Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern: Bürgerlichrechtliche, gesellschaftsrechtliche und versicherungsrechtliche Grundlagen der Freistellung und der Versicherung von organschaftlichen Haftungsrisiken im Kapitalgesellschaftsrecht 9783161512315, 9783161502477

Das Management von Unternehmen ist einem steigenden Haftungsrisiko ausgesetzt. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder od

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Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern: Bürgerlichrechtliche, gesellschaftsrechtliche und versicherungsrechtliche Grundlagen der Freistellung und der Versicherung von organschaftlichen Haftungsrisiken im Kapitalgesellschaftsrecht
 9783161512315, 9783161502477

Table of contents :
Cover
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Kapitel A. Einleitung
I. Das Problem
II. Der Gang der Untersuchung
Kapitel B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts
I. Die Ausgangslage
1. Die zivilrechtlichen Grundlagen von Freistellungsvereinbarungen
2. Die Abgrenzung der Freistellung von anderen gesellschaftsrechtlichen Instituten
a) Die haftungsbefreiende Handlungsermächtigung
aa) Die Aktiengesellschaft
(I.) Der Hauptversammlungsbeschluß nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG
(II.) Der Aufsichtsratsbeschluß nach § 93 Abs. 4 S. 2 AktG
bb) Die GmbH
b) Die Entlastung der Organe
c) Die Folgerungen
3. Die Freistellung, die gesellschaftsrechtliche Haftungsstruktur und das steigende Haftungsrisiko
a) Der rechtstatsächliche Befund
b) Die Bedeutung der D&O-Versicherung für den Anwendungsbereich von Freistellungsvereinbarungen
c) Die Haftungsverschärfung durch Rechtsprechung und Gesetzgebung
d) Die praktische Notwendigkeit für Freistellungsvereinbarungen
II. Die Freistellung und der Verzicht durch den Unternehmensträger
1. Die Aktiengesellschaft
a) Die Freistellungs- und Verzichtsvereinbarungen unter §§ 93 Abs. 4 S. 3, 116 S. 1 AktG .
aa) Der Regelungsgehalt des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG
bb) Die Befreiung des Organmitglieds von Schadenersatzansprüchennach § 93 Abs. 2 AktG
b) Die Abtretung des Innenhaftungsanspruchs an einen Dritten
c) Die Aufrechnung mit Gegenansprüchen des Organmitglieds
d) Die Freistellung für die Fälle ausschließlicher Außenhaftung
aa) Die ausschließliche Außenhaftung bei fehlender Organpflichtverletzung
bb) Die Freistellung von einer ausschließlichen Außenhaftung bei zugleich verwirklichter Verletzung von Organpflichten im Innenverhältnis
(I.) Die direkte oder analoge Anwendungdes § 93 Abs. 4 S. 3 AktG
(II.) Die Einhaltung der Organpflichten bei der Entscheidung über eine Freistellung
(1.) Das Problem
(2.) Die Organpflichten hinsichtlich der Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen und die Übertragbarkeitder Grundsätze auf die vorliegende Problematik
(a) Die allgemeinen Grundsätze nach der ARAG-Rechtsprechung
(b) Die Frage einer möglichen Verschärfung der Organpflichten bei differentialdiagnostischer Berücksichtigung des § 148 Abs. 1 Nr. 4 AktG
(c) Die Konkretisierung des Abwägungsmaßstabs für die Fälle der Freistellung
2. Die GmbH
a) Die Haftungsbefreiung unter § 43 GmbHG
aa) Der Verzicht
bb) Die Freistellung
b) Die Haftungsbefreiung fakultativer GmbH-Organe
III. Die Freistellung durch Dritte
1. Das Problem
2. Die Auswirkungen von Freistellungsvereinbarungen auf den Grundsatz der Unabhängigkeit der Organmitglieder
a) Der Aufsichtsrat
aa) Die allgemeinen Rechtsgrundsätze
(I.) Der Wortlaut des § 111 Abs. 5 AktG
(II.) Der teleologische und systematische Hintergrund: Interessenpluralismus und Interessenkollision
(III.) Die Notwendigkeit eines Unabhängigkeitspostulats
bb) Der Eingriff in den Grundsatz der Unabhängigkeit
(I.) Die unbedingte Freistellung gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern
(II.) Die bedingte und kündbare Freistellungsvereinbarung
(1.) Das Setzen spezifischer Handlungsanreizedurch bedingte Frei
(2.) Die Konkretisierung des zulässigen Inhalts einer Freistellungsvereinbarung
(a) Die Differenzierung zwischen inhaltlichen und prozeduralen Bedingungen
(b) Die entscheidungsneutralen Risikoausschlüsse
(3.) Die durch den Freistellungsschuldner kündbaren Freistellungsvereinbarungen
(a) Die Notwendigkeit einer Differenzierungnach der Art des Kündigungsrechts
(b) Die außerordentlichen Kündigungsrechte
(c) Die ordentlichen Kündigungsrechte
(4.) Die change of ownership-Klausel
(III.) Der Eingriff in die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats und die Nichtigkeitssanktion
(1.) Der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot
(2.) Die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB
(a) Der Sittenwidrigkeitsbegriff
(b) Die fehlende Geeignetheit des Sittenwidrigkeitsbegriffs zur Beurteilung von Eingriffen in die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds
(3.) Die Überlagerung des Schuldrechts durch gesellschaftsrechtliche Wertungen
(a) Die aktienrechtlichen Verbotsvorschriften
(b) Das Umgehungsverbot
(c) Die gesellschaftsrechtliche Institutionenbildung
b) Der Vorstand
aa) Die unabhängige Aktiengesellschaft
bb) Die abhängige Aktiengesellschaft
(I.) Der faktische Konzern
(II.) Der qualifiziert faktische Konzern
(III.) Der Vertragskonzern
c) Der GmbH-Geschäftsführer
aa) Die Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer als wesentliches Strukturprinzip der Unternehmensleitung
(I.) Die Zulässigkeit der Einschränkung der Geschäftsführerautonomie durch Vertrag
(II.) Die Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses
bb) Das Verhältnis des Geschäftsführers gegenüber Dritten
(I.) Die Zulässigkeit der Einräumung von Weisungsrechten gegenüber Dritten
(II.) Die Anwendung der Grundsätze auf Freistellungsvereinbarungen
3. Die Auswirkungen von Freistellungsvereinbarungen auf den Grundsatz der Gesamtverantwortung der Organmitglieder
a) Das Problem
b) Der Grundsatz der Gesamtverantwortung und der Gleichberechtigung
aa) Die allgemeinen Prinzipien
bb) Die Haftungsbefreiung durch die eigene Gesellschaft
cc) Die Freistellung durch einzelne Gesellschafter oder gesellschaftsfremde Dritte
IV. Der Abschluß konzerninterner Freistellungsvereinbarungen
1. Die Freistellung im faktischen Konzernzwischen Aktiengesellschaften
a) Das Problem
b) Die Freistellung des herrschenden Unternehmens zugunstender Organmitglieder des abhängigen Unternehmens
aa) Die Frage der Einschlägigkeit von § 93 Abs. 4 S. 3 AktGbei Freistellung durch eine herrschende Aktiengesellschaft
bb) Die Entscheidung über die Freistellung zugunstender Organmitglieder des abhängigen Unternehmensals Frage des unternehmerischen Ermessensdes Managements der herrschenden Gesellschaft
c) Die Freistellungspflicht einer abhängigen Gesellschaftzugunsten der Organmitglieder einer herrschendenAktiengesellschaft sub specie des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG
2. Die Freistellung im Aktien-Vertragskonzern
3. Die Freistellungsvereinbarungen im GmbH-Konzern
V. Die Kombination einer Freistellungsvereinbarung durch ein nicht verbundenes Unternehmen mit einer Rückerstattungspflicht der Aktiengesellschaft zugunsten dieses Freistellungsschuldners
Kapitel C. Die D&O-Versicherung und die Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts
I. Die D&O-Versicherung als Rechtsprodukt
1. Der historische Hintergrund
2. Die Struktur des D&O-Versiche
3. Der Stand der Wissenschaft und Praxisder D&O-Versicherung
II. Die Vereinbarkeit mit den Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts
1. Die Auswirkungen der D&O-Versicherung auf die Werthaltigkeit der Organinnenhaftung
a) Die Verbesserung der Werthaltigkeit
b) Die mögliche Einschränkung der Werthaltigkeit durch die Prämienzahlungspflicht der Gesellschaft
2. Die mögliche Einschränkung der Steuerungsfunktion der Organhaftung
3. Die mögliche Kollision der D&O-Versicherung mit organschaftlichen Aufgaben- und Befugniszuweisungen
a) Die D&O-Versicherung und die Prüfungs- und Handlungsfunktionen des Aufsichtsrats
b) Die Vereinbarkeit der D&O-Versicherung mit der gesetzgeberischen Intention des Klagezulassungsverfahrens nach§ 148 AktG
4. Die D&O-Versicherung und das organschaftliche Unabhängigkeitspostulat
a) Das Problem
b) Die Begründung einer „Dankesschuld“ durch Abschluß einer D&O-Versicherung
5. Die D&O-Versicherung und die Gleichbehandlung der Organmitglieder
a) Die Gleichbehandlung der Organmitglieder im Unternehmensinteresse
b) Der rechtstatsächliche Befund
6. Die Möglichkeit einer D&O-Selbstversicherung
a) Das Problem
b) Die externe D&O-Selbstversicherung
aa) Die versicherungsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen
bb) Der rechtstatsächliche Befund
c) Die interne D&O-Selbstversicherung
d) Die praktischen Probleme der internen D&O- Selbstversicherung und der rechtstatsächliche Befund
Kapitel D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung auf eine Steuerungswirkungder Organhaftung
I. Das Problem
II. Die Funktion der Organhaftung im allgemeinen
1. Die möglichen Regelungszwecke des Schadenersatzrechts
2. Die systembezogenen Vorüberlegungen
a) Die verschiedenen dogmatischen Ansätze bei der Untersuchung einer Steuerungsfunktion
b) Die Begriffsklärung und der Aufbau der Untersuchung
3. Die Differenzierung zwischen Haftungsgrundnorm und Haftungsrechtsfolge in bezug auf einen möglichen Präventionszweck
4. Die Durchlässigkeit der Rechtsfolgenseite des Schadensrechts hinsichtlich außerkompensatorischer Zwecke
III. Die außerkompensatorischen Nebenzwecke der Haftungsgrundnorm
1. Die Frage nach einem allgemeinen haftungsrechtlichen Präventionszweck
a) Die dogmatischen Ansatzpunkte
b) Die Bedeutung der verursachungsbezogenen Passivlegitimation für eine verhaltenssteuernde Zwecksetzung des Haftungsrechts
c) Die staatliche Verhaltenslenkung und die Privatrechtsprinzipien
aa) Die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Verwirklichung des Präventionsgedankens im Zivilrecht
bb) Die Privatautonomie und die Selbstverantwortung
2. Die Bedeutung der ökonomischen Analyse des Haftungsrechts
a) Der Beitrag des Haftungsrechts zur Wohlfahrtsmaximierung
aa) Die methodischen Probleme der ökonomischen Analyse des Haftungsrechts
bb) Die wohlfahrtsökonomisch neutralen und vorteilhaften Haftungskonstellationen
cc) Die Transaktionskostenanalyse und das Kaldor-Hicks-Kriterium
b) Die tatsächliche Haftungsvermeidung und die rechtliche Verhaltenssteuerung
c) Die weiteren grundlegenden Einwände gegen die An nahme eines allgemeinen Präventionszwecks aufgrund ökonomischer Analyse des Haftungsrechts
3. Der verhaltenssteuernde Zweck als Frage der rechtlichen Auslegung der konkreten Anspruchsgrundlage
a) Die zivilrechtliche Steuerungsfunktion als Einzelfallfrage
b) Die Gründe für die Implementierung zivilrechtlicher Präventionszwecke
c) Die Differenzierung zwischen General- und Spezialprävention
d) Die Folgerungen
IV. Die Funktionen der Organhaftung im einzelnen
1. Die Innenhaftung
a) Der Überblick über die gesetzlichen Innenhaftungstatbestände
b) Die Grundzüge der dienstvertraglichen Haftung
c) Die Kompensationsfunktion der Innenhaftung
d) Die Präventionsfunktion der Innenhaftung
aa) Die Bedeutung der eingeschränkten Abdingbarkeit der Organinnenhaftung
bb) Die Organinnenhaftung als Korrelat zur Leitungsmacht
cc) Die Organinnenhaftung als Bestandteil der Absicherung guter corporate governance
dd) Die rechtstatsächliche Verhaltenssteuerung
ee) Die Abgrenzung von Haftungsfurcht und gezielter Verhaltenssteuerung
ff) Die Relation von Kompensationsfunktion und Steuerungsfunktion
(I.) Die Bestimmung des abstrakten Rangverhältnisses
(II.) Die Bestimmung des konkreten Rangverhältnisses unter Berücksichtigung ergänzender Steuerungsmechanismen
(1.) Die Notwendigkeit einer Gewichtung des Steuerungszwecks im Gesamtgefüge der verhaltenssteuernden Elemente der Organverfassung
(2.) Die internen Steuerungsmechanismen durch Gesellschafterweisungen in der GmbH
(3.) Die allgemein wirkenden Steuerungsmechanismen
(a) Die anreizbasierten Entlohnungsschemata
(b) Die Arbeitsmarktdisziplinierung
(c) Die Produktmarktdisziplinierung
(d) Die Kapitalmarktdisziplinierung
(e) Die Folgerungen
e) Die Vergeltungs-, Buß- bzw. Genugtuungsfunktion bei der Organhaftung
aa) Die strafrechtlichen Vorüberlegungen
bb) Das Zivilrecht
(I.) Das allgemeine Zivilrecht
(II.) Die Rechtslage bei der Organinnenhaftung
2. Die Außenhaftung von Organmitgliedern
a) Die Notwendigkeit einer separaten Untersuchung des Präventionszwecks der Außenhaftung
b) Die zivilrechtliche Außenhaftung
aa) Die einzelnen Anspruchsgrundlagen und die Anspruchsberechtigten
bb) Die verhaltenssteuernde Zwecksetzung
cc) Die mögliche Vergeltungsfunktion der deliktischen Außenhaftung
c) Die Außenhaftung nach Öffentlichem Recht
V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung und der D&O-Versicherung in die Präventionsfunktion der Organhaftung
1. Das Problem
2. Der Verstoß gegen die ratio legis des Organhaftungsrechts
3. Die analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG
a) Die methodischen Vorüberlegungen
b) Die Voraussetzungen einer Analogie im einzelnen
aa) Die Ähnlichkeit zwischen geregeltem und ungeregeltem Sachverhalt als Merkmal zur Abgrenzung von der teleologischen Extension
bb) Die Frage nach der Regelungslücke
cc) Die Analogie, die teleologische Extension und der Normzweck des § 93 AktG
dd) Das Postulat eines angemessenen Selbstbehalts als Widerlegungsgrund einer Analogiefähigkeit des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG für die Fälle außerhalb von §93 Abs. 2 S. 3 AktG
4. Die Rechtsfolgen der Einwirkung von Freistellung und D&O-Versicherungals Frage der gesellschaftsrechtlichen Institutionenbildung
a) Die Steuerungswirkung der Organhaftung als gesellschaftsrechtliche Institution
b) Die Lösung von Konflikten mit der Institution der Verhaltenssteuerung im Gesellschaftsrecht
aa) Die Verhaltenssteuerung als ein in mehrfacher Hinsichtrelatives Prinzip
bb) Die Konkretisierung der rechtstatsächlichen Wirkungen von Freistellung und D&O-Versicherung
(I.) Die begrenzte Wirkung von Freistellung und D&O-Versicherung
(1.) Die Unsicherheiten hinsichtlich der Haftungsübernahme durch den Freistellungsschuldnerbzw. Versicherer
(2.) Die Belastung des Versicherten durch die Dauer von D&O-Haftungsfällen
(3.) Die Gefahr einer Überschreitung der Freistellungs- bzw. Deckungssumme
(4.) Die Begrenzung der Sicherung durch Serienschadenklauseln
(5.) Die Setzung eines Anreizes zur Geltendmachung von Organhaftungsansprüchen durch Freistellung und D&O-Versicherung
(6.) Die begrenzte Auswirkung von Freistellung und D&O-Versicherung auf die Arbeitsmarktdisziplinierung
(7.) Die Verbesserung der corporate governance durch den Freistellungsschuldnerals hired outside monitor
(II.) Der Vergleich von Eigen- und Fremdversicherung
5. Die Folgerungen für die zivilrechtliche Wirksamkeit von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung
a) Der Erhalt der Steuerungsfunktion, Institutionenschutz und Unwirksamkeitssanktion
b) Das Erfordernis eines angemessenen Selbstbehalts als zivilrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung
aa) Die begriffliche Unschärfe des angemessenen Selbstbehalts
bb) Die Rechtsfolgenbetrachtung
VI. Der angemessene Selbstbehalt
1. Der Selbstbehalt nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG
a) Hintergrund
b) Der sachliche Anwendungsbereich
c) Die betroffenen Deckungselemente
aa) Die Innen- und die Außenhaftung
bb) Die Abwehrkosten
d) Die Bemessung des Selbstbehalts
e) Der zeitliche Anwendungsbereich
f) Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 93 Abs. 2 S. 3 AktG
g) Die Versicherung des Selbstbehalts
2. Die Notwendigkeit und die Zweckmäßigkeit der Vereinbarung eines Selbstbehalts bei der Freistellungsvereinbarung und der D&O-Versicherung außerhalb des Anwendungsbereichs von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG
a) Die rechtliche Notwendigkeit der Vereinbarung eines Selbstbehalts
aa) Die Frage nach dem Selbstbehalt als zivilrechtliche Wirksamkeits- voraussetzung von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung
bb) Die Möglichkeit einer Schadenersatzpflicht wegen Unterlassens der Vereinbarung eines Selbstbehalts bei Abschluß einer D&O-Versicherung für Aufsichtsratsmitglieder
cc) Der angemessene Selbstbehalt und das Unternehmensinteresse
dd) Die Übertragung des Ergebnisses auf die GmbH
b) Die Zweckmäßigkeit der Vereinbarung eines angemessen Selbstbehalts für Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung
aa) Die sachlichen Gründe für die Vereinbarung eines fakultativen Selbstbehalts
bb) Der rechtstatsächliche Befund
cc) Die Konzepte zur Regelung eines Selbstbehalts
(I.) Die Zielvorgaben
(II.) Die Ausgestaltung im einzelnen
(1.) Der Bezugspunkt der Bemessung desSelbstbehalts
(2.) Die Vergütung für die Organtätigkeit oder das individuelle Gesamtvermögen als Bezugspunkt
(3.) Die Differenzierung zwischen fixer und variabler Vergütung
(4.) Die Differenzierung anhand der unterschiedlichen Risikoexposition der Organmitglieder
(5.) Die Bestimmung der absoluten Höhe des Selbstbehalts
(a) Die Kombination von absoluter und variabler Grenze
(b) Die Konkretisierung der absoluten Grenze
(aa) Der Zweckpluralismus
(bb) Der Individual- und der Pauschalselbstbehalt
(cc) Die Festlegung der Höhe in Relationzu der Vergütung
(dd) Die mögliche Einbeziehung desVerschuldensgrads in die Höhe des Selbstbehalts
(6.) Der Zeitpunkt der Vergütung
(a) Die Berücksichtigung von Veränderungen der Vergütung während der Organtätigkeit
(b) Die Besonderheiten der Vergütungsstruktur ausgeschiedener Organmitglieder
(7.) Die Einbeziehung der Kosten der Anspruchsabwehr
(8.) Der zeitliche Bezugspunkt des Selbstbehalts
3. Der Selbstbehalt für Aufsichtsratsmitglieder im Sinnvon Ziff. 3.8 Abs. 3 DCGK
a) Der „entsprechende Selbstbehalt“
b) Die Frage der analogen Anwendung von Ziff. 3.8 DCGK auf Freistellungsvereinbarungen
c) Die Befreiung des Aufsichtsratsmitglieds von dessen Selbstbehalt
4. Die Vereinbarung eines zweistufigen Selbstbehalts bei der entity-Deckung
5. Die Vereinbarung einer internen Zahlungspflicht anstelle eines Selbstbehalts
Kapitel E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellungund Abschluß einer D&O-Versicherung
I. Der aufwendungsersatzähnliche Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft
1. Die Anspruchsgrundlage
2. Die Konsequenzen eines Mitverschuldensdurch Verletzung von Organpflichten
II. Der Anspruch aus § 426 BGB gegen die Gesellschaft
III. Der Freistellungsanspruch des Organmitglieds gegen Dritte
1. Der Anspruch aus Risikozurechnung gegenüber einem außenstehenden Prinzipal
2. Der Anspruch auf Abschluß einer Freistellungsvereinbarung aus dienstvertraglicher Fürsorgepflicht eines Dritten
IV. Der Freistellungsanspruch aus PVV wegen von der Gesellschaft zu vertretenden Verlusts bzw. Fehlens des D&O-Versicherungsschutzes
1. Die Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung zur Verschaffung von D&O-Versicherungsschutz
2. Die Rechtsfolgen des Schadenersatzanspruchs
a) Die Rechtsfolgen bei reiner Außenhaftung
b) Die Rechtsfolgen bei Verwirklichung eines Innenhaftungsanspruchs
V. Der Freistellungsanspruch gegen mithaftende Organmitglieder
VI. Die besondere Problematik von Freistellungsansprüchen der Organmitglieder gegen die Gesellschaft wegen tätigkeitsbezogener Geldstrafen und -bußen
1. Das Problem
2. Die Beschränkung der Erstattungsmöglichkeitauf reine Außenpflichtverletzungen
3. Der Konflikt zwischen zivilrechtlicher Ausgleichspflichtund öffentlich-rechtlicher Steuerungsfunktion
4. Der schadenersatzrechtliche Freistellungsanspruch
VII. Die Möglichkeit eines Anspruchs auf Abschluß einer D&O-Versicherunggegen die Gesellschaft
1. Die Pflicht zu Schutzmaßnahmen nach § 618 BGB .
2. Die D&O-Versicherung als Element einer effektiven Risikobewältigungsstrategie
a) Die rechtlichen Grundlagen einer möglichen kategorischen Verpflichtung zum Abschluß einer D&O-Versicherung
b) Die Pflicht zur Prüfung der Zweckmäßigkeit einer D&O-Versicherungim Einzelfall
aa) Die Ermessensfreiheit und die Ermessensreduzierung hinsichtlich des Abschlusses einer D&O-Versicherung
bb) Die Kriterien für die Ermessensausübung
(I.) Die Analyse des Haftungsrisikos
(II.) Die Bewertung des Umfangs des Versicherungsschutzes.
(1.) Die Prüfung der Abdeckung von Außenhaftungsansprüchen
(2.) Die Prüfung der Abdeckung von Innenhaftungsansprüchen
(a) Die Bedeutung der business judgment rule für die Versicherbarkeit von Innenhaftungsansprüchen
(b) Der Haftungsbereich außerhalb der business judgment rule
(c) Die Verletzung von Organisations-, Planungs- und Überwachungspflichten
(III.) Die Bewertung der mittelbaren Vorteile des D&O-Versicherungsschutzes für die Gesellschaft
(IV.) Die Bewertung der Modalitäten der Schadenregulierung
(V.) Die Wahrung der Interessen der Gesellschaft bei der Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen
c) Das praktische Vorgehen bei der Prüfung geeigneten D&O-Versicherungsschutzes
VIII. Der Anspruch auf Erstattung der Prämien einer Singularhaftpflichtversicherung
Kapitel F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung
I. Die Haftungsbefreiung durch Freistellung und Verzicht
1. Die Haftungsbefreiung der Organmitglieder durch die Gesellschaft
a) Die Aktiengesellschaft
b) Die GmbH
2. Die Freistellung der Organmitglieder durch Dritte
a) Die allgemeinen Grundsätze
b) Die besonderen Haftungsrechtsfolgen bei Freistellungen durch Personalgesellschaften
II. Die D&O-Versicherung
1. Die Zuständigkeit innerhalb der Gesellschaft für den Abschluß der D&O-Versicherung
a) Die vergütungsspezifische Zuständigkeitsordnung und die D&O-Versicherung
b) Das Aktienrecht
aa) Der Begriff der Bezüge und Vergütungen im Sinn des AktG
(I.) Die Vorstandsbezüge nach § 87 AktG
(II.) Die Aufsichtsratsvergütung nach § 113 AktG
bb) Die Zuordnung der D&O-Versicherung zu den Interessensphären des Organmitglieds und der Gesellschaft
(I.) Die Bedeutung der Interessensphären für die Vergütungseigenschaft
(II.) Die Abgrenzung von Aufwendung und Vergütung
(III.) Die Einordnung der D&O-Versicherung in dieverschiedenen Interessensphären
(1.) Die Interessen der Organmitglieder
(a) Die Notwendigkeit der Definition vergütungsspezifischer Interessen
(b) Der rechtssystematische Vergleich mit gesetzlichen Regelungen zur Prämienerstattung für Haftpflichtversicherungen in anderen Dienst- und Auftragsverhältnissen
(aa) Das Vormundschafts-, Betreuungs- und Pflegschaftsrecht
(bb) Das Insolvenzrecht
(2.) Die Interessen der Gesellschaft
(a) Der sog. Bilanzschutz
(aa) Die Gegenüberstellung der Interessen von Organmitglied und Gesellschaft
(bb) Die Möglichkeit der Eigenschadenversicherung in bezug auf die Innenhaftungsansprüche der Gesellschaft
(b) Die Sicherung der unternehmerischen Handlungsfreiheit
(c) Die Verbesserung der corporate governancedurch die D&O-Versicherung
(d) Die Notwendigkeit der D&O-Versicherung für die Personalgewinnung
(e) Die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Vergütung und Risiko
(f) Die Sicherung des Unternehmensinteresses durch die entity-Deckung
(aa) Die Funktion der entity-Deckung
(bb) Die typischen Regelungen bei derentity-Deckung sub specie des Unternehmensinteresses
(aaa) Die Begrenzung der entity-Deckung
(bbb) Die allocation-Regelung
(ccc) Die company reimbursement-coverage
(g) Die Ausrichtung der Versicherungspraxis am Unternehmensrisiko
(h) Die Versicherung sämtlicher Organmitglieder als Ausdruck des Unternehmensinteresses an einer effektiven D&O-Deckung
(i) Das Ergebnis der Zuordnung zu den Interessensphären
(j) Die mögliche aktienrechtliche Unzulässigkeit der Berufung auf die Interessen der Gesellschaftam Abschluß der D&O-Versicherung
(IV.) Die Stellungnahme der Regierungskommission Corporate Governance betreffend die Abschlußkompetenzen für D&O-Verdicherungen
(V.) Der Vergleich mit dem Steuerrecht
(VI.) Die Prämienzahlungspflicht als nicht individuell zuordenbare Aufwendung der Gesellschaft
(VII.) Die Folgerungen für die Anwendbarkeit der §§ 87, 113 AktG
cc) Die Frage der analogen Anwendung des §§ 87, 113 AktG
(I.) Die Prüfung der Voraussetzungen einer Analogie
(1.) Die analoge Anwendung des § 113 AktG
(a) Der Normzweck
(b) Die Folgerungen für das Vorliegen einer Gesetzeslücke
(c) Die Frage der Vergleichbarkeit von geregeltem und ungeregeltem Sachverhalt
(2.) Die analoge Anwendung des § 87 AktG
(II.) Die rechtspraktischen Auswirkungen einer Analogieder §§ 87, 113 AktG
c) Das GmbH-Recht
2. Die Zuständigkeit im Außenverhältnis
3. Das Publizitätserfordernis
III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten
1. Das Problem
2. Der sachliche Umfang der vorvertraglichen Anzeigepflicht
3. Der Adressat der Anzeigepflicht
4. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Anzeigepflicht
a) Die Auswirkungen der VVG-Novelle im allgemeinen
b) Die Folgen für die D&O-Versicherung im besonderen
c) Die Eingrenzung der Zurechnung über § 47 VVG de lege lata
aa) Die teleologische Reduktion der §§ 47, 19 VVG
bb) Der Teilrücktritt
cc) Die Möglichkeit des Teilrücktritts bei der kombinierten Eigen- und Fremdversicherung
dd) Die fehlende Kausalität
d) Die vertraglichen Lösungen
aa) Die Abdingbarkeit des Rücktrittsrechts
bb) Die severability clause
(I.) Die einfache severability clause
(II.) Die full severability clause
(1.) Der Regelungsgehalt
(2.) Die Gefahr eines Regreßkreisels bei der full severability clause
(3.) Die praktischen Einwände gegenfull severability clauses
cc) Die Erstreckung der Anzeigepflicht auf die Versicherten
dd) Die Repräsentantenklausel
e) Die Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung
aa) Die Auswirkungen der VVG-Novelle auf das Anfechtungsrecht des Versicherers nach § 123 BGB wegen Verschweigens von Umstandswissen
bb) Die vertragliche Begrenzung der Risiken eines Anfechtungsgrunds für die Versicherten
(I.) Die gesetzlichen Rechtsfolgen bei arglistiger Täuschung durch die Versicherungsnehmerin
(II.) Die Berücksichtigung von Vertrauensschutzgesichtspunkten nach § 242 BGB
(III.) Die Möglichkeiten der vertraglichen Begrenzung der Folgen der Arglistanfechtung
f) Die Schadenersatzansprüche bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht
aa) Die Ansprüche gegen die Versicherungsnehmerin
(I.) § 280 BGB
(1.) Die Struktur des Schadenersatzanspruchs
(2.) Der Maßstab der Pflichtwidrigkeit und desVerschuldens
(a) Die Nichtanzeige eigenen Umstandswissens der Versicherungsnehmerin
(b) Der Fortfall des Versicherungsschutzesinfolge Wissenszurechnung nach § 47 VVG
(c) Die Identität von pflichtwidrig handelndem und geschädigtem Organmitglied
(II.) Das Deliktsrecht
(1.) § 826 BGB
(2.) § 823 BGB
bb) Die Schadenersatzansprüche der Versicherten untereinander
Kapitel G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung
I. Der persönliche Anwendungsbereich
1. Die D&O-Versicherung
a) Die Organmitglieder und die leitenden Angestellten der Versicherungsnehmerin als versicherte Personen
aa) Die allgemeinen Grundsätze
bb) Die Einbeziehung leitender Angestellter
(I.) Die Begriffsdefinition
(II.) Der Ausschluß der Arbeitnehmerhaftung
(III.) Die Folgen eines Fehlens des Ausschlusses der Arbeitnehmerhaftung
(IV.) Die Versicherung leitender Angestellter in Wahrnehmung von outside directorships
b) Die Einbeziehung ehemaliger und künftiger Organmitglieder
c) Die Versicherung fehlerhaft bestellter Organmitglieder
d) Die Versicherung faktischer Organmitglieder
e) Die Liquidatoren als versicherte Personen
f) Die Einbeziehung der Organmitglieder und der leitenden Angestellten verbundener Unternehmen
aa) Die Definition verbundener Unternehmen
bb) Die Konzernvorteilsregelung
g) Die entity-Deckung und die company reimbursement-clause
2. Die Freistellungsvereinbarung
II. Der sachliche Umfang
1. Die gedeckten Schäden in der D&O-Versicherung
a) Die Begrenzung auf Vermögensschäden
b) Die Innen- und die Außenhaftungsansprüche
c) Die Begrenzung auf gesetzliche Haftpflichtbestimmungen
d) Die öffentlich-rechtlichen Haftpflichtbestimmungen
2. Die gedeckten Schäden in der Freistellungsvereinbarung
III. Der Verschuldensgrad in der Freistellungsvereinbarung und der D&O-Versicherung
1. Die bürgerlich-rechtlichen Grenzen der Haftungsbefreiung bei vorsätzlichen Schädigungen
2. Die Konkretisierung des Vorsatzausschlusses in der D&O-Versicherung durch das VVG und die AVB
a) Die Konkurrenz zwischen § 103 und § 81
b) Der versicherungsrechtliche Vorsatzbegriff
c) Die vertragliche Konkretisierung des Verschuldensgrads
aa) Die Anknüpfung des Ausschlusses an die Wissentlichkeit
bb) Die Beschränkung des Vorsatzes auf die Pflichtverletzung
(I.) Die Pflichtverletzung als Anknüpfungspunkt für den Ausschlußgrund
(II.) Die Begrenzung des Ausschlußgrunds auf wissentliche Pflichtverletzungen
cc) Die Gestaltungskombinationen des subjektiven Ausschlußgrunds
dd) Die Abgrenzung von Ausschlußgrund und Obliegenheit
ee) Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
(I.) Die Einbeziehungskontrolle und die Unklarheitenregel
(II.) Die Inhaltskontrolle
ff) Die praktische Bedeutung vertraglicher Konkretisierungen des Vorsatzausschlusses
gg) Die Pflichtverletzungen im Interesse des Unternehmens
IV. Der zeitliche Geltungsbereich
1. Die D&O-Versicherung
a) Das claims made-Prinzip
b) Die Nachhaftungsklausel
c) Die Rückwärtsversicherung
2. Die Freistellungsvereinbarung
a) Rückwirkende Freistellung und Nachhaftung
b) Das Problem „ewiger“ Freistellungsvereinbarungen
aa) Die Zweckmäßigkeit zeitlicher Begrenzungen
bb) Die zivilrechtlichen Grundsätze der Bewertung ordentlich-unkündbarer Schuldverhältnisse
V. Die summenmäßige Begrenzung von D&O-Versicherung und Freistellung
1. Der Deckungsumfang, die aggregate limitsund der Selbstbehalt
a) Die Jahresmaximierung
b) Die aggregate limits
c) Der Selbstbehalt
2. Die Erstreckung auf gerichtliche und außergerichtliche Kosten
a) Die Regelung des § 101 Abs. 1 S. 1 VVG
b) Die Auswirkungen des Vorsatzausschlusses nach § 103 VVG auf die Kostenerstattung
VI. Die Serienschadenklausel
1. Der Regelungsgegenstand
2. Die Regelungsbestandteile
3. Die Frage der notwendigen Beschränkung der Serienschadenklausel auf das jeweilige Versicherungsjahr
4. Die Beurteilung nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
a) Die Anwendbarkeit des AGB-Rechts
b) Die Inhaltskontrolle
c) Die restriktive Auslegung der Serienschadenklausel
VII. Die Eigenschadenklausel
VIII. Die Öffnungsklausel
1. Der Regelungsgegenstand
2. Die aktienrechtliche Problematik
3. Die Beurteilung nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
a) Die Einbeziehungskontrolle
b) Die Inhaltskontrolle
4. Die Praktikabilität der Öffnungsklausel
IX. Die Trennungsklausel
X. Die Gerichtsklausel
XI. Die typischen Haftungsausschlüsse in der D&O-Versicherung
XII. Die Begrenzung und die Haftungsausschlüsse bei der Freistellungsvereinbarung
XIII. Die Formbedürftigkeit der Freistellungsvereinbarung nach § 518 BGB
1. Die Anwendung des Schenkungsrechts
2. Die Unentgeltlichkeit der Freistellung
3. Die dienstvertragliche causa für die Freistellungsvereinbarung
4. Die Eingehung einer Freistellungsverpflichtung durch einen Gesellschafter causa societatis
XIV. Die Erfassung von Bußgeldern und Geldstrafen durch die Freistellungsvereinbarung und die D&O-Versicherung
1. Die Einschränkung der Steuerungsfunktion der Sanktionsnorm durch die Freistellung und die D&O-Versicherung
2. Die Freistellung und die Versicherung bezüglich Sanktionen wegen Fahrlässigkeitstaten
a) Die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verbote einer Freistellung und Versicherung bei Fahrlässigkeitstaten
b) Die Vereitelung der Steuerungswirkung des Straf- und Bußgeldrechts
3. Die Freistellung und die Versicherung bezüglich Vorsatztaten
a) Die grundsätzliche Sittenwidrigkeit der Freistellung und Versicherung bezüglich Vorsatztaten
b) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Freistellungsgläubigers für die Erteilung einer Freistellungszusage wegen vorsätzlicher Straftaten und Ordnungswidrigkeiten
4. Die Begrenzung der Freistellung eigener Organmitglieder von den Folgen einer Ordnungswidrigkeit oder Straftatdurch das Unternehmenswohl und § 266 StGB
a) Das Problem
b) Die Beurteilung der nachtatlichen Erstattung von Geldbußen und -strafen
aa) Die Privatunternehmen
bb) Die öffentlichen Unternehmen
c) Die Erstattung der Kosten der Rechtsverteidigung und § 266 StGB
aa) Die Privatunternehmen
bb) Die öffentlichen Unternehmen
(I.) Die grundsätzliche Zulässigkeit der Tragung der Verfahrenskosten
(II.) Die Differenzierung zwischen vorsätzlich und fahrlässig begangenen Zuwiderhandlungen
(III.) Die Erstattung von Vereinbarungshonoraren oberhalb der gesetzlichen Gebührengrenzen
cc) Die Anwendung der Grundsätze auf ex ante getroffene Freistellungsvereinbarungen bezüglich der Verteidigungskosten
d) Die Rechtsfolgen einer wirksamen nachtatlichen Freistellung von Bußgeldern und Geldstrafen
Kapitel H. Die Folgen eines Kontrollwechsels für die Freistellungsvereinbarung und den D&O-Versicherungsvertrag
I. Das Problem
II. Die D&O-Versicherung
1. Der Kontrollerwerb und -verlust der Versicherungsnehmerin an Tochtergesellschaften
a) Die Rechtsfolgen des Kontrollerwerbs
aa) Das Absinken des Schutzniveaus bei flexibler Konzernpolice
bb) Der Erwerb der Gesellschaft während des Nachhaftungszeitraums
cc) Das Zusammentreffen zweier D&O-Versicherungen bei erworbener Gesellschaft und Erwerber
(I.) Die Konkurrenz zweier Versicherungsverträge mit unterschiedlichen Versicherern
(1.) Die Neben- und die Mehrfachversicherung
(2.) Die Subsidiaritätsklausel
(II.) Die Kumulation zweier Verträge mit demselben Versicherer
b) Die Rechtsfolgen des Kontrollverlusts
2. Der Kontrollerwerb und -verlust über die Versicherungsnehmerin
a) Der Kontrollwechsel als Gefahrerhöhung
aa) Der Begriff der Gefahrerhöhung
bb) Die Kündigung wegen Gefahrerhöhung und die Nachdeckung
cc) Die Unerhebliche Gefahrerhöhung
b) Die change of control-Klausel
III. Die Freistellungsvereinbarung
Kapitel I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall
I. Die Ersatz- und Freistellungsansprüche bei der Abwicklungvon D&O-Versicherungsfällen
1. Der Übergang von Freistellungsansprüchen des Organmitglieds auf den D&O-Versicherer
a) Die Ersatz- und die Freistellungsansprüche gegenüber Dritten
b) Die Freistellungsansprüche gegenüber der Gesellschaft
2. Die vertragliche Vereinbarung einer Freistellungspflicht der Gesellschaft zugunsten des D&O-Versicherers
a) Die Prüfung einer analogen Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG
b) Die Beurteilung des Abschlusses einer Freistellungsvereinbarung zugunsten des Versicherers am Maßstab des § 93 Abs. 1 AktG
c) Die Behandlung möglicher Interessenkollisionen des Vorstands
II. Die prozessuale Durchsetzung der Ansprüche aus der D&O-Versicherung und der Freistellungsvereinbarung
1. Die formelle und die materielle Forderungsberechtigung in der D&O-Versicherung
a) Die Verfügungs- und die Klagebefugnis
b) Das Trennungsprinzip
aa) Der Haftpflichtprozeß und der Deckungsprozeß
bb) Die Frage eines Direktanspruchs der Versicherungsnehmerin bei der Innenhaftung
(I.) Das Problem
(II.) Die Frage nach einer Qualifizierung der D&O-Versicherung als Eigenschadenversicherung in bezug auf Innenhaftungsansprüche
c) Der vertraglich vereinbarte Direktanspruch
aa) Die Frage der Abdingbarkeit des Trennungsprinzips
bb) Die Vorteile und Risiken der Vereinbarung eines Direktanspruchs
d) Die Abtretung des Freistellungsanspruchs an die Versicherungsnehmerin
aa) Die Abtretungsmöglichkeiten nach der VVG-Novelle
(I.) Der Ausschluß des formularmäßigen Abtretungsverbots durch § 108 Abs. 2 VVG
(II.) Die Anwendbarkeit des § 108 Abs. 2 VVG auf die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin
bb) Die materielle Rechtslage nach erfolgter Abtretung
(I.) Die Beibehaltung des Charakters als Haftpflichtversicherung trotz Abtretung des Deckungsanspruchs an die geschädigte Versicherungsnehmerin
(II.) Die materiellrechtlichen Wechselwirkungen zwischen dem Haftpflichtanspruch und demabgetretenen Deckungsanspruch
(1.) Das Problem
(2.) Die Bedeutung des § 404 BGB
(3.) Die Frage der Herleitung des Erfordernisses eines separaten Haftpflichtprozesses aus § 100 VVG
(4.) Die Funktion des § 106 VVG
(5.) Die Regierungsbegründung zu § 108 Abs. 2 VVG
(6.) Die Rechtsprechung des BGH zu den Rechtsfolgender Abtretung vor Inkrafttreten der VVG-Novelle
(7.) Die möglichen systematischen Rückschlüsse aus § 115 VVG
8.) Die Berücksichtigung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG
cc) Die Beweislastverteilung nach erfolgter Abtretung
dd) Die Auswirkungen des direkten Deckungsprozesses auf einen nachfolgenden Haftpflichtprozeß
(I.) Die Frage der gesetzlichen Bindungswirkung des Deckungsprozesses für einen nachfolgenden Haftpflichtprozeß
(II.) Die vertragliche Vereinbarung einer „umgekehrten Bindungswirkung“
(III.) Das Verhältnis von Abwehrdeckung und Freistellung nach Abtretung des Deckungsanspruchs
(1.) Das Problem
(2.) Die Reichweite der Rechtskraft des Deckungsprozesses
(3.) Die versicherungsvertragsrechtliche Koppelung von Freistellung und Abwehrdeck
(4.) Die versicherungsvertragliche Einschränkung des Anspruchs auf Abwehrdeckung bei Abtretung des Freistellungsanspruchs
ee) Die verfahrensrechtlichen Konsequenzen der Abtretung des Deckungsanspruchs
(I.) Die Zeugenstellung des Organmitglieds nach erfolgter Abtretung
(II.) Die Interessenkollision im Direktprozeß
(III.) Die Folgerungen für eine mögliche Kollusionsgefahr
(IV.) Die Kostenfolge
e) Die Verbindung von Abtretung und Anerkenntnis
aa) Der Fortfall der Möglichkeit des vertraglichen Anerkenntnisverbots durch § 105 VVG
bb) Die Grenzen einer Wirkung des Anerkenntnisses auf den Deckungsprozeß
cc) Die Risiken der Abtretung für den Versicherten und mögliche Auswege
(I.) Die Gefahr eines Haftpflichtprozesses nach verlorenem Deckungsprozeß und mögliche Sicherungsinstrumente
(1.) Die Vereinbarung eines Haftungssausschlusses zwischen Gesellschaft und Organmitglied im Gegenzug zur Abtretung des Deckungsanspruchs
(2.) Die Rückabtretung des Deckungsanspruchs an das Organmitglied
(II.) Das Problem einer Abtretung des Deckungsanspruchs an Erfüllungs Statt zur Begrenzung der Risiken der Zession
dd) Die Abdingbarkeit der §§ 105, 108 Abs. 2 VVG bei Großrisiken
ee) Die zu den §§ 105, 108 Abs. 2 VVG geltenden Übergangsregelungen
f) Die Prozeßführungsbefugnis im Haftpflichtprozeß
g) Die Verfügungs- und die Prozeßführungsbefugnis hinsichtlich des Deckungsanspruchs
aa) Die vertraglich vereinbarte Verfügungs- und Prozeßführungsbefugnis des Versicherten
bb) Die parallele Verfügungs- und Prozeßführungsbefugnis von Versicherungsnehmerin und Versichertem
cc) Die ausschließliche Prozeßführungsbefugnis der Versicherungsnehmerin
dd) Die Möglichkeit der Übertragung der gesetzlichen Prozeßführungsbefugnis nach § 45 Abs. 1 VVG(§ 76 Abs. 1 VVG alt) auf Konzernunternehmen
h) Der Prozeß gegen Versicherungskonsortien
aa) Die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen der Mitversicherung
bb) Die möglichen Inhalte von Führungsklauseln
(I.) Das pactum de non petendo und das Anerkenntnis
(II.) Die Einräumung der aktiven und der passiven Prozeßführungsbefugnis
2. Die gerichtliche Geltendmachung des Freistellungsanspruchs
a) Die Trennung zwischen Schadenersatz- und Freistellungsanspruch
b) Die prozessuale Geltendmachung
c) Die Vollstreckung
Kapitel J. Die versicherungsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen zu der Freistellung und der D&O-Versicherung
I. Die strukturellen Grenzen von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung
II. Die versicherungsvertragsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen
1. Die Industrie-Straf-Rechtsschutzversicherung
a) Die versicherungsrechtliche Struktur der Industrie-Straf- Rechtsschutzversicherung
b) Der Anwendungsbereich der Industrie-Straf- Rechtsschutzversicherungim Kontext von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung
c) Der Deckungsumfang der Industrie-Straf- Rechtsschutzversicherung
aa) Der Umfang der zu erstattenden Kosten
bb) Die Deckung bei Vorsatztaten
(I.) Das Strafrecht
(1.) Der Regelungsgehalt des § 2 UAbs. bb) ARB 2000
(2.) Der Grundsatz des Ausschlusses reiner Vorsatzvergehen nach den ARB 2000 und seine Durchbrechung
(3.) Der Deckungsausschluß bei vorsätzlicher Begehung
(a) Die Deckung bei unberechtigtem Vorwurf vorsätzlicher Begehung
(b) Die Möglichkeit der Deckung bei rechtskräftigfestgestelltem Vorsatz
(II.) Das Ordnungswidrigkeitenrecht
2. Die Betriebshaftpflichtversicherung
3. Die Deckungsklage-Rechtsschutzversicherung
4. Die Selbstbehaltsversicherung
a) Die aktienrechtliche Zulässigkeit der Selbstbehaltsversicherung
b) Die rechtstatsächliche Bedeutung der Selbstbehaltsversicherung
c) Die versicherungsvertragsrechtliche Einordnung der Selbstbehaltsversicherung
d) Die vertragsrechtlichen Wechselwirkungen zwischen der D&O-Police und der Selbstbehaltsversicherung sowie daraus resultierende Risiken
5. Die D&O-Singularhaftpflichtversicherung
Kapitel K. Die steuerrechtliche Behandlung der D&O-Versicherung und der Freistellung
I. Die Freistellungsvereinbarung
1. Der Freistellungsempfänger
2. Der Freistellungsschuldner
II. Die D&O-Versicherung
1. Die versicherten Personen
a) Die Vorstandsmitglieder und die Geschäftsführer
aa) Die steuerliche Einordnung der Charakteristika der D&O-Versicherung
bb) Die steuerrechtlichen Abgrenzungskriterien im einzelnen
(I.) Die Versicherung des eigenbetrieblichen Risikos
(II.) Das Erfordernis des der Versicherungsnehmerin zustehenden Anspruchs auf die Versicherungsleistung
(III.) Die Versicherung des Managements als Ganzes
(IV.) Die entindividualisierte Prämienberechnung und die Höhe der Versicherungssumme oberhalbdes üblichen Privatvermögens
b) Die Aufsichtsratsmitglieder
c) Die durch die Organmitglieder getragenen Prämien einer Einzelpolice
2. Die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin
Kapitel L. Zusammenfassung der Ergebnisse
Teil B.
Teil C.
Teil D.
Teil E.
Teil F.
Teil G.
Teil H.
Teil I.
Teil J.
Teil K.
Literaturverzeichnis
Sachwortverzeichnis

Citation preview

I

JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 154

II

III

Stefan Thomas

Die Haftungsfreistellung von Organmitgliedern Bürgerlichrechtliche, gesellschaftsrechtliche und versicherungsrechtliche Grundlagen der Freistellung und der Versicherung von organschaftlichen Haftungsrisiken im Kapitalgesellschaftsrecht

Mohr Siebeck

IV Stefan Thomas, geboren 1975; 1996–2000 Studium der Rechtswissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; 2004 Promotion ebenda; 2004–2006 Rechtsanwalt in Düsseldorf; 2006–2009 wiss. Mitarbeiter an der Universität Mainz; 2009 Habilitation ebenda; Professor an der Eberhard Karls Universität Tübingen.

e-ISBN PDF 978-3-16-151231-5 ISBN 978-3-16-150247-7 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Computersatz Staiger in Rottenburg/N. aus der Stempel-Garamond gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

V

Vorwort Die Haftung von Managern für unternehmerisches Fehlverhalten ist nicht zuletzt durch die Finanzmarktkrise zum Gegenstand einer intensiven politischen und öffentlichen Diskussion geworden. Im Kern geht es darum, inwieweit Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder durch schärfere Haftungsregelungen zu erhöhter Sorgfalt und Vorsicht angehalten werden sollen. Während noch vor fünfzehn Jahren die Organhaftung in diesem Sinn eine geringe praktische Relevanz besaß, ist sie sukzessive durch eine Verschärfung der Gesetzgebung und Rechtsprechung zu einer Kernfrage des Kapitalgesellschaftsrechts geworden. Mit dieser Verschärfung der Managerhaftung ist auch zunehmend die Frage bedeutsam geworden, inwieweit Organmitglieder durch vertragliche und versicherungsrechtliche Instrumente gegen die wachsenden Haftungsrisiken abgesichert werden können. Vor diesem Hintergrund ist in der Wirtschaftspraxis der Abschluß von speziellen Manager-Haftpflichtversicherungen immer stärker verbreitet. Diese „directors & officers-insurances“ sind in den USA entstanden und haben sich bei deutschen Großunternehmen mittlerweile flächendeckend ebenfalls etabliert. Daneben finden sich in den Unternehmen immer häufiger vertragliche Konstruktionen außerhalb des Versicherungsrechts, die eine Enthaftung des Managements bewirken sollen. Dies betrifft etwa die Erstattung von Geldbußen und -strafen durch das Unternehmen zugunsten von Managern, die wegen Wirtschaftsdelikten zur Verantwortung gezogen wurden. Dieser rechtstatsächliche Befund weitgehender Freistellungen und Versicherungen zugunsten von Managern spiegelt sich jedoch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Organhaftung derzeit kaum wider. So wurden die Voraussetzungen für Organhaftungsansprüche, insbesondere die an Manager zu stellenden Sorgfaltsanforderungen, zwar ausführlich diskutiert. Die dazu komplementäre und zunehmend bedeutsame Frage der rechtlichen Grundlagen und zugleich Grenzen für Haftungsfreistellungen hat jedoch kaum Beachtung gefunden. Es ist Ziel der Arbeit, zur Schließung dieser Lücke beizutragen und ein übergreifendes zivilrechtliches, gesellschaftsrechtliches und versicherungsrechtliches System der Haftungsfreistellung im Kapitalgesellschaftsrecht zu entwickeln. Die vorliegende Untersuchung wurde vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Wintersemester 2008/2009 als Habilitationsschrift angenommen. Dem Verfasser haben

VI

Vorwort

dankenswerterweise verschiedene Versicherungsunternehmen, Versicherungsmakler und im Versicherungsrecht spezialisierte Anwälte für Fragen zur Rechtspraxis der D&O-Versicherung und Haftungsfreistellung von Organmitgliedern zur Verfügung gestanden, darunter die Herren RA Dr. Theo Langheid, RA Björn Seitz und RA Bastian Finkel sowie DUAL Deutschland. Die hier vertretenen Ansichten sind freilich allein solche des Autors. Für die Entstehung der Arbeit gebührt einer Reihe von wichtigen Personen Dank. Dazu gehört zuerst mein verehrter akademischer Lehrer Herr Professor Dr. Meinrad Dreher, LL.M., an dessen Lehrstuhl ich über viele Jahre ausgebildet und gefördert wurde. Er hat mein Verständnis vom Wirtschaftsrecht in der Tradition seines akademischen Lehrers Professor Dr. Dr. h.c. Fritz Rittner ganz entscheidend geformt. Dank schulde ich sodann Herrn Professor Dr. Peter O. Mülbert für die Erstellung des Zweitgutachtens. Ferner möchte ich an dieser Stelle RA Professor Dr. Gerhard Wiedemann danken, der mein juristisches Denken und Arbeiten ebenfalls geprägt hat. Nicht zuletzt ist hier auch Professor Dr. Michael Kling zu erwähnen, der mir während meiner Tätigkeit am Lehrstuhl in Mainz ein wichtiger Gesprächspartner war und mit dem mich ein fruchtbarer wissenschaftlicher Austausch verbindet. Die Arbeit ist meinen Eltern gewidmet, die mir meinen akademischen Weg ermöglicht haben. Tübingen im Juli 2010

Stefan Thomas

VII

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

I. Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Der Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

I. Die Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

II. Die Freistellung und der Verzicht durch den Unternehmensträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 III. Die Freistellung durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 IV. Der Abschluß konzerninterner Freistellungsvereinbarungen . . . . 86 V. Die Kombination einer Freistellungsvereinbarung durch ein nicht verbundenes Unternehmen mit einer Rückerstattungspflicht der Aktiengesellschaft zugunsten dieses Freistellungsschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

C. Die D&O-Versicherung und die Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

I. Die D&O-Versicherung als Rechtsprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II. Die Vereinbarkeit mit den Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&OVersicherung auf eine Steuerungswirkung der Organhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

VIII

Inhaltsübersicht

I. Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Die Funktion der Organhaftung im allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . 120 III. Die außerkompensatorischen Nebenzwecke der Haftungsgrundnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 IV. Die Funktionen der Organhaftung im einzelnen . . . . . . . . . . . . . 145 V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung und der D&O-Versicherung in die Präventionsfunktion der Organhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 VI. Der angemessene Selbstbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß einer D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

239

I. Der aufwendungsersatzähnliche Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 II. Der Anspruch aus § 426 BGB gegen die Gesellschaft . . . . . . . . . . 242 III. Der Freistellungsanspruch des Organmitglieds gegen Dritte . . 244 IV. Der Freistellungsanspruch aus PVV wegen von der Gesellschaft zu vertretenden Verlusts bzw. Fehlens des D&OVersicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 V. Der Freistellungsanspruch gegen mithaftende Organmitglieder 250 VI. Die besondere Problematik von Freistellungsansprüchen der Organmitglieder gegen die Gesellschaft wegen tätigkeitsbezogener Geldstrafen und -bußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 VII. Die Möglichkeit eines Anspruchs auf Abschluß einer D&OVersicherung gegen die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 VIII. Der Anspruch auf Erstattung der Prämien einer Singularhaftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung . . . . .

275

I. Die Haftungsbefreiung durch Freistellung und Verzicht . . . . . . 275 II. Die D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten . . . . . . . . . . . . 317

Inhaltsübersicht

G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

346

I. Der persönliche Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 II. Der sachliche Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 III. Der Verschuldensgrad in der Freistellungsvereinbarung und der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 IV. Der zeitliche Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 V. Die summenmäßige Begrenzung von D&O-Versicherung und Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 VI. Die Serienschadenklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 VII. Die Eigenschadenklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 VIII. Die Öffnungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 IX. Die Trennungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 X. Die Gerichtsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 XI. Die typischen Haftungsausschlüsse in der D&O-Versicherung . 398 XII. Die Begrenzung und die Haftungsausschlüsse bei der Freistellungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 XIII. Die Formbedürftigkeit der Freistellungsvereinbarung nach § 518 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 XIV. Die Erfassung von Bußgeldern und Geldstrafen durch die Freistellungsvereinbarung und die D&O-Versicherung . . . . . . . 403

H. Die Folgen eines Kontrollwechsels für die Freistellungsvereinbarung und den D&O-Versicherungsvertrag . . . . . . . . . .

423

I. Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 II. Die D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 III. Die Freistellungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433

I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

434

I. Die Ersatz- und Freistellungsansprüche bei der Abwicklung von D&O-Versicherungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 II. Die prozessuale Durchsetzung der Ansprüche aus der D&OVersicherung und der Freistellungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . 442

X

Inhaltsübersicht

J. Die versicherungsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen zu der Freistellung und der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

498

I. Die strukturellen Grenzen von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 II. Die versicherungsvertragsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498

K. Die steuerrechtliche Behandlung der D&O-Versicherung und der Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

517

I. Die Freistellungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 II. Die D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519

L. Zusammenfassung der Ergebnisse

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579

XI

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

I. Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3

B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

I. Die Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

1. Die zivilrechtlichen Grundlagen von Freistellungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2. Die Abgrenzung der Freistellung von anderen gesellschaftsrechtlichen Instituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 a) Die haftungsbefreiende Handlungsermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Der Hauptversammlungsbeschluß nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Der Aufsichtsratsbeschluß nach § 93 Abs. 4 S. 2 AktG . . . bb) Die GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Entlastung der Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10 10 10 12 13 14 15

3. Die Freistellung, die gesellschaftsrechtliche Haftungsstruktur und das steigende Haftungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 a) Der rechtstatsächliche Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Bedeutung der D&O-Versicherung für den Anwendungsbereich von Freistellungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . c) Die Haftungsverschärfung durch Rechtsprechung und Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die praktische Notwendigkeit für Freistellungsvereinbarungen . . .

15 17 17 20

II. Die Freistellung und der Verzicht durch den Unternehmensträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

XII

Inhaltsverzeichnis

1. Die Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 a) Die Freistellungs- und Verzichtsvereinbarungen unter §§ 93 Abs. 4 S. 3, 116 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Regelungsgehalt des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Befreiung des Organmitglieds von Schadenersatzansprüchen nach § 93 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Abtretung des Innenhaftungsanspruchs an einen Dritten . . . . . c) Die Aufrechnung mit Gegenansprüchen des Organmitglieds . . . . . d) Die Freistellung für die Fälle ausschließlicher Außenhaftung . . . . . aa) Die ausschließliche Außenhaftung bei fehlender Organpflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Freistellung von einer ausschließlichen Außenhaftung bei zugleich verwirklichter Verletzung von Organpflichten im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Die direkte oder analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Die Einhaltung der Organpflichten bei der Entscheidung über eine Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.) Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2.) Die Organpflichten hinsichtlich der Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen und die Übertragbarkeit der Grundsätze auf die vorliegende Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die allgemeinen Grundsätze nach der ARAG-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Frage einer möglichen Verschärfung der Organpflichten bei differentialdiagnostischer Berücksichtigung des § 148 Abs. 1 Nr. 4 AktG . . . (c) Die Konkretisierung des Abwägungsmaßstabs für die Fälle der Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 21 22 23 25 26 26

27 27 30 30

31 31

32 34

2. Die GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Die Haftungsbefreiung unter § 43 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Haftungsbefreiung fakultativer GmbH-Organe . . . . . . . . . . . . .

36 36 39 40

III. Die Freistellung durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Die Auswirkungen von Freistellungsvereinbarungen auf den Grundsatz der Unabhängigkeit der Organmitglieder . . 41 a) Der Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die allgemeinen Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Der Wortlaut des § 111 Abs. 5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Der teleologische und systematische Hintergrund: Interessenpluralismus und Interessenkollision . . . . . . . . . (III.) Die Notwendigkeit eines Unabhängigkeitspostulats . . . .

41 41 41 42 48

Inhaltsverzeichnis

XIII

bb) Der Eingriff in den Grundsatz der Unabhängigkeit . . . . . . . . . . (I.) Die unbedingte Freistellung gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Die bedingte und kündbare Freistellungsvereinbarung . . (1.) Das Setzen spezifischer Handlungsanreize durch bedingte Freistellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2.) Die Konkretisierung des zulässigen Inhalts einer Freistellungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Differenzierung zwischen inhaltlichen und prozeduralen Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die entscheidungsneutralen Risikoausschlüsse . . . (3.) Die durch den Freistellungsschuldner kündbaren Freistellungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . (a) Die Notwendigkeit einer Differenzierung nach der Art des Kündigungsrechts . . . . . . . . . . . . (b) Die außerordentlichen Kündigungsrechte . . . . . . . (c) Die ordentlichen Kündigungsrechte . . . . . . . . . . . . (4.) Die change of ownership-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . (III.) Der Eingriff in die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats und die Nichtigkeitssanktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.) Der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot . . . . . . . . . . (2.) Die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . (a) Der Sittenwidrigkeitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die fehlende Geeignetheit des Sittenwidrigkeitsbegriffs zur Beurteilung von Eingriffen in die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . (3.) Die Überlagerung des Schuldrechts durch gesellschaftsrechtliche Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die aktienrechtlichen Verbotsvorschriften . . . . . . (b) Das Umgehungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die gesellschaftsrechtliche Institutionenbildung . b) Der Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die unabhängige Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die abhängige Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Der faktische Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Der qualifiziert faktische Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (III.) Der Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer als wesentliches Strukturprinzip der Unternehmensleitung . . . . . . (I.) Die Zulässigkeit der Einschränkung der Geschäftsführerautonomie durch Vertrag . . . . . . . . . . . . . (II.) Die Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses . . . . . bb) Das Verhältnis des Geschäftsführers gegenüber Dritten . . . . . . (I.) Die Zulässigkeit der Einräumung von Weisungsrechten gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Die Anwendung der Grundsätze auf Freistellungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52 52 54 54 55 55 55 56 56 57 58 59 61 61 62 62

63 66 66 66 67 69 69 72 72 73 74 75 75 75 76 77 77 80

XIV

Inhaltsverzeichnis

3. Die Auswirkungen von Freistellungsvereinbarungen auf den Grundsatz der Gesamtverantwortung der Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80 80

a) Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Grundsatz der Gesamtverantwortung und der Gleichberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die allgemeinen Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Haftungsbefreiung durch die eigene Gesellschaft . . . . . . . cc) Die Freistellung durch einzelne Gesellschafter oder gesellschaftsfremde Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81 81 83

IV. Der Abschluß konzerninterner Freistellungsvereinbarungen . . .

86

1. Die Freistellung im faktischen Konzern zwischen Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Freistellung des herrschenden Unternehmens zugunsten der Organmitglieder des abhängigen Unternehmens . . . . . . . . . . . . aa) Die Frage der Einschlägigkeit von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG bei Freistellung durch eine herrschende Aktiengesellschaft . . . bb) Die Entscheidung über die Freistellung zugunsten der Organmitglieder des abhängigen Unternehmens als Frage des unternehmerischen Ermessens des Managements der herrschenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . c) Die Freistellungspflicht einer abhängigen Gesellschaft zugunsten der Organmitglieder einer herrschenden Aktiengesellschaft sub specie des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . .

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86 86 86 86

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88

2. Die Freistellung im Aktien-Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Freistellungsvereinbarungen im GmbH-Konzern . . . . . . .

90 91

V. Die Kombination einer Freistellungsvereinbarung durch ein nicht verbundenes Unternehmen mit einer Rückerstattungspflicht der Aktiengesellschaft zugunsten dieses Freistellungsschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

C. Die D&O-Versicherung und die Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Die D&O-Versicherung als Rechtsprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

1. Der historische Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Die Struktur des D&O-Versicherungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Der Stand der Wissenschaft und Praxis der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 II. Die Vereinbarkeit mit den Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

Inhaltsverzeichnis

XV

1. Die Auswirkungen der D&O-Versicherung auf die Werthaltigkeit der Organinnenhaftung . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Die Verbesserung der Werthaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Die mögliche Einschränkung der Werthaltigkeit durch die Prämienzahlungspflicht der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . 105

2. Die mögliche Einschränkung der Steuerungsfunktion der Organhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Die mögliche Kollision der D&O-Versicherung mit organschaftlichen Aufgaben- und Befugniszuweisungen . . 107 a) Die D&O-Versicherung und die Prüfungs- und Handlungsfunktionen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Die Vereinbarkeit der D&O-Versicherung mit der gesetzgeberischen Intention des Klagezulassungsverfahrens nach § 148 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

4. Die D&O-Versicherung und das organschaftliche Unabhängigkeitspostulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Die Begründung einer „Dankesschuld“ durch Abschluß einer D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

5. Die D&O-Versicherung und die Gleichbehandlung der Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Die Gleichbehandlung der Organmitglieder im Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Der rechtstatsächliche Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

6. Die Möglichkeit einer D&O-Selbstversicherung . . . . . . . . . . . . 111 a) Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die externe D&O-Selbstversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die versicherungsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der rechtstatsächliche Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die interne D&O-Selbstversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die praktischen Probleme der internen D&O-Selbstversicherung und der rechtstatsächliche Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&OVersicherung auf eine Steuerungswirkung der Organhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

111 113 113 115 116 118

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I. Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Die Funktion der Organhaftung im allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . 120 1. Die möglichen Regelungszwecke des Schadenersatzrechts . . . 120 2. Die systembezogenen Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

XVI

Inhaltsverzeichnis

a) Die verschiedenen dogmatischen Ansätze bei der Untersuchung einer Steuerungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Die Begriffsklärung und der Aufbau der Untersuchung . . . . . . . . . 122

3. Die Differenzierung zwischen Haftungsgrundnorm und Haftungsrechtsfolge in bezug auf einen möglichen Präventionszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4. Die Durchlässigkeit der Rechtsfolgenseite des Schadensrechts hinsichtlich außerkompensatorischer Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . 124 III. Die außerkompensatorischen Nebenzwecke der Haftungsgrundnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Die Frage nach einem allgemeinen haftungsrechtlichen Präventionszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Die dogmatischen Ansatzpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Bedeutung der verursachungsbezogenen Passivlegitimation für eine verhaltenssteuernde Zwecksetzung des Haftungsrechts . . . c) Die staatliche Verhaltenslenkung und die Privatrechtsprinzipien . . aa) Die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Verwirklichung des Präventionsgedankens im Zivilrecht . . . . . bb) Die Privatautonomie und die Selbstverantwortung . . . . . . . . .

126 126 129 129 130

2. Die Bedeutung der ökonomischen Analyse des Haftungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Der Beitrag des Haftungsrechts zur Wohlfahrtsmaximierung . . . . aa) Die methodischen Probleme der ökonomischen Analyse des Haftungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die wohlfahrtsökonomisch neutralen und vorteilhaften Haftungskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Transaktionskostenanalyse und das Kaldor-Hicks-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die tatsächliche Haftungsvermeidung und die rechtliche Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die weiteren grundlegenden Einwände gegen die Annahme eines allgemeinen Präventionszwecks aufgrund ökonomischer Analyse des Haftungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

133 133 135 136 138

140

3. Der verhaltenssteuernde Zweck als Frage der rechtlichen Auslegung der konkreten Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . . 141 a) Die zivilrechtliche Steuerungsfunktion als Einzelfallfrage . . . . . . . b) Die Gründe für die Implementierung zivilrechtlicher Präventionszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Differenzierung zwischen General- und Spezialprävention . . d) Die Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141 143 144 145

IV. Die Funktionen der Organhaftung im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Die Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

Inhaltsverzeichnis

XVII

a) b) c) d)

Der Überblick über die gesetzlichen Innenhaftungstatbestände . . Die Grundzüge der dienstvertraglichen Haftung . . . . . . . . . . . . . . Die Kompensationsfunktion der Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . Die Präventionsfunktion der Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Bedeutung der eingeschränkten Abdingbarkeit der Organinnenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Organinnenhaftung als Korrelat zur Leitungsmacht . . . . cc) Die Organinnenhaftung als Bestandteil der Absicherung guter corporate governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die rechtstatsächliche Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die Abgrenzung von Haftungsfurcht und gezielter Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Die Relation von Kompensationsfunktion und Steuerungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Die Bestimmung des abstrakten Rangverhältnisses . . . . . (II.) Die Bestimmung des konkreten Rangverhältnisses unter Berücksichtigung ergänzender Steuerungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.) Die Notwendigkeit einer Gewichtung des Steuerungszwecks im Gesamtgefüge der verhaltenssteuernden Elemente der Organverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2.) Die internen Steuerungsmechanismen durch Gesellschafterweisungen in der GmbH . . . . . . (3.) Die allgemein wirkenden Steuerungsmechanismen . . (a) Die anreizbasierten Entlohnungsschemata . . . . . (b) Die Arbeitsmarktdisziplinierung . . . . . . . . . . . . . (c) Die Produktmarktdisziplinierung . . . . . . . . . . . . (d) Die Kapitalmarktdisziplinierung . . . . . . . . . . . . . (e) Die Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Vergeltungs-, Buß- bzw. Genugtuungsfunktion bei der Organhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die strafrechtlichen Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Das allgemeine Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Die Rechtslage bei der Organinnenhaftung . . . . . . . . . . .

145 146 147 147 147 148 149 153 156 157 157

158

158 158 160 160 160 161 162 162 163 163 164 164 166

2. Die Außenhaftung von Organmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 a) Die Notwendigkeit einer separaten Untersuchung des Präventionszwecks der Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die zivilrechtliche Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die einzelnen Anspruchsgrundlagen und die Anspruchsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die verhaltenssteuernde Zwecksetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die mögliche Vergeltungsfunktion der deliktischen Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Außenhaftung nach Öffentlichem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . .

166 167 167 169 172 172

XVIII

Inhaltsverzeichnis

V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung und der D&O-Versicherung in die Präventionsfunktion der Organhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Der Verstoß gegen die ratio legis des Organhaftungsrechts . . 174 3. Die analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . 175 a) Die methodischen Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Voraussetzungen einer Analogie im einzelnen . . . . . . . . . . . . . aa) Die Ähnlichkeit zwischen geregeltem und ungeregeltem Sachverhalt als Merkmal zur Abgrenzung von der teleologischen Extension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Frage nach der Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Analogie, die teleologische Extension und der Normzweck des § 93 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Das Postulat eines angemessenen Selbstbehalts als Widerlegungsgrund einer Analogiefähigkeit des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG für die Fälle außerhalb von §93 Abs. 2 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . .

175 176

176 178 182

183

4. Die Rechtsfolgen der Einwirkung von Freistellung und D&OVersicherung als Frage der gesellschaftsrechtlichen Institutionenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Die Steuerungswirkung der Organhaftung als gesellschaftsrechtliche Institution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Lösung von Konflikten mit der Institution der Verhaltenssteuerung im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Verhaltenssteuerung als ein in mehrfacher Hinsicht relatives Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Konkretisierung der rechtstatsächlichen Wirkungen von Freistellung und D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Die begrenzte Wirkung von Freistellung und D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.) Die Unsicherheiten hinsichtlich der Haftungsübernahme durch den Freistellungsschuldner bzw. Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2.) Die Belastung des Versicherten durch die Dauer von D&O-Haftungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3.) Die Gefahr einer Überschreitung der Freistellungs- bzw. Deckungssumme . . . . . . . . . . . . . . . . (4.) Die Begrenzung der Sicherung durch Serienschadenklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5.) Die Setzung eines Anreizes zur Geltendmachung von Organhaftungsansprüchen durch Freistellung und D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6.) Die begrenzte Auswirkung von Freistellung und D&O-Versicherung auf die Arbeitsmarktdisziplinierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

184 185 185 186 186

186 188 188 189

190

191

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XIX

(7.) Die Verbesserung der corporate governance durch den Freistellungsschuldner als hired outside monitor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (II.) Der Vergleich von Eigen- und Fremdversicherung . . . . . 192

5. Die Folgerungen für die zivilrechtliche Wirksamkeit von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung . . . . . 193 a) Der Erhalt der Steuerungsfunktion, Institutionenschutz und Unwirksamkeitssanktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Erfordernis eines angemessenen Selbstbehalts als zivilrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die begriffliche Unschärfe des angemessenen Selbstbehalts . . . bb) Die Rechtsfolgenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

193 194 194 200

VI. Der angemessene Selbstbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Der Selbstbehalt nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der sachliche Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die betroffenen Deckungselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Innen- und die Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Abwehrkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Bemessung des Selbstbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der zeitliche Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 93 Abs. 2 S. 3 AktG . . . . g) Die Versicherung des Selbstbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

201 202 203 203 204 205 207 208 212

2. Die Notwendigkeit und die Zweckmäßigkeit der Vereinbarung eines Selbstbehalts bei der Freistellungsvereinbarung und der D&O-Versicherung außerhalb des Anwendungsbereichs von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Die rechtliche Notwendigkeit der Vereinbarung eines Selbstbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Frage nach dem Selbstbehalt als zivilrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Möglichkeit einer Schadenersatzpflicht wegen Unterlassens der Vereinbarung eines Selbstbehalts bei Abschluß einer D&O-Versicherung für Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . cc) Der angemessene Selbstbehalt und das Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Übertragung des Ergebnisses auf die GmbH . . . . . . . . . . . b) Die Zweckmäßigkeit der Vereinbarung eines angemessen Selbstbehalts für Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung . . aa) Die sachlichen Gründe für die Vereinbarung eines fakultativen Selbstbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der rechtstatsächliche Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Konzepte zur Regelung eines Selbstbehalts . . . . . . . . . . . .

213

213

213 215 216 216 216 217 218

XX

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(I.) Die Zielvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Die Ausgestaltung im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.) Der Bezugspunkt der Bemessung des Selbstbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2.) Die Vergütung für die Organtätigkeit oder das individuelle Gesamtvermögen als Bezugspunkt . . . (3.) Die Differenzierung zwischen fixer und variabler Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4.) Die Differenzierung anhand der unterschiedlichen Risikoexposition der Organmitglieder . . . . . . . . . . . . (5.) Die Bestimmung der absoluten Höhe des Selbstbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Kombination von absoluter und variabler Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Konkretisierung der absoluten Grenze . . . . . (aa) Der Zweckpluralismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Der Individual- und der Pauschalselbstbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Die Festlegung der Höhe in Relation zu der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Die mögliche Einbeziehung des Verschuldensgrads in die Höhe des Selbstbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6.) Der Zeitpunkt der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Berücksichtigung von Veränderungen der Vergütung während der Organtätigkeit . . . . . (b) Die Besonderheiten der Vergütungsstruktur ausgeschiedener Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . (7.) Die Einbeziehung der Kosten der Anspruchsabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8.) Der zeitliche Bezugspunkt des Selbstbehalts . . . . . . .

218 219 219 220 220 223 224 224 225 225 225 226

228 229 229 230 232 232

3. Der Selbstbehalt für Aufsichtsratsmitglieder im Sinn von Ziff. 3.8 Abs. 3 DCGK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 a) Der „entsprechende Selbstbehalt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 b) Die Frage der analogen Anwendung von Ziff. 3.8 DCGK auf Freistellungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 c) Die Befreiung des Aufsichtsratsmitglieds von dessen Selbstbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

4. Die Vereinbarung eines zweistufigen Selbstbehalts bei der entity-Deckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 5. Die Vereinbarung einer internen Zahlungspflicht anstelle eines Selbstbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Inhaltsverzeichnis

E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß einer D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXI

239

I. Der aufwendungsersatzähnliche Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Die Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Die Konsequenzen eines Mitverschuldens durch Verletzung von Organpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 II. Der Anspruch aus § 426 BGB gegen die Gesellschaft . . . . . . . . . . . 242 III. Der Freistellungsanspruch des Organmitglieds gegen Dritte . . . 244 1. Der Anspruch aus Risikozurechnung gegenüber einem außenstehenden Prinzipal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Der Anspruch auf Abschluß einer Freistellungsvereinbarung aus dienstvertraglicher Fürsorgepflicht eines Dritten . . . . . . . . . 244 IV. Der Freistellungsanspruch aus PVV wegen von der Gesellschaft zu vertretenden Verlusts bzw. Fehlens des D&OVersicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Die Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung zur Verschaffung von D&O-Versicherungsschutz . . . . . . . . . . . 246 2. Die Rechtsfolgen des Schadenersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . 249 a) Die Rechtsfolgen bei reiner Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Die Rechtsfolgen bei Verwirklichung eines Innenhaftungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

V. Der Freistellungsanspruch gegen mithaftende Organmitglieder . 250 VI. Die besondere Problematik von Freistellungsansprüchen der Organmitglieder gegen die Gesellschaft wegen tätigkeitsbezogener Geldstrafen und -bußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Beschränkung der Erstattungsmöglichkeit auf reine Außenpflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Konflikt zwischen zivilrechtlicher Ausgleichspflicht und öffentlich-rechtlicher Steuerungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . 4. Der schadenersatzrechtliche Freistellungsanspruch . . . . . . . . .

251 252 254 256

VII. Die Möglichkeit eines Anspruchs auf Abschluß einer D&OVersicherung gegen die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 1. Die Pflicht zu Schutzmaßnahmen nach § 618 BGB . . . . . . . . . . 258 2. Die D&O-Versicherung als Element einer effektiven Risikobewältigungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

XXII

Inhaltsverzeichnis

a) Die rechtlichen Grundlagen einer möglichen kategorischen Verpflichtung zum Abschluß einer D&O-Versicherung . . . . . . . . . b) Die Pflicht zur Prüfung der Zweckmäßigkeit einer D&OVersicherung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Ermessensfreiheit und die Ermessensreduzierung hinsichtlich des Abschlusses einer D&O-Versicherung . . . . . . bb) Die Kriterien für die Ermessensausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Die Analyse des Haftungsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Die Bewertung des Umfangs des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.) Die Prüfung der Abdeckung von Außenhaftungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2.) Die Prüfung der Abdeckung von Innenhaftungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Bedeutung der business judgment rule für die Versicherbarkeit von Innenhaftungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Der Haftungsbereich außerhalb der business judgment rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die Verletzung von Organisations-, Planungsund Überwachungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . (III.) Die Bewertung der mittelbaren Vorteile des D&O-Versicherungsschutzes für die Gesellschaft . . . . . . (IV.) Die Bewertung der Modalitäten der Schadenregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (V.) Die Wahrung der Interessen der Gesellschaft bei der Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen . . . . . . . . . c) Das praktische Vorgehen bei der Prüfung geeigneten D&O-Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

258 261 261 265 265 267 267 268

268 268 269 270 270 271 272

VIII. Der Anspruch auf Erstattung der Prämien einer Singularhaftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung . . . . .

275

I. Die Haftungsbefreiung durch Freistellung und Verzicht . . . . . . . 275 1. Die Haftungsbefreiung der Organmitglieder durch die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 a) Die Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 b) Die GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

2. Die Freistellung der Organmitglieder durch Dritte . . . . . . . . . . 277 a) Die allgemeinen Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 b) Die besonderen Haftungsrechtsfolgen bei Freistellungen durch Personalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

II. Die D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

Inhaltsverzeichnis

XXIII

1. Die Zuständigkeit innerhalb der Gesellschaft für den Abschluß der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 a) Die vergütungsspezifische Zuständigkeitsordnung und die D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 b) Das Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 aa) Der Begriff der Bezüge und Vergütungen im Sinn des AktG . . 281 (I.) Die Vorstandsbezüge nach § 87 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 281 (II.) Die Aufsichtsratsvergütung nach § 113 AktG . . . . . . . . . 283 bb) Die Zuordnung der D&O-Versicherung zu den Interessensphären des Organmitglieds und der Gesellschaft . . . . . . . . . . 284 (I.) Die Bedeutung der Interessensphären für die Vergütungseigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (II.) Die Abgrenzung von Aufwendung und Vergütung . . . . 285 (III.) Die Einordnung der D&O-Versicherung in die verschiedenen Interessensphären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 (1.) Die Interessen der Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . 287 (a) Die Notwendigkeit der Definition vergütungsspezifischer Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 (b) Der rechtssystematische Vergleich mit gesetzlichen Regelungen zur Prämienerstattung für Haftpflichtversicherungen in anderen Dienst- und Auftragsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 (aa) Das Vormundschafts-, Betreuungsund Pflegschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 (bb) Das Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 (2.) Die Interessen der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (a) Der sog. Bilanzschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (aa) Die Gegenüberstellung der Interessen von Organmitglied und Gesellschaft . . . . . . 293 (bb) Die Möglichkeit der Eigenschadenversicherung in bezug auf die Innenhaftungsansprüche der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 294 (b) Die Sicherung der unternehmerischen Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 (c) Die Verbesserung der corporate governance durch die D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 297 (d) Die Notwendigkeit der D&O-Versicherung für die Personalgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 (e) Die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Vergütung und Risiko . . . . . . . . . . . . . . 299 (f) Die Sicherung des Unternehmensinteresses durch die entity-Deckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (aa) Die Funktion der entity-Deckung . . . . . . . . 300 (bb) Die typischen Regelungen bei der entity-Deckung sub specie des Unternehmensinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . 301 (aaa) Die Begrenzung der entity-Deckung . 301

XXIV

Inhaltsverzeichnis

(bbb) Die allocation-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . (ccc) Die company reimbursement-coverage . . . (g) Die Ausrichtung der Versicherungspraxis am Unternehmensrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (h) Die Versicherung sämtlicher Organmitglieder als Ausdruck des Unternehmensinteresses an einer effektiven D&O-Deckung . . . . . . . . . . . . (i) Das Ergebnis der Zuordnung zu den Interessensphären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (j) Die mögliche aktienrechtliche Unzulässigkeit der Berufung auf die Interessen der Gesellschaft am Abschluß der D&O-Versicherung . . . . (IV.) Die Stellungnahme der Regierungskommission Corporate Governance betreffend die Abschlußkompetenzen für D&O-Versicherungen . . . . . . . . . . . . . (V.) Der Vergleich mit dem Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . (VI.) Die Prämienzahlungspflicht als nicht individuell zuordenbare Aufwendung der Gesellschaft . . . . . . . . . . (VII.) Die Folgerungen für die Anwendbarkeit der §§ 87, 113 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Frage der analogen Anwendung des §§ 87, 113 AktG . . . . . (I.) Die Prüfung der Voraussetzungen einer Analogie . . . . . (1.) Die analoge Anwendung des § 113 AktG . . . . . . . . . . (a) Der Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Folgerungen für das Vorliegen einer Gesetzeslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die Frage der Vergleichbarkeit von geregeltem und ungeregeltem Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . (2.) Die analoge Anwendung des § 87 AktG . . . . . . . . . . . (II.) Die rechtspraktischen Auswirkungen einer Analogie der §§ 87, 113 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

302 302 303

304 305

305

306 308 309 310 310 310 310 310 312 313 313 314 315

2. Die Zuständigkeit im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 3. Das Publizitätserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten . . . . . . . . . . . . . 317 1. 2. 3. 4.

Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der sachliche Umfang der vorvertraglichen Anzeigepflicht . . Der Adressat der Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Anzeigepflicht . . a) Die Auswirkungen der VVG-Novelle im allgemeinen . . . . . . . . . . b) Die Folgen für die D&O-Versicherung im besonderen . . . . . . . . . . c) Die Eingrenzung der Zurechnung über § 47 VVG de lege lata . . . . aa) Die teleologische Reduktion der §§ 47, 19 VVG . . . . . . . . . . . . . bb) Der Teilrücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

317 319 319 321 321 322 323 323 325

Inhaltsverzeichnis

XXV

cc) Die Möglichkeit des Teilrücktritts bei der kombinierten Eigen- und Fremdversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die fehlende Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die vertraglichen Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Abdingbarkeit des Rücktrittsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die severability clause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Die einfache severability clause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Die full severability clause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.) Der Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2.) Die Gefahr eines Regreßkreisels bei der full severability clause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3.) Die praktischen Einwände gegen full severability clauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Erstreckung der Anzeigepflicht auf die Versicherten . . . . . dd) Die Repräsentantenklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Auswirkungen der VVG-Novelle auf das Anfechtungsrecht des Versicherers nach § 123 BGB wegen Verschweigens von Umstandswissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die vertragliche Begrenzung der Risiken eines Anfechtungsgrunds für die Versicherten . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Die gesetzlichen Rechtsfolgen bei arglistiger Täuschung durch die Versicherungsnehmerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Die Berücksichtigung von Vertrauensschutzgesichtspunkten nach § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (III.) Die Möglichkeiten der vertraglichen Begrenzung der Folgen der Arglistanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Die Schadenersatzansprüche bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Ansprüche gegen die Versicherungsnehmerin . . . . . . . . . . (I.) § 280 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.) Die Struktur des Schadenersatzanspruchs . . . . . . . . . (2.) Der Maßstab der Pflichtwidrigkeit und des Verschuldens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Nichtanzeige eigenen Umstandswissens der Versicherungsnehmerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Der Fortfall des Versicherungsschutzes infolge Wissenszurechnung nach § 47 VVG . . . . . (c) Die Identität von pflichtwidrig handelndem und geschädigtem Organmitglied . . . . . . . . . . . . . (II.) Das Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.) § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2.) § 823 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Schadenersatzansprüche der Versicherten untereinander . .

326 327 327 327 328 328 329 329 329 330 330 331 333

333 334 334 336 336 339 339 339 339 340 340 341 342 343 343 344 344

XXVI

Inhaltsverzeichnis

G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

346

I. Der persönliche Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 1. Die D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 a) Die Organmitglieder und die leitenden Angestellten der Versicherungsnehmerin als versicherte Personen . . . . . . . . . . . . aa) Die allgemeinen Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Einbeziehung leitender Angestellter . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Die Begriffsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Der Ausschluß der Arbeitnehmerhaftung . . . . . . . . . . . . (III.) Die Folgen eines Fehlens des Ausschlusses der Arbeitnehmerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (IV.) Die Versicherung leitender Angestellter in Wahrnehmung von outside directorships . . . . . . . . . . . b) Die Einbeziehung ehemaliger und künftiger Organmitglieder . . . c) Die Versicherung fehlerhaft bestellter Organmitglieder . . . . . . . . . d) Die Versicherung faktischer Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Liquidatoren als versicherte Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Die Einbeziehung der Organmitglieder und der leitenden Angestellten verbundener Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Definition verbundener Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Konzernvorteilsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Die entity-Deckung und die company reimbursement-clause . . . .

346 346 347 347 347 348 349 350 351 352 352 353 353 353 354

2. Die Freistellungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 II. Der sachliche Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 1. Die gedeckten Schäden in der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . 356 a) b) c) d)

Die Begrenzung auf Vermögensschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Innen- und die Außenhaftungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Begrenzung auf gesetzliche Haftpflichtbestimmungen . . . . . . Die öffentlich-rechtlichen Haftpflichtbestimmungen . . . . . . . . . . .

356 356 357 358

2. Die gedeckten Schäden in der Freistellungsvereinbarung . . . . 358 III. Der Verschuldensgrad in der Freistellungsvereinbarung und der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 1. Die bürgerlich-rechtlichen Grenzen der Haftungsbefreiung bei vorsätzlichen Schädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 2. Die Konkretisierung des Vorsatzausschlusses in der D&O-Versicherung durch das VVG und die AVB . . . . 361 a) Die Konkurrenz zwischen § 103 und § 81 VVG. . . . . . . . . . . . . . . . b) Der versicherungsrechtliche Vorsatzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die vertragliche Konkretisierung des Verschuldensgrads . . . . . . . . aa) Die Anknüpfung des Ausschlusses an die Wissentlichkeit . . . . bb) Die Beschränkung des Vorsatzes auf die Pflichtverletzung . . .

361 363 365 365 367

Inhaltsverzeichnis

XXVII

(I.)

Die Pflichtverletzung als Anknüpfungspunkt für den Ausschlußgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Die Begrenzung des Ausschlußgrunds auf wissentliche Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Gestaltungskombinationen des subjektiven Ausschlußgrunds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Abgrenzung von Ausschlußgrund und Obliegenheit . . . . ee) Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . (I.) Die Einbeziehungskontrolle und die Unklarheitenregel . (II.) Die Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Die praktische Bedeutung vertraglicher Konkretisierungen des Vorsatzausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Die Pflichtverletzungen im Interesse des Unternehmens . . . . .

367 367 368 369 369 369 371 373 373

IV. Der zeitliche Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 1. Die D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 a) Das claims made-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 b) Die Nachhaftungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 c) Die Rückwärtsversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377

2. Die Freistellungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 a) Rückwirkende Freistellung und Nachhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Problem „ewiger“ Freistellungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . aa) Die Zweckmäßigkeit zeitlicher Begrenzungen . . . . . . . . . . . . . bb) Die zivilrechtlichen Grundsätze der Bewertung ordentlich-unkündbarer Schuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . .

378 379 379 379

V. Die summenmäßige Begrenzung von D&O-Versicherung und Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 1. Der Deckungsumfang, die aggregate limits und der Selbstbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 a) Die Jahresmaximierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 b) Die aggregate limits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 c) Der Selbstbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381

2. Die Erstreckung auf gerichtliche und außergerichtliche Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 a) Die Regelung des § 101 Abs. 1 S. 1 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 b) Die Auswirkungen des Vorsatzausschlusses nach § 103 VVG auf die Kostenerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382

VI. Die Serienschadenklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 1. Der Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 2. Die Regelungsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 3. Die Frage der notwendigen Beschränkung der Serienschadenklausel auf das jeweilige Versicherungsjahr . . . . . . . . . . . 385

XXVIII

Inhaltsverzeichnis

4. Die Beurteilung nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 a) Die Anwendbarkeit des AGB-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 b) Die Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 c) Die restriktive Auslegung der Serienschadenklausel . . . . . . . . . . . . 388

VII. Die Eigenschadenklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 VIII. Die Öffnungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 1. Der Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 2. Die aktienrechtliche Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 3. Die Beurteilung nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 a) Die Einbeziehungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 b) Die Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392

4. Die Praktikabilität der Öffnungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 IX. X. XI. XII.

Die Trennungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Gerichtsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die typischen Haftungsausschlüsse in der D&O-Versicherung . . Die Begrenzung und die Haftungsausschlüsse bei der Freistellungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Die Formbedürftigkeit der Freistellungsvereinbarung nach § 518 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Anwendung des Schenkungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Unentgeltlichkeit der Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die dienstvertragliche causa für die Freistellungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Eingehung einer Freistellungsverpflichtung durch einen Gesellschafter causa societatis . . . . . . . . . . . . . . . . . .

394 396 398 399 400 400 400 401 402

XIV. Die Erfassung von Bußgeldern und Geldstrafen durch die Freistellungsvereinbarung und die D&O-Versicherung . . . . . . . . 403 1. Die Einschränkung der Steuerungsfunktion der Sanktionsnorm durch die Freistellung und die D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 2. Die Freistellung und die Versicherung bezüglich Sanktionen wegen Fahrlässigkeitstaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 a) Die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verbote einer Freistellung und Versicherung bei Fahrlässigkeitstaten . . . . . 404 b) Die Vereitelung der Steuerungswirkung des Straf- und Bußgeldrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405

Inhaltsverzeichnis

XXIX

3. Die Freistellung und die Versicherung bezüglich Vorsatztaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 a) Die grundsätzliche Sittenwidrigkeit der Freistellung und Versicherung bezüglich Vorsatztaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 b) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Freistellungsgläubigers für die Erteilung einer Freistellungszusage wegen vorsätzlicher Straftaten und Ordnungswidrigkeiten . . . . . . 411

4. Die Begrenzung der Freistellung eigener Organmitglieder von den Folgen einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat durch das Unternehmenswohl und § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . 411 a) Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Beurteilung der nachtatlichen Erstattung von Geldbußen und -strafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Privatunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die öffentlichen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Erstattung der Kosten der Rechtsverteidigung und § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Privatunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die öffentlichen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Die grundsätzliche Zulässigkeit der Tragung der Verfahrenskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Die Differenzierung zwischen vorsätzlich und fahrlässig begangenen Zuwiderhandlungen . . . . . . . . . . . (III.) Die Erstattung von Vereinbarungshonoraren oberhalb der gesetzlichen Gebührengrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Anwendung der Grundsätze auf ex ante getroffene Freistellungsvereinbarungen bezüglich der Verteidigungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Rechtsfolgen einer wirksamen nachtatlichen Freistellung von Bußgeldern und Geldstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

H. Die Folgen eines Kontrollwechsels für die Freistellungsvereinbarung und den D&O-Versicherungsvertrag . . . . . . . . . .

411 412 412 415 417 417 418 418 418 419

420 422

423

I. Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 II. Die D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 1. Der Kontrollerwerb und -verlust der Versicherungsnehmerin an Tochtergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 a) Die Rechtsfolgen des Kontrollerwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Absinken des Schutzniveaus bei flexibler Konzernpolice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Erwerb der Gesellschaft während des Nachhaftungszeitraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Zusammentreffen zweier D&O-Versicherungen bei erworbener Gesellschaft und Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . .

423 423 425 425

XXX

Inhaltsverzeichnis

(I.)

