann, Einl. Rn. 97. 15   Zur Reformdiskussion etwa Schubel, Verbandssouveränität, S. 332; Lieder, Aufsichtsrat, S. 129  ff.; Lutter, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, S. 389, 392  ff. 16   Lieder, Aufsichtsrat, S. 203, 212  ff.; aus der älteren Literatur bereits Passow, ZHR 64 (1909), 27  ff.; Riesser, in: FG Richard Koch, 1903, S.  293, 296  ff.; Stier-Somlo, ZHR 53 (1903), 20, 31  ff. 11

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zu können (Art. 222a) sowie das Recht einer Minderheit in Höhe von fünf Pro­ zent des Grundkapitals, die Einberufung der Generalversammlung zu verlan­ gen (Art. 237), stärkten den Grundsatz der Gleichheit der Aktionäre und damit die Standardisierung der in der Aktie verbrieften Rechtsposition.17 Erstmals wurden einzelne Vorgaben auch des Organisationsverfassungsrechts mit straf­ rechtlichen Mitteln durchgesetzt. Dies galt insbesondere für die Regelungen über den Einfluß der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung.18 Insgesamt suchte die Novelle von 1884 die Risiken zu minimieren, die sich aus der Kombination einer passiven, nicht unternehmerisch orientierten Aktio­ närsgesamtheit mit eigennützig handelnden oder jedenfalls nur bedingt am Ge­ samtwohl der Gesellschaft orientierten Geschäftsleitern (sog. „Beamten“) erga­ ben.19 Gezielt sollten insbesondere die Selbstorganisationskräfte der Gesell­ schaftergesamtheit als Substitut für die staatliche Kontrolle aktiviert werden. 20 Dabei konnte auch auf vorangegangene Entwicklungen in der Judikatur zu­ rückgegriffen werden, die Grundprinzipien eines Minderheitenschutzes insbe­ sondere gegenüber Mehrheitsbeschlüssen der Generalversammlung formuliert hatte. 21 Die nochmalige Reform des Aktienrechts im Zuge seiner Übernahme in das Handelsgesetzbuch von 1897 baute die organisationsrechtlichen Regelun­ gen der Novelle von 1884 nur mehr punktuell aus; eine konzeptionelle Neuaus­ richtung war damit nicht verbunden. 22 Die gesetzlichen Bestimmungen über die Organisationsverfassung waren damit bereits seit 1884 endgültig nicht mehr ausschließlich „gestattender“ Natur. Sie rezipierten auch nicht mehr nur Ge­ staltungsmodelle, die sich in der Praxis der Gesellschaftssatzungen bereits eta­ bliert hatten. Vielmehr gestaltete nunmehr das Gesetz selbst zwingend einen Organisationsrahmen, der vor allem auf die Bekämpfung zuvor beobachteter Mißstände zielte. Diese Grundkonzeption blieb auch für die weiteren Entwicklungen bis in die Gegenwart prägend. Ungeachtet kontroverser Diskussionen insbesondere über   Näher zur Entwicklung des Minderheitenschutzes mit der Novelle von 1884 M. Emmerich, Beschlußverfahren, S. 116  ff., insbes. S. 131  ff. 18   Vgl. Artt. 249e (Strafbarkeit der Vorteilsnahme für ein Abstimmverhalten in einem be­ stimmten Sinne), 249f (Ausübung des Stimmrechts ohne wirksame Einwilligung des eigent­ lich Berechtigten). 19   Vgl. den Entwurf eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften nebst Begründung und Anlagen, vorgelegt dem Bundesrath am 7. September 1883, Berlin 1883, S. 78  f.; siehe auch Wiethölter, Interessen, S. 74  f. und S. 287  f. 20   Schubel, Verbandssouveränität, S. 406: Schutz der Verbandssouveränität – verstanden als Souveränität der in der Generalversammlung konstituierten Gesellschafter – gegenüber Un­ ternehmensleitung und externem Einfluß als zentrales Merkmal der Reform von 1884; siehe auch Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 86  ff. 21   Dazu M. Emmerich, Beschlußverfahren, S. 122  ff.; siehe insbes. das im Auftrag des Reichskanzleramts erstellte Gutachten des ROHG zur Reform des Aktienrechts, auszugs­ weise abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 157  ff. 22   Eingehend Pahlow, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 415  ff.; Schubel, Verbandssouveränität, S. 391  ff.; zusf. Großkomm/Assmann, Einl. Rn. 119  f. 17

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die Effektivität der Kontrolle durch den Aufsichtsrat kam es dabei bis zur Re­ form des Aktienrechts von 1965 zu keiner nennenswerten Reform des Organi­ sationsrechts der Novelle von 1884.23 Die mit ihr verbundenen Hoffnungen auf eine Stärkung der Generalversammlung als Zentralorgan der Gesellschaft er­ füllten sich in der Praxis nicht; nach wie vor blieb der Vorstand das dominieren­ de Organ, und auch die Kontrolle durch den Aufsichtsrat blieb regelmäßig wir­ kungsschwach. 24 In der Weimarer Republik wiederholt unternommene Vorstö­ ße zu einer umfassenden Reform des Aktiengesetzes mündeten in Entwürfen zu einer Aktienrechtsnovelle von 1930/31, 25 die aber vorerst nicht realisiert wur­ den. Eine im unmittelbaren Zusammenhang mit der Krise erlassene Notverord­ nung des Reichspräsidenten von 193126 stärkte u. a. die Kontrollfunktion des Aufsichtsrats durch zusätzliche Informationsrechte und korrespondierende Unterrichtungspflichten des Vorstands sowie durch das Recht einzelner Auf­ sichtsratsmitglieder, die Einberufung des Organs zu verlangen. 27 Die General­ versammlung erhielt das Recht, durch Mehrheitsbeschluß die „Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung“ zu veranlassen (Art. VII. NotVO/§ 266 HGB n.F.). Das 1937 erlassene neue Aktiengesetz28 schließlich setzte – ungeachtet aller Versuche im Vorfeld, das Aktienrecht unter dem Einfluß nationalsozialistischer Ideologie neu zu gestalten 29 – die bereits in der Weimarer Republik eingeschlagene Reformrichtung fort. Zwar wurde die Organisationsverfassung der AG mit einem deutlichen Ausbau der Vormacht­ stellung des Vorstands als nunmehr ausschließlich leitungsbefugtem Organ (§ 70 Abs. 1 AktG 1937), mit dem die Reduktion der Einflußmöglichkeiten der Generalversammlung30 einherging, gegenüber dem mit der Novelle von 1884 erreichten Stand nochmals erheblich verändert. Erstmals wurden – teilweise je­ doch dispositiv – Organisation und Kompetenzen des Vorstands im einzelnen Gegenstand gesetzlicher Regelungen (§§ 71  ff. AktG 1937). Neben die organisa­ tionsrechtlichen Grundlagen traten zudem institutionell-ablaufbezogene Vor­   Vgl. im einzelnen Lieder, Aufsichtsrat, S. 263  ff.; zusf. Großkomm/Assmann, Einl. Rn. 128; vgl. auch die Nachw. oben (S. 473) Fn. 16. 24   Siehe Wiethölter, Interessen, S. 288. 25   Amtlicher Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesell­ schaften auf Aktien sowie Entwurf eines Einführungsgesetzes, veröffentlicht auf Anordnung des Reichsjustizministeriums, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform, S. 849  ff. Dazu stellvertretend Großkomm/Assmann, Einl. Rn. 143  f.; eingehend Spindler, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 440, 482  ff. 26   Verordnung über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie vom 19. 9. 1931, Abdruck bei Schubert/Hommelhoff, Aktienrechtsreform, S. 833  ff. 27   Vgl. im einzelnen Art. IV.2 NotVO/§ 246 Abs. 1 Satz 3 HGB n.F. (Informationsrechte), Art. III.1 NotVO/§ 239a HGB n.F. (Unterrichtungspflichten) und Art. IV.1 NotVO/§ 244a HGB n.F. (Recht, die Einberufung des Aufsichtsrats zu verlangen). 28   Einführungsgesetz vom 30. 1. 1937, RGBl. I, S. 166. 29   Vgl. nur die Zusf. der Reformdiskussion bei Großkomm/Assmann, Einl. Rn. 152  ff. 30   Vgl. insbes. §§ 103 Abs. 2 (Verlust des Rechts, dem Vorstand bindende Anweisungen zu erteilen), 125 (Verlust der Kompetenz zur Feststellung des Jahresabschlusses) AktG 1937. 23

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gaben für die Tätigkeit der Organe und die Verzahnung ihrer Aufgabenberei­ che, wobei insbesondere das Recht des Aufsichtsrats detailliert geregelt wurde, für den erstmals in Abhängigkeit vom Grundkapital gestaffelte Vorgaben an die Höchstzahl der Mitglieder vorgegeben wurden.31 Nachdem bereits zuvor die Steuerungsmöglichkeiten des zwingenden Rechts gleichsam „entdeckt“ worden waren und das Aktienrecht damit seine Funktion als bloßer Ordnungsrahmen für die grundsätzlich freie privatautonome Gestaltung der beteiligten (Grün­ dungs-) Gesellschafter verloren hatte, bedurfte seine Anpassung an die Ideolo­ gie der Zeit indes nur mehr einer Korrektur der Zielvorgaben, nicht mehr des Regelungsinstrumentariums als solchen. Dabei reichten die mit dem neuen Ge­ setz vollzogenen Änderungen weniger weit, als es der ideologische Kontext ver­ muten läßt.32 Auch dies macht verständlich, weshalb nach dem Zweiten Welt­ krieg eine erneute Reformdiskussion einstweilen auf sich warten ließ.33 Vor al­ lem die Stärkung der Einflußsphäre der Unternehmensleitung gegenüber jener der Gesellschafter entsprach nicht zuletzt der Überzeugung (die mit der politi­ schen Ideologie zusammenfiel), daß sich ohne eine starke Geschäftsleitung der Erfolg der modernen Publikumsgesellschaft kaum vorstellen lasse34 und daß Ansätze zu einer „Demokratisierung“ des Unternehmens schon unter prakti­ schen Gesichtspunkten eher skeptisch zu bewerten seien.35 Nach Kriegsende veränderte zunächst die Einführung der Unternehmensbe­ stimmung mit Montanmitbestimmungsgesetz, Mitbestimmungsgesetz und Drittelbeteiligungsgesetz die Grundfesten der Organisationsverfassung der AG mit dem Ziel, die Interessen der Arbeitnehmer als „Betroffener“ der Unter­ nehmenstätigkeit in die unternehmensinternen Kontrollmechanismen einzu­ binden und damit einen Rahmen für die verfahrensförmige Bewältigung von Interessenkonflikten zwischen der Anteilseigner- und der Arbeitnehmerseite zu schaffen.36 Die Aktienrechtsreform von 1965, obwohl nicht zuletzt durch das Bestreben nach einer Stärkung der Hauptversammlung im Interesse verbesser­   Siehe etwa § 81 (Berichtspflichten des Vorstands an den Aufsichtsrat), §§ 92  ff. (innere Ordnung, Aufgaben und Tätigkeiten des Aufsichtsrats) AktG 1937. 32   Vgl. stellvertretend Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 619  ff., zusf. S. 668  f., aufschlußreich auch die dort (S. 634) zitierte zeitgenössische Kritik an der Ideologieferne des Gesetzes. 33   Vgl. zu Einzelheiten der Nachkriegsentwicklung Großkomm/Assmann, Einl. Rn. 173  ff.; Kropff, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 670  ff. 34   Vgl. mit entsprechender Einschätzung der Novelle von 1937 etwa Großkomm/Assmann, Einl. Rn. 169; siehe auch Kropff, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 670, 699; Martens, ZHR 147 (1983), 377, 378. 35   Zu diesem Gesichtspunkt etwa Wiethölter, Interessen, S. 77  ff.; siehe auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 6 IV 3, S. 352  f., jeweils m. w. N. 36   Siehe allgemein statt vieler K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 16 IV, S. 576  ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 11, S. 582  ff.; aus jüngster Zeit Raiser, Unternehmensmitbe­ stimmung vor dem Hintergrund europarechtlicher Entwicklungen. Gutachten B zum 66. DJT, 2006, passim; aus betriebswirtschaftlicher Sicht zusf. von Werder, AG 2004, 166, 168 m. w. N. 31

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ter Bedingungen für die Kapitalaufnahme mit breiter Streuung des Aktienbesit­ zes motiviert,37 beließ es im wesentlichen bei der durch das AktG 1937 festge­ legten Kompetenzverteilung der Organe.38 Der damit geschaffene Rechtsrah­ men ist bekanntlich zumal in jüngerer und jüngster Zeit wiederholt ergänzt und ausgebaut worden.39 Schwerpunkte lagen dabei insbesondere auf verschärften Vorgaben für die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat, auf der Binnenorganisation des Aufsichtsrats sowie auf der Reform des Anfechtungs­ rechts.40 Richteten sich diese Reformen durchweg auf den Ausbau des zwingen­ den Rechtsrahmens, so verbindet sich mit dem Gesetz für die „kleine“ AG aus dem Jahre 199441 demgegenüber ein deregulierender Ansatz und das Bestreben, Regulierungsdichte und -intensität innerhalb der Rechtsform der Aktiengesell­ schaft für die Bedürfnisse kleiner Gesellschaften gegenüber dem Leitbild der Publikumsgesellschaft abzuschichten und dabei insbesondere die formellen Anforderungen an die Einberufung und Abhaltung von Hauptversammlungen abzumildern.42 b)  GmbH-Recht Dem Recht der GmbH war der regulierende Eingriff durch zwingendes Recht von vornherein zwar nicht fremd. Weil die neue Rechtsform als Vehikel für kleinere Unternehmen mit geringem Organisationsgrad konzipiert wurde, blieb die Ausgestaltung der Binnenorganisation indes von Anfang an weitge­ 37   Vgl. etwa RegE eines Aktiengesetzes und eines Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz, BT-Drs. IV/171, S. 13; zusf. z. B. Großkomm/Assmann, Einl. Rn. 184  ff.; Martens, ZHR 147 (1983), 377, 378  f. 38   Einzelheiten bei Großkomm/Assmann, Einl. Rn. 195. 39   Vgl. dazu im Überblick stellvertretend Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 889  ff. 40   Vgl. insbes. §§ 90 Abs. 1 Nr. 1, 100 Abs. 2, 171 Abs. 2 Satz 2, 111 Abs. 2 Satz 3 AktG i.d.F. des KonTraG 1998 (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. 4. 1998, BGBl. I, S. 590); sodann die mit dem TransPuG (Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität vom 19. 7. 2002, BGBl. I, S. 2681), mit dem UMAG (Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Aktienrechts vom 22. 9. 2005, BGBl. I, S. 2802) sowie zuletzt mit dem ARUG (Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30. 7. 2009, BGBl. I, S. 2479) verbundenen Änderungen im Or­ ganisationsverfassungsrecht, auf die hier nur hingewiesen werden soll. Vgl. zur Entwicklung bis zum UMAG stellvertretend nochmals Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 889  ff. m. w. N.; zu den Änderungen durch das ARUG etwa Noack, NZG 2008, 441; Seibert, ZIP 2008, 906  ff.; zu Einzelfragen Drinhausen/ Keinath, BB 2008, 1238  ff. (Änderungen am Recht der Hauptversammlung); Niemeier, ZIP 2008, 1148  ff.; Waclawik, ZIP 2008, 1141  ff. (beide zum reformierten Anfechtungsrecht). 41   Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2. 8. 1994, BGBl. I, S. 1961; dazu stellvertretend Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Haber­ sack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 889, 893  ff. 42   Vgl. insbes. §§ 121 Abs. 4, 130 Abs. 1 Satz 3, 121 Abs. 6 AktG i.d.F. des Gesetzes über die „kleine“ AG.

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hend dem Gesellschaftsvertrag überlassen. Lediglich die Grundstruktur der Organe und Minderheitenrechte waren im Gesetz (bis heute im wesentlichen unverändert), wenn auch weitgehend dispositiv, vorgegeben.43 Zwingend gere­ gelt war zudem bereits in der ursprünglichen Gesetzesfassung auch die Voraus­ setzung eines zu beurkundenden und zum Handelsregister anzumeldenden Gesellschafterbeschlusses für eine Änderung des Gesellschaftsvertrages (§§ 53, 54 GmbHG a. F.).

2.  Frankreich Im französischen Recht war und ist die gesetzliche Einflußnahme auf organisa­ tionsverfassungsrechtliche Belange in erster Linie ein Phänomen des Rechts der kapitalmarktorientierten société anonyme, für die sie bereits 1867 einsetzte (un­ ten a)) und bis in die Gegenwart weiterentwickelt wurde. Zwingende organisa­ tionsrechtliche Regelungen finden sich – jedoch in deutlich geringerem Maß – auch im Recht der société à responsabilité limitée (unten b)), deren Charakter als Alternative zur SA mit geringerer Regulierungsdichte indessen unverkennbar ist. In den neueren Rechtsformen der SAS und SASU44 wird auf zwingende Vor­ gaben an die Organisationsverfassung, die über die Festlegung der konstituti­ ven Grundelemente der Organstruktur hinausgingen, gänzlich verzichtet, so daß darauf im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter einzugehen ist.45 Je­ denfalls auf diesem Gebiet ist die Ausdifferenzierung von Wahlmodellen mit unterschiedlichen Regulierungsstilen deutlich weiter getrieben worden als in Deutschland. a)  Société anonyme Für das französische Recht verbindet sich, wie bereits angeklungen, der Beginn einer gezielten Einflußnahme auf die Organisationsverfassung im Interesse nicht lediglich konstitutiver Schutzzwecke mit der Reform durch die loi sur les sociétés von 1867,46 die die weitere Entwicklung des Aktienrechts bis in das 20. Jahrhundert hinein prägte. Wenngleich das neue Recht die vorgefundenen, 43   Vgl. im einzelnen § 46 Abs. 2 GmbHG a.F.: Vorrang der Regelungen des Gesellschafts­ vertrags; §§ 6, 35  ff.: Geschäftsführer; §§ 49  ff.: Gesellschafterversammlung. 44   Zu diesen bereits oben, 1. Kap., sub A. I. 2. (S. 413) bei und in Fn. 39  ff. 45   Hier herrscht weitestgehende Gestaltungsfreiheit, vgl. Artt. L. 227-9, L. 227-13  ff. nC. com.; zu Ausnahmen (Erfordernis einstimmiger Beschlüsse für bestimmte, die Rechtspositi­ on einzelner Aktionäre oder der Aktionärsgesamtheit besonders schwerwiegend beeinträch­ tigende Satzungsänderungen); Artt. L 227-10  f. nC.com. (Kontrollbefugnisse der Aktionäre bezüglich der zwischen dem Präsidenten oder anderen Mitgliedern der Geschäftsleitung ein­ gegangenen Rechtsgeschäfte). 46   Siehe dazu bereits oben, 1. Kap., sub A. II. 2. c) (S. 426).

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schon zuvor in der Gestaltungspraxis weithin etablierten Gestaltungsmuster aufnahm, vereinheitlichte und ohne wesentliche Kontinuitätsbrüche weiterent­ wickelte, war damit der Schritt von der Konstitution als primärem Regulie­ rungsziel zur planmäßigen Regulierung der Organisationsverfassung endgültig vollzogen. Entsprechend dem gesetzgeberischen Grundanliegen, die société an­ onyme als Vehikel für die kollektive Kapitalanlage breiterer Bevölkerungs­ schichten zu stärken, wurde dabei insbesondere den Regelungen zur Hauptver­ sammlung (assemblée générale) besonderes Augenmerk gewidmet. Detaillierte Vorgaben galten für Einberufung,47 Zusammensetzung,48 Kompetenzen und Entscheidungsverfahren der assemblée générale, wobei auch Mindestquoren für einzelne Sachfragen festgelegt wurden.49 Bereits 1867 wurde auch die jährliche Wahl von commissaires aux comptes als Kontrollorgan durch die Hauptver­ sammlung verbindlich vorgeschrieben.50 Die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft war damit bis weit ins 20. Jahrhundert hinein festgelegt. Das Gesetz von 1867 wurde zwar 1883 noch­ mals reformiert,51 insgesamt aber erst 1966 durch ein umfassend reformiertes Gesellschaftsrecht abgelöst.52 Bis dahin setzte sich die Tendenz zur zwingenden Regulierung (auch) der Organisationsverfassung in einzelnen Reformgesetzen ungebrochen fort. Wichtige Änderungen über die Mitwirkung der Aktionäre regelte zunächst ein Gesetz aus dem Jahre 1933;53 insbesondere wurde nunmehr der Grundsatz der Gleichheit aller Stimmrechte entsprechend dem jeweiligen Kapitalanteil ausdrücklich statuiert („à capital égal, droit de vote égal“). 54 Wei­ tere Reformen zu Einzelaspekten der Organisationsverfassung folgten 1940 55 47   Artt. 25 (1) (Einberufung bei Gesellschaftsgründung), 27 (1) (jährliche Einberufung als Mindestturnus); entsprechend bereits Artt. 6 und 12 loi de 1863. 48   Vgl. Art. 12 (1) und (2) loi de 1863, wonach nur die erste Hauptversammlung im Zusam­ menhang mit dem Gründungsakt für die Gesamtheit der Aktionäre offenstand, für alle wei­ teren Versammlungen aber im Statut ein Mindestanteil als Zugangsvoraussetzung festgelegt werden konnte; ähnlich Art. 27 (2) loi de 1867. 49   Grundsätzlich mußten die anwesenden Aktionäre mindestens ein Viertel des Gesell­ schaftskapitals vertreten, vgl. Art. 14 (1) loi de 1863; Art. 29 (1) loi de 1867; nach Artt. 30 (1) und 32 (1) loi de 1867 hatten die Anwesenden mindestens die Hälfte des Kapitals zu vertreten, wenn sich die zu fassenden Beschlüsse auf die Grundsatzentscheidungen bei der Gesell­ schaftsgründung sowie auf Satzungsänderungen bezogen. Vgl. zu weiteren Einzelheiten der Neuregelung auch Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 351  f. 50   Dazu und zu den Einzelheiten der Überprüfung der Rechnungslegung durch diese Artt. 15  ff. loi de 1863; Artt. 32  ff. loi de 1867; letztere Bestimmungen sahen, anders als die Vorgängerregelung von 1863, bereits vor, daß den commissaires vor der Befassung der Haupt­ versammlung damit Einblick in die Rechnungslegung zu geben war. Vgl. näher LefèbvreTeillard, Société Anonyme, S. 341  f. 51   Loi du 1. 8. 1893; siehe etwa Pic/Kréher, Sociétés Commerciales, Bd. 1, S. 127. 52   Loi no. 66-537 du 24. 7. 1966 sur les sociétés commerciales, J.O. 26. 7. 1966, p. 6402. 53   Loi du 13. 11. 1933, J.O. 15. 11. 1933, 1934, IV, p. 41. 54   Loi du 13. 11. 1933, Art. 1 al. 1. Dazu und zu weiteren Neuerungen näher Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 3, Tz. 1104  ff., S. 141  ff., insbes. Tz. 1111, S. 150  ff. 55   Lois du 18. 9. 1940, du 16. 11. 1940, du 29. 11. 1940; zu den Hintergründen und den inhalt­

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sowie unter der Vichy-Regierung 1943.56 1966 dann ermöglichte eine abermali­ ge Neufassung des Aktienrechts57 zunächst insofern eine nicht unerhebliche Flexibilisierung, als nunmehr die grundsätzliche Wahl zwischen zwei Organi­ sationsmodellen gestattet war: dem klassischen Typ, in dem der Verwaltungsrat (conseil d’administration) und der von diesem gewählte Präsident (président) die Geschäfte leiten,58 und einem Alternativmodell nach dem zwischenzeitlich etablierten Vorbild der deutschen Aktiengesellschaft mit Vorstand (directoire) und Aufsichtsrat (conseil de surveillance). Die praktische Bedeutung dieses or­ ganisationsrechtlichen Wahlmodells blieb indes gering; die dualistische Orga­ nisationsverfassung hat sich in der Praxis kaum durchgesetzt.59 In der umfassenden Reform von 1966 wurde sodann auch das Organisations­ verfassungsrecht der SA grundlegend umgestaltet. Anstelle der früheren Rege­ lung, wonach ein oder mehrere mandataires zum Geschäftsleiter zu bestellen waren, übernahm das Gesetz die bereits seit 1940 verbindlich vorgeschriebene Einrichtung eines Verwaltungsrats als Kollektivorgan (Art. 89 al. 1 loi no. 66537). Im Verhältnis zum président (Art. 113 al. 1 loi 66-537; zuvor „présidentdirecteur-général“60), der einerseits dem Verwaltungsrat vorsteht, andererseits praktisch die Geschäftsführungsfunktionen auf sich vereinigt, entwickelte sich der Verwaltungsrat auf dieser Grundlage in der Praxis in erster Linie zu einem Kontrollorgan. 61 Mit der Änderung der Organisationsverfassung ging auch ein verändertes Funktionsverständnis einher: Handelte es sich bei den mandataires nach dem Gesetz von 1867 noch um Amtsträger, deren Aufgaben und Kompe­ tenzen maßgeblich durch Gesellschafter im Sinne einer Art Beleihung bestimmt wurden, so wurde der Verwaltungsrat neuen Rechts ein Organ mit originären Kompetenzen. 62 Diese werden nach wie vor in großem Detail durch das Gesetz

lichen Schwerpunkten dieser Reform – u. a. Stärkung des président du conseil d’administration; Abgrenzung der Kompetenzen zwischen président und directeur-général – näher Pic/Kréher, Sociétés Commerciales, Bd. 2, S. 461  ff. 56   Loi du 3. 3. 1943 (nochmalige Stärkung der Funktion des président du conseil d’ad­ ministration, dem nunmehr ein directeur-général untergeordnet werden kann); dem Gesetz ist besonders in der zeitgenössischen Kritik erhebliche Annäherung an das deutsche „Führer­ prinzip“ vorgeworfen worden; vgl. Pic/Kréher, Sociétés Commerciales, Bd. 2, S. 464  ff. und S. 502  ff. 57   Loi no. 66-537 du 24. 7. 1966. 58   Siehe heute Artt. L. 225-17  ff., L. 225-47  ff. nC.com.; näher Merle, Sociétés commer­ ciales, Rn. 372  ff. 59   Siehe heute Artt. L. 225-57  ff., 225-68  ff. nC.com.; näher Merle, Sociétés commerciales, Rn. 438  ff. m. w. N. 60   Die ursprüngliche Terminologie wurde 1966 aufgegeben; in der Praxis bleibt sie gleich­ wohl – angesichts der nach wie vor starken Stellung des président im Organgefüge kaum ver­ wunderlich – üblich, vgl. Merle, Sociétés commerciales, Rn. 395, 421. 61   Merle, Sociétés commerciales, Rn. 372 und 402  ff., 417. 62   Vgl. zuvor bereits Cass. 4. 6. 1946 (Arrêt Motte); dazu näher Merle, Sociétés commercia­ les, Rn. 395.

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selbst zwingend vorgegeben. Über die bloße Kontrollaufgabe63 hinaus fallen in seinen Aufgabenkreis aber beispielsweise auch Auswahl und Festlegung der Be­ züge des président, 64 die Auswahl sog. administrateurs als Geschäftsleiter, 65 da­ neben die Einberufung und Festlegung der Tagesordnung der Generalver­ sammlung. 66 Auch deren Rechte und Pflichten wurden neu gefaßt;67 ebenso jene der außerordentlichen Generalversammlung (assemblée générale extraordi­ naire), die über Satzungsänderungen entscheidet. 68 Der Minderheitenschutz wurde nicht zuletzt mit der Regelung des Art. 226 loi no. 66-537 (Art. L. 225231 nC.com.) aufgewertet, der nunmehr einer Minderheit von mindestens fünf Prozent des Grundkapitals das Recht einräumt, mit einem gerichtlich zu bestel­ lenden Sachverständigen (expert de gestion) Maßnahmen der Geschäftsleitung untersuchen zu lassen. 69 Seit 1984 kennt das französische Recht die Möglichkeit der gemeinschaftlichen Interessenvertretung von Aktionären in Aktionärsver­ einigungen (associations d’actionnaires).70 In jüngerer Zeit sind diese Vorgaben nochmals restriktiver gefaßt worden, wobei sich auch die Kompetenzverteilung verändert hat. Insbesondere wurde die Machtfülle des président beschnitten; nunmehr kann der Verwaltungsrat zwischen einer starken Stellung des Vorsitzenden (entsprechend dem überkom­ menen Modell des président-directeur-général) und einer Trennung zwischen Verwaltungsratsvorsitz und Geschäftsleiter wählen.71 Im letzteren Fall nimmt bzw. nehmen ein oder mehrere directeur(s) général/-aux die Geschäftsleitungs­ befugnis wahr; der président bleibt auf wenige Leitungsaufgaben als Vorstand des Verwaltungsrats beschränkt.72 Zudem kann der Verwaltungsrat zusätzliche, ebenfalls im Außenverhältnis voll vertretungsberechtigte directeurs généraux délégués mit frei bestimmbaren Kompetenzen bestellen, die den directeur géné­ ral in seinen Aufgaben unterstützen. Schließlich wird die Zahl der Verwaltungs­ räte (mindestens drei) auf höchstens 18 beschränkt.73 Auch die Verfahrensregeln   Art. 98 loi no. 66-537, vgl. heute Art. L. 225-35 al. 3 nC.com.   Art. 110 loi no. 66-537, entsprechend Art. L. 225-47 nC.com. 65   Art. 112 loi no. 66-537; Art. L. 225-50 nC.com. 66   Art. 158 loi no. 66-537; Art. L. 225-103 nC.com. 67   Artt. 155  ff. loi no. 66-537; Artt. L. 225-96  ff. nC.com. 68   Artt. 153  f. loi no. 66-537; Artt. L. 225-96 und L. 225-97 nC.com. 69   Zu Einzelheiten stellvertretend Merle, Sociétés commerciales, Rn. 522  ff. 70   Heute Art. L. 225-120 nC.com.; dazu Merle, Sociétés commerciales, Rn. 293-1. 71   Art. L. 225-51-1 nC.com.; Änderung durch die sog. „loi NRE“: loi du 15. 5. 2001 sur les nouvelles régulations économiques, J.O. no 113 du 16. 5. 2001, p. 7776; dazu Merle, Sociétés commerciales, Rn. 417. Rechtstechnisch ist dies in der Weise konstruiert, daß im Falle der Entscheidung für einen starken président dieser zugleich die Aufgaben eines directeur général auf sich vereint, mithin beide Ämter in Personalunion ausübt, vgl. Art. L. 225-51-1 al. 3 nC. com. 72   Artt. L. 225-51 al. 1, L. 225-53  ff. nC.com. Zu Einzelheiten stellvertretend Merle, Socié­ tés commerciales, Rn. 423  f. 73   Art. L. 225-17 al. 1 nC.com. Die Änderung geht ebenfalls auf die loi NRE zurück; dazu Merle, Sociétés commerciales, Rn. 373. 63

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2. Kapitel:  Restriktion

für die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte wurden zunehmend ausgebaut;74 hinzu traten erweiterte Informationsrechte der Aktionäre.75 Die für eine Sat­ zungsänderung erforderlichen Mindestquoren in der außerordentlichen Gene­ ralversammlung sind abgesenkt worden.76 b)  SARL Auch wenn die SARL – ähnlich dem deutschen Vorbild – als weniger dicht re­ gulierte Rechtsform für personalistisch geprägte Kapitalgesellschaften geschaf­ fen wurde,77 sind die Grundzüge ihrer Organisationsverfassung von vornherein mit zwingenden Normen geregelt worden, die nicht lediglich konstitutiven Zwecken dienten. Besonders ins Auge fallen im Vergleich zum deutschen Vor­ bild die in der ursprünglichen Gesetzesfassung vorgesehenen Sondervorschrif­ ten für größere Gesellschaften mit einem Gesellschafterkreis von mehr als 20 Personen, die zur jährlichen Abhaltung einer Gesellschafterversammlung ver­ pflichtet waren (Art. 29) und zudem zwingend einen Aufsichtsrat einzurichten hatten (Art. 32). Mit der Reform des Gesellschaftsrechts von 196678 verbanden sich teils Flexibilisierungen, teils auch Verschärfungen des ursprünglichen Rechtsrahmens. So wurde die Pflicht zur Einrichtung eines Aufsichtsrats auf­ gegeben und durch die grundsätzlich fakultative, für größere Gesellschaften jedoch verpflichtende Bestellung eines unabhängigen Abschlußprüfers (com­ missaire aux comptes) ersetzt.79 Ausgebaut wurde zudem, zuletzt durch eine Ordonnance aus dem Jahre 2004, 80 die ursprünglich auf Ausnahmefälle be­ schränkte Befugnis der Gesellschafter zur außerordentlichen Abberufung der Geschäftsleiter. 81 Vor allem wurden die in den Bestimmungen über die Ge­ schäftsleiter (Artt. L. 223-18  ff. nC.com.) sowie über die Gesellschafterver­ sammlung (Artt. L. 223-27  ff. nC.com.) enthaltenen organisationsrechtlichen Vorgaben konkretisiert und schärfer voneinander abgegrenzt. Daneben galten nunmehr – gegenständlich beschränkte – zwingende Vorgaben für Verfah­ 74   Vgl. z. B. Artt. L. 225-106 C.com. (Vertretung von Aktionären in der Generalversamm­ lung), L. 225-107 (Teilnahme an der Hauptversammlung mittels Telekommunikation; Ab­ stimmung von Abwesenden) nC.com. 75   Vgl. Art. L. 225-120 nC.com. (Fragerecht einer Minderheit von 5 Prozent); siehe auch die Einsichtsrechte nach Artt. L. 225-115  ff. nC.com. sowie die Informationspflichten des conseil d’administration bzw. des directoire gegenüber der Generalversammlung nach Artt. L. 225-100  ff. nC.com. 76   Vgl. nunmehr Art. L. 225-107 II nC.com. (bei erstmaliger Einberufung mindestens ein Viertel der an der Abstimmung Beteiligten; bei zweiter Einberufung mindestens ein Fünftel der stimmtragenden Aktien); dazu näher Merle, Sociétés commerciales, Rn. 491. 77   Siehe dazu bereits oben, 1. Kap., sub A. I. 2. (S. 413) bei und in Fn. 38. 78   Loi no. 66-537; siehe dazu bereits oben sub a) (S. 480). 79   Vgl. heute Art. L. 223-35 nC.com.; dazu Merle, Sociétés commerciales, Rn. 203  ff. 80   Ord. no. 2004-274 du 25. 3. 2004, Art. 17. 81   Siehe im einzelnen Art. L. 223-25 nC.com.

A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive

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rensabläufe und Entscheidungsprozesse für die Organe und ihr Zusammenwir­ ken. 82

3.  England Zwingende gesetzliche Vorgaben für die Binnenorganisation der Gesellschaften blieben dem englischen Recht, wie angedeutet, bis in die Gegenwart weitgehend fremd. Auch die Companies Acts des 20. Jahrhunderts83 bewahrten die Gestal­ tungsfreiheit sowohl in inhaltlicher als auch in formal-rechtstechnischer Hin­ sicht. Wesentliche Fragen der Organisationsverfassung blieben der Entschei­ dung der Gesellschafter vorbehalten, die das im jeweils geltenden Anhang („Ta­ ble A“) vorgeschlagene dispositive Muster übernehmen konnten, aber nicht mußten. Mit dem Companies Act 1949 allerdings erhielt die Gesellschafterge­ samtheit ein zwingend angeordnetes Recht zur jederzeitigen Abberufung der directors kraft Mehrheitsentscheidung und damit ein wichtiges Korrektiv ge­ genüber dem board, das sich bis heute erhalten hat. 84 Weitgehend dispositiver Natur blieben dagegen die Vorgaben an die Einberufung der Gesellschafterver­ sammlung und das darin zu beachtende Verfahren;85 zwingend vorgegeben wurde nur das Recht der Gesellschafter, Einsicht in die Bücher der Gesellschaft und durch Mehrheitsbeschluß eine Überprüfung durch externe Sachverständi­ ge zu verlangen. 86 Nach wie vor bestanden zudem weitreichende öffentlichrechtliche Untersuchungsbefugnisse, zunächst weiterhin zugunsten des Board of Trade. 87 Im wesentlichen gilt Entsprechendes für das Recht der erstmals mit dem Companies Act 190788 anerkannten und dann im konsolidierten Gesetz von 1908 zusammen mit der public company geregelten private company als Rechtsform für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen, die im Grundsatz gleichen Strukturprinzipien folgt wie erstere, aber noch weniger durch zwin­ gendes Recht eingeschränkt wird.

82   Vgl. insbes. Artt. L. 223-26 (Berichtspflicht der Geschäftsleitung gegenüber den Gesell­ schaftern); L. 223-27 (detaillierte Regelung der Einberufung der Gesellschafterversamm­ lung); L. 223-30 (Mindestquoren für Grundsatzentscheidungen) nC.com. 83   Vgl. im einzelnen insbesondere CA 1908 (8 Edw. 7, c. 69), CA 1929 (19 & 20 Geo. 5, c. 23), CA 1949 (11 & 12 Geo. 6, c. 38) und CA 1985 (c. 6). 84   Siehe CA 1949, sec. 184; nachfolgend CA 1985, sec. 303; modifiziert nunmehr auch CA 2006, secs. 168  f. (förmliches Abberufungsverfahren mit erforderlicher Anhörung des Betref­ fenden) und dazu Gower/Davies, Principles, Rn. 14–18  ff.; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 516  ff. 85   Vgl. CA 1908, secs. 67  ff.; CA 1929, secs. 112  ff.; CA 1949, secs. 130  ff. 86   Vgl. CA 1908, sec. 110; CA 1929, sec. 137; CA 1949, secs. 164  ff.; nachfolgend auch CA 1985, secs. 431  ff. 87   Vgl. CA 1908, sec. 109; CA 1929, sec. 148. 88  7 Edw. 7, c. 50; vgl. näher Formoy, Historical Foundations, S. 146  f.

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2. Kapitel:  Restriktion

Die Reformen bis 2006 entwickelten auch in organisationsrechtlicher Hin­ sicht vor allem die Differenzierung zwischen private und public companies wei­ ter. Wesentliche Neuerungen im zwingenden Organisationsrecht insoweit be­ trafen vor allem die Bestimmungen über die kollektive Willensbildung der Ge­ sellschafter im general meeting, bei denen für die private company dagegen er­ hebliche Flexibilisierungen zugelassen wurden. 89 Für public companies wurde die Rolle des secretary aufgewertet, der in jeder Kapitalgesellschaft zu bestel­ len90 und einerseits für die ordnungsgemäße Buchführung und Einhaltung der handelsrechtlichen Publizitätspflichten verantwortlich,91 andererseits beratend in die Entscheidungsvorgänge eingebunden ist.92 Seit dem Companies Act 1985 müssen secretaries in public companies für ihre Aufgaben besonders qualifi­ ziert sein.93 Neu gefaßt wurden die minderheitenschützenden Verfahrensbe­ stimmungen für Änderungen der articles of association.94 Erheblich konkreti­ siert und ausgeweitet wurden zudem die öffentlich-rechtlichen Instrumente der Normdurchsetzung mit den Aufsichts-, Prüfungs- und Eingriffskompetenzen des Secretary of State als Nachfolger des Board of Trade, die heute durch das Department of Business Enterprise and Regulatory Reform ausgeübt werden.95 Im Mittelpunkt der Aufsichtstätigkeit steht zwar nicht die Einhaltung der – wie gezeigt, ohnedies nur begrenzten – organisationsrechtlichen Vorgaben des zwingenden Gesetzesrechts.96 Faktisch tritt der Secretary of State aber wie ein externes Kontrollorgan neben die eigentlichen Gesellschaftsorgane (sharehol­ der im general meeting; board of directors). Seit 1992, dem Erscheinungsjahr des sog. Cadbury Code als erstem Corpora­ te-Governance-Regelwerk außerhalb des mit dem Companies Act gezogenen Rechtsrahmens,97 ergänzen schließlich Elemente privater Regelsetzung das 89   Vgl. vor allem CA 1985 (i.d.F. des CA 1989), sec. 379A (Möglichkeit, durch entsprechen­ den Gesellschafterbeschluß auf das Erfordernis eines jährlichen general meeting zu verzich­ ten) sowie secs. 381A  ff. (Möglichkeit der schriftlichen Beschlußfassung ohne general mee­ ting). 90   Vgl. CA 1985, sec. 283. 91   Vgl. UK Corporate Governance Code (2010), sec. B. 5 (supporting principles) und (zur Vorläuferregelung) etwa Leyens, Information, S. 95  ff. m. w. N. 92   Vgl. insgesamt Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 635  f. 93   CA 1985, sec. 286. 94   Vgl. CA 1985, secs. 125–127. 95   Vgl. CA 1985, secs. 431  ff. (inhaltlich parallel mit den bereits erwähnten Befugnissen der Gesellschafter selbst zur Durchführung besonderer Prüfungen). Dieser Teil des CA 1985 ist (mit Modifikationen gegenüber der ursprünglichen Fassung) nach wie vor in Kraft, vgl. Gower/Davies, Principles, Rn. 18-1. 96   Vielmehr bezieht sich die Prüfungstätigkeit regelmäßig auf Verstöße gegen Organpflich­ ten im Zusammenhang mit der Finanzverfassung und insbesondere auf die Verletzung dritt­ schützender Verhaltenspflichten, vgl. dazu Gower/Davies, Principles, Rn. 18-1; Mayson/ French/Ryan, Company Law, S. 712  ff. 97   Siehe dazu bereits oben, 2. Teil, 1. Abschn., 2. Kap., sub A. I. 1. c) (S. 259) bei und in Fn. 19.