Die Konkurrenz zweier Versicherungsverträge mit unterschiedlichen Versicherern . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.) Die Neben- und die Mehrfachversicherung . . . . . . . . (2.) Die Subsidiaritätsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Die Kumulation zweier Verträge mit demselben Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtsfolgen des Kontrollverlusts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

425 425 426 428 428

2. Der Kontrollerwerb und -verlust über die Versicherungsnehmerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 a) Der Kontrollwechsel als Gefahrerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Begriff der Gefahrerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Kündigung wegen Gefahrerhöhung und die Nachdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Unerhebliche Gefahrerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die change of control-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

429 429 431 431 432

III. Die Freistellungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433

I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

434

I. Die Ersatz- und Freistellungsansprüche bei der Abwicklung von D&O-Versicherungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 1. Der Übergang von Freistellungsansprüchen des Organmitglieds auf den D&O-Versicherer . . . . . . . . . . . . . . 434 a) Die Ersatz- und die Freistellungsansprüche gegenüber Dritten . . . 434 b) Die Freistellungsansprüche gegenüber der Gesellschaft . . . . . . . . . 435

2. Die vertragliche Vereinbarung einer Freistellungspflicht der Gesellschaft zugunsten des D&O-Versicherers . . . . . . . . . . 437 a) Die Prüfung einer analogen Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 b) Die Beurteilung des Abschlusses einer Freistellungsvereinbarung zugunsten des Versicherers am Maßstab des § 93 Abs. 1 AktG . . . . 439 c) Die Behandlung möglicher Interessenkollisionen des Vorstands . . 440

II. Die prozessuale Durchsetzung der Ansprüche aus der D&OVersicherung und der Freistellungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . 442 1. Die formelle und die materielle Forderungsberechtigung in der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 a) Die Verfügungs- und die Klagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Trennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Haftpflichtprozeß und der Deckungsprozeß . . . . . . . . . . . bb) Die Frage eines Direktanspruchs der Versicherungsnehmerin bei der Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

442 443 443 445 445

Inhaltsverzeichnis

XXXI

(II.) Die Frage nach einer Qualifizierung der D&OVersicherung als Eigenschadenversicherung in bezug auf Innenhaftungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der vertraglich vereinbarte Direktanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Frage der Abdingbarkeit des Trennungsprinzips . . . . . . . . bb) Die Vorteile und Risiken der Vereinbarung eines Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Abtretung des Freistellungsanspruchs an die Versicherungsnehmerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Abtretungsmöglichkeiten nach der VVG-Novelle . . . . . . . (I.) Der Ausschluß des formularmäßigen Abtretungsverbots durch § 108 Abs. 2 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Die Anwendbarkeit des § 108 Abs. 2 VVG auf die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin . . . . . . . . . . . . . . bb) Die materielle Rechtslage nach erfolgter Abtretung . . . . . . . . . (I.) Die Beibehaltung des Charakters als Haftpflichtversicherung trotz Abtretung des Deckungsanspruchs an die geschädigte Versicherungsnehmerin . . . . . . . . . . . . (II.) Die materiellrechtlichen Wechselwirkungen zwischen dem Haftpflichtanspruch und dem abgetretenen Deckungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.) Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2.) Die Bedeutung des § 404 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3.) Die Frage der Herleitung des Erfordernisses eines separaten Haftpflichtprozesses aus § 100 VVG . . . . . (4.) Die Funktion des § 106 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5.) Die Regierungsbegründung zu § 108 Abs. 2 VVG . . (6.) Die Rechtsprechung des BGH zu den Rechtsfolgen der Abtretung vor Inkrafttreten der VVG-Novelle . . (7.) Die möglichen systematischen Rückschlüsse aus § 115 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8.) Die Berücksichtigung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . cc) Die Beweislastverteilung nach erfolgter Abtretung . . . . . . . . . dd) Die Auswirkungen des direkten Deckungsprozesses auf einen nachfolgenden Haftpflichtprozeß . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Die Frage der gesetzlichen Bindungswirkung des Deckungsprozesses für einen nachfolgenden Haftpflichtprozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Die vertragliche Vereinbarung einer „umgekehrten Bindungswirkung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (III.) Das Verhältnis von Abwehrdeckung und Freistellung nach Abtretung des Deckungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . (1.) Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2.) Die Reichweite der Rechtskraft des Deckungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3.) Die versicherungsvertragsrechtliche Koppelung von Freistellung und Abwehrdeckung . . . . . . . . . . . .

446 448 448 449 449 449 449 450 454

454

456 456 456 458 458 459 460 460 461 461 464

464 466 467 467 468 469

XXXII

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e)

f) g)

h)

(4.) Die versicherungsvertragliche Einschränkung des Anspruchs auf Abwehrdeckung bei Abtretung des Freistellungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die verfahrensrechtlichen Konsequenzen der Abtretung des Deckungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Die Zeugenstellung des Organmitglieds nach erfolgter Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Die Interessenkollision im Direktprozeß . . . . . . . . . . . . . (III.) Die Folgerungen für eine mögliche Kollusionsgefahr . . . (IV.) Die Kostenfolge Die Verbindung von Abtretung und Anerkenntnis . . . . . . . . . . . . . aa) Der Fortfall der Möglichkeit des vertraglichen Anerkenntnisverbots durch § 105 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Grenzen einer Wirkung des Anerkenntnisses auf den Deckungsprozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Risiken der Abtretung für den Versicherten und mögliche Auswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Die Gefahr eines Haftpflichtprozesses nach verlorenem Deckungsprozeß und mögliche Sicherungsinstrumente . (1.) Die Vereinbarung eines Haftungssausschlusses zwischen Gesellschaft und Organmitglied im Gegenzug zur Abtretung des Deckungsanspruchs . . (2.) Die Rückabtretung des Deckungsanspruchs an das Organmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Das Problem einer Abtretung des Deckungsanspruchs an Erfüllungs Statt zur Begrenzung der Risiken der Zession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Abdingbarkeit der §§ 105, 108 Abs. 2 VVG bei Großrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die zu den §§ 105, 108 Abs. 2 VVG geltenden Übergangsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Prozeßführungsbefugnis im Haftpflichtprozeß . . . . . . . . . . . . Die Verfügungs- und die Prozeßführungsbefugnis hinsichtlich des Deckungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die vertraglich vereinbarte Verfügungs- und Prozeßführungsbefugnis des Versicherten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die parallele Verfügungs- und Prozeßführungsbefugnis von Versicherungsnehmerin und Versichertem . . . . . . . . . . . . . cc) Die ausschließliche Prozeßführungsbefugnis der Versicherungsnehmerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Möglichkeit der Übertragung der gesetzlichen Prozeßführungsbefugnis nach § 45 Abs. 1 VVG (§ 76 Abs. 1 VVG alt) auf Konzernunternehmen . . . . . . . . . . . . Der Prozeß gegen Versicherungskonsortien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen der Mitversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die möglichen Inhalte von Führungsklauseln . . . . . . . . . . . . . .

470 471 471 472 473 474 474 474 475 477 477

477 478

479 480 481 481 482 482 483 484

485 486 486 489

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XXXIII

(I.) Das pactum de non petendo und das Anerkenntnis . . . . 489 (II.) Die Einräumung der aktiven und der passiven Prozeßführungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491

2. Die gerichtliche Geltendmachung des Freistellungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 a) Die Trennung zwischen Schadenersatz- und Freistellungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 b) Die prozessuale Geltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 c) Die Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497

J. Die versicherungsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen zu der Freistellung und der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

498

I. Die strukturellen Grenzen von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 II. Die versicherungsvertragsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 1. Die Industrie-Straf-Rechtsschutzversicherung . . . . . . . . . . . . . . 498 a) Die versicherungsrechtliche Struktur der Industrie-StrafRechtsschutzversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Anwendungsbereich der Industrie-Straf-Rechtsschutzversicherung im Kontext von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Deckungsumfang der Industrie-Straf-Rechtsschutzversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Umfang der zu erstattenden Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Deckung bei Vorsatztaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I.) Das Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.) Der Regelungsgehalt des § 2 UAbs. bb) ARB 2000 . . (2.) Der Grundsatz des Ausschlusses reiner Vorsatzvergehen nach den ARB 2000 und seine Durchbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3.) Der Deckungsausschluß bei vorsätzlicher Begehung . (a) Die Deckung bei unberechtigtem Vorwurf vorsätzlicher Begehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Möglichkeit der Deckung bei rechtskräftig festgestelltem Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (II.) Das Ordnungswidrigkeitenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

498

501 502 502 503 503 503

504 506 506 507 509

2. Die Betriebshaftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 3. Die Deckungsklage-Rechtsschutzversicherung . . . . . . . . . . . . . 510 4. Die Selbstbehaltsversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 a) Die aktienrechtliche Zulässigkeit der Selbstbehaltsversicherung . . 511 b) Die rechtstatsächliche Bedeutung der Selbstbehaltsversicherung . 512

XXXIV

Inhaltsverzeichnis

c) Die versicherungsvertragsrechtliche Einordnung der Selbstbehaltsversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 d) Die vertragsrechtlichen Wechselwirkungen zwischen der D&O-Police und der Selbstbehaltsversicherung sowie daraus resultierende Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515

5. Die D&O-Singularhaftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . 515

K. Die steuerrechtliche Behandlung der D&O-Versicherung und der Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

517

I. Die Freistellungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 1. Der Freistellungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 2. Der Freistellungsschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 II. Die D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 1. Die versicherten Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 a) Die Vorstandsmitglieder und die Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . aa) Die steuerliche Einordnung der Charakteristika der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die steuerrechtlichen Abgrenzungskriterien im einzelnen . . . (I.) Die Versicherung des eigenbetrieblichen Risikos . . . . . . (II.) Das Erfordernis des der Versicherungsnehmerin zustehenden Anspruchs auf die Versicherungsleistung . . (III.) Die Versicherung des Managements als Ganzes . . . . . . . (IV.) Die entindividualisierte Prämienberechnung und die Höhe der Versicherungssumme oberhalb des üblichen Privatvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die durch die Organmitglieder getragenen Prämien einer Einzelpolice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

519 519 523 523 524 525

526 527 528

2. Die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin . . . . . . . . . . . . . . . . 528

L. Zusammenfassung der Ergebnisse

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579

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A. Einleitung I. Das Problem Leitungs- und Kontrollbefugnisse einerseits sowie Haftung andererseits sind komplementäre Elemente der organschaftlichen Verfassung von Kapitalgesellschaften. Die Verantwortlichkeit der Organmitglieder für Schädigungen der Gesellschaft und Dritter verleiht den rechtlichen Grenzen der Organkompetenzen zusätzliche Bedeutung. Die Organhaftung bildet somit einen Kernbestandteil des Systems zur Wahrung guter corporate governance. Dieses gerät jedoch aus dem Gleichgewicht, wenn das Haftungsrisiko so weit ansteigt, daß das Organmitglied ihm auch durch eine Verstärkung seiner Sorgfaltsbemühungen nicht mehr angemessen entgegenwirken kann. Die Gefahr einer solchen Disproportionalität der Organhaftungsrisiken besteht vor allem aus zwei Gründen: Zum einen ist eine allgemeine rechtspolitische Bestrebung zu verzeichnen, tatsächlichen oder vermeintlichen Mißständen in der Unternehmensführung durch eine stetige legislative Verschärfung der Organhaftung Rechnung zu tragen. Die Grenze zwischen Sorgfaltspflichtverletzungen und unternehmerischen Entscheidungen, die sich lediglich später im Entdeckungsverfahren des Wettbewerbs als falsch herausstellen, wird in haftungsrechtlicher Hinsicht zunehmend verwischt. Auch die Rechtsprechung hat die Möglichkeiten zur Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen stetig verbessert und die Pflichten der zuständigen Verwaltungsorgane zur Anspruchsdurchsetzung verdichtet. Zum anderen sind losgelöst davon die Schadenssummen vielfach so hoch, daß sie die Leistungsfähigkeit selbst besonders wohlhabender natürlicher Person weit übersteigen. Abhängig von der Größe des Unternehmens und der Art der Geschäfte können daher schon leichte Sorgfaltspflichtverletzungen die wirtschaftliche Existenzvernichtung des Organmitglieds bedeuten. Der Befund schafft ein Bedürfnis nach privatautonomen Institutionen zur Absicherung der Organmitglieder, namentlich durch Haftungsfreistellungen. Diese treten jedoch in ein Spannungsverhältnis vor allem zu einer verhaltenssteuernden Wirkung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit der Organmitglieder. Es erhebt sich somit die Frage, inwieweit eine Steuerungsfunktion des Organhaftungsrechts durch Vereinbarung eingeschränkt werden kann. Die praktische Bedeutung der Freistellungsproblematik ist groß. Ein weiter Bereich von Haftungsrisiken wird mittlerweile auch in Deutschland in Gestalt

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A. Einleitung

der Directors’ & Officers’-Versicherung – kurz D&O-Versicherung – gedeckt. Die meisten großen Aktiengesellschaften und immer mehr kleine und mittlere Unternehmen verfügen über D&O-Deckungen. Daneben sind aber auch Freistellungsvereinbarungen nicht versicherungsvertragsrechtlicher Natur von Belang, etwa solche eines Anteilseigners zugunsten seiner Repräsentanten im Aufsichtsrat eines Beteiligungsunternehmens. Trotz der praktischen Bedeutung hat sich in Rechtsprechung und Literatur noch keine einheitliche Meinung über die Grenzen der Zulässigkeit dieser Sicherungsinstrumente herausgebildet. Die Rechtsprechung hat sich zwar verschiedentlich mit der D&O-Versicherung befaßt. Es ging dort aber in erster Linie um besondere versicherungsvertragsrechtliche Probleme und nicht um prinzipielle Fragen der Zulässigkeit einer Deckung von Organhaftungsrisiken. Die Literatur ist gespalten. Einige Autoren halten die D&O-Versicherung – auch außerhalb von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – nur für zulässig, wenn ein angemessener Selbstbehalt vereinbart ist, wie ihn insoweit auch der DCGK empfiehlt, weil andernfalls die Steuerungswirkung des Organhaftungsrechts beseitigt werde. Andere Stimmen wollen den Selbstbehalt nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung ansehen, nicht zuletzt deshalb, weil auch eine selbstbehaltslose D&O-Versicherung niemals vollständige Haftungsabsicherung gewährleisten könne. Was Freistellungsvereinbarungen nicht versicherungsvertragsrechtlicher Natur anbelangt, ist der Befund spärlich. Rechtsprechung gibt es zu den spezifisch gesellschaftsrechtlichen Fragen praktisch nicht. Die Literatur hat sich nur vereinzelt hierzu geäußert. Die rechtliche Bewertung von Freistellungsvereinbarungen wird durch eine Reihe von Umständen erschwert. Zunächst können Freistellungen einschließlich der D&O-Versicherung ganz unterschiedliche Strukturen aufweisen, so etwa als Vereinbarung der Gesellschaft mit ihren eigenen Organmitgliedern, mit Organmitgliedern in anderen Gesellschaften oder als Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. § 328 BGB. Die Untersuchung der rechtlichen Grenzen der D&O-Versicherung und verwandter Versicherungsprodukte ist weiter dadurch gekennzeichnet, daß sie eine differentialdiagnostische Betrachtung sub specie des Gesellschaftsrechts einerseits und des Versicherungsvertragsrechts andererseits erforderlich macht. Hinzu kommt, daß neben der Einschränkung einer Steuerungswirkung des Organhaftungsrechts weitere gesellschaftsrechtliche Probleme auftreten, etwa betreffend die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarungen oder die mögliche Einschränkung der Unabhängigkeit von Organmitgliedern durch sie. Ein bisher kaum untersuchtes Feld betrifft außerdem die Kopplung verschiedener Freistellungstypen miteinander. Dazu gehören insbesondere Kombinationen der D&O-Versicherung mit ergänzenden, nicht versicherungsvertragsrechtlichen Freistellungsvereinbarungen, wie sie bisweilen bei der Abwicklung komplexer D&O-Versicherungsfälle vorkommen.

II. Der Gang der Untersuchung

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Die Lösung der bürgerlichrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen und versicherungsrechtlichen Probleme hängt in starkem Maß von der realistischen Bewertung der wirtschaftlichen Wirkungen der gängigen Freistellungstypen ab. Hier herrschen insbesondere im Bereich der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der D&O-Versicherung noch sehr unterschiedliche Vorstellungen. Während einige Vertreter explizit oder stillschweigend davon ausgehen, daß die D&O-Versicherung die Haftungsrisiken vollständig „beseitige“, heben andere die rechtlichen und praktischen Grenzen dieses Produkts hervor und betonen, daß von einer „Vollkasko-Deckung“ keine Rede sein könne. Die vorliegende Arbeit ist daher auch darauf gerichtet, den rechtstatsächlichen Befund ebenso wie die in der Praxis vorhandene Problemsicht zu ermitteln und hinreichend zu berücksichtigen. Hierzu haben dem Verfasser dankenswerter Weise eine Reihe von D&O-Versicherern sowie auf die D&O-Versicherung spezialisierte Makler und Rechtsanwälte ihr Wissen und ihre Erfahrungen mitgeteilt.

II. Der Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit untersucht vor diesem Hintergrund die bürgerlichrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen und versicherungsrechtlichen Grundlagen der Freistellung – auch durch Versicherung – von organschaftlichen Haftungsrisiken. Sie konzentriert sich hierbei in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht auf das Recht der AG, wobei – soweit indiziert – auch auf Parallelfragen der SE eingegangen wird, sowie der GmbH. Es wird hierbei ferner der Schwerpunkt auf Freistellungen zugunsten von Organmitgliedern gelegt. Die Absicherung von leitenden Angestellten, wie sie vereinzelt Inhalt von D&O-Policen ist, wird lediglich zur Abrundung behandelt, ohne daß auf diesbezügliche arbeitsrechtliche Folgefragen vertieft eingegangen werden kann. Die Untersuchung beginnt in Teil B mit der Haftungsfreistellung und den Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts. Es wird dort geprüft, inwieweit gesellschaftsrechtliche Grenzen einer Freistellung der Organmitglieder durch die eigene Gesellschaft oder durch Dritte entgegenstehen. Was ersteres anbelangt, geht es insbesondere um das aktienrechtliche Verzichts- und Vergleichsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. Die Freistellung durch Dritte ist im Hinblick darauf zu untersuchen, inwieweit sie in den Grundsatz der Unabhängigkeit von Organmitgliedern eingreifen kann. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz ist zu prüfen. Des weiteren werden in Teil B die Möglichkeiten konzerninterner Freistellungsvereinbarungen geklärt und die Schranken für Umgehungskonstellationen in bezug auf § 93 Abs. 4 S. 3 AktG durch Freistellungs- und Rückerstattungsvereinbarungen mit Dritten. Teil C betrifft die Vereinbarkeit der D&O-Versicherung mit den Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts. Er beginnt mit einer Untersuchung der

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A. Einleitung

Grundlagen des D&O-Versicherungsvertrags, der Entstehungsgeschichte dieses Rechtsprodukts und des rechtstatsächlichen Befunds. Sodann wendet sich Teil C der Frage zu, welche organisationsrechtlichen Grenzen für den D&OVersicherungsvertrag als spezieller Form der Freistellung gelten. Zunächst ist zu prüfen, ob die D&O-Versicherung durch die Pflicht der Gesellschaft zur Prämienzahlung in den Kompensationszweck des Innenhaftungsrechts eingreift, wie dies einzelne Literaturstimmen vertreten. Im Anschluß daran werden weitere Aspekte der D&O-Versicherung im Hinblick auf organisationsrechtliche Anforderungen des Aktien- und GmbH-Rechts behandelt, darunter ihre Wechselwirkungen mit dem organschaftlichen Unabhängigkeitspostulat und dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Abschließend wird die Problematik der internen und externen Selbstversicherung im gesellschaftsrechtlichen Kontext untersucht, d.h. die Möglichkeiten des Unternehmens, die Haftungsrisiken der eigenen Organmitglieder nach versicherungsrechtlichen Prinzipien durch Eigenmittel selbst abzusichern. Teil D befaßt sich anschließend mit der Frage, inwieweit Freistellungsvereinbarungen einschließlich der D&O-Versicherung in zulässiger Weise in die Steuerungswirkung des Organhaftungsrechts eingreifen können. Es geht insoweit zunächst darum, die verhaltenssteuernde Wirkung des Organinnen- und -außenhaftungsrechts rechtlich einzuordnen. Hierbei wird untersucht, inwieweit es sich bei der Verhaltenssteuerung um einen eigenständigen Regelungszweck des Haftungsrechts handelt, welche Rechtsqualität er hat und in welchem Verhältnis er zum Kompensationszweck steht. Auf dieser Grundlage wird dann geprüft, welche zivilrechtlichen Folgen ein Eingriff in die Steuerungswirkung des Organhaftungsrechts auslöst. Es ist an der Stelle auch zu ermitteln, ob im Rahmen von § 63 Abs. 2 S. 3 AktG, aber auch außerhalb dessen, die zivilrechtliche Wirksamkeit in dieser Hinsicht von der Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts abhängt, wie dies Teile der Literatur für die D&O-Versicherung meinen. In Teil D werden ferner spezifische Probleme des Selbstbehalts untersucht. Losgelöst von der Frage der gesellschaftsrechtlichen Erforderlichkeit sub specie der Steuerungswirkung des Organhaftungsrechts ist zu klären, welche inhaltliche Ausgestaltung für Selbstbehalte zweckmäßig ist. Ferner ist zu prüfen, wie die Höhe des Selbstbehalts i.S.v. § 63 Abs. 2 S. 3 AktG bzw. Ziff. 3.8 DCGK zu definieren ist. Anschließend soll untersucht werden, inwieweit ein Organmitglied von einem in dem D&O-Versicherungsvertrag enthaltenen Selbstbehalt durch die Gesellschaft oder Dritte wieder befreit werden kann. Sodann ist auf den Selbstbehalt bei der entity-Deckung einzugehen. Von der entity-Deckung spricht man, soweit die D&O-Versicherung auch Eigenschäden der Gesellschaft abdeckt. Abschließend ist zu untersuchen, ob die Vereinbarung einer internen Zahlungspflicht als Alternative zu einem versicherungsvertragsrechtlichen Selbstbehalt in Betracht kommt.

II. Der Gang der Untersuchung

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Teil E behandelt die Frage, unter welchen Voraussetzungen dem Organmitglied ein Anspruch auf eine Freistellung bzw. eine D&O-Versicherung zustehen kann. Hierbei wird zunächst geprüft, welche Freistellungsansprüche dem Organmitglied zukommen können, wenn es sich in Ausübung seiner Organtätigkeit einer Haftung ausgesetzt hat. Auch ist zu klären, inwieweit ein Organmitglied über einen Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft verfügt, wenn diese es entgegen einer vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Organmitglied unterlassen hat, für ausreichenden D&O-Versicherungsschutz zu sorgen. Teil E befaßt sich außerdem mit gesetzlichen Freistellungsansprüchen gegen die Gesellschaft, soweit der Schaden des Organmitglieds in einer Geldstrafe oder -buße besteht. Im Anschluß ist zu klären, ob dem einzelnen Organmitglied ein gesetzlicher Anspruch gegen die Gesellschaft auf Abschluß einer D&O-Versicherung zustehen kann oder jedenfalls auf Erstattung der Prämien einer D&O-Singularhaftpflichtversicherung. Teil F betrifft die organschaftliche Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarungen im allgemeinen und D&O-Versicherungen im besonderen. Was Letzteres anbelangt, herrscht in der Literatur Streit darüber, ob die Prämien als Vergütungsbestandteil i.S.d. §§ 87, 113 AktG anzusehen sind. Desgleichen ist für die GmbH zu klären, ob der Abschluß eines D&OVersicherungsvertrags in die ausschließliche Kompetenz der Geschäftsführer fällt oder eines Gesellschafterbeschlusses bedarf, wie dies die herrschende Ansicht verlangt. Ein spezifisch versicherungsvertragsrechtliches Problem besteht in der D&OVersicherung bezüglich der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten, welches ebenfalls in Teil F untersucht wird. Dem Versicherer steht nach dem VVG ein Vertragslösungsrecht zu, wenn die versicherten Personen vor Vertragsschluß gefahrerhebliche Umstände verschwiegen haben. Ergänzend kann § 123 BGB greifen. Da die Anzahl der versicherten Personen in der D&O-Versicherung jedoch oft sehr hoch ist, birgt die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten ein erhebliches Risiko für sämtliche Versicherte, die insoweit eine „Schicksalsgemeinschaft“ bilden. Denn das Verschweigen von Umstandswissen durch nur eine einzelne versicherte Person kann zum Fortfall des Versicherungsschutzes für alle Versicherten führen. Es ist daher zu prüfen, inwieweit angesichts dessen eine restriktive Auslegung der Zurechnungsnormen des VVG geboten ist und welche vertraglichen Möglichkeiten bestehen, diese Rechtsfolgen privatautonom einzuschränken. Teil G befaßt sich mit der inhaltlichen Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarungen und insbesondere D&O-Versicherungsverträgen. In der D&O-Praxis hat sich eine Reihe typischer Klauselinhalte herausgebildet, die im einzelnen gesellschaftsrechtlich, aber auch AGB-rechtlich zu prüfen sind. Es geht hierbei etwa um die Definition des Versicherungsfalls nach dem sog. claims made-Prinzip oder die Festlegung subjektiver Leistungsausschlüsse, namentlich für wis-

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A. Einleitung

sentliche Pflichtverletzungen. Ausgehend von den Prüfungsergebnissen zu den gängigen D&O-Bedingungswerken ist zu klären, inwieweit sich die Regelungsinhalte auf Freistellungsvereinbarungen nicht versicherungsvertragsrechtlicher Art übertragen lassen. Eine weitere grundlegende Frage, die Freistellungsvereinbarungen im allgemeinen sowie D&O-Versicherungen im besonderen betrifft, bezieht sich auf die Abdeckung von Geldbußen und -strafen. In Teil G wird deshalb untersucht, innerhalb welcher Grenzen Organmitglieder von den Sanktionsfolgen sowie von den Verfahrenskosten bei Ordnungswidrigkeiten und Straftaten durch Vereinbarung vorweggenommen oder nachträglich entlastet werden können. Das zivilrechtliche Institut der Freistellung kollidiert hierbei in bezug auf die Sanktionsfolgen unmittelbar mit dem straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Präventionszweck. Zudem wirft die Freistellung von Geldbußen und -strafen eigenständige strafrechtliche Fragen auf, namentlich unter dem Gesichtspunkt der Untreue nach § 266 StGB zu Lasten des die Freistellung gewährenden Unternehmens. Für die Freistellungsvereinbarung im allgemeinen und die D&O-Versicherung im besonderen ist schließlich in Teil H die Frage zu behandeln, wie sich ein Wechsel der Anteilseigner des Unternehmens, dessen Organmitglieder abgesichert wurden, auf den Bestand der Sicherungsinstrumente auswirkt. Es bestehen hier vertragsrechtliche Probleme, etwa in Zusammenhang mit dem Kündigungsrecht aus wichtigem Grund. Außerdem gelten für die D&O-Versicherung versicherungsvertragsrechtliche Besonderheiten nach dem Recht der Nebenund Mehrfachversicherung sowie den Vorschriften über Gefahrerhöhungen. In Teil I werden anschließend die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall untersucht. Diesbezüglich sind zunächst Fragen in Zusammenhang mit Ersatz- und Freistellungsansprüchen bei der Abwicklung von D&O-Versicherungsfällen zu behandeln. Es geht hierbei darum, inwieweit es zu einem Übergang von Ersatzansprüchen auf den Versicherer kommt, wenn dieser das Organmitglied freigestellt hat. Da der Abschluß der D&O-Versicherung auch im wesentlichen Interesse des Unternehmens liegt, könnte ein uneingeschränkter Übergang von Ersatzansprüchen des Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft auf den Versicherer den wirtschaftlichen Zweck der D&O-Versicherung vereiteln. Ferner sind besonders konstruierte Freistellungspflichten der Gesellschaft zugunsten des D&O-Versicherers gesellschaftsrechtlich zu untersuchen, die im Rahmen der Abwicklung komplexer D&O-Versicherungsfälle bisweilen vereinbart werden. Hierbei ist zu klären, inwieweit es durch solche, den D&O-Versicherer begünstigende Freistellungspflichten zu einer materiellen Entwertung des Innenhaftungsanspruchs der Gesellschaft kommen kann, was insbesondere nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG problematisch wäre. Die prozessuale Geltendmachung des Freistellungsanspruchs wirft in der D&O-Versicherung verschiedene bislang ungelöste Fragen auf, die auch auf

II. Der Gang der Untersuchung

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den Änderungen durch die VVG-Novelle von 2008 beruhen und einen weiteren Untersuchungsgegenstand von Teil I bilden. Im Kern geht es darum, unter welchen Voraussetzungen die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin in der D&O-Fremdversicherung einen Direktanspruch gegen den Versicherer geltend machen kann, um Befriedigung für ihren eigenen wirtschaftlichen Schaden zu erlangen. In diesem Zusammenhang ist zu untersuchen, ob eine Abtretung des Deckungsanspruchs von dem Organmitglied an die Gesellschaft in Betracht kommt. Es treten hierbei zunächst versicherungsvertragsrechtliche Probleme auf. Daneben sind bürgerlichrechtliche Tatbestände, wie namentlich § 404 BGB zu prüfen. Außerdem stellen sich zivilprozessuale Fragen, u.a. zur Beweislast in Zusammenhang mit dem inzident zu prüfenden Innenhaftungsanspruch der Gesellschaft. Abschließend werden in Teil I auch die prozessualen Besonderheiten nicht versicherungsvertragsrechtlicher Freistellungsansprüche erörtert. Teil J handelt von den versicherungsvertraglichen Ergänzungen und Alternativen zur D&O-Versicherung und zur Freistellungsvereinbarung im allgemeinen. Insoweit haben sich verschiedene Versicherungsprodukte am Markt etabliert, welche vom Grundtypus der D&O-Fremdversicherung abweichen und spezifische Fragen aufwerfen. Hierzu zählen etwa die Industrie-Strafrechtsschutzversicherung, die Selbstbehaltsversicherung, die D&O-Singularhaftpflichtversicherung und die sich dem Vernehmen nach stärker verbreitende Deckungsklage-Rechtsschutzversicherung. In Teil K wird schließlich eine steuerrechtliche Einordnung von D&O-Versicherung und Freistellung auf Seiten der Gesellschaft und der begünstigten Organmitglieder vorgenommen. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse findet danach in Teil L statt.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts I. Die Ausgangslage 1. Die zivilrechtlichen Grundlagen von Freistellungsvereinbarungen Freistellungsansprüche können privatautonom vereinbart werden.1 In einer Freistellungsvereinbarung verpflichtet sich der Freistellungsschuldner gegenüber dem Freistellungsgläubiger dazu, eine Verbindlichkeit, die das Vermögen des Freistellungsgläubigers belastet, zu beseitigen. 2 Der Umfang des Anspruchs bezieht sich grundsätzlich sowohl auf die Erfüllung begründeter als auch auf die Abwehr unbegründeter Ansprüche.3 Die Freistellungsvereinbarung stellt ein Vertragsverhältnis sui generis dar, das im BGB nicht umfassend gesetzlich geregelt ist.4 Grundsätzlich werden Freistellungsvereinbarungen jedoch nicht abstrakt, sondern im Rahmen eines eigenständigen Schuldverhältnisses vereinbart, etwa eines Vergleichs oder eines Dienstvertrags. 1 BGH, Urteil v. 24.6.1970 – VIII ZR 268/67, NJW 1970, 1594; BGH, Urteil v. 19.4.2002 – V ZR 3/01, NJW 2002, 2382; BGH, Urteil v. 11.4.1984 – VIII ZR 302/82, BGHZ 91, 73; BGH, Urteil v. 12.3.1993 – V ZR 69/92, NJW 1993, 2232; Bittner, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2004, § 257 Rn. 22; Zahn, ZfBR 2007, 627. Der Inhalt des Freistellungsanspruchs im einzelnen ergibt sich dann nicht aus § 257 BGB, sondern aus der Vereinbarung, Bittner, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2004, § 257 Rn. 22. 2 BGH, Urteil v. 24.6.1970 – VIII ZR 268/67, NJW 1970, 1594; BGH, Urteil v. 7.3.1983 – II ZR 82/82, NJW 1983, 1729; BGH, Urteil v. 19.4.2002 – V ZR 3/01, NJW 2002, 2382; Heinrichs, in: Palandt, 67. Aufl. 2008, § 157 Rn. 12. 3 BGH, Urteil v. 19.4.2002 – V ZR 3/01, NJW 2002, 2382: „Die vertragliche Verpflichtung zur Freistellung umfasst auch die Verpflichtung, unbegründete Ansprüche Dritter vom Freistellungsberechtigten abzuwehren.“; BGH, Urteil v. 24.6.1970 – VIII ZR 268/67, NJW 1970, 1594; BGH, Urteil v. 7.3.1983 – II ZR 82/82, NJW 1983, 1729; Heinrichs, in: Palandt, 67. Aufl. 2008, § 157 Rn. 12. Es handelt sich dabei letztlich um einen Fall des Aufwendungsersatzanspruchs, Alff, in: RGRK, Bd. II, 1. Teil, 1976, § 247 Rn. 1; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I, Allgemeiner Teil, Teilb. 1, 7. Aufl. 1992, § 13 III 2. 4 § 257 BGB regelt Teilaspekte des Freistellungsanspruchs, typisiert die Freistellungsvereinbarung aber nicht umfassend.

I. Die Ausgangslage

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Ein schadenersatzrechtlich begründeter Freistellungsanspruch kann gem. § 250 BGB durch Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung in einen Zahlungsanspruch gegen den Freistellungsgläubiger übergehen, wenn der Freistellungsschuldner seiner Freistellungspflicht nicht rechtzeitig nachkommt.5 Auf vertraglich vereinbarte Freistellungsansprüche ist § 250 BGB indes nicht anwendbar.6 Die Verletzung einer Freistellungspflicht kann aber einen Schadenersatzanspruch nach § 280 BGB auslösen,7 für den wiederum § 250 BGB greift.8 Freistellungsansprüche sind nach § 399 BGB grundsätzlich nicht abtretbar, da sie an die in der Person des Freistellungsgläubigers bestehende Drittschuld anknüpfen, so daß sich ihr Inhalt dadurch verändern würde.9 Eine Abtretung kommt nur an den Drittgläubiger in Betracht,10 in dessen Person der Anspruch sich in einen Zahlungsanspruch gegen den Freistellungsgläubiger umwandelt,11 oder an einen anderen Zessionar, wenn dieser zugleich die Drittschuld übernimmt.12 Freistellungsvereinbarungen zugunsten der Leitungs- und Aufsichtsorgane werfen gesellschaftsrechtliche Fragen auf, weil sie zu einer Enthaftung der betreffenden Personen führen, die Befreiung von der Organhaftung im Aktienund GmbH-Recht aber nicht uneingeschränkt möglich ist. Bevor die damit zusammenhängenden Fragen untersucht werden, ist die Freistellung aber von anderen gesellschaftsrechtlichen Instrumenten abzugrenzen, die sich ebenfalls auf eine Aufhebung oder Milderung der Organhaftung richten können.

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Zahn, ZfBR 2007, 627 (628). Zahn, ZfBR 2007, 627 (628). 7 BGH, Urteil v. 19.4.2002 – V ZR 3/01, NJW 2002, 2382: „Die Nichterfüllung der Abwehrpflicht hat nur unter den Voraussetzungen des Verzugs oder der positiven Forderungsverletzung einen Schadensersatzanspruch zur Folge.“. 8 Zahn, ZfBR 2007, 627 (628). 9 BGH, Urteil v. 12.3.1993 – V ZR 69/92, NJW 1993, 2232 (2233); Grüneberg, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 399 Rn. 4. 10 BGH, Urteil v. 12.3.1993 – V ZR 69/92, NJW 1993, 2232 (2233); OLG Koblenz, Urteil v. 25.6.2003 – 7 U 1034/01, NJW-RR 2004, 668. 11 OLG Koblenz, Urteil v. 25.6.2003 – 7 U 1034/01, NJW-RR 2004, 668. 12 Zahn, ZfBR 2007, 627 (628). 6

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

2. Die Abgrenzung der Freistellung von anderen gesellschaftsrechtlichen Instituten a) Die haftungsbefreiende Handlungsermächtigung aa) Die Aktiengesellschaft (I.) Der Hauptversammlungsbeschluß nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG Von der Freistellung zu trennen ist die Befreiung von der Pflichtwidrigkeit, wenn der Vorstand der Aktiengesellschaft bzw. gem. Art. 51 SE-VO die Mitglieder des Leitungsorgans der SE auf Grundlage eines gesetzmäßigen Beschlusses der Hauptversammlung i.S.v. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG gehandelt haben.13 Nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG tritt die Ersatzpflicht des Vorstandsmitglieds gegenüber der Gesellschaft nicht ein, wenn die haftungsbegründende Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG gilt über § 116 S. 1 AktG auch für den Aufsichtsrat. Insoweit erlangt die Vorschrift aber kaum praktische Bedeutung, da der Aufsichtsrat mit Ausnahme des § 147 AktG nicht an die Beschlüsse der Hauptversammlung gebunden ist.14 § 93 Abs. 4 S. 1 AktG ist Ausfluß der Verpflichtung des Vorstands nach § 83 Abs. 2 AktG, die von der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossenen Maßnahmen auszuführen.15 Vorstandsmitglieder, die dieser Verpflichtung nicht nachkommen, können sich nach § 93 AktG schadenersatzpflichtig machen,16 so daß eine Befolgung des Hauptversammlungsbeschlusses nicht dieselbe Haftungsfolge auslösen darf, weil sich die Handlungspflichten andernfalls widersprächen. Die praktische Bedeutung des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG wird jedoch bereits dadurch eingeschränkt, daß ein gesetzmäßiger Hauptversammlungsbeschluß – d.h. ein förmlicher17 – erforderlich ist. Informelle Erklärungen der Gesellschafter, auch solche eines Alleingesellschafters, reichen nicht aus.18 Der Hauptversammlungsbeschluß muß außerdem hinreichend bestimmt sein. Inhaltlich unbestimmte „Pauschalfreistellungen“ lösen nicht das Haftungsprivileg des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG aus.19 Dieses Bestimmtheitserfordernis bedeutet zwar nicht, daß der Hauptversammlungsbeschluß die konkrete Handlung ausdrücklich bezeichnen muß. Vielmehr kann der Gegenstand des Be13 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 73; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 93 Rn. 24 ff. 14 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 116 Rn. 8a. 15 Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 306. 16 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 83 Rn. 6. 17 Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 49. 18 Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 93 Rn. 24; Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 49. 19 Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 310.

I. Die Ausgangslage

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schlusses auch konkludent bestimmt sein. 20 Es ist aber zu verlangen, daß dem Hauptversammlungsbeschluß – wenigstens im Weg der Auslegung – die Billigung einer konkreten Handlung zu entnehmen ist, weil sich andernfalls auch keine entsprechende Pflichtenstellung des Vorstands nach § 83 Abs. 2 AktG ergibt, so daß der Normzweck des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG nicht betroffen ist. Da § 93 Abs. 4 S. 1 AktG ausdrücklich einen gesetzmäßigen Beschluß verlangt, darf dieser ferner weder nichtig noch anfechtbar sein. 21 Zwar kann der Eintritt der Heilungswirkung gem. § 242 AktG die Nichtigkeit beseitigen, so daß der Beschluß gesetzmäßig i.S.d. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG wird.22 Desgleichen werden anfechtbare Beschlüsse durch den Ablauf der Anfechtungsfrist gem. § 246 gesetzmäßig. Die Tatbestände der §§ 242, 246 AktG schränken die Risiken eines nicht gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschlusses aber nur partiell ein, so daß auch aus diesem Grund der Haftungsprivilegierung des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG eine lediglich untergeordnete praktische Bedeutung zukommt. 23 Außerdem ist zu berücksichtigen, daß die Hauptversammlung in Fragen der Geschäftsführung nach § 119 Abs. 2 AktG nur entscheiden darf, wenn dies der Vorstand verlangt. Geht dem Hauptversammlungsbeschluß kein solches Verlangen voraus, entfaltet er keine bindende Wirkung, und die Haftungsprivilegierung tritt nach der ratio der §§ 83 Abs. 2, 93 Abs. 4 S. 1 AktG nicht ein. 24 Schließlich muß das Handeln des Vorstands nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf dem Hauptversammlungsbeschluß „beruhen“. Dies bedeutet, daß der Hauptversammlungsbeschluß vorher ergangen sein muß. Eine nachträgliche Billigung führt nicht zur Haftungsprivilegierung. Das wäre auch mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht in Einklang zu bringen. 25

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Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 93 Rn. 114; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 310. 21 Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 50; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 93 Rn. 25. 22 BGH, Urteil v. 6.10.1960 – II ZR 150/58, BGHZ 33, 175, 178 f.; Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 50; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 93 Rn. 25; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 317 ff.; a.A. Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 93 Rn. 117. 23 Zudem sind die solchermaßen nichtigen Hauptversammlungsbeschlüsse stets mit dem Risiko der Amtslöschung nach § 144 Abs. 2 FGG behaftet; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 320. Der Beschluß ist aufgrund der Löschung sodann als nichtig zu behandeln mit der Folge, daß auch die Haftungsprivilegierung nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG entfällt. 24 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 93 Rn. 25; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 308; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl., § 93 Rn. 117; a.A. Golling, Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder für ihre Geschäftsführung innerhalb der nicht konzerngebundenen Aktiengesellschaft, 1968, S. 80. 25 So im Ergebnis auch die ganz h.M., vgl. Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 314; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl., § 93 Rn. 115; einschränkend Godin/Wilhelmi, AktG, 4. Aufl. 1971, § 93 Rn. 22: bis zur Entstehung des Anspruchs.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

(II.) Der Aufsichtsratsbeschluß nach § 93 Abs. 4 S. 2 AktG Wie § 93 Abs. 4 S. 2 AktG klarstellt, wird die Ersatzpflicht des Vorstandsmitglieds weder im Außen- noch im Innenverhältnis dadurch ausgeschlossen, daß der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat. Anders als bei § 93 Abs. 4 S. 1 AktG kommt es also auf die Rechtmäßigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses nicht an. Dieser hat auch, wenn er rechtmäßig ist, keine haftungsbefreiende Wirkung. 26 Diese Rechtsfolge ist insoweit konsequent, als hinsichtlich eines Aufsichtsratsbeschlusses keine Pflichtenkollision eintreten kann, wie sie über § 83 Abs. 2 AktG durch Hauptversammlungsbeschlüsse möglich ist. Dennoch kann ein Aufsichtsratsbeschluß freilich eine faktische Wirkung auf das Vorstandshandeln haben, weil durch ihn die Ausübung des Leitungsermessens vorgeprägt werden kann. Mögliche Zweifel an der Übereinstimmung einer bestimmten Handlung mit den Vorstandspflichten können aus Sicht des einzelnen Vorstandsmitglieds dadurch abgemildert oder ausgeräumt werden, daß mit dem Aufsichtsrat ein zweites Gesellschaftsorgan die Rechts- und Sachlage in einer bestimmten Weise beurteilt. Fraglich ist jedoch, inwieweit eine solche im Einzelfall denkbare Beeinflussung durch einen Aufsichtsratsbeschluß auf die Pflichtenstellung und damit die Haftungsfolgen hinsichtlich des Vorstands ausstrahlen kann. Teilweise heißt es, daß die Zustimmung des Aufsichtsrats zumindest ein „Beweisanzeichen“ für die Pflichtgemäßheit der Handlung sein könne.27 Dem läßt sich jedoch entgegenhalten, daß das Vorliegen eines Aufsichtsratsbeschlusses an sich keine materielle Aussage über die Beachtung der Pflichten durch den Vorstand hat. Denn der Aufsichtsrat kann gerade – anders als die Hauptversammlung nach § 83 Abs. 2 AktG – die Pflichtenstellung des Vorstands durch Beschluß nicht rechtlich konkretisieren. 28 Auch auf ein Mitverschulden des Aufsichtsrats nach § 254 BGB, welches über § 31 BGB analog der Gesellschaft zuzurechnen wäre, kann sich der Vorstand im Innenverhältnis daher nicht berufen. Denn andernfalls würde der Aufsichtsratsbeschluß im Ergebnis auf die Haftungsrechtsfolge im Innenverhältnis ausstrahlen, obwohl dies nach der Konzeption der Pflichtenstellung, anders als bei einem gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschluß, systematisch nicht gerechtfertigt wäre. Dennoch ist das Vorliegen eines Aufsichtsratsbeschlusses für die Prüfung der Haftungsvoraussetzungen im Innenverhältnis nicht per se unbeachtlich. Vielmehr kann er Aufschluß darüber geben, welche Erkenntnismöglichkeiten 26 Hueck, in: Baumbach, AktG, 13. Aufl. 1968, § 93 Rn. 13; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 347. 27 Schilling, in: Großkommentar AktG, 3. Aufl. 1973, § 93 Rn. 30. 28 Mit Einschränkungen hinsichtlich der Qualifizierung eines Aufsichtsratsbeschlusses als ein solches „Beweisanzeichen“ auch Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 348.

I. Die Ausgangslage

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zum Zeitpunkt der Handlung tatsächlich bestanden haben. 29 Die Anforderungen an den Nachweis der Pflichtwidrigkeit einer tatsächlichen Fehlbeurteilung des Vorstands können mithin dadurch erhöht sein, daß der Aufsichtsrat unmittelbar zuvor zu demselben Einschätzungsergebnis gelangt ist. Desgleichen wäre es vorstellbar, daß hinsichtlich bestimmter Rechtsunsicherheiten die Annahme eines ggf. haftungsausschließenden Verbotsirrtums30 dadurch bestärkt wird, daß auch der Aufsichtsrat zu einer mit dem Vorstandshandeln deckungsgleichen rechtlichen Beurteilung kam. Außerhalb dieser begrenzten indiziellen Wirkungen kommt dem Aufsichtsratsbeschluß jedoch keine haftungsbeschränkende Wirkung zu, so daß es auch in dieser Fallgruppe dabei bleibt, daß eine Absicherung des Vorstands vor den Risiken der Innenhaftung nur durch eine Freistellungsvereinbarung oder eine D&O-Versicherung in Betracht käme.31

bb) Die GmbH Soweit die Geschäftsführer einer GmbH in Umsetzung einer rechtmäßigen Weisung gehandelt haben, scheidet eine Pflichtwidrigkeit im Verhältnis zur Gesellschaft grundsätzlich aus.32 § 75 Abs. 4 RegE GmbHG 1971 hatte diesbezüglich ursprünglich sogar eine explizite Klarstellung folgenden Inhalts vorgesehen: „Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn die Handlung in Übereinstimmung mit Gesetz und Gesellschaftsvertrag auf einem Beschluß der Gesellschafter oder einer für die Geschäftsführung verbindlichen Weisung beruht.“ Als Weisung kommen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung in Betracht; es sind aber auch Weisungen des Aufsichtsrats oder eines Beirats denkbar, sofern diesen Organen satzungsmäßig Weisungsrechte eingeräumt wurden.33

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Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 348. Ein Rechtsirrtum läßt nach der im Zivilrecht geltenden Vorsatztheorie den Vorsatz entfallen, BGH, Urteil v. 16.6.1977 – III ZR 179/75, BGHZ 69, 128 (142); BGH, Urteil v. 12.5.1992 – VI ZR 257/91, BGHZ 118, 201 (208); BGH, Urteil v. 16.7.2002 – X ZR 250/00, BGHZ 151, 337. Es bleibt dann aber zunächst bei fahrlässiger Begehung, es sei denn, der Bewertungsirrtum hätte nicht auf Fahrlässigkeit beruht, was die Unvermeidbarkeit des Irrtums verlangt, BGH, Urteil v. 12.5.1992 – VI ZR 257/91, BGHZ 118, 201 (208); Beg.RegE 7. GWBNovelle, BT-Drucks. 15/3640, S. 53 f. 31 Die D&O-Versicherung hat insoweit in der Aktiengesellschaft die deutlich größere Bedeutung, da Haftungsbefreiungen wegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nur eingeschränkt möglich sind; s. dazu im einzelnen unter B. II. 1. a). 32 BGH, Urteil v. 31.1.2000 – II ZR 189/99, NJW 2000, 1571 = NZG 2000, 544 m. Anm. Haas; BGH, Urteil v. 21.6.1999 – II ZR 47/98, BGHZ 142, 92 (95 f.) = DStR 1999, 1366 m. Anm. Goette; BGH, Urteil v. 10.5.1993 – II ZR 74/92, BGHZ 122, 333 (336); BGH, Urteil v. 28.9.1992 – II ZR 299/91, BGHZ 119, 257 (261); BGH, Urteil v. 14.3.1983 – II ZR 103/82, NJW 1983, 1856 f.; OLG Nürnberg, Urteil v. 19.4.2001 – 13 U 3405/00 NZG 2001, 943; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 33; Konzen, NJW 1989, 2977 (2978); Mennicke, NZG 2000, 622 (624); Gehrlein, BB 2004, 2585 (2593). 33 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 74 f. 30

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

b) Die Entlastung der Organe Die Freistellungsvereinbarung ist des weiteren abzugrenzen von der Entlastung des Managements. Die Gesellschafter billigen durch die Entlastung die Verwaltungstätigkeit des Managements in der Vergangenheit. In der AG bewirkt die Entlastung gemäß § 120 Abs. 2 S. 2 AktG keinen Verzicht auf Ersatzansprüche.34 Es handelt sich vielmehr dort um ein spezifisch gesellschaftsrechtliches Institut,35 das sich in der Erklärung der Hauptversammlung erschöpft, sie billige die Verwaltung als im großen und ganzen gesetz- und satzungsmäßig. Darin liegt zugleich ein Vertrauensbeweis der Gesellschafter gegenüber dem Organ.36 Die Entlastung wirkt sich also auf das Haftungsrisiko des Vorstands und Aufsichtsrats ebensowenig aus, wie eine Verweigerung derselben rechtliche Folgen für die Anstellung der Betroffenen hat. Anders als in der Aktiengesellschaft hat die Entlastung in der GmbH nach § 46 Nr. 5 GmbHG eine gewisse Präklusionswirkung. Sie schließt solche Ansprüche der Gesellschaft gegen die Organmitglieder aus, die für das entlastete Organ aufgrund der Rechenschaftslegung sowie aller zugänglich gemachten Unterlagen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennbar waren.37 Nach Ansicht des BGH hat der Geschäftsführer keinen Anspruch auf Entlastung.38 Das Vertrauen in die künftige Amtsführung des Geschäftsführers ist ebenso wenig erzwingbar wie die Bestätigung, daß die bisherige Führung billigenswürdig ist.39 Von der Entlastung abzugrenzen ist im GmbH-Recht des weiteren die sog. Generalbereinigung. Darunter ist ein Vertrag zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer zu verstehen, der inhaltlich über die Entlastung hinausgeht.40 34 § 104 AktG 1937 enthielt zwar noch keine dem §§ 120 Abs. 2 S. 2 AktG entsprechende Regelung, jedoch lief die zeitliche Schranke für Verzicht und Vergleich in § 84 Abs. 4 S. 3 AktG 1973 auf ein ähnliches praktisches Ergebnis hinaus; vgl. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 120 Rn. 13. 35 K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (432 ff.); Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 120 Rn. 3. 36 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 120 Rn. 12. 37 K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (437); Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 46 Rn. 27; Flume, die juristische Person, § 10 I 4; Zöllner, die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, 1963, S. 206; BGH, NJW 1959, 192; BGH, WM 1976, 737; OLG München, GmbHR 1996, 847; einschränkend Barner, die Entlastung als Institut des Verbandsrechts, 1990, 71 ff.; s. auch Tellis, die Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Entlastung und die Entlastungsklagen, 1988; Tellis ZHR 156 (1992), 256 ff. 38 BGH Z 94, 324 (326 ff.). 39 Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 46 Rn. 15; a.A. Hüffer, in Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl. 1997, § 46 Rn. 68; Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 46 Rn. 46. 40 Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 46 Rn. 16; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 46 Rn. 32; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 46 Rn. 49.

I. Die Ausgangslage

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Sie kann einen Verzicht auf alle denkbaren Ersatzansprüche unabhängig davon enthalten, ob sie überhaupt erkennbar waren,41 wobei die Einschränkung zu machen ist, daß dies nicht dem Gesetz, insbesondere Gläubigerschutzvorschriften, oder dem Gesellschaftsvertrag zuwiderlaufen darf.42 Die Generalbereinigung kann auch bedeuten, daß die Ansprüche einem Verzicht oder Vergleich unterworfen werden.43 Anders als bei der Entlastung gehen die Gesellschafter bei der Generalbereinigung also davon aus, daß Ersatzansprüche bestehen oder dies jedenfalls möglich ist. Im Gegensatz zur Entlastung zielt die Generalbereinigung mithin auf die Beseitigung von Ersatzansprüchen.44 Der Geschäftsführer hat aber keinen Anspruch auf eine Generalbereinigung.45 Auch im GmbH-Recht vermag das Institut der Entlastung damit ebensowenig wie die Möglichkeit der sog. Generalbereinigung das Bedürfnis für Freistellungsvereinbarungen im Grundsatz einzuschränken. Beide Rechtsinstitute betreffen nur das Verhalten der Organe in der Vergangenheit. Eine Haftungsbefreiung oder jedenfalls eine Reduzierung des Haftungsrisikos für die Zukunft läßt sich über sie nicht erreichen.

c) Die Folgerungen Die Instrumente zur Haftungsbefreiung der Organmitglieder sind in der Aktiengesellschaft, der SE und der GmbH daher begrenzt. Es verbleibt ein weiter Bereich von Haftungsrisiken, für die zu klären ist, ob und inwieweit Freistellungsvereinbarungen mit der Gesellschaft selbst oder mit Dritten möglich sind.

3. Die Freistellung, die gesellschaftsrechtliche Haftungsstruktur und das steigende Haftungsrisiko a) Der rechtstatsächliche Befund Die rechtstatsächliche Verbreitung von Freistellungsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht läßt sich nur schwer genau erfassen.46 Die Rechtsprechung hat sich mit Fragen der Haftungsfreistellung im Gesellschaftsrecht bislang selten be41 Vgl. BGH, GmbHR 1998, 278; Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 46 Rn. 16. 42 Vgl. BGH, Urteil vom 7.4.2003 – II ZR 193/02, NZG 2003, 528; BGH, Urteil v. 13.3.1975 – II ZR 114/73; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 46 Rn. 49; weitere Grenzen ergeben sich aus den §§ 30 ff., 33, 43 Abs. 3 und 64 Abs. 2 GmbHG. 43 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 46 Rn. 46. 44 Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 46 Rn. 62; vgl. auch BGH, Urteil v. 24.1.1986 – II ZR 165/85, BGHZ 97, 382 (389). 45 Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 46 Rn. 16. 46 I.d.S. auch Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (155 ff.); Westermann, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 871 (873): „Hier ist dann allerdings der Punkt, an dem sich

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

faßt47 und über die Zulässigkeit vertraglicher Freistellungen gegenüber Organmitgliedern – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden.48 Gleichwohl haben Freistellungsvereinbarungen in verschiedenen Bereichen des Unternehmensrechts erhebliche praktische Bedeutung. Verbreitet sind sie etwa im Transaktionsgeschäft zwischen dem Käufer oder Verkäufer eines Objekts und einem zwecks Organisation der Transaktionsfinanzierung eingeschalteten Finanzintermediär. Dieser schließt eine Mandatsvereinbarung mit dem Käufer oder Verkäufer, für den er die Finanzierung organisiert, und läßt sich darin vielfach durch seinen Vertragspartner von Haftungsansprüchen freistellen, die die Gegenseite gegen den Finanzintermediär geltend machen könnte.49 Die Freistellungsvereinbarung umfaßt dabei regelmäßig sowohl den Finanzintermediär als Unternehmen als auch dessen Organmitglieder und leitende Angestellte. Ferner sind Freistellungen zugunsten der Anteilseignervertreter, namentlich von Banken, in den Aufsichtsräten von Beteiligungsunternehmen verbreitet.50 Im Rahmen der Abwicklung von D&O-Haftungsfällen sind Freistellungsvereinbarungen oft ein wichtiges ergänzendes Element von Vergleichsvereinbarungen.51 Ein öffentlich bekanntes Beispiel für die Freistellung von Organen bildet die frühere Praxis der Treuhandanstalt,52 die Mitglieder von Aufsichtsräten in Aktiengesellschaften und GmbH, deren Anteile zu 100 % die Treuhandanstalt

mancher fragen wird, ob denn eine solche Freistellung eines handelnden Organwalters von dritter Seite überhaupt irgendeine reale Grundlage haben kann.“ 47 Vgl. BGH, Urteil v. 13.12.2004 – II ZR 17/03, DB 2005, 768 ff. 48 Auch die Literatur hat sich des Themas nur vereinzelt angenommen. Siehe die grundlegenden Beiträge von Westermann, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 871 ff.; Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 ff.; ferner Fleischer, WM 2005, 909 ff.; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 116 Rn. 8; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, 5. Aufl. 2003, Rn. 522. 49 Solche Haftungsansprüche gegen den Finanzintermediär könnten sich für die Gegenseite ergeben, wenn durch dessen Verschulden die Transaktion scheitert oder sich verzögert. 50 Was zu spezifischen Fragen im Hinblick auf eine Ungleichbehandlung mit den Arbeitnehmervertretern führen kann, denen entsprechende Freistellungen regelmäßig nicht erteilt werden, dazu B III. 3. b) bb). 51 Dazu im einzelnen Teil I. I. 52 S. auch Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) vom 17. Juni 1990 geändert durch Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889), Art. 25 Gesetz vom 22. März 1991 (BGBl. I. S. 766), Art. 9 Gesetz zur abschließenden Erfüllung der verbliebenen Aufgaben der Treuhandanstalt vom 9. August 1994 (BGBl. I S. 2062), Art. 1 Verordnung vom 29. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2785), Art. 298 Gesetz zur Abwicklung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben vom 26. Oktober 2003 (BGBl. I S. 2081): „Die Vorschriften des Aktiengesetzes oder des Gesetzes über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung über die Stellung und die Verantwortlichkeit der Mitglieder des Vorstandes oder der Geschäftsführer sind auf die in Abs. 1 genannten Personen anzuwenden. Die Treuhandanstalt haftet für Schäden aus Pflichtverletzungen dieser Personen an deren Stelle. Regreßansprüche der Treuhandanstalt gegen diese Personen aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.“

I. Die Ausgangslage

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hielt, von ihrer Haftung nach §§ 116, 93 AktG und § 52 GmbHG für die Fälle einfacher Fahrlässigkeit freizustellen.53

b) Die Bedeutung der D&O-Versicherung für den Anwendungsbereich von Freistellungsvereinbarungen Die Bedeutung von Freistellungsvereinbarungen wird auch nur scheinbar durch eine stärkere Verbreitung von D&O-Versicherungen54 eingeschränkt. Der Anwendungsbereich beider Instrumente ist nämlich nicht deckungsgleich, so daß sie im Hinblick auf das Ziel, die Haftungsfolgen für Organmitglieder zu mildern, miteinander konkurrieren. Der Schutz durch eine D&O-Versicherung ist in verschiedener Hinsicht begrenzt. Oft enthalten D&O-Versicherungen einen Selbstbehalt.55 Außerdem sehen die D&O-Bedingungen regelmäßig weitreichende Haftungsausschlüsse vor.56 Ohne daß schon hier auf diese rechtlichen Aspekte im einzelnen einzugehen wäre, zeigt sich, daß D&O-Versicherungen keinen lückenlosen Haftungsschutz bieten.57 Das gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der im Vergleich zum Haftungsrisiko vielfach recht niedrigen Deckungssummen.

c) Die Haftungsverschärfung durch Rechtsprechung und Gesetzgebung Es kommt hinzu, daß die Rechtsprechung und die Gesetzgebung die Organhaftung schrittweise verschärft haben.58 Bereits im Jahr 1997 hatte der BGH im Fall ARAG bekanntlich entschieden, daß der Aufsichtsrat grundsätzlich dazu verpflichtet sei, Schadenersatzansprüche gegenüber dem Vorstand geltend zu

53 Hierzu: Westermann, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 871 (873 f.); Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (159 f.). 54 Zu diesem Befund auch Kiethe, WM 2007, 722 (723); Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93, Rn. 16; Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, 1997, S. 396 ff.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl., § 14 Rn. 94; siehe bereits v. Werder, DB 1987, 2265. 55 Zum einzelnen unter Teil D. VI. 56 Dazu Teil G. 57 So auch Kiethe, WM 2007, 722 (723); Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (155). 58 Die in früheren Literaturquellen noch vertretene Ansicht, die zivilrechtliche Haftung von Gesellschaftsorganen spiele in der Praxis keine bedeutsame Rolle, trifft nicht mehr zu (so noch Kübler, Gesellschaftsrecht, 1981, S. 186; Semler, AG 1983, S. 81; v. Werder, DB 1987, 2265: „kein ‚lebendes‘ Recht“; Wiedemann Gesellschaftsrecht Bd. 1, 1980, S. 624: „Die Haftungsvorschriften verkörpern kein lebendes Recht, da Haftungsklagen in Großunternehmen und Publikumsgesellschaften in der Bundesrepublik nicht erhoben werden.“); hierzu Uwe H. Schneider, in: Festschrift für Werner, 1984, S. 795.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

machen.59 In Ergänzung60 zur ARAG-Rechtsprechung verbessern die §§ 147, 148 AktG in ihrer durch das UMAG gebildeten Form die Möglichkeiten der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen Organmitglieder.61 Die Rechtsprechung hat darüber hinaus die Haftung von Gesellschaftsorganen verschärft, die Haftungsvoraussetzungen präzisiert und die Anforderungen an den Schadensnachweis herabgesetzt,62 was insgesamt zu einer Verbesserung der Erfolgsaussichten von Schadenersatzklagen gegen Organmitglieder geführt hat. Die Urteile Infomatec63 und EM.TV 64 sowie weitere jüngere Entscheidungen des BGH65 haben gezeigt, daß die praktische Bedeutung von Haftungsrisiken für Organmitglieder zunimmt,66 auch unter dem Gesichtspunkt gesellschaftsrechtlicher Strafvorschriften wie des § 399 AktG als zivilrechtlichen Schutzgesetzen.67 Durch das KonTraG wurde das AktG und GmbHG in bezug auf die Kontrolle der Leitungsorgane ebenfalls verschärft, wenngleich Teile der Literatur diese Änderungen für die Haftungslage insgesamt als weniger belangvoll ein59

BGH, Urteil v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (252). Die Literatur weist zutreffend darauf hin, daß die ARAG-Rechtsprechung das Regelungsanliegen des § 147 AktG nicht obsolet gemacht hat; vgl. Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (294 ff.); Krieger, ZHR 163 (1999), 343 (345); Baums, Gutachten F zum 63. DJT 2000, F 241 ff. 61 Schröer, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. 2004, § 147 Rn. 6; Kiethe, WM 2007, 722 (723). Inwieweit hierdurch sogar die Pflichten des Aufsichtsrats zur Geltendmachung von Organhaftungsansprüchen über die Grundsätze der ARAG-Rechtsprechung hinaus verschärft wurden, bedarf an dieser Stelle keiner Vertiefung. Es geht bei dieser Problematik darum, ob die Wertung des § 148 Abs. 1 Nr. 4 AktG, wonach eine Aktionärsklage zuzulassen ist, wenn „der Geltendmachung des Ersatzanspruchs keine überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohls entgegenstehen“, auf die allgemeine Pflichtenlage der Aufsichtsratsmitglieder durchschlägt. Es käme dann in den Fällen, in denen i.S.d. Nr. 3 Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, daß der Gesellschaft durch Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung ein Schaden entstanden ist, für die Geltendmachung durch den Aufsichtsrat also nicht mehr darauf an, ob die Gründe, die gegen eine Anspruchsverfolgung sprechen, den Gründen des Gesellschaftswohls, die für eine Anspruchsverfolgung zu Buche schlagen, annähernd gleichwertig sind. Vielmehr müßten die gegen das Gesellschaftswohl sprechenden Gründe überwiegen. S. dazu Redeke, ZIP 2008, 1549 ff.; Koch, ZGR 2006, 769 (776); Seibert, in: Festschrift für Priester, 2007, S. 763 (765, 771); A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S. 189, Fn. 147. 62 Vgl. BGH, Urteil v. 5.12.1989 – VI ZR 335/88, BGHZ 109, 297; BGH, Urteil v. 16.5.2000 – VI ZR 90/99, BGHZ 144, 311; BGH, Urteil v. 17.9.2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, 10. 63 BGH, Urteil v. 19.7.2004 – II ZR 218/03, BGHZ 160, 134 = ZIP 2004, 1599 = VersR 2004, 1279; dazu Unzicker, WM 2007, 1596 ff. 64 BGH, Urteil v. 9.5.2005 – II ZR 287/02, NZG 2005, 672 ff. = WuB I G 6. § 15 WpHG 1.06, Mülbert. 65 BGH, Urteil v. 25.7.2005 – II ZR 390/03, BGHZ 164, 50 = ZIP 2005, 1734 = VersR 2005, 1590 = NJW 2005, 3137; vgl. aber auch das Balsam-Urteil des LG Bielefeld v. 16.11.1999 – 15 O 91/98, ZIP 2000, 20. 66 Dazu Kiethe, WM 2007, 722 ff. 67 BGH, Urteil v. 26.9.2005 – II ZR 380/03, NJW 2005, 3721 = AG 2005, 883; dazu Kiethe, WM 2007, 722 ff. 60

I. Die Ausgangslage

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stufen.68 Auch das MoMiG69 hat zu einer Ausweitung der Haftung für GmbHGeschäftsführer geführt. Die Änderungen des GmbH-Rechts durch das MoMiG bauen darauf auf, daß die Organhaftung eine disziplinierende Wirkung hinsichtlich der Einhaltung der neuen Regelungen entfaltet.70 Hinzu kommen neue branchenspezifische Verhaltenspflichten der Leitungsorgane, wie durch den seit dem 1. Januar 2008 in Kraft befindlichen § 64a VAG, der besondere aufsichtsrechtliche Anforderungen an das Risikomanagement von Versicherungsunternehmen aufstellt und dadurch ebenfalls das Haftungsrisiko der Organe betroffener Unternehmen erhöht, sofern man diese Regelungen als Teil der Legalitätspflicht der Leitungsorgane71 der betroffenen Unternehmen ansieht.72

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Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 105. Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Mißbräuchen (MoMiG), RegE vom 23. Mai 2007. 70 Exemplarisch sei hierfür auf die Thesaurierungspflicht in bezug auf die in § 5a GmbHG eingeführte „Unternehmergesellschaft“ zur Erreichung einer höheren Eigenkapitalausstattung rekurriert (Siehe hierzu RegE MoMiG S. 71 f.). Die Regierungsbegründung erklärt, daß dieser Thesaurierungspflicht eine essentielle Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Kapitalverfassung dieses Gesellschaftstyps zukommt, und weist deshalb ausdrücklich darauf hin, daß die Geschäftsführer nach § 43 GmbHG haftbar sind, falls sie die diesbezüglichen Pflichten verletzen. Ein weiterer Regelungsbereich, in dem die Geschäftsleiterhaftung infolge der Änderungen durch das MoMiG künftig eine stärkere Rolle spielen kann, betrifft die § 30 GmbHG (dazu RegE MoMiG S. 93 ff.) und § 57 AktG (dazu RegE MoMiG S. 119) im Hinblick auf upstream-loans und cash-pooling. Die in diesen Vorschriften vor dem Hintergrund des BGH-Urteils vom 24. November 2003 (BGH, Urteil v. 24.11.2003 – II ZR 171/01, BGHZ 157, 72; dazu Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689 ff.) vollzogene Rückkehr zur bilanziellen Betrachtensweise erlaubt zwar in größerem Maße als bisher einen Aktivtausch, sofern die das Kapital angreifende Leistung durch vollwertige Gegenleistungs- oder Rückerstattungsansprüche gedeckt wird (RegE MoMiG S. 84). Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sollen auch nicht spätere und unvorhersehbare negative Entwicklungen der Forderungen gegen den Gesellschafter und bilanzielle Abwertungen nachträglich zu einer verbotenen Auszahlung führen (RegE MoMiG S. 94). Es soll dann aber – so die Regierungsbegründung weiter – ein Sorgfaltspflichtverstoß des Geschäftsführers beziehungsweise des Vorstands gegeben sein, wenn er diese Forderungen stehen ließ, obwohl er sie hätte einfordern können, RegE MoMiG S. 94, 119. Beispiele für neue Anwendungsfälle der Geschäftsleiterhaftung durchziehen das MoMiG wie ein roter Faden, so etwa die von der Begründung RegE S. 89 angesprochene Haftung im Fall eines kollusiven Zusammenwirkens des Geschäftsführers mit dem Veräußerer oder dem Erwerber zu Lasten des wahren Berechtigten bei der Übertragung von Geschäftsanteilen nach dem neu gefaßten § 16 GmbHG. Das MoMiG knüpft also auch insoweit an die Organhaftung an und weitet diese durch neue Sorgfaltspflichten aus. 71 So überträgt etwa ein Teil der Rechtsprechung und Literatur die Regelungen der bankaufsichtsrechtlichen Parallelnorm des § 25a KWG auf die aktienrechtliche Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder, VG Frankfurt, Urteil v. 8.7.2004, 1 E 7363/03 (I), AG 2005, 264 – Bruderhilfe; a.A. Bürkle, WM 2005, 1496 ff.; siehe dazu auch Dreher, AG 2006, 213 ff.; Dreher/Schaaf, WM 2008, 1765 ff.; ferner Preußner, NZG 2004, 303 (305). 72 Vgl. auch Schaloske, VW 2008, 1521 ff. 69

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

d) Die praktische Notwendigkeit für Freistellungsvereinbarungen Außerdem ist die Entwicklung hin zu einer verschärften Organhaftung unter Berücksichtigung des im Schrifttum attestierten Befunds zu betrachten, daß in der Unternehmenspraxis ein Mangel an erfahrenen und versierten Aufsichtsratsmitgliedern zu verzeichnen ist.73 Unterstellt man das als richtig, ist davon auszugehen, daß die Haftungsrisiken für Aufsichtsratsmitglieder – aber auch für die von ihnen kontrollierten Vorstände – steigen und infolgedessen Sicherungsmechanismen für Organmitglieder noch wichtiger werden. In der Rechtspraxis zeichnet sich zudem die Tendenz ab, daß in Schadenersatzfällen neben oder anstelle der Gesellschaft auch die Organmitglieder persönlich in Regreß genommen werden.74 Einer der Gründe hierfür ist der Umstand, daß die Gesellschaften selbst wegen Masselosigkeit bei Insolvenzen als Haftungsobjekt vielfach faktisch nicht mehr zur Verfügung stehen.75 Als Ergebnis dieser Entwicklungen steigt die Zahl von Organhaftungsfällen stetig an, 76 und ein Bedürfnis nach einem den D&O-Versicherungsschutz flankierenden Instrumentarium wächst. Ein eigener Anwendungsbereich für Freistellungsvereinbarungen ergibt sich auch in solchen geschäftlichen Konstellationen, in denen eine spezifische und kurzfristige Haftungsabsicherung für das Organmitglied erforderlich wird. Soll beispielsweise der Vorstand ein bestimmtes Vorhaben durchführen, das in besonderem Maße haftungsträchtig ist, kann das Bedürfnis für eine projektbezogene Haftungsfreistellung, etwa durch einen Mehrheitsaktionär, der ein Interesse an dieser Maßnahme hat, entstehen.77 Sofern noch kein ausreichender D&O-Versicherungsschutz besteht, wird der Abschluß einer spezifischen Haftpflicht-Objektdeckung für dieses einzelne Vorhaben vielfach unpraktikabel sein, nicht zuletzt dann, wenn die Durchführung der Maßnahme besonders eilbedürftig ist. Eine Freistellungsvereinbarung kann hingegen schnell – ggf. per Email oder sogar mündlich – getroffen werden. Auch die bereits angesprochenen Freistellungsklauseln in engagement letters mit Finanzintermediären bei M&A-Transaktionen sind ein Beleg für die praktische Notwendigkeit von transaktionsbezogenen Sicherungsmechanismen, die das schwerfälligere Versicherungsvertragsrecht oft nicht ermöglicht.

73 Westermann, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 871 (875); vgl. auch Schneider, in: Festschrift für Werner, 1984, S. 795 (798). 74 Zu diesem Befund Kiethe, WM 2007, 722 (723); Rodewald/Unger, BB 2006, 113. 75 Kiethe, WM 2007, 722 (723). 76 Kiethe, WM 2007, 722 ff.; Wellkamp, WM 1993, 2155. 77 Vgl. zu diesem Beispiel auch Westermann, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 871 (874).

II. Die Freistellung und der Verzicht durch den Unternehmensträger

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II. Die Freistellung und der Verzicht durch den Unternehmensträger 1. Die Aktiengesellschaft a) Die Freistellungs- und Verzichtsvereinbarungen unter §§ 93 Abs. 4 S. 3, 116 S. 1 AktG aa) Der Regelungsgehalt des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Die Untersuchung der Zulässigkeit von Freistellungsvereinbarungen mit Organmitgliedern muß sich zuerst der Frage zuwenden, wer als Schuldner in Betracht kommt. Diesbezüglich ist zunächst die Aktiengesellschaft in den Blick zu nehmen. Eine Enthaftung von Aufsichtsratsmitgliedern und Vorständen durch die eigene Gesellschaft ist aktienrechtlich problematisch, denn ihr können §§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG ggf. i.V.m. 116 S. 1 AktG78 entgegenstehen.79 Danach sind Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder im voraus nicht und im nachhinein nur eingeschränkt verzichtbar. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG soll in erster Linie eine verfrühte Disposition über den Anspruch verhindern, bevor das gesamte Ausmaß des Schadens erkennbar ist80 und sicherstellen, daß die Ausgleichsfunktion zugunsten von Gesellschaft und Gesellschaftern nicht vorschnell im Weg „kollegialer Verschonung“81 ausgeschlossen wird.82 Die Norm gewährleistet daher zunächst die Werthaltigkeit der Organinnenhaftung.83,84

78 Das im folgenden zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Gesagte gilt über § 116 S. 1 AktG für den Aufsichtsrat sinngemäß, ohne daß § 116 S. 1 AktG im Text explizit erwähnt wird. Über Art. 51 SE-VO, §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG gilt § 93 AktG auch für die SE. 79 So Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 Rn. 81; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 515 ff.; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, 5. Aufl. 2003, Rn. 522; Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (156). 80 Zimmermann, in: Festschrift für Duden, 1977, S. 773 (774); Mertens, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 209 (210); Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 45. 81 Vgl. Mertens, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 209 (210). 82 Zimmermann, in: Festschrift für Duden, 1977, S. 773 (774). 83 I.d.S. auch Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 45. 84 Zur Frage der verhaltenssteuernden Wirkung von § 93 AktG s. Teil D.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

bb) Die Befreiung des Organmitglieds von Schadenersatzansprüchen nach § 93 Abs. 2 AktG Eine Vereinbarung, die sich auf eine Befreiung von den nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erfaßten Ersatzansprüchen der Gesellschaft bezieht, ist folglich unwirksam.85 Sie würde rechtsgeschäftlich einen Verzicht auf den Anspruch aus § 93 Abs. 2 AktG bedeuten, der unmittelbar unter § 93 Abs. 4 S. 3 AktG fällt.86 Dasselbe gilt für vertragliche Vereinbarungen, welche die Anspruchsvoraussetzungen einschränken, etwa eine Milderung des Verschuldensmaßstabs.87 Auch darin liegt ein teilweiser Verzicht auf mögliche Ansprüche nach § 93 Abs. 2 AktG. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG steht diesen Rechtsgeschäften unmittelbar entgegen.88 Aus demselben Grund kann der Innenhaftungsanspruch auch durch Verwirkung nicht ausgeschlossen sein, indem die Gesellschaft den Anspruch nicht geltend macht und bei den betroffenen Organmitgliedern die begründete Erwartung weckt, mit einer Anspruchserhebung sei nicht mehr zu rechnen. Denn auch der allgemeine zivilrechtliche Verwirkungstatbestand wird insoweit von der besonderen Beschränkung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG überlagert.89

85 Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 Rn. 81; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 515 ff.; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, 5. Aufl. 2003, Rn. 522; Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (156); vgl. Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555 (572); Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 97; Bedkowski, Die Geschäftsleiterpflichten, 2006, S. 456. 86 Die Freistellung von einem dem Freistellungsschuldner zustehenden Anspruch kann insoweit nur durch einen Verzicht bewirkt werden, weil der Freistellungsschuldner andernfalls an sich selbst leisten müßte. So im Ergebnis auch Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (156). 87 Bedkowski, Die Geschäftsleiterpflichten, 2006, S. 457; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 25; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 93 Rn. 4. Inwieweit hingegen Verschärfungen möglich sind, soll nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein. Dagegen spricht grundsätzlich, daß hierdurch ein übertrieben vorsichtiges Verhalten hervorgerufen werden könnte, welches nicht in Unternehmensinteresse läge und ebenfalls mit der gesetzlichen Konzeption des Innenhaftungsrechts in § 93 AktG nach § 23 Abs. 5 AktG unvereinbar wäre; in diese Richtung BGH, Urteil v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325 – Bayer (zu Verschärfungen des gesetzlichen Verschwiegenheitsgebots für Mitglieder des Aufsichtsrats); Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 26; Bedkowski, Die Geschäftsleiterpflichten, 2006, S. 456; a.A. (für eine Möglichkeit der Verschärfung) Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 210. Davon ist wiederum zu trennen die Auferlegung neuer Pflichten durch den Anstellungsvertrag, ohne die gesetzlichen Pflichten zu modifizieren, was grundsätzlich zulässig sein soll, soweit das Gleichgewicht der gesetzlichen Kompetenzverteilung nicht entgegen § 23 Abs. 5 AktG angetastet wird, vgl. Bedkowski, a.a.O.; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 227. 88 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 79. 89 Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 337 ff.

II. Die Freistellung und der Verzicht durch den Unternehmensträger

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b) Die Abtretung des Innenhaftungsanspruchs an einen Dritten Es stellt sich daher zunächst die Frage, ob sich die Grenzen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG von vornherein dadurch umgehen lassen, daß die Gesellschaft den Schadenersatzanspruch an einen Dritten abtritt, welcher sogleich gegenüber dem Organmitglied auf ihn verzichtet. Eine solche Abtretung käme dann im nachhinein in Betracht, könnte aber ggf. auch im voraus erfolgen in bezug auf künftige Schadenersatzforderungen, soweit diese schon hinreichend bestimmbar sind.90 In vereinzelten Stellungnahmen der Literatur heißt es, daß die nachträgliche Abtretung in diesem Sinn eine in der Praxis häufig vorzufindende Verfahrensweise sei.91 Andere berichten, daß jedenfalls bei Großunternehmen solche Gepflogenheiten nicht bekannt seien.92 Griffe § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in diesen Fällen nicht, ließe er sich jedenfalls ohne weiteres aushebeln. Es kann aber nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber zwar einerseits die Möglichkeit des Anspruchsverzichts und des Vergleichs in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG weitgehend ausschließen, die Herbeiführung desselben Ergebnisses durch zwischengeschaltete Abtretung an einen Strohmann hingegen zulassen wollte. Deshalb ist § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf diese Fälle analog anzuwenden.93 Eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG stößt aber auf Bedenken, wenn die Gesellschaft für den abgetretenen Anspruch eine Gegenleistung erhält. Entspricht die Gegenleistung dem Nennwert des Innenhaftungsanspruchs, ist für § 93 Abs. 4 S. 3 AktG jedenfalls kein Raum. Denn die Gesellschaft steht in diesem Fall sogar besser, als wenn sie selbst den Anspruch zunächst noch gegenüber dem Organmitglied durchsetzen müßte. Als problematisch verbleiben damit die Fälle, in denen der Gesellschaft zwar eine Gegenleistung zufließt, diese aber unter dem Nennwert liegt. Es fragt sich, ob eine solche Verfügung aktienrechtlich zulässig ist. Die Literatur vertritt überwiegend die Ansicht, daß § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nur greife, wenn eine unentgeltliche Abtretung in Verbindung mit einem anschließenden Verzicht durch den Zessionar der „Umgehung“ des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG diene.94 Fließe der Gesellschaft hingegen eine Gegenleistung zu und sei diese lediglich nicht angemessen bzw. nicht vollwertig, stelle dies noch keine 90

Zur Bestimmbarkeit s. BGH, BGH, Urteil vom 12. 10. 1999 – XI ZR 24/99, NJW 2000,

276. 91

Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 93 Rn. 234. Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770 (772). 93 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 Rn. 233; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 377; Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 53; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 93 Rn. 134; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 344. 94 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 Rn. 233; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 377; Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 53; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 93 Rn. 134. 92

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

Umgehung dar. Es soll dann nicht § 93 Abs. 4 S. 3 AktG greifen, sondern nur eine mögliche Organpflichtverletzung des Vorstandsmitglieds vorliegen, das für die Gesellschaft die wirtschaftlich nachteilige Abtretung vorgenommen hat.95 Methodisch ist diese an einen Umgehungstatbestand anknüpfende Differenzierung jedoch Bedenken ausgesetzt. Denn die Gesetzesumgehung – die fraus legis 96 oder das in fraudem legis agere 97 – ist als eigenständiges Rechtsinstitut nicht anzuerkennen. Der Tatbestand der Gesetzesumgehung ist bereits rechtstechnisch ungeeignet, da er als Umgehungselement das Vorliegen einer Umgehungsabsicht voraussetzt,98 die jedoch vielfach kaum nachzuweisen ist. Er ist als eigenständige Kategorie der Methodenlehre aber auch systemwidrig, weil die Feststellung einer Gesetzesumgehung lediglich zum Ausdruck bringt, daß das Telos des Gesetzes nicht verwirklicht werden kann, wenn die Norm nicht greift. Die teleologische Auslegung und die Analogie decken daher den Bereich der Gesetzesumgehung bereits ab.99 Deshalb sind auch dann die Voraussetzungen der Analogie von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zu prüfen, wenn der Gesellschaft eine nicht angemessene oder nicht vollwertige Gegenleistung zufließt.100 Ausgangspunkt der Lösungsfindung muß hierbei sein, daß § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in direkter Anwendung kein Angemessenheitskriterium kennt. Verzicht und Vergleich sind vielmehr auch dann verboten, wenn bei einer lediglich par95 Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 377: „Umgekehrt liegt eine Umgehung nicht ohne weiteres schon dann vor, wenn die Gesellschaft keine vollwertige Gegenleistung erhält; in einem solchen Fall kann sich das verfügende Vorstandsmitglied aber nach § 93 Abs. 2 schadensersatzpflichtig machen.“; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 Rn. 233: „Verfügungen anderer Art sind dagegen grundsätzlich zulässig, es sei denn, dass auf diesem Wege die Regelung des Abs. 4 Satz 3 umgangen werden soll. Das ist evident, wenn der Ersatzanspruch vom Vorstand vor Ablauf von drei Jahren an einen Dritten unentgeltlich abgetreten wird, damit dieser auf den Anspruch verzichtet. Sonst sind solche Verfügungen als wirksam anzusehen; jedoch wird der Vorstand nach dem Schutzzweck des Abs. 4 Satz 3 darauf zu achten haben, dass der Gesellschaft ein vollwertiger Ersatz zufließt. Geschieht dies nicht, so machen sich die die Gesellschaft vertretenden Vorstandsmitglieder ihrerseits nach § 93 Abs. 2 ersatzpflichtig (Hervorheb. im Original).“; Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 53: „Der Gesellschaft muß bei solchen Verfügungen überdies eine vollwertige Gegenleistung zufließen; geschieht das nicht, ist die Verfügung zwar wirksam, es können jedoch Schadensersatzansprüche gegen die handelnden Organmitglieder entstehen.“; a.A. Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 344, der bei fehlender Angemessenheit der Gegenleistung § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zur Anwendung kommen lassen will, sich hierfür jedoch zu unrecht auf Hopt (a.a.O.) beruft; s. auch Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, 1996, S. 132, jedoch ohne Auseinandersetzung mit dem Problem der Analogie zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. 96 Zu diesem Begriff Teichmann, JZ 2003, 761 (764). 97 Zu diesem Begriff Teichmann, Die Gesetzesumgehung, S. 105. 98 Vgl. BGH, Urteil v. 28.11.1953 – 2 ZR 203/52, BGHZ 11, 124 (127). 99 Im Ergebnis ebenso Teichmann, JZ 2003, 761 (765 f.); ders., Die Gesetzesumgehung, S. 67 ff., 78 ff.; Wilhelm, ZHR 167 (2003), 520 (521 f.). 100 So im Ergebnis wohl auch Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 344.

II. Die Freistellung und der Verzicht durch den Unternehmensträger

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tiellen Aufhebung ein aus Sicht der Gesellschaft angemessener Teil der Forderung bestehen bleibt. Deshalb können jedenfalls solche Gegenleistungen für eine Abtretung sub specie § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht akzeptiert werden, die lediglich einen symbolischen Wert verkörpern, der unter keinem denkbaren Gesichtspunkt auch nur den realen Wert des voraussichtlich beitreibbaren Betrags abbildet. Damit bleibt aber zu klären, ob eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG umgekehrt nur bei einer Gegenleistung in Höhe des Nennwerts ausgeschlossen ist. Es muß hierbei die ratio des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG berücksichtigt werden. Die Gesellschaft soll nicht im Weg kollegialer Verschonung vorzeitig auf den Anspruch ganz oder zum Teil verzichten. Von einer Schmälerung des Gesellschaftsvermögens in diesem Sinn kann aber bereits dann keine Rede mehr sein, wenn der tatsächliche Wert der Forderung dem Vermögen des Zedenten als Gegenleistung zufließt.101 Bei der Ermittlung des tatsächlichen Werts ist folglich auch die individuelle Leistungsfähigkeit des haftenden Organmitglieds zu berücksichtigen. Die Ermittlung des tatsächlichen Werts ist überdies ein normativer Vorgang, der ein starkes Prognoseund Schätzungselement enthalten kann. Deshalb scheidet für die Prüfung der Analogievoraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG eine ex post-Betrachtung aus. Entscheidend ist mithin, ob die Gegenleistung aus Sicht eines vernünftigen Organmitglieds zum Zeitpunkt der Verfügung als dem tatsächlichen Wert entsprechend angesehen werden konnte. Ist dies zu verneinen, fällt die Abtretung analog § 93 Abs. 4 S. 3 AktG der Unwirksamkeit anheim. Daneben kann das für die Gesellschaft handelnde Organmitglied selbst schadenersatzpflichtig nach § 93 Abs. 2 AktG sein, sofern der Gesellschaft durch dieses Rechtsgeschäft trotz seiner Unwirksamkeit ein Schaden entstanden ist.

c) Die Aufrechnung mit Gegenansprüchen des Organmitglieds § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erfaßt nach seinem Wortsinn auch die Aufrechnung nicht.102 Daher kann das haftende Organmitglied den Anspruch, sofern es über aufrechenbare Gegenforderungen gegen die Gesellschaft verfügt, den Schadenersatzanspruch nach § 387 BGB in Fortfall bringen. Auch in bezug auf die Aufrechnung kann aber eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG entsprechend den zuvor entwickelten Maßstäben erforderlich sein, wenn die Aufrechnungslage dadurch künstlich geschaffen wird, daß die Gesellschaft Ansprüche des Organmitglieds – etwa durch Schuldversprechen – ohne wirtschaftliche Grundlage begründet, um hierdurch die Aufrechnung gegen den

101 Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 344. 102 Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 53; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 377.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

Innenhaftungsanspruch zu ermöglichen. Durch eine solche Konstruktion würde der Normzweck des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ebenfalls vereitelt.

d) Die Freistellung für die Fälle ausschließlicher Außenhaftung aa) Die ausschließliche Außenhaftung bei fehlender Organpflichtverletzung Von dem Verzicht der Gesellschaft auf ihren Innenhaftungsanspruch und gleich zu behandelnden Verfügungen der soeben beschriebenen Arten sind solche Fälle zu trennen, in denen die Gesellschaft das Organmitglied von einer Außenhaftung freistellt. Es geht hier zunächst um Konstellationen, in denen das Organmitglied einer reinen Außenhaftung ausgesetzt ist, weil es eine allein im Außenverhältnis bestehende Pflicht verletzt hat, hingegen nicht seine Organpflichten im Innenverhältnis.103 Einer solchen Freistellungsvereinbarung könnte § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ebenfalls entgegenstehen. Eine direkte Anwendung der Norm scheidet aus, da es in Ermangelung einer Organpflichtverletzung schon an einem Innenhaftungsanspruch der Gesellschaft i.S.v. § 93 Abs. 2 AktG fehlt. Ob hier eine analoge Anwendung in Betracht kommt, ist zweifelhaft. Denn § 93 Abs. 4 S. 3 AktG knüpft an das Bestehen eines Schadenersatzanspruchs gerade wegen Verletzung der Organpflichten an. Die Norm hat daher eine Annexfunktion im Rahmen der Rechtsfolgen von Organpflichtverletzungen. Fehlt es an einer Organpflichtverletzung, ist dieser spezifische Normzweck also nicht tangiert. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG begründet hingegen kein allgemeines Verbot, mit Organmitgliedern für diese günstige Verträge zu Lasten der Gesellschaft abzuschließen. Deshalb sind Freistellungsvereinbarung in diesem Fall mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vereinbar und zulässig.104 Praktisch kommen solche reinen Außenhaftungsansprüche ohne Organpflichtverletzung freilich selten vor. Zu denken ist an Konstellationen, in denen rechtliche Zweifelsfälle bestanden, das Organmitglied im Rahmen einer ex ante nicht aufklärbaren Lage den für die Gesellschaft günstigeren Rechtsstandpunkt vertreten hat und sich dieser im nachhinein als unzutreffend herausstellt.105 Hier muß ein Pflichtverstoß im Innenverhältnis jedenfalls dann ausscheiden, wenn das mit dem möglichen Rechtsverstoß verbundene Risiko zu dem Vorteil für die Gesellschaft nicht außer Verhältnis steht.106 Denkbar ist auch, daß das Organmitglied im Unternehmensinteresse schnell handeln 103

Dazu Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (311 ff.). Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (156); Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 Rn. 81; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 517; Zimmermann, DB 2008, 687 (691). 105 Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 516. 106 Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 Rn. 77 in bezug auf Rechtsirrtümer. 104

II. Die Freistellung und der Verzicht durch den Unternehmensträger

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mußte und dabei unrichtig beraten wurde107 oder im Außenverhältnis einen Haftungstatbestand verwirklicht hat, dessen subjektive Tatbestandsvoraussetzungen niedriger sind als die des § 93 AktG, was beispielsweise bei Gefährdungs- oder Erfolgshaftungstatbeständen der Fall sein kann.108 Grundsätzlich besteht dann aber bereits ein auftragsrechtlicher Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft.109

bb) Die Freistellung von einer ausschließlichen Außenhaftung bei zugleich verwirklichter Verletzung von Organpflichten im Innenverhältnis (I.) Die direkte oder analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Problematisch sind demgegenüber Fälle, in denen die Außenhaftung zugleich eine Verletzung der Organpflichten im Innenverhältnis darstellt, der Gesellschaft aber gleichwohl kein Schaden entstanden ist, sondern nur dem Organmitglied. In diese Fallgruppe gehört etwa die Freistellung eines Organmitglieds von einer persönlichen Bußgeldpflicht wegen Verwirklichung eines unternehmensbezogenen Bußgeldtatbestands – etwa des Kartellrechts. Es stellt sich die Frage, ob die Gesellschaft auch diesbezüglich in aktienrechtlich zulässiger Weise110 eine Freistellungsvereinbarung111 mit dem Organmitglied treffen könnte. Auch hier ist § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht unmittelbar einschlägig. Denn was dieses persönlich gegen das Organmitglied gerichtete Bußgeld anbelangt,112 verzichtet die Gesellschaft durch die Begründung einer Freistellungspflicht nicht auf einen Innenhaftungsanspruch. Durch die persönliche Haftung des Organmitglieds hat die Gesellschaft nämlich keinen Schaden erlitten, da das persönliche Bußgeld allein das Organmitglied belastet. Auch wenn also die relevante Handlung – hier der Verstoß gegen eine Norm des Kartellrechts – 107

Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 Rn. 77. Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 Rn. 77; dazu auch Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 115 f. 109 Dazu Teil Teil E. I. 110 Zu den sonstigen spezifischen Fragen der Freistellung von Bußgeldpflichten noch unter Teil E. IV. und G. XIV. 111 Diese wäre dann gerichtet auf Erstattung des Bußgeldbetrags gegenüber dem Organmitglied, also nicht unmittelbar auf Freistellung von der Bußgeldpflicht, was im vorliegenden Zusammenhang aber keine Rolle spielt, s. dazu im einzelnen Teil G. XIV. 112 Es geht bei dem hier zu erörternden Problem also nicht darum, daß auch das Unternehmen nach § 30 OWiG wegen des Handelns des Organmitglieds bußgeldpflichtig werden kann und sodann diesen Schaden im Weg des Organhaftungsanspruchs gegen das Organmitglied geltend machen will, sondern um eine Freistellung im Zusammenhang mit dem nur gegen das Organmitglied persönlich gerichteten Bußgeld. Freilich können Unternehmensbußgeld und persönliches Bußgeld zusammenfallen. Dann ist hinsichtlich der Beurteilung möglicher Freistellungen insoweit zu differenzieren. 108

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

zugleich die Verletzung der Organpflichten nach § 93 Abs. 1 AktG bedeutet, besteht daher insoweit kein Schadenersatzanspruch der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 AktG. Eine wirtschaftliche Belastung der Gesellschaft würde vielmehr erst durch die Freistellungsvereinbarung selbst begründet. Da diese wiederum in einem sachlichen Zusammenhang mit einer Organpflichtverletzung steht, hält die wohl herrschende Ansicht Freistellungsvereinbarungen in solchen Fällen – d.h. bei zugleich vorliegender Organpflichtverletzung – nach dem Rechtsgedanken des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG für unzulässig. Die Gesellschaft würde den Schaden aufgrund der Pflichtverletzung im Innenverhältnis hier in Kauf nehmen,113 was ebenfalls auf einen unzulässigen Haftungsverzicht i.S.v. §§ 93 Abs. 4 S. 3, 116 S. 1 AktG hinauslaufe.114 Gegen diese Betrachtung spricht jedoch, daß die Belastung der Gesellschaft nicht auf der Pflichtverletzung beruht. Es hat zwar eine Organpflichtverletzung stattgefunden, diese resultierte jedoch nicht in einem Schaden der Gesellschaft. Die Belastung beruht vielmehr lediglich auf der Entscheidung des zuständigen Verwaltungsorgans, dem betroffenen Organmitglied den allein bei ihm eingetretenen Schaden zu erstatten. 115 Diesem Gedanken wird nun entgegengehalten, daß er den Regelungszweck des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG verkenne. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG liege die allgemeine Wertentscheidung zugrunde, daß der Gesellschaft durch ein pflichtwidriges Verhalten ihrer Organe kein Schaden entstehen dürfe. 116 Dies rechtfertige den Erst-Recht-Schluß, daß eine freiwillige Vermögensminderung der Gesellschaft nicht in Betracht komme, wenn diese durch eine Organpflichtverletzung veranlaßt sei.117 Es bleibt damit jedoch klärungsbedürftig, ob dieser Rechtsgedanke tatsächlich eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG mit der entsprechenden Nichtigkeitsfolge gebietet. Denn freilich ist im Grundsatz davon auszugehen, daß der Gesellschaft keine Schäden entstehen sollen, die letztlich ihre Ursache in einer Pflichtwidrigkeit des Organmitglieds haben. Dieses Schädigungsverbot ist damit aber zunächst eine Frage der Organpflichten dessen, der bei Ab113

Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 Rn. 81. Im Ergebnis ebenfalls Freistellungsvereinbarungen für diese Fälle ablehnend Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (156); Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 Rn. 81; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 515; Zimmermann, DB 2008, 687 (690 f.); Baums, Gutachten F zum 63. Deutschen Juristentag 2000, F 236; Fleischer, WM 2005, 909 (917); Dreher, in: Festschrift für Konzen, 2006, S. 84 (100 ff.); Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, 1997, S. 183; Kapp, NJW 1992, 2796 (2798 f.); Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555 (572 f.); Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und ‚sonstiges‘ Recht, 1996, S. 364; wohl auch Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, 5. Aufl. 2003, Rn. 522. 115 Gegen die Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG daher Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 137 f. 116 Zimmermann, DB 2008, 687 (690). 117 Zimmermann, DB 2008, 687 (690). 114

II. Die Freistellung und der Verzicht durch den Unternehmensträger

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schluß der Freistellungsvereinbarung für die Gesellschaft handelt und dadurch den Nachteil für die Gesellschaft verursacht. Davon zu trennen ist die Untersuchung der Analogievoraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. Ob das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke damit begründet werden kann, daß „die Freistellung in gleicher Weise wie ein Verzicht eine endgültige Vermögenseinbuße der Gesellschaft darstellt“,118 ist fraglich. Denn aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG folgt nicht, daß alle nachteiligen Rechtsgeschäfte, die zu Vermögenseinbußen der Gesellschaft führen, verboten und ipso iure nichtig sind. Etwas anderes könnte möglicherweise gelten, wenn § 93 Abs. 4 S. 3 AktG die differenzierte Aussage zu entnehmen wäre, daß zwar nachteilige Rechtsgeschäfte mit Dritten wirksam sein sollen, auch wenn hierdurch die Gesellschaft geschädigt wird, die Nichtigkeit aber eintritt, sofern es sich um ein gleichsam internes Rechtsgeschäft mit einem eigenen Organmitglied handelt. Aber auch die Annahme einer solchen internen Nichtigkeitssanktion kann nicht überzeugen. Denn aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ergibt sich ein spezifischer Schutzzweck, der gerade auf den Erhalt des Innenhaftungsanspruchs des § 93 Abs. 2 AktG gerichtet und jenseits einer Analogie für die Fälle der vollständigen oder teilweisen Beseitigung eines solchen Anspruchs durch Rechtsgeschäfte wie die Abtretung ohne entsprechende Gegenleistung nicht verallgemeinerungsfähig ist. Dies folgt nicht nur aus dem Wortsinn, der das Vorliegen eines solchen Anspruchs verlangt, sondern auch in mehrfacher Hinsicht aus der Systematik des Gesetzes. § 93 Abs. 4 AktG ist Teil der Regelungen über das rechtliche Schicksal der Ersatzpflicht. Der Satz 3 des Abs. 4 ist wiederum innerhalb des Abs. 4 in einen Teilkomplex eingebettet, der sich mit der Frage des Nichteintritts der Organinnenhaftung befaßt. Aus der Systematik läßt sich daher zwar eine klare Entscheidung des Gesetzgebers dahingehend herauslesen, daß der Organinnenhaftungsanspruch besonderen Schutz genießen soll. Aus diesem deutlichen aber zugleich spezifischen Schutzgedanken kann dann aber um so weniger gefolgert werden, daß wegen einer Nachlässigkeit des Gesetzgebers hinsichtlich anderer denkbarer Formen von rechtsgeschäftlichen Nachteilen im Zusammenhang mit einer Organpflichtverletzung – wie durch eine an die Organpflichtverletzung kausal anknüpfende Freistellungsvereinbarung – eine planwidrige Regelungslücke in Betreff der Nichtigkeitsfolge besteht. Daß die Nichtigkeitsfolge aus guten Gründen auf Rechtsgeschäfte beschränkt ist, die einen Innenhaftungsanspruch in Fortfall bringen, folgt weiters aus dem spezifischen Schutzbedürfnis dieser Ansprüche. Denn den Verwaltungsorganen ist es nur unter engen Voraussetzungen erlaubt, auf eine Geltendmachung zu verzichten.119 Diese grundsätzliche Pflicht zur Anspruchsdurchset118 119

Zimmermann, DB 2008, 687 (691). BGH, Urteil v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (252) – ARAG.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

zung würde vereitelt, wenn auf den Anspruch zuvor bereits verzichtet werden könnte. Daß der Innenhaftungsanspruch grundsätzlich nicht zur Disposition des zuständigen Verwaltungsorgans stehen soll, folgt rechtssystematisch des weiteren aus den Vorschriften der §§ 147, 148 AktG über die Klageerzwingung bzw. Klagezulassung. Diese Instrumente setzen konstitutiv das Verzichts- und Vergleichsverbot voraus, da die in ihnen enthaltenen Aktionärsrechte leerliefen, wenn der Klageanspruch privatautonom beseitigt werden könnte. Dies alles zeigt, daß das Vergleichs- und Verzichtsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG sowie die bei Verstößen eintretende Nichtigkeitsfolge über § 134 BGB in einem untrennbaren funktionalen Zusammenhang mit der rechtlichen Struktur des Innenhaftungsanspruchs stehen. Deshalb läßt sich § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gerade keine auf das Innenverhältnis bezogene allgemeine Nichtigkeitssanktion für alle Arten nachteiliger Rechtsgeschäfte mit Organmitgliedern entnehmen. Es liegt auch kein Mißbrauch der Vertretungsmacht vor, der zur Unwirksamkeit führt.120 Denn selbst wenn eine Verletzung der Amtspflicht des die Gesellschaft bei Abschluß der Freistellungsvereinbarung vertretenen Organmitglieds gegeben ist, kann dies hier nicht auf die Wirksamkeit durchschlagen, weil andernfalls entgegen dem soeben gefundenen Ergebnis aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ein allgemeines Verbot solcher Vereinbarungen folgen würde. Deshalb kann es für die Einschlägigkeit des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in diesen Fällen auch nicht darauf ankommen, ob die Freistellung vor oder nach Eintritt des Haftungsfalls vereinbart wurde.121 Es gilt für alle diese Fallkonstellationen, daß § 93 Abs. 4 S. 3 AktG weder direkt noch analog einer Freistellungsvereinbarung, die sich auf eine persönliche Außenhaftung des Organmitglieds beschränkt, entgegensteht.