A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive

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zwingende Gesetzesrecht. Der ausschließlich auf kapitalmarktorientierte Un­ ternehmen zugeschnittene Cadbury Code ist seit 1998 zusammen mit weiteren zwischenzeitlich veröffentlichten Standards und Empfehlungen im sog. Com­ bined Code (heute UK Corporate Governance Code) aufgegangen, der heute durch eine beim Financial Reporting Council eingerichtete Kommission be­ treut und weiterentwickelt wird. Nach den Listing Rules für die London Stock Exchange ist in diesem Zusammenhang eine jährliche Entsprechenserklärung abzugeben; die Nichteinhaltung (auch) der organisationsrechtlichen Standards des Code ist damit begründungspflichtig.98 Die Zahl der Abweichungen ist in der Praxis gering, die faktische Wirkungsmacht des Code mithin als groß zu bewerten,99 so daß quasi-gesetzliche Bindung der mit dem Code formulierten Empfehlungen bei gleichzeitiger erhöhter Anpassungsfähigkeit und Flexibilität erreicht wird. Die Empfehlungen des Code gelten auch und gerade für organi­ satorischen Fragen, so beispielsweise100 die Häufigkeit von und Verfahrensre­ geln für Sitzungen des board of directors und seiner committees (Teil A.1.1), die Kompetenzverteilung zwischen chairman und chief executive (Teil A.2.1), die Zusammensetzung des board unter besonderer Berücksichtigung der Vertei­ lung von executive und (independent) non-executive directors (Teile A.3 und A.4), Verfahrensregelungen für die Wahl und Wiederwahl zum board of direc­ tors (Teil A.4), Regelungen über die Information des board (Teil B.5) sowie über die Selbstevaluation des board (Teil B.6). Die mit dem Companies Act 2006 (c. 46) abgeschlossene umfassende Reform des gesamten englischen Gesellschaftsrechts,101 die erst 2008 in Kraft getreten ist, hat zwar nahezu das gesamte bisherige Recht abgelöst, dabei die bislang etablierten organisationsrechtlichen Grundstrukturen aber weitestgehend un­ angetastet gelassen und allenfalls weitere Erleichterungen vorgenommen.102 An   Vgl. FSA Handbook of Rules and Guidance, Listing Rules, paras. 9.8.6 (5)–(7).   Hornberg, Beaufsichtigung der Geschäftsführung, S. 383  ff.; Leyens, Information, S. 58, 69  ff., jeweils m. w. N. 100   Die nachfolgend aufgeführten Beispiele wurden in der bislang maßgeblichen Fassung des Code ergänzt um Empfehlungen für die Handhabung der Regelungen („guidance“) u. a. zu Organpflichten und hier insbesondere den Aufgaben der verschiedenen committees des board of directors sowie zu internen Kontrollmechanismen. Siehe zu den Regelungen im ein­ zelnen etwa Hornberg, Beaufsichtigung der Geschäftsführung, passim (jeweils im Vergleich mit den Empfehlungen des DCGK); Leyens, Information, S. 68  ff. (speziell zur Überwachung der Geschäftsleitung durch das board). 101   Dazu allgemein etwa Ferran, 5 Sing. J. Int’l and Comp. L. 516  ff., 527  ff. (2001); dies., RabelsZ 69 (2005), 629  ff., insbes. 632  ff.; Gower/Davies, Principles, Rn. 1-10, 3-1  ff. und pas­ sim; zusf. Jänig, RIW 2006, 270  ff.; A. Meyer, RIW 2007, 645  ff. 102   Siehe etwa die im Vergleich zum früheren Recht eher konkretisierenden denn mit we­ sentlichen Änderungen verbundenen Vorschriften der secs. 21  ff. (alteration of articles); 29  ff. (Entscheidungskompetenzen und -verfahren bei sonstigen Änderungen der Unternehmens­ verfassung); 97  ff. (Entscheidungskompetenzen und -verfahren bei Umwandlungsvorgängen); 154  ff. (directors); 281  ff. und 301  ff. (allgemeine Anforderungen an die Willensbildung der Ge­ sellschafter – mit deutlich stärkerer Ausdehnung des Prinzips einfacher Mehrheitsbeschlüs­ 98

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2. Kapitel:  Restriktion

die Stelle des früheren „Table A“ als dispositive Auflistung möglicher Regelun­ gen für die articles of association sind nunmehr Mustersatzungen (Model Arti­ cles of Association) getreten, die der Secretary of State erläßt (vgl. sec. 19 CA 2006). Der dispositive Charakter der Regelung, die vorbehaltlich abweichender vertraglicher Regelungen greift, ist erhalten geblieben. Für private companies bringt das neue Recht weitere Erleichterungen in organisatorischer Hinsicht mit sich: So entfällt für private companies das Erfordernis zur Bestellung eines secretary;103 die bisherige Möglichkeit zum Verzicht auf das jährliche general meeting wird zur Regel (default rule) ausgebaut.104 Part XIV des CA 2006 über die inspection aufgrund Gesellschafterentscheidung und vor allem auf Initiative des Secretary of State bleibt in Kraft. Erstmals gesetzlich geregelt sind die Vor­ aussetzungen der shareholder derivative suits (secs. 260  ff. CA 2006), womit die bislang einschlägigen common law-Prinzipien abgelöst werden.105 Damit legt das neue Recht die Funktionsvoraussetzungen eines wesentlichen Durchset­ zungsmechanismus vor allem für die noch zu erörternden Verhaltenspflichten des board of directors selbst fest. Kennzeichnend für das neue Verfahren ist insoweit nach wie vor das Erfordernis einer gerichtlichen Klagezulassung (secs. 261  ff. CA 2006); diese hängt neben einer Prüfung der Erfolgsaussichten auch von einer Einschätzung des Richters ab, ob die Klage insgesamt im Interesse der Gesellschaft ist.106

4.  USA In den US-amerikanischen Gesellschaftsrechten blieb die bereits erörterte Be­ schränkung auf wenige Normen mit weitestgehend konstitutiven Zwecken bis in die Gegenwart auch für die Binnenorganisation der corporation kennzeich­ nend. Ohne daß dies im hier gesetzten Rahmen im Detail nachgezeichnet wer­ den könnte, ist damit auch das Recht der Organisationsverfassung ganz von der allgemeinen Tendenz zum Rückbau gesetzlicher Regulierung unter dem Druck

se); 336  ff. (qualifizierte Anforderungen an das annual general meeting in public companies); 341  ff. (dito für börsennotierte companies). Detaillierter Vergleich zwischen dem bisherigen und dem neuen Recht in den Explanatory Notes zum neuen Companies Act, passim. 103   Siehe sec. 270 CA 2006; allgemein zum secretary nach neuem Recht secs. 271  ff. 104   Vgl. im einzelnen secs. 288  ff. CA 2006; die schriftliche Abstimmung ist danach der Regelfall. 105   Zu diesen monographisch Reisberg, Derivative Actions, insbes. S. 88  ff.; siehe auch ebd., S. 126  ff. zur Reform. 106   Vgl. im einzelnen sec. 263 CA 2006 (England); für Schottland sec. 268 (jeweils als Aus­ schlußtatbestand formuliert).

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des Wettbewerbs um die attraktivsten Inkorporierungsbedingungen geprägt.107 In scharfem Kontrast dazu stehen die Restriktionen auch für die Binnenorgani­ sation, die sich heute aus dem Bundes-Kapitalmarktrecht, insbesondere in Ge­ stalt des Securities Act von 1933 und des Securities Exchange Act von 1934, in ihrer jeweils geltenden Fassung ergeben. Zwar konnten sich Forderungen nach einer einheitlichen Bundesgesetzgebung für das (Kapital-)Gesellschaftsrecht bis heute nicht durchsetzen, die seit den 1930er Jahren wiederholt als Reaktion auf die tatsächlichen oder vermeintlichen negativen Konsequenzen des Wettbe­ werbs um das unternehmensfreundlichste Gesellschaftsrecht formuliert wor­ den sind. Insbesondere scheiterte der im Vorfeld der Kapitalmarktrechtsrefor­ men der 1930er Jahre verfolgte Plan einer einheitlichen Bundesgesetzgebung für große, kapitalmarktorientierte corporations.108 Im Securities Act von 1933 und dem Securities Exchange Act von 1934 lag der Schwerpunkt zwar zunächst nicht auf Aspekten der Organisationsverfas­ sung, sondern vielmehr auf spezifisch kapitalmarktrechtlichen Publizitäts­ pflichten; seit längerem greift die Kapitalmarktgesetzgebung aber auch auf die Organisationsverfassung aus. Daneben nimmt die SEC informell, aber sehr wirkungsmächtig Einfluß auf die Gestaltung der Börsenzulassungsvorausset­ zungen am Finanzplatz New York, die ebenfalls Aspekte der Unternehmens­ organisation unmittelbar betreffen oder darauf ausstrahlen. So bietet insbeson­ dere die Verpflichtung zur Ernennung von independent directors in den boards der börsennotierten corporations heute ein zentrales Beispiel für in Börsenzu­ lassungsregeln statuiertes Organisationsverfassungsrecht und damit für eine Überlagerung der einzelstaatlichen Gesetze durch bundesrechtlich geprägtes Kapitalmarktrecht.109 Die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen des Wettbewerbs der Bundesstaaten um den Status als attraktivster Standort für Inkorporationsakte werden damit, wie überzeugend herausgearbeitet worden ist,110 (zumindest) für kapitalmarktorientierte Gesellschaften überlagert und kompensiert, und zwar – hier von besonderem Interesse – mit den Instrumen­ ten zwingender Regulierung. Die an sich in die Regelungskompetenz der Bun­ desstaaten fallende Organisationsverfassung der Kapitalgesellschaften wird heute vor allem in drei Aspekten durch das bundesgesetzliche Kapitalmarkt­ recht geprägt. Bereits mit dem Securities Exchange Act 1934 sind zentrale As­ pekte der innergesellschaftlichen Entscheidungsfindung und damit Grundla­ gen der Organisationsverfassung zwingender bundesgesetzlicher Regulierung   Siehe bereits oben, 1. Kap., sub A. II. 2. b) (S. 423) bei und in Fn. 96, sowie allgemein schon oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. I. 5. (S. 74  f.) bei und in Fn. 85. 108   Vgl. stellvertretend Roe, 117 Harv. L. Rev. 588, 610  f. (2003) bei und in Fn. 70  f. 109   Zum Ganzen aufschlußreich etwa Thompson, 82 Notre Dame L. Rev. 1143 (2007), im einzelnen S. 1151  ff. (allgemeine Bedeutung der Listing Rules), 1163  f. (Grundsatz der Gleich­ wertigkeit aller Stimmrechte), 1164  ff. (audit committees), 1167  f. (independent directors). 110   Roe, 117 Harv. L. Rev. 588, 596  ff. (2003). 107

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2. Kapitel:  Restriktion

unterworfen worden.111 Von besonderer Bedeutung im hier untersuchten Zu­ sammenhang sind die mit dem Sarbanes-Oxley Act von 2002 in Reaktion auf die jüngsten Bilanzskandale (Enron, WorldCom) nochmals verschärften An­ forderungen an die Corporate Governance in kapitalmarktorientierten Gesell­ schaften.112 Insgesamt relativiert sich nicht zuletzt nach dieser jüngsten Reform das Bild vollständiger Deregulierung der Organisationsverfassung für das Segment der kapitalmarktorientierten Gesellschaften erheblich, das die Zusammenschau der Rechtsentwicklung in den einzelnen Bundesstaaten vermittelt. Zwingendes bundesgesetzliches Kapitalmarktrecht prägt die Rechtswirklichkeit zwar nur punktuell, aber in bedeutsamen Aspekten. Nur für nicht kapitalmarktorientier­ te Gesellschaften (close corporation, Limited Liability Partnership) kann weit­ gehende Gestaltungsfreiheit konstatiert werden.

5.  Fazit Die konzeptionellen Unterschiede zwischen den beiden kontinentaleuropä­ ischen Rechten einerseits und den anglo-amerikanischen Rechten andererseits fallen nach alledem für das Recht der Binnenorganisation deutlich aus: Be­ schränkt sich das Gesetzesrecht in der zweiten Gruppe von Rechtsordnungen nach wie vor (weitestgehend) auf die Bereitstellung konstitutiver Normen, so ist in Kontinentaleuropa die Binnenorganisation bereits im 19. Jahrhundert einer umfassenden Regulierung im Interesse materialer Schutzzwecke – insbesonde­ re des Anleger- und Gläubigerschutzes – unterworfen worden. Für das franzö­ sische ebenso wie das deutsche Recht ist der Versuch kennzeichnend, die Ge­ sellschaften mit umfassenden zwingenden Vorgaben in der Regelform zu einer Binnenorganisation zu zwingen, die auch zugunsten verbandsexterner Dritter eine ordnungsgemäße Führung der Geschäfte sicherstellen sollte. Während der dispositive Rechtsrahmen für die Binnenorganisation in den anglo-amerikani­ schen Rechten die Selbstorganisation der Gesellschafter erleichtern soll, soll sie im deutschen ebenso wie im französischen Recht nicht nur erzwungen, sondern damit zugleich für materiale Schutzinteressen dienstbar gemacht werden.

111   Vgl. im einzelnen sec. 14 Securities Exchange Act 1934 (Einzelfragen der Abstimmung durch Stimmrechtsvertretung) und dazu SEC-Regulation 14A; siehe auch Roe, 117 Harv. L. Rev. 588, 611  ff. (2003). 112   Vgl. insbes. §§ 101  ff. (Überwachung durch das Public Companies Oversight Board als neue Instanz der Normdurchsetzung); 301 (Einrichtung von audit committees); 406 (Code of Ethics for Senior Financial Officers); 801  ff. (verschärfte Haftungstatbestände) SarbanesOxley Act; hierzu stellvertretend im Überblick Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2006, Rn. 41  ff.

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Die Entwicklung der Mitwirkungs- und Kontrollrechte zu ihrer Doppelrolle als Verwaltungsrechte und als Instrumente der Normdurchsetzung113 ist damit zwar noch nicht abgeschlossen, aber immerhin angestoßen: Einstweilen bleibt das objektive Pflichtenprogramm noch zu undifferenziert, als daß behauptet werden könnte, die organisationsverfassungsrechtlichen Bestimmungen zu Mitwirkungs- und Kontrollrechten könnten tatsächlich die Durchsetzung konkreter Vorgaben des objektiven Rechts erzwingen oder jedenfalls befördern. Diese Bedeutung als mittelbare Normdurchsetzungsmechanismen erhalten die damit angesprochenen Rechte und Kompetenzen erst später, nämlich mit der zunehmenden Ausdifferenzierung des Pflichtenprogramms insbesondere für die Geschäftsleiter im 20. Jahrhundert.114 Der konzeptionelle Grundgedanke indes, die Effektuierung interner Mitwirkungs- und Überwachungsmechanis­ men auch im Drittinteresse, ist bereits in den kontinentaleuropäischen Refor­ men des 19. Jahrhunderts eindeutig angelegt. Die deutsche Aktienrechtsnovelle von 1884 ist ein besonders deutliches Beispiel dafür. Schon die zumindest zu Beginn dieser Entwicklung beobachteten Effektivitätsprobleme illustrieren al­ lerdings auch ein Grundproblem dieses Ansatzes, auf das zurückzukommen sein wird: Soll die externe Durchsetzung objektiv-rechtlicher Pflichten durch Instrumente der internen Kontrolle substituiert werden, so kann dies, wie be­ reits angeklungen,115 nur dann erfolgreich sein, wenn die wirtschaftlichen An­ reize der verantwortlichen Akteure (hier: der Gesellschafter) und ihre Hand­ lungsmöglichkeiten mit den objektiven Schutzinteressen zumindest zu einem erheblichen Teil deckungsgleich sind. Die Erwartungen, die im 19. Jahrhundert in die Stärkung der Selbstkontrollmechanismen durch zwingende Vorgaben ge­ setzt wurden, haben sich jedenfalls anfangs erkennbar nur bedingt erfüllt. Das Potential dieser Mechanismen als Instrumente des Drittschutzes ist seinerzeit überschätzt worden. Unabhängig von diesen Überlegungen illustriert die Entwicklung der gesetz­ lichen Regulierung der Organisationsverfassung zugleich das Ausmaß, in dem es in diesem Bereich zu Kontinuitätsbrüchen gekommen ist. Exemplarisch da­ für stehen insbesondere die verpflichtende Einführung der dualistischen Unter­ nehmensverfassung mit der deutschen Aktienrechtsnovelle von 1884, aber auch die Veränderungen in der Verfassung der französischen SA mit dem Gesell­ schaftsrecht von 1966. Insgesamt präsentiert sich das Organisationsverfassungs­ recht damit in beiden Rechtsordnungen als weitgehend von positiv-präskripti­ ven Vorgaben geprägte Materie. Damit bestätigt sich der oben116 angedeutete Befund, daß für das Organisationsverfassungsrecht nur bedingt von einer hi­ storischen Legitimation der heute in den beiden kontinentaleuropäischen Rech­   Siehe dazu bereits oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub D. III. 1. b) aa) (S. 215).   Siehe dazu noch unten sub III., insbes. sub III. 1. e) (S. 535  ff.) und 2. c) (S. 544  f.). 115   Siehe nochmals oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub D. IV. 1. b) (S. 236  ff.). 116   Oben, 1. Kap., sub B. III. (S. 466  f.). 113 114

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ten geltenden gesetzlichen Gestaltungsmuster gesprochen werden kann. Auf­ fällig ist aber immerhin, daß das französische Recht auch diesen Bereich zuneh­ mend durch Einräumung von Wahlmodellen aufzubrechen und zu flexibilisie­ ren beginnt.

II.  Finanzverfassung Im Vergleich mit der Organisationsverfassung der Kapitalgesellschaften gehen die finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen rechtsordnungsübergreifend und rechtsformübergreifend in Intensität und Dichte deutlich weiter. Die be­ reits für das Organisationsverfassungsrecht konstatierte Diskrepanz zwischen den regulatorischen Grundkonzepten der exemplarisch untersuchten kontinen­ taleuropäischen und der anglo-amerikanischen Rechte setzt sich allerdings auch bei der Finanzverfassung fort. In den beiden kontinentaleuropäischen Rechten wurde die Finanzverfassung der Kapitalgesellschaften – zumal im Interesse des Gläubiger-, aber auch des Anlegerschutzes – bereits im 19. Jahrhundert zuneh­ mend restriktiven Vorgaben unterworfen. Sowohl das deutsche als auch das französische Recht waren damit schon früh von institutionellen Schutzkonzep­ ten gekennzeichnet, in denen positiv-präskriptive Regelungen eine erhebliche Rolle spielten. Vor allem für das deutsche Recht ist dieser Ansatz bekanntlich nach wie vor prägend (unten 1.); im französischen Recht (unten 2.) ist er mit der Einführung alternativer Rechtsformen in jüngerer Zeit etwas aufgeweicht wor­ den. Beide Rechtsordnungen liefern damit zugleich Beispiele für Verfestigungs­ prozesse, in denen Gestaltungen zum Standard erhoben wurden, die nicht oder nur begrenzt von historischer Legitimation getragen waren, sondern oft auf eher willkürlichen Prognoseentscheidungen des Gesetzgebers beruhten. Dem­ gegenüber ist das englische Recht erst spät und unter dem Einfluß der kontinen­ taleuropäisch geprägten Zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie zu einem stärker zwingend ausgeprägten Regime übergegangen (unten 3.). Die US-ame­ rikanischen Gesellschaftsrechte schließlich sind nach einer Phase intensiverer Regulierung um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auch hinsichtlich der Finanzverfassung durchweg zum Prinzip weitgehender Gestaltungsfreiheit zu­ rückgekehrt, die in erster Linie durch dispositives Recht konturiert wird (un­ ten 4.).

1.  Deutschland Im deutschen Aktienrecht setzten bereits im 19. Jahrhundert Regulierungsmu­ ster ein, die während der Frühphase der Gemeinschaftsrechtsetzung im Kapi­ talgesellschaftsrecht – nicht zuletzt in Gestalt der Zweiten gesellschaftsrechtli­

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chen Richtlinie117 – große Prägungskraft für die Rechtslage im übrigen Europa entfalten sollten. Im Aktienrecht (unten a)) finden sich erste Ansätze zu einem gesetzlichen Kapitalschutz bereits im ADHGB; seit der Novelle von 1870 wur­ den zudem die für die Inanspruchnahme des organisierten Kapitalmarkts rele­ vanten finanzverfassungsrechtlichen Aspekte einer zunehmend dichten Regu­ lierung unterzogen. Im Recht der GmbH (unten b)) waren zwingende Vorgaben für die Finanzverfassung von Anfang an Kernbestandteil des Gläubigerschutz­ konzepts. a)  Aktienrecht Während das ADHGB die Festlegung des Grundkapitals noch dem Gesell­ schaftsvertrag (Art. 209 Ziff. 4 ADHGB) überließ, enthielt schon die Ausgangs­ fassung des Gesetzes strenge Vorgaben an die Gründerhaftung.118 Noch detail­ lierter fielen die damit eingeführten Kapitalschutzregeln aus. Ausdrücklich wurde festgelegt, daß lediglich der „reine Gewinn“ für Ausschüttungen zur Verfügung stand, „soweit dieser nach dem Gesellschaftsvertrage zur Verthei­ lung unter die Aktionaire bestimmt ist“ (Art. 216 Abs. 2 ADHGB), ebenso aber auch, daß ein gutgläubiger Aktionär „in keinem Falle (…) die in gutem Glauben empfangenen Zinsen und Dividenden zurückzugeben“ verpflichtet war (Art. 218 ADHGB). Art. 217 Abs. 1, 1. Hs. und Abs. 2 ADHGB schrieben weiterhin ein Zinsverbot vor, das nur während der Gründungsphase die Gewährung gewinn­ unabhängiger Zinsen gestattete. Auch wenn damit schon weitgehende Ein­ schnitte in die Gestaltungsfreiheit der Gründungsgesellschafter verbunden wa­ ren, blieben diese Regeln allerdings unverkennbar noch der traditionellen Praxis unter dem Konzessionssystem verhaftet, die finanzielle Stabilität des Geschäfts­ betriebs vor allem im Eigeninteresse der Gesellschaft selbst abzusichern.119 Mit der Aktienrechtsnovelle von 1870 änderte sich dies, wobei auch Erfah­ rungen aus der französischen Gesellschaftsrechtsreform aus dem Jahr 1867120 rezipiert wurden.121 Art. 207a ADHGB n.F. führte zunächst eine Mindeststüc­ kelung für Aktien oder Aktienanteile ein, womit sichergestellt werden sollte, daß die Beteiligung an Aktiengesellschaften nur Anlegern mit einer angemesse­ nen Finanzkraft und angemessenen Geschäftserfahrung offenstand.122 Dane­   Siehe bereits oben, 1. Kap., sub A. (S. 404) bei und in Fn. 6.   Vgl. im einzelnen Art. 222 ADHGB für die Emission von Inhaberaktien, Art. 223 ADHGB für Namensaktien; allerdings bestand nach Art. 222 Ziff. 2 ADHGB die Möglich­ keit, die Zeichner von Inhaberaktien nach Leistung von 40 Prozent des Einlagebeitrags von der weiteren Zahlung zu befreien, sog. Liberation. 119   Dazu bereits oben, 1. Kap., sub A. IV. 1. (S. 444  ff.). 120   Dazu sogleich sub 2. (S. 496  ff.). 121   Zur Gesetzgebungsgeschichte des ADHGB insoweit nochmals Lieder, in: Bayer/Ha­ bersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 318  ff. 122   Lieder, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 318, 340 m. w. N. 117 118

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ben baute die Reform die gesetzlichen Vorgaben an die Kapitalaufbringung aus: Art. 209a ADHGB n.F. verlangte nunmehr – wiederum in Anlehnung an das französische Vorbild – eine Art Gründungsprüfung durch eine Generalver­ sammlung, die „auf Grund der ihr vorzulegenden Bescheinigungen durch Be­ schluss festzustellen“ hatte, „dass das Grundkapital vollständig gezeichnet, und dass mindestens zehn Prozent (…) auf jede Aktie eingezahlt sind“. Art. 209b ADHGB n.F. schrieb vor, daß der Wert etwaiger Sacheinlagen und die dafür ausgegebenen Aktien im Gesellschaftsvertrag festzulegen und von einer quali­ fizierten Mehrheit der Gesellschafter zu genehmigen waren. Nach Art. 210a ADHGB n.F. waren der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister vom Vorstand unterzeichnete „Bescheinigungen“ über die vollständige Zeich­ nung des Grundkapitals sowie über die Einzahlung von mindestens 10 Prozent des Nominalbetrags jeder Aktie beizufügen. Art. 215 Abs. 3 ADHGB n.F. ver­ bot darüber hinaus den Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft und schränkte die Amortisation eigener Aktien ein. Die Beschränkungen für das Dividendenbezugsrecht wurden ergänzt um ein Verbot der Dividendenaus­ schüttung bei Verlusten; Dividenden durften gem. Art. 217 Abs. 2 Satz 2 ADHGB n.F. nicht ausgeschüttet werden, bis die durch Verluste ausgelöste Schmälerung der „vollen Einlage“ ausgeglichen war. Weder für den Gläubigernoch für den Anlegerschutz brachten diese Maßnahmen indes die erhofften Verbesserungen, zumal insbesondere das Liberationsrecht nach Leistung von 40 Prozent der geschuldeten Bareinlage (Art. 222 Ziff. 2 ADHGB) unverändert erhalten blieb. Finanziell unzureichend ausgestattete riskante Unternehmun­ gen ließen sich damit nicht vom Markt fernhalten, wie die nachfolgende Welle oft unseriöser Gründungen und der „Gründerkrach“ von 1873 zeigten.123 Auch vor diesem Hintergrund verwundert der mit der Aktienrechtsnovelle von 1884 vollzogene nochmalige Ausbau der finanzierungsbezogenen Regulie­ rung nicht, mit dem der Gesetzgeber nicht zuletzt auf diese Mißstände zu rea­ gieren suchte.124 Die damit in Kraft getretene Neufassung des ADHGB beließ es zunächst im Kern bei der Festlegung eines hohen Mindestnennbetrags als dem bereits etablierten Instrument zur Steuerung des Anlegerkreises (Art. 207a   Vgl. eingehend die zeitgenössische Analyse bei ROHG, Gutachten über die geeignet­ sten Mittel zur Abhülfe der nach den Erfahrungen des Reichs-Oberhandelsgerichts bei der Gründung, der Verwaltung und dem geschäftlichen Betriebe von Aktienunternehmungen hervorgetretenen Umstände, Abdruck bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 156  ff., dort insbes. S. 160  ff.; Allgemeine Begründung zur Aktienrechtsnovelle 1884, Abdruck ebd., S. 412  ff., 425; siehe nochmals auch Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 64  f.; Reich, Ius Commune II 1969, 239, 267  ff.; zusf. Großkomm/Assmann, Einl. Rn. 85  f. 124   Siehe nochmals bereits oben sub I. 1. a) (S. 473) bei und in Fn. 12. Zu den Hintergründen nochmals Hofer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, S. 388  ff.; Schubert, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 1  ff., insbes. S. 20  ff.; zu den Grundsätzen des Re­ formprojekts auch Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, ebd., S. 53  ff. 123

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ADHGB n.F.: 1.000 Mark), bei den Restriktionen für den Erwerb eigener Ak­ tien (Art. 215d ADHGB), bei der Beschränkung des Dividendenbezugsrechts auf den anteiligen „reinen Gewinn“ (Art. 216 ADHGB), beim Verbot der festen Verzinsung von Kapitalanteilen über die Aufbauphase hinaus (Art. 217 ADHGB) sowie bei der Verpflichtung zur Bildung eines gesetzlichen Reserve­ fonds (Art. 239b i.V.m. Art. 185b ADHGB n.F.). Im Mittelpunkt der Neurege­ lungen stand ein restriktives neues Gründungsrecht, das einen detaillierten Rahmen zwingender, mit selbständigen Straf- und Haftungssanktionen ver­ bundener Normen für Simultan-, Sukzessiv- und Sachgründungen schuf. Dabei galt das Augenmerk insbesondere der verschärften, wenn auch nach wie vor weitgehend verbandsinternen Prüfung der Werthaltigkeit der geleisteten Einla­ gen.125 Die Möglichkeit der Befreiung von der Leistungspflicht nach Leistung von 40 Prozent der Einlage wurde abgeschafft; ergänzend wurde mit dem Ver­ bot der Ausgabe von Aktienurkunden vor Volleinzahlung (Art. 215c Abs. 3 Satz 1 ADHGB n.F.) die Umlauffähigkeit nicht voll eingezahlter Anteile erschwert.126 Kapitalerhöhungen waren fortan nur zulässig, wenn das Grundkapital zuvor voll eingezahlt war (Art. 251a Abs. 1 ADHGB). Auch weiterhin ungeregelt blieb indes die Höhe des Grundkapitals, das nach wie vor zwingend im Gesellschafts­ vertrag festzusetzen war (Art. 209 Abs. 2 Ziff. 3 ADHGB n.F.). Prägend für die Konzeption der eigenkapitalbezogenen Vorschriften der Novelle war das Leit­ bild eines durch die Gesellschaftsgründer nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunk­ ten festzulegenden Betriebsmittelfonds, dessen Umfang selbst durch das Gesetz nicht vorgeschrieben wurde, dessen Aufbringung zum Zeitpunkt der Gesell­ schaftsgründung und bei Aufnahme der werbenden Tätigkeit aber durch ge­ setzliche Vorgaben sichergestellt werden sollte. 1923 änderte sich dies, als durch die sog. Goldbilanzverordnung127 ein Mindestnennbetrag des Grundkapitals (50.000,00 Goldmark) eingeführt wurde.128 Der Ausbau des einschlägigen Normenbestands war damit keineswegs been­ det. Schon vor der Aktienrechtsnovelle von 1937 ergänzte die Notverordnung des Reichspräsidenten vom 19. September 1931129 die finanzierungsbezogenen Vorgaben um weitere Restriktionen für den Erwerb eigener Aktien (und Inte­ rimsscheine, Art. I NotVO/§ 226 HGB) sowie für die Einziehung von Aktien

125   Artt. 209a  ff., insbes. Artt. 209d  ff. ADHGB n.F. Näher dazu Hommelhoff, in: Schu­ bert/Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 69  ff.; siehe auch Großkomm/Assmann, Einl. Rn. 94  ff. Nach Art. 209g ADHGB n.F. war zusätzlich zur Gründungsprüfung durch den Vorstand eine Prüfung durch „besondere Revisoren“ vorgeschrieben, wenn Gründungsgesellschafter zugleich Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieder waren. 126   Dazu näher Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 78  ff. 127   Vom 18. 12. 1923, RGBl. 1923 I, S. 1253. 128   Näher dazu Bayer, in: ders./Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, Kap. 17 Rn. 50; siehe auch Begr. RegE zu § 7 AktG 1965, Abdruck bei Kropff, Aktiengesetz, S. 22. 129   Dazu oben sub I. 1. a) (S. 475) bei und in Fn. 26.

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(Art. I NotVO/§ 227 HGB). Mit dem Aktiengesetz von 1937130 verband sich eine nochmalige, umfassende Reform auch der finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben des Aktienrechts. Neu eingeführt wurden insbesondere ein hoher Mindestnennbetrag des Grundkapitals,131 detaillierte Vorgaben für die Ausge­ staltung der einzelnen Aktienformen,132 ein reformiertes Gründungsrecht mit interner und externer Gründungsprüfung,133 verschärfte Kapitalschutzvor­ schriften134 sowie ein ausdifferenziertes Regime für Kapitalmaßnahmen.135 Das damit etablierte System umfassender Regulierung der Finanzverfassung mit der doppelten Zielsetzung des Anleger- und des Gläubigerschutzes136 blieb für die weitere Rechtsentwicklung – insbesondere für die Aktienrechtsreform von 1965,137 aber nachfolgend auch für das Regime der Zweiten gesellschaftsrechtli­ chen Richtlinie138 – prägend. Dies gilt für die mit der Richtlinie verbundene gemeinschaftsweite Durchsetzung des Grundsatzes des festen Kapitals der Ak­ tiengesellschaft (Art. 6 Abs. 1: Mindestkapital i.H.v. 25.000 Euro) einschließ­   Dazu oben sub I. 1. a) (S. 475) bei und in Fn. 28.   § 7 Abs. 1 AktG 1937: 500.000 Reichsmark; beachte noch den nach § 8 Abs. 1 AktG 1937 vorgeschriebenen hohen Mindestnennbetrag der Aktien: 1.000 Reichsmark! Vgl. dazu Schäfer/Jahntz, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, Kap. 5 Rn. 69; Bayer, ebd., Kap. 17 Rn. 60. 132   §§ 10  ff. AktG 1937. Beachte in diesem Zusammenhang das ausdrückliche Verbot der Mehrstimmrechtsaktie, § 12 Abs. 2 AktG 1937. 133   Siehe im einzelnen: §§ 19, 20 (Sondervorteile, Gründungsaufwand; Sacheinlagen und Sachübernahmen), § 24 (Gründungsbericht), §§ 25  ff. (Gründungsprüfung), §§ 30  ff. (Kapital­ aufbringung), §§ 45, 46 (Nachgründung) AktG 1937. 134   Siehe insbesondere §§ 53  ff. (Kapitalschutz), § 65 (Erwerb eigener Aktien), § 126 (Ge­ winnverteilung) sowie § 130 (gesetzliche Rücklage) AktG 1937. 135   Siehe §§ 149  ff. (Kapitalerhöhung), §§ 175  ff. (Kapitalherabsetzung) AktG 1937. 136   Auch im Hinblick auf die Finanzverfassung gilt der bereits oben sub I. 1. a) (S. 476) zur Organisationsverfassung formulierte Befund, daß der Einfluß der die Entstehungsgeschichte prägenden NS-Ideologie auf die Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben im einzelnen eher gering blieb. 137   Zur Kontinuität der Entwicklung insoweit etwa Bayer, in: ders./Habersack, Aktien­ recht im Wandel, Bd. 2, S. 708, 735 (Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung); Cahn, ebd., S. 763, 784  f. (Transaktionen in eigenen Aktien); Hirte, ebd., S. 827, 841  ff. (Kapitalmaßnah­ men). 138   Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. 12. 1976 zur Koordinierung der Schutz­ bestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften (…) im Interesse der Gesell­ schafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu ge­ stalten, ABlEG. Nr. L 26/1. Vgl. zur ursprünglich geplanten Ausdehnung auf personalistische Kapitalgesellschaften EG-Kommission, Vollendung des Binnenmarkts. Weißbuch der Kom­ mission an den Europäischen Rat, 1985, Rn. 140; zur Aufgabe dieses Vorhabens: Mitteilung der EG-Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 21. 5. 2003 betreffend die Modernisierung des Gesellschaftsrechts und die Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union, KOM [2003] 284 endg., S. 20  f. (Ankündigung des Abbaus des Regimes der Zweiten Richtlinie anstelle der Ausdehnung); siehe auch Grundmann, Europä­ isches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011, Rn. 316  f.; Habersack/Verse, Europäisches Gesell­ schaftsrecht, 4. Aufl. 2011, § 6 Rn. 3 sowie allgemein § 4 Rn. 5, 26  ff. 130 131

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lich strenger Kapitalaufbringungsregeln139 ebenso wie für den bilanzinduzier­ ten Kapitalschutz, bei dem das Prinzip der Vermögensbindung strikt realisiert ist,140 für das Gebot der Befassung der Hauptversammlung bei schweren Verlu­ sten (Art. 17) sowie die von der Richtlinie vorgeschriebenen Verfahrensregeln und materiellen Anforderungen für Kapitalerhöhungen (Artt. 25  ff.) und Kapi­ talherabsetzungen (Artt. 30  ff.). Das damit verfolgte Konzept des Gläubiger-, aber auch des Aktionärsschutzes141 fügte sich damit in konzeptioneller Hinsicht weitgehend bruchfrei in das zeitgenössische deutsche Aktienrecht ein. Auf die zwischenzeitlich mit der Änderungsrichtlinie von 2006142 vollzogene partielle Deregulierung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sowie die in Aussicht gestellte umfassende Überprüfung der Richtlinie143 ist hier nur hinzuweisen. b)  GmbH-Recht Lag der Schwerpunkt des Anleger- und Gläubigerschutzkonzepts des Aktien­ rechts in der Fassung der Novelle von 1884 insbesondere auf restriktiven Vor­ schriften über die Kapitalaufbringung, so übernahm das GmbH-Gesetz von 1892 diesen Ansatz auch für die neu geschaffene Rechtsform. Es ergänzte ihn aber bereits um ein restriktives Mindestkapitalerfordernis,144 das in Stammein­ lagen zu mindestens 500 Mark aufzubringen war (§ 5 Abs. 2 GmbHG a.F.). Bei Sacheinlagen oder Sachübernahmen waren der jeweilige Gegenstand und der Geldwert im Gesellschaftsvertrag festzusetzen (§ 5 Abs. 4 GmbHG a.F.). Schon nach § 7 Abs. 2 GmbHG in der ursprünglichen Fassung war zudem die Anmel­ dung der Gründung zum Handelsregister erst nach Einzahlung eines Mindest­ betrags (ein Viertel jeder Stammeinlage, mindestens 250 Mark) zulässig. Noch nicht vorgesehen waren demgegenüber Vorschriften über die Prüfung der zur 139   Siehe im einzelnen Artt. 8 (Verbot der Unterpari-Emission), 9 (Mindesteinlagen), 10 (Sachverständigenbericht bei Nicht-Bareinlagen), 11 (Erwerb von Vermögensgegenständen von Gründungsmitgliedern), 12 (Verbot des Verzichts auf die Einlageleistung). 140   Siehe im einzelnen Artt. 15 (Begrenzung von Ausschüttungen), 16 (Zurückgewährung verbotswidriger Ausschüttungen), 18  ff. (a.F.) (Beschränkungen für den Rückerwerb eigener Aktien). 141   Erwägungsgründe 2 und 5 der Richtlinie. 142   Richtlinie 2006/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 zur Änderung der Richtlinie 77/91/EWG des Rates in Bezug auf Gründung von Akti­ engesellschaften und die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals, ABlEG. Nr. L 264/32; dazu etwa Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2011, § 6 Rn. 24  ff., 41  ff.; Oechsler, ZHR 170 (2006), 72  ff.; Schäfer, Konzern 2007, 406  ff. 143   Vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 21. 5. 2003, KOM(2003) 284 endg. 144   § 5 Abs. 1 GmbHG a.F.: 20.000 Mark. Zur Größenordnung etwa Priester, FS Hundert Jahre GmbHG, S. 159, 161; Ziemons, Haftung der Gesellschafter, S. 67 und 132: Danach be­ trug der reale Wert des Mindeststammkapitals bereits 1994 nur mehr ein Zehntel des Wertes aus dem Jahr 1929.

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Eintragung vorgelegten Unterlagen durch das Registergericht (vgl. heute § 9c GmbHG). Von Beginn an galten jedoch Anforderungen an die Kapitalaufbrin­ gung (§§ 19  ff. GmbHG a.F.).145 Mit den §§ 29  ff. GmbHG a.F. enthielt die Ur­ sprungsfassung schließlich das durch die Novelle von 1980 in Rezeption der zwischenzeitlich ergangenen Judikatur erweiterte und erst durch das MoMiG 2008 grundlegend reformierte System des Kapitalschutzes. Auch die übrigen finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften des GmbH-Gesetzes in seiner heu­ tigen Ausgestaltung gehen, größtenteils wiederum allenfalls geringfügig verän­ dert, bereits auf den ursprünglichen Gesetzeswortlaut zurück, so die Kompe­ tenzzuweisung an die Gesellschafterversammlung in § 47 Ziff. 1–3 GmbHG a. F. (vgl. § 46 Ziff. 1–4 GmbHG n.F.) sowie die Bestimmungen über Verfahren und Voraussetzungen von Kapitalmaßnahmen (§§ 56  ff. GmbHG). Die Rechtsform der GmbH wurde somit von vornherein restriktiven Vorga­ ben für die Kapitalausstattung, für die Kapitalaufbringung und schließlich die Kapitalerhaltung unterworfen. Sie reflektierte damit die zeitgenössischen Vor­ behalte gegenüber einem personalistischen Gesellschaftstyp mit Haftungsbe­ schränkung zugunsten der Gesellschafter.146 Gründung und Finanzierung ei­ ner GmbH waren von Anfang an nur innerhalb eines engen, durch zwingendes Gesetzesrecht gezogenen Rahmens möglich. Auch das Inkrafttreten des Mo­ MiG 2008 hat diese Charakteristika sowohl inhaltlich als auch formal weitge­ hend unberührt gelassen, auch wenn mit der Unternehmergesellschaft (haf­ tungsbeschränkt) gem. § 5a GmbHG n.F. nunmehr das tradierte Erfordernis des gesetzlichen Mindestkapitals als „Eintrittspreis“ für die Rechtsform prak­ tisch aufgegeben wurde.

2.  Frankreich Für die Regulierung der Finanzverfassung der französischen Kapitalgesell­ schaften lassen sich im wesentlichen drei Phasen unterscheiden: Ebenso wie für das Recht der Organisationsverfassung, stellte auch für die Finanzverfassung der société anonyme bereits das Gesellschaftsrecht von 1867 eine entscheidende Wegmarke dar, das sowohl aus anleger- als auch aus gläubigerschützender Mo­ tivation zahlreiche Einzelaspekte der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter 145   Vgl. im einzelnen § 19 Abs. 2 GmbHG a.F. (Verbot des Erlasses und der Stundung der Einlageleistung, Ausschluß von Zurückbehaltungsrechten insoweit), § 19 Abs. 3 GmbHG a.F. (Befreiung durch Sachleistung nur, soweit Sacheinlage entsprechend den Vorgaben des § 5 Abs. 4 GmbHG a.F. vorgesehen), § 20 GmbHG a.F. (Verzugszinsen bei Spätleistung), § 21 GmbHG a.F. (Kaduzierungsverfahren), § 22 GmbHG a.F. (Haftung der Rechtsvorgänger), § 23 GmbHG a.F. (Versteigerung des Geschäftsanteils), § 24 GmbHG a.F. (Solidarhaftung der übrigen Gesellschafter). 146   Vgl. nochmals Koberg, Entstehung der GmbH, S. 35  ff.; Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 289  ff., insbes. S. 296  ff.

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entzog (unten a)). Weitgehend am deutschen Recht ausgerichtet wurden sodann – wie auch die Organisationsverfassung der neuen Rechtsform – die finanzie­ rungsbezogenen Regelungen des SARL-Gesetzes (unten b)). Im 20. Jahrhun­ dert sind SA und SARL schließlich hinsichtlich der Finanzverfassung einem teilweise vereinheitlichten System mit abgestufter Regulierungsdichte unter­ worfen worden (unten c)). a)  Société anonyme im 19. Jahrhundert Das reformierte Gesellschaftsrecht von 1867 knüpfte auch hinsichtlich der Fi­ nanzverfassung an die in der Konzessionierungspraxis angelegten Grundlinien an, baute sie aber deutlich aus. Schon zuvor allerdings hatte die loi sur les so­ ciétés à responsabilité limitée von 1863 erstmals Ansätze zur zwingenden Fest­ legung von Kapitalaufbringungsregeln147 und einer – allerdings als Haftungs­ tatbestand ausgestalteten – Beschränkung zulässiger Ausschüttungen auf ­tatsächlich realisierte Gewinne festgelegt.148 Erst das Gesetz von 1867 trieb die Regulierung der Finanzverfassung jedoch umfassend voran. Die neuen Bestim­ mungen traten neben diejenigen des Code de Commerce über die société anony­ me, die im wesentlichen anwendbar blieben (Art. 21 al. 3 loi de 1867). Zwar blie­ ben damit nach wie vor Einzelaspekte der Finanzverfassung ungeregelt. Die mit dem Gesetz eingeschlagene Grundlinie zur umfassenden Regulierung im Inter­ esse sowohl der Verbandsmitglieder als auch verbandsexterner Dritter ist jedoch unverkennbar. Im Vordergrund standen Grundfragen der Finanzierungsstruk­ tur und der Kapitalaufbringung. Art. 24 i.V.m. Art. 1 al. 1 des Gesetzes legte zunächst eine Mindeststückelung für die verbrieften Kapitalanteile fest. Art. 24 i.V.m. Art. 1 al. 2 übernahm aus der Konzessionspraxis den Grundsatz, wonach die vollständige Zeichnung aller Aktien Bedingung für die Wirksamkeit der Gesellschaftsgründung war. Zusätzlich mußte jeder Aktionär mindestens ein Viertel seiner Einlage tatsächlich geleistet haben. Eine umfangreiche Judikatur hierzu zog in der Folgezeit die zitierten Bestimmungen aber auch als Grundlage eines richterrechtlich entwickelten Verbots der Unterpari-Emission von Antei­ len heran.149 Zudem formalisierte das Gesetz das Verfahren bei der Sacheinlage (Art. 24 i.V.m. Art. 4).150 Besonders ins Auge stechen die der Kapitalerhaltung 147   Vgl. Art. 4 loi du 23 mai 1863: „Les sociétés à responsabilité limitée ne peuvent être dé­ finitivement constituées qu’après la souscription de la totalité du capital social et le versement du quart au moins du capital qui consiste en numéraire.“ 148   Vgl. Art. 27 al. 2 loi du mai 1863: „[Les administrateurs] sont tenus solidairement de préjudice qu’ils peuvent avoir causé, soit aux tiers, soit aux associés, en distribuant ou en lais­ sant distribuer sans opposition des dividendes qui d’après l’état de la société constaté par les inventaires, n’étaient pas réellement acquis.“ 149   Vgl. im einzelnen Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 2, Tz. 560  ff., S. 72  ff.; siehe auch Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 122. 150   Näher Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 2, Tz. 635  ff., S. 136  ff.; vgl.

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dienenden, strafrechtlich sanktionierten Restriktionen für die Gewinnverwen­ dung,151 die allerdings die Empfänger verbotswidriger Ausschüttungen von ei­ ner Rückzahlungspflicht freistellten (Art. 45 al. 2 i.V.m. Art. 10 al. 3). Ein Min­ destkapital wurde mit dem Gesetz von 1867 noch nicht vorgeschrieben. b)  Finanzverfassung der SARL In deutlichem Kontrast zur Rechtslage bei der SA schrieb das SARL-Gesetz dagegen bereits ein Mindestkapital für die neue Rechtsform vor (Art. 6 al. 1: 25.000 Francs). Für die Stückelung der Kapitalanteile, die nach Art. 21 nicht als Wertpapiere verbrieft werden durften,152 formulierte Art. 6 al. 2 einen Mindest­ nennbetrag von 100 Francs. Tatsächlich war damit indessen nur bedingt eine konzeptionelle Neuausrichtung verbunden. Insbesondere die Regelung über das Mindestkapital übernahm schlicht die Charakteristika des deutschen GmbH-Gesetzes von 1892, ohne daß dies für besonders bedeutsam erachtet worden wäre. Der Betrag von 25.000 Francs, ab 1938 50.000 Francs, ist offenbar stets als vernachlässigenswert bewertet und eine besondere Bedeutung im Gläu­ bigerschutzsystem ist ihm in Wissenschaft und Praxis nicht zugemessen wor­ den.153 Ähnlich wie im Aktienrecht von 1867 lag demgegenüber auch bei der SARL ein Regelungsschwerpunkt auf der Kapitalaufbringung. Nach Art. 7 war die Wirksamkeit der Gründung der SARL von der vollständigen Übernahme der Kapitalanteile durch die Gründungsgesellschafter im Gesellschaftsvertrag ab­ hängig; sowohl Bar- als auch Sacheinlagen waren bei Gründung vollständig zu leisten. Wurden diese Anforderungen nicht eingehalten, zog dies nach Art. 9 al. 1 – allerdings nur im Innenverhältnis, nicht im Außenverhältnis zu Lasten Dritter (Art. 9 al. 2) – die Unwirksamkeit der Gründung nach sich. Die für den Gründungsakt maßgeblichen formellen und materiellen Anforderungen bilde­ ten nach der Rechtsprechung154 zugleich den für Verfahren der Kapitalerhöhung maßgeblichen Rechtsrahmen. Nicht anders als bei der société anonyme, war bei der SARL eine gesetzliche Rücklage zu bilden (Art. 33).155 auch (zum nach wie vor durch das Gesetz von 1867 maßgeblich beeinflußten Rechtszustand von 1948) Pic/Kréher, Sociétés Commerciales, Bd. 2, Tz. 919  ff., S. 269  ff. 151   Vgl. im einzelnen Art. 45 al. 1 und 2 i.V.m. Artt. 10, 13  ff. loi de 1867: Beschränkung der ausschüttungsfähigen Dividenden auf tatsächlich erzielte Gewinne (Verbot von dividendes fictifs); strafrechtliche Haftung der administrateurs bei Zuwiderhandeln. 152   Siehe ferner Artt. 4, 37 (strafrechtlich sanktioniertes Verbot der Emission von Anteilen im Wege des öffentlichen Angebots); näher dazu Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commer­ ciales, Bd. 1, Tz. 460  f., S. 516  ff. 153   Zum Ganzen Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 1, Tz. 346  f., S. 405  f. 154   Trib. corr. Lille, 4. 1. 1937, S. 1937.2.134; vgl. näher Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 1, Tz. 438  f., S. 487  ff. 155   Hiernach war ein Betrag von 1/20 des jährlichen Bilanzgewinns, dem fonds de réserve zuzuführen, bis dessen Höhe das Zehnfache des Gesellschaftskapitals erreichte.