(II.) Die Einhaltung der Organpflichten bei der Entscheidung über eine Freistellung (1.) Das Problem Von der analogen Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in diesen Fällen ist freilich die Frage zu trennen, inwieweit das die Gesellschaft bei Abschluß der Freistellungsvereinbarung vertretende Organmitglied hierbei seinerseits seine 120

So aber Krieger, in: Festschrift für Bezzenberger, 2000, S. 211 (220) So aber wohl Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 138: „Eine vorherige Erstattungszusage an Organmitglieder ist gesellschaftsrechtlich unzulässig, da sie eine – wenn auch vorerst noch bedingte – Vermögensschmälerung als unmittelbare Folge einer pflichtwidrigen Handlung bewirkt. Eine solche Vermögensschmälerung hinzunehmen, ist der Gesellschaft ebenso verwehrt, wie sie die Haftungsvoraussetzungen im voraus nicht abmildern kann.“; Systematisch richtig hingegen Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770 (775). Diese halten Freistellungen bei Geldbußen vor Begehung der Tat zwar ebenfalls für unzulässig, stützen dies aber auf die §§ 134, 138 BGB, nicht hingegen auf § 93 Abs. 4 S. 3 AktG analog. Inwieweit die §§ 134, 138 BGB in diesen Fällen greifen, ist eine allgemeine Frage, die nicht auf Freistellungen durch die eigene Gesellschaft beschränkt ist. Ihr ist in Teil G. XIV. nachzugehen. 121

II. Die Freistellung und der Verzicht durch den Unternehmensträger

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Organpflichten verletzt. Die Ablehnung einer analogen Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG bedeutet also insoweit keinen Freibrief für Freistellungen. Es sind vielmehr im folgenden die Voraussetzungen zu untersuchen, unter denen Freistellungsvereinbarungen in diesen Fällen abgeschlossen werden dürfen. Verletzt das für die Gesellschaft handelnde Organmitglied bei Vertragsschluß seine Pflichten, macht es sich mithin selbst schadenersatzpflichtig. Die Wirksamkeit der Freistellung bleibt indes unberührt.

(2.) Die Organpflichten hinsichtlich der Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen und die Übertragbarkeit der Grundsätze auf die vorliegende Problematik (a) Die allgemeinen Grundsätze nach der ARAG-Rechtsprechung Die Prüfung hat mit der Suche nach gesellschaftsrechtlichen Vorprägungen der diesbezüglichen Pflichtenlage zu beginnen. Auch wenn aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG keine Regelungslücke hinsichtlich einer allgemeinen Nichtigkeitssanktion für Freistellungsvereinbarungen zugunsten von Organmitgliedern, die einer Außenhaftung unterliegen und zugleich ihre Organpflichten verletzt haben, abgeleitet werden kann, so ist die Grundproblematik doch sachlich verwandt mit den Fragen des Schutzes und der Durchsetzung von Organinnenhaftungsansprüchen. Ebenso wie die für die Verfolgung von Innenhaftungsansprüchen zuständigen Organmitglieder nach den ARAG-Grundsätzen prinzipiell zur Geltendmachung verpflichtet sind und davon nur unter besonderen Voraussetzungen im Unternehmenswohl absehen dürfen, kann eine Freistellung bezüglich einer von Organmitgliedern, die zugleich ihre Organpflichten verletzt haben, nur dann in Betracht kommen, wenn dies im Interesse des Unternehmens im Einzelfall geboten ist. Deshalb kann als Ausgangspunkt für die Konkretisierung der Organpflichten insoweit im Kern gleichsam unter umgekehrten Vorzeichen auf die ARAG-Rechtsprechung rekurriert werden.122 Dort hat der BGH bekanntlich geurteilt, daß der Aufsichtsrat die Ansprüche grundsätzlich durchzusetzen habe.123 Mutatis mutandis kann daher die Freistellung von einer Außenhaftung bei Verletzung von Organpflichten ebenfalls nur die begründungsbedürftige Ausnahme sein. Eine Entscheidung des Aufsichtsrats, ob ein Vorstandsmitglied wegen Verletzung seiner Geschäftsführungspflichten auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden soll, erfordert nach den ARAG-Grundsätzen insoweit zunächst die Feststellung des zum Schadenersatz verpflichtenden Tatbestands in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht sowie eine Analyse des Prozeßrisikos und der Beitreibbarkeit der Forderung. Eine Entscheidungsprärogative, die zur Beschränkung 122 123

So auch Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770 (776 f.). BGH, Urteil v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (252) – ARAG.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

der gerichtlichen Nachprüfbarkeit führt, kann der Aufsichtsrat für diesen Teil seiner Entscheidung nach der BGH-Rechtsprechung nicht in Anspruch nehmen. Überträgt man diesen Pflichtengehalt auf die hier zu prüfende Problematik, muß das zuständige Verwaltungsorgan vor Abschluß einer Freistellungsvereinbarung also zunächst die Höhe und die Erfolgsaussichten des in Rede stehenden Außenhaftungstatbestands untersuchen. Eine Pauschalfreistellung kann demnach nicht in Betracht kommen, weil die infolgedessen für die Gesellschaft eintretende wirtschaftliche Belastung nicht prognostizierbar wäre. Folglich ließe sich in diesem Fall auch nicht ermitteln, ob bzw. inwieweit eine Freistellung noch sub specie des Unternehmensinteresses hinnehmbar wäre. Es stellt sich nach den ARAG-Grundsätzen auf der nächsten Stufe die Frage, ob der Aufsichtsrat trotz grundsätzlicher Erfolgsaussichten des Innenhaftungsanspruchs von einer Verfolgung absehen kann. Diese Entscheidung ist allein dem Unternehmenswohl verpflichtet, das grundsätzlich die Wiederherstellung des geschädigten Gesellschaftsvermögens verlangt. Wendet man dieses Prinzip auf die Freistellungsproblematik an, hat das Organmitglied zum Schutz des Gesellschaftsvermögens seine Außenhaftung daher grundsätzlich selbst zu tragen. Eine Freistellung für ein pflichtwidrig handelndes Organmitglied kann analog zu den ARAG-Grundsätzen also nur dann ausnahmsweise in Frage kommen, wenn gewichtige Interessen und Belange der Gesellschaft dafür sprechen, diesen Schaden auf die Gesellschaft zu verlagern. Diese Voraussetzung wird im allgemeinen nur dann erfüllt sein, wenn die Gesellschaftsinteressen und -belange, die dies geraten erscheinen lassen, die Gesichtspunkte, die dagegen sprechen, überwiegen oder ihnen zumindest annähernd gleichwertig sind.124

(b) Die Frage einer möglichen Verschärfung der Organpflichten bei differentialdiagnostischer Berücksichtigung des § 148 Abs. 1 Nr. 4 AktG Was diesen abstrakten Pflichtenmaßstab anbelangt, erhebt sich die Frage, ob eine zumindest annähernde Gleichwertigkeit, wie sie die ARAG-Rechtsprechung verlangt, ausreicht oder ob nicht bei differentialdiagnostischer Betrachtung des § 148 Abs. 1 Nr. 4 AktG sogar „überwiegende Gründe des Gesellschaftswohls“ für eine Freistellungsvereinbarung zu verlangen sind. Für den hier vorliegenden Kontext ist diese Frage – soweit ersichtlich – noch nicht untersucht worden. Die Literatur hat diese These aber in Betreff der Durchsetzung von Organinnenhaftungsansprüchen als Konkretisierung der ARAGGrundsätze geprüft. Träfe sie dort zu, könnte sie möglicherweise auch hinsichtlich des Abschlusses von Freistellungsvereinbarungen im hier gegebenen Zusammenhang Geltung beanspruchen. 124

Vgl. BGH, Urteil v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (252).

II. Die Freistellung und der Verzicht durch den Unternehmensträger

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Nach § 148 Abs. 1 Nr. 4 AktG soll eine Aktionärsklage vorbehaltlich der weiteren Voraussetzungen der Nr. 1 bis 3 möglich sein, sofern der Geltendmachung des Ersatzanspruchs „keine überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohls entgegenstehen“. Der Maßstab ist also insofern enger als die ARAGRechtsprechung, als die Gründe des Gesellschaftswohls „überwiegen“ müssen, und nicht lediglich „zumindest annähernd gleichwertig“ sein. Es stellt sich damit die Frage, ob dieses Kriterium auf die Pflichten des Aufsichtsrats durchschlägt, sofern es sich um Fälle i.S.v. § 148 Abs. 1 Nr. 3 AktG handelt, es also um Schädigungen durch Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung geht. Eine Ansicht im Schrifttum nimmt dies mit der Begründung an, daß hier eine gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck komme, welche außerhalb des § 148 AktG auch die Pflichtenlage des Aufsichtsrats bei solchermaßen qualifizierten Schadenersatzansprüchen präge.125 Es handle sich bei § 148 Abs. 1 Nr. 4 AktG um eine materielle Wertung und nicht lediglich um eine prozedurale Anordnung, weil die Norm auf das Gesellschaftswohl Bezug nehme.126 Der Umstand, daß § 148 Abs. 1 AktG hinsichtlich des Klagezulassungsverfahrens auf ein materielles Kriterium abhebt, bedeutet aber nicht, daß damit dieses auch für Fragen außerhalb des Anwendungsbereichs der Norm gelten soll. Vielmehr hat Nr. 4 im Rahmen von § 148 Abs. 1 AktG nur die Aufgabe, die Voraussetzungen zu regeln, unter denen eine Aktionärsklage in Betracht kommt. Das Kriterium, daß „keine überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohls entgegenstehen“ dürfen, hat insoweit den Zweck, mißbräuchliche Klagen auszuschließen. Davon zu trennen ist dann aber die übergeordnete Frage, unter welchen materiellen Voraussetzungen ausnahmsweise von einer Anspruchsgeltendmachung im Unternehmensinteresse abgesehen werden kann, was sich nach den ARAG-Grundsätzen richtet.127 Auch das OLG Hamburg128 hat daher zu Recht hervorgehoben, § 148 AktG betreffe „eindeutig Prozessrecht“. Die Norm kann schon deshalb die materiellen Pflichten des Aufsichtsrats nicht beeinflussen. Aus § 148 AktG folgt daher keine Verschärfung der Voraussetzungen für ein Absehen von der Anspruchsdurchsetzung. Dann kann dieser 125 So hinsichtlich der Frage der Anspruchsdurchsetzung, also nicht des hier zu untersuchenden Verzichts, Redeke, ZIP 2008, 1549 ff.; Koch, ZGR 2006, 769 (776). 126 Redeke, ZIP 2008, 1549 (1551). 127 Zutreffend K. Schmidt, NZG 2005, 796 (798): „Das Gesetz unterscheidet nunmehr klar zwischen (1.) dem pflichtgebundenen Recht des Vorstands bzw. Aufsichtsrats, Haftungsansprüche nach eigener sachkundiger Beurteilung geltend zu machen (ARAG/Garmenbeck), (2.) der in § 147 AktG geregelten formalisierten Pflicht zur Geltendmachung von Ansprüchen sowie (3.) dem von dieser Regelung nunmehr abgelösten eigenen Verfolgungsrecht (§ 148 AktG). Diese überzeugende Trennung des Verfolgungsrechts von § 147 AktG war bereits von Ulmer vorgeschlagen worden.“ 128 OLG Hamburg, Beschluß v. 19.1.2007 – 11 Wx 33/06, AG 2007, 331 (332); so auch Happ, in: Festschrift für H.P. Westermann, 2008, S. 971 (972).

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

Maßstab erst recht nicht auf die vorliegende Problematik übertragen werden, unter welchen Voraussetzungen eine Freistellung von der Außenhaftung bei zugleich vorliegender Pflichtverletzung im Innenverhältnis in Betracht kommt. Maßgeblich ist somit analog zu den ARAG-Grundsätzen, ob die für eine Freistellung sprechenden Gründe den möglichen Gegengründen „zumindest annähernd gleichwertig sind“.

(c) Die Konkretisierung des Abwägungsmaßstabs für die Fälle der Freistellung Es verbleibt somit die Aufgabe der Konkretisierung dieser allgemeinen Maßstäbe. Der BGH hat für die ARAG-Konstellationen geurteilt, daß Gesichtspunkte, wie negative Auswirkungen auf Geschäftstätigkeit und Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit, Behinderung der Vorstandsarbeit und Beeinträchtigung des Betriebsklimas, berücksichtigungsfähig sind. Demgegenüber darf anderen Faktoren als solchen, die das Unternehmenswohl betreffen, wie etwa der Schonung eines verdienten Vorstandsmitglieds oder dem Ausmaß der mit der Beitreibung für das Mitglied und seine Familie verbundenen sozialen Konsequenzen, nur in Ausnahmefällen Raum gegeben werden. Der Sache nach müssen diese Maßstäbe auch für die Bewertung der Zulässigkeit von Freistellungsvereinbarungen in den hier untersuchten Fallkonstellationen gelten.129 Überwiegende oder annähernd gleichwertige Gründe des Unternehmenswohls in diesem Sinn können etwa vorliegen, wenn ein Unternehmen nach den kartellrechtlichen Kronzeugenprogrammen Bußgeldimmunität erlangen möchte.130 Hierzu muß es mit den Kartellbehörden kooperieren und ihnen alle vorhandenen Informationen über die Zuwiderhandlung zur Verfügung stellen. Vielfach sind die Unternehmen dabei auf die Mitwirkung von Leitungsorganen angewiesen, wenn diese an dem Verstoß eigenhändig beteiligt waren und daher über relevantes Wissen verfügen. Eine uneingeschränkte interne Kooperation dieser Personen in bezug auf den Kronzeugenantrag kann daher über die Gewährung von Bußgeldimmunität entscheiden und liegt folglich im Unternehmensinteresse. Da die betroffenen Vorstandsmitglieder aber infolge der Zuwiderhandlung selbst einem Außenhaftungsrisiko ausgesetzt sein können,131 werden sie mitunter nur unter der Voraussetzung einer diesbezüglichen132 Freistellungsvereinbarung der 129 So auch Krieger, in: Festschrift für Bezzenberger, 2000, S. 211 (219); Hasselbach/ Seibel, AG 2008, 770 (777); Krause, BB-Special 2007, Heft 8, S. 2 (10). 130 Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770 (776). 131 Zu den Einzelheiten der persönlichen Haftung von Organmitgliedern bei Kartellverstößen s. grundlegend Dreher, in: Festschrift für Konzen, 2006, S. 85 ff.; sodann Fleischer, BB 2008, 1070; Bayer, in: Festschrift für K. Schmidt, 2009, S. 85 ff. 132 Soweit es um Organinnenhaftungsansprüche geht, die hier ebenfalls denkbar sind, könnte nur ein Verzicht der Gesellschaft sie von dem Haftungsrisiko befreien. Dieses scheitert aber an einer direkten Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG.

II. Die Freistellung und der Verzicht durch den Unternehmensträger

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Gesellschaft zu einer Kooperation bereit sein. Inwieweit Vorstandsmitglieder nach ihren Organpflichten bereits eine entsprechende Kooperation schulden, durch die sie sich selbst in die Gefahr einer bußgeldrechtlichen Verfolgung bringen können,133 bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung.134 Denn eine solche Rechtspflicht wäre von Seiten der Gesellschaft im Ernstfall ggf. nicht effektiv durchsetzbar; das Unternehmen muß sich aber die sofortige volle Mitwirkung des Organmitglieds sichern, um die mit einem Kronzeugenantrag verbundenen Risiken zu minimieren und die Chancen auf Bußgeldimmunität im Unternehmensinteresse bestmöglich zu wahren. Dies kann dann im Einzelfall den Abschluß einer Freistellungsvereinbarung für die Außenhaftungsfälle erforderlich machen. Umgekehrt kann eine bereits vor Eintritt eines Haftungsfalls pauschal erteilte Freistellung für Außenhaftungsrisiken jedweder Art nach den oben entwickelten Pflichtenmaßstäben nicht zumindest annähernd gleichwertige Gründe im Unternehmenswohl für sich beanspruchen. Dies folgt schon daraus, daß hier der Anlaß und die Höhe der Freistellungspflicht nicht prognostizierbar sind, so daß sich die Gesellschaft einer ungewissen Leistungspflicht aussetzen würde. Deshalb kann schon nicht sinnvoll abgewogen werden, ob die wirtschaftlichen Nachteile durch die Freistellung in concreto die gegen eine Freistellung sprechenden Gründe überwiegen oder ihnen zumindest annährend gleichkommen. Überdies müssen hinsichtlich solcher Freistellungszusagen die allgemeinen rechtlichen Grenzen eingehalten werden, was insbesondere eine undifferenzierte vorweggenommene Freistellung von Geldstrafen und -bußen ausschließt.135 Gleichwohl kann entgegen teilweise vertretener Ansicht nicht davon ausgegangen werden, daß vorweggenommene Freistellungsvereinbarungen damit per se ausscheiden.136 Sofern die Durchführung eines bestimmten Vorhabens, für das herausragende Gründe des Unternehmenswohls sprechen, für ein beteiligtes Organmitglied mit einem besonderen Außenhaftungsrisiko verbunden ist und nicht ausgeschlossen werden kann, daß Fehler bei der Durchführung auch als Verletzung von Organpflichten angesehen werden könnten, muß es zulässig sein, zur Wahrnehmung der Unternehmensinteressen an diesem Vorhaben die Unsicherheiten durch eine auf die Außenhaftung beschränkte und 133 So können im deutschen Kartellbußgeldrecht nach §§ 9, 130 OWiG Bußgelder gegen Organmitglieder verhängt werden. 134 Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770 (774) meinen, hierdurch könne der nemo teneturGrundsatz faktisch außer Kraft gesetzt werden, so daß eine Ausnahme von der Treupflicht des Vorstands für diese Fallkonstellation anzunehmen sei; zweifelnd diesbezüglich Zimmermann, DB 2008, 687 (689). 135 Dazu eingehend unter Teil G. XIV. 136 So hinsichtlich möglicher Geldbußen und -strafen Krieger, in: Festschrift für Bezzenberger, 2000, S. 211 (219 f.); Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770 (775).

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

auf das Vorhaben spezifisch bezogene Freistellungszusage bereits im voraus abzumildern. In die Abwägung sind freilich auch bereits bestehende vertragliche Sicherungsinstrumente wie die D&O-Versicherung einschließlich etwaiger Selbstbehalte einzustellen. Sofern und soweit das Organmitglied über Deckung aus einer D&O-Versicherung verfügt, kann grundsätzlich kein im Unternehmensinteresse liegender Grund mehr für eine zusätzliche Freistellung anerkannt werden.137 Denn hierdurch würde im wirtschaftlichen Ergebnis lediglich der Versicherer entlastet. Die Gesellschaft hat den D&O-Versicherungsvertrag aber gerade auch für diese Haftungsfälle138 im Unternehmensinteresse abgeschlossen und deshalb die Prämienlast getragen. Soweit es um den Sonderfall einer vorweggenommen Freistellung geht und es diesbezüglich an einer Deckung des Außenhaftungsrisikos durch eine Haftpflichtversicherung fehlt, ist folglich auch die Möglichkeit zu prüfen, ob zu vertretbaren Prämien Versicherungsschutz am Markt erhältlich ist. Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann allerdings der Einkauf spezifischer Versicherungsleistungen für diesen Fall wiederum problematisch sein und daher für eine Freistellung sprechen. Sofern eine Freistellung bezüglich der Außenhaftung nach diesen Maßstäben als unzulässig anzusehen ist, bedeutet das jedoch, wie begründet, entgegen der wohl herrschenden Ansicht nicht ihre zivilrechtliche Unwirksamkeit analog § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, sondern lediglich eine Pflichtverletzung und damit potentielle Schadenersatzpflicht des bei Abschluß der Freistellungsvereinbarung für die Gesellschaft handelnden Organmitglieds gem. § 93 Abs. 2 AktG.

2. Die GmbH a) Die Haftungsbefreiung unter § 43 GmbHG aa) Der Verzicht Die Möglichkeiten der vertraglichen Enthaftung im Verhältnis einer GmbH zu ihren Geschäftsführern unterliegen im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Innenhaftungsrecht anderen Regeln als in der Aktiengesellschaft. Im Gegensatz zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erlaubt § 43 GmbHG einen Verzicht auf die Innenhaftung grundsätzlich. Das Gesetz macht nur gem. Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 9b Abs. 1 GmbHG eine partielle Rückausnahme für den Fall der Gläubigerbeeinträchtigung durch Zahlungen entgegen § 30 GmbHG und den Erwerb eigener Geschäftsanteile entgegen § 33 GmbHG. §§ 43 Abs. 3 S. 1 und 2 i.V.m. § 9b 137

So auch Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770 (777). Im Vordergrund stehen zwar Fälle, in denen zugleich ein Innenhaftungsanspruch begründet ist. Die D&O-Versicherung erfaßt aber auch die Außenhaftung. 138

II. Die Freistellung und der Verzicht durch den Unternehmensträger

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AktG gelten ferner analog, wenn Zahlungen entgegen § 64 S. 1 u. 3 GmbHG geleistet werden und sofern der Geschäftsführer wegen einer nach § 43a AktG verbotenen Kreditgewährung oder eines existenzvernichtenden Eingriffs schadenersatzpflichtig ist.139 Schließlich kann der Verzicht auf eine zur Deckung des Stammkapitals erforderliche Schadenersatzforderung gegen einen Geschäftsführer auch als verbotene Auszahlung i.S.v. § 30 AktG anzusehen sein.140 Vorbehaltlich dieser Ausnahmen sind Verzichtsvereinbarungen aber möglich.141 Anders als in der Aktiengesellschaft ist die Haftung der Geschäftsführer wegen Pflichtverletzungen in der GmbH mithin grundsätzlich disponibel. Die Entscheidung der Gesellschaft bei Verzicht oder Vergleich über Ersatzansprüche gegen die Geschäftsführer setzt analog § 46 Nr. 8 GmbHG lediglich einen Gesellschafterbeschluß voraus.142 Dies folgt in einem Umkehrschluß aus § 46 Nr. 8 GmbHG, der einen Gesellschafterbeschluß für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen die Geschäftsführer verlangt.143 Soweit es durch interne Haftungsbefreiungen zu Schmälerungen des Gesellschaftsvermögens kommt, nimmt das Gesetz dies hin.144 Mit Ausnahme der Gegenstände des § 43 Abs. 3 S. 2 GmbHG spräche daher – vorbehaltlich der noch zu beantwortenden Frage nach einer Steuerungsfunktion des Innenhaftungsrechts145 – nichts dagegen, eine uneingeschränkte Verzichtsvereinbarung zu treffen. Dennoch meinen einige Literaturstimmen, daß jeder Verzicht unwirksam sei, soweit der gegenständliche Ersatzanspruch zur Gläubigerbefrie139

Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 47. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 47. 141 Vgl. BGH, Urteil v. 10.2.2008 – II ZR 62/07, NJW-RR 2008 905 (906). 142 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 46 Rn. 60; Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 77 f. 143 Vgl. Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 78. 144 BGH, Urteil v. 7.4.2003 – II ZR 193/02, NZG 2003, 528: „Wie sich aus § 46 Nr. 6, 8 GmbHG ergibt, ist es, solange nicht der Anwendungsbereich des § 43 Abs. 3 GmbHG betroffen ist, Sache der Gesellschafter, darüber zu befinden, ob ein Geschäftsführer wegen etwaiger Pflichtwidrigkeiten zur Rechenschaft gezogen oder ob auf Ansprüche gegen ihn durch Entlastungs- oder Generalbereinigungsbeschluß verzichtet werden soll (vgl. Sen.Urt. …ZIP 2002, 2128 f.). Daß durch den Anspruchsverzicht das Vermögen der Gesellschaft und damit ihr Haftungsfonds im Verhältnis zu ihren Gläubigern geschmälert wird, nimmt das Gesetz hin, soweit nicht der Verzicht auf eine gemäß § 30 GmbHG verbotene Auszahlung an einen Gesellschaftergeschäftsführer hinausläuft (vgl. dazu BGHZ 122, 333, 338; krit. Roth/Altmeppen, GmbHG 4. Aufl. § 43 Rdn. 101 f.) oder gemäß § 43 Abs. 3 GmbHG unverzichtbare Ersatzansprüche zum Gegenstand hat. Sind diese Grenzen zur Zeit des Haftungsverzichts gewahrt, so bleibt es bei dessen Wirksamkeit auch dann, wenn der Schadensersatzbetrag später zur Gläubigerbefriedigung benötigt würde (vgl. Sen.Urt. … a.a.O., S. 2130).“; BGH, Urteil v. 16.9.2002 – II ZR 107/01, NZG 2002, 1170; OLG Stuttgart, Urteil v. 26.5.2003 – 5 U 160/02, GmbHR 2003, 835, 837; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 47. 145 Dazu Teil E. 140

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

digung erforderlich ist.146 Eine Stütze könnte diese Ansicht in den Ausführungen des historischen Gesetzgebers zu § 44 des Entwurfs des GmbHG – dem heutigen § 43 GmbHG – finden. Dort hieß es zum Sorgfaltsmaßstab147 „Ein geringerer Maßstab darf an die Verantwortlichkeit derselben nicht gelegt werden, zumal es sich dabei nicht bloß um die Interessen der Gesellschafter, sondern auch um diejenigen der Gesellschaftsgläubiger handelt. Der Entwurf gestattet deshalb auch keine Abschwächung der gesetzlichen Diligenzpflicht durch den Gesellschaftsvertrag.“148 Der Sorgfaltsmaßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG stellt ausweislich dieser Äußerungen mithin einen Bestandteil des Gläubigerschutzsystems im GmbH-Recht dar.149 Gleichwohl läßt sich daraus nichts gegen die Zulässigkeit eines Verzichts ableiten. Denn dieses gesetzgeberische Anliegen hat im geschriebenen Recht keinen Niederschlag gefunden. § 34 Abs. 1 GmbHG enthält keine entsprechende Regelung. Gegen eine Einschränkung der Dispositionsbefugnis über den Innenhaftungsanspruch durch die Gesellschaft spricht vor allem ein rechtssystematischer Vergleich mit dem AktG. Wenn § 93 Abs. 4 S. 3 AktG für die Aktiengesellschaft hinsichtlich der Verzichtsmöglichkeit eine sehr weitgehende Regelung trifft, § 43 Abs. 3 S. 2 GmbHG für die GmbH hingegen eine abgeschwächte und in bezug auf die betroffenen Haftungstatbestände ausdifferenzierte Vorschrift enthält, kann dem GmbHG gerade nicht ein so umfassendes Verbot der Disposition über die Innenansprüche wie im Aktienrecht entnommen werden. Einige Stimmen wollen jedenfalls § 93 Abs. 5 S. 2 und 3 AktG analog anwenden, so daß ein Verzicht ausscheiden soll, sofern die Ansprüche auf einem gröblichen Sorgfaltsverstoß beruhen.150 Auch diese Meinung kann aber nicht überzeugen,151 da eine planwidrige Regelungslücke angesichts der detaillierten Vorschriften betreffend Verzicht und Vergleich sowohl im Aktien- als auch im GmbH-Recht eben nicht erkennbar ist.152 Der BGH hatte zwar in einem Urteil aus dem Jahr 1999 in bezug auf die Verjährung noch entschieden, daß eine Verkürzung der Verjährungsfrist des § 43 Abs. 4 GmbHG nur insoweit zulässig sei, als der Schadenersatzbetrag zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft nicht erforderlich ist.153 Diese 146 Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. Aufl. 2004, § 43 Rn. 42; Lutter, GmbHR 2000, 301 (311). 147 Vgl. Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, 1997, S. 296. 148 BR-Drucks. 1891, Bd. II, Nr. 94, S. 78. 149 Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, 1997, S. 296. 150 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 43 Rn. 96 f. 151 Wie hier Schneider, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 43 Rn. 264. 152 Vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 47. 153 BGH, Urteil v. 15.11.1999 – II ZR 122/98, NJW 2000, 576; in diesem Sinn hat er auch eine Verkürzung der Verjährungsfristen für Schadenersatzansprüche gegen Gesellschafter als Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats in einer Publikums-GmbH & Co. KG auf drei

II. Die Freistellung und der Verzicht durch den Unternehmensträger

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Rechtsprechung hat der BGH aber ausdrücklich aufgegeben.154 Der BGH hat deshalb ebenfalls zu Recht explizit entschieden, daß es für die Zulässigkeit eines Anspruchsverzichts keine Rolle spielt, ob der Betrag zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist. So ist es nach Ansicht des BGH, „solange nicht der Anwendungsbereich des § 43 Abs. 3 GmbHG betroffen ist, Sache der Gesellschafter, darüber zu befinden, ob ein Geschäftsführer wegen etwaiger Pflichtwidrigkeiten zur Rechenschaft gezogen oder ob auf Ansprüche gegen ihn durch Entlastungs- oder Generalbereinigungsbeschluß verzichtet werden soll (…). Daß durch den Anspruchsverzicht das Vermögen der Gesellschaft und damit ihr Haftungsfonds im Verhältnis zu ihren Gläubigern geschmälert wird, nimmt das Gesetz hin, soweit nicht der Verzicht auf eine gemäß § 30 GmbHG verbotene Auszahlung an einen Gesellschaftergeschäftsführer hinausläuft (…) oder gemäß § 43 Abs. 3 GmbHG unverzichtbare Ersatzansprüche zum Gegenstand hat. Sind diese Grenzen zur Zeit des Haftungsverzichts gewahrt, so bleibt es bei dessen Wirksamkeit auch dann, wenn der Schadensersatzbetrag später zur Gläubigerbefriedigung benötigt würde (…).“155 Anders als im Aktienrecht sind Verzichtsvereinbarungen der GmbH mit ihren eigenen Geschäftsführern daher – vorbehaltlich der noch zu untersuchenden Problematik einer möglichen verhaltenssteuernden Funktion des Organhaftungsrechts – systematisch ohne weiteres möglich.

bb) Die Freistellung Deshalb stellt sich auch in bezug auf Freistellungsvereinbarungen zugunsten von nach außen haftenden Geschäftsführern von vornherein keine mit dem Aktienrecht vergleichbare Problemlage ein. Während dort, wie soeben behandelt, die herrschende Ansicht, welche hier freilich nicht geteilt wird, von einem aus der ratio des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG resultierenden Verbot ausgeht, sofern zugleich Organpflichten verletzt wurden, hat die Gesellschaft im GmbH-Recht insoweit völlige Vertragsfreiheit.

Monate für unzulässig gehalten, BGH, Urteil v. 14.4.1975 – II ZR 147/73, BGHZ 64, 238, wobei er dort auf § 242 BGB rekurrierte wegen der vertragsrechtlichen Ähnlichkeit des Beitritts zur Publikumsgesellschaft mit der Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen. 154 BGH, Urteil v. 16.9.2002 – II ZR 107/01, NZG 2002, 1170; die Aufgabe der Rspr. durch das vorgenannte Urteil ausdrücklich bestätigend BGH, Urteil v. 10.2.2008 – II ZR 62/07, NJW-RR 2008, 905 (906): „Davon abgesehen gilt § 43 III 2 i.V. mit § 9 b I GmbHG ohnehin nur für den Verzicht auf Schadensersatzansprüche wegen Verstoßes des Geschäftsführers gegen die §§ 30 oder 33 GmbHG (vgl. Senat, NJW 2002, 3777 = NZG 2002, 1170 = ZIP 2002, 2128 [2130] zu 3a unter Aufgabe von Senat, NJW 2000, 576 = NZG 2000, 204 = ZIP 2000, 135).“ 155 BGH, Urteil v. 7.4.2003 – II ZR 193/02, NZG 2003, 528; s. auch BGH, Urteil v. 10.2.2008 – II ZR 62/07, NJW-RR 2008, 905 (906).

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

b) Die Haftungsbefreiung fakultativer GmbH-Organe Die gesellschaftsrechtliche Ausgangslage des Haftungsregimes für fakultative GmbH-Aufsichtsräte unterscheidet sich hinsichtlich der Möglichkeiten einer internen Haftungsbefreiung nicht grundlegend von der bezüglich der Geschäftsführung. § 52 Abs. 1 GmbHG ordnet zwar die entsprechende Anwendung der §§ 90 Abs. 3, 4, 5 S. 1 und 2, § 95 S. 1, § 100 Abs. 1 und 2 Nr. 2, § 101 Abs. 1 S. 1, § 103 Abs. 1 S. 1 und 2, §§ 105, 110 bis 114, 116 AktG i.V.m. § 93 Abs. 1 und 2 sowie §§ 170, 171 AktG an. § 93 Abs. 4 AktG gilt aber mithin gerade nicht. Im übrigen unterstellt § 52 Abs. 1 GmbHG die Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen der Gesellschaft zu dem fakultativen Organ ausdrücklich der Privatautonomie der Gesellschafter.156 Unmittelbar einschlägige gesetzliche Verbote stehen einer vertraglichen Haftungsbefreiung für das Außenverhältnis daher ebensowenig entgegen wie das für diese Haftungskonstellation in Betreff der Geschäftsführer der Fall ist.

III. Die Freistellung durch Dritte 1. Das Problem Im Gegensatz zu den in verschiedener Hinsicht problematischen internen Freistellungen bzw. Verzichtsregelungen der Gesellschaft zugunsten ihrer eigenen Organmitglieder werden Freistellungsvereinbarungen der Organmitglieder mit Dritten, seien es Gesellschafter oder gesellschaftsfremde Rechtsträger, grundsätzlich ohne weitere Einschränkungen als zulässig angesehen.157 Zu Recht weisen einige Stimmen aber darauf hin, daß auch solche Freistellungsvereinbarungen mit verschiedenen Strukturprinzipen des Gesellschaftsrechts kollidieren können.158 Ein gesellschaftsrechtlicher Grundsatz, in den eine Freistellung eingreifen kann, ist die Unabhängigkeit der Leitungs- und Kontrollorgane. Den Gesellschaftsorganen ist es nur in bestimmtem Maß gestattet, neben den Interessen der Gesellschaft die Belange anderer Personen, wie beispielsweise diejenigen der Anteilseigner oder kontrollierender Unternehmen, zu verfolgen. Eine unabhängige und am Unternehmensinteresse orientierte Wahrnehmung ihrer 156

„… soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist“. S. nur Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 116 Rn. 8: „Enthaftende Satzungsklauseln oder Vereinbarungen sind unzulässig, Freistellungserklärungen Dritter dagegen erlaubt und gültig.“; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, 5. Aufl. 2003, Rn. 522: „Zulässig sind nur Freistellungen durch Dritte, wobei besonders an Großaktionäre und Kreditinstitute zu denken ist.“ 158 Vgl. Westermann, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 871 ff.; Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 ff. 157

III. Die Freistellung durch Dritte

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Organpflichten kann dadurch gefährdet werden, daß von dritter Seite für bestimmte Verhaltensweisen Freistellungszusagen abgegeben werden. Es besteht dann die Gefahr, daß das Organmitglied seine Handlungen wegen der gewährten Freistellung an den Interessen und Wünschen des Freistellungsschuldners ausrichtet und nicht an denen der Gesellschaft. Freistellungsvereinbarungen könnten auch dann problematische Auswirkungen auf die Verfassung der Gesellschaftsorgane haben, wenn nur einzelnen Organmitgliedern Freistellungsschutz gewährt wird, anderen hingegen nicht, so daß es zu einer Ungleichbehandlung kommt. Dies könnte der Gleichbehandlung und dem Grundsatz der Gesamtverantwortung in den Organen zuwiderlaufen.

2. Die Auswirkungen von Freistellungsvereinbarungen auf den Grundsatz der Unabhängigkeit der Organmitglieder a) Der Aufsichtsrat aa) Die allgemeinen Rechtsgrundsätze (I.) Der Wortlaut des § 111 Abs. 5 AktG § 111 Abs. 5 AktG besagt, daß Aufsichtsratsmitglieder ihre Aufgaben nicht durch andere wahrnehmen lassen können. Dem ist nach dem Sprachsinn auch zu entnehmen, daß Aufsichtsratsmitglieder nicht rechtlichen Weisungen unterworfen werden dürfen.159 Aufsichtsratsmitglieder haben kein imperatives Mandat, sondern führen ihr Amt ähnlich wie politische Abgeordnete eigenständig und in eigener Verantwortung.160 Die Aufsichtsratsmitglieder müssen kraft eigener Willensbildung handeln, was eine Weisungsunterwerfung gegenüber Dritten ausschließt.161 Ihre Handlungen müssen sich dabei aufgrund ihrer organschaftlichen Treuebindung am Unternehmensinteresse ausrichten.162 Auf159

Raiser, ZGR 1978, 391 (394 ff.); Säcker, DB 1977, 1791 (1793); Dreher, JZ 1990, 896

(897). 160 BGH, Urteil v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293 (295 f.) – Hertie: „Gebot persönlicher und eigenverantwortlicher Amtsausübung“; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 15 Rn. 99. 161 Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 Rn. 90; Lutter, in: Festschrift für Fischer, 1979, S. 419 (428); Lutter, in: Festschrift für Duden, 1977, S. 269 ff. 162 BVerfG, Urteil v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/78, 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290 (374); BGH, Urteil v. 28.11.1988 – II ZR 57/88, BGHZ 106, 54 (65); BGH, Urteil v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325 (329); BGH, Urteil v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, BGHZ 83, 144 (149) – Dynamit Nobel; BGH, Urteil v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, = BGHSt 50, 331 ff.– Mannesmann; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, Vorbem. §§ 95 ff. Rn. 13; Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, 1989, S. 45 ff.; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 116 Rn. 5; Fleck, in: Festschrift für Heinsius, 1991, S. 89 (90); Ziff. 5.1. DCGK formuliert insoweit: „Jedes Mitglied des Aufsichtsrats

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

sichtsratsmitglieder dürfen sich daher auch nicht für den Fall der Nichtbefolgung bestimmter Weisungen zur Amtsniederlegung verpflichten.163 Derartige Weisungsbindungen sind zivilrechtlich unwirksam.164 Der Sache nach gilt dies auch für das Aufsichtsorgan der SE. Nach Art. 40 SE-VO überwacht es die Führung der Geschäfte durch das Leitungsorgan. Dies entspricht inhaltlich der Aufgabendefinition des Aufsichtsrats in § 111 Abs. 1 AktG.165 Art. 40 Abs. 1 SE-VO verpflichtet das Aufsichtsorgan im Ganzen. Dadurch wird eine Gesamtverantwortung der Mitglieder begründet, aus der folgt, daß die Überwachungsaufgaben von ihnen persönlich und in Weisungsfreiheit gegenüber Dritten wahrgenommen werden müssen. So kann die Beschlußfassung des Aufsichtsorgans beispielsweise nicht wirksam auf Dritte, insbesondere Ausschüsse, delegiert werden.166 Was mögliche Eingriffe durch Freistellungsvereinbarungen in die Autonomie des Aufsichtsorgans angeht, ist daher im folgenden von denselben Grundlagen auszugehen wie beim aktienrechtlichen Aufsichtsrat.

(II.) Der teleologische und systematische Hintergrund: Interessenpluralismus und Interessenkollision Der Grundsatz der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds gilt aber nicht absolut, sondern bedarf einer teleologischen Konkretisierung. Er steht in Zusammenhang mit der Behandlung von Interessenkonflikten im Aufsichtsrat.167 Denn der Aufsichtsrat ist wie jedes polypersonale Vertretungsorgan durch einen Meinungspluralismus gekennzeichnet, der unterschiedliche Vorstellungen der Mitglieder über die zu ergreifenden Maßnahmen nicht ausschließt, sondern

ist dem Unternehmensinteresse verpflichtet. Es darf bei seinen Entscheidungen weder persönliche Interessen verfolgen noch Geschäftschancen, die dem Unternehmen zustehen, für sich nutzen.“ Das Unternehmensinteresse enthält neben dem Gesellschaftsinteresse – als dem auf den konkreten Fall angewendeten Verbandszweck (Verse, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften, 2006, S. 263) – auch die Interessen anderer am Unternehmen interessierter Gruppen (stakeholder), z.B. die der Arbeitnehmer (Verse, a.a.O., S. 264). Die an der mangelnden Bestimmtheit des Begriffs des Unternehmensinteresses geübte Kritik ist hier nicht zu vertiefen; dazu Verse, a.a.O., S. 264 ff.; Mülbert, ZGR 1997, 129 (147 ff.); Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung der mitbestimmten AG, 1982, S. 77 ff.; Zöllner, AG 2003, 2 (7). 163 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 822. 164 Statt aller Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 822. 165 Drinhausen, in: Van Hulle/Maul/Drinhausen, Handbuch zur Europäischen Gesellschaft, 2007, Teil 5 § 2 Rn. 19. 166 Manz, in: Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft, 2005, Art. 40 Rn. 5. 167 Dazu Kort, ZIP 2008, 717 ff.

III. Die Freistellung durch Dritte

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gerade voraussetzt.168 Innerhalb dieser pluralistischen Ordnung verfügt jedes Mitglied folglich über einen eigenen Entscheidungsspielraum. Hinsichtlich des Umfangs des Entscheidungsspielraums169 kann wiederum danach differenziert werden, ob es sich um Aufgaben handelt, die stärker der eigentlichen Rechtmäßigkeits-, Ordnungsmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle zuzurechnen sind170 oder ob es um den begrenzten Bereich der unternehmerischen Mitwirkungsfunktionen des Aufsichtsrats geht,171 insbesondere die Beratung des Vorstands in Betreff der künftigen Geschäftspolitik172 sowie die Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand, namentlich bei der Prüfung und Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen.173 Im ersteren Zusammenhang ist der Raum für individuelle Interessenakzentuierungen enger als in den letztgenannten Fällen.174 Der Übergang zwischen beiden Polen ist aber fließend; er kann sich von einer reinen Rechtmäßigkeitskontrolle über die Notwendigkeit des Auswechselns eines Vorstandsmitglieds nach § 84 AktG vor übergehend zu einer bestimmte Vorhaben begleitenden Beratung der Unternehmensführung steigern.175 Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 4 S. 1 AktG zwar nicht übertragen werden;176 über § 111 Abs. 4 S. 2 AktG kommen aber Zustimmungsvorbehalte für die Vornahme bestimmter Arten von Geschäften in Betracht. Unternehmerische Entscheidungen, die der Aufsichtsrat zu treffen hat, sind ferner u.a. die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder, der Abschluß und die Kündigung der Anstellungsverträge mit diesen, Beschlußvorschläge an die Hauptversamm168 Vgl. zu dem Aspekt des Interessenpluralismus Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, Vor. § 95 Rn. 10. 169 Grundlegend Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1992. 170 Dazu Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 111 Rn. 6. 171 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 111 Rn. 13; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 1994. 172 BGH, Urteil v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (255) – ARAG: der Aufsichtsrat hat die Tätigkeit des Vorstands „im Sinne einer präventiven Kontrolle begleitend“ mitzugestalten; BGH, Urteil v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127 (130); Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 111 Rn. 5; dazu auch Ziff. 5. 1.1. DCGK und hinsichtlich des Aufsichtsratsvorsitzenden insbesondere 5.2: „Der Aufsichtsratsvorsitzende soll mit dem Vorstand, insbesondere mit dem Vorsitzenden beziehungsweise Sprecher des Vorstands, regelmäßig Kontakt halten und mit ihm die Strategie, die Geschäftsentwicklung und das Risikomanagement des Unternehmens beraten.“; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, Vorbem. §§ 95 ff. Rn. 2; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 820; Dreher, JZ 1990, 896 (899). 173 BGH, Urteil v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (252) – ARAG; zur ausnahmsweisen Mitwirkung des Aufsichtsrats an Maßnahmen der Geschäftsführung. 174 So Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, Vor. § 95 Rn. 10. 175 Hüffer, AktG, 9. Auf. 2010, § 111 Rn. 7. 176 Vgl. aber § 32 MitbestG, wonach für die Ausübung von Beteiligungsrechten die Bindung des Vorstands an Aufsichtsratsbeschlüsse vorgesehen ist, die von den Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre allein gefaßt werden, dazu Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 111 Rn. 16.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

lung, die Einführung eines neuen Vergütungssystems oder die Mitwirkung bei der Feststellung des Jahresabschlusses.177,178 Der Zweck einer effizienten Kontrolle der Unternehmensleitung durch ein polypersonales Kontrollorgan kann angesichts dieser Aufgabenbereiche nur dann erfüllt werden, wenn es den einzelnen Mitgliedern möglich ist, ihre individuelle Vorstellung von den für das Unternehmensinteresse erforderlichen Maßnahmen im Rahmen einer bestimmten Bandbreite an unternehmerisch vertretbaren Entscheidungen einzubringen. Die Beratung des Vorstands oder eine vorübergehende partielle, den Vorstand begleitende Unternehmensleitung sind im Weg des rein gebundenen Gesetzesvollzugs und der bloßen Rechtmäßigkeitskontrolle ohne eigene unternehmerische Entscheidungsspielräume nicht denkbar. Das bringt es aber zwangsläufig mit sich, daß sich die Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen ihrer Entscheidungsbereiche auch von externen Faktoren – z.B. den Interessen herrschender Unternehmen, der Investoren oder der Arbeitnehmer – beeinflussen lassen. Dieser potentielle Interessenkonflikt wird nach gängiger Meinung durch das Postulat eines grundsätzlichen Vorrangs der Gesellschaftsinteressen aufgelöst. Die Entscheidungsfreiheit der Aufsichtsratsmitglieder soll dahingehend eingeschränkt sein, daß eine Berücksichtigung von Drittinteressen nur in begrenztem Umfang zulässig ist.179 Das Handeln der Aufsichtsratsmitglieder habe sich nicht an den Interessen Dritter zu orientieren, sondern zuvörderst an den Belangen der Gesellschaft.180 Relativierend heißt es zwar, das Aufsichtsratsmitglied dürfe auch die Interessen Dritter – insbesondere einer beteiligten Gesellschaft – berücksichtigen.181 Diese dürften aber nicht absolut gesetzt werden, sondern die Gesellschafts- und die Drittinteressen müßten im Wege des gegenseitigen Nachgebens harmonisiert werden.182 Ziff. 5.5.1. DCGK formu177

Lutter, in: Festschrift für Canaris, Bd. II, 2007, S. 245 (251). Dem trägt § 93 Abs. 1 S. 2 AktG Rechnung, der über § 116 AktG anwendbar ist und für unternehmerische Entscheidungen der Aufsichtsratsmitglieder in haftungsrechtlicher Hinsicht die Geltung der Business Judgment Rule anordnet, vgl. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 116 Rn. 8; Lutter, in: Festschrift für Canaris, Bd. II, 2007, S. 245 (251); in diesem Sinn bereits BGH, Urteil v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 – ARAG. 179 Lutter, in: Festschrift für Fischer, 1979, S. 419 (428 f.); Hüffer, AktG, 9. Auf. 2010, § 116 Rn. 4 f. 180 Lutter, in: Festschrift für Fischer, 1979, S. 419 (428); Hüffer, AktG, 9. Auf. 2010, § 111 Rn. 4 f.; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, Vorb. § 95 Rn. 9 ff. 181 Vgl. Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, Vorb. § 95 Rn. 11: „Die Überlegungen…erlauben es, das Prinzip, daß AufsRMitglieder keine Interessenvertreter sind, sondern ein privates Amt auf der Basis ihrer persönlichen und eigenverantwortlichen Beurteilung des Interesses der Gesellschaft ausüben, dahin zu relativieren, daß sie in gewissen Grenzen auch ihre besonderen Loyalitäten in bezug auf die Interessen bestimmter Personen oder Gruppen beachten dürfen…, und damit so einzugrenzen, daß die rechtlichen Anforderungen an AufsRMitglieder nicht jeden Bezug zur Realität verlieren.“ (Hervorheb. im Original). 182 Lutter, in: Festschrift für Fischer, 1979, S. 419 (428 f.); Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 116 Rn. 4 f. 178

III. Die Freistellung durch Dritte

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liert im Einklang mit dieser Sehweise: „Jedes Mitglied des Aufsichtsrats ist dem Unternehmensinteresse verpflichtet. Es darf bei seinen Entscheidungen weder persönliche Interessen verfolgen noch Geschäftschancen, die dem Unternehmen zustehen, für sich nutzen.“ Richtig an diesem Postulat ist, daß hinsichtlich der Grenzen der Einbringung individueller Vorstellungen nach dem oben Gesagten allein auf die Belange des Unternehmens abgestellt werden muß. Es kann hierbei keine Relativierung durch Drittinteressen geben.183 Entscheidungen zum Nachteil der Gesellschaft können nicht durch andere Interessen gerechtfertigt werden. Da das Aufsichtsratsmitglied aber gerade im Bereich der unternehmerisch-mitgestaltenden Fragen über einen Beurteilungsspielraum verfügt, ist vielfach nicht eine bestimmte Auffassung allein mit dem Unternehmensinteresse vereinbar, sondern es kommt eine Bandbreite an Entscheidungen in Frage, die alle unter möglicherweise unterschiedlicher Gewichtung der Vor- und Nachteile, Risiken und Chancen mit ihm in Einklang stünden. Innerhalb dieses Spielraums kann eine Entscheidung des Aufsichtsratsmitglieds sub specie des Unternehmensinteresses nicht zu beanstanden sein, und zwar auch dann nicht, wenn sie durch Drittinteressen motiviert ist. Denn es ist im Hinblick auf die Interessen der Gesellschaft kein Grund ersichtlich, weshalb eine sachlich richtige Entscheidung unzulässig sein soll, bloß weil sie ganz oder zum Teil Drittinteressen Rechnung trägt.184 Die Berücksichtigung von Drittinteressen im Aufsichtsrat ist daher nicht per se schädlich, und das AktG will sie auch nicht prinzipiell ausschließen. Vielmehr ist die Struktur der Aufsichtsratsverfassung rechtlich auf einen Interessenpluralismus, der auch Drittinteressen einbezieht, angelegt. Das wird schon dadurch bestätigt, daß bei Aufsichtsratsmitgliedern vielfach loyale Verbindungen zu anderen Unternehmen bestehen, insbesondere wenn sie bei diesen leitende Positionen bekleiden.185 Sie können in diesen Unternehmen sogar rechtlich dazu verpflichtet sein, auch in Wahrnehmung der Aufsichtsratstätigkeit die Interessen des Unternehmens, bei dem sie angestellt sind, – soweit dies das vorrangige Interesse des kontrollierten Unternehmens zuläßt – zu berücksichtigen.186 Der Umstand, daß § 17 Abs. 2 AktG bei Vorliegen eines Mehrheitsbesitzes die konzernrechtliche Abhängigkeitsvermutung in bezug auf die abhängige Aktiengesellschaft aufstellt, zeigt, daß eine solche externe Beeinflussung der Interessenbildung aktienrechtlich nicht per se zu be-

183 BGH, Urteil v. 21.12.1979 – II ZR 244/78, NJW 1980, 1629 f. – Schaffgotsch; dazu Ulmer, NJW 1980, 1603; RG, Urteil v. 12.10.1940 – II 33/40, RGZ 165, 68 (82 f.); Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 116 Rn. 5. 184 Lutter, in: Festschrift für Canaris, Bd. II, 2007, 245 (247). 185 Vgl. Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, Vor. § 95 Rn. 11. 186 Lutter, in: Festschrift für Fischer, 1979, S. 419 (427); Götz, ZGR 1990, 633 (653 f.); Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, Vor. § 95 Rn. 11.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

anstanden ist.187 Denn eine Abhängigkeitsvermutung bei Mehrheitsbesitz ergibt nur dann Sinn, wenn das Gesetz implizit von einer Wahrnehmung und Durchsetzung vorhandener Loyalitäten der Aufsichtsratsmitglieder zu dem die Mehrheitsbeteiligung haltenden Unternehmen ausgeht.188 Das Aufsichtsratsmandat ist außerdem nach seinem aktienrechtlichen Zuschnitt eine typische189 Nebentätigkeit, was sich nicht zuletzt an der im Gesetz angelegten zeitlichen Begrenzung der Inanspruchnahme nach § 110 Abs. 3 AktG ablesen läßt. Eine Beeinflussung durch Drittinteressen, die aus der Haupttätigkeit herrühren, ist daher im System angelegt.190 Würde man jeden Dritteinfluß auf die Meinungsbildung im Aufsichtsrat ablehnen, bedeutete dies letztlich, daß man die Verhaltensanforderungen des Nebenamts zum Maßstab für das Hauptamt erhöbe. Dies würde nicht nur die Funktion des Nebenamts

187 So wohl auch Lutter, in: Festschrift für Fischer, 1979, S. 419 (427); Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 Rn. 54. 188 Da eine unmittelbare Einflußnahme auf den Vorstand der Aktiengesellschaft an § 76 AktG scheitern würde, kann die Abhängigkeitsvermutung nur eine Kontrolle über den Aufsichtsrat meinen. Im RegE war sogar insoweit noch eine unwiderlegliche Vermutung vorgesehen, abgedr. bei Kropff, AktG, 1965, S. 31 f.; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2004, § 17 Rn. 94. Das Konzernrecht geht also stillschweigend davon aus, daß das kontrollierende Unternehmen den Aufsichtsrat mit Personen besetzt, die seine Interessen verfolgen, vgl. Koppensteiner, in: Kölner Kommentar AktG, 3. Aufl. 2004, § 17 Rn. 95 sowie insbes. 21: „Grundlage der in Abs. 2 ins Auge gefassten Einflussmöglichkeiten ist vielmehr die Erwartung, dass Aufsichtrat und Vorstand den Wünschen des Mehrheitsaktionärs folgen werden, nicht weil sie formell dazu gezwungen werden könnten, sondern weil sie regelmäßig an einer Wiederbestellung interessiert sind. … Es genügt die Wahrscheinlichkeit einflusskonformen Verhaltens, die sich daraus ergibt, dass die Stellung als Organmitglied auf die Dauer vom ‚Wohlverhalten‘ desjenigen abhängt, der die Zusammensetzung der Gesellschaftsorgane bestimmt.“, ferner Rn. 22: „Dahinter steht die tatsächliche Annahme, dass sich Aufsichtsrat und Vorstandsmitglieder mit Rücksicht auf ihre Wiederwahl den Wünschen eines Mehrheitsaktionärs auch dann fügen werden, wenn sie nicht von ihm bestellt wurden.“. 189 Im Ausnahmefall kann es sich – insbesondere beim Mandat des Aufsichtsratsvorsitzenden – aber auch um eine hauptberufliche Tätigkeit handeln, vgl. hierzu Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 16: „Ein Aufsichtsratsmandat, vor allem aber ein Vorsitzmandat ist kein Ehrenamt, sondern eine verantwortungsvolle und hohen Einsatz fordernde Aufgabe. Durch die Aufwertung des Amtes des Aufsichtsratsvorsitzenden wird ein Beitrag zu einer Professionalisierung dieses Amtes geleistet. Es wäre wünschenswert, und im Einzelfall kann es sogar geboten sein, daß der Aufsichtsratsvorsitzende zumindest bei börsennotierten Gesellschaften sich diesem Amt hauptberuflich widmet.“ Dies hinsichtlich der Aufsichtsratstätigkeit im allgemeinen befürwortend auch Bihr/Blättchen, BB 2007, 1285 ff. 190 Begr. RegE Transparenz- und Publizitätsgesetz, BT-Drucks. 14/8769, S. 18: „Da der Aufsichtsrat typischerweise Mitglieder hat, die auch und häufig hauptberuflich in anderen Unternehmen oder Organisationen arbeiten und da folglich ein Interessenkonflikt ganz bewusst im System angelegt ist…“; s. ferner Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 116 Rn. 4; Ulmer, NJW 1980, 1603 (1604); Dreher, JZ 1990, 896 (897); Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (235); Lutter, in: Festschrift für Canaris, Bd. II, 2007, S. 245 (252).

III. Die Freistellung durch Dritte

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falsch bewerten, sondern praktisch dazu führen, daß kaum noch geeignete Personen als Aufsichtsratsmitglieder gefunden werden könnten.191 Aufgrund dessen hat der Aufsichtsrat in der Unternehmenspraxis neben seiner rechtlich zugewiesenen Kontrollaufgabe seit jeher auch den Zweck erfüllt, über personelle Verflechtungen Geschäftsbeziehungen zu Kunden und Lieferanten, aber auch Kontakte zu Wettbewerbern zu verfestigen.192 § 105 Abs. 2 S. 4 AktG sieht eine Bestellung des Repräsentanten eines Wettbewerbers als Aufsichtsratsmitglied sogar vor.193 Auch die Besetzung von Aufsichtsratsmitgliedern durch Politiker ist verbreitet. Wäre jegliche Drittbeeinflussung des Aufsichtsrats unzulässig, käme es zu nicht auflösbaren Interessenkonflikten in der Unternehmensrealität.194 Ein weiterer Aspekt verdeutlicht die grundsätzliche Zulässigkeit der Einbringung von Drittinteressen in den Aufsichtsrat. Die Repräsentation der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat auf Grundlage des Mitbestimmungsrechts soll gerade die Berücksichtigung der Belange der durch diese Mitglieder vertretenen Personengruppen sicherstellen. Da aber nicht davon ausgegangen werden kann, daß der Gesetzgeber durch die Mitbestimmungsgesetze den Grundsatz der Treubindung und damit die Notwendigkeit der Ausrichtung der Aufsichtsratstätigkeit am Unternehmensinteresse aufgeben wollte,195 ist dem Mitbestimmungsrecht zu entnehmen, daß die Berücksichtigung von Partikularinteressen mit dem Unternehmensinteresse nicht unvereinbar sein muß.196 Der BGH geht vielmehr davon aus, daß durch die Mitbestimmung im Aufsichtsrat ein „Widerstreit der Interessen“ herbeigeführt wird, der aber nicht mit dem Unternehmensinteresse kollidiert, sondern vielmehr über dieses als gemeinsamem Maßstab zu einem Ausgleich geführt wird.197

191 Ulmer, NJW 1980, 1603 (1606); vgl. auch Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 Rn. 51. 192 Ulmer, NJW 1980, 1603 (1604). Gegen die Zulässigkeit von Doppelmandaten in den Aufsichtsräten konkurrierender Unternehmen, sofern die Konkurrenzsituation zentrale Kernbereiche betrifft, indes Lutter/Krieger, in der früheren 4. Auflage von: Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 2002, Rn. 21; Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (236 ff.). 193 Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 Rn. 58; OLG Schleswig, Beschl. v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, BB 2004, 1187 (1189). 194 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 828. 195 Ulmer, NJW 1980, 1603 (1604). 196 So wohl auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 828; Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 Rn. 55; vgl. auch Dreher, JZ 1990, 896 (901); Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (235). 197 BGH, Urteil v. 28.11.1988 – II ZR 57/88, BGHZ 106, 54 (65).

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

(III.) Die Notwendigkeit eines Unabhängigkeitspostulats Die Aufsichtsratsstruktur ist also auf die Berücksichtigung von Drittinteressen angelegt. Zugleich sind die Aufsichtsratsmitglieder aber auf das Unternehmensinteresse verpflichtet. Sie dürfen daher eigene oder dritte Interessen nur verfolgen, soweit dies im Interesse der Gesellschaft sachlich noch vertretbar ist.198 Die Durchsetzung von Partikularinteressen im Aufsichtsrat endet dort, wo keine Übereinstimmung mit dem Unternehmensinteresse mehr besteht.199 Es erhebt sich somit die Frage, welchen Zweck § 111 Abs. 5 AktG mit seinem Postulat der Weisungsfreiheit erfüllt. Denn wenn ein Aufsichtsratsmitglied seine Aufgaben durch einen Dritten wahrnehmen ließe oder sich dessen Weisungen unterwürfe, resultierte daraus nicht zwangsläufig ein Konflikt mit dem Unternehmensinteresse. Die Intensität einer Dritteinflußnahme besagt nichts über die Interessengerechtigkeit oder -widrigkeit der durch den Aufsichtsrat getroffenen Entscheidung im Hinblick auf die Belange des Unternehmens. Der stärkste Einfluß ist unschädlich, wenn er zu einer am Unternehmensinteresse ausgerichteten Entscheidung führt. Umgekehrt ist eine in völliger Unabhängigkeit getroffene Entscheidung unzulässig, wenn sie sich nicht mehr innerhalb des durch das Unternehmensinteresse definierten Bereichs an Entscheidungsmöglichkeiten hält. Ohnehin ist der Umfang der Einflußnahme von dritter Seite ein Moment, das sich nicht durch einen justitiablen Maßstab abbilden läßt. Aussagen zum zulässigen Umfang der Berücksichtigung von Drittinteressen müssen zwangsläufig so allgemein ausfallen, daß sie sich nicht als rechtlicher Bewertungsmaßstab eignen. Die Wirkungen einer möglichen Dritteinflußnahme hängen von einer Vielzahl miteinander verbundener Faktoren ab. Beispielsweise kann die wirtschaftliche Abhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds von der Anstellung in einem anderen Unternehmen die Loyalität gegenüber diesem erhöhen. Diese Anreizwirkung kann aber wiederum durch die wirtschaftliche Verbindung mit dem kontrollierten Unternehmen – abhängig von der Vergütung der Aufsichtsratstätigkeit – mitigiert werden.200 Außerdem kann die Gefahr einer Haf198

Fleck, in: Festschrift für Heinsius, 1991, S. 89 (91). Vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, Vorbem. §§ 95 ff. Rn. 13. Deshalb ist es auch richtig, außerhalb enger Grenzen, namentlich bei Beschlüssen über die Befreiung des Mitglieds von einer Verbindlichkeit, über Rechtsgeschäfte der Gesellschaft mit ihm, über die Kandidatur des Aufsichtsratsmitglieds zum Vorstand sowie über seine Abwahl oder Abberufung aus wichtigem Grund, keinen Stimmrechtsausschluß des Aufsichtsratsmitglieds wegen einer möglichen Interessenkollision nach § 136 AktG i.V.m. § 34 BGB analog anzunehmen; Ulmer, NJW 1980, 1603 (1605); vgl. auch Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 Rn. 52, 70. 200 Hinsichtlich der Vergütung kann eine Anbindung an das Unternehmensinteresse gem. § 113 Abs. 3 S. 1 AktG u.a. durch eine Beteiligung am Jahresgewinn gestärkt werden; zu sonstigen erfolgsbezogenen Vergütungsmodellen s. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 113 Rn. 10. Nach Ziff. 5.4.6 Abs.2 DCGK sollen die Mitglieder des Aufsichtsrats neben einer festen eine erfolgsorientierte Vergütung erhalten. 199

III. Die Freistellung durch Dritte

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tung nach §§ 116, 93 AktG das Aufsichtsratsmitglied davon abhalten, entgegen dem Unternehmensinteresse des kontrollierten Unternehmens die Interessen Dritter durchzusetzen. Ferner hängt die Loyalität zu Dritten nicht immer von nachweisbaren wirtschaftlichen oder rechtlichen Bindungen ab, sondern kann auch persönliche Gründe haben, beispielsweise familiäre. Dies alles zeigt, daß sich kein handhabbarer Maßstab finden ließe, um den Grad der zulässigen Intensität einer Drittbeeinflussung hinreichend präzise zu erfassen. Hinzu kommt, daß auch der Maßstab des Unternehmensinteresses ein Begriff mit schwacher grenzsetzender Wirkung ist. Er eignet sich nicht dazu, in der Aufsichtsratspraxis gelegentliche oder gar dauerhaft bestehende Interessenkonflikte präzise aufzulösen und schädigende Drittinteressen verläßlich auszusondern. Und selbst wenn es durch eine weitergehende Konkretisierung des Begriffs des Unternehmensinteresses gelänge, dieses Kriterium handhabbar zu machen, litte die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats unter dem bloßen Prozeß der Lösung von Interessenkonflikten. 201 Auseinandersetzungen darüber, ob eine von Drittinteressen geleitete Maßnahme noch vom Unternehmensinteresse gedeckt ist oder nicht, würde wegen der Funktionseinbußen im Hinblick auf eine effiziente Erledigung der Kontrollaufgaben ihrerseits das Unternehmensinteresse beeinträchtigen. Auch die Schadenersatzpflicht des § 117 Abs. 1 AktG wegen Benutzung des Einflusses auf die Gesellschaft kann Interessenkonflikte nicht effektiv verhindern oder deren Folgen kompensieren. Der Anspruch kann zwar auch eine schädigende Einflußnahme durch ein Aufsichtsratsmitglied erfassen. 202 Er setzt aber eine vorsätzliche Handlung voraus, die in den seltensten Fällen vorliegen wird, abgesehen von dem vielfach nicht nachweisbaren Schaden. 203 Außerdem verlangt die Haftung aus § 117 Abs. 1 AktG die Rechtswidrigkeit der Handlung, die sich nach zutreffender Ansicht nicht bereits aus der Tatbestandsmäßigkeit ergibt,204 sondern erst dann vorliegt, wenn die Maßnahme auf ein Verhalten zielt, das objektiv gegen die Pflichten des beeinflußten Verwaltungsmitglieds gerichtet ist. 205 Eine weitere rechtliche Reaktion auf Interessenkonflikte im Aufsichtsrat könnte darin bestehen, in haftungsrechtlicher Hinsicht für unternehmerische Entscheidungen der Aufsichtsratsmitglieder das Privileg der business judgment 201

Vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 Rn. 72. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 117 Rn. 3. 203 Der Vorsatz muß sich auch auf die Geeignetheit der Handlung zur Herbeiführung eines Schadens beziehen, Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 117 Rn. 7. Die Beweislast hierfür liegt beim Gläubiger, Hüffer, a.a.O. 204 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 117 Rn. 6; a.A. Mayer-Landrut, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 24. Lfg. 2005, § 117 Rn. 6 ff. 205 Vgl. Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 117 Rn. 36; andere Stimmen wollen die Rechtswidrigkeit anhand einer Interessenabwägung bestimmen, Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 117 Rn. 6. 202

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

rule im Weg der teleologischen Reduktion entfallen zu lassen206 oder jedenfalls einzuschränken. 207 Die business judgment rule stellt nämlich eine unwiderlegbare Rechtsvermutung des Inhalts auf, daß das Organmitglied zum alleinigen Wohl der Gesellschaft gehandelt hat.208,209 Die sachliche Grundlage dieser Vermutung ist aber um so mehr eingeschränkt, je stärker sich das betreffende Organmitglied in einem Interessenkonflikt befindet.210 Die Freiheit von Interessenkonflikten ist daher nach teilweise vertretener Auffassung ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, 211 nach anderer überzeugenderer Ansicht führt ein Interessenkonflikt jedenfalls zu einer strengeren gerichtlichen Prüfung der Frage, ob das Organmitglied trotz des Konflikts annehmen durfte, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. 212 Der Rechtsvorteil der Vermutung wird bei Interessenkonflikten also eingeschränkt bzw. nach teilweise vertretener Ansicht entzogen. 213 Dadurch werden die Gefahren von Interessenkonflikten aber nicht beseitigt, sondern es wird nur im Rahmen der 206

Hierzu grundlegend Lutter in: Festschrift für Canaris, Bd. II, 2007, S. 245 ff. Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 15. 208 Lutter in: Festschrift für Canaris, Bd. II, 2007, S. 245 (247); Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 93 Rn. 4c ff. 209 Man kann in der Norm auch eine Tatbestandskonkretisierung zu § 93 Abs. 1 S. 1. AktG sehen, was aber nicht zu anderen Rechtsfolgen führt, Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 11. Entscheidend ist, daß nach beiden Ansichten bereits die Pflichtverletzung entfällt und nicht erst das Verschulden. 210 Begr. RegE UMAG v. 14.3.2005, BT-Drucks. 15/5092, S. 11: „Das Handeln muss dabei ferner unbeeinflusst von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und ohne unmittelbaren Eigennutz sein. Der Geschäftsleiter muss also unbefangen und unabhängig sein. Sondereinflüsse außerhalb des Unternehmensinteresses dürfen die Entscheidung nicht beeinflußt haben, was offensichtlich bei Handeln zum eigenen Nutzen oder zum Nutzen von dem Geschäftsleiter nahestehenden Personen oder Gesellschaften unterstellt werden muss.“; vgl. auch Lutter in: Festschrift für Canaris, Bd. II, 2007, S. 245 (247). 211 Lutter in: Festschrift für Canaris, Bd. II, 2007, S. 245 (247); Lutter, ZIP 2007, 841 (845 f.); vgl. auch Begr. RegE UMAG v. 14.3.2005, BT-Drucks. 15/5092, S. 11: „Das Handeln muss dabei ferner unbeeinflusst von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und ohne unmittelbaren Eigennutz sein. Der Geschäftsleiter muss also unbefangen und unabhängig sein. Sondereinflüsse außerhalb des Unternehmensinteresses dürfen die Entscheidung nicht beeinflußt haben, was offensichtlich bei Handeln zum eigenen Nutzen oder zum Nutzen von dem Geschäftsleiter nahestehenden Personen oder Gesellschaften unterstellt werden muss.“. 212 Denn gutgläubig zum Wohl der Gesellschaft kann auch derjenige handeln, der sich in einem Interessenwiderstreit befindet, diesen aber ausblenden kann, vgl. Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 15. Auch die Begr. RegE UMAG v. 14.3.2005, BTDrucks. 15/5092, S. 11 geht davon aus, daß das Vorliegen eines Interessenkonflikts nicht per se zum Ausschluß der business judgment rule führt, sondern toleriert werden kann, wenn das Organmitglied „… den Interessenkonflikt offen gelegt hat (wie es etwa der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt) und unter diesen Umständen die Annahme gleichwohl zum Wohle der Gesellschaft zu handeln vernünftig und nachvollziehbar erscheint.“ 213 Die Einschränkung der business judgment rule bei Vorliegen eines Interessenkonflikts bedeutet also nicht, daß die Entscheidung pflichtwidrig i.S.v. § 93 AktG war, sondern nur, daß eine Einzelfallprüfung unter Außerachtlassung der Vermutung stattzufinden hat, Lutter in: Festschrift für Canaris, Bd. II, 2007, S. 245 (247). 207

III. Die Freistellung durch Dritte

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haftungsrechtlichen Vermutungsregel der business judgment rule eine sachlich notwendige Einschränkung vorgenommen, die nicht in tatsächlicher Hinsicht verhindern kann, daß sich Interessenkonflikte im Einzelfall doch gegen das Unternehmensinteresse auswirken. Es muß den rechtlichen Strukturen des Aufsichtsrats daher in erster Linie darum gehen, diese Konflikte von vornherein zu vermeiden, 214 anstatt sie zunächst hinzunehmen und sodann einem schwer handhabbaren Konfliktauflösungs- und Kompensationsmechanismus zu unterwerfen. Darin fügen sich auch die Empfehlungen des DCGK ein. Nach Ziff. 5.4.1. DCGK sollen bereits bei der Ernennung zum Aufsichtsratsmitglied potentielle Interessenkonflikte beachtet werden. Gemäß Ziff. 5.5.2. soll ferner jedes Aufsichtsratsmitglied Interessenkonflikte, insbesondere solche, die auf Grund einer Beratung oder Organfunktion bei Kunden, Lieferanten, Kreditgebern oder sonstigen Geschäftspartnern entstehen können, dem Aufsichtsrat gegenüber offenlegen, 215 und nach Ziff. 5.5.3. soll der Aufsichtsrat in seinem Bericht an die Hauptversammlung über aufgetretene Interessenkonflikte und deren Behandlung informieren. Wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds sollen zur Beendigung des Mandats führen. 216 Es gilt also der Grundsatz des Vorrangs der Konfliktvermeidung vor der Konfliktlösung. In diesem rechtlichen Kontext sind § 111 Abs. 5 AktG und der Grundsatz der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds zu sehen. Zwar führt die Bindung an einen Dritten nicht dazu, daß Drittinteressen im Aufsichtsrat tatsächlich geltend gemacht werden und diese mit dem Unternehmensinteresse konfligieren. Daher werden durch den Grundsatz der Unabhängigkeit Interessenkonflikte auch nicht ausgeschlossen. Sie werden durch ihn aber von vornherein abgeschwächt. Denn der Umfang einer möglichen Bindung an Drittinteressen wird insoweit begrenzt, als eine unmittelbare Fremdbestimmung ausgeschlossen ist. Dieser Fremdbestimmungsschutz, den § 111 Abs. 5 AktG verkörpert, greift gerade in den Fällen, in denen ein Einfluß von Drittinteressen und damit das Entstehen von Interessenkonflikten besonders wahrscheinlich ist. Sofern ein Aufsichtsratsmitglied einer Fremdbestimmung unterworfen werden soll, spricht nämlich die tatsächliche Vermutung dafür, daß der bindende Teil sich dadurch Einfluß auf die Tätigkeit im Aufsichtsrat verspricht, und dies zu dem Zweck, seine eigenen Interessen dort geltend zu machen. Das wiederum gilt es unter dem oben angesprochenen Gesichtspunkt der Konfliktprävention zu 214 Vgl. Lutter, ZHR 145 (1981), 224 (234). Im Ergebnis muß aber auch bei dieser Sehweise die Vereinbarkeit mit dem Unternehmensinteresse geprüft werden. 215 Diese Offenlegungspflicht ergibt sich ohnehin aus der organschaftlichen Treupflicht im Aufsichtsrat, vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 Rn. 69. 216 So auch Habersack, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 Rn. 52.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

verhindern. Der aus § 111 Abs. 5 AktG abzuleitende Grundsatz der Unabhängigkeit stellt mithin einen Gefährdungstatbestand dar.

bb) Der Eingriff in den Grundsatz der Unabhängigkeit (I.) Die unbedingte Freistellung gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern Freistellungsvereinbarungen könnten den Grundsatz der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds im beschriebenen Sinn verletzen, wenn sie eine Unterwerfung unter die Weisungen des Freistellungsschuldners als eines Dritten bewirkten. Eine solche faktische Weisungsabhängigkeit würde geschaffen, wenn die von der Freistellungszusage ausgehende Anreizwirkung beziehungsweise spiegelbildlich dazu die von einem Entfallen oder einem Entzug der Freistellung ausgehende abschreckende Wirkung das Aufsichtsratsmitglied dazu veranlassen würde, sich von Weisungen des Freistellungsschuldners abhängig zu machen. Möglicherweise käme eine faktische Weisungsabhängigkeit aufgrund der Freistellung sogar bereits dadurch zustande, daß das Aufsichtsratsmitglied eine „Dankesschuld“ gegenüber dem Freistellungsschuldner empfindet und sich dadurch in seinem Handeln beeinflussen ließe. Die Beantwortung dieser Fragen hängt davon ab, in welcher Konstellation die Freistellung und zu welchen Konditionen sie erfolgt. Zunächst sind daher Freistellungsvereinbarungen, die nicht an Bedingungen oder sonstige Zugeständnisse der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber den Interessen der Freistellungsschuldner gebunden sind, als Grundtypus zu untersuchen. Eine solche Konstellation lag – soweit ersichtlich – bei den Freistellungen durch die Treuhandanstalt vor. Stimmen in der Literatur meinen, daß eine unbedingte Freistellung bei dem Aufsichtsratsmitglied zwar eine Art „Dankesschuld“ gegenüber dem Freistellungsschuldner begründen könne. Diese reiche aber in ihrer Intensität nicht aus, um eine in den Grundsatz der Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder eingreifende Abhängigkeit gegenüber dem Freistellungsschuldner zu schaffen. 217 Es liege in der Natur der Aufsichtsratsverfassung, daß ein Aufsichtsratsmitglied, welches die Erwartungen des Entsendenden 218 oder seiner Wähler enttäusche, mit seiner Abberufung rechnen müsse, 219 so daß die durch eine 217

Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (166 f.). Zur Entsendungsmöglichkeit in der Aktiengesellschaft § 101 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 AktG, in der SE Art. 40 Abs. 2 S. 3, Alt. 1 SE-VO i.V.m. Art. 47 Abs. 4 SE-VO, dazu Drinhausen, in: Van Hulle/Maul/Drinhausen, Handbuch zur Europäischen Gesellschaft, 2007, Teil 5 § 2 Rn. 22. 219 Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (167). Die Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsorgans in der dualistischen SE richtet sich in Ermangelung einer speziellen Vorschrift in der SE-VO nach Art. 52 S. 2 SE-VO i.V.m. § 103 AktG, kann also jederzeit durch Beschluß der Hauptversammlung erfolgen, vgl. Drinhausen, in: Van Hulle/Maul/ Drinhausen, Handbuch der Europäischen Gesellschaft, 2007, Teil 5 § 2 Rn. 25. 218

III. Die Freistellung durch Dritte

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Freistellung geschaffene faktische Bindung a maiore ad minus zu akzeptieren sei. Diese Abhängigkeit überschreite nicht das aktienrechtlich ohnehin in Kauf genommene Maß. 220 Für diese Betrachtung läßt sich anführen, daß durch eine unbedingte Freistellungsvereinbarung keine rechtliche oder wirtschaftliche Bindungswirkung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gegenüber dem Freistellungsschuldner geschaffen wird, weil die Freistellung unabhängig davon sichergestellt ist, ob das Aufsichtsratsmitglied die Interessen des Freistellungsschuldners verfolgt oder nicht. Das Element der „Dankesschuld“ kann keine aktienrechtlich relevante Abhängigkeit begründen. Die tatsächliche Bindungswirkung, die sich daraus ergeben könnte, wäre kaum greifbar. Wie stark ein solcher Faktor im Einzelfall wirkt, hängt von vielen praktisch nicht meßbaren Umständen ab, wie dem Haftungsrisiko oder der Größe des abgedeckten Schadens. Außerdem können weitere nicht quantifizierbare Parameter hinzutreten, wie insbesondere die persönliche Beziehung zwischen Freistellungsgläubiger und -schuldner. Die Annahme einer Einschränkung der Unabhängigkeit durch „Dankesschuld“ wäre daher prinzipiell eine Fiktion. Daran die Unzulässigkeit einer Freistellungsvereinbarung zu knüpfen, würde nicht überzeugen. Es kommt ein rechtssystematischer Einwand hinzu. Wenn allein die aufgrund des Vorteils der Haftungsfreistellung bei dem Aufsichtsratsmitglied erzeugte „Dankesschuld“ dessen Unabhängigkeit in rechtlich relevanter Weise einschränken könnte und zur Unzulässigkeit der Freistellung führen würde, müßte dies für jeden anderen Vertrag ebenso gelten, der eine vergleichbare „Dankesschuld“ gegenüber einem Dritten begründet. Dann wäre der Anstellungsvertrag, den ein Aufsichtsratsmitglied mit einem anderen Unternehmen geschlossen hat, bei dem es seine Haupttätigkeit ausübt – beispielsweise als Vorstand –, ebenfalls unzulässig. Denn diese Vereinbarung hat für die betreffende Person mitunter eine größere wirtschaftliche Bedeutung als eine Freistellung und müßte folglich eine noch größere „Dankesschuld“ begründen. Die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds als Vorstand in einem anderen Unternehmen kann aber nach dem Grundsatz der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds i.S.v. § 111 Abs. 5 AktG nicht beanstandet werden. Wäre dies anders, könnte die Aufsichtsratstätigkeit nur noch als Hauptamt wahrgenommen werden. Dies wäre wiederum mit den Realstrukturen und auch der rechtlichen Konzeption der Aufsichtsratsverfassung nicht zu vereinbaren.

220

Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (167).

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

(II.) Die bedingte und kündbare Freistellungsvereinbarung (1.) Das Setzen spezifischer Handlungsanreize durch bedingte Freistellungen Ein Eingriff in die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds könnte aber in Betracht kommen, wenn die Freistellung an die Bedingung geknüpft wäre, daß der Freistellungsgläubiger sich in einer bestimmten Art und Weise verhält oder Anweisungen des Freistellungsschuldners befolgt. Zwar steht es dem Aufsichtsratsmitglied in diesen Fällen rechtlich frei, sich für eine Verhaltensweise zu entscheiden, die davon abweicht. Faktisch würde durch die Freistellung aber ein Anreiz gesetzt, sich entsprechend den Interessen des Freistellungsschuldners zu verhalten.221 Denn es dräute dem Freistellungsgläubiger, daß er den Freistellungsschutz verliert, wenn er die durch den Freistellungsschuldner gesetzten Bedingungen nicht erfüllt. Es ist daher zu untersuchen, ob diese Anreizwirkung stärker wäre als die von der Freistellung an sich ausgehende „Dankesschuld“. Sollte dies der Fall sein, könnte die Autonomie des Aufsichtsratsmitglieds in einer sub specie § 111 Abs. 5 AktG relevanten Weise eingeschränkt sein. Das Bestreben nach einem Erhalt des Freistellungsschutzes kann das Aufsichtsratsmitglied dazu veranlassen, sich so zu verhalten, daß die den Freistellungsschutz zum Fortfall bringende Bedingung nicht eintritt oder die den Freistellungsschutz begründende Bedingung aufrechterhalten bleibt. Es könnte dadurch zu einer unmittelbaren Verknüpfung der Aufsichtsratstätigkeit mit den in Form der Bedingung gefaßten Verhaltensvorgaben des Freistellungsschuldners kommen. Das Aufsichtsratsmitglied wäre zwar frei, gegen die Bedingung zu handeln und dadurch auf den Freistellungsschutz zu verzichten. Eine solche Betrachtung würde aber dem Kern des Grundsatzes der Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds, wie er in § 111 Abs. 5 AktG angelegt ist, nicht gerecht. Denn es hat sich gezeigt, daß dieser nach dem Wortsinn von § 111 Abs. 5 AktG, seinem Telos und der Systematik der Aufsichtsratsverfassung weit zu verstehen ist und daher auch solche Tatbestände die Unabhängigkeit einschränken, die einem Weisungsrecht in ihrer Wirkung gleichkommen. Der Maßstab ist das erhöhte Risiko, von fremden Interessen abhängig zu werden, dadurch Kollisionen mit dem Unternehmensinteresse wahrscheinlicher zu machen und letztlich die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats durch potentielle Interessenkonflikte zu schwächen. Diese Wirkungen hätte eine bedingte Freistellungsvereinbarung wegen ihrer unmittelbaren Anreizwirkung. Eine bedingte Freistellung kann daher die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds einschränken.222 Ob ein Eingriff vorliegt, hängt freilich von der Ausgestaltung der Bedingungen im einzelnen ab, die im folgenden zu untersuchen sind. 221 222

Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (166 f.). So auch Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (166).

III. Die Freistellung durch Dritte

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(2.) Die Konkretisierung des zulässigen Inhalts einer Freistellungsvereinbarung (a) Die Differenzierung zwischen inhaltlichen und prozeduralen Bedingungen Nach den bisherigen Prüfungsergebnissen müssen zunächst Vorbehalte und Bedingungen, die den Inhalt der Entscheidungen des Aufsichtsratsmitglieds betreffen, als unzulässige Beeinflussung anzusehen sein. Es könnte daher etwa nicht vereinbart werden, daß Freistellungsschutz nur besteht, wenn das Aufsichtsratsmitglied bei seinen Entscheidungen bestimmte Interessen berücksichtigt oder entsprechend den Weisungen Dritter handelt. Hingegen können Bedingungen, die sich nicht auf den Inhalt der Entscheidungen des Aufsichtsratsmitglieds beziehen, sondern auf andere Umstände, die die Aufsichtsratstätigkeit betreffen, keine unzulässige Einschränkung der Autonomie bewirken. Sie entfalten keine Anreizwirkung, die zu einer Kollision mit dem Unternehmensinteresse führt. So wäre die Autonomie beispielsweise nicht in unzulässiger Weise eingeschränkt, wenn die gestellten Bedingungen lediglich den Zweck hätten, das Haftungsrisiko für den Freistellungsschuldner zu reduzieren, indem Sorgfaltsanforderungen für den Freistellungsgläubiger als Bedingungen festgesetzt werden. Unproblematisch wäre daher die Bedingung, daß das Mitglied bei bestimmten Fragen – z.B. steuerrechtlicher Natur – einen Berater ergänzend heranzieht, 223 die Übernahme weiterer Aufsichtsratsmandate oder sonstiger Tätigkeiten mitteilt oder eine Rechtsschutzversicherung für seine Aufsichtsratstätigkeit abschließt. Solche Bedingungen beziehen sich nicht auf den Inhalt der Entscheidung im Aufsichtsrat, sondern betreffen nur die Modalitäten der Wahrnehmung der Aufsichtsratstätigkeit als solche. Die Bedingungen wirken zwar verhaltenssteuernd, aber nicht in einer Weise, die dem Telos des § 111 Abs. 5 AktG und dem Grundsatz der Autonomie des Aufsichtsrats zuwiderläuft.