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Vor allem zeichnete sich das Gesetz über die SARL von 1925 im Vergleich mit der Rechtslage bei der SA durch schärfere Vorgaben zur Kapitalerhaltung aus: Anders als bei der SA wurde dies mit einem Rückforderungsanspruch der Ge­ sellschaft für den Fall effektuiert, daß Ausschüttungen nicht von tatsächlich erzielten Gewinnen gedeckt waren (Art. 35). Hatte der Geschäftsführer (gérant) der Dividende zugestimmt, haftete er der Gesellschaft, aber auch den Gläubi­ gern auf Schadensersatz. Zudem war eine ohne bilanzielle Grundlage und damit grob fahrlässig oder vorsätzlich vorgenommene Ausschüttung von Dividenden ohne korrespondierenden Bilanzgewinn strafbewehrt (Art. 38 al. 2).156 Hinzu­ weisen bleibt in diesem Zusammenhang auf Art. 34. Die Vorschrift gestattete die Festsetzung einer festen Verzinsung der Kapitaleinlage durch die Satzung, dies jedoch – im Interesse der Gläubiger – nur zeitlich beschränkt auf die Phase der Vorbereitung der Geschäftstätigkeit, während der bereits Investitionen er­ forderlich waren, aber noch keine Gewinne erzielt wurden.157 c)  Folgeentwicklungen im 20. Jahrhundert Bereits vor Umsetzung der Zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie haben verschiedene Reformvorhaben und namentlich die loi no. 66-537 von 1966, mit der die gesellschaftsrechtlichen Regelungen konsolidiert wurden, auch die Fi­ nanzverfassung der SA in allen wesentlichen Bereichen der Regulierung durch zwingendes Recht unterworfen. Dies betrifft zunächst die Regelungen über die Kapitalaufbringung, die sowohl für kapitalmarktorientierte158 als auch für nicht kapitalmarktorientierte SA159 ausgebaut wurden; neu war dabei insbesondere die nunmehr unter gerichtlicher Aufsicht durchzuführende Gründungskon­ trolle für kapitalmarktorientierte Gesellschaften.160 Daneben treten die rechts­ formunabhängigen Bestimmungen über Bar- und Sacheinlagen der Artt. 18431  ff. C.civ. Auch die rechtliche Gestaltung anderer Finanzierungsformen unter­ warf das Gesetz von 1966 umfassenden zwingenden Vorgaben,161 wobei im Vergleich mit dem deutschen Recht umfangreiche Regelungen für Anleiheemis­ sionen und die Rechte der Anleihegläubiger ins Auge stechen.162 Die zwingen­ den Vorgaben für die Gewinnverwendung, einschließlich der gesetzlichen Rücklage, wurden erweitert und für SARL und SA vereinheitlicht.163 Neu ge­   Zum Ganzen Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 1, Tz. 470, S. 525  f.   Zu Einzelheiten der – inhaltlich durchaus problematischen und wenig praktikablen – Regelung Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 1, Tz. 471, S. 527  ff. 158   Artt. 74  ff. loi no. 66-537 = Artt. L. 225-2  ff. nC.com. 159   Artt. 84  ff. loi no. 66-537 = Artt. L. 225-12  ff., L. 125-127  ff. nC.com. 160   Art. 80 loi no. 66-537 = Art. L. 225-9 nC.com. 161   Artt. 283-1  ff. loi no. 66-537, vgl. heute Artt. L. 228-30  ff. nC.com. 162   Artt. 286  ff. loi no. 66-537, vgl. heute Artt. 228-38  ff. nC.com. Näher m. w. N. Merle, Sociétés commerciales, Rn. 327  ff. 163   Artt. 345  ff. loi no. 66-537 = Artt. L. 232-10  ff. nC.com. 156 157

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2. Kapitel:  Restriktion

faßt wurden auch die – für die SARL geringen und vor allem auf den Minder­ heitenschutz durch qualifizierte Mehrheitserfordernisse konzentrierten, für die SA stärker ausdifferenzierten – zwingenden Anforderungen an das Verfahren der Kapitalerhöhung164 und -herabsetzung.165 Mit dem Bericht der Geschäftslei­ tung wurde weiterhin auch der – vom conseil d’administration bzw. dem direc­ toire aufzustellende – Jahresabschluß der Kontrolle durch die Gesellschafter­ versammlung unterworfen.166 Das Gesetz von 1966 vollzog damit erstmals auch für die Finanzverfassung die das Aktienrecht nach wie vor prägende Differen­ zierung zwischen kapitalmarktorientierten und nicht kapitalmarktorientierten Gesellschaften. Die finanzierungsbezogene Regulierung der SA ist seit der Reform von 1966 und den durch die Zweite Richtlinie veranlaßten Änderungen nur maßvoll an­ gepaßt, teilweise sogar dereguliert worden.167 Neuerungen betrafen die Anfor­ derungen an den Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft, wobei der Kreis der zulässigen Fälle erst in jüngster Zeit im Rahmen des durch die Zweite Richt­ linie gestatteten Ausmaßes erweitert wurde,168 die Zulassung von Vorzugsakti­ en ohne Stimmrecht durch Ordonnance aus dem Jahr 2004,169 die Möglichkeit, nach Wahl der Aktionäre anstelle von Bardividenden Aktien auszugeben,170 ein 2004171 umfassend reformiertes Regime für die Emission von Wandelschuldver­ schreibungen, einschließlich neuer Vorgaben an den Anlegerschutz insoweit,172 Vorgaben an die Ausgabe von Aktienoptionen an Führungskräfte173 sowie um­ fassende Modifikationen der Anforderungen an Verfahren und Inhalt von Ka­ pitalmaßnahmen, die wiederum auf die zitierte Ordonnance von 2004 zurück­ 164   Vgl. im einzelnen für die SARL Art. 60 loi no. 66-537, entsprechend (aber modifiziert) Art. L. 223-30 al. 2 nC.com. (qualifizierte Mehrheit) sowie Artt. 60-1  ff. loi no. 66-537 = Art. L. 223-31 nC.com.; für die SA Artt. 178  ff. loi no. 66-537 (nachfolgend kodifiziert in den zwischenzeitlich grundlegend reformierten Artt. L. 225-127  ff. nC.com.); siehe auch Art. 217 loi no. 66-537 = Art. L. 225-216 nC.com. (Verbot der Finanzierung des Aktienerwerbs seitens Dritter durch die Gesellschaft). 165   Für die SARL Art. 63 loi no. 66-537 = Art. L. 223-34 nC.com.; für die SA Artt. 215  f. loi no. 66-537, kodifiziert in den (nachfolgend grundlegend reformierten) Art. L. 225-204 nC. com. 166   Artt. 56 und 340 loi no. 66-537 = Artt. L. 223-26 und L. 232-1 nC.com. Zur Bilanzie­ rung bei der SA im übrigen näher Merle, Sociétés commerciales, Rn. 543  ff. 167   Veränderungen in der kapitalmarkt- und wertpapierrechtlichen Rechtsposition der SA als Emittentin börsennotierter Wertpapiere und der Anleger, insbesondere der Aktionäre, insoweit bleiben hier ausgeklammert; siehe dazu stellvertretend etwa Merle, Sociétés com­ merciales, Rn. 267  ff. sowie 282  ff. 168   Vgl. insbes. Artt. L. 225-209, L. 225-212 und L. 225-216 nC.com. Dazu näher Merle, Sociétés commerciales, Rn. 280  f. m. w. N. 169   Ordonnance no. 2004-604 du 24. 6. 2004, J.O. 26. 6. 2004, siehe Artt. L. 228-11  ff. nC. com.; näher Merle, Sociétés commerciales, Rn. 289  ff. m. w. N. 170   Artt. L. 232-18  ff. nC.com. Näher Merle, Sociétés commerciales, Rn. 300 m. w. N. 171   Wiederum durch die Ordonnance no. 2004-604 (soeben Fn. 169). 172   Artt. L. 228-91  ff. nC.com. Näher Merle, Sociétés commerciales, Rn. 327, 346  ff. 173   Artt. L. 225-177  ff. nC.com. Näher Merle, Sociétés commerciales, Rn. 535  ff.

A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive

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gehen und insbesondere den verbesserten Ausgleich der Interessen von Eigenund Fremdkapitalgebern bezweckten.174 Für die SARL dagegen zeigt sich die Tendenz zum Abbau tradierter Formen der finanzierungsbezogenen Regelung noch deutlicher, zumal durch die Aufga­ be des Mindestkapitalerfordernisses durch die loi no. 2003-721 pour l’initiative économique vom 1. August 2003,175 die explizit mit dem Ziel der Erleichterung der rechtlichen Rahmenbedingungen für unternehmerische Betätigung verbun­ den war. Danach kann der Nennkapitalbetrag durch die Statuten der Gesell­ schaft frei festgelegt werden (Art. L. 223-2 nC.com.); sein Mindestbetrag be­ läuft sich auf nurmehr einen Euro. In Reaktion auf diese – durchaus kontrovers aufgenommene176 – Reform hat sich zwischenzeitlich der Umfang des statuta­ risch ausgewiesenen Kapitals bei Neugründungen teilweise erheblich verrin­ gert; ein universeller, signifikant für große Teile der Gesellschaften in der Rechtsform der SARL nachweisbarer Trend ist damit aber offenbar nicht ver­ bunden.177 Bereits vor der Aufgabe des Mindestkapitalerfordernisses, durch Gesetz vom 15. Mai 2001,178 sind zudem die Kapitalaufbringungsregeln ausge­ baut und verschärft worden;179 die Reformen der jüngeren Zeit richten sich mit­ hin in ihrer Gesamtheit weniger gegen die Bedeutung der Kapitalisierung als Instrument des Gläubigerschutzes, sondern vor allem gegen die präskriptive Vorgabe eines festen Mindestkapitals. Inkonsistent mit diesem Paradigmenwechsel180 sind demgegenüber die ge­ setzlichen Anforderungen an die Kapitalisierung der société par actions simpli­ fiée (unipersonnelle, SAS/SASU), für die seit der Einführung der Rechtsform181 ein Mindestkapital vorgeschrieben ist, das bei der Gründung mindestens zur Hälfte tatsächlich aufgebracht sein muß.182 Auch im übrigen gelten die finanzie­ rungsbezogenen Vorschriften über die SA kraft der in Art. L. 227-1 al. 3 nC. com. ausgesprochenen Verweisung entsprechend, soweit sich nicht aus den Be­ stimmungen über die SAS/SASU ein anderes ergibt. Vor allem bei Kapitalmaß­ nahmen besteht insoweit weitgehend unbeschränkter Gestaltungsspielraum, wie sich aus der in Art. L. 227-9 nC.com. eröffneten Befugnis ergibt, bei der 174   Vgl. nunmehr Artt. L. 225-129  ff. nC.com. Eingehend Merle, Sociétés commerciales, Rn. 552-2  ff. 175   J.O. no. 179 du 5. 8. 2003 p. 13449. Vgl. zusf. zur Deregulierung der Finanzverfassung der SARL auch Bauerreis, in: Blaurock (Hrsg.), Anleger- und Gläubigerschutz bei Handels­ gesellschaften, S. 1, 3  f. 176   Vgl. Merle, Sociétés commerciales, Rn. 178, siehe aber auch ebd. Rn. 551. 177   Merle, Sociétés commerciales, Rn. 178 m. Nachw. 178   Loi no. 2001-420 du 15. 5. 2001 sur les nouvelles régulations économiques („loi NRE“), siehe bereits oben sub A. I. 2. a) (S. 481) Fn. 71. 179   Artt. L. 232-7  ff. nC.com.; dazu näher Merle, Sociétés commerciales, Rn. 179  ff. 180   Vgl. insoweit auch Merle, Sociétés commerciales, Rn. 595-5 bei und in Fn. 3. 181   Siehe dazu nochmals oben, 1. Kap., sub A. I. 2. (S. 413) bei und in Fn. 39  f. 182   Vgl. Art. L. 227-1 al. 3 i.V.m. Art. L. 224-2 nC.com.: Verweis auf die Rechtslage bei der nicht kapitalmarktorientierten SA.

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2. Kapitel:  Restriktion

SAS/SASU Entscheidungskompetenzen und -verfahren der Gesellschafterver­ sammlung in den Statuten frei zu regeln.183 Insgesamt ist damit für die SAS/ SASU die Finanzverfassung der SA jedenfalls im Kern übernommen worden.

3.  England Das englische Recht steht zu den beiden bislang untersuchten Rechtsordnungen insofern im starken Kontrast, als es auf zwingende Vorgaben für die Finanzver­ fassung bis in die Gegenwart verzichtet: Für Finanzierungsentscheidungen blieb es bis zur Umsetzung der Vorgaben aus der Zweiten gesellschaftsrechtli­ chen Richtlinie, die sich insofern als konzeptioneller Fremdkörper im engli­ schen Rechtsrahmen für Kapitalgesellschaften erweisen, bei dem bereits oben184 entwickelten Befund einer Beschränkung auf konstitutive Regelungen in dispo­ sitiver Form: Ansätze zu einem institutionellen Gläubiger- und Anlegerschutz, in dessen Rahmen Restriktionen für die Ausgestaltung von Organkompeten­ zen und/oder die Kapitalstruktur zwingend vorgegeben worden wären, blieben dem englischen Recht bis in die jüngere Zeit weitgehend fremd. Dies bedeutet allerdings nicht, daß Schranken für Finanzierungsentscheidungen von Gesell­ schaftern bzw. Geschäftsleitern im englischen Recht für private companies überhaupt nicht existierten. Insbesondere kennt das englische Recht seit der Umsetzung der Zweiten Richtlinie gesetzliche Ausschüttungsschranken auch für private companies.185 Schon der Companies Act 1948 sah zudem ein Verbot der finanziellen Unterstützung für den Erwerb von Anteilen der Gesellschaft oder ihrer Muttergesellschaft vor.186 Traditionell waren gläubigerschützende Schranken für die Zulässigkeit von Dividendenzahlungen indes im richter­ rechtlich entwickelten Recht der haftungsbewehrten persönlichen Verhaltens­ pflichten von Gesellschaftern und Organen angesiedelt.187

4.  USA Die Rechtsentwicklung in den USA kontrastiert deutlich mit jener in England. Zwar folgten die US-amerikanischen Bundesstaaten im 19. Jahrhundert noch der auch hier anfänglich zu beobachtenden Tendenz zur Zurückhaltung auch bei der gesetzlichen Regulierung der Finanzverfassung. Anders als in England, gingen einzelne Bundesstaaten Ende des 19. Jahrhunderts jedoch zu einer deut­   Vgl. insbes. Art. L. 229-9 al. 2 nC.com.  1. Kap., sub A. IV. 2. c) (S. 454  ff.). 185   Vgl. CA 1985, secs. 263 und 264; heute CA 2006, secs. 830 und 831. 186   Vgl. CA 1948, sec. 54. 187   Siehe dazu unten sub III. 1. a) aa) (S. 509  ff.). 183

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A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive

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lich restriktiveren Grundlinie über. Erst im 20. Jahrhundert wurden diese Re­ gelungen, wie ausgeführt,188 im Wettbewerb um unternehmensfreundliche Rahmenbedingungen vom allgemeinen Deregulierungstrend erfaßt. Beispiel­ haft für die zwischenzeitlich eingeführten Restriktionen stehen etwa die zwin­ genden finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen des New Yorker Gesell­ schaftsrechts von 1892, des General Corporation Law von New Jersey sowie des Delaware General Corporation Law von 1899.189 Hiernach galten nunmehr (teilweise) Mindestkapitalerfordernisse,190 Vorgaben für die Kapitalaufbrin­ gung,191 für das Verfahren bei Kapitalmaßnahmen192 und für die Kapitalerhal­ tung,193 teilweise auch für die Fremdkapitalfinanzierung.194 Die Ausgestaltung der verschiedenen Anteilsgattungen (classes of stock) war nur teilweise durch zwingendes Recht vorgegeben.195 Allerdings galt durchweg die Pflicht, die zu emittierenden Aktien mit einem festen Nennbetrag zu versehen – das sog. Sy­ stem der par value shares,196 das die Kongruenz von Gesellschaftsvermögen und

  Siehe nochmals oben, 1. Kap., sub A. IV. 2. d) bb) (S. 458  ff.).   Zu diesen bereits oben, 1. Kap., sub A. IV. 2. d) aa) (S. 457  f.). 190   Delaware: mind. 2.000 Dollar „total authorized capital“, 1.000 Dollar als Mindestkapi­ tal bei Aufnahme des Geschäftsbetriebs, vgl. sec. 7 Ziff. 4 Del. Gen. Corp. L.; entsprechend schon New Jersey: vgl. sec. 8.IV Act concerning corporations; keine entsprechenden An­ forderungen in New York. 191   Delaware: vgl. secs. 12  ff. Del. Gen. Corp. L.; New York: vgl. §§ 3 (keine Geschäftsauf­ nahme vor Zeichnung mindestens der Hälfte des Kapitals), 5 (Pflicht zur hälftigen Einlagelei­ stung innerhalb eines Jahres ab Geschäftsaufnahme) Business Corporation Law; §§ 42 (con­ sideration for stock; Verbot der Unterpari-Emission), 43 (Zeitpunkt der Einlageleistung; Kaduzierung) Stock Corporation Law. 192   Delaware: vgl. secs. 27  f. (Verfahrensregelung für Kapitalerhöhung), 33 (Verfahrensre­ gelung bei Kapitalherabsetzung; Gläubigerschutz durch Verbot der Kapitalherabsetzung bei Verbindlichkeiten gegenüber Dritten) Del. Gen. Corp. L.; New Jersey: vgl. secs. 27  ff. Act concerning corporations (Kompetenzen, Verfahren, Mindestquoren); New York: §§ 44 (Kompetenzen; Höchstbegrenzung; Verfahrensvorschriften) Stock Corp. L. 193   Delaware: sec. 18 Del. Gen. Corp. L. (Beschränkung der ausschüttungsfähigen Divi­ denden auf „surplus or net profits“; Schutz des „capital stock“ vor Verwässerung durch an­ derweitige Ausschüttung an Gesellschafter); New Jersey: vgl. secs. 30 (Beschränkung der ausschüttungsfähigen Dividenden auf „surplus or net profits“), 47  ff. (Verfahren der Dividen­ denfestsetzung, Verbot von Darlehen an Gesellschafter und officers) Act concerning corpo­ rations; New York: vgl. entsprechend § 23 (Dividendenausschüttung), § 25 (Verbot von Dar­ lehen an Gesellschafter), siehe auch § 48 (prohibited transfers to officers and stockholders) Stock Corp. L. 194   Vgl. §§ 2, 24 New York Stock Corporation Law (Kompetenzregelung; bilanzinduzierte Höchstgrenzen für die Fremdkapitalaufnahme); der Gestaltung durch die Gründungsgesell­ schafter zugewiesen dagegen durch sec. 7 Ziff. 9 Del. Gen. Corp. L. 195   New Jersey: vgl. sec. 18 Act concerning corporations (grundsätzliche Gestaltungsfrei­ heit, aber Beschränkungen für den Anteil von Vorzugsaktien am Kapital der Gesellschaft sowie für die jeweilige Dividende); New York: vgl. § 47 Stock Corp. L. (weitgehende Gestal­ tungs­freiheit). 196   Delaware: sec. 7 Ziff. 4 Del. Gen. Corp. L.; New Jersey: sec. 8.IV Act concerning cor­ porations; New York: § 3 Ziff. 3 Stock Corp. L. 188 189

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der Summe der Nennwerte der ausgegebenen Aktien jedenfalls bei Aufnahme des Geschäftsbetriebs sicherstellen sollte.197 Im Verlauf des 20. Jahrhunderts sind diese Konzepte weitgehend aufgegeben und durch andere, allerdings wiederum im zwingenden Gesetzesrecht festge­ legte Institute substituiert worden. Nach wie vor stark gesetzlich präformiert sind heute die Verfahrensregeln und Schranken für Dividendenzahlungen und anderweitige Ausschüttungen. Dabei wird regelmäßig – meist neben der bi­ lanzinduzierten Schranke des sog. balance sheet surplus test198 – ein Solvenztest zugrundegelegt.199 An ähnliche Kriterien knüpfen auch die gesellschaftsrechtli­ chen Vorgaben für die Zulässigkeit des Erwerb eigener Aktien durch die Gesell­ schaften 200 sowie die Schranken für Kapitalherabsetzungen an.201 Heute werden diese Regeln ergänzt durch das jeweils anwendbare (Insolvenz-) Anfechtungs­ recht (fraudulent conveyance), das als Rechtsbehelf gegen gläubigerschädigende Vermögensverfügungen in der Krise neben die gesellschaftsrechtlichen Aus­ schüttungsschranken tritt.202 Im Grenzbereich zwischen Gesellschafts- und In­ solvenzrecht angesiedelt ist auch das – mittlerweile auch gesetzlich anerkannte (vgl. § 510(c)(1) Bankruptcy Code) – Recht der equitable subordination, d. h. der Nachordnung von Gesellschafterforderungen in der Insolvenz nach der sog. „Deep Rock Doctrine“. 203 Inhaltlich geht es auch hierbei um die Möglichkeit einer Korrektur gläubigerschädigender Vermögensabflüsse im Ermessen des Insolvenzgerichts. Die Doktrin weist enge Berührungspunkte auf mit den Grundsätzen über den Haftungsdurchgriff („piercing the corporate veil“). 204 Auch für die heutigen US-amerikanischen Gesellschaftsrechte besteht damit

197   Vgl. etwa Manning/Hanks, Legal Capital, S. 22; dazu und zu den gravierenden, regel­ mäßig genutzten Umgehungsmöglichkeiten in der Praxis auch Böckmann, Gläubigerschutz, S. 37  ff.; Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2006, Rn. 443  ff., jeweils m. w. N. 198   Vgl. z. B. §§ 170(a), 173, 154 Del. Gen. Corp. L.; § 510(b) N.Y. Bus. Corp. L.; § 6.40(c)(2) R.M.B.C.A.: Als Dividende verfügbar ist nur der surplus, so daß das stated capital in jedem Fall erhalten bleiben muß; näher dazu z. B. Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2006, Rn. 537  f.; siehe auch Böckmann, Gläubigerschutz, S. 65  f. 199   Vgl. z. B. § 170(a), 173 Del. Gen. Corp. L.; § 510(a) N.Y. Bus. Corp. L.; § 6.40(c)(1) R. M.B.C.A. 200   Vgl. § 160(a) Del. Gen. Corp. L.; § 513(a) N.Y. Bus. Corp. L.; §§ 6.03, 6.40 R.M.B.C.A. 201   Vgl. § 244(b) Del. Gen. Corp. L.; § 516(b) N.Y. Bus. Corp. L. 202   Maßgeblich sind weithin – so z. B. in Delaware und Kalifornien – die Vorhaben des Uniform Fraudulent Transfer Act (UFTA) von 1984, teilweise – so in New York – auch noch die Vorgängerregelungen des Uniform Fraudulent Conveyance Act (UFCA) von 1918; zum UFCA noch Clark, Corporate Law, S. 40  ff.; deutsch z. B. Bauer, Gläubigerschutz, S. 249  ff.; Böckmann, Gläubigerschutz, S. 82  f.; zusf. Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 422. 203   Nach der Entscheidung Taylor v. Standard Gas & Electric Co., 306 U.S. 307 (1939), die sich mit Ansprüchen der Konzernmutter Standard Gas & Electric Co. gegen das insolvente Tochterunternehmen Deep Rock zu befassen hatte. 204   Siehe dazu noch unten sub III. 1. b) bb) (S. 519  ff.).

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ein enger funktionaler Zusammenhang zwischen gläubigerschützenden Vorga­ ben finanzverfassungsrechtlicher Natur und einem Gläubigerschutz durch haf­ tungsrechtlich fundierte Verhaltenspflichten, auf die zurückzukommen sein wird.

5.  Fazit Zwischen der Entwicklung der gesetzlichen Regulierung der Organisationsver­ fassung und jener der Anforderungen an die Finanzverfassung bestehen Paral­ lelen, aber auch aufschlußreiche Unterschiede. Vergleichbar ist schon bei ober­ flächlicher Betrachtung das Ausmaß, in dem jeweils die kontinentaleuropä­ ischen Rechtsordnungen das jeweilige Gebiet zum Gegenstand zwingender Vorgaben in der Regelform gemacht haben. Im Prinzip ist nach alledem auch das Recht der Finanzverfassung in Kontinentaleuropa bereits seit dem 19. Jahr­ hundert durch eine zunehmende Substitution der ursprünglich auf konstitutive Zwecke beschränkten Gesetzgebung durch materiale Schutzinteressen gekenn­ zeichnet – mit der Konsequenz inhaltlicher, aber auch formaler Rigidität. Grundsätzlich vergleichbar ist auch die Zurückhaltung der anglo-amerikani­ schen Rechte in dieser Hinsicht, wobei die US-amerikanischen Rechte anfangs stärker zur zwingenden Regulierung der Finanzverfassung neigten, als dies für die Organisationsverfassung festgestellt werden konnte. Im Detail bestehen allerdings deutliche Unterschiede. Wie die historisch-ver­ gleichende Untersuchung zeigt, haben sich die heute geltenden gesetzlichen An­ forderungen an die Finanzverfassung auf dem europäischen Kontinent stärker als das zwingende Organisationsverfassungsrecht organisch aus Gestaltungs­ mustern entwickelt, die bereits vor der Verschiebung im System der Regulie­ rungsziele etabliert waren. Regelungen zur Kapitalaufbringung und Kapitaler­ haltung waren, wie gesehen, bereits dem Aktienrecht unter der Geltung des Octroi- und Konzessionssystems nicht fremd, dienten dort aber eher dem Ei­ geninteresse der Gesellschaften an einer langfristig tragfähigen Finanzierung und jedenfalls nicht dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger. Während sich die Zielvorgaben verschoben, sind allerdings zahlreiche Gestaltungen in der Sache ohne größere Kontinuitätsbrüche fortentwickelt worden, wie sie im Recht der Organisationsverfassung etwa durch die Einführung des Aufsichtsrats als Pflichtorgan für die deutsche Aktiengesellschaft ausgelöst wurden. Ein Sonder­ fall ist dabei die Einführung von Mindestkapitalvorschriften für unterschiedli­ che Rechtsformen. Auch sie hatten zwar – wie gesehen – einzelne Vorbilder in der Octroi- und Konzessionspraxis. Doch änderte sich ihre Funktion mit der Integration in das Modell eines institutionellen Gläubigerschutzes so stark, daß von einer kontinuierlichen Entwicklung und historischer Legitimation nicht gesprochen werden kann. Mindestkapitalvorschriften sind, wie bereits an ande­

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rer Stelle erörtert, 205 jedenfalls insofern auch 206 der Gruppe positiv-präskriptiver Normen zuzuordnen, als sie unterhalb des damit gesetzten Mindeststandards angesiedelte Startkapitalisierungen ausschließen. Als solche sind sie, wie der hi­ storisch-vergleichende Blick illustriert, dem gleichen Grundproblem ausgesetzt wie jede Form der positiv-präskriptiven Regulierung:207 Historisch legitimiert ist der festgelegte Schwellenwert gerade nicht, sondern vielmehr willkürlich ge­ wählt und zugleich mit dem Risiko behaftet, bei veränderten Rahmenbedin­ gungen (hier: verändertem Geldwert) seine ursprüngliche Bedeutung einzubü­ ßen. Mit dem Paradigmenwechsel von der bloß konstitutiven Regulierung zur In­ dienststellung der Regelungen unter materiale Schutzinteressen waren bei alle­ dem auch im Recht der Finanzverfassung zugleich Defizite im Hinblick auf die Effektivität der Normdurchsetzung verbunden:208 Zunehmend lastete auf den gesellschaftsinternen unmittelbaren und mittelbaren Durchsetzungsmechanis­ men die Verantwortung dafür, die Einhaltung der zwingenden institutionellen Vorgaben auch insoweit im Interesse verbandsexterner Dritter, insbesondere der Gläubiger, sicherzustellen. Weil deren finanzielle Interessen mit den Anrei­ zen der gesellschaftsinternen Akteure (Gesellschafter, ggf. Überwachungs- und Kontrollorgan) nur bedingt übereinstimmen, gilt auch für das Finanzverfas­ sungsrecht, daß die verbandsinternen Durchsetzungsmechanismen meist nur einen schwachen Schutz für die Interessen Dritter gewähren können.

III.  Ergänzende konkrete Gesellschafter- und Organpflichten Zwingende, haftungsbewehrte Verhaltenspflichten von Gesellschaftern und Organen weisen sowohl in entwicklungshistorischer als auch in funktionaler Hinsicht deutliche Unterschiede zu den bisher untersuchten institutionellen Schranken für die Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit auf. Historisch be­ trachtet, beruhen Verhaltenspflichten, anders als diese, nicht auf der Weiterent­ wicklung ursprünglich konstitutiver organisations- bzw. finanzverfassungs­ rechtlicher Grundlagen. Vielmehr haben sie sich zusätzlich zu diesen entwickelt und füllen den durch das Organisations- und Finanzverfassungsrecht gezoge­ nen Rahmen erst aus. Anschaulich zeigt dies insbesondere der Umstand, daß sich das Pflichtenprogramm nicht auf entsprechende Vorbilder in der Vertrags­ praxis unter dem Octroi- oder Konzessionssystem zurückführen läßt. Zwar   Oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. III. 2. (S. 156).   Ihre Funktion erschöpft sich allerdings nicht darin; vielmehr sind sie bekanntlich je­ denfalls in der kontinentaleuropäischen Ausgestaltung zugleich die Grundlage für gläubiger­ schützende Ausschüttungsgrenzen. 207   Siehe schon oben, 2. Teil, 1. Abschn., 3. Kap., sub C. (S. 322). 208   Siehe für die Organisationsverfassung bereits oben sub I. 5. (S. 488  f.). 205

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werden die Geschäftsleiter auch der frühen Kolonialhandelsgesellschaften ihre Aufgaben kaum erfüllt haben, ohne daß in der – bislang insoweit kaum rechts­ historisch aufbereiteten – zeitgenössischen Praxis mehr oder weniger konkrete Vorstellungen über Pflichtengehalt und Sorgfaltsmaßstab bestanden hätten. Doch handelte es sich eher um allenfalls geringfügig modifizierte Ausprägun­ gen allgemeiner Grundsätze des Treuhand- (bzw. Trust-) oder des Stellvertre­ tungsrechts, nicht um spezifisch gesellschaftsrechtliche, d. h. auf bereichstypi­ sche Sachverhalts- und Interessenkollisionen zugeschnittene Verhaltenspflich­ ten heutiger Prägung. Dies zeigen etwa die fiduciary duties der directors im Common Law, deren Wurzeln in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der tru­ steeship noch heute unverkennbar sind. 209 Aber auch die Anwendung der rö­ misch-rechtlich verwurzelten Grundsätze über mandataires auf die Geschäfts­ leitungsorgane der französischen société anonyme210 ist ein deutlicher Beleg. Beide Beispiele illustrieren zugleich die für die Entstehung von Verhaltens­ pflichten im Vergleich mit den organisations- und finanzverfassungsrechtlichen Grundlagen ungleich größere Bedeutung der Rechtsprechung: Die Entstehung und Ausdifferenzierung von Verhaltenspflichten begann – keineswegs nur im Common Law – typischerweise meist in der Judikatur; erst später haben die Ergebnisse der Kasuistik Eingang in das zwingende Gesetzesrecht gefunden. Mit diesem Sedimentationsprozeß korrespondieren Unterschiede auch in funktionaler Hinsicht: Im Vergleich mit der Regulierung durch zwingende organi­ sations- und finanzverfassungsrechtliche Grundlagen, die – wie gezeigt – im wesentlichen durch Vorgaben in der Regelform gekennzeichnet sind, spielen hier rechtsordnungsübergreifend offene Standards eine stärkere Rolle. Gerade für die Verhaltenspflichten ist das oben 211 theoretisch erörterte Bild von der fortlaufenden Weiterentwicklung des Normenbestandes im Kooperationsver­ hältnis von Gesetzgeber und Rechtsprechung charakteristisch. Mit Blick auf den damit umrissenen entwicklungshistorischen Hintergrund erübrigt sich bei alledem eine Einbeziehung der älteren Praxis des Octroi- und Konzessionssy­ stems. Die Ursprünge vor allem der Kasuistik der – insbesondere aus dem Recht fiduziarischer Rechtsverhältnisse gewonnenen – Verhaltenspflichten während dieser Frühphase der gesellschaftsrechtlichen Entwicklung reichen zumal in den anglo-amerikanischen Rechten zwar weiter zurück als die gesellschafts­ rechtlichen Kodifikationen. 212 Doch erst mit den ersten gesellschaftsrechtlichen Kodifikationen des 19. Jahrhunderts finden sich Ansätze zum gezielten Ausbau von Verhaltenspflichten als Instrument zur Umsetzung gesellschaftsrechtlicher   Siehe bereits oben, 1. Kap., sub A. III. 1. a) (S. 432  f.) bei und in Fn. 142   Siehe bereits oben, 1. Kap., sub A. III. 2. b) (S. 437) bei und in Fn. 167. 211  2. Teil, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 2. b) (S. 302). 212   Vgl. für England etwa Charitable Corporation v. Sutton (1742) 2 Atk. 400; ferner Mayor of Colchester v. Lowten (1813) 1 V. & B. 226; Att.-Gen. v. Wilson (1840) Cr. & Ph. 1; dazu Sealy, (1967) 25 C.L.J. 83  ff. 209 210

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2. Kapitel:  Restriktion

Regulierungsziele, wobei in England und den US-amerikanischen Kolonien nicht zuletzt auch die vorgefundenen fiduziarischen Pflichten durch gesetzliche Vorgaben aufgenommen, weiterentwickelt und teilweise überlagert wurden. Zumeist handelte es sich in dieser Frühphase um finanzierungsbezogene Ver­ haltenspflichten (unten 1.). Deutlich jünger sind konkrete organisationsrechtli­ che Pflichten im weitesten Sinne (unten 2.). Ausgeklammert bleiben auch hier – aus den bereits oben genannten Gründen – Publizitätspflichten.

1.  Finanzierungsbezogene Pflichten Finanzierungsbezogene Pflichten zählen zu den frühesten Beispielen der Er­ gänzung des Verbandsverfassungsrechts um konkrete Vorgaben an das Verhal­ ten der Organe. Bereits für das 19. Jahrhundert lassen sich gesetzliche Regelun­ gen nachweisen, die nicht mehr unmittelbar an der Kapitalausstattung der Ge­ sellschaften ansetzten, sondern eine Dynamisierung der finanzierungsbezoge­ nen Regulierung durch situativ ansetzende Verhaltenspflichten bewirkten. Die finanzierungsbezogenen Verhaltenspflichten folgten dabei in den anglo-ameri­ kanischen Rechtsordnungen einem von den kontinentaleuropäischen Rechten grundlegend abweichenden Entwicklungsmuster. In England (unten a)) und den USA (unten b)) ist die Vorprägung durch tradierte fiduziarische Pflichten der Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften besonders stark. Nicht zuletzt da­ durch erklärt sich der Rang, den fiduziarische Pflichten als Funktionsäquivalent zu kontinentaleuropäischen, institutionell ausgerichteten Schutzkonzepten einnahmen und noch einnehmen. In der kontinentaleuropäischen Rechtsent­ wicklung dagegen (unten c) und d)) lassen sich bereits im 19. Jahrhundert einzel­ ne Ansätze zur gesetzlichen Fixierung finanzierungsbezogener Verhaltens­ pflichten nachweisen. Erst in jüngster Zeit wurden sie – regelmäßig in Rezepti­ on anglo-amerikanischer Vorbilder – nach einheitlichen Grundsätzen systema­ tisiert und verdichtet. a)  England Im englischen Recht sind finanzierungsbezogene Pflichten aus allgemeinen (fi­ duziarischen) Rechtsgrundsätzen bereits früh vor allem für die Geschäftsleiter von companies abgeleitet worden. Dabei haben einzelne Pflichten auch in das Gesetzesrecht Eingang gefunden (unten aa)). Deutlich zurückhaltender haben sich Gesetzgeber und Rechtsprechung demgegenüber hinsichtlich der Gesell­ schafterhaftung gezeigt: Abgesehen von wenigen Ausnahmefällen, findet eine Gesellschafterhaftung für Finanzierungsentscheidungen kaum statt, wenn und soweit die jeweils geschuldete Einlage voll geleistet ist (unten bb)).

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aa)  Geschäftsleiter Finanzierungsbezogene Verhaltenspflichten der Geschäftsleiter sind in Eng­ land punktuell bereits seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kodifiziert worden; sie traten damit neben die im „Table A“ der Companies Acts festgeleg­ ten, aber vertraglich frei gestaltbaren finanzierungsbezogenen Regelungen.213 So wies bereits der Winding-up Act von 1844214 den directors in der Krise der Gesellschaft Verhaltenspflichten zu, die insbesondere die Transparenz der Ver­ mögenssituation absichern sollten.215 Die für die zeitgenössische Rechtspraxis charakteristische Qualifikation der Insolvenz als strafwürdiges Delikt trat da­ bei deutlich hervor. Unter der Geltung des neuen Rechts entwickelte die Judika­ tur zudem erstmals detaillierte Grundsätze für die zivil- und strafrechtliche Verantwortung der directors wegen Insolvenzbetrugs zu Lasten der Gesell­ schaftsgläubiger. 216 Strafrechtliche Sanktionen insbesondere in Fällen der Ver­ untreuung von Gesellschaftsvermögen zu Lasten der Gläubiger sowie der Ver­ mögensverschleierung führte sodann ein Gesetz von 1857 ein.217 Die kontinuierlich weiterentwickelte Kasuistik verdrängte bei alledem bis­ weilen in der Praxis auch das zwischenzeitlich erlassene Gesetzesrecht. An­ schaulich zeigt dies etwa die Aufhebung der Haftung von directors für die Di­ videndenausschüttung in Kenntnis der Überschuldung durch den Companies Act 1856, 218 die die Rechtsprechung nicht daran hinderte, in entsprechenden Fällen auch weiterhin eine Ersatzpflicht aus breach of trust zu bejahen. 219 Im Gesetz selbst trat eine allgemeine insolvenzrechtliche Haftung gegenüber der Gläubigergesamtheit für fraudulent preferences und Vermögensverschleierung bei Insolvenzreife an die Stelle des früheren Haftungstatbestands. 220 Der An­ knüpfungspunkt der Haftung für die Verletzung von finanzierungsbezogenen Pflichten in der Krise verschob sich damit vom fiduziarisch geprägten Gesell­ 213   Zur Bedeutung der „Tables A“ als dispositive Musterregelungen bereits oben, 1. Kap., sub A. II. 2. a) (S. 421) bei und in Fn. 86; speziell zu den finanzierungsbezogenen Regelungen oben, 1. Kap., sub A. IV. 2. c) (S. 456) bei und in Fn. 272 214   An Act for facilitating the winding up the affairs of Joint Stock Companies unable to meet their pecuniary engagements, 7 & 8 Vict. c. 111. 215   Vgl. 7 & 8 Vict. c. 111 (1844), secs. 12 (Vorlage von Bilanzen), 17 (Verbot der Verschleie­ rung von Vermögensverhältnissen mit korrespondierenden Straf- und zivilrechtlichen Haf­ tungssanktionen), 30 (Zerstörung von Aufzeichnungen durch shareholder), 27 (Kooperation von Insolvenzgericht und Board of Trade zur Vorbereitung von Verfahren wegen Insolvenz­ delikten). 216   Vgl. R. v. Esdaile and Others, 1 F. & F. 213; dazu näher Formoy, Historical Founda­ tions, S. 108  ff. 217   Fraudulent Trustees Act, 20 & 21 Vict. c. 54; abgelöst durch den sog. Larceny Act von 1861, 24 & 25 Vict. c. 95, secs. 81  ff. 218  19 & 20 Vict. c. 47, sec. 14. 219   Vgl. insbesondere die Leitentscheidung in In Re Exchange Banking Co., Flitcroft’s Case (1882) 21 Ch.D. 519, insbes. 535–536 per Cotton L.J. und noch sogleich im Text. 220  19 & 20 Vict. c. 47, sec. 86.