(b) Die entscheidungsneutralen Risikoausschlüsse Desgleichen kann es nicht zu einem Eingriff in die Unabhängigkeit kommen, wenn die Freistellung bestimmte, in gegenständlicher Hinsicht begrenzte Risikoausschlüsse enthält. So könnten von der Haftungsfreistellung etwa Schadenersatzansprüche wegen strafbarer Handlungen, für vorsätzliche oder grob fahrlässige Schädigungen, 224 für Fehlverhalten bei Entscheidungen über Abfin223 Zur Möglichkeit der Einschaltung von Sachverständigen wie Wirtschaftsprüfern (insoweit freilich in bezug auf den Gesamtaufsichtsrat) s. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 111 Rn. 12. 224 Zur Frage, inwieweit überhaupt Freistellungen für vorsätzliche und grob fahrlässige Schädigungen zivilrechtlich möglich sind noch unter Teil G. III.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

dungen ausscheidender Vorstandsmitglieder oder für Maßnahmen im Zusammenhang mit feindlichen Übernahmen ausgenommen sein. Dadurch wird die Tätigkeit im Aufsichtsrat inhaltlich nicht beeinflußt. Denn der Freistellungsschutz ist nicht an den Inhalt der Entscheidung, sondern den Sachgegenstand geknüpft. Dieser unterliegt aber nicht der Disposition des Aufsichtsratsmitglieds, so daß diesbezüglich keine Einschränkung der Unabhängigkeit begründet wird.

(3.) Die durch den Freistellungsschuldner kündbaren Freistellungsvereinbarungen (a) Die Notwendigkeit einer Differenzierung nach der Art des Kündigungsrechts Davon zu trennen ist die Frage, ob die Kündbarkeit einer Freistellungsvereinbarung ähnliche Abhängigkeiten schaffen kann wie eine unzulässige Bedingung. Soweit dieses Problem in der Literatur erörtert worden ist, wurde ein Eingriff in die Unabhängigkeit verneint. 225 Es ist jedoch fraglich, ob eine Kündigungsmöglichkeit per se unproblematisch ist. Aktienrechtliche Bedenken könnten entstehen, wenn das Aufsichtsratsmitglied dadurch in eine faktische Abhängigkeit zum Freistellungsschuldner geriete, daß es mit der Kündigung der Freistellung rechnen muß, sofern es dessen Interessen zuwiderhandelt oder sich dessen Anweisungen widersetzt. 226 Es ist aber zweifelhaft, ob ein solcher Abhängigkeitstatbestand aktienrechtlich unzulässig wäre. Dagegen ließe sich vorbringen, daß ein Abweichen der Aufsichtsratsmitglieder von den Wünschen der Wähler oder des Entsendenden sogar zur Abberufung führen kann. 227 Die Kündigung einer Freistellungsvereinbarung könnte dann a maiore ad minus aktienrechtlich ebenfalls zu akzeptieren sein. 228 Ein solcher Größenschluß wäre aber problematisch. Zunächst besteht nämlich kein zwingender Gleichlauf zwischen der Abberufungsmöglichkeit und dem Recht zur Kündigung der Freistellungsvereinbarung. Das ist vielmehr nur dann der Fall, wenn die zur Abberufung berechtigten Wähler bzw. Entsender zugleich als Freistellungsschuldner fungieren. Ist Freistellungsschuldner ein gesellschaftsfremder Dritter, kann eine durch die Kündigungsmöglichkeit herbeigeführte Abhängigkeit vom Freistellungsschuldner also nicht mit der Begründung für unbeachtlich erklärt werden, daß zu dieser

225 Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (167): „Ein Recht, die Freistellungsvereinbarung unter der genannten Voraussetzung mit Wirkung für die Zukunft zu beenden, wird man hingegen aktien- und mitbestimmungsrechtlich zu tolerieren haben.“ 226 Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (167). 227 Dazu Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 30. 228 Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (167).

III. Die Freistellung durch Dritte

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Person bereits eine korporative Abhängigkeit durch die Abberufungsmöglichkeit besteht. Selbst wenn aber der Freistellungsschuldner als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter gleichzeitig die Rechtsmacht hat, über die Abberufung des Aufsichtsratsmitglieds zu entscheiden, ist der a maiore ad minus-Schluß rechtssystematischen Einwänden ausgesetzt. Sofern man die Abberufungsmöglichkeit als die stärkste Form der – gesellschaftsrechtlich geduldeten – Einschränkung der Unabhängigkeit ansähe, müßten nämlich neben kündbaren Freistellungsvereinbarungen auch alle anderen Tatbestände, die eine Abhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds herbeiführen, für unbeachtlich erklärt werden. Es wären dann auch direkte Weisungsabreden als wesensgleiches Minus zur möglichen Abberufung anzusehen. Wenn man dies zugrundelegte, wäre der Aufsichtsrat letztlich doch bloß als weisungsabhängige Repräsentanz zu begreifen. Ein solches Verständnis stünde aber wiederum mit § 111 Abs. 5 AktG nicht im Einklang. Es muß folglich zwischen der Möglichkeit der Abberufung bzw. Verweigerung der Wiederwahl als funktionsnotwendigem Element der Aufsichtsratsverfassung einerseits und hinzutretenden, durch schuldrechtliche Vereinbarung begründeten Abhängigkeitstatbeständen andererseits unterschieden werden. Davon geht auch das Gesetz aus, wenn es in § 111 Abs. 5 AktG die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds postuliert, obwohl dieses naturgemäß durch die Möglichkeit seiner Abberufung durch die Aktionäre in seiner Motivationslage nicht völlig autonom ist. Die Kündigungsmöglichkeit der Freistellung ist daher wie die Bedingtheit der Freistellung daraufhin zu untersuchen, ob sie in concreto einen Eingriff in die Autonomie des Aufsichtsratsmitglieds bewirkt. Dies hängt von Art und Inhalt des Kündigungsrechts ab.

(b) Die außerordentlichen Kündigungsrechte Zunächst sind diesbezüglich mögliche außerordentliche Kündigungsrechte in den Blick zu nehmen. Fest steht im Ausgangspunkt, daß § 314 BGB in seinem Kern zwingendes Recht darstellt 229 und daher nicht abbedungen werden kann. Konkretisierungen des außerordentlichen Kündigungsrechts sind hingegen 229

Einhellige Meinung vgl. nur RegBegr. zu § 314 BGB, BT-Drucks. 14/6040, S. 176: „Im geltenden Recht gibt es Vorschriften über die Kündigung aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen vor allem in § 554a für die Miete, in § 626 für den Dienstvertrag und in § 723 für die Gesellschaft. In Rechtsprechung und Rechtslehre ist aber seit langem allgemein anerkannt, dass Dauerschuldverhältnisse auch dann aus wichtigem Grund gekündigt werden können, wenn dies weder gesetzlich noch vertraglich vorgesehen ist. Dieser Rechtsgrundsatz ist in seinem Kern zwingendes Recht; auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen kann er nicht eingeschränkt werden (BGH, NJW 1986, 3134)“; Grüneberg, in Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 314 Rn. 3; Gaier, in: Münchener Kommentar BGB, 5. Aufl. 2007, § 314 Rn. 4; Thomas, ZHR 171 (2007), 684 (706).

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

unproblematisch, wenn sie lediglich das Vorliegen eines wichtigen Grunds im Sinn von § 314 BGB positiv definieren 230 oder zusätzliche Kündigungsgründe schaffen. Zu klären ist, inwieweit solche Kündigungsrechte im Rahmen einer Freistellungsvereinbarung die Autonomie des freigestellten Aufsichtsratsmitglieds einschränken können. Soweit nach den oben geschilderten Grundsätzen eine auflösende Bedingung der Freistellung in Betracht kommt, muß auch die Vereinbarung inhaltsgleicher außerordentlicher Kündigungsgründe möglich sein. Denn motivatorisch bedeutet es keinen Unterschied, ob der Freistellungsschutz durch Bedingungseintritt oder durch Kündigung erlischt. Wenn die Abhängigkeit von bestimmten Bedingungen die Autonomie nicht einschränkt, kann eine solche Wirkung auch nicht von einem an denselben sachlichen Grund anknüpfenden außerordentlichen Kündigungsrecht ausgehen. Die Verletzung von Verhaltenspflichten durch das Aufsichtsratsmitglied, die der Risikobegrenzung dienen, sind daher zulässige Kündigungsgründe. Analog zu den Grundsätzen betreffend bedingte Freistellungsvereinbarungen müssen umgekehrt solche Kündigungsrechte ausscheiden, die nicht auch als Bedingung vereinbart werden könnten. Für das Aufsichtsratsmitglied stellt es keinen Unterschied dar, ob es für den Fall, daß es von Vorgaben des Freistellungsschuldners abweicht, seinen Freistellungsschutz durch Bedingungseintritt verliert oder durch die dann möglich werdende Kündigung seitens des Freistellungsschuldners mit einer Beendigung der Freistellung zu rechnen hat. Außerordentliche Kündigungsrechte, die daran anknüpfen, daß der Freistellungsgläubiger nicht den Weisungen des Freistellungsschuldners folgt, stellen folglich einen Eingriff in die Autonomie des Aufsichtsratsmitglieds dar.

(c) Die ordentlichen Kündigungsrechte Vertraglich vereinbarte ordentliche Kündigungsrechte können wegen einer möglichen Einschränkung der Unabhängigkeit der Organmitglieder ebenfalls problematisch sein, und zwar dann, wenn ihre Wirkungen denen einer die Autonomie einschränkenden auflösenden Bedingung der Freistellungsvereinbarung gleichkommen. Besteht beispielsweise ein vertraglich vereinbartes Recht zur jederzeitigen Kündigung mit sofortiger Wirkung und wird dieses Kündigungsrecht mit der Verpflichtung kombiniert, daß der Freistellungsgläubiger den Freistellungsschuldner vorab über die im Aufsichtsrat zu treffenden Entscheidungen zu informieren hat, wären die Konsequenzen für die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds nicht substantiell anders als bei einem Zustimmungsvorbehalt, der mit einer auflösenden Bedingung verbunden ist. Denn das Aufsichtsratsmitglied müßte in beiden Fällen gleichermaßen mit dem 230 Sester, ZBB 2006, 443 (451); Gaier, Münchener Kommentar BGB, 5. Aufl. 2007, § 314 Rn. 4; Thomas, ZHR 171 (2007), 684 (706 f.).

III. Die Freistellung durch Dritte

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Verlust des Freistellungsschutzes rechnen, wenn es die Interessen bzw. die Vorstellungen des Freistellungsschuldners im Aufsichtsrat nicht umsetzt. Es steht deshalb fest, daß ein ordentliches Kündigungsrecht zwar nicht per se zu beanstanden sein kann, andererseits aber auch nicht so aus ausgestaltet werden darf, daß es zu einem faktischen Abstimmungszwang mit dem Freistellungsschuldner kommt. Ob ein unzulässiger Abstimmungszwang vorliegt, ist mithin eine Frage des zeitlichen Kündigungsschutzes. Die Kündigungsfrist darf nicht so kurz bemessen werden, daß die Kündigungsmöglichkeit faktisch zu einem Kontroll- und Weisungsinstrument des Freistellungsschuldners wird. Der Freistellungsgläubiger muß daher über einen zeitlichen Kündigungsschutz verfügen, der es ihm erlaubt, die unmittelbar anstehenden Entscheidungen zu treffen, ohne daß ihm diesbezüglich ein Entzug der Freistellung droht. 231 Eine Kündigungsfrist von drei Monaten erscheint insoweit angemessen.232

(4.) Die change of ownership-Klausel Näherer Betrachtung bedürfen ferner change of ownership-Klauseln. Wenn der Freistellungsschuldner die Freistellung an die Bedingung233 knüpft, daß die Gesellschaft, dessen Aufsichtsrat der Freistellungsgläubiger angehört, nicht durch einen neuen Anteilseigner übernommen wird, wäre die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds dadurch prinzipiell nicht eingeschränkt. Sofern der Aufsichtsrat aber gerade über Maßnahmen in Zusammenhang mit der Übernahme des Unternehmens zu entscheiden hätte, könnte das anders sein. Dann würde sich das Aufsichtsratsmitglied möglicherweise davon leiten lassen, die 231

So wohl auch Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (167), der dies allerdings nicht als eine Frage der Kündigungsfristen, sondern der ex nunc bzw. ex tunc-Wirkung der Kündigung ansieht und meint: „Klar ist zunächst, daß eine solche Kündigung allenfalls mit Wirkung ex nunc erfolgen kann: Die Freistellung für die bereits eingeleitete, vom Freistellenden nicht gewünschte Maßnahme kann durch die Kündigung der Vereinbarung schon deshalb nicht in Frage gestellt werden, weil andernfalls die Freistellung praktisch vom Einverständnis des Freistellenden abhängig und aus den genannten Gründen bedenklich wäre.“ 232 Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Freistellung an den Zeitpunkt der Pflichtverletzung anknüpft. Ist sie hingegen nach dem claims made-Prinzip ausgestaltet, stellt sie mithin auf den Zeitpunkt der Anspruchserhebung ab, könnte der Kündigungsfrist eine andere Bedeutung zukommen. Hier muß das Aufsichtsratsmitglied nämlich ohnehin damit rechnen, daß Pflichtverletzungen, die erst später – ggf. nach mehreren Jahren – zu einer Anspruchserhebung führen, von einer solchermaßen ausgestalteten Freistellungsvereinbarung nicht mehr erfaßt sind, wenn diese mittlerweile beendet wurde. Es fehlt also an einem vergleichbaren zeitlichen Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung und der Beendigung der Freistellungsvereinbarung. Dennoch kann auch bei einer auf dem claims made-Pinzip basierenden Freistellung durch die Androhung der sofortigen Kündigung ein psychologischer Druck auf das Aufsichtsratsmitglied ausgeübt werden, so daß insoweit ebenfalls eine angemessene Kündigungsfrist zum Schutz vor Eingriffen in dessen Entscheidungsautonomie erforderlich ist. 233 Oder ein entsprechendes Kündigungsrecht.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

Übernahme zu verhindern, um den Freistellungsschutz zu erhalten. Dies spräche dafür, change of ownership-Klauseln in Freistellungsvereinbarungen als unzulässige Einschränkung der Autonomie des Aufsichtsratsmitglieds anzusehen. Hinzu kommt, daß § 33 WpÜG dem Aufsichtsrat für den Fall der feindlichen Übernahme Aufgaben zuweist, die besondere Anforderungen an seine Unabhängigkeit stellen. So bedarf der Vorstand gemäß § 33 Abs. 2 S. 3 WpÜG einer Zustimmung des Aufsichtsrats, wenn er von einer durch die Hauptversammlung erteilten Ermächtigung Gebrauch machen will, Verteidigungsmaßnahmen zu ergreifen.234 Der Aufsichtsrat muß bei dieser Entscheidung das Unternehmensinteresse einerseits und das Aktionärsinteresse daran, von dem Angebot Gebrauch zu machen, andererseits, gegeneinander abwägen.235 Die Objektivität dieser Abwägungsentscheidung könnte beeinträchtigt sein, wenn das Aufsichtsratsmitglied im Fall der Übernahme Gefahr liefe, seinen Freistellungsschutz zu verlieren. Es muß aber auch berücksichtigt werden, daß für eine change of ownershipKlausel auf Seiten des Freistellungsschuldners ein sachlich anzuerkennender Grund streiten kann, wenn mit dem Anteilseignerwechsel für den Freistellungsschuldner die Geschäftsgrundlage für die Freistellung entfällt. Eine solche Konstellation ist gegeben, wenn die Freistellung durch einen Aktionär erteilt wurde, um die Funktionsfähigkeit und Effizienz des Aufsichtsrats seiner Beteiligungsgesellschaft zu verbessern. Sofern der Freistellungsschuldner die Anteile an seiner Gesellschaft veräußert hat, ist für ihn auch die wirtschaftliche Grundlage für die Freistellung entfallen, und er hätte in der Regel bereits ein gesetzliches Kündigungsrecht nach § 314 BGB. 236 Der Umstand, daß ein Allein- oder Mehrheitsgesellschafter als Freistellungsschuldner seine Beteili234

Dazu Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 517. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 517. 236 Hinsichtlich der Frage, inwieweit solche unvorhergesehenen Umstände, wie etwa ein Anteilseignerwechsel, die – hätten sie die Parteien gekannt – bei Vertragsschluß berücksichtigt worden wären, zur außerordentlichen Kündigung berechtigen würden, ist das Verhältnis zwischen dem Recht der Störung der Geschäftsgrundlage des § 313 BGB und der außerordentlichen Kündigung des § 314 BGB zu klären (dazu Gaier, in: Münchener Kommentar BGB, 5. Aufl. 2007, § 314 Rn. 14). Einigkeit besteht darüber, daß eine außerordentliche Kündigung in dieser Fallgruppe sowohl nach § 314 BGB als auch nach § 313 Abs. 3 BGB nur dann in Betracht kommt, wenn eine Störung durch Anpassung des Vertrags an die geänderten Verhältnisse nicht beseitigt werden kann (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 314 Rn. 9; Gaier, a.a.O., § 314 Rn. 14). Nach richtiger Ansicht muß hinsichtlich der Frage der Unzumutbarkeit einer Vertragsanpassung bzw. eines Festhaltens am Vertrag hier der Maßstab des § 314 BGB gelten, der niedrigere Anforderungen stellt als derjenige des Rechts der Störung der Geschäftsgrundlage, da es sich bei dem Kündigungsrecht in bezug auf ein Dauerschuldverhältnis um ein vertragsimmanentes Lösungsrecht handelt (BGH, Urteil v. 26.9.1996 – I ZR 265/95, BGHZ 133, 316 ff.; Grüneberg, a.a.O., § 313 Rn. 14). Dies zugrunde gelegt, kann es dann dahinstehen, ob man das Kündigungsrecht § 314 BGB entnimmt oder § 313 Abs. 3 BGB (für einen Vorrang des § 313 Abs. 3 BGB wohl Begr. RegE BT-Drucks 14/6040, S. 177; für einen differenzierenden Ansatz Gaier, a.a.O., § 314 Rn. 14 und Grüneberg, a.a.O., § 313 Rn. 14). 235

III. Die Freistellung durch Dritte

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gung veräußert, wird prinzipiell ein Festhalten an einer bestehenden Freistellungsvereinbarung unzumutbar machen, jedenfalls wenn die Freistellung inhaltlich nicht beschränkt ist und unentgeltlich gewährt wurde. Eine auflösende Bedingung für den Fall der Anteilsveräußerung zeichnet in solchen Fällen also lediglich die gesetzlichen Rechtsfolgen nach. Die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung oder eines Kündigungsrechts für den Fall der Anteilsveräußerung kann daher keine unzulässige Abhängigkeit des Aufsichtsrats begründen. Sofern Freistellungsschuldner hingegen ein Nichtgesellschafter ist, muß es bei dem Grundsatz bleiben, dass ein ordentliches Kündigungsrecht eine angemessene Kündigungsfrist aufweisen muß, siehe B. III. 2. a) bb) (II.) (3.).

(III.) Der Eingriff in die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats und die Nichtigkeitssanktion (1.) Der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot Soweit nach der bisherigen Prüfung eine Freistellungsvereinbarung mit dem Grundsatz der Unabhängigkeit des Aufsichtsrats kollidiert, etwa wegen einer unzulässigen Bedingung, stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen dies hat. Die Rechtsprechung hat sich dazu – soweit ersichtlich – noch nicht geäußert. Die Literatur vertritt unterschiedliche Standpunkte. Teils werden Freistellungsvereinbarungen mit Dritten ohne Einschränkungen für zulässig und wirksam gehalten. 237 Andere Stimmen meinen hingegen, daß Freistellungsvereinbarungen, die die Autonomie des Aufsichtsrats im oben dargelegten Sinn einschränken, unter gewissen Voraussetzungen unzulässig und damit zivilrechtlich unwirksam seien, wobei die dogmatischen Begründungen variieren. 238 Das Aktiengesetz ordnet jedenfalls nicht explizit die zivilrechtliche Unwirksamkeit solcher Freistellungsvereinbarungen mit Aufsichtsratsmitgliedern an. In Ermangelung einer ausdrücklichen Nichtigkeitssanktion könnte sich die zivilrechtliche Unwirksamkeit aus § 134 BGB nur ergeben, wenn ein gesetzliches Verbot von Freistellungsvereinbarungen mit Aufsichtsratsmitgliedern, welche deren Unabhängigkeit einschränken, existierte. Ein solches spezifisches gesetzliches Verbot gibt es aber nicht.

237

Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 116 Rn. 8. Vgl. Westermann, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 871 ff.; Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 ff.; vgl. auch Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 46; Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, 1997, S. 295 ff. 238

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

(2.) Die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB (a) Der Sittenwidrigkeitsbegriff Die zivilrechtliche Unwirksamkeit könnte mithin aus § 138 BGB folgen, wenn eine Freistellungsvereinbarung, sofern sie in die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds eingreift, als sittenwidrig zu qualifizieren wäre.239 Westermann vertritt diese Ansicht, sofern die Freistellung die Entscheidungsautonomie des Aufsichtsrats untergrabe. 240 Er meint, daß jede Freistellungsvereinbarung unzulässig sei, sofern „nicht aufgrund einer außergewöhnlichen Notsituation (…) ohne eine solche Haftungserleichterung (…) Aufsichtsräte gar nicht qualifiziert besetzt werden können“. 241 Es ist aber zweifelhaft, ob sich die Wirkungen von Freistellungsvereinbarungen unter Begriffe wie „sittenwidrig“242, „verwerflich“243 oder „unbillig“244 subsumieren lassen. Hierfür ist sub specie § 138 BGB entscheidend, ob der Rechtsbegriff der Sittenwidrigkeit auf Kollisionen mit gesellschaftsrechtlichen Strukturprinzipien wie dem Unabhängigkeitspostulat ausgedehnt werden kann. Nach der gängigen Definition ist ein Rechtsgeschäft sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. 245 § 138 Abs. 1 BGB bezieht sich damit einerseits auf die sich aus der Sittenordnung ergebenden Verhaltensanforderungen.246 Andererseits erhebt der Begriff der Sittenwidrigkeit die der Rechtsordnung immanenten rechtsethischen Werte und Prinzipien zum Maßstab für die Beurteilung der Wirksamkeit schuldrechtlicher Vereinbarungen. 247 Daher sind auch Rechtsgeschäfte nichtig, die grundlegende Prinzipien der Rechtsordnung verletzen. 248 Der Rechtsbegriff der Sitten239

§ 242 BGB paßt bereits von der Rechtsfolge nicht, um die Unwirksamkeit von Freistellungsvereinbarungen zu begründen. Die Norm regelt die Art und Weise der Leistungserbringung, also das „Wie“. Sie stellt mithin eine Binnenschranke für die Rechtsausübung dar, berührt aber nicht die Gültigkeit der schuldrechtlichen Rechtsgrundlage, vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 242, Rn. 19; Alff, in: RGRK, Bd. II, 1. Teil, 1976, § 242 Rn. 2 ff. 240 Westermann, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 871 (882, 884, vgl. auch 885 und 887). 241 Westermann, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 871 (887). 242 Westermann, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 871 (882, 884). 243 Westermann, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 871 (885). 244 Westermann, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 871 (887). 245 RG, Urteil v. 15.10.1912 – VII 231/12, RGZ 80, 219 (221); BGH, Urteil v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 (232); BGH, Urteil v. 29.9.1977 – III ZR 164/75, BGHZ 69, 295 (297); BGH, Urteil v. 19.7.2004 – II ZR 217/03, NJW 2004, 2668 (2670); BAG, Urteil v. 1.4.1976 – 4 AZR 96/75, NJW 1976, 1958; Motive II S. 125; Heinrichs, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 138 Rn. 2. 246 Heinrichs, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 138 Rn. 2; ferner Sack, NJW 1985, 761 (767 ff.). 247 Vgl. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 41 Rn. 12 ff.; Hefermehl, in: Soergel, Kommentar BGB, 13. Aufl. Stand März 1999, § 138 Rn. 7; Heinrichs , in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 138 Rn. 3. 248 BGH, Urteil v. 1.10.1976 – V ZR 10/76, BGHZ 68, 1 (4): Verstoß gegen die guten Sit-

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widrigkeit muß in seiner objektiv-normativen Ausprägung aber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Privatautonomie betrachtet werden. Die Nichtigkeitsfolge des § 138 BGB stellt nämlich eine Einschränkung der Vertragsfreiheit dar, bildet also die Ausnahme von der in der Regel den Parteien zukommenden vollständigen Gestaltungsfreiheit ihrer privaten Rechtsbeziehungen. 249 Es kann daher nicht jede privatautonom vereinbarte Abweichung von gesetzlich angelegten Funktionsprinzipien als sittenwidrig eingestuft werden. Andernfalls würde das gesamte Zivilrecht zu zwingendem Recht erhoben, und Haftungsbeschränkungen, Modifikationen von Gewährleistungsansprüchen oder Vertragsstrafen wären per se unzulässig. Eine Sittenwidrigkeit kann daher nur angenommen werden, wenn es sich bei dem in Rede stehenden Rechtsgrundsatz um ein grundlegendes Prinzip der Rechtsordnung handelt und dieses Prinzip nicht nur tangiert oder modifiziert, sondern verletzt wird, d.h. einen Eingriff erfährt, der es praktisch entwertet.250

(b) Die fehlende Geeignetheit des Sittenwidrigkeitsbegriffs zur Beurteilung von Eingriffen in die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds Wendet man diese Maßstäbe auf die vorliegende Frage an, ist zweifelhaft, ob eine Freistellungsvereinbarung, die mit dem Grundsatz organschaftlicher Unabhängigkeit kollidiert, sittenwidrig nach § 138 BGB ist. Man muß sich nämlich die Frage vorlegen, ob § 138 BGB überhaupt der richtige Anknüpfungspunkt für Rechtsfolgen bezüglich Einschränkungen der Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder ist. Die Norm ist zwar offen für die Einbeziehung der Verletzung grundlegender Rechtsprinzipien. In dieser Offenheit liegt aber zugleich der stärkste Einwand gegen eine Ausdehnung auf mögliche Verletzungen des inneren Systems des Gesellschaftsrechts, zu deren Regeln das Unabhängigkeitspostulat gehört. Die Vielseitigkeit des § 138 BGB geht einher mit einer tatbestandlichen Unschärfe, die ein hohes Maß an richterlicher Eigenwertung verlangt. 251 Dem sehr vagen 252 Tatbestand fehlt zugleich der Informationsgehalt, um aus sich heraus einen belastbaren Beurteilungsmaßstab hinsichtlich Fragen der gesellschaftsrechtlichen Binnenorganisation zur Verfügung zu stellen. Der Anwendungsbereich einer Generalklausel hat zwar seine Daseinsberechtigung, ten, wenn „die ordnungspolitischen Ziele des Normgebers“ oder „sonstige tragende Grundsätze der Rechtsordnung oder anerkannte Moralvorstellungen“ durch das Rechtsgeschäft „berührt werden“; BGH, Urteil v. 12.3.1981 – III ZR 92/79, BGHZ 80, 153 (158); BGH, Urteil v. 26.1.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336 (338). 249 Vgl. RG, Urteil v. 17.1.1903 – Nr. 286/02 IV, JW 1903, Beilagen S. 42. 250 Vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 138, Rn. 3. 251 Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982, S. 533 ff. 252 Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982, S. 534.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

„wo sich der Gesetzgeber aus welchen Gründen immer genötigt fühlt, einen Sprung ins völlig Dunkle zu wagen.“253 Er stößt aber dort an seine Grenzen, wo sich der rechtliche Maßstab zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Maßnahme erst aus den speziellen Wertungen des inneren Systems eines Rechtsbereichs ergibt. Die insoweit maßgeblichen rechtlichen Determinanten können nicht aus dem Begriff der Sittenwidrigkeit abgeleitet, sondern nur aus dem speziellen System heraus entwickelt werden. Wenn man an Eingriffe in das innere gesellschaftsrechtliche System über § 138 BGB das Sittenwidrigkeitsverdikt knüpfen wollte, würde die Norm folglich zu einer gehaltlosen und in ihrem Anwendungsbereich nicht mehr steuerbaren reinen Rechtsfolgenanordnung. Ein solches Verständnis würde ihrem Charakter als einer wertprägenden zivilrechtlichen Generalklausel nicht gerecht. Es muß daneben noch folgendes berücksichtigt werden: § 138 BGB soll gemäß seinem Telos als komplementäre Größe neben die Privatautonomie treten. Denn die durch die Privatautonomie vermittelte Befugnis des einzelnen, seine Lebensverhältnisse eigenständig zu gestalten, schließt die Möglichkeit ein, die Vertragsfreiheit zu mißbrauchen. 254 Die Vertragsfreiheit bedarf daher eines Korrektivs in Gestalt einer Generalklausel, die dort eine Haltelinie zieht, wo die Ausübung der Privatautonomie zu Ergebnissen führt, welche mit der Rechts- und Sittenordnung nicht mehr vereinbar wären. Aus dieser absolut-grenzsetzenden Funktion folgt zugleich, daß der Anwendungsbereich des § 138 BGB um so mehr zurücktreten muß, je stärker die Rechtsordnung für bestimmte Sachbereiche differenzierte Regelungen bereithält. Zwar folgt dies nicht aus dem lex specialis-Grundsatz, weil die äußerste Grenze des von der Rechts- und Sittenordnung Akzeptierten sich nicht spezialgesetzlich verschieben läßt, wie dies auch für andere stark wertungsbezogene Tatbestände, wie beispielsweise § 826 BGB, gilt. 255 Es würde aber jede normative Differenzierung gefährdet, wenn Fragen, die aus sich heraus nach den speziellen Regeln wertungsmäßig einzuordnen sind, durch eine Herunterzonung des Sittenwidrigkeitstatbestands mit Mißbräuchen der Privatautonomie auf eine Stufe ge-

253

Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982, S. 534. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 138 Rn. 1. 255 So gilt im Kartellzivilrecht beispielsweise folgendes: Im Verhältnis zu § 823 Abs. 2 BGB stellt § 33 GWB eine lex specialis dar. Ein Subsidiaritätsverhältnis gilt auch gegenüber § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Vgl. BGH, Urteil v. 22.12.1961 – I ZR 152/59, BGHZ 36, 252 (256 f.) – Gründerbildnis (dort zum Verhältnis zwischen UWG und § 823 Abs. 1 BGB); Bornkamm, in: Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 10. Aufl. 2006, Bd. 1, § 33 GWB Rn. 124). Ein Schadenersatzanspruch wegen vorsätzlicher oder sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB ist allerdings nicht nach dem lex specialis-Grundsatz verdrängt und daher neben § 33 GWB einschlägig (BGH, v. 2.4.1964 – KZR 10/62, WuW/E BGH 613 (617) – Werkmilchabzug; Bornkamm, a.a.O.; Kling/Thomas, Kartellrecht, 2007, § 21 Rn. 80). 254

III. Die Freistellung durch Dritte

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stellt würden, die den äußersten Rand des nach der Rechts- und Sittenordnung Zulässigen bereits klar überschritten haben. Soweit die Rechtsordnung für bestimmte vertragliche Institutionen keine speziellen Regeln bereithält, ermöglicht daher § 138 BGB zwar eine Eindämmung der offensichtlichsten Mißbräuche der Privatautonomie. So hat die Rechtsprechung – um einen der prominenten Beispielsfälle für die Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 138 BGB zu nennen – hinsichtlich dauerhafter Bierlieferungsverträge geurteilt, daß diese wegen ihrer völligen zeitlichen Unbegrenztheit die gebundene Partei in übermäßiger Weise in ihrer wirtschaftlichen und gewerblichen Freiheit beschränken und daher mit den Anschauungen des Verkehrs über das, was billig und gerecht ist, nicht mehr im Einklang stehen können. 256 In diesem Kontext ist die Anwendung des § 138 BGB aber notwendig, weil die Rechtsordnung keinen eigenständigen Bewertungsmaßstab257 für die Kontrolle etwaiger Mißbräuche der Vertragsautonomie durch solche langfristigen Bindungen bereithält. Anders im vorliegenden Zusammenhang. Hier hat bereits die Auslegung des § 111 Abs. 5 AktG ergeben, in welchem Umfang die Autonomie des Aufsichtsratsmitglieds für die Funktionsfähigkeit des Organs gewahrt sein muß, und eine Analyse der rechtlichen und faktischen Auswirkungen der verschiedenen Typen von Freistellungsvereinbarungen hat gezeigt, wann ein Eingriff in das aufsichtsrechtliche Unabhängigkeitspostulat vorliegt. Es bedarf also nicht mehr der Heranziehung des Sittenwidrigkeitsmerkmals, um zu erkennen, daß die Privatautonomie sub specie der aktienrechtlichen Wertungen funktionswidrig gebraucht wird, wenn Freistellungsvereinbarungen getroffen werden, die die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds einschränken. Es ist vielmehr allein zu untersuchen, ob sich aus den diesbezüglich maßgeblichen aktienrechtlichen Wertungsprinzipien die Nichtigkeitsfolge unmittelbar ableiten läßt. Dazu bedarf es nicht des § 138 BGB. Denn der Umstand, daß eine vertragliche Konstellation nicht unter ein ausdrückliches gesetzliches Verbot fällt, bedeutet nicht, daß sie nicht zu beanstanden wäre, sofern sie nicht sittenwidrig ist. Vielmehr kann über die Wirksamkeit erst eine abschließende Aussage getroffen werden, wenn sich unter Prüfung anderer zivilrechtlicher Einwendungstatbestände und Heranziehung der Methoden zur ergänzenden Rechtsfortbildung kein Ansatzpunkt für eine Nichtigkeitssanktion ergibt. Der Vorteil dieses Ansatzes liegt darin, daß die Rechtsfolge aus dem rechtlichen Strukturtypus abgeleitet und damit auf Grundlage eines erheblich größeren Informationsgehalts gewonnen wird als bei einer Lösung anhand des konturlosen Sittenwidrigkeitsbegriffs. 256 BGH, Urteil v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 (297 ff.); BGH, Urteil v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, WM 1973, 1360. 257 Das Kartellrecht soll dabei im Beispiel der Bierlieferungsverträge außer Betracht bleiben.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

(3.) Die Überlagerung des Schuldrechts durch gesellschaftsrechtliche Wertungen (a) Die aktienrechtlichen Verbotsvorschriften Es ist also zu prüfen, ob die Unwirksamkeit von Freistellungsvereinbarungen, welche die Autonomie des Aufsichtsrats einschränken, aus dem aktienrechtlichen System selbst folgt. Eine die Autonomie einschränkende Freistellungsvereinbarung wäre zunächst zivilrechtlich unwirksam, wenn sie gegen zwingendes Aktienrecht verstieße. § 23 Abs. 5 S. 1 AktG erklärt, daß die Satzung von den Vorschriften des Aktiengesetzes nur abweichen kann, wenn dies ausdrücklich zugelassen ist. Die Norm bezieht sich aber nur auf Satzungsvereinbarungen, nicht auf sonstige schuldrechtliche Abreden, 258 so daß der zwingende Charakter des Aktiengesetzes über § 23 Abs. 5 AktG für die hier vorliegende Frage kein unmittelbarer Maßstab ist.

(b) Das Umgehungsverbot Trotzdem haben Stimmen in der Literatur postuliert, daß Freistellungsvereinbarungen, soweit sie die Unabhängigkeit der Organe einschränken, wegen dieser Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz der Unabhängigkeit als gesellschaftsrechtlichem Strukturprinzip der Unwirksamkeit anheim fallen. 259 Die Vertreter dieser Ansicht gehen davon aus, daß die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats als gesellschaftsrechtliche Wertung das Schuldrecht überlagert, auf die Freistellungsvereinbarung „durchschlagen“ könne und auf diese Weise der Privatautonomie Grenzen setze.260 Die gesellschaftsrechtlichen Ordnungsprinzipien strahlten mithin auf flankierende schuldrechtliche Abreden aus. 261 Ein möglicher Ansatz, um eine solche Überlagerung des Schuldrechts mit der gesellschaftsrechtlichen Wertung des Unabhängigkeitspostulats zu begründen, wäre ein Rückgriff auf ein zivilrechtliches Umgehungsverbot. Freistellungsvereinbarungen, die zu einer Abhängigkeit vom Freistellungsschuldner führen, könnten als Umgehung des Unabhängigkeitspostulats im Sinn des § 111 Abs. 5 AktG anzusehen und daher nichtig sein. Rechtsprechung und Literatur haben in verschiedenen Zusammenhängen die Ansicht vertreten, daß ein Rechtsgeschäft, welches darauf abzielt, eine Wirkung herbeizuführen, die derjenigen gleichkommt, die durch ein verbotenes Rechtsgeschäft erreicht werden kann, 258 Schuldrechtliche Nebenabreden, die sich auf Rechtsverhältnisse der Gesellschafter untereinander oder im Verhältnis zu der Gesellschaft beziehen und parallel zur Satzung bestehen, werden nicht von § 23 Abs. 5 AktG erfaßt, vgl. Röhricht, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 7. Lfg. 1996, § 23 Rn. 238. 259 Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (161 insbes. 163 f.). 260 Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (163). 261 Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (163); ferner zu dieser Ausstrahlungswirkung: Habersack, ZHR 164 (2000), 1 (8 ff.).

III. Die Freistellung durch Dritte

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zivilrechtlich unwirksam sei. 262 Auch in bezug auf die Kollision schuldrechtlicher Vereinbarungen mit gesellschaftsrechtlichen Prinzipien hat die Rechtsprechung bisweilen die Einschlägigkeit eines solchen Umgehungsverbots angedeutet. 263 Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, ist aber fraglich, ob die fraus legis264 als eigenständiges Rechtsinstitut anzuerkennen ist,265 was auch für den vorliegenden Zusammenhang gilt. Zwar ist das Verbot der Gesetzumgehung teilweise ausdrücklich geregelt, so in § 306a BGB für das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Methodisch ist der Gedanke aber verfehlt, so daß derartige Vorschriften als mißglückt anzusehen sind und für ein eigenständiges Rechtsinstitut der unzulässigen Gesetzesumgehung außerhalb der gesetzlich ausdrücklich geregelten Bereiche nichts spricht. Mehrere Gründe lassen sich vielmehr dagegen anführen, ein Umgehungsverbot als methodische Kategorie anzuerkennen, 266 namentlich die Notwendigkeit eines subjektiven Umgehungselements, das die Gefahr einer Ungleichbehandlung begründet, und die Nachweisschwierigkeiten bezüglich einer Umgehungsabsicht. Hinzu kommen die systematischen Einwände, wonach der Gedanke der Gesetzesumgehung in den Kategorien der Analogie und teleologischen Reduktion bzw. Extension aufgeht, so daß für die Schaffung einer weiteren Gruppe kein Bedarf besteht.

(c) Die gesellschaftsrechtliche Institutionenbildung Wenn auch die Gesetzesumgehung als Rechtsfigur abzulehnen ist, bedeutet dies nicht, daß die dem Aktienrecht zu entnehmenden Wertungen für die Beurteilung schuldrechtlicher Vereinbarungen schlechthin unbeachtlich sind. Vielmehr müssen diese daraufhin untersucht werden, ob sich aus ihnen ein geschlossenes Konzept ergibt, das zwingenden Charakter besitzt und entgegenstehende schuldrechtliche Vereinbarungen überlagern kann. Die Entwicklung allgemeiner Rechtsprinzipen auf Grundlage der lex lata ist erforderlich, um im Weg der rechtsdogmatischen Konsolidierung zu geschlossenen Konzepten innerhalb der rechtlichen Rahmenordnung zu gelangen. Bei diesem – keineswegs exklusiv den Gerichten, sondern auch der Rechtswissenschaft zukommenden – Fortbildungs262 BGH, Urteil v. 28.11.1953 – 2 ZR 203/52, BGHZ 11, 124 (127); BGH, Urteil v. 13.1.1972 – VII ZR 81/70, BGHZ 58, 60 (66): „ … in Wahrheit der Umgehung des § … dient, deswegen nichtig ist …“; BGH, Urteil v. 5.11.1980 – VIII ZR 230/79, BGHZ 78, 318 (325); BGH, Urteil v. 11.6.1980 – IVa ZR 182/81, BGHZ 87, 309 (313 f.); Hay, Internationales Privatrecht, 2. Aufl., S. 153. 263 Vgl. RG, Urteil v. 11./18.6.1914 – VI 135/14, RGZ 85/170, 173; BGH, Urteil v. 28.11.1953 – 2 ZR 203/52, BGHZ 11, 124 (127). 264 Zu diesem Begriff Teichmann, JZ 2003, 761 (764). 265 Oben B II. 1. b). 266 Teichmann, JZ 2003, 761 (765 f.), ders. Die Gesetzesumgehung, 1962, S. 105; Wilhelm, ZHR 167 (2003), 520 (521 f.).

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

auftrag geht es um die Herausbildung gesellschaftsrechtlicher Institutionen, 267 d.h., wie Teichmann schreibt, um die Notwendigkeit, „Rechtsinstitute kraft objektiven Rechts“ anzuerkennen, also „festliegende Rechtsformen, die wegen ihrer Ausrichtung an gemeinsamen Ordnungszwecken von der Parteiautonomie nicht aufgebrochen werden können“.268 Eine Institutionalisierung bedeutet eine Verfestigung und damit Beseitigung der Vertragsfreiheit durch vorgegebene und als solche zu übernehmende Strukturen. Der Prozeß der Institutionalisierung ist somit ein Erstarrungsvorgang, der zum Entstehen von nicht dispositiven Rechtsgrundsätzen führt, die auf dem durch den Gesetzgeber geschaffenen zwingenden Recht und den ihm zu entnehmenden Wertungsprinzipien beruhen. Auf dieser Grundlage läßt sich mit Habersack das Verhältnis von Gesellschaftsrecht und Schuldrecht hier als eine „Überlagerung der schuldrechtlichen durch die korporative Ebene“269 charakterisieren. Deshalb ist zu klären, ob der Grundsatz der Unabhängigkeit ein solches allgemeines und zwingendes gesellschaftsrechtliches Wirkungsprinzip darstellt, das in § 111 Abs. 5 AktG nur unvollkommen Ausdruck gefunden hat. Wie oben bereits dargelegt, dient die Autonomie der Aufsichtsratsmitglieder dazu, bereits die Entstehung von Interessenkonflikten im Aufsichtsrat zu verhindern und dadurch die Funktionsfähigkeit des Organs zu sichern. Das Unabhängigkeitspostulat steht somit in einem funktionalen Zusammenhang mit den anderen rechtlichen Institutionen zur Konfliktlösung, wie dem Grundsatz der Stimmenthaltung bei Entscheidungen in eigener Sache, der Pflicht zur Offenlegung von konkreten Interessenkonflikten nach Ziff. 5.5.2 DCGK sowie dem Schadenersatzanspruch des § 117 AktG. Es ist ein funktionsnotwendiges Präventionselement, weil die übrigen genannten Mechanismen die Aufsichtsratsverfassung vor Beeinträchtigungen durch Interessenkonflikte nicht hinreichend schützen könnten.270 Deshalb ist die Privatautonomie insoweit eingeschränkt, als Vereinbarungen mit dem Grundsatz der Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder kollidieren würden, weil diesem der Rang zwingenden Rechts zuzuschreiben ist. Rechtsgeschäfte, die eine solche Kollision auslösen, sind unwirksam.271 Dieses Ergebnis wird durch einen Typenvergleich mit anderen unter dem Gesichtspunkt des Unabhängigkeitspostulats behandelten Fällen bestätigt. Im Weg der Institutionenbildung wurde dieses Prinzip bereits in bezug auf andere Fallkonstellationen von der normativen Grundlage des § 111 Abs. 5 AktG gelöst und die dahinter stehende Wertung zu einem allgemeinen Grundsatz verdichtet, so dass sich ein eigenständiger gesellschaftsrechtlicher Typus des 267 Grundlegend K. Schmidt, in: Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, 1990, S. 1 (14, 20, 24, 32); ders., Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 3 III 2. (S. 53 f.). 268 Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S. 14. 269 Habersack, ZHR 164 (2000), 1 (16). 270 Dazu oben III. 2. a) aa). 271 Vgl. Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (164).

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Eingriffs in das organschaftliche Unabhängigkeitspostulat entwickelt hat. So werden Stimmbindungsverträge und Vertragsstrafenversprechen des Aufsichtsratsmitglieds als mit § 111 Abs. 5 AktG unvereinbar und daher zivilrechtlich unwirksam angesehen. 272 Desgleichen soll Vereinbarungen die rechtliche Anerkennung zu versagen sein, durch die sich ein Aufsichtsratsmitglied verpflichtet, seine Stimme nach Weisung eines anderen abzugeben. 273 Die insoweit entwickelten Eingriffstypen kennzeichnen sich mithin allesamt dadurch, daß auf dem Weg schuldrechtlicher Vereinbarung mit Dritten die Entstehung von Interessenkonflikten im Aufsichtsrat durch Beschränkung der Autonomie der Aufsichtsratsmitglieder wahrscheinlicher gemacht wird. Die den Typus der vertraglichen Einschränkung der Unabhängigkeit kennzeichnenden Züge sind sowohl in den Fällen der Stimmbindungsverträge oder Vertragsstrafenversprechen als auch bei den in die Autonomie eingreifenden Freistellungsvereinbarungen vorhanden. Die Abhängigkeitstatbestände können zwar in verschiedenen Stärkegraden auftreten, beispielsweise dadurch, daß die inhaltliche Reichweite hinsichtlich der betroffenen Beschlußgegenstände oder die Intensität der Einwirkungsmöglichkeiten auf das Aufsichtsratsmitglied variieren. Daß die kennzeichnenden Züge in unterschiedlichen Stärkegraden auftreten, hindert aber nicht die Zuordnung zu einem gemeinsamen Typus.274

b) Der Vorstand aa) Die unabhängige Aktiengesellschaft Ebenso wie die Aufsichtsratsmitglieder handeln auch die Vorstandmitglieder unabhängig und in eigener Verantwortung.275 Dies folgt unmittelbar aus § 76 Abs. 1 AktG. 276 Es besteht kein auftragsähnliches Rechtsverhältnis zwischen dem Vorstand und den einzelnen Aktionären 277 oder der Hauptversammlung. 278 Nach Art. 39 SE-VO führt auch das Leitungsorgan der SE die Geschäfte

272 Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (161) unter Bezugnahme auf Oetker in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1992, § 25 MitbestG Rn. 27; Raiser, MitbestG, 3. Aufl. 1998, § 25 Rn. 122; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 2. Aufl. 2006, § 25 Rn. 79. 273 Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 Rn. 90; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 2. Aufl. 2006, § 25 Rn. 79. 274 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 302 f. 275 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Auf. 2008, Vor § 76 Rn. 40; Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 19. Lfg. 2003, § 76 Rn. 41. 276 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 76 Rn. 10 ff. 277 BGH, Urteil v. 30.3.1967 – II ZR 245/63, NJW 1967, 1462; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 76 Rn. 10; ders. ZIP 1996, 401 (404); Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 19. Lfg. 2003, § 76 Rn. 42. 278 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 76 Rn. 10; ders. ZIP 1996, 401 (404); Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 19. Lfg. 2003, § 76 Rn. 42.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

in eigener Verantwortung. Inhaltlich entspricht dies dem Unabhängigkeitspostulat des Vorstands der Aktiengesellschaft nach § 76 Abs. 1 AktG. 279 Eine entsprechende Weisungsunabhängigkeit besteht auch für das Verwaltungsorgan der monistischen SE nach Art. 43 Abs. 1 S. 1 SE-VO. 280 Was die Autonomie der Leitungs- bzw. Verwaltungsorganmitglieder der SE anbelangt, gilt daher im folgenden dasselbe wie in bezug auf den Vorstand der Aktiengesellschaft. Die Leitungsorganmitglieder sind weder alleinige Interessenvertreter der Aktionäre noch der Arbeitnehmer noch ausschließliche Repräsentanten öffentlicher Belange.281 Wie auch die Aufsichtsratsmitglieder, müssen sie ihre Handlungen aufgrund ihrer organschaftlichen Treubindung am Unternehmensinteresse ausrichten. Die Belange der Anteilseigner und Arbeitnehmer sowie ggf. öffentliche Interessen sind – ohne daß insoweit eine bestimmte Rangfolge bestünde – unter dem übergeordneten Maßstab des Unternehmensinteresses gegeneinander abzuwägen.282 Begrenzt wird der Abwägungsspielraum durch den Unternehmensgegenstand, die Unternehmensziele283 und die Notwendigkeit, den Bestand des Unternehmens durch dauerhafte Rentabilität zu sichern. 284 Weder Organe wie der Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung noch Großaktionäre oder gesellschaftsfremde Dritte können daher dem Vorstand der unabhängigen Aktiengesellschaft Weisungen erteilen. 285 Der Vorstand wird zwar durch den Aufsichtsrat kontrolliert. 286 Dies schränkt seine Unabhängigkeit aber nicht ein. Geschäftsführungsmaßnahmen können dem Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 4 S. 1 AktG nicht übertragen werden, 287 und die Hauptversammlung 279 Drinhausen, in: Van Hulle/Maul/Drinhausen, Handbuch zur Europäischen Gesellschaft, 2007, 5. Abschn. § 2 Rn. 2. 280 Auch wenn die Norm das Unabhängigkeitspostulat nicht ausdrücklich erwähnt, ergibt sich dies schon daraus, daß die Hauptversammlung keine originären Geschäftsführungsbefugnisse besitzt. Außerdem korrespondiert mit der in Art. 43 Abs. 1 S. 1 SE-VO angesprochenen Leitung die persönliche Verantwortlichkeit des Organmitglieds nach § 39 SEAG i.V.m. § 93 AktG, dem als komplementäre Größe die Unabhängigkeit der Organmitglieder gegenübersteht, vgl. Schwarz, SE-VO, 2006, Art. 43 Rn. 15; Drinhausen, in: Van Hulle/Maul/Drinhausen, Handbuch der Europäischen Gesellschaft, 2007, Teil 5 § 3 Rn. 29. 281 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 76 Rn. 12. 282 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 76 Rn. 12; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, Vor § 76 Rn. 47. 283 Hierzu Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 19. Lfg. 2003, § 76 Rn. 45. 284 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 76 Rn. 13. 285 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 22 f.; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 76 Rn. 42; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 76 Rn. 10; Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 19. Lfg. 2003, § 76 Rn. 42 ff. 286 In der SE wird das Leitungsorgan parallel dazu gemäß Art. 4 SE-VO durch das Aufsichtsorgan überwacht, dazu Drinhausen, in: Van Hulle/Maul/Drinhausen, Handbuch der Europäischen Gesellschaft, 2007, Teil 5 § 2 Rn. 19 ff. 287 Dasselbe gilt nach Art. 40 Abs. 1 S. 2 SE-VO für das Aufsichtsorgan in der dualistischen SE, dazu Drinhausen, in: Van Hulle/Maul/Drinhausen, Handbuch zur Europäischen Gesellschaft, 2007, Teil 5 § 2 Rn. 19.

III. Die Freistellung durch Dritte

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kann über Gegenstände der Geschäftsführung gem. § 119 Abs. 2 AktG nur auf Verlangen des Vorstands entscheiden. 288 Freilich ist der Grundsatz der Unabhängigkeit auch im Vorstand ein gesetzliches Leitbild, das nicht vollkommen verwirklicht werden kann. Das AktG macht denn auch verschiedene implizite und explizite Einschränkungen. Hierher gehört zunächst wieder der Abhängigkeitstatbestand des § 17 AktG, der auf der Annahme beruht, daß das herrschende Unternehmen den Vorstand über den Aufsichtsrat mittelbar kontrolliert. 289 Auch Vorstandsdoppelmandate sind ohne weiteres zulässig und kommen zwischen verbundenen Gesellschaften vielfach vor, sind aber ebenso außerhalb von Konzernen möglich. 290 Solche Vorstandsdoppelmandate sollen im Konzerninnenverhältnis üblicherweise zweierlei erreichen: Zum einen sollen sie die Durchsetzung der Unternehmenspolitik der Obergesellschaft in der Tochter erleichtern, zum anderen eine Berücksichtigung der Belange der Tochter bei der Formulierung der Konzernziele in der Obergesellschaft sicherstellen.291 Daraus folgt eine „Janusköpfigkeit“ des Organmitglieds, die zeigt, daß das Gesetz den Einfluß von Drittinteressen im Vorstand grundsätzlich in Kauf nimmt. 292 Daraus kann aber ebensowenig wie hinsichtlich der Parallelproblematik im Aufsichtsrat abgeleitet werden, daß damit jede Bindung des Vorstands an Drittinteressen zulässig wäre. Vielmehr bleibt es dabei, daß das Handeln des Vorstands seine Grenze im Unternehmensinteresse findet. Da dieser Begriff – wie bereits in bezug auf den Aufsichtsrat ausgeführt – aber zu konturschwach ist, um eine dauerhafte Lösung von Interessenkonflikten im Vorstand zu ermöglichen, gilt auch hier der Grundsatz des Vorrangs der Interessenkonfliktvermeidung vor der -konfliktlösung oder -kompensation. Die Vorstandsautonomie ist ebenso wie das Selbständigkeitspostulat beim Aufsichtsrat ein gesellschaftsrechtliches Strukturprinzip. Nach der Methode der gesellschaftsrechtlichen Institutionenbildung ist die Vertragsfreiheit daher dahingehend funktional eingeschränkt, daß Rechtsgeschäften, welche dieses Strukturprinzip aushebeln würden, die Wirksamkeit zu versagen ist. 293 Es ist daher auch in Betreff des Vorstands entscheidend, daß Freistellungsvereinbarungen mit Gesellschaftern oder gesellschaftsfremden Dritten aufgrund ihrer inhaltlichen Ausgestaltung keine faktische Weisungsabhängigkeit herbeiführen

288

Vgl. Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 19. Lfg. 2003, § 76 Rn. 42 ff. Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 19. Lfg. 2003, Vor § 76 Rn. 50. 290 Es bedarf lediglich gem. § 88 Abs. 1 S. 2 AktG der Zustimmung beider Aufsichtsräte, hierzu Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 19. Lfg. 2003, § 76 Rn. 178 ff.; HoffmannBecking, ZHR 150 (1986), 570 ff. 291 Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570. 292 Hierzu grundlegend Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570 (574 ff.). 293 Dazu bereits B. III. 2. a) bb). 289

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

können. Diesbezüglich kann auf die Untersuchungsergebnisse zum Aufsichtsrat verwiesen werden.294

bb) Die abhängige Aktiengesellschaft (I.) Der faktische Konzern In Konzernverbindungen kann der Grundsatz der Unabhängigkeit des Vorstands eingeschränkt sein. Im folgenden ist zu untersuchen, ob dies Konsequenzen für die Zulässigkeit von Freistellungsvereinbarungen hat. Hierbei ist zwischen den Arten der Konzernverbindung zu differenzieren: Was den faktischen Konzern nach §§ 17, 18 AktG anbelangt, haben bereits die bisherigen Ausführungen gezeigt, daß hierdurch zwar eine Interessenberücksichtigung in bezug auf die Obergesellschaft vom AktG implizit hingenommen wird, der Grundsatz der Unabhängigkeit des Vorstands aber keine materielle Einschränkung erfährt. Die Handlungen des Vorstands haben sich weiterhin am Interesse ausschließlich des eigenen Unternehmens auszurichten, und Verletzungen seiner Organpflichten können nicht pauschal durch Pflichtenbindungen im Verhältnis zur Obergesellschaft gerechtfertigt werden. Nichts anderes folgt aus § 311 AktG. Zwar sieht diese Vorschrift ein Ausgleichssystem für nachteilige Veranlassungen vor. Dem kann aber nur entnommen werden, daß das Gesetz den faktischen Aktienkonzern rechtlich anerkennt, nicht hingegen, daß die Vorstandsautonomie aufgegeben wird. 295 Der Vorstand darf mithin einer nachteiligen Veranlassung durch das herrschende Unternehmen gegen Ausgleich der Nachteile nachgeben. Es ist aber zweifelhaft, ob infolgedessen die Herbeiführung einer faktischen Weisungsabhängigkeit des Vorstands durch eine konditionierte Freistellungsvereinbarung mit einem herrschenden Unternehmen aktienrechtlich zu akzeptieren wäre.296 Denn § 311 AktG stellt im Rahmen einer erlaubten Veranlassung zwar eine lex specialis zu § 76 AktG dar, begründet aber eben nach zutreffender Ansicht keine Folgepflicht des Vorstands der abhängigen Aktiengesellschaft gegenüber dem herrschenden Unternehmen. 297 Daher ist auch § 308 AktG im faktischen Konzern nicht analog anwendbar. 298 Der Vorstand ist vielmehr grundsätzlich in derselben Verantwortung wie der einer unabhängigen Aktiengesellschaft.299 Auch Freistellungsvereinbarungen der Obergesellschaft zugunsten des Vorstands des be294

Oben B. III. 2. bb). Vgl. Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 19. Lfg. 2003, § 76 Rn. 145. 296 So grundsätzlich Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (170). 297 Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 76 Rn. 56; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 311 Rn. 8 m.w.N. 298 Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 19. Lfg. 2003, § 76 Rn. 145. 299 Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 19. Lfg. 2003, § 76 Rn. 145; s. auch Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 47. 295

III. Die Freistellung durch Dritte

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herrschten Unternehmens dürfen daher nicht, gleichsam unter Umgehung der Voraussetzungen eines Beherrschungsvertrags, eine faktische Weisungsabhängigkeit des Vorstands von dem herrschenden Unternehmen herbeiführen. Sie unterliegen mithin denselben Anforderungen zur Wahrung der Unabhängigkeit wie Freistellungen zugunsten von Aufsichtsratsmitgliedern.

(II.) Der qualifiziert faktische Konzern Etwas anderes könnte beim qualifiziert faktischen Konzern gelten, worunter nach gängiger Definition ein Abhängigkeitsverhältnis zu verstehen ist, das einzelne nachteilige Weisungen nicht mehr erkennen läßt und bei dem ein Einzelausgleich an der Dichte der Einflußnahme scheitert. 300 Was die haftungsrechtlichen Konsequenzen einer solchen Konzernverbindung anbelangt, ist zwar umstritten, nach welchen Grundsätzen sich diese richten und insbesondere, ob eine analoge Anwendung der §§ 302 ff. AktG in bezug auf die abhängige Aktiengesellschaft noch in Betracht kommt,301 nachdem der BGH die Rechtsfigur des qualifiziert faktischen Konzerns durch das Urteil im Fall Bremer Vulkan,302 einer Entscheidung aus dem Jahr 2002, 303 dem Fall KBV304 und die neue Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff305 im GmbH-Recht abgeschafft hat. Diese Frage kann aber auf sich beruhen. Denn sie betrifft nur die rechtliche Ausgestaltung der Haftung. Es bleibt unabhängig davon, welches Haftungskonzept im qualifiziert faktischen Konzern gilt, dabei, daß der Unabhängigkeitsgrundsatz nach § 76 Abs. 1 AktG auch bei einer qualifiziert faktischen Konzernierung rechtlich nicht eingeschränkt wird. Vielmehr handelt es sich, wenn einzelne nachteilige Weisungen nicht mehr isoliert feststellbar sind, um eine rechtswidrige Konzernbildung, weil ein solches Abhängigkeitsverhältnis aktienrechtlich außerhalb des Vertragskonzerns nicht vorgesehen ist. Selbst ein Alleinaktionär kann eine Einwirkungsmöglichkeit auf den Vorstand der Ein-Personen-Aktiengesellschaft nur durch Abschluß eines Beherrschungsvertrags erlangen. Ohne einen solchen gilt der Unabhängigkeitsgrundsatz des § 76 Abs. 1 AktG uneingeschränkt.306 Sofern der Vorstand der qualifiziert faktisch konzernierten Aktiengesellschaft 300 Dazu Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, Anhang zu § 317 Rn. 1 ff. 301 So Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, Anhang zu § 317 Rn. 5, 7 ff.; Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 19. Lfg. 2003, § 76 Rn. 148 ff.; krit. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 1 Rn. 26. 302 BGH, Urteil v. 17.9.2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, 10. 303 BGH, Urteil v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61. 304 BGH, Urteil v. 24.6.2002 – II ZR 300/00, BGHZ 151, 181. 305 BGH, Urteil v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246. 306 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, Anhang zu § 317 Rn. 5.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

die Weisungen ohne Vorliegen eines Beherrschungsvertrags befolgt, handelt er mithin regelmäßig pflichtwidrig.307 Für die Frage der Zulässigkeit von Freistellungsvereinbarungen gilt im Hinblick auf die Autonomie des Vorstands daher das zuvor zum einfach faktischen Konzern Gesagte.

(III.) Der Vertragskonzern Im Vertragskonzern ist die Situation hingegen anders, da hier bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags die herrschende Gesellschaft dem Vorstand der abhängigen gem. § 308 Abs. 1 und 2 AktG Weisungen – auch nachteiliger Art – erteilen darf.308 Dasselbe gilt im Fall der Eingliederung nach § 319 AktG über 323 Abs. 1 S. 1 AktG.309 Durch den Abschluß des Beherrschungsvertrags bzw. die Eingliederung wird ein Unternehmensverbund gebildet, der – wie sich aus § 308 Abs. 1 S. 2 AktG ergibt – auf das Konzerninteresse ausgerichtet ist. 310 Da eine Weisungsbefugnis hier kraft Gesetzes besteht, wird § 76 AktG in diesem Verhältnis verdrängt.311 Deshalb sind Freistellungsvereinbarungen zwischen dem herrschenden Unternehmen und den Vorstandsmitgliedern der abhängigen Aktiengesellschaft möglich, ohne daß der Grundsatz der Unabhängigkeit beachtet werden muß. Die Freistellungsvereinbarungen können mithin ohne weiteres auch so ausgestaltet werden, daß sie zu einer – zusätzlichen – faktischen Weisungsabhängigkeit des Vorstands der abhängigen Gesellschaft führen, etwa dadurch, daß die Freistellung unter der Bedingung steht, daß der Vorstand die Vorgaben des freistellenden herrschenden Unternehmens befolgt. 312

307

Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 19. Lfg. 2003, § 76 Rn. 150. Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 19. Lfg. 2003, § 76 Rn. 141; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 76 Rn. 42, 56. 309 Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 19. Lfg. 2003, § 76 Rn. 141. 310 Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 19. Lfg. 2003, § 76 Rn. 141. 311 Vgl. Kort, in: Großkommentar AktG, 4., Aufl. 19. Lfg. 2003, § 76 Rn. 141; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 76 Rn. 18; Spindler, Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rn. 222. f. 312 Für Freistellungen zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder des abhängigen Unternehmens bestehen hingegen keine Privilegierungen, weil insoweit kein Weisungsrecht besteht. 308

III. Die Freistellung durch Dritte

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c) Der GmbH-Geschäftsführer aa) Die Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer als wesentliches Strukturprinzip der Unternehmensleitung (I.) Die Zulässigkeit der Einschränkung der Geschäftsführerautonomie durch Vertrag Die gesellschaftsrechtliche Ausgangslage des GmbH-Rechts unterscheidet sich von der des Aktienrechts. Der GmbH-Geschäftsführer unterliegt keinem mit §§ 76, 111 Abs. 5 AktG vergleichbaren Unabhängigkeitspostulat. Vielmehr ist er von der Gesellschafterversammlung weisungsabhängig, wie sich aus §§ 6 Abs. 3, 37 Abs. 1, 38 Abs. 1, 46 Nr. 5 GmbHG ergibt.313 Dies legt den Schluß nahe, Freistellungsvereinbarungen der weisungsbefugten Gesellschafter zugunsten ihrer Geschäftsführer uneingeschränkt zuzulassen, d.h. auch soweit sie die Unabhängigkeit der Organmitglieder einschränken könnten. Allerdings ist umstritten, ob dem Geschäftsführer trotz der generellen Weisungsabhängigkeit nicht doch ein Bereich verbleibt, innerhalb dessen er autonom zu agieren hat,314 und ob die Gesellschafterversammlung ohne weiteres ihre Weisungen derart intensivieren darf, daß sie den Geschäftsführer dadurch gleichsam zum Exekutivorgan macht,315 oder ob es dafür einer Satzungsänderung aus Gründen des Minderheitenschutzes bedarf.316 Überzeugender ist es, keine solchen Einschränkungen der Weisungsbefugnis vorzunehmen. Denn es ist nicht die Aufgabe der Geschäftsführer, die Gesellschaft vor den Gesellschaftern und ihren möglicherweise schädlichen Weisungen zu schützen.317 Auch der Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes greift nicht, da Weisungen, die gegen den Gesellschaftszweck oder die Treupflicht des Mehrheitsgesellschafters gegenüber den Minderheitsgesellschaftern verstoßen, anfechtbar sind. 318 Für die vorliegende Fragestellung kommt es auf den Streit aber ohnehin nicht an. Denn es ist nicht ersichtlich, daß eine Freistellungsvereinbarung eine Abhängigkeit schaffen könnte, die den von einigen Stimmen postulierten weisungsfreien Kernbereich der Entscheidungsbefugnisse des Geschäftsführers 313

Dazu statt aller Konzen, NJW 1989, 2977 ff. Hierfür plädierend Hommelhoff, ZGR 1978, 119 (127 ff.); vgl. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, 1980, S. 336; dagegen Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 26; Schneider, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 37 Rn. 38; zum Streit Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 37 Rn. 4. 315 So Marsch-Barner/Dieckmann, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3 GmbH, 1996, § 44 Rn. 66. 316 So Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 37 Rn. 18a; Hommelhoff, ZGR 1978, 119 (127 ff.). 317 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 37 Rn. 5. 318 Marsch-Barner/Dieckmann, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3 GmbH, 1996, § 44 Rn. 66; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, Anh. § 47 Rn. 93 ff., 98 ff. 314

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

beseitigen würde. Die Freistellung kann nämlich nur eine faktische Weisungsabhängigkeit begründen, die in ihren Konsequenzen nicht weiter reichen kann als die im GmbH-Recht unstreitig zulässige Weisungsabhängigkeit außerhalb eines vermeintlich weisungsfreien Kernbereichs. Soweit ein Mehrheitsgesellschafter als Freistellungsschuldner fungiert, der über die Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer auch ebensogut Weisungen erteilen könnte, kann eine Freistellungsvereinbarung daher – unabhängig von ihrer Ausgestaltung – nicht mit der Begründung zu beanstanden sein, daß sie die Autonomie des Geschäftsführers beeinträchtige, da dieser in diesem Verhältnis über keine gesellschaftsrechtlich geschützte Autonomie verfügt.319

(II.) Die Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses Dieser Grundsatz muß freilich noch in verfahrensrechtlicher Hinsicht konkretisiert werden. Die Weisungsabhängigkeit besteht nämlich organschaftlich nicht gegenüber dem Mehrheitsgesellschafter oder einer Gesellschaftermehrheit, sondern der Gesellschafterversammlung.320 Weisungen können nur durch Gesellschafterbeschluß erteilt werden. Der Mehrheitsgesellschafter als solcher ist nicht weisungsbefugt.321 Daher bedarf es für den Abschluß einer Freistellungsvereinbarung, sofern diese zu einer faktischen Weisungsabhängigkeit des Geschäftsführers führt – was insbesondere bei inhaltlich bedingten Freistellungen und solchen mit entsprechenden Kündigungsrechten der Fall sein kann 322 – eines Gesellschafterbeschlusses. Andernfalls liegt in diesen Fällen eine unzulässige Beeinflussung des Geschäftsführers vor, die dann – ebenso wie dies hinsichtlich der Aktiengesellschaft bereits begründet wurde – wegen Verletzung der institutionellen gesellschaftsrechtlichen Vorgaben zur Unwirksamkeit der Freistellungsvereinbarung führt.323 Bei einem Alleingesellschafter wäre die Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses hingegen ein unnötiger Formalismus. Denn der Gesellschafterbeschluß dient nur dem Zweck, den Minderheitsgesellschaftern die Möglichkeit zu geben, Beschlüsse, die gegen den Gesellschaftszweck oder die Treupflicht

319 Zur Vereinbarkeit einer solchen Freistellung mit einer möglichen Steuerungsfunktion des Organhaftungsrechts s. Teil D. 320 Hierauf stellt auch Habersack zu Recht, wenn er hervorhebt, daß eine Weisung zulässig sein muß, „woran es nicht nur in den Fällen des § 43 Abs. 3 S. 1, 3 GmbHG, sondern insbesondere auch dann fehlt, wenn die Weisung nicht durch die Gesellschaftergesamtheit, sondern durch einen an der Gesellschafterversammlung vorbei agierenden (Mehrheits-)Gesellschafter erfolgt.“, Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (171). 321 Schneider, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 37 Rn. 31; Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 37 Rn. 17; Marsch-Barner/Dieckmann, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3 GmbH, 1996, § 44 Rn. 67. 322 Dazu oben unter B. III. 2. a) bb) (II.). 323 Dazu im einzelnen B. III. 2. a) bb) (III.).

III. Die Freistellung durch Dritte

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gegenüber den Minderheitsgesellschaftern ergehen, anzufechten.324 Für diesen Schutzzweck ist bei einem Alleingesellschafter kein Raum. Daher geht auch der BGH zu Recht davon aus, daß die Erteilung von Weisungen durch einen Alleingesellschafter keines förmlichen Gesellschafterbeschlusses bedarf.325 Der Alleingesellschafter kann somit Freistellungsvereinbarungen mit den Geschäftsführern, die zu einer faktischen Weisungsabhängigkeit führen, auch ohne Beschluß treffen.326

bb) Das Verhältnis des Geschäftsführers gegenüber Dritten (I.) Die Zulässigkeit der Einräumung von Weisungsrechten gegenüber Dritten Das zuvor Gesagte betrifft aber nur das Verhältnis des Geschäftsführers zu einem Mehrheits- oder Alleingesellschafter. Klärungsbedürftig bleibt, inwieweit Freistellungsvereinbarungen mit sonstigen Rechtsträgern, also Minderheitsgesellschaftern oder gesellschaftsfremden Personen, unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in die Unabhängigkeit des Geschäftsführers problematisch sein können. Ausgangspunkt muß auch hier die Frage sein, inwieweit es zulässig ist, Dritten ein Weisungsrecht gegenüber den Geschäftsführern einzuräumen. Das OLG Frankfurt hat geurteilt, daß das Weisungsrecht als unmittelbar mitgliedschaftliches Recht nicht auf Dritte übertragen werden könne.327 Andere Stimmen wollen hingegen eine Übertragung von Weisungsrechten auf Dritte uneingeschränkt zulassen.328 Einige halten die Begründung von Weisungsrechten zugunsten Dritter für möglich, verlangen aber, daß dies durch die Satzung geschieht und der Weisungsbefugte in die Organisation der Ge-

324 Vgl. Marsch-Barner/Dieckmann, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3 GmbH, 1996, § 44 Rn. 66. 325 BGH, Urteil v. 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (278); BGH, Urteil v. 28.9.1992 – II ZR 299/91, WM 1992, 2053; Schneider, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 37 Rn. 31 in Fn. 6. 326 Klärungsbedürftig ist noch, ob das gefundene Ergebnis auch für Freistellungen betreffend die Bereiche der nicht disponiblen Geschäftsführerhaftung, namentlich verbotene Auszahlungen und bestandsgefährdende Eingriffe, gilt; dazu tendierend, solchen Freistellungen die Anerkennung zu versagen, Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (172). Unter Berücksichtigung des § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG könnte eine diesbezügliche Freistellung zugunsten des Geschäftsführers, die von der Zustimmung des Alleingesellschafter-Freistellungsschuldners abhängt, bedenklich sein, wenn sie die Funktion des Geschäftsführers beeinträchtigen würde, auch die Gläubigerinteressen gegen Übergriffe durch die Gesellschafter zu verteidigen. Es geht hierbei also um die Frage, inwieweit zivilrechtlichen Freistellungen die Wirksamkeit zu versagen ist, weil sie die Steuerungswirkung der persönlichen Haftung mitigieren oder aufheben. Ihr ist geschlossen in Teil D. nachzugehen. 327 OLG Frankfurt, Urteil v. 7.2.1997 – 24 U 88/95, ZIP 1997, 450 (451). 328 Miller, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, 1987, §§ 35 – 38 Rn. 78.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

sellschaft eingebunden ist.329 Teils heißt es auch, daß außerhalb der Satzung eine wirksame Verpflichtung begründet werden könne, die Weisungen Dritter – auch gesellschaftsfremder – zu befolgen, wobei dies nur unter den Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines Beherrschungsvertrags geschehen dürfe.330 Andere wiederum halten es für zulässig, einem einzelnen Gesellschafter ein Weisungsrecht durch Satzung zu übertragen ebenso wie dies hinsichtlich eines Aufsichtsrats oder Beirats möglich sei, nicht hingegen gesellschaftsfremden Dritten.331 Die eingangs erwähnte Ansicht, wonach eine Übertragung des Weisungsrechts auf Dritte wegen des mitgliedschaftlichen Charakters ausgeschlossen sei, kann bereits deshalb keine Zustimmung finden, weil nach zutreffender herrschender und hier nicht weiter begründungsbedürftiger Meinung die GmbH sich als abhängiges Unternehmen in einem Beherrschungsvertrag verpflichten kann, was zur Weisungsabhängigkeit vom herrschenden Unternehmen führt.332 Nicht ersichtlich ist ferner, daß eine Übertragung von Weisungsrechten auf Dritte nur durch die Satzung, nicht aber durch schuldrechtliche Vereinbarung geschehen könne. Vielmehr muß gerade einer satzungsmäßigen Einräumung von Dritt-Weisungsrechten schon entgegenstehen, daß die Satzung ein Organisationsvertrag ist, der nur die rechtliche Ausgestaltung der Gesellschaft einschließlich ihrer Mitglieder regeln kann.333 Es ist zwar möglich, durch Satzung neue Gesellschaftsorgane zu schaffen, wie z.B. Beiräte, und ihnen Weisungsrechte korporationsrechtlich einzuräumen.334 Davon zu trennen ist aber die hier gegenständliche Frage, ob einem Dritten ad personam ein Weisungsrecht übertragen werden darf, also ohne daß er zu einem Gesellschaftsorgan wird. 335 Wenn man diese Differenzierung nicht durchführte und jede Einräumung von Weisungsrechten als Gründung eines Gesellschaftsorgans betrachtete, käme es zu einer uferlosen Ausdehnung des 329 So Marsch-Barner/Dieckmann, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3 GmbH, 1996, § 44 Rn. 69; vgl. auch Fleck, ZGR 1988, 105 (132 ff.); ders. ZHR 149 (1985), 387 (404 f.). 330 Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 37 Rn. 20 – bezogen auf Verpflichtungen der Gesellschafter, Weisungen Dritter, die sich auf die Geschäftsführer beziehen, zu befolgen; so wohl auch Timm, ZIP 1986, 1387 (1388). 331 Schneider, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 37 Rn. 32 ff. 332 LG Bochum, Zwischenurteil v. 20.5.1986 – 12 O 67/86, ZIP 1986, 1386 f.; Timm, ZIP 1986, 1387 ff.; Marsch-Barner/Dieckmann, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3 GmbH, 1996, § 44 Rn. 69; Kort, Der Abschluß von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Recht, 1986. 333 Ulmer, in: Festschrift für Werner, S. 911 (921 ff.); ablehnend Schneider, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 37 Rn. 33. 334 Konzen, NJW 1989, 2977 (2980); Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 37 Rn. 19; Schneider, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 37 Rn. 32; Ulmer, in: Festschrift für Werner, 1984, S. 911 (921 ff.). 335 Ulmer, in: Festschrift für Werner, S. 911 (923); das übersieht Mertens, in: Hachenburg, GmbHG, Bd. 2, 8. Aufl. 1997, § 37 Rn. 17 a.E.

III. Die Freistellung durch Dritte

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ohnehin konturschwachen Organbegriffs.336 Sofern Dritten ad personam ein Weisungsrecht übertragen werden soll, scheidet die Satzung als rechtliches Instrument also ohnehin aus. Dies bedeutete aber noch nicht, daß damit Weisungsrechte gegenüber Dritten337 uneingeschränkt vereinbart werden können. Eine gesellschaftsrechtlich akzeptierte Weisungsabhängigkeit besteht nämlich grundsätzlich allein im Verhältnis zur Gesellschafterversammlung. Eine Weisungsmöglichkeit kann Dritten nur durch einen Beherrschungsvertrag eingeräumt werden. Es ist nicht angezeigt, an dieser Stelle die Einzelheiten zum Stand der Diskussion über den Vertragskonzern im GmbH-Recht nachzuzeichnen. Fest steht, daß Beherrschungsverträge auch im GmbH-Konzernrecht möglich sind. Ihr Abschluß verlangt nach der Supermarkt-Entscheidung des BGH,338 daß die Gesellschafter zustimmen, 339 der Beschluß analog § 53 Abs. 2 GmbHG notariell beurkundet und der Abschluß des Beherrschungsvertrags zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wird. 340 Es ist – entgegen teilweise vertretener Ansicht341 – nicht erforderlich, daß das künftig herrschende Unternehmen Gesellschafter des beherrschten ist, 342 wenngleich einzuräumen ist, daß Fälle ohne Beteiligung in der Praxis grundsätzlich nicht vorkommen. 343 Sofern ein Beherrschungsvertrag noch nicht besteht, kann einem Dritten ein Weisungsrecht daher nur unter Einhaltung der Wirksamkeitserfordernisse eines Beherrschungsvertrags eingeräumt werden.344 Andernfalls ließen sich die formellen und materiellen Anforderungen eines Beherrschungsvertrags aushebeln. 336 Ulmer, in: Festschrift für Werner, S. 911 (923); Mertens, in: Hachenburg, GmbHG, Bd. 2, 8. Aufl. 1997, § 37 Rn. 17 a.E.; grundlegend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007. 337 Dritter in diesem Sinn ist – entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht (so wohl Schneider, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 37 Rn. 32) – auch der einzelne Gesellschafter. Daß er aufgrund seiner Gesellschafterstellung der Sphäre der GmbH zuzurechnen ist, spielt für die Zulässigkeit der Einräumung von Weisungsrechten keine Rolle. Denn er verfügt allein aufgrund seiner Gesellschafterstellung nicht über eine rechtlich akzeptierte Einflußmöglichkeit auf die Geschäftsführung. Dieses Recht kommt vielmehr nur der Gesellschafterversammlung durch Gesellschafterbeschluß zu. 338 BGH, Beschluß v. 24.10.1988 – II ZB 7/88, BGHZ 105, 324 (330 ff.). 339 Die herrschende Ansicht verlangt insoweit Einstimmigkeit (Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, Bd. 3, 8. Aufl. 1997, § 53 Rn. 145 f. m.w.N.), die Gegenansicht eine 3/4–Mehrheit analog § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG (Timm, ZIP 1986, 1387 f.); offen gelassen durch BGH, Beschluß v. 24.10.1988 – II ZB 7/88, BGHZ 105, 324 (330 ff.). 340 Timm, ZIP 1986, 1387 f. 341 Für das Aktienrecht siehe z.B. van Venrooy, BB 1986, 612. 342 Die Regierungsbegründung zu § 291 Abs. 3 AktG ist ausdrücklich davon ausgegangen, daß ein Vertragsschluß mit Nichtaktionären in Betracht kommt (Abgedr. bei Kropff, AktG, 1965, S. 377 f.). Das muß auch für das GmbH-Konzernrecht gelten (Timm, ZIP 1986, 1387 (1388)). 343 Insoweit zutreffend van Venrooy, BB 1986, 612. 344 Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 37 Rn. 20; so hinsichtlich Weisungsrechten gesellschaftsfremder Dritter – also von Nichtgesellschaftern –

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

(II.) Die Anwendung der Grundsätze auf Freistellungsvereinbarungen Daraus ist für die Zulässigkeit von Freistellungsvereinbarungen nun folgendes abzuleiten: Sofern im Verhältnis zum Freistellungsschuldner kein Beherrschungsvertrag besteht, muß der Geschäftsführer diesem gegenüber seine Unabhängigkeit wahren. Es gelten in diesem Verhältnis dieselben Grundsätze wie gegenüber Aufsichtsräten oder Vorstandsmitgliedern der Aktiengesellschaft außerhalb des Vertragskonzerns. Freistellungsvereinbarungen, die durch inhaltliche Bedingungen oder entsprechende Kündigungsrechte in einer faktischen Weisungsabhängigkeit des Geschäftsführers gegenüber dem Freistellungsschuldner resultieren, sind daher unzulässig und zivilrechtlich unwirksam. Freistellungsvereinbarungen, die keine für die Autonomie relevanten Bedingungen enthalten und ausreichend lange ordentliche Kündigungsfristen aufweisen, sind hingegen unbedenklich. 345

3. Die Auswirkungen von Freistellungsvereinbarungen auf den Grundsatz der Gesamtverantwortung der Organmitglieder a) Das Problem Freistellungsvereinbarungen könnten möglicherweise unabhängig von einer Einschränkung der Autonomie von Organmitgliedern unter einem weiteren Gesichtspunkt mit gesellschaftsrechtlichen Strukturprinzipien kollidieren. In polypersonal besetzten Organen, wie i.d.R. im aktienrechtlichen Vorstand, zwingend im Aufsichtsrat und häufig auch in der GmbH-Geschäftsführung, könnte es zu einer Ungleichbehandlung der Organmitglieder kommen, wenn Freistellungen nur einzelnen Mitgliedern gewährt würden oder hinsichtlich des Umfangs und der Konditionen der Freistellung zwischen den Mitgliedern differenziert würde. Hierdurch käme es möglicherweise zu einer Abweichung von gesetzlichen Leitbildern der Organverfassung, soweit diese auf einer Gleichbehandlung und Gesamtverantwortung der Mitglieder beruhen. Inwieweit eine solche Ungleichbehandlung gesellschaftsrechtlich zulässig wäre, ist im folgenden zu untersuchen.

Schneider, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 37 Rn. 33 ff. 345 Oben B. III. 2. a) bb).

III. Die Freistellung durch Dritte

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b) Der Grundsatz der Gesamtverantwortung und der Gleichberechtigung aa) Die allgemeinen Prinzipien Das Unabhängigkeitspostulat wird im Aufsichtsrat ergänzt durch das Prinzip der Gleichheit von Rechten und Pflichten.346 Dieses gilt der Sache nach auch für das Aufsichtsorgan der dualistischen SE. 347 Das normative Leitbild des Aktiengesetzes liegt mithin in der Homogenität des Aufsichtsrats. 348,349 Nach dem BGH ist die Gleichheit der Rechtsstellung unabhängig davon, wer die Aufsichtsratsmitglieder berufen hat, ein tragender Grundsatz der Aufsichtsratsverfassung.350 Das Prinzip der Gleichberechtigung und Gesamtverantwortung beansprucht auch und gerade in der mitbestimmten Aktiengesellschaft 351 Geltung.352 Es gilt daher nicht nur das Postulat der individuellen Gleichstellung der Aufsichtsratsmitglieder,353 sondern auch das einer Gleichbehandlung unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit.354 Dieser Grundsatz verbietet damit

346 Vgl. Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, Vor. § 95 Rn. 9; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 15 Rn. 101. 347 Casper/Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, 2007, Art. 51 SE-VO Rn. 9. 348 Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 Rn. 6; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 2006, § 107 Rn. 7. 349 Bereits nach den Vorstellungen des Rechts- und Wirtschaftssausschusses sollten alle Mitglieder des Aufsichtsrats dieselben Rechte und Pflichten haben, s. Ausschußbericht, abgedr. in Kropff, AktG, 1965, S. 148; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 4. Bd., 4. Aufl. 2006, § 107 Rn. 7. 350 BGH, Urteil v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325 (330); BGH, Urteil v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106 (112 f.) – Siemens; BGH, Urteil v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, BGHZ 83, 144 – Dynamit Nobel; BGH, Urteil v. 25.2.1985 – II ZR 145/80, BGHZ 83, 151 (154) – Bilfinger & Berger: „ … Grundsatz, daß alle Mitglieder des Aufsichtsrats, wenn sie erst einmal, gleichviel von welcher Seite, in dieses Amt berufen sind, die gleichen Rechte und Pflichten haben. Dieser tragende aktienrechtliche Grundsatz …“; siehe bereits RG, Urteil v. 11.1.1924 – II 274/23, RGZ 107, 221; ferner K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 28 III 4. c) (S. 835 f.). 351 In § 4 Abs. 3 MontanMitbestG und § 5 Abs. 4 MontanMitbestErgG ist der Grundsatz ausdrücklich geregelt. Er liegt aber auch dem MitbestG zugrunde, da dieses – von den § 27 Abs. 2, 3, § 29 Abs. 2, § 31 Abs. 4, 5, § 32 MitbestG abgesehen – kein Bänkeprinzip kennt, vgl. BGH, Urteil v. 25.2.1982 – II ZR 145/80, BGHZ 83, 151 (154) – Bilfinger & Berger; BGH, Urteil v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106 (112 f.) – Siemens: „ … kennt das Mitbestimmungsgesetz aber kein allgemeines ‚Bänkeprinzip‘, das für die Arbeit des Aufsichtsrats und die Rechtsstellung seiner Mitglieder irgendwie erheblich sein könnte. Vielmehr weist es den einzelnen Mitgliedern des Aufsichtsrats, wenn sie einmal in dieses Amt berufen sind, strikt die gleichen Rechte und Pflichten zu.“ 352 Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 4. Bd., 4. Aufl. 2006, § 107 Rn. 8. 353 Rittner, DB 1980, 2493 (2502); BGH, Urteil v. 25.2.1982 – II ZR 145/80, BGHZ 83, 151 (154) – Bilfinger & Berger. 354 BGH, Urteil v. 25.2.1982 – II ZR 145/80, BGHZ 83, 151 (154) – Bilfinger & Berger; BGH, Urteil v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342 – Hamburg-Mannheimer.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

insgesamt jede willkürliche personenbezogene Unterscheidung zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern.355 Eine unterschiedliche Behandlung ist nur gerechtfertigt, soweit sie auf sachlichen Gründen beruht. 356 Ausprägung dessen ist die Gleichheit der Sorgfaltspflichten357 und der Haftung der Aufsichtsratsmitglieder.358 Die Gesamtverantwortung, insbesondere im Rahmen der Organhaftung über §§ 116, 93 AktG, stellt die Kehrseite der den Organmitgliedern zustehenden Handlungsermächtigungen dar.359 Im Vorstand der AG bzw. im Leitungs- oder Verwaltungsorgan einschließlich der Direktoren der SE360 gilt die Gleichberechtigung und Gesamtverantwortung der Organmitglieder ebenfalls als Leitmaxime.361 Allerdings ist diese dort flexibler als im Aufsichtsrat. Das zeigt sich aktienrechtlich bereits an § 77 Abs. 1 S. 2 AktG,362 der ausdrücklich eine unterschiedliche Ausgestaltung der Geschäftsführungsbefugnisse erlaubt.363 Die Differenzierungsmöglichkeiten sind aber begrenzt. Es dürfen nämlich keine Vorstandsmitglieder „minderen Gewichts“ oder „zweiter Klasse“ geschaffen werden.364 Denn der mehrgliedrige Vorstand ist als Kollegialorgan mit voneinander unabhängigen Mitgliedern konzipiert, was eine prinzipielle Gleichheit der Rechtsstellung seiner Glieder

355 BGH, Urteil v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106 (112 f.) – Siemens; Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 4. Bd., 4. Aufl. 2006, § 107 Rn. 8. 356 Beispielsweise hinsichtlich der Vergütung der einfachen Aufsichtsratsmitglieder einerseits und des Vorsitzenden, dem im Aufsichtsrat eine umfangreichere Tätigkeit zukommt, andererseits. Die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmer- und Anteilseignervertretern soll nach der Rechtsprechung aber kein sachlicher Differenzierungsrund sein, BGH, Urteil v. 25.2.1982 – II ZR 145/80, BGHZ 83, 151 (155) – Bilfinger & Berger. 357 Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 4. Bd., 4. Aufl. 2006, § 107 Rn. 9. 358 BGH, Urteil v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106 (112 f.) – Siemens: „ … den tragenden Grundsatz der individuell gleichen Berechtigung und Verantwortung aller Aufsichtsratsmitglieder …“. BGH, Urteil v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, BGHZ 83, 144 (147) – Dynamit Nobel: „ … aktienrechtlichen Grundsatz der individuell gleichen Berechtigung und Verantwortung aller Aufsichtsratsmitglieder …“. 359 Zum sog. Gleichlauf von Herrschaft und Haftung siehe unten unter Teil D. IV. 1. d) bb). 360 Casper/Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, 2007, Art. 51 SE-VO Rn. 9. 361 Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (514); Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 419 ff. 362 In der SE verdrängt insoweit Art. 50 Abs. 1 SE-VO das in § 77 Abs. 1 S. 1 AktG als Grundfall normierte Prinzip der Gesamtgeschäftsführung. Freilich ist auch Art. 50 Abs. 1 SE-VO dispositiv, so daß von ihm durch Satzung zugunsten einer Gesamtgeschäftsführung abgewichen werden kann, vgl. Reichert/Brandes, Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. 2006, Art. 39 SE-VO Rn. 4. Dennoch wirken auch nach Art. 50 Abs. 1 SE-VO alle Mitglieder des Leitungsorgans gleichermaßen an der Geschäftsführung mit, so daß von einer Gesamtgeschäftsführung mit mehrheitlicher Willensbildung zu sprechen ist, vgl. Casper/Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, 2007, Art. 39 SE-VO Rn. 5. 363 Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Auf., 19. Lfg. 2003, § 77 Rn. 28. 364 Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Auf., 19. Lfg. 2003, § 77 Rn. 28.