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schafts- auf das Insolvenzrecht. 221 Die damit vorgezeichnete Koexistenz einer gesetzlich vorgeprägten Insolvenz(-verschleppungs-)haftung aus fraudulent trading (Insolvency Act 1986, sec. 213) bzw. wrongful trading (Insolvency Act 1986, sec. 214) 222 mit immer stärker ausdifferenzierten, fiduziarisch gepräg­ ten Geschäftsleiterpflichten 223 blieb bis in die jüngste Zeit prägend. Eine Haf­ tung nach diesen Grundsätzen wurde insbesondere in Fällen pflichtwidriger Vermögensdispositionen und hier wiederum nicht zuletzt in Fällen bejaht, in denen Interessenkonflikte Einfluß auf die streitgegenständlichen Handlungen der directors hatten. 224 Erst in jüngster Zeit nehmen die einschlägigen Bestimmungen des Compa­ nies Act 2006 225 nunmehr die Ergebnisse der Judikatur der vergangenen zwei   Dazu Formoy, Historical Foundations, S. 127.   Zur Haftung der directors für fraudulent preferences bzw. fraudulent conveyance siehe in der Nachfolge des Companies Act 1856 etwa CA 1862, 25 & 26 Vict. c. 89, secs. 164  ff.; CA 1908, 8 Edw. 7 c. 69, secs. 208 und 209; CA 1948, 11 & 12 Geo. 6 c. 38, secs. 320  f., 328  ff.; heute Insolvency Act 1986, c. 45, secs. 213  ff., 238  ff.; näher zum Ganzen eingehend Armour/Bennett (Hrsg.), Vulnerable Transactions in Corporate Insolvency, 2003, passim; Kasolowsky, Fiduciary Duties, S. 244  ff.; Keay, Directors’ Responsibilities, S. 25  ff. (fraudulent trading), 73  ff. (wrongful trading); im deutschen Schrifttum eingehend Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 177  ff.; Steffek, Gläubigerschutz, S. 263  ff., 312  ff., 342  ff. 223   Die Ursprünge der Anwendung fiduziarischer Rechtsgrundsätze auf die directors sind umstritten: Neigte die ältere Literatur zur Annahme, daß dies auf die vermögensrechtliche Ausgestaltung früher Gesellschaftsformen als trust zurückzuführen gewesen sei, geht die neuere Forschung mit Blick auf die vorliegende Kasuistik eher von einer analogen Heranzie­ hung der fiduziarischen Grundsätze aus, vgl. zusf. Sealy, (1967) 25 C.L.J. 83, 84  ff. Zur Ent­ wicklung eingehend Kasolowsky, Fiduciary Duties, S. 36  ff. 224   Zu Beispielen: Hichens v. Congreve (1828) 4 Russ. 562 (Scheingeschäft der directors zu Lasten der company); In Re Exchange Banking Co., Flitcroft’s Case (1882) 21 Ch.D. 519, 535– 536, per Cotton L.J. (Haftung für pflichtwidrigen Ausweis von Gewinnen und darauf ge­ stützte Ausschüttung von Dividenden); Re Railway & General Light Improvement Co., Marzetti’s Case (1880) 42 L.T. 206, 209, per Cotton L.J. (Haftung für Zahlungen zur Kursbe­ einflussung); Re Sharpe [1892] 1 Ch. 154, 165–166, per Lindley L.J. (pflichtwidrige Verzin­ sung von Einlagen); Re Mercantile Trading Co., Stringer’s Case (1869) L.R. 4 Ch.App. 475 (pflichtwidrige Auszahlung von Dividenden auf der Grundlage fehlerhafter Bilanzierung von Vermögenswerten); Hutton v. West Cork Railway Co. (1883) 23 Ch.D. 654, 673, per Bowen L.J. (Einschätzungsprärogative des directors bezüglich der Zulässigkeit von Zahlungen an Mitarbeiter und andere); Re Lands Allotment Co. [1894] 1 Ch. 616 (Vergleich mit Dritten über Ansprüche gegen die Gesellschaft); Re Anglo-French Co-operative Soc., ex p. Pelly (1882) 21 Ch.D. 492 (Gewährung finanzieller Vorteile u. a. an shareholder); Aberdeen Railway v. Blaikie (1854) 1 Macq. H.L. Cas. 461, HL Sc. (Haftung des director als trustee für Insichgeschäft zum Nachteil der Gesellschaft); Costa Rica Railway Co Ltd v. Forward (1901) 1 Ch. 746 (Her­ ausgabepflicht von Erlösen aus konkurrierender Tätigkeit); Imperial Mercantile Credit Association v. Coleman (1873) L.R. 6 H.L. 189 (Interessenkonflikte). Zum Ganzen eingehend Keay, Directors’ Responsibilities, S. 179  ff., insbes. S. 199  ff.; Sealy, (1967) 25 C.L.J. 83, 92  ff.; zum gegenwärtigen Entwicklungsstand stellvertretend Gower/Davies, Principles, Rn. 1612  ff., jeweils m. w. N. 225   Vgl. insbesondere CA 2006, secs. 171 (duty to act within powers), 172 (duty to promote the success of the company), 173 (duty to exercise independent judgment), 174 (duty to exer­ cise reasonable care, skill and diligence), 175 (duty to avoid conflicts of interest), 176 (duty not 221

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Jahrhunderte auf. Ausschlaggebend für die Kodifikation war dabei weniger der Wunsch nach einem neuen, selbständigen Fundament für die betreffenden Rechtspflichten oder Veränderungen im bisherigen Pflichtengefüge. Im Vorder­ grund stand vielmehr das Bestreben, durch die Aufnahme der bereits zuvor in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen in den Gesetzestext deren Transparenz für die betroffenen Geschäftsleiter und damit auch die Rechtssi­ cherheit zu erhöhen. 226 Inhaltlich ist diese Entwicklung mithin ein geradezu idealtypisches Beispiel für einen Sedimentationsprozeß, in dem über die Ausle­ gung allgemeiner (hier: fiduziarischer) Standards durch die Rechtsprechung über längere Zeiträume hinweg ein umfassendes Erfahrungswissen um praxis­ relevante Fallbeispiele aufgebaut wird, das sich dann durch eine konkretisieren­ de Gesetzgebung zu positivem Gesetzesrecht verfestigt. Die Durchsetzung der fiduziarischen Verhaltenspflichten oblag bis in die jüngste Zeit dem board of directors bzw. im eröffneten Insolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter (liquidator, administrator). Wiederholt unternommenen Versuchen einzelner shareholder, bei Untätigkeit des board die Ansprüche der Gesellschaft im Wege der derivative suit geltend zu machen, hat sich die Recht­ sprechung schon früh und bis in die jüngste Zeit fast durchweg verweigert. 227 Die Rechtsdurchsetzung durch Gesellschafter als Instrument zur Durchset­ zung gesellschaftsrechtlicher (Verhaltens-) Pflichten spielte vor diesem Hinter­ grund kaum eine praktische Rolle. Eine gesetzliche Grundlage wurde zwar 2001 eingeführt, blieb aber beschränkt auf Ausnahmefälle.228 Erst der Compa­ to accept benefits from third parties), ferner secs. 177 (duty to declare interest in proposed transaction or arrangement), 182 (declaration of interest in existing transaction or arrange­ ment), 190 (substantial property transactions: requirement of members’ approval), 197  ff. (loans to directors, „quasi-loans“ to directors, etc.); näher Gower/Davies, Principles, Rn. 161  ff., 16-17  ff.; im allgemeinen Kontext fiduziarischer Pflichten Kasolowsky, Fiduciary Duties, S. 94  ff. Die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten bei Rechtsgeschäften (CA 2006, sec. 177) ist im Grundsatz bereits im Companies Act 1929 gesetzlich geregelt worden, siehe dort sec. 149, sodann CA 1948, sec. 199. Der Companies Act 1985 formulierte (in sec. 317) die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten bereits als Teil recht umfassender Pflichten mit dem Zweck des „Enforcement of Fair Dealing by Directors“ (CA 1985, Part X). 226   CA 2006, Explanatory Notes, para. 301; siehe auch Gower/Davies, Principles, Rn. 16-2 (dort auch zu den mit der Kodifikation verbundenen Änderungen an der früheren Rechtsla­ ge). 227   Vgl. zunächst die frühe Leitentscheidung in Foss v. Harbottle (1843) 2 Hare 461, wonach Ansprüche der Gesellschaft gegen directors aufgrund von Pflichtverletzungen nur durch die Gesellschaft selbst geltend zu machen sind und derivative suits insbesondere in Fällen aus­ scheiden, in denen die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit die streitgegen­ ständliche Handlung gestatten könnte. Ferner Mozley v. Alston (1847) 1 Ph. 790 (Kompetenz­ streitigkeiten zwischen Gesellschaftern und directors); umfassende Diskussion in Prudential Assurance Co Ltd v. Newman Industries (No. 2) [1982] Ch. 204, 210; Wallersteiner v. Moir (No. 2) [1975] Q.B. 373, CA; Johnson v. Gore, Wood & Co. [2001] 1 All E.R. 481, HL. Zum Ganzen Gower/Davies, Principles, Rn. 17-4  ff.; Reisberg, Derivative Actions, S. 88  ff. 228   Durch die directors veranlaßte Spenden und andere Ausgaben für politische Zwecke – eingefügt als Part XA in den Companies Act 1985, vgl. The Political Parties, Elections and

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nies Act 2006 hat auch in dieser Hinsicht die bislang praktizierte Zurückhal­ tung teilweise korrigiert und schafft mit den secs. 260  ff. 229 eine Rechtsgrund­ lage für „derivative claims and proceedings by members“. Derivative claims sind danach zulässig „in respect of a cause of action arising from an actual or proposed act or omission involving negligence, default, breach of duty or breach of trust by a director of the company“ (CA 2006, sec. 260(3)) – und mithin für einen umfassenden Kreis pflichtwidriger Handlungen oder Unterlassungen.230 Ergänzt wird dieses System um das Verbot der unfair prejudice zu Lasten der Gesellschaftergesamtheit oder einzelner Gesellschafter (CA 1985, sec. 459; CA 2006, sec. 994), das jede Art von Handlungen und Unterlassungen nicht nur von directors, sondern auch beispielsweise von Mehrheitsgesellschaftern erfaßt, die zu einer unfairen Benachteiligung einzelner Gesellschafter oder der Gesell­ schaftergesamtheit führt. Als Recht der Gesellschafter, Entscheidungen auf Antrag gerichtlich rückgängig machen zu lassen und alle Arten gerichtlicher Anordnungen zu beantragen, die zu ihrem Schutz erforderlich sind,231 steht die Regelung auch weiterhin der Sache nach zwischen materiellem und Prozeß­ recht. Aus der zwischenzeitlich ergangenen Judikatur lassen sich indes wieder­ um auch konkrete Anforderungen an ein „faires“ Verhalten gegenüber den Ge­ sellschaftern nicht zuletzt in finanzierungsbezogenen Entscheidungen ablei­ ten.232 Begünstigte der fiduziarischen Geschäftsleiterpflichten blieben bis weit in das 20. Jahrhundert hinein die Gesellschaft und die Gesellschaftergesamtheit. Erst seit den 1980er Jahren sind auch die Gläubiger als Begünstigte in den Fokus gerückt;233 damit sind Grundsätze rezipiert worden, die zwischenzeitlich in an­ Referendums Act 2000 (Commencement No. 1 and Transitional Provisions) Order, SI 2001/222. 229   Bzw. für Schottland in den secs. 265  ff. CA 2006. 230   Zu Einzelheiten nochmals Gower/Davies, Principles, Rn. 17-4  ff. 231   Vgl. allgemein CA 1985, sec. 459: Antragsrecht, wenn „the company’s affairs are being or have been conducted in a manner which is unfairly prejudicial to the interest of its members generally or some part of the members (including at least himself) or that any actual or pro­ posed act or omission of the company (including any act or omission on his behalf) is or would be so prejudicial”; zum Inhalt zulässiger Anordnungen sec. 461 (1) (“such order as [the court] thinks fit for giving relief in respect of the matters complained of.”) und (2). Siehe nun­ mehr CA 2006, sec. 996. 232   Vgl. z. B. Anderson v. Hogg, (2000) S.L.T. 634 und (2002) S.L.T. 354: pflichtwidrige Zahlungen von directors an sich selbst. 233   Lonrho Ltd v. Shell Petroleum Co Ltd [1980] 1 W.L.R. 627, 634 per Lord Diplock (obi­ ter); Brady v. Brady (1988) BCLC 20; Clydebank Football Club Ltd v. Steedman and ors (2002) SLT 109; Re Pantome 485 Ltd [2002] 1 BCLC 266; Colin Gwyer and Associates Ltd v. London Wharf (Limehouse) Ltd [2002] EWHC 2748; Re MDA Investment Management Ltd [2005] BCC 783; restriktiv Yukong Lines of Korea v. Rendsberg Investment Corp. of Nigeria (No. 2) [1988] BCC 870. Näher zur Entwicklung etwa Grantham, [1991] J.B.L. 1  ff.; Keay, Directors’ Responsibilities, S. 153  ff.; ders., [2002] J.B.L. 379  ff.; ders., 66 M.L.R. (2003), 655  ff.; ders., (2004) 4 JCLS 307  ff.; ders., (2005) 64 C. L. J. 614  ff.; McKenzie-Skene, 1 J. Bus. & Tech. L. 499, 500  ff. (2007).

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deren Commonwealth-Staaten durch die Rechtsprechung entwickelt worden waren.234 Kennzeichnend dafür ist die Sichtweise, daß in der Krise und bei In­ solvenzreife der Gesellschaft sich die Schutzrichtung der an sich nur gegenüber der Gesellschaft selbst bestehenden Geschäftsleiterpflichten schon deshalb auf die Gläubiger verschiebe, weil das Gesellschaftsvermögen dann vorrangig zur Befriedigung ihrer Ansprüche diene. 235 Auf dieser Grundlage wurde etwa die Haftung der Geschäftsleiter für vermögensmindernde Transaktionen bejaht, wenn sich den Verantwortlichen geradezu aufdrängen mußte, daß das verblei­ bende Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung der Gläubiger nicht ausreichen würde. 236 Die Haftung tritt damit in der Sache mit ähnlichem Anwendungsbe­ reich konkurrierend neben die gesetzliche Haftung für wrongful bzw. fraudu­ lent trading im Zeitpunkt der Insolvenzreife (Insolvency Act 1986, secs. 213, 214), was die noch nicht geklärte Frage nach der eigenständigen Bedeutung des Haftungstatbestands aufgeworfen hat.237 Auch deshalb ist von einer Kodifikati­ on im Zusammenhang mit der Reform des Gesellschaftsrechts durch den Com­ panies Act 2006 abgesehen worden.238 Inhalt und Grenzen des Schutzbereichs und der materiellen Schutzpflicht – insbesondere in Abwägung mit den eigenen, möglicherweise divergierenden Interessen der Gesellschaft und der Gesell­ schafter – sind nach wie vor nur wenig konturiert. 239 Auch wenn damit die Gläubiger in den Schutz der fiduziarischen Geschäftsleiterpflichten einbezogen sind, lehnt die Rechtsprechung auch weiterhin eine volle Außenwirkung der Pflichten im Sinne selbständiger Klagerechte einzelner Gläubiger oder Gläubi­ gergruppen ab. Die Geschäftsleiter sind danach gegenüber der Gesellschaft ver­ pflichtet, in der Krise die Schutzinteressen der Gläubiger zu wahren; nur die Gesellschaft – und in der Insolvenz der Insolvenzverwalter – kann die Verlet­ zung dieser Pflicht im Haftungsverfahren durchsetzen. 240

  Walker v. Wimborne (1976) 137 CLR 1, 7 per Mason J (obiter); Nicholson v. Permakraft [1985] 1 NZLR 242; Kinsela v. Russell Kinsela Pty Ltd (1986) 4 NSWLR 722. 235   Charakteristisch Street J. in Kinsela v. Russell Kinsela Pty Ltd (1986) 4 NSWLR 722, 730 (“in a practical sense, the company’s assets are their assets“); dem zustimmend Dillon LJ in West Mercia Safety Wear Ltd v. Dodd (1988) BCLC 250, 252 (obiter). 236   Brady v. Brady (1988) BCLC 20. 237   Vgl. dazu zusf. die Nachw. soeben Fn. 233 a.E. 238   Vgl. Company Law Review, Modern Company Law for a Competitive Economy: De­ veloping the Framework, para. 3.72; House of Commons, Trade and Industry Committee, White Paper on Modernising Company Law, Cm. 5553, paras. 3.12  ff., und dazu die eingehen­ de Analyse bei McKenzie-Skene, 1 J. Bus. & Technol. L. 499, 511  ff. (2007). 239   Für die Einbeziehung nur der gegenwärtigen Gläubiger etwa Brady v. Brady (1988) BCLC 20; für eine Interessenabwägung im Einzelfall bereits Walker v. Wimborne (1976) 137 CLR 1; ähnlich Clydebank Football Club Ltd v. Steedman and ors (2002) SLT 109; Re MDA Investment Management Ltd [1990] BCC 600. 240   Ausdrücklich z. B. Yukong Lines of Korea v. Rendsberg Investment Corp of Liberia (No. 2) [1988] BCC 870, 884 per Tulson J; abweichend Winkworth v. Edward Baron Develop234

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2. Kapitel:  Restriktion

bb)  Gesellschafter Finanzierungsbezogene Verhaltenspflichten der Gesellschafter ergeben sich insbesondere aus den Grundsätzen über den Haftungsdurchgriff gegen Gesell­ schafter von Kapitalgesellschaften (sog. „lifting the veil“), 241 die allerdings erst im 20. Jahrhundert in der Rechtsprechung entwickelt wurden und bis heute nur eine eingeschränkte Rolle spielen. Gegen einen Ausbau dieser Grundsätze wird nach wie vor die zentrale Entscheidung in Sachen Salomon v. Salomon & Co. angeführt, 242 die die rechtliche Selbständigkeit von Kapitalgesellschaften mit voller Haftungsbeschränkung in einem Fall anerkannt hatte, in dem der einzige Gesellschafter einer Limited Company sein Geschäft in die Gesellschaft einge­ bracht hatte und diese kurz darauf in die Krise geriet. Nach dem Urteil war der Gesellschafter nicht verpflichtet, die Gläubiger aus seinem Privatvermögen für die ihnen in der Insolvenz entstandenen Ausfälle zu entschädigen. In Fällen, in denen die Rechtsform in einer zu mißbilligenden Weise zur Verhinderung eige­ ner Haftung gewählt wurde (Rechtsform als „mere façade or sham“), 243 ist eine Haftung zwar ebenso erwogen worden wie in solchen, in denen sich eine Unter­ nehmensgruppe aufgrund der im Einzelfall gegebenen Macht- und Vermögens­ verhältnisse bei wirtschaftlicher Betrachtung als Einheit („single economic unit“) darstellte. Die jüngere Leitentscheidung in Adams v. Cape Industries Plc hat die tatbestandlichen Voraussetzungen mit Rücksicht auf die grundsätzliche Freiheit der Wahl der Rechtsform jedoch sehr restriktiv gefaßt. Im entschiede­ nen Fall verweigerte der Court of Appeal daher den (Vollstreckungs-) Durch­ griff gegen die in den USA ansässige Tochter eines englischen Unternehmens. 244 ment Co Ltd (1987) 1 All E.R. 114, 118 per Lord Templeman (duty „to the company and to the creditors of the company“ – eig. Hervorhebung). Zur Durchsetzung in der Insolvenz etwa Ferran, Company Law and Corporate Finance, S. 139; siehe nochmals auch die Nachw. oben Fn. 233 a.E. 241   Vgl. dazu stellvertretend Gower/Davies, Principles, Rn. 8-5  ff. Auch im englischen Recht geben nicht allein finanzierungsbezogene Entscheidungen oder andere Maßnahmen Anlaß zur Nichtbeachtung der Inkorporierung als Kapitalgesellschaft mit potentiellen Haf­ tungsfolgen für die Gesellschafter; vgl. etwa Re FG (Films) Ltd [1953] 1 W.L.R. 483 (Grün­ dung einer Limited Company durch eine in den USA ansässige Gesellschaft in England mit dem alleinigen Motiv, in den Genuß staatlicher Subventionen für die britische Filmindustrie zu gelangen. Hier führte die Nichtanerkennung der Gesellschaftsgründung im konkreten Kontext zur Klassifikation der Filmproduktion als nicht britisch und damit als nicht förde­ rungsfähig.). 242   [1897] A.C. 22. 243   Z.  B. Jones v. Lipman [1962] 1 W.L.R. 832 (Ch.) (Vertragshaftung im Wege der specific performance); hier verfolgte die Gründung einer neuen Limited Company den Zweck, be­ rechtigten Forderungen gegen die Vorgängergesellschaft zu entgehen. Ähnlich Re H (restraint order) [1996] 2 All E.R. 391 (C.A.); Re a Company [1985] BCLC 333 (C.A.). 244   Adams v. Cape Industries Plc [1990] 2 W.L.R. 786; siehe auch bereits Bank of Tokyo Ltd v. Karoon [1987] A.C. 45, 64, per Goff LJ (obiter): “[Counsel] suggested beguilingly that it would be technical for us to distinguish between parent and subsidiary company in this con­ text; economically, he said, they were one. But we are concerned not with economics but the

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Mit entsprechenden Erwägungen wurde in der Insolvenz einer für die Finan­ zierung einer Unternehmensgruppe gegründeten Tochtergesellschaft der Durchgriff von Anleihegläubigern gegen die von der Anleiheemission bei wirt­ schaftlicher Betrachtung allein profitierende Muttergesellschaft nicht zugelas­ sen.245 Auch in Gruppenlagen wird damit zwischen den Haftungsmassen der beteiligten Gesellschaften strikt unterschieden. Zumal bei Publikumsgesell­ schaften wird ein Durchgriff auf die Gesellschafter generell ausgeschlossen. 246 Nicht nur die Geschäftsleiter, sondern auch die Gesellschafter selbst fallen je­ doch ggf. in den Anwendungsbereich der Haftung für fraudulent trading (In­ solvency Act 1986, sec. 213); die Anwendbarkeit dieser Norm ist allerdings auch insoweit auf wenige Ausnahmefälle beschränkt geblieben.247 Für das Innenver­ hältnis der Gesellschafter untereinander schließlich gilt wiederum das Verbot der unfair prejudice (CA 1985, sec. 459; CA 2006, sec. 994).248 b)  USA Sieht man von den erwähnten Ausschüttungsschranken 249 ab, waren finanzie­ rungsbezogene Verhaltenspflichten in den frühen US-amerikanischen Gesell­ schaftsrechten kaum ausgeprägt. Allerdings existierten einzelne gesetzliche Haftungstatbestände, die der weiteren Ausdifferenzierung finanzierungsbezo­ gener Pflichten durch die Rechtsprechung den Weg wiesen. 250 Weitgehend blieb es jedoch dieser überlassen, die finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzrege­ lungen um konkrete Pflichten zu ergänzen; die Gesetzgebung nahm (und nimmt bis heute) darauf Rücksicht und verzichtet darauf, der Judikatur vorzugreifen. 251 Sowohl die finanzierungsbezogenen Pflichten der Geschäftsleiter (unten aa)) als auch jene der Gesellschafter (unten bb)) sind heute weitgehend aus allgemeinen, teils fiduziarisch, teils deliktsrechtlich fundierten Grundsätzen abgeleitet und durchweg Konkretisierungen offener Standards.

law. The distinction between the two is, in law, fundamental and cannot here be bridged.” Zum Ganzen näher Gower/Davies, Principles, Rn. 8-7  ff.; Prentice, 10 Fla. J. Int’l L. 469, 473  ff. (1996). 245   Re Polly Peck International (no. 3) [1996] 2 All E.R. 433, 445  ff. 246   Vgl. stellvertretend Gower/Davies, Principles, S. 190 m. w. N. 247   Siehe zu beiden bereits oben sub aa) (S. 510) bei und in Fn. 222. 248   Siehe dazu bereits oben sub aa) (S. 512) bei und in Fn. 231. 249   Oben sub II. 4. (S. 504). 250   Besonders anschaulich New York Stock Corporation Law 1892, c. 688, §§ 23–25. 251   Vgl. bereits Uniform Business Corporation Act 1928, sec. 20 IV. (Verweisung auf Grundsätze aus Common Law und Equity zu Ansprüchen Dritter gegen Gesellschaft, (Grün­ dungs-) Gesellschafter und Geschäftsleiter).

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2. Kapitel:  Restriktion

aa)  Pflichten der directors und managers Die Regeln für die Geschäftsleiterhaftung in den US-amerikanischen Gesell­ schaftsrechten speisen sich – ähnlich wie in England – teils aus allgemeinen ver­ tragsrechtlichen, teils aus fiduziarischen Rechtsgrundsätzen. Auf der Grundla­ ge der Kompetenzordnung für die Organe der corporation und allgemeiner fi­ duziarischer Rechtsgrundsätze hat die Rechtsprechung in einer Vielzahl von Haftungsfällen einen zunehmend dichten Katalog an Pflichten der directors und managers formuliert, der auch finanzierungsbezogene Aspekte umfaßt. In Umfang und Ausdifferenziertheit geht er mittlerweile über die ursprünglichen fiduziarischen Grundsätze weit hinaus. 252 Wichtige Beispiele für die dynami­ sche Rechtsfortbildung auf diesem Gebiet sind insbesondere Urteile, die fidu­ ziarische Pflichten der directors als Grundlage einer Haftung gegenüber den Gläubigern für von ihnen zu verantwortende Vermögensabflüsse in der (mate­ riell) bereits eingetreten Insolvenz sowie neuerdings bereits in Insolvenznähe253 formuliert haben. Diese Entwicklung steht in unverkennbarem Widerspruch zur in der älteren Rechtsprechung anerkannten Position, wonach directors und managers ausschließlich gegenüber der corporation verpflichtet sind. 254 Die Konturen der damit – maßgeblich von der Rechtsprechung in Delaware – be­ 252   Vgl. zum Verhältnis allgemeiner fiduziarischer Grundsätze zu den Verhaltenspflichten der Geschäftsleiter im US-amerikanischen Recht und der historischen Entwicklung insoweit eingehend Brudney, 38 B.C. L. Rev. 595  ff., insbes. 601  ff. (1997); speziell zur Frühphase Dodd, American Business Corporations, S. 71  ff. 253   Richtungsweisend die von Chancellor Allen formulierte opinion in Credit Lyonnais Bank Nederland, N. V. v. Pathe Communications Corporation, 1991 WL 277613 (Del. Ch. Dec. 30, 1991, Fn. 55); vgl. – allerdings wiederum restriktiver – auch Production Resources Group L.L.C. v. NCT Group, Inc., 863 A.2d 772, 790  ff. (Del. Ch. 2004); für die Verantwor­ tung der Konzernmutter ablehnend Trenwick American Litigation Trust v. Ernst & Young L.L.P., 906 A.2d 168 (2006); großzügiger dagegen Brandt v. Hicks, Muse & Co. (In re Healthco International, Inc.), 208 B.R. 288, 302 (Bankr. D. Mass. 1997, nach leveraged buy-out); Miramar Res., Inc. v. Schultz (In re Schultz), 208 B.R. 723, 729 (Bankr. M.D. Fla. 1997); Official Comm. of Unsecured Creditors of Buckhead Am. Corp. v. Reliance Capital Group (In re Buckhead Am. Corp.), 178 B.R. 956, 968 (D. Del. 1994); Geyer v. Ingersoll Publ’ns Co., 621 A.2d 784, 787 (Del. Ch. 1992); Official Comm. of Unsecured Creditors of Hechinger Inv. Co. of Del. v. Fleet Retail Fin. Group (In re Hechinger Inv. Co. of Del.), 274 B.R. 71, 89 (D. Del. 2002). Zum Ganzen – mit z.T. deutlichen Abweichungen in der Einschätzung – etwa Bainbridge, 1 J. Bus. & Tech. L. 336, 345  ff. (2007); Campbell/Frost, 32 J. Corp. L. 491  ff. (2007); Lipson, 50 UCLA L. Rev. 1189  ff., insbes. 1208  ff. (2003); ders., 12 Stan. J.L. Bus. & Fin. 224, 229  ff. (2007); Barondes, 7 Geo. Mason L. Rev. 45, 101  f. (1998); Sheinfeld/Pippitt, 60 Bus. Law. 79  ff. (2004); rechtsvergleichend Böckmann, Gläubigerschutz, S. 202  ff.; die neuere Entwick­ lung zusf. Klöhn, RIW 2008, 37  ff. 254   Z.B. Harff v. Kerkorian, 324 A.2d 215 (Del. Ch. 1974), rev’d on other grounds, 347 A.2d 133 (Del. 1975); aus der älteren Judikatur bereits Skinner v. Hulsey, 138 So. 769, 773 (Fla. 1931); Conrick v. Houston Civic Opera Ass’n, 99 S.W.2d 382, 385 (Tex. 1936). Abweichend aus der älteren Judikatur allerdings etwa New York Credit Men’s Adjustment Bureau, Inc. v. Weiß, 110 N.E.2d 397, 398 (N. Y. 1953); Swinney v. Kebler Co., 329 F.Supp. 216 (D.S.C. 1971), rev’d on other grounds, 480 F.2d 5783 (4th Cir. 1973); Whitfield v. Kern, 192 A. 48, 55 (N.J. 1937), Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen in Insolvenznähe). Zum Ganzen näher

A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive

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gründeten Fallgruppe sind allerdings nach wie vor nicht vollständig geklärt. Ansätze zur Verpflichtung der Geschäftsleiter auf Gläubigerinteressen in der Insolvenz reichen bereits in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zurück. Sie stehen in historischer Verbindung zur Entwicklung von Gesellschafterpflichten im Umgang mit dem Kapital der corporation, genauer: der sog. „trust fund doc­ trine“, auf die im Zusammenhang mit der Darstellung der Gesellschafterpflich­ ten zurückzukommen ist. In Rezeption und Ausdehnung dieser Lehre sind auch directors einer corporation in der Insolvenz für verpflichtet gehalten wor­ den, das Eigenkapital im Interesse der Gläubiger zu schützen und vor vermö­ gensmindernden Verfügungen zu bewahren.255 Mit der zunehmend ausdiffe­ renzierten Insolvenzrechtsgesetzgebung im Verlauf des 20. Jahrhunderts und den damit reduzierten bzw. schärfer begrenzten Einwirkungsmöglichkeiten des Managements während des eröffneten Verfahrens verlor dieser Grundsatz aller­ dings an Bedeutung.256 Die jüngere Tendenz zur Ausweitung der fiduziarischen Bindungen der Geschäftsleiter im Sinne gläubigerschützender Verhaltenspflich­ ten in der Krise scheint gegenwärtig allerdings gebrochen zu sein. Zumindest der Delaware Supreme Court hat zwischenzeitlich die insoweit großzügigere Rechtsprechung des Delaware Chancery Court korrigiert und eine Haftung der Geschäftsleiter unmittelbar gegenüber den Gläubigern für die Verletzung fiduziarischer Pflichten in der Krise deutlich abgelehnt. Für den Zeitraum ma­ teriell bereits eingetretener Insolvenz und außerhalb eines förmlichen Insol­ venzverfahrens hat er entsprechende Bindungen indes weiterhin bejaht; daraus resultierende Haftungsansprüche stünden aber nicht unmittelbar einzelnen Gläubigern oder Gläubigergruppen zu. 257 Unabhängig vom weiteren Verlauf dieser Rechtsentwicklung kann jedenfalls festgehalten werden, daß damit die bereits oben skizzierten gesetzlichen Kapi­tal­ erhaltungsregeln, aber auch der insolvenzrechtliche Vermögensschutz in Ge­ stalt der Grundsätze über die Anfechtung von fraudulent conveyances258 um ein flexibel gehandhabtes, aber in seiner Reichweite wenig berechenbares Korrektiv für gläubigerschädigende Finanzierungsentscheidungen ergänzt worden sind. Campbell/Frost, 32 J. Corp. L. 491, 495  ff. (2007); siehe auch Hu/Westbrook, 107 Colum. L. Rev. 1321, 1354  ff. (2007). 255   Vgl. z. B. bereits – jeweils noch auf der Grundlage der trust fund doctrine – Asmussen v. Quaker City Corp., 156 A. 180 (Del. Ch. 1931); Pennsylvania Co. for Insurances v. South Broad Street Theatre Co., 174 A. 112 (Del. Ch. 1934); Bovay v. H.M. Byllesby & Co., 38 A.2d 808 (Del. 1944), und dazu näher Hu/Westbrook, 107 Colum. L. Rev. 1321, 1332  ff. (2007); Lipson, 50 UCLA L. Rev. 1189, 1203  ff. (2003); ders., 12 Stan. J.L. Bus. & Fin. 224, 230  f. (2007). 256   Hu/Westbrook, 107 Colum. L. Rev. 1321, 1345  ff. (2007); Lipson, 12 Stan. J.L. Bus. & Fin. 224, 231 (2007). 257   North American Catholic Educ. Programming Found., Inc. v. Rob Gheewalla, 930 A.2d 92 (Del. 2007); dazu Hu/Westbrook, 107 Colum. L. Rev. 1321, 1343  ff. (2007); Lipson, 12 Stan. J.L. Bus. & Fin. 224, 285  f. (2007); zusf. Klöhn, RIW 2008, 37  ff. 258   Siehe nochmals oben sub II. 4. (S. 504) bei und in Fn. 202.

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2. Kapitel:  Restriktion

Das Nebeneinander richterrechtlicher und gesetzlicher, insbesondere insolvenz­ rechtlicher Schutzinstrumente präsentiert sich dabei weniger als Ausfluß plan­ mäßig-systematischer Regulierungskonzepte als vielmehr als Ergebnis evoluto­ risch-historischer Zufälligkeiten. Zumal die ungeklärte systematische Abstim­ mung zwischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht in der Krise, die aufgrund der unterschiedlichen Gerichtszuständigkeiten für gesellschaftsrechtliche Be­ lange einerseits und insolvenzrechtliche andererseits auch ungelöste prozessu­ ale Implikationen aufweist, 259 illustriert dies. bb)  Gesellschafter Auch finanzierungsbezogene Gesellschafterpflichten sind – in einer durchaus vergleichbaren Gemengelage aus gesetzlichen Pflichten und einem weit ge­ spannten Netz jedenfalls partiell älterer Regeln – seit dem 19. Jahrhundert in Haftungsprozessen formuliert worden und haben sich allmählich zu drei zu­ nehmend einheitlich gehandhabten Fallgruppen verdichtet. Ihre Entwicklung weist damit deutliche Parallelen zu jener der Geschäftsleiterpflichten auf; teil­ weise bestehen gemeinsame historische Wurzeln. (1) Letzteres gilt insbesondere für die bereits im Zusammenhang mit der Ge­ schäftsleiterhaftung erwähnte sog. trust fund doctrine, welche in der Leitent­ scheidung Wood v. Drummer260 entwickelt wurde und den Kontrollmaßstab für den Umgang der Gesellschafter mit dem Gesellschaftsvermögen an fiduzia­ rischen Grundsätzen ausrichtete: Danach wurde das Grundkapital der Gesell­ schaften als Treuhandvermögen (trust fund) zugunsten der Gesellschaftsgläu­ biger angesehen und haftete jeder, der wissentlich Nennwertaktien für eine unter dem Nennwert bleibende Gegenleistung annahm, den Gesellschaftsgläu­ bigern auf den Differenzbetrag. Während die Doktrin in der Rechtsprechung zunächst weite Verbreitung fand, 261 blieb ihre Grundlegung in fiduziarischen Rechtsgrundsätzen äußerst umstritten 262 und ging die Judikatur dazu über, die charakteristischen Fallkonstellationen 263 einerseits nach delikts- (fraud), ande­ rerseits nach insolvenzrechtlichen (fraudulent conveyance) Kategorien zu lösen. Der systematische Ansatzpunkt blieb freilich weiterhin unbestimmt. Dies zeig­   Vgl. wiederum Lipson, 12 Stan. J.L. & Bus. 224, 246  ff. und 279  ff. (2007); siehe auch Campbell/Frost, 32 J. Corp. L. 491, 506  ff. (2007). 260   Wood v. Drummer, 30 Fed. Cas. 435, 436 (C.C. Me. 1824). 261   Vgl. nur Hunt, 12 Yale L.J. 63, 65  f. (1902); siehe auch Hu/Westbrook, 107 Colum. L. Rev. 1321, 1332  ff. (2007); Varallo/Finkelstein, 48 Bus. Law. 239, 245  ff. (1992). 262   Vgl. wiederum Hunt, 12 Yale L.J. 63, 67  ff. (1902); ferner Beveridge, 25 St. Mary’s L.J. 589, 594  ff. (1994). Endgültige Abkehr in der Rechtsprechung in Wood v. National City Bank, 24 F.2d 661, 662 (2d Cir. 1928). 263   Vermögensverringernde Ausschüttungen und anderweitige Verfügungen zugunsten der Gesellschafter mit korrespondierenden Gläubigerverlusten; willkürliche Bevorzugung einzelner Gläubiger in der Insolvenzreife; Fälle des stock watering (Unterpari-Emission), vgl. die Analyse der Rechtsprechung bei Hunt, 12 Yale L.J. 63, 69 (1902). 259

A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive

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te nicht zuletzt die in Fortbildung der trust fund doctrine vertretene sog. fraud bzw. holding out doctrine, welche die Haftung für unzulässige UnterpariEmissionen mit der betrügerischen Enttäuschung des Gläubigervertrauens in den Umfang des Grundkapitals als Haftungsmasse begründete. 264 Die Haftung nach diesen Grundsätzen blieb beschränkt auf Vertragsgläubiger, deren Forde­ rung nach Ausgabe des watered stock entstanden war.265 Im Ausgangspunkt handelte es sich – wenn auch eher vage begründet – um eine Vertrauenshaftung nach equity-Grundsätzen, 266 doch mußte ein Kläger unter dieser Doktrin ledig­ lich die Ausgabe von watered stock nachweisen, nicht aber sein Vertrauen auf den vollen Bestand des Grundkapitals.267 Die frühe Rechtsprechung zielte nach alledem darauf ab, den mit den gesetzlichen Kapitalaufbringungsregeln gezoge­ nen Rahmen haftungsrechtlich abzusichern und dafür eine tragfähige Grundla­ ge in allgemeinen fiduziarischen und deliktsrechtlichen Prinzipien zu finden. Als erste Ansätze zu selbständigen finanzierungsbezogenen Verhaltensregeln für Gesellschafter bleiben diese frühen Vorstöße, auch wenn sie in der jüngeren Entwicklung nicht weiterverfolgt wurden, von Bedeutung. Denn das methodi­ sche Grundmuster – Konkretisierung des gesetzlichen Rechtsrahmens für die Finanzierung der corporation anhand allgemeiner Standars, sodann Verfesti­ gung durch Fallgruppenbildung – ist auch für die weitere Entwicklung der fi­ nanzierungsbezogenen Verhaltenspflichten von Gesellschaftern und Geschäfts­ leitern in den Gesellschaftsrechten der USA charakteristisch. (2) Parallelen in methodischer Hinsicht finden sich insbesondere auch mit den Grundsätzen über den Haftungsdurchgriff, deren Wurzeln bis in die Recht­ sprechung des frühen 19. Jahrhunderts zurückreichen und die im Anschluß an eine Formulierung von Wormser268 heute durchweg unter dem Oberbegriff des „piercing of the corporate veil“ bzw. „veil piercing“ diskutiert werden. Um den Stellenwert der – in ihren Einzelheiten kaum mehr überschaubaren 269 – Proble­ 264   Richtungsweisend Hospes v. Northwestern Mfg. & Car Co., 50 N.W. 1117 (Minn. 1892): “The capital of a corporation is the basis for its credit. It is a substitute for the individual liabil­ ity to those who own its stock. People (…) have the right to assume that it has paid in capital to the amount which it represents itself as having; and if they give it credit on the faith of that representation, and if the representation is false, it is a fraud upon them.” Vgl. auch bereits Melvin v. Lamar Ins. Co., 80 Ill. 446 (1875). 265   Vgl. Hunt, 12 Yale L.J. 63, 77  f. (1902). 266   Hunt, 12 Yale L.J. 63, 79  f. (1902). 267   Siehe wiederum Hospes v. Northwestern Mfg. & Car Co., 50 N.W. 1117 (Minn. 1892); ferner G. Loewus & Co. v. Highland Queen Packing Co., 6 A.2d 545 (N.J. 1939); enger (zu­ mindest nachweislicher Einfluß der Kapitalisierung auf die Kreditentscheidung erforderlich) Bing Crosby Minute Maid Corp. v. Eaton, 297 P.2d 5 (Cal. 1956). 268   Wormser, 12 Colum. L. Rev. 496  ff. (1912). 269   Überblick z. B. in Laya v. Erin Homes, 352 S.E.2d 93, 98 (W.Va. 1986). Vgl. insoweit stellvertretend die umfassende Systematisierung des Fallmaterials bei Clark, Corporate Law, S. 71  ff.; Cox/Hazen, Corporations, § 7.08, S. 274  ff.; Fletcher, Cyc. Corp., § 41  ff.; Presser, Pier­ cing the Corporate Veil, passim; in deutscher Sprache vgl. vor allem die detaillierte Aufberei­ tung der Judikatur bei Bruns, Haftungsbeschränkung, S. 99  ff.; Merkt/Göthel, US-Gesell­

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2. Kapitel:  Restriktion

matik im Gesamtsystem gesellschaftsrechtlicher Regulierung in den USA zu ermessen, genügt ein Blick auf wesentliche Grundlinien: Funktional bewirkt diese Form der Durchgriffshaftung (auch) die aus Billigkeitsgründen vorge­ nommene Aufhebung der vermögens- und haftungsrechtlichen Verselbständi­ gung der corporation im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern. In Rechtspre­ chung und Literatur ist dieser Gedanke häufig hervorgehoben und damit zu­ gleich der Ausnahmecharakter des Haftungsdurchgriffs vor dem Hintergrund der unbedingten gesetzlichen Anerkennung der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen betont worden. 270 Charakteristisch ist nach wie vor die Interpretation als Sanktion für eine mißbräuchliche Inanspruchnahme des da­ mit gewährten Schutzes zugunsten des persönlichen Vermögens der Gesell­ schafter. 271 Insgesamt geht es bei den entschiedenen Fällen allerdings nicht allein um einen haftungs-, sondern vielfach auch und in erster Linie um einen voll­ streckungsrechtlichen Durchgriff. Durchgriffshaftung ist damit kein eigen­ ständiger, abschließend definierter Haftungstatbestand, sondern eine Sanktion, die im wesentlichen auf Billigkeitsgesichtspunkten im Einzelfall beruht. 272 Zur Systematisierung der Entscheidungsgrundsätze haben sich in Rechtspre­ chung und Literatur zwischenzeitlich zwar einige allgemeine, in den einzelnen Jurisdiktionen allerdings unterschiedlich ausgestaltete Leitlinien herausgebil­ det. 273 Aus dem Spektrum aller insoweit in Betracht kommenden Sachverhalts­ konstellationen – neben dem folgenden u. a. mißbräuchliche Ausübung von Be­ schaftsrecht, Rn. 376  ff.; ferner Böckmann, Gläubigerschutz, S. 223  ff. und 235  ff., sowie aus der älteren Literatur bereits Immenga, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 352  ff.; Wiethölter, Interessen, S. 196  ff., jeweils m. w. N. 270   Vgl. stellvertretend Presser, Piercing the Corporate Veil, § 1:3, S. 1–12  ff.; Gelb, 59 Chi.Kent L. Rev. 1, 4  f., 14  f. (1982); aus dem Kreis früher Untersuchungen in der Literatur Wormser, 12 Colum. L. Rev. 496  ff. (1912); die literarischen Bemühungen um eine Systematisierung der Materie zusf. Michael, 26 J. Corp. L. 41, 43  ff. (2000). 271   Nach wie vor aktuell insoweit United States v. Milwaukee Refrigerator Transit Co., 142 F. 247, 255 (C.C.E.D. Wis. 1905): Die mit der Rechtsform der corporation gewährte Haf­ tungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen sei nicht aufrechtzuerhalten, „when the notion of legal entity is used to defeat public convenience, justify wrong, protect fraud, or defend crime.“ 272   Zusf. Fletcher, Cyc. Corp., § 41.10, S. 577  f.; zur Differenzierung zwischen Vertragsund Deliktsgläubigern insoweit ebd., § 41.85, S. 691  ff.; Thompson, 76 Cornell L. Rev. 1036, 1058  ff. (1991). 273   Üblicherweise zusammengefaßt unter den Schlagwörtern der „instrumentality doctri­ ne“, der „alter ego doctrine“ und der „identity doctrine“, die mit unterschiedlichen Akzentu­ ierungen auf die Art der Einflußnahme des betreffenden Gesellschafters auf die betreffende corporation und die daraus resultierenden Macht- und Vermögensverhältnisse abstellen. Vgl. zur „instrumentality doctrine“ (mißbräuchlicher Eingriff in die komplett beherrschte corpo­ ration maßgeblich) die Leitentscheidung in Lowendahl v. Baltimore & Ohio Railroad, 287 N.Y.S. 62 (App. Div.), aff’d 6 N.E.2d 56 (N.Y. 1936), siehe auch Zaist v. Olson, 227 A.2d 552 (1967). Zur „alter ego doctrine“ (beherrschte Gesellschaft als de facto identisch mit dem be­ klagten Gesellschafter) etwa Doe v. Unocal Corp., 248 F.3d 915, 926 (9th Cir. 2001); Pearson v. Component Technology Corp., 247 F.3d 471, 485 (3d Cir. 2001); Flynt Distrib. Co. v. Harvey, 734 F.2d 1389, 1393 (3d Cir. 2001). Zum Ganzen bereits die Nachw. oben Fn. 269.