III. Die Freistellung durch Dritte

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bedingt.365 Ausprägung der Gleichheit der Organmitglieder auf der Ebene der Haftung ist das Prinzip der Gesamtverantwortung. Unabhängig von internen Aufgaben- und Ressortzuweisungen sind die einzelnen Vorstandsmitglieder für die gesamte Vorstandstätigkeit mitverantwortlich. 366 Bei mehrköpfigen GmbH-Geschäftsführungen gilt ebenfalls der Grundsatz der Gesamtverantwortung.367 Zwar läßt er sich hier nicht aus einer mit § 76 Abs. 1 AktG vergleichbaren Vorschrift herleiten. Er ist aber als ein alle Kollegialorgane mit gleichberechtigten Organwaltern prägendes Funktionsprinzip auch bei einer mehrgliedrigen GmbH-Geschäftsführung zu beachten, ebenso wie etwa im mehrköpfigen Vereinsvorstand und in Organen des öffentlichen Rechts.368

bb) Die Haftungsbefreiung durch die eigene Gesellschaft Wenn durch die Satzung bzw. Geschäftsordnung369 oder durch Vereinbarung mit der eigenen Gesellschaft den eigenen Organmitgliedern Haftungsbefreiungen erteilt werden, müssen diese Regelungen daher an den zuvor dargelegten Grundsätzen gemessen werden. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung in Gestalt einer selektiven Haftungsbefreiung lediglich einzelner Organmitglieder durch die eigene Gesellschaft käme mithin nicht in Betracht. So wäre es etwa unzulässig, wenn sich die Gesellschaft zu einer Freistellung für Außenhaftungsrisiken nur zugunsten der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat verpflichten würde. Sofern jedoch ein Bedürfnis nach Haftungsfreistellung nur in einer bestimmten Person entstanden ist, etwa durch ein persönliches Bußgeld, liegt freilich ein sachlicher Grund vor, eine Freistellung insoweit nur ihr zu erteilen.370

365

Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (514). Martens, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 191 ff.; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (506); Kort, in: Großkommentar AktG, 4. Auf., 19. Lfg. 2003, § 77 Rn. 35. 367 RG, Urteil v. 3.2.1920 – II 272/19, RGZ 98, 98 (100); RG, Urteil v. 18.10.1917 – VI 143/17, RGZ 91 72 (77); OLG Koblenz, Urteil v. 9.6.1998 – 3 U 1662/89 NZG 1998, 953; Mertens, in: Hachenburg, GmbHG, Bd. 2, 8. Aufl. 1997, § 43 Rn. 13, insbes. 33; BGH, Urteil v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370 (377): „Durch eine derartige Aufteilung der Geschäfte wird die Verantwortlichkeit des nicht betroffenen Geschäftsführers nach innen und außen beschränkt, denn im allgemeinen kann er sich darauf verlassen, daß der zuständige Geschäftsführer die ihm zugewiesenen Aufgaben erledigt. Doch verbleiben dem nicht betroffenen Geschäftsführer in jedem Fall kraft seiner Allzuständigkeit gewisse Überwachungspflichten, die ihn zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch den zuständigen Geschäftsführer nicht mehr gewährleistet ist.“ 368 Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (507). 369 Zu dieser Möglichkeit in bezug auf Freistellungen von Organmitgliedern im GmbHRecht Schneider, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 43 Rn. 262. 370 Zu den Grenzen diesbezüglicher Freistellungen s. oben B. II. 1. d). 366

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

Sollte eine unzulässige Diskriminierung wegen selektiver Haftungsbefreiung einzelner Organmitglieder durch die eigene Gesellschaft vorliegen, stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen. Die Rechtsprechung und die herrschende Literatur vertreten die Meinung, daß unzulässige Diskriminierungen zur Nichtigkeit der betreffenden Regelung führen. 371,372 Es ist aber zweifelhaft, ob dies auch für eine Diskriminierung durch ungleiche Haftungsbefreiungen gelten kann. Klärungsbedürftig ist, ob den nicht berücksichtigten Organmitgliedern ein aus der Diskriminierung resultierender Anspruch auf Haftungsbefreiung durch die Gesellschaft zustehen kann.373 Eine strukturell vergleichbare Frage stellt sich in den Fällen der Diskriminierung von Gesellschaftern. Auch dort konkurrieren als Rechtsfolgen die Unwirksamkeit der Maßnahme und ein Anspruch auf Gleichstellung der Nicht-Begünstigten miteinander. 374 Nach dem BGH kommt in diesen Fällen ein Ausgleichsanspruch des Benachteiligten in Betracht, „wenn bei Berücksichtigung der beiderseitigen Treuepflicht keine andere Lösung gangbar erscheint, etwa weil es unzumutbar oder sogar aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist, den bevorzugten Gesellschaftern den einmal gewährten Vorteil wieder zu entziehen“, bzw. „ … wenn es unbillig … ist, den bevorzugten Mitgliedern den ihnen einmal gewährten Vorteil wieder zu nehmen …“. 375 Diese Überlegungen lassen sich auf die vorliegende Problematik übertragen. Da der Normadressat des Diskriminierungsverbots der Ungleich-Behandelnde ist und nicht der Begünstigte, müssen Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot deshalb grundsätzlich zu seinen Lasten gelöst werden, nicht zu Lasten des auf den Bestand der Begünstigung Vertrauenden. Die Diskriminierung muß daher durch einen Anspruch des benachteiligten Organmitglieds auf Einräumung eines gleichen Vorteils in Gestalt einer ebensolchen Haftungsbefreiung beseitigt werden, nicht durch Nichtigkeit der Haftungsbefreiung gegenüber seinen Kollegen. 376 371

OLG Karlsruhe, Urteil v. 20.6.1980 – 15 U 171/79, NJW 1980, 2137; LG Mannheim, Urteil v. 23.7.1979 – 12 O 16/79, NJW 1980, 236; Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung der mitbestimmten AG, 1982, S. 184 ff. 372 Hinsichtlich einer Diskriminierung der Arbeitnehmerseite wird dies auch mit § 134 BGB begründet, weil § 33 Abs. 1 S. 1 MitbestG bzw. § 13 Abs. 1 S. 1 MontanMitbestG insoweit als gesetzliche Diskriminierungsverbote anzusehen seien, vgl. Oetker, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 12. Lfg. 1999, MitbestG § 33 Rn. 10. 373 Davon zu unterscheiden ist die an anderer Stelle zu klärende Frage, inwieweit Organmitgliedern aus dem Anstellungsverhältnis selbst bereits ein Anspruch auf Freistellung gegen die Gesellschaft oder Dritte zukommen kann, dazu Teil E. 374 BGH, Urteil v. 11.7.1960 – II ZR 24/58, NJW 1960, 2142 (2143) (zum Genossenschaftsrecht); BGH, Urteil v. 15.5.1972 – II ZR 70/70, BB 1972, 894 (zum GmbH-Recht); aus der Lit. vgl. nur Bungeroth, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. 2003, § 53a Rn. 26 ff. 375 BGH, Urteil v. 11.7.1960 – II ZR 24/58, NJW 1960, 2142 (2143) (zum Genossenschaftsrecht). 376 Analog dazu leitet der BGH einen Anspruch auch bei Diskriminierungen von Gesellschaftern aus dem Gleichbehandlungsgebot selbst ab: „Unter Umständen kann der Verstoß unmittelbar einen Anspruch des benachteiligten Gesellschafters gegen die Gesellschaft auf eine bestimmte Ausgleichsleistung begründen“ bzw. „(d)ieser Anspruch kommt auf der Grundlage

III. Die Freistellung durch Dritte

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cc) Die Freistellung durch einzelne Gesellschafter oder gesellschaftsfremde Dritte Sodann ist zu untersuchen, ob Freistellungsvereinbarungen von Organmitgliedern mit einzelnen Gesellschaftern oder gesellschaftsfremden Dritten ebenfalls am Grundsatz der Gleichberechtigung und Gesamtverantwortung der Organmitglieder zu messen sind. Dagegen spricht, daß eine selektive Freistellung von dritter Seite, die zu einer Ungleichbehandlung führt, nicht auf der korporativen Ebene erfolgt und mithin nicht von der Gesellschaft ausgeht, sondern eine privatautonome Differenzierung ist, die außerhalb der Organstellung und des Anstellungsverhältnisses liegt. Sie ist Folge und Ausdruck der insoweit geltenden Privatautonomie, die es jedem Organmitglied ermöglicht, mit Dritten Verträge zu schließen, soweit diese nicht seine Unabhängigkeit einschränken.377 Wenn ein Organmitglied mit einem Anteilseigner für seine Aufsichtsratstätigkeit eine Freistellungsvereinbarung abschließt, kann daher nicht verlangt werden, daß eine entsprechende Freistellung auch allen anderen Aufsichtsratsmitgliedern zuteil werden müßte. Die Praxis vieler Anteilseigner, ihre Vertreter in den Aufsichtsräten ihrer Beteiligungsgesellschaften von der dortigen Haftung freizustellen, wobei den Arbeitnehmervertretern seitens der Gewerkschaften regelmäßig kein solcher Schutz gewährt wird,378 ist daher sub specie des Grundsatzes der Gleichberechtigung und Gesamtverantwortung nicht zu beanstanden.

des Gleichbehandlungsgrundsatzes als Konkretisierung bereits bestehender Rechtsbeziehungen und der sich aus ihnen ableitenden Fürsorge- und Treuepflichten zustande“, BGH, Urteil v. 11.7.1960 – II ZR 24/58, NJW 1960, 2142 (2143) (zum Genossenschaftsrecht, Hervorheb. durch Verf.). 377 Dazu oben B. III. 2. 378 Schmidt, Arbeitshilfe von ver.di zum Deutschen Corporate Governance Kodex, verfügbar auf der Homepage von ver.di unter www.verdi.de, Seite 5.

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

IV. Der Abschluß konzerninterner Freistellungsvereinbarungen 1. Die Freistellung im faktischen Konzern zwischen Aktiengesellschaften a) Das Problem Wie unter B. II. ermittelt, scheitert eine Befreiung der Organmitglieder von der Innenhaftung durch die eigene Gesellschaft im Aktienrecht an § 93 Abs. 4 S. 3 AktG379. Freistellungsvereinbarungen der Organmitglieder mit Dritten sind hingegen unbeschränkt möglich, soweit ihre inhaltliche Ausgestaltung die Unabhängigkeit der Organstellung wahrt (s.o. B. III). Dritte können daher die Organmitglieder der Aktiengesellschaft auch von der Innenhaftung freistellen. Dies führt zu der Frage, ob verbundene Gesellschaften untereinander Freistellungsvereinbarungen mit den Organmitgliedern der jeweils anderen Gesellschaft schließen können. Wäre dieser Weg gangbar, würden sich im Konzernverbund Möglichkeiten der gegenseitigen Freistellung zugunsten der Organe von Aktiengesellschaften eröffnen, ohne daß insoweit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG entgegenstünde.

b) Die Freistellung des herrschenden Unternehmens zugunsten der Organmitglieder des abhängigen Unternehmens aa) Die Frage der Einschlägigkeit von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG bei Freistellung durch eine herrschende Aktiengesellschaft Zunächst sind Freistellungsvereinbarungen zugunsten der Organmitglieder einer abhängigen Aktiengesellschaft zu untersuchen. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG stünde dem nicht entgegen, weil die herrschende Aktiengesellschaft keine mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG kollidierende Freistellungspflicht eingeht. Die Werthaltigkeit der Organinnenhaftung in der abhängigen Aktiengesellschaft wird durch das Einstehen des herrschenden Unternehmens als Freistellungsschuldnerin ebenfalls nicht beeinträchtigt, sondern sogar gestärkt. Auch die gerichtlich nie beanstandete Freistellungspraxis der Treuhand380 betraf – soweit ersichtlich – solche Fälle, in denen die Treuhand als Alleingesellschafterin fungierte.381,382 Gegen 379

Über Art. 51 SE-VO, §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG gilt § 93 AktG auch für die SE. Vgl. § 16 Abs. 2 TreuhandG. 381 Vgl. Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, 151 (160). 382 Wobei nach § 28a S. 1 EGAktG die Vorschriften über herrschende Unternehmen auf die Treuhandanstalt nicht anzuwenden sind und nach § 1 der Ausführungsverordnung zum Gesetz zur abschließenden Erfüllung der verbliebenen Aufgaben der Treuhandanstalt vom 20.12.1994 (BGBl. I, S. 3913) auch die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben nicht als herrschendes Unternehmen gilt. 380

IV. Der Abschluß konzerninterner Freistellungsvereinbarungen

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Freistellungsvereinbarungen zugunsten der Organmitglieder eines abhängigen Unternehmens im Sinn der §§ 17, 18 AktG ist daher unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verletzung der §§ 93 Abs. 4 S. 3, 116 AktG in der abhängigen Gesellschaft nichts einzuwenden.383

bb) Die Entscheidung über die Freistellung zugunsten der Organmitglieder des abhängigen Unternehmens als Frage des unternehmerischen Ermessens des Managements der herrschenden Gesellschaft Durch die Vereinbarung einer Freistellungspflicht zugunsten der Organe der Tochter kommt es jedoch zu einer einseitigen wirtschaftlichen Belastung der freistellenden Muttergesellschaft. Es erhebt sich mithin die Frage, inwieweit das für die freistellende Gesellschaft handelnde Organ innerhalb seiner Pflichten nach § 93 Abs. 1 AktG – bzw. § 43 GmbHG bei einer herrschenden GmbH – eine solche einseitige Verpflichtung seines Unternehmens zugunsten der Organmitglieder beherrschter Gesellschaften eingehen darf. Maßgeblich ist nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, ob das für das herrschende Unternehmen handelnde Vorstandsmitglied hierbei vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Diese business judgment rule gilt der Sache nach auch für die Geschäftsführung in der GmbH.384 Es müssen daher mit einer Freistellung Vorteile für das herrschende Unternehmen verbunden sein. Ein solcher Vorteil kann darin liegen, daß durch die Absicherung der Organmitglieder die unternehmerische Handlungsfreiheit des Managements des abhängigen Unternehmens gestärkt und hierdurch den wirtschaftlichen Interessen der herrschenden Gesellschaft an seinem Beteiligungsunternehmen gedient wird. Eine Überschreitung des Ermessens nach der business judgment rule könnte umgekehrt etwa vorliegen, wenn das Management des herrschenden Unternehmens einem Organmitglied oder leitenden Angestellten des abhängigen Unternehmens nach Eintritt eines Haftungsfalls 383 So im Ergebnis hinsichtlich Alleingesellschaftern auch Habersack, in Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (160). 384 Vgl. BGH, Beschluß v. 14.7.2007 – II ZR 202/07, NZG 2008, 705 (706 f.): „Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 152, 280 = NZG 2003, 81 = NJW 2003, 358) ist Voraussetzung einer Haftungsprivilegierung des Geschäftsführers einer GmbH im Rahmen des unternehmerischen Ermessens, dass sein unternehmerisches Handeln auf einer sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruht. Danach hat der Geschäftsführer in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art auszuschöpfen und auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abzuschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung zu tragen (Goette, in: Festschr. 50 Jahre BGH, S. 123, 140f. m.w. Nachw.). Nur wenn diese Anforderungen erfüllt sind, ist Raum für die Zubilligung unternehmerischen Ermessens.“; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 43 Rn. 9; u.a. Schneider, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 43 Rn. 54; Seibt/Saame, AG 2006, 901 (905).

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

allein aus persönlichen Gründen eine Freistellung durch die herrschende Gesellschaft gewährt, ohne daß für diese Gesellschaft damit ein unternehmerischer Nutzen verbunden wäre.385

c) Die Freistellungspflicht einer abhängigen Gesellschaft zugunsten der Organmitglieder einer herrschenden Aktiengesellschaft sub specie des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Wenn § 93 Abs. 4 S. 3 AktG einer Freistellungsvereinbarung einer herrschenden Aktiengesellschaft mit den Organmitgliedern einer abhängigen Gesellschaft nicht entgegensteht, stellt sich die Frage, ob dasselbe auch im umgekehrten Verhältnis gilt, d.h. für Freistellungsvereinbarungen einer abhängigen Gesellschaft zugunsten der Organmitglieder einer herrschenden Aktiengesellschaft. Auch in diesem Verhältnis greift § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in unmittelbarer Anwendung nicht. Denn die herrschende Aktiengesellschaft verzichtet hierdurch nicht auf Organinnenhaftungsansprüche gegen ihre eigenen Organmitglieder. Vielmehr stärkt die Freistellungsverpflichtung der Tochter die Werthaltigkeit dieses Innenhaftungsanspruchs scheinbar. Allerdings ist, soweit es sich auch bei der abhängigen Gesellschaft und Freistellungsschuldnerin um eine Aktiengesellschaft handelt, zu berücksichtigen, daß deren Vorstand eine solche Freistellungsvereinbarung mit den Organmitgliedern der Muttergesellschaft grundsätzlich nur auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens schließen würde. 386 Wenn aber der Abschluß der Freistellungsvereinbarung ein für die beherrschte Aktiengesellschaft nachteiliges Rechtsgeschäft darstellen würde, entstünde möglicherweise die Ausgleichspflicht nach § 311 AktG. Der Begriff des Nachteils ist nämlich funktional aus385

Es können auch hier im weitesten Sinn die ARAG-Maßstäbe herangezogen werden. So sind Gesichtspunkte, wie negative Auswirkungen auf Geschäftstätigkeit und Ansehen der (Tochter-)Gesellschaft in der Öffentlichkeit, Behinderung der Vorstandsarbeit und Beeinträchtigung des Betriebsklimas berücksichtigungsfähig. Demgegenüber darf anderen Faktoren als solchen, die das Unternehmenswohl, welches hier als das Konzerninteresse zu verstehen ist, betreffen, wie etwa der Schonung eines verdienten Vorstandsmitglieds der Tochter oder dem Ausmaß der mit der Beitreibung für das Mitglied und seine Familie verbundenen sozialen Konsequenzen, nur in Ausnahmefällen Raum gegeben werden, BGH, Urteil v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 – ARAG. Zu den strafrechtlichen Grenzen solcher Freistellungszusagen zugunsten einzelnen Organmitglieder sub specie § 266 StGB noch unter Teil G. XIV. 386 Das Tatbestandsmerkmal der Veranlassung ist weit zu verstehen. Es erfaßt grundsätzlich jede Einflußnahme unabhängig davon, ob sie eine gewisse Nachdrücklichkeit aufweist. Entscheidend ist, ob sich die abhängige Gesellschaft aus ihrer Sicht veranlaßt sehen durfte, Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 311 Rn. 16; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 25 Rn. 12. Diese Voraussetzungen werden praktisch immer vorliegen, wenn sich der Vorstand des abhängigen Unternehmens zu einer Freistellung der Organmitglieder des herrschenden entschließt, da ein eigenes Interesse des abhängigen Unternehmens an einer solchen Verpflichtung nicht besteht.

IV. Der Abschluß konzerninterner Freistellungsvereinbarungen

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zulegen und erfaßt jede Minderung oder konkrete Gefährdung der Vermögensoder Ertragslage der Gesellschaft, soweit sie auf die Abhängigkeit zurückzuführen ist.387 Es kommt also darauf an, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer nicht abhängigen Gesellschaft sich ebenso verhalten hätte.388 Das ist grundsätzlich bei einer Freistellung zugunsten von Organmitgliedern einer Gesellschaft, an der die Freistellungsschuldnerin keine eigenen Beteiligungsrechte hält, zu verneinen. Denn ein eigenes wirtschaftliches Interesse der abhängigen Gesellschaft an dieser Freistellungsvereinbarung zugunsten der Organmitglieder des herrschenden Unternehmens läßt sich prinzipiell nicht begründen. Mit der Eingehung einer entsprechenden Verpflichtung könnte der Vorstand der abhängigen Gesellschaft daher nicht mehr annehmen, zum Wohl seiner Gesellschaft i.S.v. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu handeln. Es würde sich mithin um eine nachteilige Beeinflussung handeln, die zur Ausgleichspflicht nach § 311 Abs. 1 AktG führt. Im wirtschaftlichen Ergebnis liefe mithin die Freistellung durch das abhängige Unternehmen auf eine Enthaftung der Organmitglieder des herrschenden Unternehmens aus Mitteln des herrschenden Unternehmens hinaus. Denn die Nachteile der Freistellungspflicht des abhängigen Unternehmens müßten über § 311 Abs. 1 AktG durch das herrschende ausgeglichen werden. Dies führt zu der Frage, ob einem solchen „Freistellungs- und Regreßkreisel“ das Verzichtsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG entgegenstünde, wenn es sich bei dem herrschenden Unternehmen, dessen Organmitglieder in den Genuß der Freistellung kommen, ebenfalls um eine Aktiengesellschaft handelt. Der Regelungszweck des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, ein Verbot zu errichten gegen einen Organhaftungsverzicht aufgrund kollegialer Verschonung, würde durch eine solche Konstruktion vereitelt. Denn Freistellungsketten über abhängige Rechtsträger zugunsten der Organmitglieder einer herrschenden Aktiengesellschaft laufen im wirtschaftlichen Ergebnis auf dasselbe hinaus wie ein direkter Verzicht 389, nämlich dem Gesellschaftsvermögen derjenigen Aktiengesellschaft, deren Organmitglieder in den Genuß der Freistellung kommen, den Wert des Organinnenhaftungsanspruchs wirtschaftlich zu entziehen. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG muß daher auf diese Fälle analog angewendet werden.

387

Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 25 Rn. 14 ff. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 311 Rn. 27; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 25 Rn. 16. 389 Zu Recht vertritt die Literatur die Ansicht, daß § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Rechtshandlungen erfaßt, die einem Verzicht oder Vergleich „wirtschaftlich gleichkommen“ bzw. einer Umgehung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG dienen, Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 53; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770 (772); Bedkowski, Die Geschäftsleiterpflichten, 2006, S. 468; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg., 1999, § 93 Rn. 377; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, § 93 Rn. 134. 388

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

2. Die Freistellung im Aktien-Vertragskonzern Sodann ist zu untersuchen, inwieweit diese Ergebnisse zum faktischen Konzern auf den Vertragskonzern i.S.d. §§ 291 ff. AktG zu übertragen sind. Hinsichtlich Freistellungsvereinbarungen der herrschenden Gesellschaft zugunsten einer beherrschten Aktiengesellschaft muß dasselbe gelten wie im faktischen Aktienkonzern. Wenn es der Vorstand des herrschenden Unternehmens für zweckmäßig hält, die Organe der Tochtergesellschaft freizustellen, um im Interesse seines eigenen Unternehmens dort die Werthaltigkeit der Organinnenhaftung zu sichern und die Entscheidungsfreude des Managements durch Abmilderung des persönlichen Haftungsrisikos zu verbessern, muß dies im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG möglich sein. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG steht ebenfalls nicht entgegen, da die Organmitglieder nicht durch einen Verzicht ihrer eigenen Aktiengesellschaft privilegiert werden, sondern durch einen dritten Rechtsträger. Damit bleibt der umgekehrte Fall zu untersuchen, nämlich die Freistellungspflicht einer abhängigen Gesellschaft zugunsten der Organmitglieder einer herrschenden Aktiengesellschaft im Vertragskonzern. Es ist zu klären, ob auch in diesem Zusammenhang § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in analoger Anwendung entgegenstünde, wie dies für den faktischen Aktienkonzern wegen der Ausgleichspflicht nach § 311 Abs. 1 AktG anzunehmen war. Hierfür sind das Telos des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG und das dem Vertragskonzern zugrundeliegende Konzept des konzerninternen Nachteilsausgleichs zueinander in Bezug zu setzen. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG soll sicherstellen, daß die Ausgleichsfunktion zugunsten von Gesellschaft und Gesellschaftern nicht vorschnell im Weg „kollegialer Verschonung“390 ausgeschlossen wird.391 Die Norm gewährleistet daher die Werthaltigkeit der Organinnenhaftung.392,393 Freistellungsvereinbarungen der eigenen Organmitglieder mit Dritten laufen diesem Regelungszweck nicht zuwider, weil sie zugunsten der Gesellschaft eine zusätzliche Haftungsmasse zur Verfügung stellen und die Werthaltigkeit der Organinnenhaftung daher verbessern und nicht mindern. Die Vorschriften über den Vertragkonzern beruhen indes auf der Betrachtung, daß sich innerhalb des Unternehmensverbunds letztlich die Vor- und Nachteile ausgleichen, weil derartige Konzerne ein einziges Unternehmen im wirtschaftlichen Sinn darstellen. Der Unternehmensvertrag des § 291 AktG ist kein schuldrechtlicher Vertrag, sondern ein gesellschaftsrechtlicher Organisationsvertrag; er ändert satzungsgleich den rechtlichen Status der beherrschten Gesellschaft, indem er insbesondere den Gesellschaftszweck am Konzerninteresse 390

Vgl. Mertens, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 209 (210). Zimmermann, in: Festschrift für Duden, 1977, S. 773 (774). 392 I.d.S. auch Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 45. 393 Zur Frage der verhaltenssteuernden Wirkung von § 93 AktG s. Teil D. 391

IV. Der Abschluß konzerninterner Freistellungsvereinbarungen

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ausrichtet.394 Es kommt mithin zu einer gleichsam wirtschaftlichen Fusion aufgrund des Beherrschungsvertrags.395 Damit korrespondiert wiederum die Verlustübernahmepflicht nach § 302 AktG, die dem Kapitalerhaltungsschutz dient und die Lockerungen der Vermögensbindung nach § 291 Abs. 3 AktG im Interesse der beherrschten Gesellschaft und ihrer Gläubiger kompensieren soll. 396 Im Rahmen dieses Regelungszwecks kann daher eine dahingehende wirtschaftliche Gesamtbetrachtung von herrschender und beherrschter Gesellschaft vorgenommen werden, daß nach dem strukturellen Konzept des Vertragskonzerns die Belastungen der Tochter durch die Mutter ausgeglichen werden. Daraus folgt, daß § 93 Abs. 4 S. 3 AktG im Vertragskonzern weitgehend seiner Regelungskraft beraubt wäre, wenn es in Frage käme, anstelle eines Organinnenhaftungsverzichts durch die eigene Gesellschaft qua nachteiliger Weisung gem. § 308 AktG eine Freistellung der eigenen Organmitglieder durch die beherrschte Tochtergesellschaft herbeizuführen. Mit der wirtschaftlichen Fusion durch den Beherrschungsvertrag muß daher eine Ausdehnung des Schutzzwecks des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf Belastungen der Töchter durch Freistellungspflichten zugunsten der Organmitglieder einer herrschenden Aktiengesellschaft einhergehen. Methodisch handelt es sich insoweit um eine Analogie, da die §§ 291 ff. AktG für diesen Fall kein spezifisches Freistellungsverbot vorsehen. Schließt das beherrschte Unternehmen mit den Organen der herrschenden Aktiengesellschaft dennoch eine Freistellungsvereinbarung ab, ist diese mithin zivilrechtlich unwirksam.

3. Die Freistellungsvereinbarungen im GmbH-Konzern Abschließend ist zu klären, inwieweit die gefundenen Grundsätze auch auf Freistellungsvereinbarungen einer Aktiengesellschaft zugunsten der Organmitglieder einer abhängigen GmbH übertragbar sind. Freistellungsvereinbarungen eines Anteilseigners an einer GmbH mit deren Geschäftsführern oder sonstigen Organmitgliedern, wie Aufsichts- oder Beiratsmitgliedern, bzw. leitenden Angestellten, müssen ebenso zulässig sein wie in Betreff der Organe einer abhängigen Aktiengesellschaft. Die Rechtsform des abhängigen Unternehmens hat für 394

BGH, Urteil v. 14.12.1987 – II ZR 170/87, BGHZ 103, 1 (4 f.). Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., 2010, § 308 Rn. 46. 396 BGH, Urteil v. 14.12.1987 – II ZR 170/87, BGHZ 103, 1 (5); BGH, Urteil v. 20.2.1989 – II ZR 167/88, BGHZ 107, 7 (18) – Tiefbau; Hirte, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 23. Lfg., 2005, § 302 Rn. 4; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 302 Rn. 3; ferner K. Schmidt, ZGR 1983, 513 (515); Regierungsbegründung AktG abgedr. bei Kropff, AktG, 1965, S. 375 (390 f.), die von dem Schutz der Gesellschaft und ihrer Gläubiger spricht sowie auf S. 391 erklärt: „… Wer die Geschicke der Gesellschaft bestimmen kann oder ihren ganzen Gewinn erhält, muß auch für Verluste einstehen.“. 395

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

diese Fallgruppe ebensowenig eine Bedeutung wie die des herrschenden Unternehmens. Problematisch ist auch hier unter dem Gesichtspunkt einer möglicherweise gebotenen analogen Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vielmehr der umgekehrte Fall, d.h. die Freistellungsvereinbarung einer abhängigen GmbH zugunsten der Organmitglieder einer herrschenden Aktiengesellschaft. Zunächst gilt auch bezüglich dieser Konstellation, daß § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht unmittelbar greift, weil dieser grundsätzlich nur den Anspruchsverzicht der Aktiengesellschaft gegenüber ihren eigenen Organmitgliedern verbietet, hier aber eine Freistellung einer GmbH mit den Organmitgliedern der Aktiengesellschaft als einem von ihr getrennten Rechtsträger in Rede steht. Deshalb ist auch an dieser Stelle zu prüfen, ob die Regelung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG im Verhältnis zu einer abhängigen GmbH aufgrund einer konzernrechtlichen Sonderlage ausstrahlt. Im Aktienvertragskonzern war hierfür ausschlaggebend, daß die Möglichkeit nachteiliger Weisungen und die damit korrespondierende Verlustausgleichspflicht nach § 302 AktG397 auf dem Gedanken der wirtschaftlichen Fusion beruhen. Daher müssen sich Freistellungspflichten von Tochtergesellschaften, die sich auf eine Begünstigung der Organe der herrschenden Aktiengesellschaft richten, an § 93 Abs. 4 S. 3 AktG messen lassen. Dieser Gedanke greift unabhängig davon, ob es sich um eine durch Unternehmensvertrag beherrschte Aktiengesellschaft oder GmbH handelt, denn der aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG entgegenstehende Regelungsgehalt betrifft die Verfassung des herrschenden Unternehmens. Im GmbH-Vertragskonzern verstoßen daher Freistellungsvereinbarungen der abhängigen GmbH mit den Organmitgliedern einer herrschenden Aktiengesellschaft ebenfalls gegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in analoger Anwendung.398 Was den faktischen GmbH-Konzern anbelangt, kommt eine analoge Anwendung des § 302 AktG trotz der bestehenden Weisungsmöglichkeit gegenüber den Geschäftsführern hingegen nach zustimmungswürdiger Rechtsprechung nicht in Betracht.399 Auch ein Einzelausgleich nach § 311 AktG analog findet nach herrschender Ansicht nicht statt.400 397 § 302 AktG ist auf die vertraglich beherrschte GmbH analog anzuwenden, Liebscher, GmbH-Konzernrecht. 2006, Rn. 733 ff.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., 2010, § 302 Rn. 25. 398 Handelt es sich hingegen um eine herrschende GmbH oder andere Gesellschaft, die keinen dem § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vergleichbaren Verbotstatbestand kennt, welcher analog zur Anwendung kommen könnte, sind Freistellungsvereinbarungen freilich zivilrechtlich wirksam. 399 Zur Aufgabe des Haftungskonzepts des sog. qualifiziert faktischen Konzerns s. BGH, Urteil v. 17.9.2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, 10 – Bremer Vulkan = ZIP 2001, 1874 (m. Besprechung Altmeppen, S. 1837); BGH, Urteil v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61, dazu EWiR 2002, 679 (Blöse); BGH, Urteil v. 24.6.2002 – II ZR 300/00, BGHZ 151, 181 – KBV = ZIP 2002, 1578 (m. Besprechung Altmeppen, S. 1553); Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402; Mülbert, DStR 2001, 1937 ff. 400 BGH, Urteil v. 16.9.1985 – II ZR 275/84, BGHZ 95, 330 (340) – Autokran; Liebscher, GmbH-Konzernrecht, 2006, Rn. 311.

IV. Der Abschluß konzerninterner Freistellungsvereinbarungen

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Im faktischen GmbH-Konzern sind jedoch die Grenzen der Haftung für Treupflichtverletzungen und der Existenzvernichtungshaftung zu beachten. In der mehrgliedrigen GmbH greift zugunsten der Gesellschaftsgläubiger das Schädigungsverbot aus der Treupflicht des Gesellschafters. Einem Gesellschafter – auch einem Mehrheitsgesellschafter – ist aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Treupflicht im Grundsatz jede schädliche Einflußnahme auf die Gesellschaft verboten.401 Der schädigende Charakter einer Einflußnahme kann der Sache nach anhand der Maßstäbe der §§ 311 und 317 AktG geprüft werden.402 Als einen typischen Fall für eine schädigende Einflußnahme ist die Verlagerung besonderer unternehmerischer Risiken auf die abhängige Gesellschaft anzusehen.403 Folglich würde auch die auf den Abschluß einer Freistellungsvereinbarung zugunsten der Organmitglieder der herrschenden Aktiengesellschaft gerichtete Einflußnahme prinzipiell als schädigend gelten. Rechtsfolge ist ein Schadenersatzanspruch der geschädigten Gesellschaft gegen den schädigenden Gesellschafter.404 Mithin trüge der Gesellschafter, wenn er die abhängige GmbH qua Weisung dazu veranlaßt hat, eine Freistellungsvereinbarung zugunsten der Organmitglieder des herrschenden Unternehmens abzuschließen, in Form von Schadenersatz die wirtschaftlichen Belastungen, die hierdurch bei der freistellenden GmbH eintreten. Wie bei § 311 AktG stünde also der nachteiligen Einflußnahme, die zum Abschluß der Freistellungsvereinbarung führt, eine korrespondierende Ausgleichsleistung gegenüber. Daher muß hier – wie bei § 311 AktG – § 93 Abs. 4 S. 3 AktG analog greifen, wenn es sich bei dem Mehrheitsgesellschafter um eine Aktiengesellschaft handelt. Sofern keine Minderheitsgesellschafter existieren oder diese der Maßnahme zugestimmt haben, ist jedoch für eine gesellschaftsrechtliche Treupflichtverletzung kein Raum mehr.405 Es können hier nur die Grundsätze über den existenzvernichtenden Eingriff zur Anwendung kommen.406 Ein Schadenersatzanspruch der abhängigen Gesellschaft407 gegen das herrschende Unternehmen 401

Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 30 Rn. 10 ff. Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 30 Rn. 11; ders. In: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, Anh. § 318 Rn. 29. 403 Liebscher, GmbH-Konzernrecht, 2006, Rn. 357. 404 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 30 Rn. 15; Liebscher, GmbH-Konzernrecht, 2006, Rn. 371. 405 Pfeifer, GmbHR 2008, 1074 (1078); Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 31 Rn. 1. 406 Dazu BGH, Urteil v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 – Trihotel; sowie BGH, Urteil v. 17.9.2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, 10 – Bremer Vulkan = ZIP 2001, 1874 (m. Besprechung Altmeppen, S. 1837); BGH, Urteil v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61, dazu EWiR 2002, 679 (Blöse); BGH, Urteil v. 24.6.2002 – II ZR 300/00, BGHZ 151, 181 – KBV = ZIP 2002, 1578 (m. Besprechung Altmeppen, S. 1553); Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402. 407 Jedenfalls im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht der Anspruch der Ge402

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B. Die Haftungsfreistellung und die Strukturprinzipien

nach § 826 BGB kommt in Betracht408, wenn das herrschende Unternehmen mißbräuchlich in das Gesellschaftsvermögen „unter Verstoß gegen die Verpflichtung zur Respektierung seiner Zweckbindung zur vorrangigen Gläubigerbefriedigung“ eingreift.409 Dem Vorsatzerfordernis des § 826 BGB ist genügt, wenn dem handelnden Gesellschafter bewußt ist, daß durch von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung veranlaßte Maßnahmen das Gesellschaftsvermögen sittenwidrig geschädigt wird; dafür reicht es aus, daß ihm die Tatsachen bewußt sind, die den Eingriff sittenwidrig machen, während ein Bewußtsein der Sittenwidrigkeit nicht erforderlich ist. Eine derartige Sittenwidrigkeit betrifft nicht nur die Fälle, in denen die Vermögensentziehung geschieht, um den Zugriff der Gläubiger auf dieses Vermögen zu verhindern, sondern ist auch dann anzunehmen, wenn die faktische dauerhafte Beeinträchtigung der Erfüllung der Verbindlichkeiten die voraussehbare Folge des Eingriffs ist und der Gesellschafter diese Rechtsfolge in Kenntnis ihres möglichen Eintritts billigend in Kauf genommen hat.410 Hinsichtlich des Anspruchsumfangs stellt sich die Schadenersatzhaftung nach § 826 BGB in dieser Fallgruppe als eine Ersatzhaftung im Sinn des Einstehenmüssens für die durch den Entzug von Gesellschaftsvermögen herbeigeführte Insolvenzreife der Gesellschaft oder die Vertiefung ihrer Insolvenz dar.411 Wendet man diese Grundsätze auf die vorliegende Problematik an, wäre es in Extremfällen zwar denkbar, daß auch die Veranlassung der abhängigen GmbH zum Abschluß einer Freistellungsvereinbarung zugunsten der Organe der Alleingesellschafterin einen existenzvernichtenden Eingriff i.S. einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB darstellt. Voraussetzung wäre aber, daß es infolgedessen zum Entzug von Gesellschaftsvermögen und einer dadurch ausgelösten Begründung oder Vertiefung der Insolvenz kommt und die hierfür maßgeblichen Umstände seitens der Alleingesellschafterin mindestens von einem Eventualvorsatz erfaßt waren. Wenn die Auslösung oder Vertiefung einer Insolvenz durch Begründung einer Freistellungspflicht erkennbar ist, wird eine solche Maßnahme aus Sicht der Alleingesellschafterin vielfach aber keinen Sinn ergeben. Die Fallgruppe dürfte daher eher theoretischer Natur sein. Sofern im Einzelfall jedoch feststünde, daß eine Aktiengesellschaft als Alleingesellschafterin nach § 826 BGB den Wert einer solchen Freistellung der abhängigen GmbH sogleich als Schadenersatz zu erstatten hätte, käme es auch insoweit zu einem Abfluß der Mittel, die § 93 Abs. 4

sellschaft zu. Außerhalb des Insolvenzverfahrens soll nach teilweise vertretener Ansicht ein Direktanspruch der Gläubiger der Gesellschaft in Betracht kommen, vgl. Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, Anh. § 318 Rn. 38. 408 BGH, Urteil v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 – Trihotel. 409 BGH, Urteil v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246, Tz. 28 – Trihotel. 410 BGH, Urteil v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246, Tz. 30 – Trihotel. 411 BGH, Urteil v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246, Tz. 33 – Trihotel.

V. Die Kombination einer Freistellungsvereinbarung

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S. 3 AktG gerade schützen will, so daß die Freistellungspflicht dann bereits in analoger Anwendung dieser Vorschrift unwirksam wäre.

V. Die Kombination einer Freistellungsvereinbarung durch ein nicht verbundenes Unternehmen mit einer Rückerstattungspflicht der Aktiengesellschaft zugunsten dieses Freistellungsschuldners Die Untersuchung unter B. IV. hat die Beschränkungen aufgezeigt, denen konzerninterne Haftungsbefreiungen durch eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unter Berücksichtung der konzernrechtlichen Ausgleichspflichten im faktischen Konzern und im Vertragskonzern unterliegen können. Eine aus Sicht einer Aktiengesellschaft naheliegende Lösung zur Aufhebung der Beschränkung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG könnte nun darin bestehen, daß ein nicht verbundenes Unternehmen mit den Organmitgliedern eine Freistellungsvereinbarung schließt und sich im Gegenzug die Aktiengesellschaft gegenüber diesem Rechtsträger dazu verpflichtet, ihm im Freistellungsfall dessen Leistungen zugunsten der Organmitglieder zu erstatten. Auch dieser Lösung müßte dann aber wieder § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in analoger Anwendung entgegenstehen. Denn das Ergebnis dieser Konstruktion wäre eine Freistellung der Organmitglieder aus Mitteln, die wirtschaftlich der eigenen Gesellschaft entzogen werden, so daß der Regelungszweck des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vereitelt würde. Eine solche Aushebelung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG durch eine vertragliche Freistellungskette über Dritte kommt zugunsten der Organe einer Aktiengesellschaft daher nicht in Betracht.

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C. Die D&O-Versicherung und die Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts I. Die D&O-Versicherung als Rechtsprodukt 1. Der historische Hintergrund Eine erste Auseinandersetzung mit der Thematik der D&O-Versicherung fand in Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts statt, als 1884 das Aktiengesetz, 1889 das Genossenschafts- und schließlich 1892 das GmbH-Gesetz verabschiedet wurden. Die durch diese Gesetze begründete strenge persönliche Haftung der Organmitglieder warf die Frage auf, ob es möglich sei, diese Personen für die Risiken ihrer Tätigkeit zu versichern. Das wurde damals nach verbreiteter Ansicht als „unmoralisch“ abgelehnt.1 Infolgedessen herrschte in Deutschland lange Zeit das Verständnis, daß eine Versicherung des Managements nicht in Betracht komme, sondern die Sanktion bei einem krassen Mißmanagement vielmehr die Entlassung des betreffenden Organmitglieds sei. 2 Daß die D&O-Versicherung früher nicht relevant war, lag auch an der Struktur des deutschen Aktienmarkts. In Deutschland wurden große Beteiligungen an Unternehmen seit jeher durch Banken und andere Industrieunternehmen gehalten. Die Auswirkungen von Managementfehlern in den Beteiligungsunternehmen trafen daher auf Anteilseignerseite vielfach zwar die Vermögensinteressen juristischer Personen, führten aber nicht bei natürlichen Personen zu spürbaren Schäden. Der Anreiz zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen auf Seiten der Anteilseigner war daher niedrig. Aus all’ diesen Gründen haben sich sowohl die Gesetzgebung als auch die Judikatur lange Zeit mit Fragen der Organhaftung kaum befaßt. Die Rahmenbedingungen auf den Aktienmärkten haben sich in den letzten zehn Jahren aber stark verändert, und auch die Frage der Haftung von Lei-

1 Zu den Einzelheiten s. Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 103; Kästner, AG 2000, 113 (114). 2 Friedrich, D&O Liability, 2002, S. 1; Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 1.

I. Die D&O-Versicherung als Rechtsprodukt

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tungsorganen ist zunehmend in den Fokus von Rechtswissenschaft 3 und -praxis4 gerückt.5 Die Aktie ist bei Privatanlegern als Mittel der Vermögensbildung mittlerweile weitgehend akzeptiert, was zu einem Anstieg von Privatbeteiligungen an Großunternehmen geführt hat. Ein möglicherweise früher vorhandenes Klima gegenseitiger Nachsicht zwischen Banken und anderen Großaktionären einerseits sowie den Beteiligungsunternehmen andererseits weicht daher zusehends einer strengen Kontrolle des Managements durch die Anteilseigner. Außerdem haben die deutsche Rechtsprechung und Gesetzgebung die Haftung von Organmitgliedern schrittweise verschärft.6 Infolgedessen werden in Deutschland Unternehmensleiter und Aufsichtsräte nun häufiger für Managementfehler zur Verantwortung gezogen. 7 Auch die Unternehmenszusammenbrüche, wie beispielsweise von Philipp Holzmann, Babcock, EM.TV, Comroad, Mobilcom oder der Kirch-Gruppe haben zu einer breiteren Sensibilisierung für das Thema Managementhaftung geführt. Wegen einer steigenden Anzahl von Unternehmenszusammenbrüchen im Mittelstand hat die Verfolgung von Organhaftungsansprüchen durch Insolvenzverwalter zudem eine größere Bedeutung erlangt. Auch das Risiko, von ausländischen Investoren in Anspruch genommen zu werden, realisiert sich wegen der stärkeren Internationalisierung der Aktienmärkte immer häufiger.8 Darüber hinaus hat eine konjunkturelle Anspannung eine härter werdende Ertrags-, Kosten- und Wettbewerbssituation verursacht, angesichts derer die Unternehmen, Eigentümer, Mitarbeiter und Aktionäre immer weniger bereit sind, Vermögenseinbußen hinzunehmen, die durch Managementfehler verursacht wurden. In den USA ist die Organhaftung nicht zuletzt wegen diverser prozessualer Erleichterungen seit jeher wesentlich schärfer als in Deutschland. Daher hat die D&O-Versicherung auch dort ihren Ursprung.9 Einer der Auslöser für ihre Entstehung war der Zusammenbruch der New Yorker Börse am 25. Ok3 Die Publikationen zu diesem Bereich sind längst unüberschaubar, vgl. nur die Ausführungen in den einschlägigen Kommentierungen zu § 93 AktG und das dort angegebene Schrifttum. 4 Vgl. nur aus jüngerer Vergangenheit BGH, Urteil v. 11.12.2006 – II ZR 243/05, ZIP 2007, 224; OLG Oldenburg, Urteil v. 22.6.2006 – 1 U 34/03, GmbHR 2006, 1263; OLG München, Beschluß v. 14.3.2006 – 7 U 5267/05, AG 2006, 723; LG Frankfurt, Urteil v. 25.1.2006 – 3/9 O 143/04, 3–9 O 143/04, AG 2006, 510; OLG München, Beschluß v. 16.3.2005 – 7 U 2857/04, AG 2005, 662. 5 Hierzu sowie zum Folgenden s. insbesondere Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 1 f. 6 Dazu im einzelnen Teil B. I. 3. c). 7 Rieger-Goroncy, NVersZ 1999, 247. 8 Dies führt zu weiteren Fragen betreffend die Legalitätspflicht der Organe internationaler Konzerne im Hinblick auf Rechtspflichten, die aus ausländischen Rechtsordnungen folgen. Dieser Problemkreist kann hier nicht vertieft untersucht werden. Fest steht jedoch, daß die Organe auch ausländischen Haftungsrisiken unterliegen. 9 Lohr, NZG 2000, 1204 (1211); Klinkhammer, VP 1988, 173 (174).

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C. Die D&O-Versicherung und die Strukturprinzipien

tober 1929, der dazu führte, daß der US-amerikanische Gesetzgeber mit dem Securities Act 1933 und dem Securities Exchange Act 1934 Gesetze erließ, durch welche die Haftung der Manager im Unternehmen für Fehler bei der Börseneinführung und bei dem Handeln mit Aktien verschärft wurde.10 Daraus folgte ein Bedürfnis der Leitungspersonen nach Absicherung.11 Darauf reagierte zunächst Lloyd’s mit den ersten D&O-Versicherungsprodukten. Gleichwohl kam es in den USA erst Ende der 60er und in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts zu einer verstärkten Verbreitung von D&O-Versicherungen. Allerdings brach der Markt wegen der Schadenhäufigkeit und -höhe schon zehn Jahre später wieder zusammen. Viele Versicherer zogen sich zunächst aus dem Segment zurück. Mittlerweile hat er sich jedoch wieder erholt. Die D&O-Versicherung gehört in den USA heute zum Standard. Während Ende der 60er Jahre nur wenige Unternehmen in den USA eine solche Versicherung abgeschlossen hatten, waren es Ende der 80er Jahre bereits 96,8 % aller an der New York Stock Exchange notierten Aktiengesellschaften.12 Inzwischen ist sie aber auch bei nonprofit-Organisationen in den USA vorzufinden.13 Die D&O-Versicherung hat sich Ende der 70er Jahre auch in Kanada, Europa und Australien verbreitet. Die starke aktuelle Verbreitung der D&O-Versicherung14 in den USA ist vor allem darauf zurückzuführen, daß das US-amerikanische Rechtssystem Schadenersatzklagen gegen Organmitglieder begünstigt. Die Haftungsansprüche werden in den USA überwiegend in Form von Aktionärsklagen geltend 10 Zu diesen Entwicklungen auf dem US-Markt s. Barzen/Brachmann/Braun, D&OVersicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 103. 11 Zur Entstehungsgeschichte in den USA siehe eingehend Paetzmann, ZVersWiss 2008, 177 (179 ff.). 12 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 101. 13 Vgl. die Studie von Towers Perrin zum US-amerikanischen D&O-Markt, die in VP 2008, 199 f. zusammengefaßt ist. Die Prämien hierfür liegen deutlich niedriger als in der D&O-Versicherung für kommerzielle Unternehmen. In Deutschland hat die D&O-Versicherung für non-profit-Gesellschaften noch keine besondere Bedeutung erlangt. Erste Überlegungen für ein solches Produkt werden im Markt dem Vernehmen nach aber angestellt. 14 Zu den aktuellen Marktentwicklungen kann auf die Studie von Towers Perrin zum US-amerikanischen D&O-Markt verwiesen werden, die in VP 2008, 199 f. zusammengefaßt ist. Ergebnis der Untersuchung ist, daß die Prämien im Vergleich zu Deutschland höher sind. Gleichwohl ist in den USA derzeit ein starker Prämienverfall zu verzeichnen. Die ca. 3.000 Teilnehmer der US-Studie zahlten im Jahr 2007 eine durchschnittliche Prämie von US $ 148.118, wohingegen es im Jahr 2006 noch US $ 228.054 waren. Allerdings war der Teilnehmerkreis beider Erhebungen nicht identisch. Soweit dieselben Unternehmen befragt wurden, sank die Prämie um durchschnittlich 14 %. In der deutschen Towers Perrin-Studie lag die durchschnittliche Prämienhöhe mit EUR 441.667 zwar nominell deutlich höher. Die Ursache hierfür liegt aber darin, daß in der deutschen Studie mehr große Unternehmen befragt wurden als in den USA. Vergleicht man die Unternehmensgröße, sind die Prämien in den USA weiterhin höher als in Deutschland. Was die Versicherungssummen anbelangt, ergab die Untersuchung einen auf alle US-Teilnehmer bezogenen durchschnittlichen Rückgang der Limits um 15 %, wobei indes bei Unternehmen mit einer Bilanzsumme von über US $ 5 Mrd. die Versicherungssummen gestiegen sind; s. ferner Paetzmann, ZVersWiss 2008, 177 (180).

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gemacht. Es hat nach US-amerikanischem Recht jeder Aktionär grundsätzlich ein Klagerecht, und er kann die Ansprüche15 – nach ergebnisloser Aufforderung der betreffenden Organe – in eigenem Namen als shareholder derivative action für Leistung an das Unternehmen verfolgen, dies ggf. auch durch Sammelklagen.16 In den USA wird der Abschluß einer D&O-Versicherung wegen der Häufigkeit von Aktionärsklagen mittlerweile als ein Element der Fürsorge des Unternehmens für das Organmitglied angesehen. Was die USA anbelangt, wird das Fehlen ausreichenden D&O-Versicherungsschutzes sogar als Hauptgrund für die Ablehnung eines Angebots zur Übernahme einer Organfunktion genannt.17 Zwar wurde die D&O-Versicherung in Deutschland 1986 erstmals von der deutschen Tochter eines amerikanischen Versicherungsunternehmens angeboten.18 Sie deckte aber aufgrund der Restriktionen, die das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen aufgestellt hatte, das eigentliche Organhaftungsrisiko nicht ab. Denn Ansprüche im Zusammenhang mit „unternehmerischen Fehlentscheidungen“ mußten von der Versicherung ausgenommen werden. Dieser Einschränkung trug die deutsche Versicherungswirtschaft dadurch Rechnung, daß spezielle Vermögensschaden-Rechtsschutzpolicen für Manager angeboten wurden, die zwar die Prozeßkosten übernahmen, nicht aber das eigentliche Haftungsrisiko abdeckten.19 Erst mit dem Fortfall des Genehmigungserfordernisses durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen aufgrund der Rechtsangleichung innerhalb der EU zum 1. Juli 1994 war der Boden für eine Verbreitung echter D&O-Versicherungen in Deutschland bereitet. Seit 1995 boten dann auch deutsche Versicherer D&O-Policen an. 20 Kurz nach Fortfall des Genehmigungserfordernisses entwarf 1996/1997 die vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft eingerichtete Arbeitsgruppe ein Bedingungswerk für D&O-Policen, das als Standard empfohlen wurde. Aufgrund seiner restriktiven Tendenz hat es sich aber zunächst nicht auf dem Markt durchgesetzt.

15 Die Literatur sieht darin das Gegenstück zu der nach deutschem Recht bestehenden Innenhaftung, der in den USA zunächst kaum eine Bedeutung zukam. Die Innenhaftung spielte im US-amerikanischen Aktienrecht erst nach dem spektakulären Innenhaftungsfall Bank of America Mitte der 80er Jahre eine Rolle und wird seitdem in den Versicherungsbedingungen regelmäßig ausgeschlossen, vgl. Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 103 f. 16 Kästner, AG 2000, 113 (114); Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 103. 17 Zolkos, Business Insurance 1995, S. 12. 18 Klinkhammer, VP 1988, 173 (174). 19 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 104. 20 Paetzmann, ZVersWiss 2008, 177 (181 f.); Kästner, AG 2000, 113 (114).

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C. Die D&O-Versicherung und die Strukturprinzipien

Die Verschärfung der Organhaftung durch die Rechtsprechung und die Gesetzgebung hat dann auch in Deutschland zu einer immer stärkeren Verbreitung von D&O-Versicherungen geführt. 21 In dem 10-Jahres-Zeitraum ab 1995 hat sich die D&O-Versicherung zunehmend durchgesetzt, 22 und es wird geschätzt, daß sie sich bei börsennotierten Aktiengesellschaften mittlerweile nahezu flächendeckend etabliert hat. 23 Als eine weitere Ursache für den zunehmenden Erfolg der D&O-Versicherung in Deutschland werden die stärkeren internationalen wirtschaftlichen Verflechtungen und die Globalisierung der Märkte genannt, die auch zu einer Übernahme der Gepflogenheiten in bezug auf die Absicherung von Haftungsrisiken für Organmitglieder aus den USA geführt haben. Unmittelbar nach der Einführung der D&O-Versicherung auf dem deutschen Markt kam es zunächst zu einem Prämienverfall.24 Etwa im Herbst 2001 ereignete sich dann eine Kehrtwende. Die Versicherer beschränkten ihre Kapazitäten und hoben die Prämien besonders für bestimmte haftungsträchtige Branchen stark an. 25 Auch die Deckung wurde eingeschränkt. 26 Beispielsweise wurde nicht mehr ohne nähere Prüfung eine Rückwärtsdeckung angeboten und eine solche für neue Unternehmen kategorisch ausgeschlossen. Die automatische Nachhaftung wurde regelmäßig auf ein Jahr oder weniger beschränkt. Darüber hinaus wurde die Innenanspruchsdeckung oftmals generell oder jedenfalls zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften ausgeschlossen, und es wurden vielfach weitreichende Haftungsausschlüsse vereinbart. Dennoch sorgt die Zunahme der Organhaftungsfälle für eine weiterhin hohe Verbreitung von D&O-Versicherungen. Das steigende Haftungsrisiko führt aber auch dazu, daß die Lage auf dem D&O-Versicherungsmarkt angespannt bleibt. Es kam in den Jahren 2000 bis 2004 zu einem starken Anstieg von Schadenszahlungen. 27 Darüber hinaus verteuern und reduzieren die Rückversicherer ihre Kapazitäten, was die Situation weiter verschärft.28 Trotzdem hat die D&O-Versicherung dem Vernehmen nach in den letzten Jahren zu einem

21 Rieger-Goroncy, NVersZ 1999, 247; Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 105; siehe zur vergleichbaren Entwicklung außerhalb Deutschlands auch Davies, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, 8th Ed. 2008, para. 16–92. 22 Friedrich, D&O Liability, 2002, S. 1. 23 Vgl. Dreher, AG 2008, 429; Krüger, NVersZ 2001, 8; Mertens, AG 2000, 447 (452). 24 Kästner, AG 2000, 113 (114); Rieger-Goroncy, NVersZ 1999, 247; Barzen/Brachmann/ Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 105. 25 Vgl. Tödtmann, in: Handelsblatt v. 17.1.2003 S. K 4; Barzen/Brachmann/Braun, D&OVersicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 105 f. 26 Zu dieser Entwicklung Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 106. 27 Vgl. Hendricks, in: Interview mit Experten Presse News v. 2.8.2004, http://www. experten.de/NET/epn/1321.epnnews. 28 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 106.

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beträchtlichen Prämienaufkommen geführt. 29 Dabei entfällt ein Großteil des Volumens auf wenige umsatzstarke Unternehmen.30 Die Verbreitung der D&O-Versicherung ist nicht auf die Aktiengesellschaft beschränkt, sondern erfaßt zunehmend auch die kleine und mittlere GmbH. Nachdem nahezu alle großen Aktiengesellschaften über D&O-Versicherungsschutz verfügen, stellt der Bereich der mittelständischen Unternehmen derzeit noch einen Wachstumsmarkt dar. Dort ist eine deutlich höhere Schadenfrequenz zu verzeichnen als bei den größeren Aktiengesellschaften. Die Praxis schätzt, daß dort auf zehn Verträge eine Schadenmeldung kommt. 31 Dieser Befund wird damit erklärt, daß die Geschäftsführer kleinerer Unternehmen die D&O-Police häufig als allgemeine Absicherung für unternehmerische Fehlentscheidungen jenseits der eigentlichen Haftungsfälle begreifen. Folglich ist auch die Ablehnungsquote in diesem Segment besonders hoch. Es ist des weiteren festzustellen, daß kleine und mittlere GmbH aufgrund mangelnder Aufklärung beim Vertragsschluß und falscher Risikoeinschätzung oftmals über einen ungeeigneten oder sogar praktisch wertlosen D&O-Versicherungsschutz verfügen. Aufgrund der im mittelständischen Bereich vielfach niedrigeren Schadensummen liegen die Deckungen hier üblicherweise nicht höher als EUR 10 Mio.

2. Die Struktur des D&O-Versicherungsvertrags Bei der D&O-Versicherung handelt es sich um eine Haftpflichtversicherung für fremde Rechnung im Sinn der §§ 100, 43 VVG (§§ 149, 74 VVG alt).32 Die Gesellschaft ist Versicherungsnehmerin und schließt die Versicherung mit dem Versicherungsunternehmen zugunsten der Organmitglieder und ggf. leitenden Angestellten als Versicherten.33 Häufig handelt es sich um Konzernpolicen, die das Management aller Konzerngesellschaften abdecken. Es kommt statt der D&O-Fremdversicherung zwar theoretisch auch eine Versicherung der einzelnen Organmitglieder oder leitenden Angestellten für sich selbst als Singular-

29

Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (453). Nach Schätzungen aus dem Jahr 2004 fielen ca. 70 bis 80 % des Prämienvolumens auf die stärksten 100 Unternehmen, Hendricks, in: Interview mit Experten Presse News v. 2.8.2004, http://www.experten.de/NET/epn/1321.epnnews. 31 Vgl. Hendricks, in: Interview mit Experten Presse News v. 2.8.2004, http://www. experten.de/NET/epn/1321.epnnews. 32 LG Marburg, Urteil v. 3.6.2004 – 4 O 2/03, DB 2005, 437 (438). 33 Dreher, DB 2005, 1669 (1670 ff.); Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 12 Rn. 6, 25 f.; Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsverhältnis des Aktienrechts, 2006, S. 31ff.; Koch, GmbHR 2004, 18 (22). 30

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C. Die D&O-Versicherung und die Strukturprinzipien

haftpflichtversicherung in Betracht.34 Diese hat jedoch bislang kaum praktische Bedeutung.35 Der Umfang des Versicherungsschutzes erfaßt im Regelfall Ansprüche wegen Vermögensschäden aus Pflichtverletzungen der Versicherten, und zwar solche, die der Versicherungsnehmerin zustehen, sowie Ansprüche Dritter. 36 Der praktische Schwerpunkt liegt bei der Innenhaftung aus den §§ 93, 116 AktG37 bzw. § 43 GmbHG und dem jeweiligen Dienstvertrag leitender Angestellter.38 Die Außenhaftung spielt, soweit sie versicherbar ist, hingegen eine untergeordnete Rolle. Eine Außenhaftung der Organmitglieder für Vermögensschäden Dritter kommt unter Vorbehalt des Kapitalmarktrechts und der Haftung aus § 311 Abs. 3 BGB im Regelfall nämlich nur bei vorsätzlichem deliktischem Handeln in Betracht.39 In diesen Fällen greift aber der Versicherungsausschluß des § 103 VVG (§ 152 VVG alt). Der Versicherungsschutz umfaßt nach § 100 VVG (§ 149 VVG alt) nicht nur die Befriedigung begründeter Ansprüche, was als Zahlungsfunktion bezeichnet wird, sondern auch die gerichtliche oder außergerichtliche Abwehr unbegründeter Ansprüche, die sogenannte Rechtsschutzfunktion. Daraus folgt nach dem Trennungsprinzip, daß die Deckung erst nach Klärung der Haftungsfrage geschuldet ist, der Deckungsprozeß also dem Haftpflichtprozeß folgt.40 Der D&O-Versicherungsvertrag ist Vertrag zugunsten Dritter im Sinn von § 44 Abs. 1 VVG (§ 75 Abs. 1 VVG alt).41 Der Versicherungsanspruch steht der Versicherungsnehmerin nach den üblicherweise vereinbarten Versicherungsbedingungen nur dann zu, wenn sie den Versicherten auf ihre Kosten von der Außenhaftung freigestellt hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß die Regelungen der §§ 44, 45 VVG (§§ 75, 76 VVG alt) die Geltendmachung der Versicherungsansprüche an den Besitz des Versicherungsscheins knüpfen. Dessen Aushändigung durch den Versicherer kann nach § 44 Abs. 1 S. 2 VVG (§ 75 Abs. 1 S. 2 VVG alt) nur von der Versicherungsnehmerin verlangt werden. Wenn das Unternehmen als Versicherungsnehmerin im Besitz des Scheins ist, kann sie dann auch die Rechte des Versicherten in eigenem Namen geltend machen. Die versicherte Person kann hingegen nicht selbst vorgehen, ohne im Besitz des Ver34 35

Schneider/Ihlas, DB 1994, 1123 (1124). Zu den Gründen hierfür und den Einzelheiten dieses Versicherungsprodukts s. Teil J.

II. 5. 36

Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (456). Die über Art. 51 SE-VO auch für die SE gelten, Drinhausen, in: Van Hulle/Maul/ Drinhausen, Handbuch zur Europäischen Gesellschaft, 2007, Abschn. 5 § 2 Rn. 39 f. 38 Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (456). 39 Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (456). 40 OLG München, Urteil v. 15.3.2005 – 25 U 3940/04, WM 2006, 452 (453 f.) = VersR 2005, 540 ff. 41 LG Marburg, Urteil v. 3.6.2004 – 4 O 2/03, DB 2005, 437 (438); Kästner, AG 2000, 113 (114). 37

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sicherungsscheins zu sein. Diese Regelung kann zu Problemen bei der Aktivlegitimation und Prozeßführungsbefugnis führen.42 Einige Versicherungsverträge enthalten einen Selbstbehalt, wenngleich dies noch nicht stark verbreitet ist. Mit § 93 Abs. 2 S. 3 AktG, der durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31. Juli 2009, BGBI. 2009 Teil I Nr. 50, 2509, eingefügt wurde, ist nunmehr jedoch für die Versicherung von Vorstandsmitgliedern ein Selbstbehalt vorgeschrieben.Haftungsausschlüsse finden sich grundsätzlich für Schäden aus vorsätzlicher oder „wissentlicher“ Pflichtverletzung. Ferner sind Eigenschadenklauseln verbreitet. Die Ansprüche von Versicherten, die nicht unerheblich an einer geschädigten Gesellschaft beteiligt sind, werden durch die Eigenschadenklausel grundsätzlich um den Prozentsatz der Kapitalbeteiligung der Betreffenden gemindert. Üblich sind auch Ausschlußklauseln für Ansprüche, die in den USA oder Kanada geltend gemacht werden. Hintergrund sind die unübersichtliche Haftungslage in diesen Jurisdiktionen und die dort möglichen hohen Schadenersatzforderungen wegen Pflichtverletzungen von Organmitgliedern. Ferner sind auch Haftungsausschlüsse für die Außenhaftung von Organmitgliedern aus Produkthaftung oder für Umweltschäden vorfindlich sowie solche wegen unzureichenden Versicherungsschutzes.

3. Der Stand der Wissenschaft und Praxis der D&O-Versicherung Die Literatur zur D&O-Versicherung konzentrierte sich zunächst auf die Frage der Kompetenz zum Abschluß des Versicherungsvertrags auf Seiten der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin. Es wurde erörtert, ob die von der Gesellschaft geleisteten Prämien als Vergütung der Organmitglieder anzusehen sind oder als allgemeiner Geschäftsaufwand, weil davon abhängig ist, ob es der Einschaltung des Aufsichtsrats nach § 87 Abs. 1 AktG bzw. der Hauptversammlung nach § 113 Abs. 1 AktG bedarf.43 Was die Zulässigkeit von D&O-Versicherungen überhaupt anbelangt, hat das frühere Schrifttum zunächst im Hinblick auf die Haftungsverfassung der Aktiengesellschaft aus den zwingenden §§ 93, 116 AktG Bedenken angemeldet.44 Die mittlerweile wohl herrschende Ansicht will D&O-Versicherungen hingegen aktienrechtlich nicht beanstanden.45 Auch die Regierungskom42

Dazu im einzelnen unter Teil I. II. Dazu im einzelnen unter Teil F. II. 44 Insbesondere Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 173 ff., 184, der einen Verstoß gegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG sieht. 45 Vgl. Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 Rn. 83; Hüffer, Aktiengesetz, 9. Aufl., 2010, § 84 Rn. 16, § 93 Rn. 11; Vetter, AG 2000, 453 ff.; Hopt, in: Großkommentar Aktiengesetz, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 520; Henssler, RWS-Forum 20, Gesellschafts43

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C. Die D&O-Versicherung und die Strukturprinzipien

mission Corporate Governance hat die Auffassung vertreten, daß die D&OVersicherung aktienrechtlich unbedenklich ist.46 Neuere Stimmen sehen die D&O-Versicherung allerdings vor allem wegen eines Eingriffs in die Steuerungsfunktion der Organhaftung kritisch und verlangen, daß jedenfalls ein angemessener Selbstbehalt vereinbart wird, wobei die Problematik durch den neuen § 93 Abs. 2 S. 3 AktG teilweise eine neue Dimension bekommen hat. Die Rechtsprechung hat sich zu all’ diesen Fragen – soweit ersichtlich – noch nicht geäußert. Von einem gesicherten rechtspraktischen und -wissenschaftlichen Bestand kann daher weder hinsichtlich der grundsätzlichen Zulässigkeit von D&O-Versicherungen noch in bezug auf wichtige Teilfragen, wie die Abschlußkompetenz in der Gesellschaft, die Rede sein.

II. Die Vereinbarkeit mit den Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts 1. Die Auswirkungen der D&O-Versicherung auf die Werthaltigkeit der Organinnenhaftung a) Die Verbesserung der Werthaltigkeit Hinsichtlich der Vereinbarkeit der D&O-Versicherung mit den Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts sind zunächst die aktienrechtlichen Vorschriften über die Organinnenhaftung zu betrachten. Die D&O-Versicherung mildert die Haftungsfolgen. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, der einen Verzicht und Vergleich über Ansprüche gegen Vorstände und gemäß § 116 AktG gegen Aufsichtsratsmitglieder verschiedenen Einschränkungen unterwirft, ist zu entnehmen, daß ein Haftungsausschluß oder eine Haftungsbegrenzung ex ante seitens der Gesellschaft nicht möglich ist. Dieses Ergebnis, das bereits rechtssystematisch aus dem e contrario- und a fortiori-Schluß aus § 93 Abs. 4 AktG folgt, wird durch das Telos der Norm bestätigt. Die Vorschrift soll sicherstellen, daß die Ausgleichsfunktion der Organinnenhaftung zugunsten von Gesellschaft und Gesellschaftern nicht vorschnell im Wege „kollegialer Verschonung“47 ausgeschlossen wird.48 Die Norm gewährleistet daher insoweit die Werthaltigkeit der Organinnenhaftung.49 recht 2001, S. 131 (142, 152); Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 12 Rn. 2. 46 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 75. 47 Mertens, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 209 (210). 48 Zimmermann, in: Festschrift für Duden, 1977, S. 773 (774). 49 I.d.S. auch Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 45.

II. Die Vereinbarkeit mit den Strukturprinzipien

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Die D&O-Versicherung beeinträchtigt die Werthaltigkeit der Organinnenhaftungsansprüche aber nicht. Sie knüpft vielmehr an die Geltendmachung der Organhaftung tatbestandlich an, führt also gerade nicht zu einem Ausschluß oder einer Relativierung der Ansprüche nach § 93 Abs. 2 AktG,50 wie dies bei einem Verzicht zwischen Gesellschaft und Organmitglied der Fall ist.51 Sie verbessert die Werthaltigkeit sogar, weil neben dem Organmitglied der Versicherer als weiterer Schuldner zur Verfügung steht. Es besteht daher keine unmittelbare Kollision der D&O-Versicherung mit § 93 Abs. 4 AktG.52

b) Die mögliche Einschränkung der Werthaltigkeit durch die Prämienzahlungspflicht der Gesellschaft Dennoch hält eine Minderheitsauffassung in der Literatur die D&O-Versicherung im Hinblick auf eine mögliche „Entwertung“ des Organinnenhaftungsanspruchs für aktienrechtlich problematisch.53 Die Vertreter dieser Ansicht knüpfen diesbezüglich an die Prämienzahlungspflicht der Gesellschaft an. Die Ausgleichsfunktion des § 93 AktG werde verletzt, wenn die Gesellschaft als potentielle Anspruchsberechtigte durch Zahlung der Prämien den möglichen Anspruch gegen ihre Organmitglieder gleichsam vorweggenommen entwerte. 54 Diese Betrachtung begegnet aber Bedenken.55 Die Versicherungsprämien stellen lediglich Aufwendungen der Gesellschaft dar, durch die diese überwiegend eigene, im Unternehmensinteresse liegende Ziele verfolgt.56 Die Prämienzahlung durch die Gesellschaft ist daher sub specie § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ebenso unbedenklich wie es die Gehaltszahlungen oder Aufwandsentschädigungen zugunsten der Organmitglieder sind.57 Die Prämienzahlungspflicht mindert zwar das Gesellschaftsvermögen, nicht aber rechtlich oder wirtschaftlich den Innenhaftungsanspruch. Die Zahlung der Prämien ist eine Bedingung, die hinweggedacht werden kann, ohne daß sich etwas an dem Anspruch ändert. Die D&O-Versicherung sichert vielmehr zugunsten des Unternehmens die Werthaltigkeit der Organinnenhaftung und erhöht sie sogar.58 Da in den Or50 Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II, 2007, S. 451 (462 f.); Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 171; Mertens, AG 2000, 447 (448 in Fn. 3). 51 Dazu Teil B. II. 1. a). 52 Dreher, AG 2008, 429 (430). 53 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 88, 92; vgl. auch Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 183. 54 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 88, 92. 55 Vgl. Dreher, AG 2008, 429 (430). 56 Dazu ausführlich Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.). 57 Kästner, AG 2000, 113 (119). 58 Dazu ausführlich F. II. 1. b) bb) (III.) (2.) (a).

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C. Die D&O-Versicherung und die Strukturprinzipien

ganhaftungsfällen der Schadensumfang das persönliche Vermögen der Organmitglieder oft deutlich übersteigt, gewährleistet vielfach erst das Bestehen einer D&O-Versicherung die wirtschaftliche Realisierbarkeit der Forderung durch die Gesellschaft in einem nennenswerten Umfang. Es kann daher auch nicht überzeugen, wenn Habetha mit Blick auf die Prämienzahlungspflicht bei der D&O-Versicherung meint, es gebe keinen Grund, „die zirkularitätsbedingte Neutralisierung der Organhaftung in Kauf zu nehmen“.59 Er geht davon aus, daß die „auf Rechnung der Gesellschaft genommene Versicherung“ die Organhaftung „neutralisiere“60 bzw. „zur Neutralisierung der Haftungsnorm in einem zirkulären Geldumlauf “ führe61 und dadurch in ihren Wirkungen einem Verzicht i.S.d. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gleichkomme.62 Diese These beruht auf zwei problematischen Grundannahmen: Erstens liegt ihr die Annahme zugrunde, daß die D&O-Versicherung die Organhaftung neutralisiere.63 Das ist realiter aber nicht der Fall. Die D&OVersicherung deckt nur einen Teil möglicher Organhaftungsfälle ab. Bereits aus versicherungsrechtlichen Gründen kann sie beispielsweise keine vorsätzlichen Schädigungen erfassen.64 Sie enthält überdies eine Deckungsgrenze, die nicht selten unter der Höhe des eingetretenen Schadens liegt.65 Darüber hinaus sehen die Versicherungsbedingungen in der Praxis weitere Haftungssausschlüsse vor.66 Insgesamt kann die D&O-Versicherung daher nur für eine partielle Abmilderung der Organhaftungsrisiken sorgen, bewirkt aber keine „Neutralisierung“.67 Zweitens trifft es nicht zu, daß die D&O-Versicherung zu einem „zirkulären Geldumlauf “ führt, der in seinen Wirkungen einem Haftungsverzicht gleichkäme. Vielmehr hängt es von der Schadenshöhe und -häufigkeit sowie der Höhe der Prämien und der Laufzeit des Versicherungsvertrags ab, ob im konkreten Fall bei der Gesellschaft in vermögensmäßiger Hinsicht ein Nettovor- oder -nachteil entsteht. Wie bei jeder Versicherung sind die Prämienzahlungen rück59 Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 183. 60 Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 177. 61 Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 184. 62 Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 183. 63 Vgl. auch die Kritik an Habethas Ansicht bei Vetter, AG 2000, 453 (454). 64 Teil G. III. 65 Zur Deckungsgrenze Teil G. V. 66 Teil G. XI. 67 Aus Sicht der Praxis s. nur Ihlas, VW 2007, 660 (666): „Das Vorurteil, es gäbe eine D&OVollkasko-Versicherung, muss als ganz großer Unsinn bezeichnet werden. Es gibt zu viele Ausschlüsse, zu wenig Versicherungssumme und vor allem keine Schnelligkeit in der Schadenregulierung.“

II. Die Vereinbarkeit mit den Strukturprinzipien

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blickend wirtschaftlich grundsätzlich68 zwecklos, wenn kein Versicherungsfall eintritt. Ereignet sich hingegen kurze Zeit nach Abschluß des Versicherungsvertrags ein hoher Schaden, liegt der wirtschaftliche Vorteil für den Versicherungsnehmer bzw. Versicherten auf der Hand. Wenn sich der Versicherungsfall erst nach langer Vertragslaufzeit ereignet, hängt es von der Schadens- und Prämienhöhe ab, ob die bisherigen Prämienzahlungen den Wert der Versicherungsleistung unterschreiten oder nicht. Die Annahme, daß die D&O-Versicherung aufgrund eines zirkulären Geldumlaufs der Sache nach zu einem Haftungsverzicht führe, trifft also nicht zu.

2. Die mögliche Einschränkung der Steuerungsfunktion der Organhaftung Ebenso wie die Freistellung bzw. der Verzicht wirft freilich auch die D&O-Versicherung die Frage auf, ob sie einen möglichen Präventionszweck der Schadenersatzansprüche vereitelt. Sofern die D&O-Versicherung in eine solche Steuerungsfunktion eingriffe, könnte darin ein Konflikt mit einem kapitalgesellschaftlichen Strukturprinzip liegen. Wegen der insoweit gleichgelagerten Problematik bei der Freistellung und der D&O-Versicherung soll dieser Gegenstand sogleich im Abschnitt D. einer gesonderten, integrierten Untersuchung zugeführt werden.

3. Die mögliche Kollision der D&O-Versicherung mit organschaftlichen Aufgaben- und Befugniszuweisungen a) Die D&O-Versicherung und die Prüfungsund Handlungsfunktionen des Aufsichtsrats Es werden gegen die Zulässigkeit der D&O-Versicherung auch Einwände mit Blick auf die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Aufgaben des Aufsichtsrats geltend gemacht. So kritisiert Ulmer, daß die dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft durch die ARAG-Rechtsprechung zugewiesenen Prüfungs- und Handlungsfunktionen „gegenstandslos“ würden, wenn der Vorstand durch Abschluß einer im Ergebnis zu seiner Selbstbegünstigung führenden D&OVersicherung rechtzeitig für Versicherungsschutz gesorgt habe.69 68 Einige Vorteile der D&O-Versicherung, wie die Verbesserung der Handlungsfähigkeit der Organmitglieder oder die Steigerung der Attraktivität des Unternehmens bei der Personalgewinnung, treten sogar unabhängig davon ein, ob sich ein Versicherungsfall ereignet oder nicht, dazu im einzelnen Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.). 69 Ulmer, in Festschrift für Canaris, Bd. II, 2007, S. 451 (455).

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C. Die D&O-Versicherung und die Strukturprinzipien

Die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gemäß den ARAGGrundsätzen70 einerseits und die Versicherung dieser Ansprüche andererseits sind jedoch zwei verschiedene Seiten des Haftungsfalls. Die aus der ARAGRechtsprechung folgende Handlungspflicht des Aufsichtsrats soll das Gesellschaftsvermögen durch Geltendmachung der Ansprüche schützen. Die Versicherung betrifft hingegen die Frage, wer für die Kompensation in letzter Instanz zuständig ist. Daß die Prüfungs- und Handlungsfunktionen des Aufsichtsrat gegenstandlos werden, läßt sich also nicht sagen.

b) Die Vereinbarkeit der D&O-Versicherung mit der gesetzgeberischen Intention des Klagezulassungsverfahrens nach § 148 AktG Weiter meint Ulmer, die D&O-Versicherung könne mit der gesetzgeberischen Intention des Klagezulassungsverfahrens nach § 148 AktG konfligieren.71 Diese Vorschrift sei ohne praktische Bedeutung, wenn durch eine D&OVersicherung für einen Schadensausgleich bei der Aktiengesellschaft gesorgt werde und es daher regelmäßig an einem von einer Minderheit durchsetzbaren Schadenersatzanspruch gegen die Organmitglieder fehle.72 Auch hier gilt aber, daß die Geltendmachung des Anspruchs einerseits und die Versicherung des Risikos andererseits zwei verschiedene Gesichtspunkte eines Organhaftungsfalls sind und daß das eine Element das andere weder konterkariert noch überflüssig macht. Hinzu kommt, daß mit Bestehen einer D&O-Versicherung nicht sämtliche Organhaftungsfälle abgedeckt sind. Eine Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen durch Minderheitsaktionäre i.S.v. § 148 AktG erübrigt sich daher nicht. Die D&O-Versicherung neutralisiert das Organhaftungsrisiko nämlich nicht, sondern führt angesichts zahlreicher Deckungsausschlüsse und der begrenzten Versicherungssumme nur zu einer partiellen Haftungsabmilderung.73 Eine Kollision mit § 148 AktG oder ein Widerspruch zu seiner gesetzgeberischen Intention sind zu verneinen.

70

BGH, Urteil v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244. Ulmer, in Festschrift für Canaris, Bd. II, 2007, S. 451 (455). 72 Ulmer, in Festschrift für Canaris, Bd. II, 2007, S. 451 (455). 73 Aus Sicht der Praxis s. nur Ihlas, VW 2007, 660 (666) sowie im einzelnen Teil D. V. 4. b) bb) (I.). 71

II. Die Vereinbarkeit mit den Strukturprinzipien

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4. Die D&O-Versicherung und das organschaftliche Unabhängigkeitspostulat a) Das Problem Die D&O-Versicherung ist ferner darauf zu untersuchen, ob sie in das organschaftliche Unabhängigkeitspostulat eingreift. Die Einzelheiten zum Unabhängigkeitspostulat wurden bereits im Rahmen der Untersuchungen zu Freistellungsvereinbarungen in Teil B ausgeführt. Dort hatte sich gezeigt, daß Freistellungen in den Unabhängigkeitsgrundsatz eingreifen können und in diesem Fall nichtig sind. Es ist zu prüfen, ob auch durch eine D&O-Versicherung eine solche unzulässige Abhängigkeit der Organmitglieder begründet werden kann.

b) Die Begründung einer „Dankesschuld“ durch Abschluß einer D&O-Versicherung Diesbezüglich ist eine mögliche „Dankesschuld“ in Erwägung zu ziehen, die das Organmitglied gegenüber der Gesellschaft bzw. den für sie bei Abschluß des Versicherungsvertrags handelnden Repräsentanten dafür empfinden kann, daß ihm Deckung verschafft wurde. Eine solche „Dankesschuld“ kann aber aus mehreren Gründen keine rechtlich relevante Abhängigkeit begründen.74 Soweit die Gesellschaft selbst die Prämien trägt, ist die dadurch begründete „Dankesschuld“ nicht größer und auch nicht anderer Qualität als die wirtschaftliche Abhängigkeit des Organmitglieds, die ohnehin bereits aus der vereinbarten Vergütung und den Gesellschaftsaufwendungen zugunsten des Organmitglieds resultiert. Eine solche Abhängigkeit nimmt das Gesetz also in Kauf. Sie ist nicht mit einer die Entscheidungsautonomie untergrabenden Weisungsabhängigkeit gleichzusetzen. Einer gesonderten Beurteilung unterliegen jedoch Vereinbarungen, die seitens der Gesellschaft oder eines Dritten mit dem versicherten Organmitglied in Ergänzung des Versicherungsvertrags geschlossen werden. Solche Zusatzvereinbarungen müssen die Unabhängigkeit der Organmitglieder unangetastet lassen. Demnach wäre es beispielsweise unzulässig, zu vereinbaren, daß das Organmitglied im Versicherungsfall der Gesellschaft die Versicherungsprämien erstatten muß, falls es sich nicht entsprechend bestimmten Weisungen oder anderen inhaltlichen Vorgaben verhalten hat. Bei solchen Verträgen läge eine direkte faktische Abhängigkeit ähnlich einer Vertragsstrafe vor, die mit dem Unabhängigkeitspostulat kollidieren würde und daher der Nichtigkeit an-

74

Hierzu bereits sub specie der Freistellung Teil B. III. 2. bb).

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C. Die D&O-Versicherung und die Strukturprinzipien

heim fallen müßte.75 Dies ist auch bei der Vereinbarung von Zahlungspflichten, die einen Selbstbehalt ersetzen sollen, zu beachten.76

5. Die D&O-Versicherung und die Gleichbehandlung der Organmitglieder a) Die Gleichbehandlung der Organmitglieder im Unternehmensinteresse Der Abschluß von D&O-Versicherungen muß auch mit dem organschaftlichen Grundsatz der Gesamtverantwortung und Gleichberechtigung in Einklang stehen. Dieses Strukturprinzip der Organverfassung wurde bereits im Zusammenhang mit der Freistellungsproblematik behandelt, worauf zu verweisen ist.77 Nach ihm ist eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung zwischen den einzelnen Mitgliedern desselben Organs hinsichtlich der Ausgestaltung der sie betreffenden Organhaftungsfolgen unzulässig. Schließt die Gesellschaft einen Versicherungsvertrag zugunsten ihrer Organmitglieder ab, sind diese mithin grundsätzlich gleich zu behandeln. Es dürfen ohne sachlich rechtfertigenden Grund nicht einzelne vom Versicherungsschutz ausgenommen oder hinsichtlich der Versicherungsbedingungen bzw. der Deckungssumme schlechter gestellt werden als andere, etwa indem nur für einige ein Selbstbehalt vereinbart wird, für andere hingegen nicht.78 Unzulässig wäre es auch, im mitbestimmten Aufsichtsrat nur die Anteilseignervertreter zu versichern, die Arbeitnehmerseite hingegen nicht. Wie bereits im Zusammenhang mit einer Diskriminierung bei gesellschaftsinternen Freistellungsvereinbarungen dargelegt wurde,79 würde dies andernfalls einen Anspruch des benachteiligten Organmitglieds auf Gleichbehandlung auslösen, d.h. insoweit auf Verschaffung inhaltsgleichen Versicherungsschutzes. Das Unternehmensinteresse spricht zusätzlich für eine Gleichbehandlung der Organmitglieder im Rahmen der D&O-Versicherung. Sofern nämlich einzelne potentiell haftende Organmitglieder nicht oder nur eingeschränkt in den Versicherungsschutz einbezogen sind, kann dies zu erheblichen Interessenkonflikten bei der Abwicklung des Haftungsfalls führen. Denn die nicht 75 Es würde dann dasselbe gelten wie für Freistellungsvereinbarungen, die in die Autonomie eingreifen. 76 Dazu im einzelnen Teil D. VI. 77 Teil B. III. 3. 78 Wobei der Selbstbehalt wiederum flexibel ausgestaltet sein kann, indem dieser an die Vergütung anknüpft. Darin liegt aber keine Ungleichbehandlung der Organmitglieder durch den Selbstbehalt. S. im einzelnen dazu Teil D. VI. 79 Teil B. III. 3.

II. Die Vereinbarkeit mit den Strukturprinzipien

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versicherten Personen werden sich auf ihre Anspruchsabwehr konzentrieren, während die übrigen Personen ebenso wie die Gesellschaft ein Interesse an einer möglichst reibungslosen Schadenabwicklung unter Einbeziehung des Versicherers haben. Solche Interessenkonflikte durch ungleichen Versicherungsschutz wirken sich besonders nachteilig auf das Unternehmen aus, wenn die regreßpflichtigen Personen gesamtschuldnerisch haften, wie dies bei der Organhaftung regelmäßig der Fall ist.

b) Der rechtstatsächliche Befund In der Praxis kommen sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlungen beim D&O-Versicherungsschutz aber ohnehin grundsätzlich nicht vor. D&OVersicherungen werden praktisch immer zugunsten aller Mitglieder des jeweiligen Organs abgeschlossen.80 Die versicherten Personen sind in den Versicherungsverträgen prinzipiell nicht namentlich benannt, was § 43 Abs. 1 VVG (§ 74 Abs. 1 VVG alt) bei der Versicherung für fremde Rechnung zuläßt.81 Erfaßt sind nach den AVB regelmäßig alle gegenwärtigen und ehemaligen Mitglieder des Aufsichtsrats, des Vorstands bzw. der Geschäftsführung.82 Eine Versicherung nur einzelner Mitglieder eines Organs ergäbe wegen der regelmäßig gesamtschuldnerischen Haftung auch keinen Sinn, da es dann zur Konzentration der Gläubiger auf das versicherte Organmitglied käme. Für den Versicherer wäre mit einer solchen Gestaltung also keine Reduzierung des Risikos verbunden, weshalb sie auch nicht prämienwirksam würde. Daher kann die Gesellschaft an einer organinternen Spaltung der Deckung kein wirtschaftliches Interesse haben. Davon zu trennen ist die in der Praxis teilweise vorzufindende Beschränkung einer Konzernpolice auf einzelne Konzerngesellschaften, die einem besonderen Risiko ausgesetzt sind. Hier kommt es nicht zu einer Ungleichbehandlung, da innerhalb der jeweiligen Unternehmensorgane wiederum alle Mitglieder gleichermaßen versichert sind.

6. Die Möglichkeit einer D&O-Selbstversicherung a) Das Problem Es stellt sich die Frage, inwieweit Organhaftungsrisiken auch ohne Abschluß eines D&O-Versicherungsvertrags unternehmensintern gedeckt werden können. Die Absicherung von Gefahren unter bewußtem Verzicht auf versiche80 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (298, 318); Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S.107, 112 ff.; Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 31. 81 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (318). 82 Dazu Kästner, AG 2000, 113 (115).

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C. Die D&O-Versicherung und die Strukturprinzipien

rungsvertragsrechtliche Instrumente bei gleichzeitiger Ausrichtung der Risikobewältigungsstrategien an versicherungstechnischen Grundsätzen wird im Bereich des Privatversicherungsrechts als Selbstversicherung83 bezeichnet.84 Während bei der externen Selbstversicherung die Risikoabsicherung durch einen Dritten als sog. „Versicherungsersatzunternehmen“85 bzw. „Selbstversiche rungsunternehmen“86 erfolgt oder im Weg des gegenseitigen Risikoausgleichs zwischen mehreren Risikoträgern vorgenommen wird, bezeichnet die interne Selbstversicherung den Tatbestand, daß der Risikoträger die Absicherung für sich allein durchführt. Eine D&O-Selbstversicherung, sei es als interne oder als externe, könnte nicht nur für Versicherungsunternehmen zur Absicherung ihrer eigenen Risiken in Betracht kommen, sondern ggf. auch für Nicht-Versicherungsunternehmen. Die Selbstversicherung wirft Fragen hinsichtlich ihrer Einordnung in das System des Privatversicherungsrechts, ihrer Behandlung im Aufsichtsrecht und im Steuerrecht auf, welche nicht spezifisch den Bereich der D&O-Risiken betreffen, sondern allgemeine Bedeutung haben. Auf sie ist an dieser Stelle nicht einzugehen.87 Ebensowenig sollen hier die versicherungsökonomischen Probleme der Selbstversicherung behandelt werden. Vielmehr ist im folgenden zu untersuchen, inwieweit die externe und die interne Selbstversicherung sub specie iuris einen D&O-Versicherungsvertrag substituieren können und welche gesellschaftsrechtlichen Schranken insoweit bestehen.

83

Der Begriff der Selbstversicherung wird teilweise kritisiert, da diese Form der Risikoabsicherung den Versicherungsvertrag substituiert, so daß auch terminologisch der Unterschied deutlich gemacht werden solle, vgl. Grosse, ZVersWiss 1933, 123 ff.; Gabler, Versicherungslexikon, 1994, S. 768 unter „Selbstversicherung“. Der Ausdruck hat sich jedoch eingebürgert, so daß auf diesen Aspekt hier nicht weiter eingegangen wird. 84 Entscheidungspraxis und Schrifttum zur Selbstversicherung sind äußerst spärlich. Grundlegend Dreher, in: Festschrift für Baumann 1999, S. 21 ff.; ferner ders., Die Versicherung als Rechtsprodukt, S. 35; Börner, PHi 1995, 2 ff.; Grosse, ZVersWiss 1933, 123 ff.; Taupitz, VersR 1983, 100 ff.; versicherungsökonomisch Zweifel/Eisen, Versicherungsökonomie, 2. Aufl. 2003, S. 48. 85 Vgl. Grosse, Artikel Selbstversicherung, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 9, 1956, S. 219; Manes, Artikel Selbstversicherung, in: Versicherungslexikon, 3. Aufl. 1930, Sp. 1428, 1430. 86 Vgl. zur Aufsichtspflichtigkeit dieser Unternehmen BVerwG, Urteil v. 10.1.1961 – I C 46.57, VerBAV 1961, 126 (128 li. Sp.); BAV, VerBAV 1980, 162. 87 Dazu insbesondere Dreher, in: Festschrift für Baumann 1999, S. 21 ff.; ferner ders., Die Versicherung als Rechtsprodukt, S. 35; zur steuerlichen Behandlung von captives ferner Köster, DB 1994, 2312; Bialek/Grillet, RIW 1992, 301 ff.; Bialek, Captive-Versicherung und deutsches Körperschaftssteuerrecht, 1993, zur steuerlichen Behandlung von captives in den USA Scheifele, Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Manager in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1993, S. 269 f.

II. Die Vereinbarkeit mit den Strukturprinzipien

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b) Die externe D&O-Selbstversicherung aa) Die versicherungsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen Anstelle des Abschlusses eines Versicherungsvertrags mit einem D&O-Versicherer können Gesellschaften ein eigenes „Selbstversicherungsunternehmen“, auch als captive insurance (kurz: captive) bezeichnet, gründen. Eine captive ist eine rechtlich selbständige, aber regelmäßig konzerneigene Versicherungsgesellschaft, die ausschließlich Risiken konzernzugehöriger Unternehmen versichert.88 Sie kann als single parent-captive oder als multiple parent-captive strukturiert sein, je nachdem ob es einen oder mehrere Anteilseigner gibt.89 Multi parent-captives müssen definitorisch jedoch nicht einer Mehrmütterherrschaft i.S.d. § 17 AktG unterliegen,90 so daß es sich insoweit auch um nicht konzernmäßig verbundene Gemeinschaftsunternehmen handeln kann, die Risiken ihrer Anteilseigner und von deren Konzernunternehmen absichern. Die captive kann als Direktversicherer oder als Rückversicherer fungieren.91 Im Fall der Rückversicherungs-captive schließt ein fremdes, konventionelles Versicherungsunternehmen – der sog. fronter – den Versicherungsvertrag mit dem Konzernunternehmen und überträgt sodann Risiko und Prämienansprüche auf die captive.92 Wird der frontende Erstversicherer im Versicherungsfall in Anspruch genommen, nimmt er hierfür bei der captive Regreß.93 Das Verhältnis zwischen fronter und Rückversicherungs-captive ist daher wirtschaftlich vergleichbar mit dem zwischen einem Kreditinstitut, das einen Avalkredit gewährt, und seinem Kunden.94 Der frontende Erstversicherer erhält dafür wiederum eine Provision.95 Bei der Direktversicherungs-captive übernimmt hingegen die captive selbst das Risiko gegenüber der versicherungsnehmenden Konzerngesellschaft. Die Direktversicherungs-captive kann in zwei Formen ausgestaltet sein. Entweder verbleiben die übernommenen Konzernrisiken bei der captive oder sie werden an einen Rückversicherer zediert.96 Die Vertragsbe88 Vgl. BMF-Schreiben v. 10.1.1977 IV C 5 – S 1351 – 12/76, DB 1977, 145; Bialek/Grillet, RIW 1992, 301 ff.; Köster, DB 1994, 2312; Wätke, Die Captive Insurance Company, 1982; Ackermann, Captive Insurance Company, 1983. 89 Bialek/Grillet, RIW 1992, 301 (302) zu weiteren, hier nicht interessierenden Differenzierungen hinsichtlich der Ausgestaltung von captives. 90 Vgl. BGH, Urteil v. 4.3.1974 – II ZR 89/72, BGHZ 62, 193 (196) – Seitz-Gruppe 91 Köster, DB 1994, 2312; Reinhard, VersR 1997, 1311 (1312); Bialek/Grillet, RIW 1992, 301 (302). 92 Reinhard, VersR 1997, 1311 ff. 93 Zu den Möglichkeiten der Absicherung des Regreßanspruchs s. Reinhard, VersR 1997, 1311 (1315 ff.). 94 Reinhard, VersR 1997, 1311 (1315). 95 Köster, DB 1994, 2312. 96 Bialek/Grillet, RIW 1992, 301 (302).

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C. Die D&O-Versicherung und die Strukturprinzipien

ziehungen der Konzerngesellschaft als Versicherungsnehmerin zu der Direktversicherungs-captive unterscheiden sich daher strukturell nicht von denen zu einem unverbundenen Versicherer. Es stellt sich die Frage, inwieweit die captive ein geeignetes Instrument ist, um D&O-Risiken zu versichern. Was den gesamten Bereich der sog. entityDeckung anbelangt, also der Eigenschäden der Gesellschaft, besteht insoweit kein Unterschied zur Versicherung anderer Unternehmensrisiken durch captives. Desgleichen kommt die captive in Betracht, um reine Außenhaftungsrisiken der Organmitglieder zu versichern. Aktienrechtlich problematisch könnte jedoch die Absicherung der Organinnenhaftungsansprüche der Versicherungsnehmerin über eine captive sein. Denn anders als beim Abschluß eines Vertrags mit einem externen Versicherer besteht eine gesellschaftsrechtliche Verbindung des Versicherungsnehmers mit der captive. Sofern die geschädigte Gesellschaft mithin im Ergebnis aufgrund ihrer Verbindung zur captive den Schaden selbst zu tragen hätte, könnte § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in analoger Anwendung entgegenstehen. Es ist damit wiederum das Problem konzerninterner Freistellungsvereinbarungen angesprochen, das bereits in Teil B. IV. untersucht wurde. Dort hatte sich gezeigt, daß eine Freistellungspflicht der Tochtergesellschaft zugunsten der Organe einer herrschenden Aktiengesellschaft sowohl im faktischen Konzern als auch im Vertragskonzern wegen der Ausgleichspflicht nach § 311 Abs. 1 AktG im faktischen Konzern bzw. der Zusammenfassung beider Rechtsträger zu einem „einzigen Unternehmen im wirtschaftlichen Sinn“ im Vertragskonzern an einer analogen Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG scheitern muß.97 Soweit die geschädigte Konzerngesellschaft also eine konzernrechtlich herrschende Aktiengesellschaft im Verhältnis zur captive ist, kann diese keine Innenhaftungsansprüche sichern. Eine Kollision mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG analog kann aber verneint werden, wenn es sich um eine Direktversicherungs-captive handelt, welche die Risiken an einen konzernfremden Rückversicherer zediert hat, weil es hier zu einer Externalisierung der Deckung der Innenhaftung kommt, die einem Verzicht i.S.d. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht gleichgesetzt werden kann. Eine darüber hinausgehende allgemeine Ausstrahlungswirkung des § 93 Abs. 4 AktG auf verbundene Unternehmen ist nicht anzunehmen, so daß der Sicherung der Organe von Unter- oder Schwestergesellschaften durch eine captive auch insoweit nichts entgegensteht, wie Ansprüche nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gedeckt werden sollen. Dasselbe gilt, soweit es sich um eine multiple parent-captive handelt, die nicht konzernrechtlich durch die versicherungs97 S. Teil B IV. Auch im US-Recht ist anerkannt, daß die Deckung durch eine single parent-captive insoweit wie eine indemnification wirkt und daher nur im Rahmen der Grenzen zulässiger indemnifications in Betracht kommt, Scheifele, Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Manager in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1993, S. 268.

II. Die Vereinbarkeit mit den Strukturprinzipien

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nehmende Gesellschaft mitbeherrscht wird.98 Insoweit könnten auch Innenhaftungsansprüche wie bei einem unverbundenen normalen D&O-Versicherer gedeckt werden.99

bb) Der rechtstatsächliche Befund Eine besondere praktische Bedeutung haben captives im D&O-Bereich in Deutschland – soweit ersichtlich – bislang nicht. In den USA werden captives hingegen zur Absicherung von D&O-Risiken bisweilen eingesetzt100, soweit die Gesellschaften am Markt keine Deckung zu annehmbaren Bedingungen mehr finden.101 Allerdings bestehen auch dort spezifische Grenzen hinsichtlich der Sicherung von D&O-Risiken, weil die Risikotragung durch single parentcaptives im wirtschaftlichen Ergebnis mit einer indemnification gleichbedeutend sein kann. Die für indemnifications geltenden Grenzen sind daher zu berücksichtigen.102 Die in den USA bestehende Problemlage weicht aber insoweit von der deutschen ab, als dort nicht die Innenhaftungsansprüche im Fokus stehen, sondern die Außenhaftung der Organe.103 Soweit allerdings im Wege der derivative action Ansprüche der Gesellschaft gegen Organmitglieder geltend gemacht werden, ergibt sich bei single parent-captives dort derselbe gesellschaftsrechtliche Konflikt wie im deutschen Recht, daß nämlich Ansprüche der Gesellschaft letztlich mit Mitteln der Gesellschaft bzw. des Konzerns befriedigt werden. Auch im US-Recht kann die captive-Konstruktion dann als unzulässige Umgehung der Begrenzungen für indemnifications anzusehen sein.104 98 Auch hinsichtlich des US-Rechts sind diese Fälle – anders als single parent-captives – wohl nicht als indemnifications im materiellen Sinn anzusehen, vgl. Wollny, Die Directors’ and Officers’ Liability Insurance in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1993, S. 347 f. m.w.N. zum US-Schrifttum. 99 Zur Vereinbarkeit der normalen D&O-Versicherung mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG s. II. 1. Zur Versicherung von D&O-Risiken in dieser Form sub specie des US-Rechts s. Scheifele, Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Manager in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1993, S. 275 f. 100 Dazu Scheifele, Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Manager in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1993, S. 267 ff.; Wollny, Die Directors’ and Officers’ Liability Insurance in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1993, S. 345 f. 101 So hat etwa die BankAmerica, nachdem sie keinen D&O-Versicherungsschutz mehr fand, in den 80er Jahren eine D&O-captive auf Grand Cayman gegründet. Wenig später tat es ihr die Bank of California gleich. Vgl. auch Wollny, Die Directors’ and Officers’ Liability Insurance in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1993, S. 347, 351. 102 Wollny, Die Directors’ and Officers’ Liability Insurance in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1993, S. 347 f. berichtet, daß nach kalifornischem Recht etwa eine 100 %ige Tochtergesellschaft nur Versicherungsschutz bieten kann, wenn sie ihn auf den Umfang beschränkt, in dem auch eine indemnification zulässig wäre. 103 S. Teil C. I. 104 Wollny, Die Directors’ and Officers’ Liability Insurance in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1993, S. 347 f.

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C. Die D&O-Versicherung und die Strukturprinzipien

Neben die untersuchten aktienrechtlichen Beschränkungen, denen die externe D&O-Selbstversicherung unterliegt, treten praktische Probleme. Es könnte nämlich im Haftungsfall zu internen Interessenkonflikten kommen, wenn das Organmitglied durch die Gesellschaft im Innenverhältnis in Anspruch genommen würde, die konzernverbundene captive aber zugleich als Versicherer den Schaden decken müßte, etwa in Form der Abwehrdeckung gegen die Konzernmutter. Vergleichbare Interessenwiderstreite sind bereits denkbar, wenn etwa Sparkassenvorstände sich bei öffentlichen Versicherungsunternehmen D&O-Deckung verschaffen wollen. Deshalb wird auch in diesen Fällen dem Vernehmen nach D&O-Versicherungsschutz oft bei externen privaten Versicherern gesucht.

c) Die interne D&O-Selbstversicherung Von der Gründung einer captive zu trennen ist die interne D&O-Selbstversicherung. Kennzeichen der internen Selbstversicherung ist, daß die Absicherung nicht durch einen separaten Rechtsträger, sondern durch die betreffende Gesellschaft selbst vorgenommen wird. Es fehlt mithin bereits an einem Vertrag, da im übertragenen Sinn Versicherer und Versicherungsnehmer identisch sind. Deshalb ist die interne Selbstversicherung auch nicht Versicherung im Rechtssinn.105 Was den Bereich der entity-Deckung anbelangt, wäre eine interne D&OSelbstversicherung aktienrechtlich unbedenklich. Denn es ginge insoweit lediglich darum, daß die Gesellschaft eine Bewältigung ihrer eigenen Haftungsrisiken durch entsprechende Rücklagenbildung vornimmt, anstatt extern Deckung zu nehmen. Problematisch wäre hingegen die Absicherung von Haftungsrisiken ihrer eigenen Organmitglieder. Im Haftungsfall müßte nämlich die Gesellschaft selbst das Organmitglied von seiner Haftung befreien. Während eine Freistellung von Außenhaftungstatbeständen insoweit mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG grundsätzlich vereinbar ist,106 wäre eine Deckung der Innenhaftungsrisiken der Organmitglieder durch interne Selbstversicherung problematisch. Denn die Enthaftung würde insoweit den Verzicht auf den Innenhaftungsanspruch bedeuten, der an § 93 Abs. 4 S. 3 AktG scheitert.107 Möglicherweise blieben jedoch bei einer Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf die Fallgruppe die charakteristischen Merkmale der internen Selbstversicherung zu Unrecht außer Betracht. Der Tatbestand der Selbstversicherung erschöpft sich nämlich nicht darin, daß es hinsichtlich eines bestimmten Risikos an einer Deckung durch eine Versicherung im Rechtssinn fehlt und der Betrof105

Dreher, in: Festschrift für Baumann 1999, S. 21 (27). Hierzu sowie zum Streitstand bezüglich des Umfangs zulässiger Freistellung von der Außenhaftung, insbesondere bei gleichzeitiger Verletzung von Organpflichten, s. Teil B II. 1. d). 107 Teil B. II. 1. a). 106

II. Die Vereinbarkeit mit den Strukturprinzipien

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fene daher bereit ist, den möglichen Schaden selbst zu tragen, was bei Innenhaftungsansprüchen auf einen verbotenen Verzicht nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG hinausläuft, sondern kennzeichnet sich dadurch, daß sich die Risikobewältigung an versicherungstechnischen Grundsätzen ausrichtet.108,109 Auch wenn damit die ökonomische Struktur der eines Versicherungsprodukts angenähert ist, handelt es sich jedoch im rechtlichen Ergebnis bei der internen D&O-Selbstversicherung zugunsten des Organmitglieds um eine Leistung bzw. Haftungsbefreiung im Innenverhältnis, die nach dem Wortlaut des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht möglich ist, soweit Innenhaftungsansprüche nach § 93 Abs. 2 AktG in Rede stehen. Insoweit könnte daher allenfalls eine teleologische Reduktion des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in Betracht gezogen werden. Es ist aber zweifelhaft, ob eine Enthaftung im Innenverhältnis allein unter Bezug auf die der Versicherung angenäherte ökonomische Struktur des Instituts der internen Selbstversicherung aus dem Regelungszweck des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG herausfällt. Dagegen spricht, daß die Norm ganz allgemein den Organinnenhaftungsanspruch im Interesse der Gesellschaft und der Aktionäre sichern will. Anders als bei einer D&O-Versicherung und auch abweichend von der Struktur einer externen D&O-Selbstversicherung durch eine aktienrechtlich zulässig ausgestaltete captive110 würde sich aber das Gesellschaftsvermögen bei der internen D&O-Selbstversicherung im Haftungsfall mindern und zwar unabhängig davon, auf welche Weise diese Freistellung im Innenverhältnis nach versicherungstechnischen Grundsätzen strukturiert ist. Eine interne Selbstversicherung kommt daher zur Absicherung der Organmitglieder gegen die Risiken der Innenhaftung in der Aktiengesellschaft nicht in Betracht.111 Allein eine auf reine Außenhaftungsfälle beschränkte interne Selbstversicherung wäre aktienrechtlich möglich, da insoweit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Freistellungsvereinbarungen zwischen Organ und Gesellschaft nicht entgegensteht.112 Soweit es um die Absicherung leitender Angestellter geht, greift § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ebenfalls nicht, so daß die zuvor entwickelten Einwände nicht bestehen. 108

S. hierzu Zweifel/Eisen, Versicherungsökonomie, 2. Aufl. 2003, S. 48. So daß auch der Begriff der Selbstversicherung terminologisch überzeugt, vgl. Dreher, in: Festschrift für Baumann 1999, S. 21 (23); a.A. Gabler, Versicherungslexikon, 1994, S. 768 unter „Selbstversicherung“, wonach der Ausdruck unzutreffend sei, da die Risiken nicht nach versicherungstechnischen Prinzipien auf Dritte abgewälzt, sondern selbst getragen würden. 110 Wobei auch hier die aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG folgenden Einschränkungen bei single parent-captives zu berücksichtigen sind. 111 Auch im US-Recht gilt, daß eine Absicherung von D&O-Risiken durch die interne Selbstversicherung (sog. „reserve funds“) im Sicherungsfall als indemnification-Zahlung zu qualifizieren ist und daher nur in Betracht kommt, soweit solche internen Leistungen nach den geltenden Gesetzen zulässig sind, Wollny, Die Directors’ and Officers’ Liability Insurance in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1993, S. 344 f.; Scheifele, Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Manager in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1993, S. 258 ff. 112 Teil B. II 1. d). 109

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C. Die D&O-Versicherung und die Strukturprinzipien

Dasselbe gilt in der GmbH, denn dort fehlt es an einem generellen Verbot der Freistellung im Innenverhältnis. Das Organmitglied der GmbH kann daher innerhalb der oben dargelegten Grundsätze zur Haftungsfreistellung innerhalb der Gesellschaft113 durch eine interne D&O-Selbstversicherung von seinen Organhaftungsrisiken grundsätzlich befreit werden. Die Prüfungsergebnisse zur externen und internen D&O-Selbstversicherung stehen jedoch ebenso wie die Ausführungen zur Zulässigkeit von Freistellungsvereinbarungen in Teil B. und der D&O-Versicherung in Teil C. sub specie der Strukturprinzipien des Gesellschaftsrechts unter dem Vorbehalt, daß aus einer verhaltenssteuernden Zwecksetzung des Haftungsrechts selbst keine weiteren Einschränklungen der privatrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zwischen den Beteiligten folgen. Dieser Problemkomplex ist im folgenden Teil D. für alle Sicherungsinstrumente übergreifend zu behandeln.

d) Die praktischen Probleme der internen D&OSelbstversicherung und der rechtstatsächliche Befund Nach Angaben aus der Versicherungspraxis spielt die interne Selbstversicherung im D&O-Bereich in Deutschland ebensowenig eine Rolle wie captives. In den USA wird die D&O-Selbstversicherung zwar diskutiert, jedoch nicht als wirkliches Substitut zur D&O-Versicherung wahrgenommen.114 Es handle sich vielmehr lediglich um eine Rückstellung für mögliche indemnifications. Die Gesellschaft müsse daher die für indemnifications geltenden Beschränkungen beachten, was sich mit dem zum deutschen Recht bezüglich § 93 Abs. 4 S. 3 AktG soeben gefundenen Ergebnis deckt. Gegen die interne D&O-Selbstversicherung sprechen vor allem auch praktische Einwände. Die Bildung ausreichend hoher Rücklagen ist angesichts der beträchtlichen Schadenssummen im D&O-Bereich vielfach nicht wirtschaftlich.115 Hinzu kommt, daß die interne Selbstversicherung mit dem Insolvenzrisiko der Gesellschaft behaftet ist, 116 und daher für die Organmitglieder eine geringere Sicherheit bedeutet als die D&O-Versicherung bei einem fremden Versicherungsunternehmen.

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Teil B. II. 2. Wollny, Die Directors’ and Officers’ Liability Insurance in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1993, S. 344 f. 115 Hierauf bezüglich sog. „reserve funds“ für D&O-Haftungsfälle sub specie des USUnternehmensrechts hinweisend Scheifele, Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Manager in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1993, S. 258 ff. 116 Vgl. Scheifele, Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Manager in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1993, S. 259. 114

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung auf eine Steuerungswirkung der Organhaftung I. Das Problem Die Freistellungsvereinbarung und die D&O-Versicherung könnten eine Steuerungsfunktion der Organhaftung aufheben oder modifizieren und dadurch strukturell in die Gesellschaftsverfassung eingreifen. Sowohl die Organinnenhaftung als auch die Außenhaftungstatbestände können auf das Organmitglied verhaltenssteuernd wirken und dadurch einen Anreiz zu einer erhöhten Sorgfalt bei der Wahrnehmung der Organpflichten geben.1 Einige Stimmen in der Literatur halten deshalb eine Freistellung und Versicherung im Hinblick auf die mögliche Beseitigung dieser Steuerungswirkung für problematisch. 2 Um zu analysieren, inwieweit Eingriffe in eine haftungsrechtliche Steuerungsfunktion der Möglichkeit des Abschlusses von Freistellungsvereinbarungen oder D&OVersicherungen entgegenstehen, muß ermittelt werden, welche Funktion die Organhaftung hat und inwieweit ein Präventionszweck als rechtlich selbständiger Regelungsgehalt in den relevanten Organhaftungstatbeständen enthalten ist.

1 Siehe hierzu z.B. RegE MoMiG S. 72, 94, 119; In bezug auf die Präventionsfunktion des § 93 AktG vgl. nur Schwark, ZHR 142 (1978), 203 (219). 2 Zur Freistellung des GmbH-Geschäftsführers Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, 1997, S. 298; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 46. Zur D&O-Versicherung ohne angemessenen Selbstbehalt Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 85; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 Rn. 175; Ulmer, in: Festschrift für Canaris, 2007, Bd. II., S. 451 (462 ff.).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

II. Die Funktion der Organhaftung im allgemeinen 1. Die möglichen Regelungszwecke des Schadenersatzrechts Dem Schadenersatzrecht der §§ 249 ff. BGB liegt das Ausgleichsprinzip zugrunde. Der Geschädigte soll einen Ausgleich für die erlittene Einbuße erhalten.3 Der Schadenersatz kann entweder durch Naturalrestitution oder in Geld geleistet werden. Ersteres wird als Restitutionsprinzip, letzteres als Kompensationsprinzip (im engeren Sinn) bezeichnet.4 Im folgenden soll diese Begriffsdifferenzierung nicht durchgeführt werden, weil sie für die vorliegende Fragestellung nicht relevant ist. Der Begriff der Kompensation wird als Synonym für Ausgleichsfunktion verwendet. Es ist klärungsbedürftig, ob dem Schadenersatzrecht über die Kompensationsfunktion hinaus andere – außerkompensatorische – Zwecke zuzuschreiben sind.5 In diesem Zusammenhang ist als erstes das Präventionsprinzip zu untersuchen. Es geht hierbei um die Frage, ob und inwieweit dem Schadenersatzrecht im allgemeinen und sodann dem Organhaftungsrecht im besonderen eine präventive verhaltenssteuernde Wirkung zukommen kann, die durch Abschreckung eine Schädigung Dritter verhindert.6 Ferner ist zu prüfen, ob das Schadenersatzrecht eine Vergeltungs- bzw. Bußfunktion aufweist.7 Ähnlich gelagert ist die Frage nach einer möglichen Genugtuungsfunktion,8 durch die dem Geschädigten eine Befriedigung für die erlittene Schädigung verschafft werden soll.9

3 Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, 31; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1; Schiemann, Argumente und Prinzipien bei der Fortbildung des Schadensrechts, S. 185; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 9. 4 Schiemann, in: Staudinger, BGB, Neubearb 2005, § 249, Rn. 1. 5 Allgemein zum Zweck des Haftungsrechts: Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts, 1999; Deutsch, Die Zwecke des Haftungsrechts, JZ 1971, 244; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1 ff.; Engel, Zivilrecht als Fortsetzung des Wirtschaftsrechts mit anderen Mitteln, JZ 1995, 213; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, 7. Aufl. 1993, S. 169 ff.; Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, 2003; Kötz, Ziele des Haftungsrechts, in: Festschrift für Steindorff, 1990, S. 643; Picker, Vertragliche und deliktische Schadenshaftung, JZ 1987, 1041. 6 Siehe hierzu Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006. 7 Vgl. Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 95; Diederichsen, in: Festschrift für Klingmüller, 1974, S. 81; Neumann-Duesberg, JZ 1955, 263 (266). 8 BGH, GSZ, Beschluß v. 6.7.1955 – GSZ 1/55, BGHZ 18, 149; Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, 34 f. 9 V. Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, 1960, S. 108; H. Stoll, Gutachten für den 45. Deutschen Juristentag, 1964, S. 139.

II. Die Funktion der Organhaftung im allgemeinen

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2. Die systembezogenen Vorüberlegungen a) Die verschiedenen dogmatischen Ansätze bei der Untersuchung einer Steuerungsfunktion Die Diskussion um außerkompensatorische Zwecke des Schadenersatzrechts ist alt. Bereits die Motive zum BGB verhielten sich dazu und stellten die Ausgleichsfunktion in das Zentrum des Schadenersatzrechts.10 Die Literatur hat dennoch geprüft, ob dem Schadenersatzrecht neben der Ausgleichsfunktion andere Zwecke, insbesondere ein Präventionszweck, zuzuschreiben sind. Hierbei nähert man sich dem Problem auf verschiedenen Wegen. Teils wird das Schadenersatzrecht nach der klassischen Methodik vor allem systematisch und teleologisch ausgelegt,11 teils wird ausgehend von der ökonomischen Analyse des Rechts auf wohlfahrtsökonomische Aspekte rekurriert.12 Die Literatur hat einerseits das gesamte Schadenersatzrecht in den Blick genommen,13 andererseits aber auch auf die Funktion spezifischer Haftungsnormen abgestellt.14 Einige Autoren konzentrieren sich auf die Rechtsfolgen des Schadenersatzrechts,15 andere wiederum auf die Anspruchsgrundlagen.16 Teils wird untersucht, ob dem Schadenersatzrecht der gesetzgeberische Wille für außerkompensatorische Nebenzwecke zu entnehmen ist,17 teils wird allein danach gefragt, ob Nebenzwecke wie eine Präventionswirkung sich in der Rechtswirklichkeit nachweisen lassen, wobei daraus dann wiederum Rückschlüsse auf die rechtliche Funktion des Schadenersatzrechts gezogen werden.18 Bald wird de lege lata argumentiert, bald werden Untersuchungen mit Postulaten de lege ferenda abgeschlossen.19 Es findet sich auch die Auffassung, der Schadenersatz müsse 10

Mot. II, S. 17 f.; Mot. II, S. 575. Siehe beispielsweise Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 50. 12 Zur ökonomischen Analyse des Haftungsrechts: Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 124 ff.; Scheel, Versicherbarkeit und Prävention, 1999, S. 114 ff.; Schulz, VersR 1984, 608 ff.; Taupitz, AcP 196 (1996), 114. 13 So insbesondere die Vertreter der ökonomischen Analyse des Haftungsrechts Schäfer/ Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 124 ff.; Wagner, AcP 206 (2006), 352 ff. 14 Z.B. Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG 16. Aufl. 2004, § 43 Rn. 4; Hucke, AG 1994, 402 hinsichtlich der Organhaftung. 15 Vgl. Löwe, Der Gedanke der Prävention im deutschen Schadensersatzrecht, 1999, S. 22. 16 Vgl. Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I, Allgemeiner Teil, Teilband 2, 7. Aufl. 1993, § 30 II, S. 158; Larenz, NJW 1959, 865; Fest, Bereicherungs- und Schadensausgleich bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten, 1996, S. 95. 17 Vgl. Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 109; Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, 74. 18 Vgl. Wagner, AcP 206 (2006), 352 ff. 19 Vgl. Wagner, AcP 206 (2006), 352 (426), wo Verf. die Ansicht vertritt, daß die (Vertrags-) Haftung „präventiv wirkt und wirken soll“. A.a.O. 447 heißt es, daß die Nutzung 11

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

die Aufgabe haben, präventiv zu wirken; es gehe also nur darum, wie „sich die erforderliche Prävention im Rahmen des Zivilrechts verankern läßt.“20, was letztlich eine von der Prämisse der Prävention ausgehende teleologische Auslegung bedeutet. Vereinzelt werden auch rechtspolitische Forderungen mit Fragen der Gesetzesauslegung verbunden.21 Dieser Überblick über die vorzufindenden dogmatischen Ansätze zeigt bereits, daß sich die Frage nach den außerkompensatorischen Nebenzwecken des Schadenersatzrechts je nach Blickwinkel anders stellt und demgemäß die Antworten zwangsläufig auf unterschiedlichen rechtlichen Wertungsebenen liegen.

b) Die Begriffsklärung und der Aufbau der Untersuchung Ein weiteres Problem der Diskussion um die verhaltenssteuernde Funktion von Haftungstatbeständen liegt darin, daß vielfach begrifflich nicht trennscharf zwischen Prävention einerseits und Repression, d.h. Vergeltung, andererseits differenziert wird. 22 Bisweilen werden präventive und vergeltende Elemente im Zusammenhang mit Nebenzwecken zivilrechtlicher Haftungstatbestände als ein einheitliches Phänomen im Sinn einer poenalen Funktion angesehen.23 Eine solche Einheitsbetrachtung ist aber problematisch, weil auch im Strafrecht die Prävention einerseits als relativer Strafzweck und die Vergeltung andererseits als absoluter Strafzweck zwei unterschiedliche Sanktionselemente sind, die historisch und philosophisch auf verschiedenen Strängen beruhen. 24 Auch der Privatinitiative für die Durchsetzung von Regulierungszielen die Einsparung knapper öffentlicher Ressourcen ermögliche, was wohl in Richtung eines Postulats de lege ferenda zu verstehen ist. 20 Dreier, Kompensation und Prävention, 2002, S. 52. 21 Siehe beispielsweise Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, 2003, S. 631 f., wo es heißt: „Gesetzgeber und Richter dürfen ihre Augen nicht davor verschließen, welche Anreizwirkungen es hat, potentielle Schädiger mit einer Haftpflicht zu belasten oder sie davon zu verschonen.“ Weiter meint Jansen a.a.O.: „Zur Vermeidung von Trunkenheitsunfällen ist es beispielsweise durchaus hilfreich, die Gastwirte und Gastgeber haftbar zu machen, die sehenden Auges zulassen, daß ihre offensichtlich fahruntüchtigen Gäste sich ans Steuer setzen; die Rechtsprechung sollte sich deshalb entschließen, diesen Schritt zu gehen.“ Methodisch genauer müßte die Frage aber lauten, ob es aus dem Schadenersatzrecht folgt, daß Gastwirte unter diesen Bedingungen haften und nicht, ob es „hilfreich“ wäre, wenn sie haften. 22 Hierauf weist zutreffend Wagner hin, AcP 206 (2006), 352 (360 f.). 23 Schäfer, AcP 202 (2002), 397 (399 ff.); Körner, NJW 2000, 241; Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004, S. 6 ff. 24 Der generalpräventive Strafzweck ist von Paul Johann Anselm von Feuerbach maßgeblich herausgearbeitet worden. Die spezialpräventive Strafzwecklehre geht auf die Arbeiten Franz von Liszts zurück. Die absolute Straftheorie sieht in der Vergeltung begangenen Unrechts den Zweck der Strafe. Sie beruht in ihrem modernen Verständnis insbesondere auf den Werken Kants und Hegels. Nach der heute herrschenden Ansicht der Strafrechtswissenschaft und der Rechtsprechung des BVerfG gilt eine sogenannte Vereinigungstheorie, wonach präventive Zwecke mit dem Vergeltungsgedanken gemeinsam als Grundlage einer Strafsank-

II. Die Funktion der Organhaftung im allgemeinen

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die Rechtsprechung differenziert in bezug auf das Zivilrecht zu Recht zwischen einer verhaltenssteuernden, d.h. präventiven, Zwecksetzung von Haftungstatbeständen einerseits und einer vergeltenden Funktion andererseits. 25 Daraus ergibt sich für den Gang der Untersuchung folgendes Konzept: Zunächst ist auf die Prävention einzugehen. Es zu untersuchen, ob die persönliche Haftung von Organen de lege lata außer der Kompensation verhaltenssteuernde Ziele verfolgt. Hierfür ist zu prüfen, welche Bedeutung die Anspruchsgrundlagen einerseits und die schadenersatzrechtlichen Rechtsfolgen andererseits im Hinblick auf mögliche außerkompensatorische Nebenzwecke besitzen. Im Anschluß ist zu analysieren, wie es sich mit einer möglichen Prävention durch die Organhaftung im speziellen verhält. Abschließend sind andere Funktionen wie die Vergeltung oder Genugtuung zu behandeln.

3. Die Differenzierung zwischen Haftungsgrundnorm und Haftungsrechtsfolge in bezug auf einen möglichen Präventionszweck Die Untersuchung außerkompensatorischer Zwecke des Schadenersatzrechts beginnt mit der Frage nach dem rechtssystematischen Anknüpfungspunkt. Teile der Literatur meinen, die außerkompensatorischen Zwecke seien in den Rechtsfolgen des Schadenersatzrechts – dem Schadensrecht – zu verankern.26 Andere Stimmen wollen außerkompensatorische Zwecke in der Anspruchsgrundlage – dem Haftungsrecht – suchen. 27 Die Frage, welcher der beiden Ansätze richtig ist, läßt sich durch eine funktionale Betrachtung des Schadensrechts einerseits und des Haftungsrechts andererseits beantworten. Inwieweit ein Schadenersatzanspruch eine Präventionsfunktion erfüllt, wird nach der systematischen und teleologischen Auslegung durch den rechtlichen und sozialen Kontext determiniert, in dem der betreffende Anspruch steht. Es wäre daher verfehlt, aus einer isolierten Analyse der §§ 249 ff. BGB allgemeine Grundsätze zur Präventionsfunktion des Schadensrechts ableiten zu wollen. 28 tion dienen, dennoch aber zwei voneinander zu trennende Prinzipien sind, BVerfG, Urteil v. 21.6.1977 – 1 BvL 14/76, BVerfGE 45, 187 (253); Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1996, § 8 V. 25 Zum „Prinzip der zivilrechtlichen Prävention“ BAG, Urteil v. 31.10.1958 – 1 AZR 632/57, NJW 1959, 356, 908; in bezug auf einen „Charakter der Buße“ bzw. „Genugtuung“ BGH, GSZ, Beschluß v. 6.7.1955 – GSZ 1/55, BGHZ 18, 149 (155). 26 Vgl. Löwe, Der Gedanke der Prävention im deutschen Schadensersatzrecht, 1999, S. 22; Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 83. 27 Vgl. Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I, Allgemeiner Teil, Teilband 2, 7. Aufl., 1993, § 30 II, S. 158; Larenz, NJW 1959, 865; Fest, Bereicherungs- und Schadensausgleich bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten, 1996, S. 95. 28 Ähnlich Oetker, Münchener Kommentar BGB, 4. Aufl. 2003, § 249 Rn. 9, wonach die

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

Denn die §§ 249 ff. BGB gelten für alle Schadenersatzansprüche grundsätzlich gleichermaßen, mit gewissen Einschränkungen, beispielsweise speziellen Haftungsobergrenzen bei der Gefährdungshaftung.29 Diese universelle Funktion – die Rechtsfolgennormen dienen immer den gleichen Zielen wie die Anspruchsgrundlagen30 – können sie nur erfüllen, wenn sie außer der Kompensationsfunktion keine eigenständigen Nebenzwecke wie eine Verhaltenssteuerung verwirklichen müssen. Esser/Schmidt haben daher recht, wenn sie davon ausgehen, daß die schadenersatzrechtlichen Rechtsfolgen im „wesentlichen dienenden Charakter“ aufweisen.31 Daher sind keine „Zwecke des Schadensrechts“ im Sinn der Rechtsfolgen gegeben, sondern allenfalls „Zwecke des Haftungsrechts“ bezogen auf die Anspruchsgrundlagen.32 Ebenso geht Larenz zu Recht davon aus, daß ein möglicher Präventionszweck in der Haftungsgrundnorm, nicht aber auf der Rechtsfolgenseite des Schadensrechts zu suchen ist.33 Die Rechtsfolgenseite des Schadensrechts ist demnach zwar wertungsoffen, aber eben wertungsneutral. Ein Präventionszweck kann sich nur aus der Haftungsgrundnorm ergeben.34

4. Die Durchlässigkeit der Rechtsfolgenseite des Schadensrechts hinsichtlich außerkompensatorischer Zwecke Was die Rechtsfolgenseite des Schadensrechts anbelangt, ist also allein entscheidend, ob sie eine Berücksichtigung außerkompensatorischer Zwecke erlaubt, sofern solche in der Anspruchsgrundlage angelegt sind. Diese Frage wäre zu verneinen, wenn den §§ 249 ff. BGB zu entnehmen wäre, daß das Schadensrecht in seiner Gesamtheit, d.h. einschließlich der Anspruchsgrundlagen, allein eine Kompensation bezwecken darf und eine zusätzliche Verhaltenssteuerung anderen Bereichen wie dem Strafrecht vorbehalten wäre. §§ 249 ff. BGB „regelmäßig“ nicht der Prävention dienen, sondern sich eine Präventionswirkung nur aus der Haftungsgrundnorm ergebe. 29 § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG; § 9 HaftpflG; dazu Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 660 ff. 30 Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 9: „Die §§ 249 – 255 bestimmen den Inhalt des durch die einzelnen Haftungsgründe gegebenen Anspruchs und dienen daher den gleichen Zielen wie diese selbst.“ 31 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I, Allgemeiner Teil, Teilband 2, 7. Aufl., 1993, § 30 II, S. 158. 32 Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I, Allgemeiner Teil, Teilband 2, 7. Aufl., 1993, § 30 II, S. 158. 33 Larenz, NJW 1959, 865: „Der Gedanke der Prävention, d.h. der Abschreckung vor dem Rechts- oder Vertragsbruch, spielt […] für die Begründung der Ersatzpflicht […] eine bedeutende Rolle. Dagegen tritt er bei der Ausgestaltung der Ersatzpflicht im Schadenersatzrecht des BGB völlig hinter dem Ausgleichsprinzip zurück.“ 34 Vgl. auch Fest, Bereicherungs- und Schadensausgleich bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten, 1996, S. 95.

II. Die Funktion der Organhaftung im allgemeinen

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Es ist aber zweifelhaft, ob den §§ 249 ff. BGB eine solche Aussage zu entnehmen ist. Zwar ist die Rechtsfolgenseite des Schadenersatzrechts durch das Ausgleichsprinzip gekennzeichnet,35 weil sie regelungstechnisch der Kompensation des erlittenen Nachteils dient. Dadurch wird das Schadensrecht in seiner Gesamtheit aber nicht auf die Kompensationsfunktion beschränkt. Denn die Kompensation und eine mögliche Prävention schließen sich nicht aus. Vielmehr ist die schadensrechtliche Kompensation ein Wirkungselement einer möglichen zivilrechtlichen Prävention. Die Pflicht zum Schadensausgleich kann als Steuerungselement auf den Normadressaten wirken, ohne daß dadurch die Kompensationsfunktion beeinträchtigt würde. Die Annahme, daß die Rechtsfolgen des Schadenersatzrechts die Verwirklichung präventiver Zwecke erlauben, wird durch die Rechtsprechung zum Schadensbegriff der §§ 249 ff. BGB bestätigt. Diese legt den Schaden nach den §§ 249 ff. BGB normativ aus, um Ziele berücksichtigen zu können, die außerhalb der Kompensation stehen.36 Daher kann ein neben die Kompensationsfunktion tretender verhaltenssteuernder Zweck der Haftungsnorm – soweit ein solcher in der Anspruchsgrundlage verankert ist – auf die Auslegung der §§ 249 ff. BGB ausstrahlen.37 Es ist Ausdruck dieses normativen Schadensbegriffs,38 daß der BGH hinsichtlich des Vorteilsausgleichs beispielsweise berücksichtigt, ob eine Entlastung des Schuldners dem Normzweck der haftungsbegründenden Regelung zuwiderliefe und den Schädiger unbillig entlasten würde.39

35 Vgl. Hohloch, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1981, S. 385; Larenz, Schuldrecht, Bd. I Allgemeiner Teil, 14. Aufl. 1987, S. 424; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 9 ff.; siehe ferner Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 51 m.w.N. 36 Dazu BGH, GSZ, Beschluß v. 9.7.1968 – GSZ 2/67, BGHZ 50, 304; BGH, Urteil v. 5.5.1970 – VI ZR 212/68, BGHZ 54, 45 (49); BGH, Urteil v. 16.2.1971 – VI ZR 147/69, BGHZ 55, 329 (331); 59, 174; s. auch BGH, Urteil v. 3.7.1984 – VI ZR 624/82, NJW 1985, 128 = VersR 84, 943; Steffen, NJW 1995, 2057. 37 Vgl. Oetker, Münchener Kommentar BGB, 4. Aufl. 2003, § 249 Rn. 9. 38 Dazu BGH, GSZ, Beschluß v. 9.7.1968 – GSZ 2/67, BGHZ 50, 304; BGH, Urteil v. 5.5.1970 – VI ZR 212/68, BGHZ 54, 45 (49); BGH, Urteil v. 16.2.1971 – VI ZR 147/69, BGHZ 55, 329 (331); 59, 174; s. auch BGH, Urteil v. 3.7.1984 – VI ZR 624/82, NJW 1985, 128 = VersR 84, 943; Steffen, NJW 1995, 2057. 39 Vgl. BGH, Urteil v. 17.6.1953 – VI ZR 113/52, BGHZ 10, 107 (108); BGH, Urteil v. 6.6.1997 – V ZR 115/96, BGHZ 136, 52 (54); BGH, Urteil v. 7.11.2000 – VI ZR 400/99, VersR 2001, 196 (197). Dabei ist die gesamte durch das schädigende Ereignis entstandene Interessenlage der Beteiligten zu berücksichtigen (BGH, Urteil v. 17.6.1953 – VI ZR 113/52, BGHZ 10, 107 (108)) und nicht nur auf den Schädiger und den Geschädigten, sondern auch auf eventuelle Dritte abzustellen (Vgl. v. Koppenfels-Spies, VersR 2005, 1511 (1514); Görner, Die Anspruchsberechtigung der Marktbeteiligten nach § 33 GWB, 2007, S. 218 ff.).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

III. Die außerkompensatorischen Nebenzwecke der Haftungsgrundnorm 1. Die Frage nach einem allgemeinen haftungsrechtlichen Präventionszweck a) Die dogmatischen Ansatzpunkte Wenn die Berücksichtigung außerkompensatorischer Haftungszwecke durch die §§ 249 ff. BGB also nicht ausgeschlossen wird, sich isoliert aus den Rechtsfolgen solche Nebenzwecke aber auch nicht ableiten lassen, können sie sich nur aus der Haftungsgrundnorm ergeben. Systematischer Anknüpfungspunkt für die Frage nach einer möglichen Steuerungsfunktion der Organhaftung sind also die Anspruchsgrundlagen. Teile der Literatur meinen insoweit, daß jede Haftungsnorm eine Verhaltenssteuerung beim Normadressaten bezwecke.40 Die Prävention wird teilweise sogar ganz allgemein als wichtigster Normzweck des Haftungsrechts angesehen.41 Es fragt sich, ob diese Annahmen dogmatisch tragen.

b) Die Bedeutung der verursachungsbezogenen Passivlegitimation für eine verhaltenssteuernde Zwecksetzung des Haftungsrechts Die Vertreter der Ansicht, daß jede Anspruchsgrundlage eine Steuerungsfunktion besitze, stützen sich mitunter auf normlogische Erwägungen. Es sei „mit dem Ziel Schadensausgleich“ nicht zu erklären, weshalb das Haftungsrecht „den Schaden bestimmten Personen zuweist“.42 Wenn das Ziel des Haftungsrechts darin liege, lediglich dem Geschädigten einen Ausgleich für den erlittenen Schaden zu verschaffen, sei allein aus dieser Funktion nicht zu begründen, weshalb gerade der Schädiger hierfür die Verantwortung übernehmen müsse, weil der Schadenersatz auch von anderen Personen oder Organisationen bzw. dem Staat erbracht werden könne.43 Die Haftung des Schuldners diene daher einem anderen Ziel, nämlich der Verhaltenssteuerung von potentiellen Schädigern.44 40

Vgl. den Ansatz bei Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006; Schäfer/ Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 126. 41 So im Ergebnis Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 126. 42 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 50. 43 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 49 f. 44 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 50; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts,

III. Die außerkompensatorischen Nebenzwecke der Haftungsgrundnorm

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Diese Begründung begegnet Zweifeln. Selbst wenn es zuträfe, daß es mit dem Ziel eines Schadensausgleichs nicht zu erklären wäre, weshalb die Rechtsordnung die Haftung dem Schädiger zuweist, würde daraus nicht folgen, daß die einzige Erklärung dafür in einem Präventionszweck liegt. Dieser Schluß wäre nur dann statthaft, wenn jede andere Begründung ausgeschlossen werden könnte. Das ist aber nicht der Fall. Es gibt eine außerhalb des Präventionszwecks liegende Begründung dafür, weshalb das Gesetz die Schadenersatzpflicht dem Schädiger zuweist. Der Grund für die individualisierte Schadenersatzpflicht liegt – jedenfalls bei der hier interessierenden verschuldensabhängigen Haftung – darin, daß eine gesetzlich angeordnete Risikokollektivierung als allgemeines Prinzip des Zivilrechts mit der Privatautonomie und den sie begründenden Verfassungsprinzipien kollidieren würde. Die Privatautonomie ist Ausdruck der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG.45 Die allgemeine Handlungsfreiheit einerseits und die Verantwortung vor sich selbst und vor anderen sowie für andere andererseits sind komplementäre Größen, die sich gegenüberstehen und einander bedingen.46 Freiheit setzt Verantwortung voraus. Und die allgemeine Handlungsfreiheit ist Ausdruck eines im Zivil- und Verfassungsrecht gleichermaßen geltenden Persönlichkeitsrechts.47 Auch die in Art. 12 GG verankerte Unternehmerfreiheit verbindet das eigenverantwortliche unternehmerische Handeln mit der Übernahme des eigenen Risikos.48 Die Privatautonomie muß deshalb als zivilrechtliche Ausprägung dieses Grundsatzes neben der Freiheit des Handelns auch die Verantwortung für das Handeln enthalten. Die Selbstverantwortlichkeit49 des einzelnen prägt als geistig-kultureller Strang auch die europäische Entwicklung des Privatrechts.50 Diese Selbstverantwortlichkeit bedingt hinsichtlich der schuldhaften Verursachung von Schäden die individuelle Ausgleichspflicht.51 Das Schadenersatzrecht ist damit integraler Bestandteil der Privatrechtsordnung. Die Privatrechtsordnung muß aber Vorrang vor einer hoheitlichen Steuerung der Verhältnisse der Privaten untereinander

4. Aufl. 2005, S. 126; dazu auch Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 106 f. 45 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Grundgesetz, 10. Aufl. 2004, Art. 2 GG Rn. 34 46 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 5. Aufl. 2005, Art. 2 Rn. 2; ders., Vom Grund des Grundgesetzes, 1979, S. 35 f., 70 f.; So auch BSG, Urteil v. 10.3.1964 – 9 RV 14/63, BSGE 20, 233 (236). 47 O. von Gierke, Deutsches Privatrecht I, 1895, S. 702 ff., insbes. 704; Dreier, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2008, Art. 2 Rn. 3. 48 Dazu Rittner, Unternehmerfreiheit und Unternehmensrecht, 1998, S. 35. 49 Zur Bedeutung der Selbstverantwortlichkeit für die Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit vgl. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 42 Rn. 1 ff. 50 Vgl. Rittner, Unternehmerfreiheit und Unternehmensrecht, 1998, S. 57. 51 Vgl. Schmidt-Rimpler, in: Festschrift für Raiser, 1974, S. 3 (18).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

genießen, weil nur durch sie das Ziel der Freiheit und Gleichheit der einzelnen verwirklicht werden kann.52 Das Schadenersatzrecht funktioniert als Ausprägung des Gedankens der privatrechtlichen Selbstverantwortung – jedenfalls bei schuldhaften Schädigungen – also nicht lediglich verteilend im Sinn der distributiven Gerechtigkeit,53 sondern ist Ausdruck einer kommutativen Gerechtigkeit54 im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem.55 In dieser Hinsicht hatte Art. 151 Abs. 1 WRV56 die Gerechtigkeit bereits ausdrücklich als programmatischen Leitsatz speziell für die Ordnung des Wirtschaftslebens formuliert.57 In Betreff der Gefährdungshaftung ist zwar umstritten, ob diese der distributiven oder der kommutativen Gerechtigkeit zuzuordnen ist. Selbst wenn man die Gefährdungshaftung der distributiven Gerechtigkeit zuordnete, beruht sie aber dennoch ebenso wie die Verschuldenshaftung auf dem Prinzip personaler Verantwortung.58 Dieses Prinzip stellt hinsichtlich beider Haftungsformen den Grund dafür da, daß der Schaden vom Schädiger zu tragen ist und nicht kollektiviert, das heißt durch den Staat kompensiert wird.59 Zwar wird das Schadenersatzrecht immer stärker durch kollektive Ausgleichssysteme wie die Privatversicherung oder die gesetzlichen Unfall-, Kranken- und Rentenversicherungen sowie andere Versicherungsarten, wie auch die im folgenden näher zu untersuchende D&O-Versicherung, überlagert. Diese Sicherungssysteme verdrängen die individuelle Ausgleichspflicht aber nicht, sondern bauen gerade auf ihr auf. In der Regel sehen sie auch einen Übergang des Schadenersatzanspruchs vom Geschädigten auf den Träger des Sicherungssystems vor.60

52

Vgl. Rittner/Dreher, Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl., 2008, § 1 Rn. 40. 53 Zur distributiven Perspektive der ökonomischen Analyse des Haftungsrechts Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, 2003, S. 76. 54 Die Unterscheidung zwischen verteilender und kommutativer Gerechtigkeit geht bekanntlich zurück auf Aristoteles, hierzu Manthe, ZSS 113 (1996), 1 ff. 55 So zum Deliktsrecht Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, 13. Aufl. 1994, S. 354, 607. 56 Dazu Rittner/Dreher, Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2008, § 1 Rn. 9 f., 47. 57 „Artikel 151 (1) Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziele der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen. In diesen Grenzen ist die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen zu sichern. (2) Gesetzlicher Zwang ist nur zulässig zur Verwirklichung bedrohter Rechte oder im Dienst überragender Forderungen des Gemeinwohls. (3) Die Freiheit des Handels und Gewerbes wird nach Maßgabe der Reichsgesetze gewährleistet.“ 58 Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, 13. Aufl. 1994, S. 608. 59 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, 13. Aufl. 1994, S. 608. 60 Vgl. §§ 116, 119 SGB X; § 52 BRRG; § 5 OEG; § 54 Abs. 2 BSeuchG; § 8 Abs. 2 BEG; § 4 Abs. 1 HHG; § 47 ZDG; § 86 VVG n.F. (§ 67 VVG a.F.).

III. Die außerkompensatorischen Nebenzwecke der Haftungsgrundnorm

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c) Die staatliche Verhaltenslenkung und die Privatrechtsprinzipien aa) Die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Verwirklichung des Präventionsgedankens im Zivilrecht Wenn aus den vorgenannten normlogischen Erwägungen ein allgemeiner Präventionszweck des Haftungsrechts nicht begründet werden kann, fragt es sich, ob ein solcher nicht sogar vielmehr aus rechtssystematischen Gründen – insbesondere solchen des Verfassungsrechts – a priori ausgeschlossen ist. Gegen die Zulässigkeit der Verwirklichung präventiver Zwecke durch privatrechtliche Haftung wenden Teile der Literatur nämlich ein, daß die Verfolgung poenaler Ziele dem Strafrecht unter Beachtung von Art. 103 Abs. 2, 3 GG vorbehalten sei.61 Man wird sich einer solchermaßen begründeten generellen Ablehnung präventiver Zwecke des Haftungsrechts aber nicht anschließen können. Unbestreitbar kann das Zivilrecht keine originär strafrechtliche Funktion erfüllen, weil andernfalls ein neben eine strafgesetzliche oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktion tretender Schadenersatzanspruch bereits eine unzulässige Doppelsanktion darstellen würde.62 Außerdem würde ein strafender Primärzweck des Schadenersatzrechts an den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG scheitern, wonach die Straftatbestände hinreichend bestimmt sein müssen. Da der Umfang des Schadenersatzes vielfach im vorhinein nicht feststeht und auch die Tatbestandsvoraussetzungen zivilrechtlicher Schadenersatzansprüche oft nicht die für ein Strafgesetz erforderliche Klarheit aufweisen, wäre dies nicht gewährleistet.63 Von zivilrechtlichen Instituten wie der Beweislastumkehr oder Vermutungen nach § 292 ZPO, die dem elementaren Grundsatz des in dubio pro reo fundamental widersprächen, ist ganz zu schweigen. Zwischen einer materiellen Strafe im Sinn des Art. 103 GG und einem zivilrechtlichen Präventionszweck liegt ein wesentlicher Unterschied.64 Art. 103 Abs. 2 GG bezieht sich auf Kriminalstrafen und andere staatliche Maßnahmen, die eine mißbilligende hoheitliche Reaktion auf ein schuldhaftes Verhalten darstellen.65 Es genügt für eine solche Strafe nicht, daß eine nachteilige 61 Zu § 661a BGB Schneider, BB 2002, 1653 (1655 ff.); zu § 817 BGB Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004, S. 370; siehe auch Herrmann, ZfA 1996, 19 (40). 62 Mertens, Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 96; Binding, Die Normen und ihre Übertretung, I, 1890, S. 280 ff. 63 Mertens, Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 96. 64 S. hierzu auch Dreier, Kompensation und Prävention, 2002, S. 508 ff.; Bötticher, AcP 158 (1959/1960), 385; Klumpp, Die Privatstrafe, 2002, S. 46 ff.; zum rechtshistorischen Hintergrund der Abgrenzung von Privatrecht und Strafrecht s. Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004, S. 14 ff.; Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, 2003, S. 38. 65 BVerfG, Beschluß v. 30.6.1976 – 2 BvR 435/76, BVerfGE 42, 261 (262); BVerfG, Beschluß v. 11.6.1969 – 2 BvR 518/66, BVerfGE 26, 186 (203 f.).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

Maßnahme an ein rechtswidriges Verhalten anknüpft.66 Art. 103 GG verbietet es daher nicht, mit den Mitteln des Zivilrechts zur Prävention Verhaltensanreize zu setzen.67 Sonach stellt Art. 103 Abs. 2 GG nicht den verfassungsrechtlichen Maßstab dar, an dem die Zulässigkeit zivilrechtlicher Präventionszwecke zu messen ist. Aus demselben Grund verletzt die Verwirklichung verhaltenssteuernder Zwecke auch nicht den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung. Denn aus diesem folgt nicht, daß außerhalb des Strafrechts oder des öffentlichen Rechts durch das Zivilrecht keine eigenständigen Verhaltensanreize gesetzt werden dürften.68

bb) Die Privatautonomie und die Selbstverantwortung Sofern kein genereller verfassungsrechtlicher Hinderungsgrund im Hinblick auf eine Verwirklichung präventiver Zwecke durch das Haftungsrecht besteht, ist damit aber noch nicht gesagt, daß eine allgemeine Verhaltenssteuerung nicht durch den Grundsatz der Privatautonomie eingeschränkt oder sogar ausgeschlossen wird. Wenn der Gesetzgeber alle Haftungstatbestände an Präventionszwecken ausrichtete, bedeutete dies nämlich eine Überbauung des Zivilrechts mit öffentlich-rechtlichen Steuerungszielen. Darin läge eine partielle Entwertung der Privatautonomie, weil der einzelne lediglich Vollzugsobjekt der staatlich vorgegebenen Verhaltensregeln mit dem Ziel einer volkswirtschaftlichen Wohlfahrtsoptimierung wäre. Auch von Seiten der öffentlich-rechtlichen Wissenschaft wird daher zu Recht vor einer Überfrachtung des Zivilrechts mit Steuerungsfunktionen gewarnt.69 Das Zivilrecht dient ansonsten, so Kloepfer zutreffend, „in Wahrheit nicht mehr (oder allenfalls noch sekundär) privaten Interessen, sondern wird vielmehr bestimmend zum Lenkungsmittel staatlicher Politik. Das Zivilrecht muß sich dann aber insoweit in das System staatlicher Steuerungsinstrumente einordnen. Es verliert damit (oder illegitimiert jedenfalls) seine Eigenständigkeit und wird zu einer kaschierten Abart des öffentlichen Rechts. […] durch die staatliche Instrumentarisierung von Privaten würde aber die Idee der Privatautonomie entscheidend geschwächt, wenn nicht sogar partiell beseitigt.“70 Im Grundsatz ist daher von einer „funktionalen Arbeitsteilung“ zwischen Privat- und Strafrecht auszugehen, bei der das private Haftungsrecht in erster Linie die persönlichen Interessen des Verletzten verfolgt und das Strafrecht die Allgemeininteressen an einer Sanktionierung vertritt.71 66

Vgl. Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 1975/2006, Art. 103 Rn. 1146. Wagner, AcP 206 (2006), 352 (432). 68 Löwe, Der Gedanke der Prävention im deutschen Schadensersatzrecht, 1999, S. 169. 69 Kloepfer, NuR 1990, 337 (339). 70 Kloepfer, NuR 1990, 337 (339). 71 Hörnle, JZ 2006, 950 (953); Rieß, Die Rechtsstellung des Verletzten im Strafverfahren, Gutachten C für den 55. DJT, 1984, Rn. 60; Weigend, Deliktsopfer und Strafverfahren, 1989, S. 18; Seelmann, JZ 1989, 670 (671); Albrecht, in: Schünemann/Dubber, Die Stellung des 67

III. Die außerkompensatorischen Nebenzwecke der Haftungsgrundnorm

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Dieser Erkenntnis treten die Verfechter eines allgemeinen zivilrechtlichen Präventionsgedankens mit einer Relativierung der Privatautonomie entgegen. Sie stellen sich auf den Standpunkt, daß sich das Zivilrecht und das öffentliche Recht hinsichtlich ihrer Regelungszwecke und -prinzipien nicht wesentlich unterscheiden würden. Es wird die Trennung zwischen beiden Rechtsbereichen implizit abgelehnt72 und sogar von der „Armut der Privatautonomie als Privatrechtsprinzip“ gesprochen.73 Daher könne zivilrechtlichen Haftungstatbeständen ebenso wie dem öffentlichen Recht ein allgemeiner Steuerungszweck zukommen.74 Diese Begründung eines allgemeinen Steuerungszwecks des Haftungsrechts ist jedoch Einwänden ausgesetzt. Zum einen ist eine materielle Trennung von Zivilrecht und öffentlichem Recht notwendig, weil beide Rechtsbereiche der Verwirklichung unterschiedlicher Interessen dienen.75 Zum anderen muß berücksichtigt werden, daß im öffentlichen Recht einerseits und im Zivilrecht andererseits unterschiedliche Prinzipien hinsichtlich der Verwirklichung von Steuerungszwecken zur Anwendung kommen.76 Das öffentliche Recht gilt absolut, das Schadenersatzrecht ist grundsätzlich dispositiv.77 Während hoheitliche Sanktionen – seien es verwaltungsrechtliche, bußgeldrechtliche oder strafrechtliche – der Verfügungsgewalt Privater nicht unterstehen,78 können Zivilrechtssubjekte Haftungstatbestände im Grundsatz frei modifizieren oder abbedingen. Verhaltenssteuernde Elemente können im Zivilrecht daher von vornherein nicht dieselbe Qualität besitzen wie im öffentlichen Recht. Daß das Schadenersatzrecht im allgemeinen keine präventive Funktion hat, zeigt sich auch daran, daß der Haftungsumfang nicht an die Schwere des Pflichtverstoßes oder die Bedeutung des verletzten Rechtsguts anknüpft. So kann die Haftung für die vorsätzliche Tötung eines Menschen einen deutlich geringeren Umfang haben als der Schaden, den ein Wirtschaftsprüfer ersetzen muß, wenn er bei einer Berechnung das Komma falsch setzt.79 Wenn es stets das Anliegen des Schadenersatzrechts wäre, general- sowie spezialpräventiv zu wirken, müßte die Sanktion aber in einem angemessenen Verhältnis zur Opfers im Strafrechtssystem, 2000, S. 40, 42; Frehse, in: Schünemann/Dubber, a.a.O., S. 117, 125 f.; Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, 2004, S. 88 f. 72 Wagner, AcP 206 (2006), 352 (422 ff.). 73 Wagner, AcP 206 (2006), 352 (423). 74 Wagner, AcP 206 (2006), 352 (422 ff.). 75 Statt aller Ulpian „Publicum ius est quod ad statum rei Romanae spectat, privatum quod ad singulorum utilitatem.“, Ulpian D. 1,1,1,2. 76 Dies führt zu der hier nicht zu vertiefenden Frage, welche Bedeutung die ökonomische Analyse im Bereich des öffentlichen Rechts haben kann, s. hierzu Lindner, JZ 2008, 957 ff. 77 Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 3 f. 78 „Ius publicum privatorum pactis mutari non potest“, Papinianus, D. 2, 14, 38 dazu Kaser, in: Festschrift für Wieacker, 1978, S. 90 (102 ff; 108 ff.). 79 Vgl. auch bei Spickhoff, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2005, Vor § 823 Rn. 33.

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Schwere der Verletzung stehen.80 Da das Haftungsrecht dies nicht gewährleistet, kann ihm keine allgemeine verhaltenssteuernde Funktion zukommen. Das wurde bereits in den Motiven zum BGB klargestellt, wo es heißt, daß das Schadenersatzrecht der §§ 249 ff. BGB ganz dem Ausgleichsprinzip verpflichtet ist: „Die Hereinziehung moralisierender oder strafrechtlicher Gesichtspunkte, worauf jede Abstufung beruht, muß bei der Bestimmung der civilrechtlichen Folgen unerlaubten, widerrechtlichen Verhaltens durchaus fern gehalten werden. Der Grundsatz des gemeinen Rechts, wonach lediglich der Umfang des verursachten Schadens den Umfang des zu leistenden Schadenersatzes bestimmt, ist juristisch allein haltbar und wird dem Schadenersatzberechtigten allein gerecht.“81 Teile der Literatur interpretieren diese Motive hingegen anders und meinen, daß sie lediglich dazu dienten, die Abkehr vom Gradationssystem82 zu begründen, so daß daraus nicht auf die fehlende verhaltenssteuernde Zwecksetzung des Schadenersatzrechts geschlossen werden dürfe.83 Dem kann indes nicht gefolgt werden. Zwar mag es zutreffen, daß sich diese Äußerungen in erster Linie auf das Gradationssystem bezogen haben. Dieser systematische Zusammenhang ändert aber nichts daran, daß dort explizit eine strafrechtsgleiche Funktion des Schadenersatzrechts abgelehnt wurde. Die verhaltenssteuernde Einwirkung auf den Normunterworfenen, wie sie dem Strafrecht zukommt, soll keine originäre Aufgabe des Schadenersatzrechts sein. Die Motive zum BGB müssen deshalb dahingehend verstanden werden, daß der Gesetzgeber vom Prinzip des reinen Ausgleichszwecks ausging und verhaltenssteuernde Gesichtspunkte in erster Linie dem Strafrecht zuordnen wollte.84 Ein weiterer Einwand spricht gegen eine allgemeine präventive Funktion des Schadenersatzrechts. Schadenersatzansprüche unterliegen prinzipiell denselben Regeln wie andere zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen. Daraus folgt, daß sich die Passivlegitimation bei Schadenersatzansprüchen durch Rechtsnachfolge ändern kann. Im Unternehmensrecht ist hier an die Rechtsnachfolgetatbestände des Umwandlungsrechts zu denken, wie § 20 UmwG. Hinsichtlich Schadenersatzansprüchen gegen natürliche Personen kommen die erbrechtliche Universalsukzession nach § 1922 BGB in Betracht oder auch gesetzliche Formen des Forderungsübergangs wie § 25 HGB. Zu erwähnen ist schließlich 80 Vgl. hierzu bereits Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, 1965, S. 245; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 99. 81 Mot. II, S. 17 f.; dazu Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 12. 82 Für eine Abhängigkeit des Schadenersatzes vom Grad des Verschuldens hatte sich noch maßgeblich von Jhering ausgesprochen, von Jhering, Das Schuldmoment im Römischen Privatrecht, S. 54 ff.: „Aber wer wird noch contrahieren wollen, wenn er eine kleine Vergeßlichkeit mit seinem ganzen Vermögen bezahlen soll?“; dazu Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004, S. 240 ff., 417 ff. 83 Wagner, AcP 206 (2006), 352 (456 f.). 84 So auch Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 49; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 13.

III. Die außerkompensatorischen Nebenzwecke der Haftungsgrundnorm

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vor allem die Schuldübernahme nach den §§ 414 ff. BGB. Die Sanktionszwecke einer General- und Spezialprävention sowie mögliche vergeltende Zwecke können aber nur dann erreicht werden, wenn sich die Rechtsfolge gegen den Täter richtet. Sanktionen gegen Unbeteiligte entfalten keine Wirkungen und sind daher sinnwidrig.85 Der Übergang der Passivlegitimation eines Schadenersatzanspruchs von dem ursprünglichen Schuldner auf dessen Rechtsnachfolger ist daher nur dann plausibel, wenn die Ausgleichsfunktion den Regelungszweck des Schadenersatzes bildet. Binding hat den Gedanken zu Recht wie folgt zusammengefaßt:86 „Den Unschuldigen strafen ist Justizmord; daß der Unschuldige den Schaden ersetze, den ein anderer Schuldiger oder Unschuldiger oder gar der Zufall angerichtet hat, erscheint in keiner Weise anstößig.“

2. Die Bedeutung der ökonomischen Analyse des Haftungsrechts a) Der Beitrag des Haftungsrechts zur Wohlfahrtsmaximierung aa) Die methodischen Probleme der ökonomischen Analyse des Haftungsrechts Mancher will einen allgemeinen Steuerungszweck des Haftungsrechts damit begründen, daß eine Verhaltenssteuerung mit dem Ziel einer Haftungsvermeidung wohlfahrtsökonomisch sinnvoll sei.87 Das Schadenersatzrecht solle Anreize schaffen, damit sich die Normadressaten so verhalten, daß die Gesamtsumme aus Schadenskosten und Schadensvermeidungskosten minimiert werde.88 Auch das ältere Schrifttum hat zum Teil in diesem Sinn angenommen, daß die individuelle Ersatzverpflichtung des Schädigers ein wesentliches „Regulierungsmittel“ darstelle, um „das Verhalten der Rechtsgenossen im freien Rechtsstaat präventiv beeinflussen“ zu können.89 Diese Feststellungen der ökonomischen Analyse des Schadenersatzrechts sind für die Frage nach einer Steuerungsfunktion de lege lata aber nur be85 Dieser Grundsatz gilt im modernen Strafecht nach einhelliger Ansicht. Zur Rechtshistorie Maihold, Strafe für fremde Schuld?, 2005. 86 Binding, Die Normen und ihre Übertretung, I, 1890, S. 284; vgl. auch Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1867, S. 96. 87 Taupitz meint in diesem Sinn: „Nach den Geboten der ökonomischen Analyse hat das Recht die Aufgabe, das Verhalten der Bürger so zu steuern, daß Unfallschäden vermindert werden. Aus diesem Grund steht für die ökonomische Analyse denn auch die Präventionsfunktion des Haftungsrechts ganz im Vordergrund.“ Taupitz, AcP 196 (1996), 114 (138); ferner Kötz/Wagner, Deliktsrecht, 10. Aufl. 2006, Rn. 59 ff.; Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 51; Küpper-Dirks, Managerhaftung und D&O Versicherung, 2002, S. 99 ff. 88 Ott/Schäfer, JZ 90, 563 (566 u. 573); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 125 ff. 89 Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 84.

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

grenzt aussagekräftig. Zunächst ist der Ansatz der ökonomischen Analyse des Haftungsrechts zu klären. Es geht um das von dieser Disziplin verfolgte Ziel, durch die Gestaltung des Haftungsrechts eine Wohlfahrtsoptimierung herbeizuführen. Der Begriff der Wohlfahrtsoptimierung ist konturschwach und komplex. Es läßt sich grundsätzlich nur schwer ermitteln, ob ein bestimmtes zivilrechtliches Haftungsinstrument bzw. eine bestimmte Art seiner Anwendung zu einer Verbesserung oder Verschlechterung der Wohlfahrt führt. Bydlinski hat zutreffend gesagt, daß ein utilitaristisches Nützlichkeitsprinzip – wie es die ökonomische Analyse des Rechts letzten Endes ist – der Idee nach eine überall anwendbare Handlungsanleitung darstellt, die nichts weniger voraussetzt als die Aufklärung aller für irgend jemanden nützlichen und schädlichen Folgen aller jeweils zur Wahl stehenden Handlungsalternativen und die Möglichkeit einer intersubjektiv gültigen Nutzmessung und daß von beiden Voraussetzungen nur in höchst beschränktem Ausmaß die Rede sein kann.90 Des weiteren lassen sich wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse, wie eine möglicherweise wohlfahrtsökonomisch sinnvolle weitestgehende Haftungsvermeidung, nur schwer im Sinn einer rechtlichen Kategorie dem Haftungsrecht als konzeptionelle Grundlage unterschieben. Denn es können – wie Rittner hervorhebt – von den Wirtschaftswissenschaften nur wirtschaftswissenschaftliche Antworten erwartet werden.91 Die Wirtschaftswissenschaften bilden die realen Verhältnisse nur von einer bestimmten Seite ab, stellen aber keinen universellen Maßstab für die Aufgaben des Rechts dar, die nur zu einem Teil von Fragen der Wirtschaftlichkeit bestimmt werden; und zum Teil eben auch von anderen, wie der aus Art. 3 GG folgenden „Gleichheit im Privatrecht“.92 Die Wirtschaftstheorie kann die Wirklichkeit sub specie economica nicht annäherungsweise abschließend und widerspruchsfrei erklären, da das menschliche Verhalten ein zu komplexes und von einer Vielzahl nichtökonomischer Faktoren determiniertes Phänomen ist.93 Vor allem aber darf das Schadenersatzrecht nicht auf eine wohlfahrtsökonomische Optimierungsfunktion beschränkt werden, weil aus Gründen des Schutzes bestimmter Rechtsgüter, wie beispielsweise des Persönlichkeitsrechts, immaterielle Schäden auch dann ausgeglichen werden müssen, wenn dies volkswirtschaftlich möglicherweise nicht sinnvoll ist.94 Das Zivilrecht 90

Bydlinski, AcP 188 (1988), 447 (453). Rittner, AcP 188 (1988), 101 (110); ferner Rittner/Dreher, Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2008, § 1 Rn. 89 ff. 92 Dazu Rittner, in: Festschrift für Meier-Hayoz, 1982, S. 331, 334; ders., Unternehmerfreiheit und Unternehmensrecht, 1998, S. 32 ff., wo Verf. (S. 32) zutreffend von einem für das Privatrecht und das öffentliche Recht geltenden vorpositivistischen Gleichheitsgedanken spricht. 93 Vgl. Rittner, AcP 188 (1988), 101 (110). 94 Gegen eine Bewertung zivilrechtlicher Normen allein unter dem Gesichtspunkt des gesamtwirtschaftlichen Nutzens wegen Fehlens einer Möglichkeit zur Anerkennung ethi91

III. Die außerkompensatorischen Nebenzwecke der Haftungsgrundnorm

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dient also jedenfalls nicht allein der Verbesserung der Wohlfahrtsökonomie.95 Auch die Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts müssen daher einräumen, daß es notwendig sein kann, Effizienzverluste zur Erreichung höherwertiger normativer Ziele in Kauf zu nehmen.96 Das Abstellen auf ein übergeordnetes Leitprinzip wie dasjenige der ökonomischen Effizienz vereinfacht die rechtliche Lösungsfindung also nur scheinbar, indem es die Frage unterdrückt, wieweit diesem ökonomischen Ziel angesichts der anderen durch die Rechtsordnung verwirklichten Anliegen im konkreten Fall Rechnung getragen werden kann.97

bb) Die wohlfahrtsökonomisch neutralen und vorteilhaften Haftungskonstellationen Die Ansicht, daß der zivilrechtlichen Haftung ein allgemein verhaltenssteuernder Zweck zukomme, würde außerdem auf der zunächst unbewiesenen Annahme beruhen, daß die Vermeidung des Haftungsfalls per se wohlfahrtsökonomisch sinnvoll ist. Diese These läßt sich zuweilen jedoch in Zweifel ziehen, wie anhand der Vertragsverletzung nach § 280 BGB gezeigt werden kann. Auf Grund von Informationsasymmetrien und anderen externen Faktoren können Verträge zu Bedingungen zustande kommen, die wohlfahrtsökonomisch suboptimal sind. Außerdem ist der objektiv richtige Wert einer Gegenleistung in einem Austauschvertrag, das iustum pretium98, bereits erkenntnistheoretisch nicht bestimmbar.99 Ferner ist die Wertschätzung für eine Leistung vielfach scher Gesichtspunkte auch Löwe, Der Gedanke der Prävention im deutschen Schadensersatzrecht, 1999, S. 68. 95 Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 110; Horn, AcP 176 (1976), 307 (353). 96 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 6. 97 Bydlinski, AcP 188 (1988), 447 (457). 98 Kling/Thomas, Kartellrecht, 2007, § 5 Rn. 70 sowie § 18 Rn. 260. 99 Vgl. bereits F.A. Hayek, Die Verfassung der Freiheit (hrsg. v. A. Bosch und R. Veit), 4. Aufl. 2005, Kap. 15, Wirtschaftspolitik im Rechtsstaat, S. 304 (313 f.) zu der auf derselben Kernfrage beruhenden Problematik staatlicher Preiskontrollen: „Aus verschiedenen Gründen ist jede direkte staatliche Preiskontrolle mit dem Funktionieren eines freien Systems unvereinbar, ob nun die Regierung tatsächlich Preise festsetzt oder bloß Regeln aufstellt, nach denen die zulässigen Preise zu bestimmen sind. Zunächst ist es unmöglich, Preise, die die Produktion wirkungsvoll lenken sollen, nach langfristigen Regeln festzusetzen. Angemessene Preise hängen von Umständen ab, die sich ständig ändern und an die sie ständig angepaßt werden müssen. Andererseits werden Preise, die nicht direkt festgesetzt, sondern durch irgendeine Regel bestimmt werden (etwa, daß sie in einem bestimmten Verhältnis zu den Kosten stehen müssen), nicht für alle Verkäufer dieselben sein und daher die Funktion des Marktes behindern. Noch wichtiger ist die Überlegung, daß bei anderen als den Preisen, die sich auf dem freien Markt bilden würden, Angebot und Nachfrage nicht gleich sein werden, und wenn die Preiskontrolle wirksam sein soll, eine Methode gefunden werden muß, zu entscheiden, wer kaufen oder verkaufen darf. (…) Nicht weil die Wirtschaftsinteressen, in die solche Maßnahmen eingreifen, wichtiger sind als andere Interessen, müssen

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

von subjektiven Einflüssen geprägt, die sich einer ökonomischen Analyse entziehen. Ein Vertragsbruch, der zum Schadenersatz nach § 280 BGB führt, kann wohlfahrtsökonomisch demnach sogar vorteilhaft sein, wenn die Vertragserfüllung mit einem volkswirtschaftlich nicht zweckmäßigen Aufwand verbunden wäre. Es läßt sich also nicht sagen, daß es wirtschaftlich „grundsätzlich sinnvoller“ sei, „schädigende Verhaltensfolgen“ zu verhindern als sie auszugleichen.100 Das gilt auch dann, wenn man nicht den einzelnen Vertrag, sondern die volkswirtschaftlichen Gesamtwirkungen in den Blick nimmt. Bydlinski ist daher zuzustimmen, wenn er schreibt, daß die „Leistungsschwächen rechtsexternen normativen Denkens auf der eigentlich interessanten Ebene praktischer Orientierung … also nicht zu verkennen“ sind.101

cc) Die Transaktionskostenanalyse und das Kaldor-Hicks-Kriterium Stimmen der Literatur weisen darauf hin, daß jeder Schadensausgleich lediglich zu einer Verlagerung des Schadens führe und damit gesamtgesellschaftlich der Netto-Verlust gleich bleibe zuzüglich der für den Schadensausgleich erforderlichen Transaktionskosten.102 Daraus folgern die Vertreter dieser Ansicht, daß der Sinn des Schadenersatzes nur in der Prävention liegen könne,103 was in der Formel zusammengefaßt wird „Schadensverhütung ist besser als Schadensvergütung“.104 Diese Betrachtung beruht auf Calabresis Untersuchung „The Costs of Accidents“ von 1970.105 Calabresi stellt dort die These auf, daß das Schadenersatzrecht die Gesamtsumme von Schadenskosten und Schadensvermeidungskosten reduzieren solle.106

Preis- und Mengenkontrollen in einem freien System gänzlich ausgeschlossen sein, sondern weil derlei Kontrollen nicht nach einer Regel durchgeführt werden können, vielmehr ihrer Natur nach dem Ermessen und der Willkür unterliegen. Den Behörden solche Gewalten zu erteilen, heißt, ihnen die Macht zu geben, zu entscheiden, was und von wem und für wen produziert wird.“ 100 So aber Dreier, Kompensation und Prävention, 2002, S. 415. 101 Bydlinski, AcP 188 (1988), 447 (459). 102 Vgl. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 126; dazu auch Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 107. 103 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 125 ff.; dazu auch Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 107. 104 Kötz/Schäfer, AcP 189 (1989), 501 (502). 105 Dazu Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 128. 106 Calabresi, The Costs of Accidents, 1970, S. 26; dazu Möller, das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 107.

III. Die außerkompensatorischen Nebenzwecke der Haftungsgrundnorm

137

Die Richtigkeit dieser Annahme soll sich daran zeigen, daß sie das KaldorHicks-Kriterium107 erfüllt.108 Das Kaldor-Hicks-Kriterium verkörpert folgenden Gedanken: Zwei soziale Zustände, X und Y, kennzeichnen sich dadurch, daß wenigstens ein Gesellschaftsmitglied den einen, ein anderes den anderen Zustand vorzieht. Eine Veränderung des sozialen Zustandes X in den sozialen Zustand Y oder umgekehrt ist nach dem Kaldor-Hicks-Kriterium dann gerechtfertigt, wenn aus dem Gewinn der Begünstigten im Zustand X beziehungsweise Y die Benachteiligung der anderen in diesem neuen sozialen Zustand voll entschädigt werden kann und die Begünstigten zusätzlich einen Netto-Vorteil erhalten.109 Das Kaldor-Hicks-Kriterium könne – so die Vertreter dieser Ansicht – nur dadurch erfüllt werden, daß die vermiedenen Schadenkosten höher seien als der für die Schadenvermeidung erforderliche Aufwand, was den Präventionszweck der zivilrechtlichen Haftung belege.110 Doch auch diese Begründung des Präventionszwecks stößt auf Einwände. Es ließe sich der Nachweis eines Präventionszwecks auf diese Weise nur dann führen, wenn die Grundannahme zuträfe, daß das geltende Zivilrecht darauf abzielt, die Gesamtwohlfahrt dem Pareto-Optimum111 anzunähern. Zwar kann ohne weiteres unterstellt werden, daß der Gesetzgeber ein grundsätzliches Interesse an einer Verbesserung der Gesamtwohlfahrt hat. Das Zivilrecht erschöpft sich aber nicht darin, diesem Zweck zu dienen, sondern trägt auch anderen nicht-ökonomischen Interessen Rechnung. Denn das Schadenersatzrecht weist Ausprägungen auf, die sich unter dem Gesichtspunkt einer Wohlfahrtsmaximierung nur schwer erklären lassen und vielmehr dem Schutz anderer Rechtsgüter (etwa beim Ersatz immaterieller Schäden) und der Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes und der Privatautonomie als Freiheitsrecht geschuldet sind. Die ökonomische Analyse des Rechts unter Verwendung des Kaldor-Hicks-Kriteriums verkürzt die rechtliche Funktion des Schadenersatzrechts daher unangemessen.

107 Das Kaldor-Hicks-Kriterium geht auf die Arbeit der englischen Ökonomen Kaldor und Hicks aus dem Jahre 1939 zurück; Dazu Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 31. 108 Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 107. 109 Vgl. Senn, A., Collective Choice and Social Welfare, 1970, S. 30 f.; dazu auch Schäfer/ Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 31 ff. 110 Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 107. 111 Benannt nach dem Italiener Vilfredo Pareto (1848 – 1923), der innerhalb der neoklassischen Wettbewerbstheorie eine Sonderstellung einnimmt. Zu ihm s. Lutz, 2. Festschrift für Franz Böhm, 1975, S. 341 (353 ff.). Das sog. Pareto-Optimum besagt, daß in einer Wirtschaftsordnung, in der vollständige Konkurrenz herrscht, das Optimum verwirklicht sei. Mit anderen Worten ist das Optimum erreicht, wenn es unmöglich ist, durch irgendwelche Maßnahmen ein Wirtschaftssubjekt besser zu stellen, ohne zugleich ein anderes Wirtschaftssubjekt schlechter zu stellen (s. Lutz, a.a.O., S. 354 f.).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

b) Die tatsächliche Haftungsvermeidung und die rechtliche Verhaltenssteuerung Für eine verhaltenssteuernde Funktion des Schadenersatzes ließe sich möglicherweise anführen, daß sich eine von der Haftungsfolge eines Anspruchs ausgehende verhaltenssteuernde Wirkung mitunter sogar realiter nachweisen läßt. Wagner meint insoweit, „(t)atsächlich sind die faktischen Steuerungswirkungen legislatorischer und judizieller Entscheidungen im Bereich des Privatrechts zu offensichtlich, um ernsthaft geleugnet zu werden.“112 Allein hierdurch ist aber noch nichts darüber gesagt, ob eine Rechtsnorm juristisch-funktional darauf abzielt, das Verhalten der Normadressaten im Sinn einer Haftungsvermeidung zu steuern. Es läge der Einwand des Zirkelschlusses nahe, weil von der verhaltensbeeinflussenden Wirkung einzelner zivilrechtlicher Normen in konkreten Fällen auf eine Zwecksetzung des Privatrechts geschlossen würde.113 Unzweifelhaft hat eine zivilrechtliche Ausgleichspflicht vielfach eine abschreckende Wirkung.114 Die rechtliche Frage lautet aber, ob es das Telos der Ausgleichspflicht ist, abschreckend zu wirken.115 Es ist mithin gerade zu prüfen, ob ein rechtlich intendierter verhaltenssteuernder Sekundärzweck gegeben ist.116 Er läge vor, wenn aus der Schadenersatzpflicht zu schließen wäre, 112

Wagner, AcP 206 (2006), 352 (424). Zur Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Zweck und Wirkung auch Jansen, die Struktur des Haftungsrechts, 2003, S. 33 ff. Ein Beispiel für die problematische Gleichsetzung von Zweck und Wirkung findet sich bei Wagner, AcP 206 (2006), 352 (426 f.) zur Funktion der §§ 280, 281 BGB. Dort heißt es: „Doch wer wollte behaupten, daß die Androhung des Verlusts des Anspruchs auf die Gegenleistung sowie – bei Vertretenmüssen – die Androhung einer Verpflichtung, dem Gegner seinen Schaden zu ersetzen, keine verhaltenssteuernden Wirkungen äußern? […] Wenn aber die Vertragshaftung verhaltenssteuernde Funktion hat, wieso sollte der Gesetzgeber sie dann nicht berücksichtigen dürfen, warum sollten die Gerichte gehindert sein, bei der Entscheidung über eine vertragliche Schadenersatzklage auch die Auswirkungen des Urteils auf die Erfüllungsanreize aller übrigen Schuldner zu bedenken? Allerdings ist vor dem Mißverständnis zu warnen, nur weil die Vertragshaftung präventiv wirkt und wirken soll, müsse die Sanktion gleichsam maximiert werden.“ Hier wird also von der – unbestreitbaren – verhaltensbeeinflussenden Wirkung einer Haftungsnorm, zu der auch § 280 BGB zählt, über den Begriff der verhaltenssteuernden „Funktion“ die Behauptung aufgestellt, daß die Vertragshaftung „präventiv … wirken soll“. Diese Annahme ist problematisch, weil dasjenige, was zu beweisen ist – scil. der verhaltenssteuernde Zweck – als feststehend angenommen wird. Nicht ganz eindeutig ist auch die Qualifizierung der Steuerungsfunktion bei Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 109, wo der Verfasser die Verhaltenssteuerung zunächst als „rechtlich intendierte Sekundärzwecke“ bezeichnet und einige Sätze später in diesem Zusammenhang wiederum von „Sekundärwirkungen“ spricht. 114 Vgl. Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 109. 115 Auf die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen faktischer Präventionswirkung und Präventionszweck weisen daher zutreffend auch Dreier (Dreier, Kompensation und Prävention, 2002, S. 123 ff.) und Möller (Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 74) hin. 116 Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 109; 113

III. Die außerkompensatorischen Nebenzwecke der Haftungsgrundnorm

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daß es einen von der Ausgleichsfunktion unabhängigen Grund für eine auf Schadenvermeidung gerichtete Verhaltensanforderung gibt.117 Zurückhaltung ist deshalb hinsichtlich der Verwertung empirischer Studien bei der Frage nach einem allgemeinen Präventionszweck des Schadenersatzrechts geboten. So haben Kötz/Schäfer 118 beispielsweise untersucht, ob die Einführung eines Beitragsausgleichsverfahrens bei Zuckergenossenschaften zu einem Rückgang der Häufigkeit von Arbeitsunfällen geführt hat und festgestellt, daß insoweit ein „hochsignifikanter Zusammenhang besteht“.119 Auch andere ökonomische Studien scheinen eine Auswirkung von Schadenersatzpflichten auf die Einhaltung von Sorgfaltsmaßstäben zu bestätigen. Dewees/ Duff/Trebilcock haben in einer Untersuchung von 1996 nachgewiesen, daß hinsichtlich Kfz-Unfällen Haftungsnormen zu einer besseren Einhaltung der Sorgfaltsmaßstäbe beitragen.120 Die Verfasser weisen auch eine verhaltenssteuernde Wirkung im Bereich der Arzthaftung121 und Umwelthaftung122 nach.123 Umgekehrt liegen empirische Studien vor, die belegen, daß eine Beseitigung der verhaltenssteuernden Wirkung von Haftungsnormen durch das Versicherungsrecht eine Zunahme von Entschädigungen zur Folge hatte.124 Aus derlei Erkenntnissen über den Zusammenhang von Haftungsgefahr und Haftungsvermeidung läßt sich für die Rechtsanwendung aber kaum etwas ableiten. Ein positiver Befund bestätigt lediglich die auch ohne solchen Nachweis plausible These, daß ein rational handelnder Teilnehmer am Rechtsverkehr den Eintritt einer persönlichen Haftung zu vermeiden versucht, wenn nicht ausnahmsweise mit dem Eintritt des Haftungsfalls Vorteile einhergehen, die die Nachteile der Ausgleichspflicht überwiegen.

ferner Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, 1963, S. 84, 201 f., 238 f.; ferner Bötticher, AcP 158 (1959/1960), 385; Esser, Grundlagen und Entwicklung der Gefährdungshaftung, 2. Aufl. 1969, S. 73 f.; Heck, Grundriß des Schuldrechts, 1929, S. 438; Larenz, Vertrag und Unrecht, Teil II, 1937, S. 32. 117 Vgl. Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, 2003, S. 54. 118 Kötz/Schäfer, AcP 189 (1989), 501 ff. 119 Kötz/Schäfer, AcP 189 (1989), 501 (525); siehe auch Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, 2003, S. 171 ff. mit weiteren Untersuchungen zur Kostenbeteiligung von Arbeitgebern an den Unfallkosten und der Häufigkeit von Arbeitsunfällen. 120 Dewees/Duff/Trebilcock, Exploring the Domain of Accident Law, 1996, p. 415.; dazu auch Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, 2003, S. 173 ff. 121 Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, 2003, S. 172. 122 Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, 2003, S. 172 f. 123 Dewees/Duff/Trebilcock, Exploring the Domain of Accident Law, 1996, p. 417. 124 Vgl. Devlin, International Review of Law and Economics, 10 (1990), p. 139 ff.; dazu Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 27 f.

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

c) Die weiteren grundlegenden Einwände gegen die Annahme eines allgemeinen Präventionszwecks aufgrund ökonomischer Analyse des Haftungsrechts Eine rein ökonomisch begründete Verhaltenssteuerung sieht sich außerdem dem Einwand ausgesetzt, daß sie auf stark vereinfachenden Grundannahmen beruht, welche in der Realität so nicht vorzufinden sind. Dies betrifft insbesondere die Hypothese, daß die Individuen sich stets ökonomisch rational verhielten.125 Es gibt jedoch beispielsweise vielfältige Gründe, weshalb Anspruchsberechtigte von der Verfolgung ihrer Rechte absehen, ohne daß dies ökonomisch erklärbar wäre. Als Beispiele können hier der hohe Kostenaufwand gerichtlicher Rechtsverfolgung genannt werden, der auch dann ein Klagehindernis darstellen kann, wenn die Erfolgsaussichten insgesamt gut sind, oder andere wirtschaftliche Erwägungen wie das Bestreben, Geschäftsbeziehungen durch zivilrechtliche Auseinandersetzungen nicht zu belasten. Letzteres führt in der Wirtschaftspraxis beispielsweise dazu, daß Schadenersatzansprüche wegen hardcore-Kartellen entgegen den Erwartungen der Befürworter eines verbesserten private enforcement nur in einer geringen Anzahl von Fällen geltend gemacht werden, in denen dies rechtlich möglich wäre. Ferner leidet die Belastbarkeit ökonomischer Aussagen zu den Wirkungen des Haftungsrechts vielfach bereits an nicht vollständigem Datenmaterial.126 Es ist unmöglich, alle relevanten objektiven und subjektiven Parameter zu ermitteln, die für die Beantwortung der Frage nach einem Zusammenhang zwischen Haftungsfolge und Verhaltenssteuerung erforderlich wären. Vielmehr können immer nur einzelne Haftungskonstellationen ausschnittweise betrachtet werden.127 Die Verallgemeinerung solcher punktueller Ergebnisse ist dann zwangsläufig mit so vielen Unsicherheitsfaktoren behaftet, daß abstrakt-generelle Aussagen zu den ökonomischen Wirkungsmechanismen nur schwer gelingen können. Letztlich bedeutet eine verabsolutierte ökonomische Analyse des Haftungsrechts daher nichts anderes als eine Mißachtung der eigenständigen juristischen Methodik.128 Eine ökonomische Betrachtung der Zusammenhänge des Haf125 Diesen Aspekt ebenfalls kritisierend: Hager, in: Staudinger BGB, 13. Bearb. 1999, Vorbem. zu §§ 823 ff. Rn. 16; Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, 2003, S. 172. 126 Hierzu Hager, in: Staudinger BGB, 13. Bearb. 1999, Vorbem. zu §§ 823 ff. Rn. 17; Spickhoff, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2005, Vor § 823 Rn. 33. 127 Nachweise zu den Untersuchungen oben unter D. III. 2. b). 128 Vgl. Rittner, AcP 188 (1988), 101 (118); Bydlinski, AcP 188 (1988), 447 (460), mit dem treffenden Hinweis, daß aus der Sicht vieler durch konstruktive, umfassende Bemühungen praktisch brauchbarer Art um bestmögliche Wahrnehmung der Daueraufgabe der Jurisprudenz der „Lorbeer des Neuen, Originellen oder gar Sensationellen kaum zu gewinnen“ sei, was unter anderem die Bildung von Neuansätzen wie den der ökonomischen Analyse des Rechts befördert habe; vgl. auch Fezer, JZ 1986, 817 ff.

III. Die außerkompensatorischen Nebenzwecke der Haftungsgrundnorm

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tungsrechts kann zwar wertvolle Beiträge zur rechtstatsächlichen Bewertung schadenersatzrechtlicher Zusammenhänge liefern.129 Sie stellt aber kein eigenständiges methodisches Instrument dar. Auch die Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts müssen daher anerkennen, daß die „Rekonstruktion des Privatrechts auf ökonomischer Grundlage nicht vollständig gelingen“ kann, weil sich „eben nicht jede einzelne Gesetzesvorschrift und Gerichtsentscheidung ökonomisch nachvollziehen oder rechtfertigen läßt.“130 Dieses Eingeständnis betrifft dann aber nicht lediglich eine methodische Marginalie, sondern bezeichnet das Kernproblem. Die ökonomische Analyse mag zwar in bestimmten Fällen mit der rechtlichen Analyse im Ergebnis übereinstimmen.131 Wenn die Methode aber nicht allgemeingültig ist, kann sie als Grundsatz nicht überzeugen. Denn eine Hypothese verdichtet sich nur dann zur Theorie, wenn sie sich widerspruchsfrei begründen und auf alle neuen Sachverhalte anwenden läßt, was in bezug auf einen allgemeinen präventiven Zeck des Haftungsrechts eben nicht der Fall wäre.

3. Der verhaltenssteuernde Zweck als Frage der rechtlichen Auslegung der konkreten Anspruchsgrundlage a) Die zivilrechtliche Steuerungsfunktion als Einzelfallfrage Abstrakte Aussagen zur Steuerungsfunktion der zivilrechtlichen Haftung sind also nicht möglich. Der Schadenersatz bezweckt eine Verhaltenssteuerung vielmehr nur dann, wenn dieser Anreiz zur Vermeidung des Schädigungsfalls im rechtlichen Kontext in den Vordergrund tritt und neben der Kompensation eine eigene rechtliche Funktion verkörpert. Die Haftungsfolge muß mithin über die Kompensation hinaus eine abschreckende Zwecksetzung ähnlich einer Buße oder Strafe besitzen. Wann das der Fall ist, hängt von der jeweiligen Anspruchsgrundlage ab und ist nach den Regeln der juristischen Methodenlehre zu bestimmen. Es muß aus der Schadenersatzpflicht selbst folgen, daß es einen von der schadenersatzrechtlichen Rechtsfolge unabhängigen Grund für eine auf Schadensvermeidung gerichtete Verhaltensanforderung gibt.132

129 Vgl. Bydlinski, AcP 188 (1988), 477 (466); dazu noch im einzelnen unter D. IV. 1. d) ff) (II.) (3.). 130 Wagner, AcP 206 (2006), 352 (425). 131 Die Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts meinen, daß dies „in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle“ so sei, Wagner, AcP 206 (2006), 352 (425). 132 Vgl. Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, 2003, S. 54; zu der Notwendigkeit, eine mögliche Steuerungswirkung nach den Regeln der juristischen Methodik zu ermitteln vgl. auch Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 10 ff.

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

Die deutsche und europäische Rechtsprechung hat in verschiedenen rechtlichen Kontexten den Präventionszweck bestimmter Haftungsnormen aufgrund einer Einzelfallanalyse in diesem Sinn ausdrücklich anerkannt. Ein Beispiel ist das Urteil des BAG zum Metallarbeiterstreik in Schleswig-Holstein 1956.133 Darin wurden die Gewerkschaften wegen rechtswidriger Arbeitskampfmaßnahmen zum Schadenersatz verurteilt. Das Gericht hob „das Prinzip der zivilrechtlichen Prävention“ hervor und stellte klar, andernfalls wäre der „Versuchung, sich nicht an die eingegangene Verpflichtung zu halten, Tür und Tor geöffnet, da eine wirkliche und bedeutsame Sanktion fehlen würde“.134 Ausdruck eines Präventionsgedankens im Zivilrecht ist auch die Lizenzmethode bei Verletzung von Immaterialgüterrechten, wonach auch ohne Nachweis eines konkreten Schadens ein Schadenersatzanspruch in Höhe der fiktiven Lizenzgebühr bestehen kann.135 Desgleichen ist die Rechtsprechung zur Schadensberechnung nach der doppelten Lizenzgebühr bei Verletzung der von der GEMA verwalteten sogenannten kleinen Musikaufführungsrechte,136 wonach im Gegensatz zu der im Lauterkeitsrecht anerkannten hypothetischen Lizenzgebühr die doppelte Lizenzgebühr als Schadenersatz zugesprochen werden kann,137 ersichtlich von einem Präventionsgedanken getragen.138 Schließlich hat auch der EuGH in der Draehmpaehl-Entscheidung einen Präventionszweck der arbeitsrechtlichen Schadenersatzregelung des § 611a BGB gefordert, indem er unter dem Aspekt der ungenügenden Umsetzung einer EG-Richtlinie gerügt hat, daß diese Norm 133 BAG, Urteil v. 31.10.1958 – 1 AZR 632/57, NJW 1959, 356, 908; dazu auch Bötticher, AcP 158 (1959/1960), 385. 134 BAG, Urteil v. 31.10.1958 – 1 AZR 632/57, NJW 1959, 356, 908; dazu auch Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 83. 135 In diesem Sinn hinsichtlich einer bebußenden Funktion des Strafrechts Steindorff, AcP 158 (1959/60), 431 (458). 136 Steindorff, AcP 158 (1959/60), 431 (456) 137 BGH, Urteil v. 24.6.1955 – I ZR 178/53, BGHZ 17, 376 (383); BGH, Urteil v. 10.3.1972 – I ZR 160/70, BGHZ 59, 286 (287); BGH, Urteil v. 22.1.1986 – I ZR 194/83, BGHZ 97, 37 (49): „Die Zubilligung des pauschalen Schadenszuschlags für ungenehmigte öffentliche Musikwiedergaben beruht maßgebend auf der Erwägung, daß die Klägerin einen umfangreichen und kostspieligen Überwachungsapparat unterhalten muß, um derartigen Urheberrechtsverletzungen nachzugehen; denn die sogenannten kleinen Musikaufführungsrechte werden in solcher Vielzahl gleichzeitig und oft an den entlegensten Orten in Hotels, Gaststätten, Barbetrieben und dergleichen genutzt, daß eine Aufdeckung von Urheberrechtsverletzungen durch die einzelnen Urheber praktisch nicht möglich ist; nur durch die Einrichtung einer besonderen Überwachungsorganisation und unter entsprechend hohem finanziellem Aufwand kann verhindert werden, daß der Urheberrechtsschutz in diesem Bereich weitgehend leerläuft (BGHZ 59, 286 , 287 ff.). Bei einer solchen Sachlage gebietet es die Billigkeit, mit den umfangreichen Überwachungskosten so weit wie möglich den Rechtsverletzer, nicht aber den einzelnen Urheber oder – durch eine Tariferhöhung – die gesetzestreuen Lizenznehmer zu belasten (BGHZ 59, 286 , 292 f.).“ 138 Dazu im einzelnen Dreier, Kompensation und Prävention, 2002, S. 89 ff., 293 ff.; Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004, S. 546 ff.; Wagner, AcP 206 (2006), 352 (376 ff.); vgl. auch Klumpp, Die Privatstrafe, 2002, S. 70 f.