A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive

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herrschungsmacht, Mißachtung von Formalitäten insbesondere bei der Grün­ dung der corporation 274 – ist vorliegend vor allem der Haftungsdurchgriff in Fällen der Vermögensvermischung, 275 der (anfänglichen) groben materiellen Unterkapitalisierung276 sowie des planmäßigen „Ausblutens“ der Gesellschaft zugunsten eines beherrschenden Gesellschafters277 von Interesse, wobei typi­ scherweise jeweils mehrere Faktoren in die Bewertung der entschiedenen Fälle einbezogen wurden. Ungeachtet des Einzelfallcharakters dieser Judikatur prä­ sentieren sich diese Grundsätze als Instrument des Gläubigerschutzes neben und anstelle von gesetzlichen Schutzinstrumenten. Insbesondere substituieren bzw. ergänzen sie gesetzliche Mindestkapital-, Kapitalaufbringungs- und Kapi­ talerhaltungsregeln. 278 Inhaltlich lassen sich damit für den so umrissenen An­ wendungsbereich zumindest gewisse, wenn auch wenig trennscharf konturierte Finanzierungs- und Finanzierungsfolgepflichten für die anfängliche Kapital­ ausstattung, aber auch für den weiteren Umgang mit dem Gesellschaftskapital ableiten, die im Kern darauf abzielen, das Vertrauen des Rechtsverkehrs in den Bestand des publizierten Eigenkapitals bei Geschäftsbeginn und seine aus­ schließliche Verwendung für die Gesellschaft selbst zu schützen.279 Die Präju­   Siehe nochmals die Nachw. soeben Fn. 269.   Vgl. aus der Judikatur – jeweils überwiegend unter Berücksichtigung auch weiterer Ge­ sichtspunkte – etwa Bergen v. F/V St. Patrick, 816 F.2d 1345, 1352 (9th Cir. 1987); Hystro Products, Inc. v. MNP Corp., 18 F.3d 1384 (CA7 1994); Kramer v. Keys, 643 F.2d 382, 385  f. (5th Cir. 1981); Pepsi-Cola Metro Bottling Co. v. Checkers, Inc., 754 F.2d 1, 14  f. (1st Cir. 1985); United States v. Nagelberg, 772 F.Supp. 120 (E.D. N.Y. 1991); Walkovsky v. Carlton, 223 N.E.2d 6 (N.Y. 1966); William Wrigley Jr. Co. v. Waters, 890 F.2d 594 (CA 2 1989), und dazu Fletcher, Cyc. Corp., § 41.50; zur älteren Rechtsprechung insoweit Wormser, 12 Colum. L. Rev. 496, 515  ff. (1912). Siehe aus der steuerrechtlichen Rechtsprechung auch United States v. Walton, 909 F.2d 915 (CA6 1990). 276   Vgl. aus der Rechtsprechung der Bundesgerichte – wiederum jeweils überwiegend unter Berücksichtigung auch weiterer Gesichtspunkte – z. B. Georgetown Manor, Inc. v. Ethan Allan, Inc., 991 F.2d 1533 (CA11 1993); Kramer v. Keys, 643 F.2d 382, 385  f. (5th Cir. 1981); Radaszewski by Radaszewski v. Telecom Corp., 981 F.2d 305 (CA8 1992); Teamsters Health and Welfare Fund v. World Transp., Inc., 241 F.Supp. 2d 499 (E.D. Pa. 2003); Trustees of the Nat. Elevator Indus., Pension, Health Benefit and Educ. Funds v. Lutyk, 332 F.3d 188 (CA3 2003); United States v. Golden Acres, Inc., 702 F. Supp. 1097 (D Del. 1988); auf einzelstaatlicher Ebene Automotriz Del Golfo de California v. Resnick, 306 P.2d 1, 4 (Cal. 1957); Dannasch v. Bifulco, 184 AD.2d 415, 585 (1992); Gallagher v. Reconco Builders, Inc., 415 N.E.2d 560, 564 (Ill. App. 1980); Minton v. Cavaney, 56 Cal.2d 576 (1961); Refco, Inc. v. Farm Product Assn., 844 F.2d 525 (8th cir. 1988) und dazu Cox/Hazen, Corporations, § 7.11, S. 289  ff.; Fletcher, Cyc. Corp., § 41.33, tw. überholt durch 2005 Cumulative Supplement, S. 242  ff.; Gelb, 59 Chi.Kent L. Rev. 1  ff. (1982); Hackney/Benson, 43 U. Pitt. L. Rev. 837  ff. (1982). 277   Deutlich z. B. United States v. Golden Acres, Inc., 702 F. Supp. 1097 (D Del. 1988). 278   Vgl. mit ähnlicher Einschätzung auch Böckmann, Gläubigerschutz, S. 235; in diese Richtung auch Bruns, Haftungsbeschränkung, S. 99  f. Eher zurückhaltende Bewertung inso­ weit bei Thompson, 76 Cornell L. R. 1036, 1065  ff. (1991), der (aufgrund empirischer Auswer­ tung des veröffentlichten Entscheidungsmaterials) zu dem Ergebnis gelangt, die Bedeutung der Unterkapitalisierung als Grund für einen Haftungsdurchgriff werde eher überschätzt. 279   Pointiert Fletcher, Cyc. Corp., § 41.33, S. 653: “Generally, the presumption is that the 274

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dizwirkung des Ergebnisses der Einzelfallabwägung für künftige Fälle, wie sie die Interpretation der in der Judikatur entwickelten Kriterien im Sinne einer „Checkliste“280 („template approach“) 281 nahelegen könnte, ist schon angesichts der stets betonten Einzelfallabhängigkeit eher fragwürdig. Ihre Bedeutung bleibt – wegen der Anknüpfung an die individuelle Verantwortung eines Ge­ sellschafters kaum verwunderlich – weitgehend auf Deliktsansprüche gegen personalistische Gesellschaften sowie auf die Haftung in Konzernverhältnissen beschränkt. 282 Dies mag wiederum die unterschiedliche regionale Verteilung der Judikatur und insbesondere die nur geringe Bedeutung in Delaware erklä­ ren, das vor allem der Inkorporationsstandort größerer, kapitalmarktorientier­ ter Gesellschaften ist. 283 (3) Ein drittes Beispiel für den Ausbau richterrechtlich geprägter finanzie­ rungsbezogener Verhaltenspflichten bietet die Möglichkeit des erzwungenen Rangrücktritts von Gesellschafterforderungen, insbesondere stehengelassener Gesellschafterdarlehen, nach den Grundsätzen der equitable subordination in der Insolvenz. Auch dieses – in Anlehnung an die erste Leitentscheidung unter dem Namen „Deep Rock Doctrine“284 bekanntgewordene – Institut betrifft fi­ nanzierungsbezogene Entscheidungen des Gesellschafters und weist damit Be­ rührungspunkte auf zu den Voraussetzungen für den Haftungsdurchgriff. Die Grenze zwischen beiden Instrumenten verläuft nach wie vor in einer Grauzo­ ne. 285 Unterschiedlich sind – neben der Rechtsfolge – weniger das sanktionierte Verhalten und die typischerweise erfaßten Lebenssachverhalte als die Perspek­ tive der Begründung: Knüpft der Haftungsdurchgriff in erster Linie an die Mißachtung der vermögensrechtlichen Selbständigkeit der corporation an, so liegt der Argumentationsschwerpunkt bei der equitable subordination auf dem Ergebnis der Gläubigerschädigung.286 Voraussetzung ist ein unbilliges Finan­ party dealing with the corporation did not assume the risk of grossly inadequate capitaliza­ tion.“ 280   Für die vielfach praktizierte Herangehensweise in der Rechtsprechung der Bundesstaa­ ten auf der Grundlage einer umfassenden Auswertung veröffentlichter Entscheidungen aus allen Bundesstaaten Bruns, Haftungsbeschränkung, S. 106. Vgl. in diese Richtung deutlich auch Cox/Hazen, Corporations, § 7.08, S. 280  f. (“Not every factor will be present in each case. Nevertheless, the more factors that are present, the more likely it is that a court will disregard the veil of limited liability.”) 281   Gevurtz, 76 Or. L. Rev. 853, 857 (1997) (mit deutlichen Vorbehalten gegenüber der Tragfähigkeit des Ansatzes). 282   Eingehend Thompson, 76 Cornell L. R. 1036, 1052, 1054  ff. (1991); ders., 13 Conn. J. Int’l L. 379  ff. (1999). 283   Wohl nach wie vor aktuell insoweit die Analyse bei Thompson, 76 Cornell L. R. 1036, 1052  f. (1991); siehe auch dens., 13 Conn. J. Int’l L. 379  ff. (1999). 284   Vgl. Taylor v. Standard Gas & Electric Co., 306 U.S. 307 (1939) – im konkreten Fall handelte es sich um eine Forderung der Muttergesellschaft Standard Gas & Electric Co. gegen die Tochtergesellschaft Deep Rock. 285   Vgl. Hackney/Benson, 43 U. Pitt. L. Rev. 837, 880 (1982). 286   Cox/Hazen, Corporations, § 7.19, S. 317.

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zierungsverhalten des Gesellschafters, das Gläubiger benachteiligt oder dem Gesellschafter selbst einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft hat. 287 Die Be­ rührungspunkte zu den anfechtungsrechtlichen Grundsätzen der fraudulent conveyance unübersehbar. Ähnlich wie der Haftungsdurchgriff hat auch die equitable subordination aufgrund der flexibleren, stark von Billigkeitsgesichts­ punkten geprägten Ausgestaltung einen potentiell weiteren Anwendungsbe­ reich. Dieser ist indes zunehmend durch präzisere Anfechtungstatbestände überlagert worden und ermöglicht heute vor allem in Ausnahmekonstellationen eine Korrektur vermögensschädigender Verhaltensweisen im Interesse des Gläubigerschutzes.288 Auch die damit aufgestellten Grundsätze lassen sich im Sinne eines Katalogs finanzierungsbezogener (Unterlassungs-) Pflichten der Geschäftsleiter und Gesellschafter auswerten, die neben den gesetzlichen Gläu­ bigerschutz treten. c)  Deutschland Anders als für die anglo-amerikanischen Rechte lassen sich für das deutsche Ka­pitalgesellschaftsrecht bereits früh Ansätze zur jedenfalls punktuellen ge­ setzlichen Festlegung finanzierungsbezogener Pflichten der Organe und Gesellschafter nachweisen, die neben das oben behandelte konstitutive Organi­ sations- und Finanzverfassungsrecht treten. Dies betrifft vor allem die Ge­ schäftsleitungs- und Überwachungsorgane (unten aa)), weniger die Gesellschaf­ terpflichten (unten bb)), für die sich erst allmählich und in haftungsrechtlichem Kontext einheitliche Grundsätze herausgebildet haben. aa)  Geschäftsleitungs- und Überwachungsorgane (1) Erste Ansätze zu situativ ansetzenden finanzierungsbezogenen Verhaltens­ pflichten der Geschäftsleiter in der Aktiengesellschaft finden sich bereits im Preußischen Aktiengesetz von 1843. Nach § 25 des Gesetzes mußte der Vor­ stand Verluste von mehr als der Hälfte des Grundkapitals „öffentlich bekannt machen“. Reichte das vorhandene Vermögen zur Schuldendeckung nicht mehr aus, war auf Initiative „der Regierung“, mithin der Konzessionsbehörde, von Amts wegen der Konkurs zu eröffnen (§ 26). In modifizierter Form, jedoch – nach Aufgabe des Konzessionssystems – ohne Beteiligung von Aufsichtsbehör-

  Vgl. neben der Leitentscheidung Taylor v. Standard Gas & Electric Co., 306 U.S. 307 (1939), bereits Pepper v. Litton, 308 U.S. 295 (1939) sowie zum heutigen Stand die Judikate In re Mobile Steel Co., 563 F.2d 692, 699  f. (5th Cir. 1977); ferner In re Matter of Fabricators, Inc., 926 F.2d 1458, 1464  f. (5th Cir. 1991); In re Universal Farming Industries, 873 F.2d 1334, 1337 (9th Cir. 1989), und dazu näher Clark, Corporate Law, § 2.3, S. 52  ff.; Cox/Hazen, Corpora­ tions, § 7.19, S. 315  ff.; deutsch z. B. Böckmann, Gläubigerschutz, S. 210  ff. 288   Clark, Corporate Law, § 2.3.3, S. 65  f. 287

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den übernahm das ADHGB von 1861 diese Pflicht ergänzend zu den damit neu eingeführten institutionellen Kapitalschutzregeln:289 Nach Art. 240 Abs. 1 ADHGB war im Falle des Verlusts der Hälfte des Grundkapitals zwingend die Generalversammlung einzuberufen; nach Abs. 2 der Bestimmung war der Vor­ stand verpflichtet, ggf. die Eröffnung des Konkursverfahrens zu beantragen. Die mit der Aufgabe des Konzessionssystems verbundene Hinwendung zum Grundsatz der Eigenkontrolle290 trat damit gerade in den finanzierungsbezoge­ nen Verhaltenspflichten besonders deutlich hervor. Auch die neu eingeführte aktienrechtliche Haftungssanktion in Art. 241 Abs. 2 ADHGB, die in Satz 2 insbesondere auch auf verbotswidrige Dividendenausschüttungen und Zins­ zahlungen erstreckt wurde, akzentuierte den erhöhten Rang dieser Organ­ pflichten besonders deutlich. Die Antragspflicht nach Art. 240 ADHGB wurde erstmals auch strafrechtlich bewehrt (Art. 249a ADHGB). Nachdem das skizzierte Pflichtenprogramm in der Aktienrechtsnovelle von 1870 unverändert geblieben war, wurde es mit der Novelle von 1884 weiter aus­ gebaut. Die Rechtsprechung bejahte auf dieser Grundlage schon früh einen Er­ satzanspruch geschädigter Gläubiger gegen Vorstände, die gegen die Pflicht zur Konkursantragstellung verstoßen hatten.291 Um konkrete Organpflichten er­ weitert wurde das Gründungsrecht; hier ergänzten detaillierte, haftungsbe­ wehrte Vorgaben an die Gründungsprüfung durch einen Gründungsvorstand das bisherige Regime. 292 Indem das Gesetz die Gesellschaft selbst als Gläubiger der Haftungsansprüche identifizierte, wurde der für die Geschäftsleiterpflich­ ten in den Kapitalgesellschaften bis heute prägende Grundsatz der Haftungs­ kanalisierung erstmals im deutschen Recht verankert. 293 Auch die finanzie­ rungsbezogenen Pflichten des mit der Novelle von 1884 vorgeschriebenen Auf­ sichtsrats wurden für das Gründungsstadium 294 sowie für den laufenden Geschäfts­betrieb vorgeschrieben und um korrespondierende Haftungsvor­ schriften ergänzt. 295 Die strafrechtlichen Sanktionen für Verstöße gegen finan­ zierungsbezogene Organpflichten wurden weiter ausgebaut. 296 Nachdem die Notverordnung des Reichspräsidenten vom 19. September 1931 punktuelle Ergänzungen im bisherigen Pflichtenprogramm eingeführt hatte, 297   Siehe dazu bereits oben sub II. 1. a) (S. 491  ff.).   Treffend Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Hundert Jahre, S. 53  ff. 291   Vgl. nur RG, Urt. v. 5. 6. 1935 – II 228/34, JW 1935, 3301 Nr. 1. 292   Vgl. Artt. 209h, 213c  ff., 223 ADHGB n.F. 293   Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre, S. 53, 71  f. 294   Vgl. Artt. 209h ADHGB n.F.: Gründungsprüfung durch den Gründungsaufsichtsrat; Artt. 213c  ff. ADHGB n.F. – jeweils entsprechend den Anforderungen an den Vorstand. 295   Vgl. Artt. 225, 226 Abs. 2–4 ADHGB n.F. 296   Vgl. Artt. 249  ff. ADHGB n.F. 297   Vgl. insbesondere Artt. 227a (Ersatzpflicht von Vorstand und Aufsichtsrat bei Verstö­ ßen gegen die neu eingeführten Restriktionen für den Erwerb eigener Aktien – Artt. 226  f.), 240a HGB i.d.F. der Notverordnung (Einschränkung der Kreditgewährung an Vorstands­ 289

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verschärfte sodann das Aktiengesetz von 1937 mit dem Ausbau der Kompeten­ zen des Vorstands298 auch dessen Organpflichten. Neben Anforderungen an die Gründungsprüfung299 sowie die Verhaltenspflichten in der Krise (§ 83 AktG 1937), die im Kern dem bisherigen Rechtszustand entsprachen, formulierte das neue Recht neben dem allgemeinen Sorgfaltsmaßstab des „ordentlichen und ge­ wissenhaften Geschäftsleiters“ (§ 84 Abs. 1 AktG 1937) einen korrespondieren­ den allgemeinen Haftungstatbestand (§ 84 Abs. 2 AktG 1937, vgl. heute § 93 Abs. 2 AktG). Hinzu trat ein detaillierter Katalog spezieller haftungsbegrün­ dender Tatbestände, der auf einzelne finanzierungsbezogene Pflichten Bezug nahm (§ 84 Abs. 3 AktG 1937). Die Pflichten des Aufsichtsrats konkretisierten §§ 95, 99 AktG 1937 (vgl. heute §§ 111, 116 AktG 1965). Wie unter dem heute geltenden Recht standen die Pflichten des Vorstands im Hinblick auf die Kapi­ talerhaltung damit zwischen den statischen institutionellen Gläubigerschutzre­ geln einerseits und echten, situativ eingreifenden Organpflichten andererseits: Die Haftungssanktion knüpft tatbestandlich an konkrete Einzelfallentschei­ dungen an, ist aber als solche zugleich Bestandteil eines Systems präventiv aus­ gerichteter und notwendig statischer Finanzierungsvorgaben. (2) Im Recht der GmbH ergaben sich finanzierungsbezogene Geschäftsleiter­ pflichten von Anbeginn an im wesentlichen aus drei Einzelbestimmungen: Ne­ ben dem Auszahlungsverbot im Rahmen der Kapitalersatzpflicht (§ 30 Abs. 1 GmbHG) galten dabei bereits nach der ursprünglichen Fassung ausdrückliche Verhaltenspflichten in der Krise, und zwar zum einen die Pflicht zur Stellung des Konkursantrags und zum zweiten das haftungsbewehrte Zahlungsverbot in der Krise (§ 64 Abs. 1 und 2 GmbHG a.F.). Hinzu trat die Generalklausel des § 44 GmbHG a.F., einschließlich des darin in Abs. 3 konkretisierten Ersatzan­ spruchs für Zahlungen entgegen §§ 30, 33 GmbHG; funktional entspricht ihr die Regelung des § 43 GmbHG i.d.F. der Novelle von 1980. Auch diese Verhal­ tenspflichten gelten primär der Gesellschaft selbst gegenüber.300 Ebenfalls ge­ genüber der Gesellschaft bestanden und bestehen die finanzierungsbezogenen Organpflichten in der Krise nach § 64 GmbHG (a.F./n.F.). Insoweit hat die Rechtsprechung indes bereits früh – entsprechend der Rechtslage im Aktien­ recht – die Pflicht zur Stellung des Konkursantrags nach § 64 Abs. 1 GmbHG als Schutzgesetz i. S.d. § 823 Abs. 2 BGB qualifiziert und bei Verstößen dagegen Ersatzansprüche der geschädigten Gläubiger bejaht.301 Anders entschieden mitglieder) sowie zur Verschärfung bestehender Strafvorschriften Art. IX.1 der Notverord­ nung. 298   Siehe bereits oben sub I. 1. a) (S. 475) bei und in Fn. 30. 299   Vgl. §§ 25  f., 41 AktG 1937. 300   Vgl. § 44 Abs. 1 und 2 GmbHG a.F. (bzw. § 43 Abs. 1 und 2 GmbHG n.F.): Grundsatz der Haftungskanalisierung. 301   Vgl. bereits RG, Urt. v. 4. 1. 1910 – II 255/09, RGZ 73, 30, 32  ff.; sodann BGH, Urt. v. 16. 12. 1958 – VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100, 102  ff.

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wurde bekanntlich im Falle des § 30 Abs. 1 GmbHG.302 Kennzeichnend (auch) für das System der Verhaltenspflichten des GmbH-Geschäftsführers in Krise und Insolvenz ist damit eine Kombination aus teils konkret definierten (§§ 30 Abs. 1, 43 Abs. 3, 64 Abs. 1 GmbHG), teils allgemein gehaltenen (§ 43 Abs. 1 GmbHG) Tatbeständen, die in der Rechtsprechung teilweise unter Rückgriff auf das allgemeine Haftungsrecht (§ 823 Abs. 2 BGB) ausgebaut und um eine durchaus schneidige Haftungssanktion ergänzt worden sind. bb)  Gesellschafterpflichten (1) Mit dem Wandel hin zu offenen, anonymen Aktionärsstrukturen, der sich im 19. Jahrhundert vollzog, verringerten sich auch die faktischen Möglichkeiten der Aktionäre zur Einflußnahme auf das Finanzierungsverhalten. Folgerichtig blieben deshalb die gesetzlichen finanzierungsbezogenen Gesellschafterpflich­ ten, die neben die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben traten, für die Aktiengesellschaft in erster Linie auf die Gründungsphase konzentriert. Das ADHGB i.d.F. von 1870 formulierte zwar Prüfungspflichten einer Gründungs­ generalversammlung (Art. 209a ADHGB), ohne jedoch den Gesellschaftern weitere finanzierungsbezogene Pflichten aufzuerlegen. Mit der Novelle von 1884 verschärften sich die Pflichten der Gründer insofern, als diese im Rahmen des Gründungsverfahrens zur förmlichen Feststellung des Gesellschaftsver­ trags verpflichtet wurden (Artt. 209c  ff. ADHGB).303 Die zuvor in Art. 209a ADHGB statuierten Prüfungspflichten indes fielen, wie gezeigt, ab der Novelle von 1884 Vorstand und Aufsichtsrat zu (Art. 209h n.F.). Erstmals mit Art. 211 ADHGB 1861 eingeführt und in der Novelle von 1870 unverändert übernom­ men wurde eine Handelndenhaftung vor Gründung.304 Abermals modifiziert wurden die Gründungsvorschriften mit dem Aktiengesetz von 1937.305 Das Ak­ tiengesetz von 1965 hat diese Vorgaben inhaltlich im wesentlichen unverändert übernommen.306

302   Diese Vorschrift stellt nach inzwischen wohl einhelliger Ansicht kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB dar, vgl. BGH, Urt. v. 19. 2. 1990 – II ZR 268/88, BGHZ 110, 342, 359; Urt. v. 25. 6. 2001 – II ZR 38/99, BGHZ 148, 167, 170; und dazu Ulmer/Habersack, § 30 GmbHG Rn. 22; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 1; Scholz/Westermann, GmbHG, § 30 Rn. 11; eingehend Haas, Gläubigerschutz, S. 27  f. 303   Dazu eingehend Schäfer/Jahntz, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, Kap. 5 Rn. 42, 44  ff. 304   Siehe nachfolgend mit entsprechendem Inhalt §§ 200 Abs. 1 Satz 2 HGB i.d.F. von 1897, 34 Abs. 1 Satz 2 AktG 1937, § 41 AktG 1965 und zur Entwicklung eingehend Schäfer/Jahntz, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, Kap. 5 Rn. 67  ff. 305   Vgl. für die Gründerhaftung §§ 39  ff., für die Handelndenhaftung vor Gründung § 34 Abs. 1 Satz 2 AktG 1937. 306   Vgl. für die Handelndenhaftung vor Gründung nunmehr § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG 1965; für die Gründerhaftung §§ 46  ff. AktG 1965.

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Die damit umrissenen Regelungen orientierten sich mithin am Leitbild des Publikumsaktionärs. Fälle, in denen Aktionäre mit unternehmerischen Interes­ sen Einfluß auf Finanzierungsentscheidungen nahmen, waren damit naturge­ mäß nicht erfaßbar. Für diese hat die Rechtsprechung erst spät im 20. Jahrhun­ dert zusätzliche finanzierungsbezogene Pflichten formuliert, indem sie die GmbH-rechtlichen Grundsätze über kapitalersetzende Gesellschafterdarle­ hen 307 im Wege der Analogie auch auf Darlehen an derart interessierte Aktionä­ re angewendet und somit für diese eine besondere Finanzierungsverantwortung bejaht hat.308 Dieser Personenkreis unterliegt damit nach bisherigem Recht, d. h. bis zur Neuregelung durch § 39 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO n.F., nicht anders als der Gesellschafter einer GmbH qualifizierten Schranken für Finanzierungsentscheidungen in der Krise, die ihm über die finanzverfassungs­ rechtlichen Grundlagen hinaus besondere Verantwortung auferlegen. (2) Im Recht der GmbH sind die finanzierungsbezogenen Gesellschafter­ pflichten – korrespondierend zum in dieser Rechtsform idealtypisch gegebenen unternehmerischen Einfluß der Gesellschafter – seit jeher über den Gründungs­ zeitraum hinaus stärker ausgebildet als bei der AG. Unter Verzicht auf ein ähn­ lich stark wie bei dieser formalisiertes Gründungsverfahren konzentrierten sich die finanzierungsbezogenen Gesellschafterpflichten mit §§ 30, 31 GmbHG von vornherein auf die Kapitalerhaltung. Auch die daraus resultierenden Restriktio­ nen für den Umgang der Gesellschafter mit dem Gesellschaftsvermögen stehen systematisch zwischen situativ ansetzenden Verhaltenspflichten und den star­ ren finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben für die Kapitalausstattung.309 In­ dem § 31 GmbHG (a.F./n.F.) eigenständige Haftungsfolgen für den verantwort­ lichen Gesellschafter und (subsidiär) seine Mitgesellschafter anordnet, nimmt die Vorschrift die Gesellschafter neben dem gleichfalls für die Einhaltung des Verbots aus § 30 GmbHG – nach § 43 Abs. 3 Satz 1 GmbH wiederum auch haf­ tungsrechtlich – verantwortlichen Geschäftsführer in die Verantwortung. Mit den §§ 30, 31 GmbHG regelte das GmbH-Gesetz indes zunächst nur ei­ nen Teilausschnitt der finanzierungsbezogenen Gesellschafterpflichten. Nach­ folgend sind die damit verbundenen Restriktionen für Finanzierungsentschei­ dungen – im Sinne einer nach Fallgruppen konturierten „Finanzierungsfolgen­ verantwortung“310 – bekanntlich im wesentlichen in drei Richtungen ausgebaut   Zu diesen sogleich sub (2) im Text.   Vgl. BGH, Urt. v. 26. 3. 1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381, 386  ff., Urt. v. 9. 5. 2005 – II ZR 66/03, NZG 2005, 712, 713; MünchKomm/Bayer, AktG, § 57 Rn. 174  ff.; Spindler/Stilz/ Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 57 Rn. 102  ff.; K. Schmidt/Lutter/Fleischer, AktG, § 57 Rn. 54  ff.; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 16  ff. 309   Vgl. wiederum Ulmer/Habersack, GmbHG, § 30 Rn. 1. 310   Begriff nach Wiedemann, ZIP 1986, 1293, 1297; siehe im Anschluß daran BGH, Urt. v. 11. 7. 1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336, 344  f.; zum insoweit mit dem MoMiG eingetretenen Paradigmenwechsel stellvertretend Habersack, ZIP 2007, 2145, 2146  f.; Krolop, GmbHR 2009, 397, 398  ff. 307

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worden: erstens hinsichtlich der Regelung der Gesellschafterdarlehen, für wel­ che gesetzliche Vorgaben in der Reformdiskussion Ende der 1930er Jahre zwar erwogen worden, letztlich aber im Zweiten Weltkrieg nicht mehr weiterverfolgt worden waren;311 zweitens (und damit zusammenhängend) hinsichtlich der erst vergleichsweise spät problematisierten eigenkapitalersetzenden Nutzungsüber­ lassung;312 drittens schließlich hinsichtlich der bereits früh in einzelnen Ent­ scheidungen vorbereiteten, aber erst allmählich systematisierten und nach wie vor in Einzelfragen umstrittenen Grundsätze über den Haftungsdurchgriff ge­ gen die Gesellschafter313 und hier insbesondere der jüngeren höchstrichterli­ chen Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff.314 Ein Überblick über die Entwicklung insoweit, einschließlich der partiellen Kodifikation der in der Rechtsprechung formulierten Grundsätze über den Ka­ pitalersatz mit der Novelle des GmbH-Gesetzes von 1980,315 ist im hiesigen Zu­ sammenhang verzichtbar. Festzuhalten bleibt indessen, daß auf dem Gebiet der finanzierungsbezogenen Gesellschafterpflichten eine Kombination aus gesetz­ lichen Vorgaben mit richterrechtlich geprägten Haftungstatbeständen kenn­ zeichnend ist, welche neben die allgemeinen gesetzlichen Anforderungen an die Finanzverfassung treten und diese im Sinne einer persönlichen Verantwortung für Teilaspekte der Unternehmensfinanzierung konkretisieren. Unter dem Ge­ sichtspunkt der vergleichenden Analyse von Regulierungsinstrumenten und Regulierungsstrategien verdient dieser Befund besonderes Interesse: Die finan­ zierungsbezogenen Gesellschafterpflichten im GmbH-Recht sind ein beson­ ders klares Beispiel dafür, daß auch das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht zwi­ schenzeitlich von einer Weiterentwicklung des gesetzlichen Normenbestands   Näher Hommelhoff/Kleindiek, in: FS Hundert Jahre GmbH-Gesetz, S. 421, 424  ff.   Zur Entwicklung näher Hommelhoff/Kleindiek, in: FS Hundert Jahre GmbH-Gesetz, S. 421, 433  ff. 313   Zur Entwicklung der Dogmatik des Haftungsdurchgriffs und der einschlägigen Fall­ gruppen insoweit aus der älteren Literatur – jeweils mit unterschiedlichen Ansätzen – Drobnig, Haftungsdurchgriff, S. 24  ff. und passim; Serick, Rechtsform und Realität, passim; Wilhelm, Rechtsform und Haftung, passim; Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), 522  ff.; aus dem jüngeren Schrifttum Bruns, Haftungsbeschränkung, S. 216  ff.; Grigoleit, Gesellschafterhaf­ tung, S. 222  ff. 314   Vgl. grundlegend zunächst BGH, Urt. v. 17. 9. 2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, 10, 15  ff. (Bremer Vulkan); Urt. v. 24. 6. 2002 – II ZR 300/00, BGHZ 151, 181, 186  ff. (KBV); für die heutige Konzeption der Existenzvernichtungshaftung als auf § 826 BGB gestützter Fall der Innenhaftung maßgeblich BGH, Urt. v. 16. 7. 2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246  ff. (Trihotel); im Anschluß daran auch BGH, Urt. v. 9. 2. 2009 – II ZR 292/07 (Sanitary: Existenzvernich­ tung im Liquidationsstadium); zur jüngeren Entwicklung etwa Lutter/Hommelhoff/Lutter, GmbHG, § 13 Rn. 28  ff.; Altmeppen, NJW 2007, 2657  ff.; Dauner-Lieb, ZGR 2008, 34  ff.; Gehrlein, WM 2008, 761  ff.; Haas, ZIP 2009, 1257  ff.; Habersack, ZGR 2008, 533  ff.; OsterlohKonrad, ZHR 172 (2008), 274  ff.; J. Vetter, BB 2007, 1965  ff.; Weller, ZIP 2007, 1681  ff. Kritisch insbesondere zur Ausgestaltung als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft nach wie vor etwa Hönn, WM 2008, 769, 776  ff.; Rubner, Konzern 2007, 635, 643  ff.; Schanze, NZG 2007, 681, 685  ff.; Schwab, ZIP 2008, 341, 342  ff. 315   Zu letzterem stellvertretend Ulmer/Habersack, §§ 32a/b GmbHG Rn. 20, 23  f. 311

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im Zusammenspiel von Rechtsprechung und Gesetzgebung geprägt ist. Den dogmatischen Anknüpfungspunkt dafür liefern auch hier zunehmend allgemei­ ne Standards. Dies belegt nicht nur die Verankerung der Existenzvernichtungs­ haftung im allgemeinen Deliktsrecht (§ 826 BGB).316 Auch die in Analogie zu §§ 30, 31 GmbHG begründete Finanzierungsfolgenverantwortung ist metho­ disch ähnlich konstruiert: Hier wurden aus dem vorgefundenen Normenbe­ stand verallgemeinerungsfähige Grundsätze und mithin offene Standards ge­ wonnen, aus denen sich sodann kasuistisch Konsequenzen für die Lösung kon­ kreter Problemfälle gewinnen ließen. Die Eignung offener Standards, über längere Anwendungszeiträume hinweg kontinuierlich neues Erfahrungswissen aus der Anschauung konkreter Sachprobleme in den Prozeß der Normbildung und Normkonkretisierung aufzunehmen,317 wird dabei besonders deutlich. Die Entwicklung der finanzierungsbezogenen Pflichten der GmbH-Gesell­ schafter zeigt allerdings auch, daß die nach diesem System zu entscheidenden Fälle ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit aufweisen müssen, damit die betref­ fenden allgemeinen Standards konkretisiert und ggf. zu Fallgruppen verdichtet werden können: Nur dies gewährleistet, daß aus der Anschauung einer Vielzahl von Fallgestaltungen eine zunehmend verläßliche Informationsbasis für die Be­ wertung konkreter Sachprobleme gewonnen werden kann. Dies wird hinsicht­ lich ad hoc getroffener, typischer Verhaltensweisen, z. B. Vermögensverfügun­ gen in der Krise, eher der Fall sein als bei Grundsatzentscheidungen, die die langfristige Finanzierung der betreffenden Gesellschaft betreffen. Weil Kapi­ talstruktur und Finanzierungsverhalten regelmäßig auf Determinanten beru­ hen, die sich in jedem Einzelfall anders darstellen, ist die erforderliche Ver­ gleichbarkeit hier nicht gegeben. Auch dies erklärt, warum sich ungeachtet aller Plädoyers, den Tatbestand der Existenzvernichtungshaftung auch auf Fälle der materiellen Unterkapitalisierung auszudehnen,318 einheitliche Grundsätze für eine darauf bezogene Haftung noch nicht herausgebildet haben:319 Gerade we­ gen der Vielfalt der Sachverhalte ist die Strategie einer kooperativen Weiterent­ wicklung des Pflichtenprogramms durch den Gesetzgeber, der allgemeine Stan­ dards vorgibt, und die Rechtsprechung, die diese anhand von Einzelfällen kon­ kretisiert, hier weniger geeignet, ein entsprechendes, hinreichend verläßliches Erfahrungswissen aufzubauen, aus dem sich dann tragfähige Kriterien für die Entscheidung künftiger Fälle ableiten ließen.   Vgl. nochmals die Nachw. vorstehend Fn. 314.   Siehe bereits oben, 2. Teil, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 2. b) (S. 302  ff.). 318   Vgl. z. B. (noch vor der „Trihotel“-Entscheidung) Hölzle, ZIP 2004, 1729  ff.; zur Dis­ kussion über die Haftung für materielle Unterkapitalisierung allgemein oben, 2. Teil, 1. Ab­ schn., 3. Kap., sub A. II. 1. b) (S. 296) bei und in Fn. 43. 319   Ablehnend zuletzt BGH, Urt. v. 28. 4. 2008 – II ZR 264/06, BGHZ 176, 204  ff. (Gam­ ma); dazu zust. Altmeppen, ZIP 2008, 1201  ff.; Kleindiek, NZG 2008, 686, 688  ff.; Veil, NJW 2008, 3264, 3265  f. 316

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d)  Frankreich aa)  Geschäftsleiterpflichten (1) Auch in Frankreich setzte die gesetzliche Festlegung finanzierungsbezoge­ ner Geschäftsleiterpflichten in den sociétés anonymes etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Der Code de Commerce von 1807 kannte noch keine konkre­ ten Verhaltenspflichten; eine Haftung der administrateurs kam danach allen­ falls nach mandatsrechtlichen Grundsätzen in Betracht. Die Zahl hierauf ge­ stützter Haftungsverfahren insoweit war eher gering.320 Erst die loi sur les so­ ciétés à responsabilité limitée von 1863 formulierte ausdrücklich eine Pflicht der administrateurs, bei Verlusten von drei Vierteln des Gesellschaftskapitals eine Gesellschafterversammlung zum Zweck der Beratung über eine Liquidation der Gesellschaft einzuberufen (Art. 20 al. 1), und stellte damit zugleich ihre Verantwortung zur Überwachung der Finanzierungssituation im laufenden Geschäftsbetrieb klar. Hinzu traten die bereits im Zusammenhang mit dem Ausbau der Kapitalerhaltungsvorschriften durch das Gesetz321 angesprochenen Sanktionen: Neben einem generalklauselartigen Haftungstatbestand für die rechtswidrige Schädigung der Gesellschaft selbst, ihrer Gesellschafter und Gläubiger (Art. 27 al. 1) waren die administrateurs nunmehr ausdrücklich zum Ersatz von Dividenden verpflichtet, die mit ihrem Einverständnis ausgeschüttet wurden, ohne daß korrespondierende Gewinne erwirtschaftet worden wären (Art. 27 al. 2). Letzteres wurde zudem strafrechtlich abgesichert (Art. 31). Die loi sur les sociétés par actions von 1867 übernahm die Pflicht zur Einbe­ rufung der Generalversammlung in der Krise (Art. 37) und baute insbesondere die zivil- und strafrechtliche Haftung für rechtswidrige Vermögensverfügun­ gen weiter aus (Artt. 44  f.). Der allgemeine, dogmatisch zwischen Vertrags- und Deliktsrecht angesiedelte322 Haftungstatbestand in Art. 44 al. 1 loi de 1867 be­ gründete allerdings nach wie vor keine eigenständigen Pflichten, sondern setzte die Verletzung anderweit bestehender Pflichten gegenüber der Gesellschaft oder Dritten voraus.323 Für die erst spät einsetzende einschlägige Judikatur ste­ hen repräsentativ etwa Urteile zur Geschäftsleiterhaftung für finanzierungsbe­ zogene Entscheidungen oder Unterlassungen in Fällen der Nichteinberufung der Generalversammlung entgegen Art. 37 loi de 1867,324 des Mißbrauchs von Vermögen oder Kredit der Gesellschaft 325 oder die Ausschüttung von Dividen­ 320   Vgl. Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 306  ff. (administrateurs) und S. 327 (direc­ teur). 321   Oben sub II. 2. a) (S. 497) bei und in Fn. 148. 322   Näher Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 4, Tz. 1568, S. 307  f. 323   Vgl. dazu und zum folgenden nur Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 4, Tz. 1567  ff., S. 305  ff. 324   Z.B. Cass. com v. 3. 4. 1912, D., 1912.1.521, n. Chéron; 25. 2. 1936, Rev. Soc., 1937, 155; Paris v. 9. 12. 1942, Semaine jurid., 1943.II.2165. 325   Z.B. Cass. com. v. 6. 6. 1904, J.S., 1905, 251.

A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive

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den ohne korrespondierende Gewinne der Gesellschaft (dividendes fictifs).326 Auch im französischen Recht ergänzten somit alsbald nach Aufgabe des Kon­ zessionssystems richterrechtlich generierte Verhaltensstandards den gesetzli­ chen Rahmen für die Finanzverfassung und die einstweilen wenig ausdifferen­ zierten gesetzlichen Organpflichten. Ansprüche der Gesellschaft, einzelner Gesellschafter (im Wege der actio pro socio oder zur Geltendmachung eines individuellen Schadens) sowie der Gläubiger standen dabei wohl gleichrangig nebeneinander.327 Im 20. Jahrhundert sind die finanzierungsbezogenen Geschäftsleiterpflich­ ten zunächst vor allem in insolvenzrechtlichem Kontext erweitert und ausge­ baut worden. Mit décret-loi vom 8. August 1935328 und durch Gesetz vom 16. November 1940 329 wurden die insolvenzrechtlichen Bestimmungen des Code de Commerce geändert und die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der Ge­ schäftsleiter in der Krise verschärft. Damit statuierte das neue Recht eine aus­ schließlich durch den Insolvenzverwalter geltend zu machende Einstandspflicht für vermögensmindernde Verfügungen in der Krise, die an schuldhaftes Fehl­ verhalten der Geschäftsleiter im Hinblick auf ihre Vermögensbetreuungspflich­ ten anknüpfte. Ergänzt wurde der damit präzisierte Vermögensschutz – eben­ falls mit dem décret-loi von 1935 – um deutlich verschärfte Straftatbestände für die Verletzung finanzierungsbezogener Sorgfaltspflichten.330 Auch für die Rechtsentwicklung im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts blieb dies prägend. Nach wie vor existiert ein allgemeiner Haftungstatbestand als Sanktion für die in dieser Norm nicht im einzelnen, sondern nur zusammen­ fassend in Bezug genommenen gesetzlichen und statutarischen Geschäftsleiter­ pflichten. Auch weiterhin kann darauf sowohl die Innen- als auch die Außen­ haftung der Geschäftsleiter gestützt werden.331 Ergänzt werden die daraus re­ sultierenden Restriktionen (auch) für finanzierungsbezogene Entscheidungen und Maßnahmen der Geschäftsleiter durch die mit der Insolvenzrechtsreform von 1967332 eingeführte, rechtsformübergreifend geltende sog. action en com­ blement du passif. Diese eröffnet dem Insolvenzgericht die Möglichkeit, im Fal­ le der Überschuldung die persönliche Haftung der gesetzlichen oder faktischen   Douai v. 18. 4. 1929, J.S., 1931, 284; Paris v. 2. 12. 1936, J.S. 1937, 659. Siehe dazu auch Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 4, Tz. 1574, S. 314, Tz. 1608, S. 363  ff. 327   Vgl. nur Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 4, Tz. 1578  ff., S. 320  ff. 328   Näher Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 4, Tz. 1640  ff., S. 401  ff. m. w. N. auch aus der Judikatur. 329   Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 4, Tz. 1654  ff., S. 419  ff. 330   Näher Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 4, Tz. 1680  ff., S. 451  ff. 331   Vgl. heute Art. L. 225-251 al. 1 nC.com. und bereits Art. 245 loi no. 66-537; dazu ­Merle, Sociétés commerciales, Rn. 405  ff. (Haftung der Mitglieder des conseil d’administration), Rn. 437-1  ff. 332   Loi no. 67-563 du 13. 7. 1967 relative au règlement judiciaire, à la liquidation des biens, à la faillite personnelle et aux banqueroutes, J.O. 15. 7. 1967, p. 7015. 326

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2. Kapitel:  Restriktion

Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft für die ungedeckten Verbindlichkeiten insgesamt oder zum Teil anzuordnen, wenn und soweit die betreffende Person schuldhaft zur Gläubigerschädigung beigetragen hat (sog. faute de gestion).333 Die darauf gestützte – praktisch durchaus häufige – Geschäftsleiterhaftung ist bislang beispielsweise in Fällen der Weiterführung des Geschäftsbetriebs trotz massiven Verlusts des Eigenkapitals334 oder der mißbräuchlichen Verfügung über Gesellschaftsvermögen im Eigeninteresse zum Tragen gekommen.335 Nochmals verschärft wurden die gesetzlichen Anforderungen an finanzie­ rungsbezogene Entscheidungen der Geschäftsleiter in der Krise der Gesell­ schaft durch die mit der Insolvenzrechtsreform von 1985336 eingeführte und 2005337 ausgebaute Geschäftsleiterhaftung für bestimmte Insolvenzforderun­ gen bei Verwirklichung spezieller Mißbrauchs- und Pflichtwidrigkeitstatbe­ stände.338 Schließlich ist in den Fällen einer faute de gestion, die zur Haftung im Wege der action en comblement du passif führen können, auch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen die verantwortlichen Geschäftsleiter selbst vorgesehen, was insbesondere bei der Vermischung der Vermögensmassen durch Geschäftsleiter die Haftung des Gesellschaftsvermögens für die Verbind­ lichkeiten der Gesellschaft absichert.339 Erheblich erweitert wurde bereits 1966 auch die strafrechtliche Haftung der Geschäftsleiter für mißbräuchlichen Um­ gang mit dem Gesellschaftsvermögen.340 Die damit umrissenen Vorgaben gelten auch für die Geschäftsleiter der SAS/SASU. Hinsichtlich der insolvenzrechtli­ chen Haftungstatbestände folgt dies bereits aus deren rechtsformunabhängiger Ausgestaltung; für die gesellschaftsrechtlichen Pflichten und Haftungstatbe­ stände i. e. S. ist dies ausdrücklich angeordnet (Art. L. 227-7 nC.com.). 333   Responsabilité pour insuffisance d’actif, Art. L. 651-2 nC.com. Zu Einzelheiten näher Merle, Sociétés commerciales, Rn. 413 m. w. N.; deutsch eingehend z. B. Meyer, Haftungsbe­ schränkung, S. 445  ff. 334   Vgl. z. B. Cass. com. v. 8. 6. 1974, Rev. soc. 1975, 487, 489  f.; Cass. com. v. 26. 1. 1976, D. 1976, I.R., 111; Cass. v. 21. 7. 1978, Rev. soc. 1979, 573  f.; Aix v. 30. 9. 1975, D. 1976, S.J., 2; Reims v. 10. 5. 1976, D. 1977, I.R., 199; Paris v. 11. 3. 1977, D. 1977, I.R., 298. 335   Z.B. Cass. com v. 7. 7. 1992, Bull. Joly 1992, 1192, no. 387, M.J. Campana; Cass. com v. 17. 11. 1992, Rev. soc. 1993, 445, Y. Chaput; Cass. com. v. 27. 4. 1993, Bull. Joly 1993, 687, no. 192, Y. Chaput; Cass. com. v. 14. 12. 1993, RJDA 1994, 317, no. 405; Paris v. 18. 6. 1991, Bull. Joly 1992, 277, no. 82, A. Couret; Aix v. 16. 5. 2001, RJDA 2002, 353, no. 416. 336   Loi no. 85-98 du 25. 1. 1985 relative au redressement et à la liquidation judiciaires des entreprises, J.O. 26. 1. 1985, p. 1097, Artt. 180  ff. 337   Durch die loi no. 2005-845 du 26. 7. 2005 de sauvegarde des entreprises, J.O. 27. 7. 2005, p. 12187. 338   Sog. action en extension, heute Art. L. 652-1 nC.com. Vgl. dazu Merle, Sociétés com­ merciales, Rn. 413. 339   Vgl. Artt. L. 651-3, 651-4 nC.com. Dazu näher Merle, Sociétés commerciales, Rn. 413. Zur Entwicklung dieses Instituts, das auf Judikate über den Haftungsdurchgriff in Fällen der Vermögensvermischung zurückgeht und seit 1935 gesetzlich verankert ist, eingehend Legeais, RTD com. 1957, 289  ff.; rechtsvergleichend schon Drobnig, Haftungsdurchgriff, S. 30. 340   Vgl. Artt. 437  ff. loi no. 66-537 vom 24. 7. 1966; Artt. L. 242-6  ff. nC.com.