III. Die außerkompensatorischen Nebenzwecke der Haftungsgrundnorm

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keine „wirklich abschreckende Wirkung“ habe.139 Im gleichen Sinn hat er in bezug auf das europäische Kartellverbot des Art. 101 AEUV (ex Art. 81 EG) postuliert, daß die nationalen Rechtsordnungen für jedermann effektive Schadenersatzansprüche bei Schäden durch Wettbewerbsverstöße vorsehen müßten, um den effet utile der Wettbewerbsregeln zu sichern,140 was den Präventionszweck des Kartelldeliktsrechts betont.

b) Die Gründe für die Implementierung zivilrechtlicher Präventionszwecke Die Gründe dafür, daß einzelnen zivilrechtlichen Haftungstatbeständen jedenfalls in bestimmten Anwendungszusammenhängen die rechtliche Funktion zukommt, verhaltenssteuernd auf die Normadressaten einzuwirken, können verschieden sein. Eine Ursache kann darin liegen, daß durch das Zivilrecht eine das öffentliche Recht flankierende Vollzugsebene geschaffen werden soll. Dies betrifft beispielsweise die Verschärfung des Kartelldeliktsrechts in § 33 GWB mit dem ausdrücklich formulierten gesetzgeberischen Ziel einer Verbesserung des „private enforcement“.141 Der Grund für verhaltenssteuernde Zwecke des Schadenersatzrechts kann aber auch sein, daß der Gesetzgeber in bezug auf bestimmte Rechtsverletzungen schon nicht das scharfe Schwert des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts einsetzen will. Dies gilt namentlich für Teile des grundrechtssensiblen Bereichs der Medien, so daß es in diesem Zusammenhang zu einer verhaltenssteuernden Ausprägung des Zivilrechts gleichsam als Kompensation für fehlende straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Tatbestände kommt. Hierher gehört etwa die Caroline-Rechtsprechung des VI. Zivilsenats

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EuGH, Urteil v. 22.4.1997, Rs.C–180/95, Slg. 1997, I–2195 – Draehmpaehl; dazu Klumpp, Die Privatstrafe, 2002, S. 71 ff.; Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004, S. 344 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 12. 140 EuGH, Urteil v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6314 Tz. 26 – Courage/Crehan. 141 § 33 Abs. 3 GWB verfolgt auch einen Präventionszweck, weil sich im Weg der genetischen Auslegung ergibt, daß der Gesetzgeber durch ihn das „private enforcement“ des Kartellrechts befördern wollte (Zur privaten Durchsetzung des Kartell(delikts)rechts s. auch Basedow, ZWeR 2006, 294 ff. Die Regierungsbegründung spricht von „Abschreckungscharakter“ (Begr. RegE BT-Drucks 15/3640, 54) Außerdem enthält die Norm in § 33 Abs. 4 GWB mit der Einschränkung des „Schadensabwälzungseinwandes“ – der sogenannten passing on defence – ein Regelungselement, das nur gerechtfertigt sein kann, wenn der Norm eine über die Kompensationsfunktion hinausgehende Steuerungsfunktion beigemessen wird (dazu Bornkamm, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 10. Aufl. 2006, § 33 GWB Rn. 107). Der Ausschluß der passing on defense wird auch im US-Kartellrecht mit der Herstellung eines zivilrechtlichen Abschreckungseffekts des kartelldeliktsrechtlichen Anspruchs begründet vgl. Hanover Shoe, Inc. v. United Shoe Machinery, Corp., 392 U.S. (1968) 481 (492 ff.); Illinois Brick Co. v. Illinois, 431 U.S. (1977) 720 (737); Wagner, AcP 206 (2006), 352 (410). Die systematische und rechtsvergleichende Auslegung des § 33 GWB spricht daher für einen Präventionszweck.

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

des BGH zum deliktsrechtlichen Schutz des Persönlichkeitsrechts gegen Eingriffe durch die Presse.142 Einen Präventionszweck hat eine zivilrechtliche Norm also dann, wenn andere Formen – insbesondere öffentlich-rechtliche Eingriffe – in bezug auf eine erforderliche Verhaltenssteuerung weniger effektiv sind.143 Wann eine Haftungsnorm einen Präventionszweck erfüllt und wann nicht, ist also eine Einzelfrage, die von dem normativen Kontext und dem Telos der betreffenden Regelung, an die die Ausgleichspflicht anknüpft, abhängt.

c) Die Differenzierung zwischen General- und Spezialprävention Bevor auf die Frage der Steuerungsfunktion der Organhaftung im einzelnen einzugehen ist, muß sich die Untersuchung aber noch einer Differenzierung zuwenden. Hinsichtlich der Steuerungsfunktion zivilrechtlicher Haftung wird nämlich teilweise zwischen Generalprävention und Spezialprävention unterschieden.144 Vereinzelt vertritt die Literatur die Ansicht, daß eine generalpräventive Wirkung des Zivilrechts per se abgelehnt werden müsse.145 Die Notwendigkeit einer Abgrenzung beider Funktionen ist aber zweifelhaft. Auch im Strafrecht ist anerkannt, daß der Strafzweck neben der Vergeltung sowohl in der General- als auch in der Spezialprävention liegt. General- und Spezialprävention sind zwei komplementäre Elemente der relativen Straftheorien. Sie schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich. Sofern im Strafrecht und auch im Zivilrecht eine verhaltenssteuernde Zwecksetzung gegeben ist, wirkt diese daher immer doppelgleisig, sowohl in generalpräventiver als auch in spezialpräventiver Hinsicht. Eine Ablehnung einer generalpräventiven Funktion des Zivilrechts läßt sich entgegen Hommelhoff 146 auch nicht damit begründen, daß schadenersatzrechtliche Beziehungen auf das konkrete inter partes-Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem beschränkt sind. Denn das Strafrecht wird ebenfalls im inter partes-Verhältnis zwischen dem Staat und dem betreffenden Täter vollzogen. Dennoch wirkt es generalpräventiv. Ebenso verhält es sich mit einer im Einzelfall gegebenen zivilrechtlichen Steuerungsfunktion.147 142 BGH, Urteil v. 15.11.1994 – VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1 (15 f.); dazu Klumpp, Die Privatstrafe, 2002, S. 14. 143 Löwe, Der Gedanke der Prävention im deutschen Schadensersatzrecht, 1999, S. 99; Schmidt, KritV 86, 83 ff.; Heck, Grundriß des Schuldrechts, 1929, § 145, 5 b a, zu punitive pamages. 144 Löwe, Der Gedanke der Prävention im deutschen Schadensersatzrecht, 1999, S. 71; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 94; vgl. auch Klumpp, Die Privatstrafe, 2002, S. 25 ff. 145 Hommelhoff, AcP 192 (1992), 71 (98). 146 Hommelhoff, AcP 192 (1992), 71 (98 in Fn. 172). 147 So im Ergebnis auch Löwe, Der Gedanke der Prävention im deutschen Schadensersatzrecht, 1999, S. 71 ff.

IV. Die Funktionen der Organhaftung im einzelnen

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d) Die Folgerungen Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, daß die Frage nach einer verhaltenssteuernden Zwecksetzung sich nicht verallgemeinernd beantworten läßt. Vielmehr ist die einzelne Haftungsnorm unter Berücksichtigung des jeweiligen Anwendungskontexts daraufhin zu untersuchen. Auf dieser Grundlage sind im folgenden die Tatbestände der Organhaftung zu analysieren. Zunächst sind die Innenhaftungstatbestände in Betracht zu nehmen.

IV. Die Funktionen der Organhaftung im einzelnen 1. Die Innenhaftung a) Der Überblick über die gesetzlichen Innenhaftungstatbestände Organinnenhaftungstatbestände sind für die Körperschaften charakteristisch. Die Innenhaftung der Organe ist für die AG in § 93 AktG für den Vorstand, in §§ 93, 116 AktG für den Aufsichtsrat,148 in der GmbH für die Geschäftsführer nach § 43 GmbHG149 und in der SE in Art. 51 SE-VO, § 39 SEAG, die auf das AktG, i.e. §§ 93, 116 AktG, verweisen, geregelt.150

148 Für die Organhaftung fakultativer Beiräte – insbesondere in der GmbH – gilt das Haftungsrecht des Aufsichtsrats im Weg der Gesamtanalogie, wenn der fakultative Beirat die Aufgaben eines fakultativen Aufsichtsrats ausübt oder die Satzung entsprechendes vorsieht (Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 55). Darüber hinaus können Einzelpflichten aus der Satzung abgeleitet werden (Barzen/ Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, Karlsruhe 2003, S. 59); s. auch Heitmann, VW 1999, 1076. 149 Eine besondere Form des Innenhaftungsanspruchs hat der BGH zur GmbH & Co. KG entwickelt. Dort verhält es sich auf Grund der gesellschaftsrechtlichen Struktur so, daß eine Pflichtverletzung des GmbH-Geschäftsführers sich vielfach als Schädigung der KG darstellt. Der Sache nach würde es sich bei einem Anspruch der KG gegen den Geschäftsführer also um einen Schadenersatzanspruch im Außenverhältnis zwischen Gesellschafter und Geschäftsführer handeln. Der BGH hat insoweit die Anstellung des GmbH-Geschäftsführers bei der GmbH aber als Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten der KG als Dritter entwickelt, so daß sich eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers auch als eine solche zu Lasten der KG darstellt. Daraus resultiert dann ein Direktanspruch der KG gegenüber dem Geschäftsführer, der dogmatisch als Innenhaftungsanspruch zu qualifizieren ist, vgl. BGH, Urteil v. 12.11.1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321 (322); BGH, Urteil v. 17.3.1980 – II ZR 11/79, BGHZ 76, 326 (337f.); BGH, Urteil v. 25.2.2002 – II ZR 236/00, GmbHR 2002, 588 (589); Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 61. 150 Die Gründungshaftung für Leitungs- und Aufsichtsorgane nach § 48 AktG, § 9a GmbHG stellt eine spezifische Innenhaftung der Organmitglieder für Pflichtverletzungen in Zusammenhang mit der Gründung der Gesellschaft dar. Das im folgenden Gesagte gilt für sie sinngemäß.

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

b) Die Grundzüge der dienstvertraglichen Haftung Neben die gesetzliche Organinnenhaftung kann eine dienstvertragliche Haftung treten. Organmitglieder haben grundsätzlich Dienstverträge mit dem Unternehmen abgeschlossen, in denen vielfach spezifische Sorgfaltsstandards definiert werden. Verletzungen dieser Sorgfaltspflichten können zu einer vertraglichen Haftung nach §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB führen.151 Es ist aber zweifelhaft, ob diese dienstvertragliche Haftung neben der gesetzlichen Organinnenhaftung eine eigenständige rechtliche Bedeutung hat. Nach der neueren Rechtsprechung nimmt die Organhaftung die vertragliche Haftung nämlich in sich auf, so daß ein eigenständiger Bereich der dienstvertraglichen Organinnenhaftung nicht anzuerkennen ist.152 Nach einer anderen Ansicht sollen die gesetzliche Organinnenhaftung und die dienstvertragliche Haftung konkurrieren.153 Es kann aber offen bleiben, welche Auffassung überzeugt. Denn auch die Vertreter einer Anspruchskonkurrenz gehen davon aus, daß beispielsweise die Verjährungsregeln der § 93 Abs. 6 AktG bzw. § 43 Abs. 4 GmbH auf die vertragliche Haftung sinngemäß anwendbar sind, so daß beide Ansichten im wesentlichen zu denselben Ergebnissen kommen.154 Ein eigenständiger Anwendungsbereich der dienstvertraglichen Haftung käme ohnehin nur in Betracht, wenn im Dienstvertrag Sorgfaltspflichten geregelt wären, die sich nicht bereits aus dem Gesetz ergäben. Selbst wenn dies der Fall ist, muß die gesetzliche Sorgfaltspflicht nach den Haftungstatbeständen der §§ 93 AktG bzw. 43 GmbHG aber dahingehend interpretiert werden, daß die Einhaltung der vertraglichen Sorgfaltspflichten gesetzlich geschuldet ist, so daß auch insoweit wiederum ein Gleichlauf zwischen gesetzlicher und vertraglicher Haftung zu verzeichnen wäre. Praktische Relevanz erlangt die Differenzierung zwischen der gesetzlichen Organinnenhaftung und der dienstvertraglichen Haftung daher nicht.155 Auf die dienstvertragliche Haftung wird deshalb im folgenden nicht gesondert eingegangen.

151 Dazu Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 31 f.; Klinkhammer, VP 1993, 62 ff. 152 BGH, Urteil v. 9.12.1996 – II ZR 240/95, NJW 1997, 741; BGH, Urteil v. 12.6.1989 – II ZR 334/87, NJW-RR 1989, 1255; Fleck, ZIP 1991, 1270. 153 Hübner, Managerhaftung, S. 37 f.; Schneider, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 43 Rn. 18; vgl. auch BGH, Urteil v. 7.12.1987 – II ZR 206/87, ZIP 1988, 568. 154 So wohl auch Schneider, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 43 Rn. 18. 155 Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 32.

IV. Die Funktionen der Organhaftung im einzelnen

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c) Die Kompensationsfunktion der Innenhaftung Die Normen der Organinnenhaftung haben unzweifelhaft einen Kompensationszweck.156 Sie verpflichten die Organmitglieder zum Ersatz des Schadens, der der Gesellschaft durch ihr Handeln entstanden ist. Die Haftung bezieht sich unmittelbar auf die Vermögensschäden der Gesellschaft, mittelbar kann dieser Anspruch aber auch eine Kompensation im Verhältnis zu den Gesellschaftsgläubigern bewirken. Diese können sich durch Pfändung und Überweisung eines Anspruchs der Gesellschaft gegen das Organmitglied befriedigen oder unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 5 AktG157 den Ersatzanspruch der Gesellschaft aufgrund ihres Verfolgungsrechts auch selbst geltend machen.

d) Die Präventionsfunktion der Innenhaftung aa) Die Bedeutung der eingeschränkten Abdingbarkeit der Organinnenhaftung Im folgenden ist zu untersuchen, ob die Organinnenhaftung auch einen verhaltenssteuernden Zweck besitzt. Der Blick ist hierbei zunächst auf das Aktienrecht zu richten. Für einen Präventionszweck der Organinnenhaftung könnte sprechen, daß diese nur begrenzt eingeschränkt werden kann. In § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ist geregelt, daß die Gesellschaft erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich vergleichen kann, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine 10 %-Minderheit des Grundkapitals zur Niederschrift Widerspruch erhebt. Über Art. 51 SE-VO, § 39 SEAG gilt die Regelung auch für die Organhaftung in der dualistischen und monistischen158 SE mit Sitz in Deutschland.159 Anders als die Haftung nach allgemeinem Zivilrecht kann die Innenhaftung nach § 93 AktG also nicht im vorhinein abbedungen und ohne weiteres nach Anspruchsentstehung ausgeschlossen werden.160 Diese Regelung kann einerseits der Ausgleichsfunktion der Organhaftung dienen, andererseits aber auch möglicherweise einen verhaltenssteuernden 156 Vgl. Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 11; Ebke/Geiger ZVglRWiss 93 (1994), 38 (67); Jaeger/Trölitzsch ZIP 1995, 1157 (1158); Schneider, in: Festschrift für Werner, 1984, S. 795, 807 (814); Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, 1989, S. 10. 157 Dazu Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 14 Rn. 98. 158 Im einzelnen Reichert/Brandes, Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl., 2006, SE-VO Art. 51 Rn. 10, 11 ff. 159 Schwarz, SE-VO, 2006, Art. 51 Rn. 23; ferner Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2006, § 12 Rn. 26; Brandt/Scheifele, DStR 2002, 547 (553); Wagner, NZG 2002, 985 (987); Hirte NZG 2002, 1 (3); Teichmann, ZGR 2002, 383 (398 f.). 160 Hierzu bereits Teil B. II. 1.

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

Zweck der Organhaftung sichern wollen. Was die Ausgleichsfunktion anbelangt, entfaltet § 93 Abs. 4 S. 3 AktG insoweit einen Schutz, als eine verfrühte Disposition über den Anspruch verhindert wird, bevor das gesamte Ausmaß des Schadens erkennbar ist.161 Das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung sowie die Möglichkeit eines qualifizierten Widerspruchs durch eine Gesellschafterminderheit stellen sicher, daß die Ausgleichsfunktion zu Gunsten von Gesellschaft und Gesellschaftern nicht vorschnell im Weg „kollegialer Verschonung“162 ausgeschlossen wird.163 Diese Regelung soll daher zunächst die Werthaltigkeit der Organinnenhaftung gewährleisten.164 Ob § 93 Abs. 4 S. 3 AktG darüber hinaus eine spezifische Schadensprävention bezweckt, ist zweifelhaft. Teile der Literatur vertreten diese Auffassung.165 Insoweit ist einzuräumen, daß die Abschreckungswirkung durch die partielle Einschränkung der Dispositionsbefugnis über den Anspruch graduell erhöht wird, was jedenfalls ein Indiz dafür ist, daß der Norm ein entsprechender Präventionszweck zukommt. Allerdings ist § 93 Abs. 4 S. 3 AktG für eine abschließende Beantwortung der Frage nach der Steuerungsfunktion der Organinnenhaftung wenig aussagekräftig. Die Norm stellt eine aktienrechtliche Spezialregelung dar, die zwar über Art. 51 SE auch für die SE gilt, mangels Parallelvorschriften aber etwa im GmbH-Recht keine Entsprechung hat und daher nicht Ausdruck einer allgemeinen gesetzgeberischen Wertung ist, die über das Aktienrecht hinausginge. § 43 GmbHG erlaubt einen Verzicht der Innenhaftung grundsätzlich und macht nur gem. Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 9b Abs. 1 GmbHG eine partielle Rückausnahme für den Fall der Gläubigerbeeinträchtigung. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG könnte daher allenfalls für die Aktiengesellschaft ein erstes aber keineswegs ausreichendes Indiz für die Annahme einer rechtlich intendierten Steuerungsfunktion der Organinnenhaftung darstellen.

bb) Die Organinnenhaftung als Korrelat zur Leitungsmacht Ertragreicher ist eine differentialdiagnostische Betrachtung von Organinnenhaftung und Leitungsstruktur der Kapitalgesellschaften. Die Organinnenhaftung ist ein Korrelat zu der starken Machtstellung der Unternehmensleitung.166 Sie sichert einen „Gleichklang von Herrschaft und Haftung“, wie er von der 161

Zimmermann, in: Festschrift für Duden, 1977, S. 773 (774); Mertens, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 209 (210); Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 45. 162 Mertens, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 209 (210). 163 Zimmermann, in: Festschrift für Duden, 1977, S. 773 (774). 164 I.d.S. auch Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 45 165 Vgl. Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 172. 166 Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 14.

IV. Die Funktionen der Organhaftung im einzelnen

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ordo-liberalen Lehre als konstituierendes Element der Wettbewerbswirtschaft postuliert wurde.167 Durch die mit der Leitungsmacht korrespondierende Organhaftung wird ein bedachtsamer Einsatz von Ressourcen und eine Bestenauslese am Markt bewirkt.168 Zwar ist ein „Gleichklang“ von Herrschaft und Haftung nicht im Sinn einer Spiegelbildlichkeit oder strengen Parallelität zu verstehen, weil es sich um zwei Begriffe unterschiedlicher Kategorien handelt. Herrschaft und Haftung lassen sich also weder qualitativ noch quantitativ an denselben Maßstäben messen, so daß auch ein Gleichklang i.S. einer Komplementarität durch das Gesetz nicht gewährleistet werden kann.169 Auch wenn es sich mithin nicht um ein Rechtsprinzip im engeren Sinn handelt,170 so kommt darin aber doch – jedenfalls was die Organhaftung anbelangt171 – ein „Gerechtigkeitsprinzip“172 zum Ausdruck, wonach Leitung und Verantwortlichkeit im Grundsatz korrespondieren. Begreift man die Organhaftung unter diesem Gesichtspunkt als eine Kehrseite der Leitungsmacht, kommt ihr über den Gerechtigkeitsgedanken hinaus eine grenzsetzende Funktion zu. Sie soll steuernd einem Mißbrauch der Leitungsmacht entgegenwirken. Es geht ihr mithin um Prävention durch Verhaltenssteuerung.

cc) Die Organinnenhaftung als Bestandteil der Absicherung guter corporate governance Dieser exegetische Befund wird bestätigt, wenn die Organinnenhaftung zu dem unter dem Schlagwort guter corporate governance zusammengefaßten gesellschaftsrechtlichen Anliegen, die Leitungsorgane zu pflichtgemäßem Handeln anzuhalten, in Beziehung gesetzt wird. Es ist nicht tunlich, an dieser Stelle auf alle Facetten der Diskussion um die richtigen Standards einer guten corporate governance einzugehen.173 Ausreichend ist es vielmehr, die zugrundeliegende 167 Böhm, Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung, 1937, S. 126; Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968, S. 102 ff.; Mestmäcker, Verwaltung, Konzern, Gewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 25; Großmann-Doerth, AcP 147 (1941), 1 (13); Immenga, Die Personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 117 ff.; Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens, 1948, S. 116 ff. 168 Runge, Antinomien des Freiheitsbegriffs im Rechtsbild des Ordoliberalismus, 1971, S. 70, Anm. 10. 169 Kritisch auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 1980, S. 545. 170 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 1980, S. 544. 171 Zur persönlichen Erfüllungshaftung kritisch hinsichtlich des Postulats eines Gleichklangs von Herrschaft und Haftung, Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 1980, S. 544 f. 172 Begriff nach Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 1980, S. 546. 173 Vgl. dazu Rittner, in: Festschrift für Geßler, 1971, S. 139 ff.; ders. AG 1973, 113 ff.; ders. Unternehmerfreiheit und Unternehmensrecht, 1998, S. 376 ff.; Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, 1989. Die Literatur zu dem Thema ist mittlerweile unüberschaubar geworden, vgl. nur die Literaturangaben bei Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 13 vor Rn. 27.

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

Problemkonstellation freizulegen: Das Handeln der Leitungsorgane betrifft die Rechte und wirtschaftlichen Interessen einer Vielzahl von Rechtsträgern. Eine Maßnahme der Unternehmensleitung wirkt sich zunächst unmittelbar auf die Rechtsstellung der Gesellschaft aus. Mittelbar können davon aber auch die rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen der Gesellschafter, herrschender oder beherrschter Unternehmen, anderer Gesellschaftsgläubiger und – abhängig von der wirtschaftlichen Bedeutung des Unternehmens – der Wirtschaftsteilnehmer auf den relevanten Märkten betroffen sein. Die Frage der richtigen corporate governance stellt sich institutionenökonomisch mithin als eine Ausprägung des principal-agent-Problems dar,174 weil für Großunternehmen die Trennung von Kapital und Kontrolle kennzeichnend ist, so daß die Interessen der Kapitalgeber und die des Managements auseinanderfallen können.175 Die aktien- und GmbH-rechtlichen Straftatbestände der § 399 AktG und § 82 GmbHG, die spezialgesetzlichen Ordnungswidrigkeitentatbestände i.V.m. §§ 9, 130 OWiG zeigen bereits, daß der Gesetzgeber Pflichtverletzungen der Gesellschaftsorgane eindämmen will. Für diese Aufgabe steht neben den Instrumenten des Verwaltungsrechts und des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts auch das Zivilrecht zur Verfügung, da eine Prävention gemäß dem oben gefundenen Ergebnis weder verfassungsrechtlich noch systematisch dem Bereich des öffentlichen Rechts vorbehalten ist. Der Einsatz aller öffentlich-rechtlichen Mittel unterliegt aber einer gewichtigen Einschränkung. Gesetzliche Vorkehrungen zur Minimierung des Risikos unternehmerischer Fehlentscheidungen kollidieren mit der Notwendigkeit, den Leitungsorganen einen weiten Handlungsspielraum zuzubilligen, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist,176 wie § 93 Abs. 1 S. 2 AktG der Sache nach klarstellt. Die Diskussion darüber, wie die Sorgfaltsanforderungen an die Leitungsorgane in einer business judgment rule am besten zu definieren seien, soll an dieser Stelle nicht nachgezeichnet werden.177 Für den vorliegenden Zusammenhang ist vielmehr der Frage nachzugehen, welche gesetzlichen Verfahren und Institutionen zur 174 Paetzmann, ZVersWiss 2008, 177 (178); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 645; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3. Aufl. 2003, S. 421; Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451. 175 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 645; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3. Aufl. 2003, S. 421; BGH, Urteil v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522 (523) = BGHSt 50, 331 ff. – Mannesmann: „Stellung als Verwalter des für sie fremden Vermögens der Aktiengesellschaft.“ 176 BGH, Urteil v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 245 (253) – ARAG; Goette, in: Festschrift 50 Jahre BGH, S. 123 (124). 177 Allgemein gilt, daß die Organmitglieder Risiken nicht eingehen dürfen, die unverhältnismäßig oder für das Untenehmen unangemessen sind oder den Bestand der Gesellschaft in unvertretbarer Weise gefährden können; vgl. BGH, Urteil v. 4.7.1977 – II ZR 150/75, BGHZ 69, 207, 213 ff.; Mertens, Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 93 Rn. 48; Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 72 f.; Goette, in: Festschrift 50 Jahre BGH, S. 123 (125 ff.); Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, 2001.

IV. Die Funktionen der Organhaftung im einzelnen

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Kontrolle der Leitungsorgane geeignet sind und welche Rolle eine Verhaltenssteuerung durch Organinnenhaftung hierbei spielt.178 Angesichts der Komplexität der Entscheidungen und des vielfach starken Prognosecharakters eignen sich die Mittel des Straf- und Bußgeldrechts nur zur Sanktionierung der schweren und evidenten Pflichtverletzungen. Dies folgt bereits aus dem im öffentlichen Sanktionsrecht geltenden Bestimmtheitsgrundsatz, der gem. Art. 103 Abs. 2 GG nach klaren Verboten verlangt.179 Auch die Überwachung der Leitungsorgane durch die Mittel des Verwaltungsrechts ist nur begrenzt möglich. Zum einen muß hier der öffentlich-rechtliche Bestimmtheitsgrundsatz als Ausprägung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts nach Art. 20 Abs. 3 GG beachtet werden.180 Es können also nur für im voraus genau definierte Bereiche staatliche Kontrollmöglichkeiten bestehen. Zum anderen können öffentlich-rechtliche Überwachungsmechanismen Risiken der Unternehmensleitung und -kontrolle nicht umfassend abdecken, weil unternehmerische Entscheidungssituationen dadurch gekennzeichnet sind, daß sie sich in einem „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“181 auf das im wesentlichen Unplanbare und damit auf ein komplexes Phänomen beziehen. Ferner ist eine vollständige staatliche Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen personell und verwaltungstechnisch ohnehin nicht durchführbar. Es verbleibt daher als wirksamstes rechtliches182 Instrument zur Sicherstellung des pflichtgemäßen Handelns der Leitungsorgane die Implementierung eines zivilrechtlichen Systems der Selbstüberwachung. In diesem gesellschaftsrechtlichen Kontext muß die Organinnenhaftung betrachtet werden, wenn nach ihrem Präventionszweck gefragt wird. Da strafbzw. bußgeldrechtliche sowie verwaltungsrechtliche Kontrollinstrumente die Überwachung der Leitungsorgane nur partiell verwirklichen können, muß rechtssystematisch der zivilrechtlichen Selbstkontrolle ein entsprechend höheres Gewicht zukommen, um dem oben dargestellten Anliegen einer Mini178 Treffend Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3. Aufl. 2003, S. 431: „Jedoch besteht das eigentliche Problem darin, diejenigen Mittel und Instrumente zu finden, die die anvisierten Ziele ohne gegenlaufende Nebenwirkungen erfüllen.“ 179 Vgl. BVerfG, Beschluß v. 17.1.1978 – 1 BvL 13/76, BVerfGE 47, 109 (120); BVerfG, Beschluß v. 15.3.1978 – 2 BvR 927/76, BVerfGE 48, 48 (65); BVerfG, Urteil v. 11.11.1986 – 1 BvR 713/83, 921, 1190/84 und 333, 248, 306, 497/85, BVerfRE 73, 206 (234 ff.); Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. I, 4. Aufl. 2006, § 5 Rn. 67 ff.; Jescheck/Weigend, Strafrecht Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1996, S. 136 f. 180 Vgl. BVerfG, Beschluß v. 12.2.1963 – V BL w 29/62, BVerfGE 21, 79: Die Norm muß „in ihren Voraussetzungen und in ihrem Inhalt so formuliert sein, daß die von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können.“; ferner Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Grundgesetz, 10. Aufl. 2004, Art. 20 Rn. 85. 181 Vgl. von Hayek, Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, 1968, in: Rechtsordnung und Handelnsordnung, 2003 (Hrsg. E. Streit), S. 132 ff. 182 Zu ökonomischen Disziplinierungsfaktoren s. im einzelnen noch unter IV. 1. d) ff) (II.) (3.).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

mierung des Risikos von Pflichtverletzungen der Leitungsorgane Rechnung zu tragen. Innerhalb dieses Systems müssen daher alle zivilrechtlichen Elemente auf eine möglichst effektive Kontrolle der Leitungsorgane hinwirken. Der Organinnenhaftung kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Dies bestätigt die Rechtsprechung des BGH zur Durchsetzung von Ansprüchen gegen Vorstandsmitglieder. Nach der ARAG-Entscheidung darf der Aufsichtsrat die Geltendmachung von Haftungsansprüchen nicht außer Betracht lassen, sondern ist im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit zu einer pflichtgemäßen Prüfung eines möglichen Vorgehens gegen den Vorstand gezwungen.183 Zwar kann der Aufsichtsrat ausnahmsweise von der Geltendmachung absehen, wenn gewichtige Interessen und Belange der Gesellschaft dafür sprechen, den ihr entstandenen Schaden ersatzlos hinzunehmen.184 Dieser sich aus der Rechtsprechung ergebende Vorbehalt schränkt aber nicht die rechtssystematische Aussage ein, daß die Innenhaftung die organisationsrechtlichen Befugnisse der Kontrollorgane gegenüber den Leitungsorganen flankiert und damit Bestandteil der Sicherstellung guter corporate governance ist.185 Nimmt man zusätzlich in den Blick, daß die Innenhaftung gesetzlich unbegrenzt ist und in ihrem wirtschaftlichen Kontext vielfach zu existentiellen Haftungsrisiken186 führen kann, tritt ihre verhaltenssteuernde Wirkung so stark in den Vordergrund, daß ein Präventionszweck als selbständiger Regelungsgehalt neben dem Ausgleichsprinzip evident wird. Die Richtigkeit der Annahme eines selbständigen verhaltenssteuernden Zwecks der Organinnenhaftung wird durch den wirtschaftlichen Zusammenhang bestätigt, in dem die Haftung steht. Hierbei muß gesehen werden, daß ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden der Gesellschaft sich vielfach nicht durch einen Anspruch gegen das persönlich haftende Organmitglied ausgleichen lassen wird.187 Die Privatvermögen selbst hochbezahlter Manager reichen hierfür oft nicht aus. Es spricht für einen rechtlich selbständigen Präventionszweck, daß der Gesetzgeber sich dennoch für eine Organinnenhaftung entschieden hat.

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BGH, Urteil v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 245 (252). BGH, Urteil v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 245 (255). 185 Vgl. Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 15. Zu der damit institutionenökonomisch angesprochenen Problematik der principal-agent-Thematik vgl. Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991, S. 4. 186 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 14 Rn. 94. 187 Raiser/Veil sprechen von „astronomischen Summen“ und geben Schadenersatzanspruchsvolumina von EUR 250 Mio. in bezug auf Lufthansa und von EUR 200 Mio. für Daimler Chrysler an, Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 14 Rn. 94. 184

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dd) Die rechtstatsächliche Verhaltenssteuerung Der damit anzunehmende verhaltenssteuernde Zweck der Organhaftung ließe sich aber möglicherweise wiederum in Frage stellen, wenn eine verhaltenssteuernde Wirkung rechtstatsächlich nicht erkennbar wäre. Eine verhaltenssteuernde Zwecksetzung würde unter dem Gesichtspunkt der teleologischen Auslegung nämlich keinen Sinn ergeben, wenn offenkundig wäre, daß sich eine Verhaltenssteuerung faktisch nicht erreichen ließe.188 Einige Stimmen meinen, daß sich das Verhalten der Organmitglieder kaum von Erwägungen der persönlichen Haftung leiten lasse.189 Sie verweisen auf den empirischen Befund, daß „dramatische Mißbräuche und Unternehmenszusammenbrüche international“ zeigten, wie wenig Haftungsnormen gegen kriminelle Energie bzw. Pflichtverletzungen in kritischen unternehmerischen Situationen auszurichten vermögen.190 Ferner wird vorgebracht, daß selten Fälle von Zivilklagen einer Gesellschaft gegen ihre Organmitglieder bekannt würden.191 Dies gelte nicht nur für Leitungsorgane, sondern auch für Innenhaftungsansprüche gegen Aufsichtsratsmitglieder.192 Es gibt auch empirische Studien, in denen die Ergebnisse der Befragung von Organmitgliedern dafür sprechen, daß eine Steuerungswirkung durch Haftungsnormen gering ist.193 Außerdem wird geltend gemacht, daß ein Organmitglied unabhängig von zivilrechtlichen Haftungsfolgen durch rechtliche und wirtschaftliche Zwänge zum pflichtgemäßen Verhalten gezwungen werde.194 Zunächst bestehe bei Pflichtverletzungen die Möglichkeit einer Abberufung gem. § 84 Abs. 3 AktG als Sanktion.195 Ferner 188 Vgl. zum Zusammenhang von Wirkung und Zweck Dreier, Kompensation und Prävention, 2002, S. 125; Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 266. 189 Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. 2000, § 43 Rn. 1; Hucke, AG 1994, 402; allgemein zweifelnd an der Effektivität einer Verhaltenssteuerung über zivilrechtliche Haftung auch Bunte, in: Festschrift für Giger, 1989, S. 55 (62); von Falkenhausen, Vorverlagerung der Haftung bei Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften und Schutzgesetzen, 1981, S. 65. 190 Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 15. 191 Zu diesem rechtstatsächlichen Befund vgl. Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 16 unter Hinweis darauf, daß sich dies erst in letzter Zeit ändere; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 14 Rn. 90. 192 Zieglmeier, ZGR 2007, 144 (145); ferner Fischer, Der Konzern 2005, 67 ff.; Adams, AG 1994, 148 (155); Bayer, in: Hommelhoff/Lutter/Schmidt/Schön, Corporate Governance, ZHR-Beiheft 71, S. 137; Trescher, DB 1995, 661; Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (295); wenige Urteile befassen sich mit der Aufsichtsratshaftung, vgl. BGH, Urteil v. 21.12.1979 – II ZR 244/78, NJW 1980, 1629; BGH, Urteil v. 13.6.1983 – II ZR 212/81, WM 1983, 957; BGH, Urteil v. 4. 3. 1985 – II ZR 271/83, BGHZ 94, 55; LG Hamburg, Urteil v. 16.12.1980 – 8 O 229/79, ZIP 1981, 194 ff.; LG Bielefeld, Urteil v. 16.11.1999 – 15 O 91/98, WM 1999, 2457; LG Dortmund, Urteil 1.8.2001 – 20 O 143/93, DB 2001, 2591. 193 Siehe hierzu die Ergebnisse der Untersuchung von Hucke, AG 1994, 397 (402). 194 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 63. 195 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 63, Horn, ZIP 1997, 1129 (1139); Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2323).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

drohe dem Organmitglied, daß seine Anstellung nicht verlängert wird.196 Mit einer solchen Abberufung gehe auch ein Ansehensverlust einher, der sich auf die wirtschaftlichen Perspektiven der betreffenden Person nachteilig auswirken könne. Einige wollen der Organhaftung demgemäß eine allenfalls untergeordnete Bedeutung bei der Verhaltenssteuerung beimessen.197 Andere zweifeln sogar grundsätzlich daran, ob die Innenhaftung überhaupt eine Präventionswirkung entfalte.198 In diesem Sinn hat sich auch der BGH skeptisch hinsichtlich der Effektivität einer Verhaltenssteuerung durch persönliche Organhaftung geäußert.199 Auch wenn diese rechtstatsächlichen Einwände gegen die Steuerungswirkung teilweise berechtigt sind und sich eine verhaltenssteuernde Wirkung in der Rechtswirklichkeit mitunter nur schwach abzeichnet, widerlegt der Befund aus den folgenden Gründen nicht den rechtlichen Präventionszweck der Organinnenhaftung: Zunächst fehlt ausreichendes und belastbares Datenmaterial, das erforderlich wäre, um die rechtstatsächliche Bedeutung der Organhaftung für die Unternehmensleitung allgemeingültig und abschließend bestimmen zu können. Der repräsentative Charakter der vorgenannten Studien, die Einwände gegen die verhaltenssteuernde Wirkung der Organhaftung begründen könnten, ist zweifelhaft, weil beispielsweise nur eine geringe Anzahl von Unternehmen befragt wurde. 200 Wenn einige des weiteren vorbringen, daß es kaum Zivilklagen in diesem Bereich gebe, widerlegt dies gleichfalls noch nicht die verhaltenssteuernde Wirkung. Die Gesellschaften haben ebenso wie ihre betroffenen Organmitglieder kein Interesse daran, eventuelle Haftungsfälle coram publico zivilgerichtlich auszutragen. 201 Auch wenn eine D&O-Versicherung vorliegt, werden nach Einschätzungen der Praxis Schadensfälle vermutlich nicht immer gemeldet, weil die Unternehmen befürchten, daß ein solcher Vorgang in der Öffentlichkeit negativ aufgefaßt würde. Trotz der Rechtsprechung des BGH im Fall ARAG, wonach der Aufsichtsrat grundsätzlich durchsetzbare Schadenersatzansprüche gegen den Vorstand zu verfolgen hat,202 werden diese Fälle in 196 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 63, Horn, ZIP 1997, 1129 (1139); Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2323). 197 Henssler, D&O Versicherung in Deutschland, in: RWS-Forum 20, Gesellschaftsrecht 2001, S. 131 (142). 198 Mertens, AG 2000, 447 (452). 199 BGH, Beschluß v. 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 (398). 200 Die Studie von Hucke bezog sich nur auf Unternehmen in der Rechtsform der GmbH mit einer Mindestanzahl von 500 Mitarbeitern. In räumlicher Hinsicht beschränkte sich die Studie auf Unternehmen mit Sitz im Raum Norddeutschland. Es wurden 199 Geschäftsführer in 67 GmbH angeschrieben. Hierbei war allerdings eine Rücklaufquote von nur 18,28 % zu verzeichnen (Hucke, AG 1994, 397 f.) 201 In diesem Sinn auch Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 14 Rn. 90. 202 BGH, Urteil v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 245 (252).

IV. Die Funktionen der Organhaftung im einzelnen

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der Praxis vielfach nur relevant, wenn ein Unternehmen insolvent ist oder es zu Streitigkeiten mit dem betreffenden Organmitglied nach seinem Ausscheiden aus dem Amt kommt. 203 Abgesehen von diesen seltenen Fällen ist es nicht fernliegend, daß Regreßansprüche der Gesellschaft gegenüber den Organmitgliedern allenfalls Gegenstand von Vergleichsverträgen sind, sei es unmittelbar durch Zahlung von Schadenersatz, sei es mittelbar zum Beispiel durch Verzicht auf Abfindungsansprüche, oder Gegenstand von nicht öffentlichen Schiedsverfahren. 204 Der überwiegenden Ansicht ist daher darin zuzustimmen, daß die Orgninnenhaftung präventiv wirkt.205 Es läßt sich daher nicht sagen, daß ein verhaltenssteuernder Zweck auf ein unmögliches Ziel gerichtet wäre und ihm deshalb die rechtliche Anerkennung zu versagen wäre. Diese Annahme wird auch nicht dadurch widerlegt, daß eine Pflichtverletzung neben einer persönlichen Haftung andere negative Konsequenzen für das Organ wie den Verlust der Anstellung nach sich ziehen kann. Diese möglichen Folgen von Pflichtverletzungen stehen nebeneinander und heben sich nicht gegenseitig auf. Es kann dahinstehen, ob die Haftungsfolge tatsächlich und immer die „gravierendste und unmittelbare Sanktion ist“ und folglich bei der Verhaltenssteuerung „eine wichtige, wenn nicht sogar dominierende Rolle spielt“206 oder ob andere Konsequenzen in concreto schwerwiegender sind. An der im Grundsatz bestehenden verhaltenssteuernden Wirkung der Organinnenhaftung und der sich aus systematischen Erwägungen ergebenden, darauf gerichteten gesetzlichen Zwecksetzung207 ändert sich dadurch nichts. Ein starkes Indiz für die wirksame Verhaltenssteuerung der Organhaftung ist vielmehr der Umstand, daß die Verbreitung von D&O-Versicherungen zunimmt. 208 Es gibt für diesen rechtstatsächlichen Befund keine andere Erklärung, als daß die Organmitglieder und ihre Anstellungskörperschaften die Organhaftung als ein wirtschaftliches Risiko betrachten, das zu begrenzen ist.

203

Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 14 Rn. 90. In diesem Sinn auch Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 17. 205 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 1; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 11; Ebke/Geiger ZVglRWiss 93 (1994), 38, (67); Jaeger/Trölitzsch ZIP 1995, 1157, (1158); Schneider, in: Festschrift für Werner, 1984, S. 795, (807); Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, 1989, S. 10; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 14 Rn. 94; Goette, in: Festschrift 50 Jahre BGH, S. 123 (124). 206 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 63. 207 Dazu oben unter D. IV. 1. d) aa) – dd). 208 Zu diesem Befund auch Kiethe, WM 2007, 722 (723); Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 16; Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, 1997, S. 396 ff. 204

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

ee) Die Abgrenzung von Haftungsfurcht und gezielter Verhaltenssteuerung Es ist einem weiteren denkbaren Einwand gegen die Annahme eines Präventionszwecks nachzugehen: Ein Präventionszweck ergäbe nur Sinn, wenn das abstrakte Risiko der Organhaftung bei dem Organmitglied zu einer Verhaltensbeeinflussung führen würde, die den Eintritt von Haftungsfällen weniger wahrscheinlich macht und hierdurch die corporate governance verbessert. Daß das Risiko der Organinnenhaftung sich (irgendwie) auf das Verhalten der Organmitglieder auswirkt, heißt aber noch nicht, daß es zu einer solchen effektiven Haftungsreduzierung kommt. Ein solches Ergebnis träte nur ein, wenn Haftungsfälle in der konkreten unternehmerischen Entscheidungssituation auch antezipiert werden könnten. Bestünde hingegen nicht die Möglichkeit, daß das Organmitglied in der relevanten Situation vorhersehen kann, welches Verhalten wahrscheinlich zu einem Haftungsfall führen wird und welches nicht, wäre es zwar gezwungen, im Angesicht einer drohenden Haftungsfolge zu handeln. Diese Situation würde das Organmitglied aber nicht zu einem bestimmten pflichtgemäßen Verhalten anhalten. Die Organinnenhaftung würde also zur Haftungsangst bei dem Betreffenden führen, aber nicht zu einer Verbesserung der corporate governance. 209 Zweifel an einer effektiven Verhaltenssteuerung in diesem Sinn werden genährt, wenn man die Komplexität unternehmerischer Entscheidungssituationen berücksichtigt und insbesondere den vielfach herrschenden Zeitdruck in Betracht zieht, dem Organmitglieder ausgesetzt sind und der eine abschließende Rechts- und Tatsachenprüfung oft unmöglich macht.210 Ferner ist zu berücksichtigen, daß trotz dieser schwierigen Bedingungen der Organtätigkeit die Grundsätze der arbeitsrechtlichen Haftungsmilderung bei Organen von Kapitalgesellschaften 211 nicht einschlägig sind. 212 Die scharfen Folgen des Organhaftungsrechts könnten daher sogar eine „Hasardeurmentalität“ fördern, die das Organmitglied gegen jeden Vorsichtsappell abstumpfen läßt und damit das Gegenteil von guter corporate governance bewirkt. 209 Vgl. zur eingeschränkten Steuerbarkeit menschlichen Verhaltens bei stark risikobehafteten Tätigkeiten Dreier, Kompensation und Prävention, 2002, S. 128; ferner Klumpp, Die Privatstrafe, 2002, S. 58 f., 75. 210 Vgl. zu diesen Zwängen bei der Entscheidungsfindung von Organmitgliedern Mertens, Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 93 Rn. 99. 211 Anders beim eingetragenen Verein, BGH, Urteil v. 13.12.2004 – II ZR 17/03, NJW 2005, 981; BGH, Urteil v. 5.12.1983 – II ZR 252/82, BGHZ 89, 153. 212 Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 339 ff.; Mertens, Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 93 Rn. 4; Fleck, in: Festschrift für Hilger/Stumpf, 1983, S. 196, 215 ff.; ders. WM 1981, Sonderbeil. Nr. 3, S. 3, 8; Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 80 m.w.N.; einschränkend zugunsten von Entscheidungen unter besonderem Zeitdruck Kust, WM 1980, 758 (762).

IV. Die Funktionen der Organhaftung im einzelnen

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Diese theoretischen Einwände können die verhaltenssteuernde Zwecksetzung der Organhaftung im Ergebnis aber nicht in Frage stellen. Selbst wenn die Möglichkeit des Organmitglieds, potentielle Haftungsrisiken für die Gesellschaft zu erkennen und zu vermeiden, im Einzelfall nur eingeschränkt gegeben ist, so diszipliniert die Haftung dennoch zu einem allgemein risikoaversen Verhalten. Je deutlicher Risiken konkret erkennbar sind, desto eher setzt die Haftung darüber hinaus einen Anreiz zu bestimmten risikominimierenden Verhaltensweisen. Der Grad der Verhaltensteuerung hängt also von der konkreten Entscheidungssituation ab. Die Wirkung ist bei hohen wirtschaftlichen Risiken größer als bei geringen; in unübersichtlichen Entscheidungssituationen geht sie in Richtung eines allgemeinen Vorsichtsappells, in klareren Konstellationen kann die Präventionswirkung eine stärker konkret verhaltensleitende Funktion erfüllen. Der Effekt ist aber gleich und fördert die Einhaltung rechtlich geforderter Sorgfaltsstandards der Organmitglieder. Die Erreichung des sich aus dem Normzusammenhang ergebenden verhaltenssteuernden Zwecks der Organinnenhaftung ist also gewährleistet.

ff) Die Relation von Kompensationsfunktion und Steuerungsfunktion (I.) Die Bestimmung des abstrakten Rangverhältnisses Die bisherige Prüfung hat gezeigt, daß die Organhaftung auf dem Ausgleichsprinzip beruht und ein Steuerungszweck daneben tritt. Damit stellt sich die Frage nach dem Verhältnis beider Normzwecke zueinander. 213 Entweder stehen beide gleichberechtigt nebeneinander oder es ergibt sich ein Rangverhältnis. 214 Die Bestimmung des Rangverhältnisses ist notwendig, um zu ermitteln, wie sich die Funktionen zueinander verhalten215 und welcher Stellenwert dem Präventionszweck im Verhältnis zu anderen Prinzipien des Privatrechts – insbesondere der Vertragsfreiheit sowie der Freistellung und der D&O-Versicherung als ihren Ausflüssen – zukommt. 216 Eine Grundaussage zum Rangverhältnis läßt sich zwischen Kompensationsund Präventionszweckunter Rekurs auf die Ergebnisse der Untersuchung zu den Funktionen des Schadenersatzrechts im allgemeinen treffen.217 Dort hatte sich gezeigt, daß originäre Aufgabe des Schadenersatzrechts die Kompensation 213 Dreier spricht von einer „Zweckstaffelung“, Dreier, Kompensation und Prävention, 2002, S. 147; vgl. auch Stoll, Haftungsfolgen im bürgerlichen Recht, S. 151, 184: „selbständige“ und „unselbständige“ Funktionen des Schadenersatzes. 214 So auch Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 98. 215 Vgl. Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, 2003, S. 39. 216 Siehe zur „Rangfrage“ Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006. 217 Oben II.

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

ist. Das Gesetz kann sich zur Verfolgung eines verhaltenssteuernden Zwecks die Haftungsfolge als Abschreckung zwar dienstbar machen. Aus dieser Aufgabenbestimmung folgt aber zugleich, daß ein verhaltenssteuernder Haftungszweck immer nur insoweit verwirklicht werden kann, wie die Erreichung des Kompensationszwecks eine abschreckende Wirkung mit sich bringt. 218 Daher ist das Verhältnis von Ausgleichs- und Präventionsfunktion zueinander hinsichtlich der Organhaftung spezifisch zu bestimmen.

(II.) Die Bestimmung des konkreten Rangverhältnisses unter Berücksichtigung ergänzender Steuerungsmechanismen (1.) Die Notwendigkeit einer Gewichtung des Steuerungszwecks im Gesamtgefüge der verhaltenssteuernden Elemente der Organverfassung Der Nachweis eines abstrakten Rangverhältnisses zwischen Kompensationsund Präventionszweck ist für sich noch nicht ausreichend, um eine abschließende rechtliche Einordnung beider Funktionen innerhalb des Systems der Organhaftung vornehmen zu können. Um die Relation des Präventionszwecks zum Kompensationszweck genauer zu bestimmen, ist vielmehr zu untersuchen, welche anderen Faktoren neben der Schadenersatzverpflichtung auf die Organe verhaltenssteuernd einwirken. Denn je stärker eine Verhaltenssteuerung der Organmitglieder bereits durch rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen außerhalb des Gesellschaftsrechts erfolgt, um so geringer ist der Beitrag, den die Regeln über die Organinnenhaftung zu der Erreichung des Ziels einer guten corporate governance beitragen. Je schwächer aber die Bedeutung der Organinnenhaftung im Rahmen der Haftungsprävention ist, desto weniger Gewicht kommt dem Präventionszweck auch im Verhältnis zur Kompensationsfunktion der Organinnenhaftung zu.

(2.) Die internen Steuerungsmechanismen durch Gesellschafterweisungen in der GmbH Bevor in diesem Zusammenhang allgemein wirkende Steuerungselemente näher untersucht werden, 219 soll vorab auf eine besondere Steuerungsfunktion im GmbH-Recht eingegangen werden, nämlich die Möglichkeit, den Geschäftsführern Gesellschafterweisungen zu erteilen. Wenn die Gesellschafter Weisungen an die Geschäftsführer richten können, könnte dies dafür sprechen, daß es ihnen a maiore ad minus nicht verwehrt ist, diese von der Haftung zu befreien. Denn sie würden dadurch nur einen Handlungsspielraum einräumen, poten218 So allgemein Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 109. 219 Dazu sogleich unter D. IV. 1. d) ff) (II.) (3).

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tiell schädigende Handlungen vorzunehmen, zu denen sie die Geschäftsführer auch direkt ermächtigen könnten. 220 Wenn dieser Größenschluß zulässig wäre, dann könnte der verhaltenssteuernden Zwecksetzung der Organinnenhaftung möglicherweise jedenfalls im GmbH-Recht eine nur ganz untergeordnete Bedeutung zukommen. Denn es läge dann in erster Linie im Bereich der Gesellschafterweisungen, die Handlungen der Geschäftsführer zu steuern. Eine solche Betrachtung wäre aber problematisch. Die Möglichkeit, Gesellschafterweisungen zu erteilen, und die Verhaltenssteuerung durch die Organinnenhaftung sind nämlich zwei voneinander zu trennende Funktionselemente des GmbH-Rechts. Eine Gesellschafterweisung kann nicht mit einer Haftungsfreistellung gleichgesetzt werden. 221 Zum einen muß in Betracht gezogen werden, daß durch eine Gesellschafterweisung der an die Geschäftsführer gestellte Sorgfaltsmaßstab nicht entfällt, sondern mittelbar durch die Gesellschafterweisung gleichsam konkretisiert wird. Haas meint zu Recht, daß der Sorgfaltsmaßstab sich in diesem Fall in dem „sozialen Rollenverhalten“, d.h. in der „interessenausgleichenden Mehrheitsbildung“ unter den Gesellschaftern fortsetzt. 222 Die der Anweisung zugrundeliegende Beschlußfassung ist nämlich in mehrerer Hinsicht inhaltlich begrenzt, so durch das Stimmverbot aus § 47 Abs. 4 GmbHG bei massiven Interessenkonflikten und die gesellschaftsrechtliche Treupflicht. Bei einer Weisung an die Geschäftsführer entfällt daher nicht die Steuerung des Unternehmensverhaltens im Interesse u.a. eines Gläubigerschutzes. Zum anderen weist Haas zutreffend darauf hin, daß auch bei einer haftungsbefreienden Gesellschafterweisung der Geschäftsführer in bezug auf die Umsetzung des Beschlusses nicht von seinen Sorgfaltspflichten entbunden wird. Eine Enthaftungsvereinbarung hat hingegen den Effekt, daß sowohl die u.a. gläubigerschützende Steuerungsfunktion des Haftungsrechts eingeschränkt werden kann, ohne daß es zu einer Kompensation durch „interessenausgleichende Mehrheitsbildung“ kommt, als auch der Sorgfaltsmaßstab hinsichtlich der Umsetzung einzelner Maßnahmen faktisch beseitigt würde.223 Durch die in der GmbH gegebene Möglichkeit, den Geschäftsführern Weisungen zu erteilen, wird die rechtlich intendierte verhaltenssteuernde Zwecksetzung der Organhaftung daher nicht berührt.

220 221 222 223

Schneider, in: Festschrift für Werner, 1984, S. 795 (811 f.). Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, 1997, S. 297 f. Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, 1997, S. 297. Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, 1997, S. 298.

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

(3.) Die allgemein wirkenden Steuerungsmechanismen (a) Die anreizbasierten Entlohnungsschemata Um die Bedeutung der Präventionsfunktion der Organinnenhaftung richtig gewichten zu können, sind daher im folgenden externe Steuerungsmechanismen zu betrachten, die ebenfalls zu einer Verbesserung der corporate governance beitragen. Hier ist zunächst die Möglichkeit einer Verhaltenssteuerung des Managements durch Gestaltung eines anreizbasierten Entlohnungsschemas zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich um einen Anwendungsfall des principal-agent-Modells. Für ein solches Entlohnungsschema ist der Optimalwert des Gewinnanteils zu ermitteln, der dem Management als Agenten angeboten werden muß, um den bestmöglichen Verhaltensanreiz zu setzen. 224 Durch eine Vergütungsstruktur, die an den Erfolg der einzelnen Organmitglieder und leitenden Angestellten anknüpft, kann Sorgfaltspflichtverletzungen entgegengesteuert werden. Denn eine Verletzung von Sorgfaltspflichten birgt allgemein die Gefahr einer Minderung des unternehmerischen Erfolgs und damit von Einkommenseinbußen. Allerdings hängt die verhaltenssteuernde Wirkung eines Entlohnungsschemas von seiner Ausgestaltung im Einzelfall ab. Eine zu starke Anbindung an kurzfristige Erfolge kann auch zu einer Vernachlässigung von Sorgfaltsbemühungen führen. Deshalb mindert die Möglichkeit einer Verbesserung der corporate governance durch eine entsprechende Strukturierung der Vergütung nicht per se die Bedeutung der Prävention durch die Organinnenhaftung.

(b) Die Arbeitsmarktdisziplinierung Ein zusätzliches, eigenständiges Kontrollelement, das neben die Prävention durch Haftung tritt, stellt die sog. Arbeitsmarktdisziplinierung dar, auf die insbesondere die neoklassische Ökonomie im Rahmen des principal-agentProblems abhebt. 225 Die Manager haben ein Interesse daran, den Wert ihres eigenen Humanvermögens am Markt für Manager durch eine möglichst gute Wahrnehmung ihrer Leitungsaufgaben zu halten bzw. zu steigern. 226 Dieses Bestreben veranlaßt sie auch zu erhöhter Sorgfalt, um Pflichtverletzungen 224

Dazu Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3. Aufl. 2003, S. 230 ff. Vgl. Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 45 ff. 226 Dazu Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3. Aufl. 2003, S. 425, 434; Fama meinte daher, daß sich die Lebensfähigkeit der großen Kapitalgesellschaften mit gestreutem Aktienbesitz besser anhand eines Modells erklären lasse, in dem die Disziplinierung von Managern in erster Linie über Managermärkte, sowohl innerhalb wie außerhalb des Unternehmens, erfolgt. Fama, Journal of Political Economy, 1980, 288 (295); ferner Jensen/ Ruback, Journal of Financial Economics, 11 (1983), 5 (6, 42): „the takeover market is an arena in which alternative management teams compete for the rights to manage corporate resources“. 225

IV. Die Funktionen der Organhaftung im einzelnen

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bzw. Haftungsfälle zu vermeiden, welche ihren Wert auf dem Markt für Führungskräfte mindern würden. Die Wirkungsweise dieses verhaltenssteuernden Effekts beruht allerdings auf der Annahme, daß die Anstrengungen des Managements als Agent stets eindeutige und quantifizierbare Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg haben. 227 Als Modellannahme besteht dieser Zusammenhang zwischen Managementverhalten und Unternehmenserfolg, sofern man von einer vollständigen Information ausgeht, es mithin keine exogenen Faktoren gibt, die sich auf den Unternehmenserfolg oder Haftungsfälle auswirken.228 Jedoch liegen diese Voraussetzungen in der Realität nicht vor. Das Modell ist aber auch auf eine Situation mit unsicheren Ergebnissen anwendbar, wenn nur eine genügend große Anzahl von Wiederholungsperioden in Ansatz gebracht wird. 229 Empirisch dürfte ein Zusammenhang zwischen der Leistungsfähigkeit des Managements und dem Unternehmenserfolg bzw. der Vermeidung von Organhaftungsfällen denn auch nicht in Frage stehen, weil sich in der Regel die Leistungsfähigkeit des Managements neben exogenen Faktoren bzw. trotz dieser auf den Unternehmenserfolg auswirkt, so daß die Theorie der Arbeitsmarktdisziplinierung stichhaltig ist. Im Rahmen der Arbeitsmarktdisziplinierung muß auch berücksichtigt werden, daß ein an die Öffentlichkeit gedrungener Haftungsfall üblicherweise mit einem sozialen und berufsbezogenen Ansehensverlust verbunden ist. 230 Diese Wirkung hat auch eine Verweigerung der Entlastung nach § 120 AktG. Der mit einer Verweigerung wegen eines Haftungsfalls verbundene Ansehensverlust kann eine erhebliche psychologische Wirkung auf das betreffende Organmitglied entfalten, insbesondere weil darüber vielfach in der Wirtschaftspresse berichtet wird. 231

(c) Die Produktmarktdisziplinierung Nach Holmstrom, Tirole232 und Hart 233 kann eine Verhaltenssteuerung auch durch eine Produktmarktdisziplinierung erfolgen. Dem liegt die Annahme zugrunde, daß der Wettbewerb über den Markt das Management zu sorgfältigem und pflichtgemäßem Handeln anhält und sich der Produktwettbewerb gleichsam auf der Ebene des Managements spiegelt. Diese Theorie ergibt Sinn, wenn man berücksichtigt, daß der Unternehmenserfolg sich neben der Bewertung 227

Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3. Aufl. 2003, S. 224. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3. Aufl. 2003, S. 230. 229 Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3. Aufl. 2003, S. 425. 230 Paetzmann, ZVersWiss 2008, 177 (188); Vetter, AG 2000, 453 (455). 231 Vetter, AG 2000, 453 (455). 232 Homstrom/Tirole, The Theory of the Firm, in: Schmalensee/Willig (1989), Vol. 1, S. 95 ff. 233 Bell Journal of Economics, 14 (1983), 366 ff. 228

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

des Unternehmens auf dem Kapitalmarkt auch über die operativen Erfolge auf den Produktmärkten bestimmt. Die Produktmarktdisziplinierung wirkt sich in erhöhter Sorgfalt im operativen Bereich aus, da diesbezügliche Pflichtverletzungen den Produkterfolg gefährden können.

(d) Die Kapitalmarktdisziplinierung Ein weiteres Element der externen Verhaltenssteuerung ist die Kapitalmarktdisziplinierung.234 Diese läßt sich wiederum in zwei Bereiche untergliedern. Zum einen erfolgt eine Disziplinierung des Managements über die Mischung von Eigen- und Fremdkapital, wobei diese Kapitalformen nicht lediglich als Finanzierungsinstrumente betrachtet werden, sondern auch als Überwachungsund Durchsetzungsstrukturen, wie Williamson herausstellte. 235 Dieser hat gezeigt, daß über die Finanzierung einzelner Projekte durch Fremdkapital eine objektbezogene Beaufsichtigung durch den Kapitalgeber stattfindet, welche die gesellschaftseigene Kontrolle, die insbesondere für die Eigenkapitalfinanzierung von Relevanz ist, ergänzt. 236 Zum anderen stellen eine Ableitung der Kapitalmarktdisziplinierung Übernahmedrohungen dar, die durch eine ineffiziente Unternehmensleitung hervorgerufen werden. Manne hat zur Lösung des Problems von Eigentum und Kontrolle daher darauf abgestellt, daß ein ineffizientes Management den Marktpreis der Eigentumsanteile an dem Unternehmen senkt, was wiederum die Wahrscheinlichkeit von Übernahmen erhöht. 237 Die Firmenübernahme führt dann vielfach zur Entlassung des Managements.238 Beide Aspekte der Kapitalmarktdisziplinierung wirken Pflichtverletzungen im Management entgegen.

(e) Die Folgerungen Diese institutionenökonomischen Befunde zeigen, daß es eine Reihe externer Anreizstrukturen gibt, die verhaltenssteuernd auf die Leitungsorgane einwirken. Es würde mithin eine stark verengte Sehweise bedeuten, in bezug auf die Sicherstellung einer guten corporate governance nur auf die Beaufsichtigung durch Kontrollorgane und die persönliche Organhaftung abzustellen. Der Beitrag, den die Verhaltenssteuerung durch das Organhaftungsrecht dazu leistet, würde überbewertet. In der Gesamtschau mit den externen Anreizstrukturen kann dem Präventionszweck der Organhaftung, der in seinem rechtlichen Rang bereits hinter dem Ausgleichszweck zurückbleibt, somit eine nur unter234 Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3. Aufl. 2003, S. 434; Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 47. 235 Williamson, Journal of Finance 43 (1988), 567 (579 ff.). 236 Williamson, Journal of Finance 43 (1988), 567 (581). 237 Manne, The Journal of Political Economy, Vol. 73, No. 2. (Apr., 1965), 110 (112). 238 Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3. Aufl. 2003, S. 434.

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geordnete Bedeutung im System der Kontrolle der Unternehmensleitung zukommen.

e) Die Vergeltungs-, Buß- bzw. Genugtuungsfunktion bei der Organhaftung aa) Die strafrechtlichen Vorüberlegungen Abschließend stellt sich die Frage, ob der Organhaftung neben dem Ausgleichsund dem Präventionszweck noch vergeltende Funktionen zuzuschreiben sind. Es ist bereits in Zweifel zu ziehen, ob zivilrechtliche Haftungsnormen überhaupt einem Vergeltungszweck dienen können. Das Vergeltungsprinzip ist originär im Strafrecht verortet. Daher ist es zunächst angezeigt, in bezug auf das Strafrecht zu klären, welche Bedeutung dem Vergeltungsaspekt dort zukommt, bevor dieser Frage in zivilrechtlicher Hinsicht nachgegangen wird. Im Strafrecht steht der Vergeltungsgedanke im Mittelpunkt der sogenannten absoluten Straftheorien, die die Straffunktion in der Sühne für begangenes Unrecht sehen. 239 Es ist umstritten, ob und inwieweit dem Vergeltungsgedanken im Sinn der absoluten Straftheorien neben dem Präventionszweck eine Rolle im strafrechtlichen Sanktionensystem zukommen kann. Die Vertreter der relativen Straftheorien meinen, daß die Funktion von Strafe in der Spezial-240 und Generalprävention 241 gesehen werden müsse. 242 Die Rechtsprechung hat hingegen klargestellt, daß die Strafe neben der Prävention eine sühnende Funktion hat, mithin auch auf dem Vergeltungsgedanken beruht.243 Nach der herrschenden Ansicht der Strafrechtswissenschaft und der Rechtsprechung des BVerfG gilt daher eine sogenannte Vereinigungstheorie, wonach präventive Zwecke mit dem Vergeltungsgedanken gemeinsam als Grundlage einer Strafsanktion die-

239 E. A. Wolff, ZStW 97 (1985), 786 (818 ff.); Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, 2004, S. 88 ff.; Pawlik, in: Festschrift für Rudolphi, 2004, S. 213 ff.; Zaczyk, in: Festschrift für Eser, 2005, S. 207 ff. 240 Für den spezialpräventiven Strafzweck maßgeblich Franz von Liszt. 241 Für den generalpräventiven Strafzweck maßgeblich Paul Johann Anselm von Feuerbach. 242 Schünemann, in: Festschrift für Lüderssen, 2002, S. 327 ff.; Hilgendorf, Einleitung zu Schmidhäuser, Vom Sinn der Strafe, Nachdruck der 2. Auflage von 1971, 2004, S. XV; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. I, 4. Aufl., 2006, § 3 Rn. 8; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht Allgemeiner Teil 1, 5. Aufl. 2004, § 1 Rn. 4 ff.; Ansätze einer relativen Straftheorie waren bereits in der Constitutio Criminalis Bambergensis von 1507 und der Constitutio Criminalis Carolina von 1532 enthalten. 243 BVerfG, Beschluß v. 26.5.1970 – 1 BvR 668/68, 1 BvR 710/68, 1 BvR 337/69, BVerGE 28, 264 (278); BVerfG, Urteil v. 21.6.1977 – 1 BvL 14/76, BVerfGE 45, 187 (254); BVerfG, Beschluß v. 28.6.1983 – 2 BvR 539/80 u. 612/80, 2 BvR 539/80, 2 BvR 612/80, BVerfGE 64, 261 (271); BVerfG, Beschluß v. 24.10.1996 – 2 BvR 1851/94, 2 BvR 1853/94, 2 BvR 1857/94, 2 BvR 1852/94, BVerfGE 95, 96 (140).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

nen. 244 Im Strafrecht ist der Vergeltungsgedanke somit nach der modernen Sehweise ein Nebenzweck, nicht aber die alleinige Rechtfertigung der Sanktion.

bb) Das Zivilrecht (I.) Das allgemeine Zivilrecht Es ist fraglich, ob ein vergeltender Nebenzweck auch für zivilrechtliche Haftungstatbestände, namentlich die Organinnenhaftung, gelten kann. Zunächst ist zur Vermeidung von Mißverständnissen zu beachten, daß einige Vertreter der Literatur, wenn sie von „repressiver Buße“ und ähnlichem sprechen, vielfach Aspekte der relativen Straftheorie meinen, d.h. sich im Ergebnis auf einen Präventionszweck berufen, 245 eine Vergeltung durch zivilrechtliche Haftung aber nicht fordern. Fragt man aber nach einer Vergeltungsfunktion im eigentlichen Sinn, muß diese jedenfalls im Grundsatz als zivilrechtliches Prinzip ausscheiden. Der Vergeltungsgedanke der absoluten Straftheorien knüpft nämlich an die persönliche Schuld durch einen vorwerfbaren Rechtsbruch an. Er setzt daher einen sozial-ethischen Unwertgehalt der Tat voraus. Hieran fehlt es in den meisten Fällen rein zivilrechtlicher Haftung. Die Rechtsprechung hat daher ausdrücklich klargestellt, daß der Gedanke der Sühne ein „für das zivilrechtliche Haftungs- und Schadenersatzrecht allgemein nicht tragfähiger Gedanke“ sei.246 Dementsprechend hat der BGH beispielsweise die Anerkennung eines US-amerikanischen Urteils, das sich auf einen Strafschadenersatz bezog (punitive damages), abgelehnt. 247 Ebenso ist die überwiegende Literatur hinsichtlich der Anerkennung vergeltender Zwecke des Zivilrechts zurückhaltend. Sie will eine sühnende Funktion im Privatrecht grundsätzlich nicht anerkennen. 248 Bydlinski spricht sich zu Recht dafür aus, die Differenzierung von Strafe und Schadenersatz als rechtskulturelles Gut beizubehalten.249 In dieses Zwischenergebnis fügt sich ein, daß die Rechtsprechung äußerst zurückhaltend damit ist, zivilrechtlichen Haftungstatbeständen in Sonderkonstellationen einen strafenden Charakter zuzuschreiben. So hat bereits das 244 BVerfG, Urteil v. 21.6.1977 – 1 BvL 14/76, BVerfGE 45, 187 (253); Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1996, § 8 V; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. I, 4. Aufl. 2006, § 3 Rn. 33; dazu in zivilrechtlicher Hinsicht Klumpp, Die Privatstrafe, 2002, S. 29. 245 So beispielsweise Steindorff, AcP 158 (1959/60), 431 ff.; dies hebt zutreffend hervor Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 96 f. 246 BGH, Urteil v. 13.10.1992 – VI ZR 201/91 , BGHZ 120, 1 (7). 247 BGH, Urteil v. 4.6.1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 (334 ff.); dazu Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004, S. 525 ff. 248 Honsell, VersR 1974, 205; Nehlesen-von Stryk, JZ 1987, 119 (126); Egon Lorenz, Immaterieller Schaden und „billige Entschädigung in Geld“, 1981, S. 95 ff., 273 f.; Canaris, in: Festschrift für Deutsch, 1999, S. 85 (103); Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004, S. 464 ff. 249 Bydlinski, AcP 204 (2004), 309 (344 f.).

IV. Die Funktionen der Organhaftung im einzelnen

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RG zur aktienrechtlichen Handelndenhaftung in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung250 anerkannt, daß sie keine Straffunktion erfüllt. 251 Zutreffend meint Larenz: „Der Gedanke der Sanktion im Sinne einer Reaktion der Rechtsordnung auf das Unrecht als solches gehört dem Strafrecht an; dem Zivilrecht ist er fremd.“252 Auch läßt sich das Vorliegen eines zivilrechtlichen Verschuldens nicht mit einer Schuld im strafrechtlichen Sinn oder der Vorwerfbarkeit des Ordnungswidrigkeitenrechts gleichsetzen.253 Vergeltende Nebenzwecke könnten eine zivilrechtliche Haftung nur im Ausnahmefall erfüllen, so bei Ansprüchen nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Straftatbestand. Sofern hierbei eine Idealkonkurrenz zwischen zivilrechtlichem Haftungstatbestand und Straftat gegeben ist, besteht für eine Implementierung des Vergeltungsgedankens im Zivilrecht aber ohnehin kein rechtspraktisches Bedürfnis. Selbst hinsichtlich § 826 BGB ist ein vergeltender Zweck nach zutreffender Ansicht abzulehnen.254 Auch wenn in § 826 BGB ein moralisches Unwerturteil enthalten ist, dient dieses nur der Begründung einer unbeschränkten Ausgleichspflicht und nicht der Vergeltung. 255 Denn die Norm hat lediglich die der römischen actio doli vergleichbare Funktion, Haftungslücken im deliktischen System zu schließen. 256 Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung haben daher betont, daß dem deutschen Haftungsrecht ein strafender Charakter insgesamt fremd ist. 257 Zwar kann ein zivilrechtlicher Haftungstatbestand dem Anspruchsberechtigten eine persönliche Genugtuung verschaffen, 258 so daß die Rechtsprechung beispielsweise in bezug auf das Schmerzensgeld des § 847 BGB a.F. anerkannt hat, daß in dieser Norm neben der Kompensation der „Charakter der Buße“ bzw. „der „Genugtuung“ mitschwinge. 259 Auch das BVerfG hat hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld entschieden, diese führe „zu einer Genugtuung für eine in der Vergangenheit liegende Ehrverletzung“.260 Nach 250 RG, Urteil v. 21.9.1900 – Rep. VII 109/00, RGZ 47, 1 (2 f.); RG, Urteil v. 22.9.1903 – Rep. II 50/03, RGZ 55, 302 (304). 251 RG Urteil v. 29.10.1983 – II 178/37, RGZ 159, 33 (43); durch den BGH bestätigt, vgl. BGH, Urteil v. 26.1.1967 – II ZR 122/64, BGHZ 47, 25 (29). 252 Larenz, Schuldrecht, Bd. I, 14. Aufl. 1987, § 27 I, S. 423. 253 Klumpp, Die Privatstrafe, 2002, S. 158 f. 254 Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004, S. 414. 255 Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004, S. 414. 256 Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004, S. 414. 257 LG Mannheim, Urteil v. 11.7.2003 – 7 O 326/02, GRUR 2004, 182 (184) – Vitaminkartell. 258 Generell ablehnend indes Klumpp, Die Privatstrafe, 2002, S. 161. 259 BGH, GSZ, Beschluß v. 6.7.1955 – GSZ 1/55, BGHZ 18, 149 (155); Möller, Das Präventionsprinzip des Schadensrechts, 2006, S. 34; dazu auch Dreier, Kompensation und Prävention, 2002, S. 94 ff., 145; Klumpp, Die Privatstrafe, 2002, S. 73 ff.; zur Rechtshistorie des Schmerzensgelds Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004, S. 83 ff., 452 ff. 260 BVerfG, Beschluß v. 13.5.1980 – 1 BvR 103/77, BVerfGE 54, 129; dazu Stoll, Haftungsfolgen im bürgerlichen Recht, 1991, S. 211.

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

dem Vorgesagten kann es sich dabei aber nur um eine Sonderkonstellation handeln, die nicht verallgemeinerungsfähig ist. Denn das Vorliegen eines bebußenden oder genugtuenden Nebenzwecks hängt vom Telos und systematischen Zusammenhang der Haftungsgrundnorm ab. Wenn die Rechtsprechung die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgelds auf dessen im Strafrecht wurzelnden rechtshistorischen Hintergrund stützt, 261 zeigt sich auch daran, daß es sich hierbei nicht um eine im Schadenersatzrecht allgemein gegebene Zusatzfunktion handelt. Dies bestätigt § 253 BGB, der den Ersatz immaterieller Schäden nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen anordnet. Die Ebene der reinen Vermögenskompensation der §§ 249 ff. BGB wird zugunsten eines Genugtuungszwecks also lediglich in einem eng begrenzten Bereich durchbrochen.

(II.) Die Rechtslage bei der Organinnenhaftung Somit steht bereits für das allgemeine Haftungsrecht fest, daß eine Vergeltungsoder Bußfunktion nicht und eine Genugtuungsfunktion nur in besonderen Fällen angenommen werden kann. Im Rahmen der Organinnenhaftung ist für beides kein Raum. Denn ein sozialethischer Unwertgehalt ist mit Pflichtverletzungen der Leitungsorgane jenseits der Normen des Wirtschaftsstraf- und -bußgeldrechts nicht verbunden. Es geht also nicht um eine Sanktionierung rechtswidrigen Verhaltens, sondern um Kompensation und Abschreckung vor wirtschaftlich schädigenden Handlungen.

2. Die Außenhaftung von Organmitgliedern a) Die Notwendigkeit einer separaten Untersuchung des Präventionszwecks der Außenhaftung Eine Haftungsfreistellung und eine D&O-Versicherung decken grundsätzlich auch die Außenhaftung von Organen ab, so daß sich – analog zu der hinsichtlich der Organinnenhaftung durchgeführten Prüfung – die Frage stellt, inwieweit dadurch in außerkompensatorische Nebenzwecke der Außenhaftung, 262 insbesondere einen Präventionszweck, eingegriffen wird.263 In zivilrechtlicher Hinsicht kommen verschiedene Außenhaftungsanspruchsgrundlagen in Frage. 264 Daneben ist eine Haftung aus öffentlichem Recht möglich. 261

BGH, GSZ, Beschluß v. 6.7.1955 – GSZ 1/55, BGHZ 18, 149 (155). Wegen der Vielgestaltigkeit des Außenhaftungsrechts kann nur im Wege der Fallgruppen- und Schwerpunktbildung vorgegangen werden. 263 Auf die Folgen eines Eingriffs wird noch unter D. V. vertieft einzugehen sein. 264 Siehe aus dem umfangreichen Schrifttum insbes. zur AG Altmeppen, ZIP 1995, 881; Brüggemeier, AcP 191 (1991), 33; Fleischer, AG 2003, 291; Hirte, JZ 1992, 257; Keßler, GmbHR 262

IV. Die Funktionen der Organhaftung im einzelnen

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b) Die zivilrechtliche Außenhaftung aa) Die einzelnen Anspruchsgrundlagen und die Anspruchsberechtigten Organmitglieder haften nach § 823 Abs. 1 BGB, wenn sie eine unerlaubte Handlung begehen und dadurch einen Dritten in geschützten Rechten schädigen. 265 Ansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB kommen etwa bei der Verletzung von Verkehrs- und Organisationspflichten in Betracht, wenn beispielsweise bewußt gefährliche Produkte vertrieben werden 266 oder das Organmitglied fremdes Eigentum in seinem Betrieb verletzt. 267 Praktisch noch bedeutsamer sind Schadenersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz. Wichtige Schutzgesetze sind etwa die strafrechtlichen Tatbestände des Betrugs nach § 263 StGB und der Untreue nach § 266 StGB oder die Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge an die Sozialversicherungsträger nach § 266a StGB i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. 268,269 Ferner ist eine persönliche Haftung nach § 826 BGB denkbar, beispielsweise wenn das Organmitglied einem Dritten bei 1994, 429; Klaka, in: Festschrift für Döllerer, 1988, S. 269; Medicus, ZGR 1998, 570; insbes. zur GmbH Grünwald, Die deliktische Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers für Organisationsdefizite, 1999; Haas, Geschäftsführerhaftung und Gläubigerschutz, 1997; Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997; Nölle, Die Eigenhaftung des GmbH-Geschäftsführers für Organisationspflichtverletzungen, 1995; Sandberger, Die Außenhaftung des GmbHGeschäftsführers, 1997; Sandmann, Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, 2001; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001; Stapelfeld, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Fehlverhalten in der Gesellschaftskrise, 1990. 265 Beispiele: Erwirbt der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person für diese den Besitz an Sachen und ist er beim Besitzerwerb nicht in gutem Glauben, so haftet er, wenn der unredliche Besitzerwerb zum Verlust des Eigentums führt, dem früheren Eigentümer aus § 823 Abs. 1 BGB auf Schadenersatz, BGH, Urteil v. 31.3.1971 – VIII ZR 256/69, BGHZ 56, 73; Verletzung eines Grundpfandrechts durch Entfernung von Gegenständen von einem Grundstück, BGH, Urteil v. 6.11.1990 – VI ZR 99/90, ZIP 1990, 17; Veräußerung einer nicht im Eigentum der Gesellschaft stehenden Sache, BGH, Urteil v. 12.3.1996 – VI ZR 90/95, ZIP 1996, 786. 266 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 32 Rn. 102 unter Verweis auf den Ledersprayfall, mit der Klarstellung, daß er allerdings das Strafrecht betraf, BGH, Urteil v. 6.7.1990, 2 StR 549/89, NJW 1990, 2560; dazu auch Dreher, ZGR 1992, 22 (23 ff.). 267 BGH, Urteil v. 5.12.1989 – VI ZR 335/88, BGHZ 109, 297; krit. Groß, ZGR 1998, 551 (564); Dreher, ZGR 1992, 22 (23 ff.); Medicus, ZGR 1998, 570 (584); Lutter, GmbHR 1997, 329 (335). 268 BGH, Urteil v. 29.2.1972 – VI ZR 199/70, BGHZ 58, 199; BGH, Urteil v. 21.1.1997 – VI ZR 338/95, BGHZ 134, 304 (307); BGH, Urteil v. 7.11.1994 – II ZR 108/93, ZIP 1995, 213; BGH, Urteil v. 18.11.1997 – VI ZR 11/97, ZIP 1998, 31; BGH, Urteil v. 13.1.1998 – VI ZR 58/97, ZIP 1998, 398; dazu auch Dreher, ZGR 1992, 22 (29 f.). 269 Den Regeln der Organinnenhaftung nach § 93 AktG, § 43 GmbHG kommt nach zutreffender Ansicht keine Schutzwirkung zugunsten Dritter zu, siehe BGH, Urteil v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366 (375); Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 14 Rn. 101; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 93 Rn. 20; a.A. in Bezug auf Schäden der Gesellschafter einer GmbH Sonnenschein, Organschaft und Konzerngesellschaftsrecht, 1976, S. 159 ff.

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

Vertragsverhandlungen die schlechte wirtschaftliche Lage des Unternehmens verschweigt und das Verlustrisiko auf die Gesellschaftsgläubiger verlagert. 270 Schließlich können Organmitglieder einer Haftung aus speziellem Deliktsrecht unterliegen. So soll nach einer teilweise vertretenen Ansicht die Möglichkeit bestehen, das einzelne Organmitglied unter bestimmten Voraussetzungen persönlich aus dem kartelldeliktsrechtlichen Schadenersatzanspruch des § 33 GWB in Anspruch zu nehmen, wenn es sein Unternehmen zu wettbewerbswidrigem Verhalten veranlaßt hat.271 Geschädigte können auch die Gesellschafter sein. 272 Als Anspruchsgrundlage kommt dann § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz zugunsten der Aktionäre in Betracht. Schutzgesetze in diesem Sinn können beispielsweise die §§ 399273 und 400 AktG274 sein oder § 266 StGB. 275 Eine weitere mögliche Anspruchsgrundlage in diesem Verhältnis ist § 826 BGB, namentlich bei fehlerhaften ad hoc-Meldungen. 276 Vielfach deckt sich allerdings der Schaden des Gesellschafters mit dem der Gesellschaft, wenn sich der Wert der Beteiligung durch eine Schädigung der Gesellschaft mindert. 277 Nach der zustimmungswürdigen Rechtsprechung ist ein solcher Doppelschaden über das Gesellschaftsvermögen auszugleichen. Der Gesellschafter kann also nur Leistung an die Gesellschaft verlangen.278 Dies ergibt sich auch aus der Systematik der Regeln über die Ersatzpflicht in den §§ 117 Abs. 1 S. 2, 317 Abs. 1 S. 2 AktG. Ein eigener Anspruch des Gesellschafters kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn der Gesellschafter den Schaden der Gesellschaft bereits ausgeglichen hat 279 oder er einen eigenen gesondert entstandenen (unmittelbaren) Schaden geltend machen kann. 280 Strittig ist schließlich, ob ein Schadenersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 270

BGH, Urteil v. 16.3.1992 – II ZR 152/91, ZIP 1992, 694; OLG Celle, Urteil v. 19.11.1993 – 4 U 46/91, GmbHR 1994, 467; zur unzureichenden Risikoaufklärung bei der Vermittlung von Optionsgeschäften, BGH, Urteil v. 11.7.1988 – II ZR 355/87, BGHZ 105, 108. 271 Dreher, WuW 2009, 133 ff.; zweifelnd Kling/Thomas, Kartellrecht, 2007, § 21 Rn. 52. 272 Dazu Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 93 Rn. 19. 273 BGH, Urteil v. 11.7.1988 – II ZR 243/87, BGHZ 105, 121 (124 f.). 274 RG, Urteil v. 5.3.1938 – II 104/37, RGZ 157, 213 (216). 275 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 93 Rn. 19; Keul, DB 2007, 728 ff. 276 BGH, Beschluß v. 28.11.2005 – II ZR 80/04, DB 2007, 798. 277 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 93 Rn. 19. 278 BGH, Urteil v. 22.10.1984 – II ZR 2/84, NJW 1985, 1900 – zur KG; BGH, Urteil v. 10.11.1986 – II ZR 243/87, NJW 1987, 1077 (1079 f.); BGH, Urteil v. 29.6.1987 – II ZR 173/86, NJW 1988, 413 (415); BGH, Urteil v. 5.6.1975 – II ZR 23/74, BGHZ 65, 15 = NJW 1976, 191 m. Anm. Ulmer – ITT; OLG Hamm, Urteil v. 4.6.2002 – 27 U 212/01, NJW-RR 2002, 1259 (1260); Hirte, NJW 2003, 1090 (1096); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 64. 279 OLG Düsseldorf, Urteil v. 28.11.1996 – 6 U 11/95, AG 1997, 231 (236 f.); vgl. auch Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 93 Rn. 19. 280 BGH, Urteil v. 10.11.1986 – II ZR 140/85, NJW 1987, 1077 (1079 f.); vgl. auch BGH, Urteil v. 8.2.1977 – VI ZR 249/74, NJW 1977, 1283; BGH, Urteil v. 30.4.2001 – II ZR 322/99, NJW-RR 2001, 1177.

IV. Die Funktionen der Organhaftung im einzelnen

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BGB möglich ist, wenn das Organmitglied in die Mitgliedschaft als absolutes Recht eingreift. 281 Zwar ist die Mitgliedschaft als absolutes Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB anzusehen. 282 Als Eingriffe kämen eine Verkürzung der Teilhabeund Vermögensfunktion der Mitgliedschaft durch Änderung des Unternehmensgegenstands oder Verletzung der Gleichbehandlungspflicht in Betracht. 283 Auch insoweit müssen aber nach den Grundsätzen des Doppelschadens diese Fallkonstellationen „haftungskonzentriert“284 auf die Gesellschaft hin gelöst werden, so daß ein Direktanspruch der Gesellschafter ausscheidet. 285 Ein Sondertatbestand, der eine Direkthaftung gegenüber den Gesellschaftern anordnet, ist ferner § 31 Abs. 6 S. 1 GmbHG hinsichtlich der Erstattung verbotener Rückzahlungen. Als ein weiterer Außenhaftungstatbestand kommt beispielsweise die Prospekthaftung nach § 44 BörsG in Betracht. 286 Eine Organaußenhaftung stellt auch die Handelndenhaftung für die Vor-Gesellschaften nach § 41 Abs. 1 S. 2 AktG bzw. § 11 Abs. 2 GmbHG dar. Sie spielt für den Bereich der D&O-Versicherung und der Freistellung von Organmitgliedern aber keine wichtige Rolle.

bb) Die verhaltenssteuernde Zwecksetzung Klärungsbedürftig ist, inwieweit Außenhaftungstatbestände der vorgenannten Art neben ihrer Ausgleichsfunktion einen Präventionszweck aufweisen. Es geht hierbei insbesondere um den praktisch wichtigen Bereich des allgemeinen und speziellen Deliktsrechts. Weithin anerkannt ist, daß das Deliktsrecht ein präventives Element enthält. 287 Allerdings gehen die Ansichten über seine dog281

Hierzu Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 65. Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und sonstiges Recht, S. 171 ff.; Mertens, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1997, § 43 Rn. 105; Mertens, in: Festschrift für Fischer, S. 461 (468 ff.). 283 Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und sonstiges Recht, 1996, S. 171 ff.; Mertens, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1997, § 43 Rn. 105; Mertens, in: Festschrift für Fischer, 1979, 1979, S. 461 (468 ff.). 284 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 65. 285 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 20106, § 43 Rn. 65; Helms, Schadenersatzansprüche wegen Beeinträchtigung der Vereinsmitgliedschaft, 1998; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 43 Rn. 28; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 473; Kowalski, Der Ersatz von Gesellschafts- und Gesellschafterschäden, 1990, S. 196 f.; Hübner, Managerhaftung, 1992, S. 20; Hadding, in: Festschrift für Kellermann, 1991, S. 98 ff.; Schmolke, Organwalterhaftung für Eigenschäden von Kapitalgesellschaftern, 2003, S. 92; abweichend Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 2002, § 43 Rn. 44 in Bezug auf Schäden, die ausschließlich bei den Gesellschaftern selbst entstehen. 286 Dazu Schilling, Managerhaftung und Versicherungsschutz, 2002, S. 8; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 2006, Rn. 471 ff. 287 Vgl. nur Hager, in: Staudinger BGB, 13. Bearb. 1999, Vorbem. zu §§ 823 ff. Rn. 10; Spickhoff, in: Soergel BGB, 13. Aufl. 2005, Vor § 823 Rn. 31 ff. 282

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

matische Einordnung auseinander. Es herrscht hier eine ähnliche Gemengelage wie bei der Frage nach einem Präventionszweck der zivilrechtlichen Haftung im allgemeinen.288 Das Kernproblem der Diskussion ist auch in diesem Zusammenhang, daß nicht durchgehend zwischen einer tatsächlich verhaltenssteuernden Wirkung und einem rechtlich intendierten verhaltenssteuernden Zweck differenziert wird. Daher wird teilweise von einem „erwünschten Nebenprodukt“ gesprochen. 289 Andere meinen, daß die präventive Wirkung des Deliktsrechts nicht „ganz ohne Bedeutung“ sei und es auch „dafür zu sorgen hat“, daß vor bestimmten Rechtsverletzungen „abgeschreckt wird“, 290 was im Sinn eines rechtlich intendierten Zwecks verstanden werden kann. Teilweise wird die Präventionsfunktion auch nicht als Nebenprodukt angesehen, sondern ganz in den Vordergrund gerückt.291 Es ist unbestreitbar, daß auch deliktsrechtliche Haftungsfolgen für potentielle Schädiger Verhaltensanreize zur Beachtung von Sorgfaltspflichten und damit zur Vermeidung von Haftungsfällen darstellen. Man mag sich die Frage stellen, wie stark derartige Verhaltensanreize im Einzelfall wirken und wie sie am besten nachgewiesen werden können. Das alles muß an dieser Stelle nicht geklärt werden. Betrachtet man die deliktsrechtlichen Außenhaftungstatbestände juristisch-methodisch, lassen sich die Probleme bei der Analyse einer möglichen Steuerungsfunktion abschichten: Was den Anspruch wegen Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB anbelangt, folgt ein verhaltenssteuernder Zweck bereits aus der systematischen Verknüpfung mit dem Schutzgesetz. Der erste Entwurf des BGB hatte noch vorgesehen, den Schadenersatz „allgemein als die mögliche Folge einer jeden unerlaubten Handlung hinzustellen“ und nicht „an einzelne bestimmte, möglicherweise nicht erschöpfend gestaltete Delikte zu knüpfen“. 292 Erst im zweiten Entwurf des BGB wurde die Schadenersatzpflicht in § 746 dahingehend konkretisiert, daß nur die Verletzung des Rechts eines anderen und der Verstoß gegen ein Schutzgesetz tatbestandsmäßig seien. 293 Hätte der Gesetzgeber mit dem Deliktsrecht allein das Ausgleichsprinzip verwirklichen wollen, wäre die Beschränkung auf bestimmte Rechtsverletzungen einschließlich der Anknüpfung an Schutzgesetze nur schwer zu erklären. Diese genetische und systematische Erwägung verdeutlicht, daß neben dem Ausgleichsprinzip andere Zwecke verfolgt werden sollen. Die Anknüpfung an ein Schutzgesetz in § 823 Abs. 2 BGB zeigt ferner, daß auch die Prävention Regelungsziel ist. Im ersten Entwurf 288

Vgl. dazu oben unter D. III. Larenz, Schuldrecht, Bd. I, Allgemeiner Teil, 14. Aufl. 1987, S. 423; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 11. 290 Hager, in: Staudinger BGB, 13. Bearb. 1999, Vorbem. zu §§ 823 ff. Rn. 10. 291 Kötz, in: Festschrift für Steindorff, 1990, S. 643 ff.; Wagner, VersR 1999, 1441 ff. 292 Motive II. 725. 293 Hager, in: Staudinger BGB, 13. Bearb. 1999, Vorbem. zu §§ 823 ff. Rn. 4 f. 289

IV. Die Funktionen der Organhaftung im einzelnen

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des BGB war die Widerrechtlichkeit der Handlung noch dahingehend definiert, daß vor allem Verstöße gegen Verbotsgesetze erfaßt seien. 294 Demgegenüber verwirklicht das mit dem zweiten Entwurf entwickelte Schutzgesetzerfordernis des heutigen § 823 Abs. 2 BGB den Gedanken, daß eine Schadenersatzpflicht daran anknüpfen soll, ob das verletzte Verbotsgesetz gerade auf den Schutz des Geschädigten abzielt. Durch die dynamische Verweisung auf die Schutzgesetze werden diese integrale Bestandteile der Anspruchsgrundlage des § 823 Abs. 2 BGB und damit auch die durch sie verfolgten Schutzzwecke. 295 Ein Präventionszweck der deliktsrechtlichen Außenhaftung muß aber auch bejaht werden, soweit es um die Verletzung absoluter Rechte im Sinn des § 823 Abs. 1 BGB geht. Hierfür ist der Gedanke der Rechtsfortsetzung tragend. Der Schadenersatzanspruch wegen Verletzung absoluter Rechte ist funktional eine Fortsetzung der darauf bezogenen Abwehransprüche, insbesondere § 1004 BGB, und damit Bestandteil des Schutzkonzepts zur Abwehr von Eingriffen in diese Rechtspositionen.296 Der Aspekt der Rechtsfortsetzung wird teilweise mit dem Ausgleichsprinzip in Verbindung gebracht, 297 er ist aber insbesondere zur Begründung des Präventionszwecks von Belang. Da der diesbezügliche Schadenersatzanspruch ein Derivat des Abwehranspruchs ist, erschöpft sich seine Funktion nicht in einem Schadensausgleich, sondern verkörpert eine zivilrechtliche Sanktion für die Verletzung der durch das Zivilrecht geschützten absoluten Rechtspositionen. Die deliktischen Anspruchsgrundlagen fungieren also gleichsam als „Bestimmungsnormen“ und sind als Fortsetzung der zivilrechtlichen Abwehransprüche eine Ausprägung des zivilrechtlichen Rechtsgüterschutzes. 298 Das folgt aus dem Umstand, daß § 823 Abs. 1 BGB nicht jede Vermögensbeschädigung erfaßt, sondern an den Verletzungserfolg in bezug auf bestimmte Rechtsgüter anknüpft und dadurch zum Ausdruck bringt, daß die Norm sich nicht auf eine Kompensation beschränken will, sondern einen spezifischen Schutzauftrag wahrnimmt. 299 Ebenso kommt § 826 BGB als Außenhaftungstatbestand ein rechtlich selbständiger Präventionszweck zu. Das Erfordernis einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung ist zwar nicht Ausdruck einer vergeltenden Zwecksetzung der Vorschrift.300 Die Anspruchsgrundlage enthält damit aber einen rechtlichen Tadel der schädigenden Handlung. Die Schadenersatzrechtsfolge muß daher in 294

Motive II. 725 f. Ähnlich Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, 2003, S. 59. 296 Vgl. Larenz, Schuldrecht, Bd. I, Allgemeiner Teil, 14. Aufl. 1987, S. 425; Hager, in: Staudinger BGB, 13. Bearb. 1999, Vorbem. zu §§ 823 ff. Rn. 9. 297 Hager, in: Staudinger BGB, 13. Bearb. 1999, Vorbem. zu §§ 823 ff. Rn. 9. 298 Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, 1967, S. 109. 299 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, 13. Aufl. 1994, S. 375 f.; siehe ferner Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, Rn. 1396; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 126. 300 Siehe unter IV. 1. e) bb) (I.). 295

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

diesem Zusammenhang als verhaltenssteuernder Mechanismus zur Verhinderung solcher Schädigungen verstanden werden. Dieser Gedanke beruht letztlich auf der von Neuner begründeten Theorie der Rechtsverfolgungsfunktion des Schadenersatzrechts.301,302 Danach treten die Schadenersatzansprüche an die Stelle der rechtsverfolgenden Abwehransprüche, so daß Schadenersatzansprüche Haftungsgrundlagen sind, die „unmittelbar aus einem Recht erwachsen und es selbst unmittelbar schützen“.303 Der Schadenersatzanspruch dient also „zur Sanktion eines Rechts oder rechtlich geschützten Interesses, er tritt an Stelle oder neben den rechtsverfolgenden Anspruch.“304

cc) Die mögliche Vergeltungsfunktion der deliktischen Außenhaftung Ob den Anspruchsgrundlagen aus § 823 BGB und § 826 BGB eine vergeltende Funktion zukommt oder der Genugtuungsgedanke eine Rolle spielt, ist zweifelhaft. Wie oben dargelegt, ist selbst hinsichtlich § 826 BGB eine Vergeltungsfunktion fernliegend.305 Das muß a fortiori auch für die übrigen Tatbestände gelten.

c) Die Außenhaftung nach Öffentlichem Recht Abschließend bleiben die öffentlich-rechtlichen Außenhaftungstatbestände auf ihre Regelungszwecke hin zu untersuchen. Was Strafen und Bußgelder nach dem StGB beziehungsweise dem OWiG oder den spezialgesetzlichen Bußgeldtatbeständen anbelangt, bedarf es keiner näheren Darlegung, daß diese Rechtsfolgen general- und spezialpräventive Zwecke verfolgen sowie eine Vergeltungsfunktion besitzen. In verwaltungsrechtlicher Hinsicht ist insbesondere an die steuerrechtlichen Vorschriften zu denken. Nach §§ 34 Abs. 1, 69 AO müssen die Leitungsorgane die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft sicherstellen.306 Eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung führt zur Direkthaftung für die nicht entrichteten Beträge. 307 § 69 AO hat Schadenersatzcharakter.308 Sein Ziel ist es, Steuerausfälle auszugleichen, die die Vertreter durch schuld301

Neuner, AcP 133 (1931), 277; dazu Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003,

S. 12. 302

Die Rechtsverfolgungstheorie läßt verschiedene Deutungen zu. Man kann sie auch als ein von dem Gedanken der Naturalrestitution geprägtes Erklärungsmodell im Rahmen des Schadensbegriffs verstehen, freilich ohne daß es insoweit einen gewichtigen Erkenntnisgewinn liefern würde; vgl. Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 12. 303 Neuner, AcP 133 (1931), 277 (291). 304 Neuner, AcP 133 (1931), 277 (291). 305 D. IV. 1. e) bb) (I.). 306 Dazu Dreher, ZGR 1992, 22 (29). 307 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 14 Rn. 102. 308 BFH, Urteil v. 26.7.1988 – VII R 83/87, ZIP 1989, 519.