A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive

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(2) Das Recht der SARL hat eine vergleichbare Entwicklung durchlaufen. Das ursprüngliche SARL-Gesetz von 1925 regelte neben einem allgemeinen Haftungstatbestand für Verstöße gegen gesetzliche oder statutarische Bestim­ mungen (Art. 25), der sich eng an die Regelung des Art. 44 des Gesellschafts­ rechts von 1867 anlehnte, lediglich – in Gestalt eines Straftatbestands – das Ver­ bot der Ausschüttung tatsächlich nicht erwirtschafteter Dividenden (dividen­ des fictifs). Auf dieser Grundlage wurden etwa Haftungsansprüche bei Verstö­ ßen gegen die gesetzlichen Schranken für die Dividendenausschüttung, bei mißbräuchlicher Nutzung von Gesellschaftsvermögen im Eigeninteresse des handelnden Geschäftsleiters, aber auch in Krise und Insolvenz bejaht.341 Das reformierte Gesellschaftsrecht von 1966 erweiterte den Pflichtenkreis insofern, als neben dem allgemeinen Haftungstatbestand342 nunmehr eine Pflicht der gé­ rants zur Einberufung einer Generalversammlung im Falle des Verlusts von drei Vierteln des Eigenkapitals vorgesehen war. Zudem führte das neue Recht auch für die SARL die oben im Zusammenhang mit der SA erwähnte Insol­ venzausfallhaftung (action en comblement du passif) ein (Art. 54 loi no. 66537). Mit der Kodifikation im Code de Commerce ist die Geschäftsleiterhaf­ tung in der Insolvenz rechtsformunabhängig ausgestaltet worden, so daß auf die vorstehenden Ausführungen zur SA verwiesen werden kann. bb)  Gesellschafterpflichten (1) Die Gesellschafterhaftung in der société anonyme war seit den Anfängen gesetzlicher Regulierung in erster Linie als Haftung im Zusammenhang mit Versäumnissen bei der Gesellschaftsgründung ausgestaltet. Auch insoweit ent­ hielt der Code de Commerce von 1807 zwar noch keine Vorgaben. Bereits seit den 1830er Jahren wies die Konzessionspraxis des Conseil d’Etat der Grün­ dungsgesellschafterversammlung jedoch bereits recht weitgehende Verantwor­ tung für die Einhaltung der Auflagen an die Kapitalaufbringung zu und er­ gänzte damit die gesetzlichen und im jeweiligen Konzessionsakt vorgesehenen Kompetenzen um ein detailliertes Pflichtenprogramm.343 Bereits die loi sur les sociétés à responsabilité limitée von 1863 setzte die damit eingeschlagene Rich­ tung mit Verfahrensregelungen für den Gründungsvorgang fort; hinzu trat ein korrespondierendes strafrechtliches Sanktionensystem.344 Das Gesetz von 1867 statuierte ähnliche Pflichten; die zivil- und strafrechtliche Haftung der Grün­ dungsgesellschafter auch in finanzierungsbezogenen Belangen wurde ausgebaut   Näher Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 1, Tz. 420, S. 466  ff.   Art. 52 loi no. 66-537, entsprechend Art. L. 223-22 nC.com. Näher zur – umstrittenen – Kasuistik insoweit, die Haftungsansprüche Dritter nur mit Einschränkungen bejaht, Merle, Sociétés Commerciales, Rn. 198. 343   Zu Einzelheiten näher Lefèbvre-Teillard, Société Anonyme, S. 158  ff. 344   Vgl. Artt. 4 al. 2 und 3; 5 al. 2; 6 sowie Art. 31. 341

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und verschärft.345 Im 20. Jahrhundert sind die finanzierungsbezogenen Verhal­ tenspflichten der Gesellschafter auch auf den laufenden Geschäftsbetrieb er­ streckt worden. Der Anknüpfungspunkt dafür liegt indes nicht im Pflichten­ programm der Gesellschafter, sondern in den Geschäftsleiterpflichten und hier in den Regeln über die Ausfallhaftung bei faute de gestion (action en comble­ ment du passif), die über die Figur des faktischen Geschäftsleiters – insbesonde­ re im Konzern – auch auf unternehmerisch interessierte Aktionäre angewendet worden sind.346 Damit ist insbesondere auch die Insolvenzerstreckung auf das Privatvermögen der Geschäftsleiter gesichert, so daß in Fällen der Vermögens­ vermischung ein Haftungsdurchgriff gegen unternehmerische Gesellschafter eröffnet ist. (2) Im Recht der SARL ist eine vergleichbare Entwicklung zu beobachten. Bereits das SARL-Gesetz in seiner ursprünglichen Fassung von 1925 sah eine Haftung der Gründungsgesellschafter für die Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorgaben an das Gründungsverfahren vor.347 Hinzu traten korrrespondierende strafrechtliche Sanktionen.348 Im übrigen blieb es auch hier zunächst beim Grundsatz der Haftungsbeschränkung auf die Einlageleistung (Art. 1 al. 2). Be­ reits mit décret-loi vom 8. August 1955 wurde indessen eine dem Recht der SA vergleichbare Möglichkeit zur Erstreckung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschafter eingeführt.349 Auch für die SARL übernahm das reformierte Gesellschaftsrecht diese Kombination aus Gründungshaftung und speziellen Sanktionen für finanzierungsbezogenes Verhalten in der Krise.350 Wie ausgeführt, sind diese Vorgaben nunmehr rechtsformunabhängig ausge­ staltet. Hinzuweisen bleibt auf Tendenzen zur abermaligen Ausdehnung der Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter in der Rechtsprechung aus jüngster Zeit, die eine Gesellschafterhaftung unter dem Gesichtspunkt der ­faute de gestion in Fällen der anfänglichen materiellen Unterkapitalisierung bejaht hat.351 Inwieweit die Rechtsprechung die damit eingeschlagene Richtung mit 345   Vgl. Art. 24 i.V.m. Artt. 1  ff. bzw. Artt. 42, 45 i.V.m. Artt. 13  ff. Dazu eingehend und unter Berücksichtigung weiterer Änderungen in der Folgezeit Escarra/Escarra/Rault, Socié­ tés Commerciales, Bd. 2, Tz. 877  ff., S. 360  ff.; Pic/Kréher, Sociétés Commerciales, Bd. 2, Tz. 1024  ff., S. 369  ff. 346   Vgl. dazu Com. v. 5. 11. 1991, RTD com. 1992, 818 Champeaud/Danet; Com. v. 9. 11. 1993, Rev. soc. 1994, 321 Le Tourneau; Com. v. 19. 12. 1995, Rev. soc. 1996, 347 Le Tourneau; Com. v. 3. 2. 1998, RTD com. 1998, 614 Champeaud/Danet; Com. v. 6. 6. 2000, RJDA 2000, 690, no. 868; Com. v. 22. 1. 2002, Dr. soc. 2000, no. 100 Legros und dazu Merle, Sociétés Com­ merciales, Rn. 413. 347   Vgl. Art. 10 al. 1 i.V.m. Artt. 2  ff. 348   Art. 10 al. 1 i.V.m. Artt. 2  ff. Zu Einzelheiten näher Escarra/Escarra/Rault, Sociétés Commerciales, Bd. 1, Tz. 369  ff., S. 422  ff. 349   Vgl. Art. 25 al. 2 und 3 des SARL-Gesetzes n.F. 350   Vgl. Art. 41 loi no. 66-537 bzw. Art. 54 loi no. 66-537. 351   Com. v. 23. 11. 1999, RJDA 2000, 361, no. 457; siehe auch bereits Rouen v. 20. 10. 1983, D. 1985, 161 Daigre und dazu Merle, Sociétés Commerciales, Rn. 178.

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Blick auf die erheblich abgesenkten Mindestkapitalerfordernisse bei der SARL352 künftig verstärkt zur Korrektur inadäquater Kapitalisierung zu Lasten der Ge­ sellschaftsgläubiger weiterverfolgen wird, bleibt abzuwarten.353 e)  Fazit Die Entwicklung der finanzierungsbezogenen Verhaltenspflichten von Ge­ schäftsleitern und Gesellschaftern bietet nach alledem rechtsordnungsübergrei­ fende Beispiele für kooperative Regelbildungsprozesse im Zusammenspiel von Gesetzgebung und Rechtsprechung in der bereits an anderer Stelle theoretisch erörterten Weise:354 Nicht nur dort, wo die Genese konkreter Schranken für Finanzierungsentscheidungen ausschließlich in der Rechtsprechung wurzelt, sondern auch in denjenigen Rechtsordnungen, in denen schon früh einzelne Pflichten durch positives Gesetzesrecht festgeschrieben wurden, reflektiert die Rechtsentwicklung jeweils einen kontinuierlich, im wesentlichen bruchfrei vor­ angetriebenen Prozeß der Informationsgewinnung durch eine stetig anwach­ sende Kasuistik. In einer Vielzahl beständig neuer (Haftungs-) Fälle wurde neues Erfahrungswissen über relevante Sachverhaltskonstellationen, meist über Erscheinungsformen von drittschädigendem Fehlverhalten in Krise und Insol­ venz, gewonnen, mit vorhandenen Präjudizien verglichen, bewertet und durch die Entscheidung des Einzelfalls zugleich für die künftige Rechtsanwendung, aber eben auch für künftige Regulierungsvorhaben auf der Gesetzgebungsebe­ ne fruchtbar gemacht. Die Teil-Kodifikation der Geschäftsleiterpflichten im englischen Companies Act 2006 illustriert dies besonders deutlich. Nicht an­ ders als Regelungen, die sich auf entsprechende marktinduzierte Vorbilder zu­ rückführen lassen, sind diese Pflichten historisch legitimiert, weil und soweit sich darin historische Erfahrungen spiegeln. Nur der Legitimationsmechanis­ mus ist ein anderer: Sie beruhen nicht auf der Rezeption der Ergebnisse privat­ autonomer Gestaltung durch Gerichte und/oder den Gesetzgeber, sondern auf der Rezeption von Korrekturen privatautonomer Gestaltung durch die Recht­ sprechung. Insofern konservieren sie zugleich historische Erfahrungen mit cha­ rakteristischen Fällen von Fehlentscheidungen und erfüllen damit auch Infor­ mationsfunktionen.355 Die Genese finanzierungsbezogener Verhaltenspflichten liefert mit alledem auch mannigfaches Anschauungsmaterial für die ebenfalls bereits erörterten Transformations- und Konvergenzprozesse zwischen Regel- und Standardform

  Zu diesen bereits oben sub II. 2. c) (S. 501).   Dafür offenbar Merle, Sociétés Commerciales, Rn. 178. 354   Siehe nochmals oben, 2. Teil, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. (S. 289  ff.). 355   Zur Informationsfunktion zwingender Normen oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. III. 3. a) (S. 163). 352 353

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in der Handhabung über längere Zeiträume hinweg:356 Wenn lückenhafte ge­ setzliche Pflichtenprogramme durch die Rechtsprechung erweitert wurden, wurden damit typischerweise vorgefundene oder aus dem vorhandenen Nor­ menbestand in systematischer Auslegung abgeleitete allgemeine Rechtsgrund­ sätze konkretisiert. Rechtsordnungsübergreifend ist die Geschichte der kon­ kreten finanzierungsbezogenen Verhaltenspflichten damit zugleich ein Prozeß der fortschreitenden Weiterentwicklung von Standards und ein Prozeß der Verfesti­gung von Standards zu konkreten Regeln. Daß als Resultat vor allem negativ-präskriptive Schranken für Finanzierungsentscheidungen gewonnen wurden und noch gewonnen werden,357 ergibt sich aus der Herkunft dieser Grundsätze aus Haftungsprozessen über konkrete Verfehlungen und Pflicht­ verletzungen: Mehr als die Erkenntnis, daß eine ganz bestimmte, nämlich die in concreto entschiedene Verhaltensweise als schädlich anzuerkennen sei, kann daraus nicht abgeleitet werden. Für andere als die entschiedene Sachverhalts­ konstellation gibt der jeweilige Sachverhalt nichts her. Dies erklärt zugleich, warum sich in den untersuchten Rechtsordnungen bislang kaum positiv-präskriptive Verhaltenspflichten durchgesetzt haben, die die Adressaten auf be­ stimmte Verhaltensweisen positiv festlegen und nicht nur einzelne Verhaltens­ weisen verbieten: Auch ein noch so ausdifferenzierter Kanon an Judikaten zu einzelnen Pflichtverletzungen liefert noch keine tragfähige Begründung für die gesetzgeberische Entscheidung, daß nur eine einzige Verhaltensweise und nicht auch Alternativen hierzu zulässig sein sollen. All das untermauert die These, daß die für die Entscheidung zugunsten positiv-präskriptiver Regulierung er­ forderliche Informationsbasis nur selten vorliegen wird:358 Jedenfalls im Rah­ men kooperativer Regelbildungsprozesse wie der hier untersuchten Genese fi­ nanzierungsbezogener Verhaltenspflichten kann diese Informationsbasis nicht beschafft werden. Und in der Tat liegt darin, wie angedeutet,359 eine Erklärung dafür, weshalb sich positive Regeln für die Kapitalausstattung von Unterneh­ men als Grundlage eines Haftungstatbestands für materielle Unterkapitalisie­ rung bislang nicht etabliert haben. Denn Informationen darüber, welche Kapi­ talausstattung im Einzelfall angemessen ist, lassen sich auch aus einer Vielzahl von jeweils unterschiedlich gelagerten Haftungsfällen nicht gewinnen. Ungeachtet aller rechtskulturellen Unterschiede spielt nach alledem die Stan­ dardform als Grundlage für die exemplarisch untersuchten Regelbildungs- und -fortbildungsprozesse in den untersuchten Rechtsordnungen eine herausragen­ de Rolle: Erst die Existenz konsistenter Standards bzw. deren Ableitung im 356   Siehe nochmals schon oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub C. II. 3. d) (S. 188  ff.) sowie sub C. III. 2. b) (S. 197  ff.). 357   Zur Unterscheidung von negativ- und positiv-präskriptiven Pflichten bereits oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. III. 2. (S. 155  f.). 358   Oben, 2. Teil, 1. Abschn., 3. Kap., sub C. (S. 322). 359   Oben sub c) bb) (S. 529) bei Fn. 318  f.

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Wege der systematischen Auslegung und/oder in Konkretisierung allgemeiner Rechtsgrundsätze, z. B. deliktsrechtlicher Generalklauseln, ermöglicht den evolutorischen, kooperativ geprägten kontinuierlichen Ausbau der Informati­ onsbasis in der skizzierten Weise. Dies belegt nicht nur abermals, daß die kate­ goriale Unterscheidung von Regel- und Standardform nicht geeignet ist, um die Regulierungsstile unterschiedlicher Rechtsordnungen zu charakterisieren; bei­ de Kategorien wirken vielmehr in allen untersuchten Rechtsordnungen zusam­ men. Vielmehr folgt daraus – positiv – zugleich, daß in formaler Hinsicht einer Rezeption ausländischer Vorbilder für konkrete Verhaltenspflichten nichts im Wege steht: Sind Funktion und Genese dieser Pflichten rechtsordnungsüber­ greifend vergleichbar, so sind keine Gründe ersichtlich, weshalb die Früchte entsprechender Regelbildungsprozesse in ausländischen Rechten nicht ohne weiteres in eine fremde Rechtsordnung integrierbar sein sollten. Rechtsordnungsübergreifend treten allerdings Probleme auf der Durchset­ zungsebene auf, wenn Pflichten, die im historischen Ausgangspunkt auf das Verhältnis zwischen dem Handelnden und der Gesellschaft (bzw. Gesellschaf­ tergesamtheit) bezogen waren, im Laufe der Zeit quasi umgewidmet und zum Schutz Dritter aktiviert werden. In dieser Hinsicht gilt für die Verhaltenspflich­ ten nichts anderes als für institutionelle organisations- und finanzverfassungs­ rechtliche Bestimmungen, für die dies oben beobachtet worden ist: Handelt es sich um Vorgaben, deren Durchsetzung traditionell auf der Initiative der Ge­ sellschafter beruht, so fällt eine effektive Durchsetzung nach der Verschiebung im Zielprogramm schwer, wenn nicht die geschützten Dritten selbst in die Durchsetzungsinitiative einbezogen werden. Als unternehmensexterne Akteu­ re werden sie es allerdings häufig schwer haben, die erforderliche Sachaufklä­ rung zu betreiben. Bleibt es ungeachtet dieser Umwidmung bei der traditionel­ len Zuweisung der Durchsetzungsinitiative an die Gesellschafter(-gesamtheit), sind Effektivitätsverluste bei der Normdurchsetzung kaum zu vermeiden, weil und soweit die betreffenden Akteure vielfach keine Anreize haben, den Schutz der wirtschaftlichen Interessen Dritter zu betreiben. Der vergleichende Über­ blick zeigt, daß dieser Schritt vielfach nicht vollzogen wurde: Beispielhaft dafür stehen etwa die im englischen Recht bislang eher zaghaft betriebenen Ansätze zu einer drittschützenden Geschäftsleiterpflicht in der Krise,360 aber auch die im deutschen Recht nach wie vor kontrovers beurteilte Ausgestaltung der Exi­ stenzvernichtungshaftung als Innenhaftung der Gesellschafter:361 Wann immer die Durchsetzungsinitiative für drittschützende Haftungstatbestände bei den Gesellschaftern selbst angesiedelt wird, bleibt ihre Effektivität bedroht und meist davon abhängig, daß ein Insolvenzverwalter nachträglich im Interesse der geschützten Dritten die Initiative ergreift. Auch diese Probleme sind Folge des   Oben sub a) aa) (S. 511  f.) bei und in Fn. 227  ff.   Oben sub c) bb) (S. 528) bei und in Fn. 314.

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beobachteten Funktionswandels im Zielprogramm der untersuchten Rechtsin­ stitute, der nur schwer systemgerecht zu überwinden ist.

2.  Organisation, Steuerung, Kontrolle Konkrete organisationsrechtliche Pflichten (insbesondere) der Geschäftslei­ tungsorgane haben sich in allen untersuchten Rechtsordnungen nur zögerlich und sehr uneinheitlich herausgebildet. Der Begriff des Organisationsrechts soll dabei unter Einschluß organisations-, kontroll- und steuerungsbezogener Ver­ haltenspflichten und mithin wesentlicher nicht finanzierungsbezogener Aufga­ ben von Geschäftsleitungs- und Überwachungsorganen weit verstanden wer­ den.362 In den untersuchten Rechtsordnungen liegt dabei ein Schwerpunkt nach wie vor auf der Stärkung der Kontrolle über die Geschäftsleitung. Als Vorreiter der modernen Ansätze zur Konkretisierung der Organisationspflichten durch Vorgaben an die unternehmensinternen Kontrollmechanismen hat sich dabei das US-amerikanische Recht erwiesen, das seit den 1970er Jahren zunächst durch punktuell ansetzende kapitalmarktrechtliche Vorgaben, seit den 1990er Jahren dann verstärkt mit privat gesetzten Corporate-Governance-Kodizes sy­ stematischer die Organisationsverantwortung der Geschäftsleitung akzentuiert hat (unten a)). Die Rechtsentwicklung in den europäischen Rechten (unten b)) ist dieser Tendenz überwiegend gefolgt. a)  USA In den USA währte die Zurückhaltung des Gesetzesrechts hinsichtlich organi­ sationsrechtlicher Geschäftsleiterpflichten bis weit hinein in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Noch eine berühmte Leitentscheidung des Delaware Su­ preme Court aus dem Jahre 1963 verneinte ausdrücklich die Haftung von direc­ tors für Schäden, die bei hinreichender aktiver Überwachung des Geschäftsbe­ triebs hätten vermieden werden können, soweit keine konkreten Anhaltspunk­ te für ein Fehlverhalten von Mitarbeitern vorlagen.363 Auch vor dem Hinter­ grund dieses Urteils wurden konkrete Überwachungspflichten des board of directors lange abgelehnt. Zunächst durch die Einführung des § 13(b)(2) Securi­ ties Exchange Act 1934, der börsennotierte corporations zur Einführung inter­ ner Kontrollen zur Qualitätssicherung in der Rechnungslegung verpflichtete, 362   Enger z. B. Fleischer, ZIP 2003, 1, 5: Organisationsverantwortung nur als ein Beispiel konkreter Leitungspflichten des Vorstands der Aktiengesellschaft. 363   Graham v. Allis-Chalmers Manufacturing Co., 188 A.2d 125, 130 (Del. 1963); dazu etwa Clark, Corporation Law, § 3.4.2, S. 130  f. Strenger demgegenüber noch Gibbons v. Anderson, 80 F. 345, 349 (C.C.W.D. Mich. 1897 – Haftung für Verletzung von Überwachungs­ pflichten der directors).

A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive

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geriet diese Zurückhaltung allerdings ins Wanken und mehrten sich Rufe nach einem Ausbau dieser Pflicht im Sinne einer umfassenden Überwachungs- und Complianceverantwortung.364 Seit einer Änderung des Model Business Corpo­ ration Act von 1884 ist die Überwachungs- und Kontrollverantwortung („over­ sight function“) des board of directors auch im Gesetzesrecht derjenigen Bun­ desstaaten anerkannt, die das Modellgesetz rezipiert haben.365 Ebenfalls aner­ kannt wurde sie in § 4.01 der Principles of Corporate Governance des American Law Institute von 1994. In § 141(a) Del. Gen. Corp. L. als zentraler Aufgaben­ zuweisung für die directors einer in Delaware inkorporierten Gesellschaft ist dieser Schritt zwar bislang nicht nachvollzogen worden. Doch hat auch die dor­ tige Rechtsprechung zwischenzeitlich die frühere Position weitgehend korri­ giert und aus dem Erfordernis einer hinreichenden Informationsgrundlage für unternehmerische Entscheidungen auf entsprechende fortlaufende Überwa­ chungspflichten der directors geschlossen.366 Auch vor diesem Hintergrund ist die Überwachungsaufgabe – wenn auch in erster Linie für public corporations – in der Neufassung des Model Business Corporation Act von 2005 abermals erheblich konkretisiert worden.367 Bereits zuvor allerdings hatte der SarbanesOxley Act von 2002 auf der Ebene des Bundesrechts für kapitalmarktorientier­ te Unternehmen qualifizierte Anforderungen an die interne Kontrolle statuiert und damit Vorarbeiten aufgenommen, die seit Ende der 1980er seitens der SEC bzw. auf deren Initiative von privaten Standardsetzern betrieben worden wa­ ren.368 § 302 des Sarbanes-Oxley Act verpflichtet die directors einer corporation dazu, im Rahmen der ausdrücklichen Bestätigung der Richtigkeit publizierter Informationen auch die Effektivität der internen Kontrollmechanismen zu ver­ sichern; nach § 404 des Gesetzes ist den Jahresberichten der Gesellschaften nach § 13(a) bzw. § 15(b) des Securities Exchange Act zudem eine Erklärung zu Ein­ zelheiten der internal control beizufügen.369 364   Vgl. dazu näher bereits Clark, Corporation Law, § 3.4.2, S. 133  f.; Eisenberg, 19 Cardozo L. Rev. 237, 244  ff. (1997); in jüngerer Zeit z. B. Langevoort, 31 J. Corp. L. 949, 951  f. (2006); siehe auch Merkt/Göthel, US-Gesellschaftsrecht, Rn. 837  ff. 365   Vgl. M.B.C.A. Ann. (1984), § 8.30, Official Comment No. 2. 366   In re Caremark Int’l Inc. Derivative Litig., 698 A.2d 959, 967 (Del. Ch. 1996); in diesem Sinne auch Stone v. Ritter, 911 A.2d 362, 369  f. (Del. 2006); vgl. dazu etwa Brown, 26 Del. J. Corp. L. 1, 7  ff., 24  ff. (2001); Eisenberg, 19 Cardozo L. Rev. 237, 261  ff. (1997); Lipson, 12 Stan. J.L. Bus. & Fin. 224, 236 (2007); Rock/Wachter, 149 U. Pa. L. Rev. 1619, 1672  ff. (2001). 367   Vgl. zunächst allgemein R.M.B.C.A. (2005), § 8.01(b): “(…) the business and affairs of the corporation shall be managed by or under the direction, and subject to the oversight, of its directors (…)” (eig. Hervorhebung). Sodann § 8.01(c): “In the case of a public corporation, the board’s oversight responsibilities include attention to: (1) business performance and plans; (2) major risks to which the corporation is or may be exposed; (…); (4) policies and practices to foster the corporation’s compliance with law and ethical conduct; (…); (6) the effectiveness of the corporation’s internal controls; (7) arrangements for providing adequate and timely infor­ mation to directors (…). 368   Zu Einzelheiten näher Langevoort, 31 J. Corp. L. 949, 953  f. (2006) m. w. N. 369   Vgl. näher Langevoort, 31 J. Corp. L. 949, 954  ff. (2006).

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2. Kapitel:  Restriktion

b)  Europa aa)  England Das englische Gesetzesrecht hat demgegenüber bis in die Gegenwart auf die Formulierung organisatorischer Pflichten der Geschäftsleiter verzichtet, deren Ausgestaltung vielmehr der privatautonomen Gestaltung in den articles of as­ sociation überlassen und auch in den Musterregeln der Tables A 370 lediglich Vor­ schläge für recht weitgehende Organisationsautonomie der directors in Verfah­ rens- und Organisationsfragen formuliert.371 Weiterreichende Empfehlungen enthielten für kapitalmarktorientierte Unternehmen allerdings die bereits im Zusammenhang mit den gesetzlichen Anforderungen an die Organisationsver­ fassung diskutierten Empfehlungen des Combined Code on Corporate Gover­ nance.372 Nochmals hinzuweisen ist insoweit zunächst auf die bereits zitierten Empfehlungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Arbeitsabläufe im board of directors.373 Sodann empfahl der Code ausdrücklich die Einrichtung effektiver interner Kontrollsysteme.374 Schon vor dem Erlaß des Combined Code in seiner Fassung von 2003, nämlich im Jahre 1999 hatte die sog. Turnbull-Kommission Empfehlungen für die Ausgestaltung der internen Kontrollmechanismen kapi­ talmarktorientierter Gesellschaften formuliert, die dann Bestandteil des Com­ bined Code wurden.375 Ungeachtet der gesetzlichen Zurückhaltung hat das eng­ lische Recht mit diesen Empfehlungen einerseits betriebswirtschaftliche Stan­ dards, andererseits das US-amerikanische Vorbild rezipiert und damit auch die weitere Entwicklung in Europa geprägt.

  Dazu bereits oben, 1. Kap., sub A. II. 2. a) (S. 421) bei und in Fn. 86.   Vgl. die Musterregeln für „Proceedings of Directors” in CA 1862, 25 & 26 Vict. c. 89, Table A, paras. 66  ff.; CA 1908, 8 Edw. 7 c. 69, Table A, paras. 87  ff.; CA 1929, 19 & 20 Geo. 5 c. 23, Table A, paras. 81  ff.; CA 1948 11 & 12 Geo. 6 c. 38, Table A, paras. 98  ff.; ähnlich auch Companies (Tables A to F) Regulations 1985 (i.V.m. CA 1985, c. 6, sec. 8), SI 1985/805, Table A paras. 88  ff. Ähnlich auch die Model Articles of Association for public companies, SI 2008/3229, Sch. 1, paras. 7  ff. 372   Siehe oben sub I. 3. bei (S. 484  ff.) und in Fn. 97  ff. 373   Combined Code on Corporate Governance, Principles A.1, insbes. A.1 („the Board”), und A.5 („Information and professional development”), A.6 („Performance evaluation”); siehe heute UK Corporate Governance Code, Principles A.1, B.2 und B.6. 374   Combined Code, Principle C.2: “The board should maintain a sound system of internal control to safeguard shareholders’ investment and the company’s assets.” Siehe auch Principle C.2.1: “The board should, at least annually, conduct a review of the effectiveness of the group’s system of internal controls and should report to shareholders that they have done so. The re­ view should cover all material controls, including financial, operational and compliance con­ trols and risk management systems.” 375   Vgl. Combined Code, S. 27  ff.: Guidance on Internal Control (The Turnbull Guid­ ance). 370 371

A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive

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bb)  Deutschland Im deutschen Recht finden sich erste Ansätze zur gesetzlichen Konturierung von Organisationspflichten, wenn auch nur punktuell, mit den in der Notver­ ordnung vom 19. September 1931 statuierten Berichtspflichten des Vorstands an den Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft.376 Zwar liegt diese Pflicht eher am Rande der hier interessierenden organisatorischen Pflichten. Als frühes Beispiel für das Bestreben, ergänzend zu den Kompetenzzuweisungen des Organisati­ onsverfassungsrechts Einzelheiten zur Kompetenzausübung und zum Zusam­ menwirken der Organe vorzugeben, ist sie dennoch von Interesse. Entsprechen­ des gilt für die Verfahrensbestimmungen für die Tätigkeit des Aufsichtsrats mit den §§ 92  ff. AktG 1937, die korrespondierende Informationsbefugnisse des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand regelten (vgl. heute insbes. § 111 Abs. 2 und 3 AktG). In der Literatur sind nur vereinzelt Versuche unternommen wor­ den, die aus der Leitungsverantwortung des Vorstands (§ 76 Abs. 1 AktG) bzw. der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats (§ 111 Abs. 1 AktG) resultierenden Organisationspflichten näher zu konkretisieren.377 In der Rechtsprechung ist wiederholt eine Haftung von Vorstandsmitgliedern für fehlerhafte Organisati­ on bejaht worden;378 hinzu treten die – hier nicht weiterzuverfolgenden – Orga­ nisationspflichten, die im Zusammenhang mit der Haftung gegenüber ­Dritten

  Vgl. Art. 239a HGB i.d.F. der Notverordnung, später § 81 AktG 1937, § 90 AktG 1965.   Umfassender Ansatz zur Systematisierung unter dem Gesichtspunkt der Information des Aufsichtsrats neuerdings bei Leyens, Information, passim; siehe auch den Vorschlag zur Systematisierung bei Fleischer, ZIP 2003, 1, 5: (a) Planungs- und Steuerungsverantwortung, (b) Organisationsverantwortung, (c) Informationsverantwortung als Kategorien der aus der Leitungsmacht des Vorstands der Aktiengesellschaft resultierenden Pflichten. Speziell zur Binnenorganisation des Vorstands und dem Grundsatz der Gesamtverantwortung etwa Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 95; Hüffer, AktG, § 77 Rn. 14  ff.; Großkomm/Kort, AktG, § 77 Rn. 35  ff.; KK/Mertens/Cahn, AktG, § 77 Rn. 22  ff.; MünchKomm/Spindler, AktG, § 77 Rn. 57  ff.; Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, § 22 Rn. 40  ff.; Dreher, ZGR 1992, 22, 49  ff.; Fleischer, NZG 2003, 449  ff.; ders., ZIP 2003, 1, 7  f.; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 506  ff.; Martens, FS Fleck, 1988, S. 191  ff. 378   Vgl. BGH, Urt. v. 8. 7. 1985 – II ZR 198/84, NJW 1986, 54, 55 (Geschäftsführerhaftung für Fehlbeträge bei fehlerhafter Buchführung); Urt. v. 15. 10. 1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370, 376  f. (grundsätzliche Allzuständigkeit der Geschäftsführer auch mit organisations­ rechtlichen Kompetenzen); Urt. v. 9. 1. 2001 – VI ZR 407/99, NJW 2001, 969, 971 (Pflicht zur Überwachung der Buchhaltung); siehe auch BGH Urt. v. 26. 6. 1995 – II ZR 109/94, NJW 1995, 2850, 2851 (Pflicht zur Information des Mitgeschäftsführers über Buchführung). Sehr weit BGH, Urt. v. 5. 12. 1989 – VI ZR 335/88, BGHZ 109, 297, 303  ff. („Garantenstellung“ des Geschäftsführers „zum Schutz Außenstehender“ mit Konsequenzen für Organisations­ pflichten; dazu aus der kontroversen Literatur einerseits (abl.) etwa Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 76  ff.; Dreher, ZGR 1992, 22, 34; andererseits (grundsätzlich zust.) Scholz/U. H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 326  f.; differenzierend nunmehr Lutter/ Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 73  ff.; Ulmer/Habersack/Winter/Paefgen, Gmb­ HG, § 43 Rn. 207  f. 376

377

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2. Kapitel:  Restriktion

in Konkretisierung der §§ 31, 831 BGB entwickelt worden sind.379 Weitgehend entsprechende Grundsätze gelten für die Pflichten des GmbH-Geschäftsfüh­ rers.380 Auf der Ebene des Gesetzesrechts ergänzte seit 1998 das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) 381 das damit nur generalklauselartig umrissene Programm um eine explizite Pflicht des Vor­ stands zur Einrichtung eines (Risikomanagement-) und Frühwarnsystems (§ 91 Abs. 2 AktG).382 Zugleich wurde das Frühwarnsystem zum Gegenstand der Prüfung durch den Abschlußprüfer erhoben (§§ 317 Abs. 4, 321 Abs. 4 HGB).383 Auf eine systematische Konkretisierung der Organisationspflichten verzichten Aktien- und GmbH-Recht allerdings weiterhin. Erst die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance-Kodex haben dem gesetzlichen Pflichten­ programm – unverbindlich – weitere Konturen verliehen.384 cc)  Frankreich Auch das französische Recht schließlich hat organisatorische Pflichten der Ge­ schäftsleiter nur sehr zögerlich und beschränkt auf die SA als idealtypisch kapi­ talmarktorientierte Rechtsform geschaffen. Erst in jüngster Zeit, mit der sog. loi NRE von 2001,385 sind die bislang auf Kompetenzvorschriften konzentrierten gesetzlichen Anforderungen in Rezeption der zwischenzeitlich insbesondere im anglo-amerikanischen Rechtskreis vollzogenen Neuerungen konkretisiert und um Überwachungspflichten ergänzt worden. Danach ist die Überwachung des Geschäftsbetriebs (contrôle interne) dem conseil d’ad­ministration als Pflichtaufgabe zugewiesen (vgl. Art. L. 225-35 al. 1 nC.com.). Dies schließt auch die Verantwortung ein, angemessene Informationswege als Voraussetzung für die effektive Überwachung sicherzustellen.386 Auch in Frankreich ist der Abschlußprüfer seither gesetzlich verpflichtet, im Rahmen der periodischen Prüfung zugleich die Qualität der internen Kontrollmechanismen zu bewerten (Art. L. 225-235 al. 5 nC.com.); der président du conseil d’administration hat 379   Dazu stellvertretend Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 601  ff., 689  ff., 841  ff. 380   Im Hinblick auf Binnenorganisation der Geschäftsführung und Gesamtverantwortung gelten insoweit – mutatis mutandis – vergleichbare Grundsätze wie bei der AG, vgl. Ulmer/ Habersack/Winter/Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 101; Scholz/U.H. Schneider, GmbHG, § 43 Rn. 35  ff.; U.H. Schneider, FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 473  ff., insbes. S. 478  ff. 381   BGBl. I, S. 786. 382   Zu Einzelheiten stellvertretend Binder, ZGR 2007, 745, 748  ff. m. w. N. 383   Siehe dazu auch bereits oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 3. c) bb) (S. 121) bei und in Fn. 245. 384   Vgl. im einzelnen DCGK, Ziff. 3.4 (Information des Aufsichtsrats durch den Vorstand), 5.6 („Effizienzprüfung“ des Aufsichtsrats); zum DCGK im übrigen bereits oben, 2. Teil, 1. Abschn., 2. Kap., sub A. I. 1. c) (S. 259  f.). 385   Oben sub I. 2. a) (S. 481) bei und in Fn. 71. 386   Vgl. Rappr. Paris v. 31. 8. 2006, (GDF) Bull. Joly 2007, 113, no. 13, P. Mousseron (Letzt­ verantwortung des président du conseil d’administration).

A. Restriktion in historisch-vergleichender Perspektive

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seinerseits in Verbindung mit dem publizierten Jahresabschluß über diese Me­ chanismen zu berichten (Art. 225-37 al. 6 nC.com.). dd)  Europäisches Gemeinschaftsrecht Sämtliche der hier exemplarisch untersuchten Rechtsordnungen hatten damit spätestens seit den 1990er Jahren bereits aus eigener Initiative in durchaus ver­ gleichbarer Weise die gesetzlichen Anforderungen an die Unternehmensorgani­ sation und insbesondere an die Ausübung der internen Kontrolle ausgebaut. Das Gemeinschaftsrecht hat diese Entwicklung in jüngster Zeit nurmehr über­ nommen. In Umsetzung des Aktionsplans „Modernisierung des Gesellschafts­ rechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Uni­ on“ von 2003387 hat zunächst die Änderungsrichtlinie zur Vierten gesellschafts­ rechtlichen Richtlinie von 2006388 eine Pflicht der Emittenten von im geregelten Markt gehandelten Wertpapieren zu einer sog. Corporate-Governance-Erklä­ rung im Lagebericht statuiert, die auch Ausführungen zu den internen Kon­ trollmechanismen umfaßt.389 Ergänzend formuliert die reformierte Abschluß­ prüfungsrichtlinie von 2006390 die Verpflichtung des nunmehr verpflichtend vorgesehenen Prüfungsausschusses zur Überwachung der „Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, gegebenenfalls des internen Revisionssystems, und des Risikomanagementsystems des Unternehmens“ sowie entsprechende Prüfund Berichtspflichten der Abschlußprüfer.391 Das bereits aus den oben unter­ suchten Rechtsordnungen bekannte Konzept einer mittelbaren Durchsetzung entsprechender Standards im Wege der Überwachung und Bewertung durch die Abschlußprüfer sowie durch korrespondierende Publizitätspflichten ist da­ mit für alle Mitgliedstaaten vorgeschrieben worden.

387   Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 21. 5. 2003, KOM(2003) 284 endg., S. 15. 388   Richtlinie 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. 6. 2006 zur Änderung der Richtlinien des Rates 78/660/EWG über den Jahresabschluß von Gesellschaf­ ten bestimmter Rechtsformen, 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluß, 86/635/EWG über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Banken und anderen Finanz­ instituten und 91/674/EWG über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Versicherungsunternehmen, ABlEG. Nr. L 224/1. 389   Richtlinie 2006/46/EG, Art. 1 Ziff. 7 (Einfügung eines neuen Art. 46a in der Vierten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie). 390   Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. 7. 2003 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG, ABlEG. Nr. L 221/13. 391   Vgl. im einzelnen Richtlinie 2006/43/EG, Artt. 40 Abs. 2 lit. b sowie 41 Abs. 1 lit. d.

544

2. Kapitel:  Restriktion

c)  Fazit In organisationsrechtlicher Hinsicht ist das überkommene Pflichtenprogramm nach alledem in allen untersuchten Rechtsordnungen erst in jüngster Zeit um neuartige Elemente erweitert worden: Während sich für den überwiegenden Teil der bislang untersuchten Rechtsinstitute z.T. mehrhundertjährige Konti­ nuität nachweisen ließ, existieren im tradierten, weitestgehend auf die Festle­ gung von Kompetenzen (anstelle positiver Pflichten) beschränkten Organisati­ onsverfassungsrecht keine entsprechenden Vorbilder für die „Entdeckung“ der internen Kontrollmechanismen als Regulierungsgegenstand. Vielmehr wurzelt die Entwicklung in erster Linie in entsprechenden betriebswirtschaftlichen Praktiken, die sich seit geraumer Zeit zunächst zu allgemeinen Standards verfe­ stigten und in dieser Form in zahlreiche Corporate-Governance-Kodizes auf­ genommen wurden.392 Auch insoweit läßt sich mithin von einer Art „Sedimen­ tation“ von bereits in der Unternehmenspraxis etablierten Gestaltungsmustern zu gesetzlichen Vorgaben sprechen. Dabei sind die Unterschiede zu den oben untersuchten finanzierungsbezogenen Verhaltenspflichten allerdings unüber­ sehbar: Anders als diese, wurzeln die jüngeren organisationsrechtlichen Pflich­ ten gerade nicht in einem umfangreichen Kanon konkreten Anschauungsmate­ rials aus einer Vielzahl historischer Streitfälle, sondern eben in betriebswirtschaftlichen Vorbildern und Praktiken, die erst in jüngster Zeit in die jeweiligen gesetzlichen oder privaten Regelwerke Eingang gefunden haben. Insofern ist es erstaunlich, wie schnell sich auf dem Gebiet der organisationsbezogenen Pflich­ ten die Entwicklung von einzelnen negativ-präskriptiven Schranken – insbe­ sondere einer Geschäftsleiterhaftung für fehlerhafte Überwachung – zu posi­ tiv-präskriptiven Organisationspflichten vollzogen hat. Verglichen mit der Ent­ wicklung der finanzierungsbezogenen Gesellschafter- und Organpflichten ist dies nicht unbedenklich, eben weil es den neuartigen Bestimmungen damit an historischer Bewährung letztlich mangelt. Besonders problematisch ist dies, wenn derartige Regelungen nicht nur, wie ursprünglich im englischen Recht, als Empfehlungen in Corporate-Governance-Kodizes formuliert, sondern so­ gleich, wie in Deutschland, zu positivem Gesetzesrecht ausgebaut werden: Während derartige Regelungsmuster als Elemente privater Regulierung hinrei­ chend flexibel und anpassungsfähig sind, um experimentelle Gestaltungen und damit einen längerfristigen Aufbau von Erfahrungswissen zu ermöglichen, ist die Positivierung entsprechender Rechtspflichten im Gesetz von vornherein mit Einschränkungen verbunden. Eben weil damit unmittelbar haftungsbedrohte Pflichten festgelegt werden, ist sie zugleich mit dem Risiko verbunden, an sich gebotene Innovationen einzufrieren:393 Die Anreize der betreffenden Akteure, sich zum Zweck der Haftungsvermeidung an verkehrsübliche und anerkannte   Binder, ZGR 2007, 745, 779  ff.   Binder, ZGR 2007, 745, 785  f.

392 393

B. Auswertung und Folgerungen

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Gestaltungsmuster zu halten, sind hier stärker als der Anreiz, durch experi­ mentelle Weiterentwicklung entsprechender Gestaltungen im Sinne einer kon­ tinuierlichen Effizienzsteigerung und Selbstkontrolle deren inhaltliche Verbes­ serung zu befördern. Zudem zeichnet sich die Entwicklung im Unterschied zu tradierten Formen der Einflußnahme auf die Unternehmensorganisation durch ihren offenen, hin­ sichtlich konkreter Regulierungsziele wenig spezifizierten Charakter aus: Vor­ geschrieben werden Pflichten zur und Verantwortung für die Einrichtung ef­ fektiver Kontrollmechanismen, während die Art und Weise der Umsetzung in das Ermessen der Geschäftsleitung fällt. Charakteristisch für diesen – prozedu­ ral konzipierten 394 – Ansatz ist mittelbare Verhaltenssteuerung durch Vorgaben für die Prozeßgestaltung. Ein bedeutender Aspekt der Unternehmensleitungs­ pflicht wird auf diese Weise im Sinne einer Gestaltungsaufgabe gesetzlich kon­ kretisiert. Innovativ ist bei alledem die Aktivierung von Abschlußprüfung und Publizi­ tätspflichten zum Zweck der Normdurchsetzung, wie sie zunehmend auch in den europäischen Rechten realisiert ist. Gerade auch diese Entwicklung zeigt indes zugleich abermals, daß die gesellschaftsinternen Durchsetzungsmechanis­ men für die Effektuierung auch drittschützender Pflichten vielfach nicht ausrei­ chen, weil es den Gesellschaftern an Anreizen fehlt, ggf. auch solche Pflichten durchzusetzen, die nur begrenzt in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse liegen.395

B. Auswertung und Folgerungen Der historisch-vergleichende Blick auf die restringierenden Bestimmungen im Recht der Finanzierungsbeziehungen ergänzt die im 1. Kapitel über die konsti­ tutiven Regelungen gewonnenen Erkenntnisse zu einem Gesamtüberblick über wesentliche Grundzüge der untersuchten Regulierungssysteme. Damit lassen sich die eingangs des vorliegenden Teils der Arbeit aufgeworfenen vier Fragen präziser beantworten, als dies oben am Ende des 1. Kapitels möglich war: Wel­ che Unterschiede und welche Gemeinsamkeiten bestehen zwischen den jeweili­ gen Regulierungsstilen (unten I.)? Welche Rückschlüsse ermöglichen die Ergeb­ nisse für Aussagen zu Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise unter­ schiedlicher Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien (unten II.)? Wie groß ist die Bedeutung historischen Erfahrungswissens als Quelle für die regulierungsvorbereitende Information (unten III.)? Und: Welche Perspektiven 394   Zur Zuordnung dieser Vorgaben zu einer selbständigen, prozeduralen Regulierungs­ strategie bereits Binder, ZGR 2007, 745, 779  ff. 395   Siehe für finanzierungsbezogene Pflichten nochmals oben sub 1. e) (S. 537).

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2. Kapitel:  Restriktion

ergeben sich aus alledem für die modale Normanalyse als Ergänzung zum tra­ dierten Methodenkanon für die Aufarbeitung von Rezeptions- und Konver­ genzvorgängen im untersuchten Referenzgebiet (unten IV.)?

I.  Systemvergleich: Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Regulierungsstilen Der historisch-vergleichende Überblick über die restringierenden Bestimmun­ gen bestätigt nochmals die These, daß die Dichotomie von zwingendem und dispositivem Recht keine geeigneten Systematisierungskriterien für unter­ schiedliche Regulierungsstile liefert. Zwar geht die Neigung der beiden unter­ suchten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen zu institutionellen, im Or­ ganisations- und Finanzverfassungsrecht angesiedelten Anleger- und Gläubi­ gerschutzmodellen naturgemäß in formaler Hinsicht mit einem Stellenwert zwingender Vorschriften in der Regelform einher, der den in dieser Hinsicht permissiveren anglo-amerikanischen Gesellschaftsrechten fehlt. Die Untersu­ chung der konkreten Geschäftsleiter- und Gesellschafterpflichten hat allerdings gezeigt, daß dieses Gefälle durch zwingende (Haftungs-) Tatbestände in den anglo-amerikanischen Rechten wenn nicht vollständig kompensiert, so doch jedenfalls relativiert wird. Zwingende Schutzvorschriften sind damit keiner der untersuchten Rechtsordnungen vollständig fremd. Hinzu kommt, daß auch die anglo-amerikanischen Gesellschaftsrechte für Publikumskapitalgesellschaften durchaus zwingendes Recht zu Standardisierungszwecken einsetzen. Ein an­ schauliches Beispiel dafür bieten insbesondere die Regelungen des SarbanesOxley Act 2002 in den USA.396 Die bestehenden Unterschiede in formaler ­Hinsicht werden damit bestimmt von materialen Divergenzen unter den exem­ plarisch untersuchten Rechtsordnungen und weniger von abweichenden Grund­ satzentscheidungen bei der Wahl der jeweiligen Regulierungsmodi als solcher. Ebenso wenig charakteristisch für rechtsordnungsspezifische Regulierungs­ stile sind die Kategorien der Regel- und der Standardform. Ungeachtet aller rechtskulturellen Unterschiede zwischen den untersuchten Rechtsordnungen – insbesondere im Hinblick auf den Stellenwert richterlicher Regelbildung – hat sich erwiesen, daß die kontinuierliche Fortbildung des Normenbestands durch die Rechtsprechung auf der Grundlage offener Standards rechtsordnungsüber­ greifend vergleichbaren Mustern folgt. Dies gilt bereits für diejenigen Zeiträu­ me, die noch nicht von rechtsvergleichend motivierten Konvergenzprozessen geprägt waren, und hat sich in jüngerer Zeit allenfalls noch verstärkt.397   Oben sub A. I. 4. (S. 488) bei und in Fn. 112.   Vgl. exemplarisch zur Rezeption US-amerikanischer Grundsätze für die Geschäftslei­ terhaftung nochmals Fleischer, in: GS Heinze, 2005, S. 177  ff.; ferner dens., NZG 2004, 1129  ff. 396 397

B. Auswertung und Folgerungen

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Die damit skizzierten Eigenschaften charakterisieren auch die vorgefunde­ nen Wahlmodelle in den exemplarisch untersuchten Rechten: Auch die mit den jeweils verfügbaren Rechtsformen verknüpften Regelungsprogramme kombi­ nieren durchweg dispositives und zwingendes Recht und auf der Ebene des zwingenden Rechts Regel- und Standardformen, so daß von rechtsordnungs­ spezifischen Charakteristika insoweit nicht gesprochen werden kann. Aller­ dings besteht das Gefälle zwischen den kontinentaleuropäischen Rechten ei­ nerseits und den anglo-amerikanischen Rechten andererseits im Hinblick auf den Stellenwert zwingender institutioneller Vorschriften des Organisationsund Finanzverfassungsrechts nicht nur für die kapitalmarktorientierten Ge­ sellschaftstypen, sondern auch für die nicht kapitalmarktorientierten: In den USA unterscheiden sich die Corporation einerseits und die Limited Liability Company bzw. die Limited Liability Partnership andererseits, wie gesehen, weniger durch Abstufungen im Hinblick auf die Intensität der zwingenden Einflußnahme als vielmehr durch unterschiedlich dicht, aber jeweils überwie­ gend dispositiv gestaltete Rechtsrahmen. Vor allem in den kontinentaleuropä­ ischen Rechten sind die unterschiedlichen Rechtsformen dagegen sowohl im Organisations- als auch im Finanzverfassungsrecht mit deutlichen Divergen­ zen in dieser Hinsicht verbunden. Insbesondere die idealtypisch für kapital­ marktorientierte Gesellschaften etablierten Rechtsformen (AG, SA) sind dabei, wie gezeigt, in hohem Maße von positiv-präskriptiver Regulierung gekenn­ zeichnet. Dabei verbinden sich materiale Schutzziele – insbesondere des Anle­ ger- und Gläubigerschutzes – mit dem Regulierungsziel der Standardisierung im Interesse besserer Verkehrsfähigkeit. Besonders das deutsche Aktienrecht ist in dieser Hinsicht bislang außerordentlich rigide gehalten, zumal die kon­ zeptionelle Ausrichtung am Leitbild der kapitalmarktorientierten Gesellschaft mit der rechtstatsächlich zu beobachtenden Verbreitung der Aktiengesellschaft als Rechtsform nicht übereinstimmt.398 Im Vergleich damit zeigt sich das fran­ zösische Recht, das die starre Dichotomie von (idealtypisch kapitalmarktorien­ tierter) société anonyme und (idealtypisch personalistischer) société à respon­ sabilité limitée in jüngerer Zeit aufgebrochen und um stärker ausdifferenzierte „Menüs“ ergänzt hat, bei im übrigen ähnlicher regulatorischer Grundkonzep­ tion ungleich flexibler.

398   Vgl. nochmals nur Bayer, Gutachten E zum 67. DJT, E 19  f.: per 31. 12. 2006 waren nur 656 von 15.242 inländischen Aktiengesellschaften börsennotiert; hinzu kamen weitere 362, deren Aktien ausschließlich im Freiverkehr gehandelt wurden.

548

2. Kapitel:  Restriktion

II.  Funktionsvoraussetzungen und Funktionsweise restringierender Regelungen Die im 2. Teil der Untersuchung entwickelten Thesen zu Funktionsvorausset­ zungen und Funktionsweise unterschiedlicher Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien werden durch die historisch-vergleichende Untersu­ chung restringierender Vorschriften im Recht der Finanzierungsbeziehungen in vielfältiger Weise bestätigt. Dies gilt zunächst für die oben gewonnenen Er­ kenntnisse zu den Persistenzneigungen dispositiver Normen und zu den daraus resultierenden Konsequenzen für die Legitimation zwingender Vorgaben: Fest­ zuhalten ist immerhin, daß die Organisations- und weitgehend auch die Fi­ nanzverfassung der Kapitalgesellschaften in den anglo-amerikanischen Rech­ ten ungleich weniger stark durch positiv-präskriptive gesetzliche Vorgaben ge­ prägt sind und die Praxis dort offenbar trotzdem zu den für die Marktgängig­ keit von Finanzierungstiteln erforderlichen standardisierten Gestaltungsmu­ stern im Hinblick auf die Rechtsstellung der Finanzierungsgeber gefunden hat. Dieser Befund indiziert immerhin, daß das Standardisierungserfordernis als Begründung für zwingende Eingriffe im Interesse des Anlegerschutzes zumin­ dest in der deutschsprachigen Literatur gelegentlich zu hoch bewertet worden sein könnte.399 Ein abschließendes, zumal allgemeines Urteil hierüber ist aller­ dings im vorliegend gesetzten Rahmen kaum möglich, zumal die Vorteile grö­ ßerer Flexibilität – wie an anderer Stelle erörtert400 – stets gegen die Effizienz­ verluste suboptimaler Varianz von Gestaltungen abgewogen werden müssen. Letzteres ist allenfalls im konkreten Sachzusammenhang, aber nicht pauschal und unabhängig hiervon möglich. Zudem lassen sich diese Erwägungen, wie ebenfalls bereits im Zusammenhang mit der Diskussion der regulierenden Wir­ kung dispositiver Normen deutlich geworden ist,401 zumindest nicht ohne Mo­ difikationen auf andere Schutzziele, insbesondere den Gläubigerschutz übertra­ gen. Insgesamt aber untermauern die Ergebnisse der modalen Normanalyse die in Deutschland zuletzt insbesondere im Zusammenhang mit dem 67. Deutschen Juristentag 2008 diskutierten rechtspolitischen Vorschläge für eine stärkere Ab­ schichtung von Regulierungsdichte und Regulierungsintensität entlang den Leitbildern der kapitalmarktorientierten Gesellschaften (mit hohem Standardi­ sierungsbedürfnis) einerseits und der nicht kapitalmarktorientierten Gesell­ schaften andererseits.402

399   Vgl. dazu nochmals oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. III. 3. a) (S. 159) bei und in Fn. 371. 400   Siehe nochmals oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. III. 3. a) (S. 160). 401   Oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 4. (S. 129  ff.). 402   Vgl. exemplarisch nochmals Bayer, Gutachten E zum 67. DJT, E 92  ff., 106  ff., und dazu bereits oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. I. 1. (S. 65) bei und in Fn. 48.

B. Auswertung und Folgerungen

549

Während damit eine Einschätzung des regulatorischen Potentials dispositi­ ver Normen auf der Grundlage der historisch-vergleichenden Untersuchung restringierender Normen wiederum nur bedingt möglich ist, hat der Vergleich immerhin nochmals die Möglichkeiten illustriert, mit Hilfe von Wahlmodellen auf die insofern verbleibenden Restunsicherheiten zu reagieren. Wiederum ohne daß dem hier abschließend nachgegangen werden könnte, bietet insbeson­ dere die Formenvielfalt des französischen Rechts Anschauungsmaterial, wie die bestehenden Regulierungsprogramme unter Beibehaltung regulatorischer Grundanliegen bedarfsgerecht weiterentwickelt werden könnten. Die dort in jüngerer Zeit vollzogene stärkere Ausdifferenzierung des Aktienrechts für ka­ pitalmarktorientierte Gesellschaften einerseits und sonstige Gesellschaften an­ dererseits illustriert immerhin, daß sich eine restriktive Regulierung der Bin­ nenorganisation ohne weiteres auch auf erstere konzentrieren könnte, ohne daß damit zwangsläufig Abstriche im Hinblick auf andere Regulierungsziele, insbe­ sondere den Gläubigerschutz, verbunden sein müssen. Dies hat möglicherweise auch Konsequenzen für die Signalfunktion der jeweiligen Rechtsformen gegen­ über Dritten, z. B. potentiellen Investoren, die hier ebenfalls nicht weiterver­ folgt werden können. Eindeutig bestätigt haben sich am Beispiel der finanzierungsbezogenen Ver­ haltenspflichten die im 2. Teil der Arbeit formulierten Überlegungen zu den Perspektiven kooperativer Regelbildungsprozesse im Wege der kontinuierli­ chen Transformation offener Standards zu konkreten Regeln. Die Genese die­ ser Pflichten liefert einen rechtsordnungsübergreifend beobachtbaren Beleg für die Bedeutung derartiger Sedimentationsprozesse als Medien für die Samm­ lung, die Konservierung und den Ausbau historischen Erfahrungswissens, de­ ren Ergebnisse schließlich in die Positivierung gesetzlicher Pflichten führen können, aber nicht müssen. Resultiert eine derartige Entwicklung tatsächlich in der Aufnahme der Ergebnisse in das gesetzliche Pflichtenprogramm, so wird dies zunächst mit einer verstärken Signalwirkung und potentiell höherer Rechtssicherheit für die jeweiligen Adressaten verbunden sein,403 die die Effek­ tivität im Hinblick auf die Verhaltenssteuerung erhöhen könnte. Dieser Vorteil wird allerdings abzuwägen sein gegen die Nachteile, die aus der damit verbun­ denen Einbuße im Hinblick auf die Möglichkeiten einer dynamischen Fortset­ zung des ursprünglichen Regelbildungsprozesses entstehen könnten. Bestätigt haben sich schließlich auch die im 2. Teil der Untersuchung formu­ lierten Überlegungen zu Bedeutung und Problemen der in Betracht kommen­ den unterschiedlichen Normdurchsetzungsmechanismen. Als besonderes Pro­ blemfeld in dieser Hinsicht hat sich die Durchsetzung institutioneller Vorgaben und konkreter Verhaltenspflichten erwiesen, deren Wurzeln in Pflichten gegen­ über der Gesellschaft selbst liegen, die aber im Laufe der historischen Entwick­   Vgl. exemplarisch nochmals oben sub A. III. 1. a) aa) (S. 510  f.) bei und in Fn. 225  f.

403

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2. Kapitel:  Restriktion

lung zu drittschützenden Zwecken quasi „umgewidmet“ wurden. Dies gilt, wie gesehen, etwa für institutionelle Vorschriften des Finanzverfassungsrechts in den kontinentaleuropäischen Rechten, aber auch beispielsweise für die finan­ zierungsbezogenen Geschäftsleiter- und Gesellschafterpflichten in den angloamerikanischen Kapitalgesellschaften. Bis in die jüngste Zeit wiederum rechts­ ordnungsübergreifend zu beobachtende, schwankende Versuche der Rechtspre­ chung, den tradierten Grundsatz der Haftungskanalisierung auf die Gesell­ schaften mit den Interessen der geschützten Dritten in Einklang zu bringen,404 zeigen, daß die damit verbundenen Funktionsprobleme nach wie vor noch nicht vollständig gelöst sind: Während versucht wird, durch haftungsbewehrte Sank­ tionen für die Schädigung des Gesellschaftsvermögens insbesondere den Inter­ essen der Gesellschaftsgläubiger Rechnung zu tragen, sind die Vorbehalte, die­ sen auch Möglichkeiten zur Durchsetzung dieser Pflichten einzuräumen, nach wie vor stark. Das hat zwangsläufig zur Folge, daß dazu konzeptionell auf die verbandsinternen Durchsetzungsmechanismen zurückgegriffen werden muß, obwohl es Gesellschaftern und Organen vielfach an hinreichenden Anreizen mangelt, diese ernsthaft zu betreiben. Daß letztlich die Durchsetzung derarti­ ger Pflichten durch einen Insolvenzverwalter den praktischen Regelfall dar­ stellt, wird dabei von vornherein einkalkuliert, was die Effektivität der Norm­ durchsetzung vielfach beeinträchtigen wird. Auch die zunehmende Bedeutung schließlich, die etwa den Abschlußprüfern als Verifikateuren für die Durchset­ zung drittschützender Pflichten zugemessen wird,405 unterstreicht die Dimensi­ on dieses Spannungsfelds. Auch auf diese Zusammenhänge kann indes im hier gesetzten Rahmen nur hingewiesen werden, ohne daß die damit aufgeworfenen Fragen abschließend beantwortet werden könnten.

III.  Historische Legitimation restringierender Regeln? Von historischer Legitimation des heute in den untersuchten Rechtsordnungen geltenden Bestandes an restringierenden Normen im eingangs definierten Sinn   Vgl. exemplarisch nochmals oben sub A. III. 1. a) aa) (S. 512  f.) bei und in Fn. 233  ff. (fi­ duziarische Geschäftspleiterpflichten gegenüber Dritten im englischen Recht); sub A. III. 1. b) aa) (S. 516  f.) bei und in Fn. 253  ff. (Parallelproblem in den US-amerikanischen Rechten), sowie sub A. III. 1. c) bb) (S. 528  f.) bei und in Fn. 313  ff. zur Diskussion um die dogmatische Begründung der Gesellschafterhaftung für existenzvernichtende Eingriffe im deutschen GmbH-Recht. 405   Etwa im Zusammenhang mit der Überpüfung publizierter Aussagen zur Befolgung oder Nichtbefolgung von Corporate-Governance-Grundsätzen, wie sie im publizitätsbet­ tonten Ansatz des US-amerikanischen Sarbanes-Oxley Act 2002 angelegt ist (dazu nochmals oben sub A. III. 2. a) (S. 539)) oder im Zusammenhang mit der Prüfung der nach § 91 Abs. 2 AktG im deutschen Aktienrecht vorschriebenen Risikofrüherkennungssysteme (dazu noch­ mals oben sub A. III. 2. b) bb) (S. 542)). 404

B. Auswertung und Folgerungen

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kann mit Blick auf die Ergebnisse des historisch-vergleichenden Überblicks nur teilweise gesprochen werden. Besonders stark von Kontinuitätsbrüchen ge­ kennzeichnet ist, wie gesehen, die historische Entwicklung der gesetzlichen Vorgaben für die Organisationsverfassung. Hier haben insbesondere im deut­ schen, aber auch im französischen Aktienrecht erzwungene Veränderungen in der Organstruktur und der Kompetenzverteilung406 überkommene Strukturen abgelöst, meist ohne daß dies durch die jeweils zuvor festgestellten Fehlent­ wicklungen objektiv begründet gewesen wäre. Historische Kontinuität, die das geltende Recht legitimieren könnte, weisen in dieser Hinsicht allein in die an­ glo-amerikanischen Gesellschaftsrechte auf, die keine derartigen Kontinuitäts­ brüche aufweisen. Mit dieser Feststellung ist, wie bereits angedeutet, kein ab­ schließendes Urteil über die Vorzüge und Nachteile der jeweils neu etablierten Gestaltungen verbunden. Jeder Versuch einer Bewertung in dieser Hinsicht müßte vielmehr neben Einzelfragen der inhaltlichen Tauglichkeit, die im hiesi­ gen Rahmen nicht vollständig ausgelotet werden können, auch berücksichtigen, daß sich seit der Neuorientierung wiederum effizienzfördernde Lern- und Netzwerkeffekte eingestellt haben dürften, die in einer abermaligen Reform wegfielen. Als Ergebnis kann damit in dieser Hinsicht nur festgehalten werden, daß die modale Normanalyse jedenfalls keinen positiven Beleg für die Problem­ adäquanz des geltenden Organisationsrechts in den beiden Rechtsordnungen liefert. Dies indiziert, daß auch in dieser Hinsicht erweiterte Wahlmöglichkei­ ten sinnvoll sein könnten, wie sie in Deutschland anläßlich des 67. Deutschen Juristentags kontrovers diskutiert worden407 und exemplarisch etwa für die Or­ ganisationsverfassung der SE vorgesehen sind:408 Bestünde auch für die deut­ sche AG die Wahl zwischen beiden Verfassungsformen, so wäre damit die Mög­ lichkeit zur – auch experimentellen – Anpassung an die Bedürfnisse des Einzel­ falls eröffnet, ohne die im Umgang mit der etablierten dualistischen Struktur erworbenen Vorteile mit Lern- und Netzwerkeffekten aufzugeben. Abweichend ist, wie gezeigt, die Entwicklung der Vorgaben für die Finanz­ verfassung verlaufen. Zwar sind die ursprünglich auf konstitutive Zwecke be­ schränkten Regelungen auf dem europäischen Kontinent bereits während des 19. Jahrhunderts noch in stärkerem Umfang als das Recht der Binnenorganisa­ tion im Interesse materialer Schutzziele durch zwingendes Recht überformt 406   Vgl. oben sub A. I. 1. a) (S. 473  f.) zur Entwicklung in Deutschland (hier insbesondere die erzwungene Hinwendung zur dualistischen Unternehmensverfassung von 1884) sowie sub A. I. 2. a) (S. 479  ff.) zur Entwicklung in Frankreich (hier insbesondere die mit der Reform von 1966 verbundenen Einschnitte in der Verfassung der SA). 407   Vgl. befürwortend insbesondere Bayer, Gutachten E zum 67. DJT, E 112  f.; Habersack, AG 2009, 1, 7  f.; Windbichler, JZ 2008, 840, 846  f.; noch weitergehend Spindler, AG 2008, 598, 603  f.; abl. demgegenüber das Votum des Juristentags, siehe Verhandlungen des 67. DJT, 2008, Bd. II/1, N 106 (Ziff. 19). 408   Vgl. nochmals Art. 38 lit. b SE-VO und dazu bereits oben, 2. Teil, 2. Abschn., 2. Kap., sub C. I. (S. 367, 373).

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2. Kapitel:  Restriktion

worden. Dabei sind jedoch, wie gezeigt,409 vorgefundene Gestaltungsmuster und Praktiken tendenziell eher weiterentwickelt als durch vollständig neue Re­ gulierungskonzepte abgelöst worden. Zu größeren Kontinuitätsbrüchen ist es demgegenüber in den US-amerikanischen Gesellschaftsrechten gekommen. Das im kontinentaleuropäischen und hier besonders im deutschen Recht ausge­ prägte System des institutionellen Gläubigerschutzes durch eine Kombination aus Mindestkapitalvorgaben mit Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungs­ vorschriften beruht auf Vorbildern, die sich zur Absicherung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gesellschaften bereits unter dem Konzessionssystem etabliert hatten. Die Bedeutung der so vermittelten historischen Legitimation sollte indes schon deshalb nicht überschätzt werden, weil die Entwicklung die­ ser Gestaltungsmuster durch die Verfestigung zu einem positiv-präskriptiven Regime schon seit langem unterbrochen wurde. Ein abschließendes Urteil über die Leistungsfähigkeit dieser Gestaltungsmuster kann auf die Ergebnisse der modalen Normanalyse schon deshalb nicht gestützt werden. Von historisch vermittelter Legitimation sind nach alledem vor allem die heu­ te in den untersuchten Rechtsordnungen etablierten Grundsätze für finanzie­ rungsbezogene Verhaltenspflichten und damit in erster Linie konkrete Schran­ ken für einzelne Finanzierungsentscheidungen geprägt, die zu einem erhebli­ chen Teil auf kontinuierliche Entwicklungsprozesse zurückführbar sind. Weil und soweit in deren Verlauf stetig erweitertes Erfahrungwissen um eine Vielzahl unterschiedlicher Verhaltensweisen von Geschäftsleitern und Gesellschaftern mit negativen Konsequenzen für die Gesellschaften selbst und/oder für Dritte gesammelt wurden, ist der Informationswert dieser Grundsätze besonders groß. Dies begründet, wie bereits an anderer Stelle angedeutet wurde, 410 zugleich die Legitimation zwingender Vorgaben in dieser Hinsicht: Weil und soweit sich in der Kasuistik bestimmte, in einer Vielzahl historischer Fallkonstellationen wie­ derkehrende schädliche Verhaltensmuster ausmachen lassen, sprechen gute Gründe dafür, deren Bewältigung nicht der privaten Gestaltung zu überlassen.

IV.  Fazit und Folgerungen Das Ergebnis auch der historisch-vergleichenden Untersuchung restringierender Normen im Recht der Finanzierungsbeziehungen fällt nach alledem ähnlich aus wie jenes der vorangegangenen Analyse des konstitutiven Rechts: Zwar tau­ gen die jeweiligen Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien nicht als deskriptiver Ansatzpunkt für allzu simple Charakterisierungen rechtsord­ nungsspezifischer Regulierungsstile. Gerade indem sie den Blick auf Details der   Vgl. zusf. nochmals oben sub A. II. 5. (S. 505  f.).   Oben, 2. Teil, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 3. b) (S. 310  f.).

409 410

B. Auswertung und Folgerungen

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Verbreitung der unterschiedlichen Modi und die insoweit maßgeblichen Präge­ kräfte lenken, können die Resultate der modalen Normanalyse jedoch den Sy­ stemvergleich präzisieren, möglicherweise zugleich zur wissenschaftlichen Aufarbeitung vergangener Rezeptions- und Konvergenzprozesse beitragen und schließlich die künftige Reform nationaler Regelungsmodelle in Auseinander­ setzung mit ausländischen Konzepten unterstützen. Indem sie die Funktions­ merkmale von Regulierungsinstrumenten und Regulierungsstrategien in den Vordergrund rücken, sensibilisieren sie zugleich für die Voraussetzungen er­ folgreicher Rezeptionsvorgänge sowie für die Risiken, denen die Transplantati­ on ausländischer Regelungsmuster ausgesetzt sein kann. Die Genese der zwingenden Vorgaben für die Organisations- und Finanzver­ fassung spricht insofern gegen abrupte, tiefgreifende Systemwechsel und für behutsame Flexibilisierungsprozesse in Fällen, in denen überkommene nationa­ le Regelungsmuster als ineffektiv und/oder ineffizient oder aus anderen Grün­ den änderungsbedürftig erkannt werden: So bieten etwa die Adaptionsschwie­ rigkeiten, die die zwangsweise herbeigeführte Hinwendung zur dualistischen Untenehmensverfassung der deutschen Praxis über längere Zeit bereitete, be­ sonders anschauliche Beispiele für die Probleme, die ein solcher Systemwechsel hervorrufen wird. Der damit ausgelöste Kontinuitätsbruch wird in derartigen Fällen vor allem auch aufgrund des damit einhergehenden Verlusts von Erfah­ rungswissen Friktionen nach sich ziehen, weil die jeweiligen Akteure damit nicht mehr auf die Ergebnisse von Lern- und Netzwerkeffekten zurückgreifen können. Als Alternative zu derartigen Systemwechseln legt der historisch-ver­ gleichende Überblick die verstärkte Nutzung von Wahlmöglichkeiten als Stra­ tegie zur Flexibilisierung vorgefundener Strukturen nahe. Insbesondere Wahl­ modelle, die – wie etwa neu geschaffene und neben den etablierten eingeführte Gesellschaftstypen – vorgefundene Menüs nicht strukturell verändern, sondern sie um neue Alternativen ergänzen, vermeiden dabei auch Probleme, die die Im­ plantation ausländischer Regelungsvorbilder innerhalb konzeptionell grund­ sätzlich anders gestalteter vorgefundener Systeme mit starken Interdependen­ zen der einzelnen Systembestandteile verursachen könnte. Bestehen derartige Interdependenzen nicht, sondern lassen sich einzelne Ty­ pen von Regelungen vom übrigen Regelungsprogramm aus funktionaler Per­ spektive weitgehend isolieren, so sprechen die gewonnenen Erkenntnisse jeden­ falls für die Rezeptionsfähigkeit und auch für Möglichkeiten der Weiterent­ wicklung bestehender Regelprogramme, die Teile funktional vergleichbarer ausländischer Institute integriert. Beispielhaft dafür stehen wiederum die fi­ nanzierungsbezogenen Verhaltenspflichten: Die deutlichen Parallelen nicht nur in materieller, sondern eben auch in funktionaler Hinsicht können erklären, weshalb insoweit die Konvergenz zwischen den untersuchten Rechten durchaus weit vorangeschritten und nennenswerte Rezeptionsprobleme insoweit ausge­ blieben sind.

Schlußbetrachtung „Da jedes eingeführte System von Verhaltensregeln auf Erfahrungen beruht, die uns nur zum Teil bekannt sind, und einer Handelnsordnung in einer Weise dient, die wir nur zum Teil verstehen, können wir nicht hoffen, es da­ durch zu verbessern, daß wir es als Ganzes neu schaf­ fen.“ „We argue that striking the right balance between flexi­ bility and control is the key ingredient for ensuring the adaptability of the corporate form to a constantly chan­ ging environment. The Schumpeterian process of creati­ ve destruction applies not only in economics, but also holds important lessons for the evolution of law.”

Die vorliegende Untersuchung ist ausgegangen von der Feststellung, daß der etablierte Methodenkanon bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung und Be­ gleitung der ebenso omnipräsenten wie dynamischen Reform- und Konver­ genzprozesse im Kapitalgesellschaftsrecht auf Schwierigkeiten stößt: Weil die damit angesprochenen Vorgänge typischerweise ganze Regulierungsprogram­ me erfassen, die in Abhängigkeit von vielfältigen rechtskulturellen und wirt­ schaftlichen Determinanten entstanden sind, sind diese Konsequenzen mit den auf die Isolierung von Sachproblemen angewiesenen Methoden insbesondere der tradierten funktionalen Rechtsvergleichung und der Rechtsökonomik oft nur schwer erfaßbar. Die Komplexität der relevanten Einflußfaktoren, aber auch der Verschiebungen infolge der zunehmenden Auflösung autonom entwickelter nationaler Regelungsmuster ist daher nicht nur ein inhaltliches, sondern gerade auch ein methodisches Problem. Die Arbeit wollte vor diesem Hintergrund ausloten, inwieweit ein stärker an modalen Aspekten orientierter, d. h. auf die Funktionsmerkmale unterschiedlicher Regulierungsinstrumente bezogener, Untersuchungsansatz in Ergänzung dieser Methoden Erkenntnisse erbringen könnte, die das Verständnis für die Voraussetzungen und Wirkungsmechanis­ men von Rezeptions- und Konvergenztendenzen vertiefen könnten. Es ist ge­   Von Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, S. 171  ff., insbes. S. 174.   Pistor/Keinan/Kleinheisterkamp/West, 23 U. Pa. J. Int’l Econ. L. 791, 796 (2002).    Oben, 1. Teil, 1. Kap. (S. 12).  

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Schlussbetrachtung

zeigt worden, daß damit zwar für das untersuchte Referenzgebiet – das Recht der Finanzierungsbeziehungen in Kapitalgesellschaften – vielfach Neuland be­ treten wird, daß aber zugleich an eine Vielzahl von Arbeiten nicht nur der zivil­ rechtlichen Dogmatik, sondern auch der Rechtssoziologie und der Rechtsöko­ nomik angeknüpft werden kann, die zum Teil bereits recht umfassende Theo­ rieansätze zu einzelnen Kategorien von Regulierungsmodi vorgelegt haben. Auch unabhängig von diesem Ausgangspunkt hat sich die Arbeit um Erkennt­ nisse bemüht, die in eine Rechtsetzungslehre für das Kapitalgesellschaftsrecht einmünden und idealiter für künftige Rechtsetzungsprozesse fruchtbar ge­ macht werden könnten. Als aufschlußreich gerade auch in dieser Hinsicht ha­ ben sich auch Fragestellungen und Untersuchungsansätze der ökonomischen Regulierungstheorie erwiesen, an die sich die Arbeit nicht nur begrifflich an­ lehnt. Nach einer Grundlegung im 1. Teil, die insbesondere den methodischen Standort der hier gewählten Vorgehensweise einzuordnen hatte, hat sich die Untersuchung sodann im 2. Teil zunächst den Funktionsvoraussetzungen und der Funktionsweise unterschiedlicher Regulierungsinstrumente zugewandt. Dabei ist der Typologie von Unterscheidungsmerkmalen gefolgt worden, die sich teils bereits in der älteren zivilrechtsdogmatischen Literatur, teils auch erst in der jüngeren Rechtstheorie für einzelne Formen von Regulierungsinstru­ menten etabliert hat: In den Blick genommen wurden zunächst die Funktions­ unterschiede zwischen dispositivem und zwingendem Recht,  sodann diejeni­ gen zwischen Normen in der Regel- und solchen in der Standardform. Dabei hat sich insbesondere gezeigt, daß sich die nach wie vor durchaus herrschende Vorstellung von der funktionalen Dichotomie zwingenden und dispositiven Rechts nicht halten läßt: Die Prägekraft dispositiver Normen ist aus einer Viel­ zahl von Gründen, nicht zuletzt aufgrund von Netzwerk- und Lerneffekten, deutlich größer, als verbreitet angenommen wird. Dispositives Recht ist damit keineswegs auf gestaltungserleichternde bzw. gestaltungsergänzende Funktio­ nen beschränkt, sondern zugleich als Instrument zur Verhaltenssteuerung ge­ eignet.  Insofern sind die Unterschiede zwischen beiden Kategorien nicht grundsätzlicher, sondern eher gradueller Natur. In seiner Funktionsweise weicht dispositives Recht allerdings durchaus von zwingenden Normen ab. Dies gilt nicht zuletzt für die Notwendigkeit effektiver Durchsetzungsmecha­ nismen, die insbesondere für zwingende Normen eine wichtige Funktionsvor­ aussetzung darstellen. In dieser Hinsicht ist versucht worden, die Funktions­ merkmale der gerade im untersuchten Referenzgebiet höchst vielfältigen Norm­   Oben, 1. Teil, 1. Kap., sub C. II. (S. 27  ff.).   Oben, 1. Teil, 2. Kap., sub A. (S. 35  f.).    Oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. (S. 63  ff.).    Oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub C. (S. 167  ff.).    Oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub B. II. 3. (S. 86  ff.) und 4. (S. 129  ff.).  

Schlussbetrachtung

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durchsetzungsmechanismen aufzuarbeiten und ihre jeweiligen Vor- und Nach­ teile zu ermitteln. Um die bis dahin gewonnenen Erkenntnisse zu vertiefen und weiter abzusichern, wurden sie sodann mit den Funktionsmerkmalen privater und teilprivatisierter Regulierung kontrastiert.10 Schließlich wurden die auf der Grundlage der einzelnen Regulierungsinstrumente realisierbaren Regulie­ rungsstrategien in die Analyse einbezogen, die sich insbesondere durch die In­ tensität des regulierenden Eingriffs und die Reichweite der verbleibenden Spiel­ räume für die privatautonome Gestaltung unterscheiden.11 Insgesamt sind bei alledem Erkenntnisse über die komplexen Funktionsde­ terminanten der dem Gesetzgeber insgesamt zu Gebote stehenden Regulie­ rungsmodi gewonnen worden, die Pauschalbetrachtungen im Hinblick auf die Merkmale einzelner Kategorien derselben, aber auch und gerade im Hinblick auf vermeintliche rechtsordnungsspezifische Charakteristika insoweit erhebli­ chen Zweifeln aussetzen: Schon de lege lata ist in allen untersuchten Rechtsord­ nungen ein hochdifferenzierter „Mix“ unterschiedlicher Modi realisiert, dessen Entstehung von vielfältigen Einflüssen geprägt war und der sich jeder generali­ sierenden Bewertung entzieht. Die Einzelergebnisse, die dieses Resumée tra­ gen, sind bereits am Ende des 2. Teils der Untersuchung in systematischer Form zusammengestellt und sodann im 3. Teil der Untersuchung anhand eines histo­ risch-vergleichenden Überblicks über repräsentative Regelungszusammenhän­ ge aus vier verschiedenen Rechtsordnungen überprüft worden. Dabei haben sie sich im wesentlichen bestätigt und nur punktuell nochmals konkretisiert, so daß auf die entsprechenden Zusammenfassungen und Bewertungen verwiesen und auf eine Wiederholung verzichtet werden kann.12 Abschließend sollen da­ her lediglich vier zentrale Erkenntnisse nochmals in Thesenform hervorgeho­ ben werden, die sich am Ende der Untersuchung gewissermaßen als Eckpfeiler einer künftigen Rechtsetzungslehre für das Kapitalgesellschaftsrecht aufdrän­ gen: 1. Effektive Regulierung ist (auch) im untersuchten Referenzgebiet maßgeblich von der Informationsbasis abhängig: Damit die zur Erreichung konkreter Regulierungsziele eingesetzten Instrumente und Strategien ihre Funktion er­ füllen können, bedürfen Regelbildung und Regeldurchsetzung tragfähiger In­ formationen über das Sachproblem, aber auch über die Funktionsweise der Re­ gulierungsmodi, d. h. über die beteiligten Akteure und ihre Reaktion auf die eingesetzten Regulierungsmodi unter Berücksichtigung der jeweiligen Interes­

  Oben, 2. Teil, 1. Abschn., 1. Kap., sub D. (S. 202  ff.).   Oben, 2. Teil, 1. Abschn., 2. Kap. (S. 252  ff.). 11   Oben, 2. Teil, 2. Abschn. (S. 324  ff.). 12   Oben, 2. Teil, 2. Abschn., 3. Kap. (S. 383  ff.), sowie 3. Teil, 1. Kap., sub B. (S. 461  ff.), und 2. Kap., sub B. (S. 545  ff.). 

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Schlussbetrachtung

senlage. Liegen die erforderlichen Informationen nicht vor, ist gesetzliche Re­ gulierung vielfach der privaten Problemlösung unterlegen.13 2. Die Wahl zwischen den unterschiedlichen Regulierungsmodi ist zugleich ein möglicher Schlüssel zur Behebung dieses Informationsproblems: Mit der Wahl zwischen dispositivem und zwingendem Recht und zwischen Regeln und Standards sind Entscheidungen über die Allokation der Informationslast ver­ bunden. Mit ihrer Hilfe kann der Gesetzgeber die Verantwortung für Regelbil­ dung (bzw. Regelkonkretisierung) auf derjenigen Ebene ansiedeln, auf der das erforderliche (Erfahrungs-) Wissen am ehesten vorliegen wird. Dies kann – ins­ besondere bei neuartigen, wenig standardisiert auftretenden Sachproblemen – die private Gestaltung sein, es kann aber auch – insbesondere bei Vorliegen hi­ storischen Erfahrungswissens – die Ebene des Gesetzgebers sein.14 Die in dieser Hinsicht bestehenden Möglichkeiten der Aktivierung und Einbettung privater Initiative und privater Informationen in den Prozeß der Regelbildung und Re­ geldurchsetzung sind vielfältiger Natur; sie können durch unterschiedliche Va­ rianten von Regulierungsstrategien weiter gesteigert werden.15 Auch im deut­ schen Kapitalgesellschaftsrecht sind viele dieser Ansätze bereits de lege lata realisiert; sie ließen sich aber noch ausbauen. Insbesondere Wahlmodelle könn­ ten gerade zur Bewältigung von Unsicherheiten bei der regulierungsvorberei­ tenden Informationsbeschaffung verstärkt genutzt werden. 3. Informationen und historisches Erfahrungswissen erhöhen den Wert von Regelungsmustern und sind bei jeder Abwägung zwischen den Alternativen der Beibehaltung und der Änderung etablierter Strukturen de lege ferenda zu berücksichtigen. Insbesondere die rechtsökonomischen Ansätze zur Erforschung von Netzwerk- und Lerneffekten als Faktoren für den ökonomischen Wert von Regelungen haben in jüngerer Zeit bedeutsame Erklärungsmuster nicht nur für allfällige Persistenzneigungen auch dispositiven Gesetzesrechts geliefert, son­ dern zugleich für die versteckten Konsequenzen von Änderungen in vorgefun­ denen Regelungsprogrammen sensibilisiert. Dies unterstreicht die These, daß der sensible Umgang mit vorhandenem Erfahrungswissen, aber auch mit vor­ handenen Informationsdefiziten zum Kern der Gestaltungsaufgaben des Ge­ setzgebers auch im untersuchten Referenzgebiet zählt: Nur eine um den konti­ nuierlichen Ausbau und die Weiterentwicklung der vorhandenen Informatio­ nen bemühte, aktive Gesetzgebung wird diesem Ideal gerecht. Eine wertvolle Quelle für regulierungsvorbereitende Informationen sind empirisch feststellba­ re Muster privatautonomer Gestaltung einerseits und die Rechtsprechung zu daraus resultierenden Problemen andererseits. Pfadabhängige Entwicklungs­ stränge sind vielfach nicht oder nicht nur Ausdruck der Verfestigung ineffizien­   Oben, 2. Teil, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. I. (S. 287  ff.).   Oben, 2. Teil, 1. Abschn., 3. Kap., sub A. II. 3. (S. 304  ff.). 15   Oben, 2. Teil, 2. Abschn. (S. 324  ff.). 13 14

Schlussbetrachtung

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ter Strukturen, sondern Produkt zunächst einmal effizienzfördernder Lernund Netzwerkeffekte. 4. Der Kern der gesetzgeberischen Gestaltungsaufgabe liegt nach alledem nicht in einer rechtspolitischen Richtungsentscheidung zwischen „Regulierung“ und „Deregulierung“, sondern vielmehr im kontinuierlichen, informationssensitiven Ausgleich zwischen Beibehaltung und Flexibilisierung etablierter Strukturen. Auch für das untersuchte Referenzgebiet gilt das dieser Schlußbetrach­ tung vorangestellte Diktum Hayeks, wonach grundlegende Systemwechsel auf­ grund der Komplexität ihrer Implikationen weder planbar noch plangerecht durchführbar sind.16 Die im 3. Teil der Arbeit schlaglichtartig beleuchteten Ent­ wicklungsstränge illustrieren nochmals die vielfältigen Interdependenzen zwi­ schen teils zufällig entstandenen, teils organisch aus lang etablierten Regelungs­ mustern und Gestaltungspraktiken entwickelten Systembestandteilen. Die simple Dichotomie von „Regulierung“ und „Deregulierung“, die in der rechts­ politischen Diskussion zeitweilig besonderen Stellenwert einnahm, verkürzt mit Blick auf diese komplexen Zusammenhänge nicht nur die Wahlmöglichkei­ ten, sondern eben auch die Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers in unzulässiger Weise. Er sollte, wie ausgeführt, auf der Basis des verfügbaren, historisch fun­ dierten Erfahrungswissens über Sachprobleme und über die Funktionsmerkma­ le von Regulierungsmodi Einfluß auf die privatautonome Gestaltung ausüben, um historisch wiederkehrende Fehlentwicklungen und Mißstände künftig nach Möglichkeit auszuschließen. Aber: Das geltende Recht hat sich keineswegs durchweg kontinuierlich entwickelt, sondern beruht teilweise auf eher willkür­ lichen historischen Gestaltungsentscheidungen, die schon deshalb nicht geeig­ net sind, künftige Problemlagen tatbestandlich zu erfassen und erst recht situa­ tionsadäquat zu lösen. In Auseinandersetzung mit der verfügbaren Informati­ onsbasis sollten daher die soeben definierten Möglichkeiten zur Flexibilisierung und Spielräume für die Weiterentwicklung der bestehenden Gestaltungsmuster im Zusammenwirken von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Gestaltungspra­ xis verstärkt genutzt und weiterentwickelt werden. Schon die begrenzten Er­ kenntnismöglichkeiten und die Grenzen des verfügbaren historischen Erfah­ rungswissens legen dabei eine differenziert angelegte Herangehensweise nahe und lassen jeden Versuch eines umfassend positiv-präskriptiven „Mikroma­ nagements“17 in der Tat wenig sinnvoll erscheinen. Weder unbeschränkte Dere­ gulierung noch Rigidisierung, weder Wildwuchs noch Prokrustesbett können sinnvoll als Leitlinien für die künftige Rechtsentwicklung qualifiziert werden. Erforderlich ist vielmehr eine behutsame Flexibilisierung der vorhandenen Re­ gulierungsprogramme – im Bewußtsein struktureller Effektivitätsgrenzen der eingesetzten Regulierungsmodi und in Auseinandersetzung damit.   Oben bei und in Fn. 1.   Vgl. nochmals Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrechts, S. 344  f.

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Sachregister Abschlußprüfer 108, 121, 181, 194, 196, 209, 219 ff., 245 ff., 263, 482, 542 ff., 550 Abschlußprüfungsrichtlinie siehe Euro­ päisches Gesellschaftsrecht Abstraktheit von Normen 172 Abwickler 212 Act concerning corporations of this state and other states, doing business in this state (New Jersey) 422, 457 Act Providing a General Corporation Law (Delaware) 422 Act Relative to Incorporatios for Manufac­ toring Purposes (New York) 422, 457 action en comblement du passif (Frankreich)  531 ff. actio pro socio  531 ADHGB 1861 (Deutschland)  340, 427 ff., 435, 452, 466, 472, 491 ff., 523 f., 526 administrateur, -s (Frankreich) 425, 437, 481, 497 f., 530 administrator (England)  511, siehe auch Insolvenzverwalter Agency-Konflikt, -e 47 f., 320, 469, siehe auch Prinzipal-Agenten-Strukturen Aktiengesetz 1937 (Deutschland) 475, 494, 525 f. Aktienrechtsnovelle 1870 (Preußen)  340, 411, 430, 472, 491 524 Aktienrechtsnovelle 1884 (Deutsch­ land)  340, 473 ff., 489, 492, 524, 526 Aktienrechtsreform 1965 (Deutsch­ land) 476, 494, 526 Aktionärsrechterichtlinie siehe Euro­ päisches Gesellschaftsrecht Aktionärsschutz 418, 495, siehe auch Anlegerschutz Aktionärsvereinigungen 481 Akzeptanz von Normen bzw. Sachlö­ sungen 109, 125, 144, 224, 226, 271 f., 274 ff., 283, 338, 345, 347, 351, 378 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch siehe ADHGB

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten siehe ALR ALR 408, 418, 427 Analogie 164, 188 f., 190, 201, 526, 529 Anfechtung, -sklage, -srecht 212, 216 ff., 237 f., 240, 472 f., 477 Anlegerschutz  39, 152, 162, 222, 420, 444, 458, 471, 488, 490, 492, 494, 496, 500, 502, 546 ff., siehe auch Aktionärsschutz Anleihegläubiger 216, 219, 347, 499, 515 Anregungsnormen  334 f., 352, 366 f. Anreizstrukturen bzw. -wirkung 7, 41, 43, 52 f., 55 f., 61 ff., 76, 99, 105 f., 123, 126, 134 ff., 145, 148, 165, 179, 181 f., 187 f., 192 ff., 202 ff., 208, 212, 216 f., 221 ff., 227 ff., 233 ff., 236 ff., 246 ff., 268 f., 271, 280, 294, 306, 319, 322, 348 ff., 362, 373, 376 ff., 385 f., 395, 489, 506, 537, 544 ff. Apathie von Akteuren 238, 269, 348 f., 354, 380 Appellfunktion (von Rechtsnormen)  56 f., 60, 367, siehe auch expressive Wirkungen ARUG 477 assemblée générale (Frankreich) 417, 425, 479, siehe auch Gesellschafterversamm­ lung audit committee siehe Prüfungsausschuss Aufklärungslast siehe Informations­ probleme Aufsichtsrat  54, 108, 171, 211 f., 214, 217, 267, 271, 295, 341, 366 f., 428 ff., 466 f., 472 ff., 505, 524 ff., 541, siehe auch conseil de surveillance Auslegung – Normen 11, 15, 99, 103 ff., 118 f., 164, 170, 175, 178 f., 181, 188 ff., 197 ff., 265 ff., 301 ff., 310, 313 f., 511, 536 f. – Verträge 66 ff., 83, 86, 89 ff., 114, 118 f., 358 Auslegungsverantwortung  301 Ausschüttung, -en, -sschranken  54, 159, 449, 452, 491 f., 495, 497 ff., 502 ff., 509 f., 515, 518, 524, 530, 533

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Sachregister

Befolgungszwang  53 ff., 61, 148, 203, 277, 282, 395 Behavioral Law and Economics 27, 30 ff., 62, 106, 109 Berater, Beratung  56, 58, 94, 114, 120 f., 126, 171, 179, 188, 198, 220, 247, 249, 306 Berichtspflichten – Abschlussprüfer 220, 541 – Organe 213, 245, 472, 476, 483, 541 Beschlußmängel 217, 239 siehe auch Anfechtungsklage, Nichtigkeitsklage Besitzeffekte (endowment effects, statuts quo bias) 101, 109 ff., 124, 138, 309 Bezugsrecht, -e 447, 453, 459, 492 f. Bilanzierungswahlrechte  368, 373 Binnenorganisation 403 f., 412, 415 ff., 430 f., 442 f., 460 ff., 471, 477 f., 483, 486 ff., 549, 551 Board of Directors (England, USA) 423 f., 439, 484 ff., 511, 538 ff. Board of Trade (England) 420, 483 f., 509 Börsenkurs 23, 55, 220, 222 ff., 271, 276 Börsenordnung 260 Börsensegment  371 Bubble Act (England) 407, 409, 420 Business Judgment Rule 14, 55, 59 ff., 296, 315, 321, 339 Bußgeld siehe Ordnungswidrigkeit by-laws (USA) 416 f., 419, 422 ff., 442, 457, 459 Cadbury Code (England) 259, 484 f. CEO (USA) 442 charte (Frankreich) 434, 445 ff. charter (England, USA) 72, 75, 405, 407 f., 416 f., 419, 423 f., 432 ff., 444 f., 451 Chartered Companies Act 1837 (Eng­ land) 455 Coase-Theorem 106, 110 Code de Commerce 1807 (Frankreich) 408, 424 f., 437, 452, 497, 530 ff. Combined Code on Corporate Governance (England) 259 f., 484 f., 540 commissaires aux comptes (Frank­ reich) 425, 477, 479 Compagnie d’Afrique (Frankreich) 417 Compagnie des Indes Orientales (Frank­ reich) 447 Compagnie pour fournir des bois à la Marine royale (Frankreich) 447 Companies Act 1856 (England) 408, 420, 439, 456, 467, 509 f.

Companies Act 1862 (England) 421, 456, 467, 510, 540 Companies Act 1907 (England) 414, 483 Companies Act 1908 (England) 421, 456, 483, 510, 540 Companies Act 1929 (England) 456, 483, 511, 540 Companies Act 1949 (England) 456, 483 Companies Act 1980 (England) 457 Companies Act 1981 (England) 457 Companies Act 1985 (England) 439, 484, 511 Companies Act 1989 (England) 439 f., 484 Companies Act 2006 (UK)  3, 421, 440, 483, 486, 502, 510 ff. Compliance 121, 539 f. comply-or-explain 77, 143, 204, 259, 271, 365 conseil d’administration (Frankreich) 425, 437, 480, 482, 500, 531, 542, siehe auch Verwaltungsrat conseil de surveillance (Frankreich) 480 siehe auch Aufsichtsrat Conseil d’Etat (Frankreich) 425 f., 452, 454, 533 constitution (England) 420 contractarian school 6, 70 ff., 79, 88, 93, 98, 103, 157, 166, 310, 325, 327 Corporate Finance 257 Corporate Governance 4, 22, 25, 74 f., 122, 167, 222 f., 257, 271, 303, 377, 488, 543, 550 Corporate-Governance-Kodex, -izes 25, 43, 77, 252, 258 f., 271, 275, 277, 389, 538, 544, siehe auch Deutscher Corporate Governance Kodex covenant-light-Finanzierung 126, 150, 159 ff., 256 f., 273, 278, 280, 306, 308 Covenants 150, 159 ff., 256 f., 280 DCGK siehe Deutscher Corporate Governance Kodex Deep Rock Doctrine (USA)  504, 522 Delaware  319, 375, 422 ff., 441, 458 f., 503 f., 516 f., 522, 538 f. Delaware General Business Incorporation Act 1899 423 Department of Business Enterprise and Regulatory Reform (England) 484 Deregulierung  3, 12 f., 69 ff., 146 f., 160, 220, 321, 327, 458 f., 488, 495, 503, 559 derivative claims (England) siehe sharehol­ der derivative suits

Sachregister Deutsche Prüfstelle für Rechnungs­ legung 220, 230, 246, 249 Deutscher Corporate Governanc Kodex (DCGK) 43, 122, 143, 223, 259 f., 265 ff., 271 f., 276, 316, 542, siehe auch Corpo­ rate-Governance-Kodex Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V. 261 f. Deutscher Standardisierungsrat 262 Dichte von Tatbeständen 44 ff., 170 ff., 370, 516 directeur (Frankreich) 417, 425, 437, 446, 480 f. director, -s (England, USA) 419, 421 ff., 434, 439 f., 450, 455 f., 483 ff., 507, 509 ff., 516 f., 538 ff. Direktor, -en (Deutschland) 418, 434, 448 dispositives Recht – Begriff 45, 64 ff. – Bindungswirkung 144 ff. – Flexibilität 101 ff., 125, 127 – Funktionen 67, 83 ff., 131 ff. – Typologie  81 ff. – Persistenzneigungen 60, 126 ff., 129, 145 – als Regulierungsinstrument 40, 53, 58, 60, 73 ff., 129 ff., 146 ff. – Wirkungsmechanismen 100 ff., 131 ff. siehe auch Ergänzungsfunktion, Erleichterungsfunktion, Ordnungsfunk­ tion, Leitbildfunktion, penalty defaults Dividenden 447, 449, 453, 456, 491 ff., 498 ff., 502 ff., 509 f., 524, 530, 533 DRSC siehe deutsches Rechnungslegungs Standards Committee dualistische Unternehmensverfassung siehe Organisationsverfassung Durchgriffshaftung siehe Haftungsdurch­ griff East India Company (England) 416 f., 433, 445 Effektivität (von Rechtsnormen, Sank­tio­ nen, Regulierungsstrategien) 4, 27 f., 41 f., 45 f., 51 f., 62, 139, 144, 146, 168, 171, 179 ff., 186 f., 202, 207, 210, 234 ff., 239 ff., 245 ff., 253 f., 271 ff., 283, 289, 293 ff., 298, 304, 321, 347 f., 352, 357, 372, 377, 380, 384, 395, 402, 466, 489, 506, 537, 549 f. Efficient Capital Markets Hypothesis 223 f. Effizienzhypothese siehe Efficient Capital Markets Hypothesis eigene Aktien der Gesellschaft  54, 419, 492 ff., 500, 504, 524

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Eigenkapital(-finanzierung)  5 ff., 92 ff., 133, 142, 257 f., 287, 342, 363, 445, 457, 493, 517, 521, 532, 533 Eigenkontrolle, Grundsatz der  524 Einlagenrückgewähr  54, 449 endowment effects siehe Besitzeffekte Enforcement-Verfahren 220, 246 Enron 182, 209, 247, 488 Entsprechenserklärung 143 f., 259, 266, 271 f., 364, 485, siehe auch comply-orexplain equitable subordination (USA)  504, 522 f. Erfahrungswissen 123, 126 f., 291, 304, 307, 310 ff., 316, 318 ff., 338, 350, 368, 386 ff., 461, 466 f., 511, 529, 535, 544, 549, 553, 558 f. ergänzende Vertragsauslegung siehe Auslegung Ergänzungsfunktion 67, 89 ff., siehe auch dispositives Recht Erleichterungsfunktion 128, 157 f., 161 Erste gesellschaftsrechtliche Richtlinie siehe Europäisches Gesellschaftsrecht Erziehungsfunktion (von Rechtsnormen) siehe Appellfunktion Europäisches Gesellschaftsrecht – Abschlußprüfungsrichtlinie 2, 247 f., 543 – Aktionärsrechterichtlinie  3, 55, 349, 477 – Aktionsplan „Modernisierung des Gesellschaftsrechts“  543 – Erste gesellschaftsrechtliche Richtli­ nie 436, 438 f. – Jahresabschlussrichtlinie 2 – Rechtsformen 75, 415 – SE-Richtlinie 139, 143, 343, 415 – SE-Verordnung 75, 353, 367, 373 – Übernahmerichtlinie  368, 378 – Zweite gesellschaftsrechtliche Richt­ linie 2, 13, 169, 404, 454, 457, 460, 463, 490 f., 494 f., 499 f., 502 existenzvernichtender Eingriff, Existenz­ vernichtungshaftung  528 f., 537, 550 exit 209 experimentelle Regulierung  306, 322, 332, 375, 379, 389, 398, 544 f., 551 expressive Wirkungen  53, 56 ff., 148, 199, 204, 277 f., 371, siehe auch Appellfunktion Fallgruppen, -bildung, -methode 173, 177, 198 f., 201, 265 f., 290, 310, 518 f., 527 ff. faute de gestion (Frankreich)  532, 534 fiduciary duties siehe fiduziarische Pflichten

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Sachregister

fiduziarische Pflichten 47, 79, 169, 190, 195, 226, 507 ff., 516 ff., 550 Financial Covenants siehe Covenants Financial Reporting Council (Eng­ land) 259, 485 Finanzanalysten 247 Finanzierungsbeziehungen (Begriff)  5 ff., 285 ff. Finanzierungsentscheidungen 257, 413, 463, 502, 508, 517, 527, 535 f., 552 Finanzierungsfolgenverantwortung  527, 529 Finanzverfassung 68, 70, 72, 244, 257, 370, 376, 401 ff., 404, 406 f., 409, 411, 414, 444 ff., 466, 484, 490 ff., 506 f., 523, 526 ff., 546 ff. formale Realisierbarkeit 45, 51, 164, 167 ff., 177 f., 190, 191, 194, 200, 226, 232, 264 f., 301, 310, siehe auch Regelform, Standard­ form fraudulent conveyance (USA)  504, 518, 523 fraudulent preference (England)  509 f., 513 fraudulent trading (England)  510, 513, 515 Fremdkapital(-finanzierung)  5 ff., 92 f., 114, 159, 219, 256 ff., 273, 278, 280 ff., 287, 307 f., 333, 342, 347, 364 f., 377, 382, 457, 461, 469 f., 501, 503 f. Frühwarnsysteme siehe Risikomanagement GAAP siehe Generally Accepted Accoun­ ting Principles Gatekeeper, Verifikateure 194, 209 ff., 219 f., 246 f., 550 Gefahrenabwehr 241, 291 Geltungsanspruch von Normen 2, 25, 45, 63, 65, 73, 76, 80, 82, 90, 168, 216, 395 f., 421 Generalklausel  58 f., 175 ff., 189, 193, 310, 314, 525, 530, 537, 542, siehe auch Standardform Generally Accepted Accounting Principles (USA) 262 general meeting (England) 421, 484, 486, siehe auch Gesellschafterversammlung Generalversammlung 417 f., 428 f., 430, 434, 447, 450, 453, 472 ff., 475, 481 f., 492, 524, 526, 530 f., 533, siehe auch Gesellschafter­ versammlung gérant (Frankreich) 426, 437 f., 499, 533 Geschäftsleiter 15, 18, 55, 58, 70, 114, 171, 192, 222, 246, 402, 427 f., 432 f., 435, 438, 443, 464, 469 f., 472 ff., 480 ff., 489, 492, 502, 507

– Pflichten 47, 54, 59 f., 80, 121, 168 ff., 179, 190, 193, 196 f., 245, 271, 295, 508 ff., 515 ff., 523 ff., 530 ff., 538 ff., 546, 550, 552 – Vergütung  56, 223 siehe auch Business Judgment Rule Gesellschafter 18, 54, 82, 113, 143, 149, 169, 171, 207 ff., 212, 214 ff., 222, 229, 231, 233, 237 f., 256, 258, 287, 295, 296, 320, 330, 340 f., 347 f., 350, 359, 361, 372 f., 377, 382, 402 f., 405, 409 f., 413, 415 f., 417 ff., 420 ff., 435, 437 f., 443 ff., 452 ff., 463 ff., 469 ff., 476 ff., 488 f., 491 f., 496 ff., 506 ff., 514 ff., 526 ff., 530 f., 533 ff., 544 f., 546, 550, 552, siehe auch Mitwirkungsrechte Gesellschafterdarlehen  522, 527 f. Gesellschafterversammlung 198, 214, 340, 417 f., 420, 423 f., 454, 456, 474, 478, 482 ff., 496, 500, 502, 511, 530, 533 Gesellschaftsgegenstand siehe Unterneh­ mensgegenstand Gesellschaftsvertrag, Satzung, Statuten  33, 75, 82, 91 f., 95, 113 f., 151, 160, 198, 211, 219, 252, 254 ff., 278, 306, 353, 355, 359 ff., 382, 404, 412, 415, 418, 421, 425 ff., 428, 431, 433, 436 f., 440, 449, 454, 462 f., 473 f., 478, 491 ff., 498 f., 501 f., 526 – Änderung  54, 158, 162, 306, 340, 350 f., 428, 473, 478 ff. siehe auch Regelungsauftrag Gesellschaftszweck siehe Unternehmens­ gegenstand Gestaltungsfreiheit 60, 65, 68 ff., 73, 79 f., 91, 99 f., 103, 114, 132 ff., 146, 151 f., 159, 162 f., 255, 257 f., 300, 311, 329, 334, 337 f., 345, 356, 359, 369 f., 379, 381, 393, 397, 409, 416 ff., 420 ff., 442 f., 455 ff., 463, 473, 478, 483, 488, 490 f., 496, 503, siehe auch Satzungsfreiheit gestaltungsergänzendes Recht  83, 86 ff., 114, 116, 396, 556 gestaltungserleichterndes bzw. -unterstüt­ zendes Recht  86 ff., 96 ff., siehe auch dispositives Recht Gewinnausschüttungen siehe Ausschüt­ tungen Gewinnverwendung 238, 445, 449, 456, 498 f., siehe auch Ausschüttungen Gläubiger, -schutz 13 f., 18 f., 39, 46, 78, 150, 152, 154, 161, 180, 186, 207, 212, 229 ff., 256, 280 f., 286 f., 207, 308, 311, 333 f., 341 f., 347, 367, 370 f., 375 f., 382, 390, 410, 418, 458, 432, 439 f., 444, 446, 451, 453 ff.,

Sachregister 469 f., 488, 490 ff., 505 f., 509, 512 ff., 530 ff., 546 ff. Gleichbehandlungsgrundsatz (Gesellschaf­ ter)  54, 169 GmbH-Gesetz (1892) 403, 412 f., 436, 495, 498 Goldbilanzverordnung 1923 (Deutsch­ land) 493 governance siehe Mitwirkungsrechte Gründerhaftung, Gründungshaftung 491, 526, 534 Gründerkrach 473, 492 Gründungsbericht  54, 214, 359, 494, siehe auch Gründungsverfahren Gründungshaftung siehe Gründerhaftung Gründungsprüfung  54, 359, 492 ff., 524 f., siehe auch Gründungsverfahren Gründungsverfahren  95, 395, 420, 451, 526 f., 534 Gründungsvorstand  524 Grundkapital 76, 170, 444 ff., 450 ff., 455 f., 473 f., 476, 481, 491 ff., 518 f., 523 f., siehe auch Stammkapital gute Sitten  58, 68 Haftungsbeschränkung 287, 330, 372, 402 f., 405, 408 ff., 419, 445, 447 f., 451, 455, 461, 496, 514, 520, 534 Haftungsdurchgriff 137, 296, 446, 504, 514, 519 ff., 522, 528, 531, 534, siehe auch lifting the veil, piercing the corporate veil Haftungskanalisierung, Haftungskonzen­ tration  524 f., 550 Haftungssanktion, -en 203, 407, 418 Handelscompagnien (Deutschland) 418 Hauptversammlung siehe Gesellschafter­ versammlung Hauptversammlungspräsenz  55 High Level Group of Company Law Experts 13, 24 hindsight bias siehe Rückschaufehler hybride Finanzierungstitel 6, 256, 282 hybride Regulierungskonzepte 73 ff. hypothetischer Parteiwille  91, 97 ff., 116, 141, 149 IDW siehe Institut der Wirtschaftsprüfer independent director, -s (England, USA) 487 Informationasymmetrie  30, 55, 138, 154, 236, 287, 320

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Informationsfunktion von Rechts­ normen  97, 115, 127, 163, 285, 290, 312, 318, 535, siehe auch Speicherfunktion Informationsintermediär 171, 209, 247, siehe auch Gatekeeper Informationsmodell 214 Informationsprobleme  8, 50, 284 ff. – Aufklärungslast 233, 287 ff., 297 ff. – Regelsetzung  99, 141, 184, 285 ff., 325, 328, 351, 379, 558 – Regeldurchsetzung 233 ff., 243 ff. siehe auch Erfahrungswissen Informationsrechte 213, 215, 217, 220, 235 f., 245 f., 273, 475, 482 Infrastrukturgewährleistung 402, 461 – dispositives Recht 78, 128, 431, 457 – zwingendes Recht 157, 162 f., 285, 394, 405 f., 411 f., 443 siehe auch Infrastrukturverantwortung Infrastrukturverantwortung  96, 160, 286, 394, 406, 461, siehe auch Infrastruktur­ gewährleistung Inhaberaktie, -n 452, 491 Inhaltskontrolle 130 ff., 355, 359, siehe auch Klauselkontrolle Innovationsfähigkeit  318 ff. Insolvenz  5, 93, 231, 256 f., 281, 342, 347, 376, 382, 446, 455, 473, 504, 509 ff., 513 ff., 522 ff., 531 ff. Insolvenzanfechtung 281, 504, 537, 550 Insolvenzantrag 296, 525 Insolvenzverwalter 212, 217, 219, 230 ff., 246, 249, 511, 513, 531, 537, 550, siehe auch administrator, liquidator Institut der Wirtschaftsprüfer 263 institutioneller Gläubigerschutz siehe Gläubigerschutz Institutionenökonomik siehe Neue Institutionenökonomik Interessenausgleich 103, 136, 158, 216, 279 ff., 337, 341 ff., 349, 351, 360 ff. Interessenkonflikte 71, 247 ff., 341 f., 395, 469, 471, 476, 510 f. International Standards on Auditing 263 Jahresabschluß  54, 500, 543 Jahresabschlußrichtlinie siehe Europäisches Gesellschaftsrecht Joint Stock Companies (England) 407 f. Joint Stock Companies Act 1844 (Eng­ land) 408, 420, 439, 455

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Sachregister

Kapitalaufbringung 18, 54, 444 ff., 450 ff., 492 ff., 519, 521, 533, 552 Kapitalerhöhung 454 f., 493 ff., 498, 500, 503 Kapitalherabsetzung 454, 456, 494 f., 503 f. Kapitalmarktrecht 69, 118, 182, 208, 213, 221, 234, 256, 258, 261, 333, 373, 414, 487 f., 538 Kapitalschutz 46, 159 f., 375, 444, 491, 494 ff., 524 Kaufmannsgilden 416 Klauselkontrolle 280 siehe auch Inhalts­ kontrolle kleine AG 477 Kolonialhandelsgesellschaften 67 f., 405, 430, 433 f., 442, 446, 448, 450, 507, siehe auch Handelscompagnien Komplexität – von Rechtsnormen 45, 92, 140, 170 f., 185, 188, 195 ff., 304 f. – von Regulierungsprogrammen und vorhaben 11 ff., 390, 392 Konkretisierungszeitpunkt (von Rechts­ normen) 45, 167 f., 172 ff., 191, 200 Konkurs siehe Insolvenz Konstitution (als Regulierungszweck) 401 ff. KonTraG 2, 193, 261, 477, 542 Kontrollbefugnisse, Kontrollrechte, 6, 55, 93, 215, 217, 229, 232, 256, 282, 409, 478, 489, 542, siehe auch Mitwirkungsrechte, Risikomanagement Konzessionsbehörde, -n 418, 425, 444, 452, 523 Konzessionssystem 67 f., 211, 340, 407, 426, 428 f., 431, 437, 452, 463, 467, 472, 491, 505 ff., 523 f., 531, 552 Konzessionszwang siehe Konzessionssys­ tem kooperative Regulierung, Regelbildung  37, 43, 198, 246, 266, 271, 314, 326, 328, 344, 393, 529, 535 ff., 549 Krise (der Gesellschaft) 179, 281, 297, 342, 504, 509, 513 f., 517 f., 525 ff., 529 ff. kriseninduzierte Gesetzgebung  3, 300, 309, 319 Leitbildfunktion  84 f., 90, 117, 130 ff., 145 ff., 396 f. Lerneffekte 117 ff., 120, 122 ff., 138, 140, 147 f., 160, 178, 197, 278, 283, 307, 314, 318 f., 369, 371, 376, 378, 387, 397, 422, 556, 558

Levant Company (England) 416 Liberationsrecht 491 f. lifting the veil (England)  514 Limited Liability Act 1855 (England) 408, 455 Limited Liability Company (USA) 100, 122, 125, 333, 414, 424, 547 Limited Liability Partnership (USA) 100, 122, 333, 414 Liquidator (Deutschland) 212 liquidator (England)  511 siehe auch Insolvenzverwalter LLC siehe Limited Liability Company LLP siehe Limited Liability Partnership Loi no. 66–537 (Frankreich) 480, 499 Loi no. 67–563 relative au règlement judiciaire, à la liquidation des biens, à la faillite personnelle et aux banqueroutes (Frankreich)  531 Loi no. 2001–420 sur les nouvelles regulations économiques – „loi NRE“ (Frankreich) 481, 501, 542 Loi no. 2003–721 pour l’initiative économique (Frankreich)  501 Loi sur les sociétés 1867 (Frankreich) 411, 426, 437, 453 f., 478 ff., 496 ff., 530, 533 Loi sur les sociétés à responsabilité limitée 1863 (Frankreich) 411, 426, 479, 497, 530, 533 London Stock Exchange 260, 485 Lückenfüllungsfunktion 67, 95, siehe auch dispositives Recht mandataire (Frankreich) 425 f., 437, 480, 507 Mandatstheorie 437 marktinduzierte Gestaltungen 147, 159, 256, 278, 306, 310, 387 f..  535 marktinduzierte Sanktionsmechanis­ men 220 ff., 271, 274 marktinduzierte Steuerung 252 Markt für Unternehmenskontrolle 221 Marktversagen 40, 79, 87, 138, 153 f., 160 f., 286 f., 389, 394 memorandum of association (England) 420, 439 Mehrheitsaktionär siehe Mehrheitsgesell­ schafter Mehrheitsgesellschafter 217 f., 222, 417, 426 f., 469, 512 Menüs 74, 329 f., 333, 371, 412, 414, 421, 461, 464, 547, 553, siehe auch Wahlmodelle

Sachregister Mikromanagement von Risiken 293 f., 322, 387, 559 Minderheit, Minderheitenschutz 22, 39, 151 f., 162, 214, 217 f., 235, 238, 345, 390, 402, 416 ff., 425, 469, 471, 473 f., 478, 481 f., 484, 500 Mindestkapital 18, 47, 156, 169, , 180, 375, 413, 448, 456 f., 459, 494 ff., 501, 503, 505, 521, 535, 552 Mindestnennbetrag von Anteilen  54, 449 f., 492 ff., 498 Mitbestimmung 7, 18, 139, 143, 341, 343, 377 f., 476 Mitbestimmungsurteil (BVerfGE  50, 290, 355)  81, 161, 286, 383 Mitverwaltungsrechte siehe Mitwirkungs­ rechte Mitwirkungsrechte, Mitverwaltungs­ rechte  93, 157, 215 ff., 229, 232 f., 235 ff., 348, 415, 424, 489 modale Normanalyse (Begriff und Konzeption) 1 ff. Model Articles of Association (Eng­ land) 421, 486 Model Business Incorporation Act (USA) 424 Modellgesetz, -e 25, 423, 459, 539 MoMiG 2 ff., 95, 211, 496, 527 monistische Unternehmensverfassung siehe Organisationsverfassung Musterprotokoll (MoMiG)  95 Mustersatzungen  95, 100, 220, 404, 421 f., 462 f., 467, 486, siehe auch Musterproto­ koll Namensaktie, -n 452, 491 Nachgründung 494 Nachschußpflichten  366, 446 siehe auch Zubußpflichten negativ-präskriptive Normen 155 f., 164, 294, 296, 321, 388, 394 f., 536, 544 Nennbetragsaktie 445 nennwertlose Anteile 458 f. Netzwerkeffekte, Netzeffekte 115, 117 f., 120, 122 ff., 140, 147 f., 151, 154, 160, 197, 204, 278, 283, 307, 310, 314, 369, 371, 376, 378, 387, 398, 422, 551, 553, 556, 558 f. Neue Institutionenökonomik 27, 29 f., 313 f., 316 New Jersey Corporation Act 1896 422, 458, 503 New London Society united for Trade and Commerce (USA) 419

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Nichtigkeitsklage 212 no par shares siehe nennwertlose Anteile Normativbestimmungen, System der 68, 233, 249, 340, 353, 408, 411, 416, 444, 472 Normdurchsetzung 28, 44, 46, 52 f., 130, 148, 164 ff., 178, 186 f., 191, 193, 195, 200, 202 ff., 250 ff., 270 ff., 298, 304, 310, 506, 537, 545, 550 – Anreize 236 ff., 240 ff., 247 ff. – hoheitliche 229, 240 ff., 310, 395, 484 – Initiative 228 ff., 237, 537 – private 210, 216, 229, 233 ff., 334, 489 – teilprivatisierte  30, 210, 230 f., 245 ff., 263, 395, 549 siehe auch Normdurchsetzungsmechanis­ men Normdurchsetzungsmechanismen 46, 186 f., 205 ff., 210 ff., 299, 304, 322, 489 Normenklarheit  33, 171 Notar  94, 209, 219 f., 230, 246, 248, 359 Notverordnung 1931 (Deutschland) 475, 493, 524 f., 541 Nutzungsüberlassung (Kapitalersatz)  528 Octroi 68, 317, 405, 418, 434, 437, 448 f. Octroisystem 68, 406 ff., 428, 431, 443, 505 ff. officer (USA) 424, 442, 489, 503 opt-in  82, 91, 104, 113, 128, 272, 459 opt-out  83, 91, 104, 112 f., 128, 136, 271, 356, 459 Ordnungsfunktion 67, 84 ff., 89, 130 ff., 277, 371 f. Ordnungswidrigkeit 212, 241, 243 f., siehe auch Strafrecht Ordnungsziel, -e 130, 132, 372, 374 ff., 393, 418 Organisationspflichten  54, 295, 538 ff. Organisationsverantwortung  538, 541, siehe auch Organisationspflichten Organisationsverfassung, Unternehmens­ verfassung  35 f., 68, 70, 72, 121, 208, 219, 244, 257, 280, 340, 370, 376, 401 ff., 404, 406, 409, 411, 414, 466, 470 ff., 546 ff. – dualistische 75, 367 f., 373, 425, 466, 472, 480, 489, 551, 553 – monistische 75, 367 f., 373, 422, 425 – SE 75, 367 f., 372 f. Organkompetenzen 402, 432, 438 f., 502 Organtheorie 230, 436 Parmalat 209, 247 partnership 140, 407 f., 433

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Sachregister

penalty default rules 136 ff. Persistenzneigungen – dispositives Recht 60, 101, 106, 112, 115, 117, 124 ff., 129, 139, 144 f., 147, 149, 151, 158, 161, 299, 307, 318, 343, 354, 363, 387, 397, 422, 548, 558 – (private) Rechtsgestaltung 122, 124, 274, 278 f., 283 – Wahlmodelle  369, 376 ff. siehe auch Pfadabhängigkeit personalistische Gesellschaft 23, 69, 78, 94, 122, 210, 332 f., 392, 412 ff., 469, 482, 494, 496, 522, 547 piercing the corporate veil (USA) 137, 504, 519, siehe auch Haftungsdurchgriff, lifting the veil Pfadabhängigkeit 26, 126 ff., 149, 199, 278, 318 f., 387, 467, 558 siehe auch Persistenzneigungen positiv-präskriptive Normen 155 f., 158, 164, 281, 294, 321 f., 362, 387, 394 f., 490, 506, 536, 544, 547 f., 552, 559 Präzedenzfälle 119, 121, 173 Präzision von Normen 44 f., 64, 165, 169 f., 177 ff., 183 ff., 194 siehe auch formale Realisierbarkeit président (Frankreich) 480 f., 542 president (USA) 423, 442 Preußisches Aktiengesetz (1843) 407, 426, 452, 523 principles siehe Standardform Prinzipal-Agenten-Strukturen, -Theorie 6, 30, 62, 113, 469, siehe auch AgencyKonflikte Private Limited Company (England) 124, 333, 375 f., 414 private Regelwerke 258 ff., 264 ff., 270 ff., 278, 306, 364, 544 private bzw. privatisierte Regulierung – Begriff 44, 255 – Funktionsvoraussetzungen 268 ff. – Funktionsweise 274 ff. – Typologie 254 ff. Prognose, -probleme 161 f., 164, 199, 268 f., 289, 291, 293 f., 300 f., 303, 305, 310, 373, 379, 385 f., 390, 393, 398, 402, 490 prozedurale Regulierung, Regulierungsstrat egie(n)  55, 281 f., 303, 314, 337 ff., 344 f., 351, 353 ff., 362 ff., 372 f., 379, 381, 545 prozedurale Normwirkungen 134 f., 138 ff., 146 ff., 154 Prüfungsausschuß (audit committee) 246, 295, 341, 366, 487 f., 543

Publikumsgesellschaft, -en 6 f., 23, 55, 59, 69, 78, 94, 100, 113, 142, 209, 216, 234, 238, 269, 332 f., 340, 348 f., 361 f., 392, 404, 414, 423 f., 457, 469, 476 f„  515, 527, 546 Publizität, Publizitätspflichten 4, 54, 57, 144, 181, 213, 215, 232, 246, 260, 266, 271, 287, 344, 373, 411, 420, 455, 457, 464, 470, 484, 487, 508, 543, 545, 550 race to the bottom  374 f. Ratingagenturen 210 rationale Apathie siehe Apathie von Akteuren Realbereichsanalyse 292, 297, 383, 385, 393 Rechnungslegungsstandards  31, 260 f., 270, 307 Rechtsökonomik 12 ff., 27, 30, 32, 53, 62, 76, 96 f., 106, 110 f., 152, 233, 292, 555 f. – Komplexität und Systemvergleich 20 ff. siehe auch: Behavioral Law and Econo­ mics; Neue Institutionenökonomik Rechtssicherheit  88, 118 f., 122, 140, 160, 163, 177, 199, 266, 370 ff., 511, 549 Rechtssoziologie 27 ff., 116, 183, 556 Rechtsvergleichung 127 – funktionale 4, 11 ff., 16, 19 ff., 318, 399, 467 f. – Komplexität und Systemvergleich 16 ff., 555 Regelform – Ausgestaltung 201 – Begriff 26, 45, 174 ff. – Funktionsmerkmale 178 ff., 192 ff., 199, 201, 267 f., 302 f., 394 f., 397 f., 465, 467 – Vorkommen 264, 403, 341, 443, 462, 470 f., 488, 505, 507, 546 Regelungsauftrag 75, 254, 336, 352 ff., 369, 372 f., 380 ff., 388, 398, 421, 426 f., 455, 462, 471 – Funktionsweise  354 ff. – Funktionsvoraussetzungen  357 ff. siehe auch hybride Regulierungskonzepte Registerkontrolle 46, 211 f., 232, 243 f., 359, 395, 472 regulated companies (England) 416, 432 regulatory capture 41, 165, 242 f., 249, 279, 319 Regulierung – Begriff  36 ff. – ökonomische Regulierungstheorie  38 ff. – rechtswissenschaftliche Regulierungs­ theorie  36 ff. Regulierungsarbitrage  374

Sachregister Regulierungsdichte, Regulierungsintensi­ tät 41, 170, 200, 370, 375 f., 403, 412 ff., 455, 464, 468, 477 f., 490 f., 497, 548 Regulierungsinitiative  334, 336, 343, 346, 351 ff., 356 f., 362, 365 ff., 380, 388, 393 Regulierungsinstrumente – Begriff 43 ff. – Funktionsäquivalenz, Annahme der 41 – Funktionsmerkmale  50 ff. Regulierungsintensität siehe Regulierungs­ dichte Regulierungsstil, -e 200, 399 f., 403, 462 f., 465, 467, 478, 537, 546, 552 Regulierungsstrategie (Begriff) 46 ff. Regulierungsverantwortung 47, 137, 164, 198, 253, 274, 289, 297, 300, 305, 320, 325 ff., 330, 350 ff., 360, 362, 364 f., 379 f., 384, 387, 393, 396, siehe auch Regulie­ rungsinitiative Regulierungsverzicht  313, 325 ff., 381, 388 Regulierungswettbewerb siehe Systemwett­ bewerb Regulierungszweck, -e 44, 46 f., 154, 205, 380, 391 f., 401 f., 416, 467, 469 Restriktion (als Regulierungszweck) – Begriff 469 f. – restringierende Normen 470 ff. Revised Model Business Incorporation Act (USA) siehe Model Business Incorpora­ tion Act Rezeption (ausländischen Rechts)  3 ff., 13 ff., 29, 174, 222, 312, 316 ff., 399 f., 413, 508, 537, 542, 553, 555 Risikomanagement, -früherkennung  52, 55, 66, 295, 542 f. Rückschaufehler (hindsight bias) 185, 300 rules siehe Regelform Russia Company (England) 416, 433 SA siehe société anonyme Sacheinlage, -n 453, 493 ff. Sachgründung siehe Sacheinlagen safe habor  55, 104, 180 Sarbanes-Oxley Act (USA)  3, 13, 182, 488, 539, 546, 550 SARL siehe société à responsabilité limitée SAS siehe société par actions simplifiée SASU siehe société par actions simplifiée unipersonelle Satzung siehe Gesellschaftsvertrag Satzungsfreiheit 68 Satzungsstrenge  33, 78, 160, 258, 260, 330

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Schuldverschreibungsgesetz 217, 256, 342, 347 Schutzfunktion 164 – dispositives Recht 137, 154 – zwingendes Recht 155, 371, 394 – Regelungsauftrag  354 ff. Schutzziel,- e; Schutzzweck, -e  33, 38 ff., 129, 138, 155, 163, 166, 300, 324, 328, 334, 372 f., 384, 387, 389 ff., 394, 402, 404, 406, 411, 416, 418, 430 f., 451, 460 f., 466, 478, 488, 547 f., 551 SEC (Securities Exchange Commission, USA)  39, 182, 234, 487, 539 Secretary of State (England) 421, 484, 486 Securities Act 1933 (USA)  39, 262, 487 Securities Exchange Act 1934 (USA) 261 f., 487 f., 538 f. Sedimentation (von Norminhalten) 78, 163, 315 f., 466, 507, 511, 544, 549 Seriositätsschwelle (Mindestkapital) 449 shareholder (England, USA) 419, 423 f., 484, 509 f., 511 shareholder derivative suits (England, USA) 216, 486, 511 f. shareholder value  59, 222 Signalfunktion, -wirkung 60, 107 f., 126, 130, 132, 143, 179, 182, 188, 195, 267, 320, 370 f., 376, 461, 549, siehe auch signalling signalling 137, siehe auch Signalfunktion Simultangründung 493 S(ocietas) E(uropaea) 75, 333, 353, 373, 415 S(ocietas) P(rivata) E(uropaea) 75, 333, 415 société anonyme (Frankreich) 404, 413, 438, 452 ff., 478 ff., 496 ff., 533, 547 société à responsabilité limitée (Frank­ reich)  333, 405, 411, 413 f., 438, 478, 482 f., 498 ff., 533 ff., 547 sociétés de capitaux (Frankreich) 407, 417, 446 société par actions simplifiée (SAS, Frankreich)  333, 413, 478, 501 f., 532 société par actions simplifiée unipersonelle (SASU, Frankreich)  333, 413, 478, 501 f., 532 Society for establishing useful Manufac­ tures (USA) 419 Solvenztest  504 Sonderprüfung 235, 238, 473 Sorgfaltsmaßstab  59, 169, 185, 507, 525 South Sea Company (England) 407, 445 soziale Normen 28, 52, 58, 61, 107 ff., 207, 213, 215, 221 ff., 252, 271, 273 f., 277, 344, 348

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Sachregister

SPE siehe Societas Privata Europaea Speicherfunktion von Rechtsnormen 163, 199, 285, 307 ff., 312 ff., 368, 372, 388, 466, siehe auch Informationsfunktion Staatsaufsicht 148, 246, 472 Stammkapital  54, 353, 495, siehe auch Grundkapital Standardform 168, 189, 191 ff., 264 ff., 314, 394 f., 462, 464, 529, 535 ff., 544 ff., 556 – Begriff 26, 45, 168 ff., 174 ff. – Funktionsmerkmale  58, 192 ff., 200 f., 301 ff., 310, 344 – und Generalklauseln 176 ff., 189, 193, 198, 265 Standardisierung – Bedeutung 118, 120 ff., 140, 159 ff., 320, 370 f., 422, 548 – als Regulierungszweck  87, 158, 288, 306, 327, 364, 377, 384, 389, 391 ff., 405, 436, 443, 449, 464 f., 467, 474, 546 f. – marktinduzierte, private 126 f., 147, 159, 256, 278, 364, 387 f. Standards siehe Standardform Status quo bias siehe Besitzeffekte Statuten siehe Gesellschaftsvertrag Steuerrecht 7, 63, 225 Steuerungsverluste  30, 275, 292, 319, 322, 376, siehe auch Übersteuerung, Unter­ steuerung stille Beteiligung, Gesellschaft 133, 177, 376, 405, 418 Strafprozeß 241 Strafrecht 41, 46, 203, 207 f., 212, 227 f., 229, 241 ff., 474, 493, 498 f., 509, 524, 530 ff., 533, siehe auch Ordnungswidrigkeit Strafverfolgungsbehörden 229 strategisches Verhandlungsverhalten 101, 105 ff., 114, 137, 218, 355 Stückaktie 445 Sukzessivgründung 493 symbolische Rechtsetzung  57, 61 Systemvergleich 13, 19, 22 ff., 27, 209, 317, 327, 399 ff., 461 ff., 546 ff. Systemwettbewerb, Regulierungswettbe­ werb  374 f., 377 f., 380 Table A (England) 100, 421, 456, 483, 486, 509, 540, siehe auch Mustersatzung teilprivatisierte Normdurchsetzung siehe Normdurchsetzung teilprivatisierte Regulierung 44, 50, 252 ff., 322, 327 ff., 365, 393, 557 – Begriff 254 f., 261 ff.

– Funktionsvoraussetzungen 268 ff., 289 – Funktionsweise 274 ff. teleologische Auslegung 105, 201 teleologische Extension 164, 188 teleologische Reduktion 190 Transaktionskosten  30, 96 ff., 103 f., 110, 112, 118, 125, 138 f., 151, 159 ff., 198, 238 f., 286, 288, 306 TransPuG 2, 122, 477 Treuepflichte, -n 226, 264 – Gesellschafter  361 f. siehe auch fiduziarische Pflichten Treu und Glauben  58, 197, 255 Treuhand 442, 468, 507, 518, siehe auch trustee Trittbrettfahrerprobleme 238 trustee, trusteeship 432, 434 f., 507, 509 f., 512, 517, siehe auch Treuhand trust fund doctrine (USA)  517 ff. Typengesetzlichkeit  33, 331 Typenzwang  34, 331 Übernahmeangebot 224 Überschuldung  54, 92, 170, 296, 509, 531 Übersteuerung 178 ff., 183 ff., 190, 192 f., 268, 370, 394 Überwachungspflichten  538 f., 542 ultra-vires-Doktrin 433, 435, 439 ff., 443, 464 UMAG 2, 59, 477 Umgehungsstrategie, -n 165, 181 ff., 188, 194, 268, 294, 299, 409 unfair prejudice (England)  512, 515 Uniform Business Corporation Act 1928 (USA) 423, 441, 458, 515 Unternehmensgegenstand, -zweck 76, 353, 355, 362, 428, 433, 437 ff., 441, 443, 451 f. Unternehmensverfassung siehe Organisati­ onsverfassung Unternehmenszweck siehe Unternehmens­ gegenstand unternehmerische Entscheidung siehe Business Judgment Rule Unternehmung, Theorie der  8, 17, 21, 70, 73, 93, 315, 469 Unterpari-Emission 454, 495, 497, 503, 518 f. Untersteuerung 178 ff., 183 ff., 192 f., 268 Unterstützungsfunktion  84 Urheberschaft – von Normen 44 ff., 373 ff.

Sachregister – von Maßnahmen der Normdurchset­ zung 228, siehe auch Normdurchset­ zungsinitiative veil piercing siehe piercing of the corporate veil Verfahrensregeln 141 ff., 157 f., 204, 303, 336 ff., 352 ff., 356 f., 360, 362, 372 f., 380 ff., 388, 398, 473, 481, 485, 495, 504 – Funktionsweise  342 ff. – Funktionsvoraussetzungen  346 ff. siehe auch hybride Regulierungskonzepte Verfestigung von Sachlösungen bzw. Norminhalten 26, 120, 122, 124, 126 f., 129, 149, 163, 165, 173, 197 ff., 278, 314 ff., 318, 321, 343, 369, 394, 396 ff., 431, 454, 470, 490, 511, 519, 526, 544, 552, 558, siehe auch Sedimentation Verhältnismäßigkeit 79, 81, 153, 158 Verhaltenssteuerung (als Regelungsziel) 1, 19, 45, 51 ff., 64, 84 f., 87, 98, 129, 133, 144, 148, 151 f., 187, 196, 198, 204, 206 f., 212, 232, 234, 241, 243, 247, 250, 274, 277 ff., 363, 396 f., 545, 549, 556 Verhaltenswissenschaft siehe Behavioral law and Economics Verifikateure siehe Gatekeeper Vergütungsregeln, Vergütungssysteme siehe Geschäftsleiter Vertragsmuster 70, 96, 103, 118, 256, 266, 368 Vertretertheorie 436, 230 Vertretungsbefugnis, Vertretungs­ macht 212, 432 ff., 463 ff. Verwaltungsrat (Deutschland, Frank­ reich) 417, 425, 428 f., 472, 480 f., siehe auch conseil d’administration Verwaltungswissenschaft  37, 165, 180, 337, 339, 371 f. Verzinsung von Kapitaleinlagen 447, 452 f., 456, 491, 493, 499, 510, 524 voice 209 Vorstand siehe Geschäftsleiter

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Vorzugsaktien 101, 500, 503 Wahlmodelle 45, 75 f., 95, 328 ff., 336 f., 356, 367 ff., 380 ff., 388 f., 396, 398, 403, 406, 411 ff., 463, 467, 478, 480, 490, 547, 549, 553, 558 – Begriff  328 ff., 367 ff. – Funktionsweise  368 ff. – Funktionsvoraussetzungen  372 ff. Wahlrechte siehe Bilanzierungswahlrechte Warnfunktion 135 watered stock (USA)  518 f. willingness-to-accept 110 willingness-to-pay 110 f. Winding-up Act 1844 (England) 455, 509 WorldCom 182, 209, 247, 488 wrongful trading (England)  510, 513 Zahlungsunfähigkeit  54, 170, 296 Zahlungsverbot  525 Zinsverbot siehe Verzinsung von Kapi­ taleinlagen Zubußpflichten 444, siehe auch Nachschuß­ pflichten Zweckklausel, -n 439, 441, 464 Zweite (gesellschaftsrechtliche) Richtlinie siehe Europäisches Gesellschaftsrecht zwingendes Recht  39 f., 45, 60, 63 ff., 66 ff., 74 ff., 78, 82, 94, 101, 133 f., 137 f., 145 ff., 151 ff., 167 f., 177, 189, 204 f., 250, 258, 260, 264, 270, 281, 284 ff., 298 ff., 310, 312, 315 f., 320, 324 ff., 328 ff., 333, 345, 350 f., 355, 357, 359, 362, 368 ff., 379 f., 384, 386 f., 391, 393 ff., 404 ff., 410 ff., 416 ff., 419, 423, 426, 429 ff., 442 f., 456 f., 460 ff., 471, 473 f., 476 ff., 481 ff., 488 ff., 496 f., 499 f., 502 ff., 524, 546 ff., 551 ff., 556, 558 – Funktionen 156 ff. – Funktionsmerkmale 164 ff., 171 – Legitimation 73, 80, 130, 152 ff. siehe auch negativ-präskriptive Normen, positiv-präskriptive Normen, Regelform, Standardform