V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung

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hafte Verletzung ihrer Pflichten verursacht haben.309 Ein verhaltenssteuernder Zweck tritt daneben aber ebenfalls deutlich hervor, weil der Anspruch die Vertreter bereits zu pflichtgemäßem Handeln anhält. Der normative Kontext dieser steuerrechtlichen Vorschrift insbesondere durch die Anknüpfung an Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ergibt, daß die abstrakte Zahlungspflicht bereits dem Schadeneintritt entgegensteuern soll.

V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung und der D&O-Versicherung in die Präventionsfunktion der Organhaftung 1. Das Problem Nachdem feststeht, daß die Organinnen- und die relevanten Organaußenhaftungstatbestände einen rechtlich fundierten verhaltenssteuernden Nebenzweck aufweisen, stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen gelten, wenn Sicherungsinstrumente wie Freistellungsvereinbarungen oder D&O-Versicherungen diesen teilweise oder vollständig aufheben. Die rechtliche Problematik liegt darin, daß Freistellungsvereinbarungen und D&O-Versicherungen zwar in die verhaltenssteuernde Wirkung der Organhaftung eingreifen können, weil sie die Haftungsfolge abschwächen oder beseitigen. Es existieren aber keine übergreifenden gesetzlichen Verbote,310 die einer solchen Absicherung der Organmitglieder gegen die Haftungsfolgen unmittelbar entgegenstünden. Daraus ließe sich nun einerseits folgern, daß die mögliche Einschränkung der Verhaltenssteuerung rechtlich zu akzeptieren ist. Die Organhaftungstatbestände würden also nur ein Grundmodell konstituieren, das in den Einzelheiten durch Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung privatautonom modifiziert werden darf. Andererseits könnte dem verhaltenssteuernden Nebenzweck der Organhaftung auch die Qualität einer im Kern unbeschränkbaren rechtlichen Institution zukommen, die eine Einschränkung durch Sicherungsinstrumente nicht oder jedenfalls nur bis zu einem gewissen Grad zuläßt.

309

Rüsken, in: Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl. 2006, § 69 Rn. 1. Außer spezifischen Verboten wie § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, der bereits in Teil B. behandelt wurde. 310

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

2. Der Verstoß gegen die ratio legis des Organhaftungsrechts Die Untersuchung von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung in den Teilen B. und C. hat bereits ergeben, daß Sicherungsinstrumente, durch die die Gesellschaft nicht auf ihre Organhaftungsansprüche verzichtet, sondern durch die eine Haftung von dritter Seite, auch durch ein Versicherungsunternehmen, gedeckt wird, nicht gegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG verstoßen. Denn diese Norm verbietet zwar einen vorweggenommenen Verzicht oder Vergleich hinsichtlich des Organhaftungsanspruchs. Da durch Freistellung und D&O-Versicherung der Anspruch der Gesellschaft aber nicht in Fortfall gebracht wird, steht § 93 Abs. 4 S. 3 AktG diesen Instrumenten nicht unmittelbar entgegen. Einige halten die D&O-Versicherung dennoch für aktienrechtlich unwirksam, sofern kein angemessener Selbstbehalt vereinbart werde. Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung kollidiere mit dem Normzweck des § 93 AktG sub specie des Schadensausgleichs und der Verhaltenssteuerung, da sie zu einer „Rückverlagerung der Haftung“ führe. Sie sei daher mit den Normzielen des § 93 Abs. 2 AktG „unvereinbar“311. Ohne einen angemessenen Selbstbehalt, der dem Organmitglied einen Teil der Organhaftung belasse, trage die D&O-Versicherung „den Belangen der Aktiengesellschaft“ nicht ausreichend Rechnung und sei mit der ratio legis des § 93 Abs. 2 AktG daher nicht „in Einklang zu bringen“ und „wegen Verstoßes gegen die Norm unzulässig“.312 Diese Ansicht ist durch die Einführung des § 91 Abs. 2 S. 3 AktG auch nicht obsolet geworden. Vielmehr sieht das Gesetz einen Selbstbehalt nunmehr lediglich für Vorstandsmitglieder in der Aktiengesellschaft vor. Aufsichtsratsmitglieder werden von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG nicht erfaßt, so daß für sie nach wie vor zu klären ist, ob ein Verbot selbstbehaltsloser D&O-Versicherungen unmittelbar aus der Steuerungsfunktion des Organhaftungsrechts folgt. Wäre das der Fall, müßte es mutatis mutandis außerdem für selbstbehaltslose Freistellungsvereinbarungen nicht versicherungsvertragsrechtlicher Art gelten. Es ist jedoch zweifelhaft, ob der Steuerungszweck des § 93 Abs. 2 AktG es allgemein – d.h. außerhalb des Spezialfalls des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – verbietet, Haftungsrisiken der Organmitglieder selbstbehaltlos durch Freistellung oder Versicherung abzudecken. Eine solche Ansicht würde auf der Annahme beruhen, daß § 93 AktG jede Einschränkung des verhaltenssteuernden Nebenzwecks der Organinnenhaftung verbiete. Es ist aber fraglich, ob sich dies aus 311 Pammler, die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 82. 312 Pammler, die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 85; so der Sache nach auch Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 Rn. 175, wenngleich Verf. sich nicht zu einem bestimmten dogmatischen Konzept äußert, auf dessen Grundlage die Unwirksamkeit wegen Eingriffs in die Steuerungsfunktion zu begründen wäre.

V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung

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§ 93 AktG ergibt. Die Vorschrift schränkt nämlich in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG lediglich den Verzicht oder Vergleich über Organhaftungsansprüche ein, untersagt – vorbehaltlich der sachlich begrenzten Ausnahme in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – aber nicht ihre Absicherung. Der verhaltenssteuernde Normzweck des § 93 Abs. 2 AktG begründet noch kein gesetzliches Verbot der Haftungsabsicherung im Sinn des § 134 BGB.313 Die Nichtigkeit würde aber voraussetzen, daß § 93 AktG als gesetzliches Verbot eingriffe. Da § 93 Abs. 4 S. 3 AktG aber nach seinem Wortsinn weder die D&O-Versicherung noch eine von dritter Seite übernommene Freistellung erfaßt,314 ließe sich die Nichtigkeit nur mit einer analogen Anwendung dieses Regelungsteils oder einer teleologischen Extension begründen. Dazu müßten aber die Voraussetzungen für eine Analogie oder eine teleologische Extension vorliegen.315

3. Die analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG a) Die methodischen Vorüberlegungen Es wurde in bezug auf die D&O-Versicherung vor Inhaftreten des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG die These entwickelt, daß eine analoge Anwendung des § 93 AktG einer uneingeschränkten Absicherung der Haftungsrisiken von Organmitgliedern entgegenstehe.316 Zwar kollidiere die D&O-Versicherung nicht unmittelbar mit § 93 AktG, insbesondere nicht mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, weil der Organhaftungsanspruch nicht beeinträchtigt werde. Eine D&O-Versicherung führe aber zum Wegfall der Verhaltenssteuerung der Organhaftung, weil sie aus Sicht des begünstigten Organmitglieds eine mit einem Anspruchsverzicht vergleichbare Wirkung habe. Da der zwingende Charakter der Organhaftung nach § 93 Abs. 2 AktG und die Verzichtsregelung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zum Ausdruck brächten, daß der Gesetzgeber die Verhaltenssteuerung als im Grundsatz unverzichtbar qualifiziert habe, stelle die mit der D&O-Versicherung ver313 Canaris, DB 2002, 930 (934) zur vermeintlichen Unwirksamkeit salvatorischer Klauseln wegen Verstoßes gegen Normzwecke: „Denn salvatorische Klauseln unterliegen grundsätzlich denselben Regeln wie sonstige Vertragsklauseln. Eine solche ist aber nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre niemals schlicht und einfach deshalb unwirksam oder unanwendbar, weil sie gegen ,Sinn und Zweck‘ eines Gesetzes verstößt, sondern nur deshalb, weil sie entweder gegen eine bestimmte – sei es auch ungeschriebene – Regelung desselben verstößt, also z.B. von einem gesetzlichen Verbot mitumfasst wird, oder weil sie den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs, insbesondere der Umgehung erfüllt.“; gegen OLG Düsseldorf, Urteil v. 7.11.2001 – U (Kart) 31/00, WuW/E DE-R 854 = DB 2002, 943 – Stadtwerke Aachen. 314 Teil B. und Teil C. 315 Auf die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 93 Abs. 2 S. 3 AktG wird separat eingegangen unter Teil D. VI. 1. 316 Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (462 ff.).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

bundene Freistellungswirkung jedenfalls dann eine unzulässige Beseitigung der Verhaltenssteuerungsfunktion dar, wenn sie nicht mit einem ins Gewicht fallenden Selbstbehalt der versicherten Personen verbunden sei. Bei § 93 AktG handele es sich um „zwingendes, gegen vertragliche Haftungsbegrenzungen gerichtetes Recht“.317 Eine D&O-Versicherung erweise sich daher „aus Analogiegründen als unvereinbar“ mit den §§ 93, 116 AktG, sofern sie zur Folge habe, daß der Zweck dieser Normen vereitelt werde, nämlich die Organmitglieder durch die Haftungsandrohung zu pflichtgemäßem Verhalten anzuhalten.318 Es sei dann „ein verbotswidriger Leerlauf “ der Organhaftung zu attestieren.319 Der Verstoß gegen die zwingenden Vorschriften der §§ 93, 116 AktG soll über § 134 BGB zur Nichtigkeit des Versicherungsvertrags führen. Da § 93 Abs. 2 S. 3 AktG nur die Deckung der Risiken der Vorstandsmitglieder durch eine D&O-Police betrifft, nicht aber Aufsichtsratsmitglieder oder eine Absicherung der Organmitglieder durch Freistellungsvereinbarungen nicht-versicherungsvertragsrechtlicher Art, bleibt diese Theorie also auch nach Inkrafttreten des Vorstandsvergütungsgesetzes relevant. Die Lösung über eine analoge Anwendung des § 93 AktG hätte den Vorzug, daß die rechtlich schwer greifbare Problematik des Eingriffs von Sicherungsinstrumenten in die Steuerungsfunktion der Organhaftung einer klaren gesetzlichen Regelung unterstellt würde. Eine Analogie des § 93 AktG müßte darüber hinaus nicht auf die D&O-Versicherung beschränkt bleiben, sondern könnte – unter Umständen mit erforderlichen Modifikationen – auf Eingriffe in die Steuerungsfunktion durch sonstige Freistellungsvereinbarungen ausgedehnt werden, wie soeben bereits angesprochen. Es ließe sich dann anhand des § 93 AktG jedenfalls für die Aktiengesellschaft möglicherweise ein geschlossenes Konzept zur Beurteilung von Eingriffen in die Steuerungsfunktion durch Sicherungsinstrumente entwickeln, d.h. organübergreifend auch für den Aufsichtsrat.

b) Die Voraussetzungen einer Analogie im einzelnen aa) Die Ähnlichkeit zwischen geregeltem und ungeregeltem Sachverhalt als Merkmal zur Abgrenzung von der teleologischen Extension Gegen eine analoge Anwendung des § 93 AktG (ggf. im Rahmen von § 116 AktG) erheben sich aber methodische Bedenken, und es ist auch zweifelhaft, ob sich durch eine Analogie das angestrebte Maß an Rechtssicherheit erzielen ließe. Eine Analogie bedeutet, daß die Rechtsfolge einer Norm auf einen Sachverhalt angewendet wird, der zwar nicht von ihrem Tatbestand erfaßt ist, der 317 318 319

Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (468). Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (467 f.). Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (468).

V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung

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aber eine Ähnlichkeit mit dem geregelten Fall aufweist und daher gleichwohl unter diese Vorschrift gezogen werden muß, um eine planwidrige Regelungslücke zu schließen.320 Kennzeichen der Analogie ist es also, daß auf den geregelten und den ungeregelten Fall als zwei einander ähnliche Sachverhalte die identische Rechtsfolge, die sich aus dem Gesetz ergibt, angewendet wird. Das geschieht aber bei einer analogen Anwendung des § 93 AktG auf die D&O-Versicherung – und ggf. die Freistellungsvereinbarung – außerhalb des Anwendungsbereichs des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG jedoch nicht. Zwar kann § 93 Abs. 2 AktG, insbesondere i.V.m. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, die Aussage beigelegt werden, daß Beschränkungen der Organinnenhaftung zwischen dem Organmitglied und der Gesellschaft durch statutarischen Rechtsakt oder Rechtsgeschäft unzulässig sind, die Organinnenhaftung mithin insoweit zwingenden Charakter hat.321 Der gesetzliche Tatbestand des § 93 AktG verbietet dann aber nur eine unmittelbare Aufhebung oder Einschränkung des der Gesellschaft zustehenden Anspruchs nach § 93 Abs. 2 AktG. Diese Rechtsfolge läuft indes sowohl bei der D&O-Versicherung (von Aufsichtsratsmitgliedern) als auch bei der Freistellung leer, weil diese Rechtsinstitute den Anspruch als solchen unberührt lassen.322 Eine analoge Anwendung wäre daher beispielsweise auf pacta de non petendo denkbar, weil durch sie der Anspruch wirtschaftlich in Fortfall gebracht würde, sie aber eine mit dem Verzicht auf den Innenhaftungsanspruch vergleichbare Wirkung hätten, so daß eine Ähnlichkeit beider Fälle gegeben wäre.323 Die Ähnlichkeit zwischen einem Verzicht auf den Innenhaftungsanspruch und einer Absicherung des Organmitglieds gegen den Innenhaftungsanspruch ist aber nicht gegeben, da die Sicherung im Verhältnis zur Gesellschaft nicht zum Entfallen des Anspruchs führt. Die Kompensationsfunktion, die der Innenhaftungsanspruch als Hauptzweck erfüllt, bleibt dort unangetastet. Die für eine Analogie erforderliche Ähnlichkeit zwischen dem geregelten und ungeregelten Sachverhalt ist also zu verneinen, weil beide Konstellationen sich nicht „in allen für die Wertung wesentlichen Hinsichten“324 gleichen. Wenn man der Zulässigkeit einer D&O-Versicherung (außerhalb des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG) wegen einer daraus resultierenden Beseitigung der Steue320 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 381; Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 2. Aufl. 1991, § 11 Rn. 476 ff. (S. 213 ff.); Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982, S. 475 ff. 321 So zu recht Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (464 ff.). 322 Dies sieht auch Ulmer so in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (462 f.). 323 Zu weiteren analogen Anwendungsfällen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG s. Teil B. II. 1. b) und c). 324 So die Definition des Ähnlichkeitskriteriums als Analogievoraussetzung bei Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 398. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Analogie von der sogleich zu behandelnden teleologischen Extension abzugrenzen. Gegen die Unterscheidung zwischen beiden Instrumenten der Methodenlehre indes Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982, S. 475.

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

rungsfunktion der Organinnenhaftung § 93 AktG entgegenhalten will, geht es also nicht um Analogie, sondern um teleologische Extension.325 Es soll die Rechtsfolge des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, nämlich die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften, die zu einer Beseitigung des Organinnenhaftungsanspruchs führen, auf solche Rechtsgeschäfte ausgedehnt werden, die zwar nicht zu einer Beseitigung des Anspruchs, aber zu einer Einschränkung der Steuerungsfunktion führen. Es wird also gerade nicht die Rechtsfolge des § 93 AktG auf einen in allen für die Wertung des § 93 AktG wesentlichen Hinsichten gleichen, sondern einem nur in Betreff der Steuerungsfunktion – also einem isolierten Nebenzweck der gesetzlichen Regelung – ähnlichen Sachverhalt erweitert.

bb) Die Frage nach der Regelungslücke Diese methodische Vorfrage kann aber auf sich beruhen, wenn es an der sowohl für eine Analogie als auch für eine teleologische Extension erforderlichen Regelungslücke fehlt.326 Eine solche kann nicht allein mit der Begründung angenommen werden, daß man die Verhaltenssteuerung durch Organhaftung als einen der Normzwecke des § 93 AktG ansieht und die D&O-Versicherung in ihn eingreift.327 Denn allein der Umstand, daß der Normzweck der Verhaltenssteuerung durch eine D&O-Versicherung eingeschränkt würde, bedeutete nicht, daß der Gesetzgeber eine solche Einschränkung verbieten wollte. Vielmehr stellt es zunächst ein allgemein anzutreffendes zivilrechtliches Phänomen dar, daß bestimmte verhaltenssteuernde Normzwecke durch Sicherungsinstrumente, wie insbesondere die Versicherung, modifiziert oder abgeschwächt werden. Lediglich exemplarisch seien hier die speziellen straßenverkehrsrechtlichen Haftungstatbestände hervorgehoben, die ebenfalls einen verhaltenssteuernden Nebenzweck erfüllen. Gleichwohl ist insoweit sogar eine gesetzliche Haftpflichtversicherung vorgeschrieben. Ein weiteres Beispiel ist die Anwaltshaftung, die desgleichen für eine Verhaltenssteuerung im Hinblick auf eine erhöhte Sorgfalt sorgt. Dennoch sieht das Gesetz auch dort eine Haftpflichtversicherung zwingend vor.328 Die Berufshaftpflichtversicherungen für Ärzte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer sind ebenfalls zu nennen.329 Diese Beispiele zeigen bereits, daß trotz eines 325 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 397 ff.; Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 2. Aufl. 1991, § 11 Rn. 497 (S. 220 f.). 326 Zum Erfordernis der Gesetzeslücke Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982, S. 475 ff.; auch die teleologische Extension kann nur vorgenommen werden, wenn zuvor eine planwidrige Gesetzeslücke festgestellt wurde, weil es andernfalls an einer Legitimation für die am Normzweck orientierte Ausdehnung der Rechtsfolge auf den ungeregelten Fall fehlt; vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 397; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 89 ff. 327 Dies aber als ausreichend für die Annahme einer Regelungslücke ansehend Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (467 f.). 328 Vgl. § 51 BRAO. 329 Vetter, AG 2000, 453 (455).

V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung

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verhaltenssteuernden Elements des Haftungstatbestands eine Versicherung auch im Interesse des potentiellen Gläubigers sinnvoll oder sogar erforderlich sein kann.330 § 323 Abs. 2 HGB begrenzt die Haftung des Abschlußprüfers sogar auf eine beziehungsweise vier Millionen Euro, weil das wirtschaftliche Risiko der Abschlußprüfertätigkeit, das aus dem Haftungstatbestand rührt, ansonsten in keinem angemessenen Verhältnis mehr zu der ebenfalls bezweckten Steuerungsfunktion stünde.331 Dennoch schreibt § 54 Abs. 1 S. 1 WPO zusätzlich noch eine Berufshaftpflichtversicherung vor.332 Verhaltenssteuerung und Gläubigerinteresse sind also zwei konkurrierende rechtliche Belange, die nicht miteinander um absoluten Geltungsanspruch ringen, sondern nebeneinander verwirklicht werden können. Den Ausgleich zwischen beiden Interessen überläßt das Recht der Privatautonomie. Der Umstand, daß ein bestimmtes Rechtsgeschäft in einen von mehreren Normzwecken einer Regelung eingreift, bedeutet also nicht, daß insoweit eine gesetzliche Regelungslücke vorliegt, da der Gesetzgeber diesen Eingriff nicht ausdrücklich verboten hat. Das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke hat schließlich gerade die Einfügung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG durch das Vorstandsvergütungsgesetz bestätigt. Aus ihr folgt, daß nicht schon ipso iure eine Pflicht zur Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts besteht, weil andernfalls § 93 Abs. 4 S. 3 AktG analog griffe. Dann hätte es der Neuregelung nicht bedurft. Der neue § 93 Abs. 2 S. 3 AktG kann auch nicht lediglich klarstellende Funktion haben, weil dann nicht erklärbar wäre, weshalb er nicht auf den Aufsichtsrat erstreckt wurde und vor allem warum er nur die D&O-Versicherung erfasst und nicht sonstige Instrumente, wie etwa Haftungsfreistellungen nicht versicherungsvertragsrechtlicher Natur. Was die angebliche Regelungslücke sub specie § 93 AktG anbelangt, konnte – das ist für „Altfälle“ relevant – auch vor Inkrafttreten des Vorstandsvergütungsgesetzes nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber die D&O-Versicherung und ihre Wirkungen bis dato nicht wahrnehmen konnte oder wahrgenommen hatte.333 Zwar ist anzunehmen, daß der Gesetzgeber bei Erlaß des Aktiengesetzes 1965 und seiner Vorläufer die Problematik einer die Verhaltenssteuerung möglicherweise einschränkenden D&O-Versicherung noch nicht gekannt hat.334 Es kam aber bereits vor dem Vorstandsvergütungsge330

Vetter, AG 2000, 453 (455). § 323 Abs. 2 HGB: „Die Ersatzpflicht von Personen, die fahrlässig gehandelt haben, beschränkt sich auf eine Million Euro für eine Prüfung. Bei Prüfung einer Aktiengesellschaft, deren Aktien zum Handel im amtlichen Markt zugelassen sind, beschränkt sich die Ersatzpflicht von Personen, die fahrlässig gehandelt haben, abweichend von Satz 1 auf vier Millionen Euro für eine Prüfung … .“ 332 Die Mindestversicherungssumme für den einzelnen Versicherungsfall muß den in § 323 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs bezeichneten Umfang betragen. 333 Dreher, AG 2008, 429 (431). 334 So Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (464). 331

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

setz zu vielen Änderungen des Haftungsregimes im Aktiengesetz, nicht zuletzt durch das KonTraG und das UMAG, 335,336 ohne daß der Gesetzgeber jemals die Ansicht geäußert hätte, daß D&O-Versicherungen unzulässig seien oder allgemein das Wirksamkeitserfordernis eines angemessenen Selbstbehalts gelte. 337 Diese Änderungen bezogen sich gerade auf die Voraussetzungen, den Umfang und die Rechtsfolgen der Organhaftung. Die Rechtsänderungen waren auch jeweils Gegenstand interner sowie öffentlicher Diskussionsprozesse – einschließlich des 63. deutschen Juristentags 2000. 338 Das Bundesjustizministerium hatte bereits in einer Presseerklärung vom 25. Februar 2003 erwogen, die Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts für D&O-Versicherungen gesetzlich vorzuschreiben.339 Durch das im Jahr 2004 geplante, später aber fallengelassene Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz340 sollte in § 37a Abs. 6 WpHG ein Selbstbehalt für die D&O-Versicherung ausdrücklich festgeschrieben werden. Die Norm sollte lauten: „Schließt die Gesellschaft für Mitglieder des Leitungs-, Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans eine Versicherung ab, durch die eine Inanspruchnahme nach Absatz 2 abgedeckt werden soll, so ist ein Selbstbehalt zu Lasten des Versicherten in Höhe von fünfzig Prozent der Versicherungssumme zu vereinbaren.“ Anders als der geltende § 93 Abs. 2 S. 3 AktG hätte sich diese Regelung also gerade nicht auf Vorstandsmitglieder beschränkt. Daß dieser Entwurf nach berechtigter Kritik – auch – an dieser Regelung zum Selbstbehalt im Gesetzesentwurf341 nicht verwirklicht wurde, bestätigt also, daß der Gesetzgeber des Aktiengesetzes in der jüngeren Vergangenheit schon vor Inkrafttreten des Vorstandsvergütungsgesetzes die Problematik der D&O-Versicherung erkannt hat, sie aber gerade nicht im Sinn eines Verbots oder einer nur eingeschränkten Zulässigkeit lösen wollte. Der Gesetzgeber hat auch die Regelung der Innenhaftung in der SE im Jahr 2004 nicht zum Anlaß genommen, in § 93 AktG einen allgemeinen Selbstbehalt – d.h. für Vorstand und Aufsichtsrat – für die D&O-Versicherung vor335

S. dazu bereits Teil B. I. 3. Und zahlreiche weitere teilweise sehr detaillierte Regelungseingriffe des Gesetzgebers in den letzten 10 Jahren in den Bereichen sowohl von § 93 Abs. 2 und 4 AktG als auch von § 116 AktG; vgl. Dreher, AG 2008, 429 (431); mit weiteren Nachweisen z.B. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 93 Rn. 1. 337 Dreher, AG 2008, 429 (430 f.). 338 Vgl. nur Baums, in: Verhandlungen des 63. DJT, Band I: Gutachten, 2000, F 237, der das Verhältnis von D&O-Versicherung und Verhaltenssteuerung bereits angesprochen hatte. 339 Bundesministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 25. Februar 2003 „Bundesregierung stärkt Anlegerschutz und Unternehmensintegrität“, verfügbar auf der homepage des Ministeriums unter www.bmj.bund.de unter der Rubrik „Pressemitteilungen“, Ziff. 3, 13. Gliederungspunkt: „Es ist zu prüfen, ob für die D & O – Versicherung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern ein Selbstbehalt gesetzlich vorgeschrieben werden soll“. 340 BMF, KapInHaG-Diskussionsentwurf v. 16.08.2004, abgedr. in NZG 2004, 1042 ff. 341 Vgl. Baumann, VersR 2006, 455, 464; Sünner, DB 2004, 2460, 2463; DAV, ZIP 2004, 2348, 2351; s. dazu auch Paetzmann, ZVersWiss 2008, 177 (183 f.). 336

V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung

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zuschreiben oder die D&O-Versicherung gänzlich zu verbieten. Gem. Art. 51 SE Verordnung342 haften die Mitglieder des Leitungs-, Aufsichts- oder Verwaltungsorgans „gemäß den im Sitzstaat für Aktiengesellschaften maßgeblichen Rechtsvorschriften für den Schaden, welcher der SE durch eine Verletzung der ihnen bei der Ausübung ihres Amtes obliegenden gesetzlichen, satzungsmäßigen oder sonstigen Pflichten entsteht.“343 Hätte eine vermeintliche Regelungsglücke bestanden, hätte dieses am 22. Dezember 2004 in Kraft getretene Gesetz344 Gelegenheit gegeben, bereits damals eine entsprechende Regelung allgemein in das Aktienrecht einzuführen, was aber nicht geschehen ist. Darin fügt sich ein, daß auch Unternehmen in staatlicher Hand, wie die KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau und die quasi-staatliche IKB Deutsche Industriebank, jedenfalls vor Inkrafttreten des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG D&O-Versicherungen zugunsten ihrer Organmitglieder ohne Selbstbehalt abgeschlossen haben.345 Der Gesetzgeber kannte also mittlerweile die Praxis der D&O-Versicherung und hat sich trotzdem in den bis zum Vorstandsvergütungsgesetz erfolgten Gesetzesänderungen dafür entschieden, lediglich die Haftungsvoraussetzungen und die Geltendmachung von Haftungstatbeständen gegen Organmitglieder zu verbessern, nicht hingegen D&O-Versicherungen oder Freistellungen einzuschränken oder sogar zu verbieten. Angesichts dieser Entwicklungsgeschichte des Aktiengesetzes und der Tatsache, daß § 93 Abs. 2 S. 3 AktG sich nicht nur auf die D&O-Versicherung von Vorstandsmitgliedern bezieht, kann von einer planwidrigen Regelungslücke, welche eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf die Fälle außerhalb des § 93 Abs. 2 S. 3 bzw. auf „Altfälle“ geböte, nicht ausgegangen werden. In Ermangelung dieser Voraussetzung einer Analogie bzw. teleologischen Extension kommt es dann auch nicht mehr auf die Frage an, ob § 93 Abs. 4 S. 3 als Ausnahme- bzw. Verbotsnorm überhaupt analogiefähig ist.346

342 VO Nr. 2157/2001 des Rates vom 08.10.2001 über das Statut der europäischen Gesellschaft (SE). 343 § 93 AktG gilt über Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE Statut i.V.m. den §§ 15 bis 19 SEAG und §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG für die SE sowohl in ihrer dualistischen als auch in ihrer monistischen Organisationsform. 344 BGBl. I, S. 3675 mit spät. Änd. 345 Siehe auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler, Martin Zeil, Jürgen Koppelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 16/9673 – zu Organ- und Manager-Haftpflichtversicherungen bei der KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau und der quasi-staatlichen IKB Deutsche Industriebank AG, BT-Drucks, 16/9925 v. 3.7.2008, S. 1: „Für die Organe der KfW und ihrer Tochterunternehmen besteht generell ein Directors-and-Officers-Versicherungsschutz (D&O-Versicherungsschutz) ohne Selbstbehalt.“ 346 Gegen die Analogiefähigkeit Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, 1997, S. 60; für die Analogiefähigkeit Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (463).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

cc) Die Analogie, die teleologische Extension und der Normzweck des § 93 AktG Ungeachtet des Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke müßten eine analoge Anwendung oder eine teleologische Extension des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG von dessen Normzweck getragen sein. Einzelne Literaturstimmen, die sich auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 93 Abs. 2 S. 3 bezogen haben, meinen, § 92 Abs. 2 AktG, insbesondere i.V.m. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, sei die Aussage zu entnehmen, daß der Gesetzgeber die Organhaftung auch aus Gründen der Verhaltenssteuerung als im Grundsatz unverzichtbar qualifiziert habe. 347 Es ist aber zweifelhaft, ob § 93 AktG eine so weitgehende Aussage der Unverzichtbarkeit entnommen werden kann. Aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG folgt unmittelbar lediglich, daß eine Enthaftung durch die Gesellschaft im Weg eines nachträglichen oder vorweggenommenen Verzichts nur eingeschränkt möglich ist. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG bezieht sich nämlich systematisch und grammatikalisch lediglich auf das inter partes-Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied. Zu einer Absicherung von Organhaftungsrisiken durch Dritte verhält sich § 93 Abs. 4 S. 3 AktG hingegen nicht. Im Licht der genetischen Auslegung des § 93 AktG ist das ein beredtes Schweigen. Das Telos des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG läßt sich vielmehr in dem Sinn konkretisieren, daß ein „kollusives Zusammenwirken“ zwischen Organmitglied und Gesellschaft verhindert und eine Entlastung im Weg „kollegialer Verschonung“ auf Kosten des Gesellschaftsvermögens ausgeschlossen werden soll. 348 Diese spezifische Gefahr besteht bei der D&O-Versicherung und der Freistellung aber nicht. Beide Sicherungsinstrumente betreffen eine Einschränkung der Haftungsfolgen durch Dritte, d.h. durch Freistellungsschuldner bzw. Versicherer. Das inter partes-Verhältnis, auf das sich § 93 AktG bezieht, ist im Fall der D&O-Versicherung auch nicht deshalb betroffen, weil das Unternehmen die Zahlung der Versicherungsprämien als Versicherungsnehmerin übernimmt. § 93 AktG will die Beseitigung des Anspruchs durch die Gesellschaft verhindern. Eine Einwirkung auf die Steuerungsfunktion geht aber nur von dem Versicherungsunternehmen aus, nicht von der die Prämie zahlenden Gesellschaft. Wenn das Organmitglied selbst als Versicherungsnehmer die D&OVersicherung abschlösse, wäre die von der Versicherung ausgehende Einwirkung auf die Steuerungsfunktion dieselbe. Diese Kontrollüberlegung zeigt, daß es für einen vermeintlichen Eingriff in den Normzweck des § 93 AktG sub specie der Verhaltenssteuerung nicht darauf ankommt, wer die Prämien zahlt, sondern wer für die Deckung im Schadensfall sorgt. Dies ist bei der D&O-Versicherung ebenso wie bei der Freistellung ein Dritter, aber nicht die Gesellschaft. 347 348

Vgl. Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (465 f.). Teil B. II. 1. a) aa).

V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung

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dd) Das Postulat eines angemessenen Selbstbehalts als Widerlegungsgrund einer Analogiefähigkeit des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG für die Fälle außerhalb von §93 Abs. 2 S. 3 AktG Eine analoge Anwendung ebenso wie eine teleologische Extension des § 93 AktG für die Fälle außerhalb von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – also insbesondere für die Versicherung von Aufsichtsratsmitgliedern und für Freistellungsvereinbarungen – ist letztlich auch deshalb nicht überzeugend, weil die Vertreter dieser Ansicht selbst die Einschränkung machen, daß eine D&O-Versicherung mit dem Aktienrecht wiederum in Einklang stehe, wenn ein angemessener Selbstbehalt vereinbart sei.349 Der mit der D&O-Versicherung verbundene „Ausfall der verhaltenssteuernden Wirkung der Organhaftung“, der zur Unvereinbarkeit mit dem Aktienrecht führe, entfalle, wenn durch Vereinbarung eines Selbstbehalts die haftungsbedingte Verhaltenssteuerung trotz D&O-Versicherung erhalten bleibe.350 Die Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts soll „den Verstoß gegen den Normzweck der §§ 93, 116 AktG als Analogiegrund entfallen“ lassen. Wenn es tatsächlich um eine analoge Anwendung des § 93 AktG (ggf. i. V. m. § 116 AktG) ginge, wäre eine solche Lösung über einen Selbstbehalt, der zu einer teilweisen Wiederherstellung der Steuerungsfunktion führen soll, aber nicht möglich.351 § 93 AktG kennt in direkter Anwendung nämlich keine Ausnahme von dem Verbot des Eingriffs in die Organinnenhaftung. Nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ist vielmehr jede auch noch so geringfügige Einschränkung der Organhaftung durch Verzicht oder Vergleich nichtig. Wenn solches aber für die direkte Anwendung des § 93 AktG gilt, müßte es auch für eine analoge bzw. teleologisch extendierte Anwendung zutreffen. Auch dies zeigt, daß § 93 Abs. 3 S. 2 AktG im übrigen nicht Ausdruck eines aus dem Rechtsgedanken des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG folgenden allgemeinen Verbots der Beseitigung der Organhaftungsrisiken ist.

349 350 351

Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (468 ff.). Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (468). Dreher, AG 2008, 429 (438).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

4. Die Rechtsfolgen der Einwirkung von Freistellung und D&O-Versicherung als Frage der gesellschaftsrechtlichen Institutionenbildung a) Die Steuerungswirkung der Organhaftung als gesellschaftsrechtliche Institution Der Konflikt von Sicherungsinstrumenten und der Steuerungsfunktion der Organhaftung läßt sich also – außerhalb des § 93 Abs. 3 S. 2 AktG – nicht durch eine – ohnehin auf das Aktienrecht isolierte – Analogie oder teleologische Extension des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG lösen.352 Es handelt sich vielmehr um eine rechtsformübergreifende Frage, die alle Körperschaften und alle Sicherungsinstrumente, sei es die D&O-Versicherung oder die Freistellung, betrifft. Die Problematik ist auch nicht auf die Organinnenhaftung nach § 93 AktG oder § 43 GmbHG beschränkt, sondern erfaßt jede organbezogene Haftungsnorm, die eine Verhaltenssteuerung bezweckt und deren Haftungsfolgen durch ein Sicherungsinstrument abgemildert werden sollen. Die Untersuchung oben unter D. IV. hat gezeigt, daß nicht nur die Organinnenhaftung, sondern auch zahlreiche Außenhaftungstatbestände ein rechtlich intendiertes verhaltenssteuerndes Element enthalten. Zwar konzentriert sich die D&O-Versicherung in der Praxis auf die Innenhaftungstatbestände. Sie kann aber – wie gezeigt – auch die aufgeführten Außenhaftungstatbestände abdecken. Für alle diese Konstellationen ist zu klären, ob ein Eingriff in die rechtlich bezweckte Verhaltenssteuerung zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt oder sich jedenfalls aus dem Zweck der Verhaltenssteuerung Anforderungen an den Inhalt von Sicherungsinstrumenten ergeben. Methodisch ist insoweit bei der Frage anzusetzen, welche rechtliche Qualität dem von den verschiedenen Normen – freilich in erster Linie von dem Recht der Organinnenhaftung – ausgehenden Zweck der Verhaltenssteuerung zukommt. Es ist also nicht die Einzelanalogie bestimmter Vorschriften gefragt, sondern es sind aus einer Gesamtschau der Tatbestände der Organinnen- und -außenhaftung die Rechtsqualität und die Grenzen der organspezifischen Verhaltenssteuerung herauszulesen. Ausgehend von diesem Befund müssen sodann Rechtsfolgen für die Lösung von Konflikten, die durch Sicherungsinstrumente herbeigeführt werden können, entwickelt werden. Es geht methodisch also wieder um die Aufgabe der gesellschaftsrechtlichen Institutionenbildung.353 Bei diesem Vorhaben ist auf den Ergebnissen der Untersuchung zu den verhaltenssteuernden Zwecken der Organinnen- und -außenhaftung unter D. IV. aufzubauen. Die Prüfung hat insoweit ergeben, daß die genannten Tatbestände, 352 353

Vetter, AG 2000, 453 (455). Siehe dazu bereits unter Teil B. III. 2. a) bb) (III.) (3.).

V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung

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insbesondere aber die Innenhaftung nach § 93 Abs. 2 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG, den rechtlich intendierten Nebenzweck aufweisen, das Verhalten der Organmitglieder in Richtung einer erhöhten Sorgfalt zu steuern. Für diese Annahme fanden sich sowohl im Aktien- und GmbH-Recht als auch in den untersuchten einschlägigen Außenhaftungstatbeständen hinreichende rechtlich relevante Anhaltspunkte. Es bedarf daher keiner weiteren analytischen Zwischenschritte, um zu der Feststellung zu gelangen, daß es sich bei der Verhaltenssteuerung durch Organhaftung um ein rechtsformübergreifendes gesellschaftsrechtliches Prinzip, mithin eine Institution des Gesellschaftsrechts, handelt.

b) Die Lösung von Konflikten mit der Institution der Verhaltenssteuerung im Gesellschaftsrecht aa) Die Verhaltenssteuerung als ein in mehrfacher Hinsicht relatives Prinzip Damit ist die Frage aufgeworfen, ob die Steuerungsfunktion als gesellschaftsrechtliche Institution einen absoluten Geltungsanspruch hat oder einen relativen dergestalt, daß in bezug auf die jeweilige Gesellschaftsform und die Art des Eingriffs in dieses Prinzip differenziert werden muß. Diesbezüglich fällt zunächst ins Gewicht, daß die lex lata des Aktien- und GmbH-Rechts die Organhaftung nur in begrenztem Umfang vor Eingriffen durch die Gesellschaft schützt. So sieht selbst das strenge Aktienrecht in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vor, daß auf Organhaftungsansprüche unter gewissen Voraussetzungen nach Eintritt des Haftungsfalls verzichtet werden kann. Im GmbH-Recht sind die Verzichtsmöglichkeiten noch weitgehender,354 was nicht nur ex post der Gesellschaft einen größeren Gestaltungsspielraum einräumt, sondern im Umkehrschluß auch ex ante Verzichtsvereinbarungen durch die Gesellschaft in größerem Umfang zuläßt als in der Aktiengesellschaft. Die Organhaftung ist also bereits nach der gesetzlichen Ausgestaltung in den einzelnen Gesellschaftsformen ein relatives Prinzip, das unterschiedlich stark geschützt wird. Diese schon gesetzlich angelegte Relativität betrifft sowohl die Kompensationsfunktion als auch die Steuerungsfunktion als Nebenzweck. Unabhängig von der Gesellschaftsform wird der Steuerungszweck als Institution aus einem weiteren Grund rechtlich relativiert. Wie die Untersuchungen zum Steuerungszweck der Organhaftung gezeigt haben, konkurriert die Verhaltenssteuerung mit der Kompensationsfunktion. Beide Normzwecke stehen in einem Rangverhältnis von Hauptzweck und Nebenzweck, wobei die Kompensationsfunktion ersteres darstellt, die Steuerungsfunktion letzteres. 355 Die 354 355

B. II. 2. Oben D. IV. 1. d) ff).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

ohnehin relative und untergeordnete Bedeutung des verhaltenssteuernden Nebenzwecks des Organhaftungsrechts wird zusätzlich dadurch eingeschränkt, daß die Organhaftung nur eines von mehreren verhaltenssteuernden Elementen ist, das zu einer Verbesserung der corporate governance beiträgt. Dies hatte die institutionenökonomische Betrachtung gezeigt.356 Freistellungsvereinbarungen und D&O-Versicherungen schränken also lediglich eines einer Vielzahl verhaltenssteuernder Elemente ein.

bb) Die Konkretisierung der rechtstatsächlichen Wirkungen von Freistellung und D&O-Versicherung (I.) Die begrenzte Wirkung von Freistellung und D&O-Versicherung (1.) Die Unsicherheiten hinsichtlich der Haftungsübernahme durch den Freistellungsschuldner bzw. Versicherer Außerdem ist die Wirkung, die eine Freistellung und eine D&O-Versicherung auf die Verhaltenssteuerung haben, in ihrem rechtstatsächlichen Kontext zu betrachten. Die im Schrifttum vorfindliche Ansicht, eine D&O-Versicherung ohne Selbstbehalt führe zu einem „Wegfall der Verhaltenssteuerung“ bzw. „Ausfall der verhaltenssteuernden Wirkung der Organhaftung“357 trifft in dieser Absolutheit nicht zu. Die motivatorisch auf die Sorgfaltsanstrengungen des Organmitglieds wirkenden Haftungsfolgen werden durch eine D&O-Versicherung oder Freistellung nicht vollständig beseitigt, sondern allenfalls in Betreff der möglichen späteren Haftungsübernahme durch den Freistellungsschuldner bzw. Versicherer reduziert. Ob und inwieweit eine D&O-Versicherung für einen Schaden aufkommt, hängt von vielen Faktoren des Haftungsfalls ab, insbesondere dem Vorliegen von Haftungsausschlußgründen. 358 Auch Freistellungsvereinbarungen werden mitunter Haftungsausschlüsse enthalten. Eine vollständige „Freizeichnung“ von jeglicher Haftungsfolge ermöglichen weder die D&O-Versicherung noch die Freistellung.359 Vertragliche Haftungsausschlüsse sollen nach einer teilweise vertretenen Ansicht dennoch nicht dazu geeignet sein, die Steuerungsfunktion der Organhaftung in ausreichendem Maß aufrechtzuerhalten. Sie würden den Versicherungsschutz gegenüber „typischen Ansprüchen aus Organhaftung“ nicht im Kern in Frage stellen oder gar entwerten.360 Diese Einschätzung wird der

356

Oben D. IV. 1. d) ff) (II.) (3.). Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (464, 468). 358 Dazu im einzelnen Teil G. 359 Zur D&O-Versicherung Dreher, AG 2008, 429 (434); Mertens, AG 2000, 447 (452); Haas, in: Michalski, GmbHG, 2002, § 43 Rn. 260. 360 Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (457 f.). 357

V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung

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tatsächlichen Lage aber ebenfalls nicht gerecht. Denn es läßt sich hinsichtlich international tätiger Unternehmen keineswegs sagen, daß etwa Haftungsansprüche in den USA keine „typischen“ Ansprüche aus Organhaftung darstellten. Im Gegenteil können die weitreichenden Haftungsausschlüsse die Wirkung einer D&O-Versicherung stark einschränken.361 Hinzu kommt, daß D&O-Versicherungen und Freistellungsvereinbarungen nur fahrlässiges Verhalten abdecken, nicht aber vorsätzliche Schädigungen.362 Im vorhinein läßt sich aus Sicht des Organmitglieds vielfach nicht verläßlich einschätzen, ob eine bestimmte potentielle sorgfaltspflichtwidrige Maßnahme den Grad der groben Fahrlässigkeit oder des bedingten Vorsatzes bereits überschritten hat. Jede Prognose des Organmitglieds bezüglich einer Deckung durch die Freistellungsvereinbarung oder die D&O-Versicherung ist daher mit der Unsicherheit behaftet, daß der Freistellungsschuldner oder das Versicherungsunternehmen das subjektive Element anders beurteilt bzw. das Gericht in einem über diese Frage geführten Rechtsstreit. Hinzu kommt die Gefahr, daß wegen der Verletzung versicherungsrechtlicher Anzeigepflichten ein Lösungsrecht des Versicherers greift und damit zum Fortfall der Deckung führt. Dieses Risiko ist gerade in der D&O-Versicherung aufgrund der Vielzahl der versicherten Personen, die gleichsam zu einer „Schicksalsgemeinschaft“ verbunden sind, besonders hoch und für den einzelnen kaum überschaubar.363 Der Comroad-Fall veranschaulicht diesen Aspekt. 364

361 Ihlas faßt daher seine aus Sicht der Makler-Praxis formulierte Kritik an der gegenteiligen Ansicht wie folgt zusammen Ihlas, VW 2007, 660 (666): „Unrichtig ist dann die These, dass es eine D&O-Vollkasko-Versicherung geben könnte, wenn da nicht ein Selbstbehalt für die Organmitglieder vereinbart wäre. Auch ohne einen persönlichen Selbstbehalt ist die D&O-Versicherung einer börsennotierten Aktiengesellschaft alles andere als eine Vollkasko-Versicherung. Das Vorurteil, es gäbe eine D&O-Vollkasko-Versicherung, muss als ganz großer Unsinn bezeichnet werden. Es gibt zu viele Ausschlüsse, zu wenig Versicherungssumme und vor allem keine Schnelligkeit in der Schadenregulierung.“ 362 Siehe dazu im einzelnen noch unter Teil G. III. 363 Dreher, AG 2008, 429 (435) sowie zum Problem der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten im einzelnen unter Teil F. III. 364 OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.8.2005 – I-4 U 140/04, 4 U 140/04, VersR 2006, 785. Der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende erhielt in diesem Fall keine D&O-Deckung, weil der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens die Versicherer bei Abschluß der D&O-Versicherung durch Vorlage gefälschter Bilanzen arglistig getäuscht hatte. Daher konnten sich die Versicherer von dem Versicherungsvertrag insgesamt lösen.

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

(2.) Die Belastung des Versicherten durch die Dauer von D&O-Haftungsfällen Häufig wird zudem der zeitliche Aspekt von D&O-Haftungsfällen nicht hinreichend beachtet. Die Klärung der Haftpflichtfrage dauert regelmäßig zwischen drei bis sieben Jahren; für die Deckungsfrage sind einige weitere Jahre zu veranschlagen.365 Selbst wenn die Versicherung im Ergebnis für den Schaden aufkommt, so ist also mit dem Versicherungsfall366 zunächst ein Zeitraum von bis zu zehn Jahren verbunden, in dem das Organmitglied sich in der Ungewißheit über seine persönliche Einstandspflicht befindet, in dem es ggf. einer negativen öffentlichen Aufmerksamkeit ausgesetzt ist und in dem ein Teil seiner Arbeitskraft an die Verteidigung im Haftpflicht- und sodann Deckungsprozeß gebunden ist. Diese Belastungen werden durch die D&O-Deckung nicht beseitigt.

(3.) Die Gefahr einer Überschreitung der Freistellungsbzw. Deckungssumme Außerdem kann der tatsächliche Haftungsumfang leicht die Deckungssumme der D&O-Versicherung oder die Haftungsbegrenzung in Freistellungsvereinbarungen367 überschreiten.368 Berücksichtigt man exemplarisch, daß bereits einfach fahrlässig begangene Kartellverstöße nach Art. 23 VO 1/2003 bzw. § 81 Abs. 4 GWB mit bis zu 10 % des Konzernumsatzes sanktioniert werden können,369 zeigt sich, daß der allein in solchen Fällen denkbare Schaden bei einem Großunternehmen in der Praxis nicht auch nur ansatzweise gedeckt wäre, falls ein Organmitglied für diesen Schaden zur Verantwortung gezogen würde. Kartellbußgelder, die in bezug auf ein einzelnes Unternehmen die Grenze der halben Milliarde erreichen, sind nach den aktuellen Gepflogenheiten insbesondere der Europäischen Kommission nicht mehr nur der theoretische Fall.370 Auch der Gesetzgeber hat erkannt, daß die Grenzen der Organhaftung in der Praxis das erträgliche Maß schnell überschreiten können. Demgemäß sah das im Jahr 2004 geplante, später aber fallengelassene Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz371 in § 37a Abs. 5 WpHG für diesen Haftungstatbestand eine Grenze in Höhe der vierfachen, vom Emittenten in den letzten zwölf Monaten 365

Vgl. Ihlas, VW 2007, 660 (666). Also der Anspruchserhebung i.S. des claims made-Prinzips. 367 Dazu Teil G. V. 368 Paetzmann, ZVersWiss 2008, 177 (188); Mertens, AG 2000, 447 (452). 369 Kling/Thomas, Kartellrecht, 2007, § 8 Rn. 68. 370 Das zur Zeit höchste von der Kommission gegen ein Unternehmen verhängte Bußgeld liegt bei EUR 896 Mio. Die Kommission hat es 2008 wegen eines Verstoßes gegen Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV) gegen das französische Unternehmen Saint-Gobain verhängt. 371 BMF, KapInHaG-Diskussionsentwurf v. 16.08.2004, abgedr. in NZG 2004, 1042 ff. 366

V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung

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vor der unrichtigen Angabe oder dem Zeitpunkt, zu welchem die Umstände hätten offenbart werden müssen, geleisteten Bruttovergütung einschließlich der variablen Vergütungsbestandteile vor.372 Zuvor hatte die Bundesregierung im Rahmen eines 10–Punkte-Maßnahmenkatalogs zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes u.a. erwogen, eine allgemeine Höchstgrenze für die Organhaftung einzuführen. 373 Da dieser Entwurf bzw. Vorschlag nicht umgesetzt wurde, bleibt es einstweilen bei den dargestellten Haftungsrisiken trotz Freistellung und D&O-Versicherung.374

(4.) Die Begrenzung der Sicherung durch Serienschadenklauseln Was D&O-Versicherungen anbelangt, wird ein möglicher Eingriff in die Steuerungsfunktion des Organhaftungsrechts dadurch weiter mitigiert, daß die Versicherung grundsätzlich Serienschadenklauseln 375 enthält. Diese wirken, wie der BGH anerkannt hat, unsorgfältiger Arbeit entgegen und helfen dadurch, Haftpflichtfälle zu vermeiden. 376 Denn sie setzen den Versicherten dem Risiko aus, daß durch einen Serienschaden die Deckungssumme schnell überschritten ist und begründen so eine gleichsam wesensimmanente potentielle Deckungslücke in der D&O-Versicherung. Das gilt sinngemäß für entsprechend ausgestaltete Freistellungsvereinbarungen. Setzt man die D&O-Versicherung und die Freistellung also in den realen Kontext der Organhaftungsfälle, kann nicht angenommen werden, daß diese Instrumente zu einem „Wegfall der Verhaltenssteuerung“ oder einem „Ausfall der verhaltenssteuernden Wirkung der Organhaftung“ führen.377 Sie verschaffen dem Organmitglied vielmehr allenfalls eine Expektanz darauf, daß im Haftungsfall das Versicherungsunternehmen oder der Freistellungsschuldner jedenfalls einen Teil des Schadens möglicherweise übernimmt. Die Wirkung dieser Sicherungsinstrumente läßt sich daher besser in dem Sinn charakterisieren, daß sie die erdrückende Last des Risikos einer bisweilen existenzvernichtenden Eigenhaftung378 graduell abmindern.379 Dadurch wird ein übertrieben 372

S. dazu Paetzmann, ZVersWiss 2008, 177 (183). S. dazu Bundesministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 25. Februar 2003 „Bundesregierung stärkt Anlegerschutz und Unternehmensintegrität“, verfügbar auf der homepage des Ministeriums unter www.bmj.bund.de unter der Rubrik „Pressemitteilungen“ – sub 1 „Auch sind Haftungshöchstgrenzen zu erwägen“. 374 Der Umfang der Freistellungspflicht wird vielfach vertraglich begrenzt sein (s. dazu unter Teil G) oder jedenfalls durch die Leistungsfähigkeit des Freistellungsschuldners. 375 Hierzu im einzelnen unter Teil G. VI. 376 BGH, Urteil v. 28.11.1990 – IV ZR 184/89, VersR 1991, 175 (176). 377 So aber Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (464, 468); ferner Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 923: „Ist aber kein angemessener Selbstbehalt vereinbart, läuft die Präventionsfunktion der Organhaftung in monetärer Ansicht leer.“ 378 Vgl. Hendricks, Interview mit dem Handelsblatt, Handelsblatt vom 17.1.2003, S. K 4. 379 Dreher, AG 2008, 429 (432) zur D&O-Versicherung: „Denn die Versicherung setzt 373

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

vorsichtiges und zögerliches Verhalten der Organmitglieder, das unternehmerisch nachteilig ist, verhindert.380 Keinesfalls verlieren indes Haftungsfälle, nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Rechtsstreitigkeiten, ihre generell abschreckende Wirkung. Der Ansehensverlust des Betroffenen ist im übrigen ein Makel, der bleibt, auch wenn der Versicherer den gesamten Schaden oder jedenfalls einen Teil desselben deckt.381 Angesichts ihrer spezifischen Ausgestaltung, insbesondere im Hinblick auf die im Verhältnis zu potentiellen Schäden vielfach niedrigen Deckungssummen, die zahlreichen Deckungsausschlüsse und weiteren Einschränkungen, wie etwa durch Serienschadenklauseln, kann also keine Rede davon sein, daß eine D&O-Deckung ohne einen Selbstbehalt – wie sie außerhalb des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ohne weiteres noch möglich ist, d.h. insbesondere für Aufsichtsratsmitglieder, aber auch für die GmbH – eine „Vollkasko-Versicherung“ darstelle.382

(5.) Die Setzung eines Anreizes zur Geltendmachung von Organhaftungsansprüchen durch Freistellung und D&O-Versicherung In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß das Bestehen einer D&O-Versicherung oder Freistellungsvereinbarung die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Geltendmachung von Außen- und Innenhaftungsansprüchen erheblich erhöhen kann383 nach dem Motto „Deckung schafft Haftung“.384 Die Instrumente leisten mithin einen Beitrag dazu, einer denkbaren Glashausmentalität in der Gesellschaft entgegenzuwirken. Hierdurch wird die verhaltenssteuernde Wirkung der Organhaftung gestärkt, weil eben ex ante nicht vorhersehbar ist, ob die D&O-Versicherung oder Freistellung im Ergebnis zugunsten des Organmitglieds auch greift.

unternehmerische Kräfte frei, die angesichts der heutigen Haftungsdrohung für Organmitglieder sonst verschüttet werden könnten.“ 380 Dreher, AG 2008, 429 (432) zur D&O-Versicherung. 381 Vgl. Mertens, AG 2000, 447 (452). 382 Ihlas, VW 2007, 660 (666). 383 Hierzu auf Grundlage der Principal-Agent-Theory Paetzmann, ZVersWiss 2008, 177 (188 ff.). 384 Dreher, AG 2008, 429 (434) zur D&O-Versicherung.

V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung

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(6.) Die begrenzte Auswirkung von Freistellung und D&O-Versicherung auf die Arbeitsmarktdisziplinierung Es ist ferner zu berücksichtigen, daß eine verhaltenssteuernde Wirkung der Organhaftung sich nicht in dem unmittelbar aus der Organhaftung resultierenden Schaden erschöpft, sondern auch der Verlust der Reputation des Managers zu Buche schlägt. Die Untersuchung der sog. Arbeitsmarktdisziplinierung hat ergeben, daß neben den sozialen Ansehensverlust, der abschreckend wirken kann, auch wirtschaftliche Einbußen durch eine Verschlechterung der Vergütungschancen auf dem Arbeitsmarkt für Manager treten.385 Diese Reputationskosten386 können durch eine Freistellungsvereinbarung bzw. D&O-Versicherung nur unvollkommen kompensiert werden. Zwar enthalten einige D&O-Bedingungswerke eine Deckung für die Kosten, die mit der Verhinderung eines Rufschadens verbunden sind, etwa eines PRBeraters.387 Die Reputationskosten gehen aber darüber hinaus und betreffen vor allem die künftigen Einkommenseinbußen im Vergleich zum hypothetischen Kausalverlauf ohne Eintritt des Haftungsfalls. Diesen kaum bezifferbaren materiellen Schaden decken die D&O-Versicherungen nicht, und auch ein Freistellungsschuldner wird sich nicht zu diesbezüglichen Kompensationsleistungen verpflichten. Vereinzelt sehen die D&O-Policen zwar auch die Zahlung von Gehaltsvorschüssen für den Zeitraum der Auseinandersetzung des Organmitglieds mit der Gesellschaft vor. Indes kompensieren diese Deckungsinhalte nur einen geringen Teil der gesamten Reputationskosten, da sie nicht die entgangenen Vergütungschancen betreffend künftige Tätigkeiten erfassen. Ohnehin ist aus dem Markt zu vernehmen, daß diese Klauselbestandteile angesichts eines sich zunehmend verhärtenden Markts wohl allmählich zurückgehen werden.

(7.) Die Verbesserung der corporate governance durch den Freistellungsschuldner als hired outside monitor Es muß auch berücksichtigt werden, daß vertragliche Sicherungsinstrumente wie die D&O-Versicherung oder die Freistellungsvereinbarung eigenständige Disziplinierungsanreize setzen können, die neben die verhaltenssteuernde Wirkung der Organhaftung treten.388 Im Fall der D&O-Versicherung prüft das Versiche385

S. oben D. IV. 1. d) ff) (II.) (3.) (b). Dazu auch Paetzmann, ZVersWiss 2008, 177 (188 f.). 387 Diese Bausteine der D&O-Bedingungswerke sind in einer weichen Marktphase als Anreiz zum Abschluß eines D&O-Versicherungsvertrags entstanden und haben sich schnell durchgesetzt, weil sie dem Vernehmen nach nur selten in Anspruch genommen werden. Es handelte sich also um einen für den Versicherer kaum prämienrelevanten Deckungsinhalt. 388 Zur D&O-Versicherung Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 182 f.; Paetzmann, ZVersWiss 2008, 177 (189). 386

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

rungsunternehmen nämlich zunächst anläßlich des Vertragsschlusses die unternehmensbezogenen389 risikorelevanten Faktoren.390 Durch den i.d.R. jährlichen Neuabschluß wiederholt sich dieser Monitoringeffekt ständig.391 Mitteilungspflichten der Versicherungsnehmerin gegenüber dem Versicherungsunternehmen über versicherungsrelevante Umstände können bei der Versicherungsnehmerin bzw. den versicherten Personen, die diese Informationspflichten für die Versicherungsnehmerin wahrnehmen,392 das Bewußtsein für Haftungsrisiken und die Begrenztheit des Versicherungsschutzes schärfen.393 Die Versicherer fungieren mithin nach Holderness als „hired outside monitors“.394 Hinzu kommt, daß die Befassung der Organmitglieder mit den AVB zu einer Sensibilisierung bezüglich besonderer Risiken führen kann.395 Das ist beispielsweise in bezug auf Risikoausschlüsse für Ansprüche in den USA – namentlich nach Börsenhaftungsrecht396 – denkbar. Diesbezügliche Ausschlüsse in den Bedingungswerken können den Organmitgliedern die besondere Gefährlichkeit solcher Handlungen deutlich machen. Diese Effekte tragen dazu bei, mögliche Einbußen der aus der Haftung selbst resultierenden Steuerungswirkung, die durch das Sicherungsinstrument herbeigeführt werden können, wieder auszugleichen.

(II.) Der Vergleich von Eigen- und Fremdversicherung Im übrigen setzen sich die Vertreter der vor Inkrafttreten des Vorstandsvergütungsgesetzes entwickelten Gegenansicht, die mit Blick auf die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung397 eine analoge Anwendung der §§ 93, 116 AktG postulieren, einem Widerspruch aus, wenn sie vorschlagen, zur Ausräumung aktienrechtlicher Bedenken könne das einzelne Organmitglied eine Haftpflichtversicherung auf eigene Kosten abschließen.398 Denn es kann für eine vermeintliche Beseitigung der Steuerungswirkung der Organhaftung keine Rolle spielen, 389 Zum Aspekt der Unternehmensbezogenheit der Risikobewertung s. Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.) (g). 390 Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 182. 391 Paetzmann, ZVersWiss 2008, 177 (189). 392 Zu den vorvertraglichen Anzeigepflichten s. noch unter Teil F. III. 393 Das Gesagte gilt für Freistellungsvereinbarungen sinngemäß, soweit der Freistellungsschuldner entsprechende Informationspflichten mit dem Gläubiger vereinbart. 394 Holderness, International Review of Law and Economics, 10 (1990), 115 (123 ff.); dazu auch Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 183. 395 Vgl. Paetzmann, ZVersWiss 2008, 177 (189). 396 Dazu Rieger-Goroncy, NVersZ 1999, 247 (250 f.). 397 Die Frage der Zulässigkeit von Freistellungsvereinbarungen ist hiervon nicht betroffen. 398 Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (459), dort Fn. 43 „… gegen die aktienrechtliche Bedenken nicht bestehen“; vgl. auch Kästner, AG 2000, 113 (118).

V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung

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ob die Prämien durch die Gesellschaft oder das Organmitglied getragen werden. Zwischen beiden Varianten gibt es in bezug auf die Sorgfaltsmotivation des Organmitglieds keinen Unterschied.399 Was die Eigenabsicherung des Selbstbehalts nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG anbelangt, entstehen wiederum spezifische Probleme, die gesondert zu untersuchen sind.400

5. Die Folgerungen für die zivilrechtliche Wirksamkeit von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung a) Der Erhalt der Steuerungsfunktion, Institutionenschutz und Unwirksamkeitssanktion Unter diesen Prämissen kann aus Gründen des gesellschaftsrechtlichen Institutionenschutzes nicht die Unwirksamkeit der D&O-Versicherung oder Freistellungsvereinbarung angenommen werden. Es handelt sich bei beiden Instrumenten um rechtlich neutrale Vertragsinstitute, die lediglich als Akzidens eine Modifikation des verhaltenssteuernden Nebenzwecks der Organhaftung nach sich ziehen können, ihn aber nicht vereiteln. Eine Einschränkung der Privatautonomie durch die Annahme eines Verbots, die Verhaltenssteuerung insoweit auch nur graduell zu modifizieren, ist nicht geboten.401 Ein solches Verbot – vorbehaltlich des speziellen Falls des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – wäre nicht nur nicht erforderlich, sondern auch nicht zweckmäßig, um dem durch die Verhaltenssteuerung angestrebten Zweck einer guten corporate governance zu dienen. Denn es würde auf der Annahme beruhen, daß die unbeschränkte Organhaftung das Optimum zur Erreichung dieses Ziels darstellt. Diese These ist aber unbegründet. Ein erdrückendes Haftungsrisiko, wie es aus § 93 Abs. 2 AktG bzw. 43 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich folgt, kann nämlich auch zu einer Lähmung der Unternehmensleitung führen.402 Es kann deshalb durchaus dem Unternehmensinteresse dienen, die Entschließungsfreude der Organmitglieder durch Einführung von Sicherungsinstrumenten wie Freistellung oder D&O-Versicherung zu erhöhen.

399 400 401 402

Dreher, AG 2008, 429 (434). D. VI. 1. Mertens, AG 2000, 447 (452). Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.) (b).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

b) Das Erfordernis eines angemessenen Selbstbehalts als zivilrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung aa) Die begriffliche Unschärfe des angemessenen Selbstbehalts Die zivilrechtliche Wirksamkeit von Freistellung und D&O-Versicherung kann demnach – vorbehaltlich des Anwendungsfalls von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG, aber insbesondere bei der Versicherung von Aufsichtsratsmitgliedern oder Freistellungsvereinbarungen – auch nicht von der Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts abhängen.403 Abgesehen davon, daß eine ohne Selbstbehalt vereinbarte Versicherung gesellschaftsrechtlich – jedenfalls außerhalb von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – nicht zu beanstanden ist, begegnet das Postulat eines angemessenen Selbstbehalts als Wirksamkeitsvoraussetzung weiteren spezifischen Bedenken. Auch die Befürworter eines Selbstbehalts als Wirksamkeitsvoraussetzung sehen, daß das Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit einen unscharfen Rechtsbegriff darstellt und es problematisch sein könnte, die zivilrechtliche Wirksamkeit von Versicherungsverträgen an einen solchen wertungsbezogenen Tatbestand zu knüpfen.404 Sie halten diesen Einwand aber mit dem Hinweis auf das Unangemessenheitskriterium in § 307 Abs. 1 und 2 BGB in bezug auf die Benachteiligung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen des Verwenders für entkräftet, weil jener Tatbestand zeige, daß das Gesetz auch in anderen Zusammenhängen die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften an derartig offene Rechtsbegriffe knüpfe.405 Was die Angemessenheit eines Selbstbehalts angeht, stellen sich aber andere Bewertungsfragen als im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.406 Um die Angemessenheit eines Selbstbehalts zu bestimmten, müßte immer zuerst die Steuerungswirkung der Haftungstatbestände im Einzelfall ermittelt und sodann festgestellt werden, wie stark der in concreto abgeschlossene Versicherungsvertrag in diese Steuerungswirkung eingreift. Die damit einhergehenden Bewertungsprobleme sind nach den Vertretern dieser Ansicht dadurch zu lösen, daß die außerhalb des Selbstbehalts liegenden Faktoren, welche die Intensität der Steuerungswirkung beeinflussen, für unbeachtlich erklärt werden. So soll die zivilrechtliche Wirksamkeit des D&O-Versicherungsvertrags bei Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts auch dann feststehen, wenn „dank weitgehenden Verzichts des Versicherers auf Haftungsausschlussklauseln und dank der Vereinbarung eines alle realistisch vorhersehbaren Risiken abdeckenden Haftungshöchstbetrags keine ernsthaft verbleibenden Risiken für die Organmit403 Dreher, AG 2008, 429 ff.; auch die Analogfähigkeit des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ist zu verneinen, siehe Teil D. VI. 1. 404 Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (468). 405 Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (468). 406 Vgl. Dreher, AG 2008, 429 (438).

V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung

195

glieder“ erkennbar seien.407 Wenn man so verführe, stünde aber fest, daß die Angemessenheit des Selbstbehalts letztlich eine reine Fiktion ist. Denn wenn es der Zweck des Selbstbehalts sein soll, die Steuerungsfunktion der Organhaftung teilweise wiederherzustellen, könnte die Frage, in welchem Umfang die D&O-Versicherung in die Steuerungsfunktion überhaupt eingreift, schwerlich von untergeordneter Bedeutung sein. Je weitgehender die Haftungsausschlüsse sind, desto stärker ist nämlich der Eingriff und desto höher müßte nach der Logik dieses Konzepts der Selbstbehalt ausfallen. Die „Angemessenheit“ eines Selbstbehalts kann also nicht ohne eine vorgeschaltete Ermittlung der konkreten Auswirkungen auf die Steuerungsfunktion erfolgen, weil der übergeordnete Bewertungsmaßstab für die Angemessenheit eben jene Intensität der Einwirkung auf die Steuerungsfunktion ist. Zu Recht hebt § 93 Abs. 2 S. 3 AktG für seinen Anwendungsbereich daher nicht auf das ungeeignete Kriterium der Angemessenheit ab, sondern arbeitet mit feststehenden Werten. Hinzu kommt, daß auch die Angemessenheit selbst eine Quantifizierung der Einwirkungsintensität des Selbstbehalts erforderlich macht. Diese ist mit denselben Bewertungsschwierigkeiten behaftet wie die Beeinträchtigung der Steuerungswirkung durch das Sicherungsinstrument als solches. Die Literatur schlägt insoweit vor, daß der Selbstbehalt „jedenfalls geeignet sein muss, in Bezug auf die Organmitglieder verhaltenssteuernd zu wirken, dass sie aber nicht zu deren finanzieller Überforderung führen und bei ihnen den Insolvenzfall auslösen sollte.“408 Dies führt aber zu der Frage, welche Höhe erforderlich ist, um „in Bezug auf die Organmitglieder verhaltenssteuernd zu wirken“. An dieser Stele ist dann wiederum unklar, wie die Intensität einer Verhaltenssteuerung durch Organhaftung gemessen werden soll und nach welchem Verfahren im Rahmen dessen ein Selbstbehalt gewichtet werden könnte. Von den Vertretern dieser Ansicht wird daher auch eingeräumt, daß die Definition der Voraussetzungen für die Angemessenheit des Selbstbehalts aus diesem Grund schwer zu geben ist.409 Es ist angesichts dieser Bewertungsschwierigkeiten erst recht zweifelhaft, ob es gelingen kann, belastbare allgemeingültige Berechnungsformeln für die Bestimmung eines angemessenen Selbstbehalts410 als zivilrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung festzulegen.411 Pammler meint beispielsweise, der Selbst407

Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (468). Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (469. 409 Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (469 und 472): „Die Angemessenheit des Selbstbehalts lässt sich weder schematisch für alle Organmitglieder fixieren noch bedarf es dazu einer Analyse des Einzelfalls“. 410 Zur Klarstellung: Diese Schwierigkeit betrifft die Definition feststehender Werte zwecks Konkretisierung eines „Angemessenheitskriteriums“. Davon zu trennen ist die dem Gesetzgeber offenstehende Möglichkeit, unmittelbar feststehende Werte vorzuschreiben, was er in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG für dessen Anwendungsbereiche ja auch getan hat. 411 So auch Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 70 „Was als Selbstbehalt angemessen ist, ist völlig unklar.“ 408

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

behalt – von ihm definiert als ein Prozentanteil des geltend gemachten Schadens – dürfe einerseits nicht zu hoch sein, andererseits nicht zu niedrig, um auch bei kleineren Schäden noch seine Wirkung entfalten zu können. Er schreibt: „Deswegen erscheint ein Selbstbehaltsanteil von 10 % angemessen.“412 Daß ein solcher Wert angemessen erscheint, um einen zusätzlichen Verhaltensanreiz zu setzen, mag sein. Auch § 93 Abs. 2 S. 3 AktG nennt diesen Wert. Nur läßt sich solches außerhalb von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG eben nicht dem Gesetz entnehmen, und erst recht läßt sich ihm nicht entnehmen, daß D&O-Versicherungsverträge unwirksam sein sollen, wenn ein Selbstbehalt vereinbart wurde, der 10 % unterschreitet. § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ist hier auch nicht analogiefähig.413 Ebensogut könnte man die These vertreten, es erscheine ein Selbstbehaltsanteil von 5 % angemessen oder von 15 %. Es müßte sich hierbei also zwangsläufig um „gegriffene Werte“ handeln. Wenn es aber an einer gesetzlichen Regelung fehlt, die insoweit Vorgaben macht, wenn bereits das abstrakte Konzept der Bestimmung zahlreiche ebenfalls gesetzlich nicht geregelte Fragen aufwirft, wie u.a. ob ein Festbetrag oder ein Prozentsatz die Angemessenheit bestimmt, wenn darüber hinaus die gesamte These eines aktienrechtlich erforderlichen Selbstbehalts außerhalb von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG auf einer lediglich analogen Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG beruht, wird deutlich, daß die Diskussion über die Zulässigkeit von Sicherungsinstrumenten wie der D&O-Versicherung oder der Freistellung und die Notwendigkeit von Selbstbehalten als Wirksamkeitsvoraussetzung in den Bereich der Rechtspolitik gehört. Dort hat sie daher der Gesetzgeber bei § 93 Abs. 2 S. 3 AktG auch aufgegriffen. Die Richtigkeit dieser Erkenntnis bestätigt der Corporate Governance Kodex in Ziff. 3.8 Abs. 2, der für die Fälle außerhalb des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – also Aufsichtsratsmitglieder – lediglich die Empfehlung eines Selbstbehalts ausspricht. Der Selbstbehalt ist also danach keine konstitutive Voraussetzung für den Versicherungsvertrag.414 Dem Kodex kommt zwar kein Gesetzesrang zu, er kann aber – auch aufgrund der Kontrollfunktion des nach § 161 AktG in die amtliche Veröffentlichung eingeschalteten Bundesjustizministeriums – als Interpretationshilfe im Aktienrecht herangezogen werden.415 Hierzu bringt die Gegenansicht freilich bezogen auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – aber seither für die Fälle außerhalb dessen weiterhin relevant – vor, daß Ziff. 3.8 DCGK nicht dagegen spreche, § 93 AktG „analog“ anzuwenden mit dem Ergebnis, daß eine ohne Selbstbehalt vereinbarte Versicherung nichtig sei, da das Aktiengesetz über dem Kodex ste-

412 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 92. 413 Siehe im einzelnen noch sub D. VI. 1. 414 Dreher, AG 2008, 429 (435 f.); Lorenz, in: Liber Amicorum für Römer 2009, S. 177 ff. 415 Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (466 f.).

V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung

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he.416 Es ist zwar unbestreitbar, daß der DCGK das Aktiengesetz nicht modifizieren kann und folglich auch einer analogen Anwendung desselben (außerhalb von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ) nicht entgegenstünde. Das ändert aber nichts daran, daß die Voraussetzungen einer Analogie für § 93 AktG ohnehin nicht vorliegen.417 Daß der DCGK eine Analogie normhierarchisch nicht hindern könnte, bedeutet nicht im Umkehrschluß, daß eine Analogie statthaft ist. Ferner heißt es, daß die beiden Corporate Governance Kommissionen seinerzeit, d.h. in den Jahren 2000 bis 2002, von der damals vorherrschenden Ansicht der aktienrechtlichen Zulässigkeit der D&O-Versicherung geleitet worden seien und diesen Standpunkt „offenbar ohne eingehendere Sachprüfung“ zugrunde gelegt hätten.418 Ob die Corporate Governance Kommissionen eine eingehendere Sachprüfung über die Erforderlichkeit eines angemessenen Selbstbehalts haben vermissen lassen, ist mit Blick auf ihren Abschlußbericht aber zweifelhaft. Dort419 heißt es zunächst in Betreff der grundsätzlichen Zulässigkeit D&O-Versicherung: „Insoweit bestand in der Regierungskommission Einigkeit, dass die Zulässigkeit einer D&O-Versicherung für Vorstände und Aufsichtsräte außer Frage stehe. Auch gegen die Zahlung der Haftpflichtprämien durch die Gesellschaft bestünden keine Bedenken, vorausgesetzt, dass ein Selbstbehalt jedenfalls in Fällen grob fahrlässigen Verhaltens vorgesehen ist. Einer gesetzlichen Regelung zur Zulässigkeit der D&O-Versicherung bedarf es deshalb nach Auffassung der Regierungskommission nicht.“ Daraus geht bereits hervor, daß die Vereinbarung eines Selbstbehalts keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Versicherung unter dem Gesichtspunkt der Sicherung der Steuerungsfunktion sein soll. Ein Selbstbehalt ist aus Sicht der Kommission mit Blick auf die Prämientragungspflicht der Gesellschaft geboten. Insoweit handelt es sich nur um eine Empfehlung, nicht um eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Prämientragung durch die Gesellschaft oder der D&OVersicherung im allgemeinen, wie auch die folgende Passage des Abschlußberichts erhellt: „Erwogen wurde hingegen, eine Regelung im Code of Best Practice zu empfehlen, dass im Rahmen des Abschlusses einer D&O-Versicherung die verhaltenssteuernde Funktion der Haftung durch die Wahl eines ausreichenden Selbstbehalts der Organmitglieder zu gewährleisten sei. In diesem Zusammenhang wurde die Auffassung vertreten, von der Vereinbarung eines Selbstbehalts zulasten der Organmitglieder dürfe nicht abgesehen werden, da eine ansonsten eintretende vollständige Haftungsfreistellung der Organmitglieder (mit der Aus416

Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (467). Oben D. V. 3. 418 Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (467). 419 BT-Drucks. 14/7515, S. 53 f. = Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 115. 417

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

nahme der Haftung für vorsätzliches Verhalten) mit der Regelung der §§ 93, 116 AktG nicht zu vereinbaren sei, nach denen ein Organmitglied nicht im Vorhinein von einer Haftung freigestellt werden könne, wenn das haftungsbegründende Verhalten sich zugleich im Innenverhältnis als (schuldhafte) Pflichtverletzung darstelle. In der Praxis wird allerdings in der Regel kein Selbstbehalt der Organmitglieder vereinbart. Praktisch wird sich ein Selbstbehalt zwar vielleicht letzten Endes in einem entsprechend höheren Aufwand der Gesellschaften niederschlagen. Die verhaltenssteuernde Funktion eines richtig gewählten Selbstbehalts wird dadurch aber nicht beseitigt. Die Regierungskommission stellt der einzurichtenden Kommission zur Entwicklung eines Corporate Governance-Kodex anheim, die Regelung der Frage des Selbstbehalts im Code of Best Practice zu prüfen.“ Die mögliche Unvereinbarkeit der D&O-Versicherung mit den §§ 93, 116 AktG wurde also lediglich im forum internum diskutiert und im Abschlußbericht referiert. Die Regierungskommission hat sich diese Ansicht in ihrem Abschlußbericht nicht zu eigen gemacht, sondern es statt dessen der Kommission zur Entwicklung des Kodex anheim gestellt, die Frage zu prüfen. Die Ausführung dieses Prüfungsauftrags hat zu der erwähnten Ziff. 3.8 geführt, der heute noch für die Versicherung der Aufsichtsratsmitglieder – d.h. außerhalb von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – gilt. Sie ist bei genetischer Auslegung daher als eine Reflexion über die grundsätzlichen Erwägungen der Regierungskommission anzusehen. Es besteht deshalb kein Grund, die klare Aussage der Ziff. 3.8 zu relativieren oder zu ignorieren. Ein weiterer Hinweis darauf, daß aus dem geltenden Aktiengesetz außerhalb von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG nicht die Notwendigkeit der Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts als Wirksamkeitserfordernis für den Abschluß eines D&O-Versicherungsvertrags – und mutatis mutandis einer Freistellung – resultiert, ergibt sich auch aus einer Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 25. Februar 2003.420 Dort sagt das Ministerium, es sei im Rahmen der Initiative zur Verbesserung des Anlegerschutzes und der Unternehmensintegrität zu prüfen, „ob für die D&O-Versicherung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern ein Selbstbehalt gesetzlich vorgeschrieben werden soll.“421 In der Formulierung „gesetzlich vorgeschrieben werden soll“ kommt zum Ausdruck, daß sich solches noch nicht aus der lex lata ergibt.422 Durch das im Jahr 420 Verfügbar auf der Homepage des BMJ, www.bmj.bund.de unter der Rubrik Pressemitteilungen: „Bundesregierung stärkt Anlegerschutz und Unternehmensintegrität“. 421 Siehe Pressemitteilung a.a.O., sub 3, 13. Gliederungspunkt. 422 Hierzu Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 87, wobei der Autor von der aktienrechtlichen Notwendigkeit der Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts ausgeht und die vom Bundesministerium der Justiz erwogene gesetzliche Regelung nur unter dem Gesichtspunkt der deklaratorischen Wirkung begrüßt.

V. Die Rechtsfolgen eines Eingriffs der Freistellung

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2004 geplante, später aber fallengelassene Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz423 sollte in der Tat – wie bereits erwähnt – in § 37a Abs. 6 WpHG ein Selbstbehalt für die D&O-Versicherung ausdrücklich festgeschrieben werden.424 Das Vorhaben wurde nach berechtigter Kritik – auch an der Regelung zum Selbstbehalt425 – jedoch nicht verwirklicht. Nun gilt das Erfordernis eines Selbstbehalts nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG nur für die Vorstandsmitglieder. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß die Vereinbarung eines Selbstbehalts ohnehin von begrenzter Wirkung auf das Verhalten der Organmitglieder ist. Zunächst steht keinesfalls fest, daß die Betroffenen vom Bestehen eines D&OVersicherungsvertrags und ggf. einem insoweit geltenden Selbstbehalt überhaupt Kenntnis haben. Da es sich um eine Fremdversicherung handelt, ist eine rechtsgeschäftliche Beteiligung der versicherten Personen am Vertragsschluß nicht erforderlich. Insbesondere bei Konzernpolicen sind die Organmitglieder daher mitunter über das Bestehen des Versicherungsschutzes, jedenfalls aber über die Einzelheiten der Deckung, nicht informiert.426 Die Angemessenheit des Selbstbehalts kann mithin – vorbehaltlich des Sonderproblems des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG427 – nur eine Frage der Zweckmäßigkeit der Ausgestaltung der D&O-Versicherung bzw. der Freistellungsvereinbarung sein,428 aber nicht der zivilrechtlichen Wirksamkeit des Vertrags.429 D&OVersicherung und Freistellung verstoßen nicht gegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, und zwar (wiederum für die D&O-Versicherung vorbehaltlich § 93 Abs. 2 S. 3 AktG) auch ohne Vereinbarung eines Selbstbehalts. Desgleichen ist eine D&O-Versicherung oder Freistellungsvereinbarung ohne Selbstbehalt auch im GmbH-Recht und in anderen Gesellschaftsformen zulässig.

423

BMF, KapInHaG-Diskussionsentwurf v. 16.08.2004, abgedr. in NZG 2004, 1042 ff. „Schließt die Gesellschaft für Mitglieder des Leitungs-, Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans eine Versicherung ab, durch die eine Inanspruchnahme nach Absatz 2 abgedeckt werden soll, so ist ein Selbstbehalt zu Lasten des Versicherten in Höhe von fünfzig Prozent der Versicherungssumme zu vereinbaren.“ 425 Vgl. Baumann, VersR 2006, 455 (464); Sünner, DB 2004, 2460 (2463). 426 Dreher, AG 2008, 429 (433). 427 Dazu unter D. VI. 1. 428 So auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler, Martin Zeil, Jürgen Koppelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 16/9673 – zu Organ- und Manager-Haftpflichtversicherungen bei der KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau und der quasi-staatlichen IKB Deutsche Industriebank AG, BT-Drucks, 16/9925 v. 3.7.2008, S. 1: „Die Entscheidung über den Abschluss einer Organ- und/oder Manager-Haftpflichtversicherung wird von Unternehmen, unabhängig davon, ob der Staat Anteilseigner ist oder nicht, eigenverantwortlich getroffen.“ 429 Dreher, AG 2008, 429 (430 ff.). 424

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

bb) Die Rechtsfolgenbetrachtung Das gegenteilige Ergebnis würde in praxi auch zu untragbaren Rechtsunsicherheiten führen, weil sich in jedem Deckungsprozeß zunächst die Frage nach der Angemessenheit des Selbstbehalts stellen würde. Dieses Problem beträfe nach Inkrafttreten des Vorstandsvergütungsgesetzes insbesondere die Versicherung von Aufsichtsräten, würde sich aber in Altfällen auch für Vorstandsmitglieder ergeben, die jetzt unter § 93 Abs. 2 S. 3 AktG fallen. Angesichts der weitreichenden Haftungsausschlußklauseln und des Trennungsprinzips würde eine Vorschaltung eines solchen im Ergebnis durch richterliches Ermessen auszufüllenden zusätzlichen Wirksamkeitstatbestands jede D&O-Versicherung bzw. Freistellungsvereinbarung auf tönerne Füße stellen. Der eigentliche Zweck der D&O-Versicherung, im Interesse des Unternehmens die Handlungsfähigkeit der Organmitglieder vor einer bisweilen lähmenden Furcht vor existenzbedrohenden Haftungsfolgen zu schützen, ließe sich nicht mehr erreichen. Eine Vielzahl bestehender Versicherungsverträge wäre zivilrechtlich unwirksam.430 Zur Lösung dieses Problems wird vorgeschlagen, daß das Unternehmen als Versicherungsnehmerin und der Versicherer nachträglich einen Selbstbehalt vereinbaren. Die Zustimmung des versicherten Organmitglieds sei dafür nicht notwendig, weil dieses nicht Partner des Versicherungsvertrags sei.431 Die Organmitglieder hätten auch gegenüber der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin und Versprechensempfängerin im Sinn von § 328 BGB keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung des bisherigen Vertragsinhalts, weil dieser in Ermangelung eines Selbstbehalts mit §§ 93, 116 AktG unvereinbar sei.432 Diese Vorschläge ändern aber nichts daran, daß bis zu einer entsprechenden Vertragsmodifikation ein versicherungsvertragliches Vakuum bestünde. Sollte sich eine der beiden Parteien weigern, eine Vertragsanpassung vorzunehmen, oder keine Einigkeit hinsichtlich der Höhe des Selbstbehalts, der neuen Prämienberechnung und der Rückwärtsdeckung erzielt werden, fiele der Versicherungsschutz dauerhaft fort. Versicherungsleistungen, die in der Vergangenheit vom Versicherer erbracht wurden, wären rechtsgrundlos erfolgt mit entsprechenden bereicherungsrechtlichen Konsequenzen.

430 Zu dieser Konsequenz Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (470); Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsverhältnis des Aktienrechts, 2006, S. 98 f. 431 Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (470). 432 Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (470 f.).

VI. Der angemessene Selbstbehalt

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VI. Der angemessene Selbstbehalt 1. Der Selbstbehalt nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG a) Hintergrund Die soeben in Teil D. V. durchgeführte Prüfung hat ergeben, daß eine D&OVersicherung, auch wenn sie keinen Selbstbehalt aufweist, nicht in unzulässiger Weise in eine Steuerungsfunktion des Organhaftungsrechts eingreift. Aus der Steuerungsfunktion des Organhaftungsrechts selbst kann daher entgegen vereinzelten Stimmen in der Literatur nicht abgeleitet werden, daß ein zivilrechtlich wirksamer Versicherungsvertrag die Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts verlangt. Von diesem Ausgangsbefund ist nun die Sonderregelung in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG zu trennen, der einen Selbstbehalt für die Versicherung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft vorschreibt. Die Norm wurde durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung433 in das AktG aufgenommen und ist zum 5. August 2009 in Kraft getreten. Der Gesetzgeber gab vor, mit dieser Regelung auf die Ursachen der Finanzkrise reagieren zu wollen.434 Die Zweckmäßigkeit dieser Vorschrift ist bereits verschiedenen Zweifeln ausgesetzt. Was die Diagnose der Ursachen der Finanzkrise anbelangt, ist zunächst fraglich, inwieweit ein aufgrund versicherungsrechtlicher Deckung vermeintlich zu niedriges Haftungsrisiko gerade von Vorstandsmitgliedern einen nennenswerten Beitrag zur Auslösung der Mißstände an den Finanzmärkten geleistet hat.435 Ferner hat die Untersuchung in Teil C. gezeigt, daß die D&OVersicherung keineswegs eine „Vollkasko-Deckung“ begründet. Das mittlerweile ganz erhebliche Organhaftungsrisiko wird durch dieses Versicherungsprodukt vielmehr nur graduell abgemildert. Die weitreichenden Haftungsausschlüsse und begrenzten Deckungssummen seien hier nur nochmals pars pro toto hervorgehoben. 433

BGB l. I. 2009 S. 2509. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433, S.1 ff. 435 Zur Verantwortlichkeit von Bankgeschäftsleitern der IKB im Rahmen der Finanzkrise jetzt OLG Düsseldorf, Beschluß v. 9. Dezember 2009 – 6 W 45/09, AG 2010, 126 = ZIP 2010, 28; bestätigt durch BGH, Beschluß v. 1. März 2010 – II ZB 1/10, ZIP 2010, 446 = NZG 2010, 347; zur Entscheidung des OLG Düseldorf Fleischer, NJW 2010, 1504; Spindler, NZG 2010, 281. Im Fall IKB wurde zwar dem Vernehmen nach auf eine Geltendmachung von Organhaftungsansprüchen verzichtet, weil eine selbstbehaltslose D&O-Versicherung bestand (Manager Magazin vom 13.12.2007). Näheres zu dieser Frage ist jedoch nicht bekannt. Es ist ferner offen, ob das Bestehen von selbstbehaltslosen D&O-Versicherungen wirklich eine greifbare Bedeutung für eine erhöhte Schadenwahrscheinlichtkeit im Rahmen der Finanzmarktkrise hatte. Dagegen sprechen schon die weitreichenden Deckungsausschlüsse, namentlich bei Vorsatz und bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, und die begrenzten Deckungssummen, die bei Großschäden leicht überschritten werden können. 434

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

Ein zwingend vorgegebener Selbstbehalt für die D&O-Versicherung erscheint daher nicht als wirkungsvolles Instrument, um die Einhaltung guter corporate governance zu fördern. Darin fügt sich ein, daß eine Eigenversicherung des Selbstbehalts durch das Organmitglied nach dem Gesetz nicht verboten ist. Im Gesetzgebungsverfahren war noch vorgeschlagen worden, ein solches Verbot aufzunehmen.436 Der Gesetzgeber hat dann aber schließlich doch darauf verzichtet. Insgesamt drängt sich daher bereits der Eindruck auf, daß es sich bei § 93 Abs. 2 S. 3 AktG eher um einen Akt „symbolischer Gesetzgebung“ handelt, als um eine notwendige Maßnahme zur Verbesserung der Unternehmensleitung. Desungeachtet löst die Vorschrift einige Auslegungsfragen aus, die bereits innerhalb kürzester Zeit zu einer Flut von Stellungnahmen in der Literatur geführt haben.437

b) Der sachliche Anwendungsbereich § 93 Abs. 2 S. 3 AktG erfaßt die „Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit für die Gesellschaft“. Damit ist die D&O-Versicherung gemeint. Der Zwangs-Selbstbehalt betrifft daher nur die versicherungsrechtliche Deckung des Organhaftungsrisikos selbst. Hingegen können solche Versicherungen nicht unter § 93 Abs. 2 S. 3 AktG fallen, die sonstige Risiken im weitesten Sinn betreffen. Dazu gehört etwa die IndustrieStrafrechtsschutzversicherung.438 Aus der insoweit eindeutigen Formulierung „Versicherung“ folgt des weiteren, daß § 93 Abs. 2 S. 3 AktG auch nicht für Freistellungsvereinbarungen nicht-versicherungsrechtlicher Art gilt. Freistellungsvereinbarungen eines Aktionärs oder eines gesellschaftsfremden Dritten mit Vorstandsmitgliedern sind daher ohne Selbstbehalt zulässig. Wie die Prüfung in Teil D. V. ergeben hat, folgt für solche Freistellungsvereinbarungen auch nicht aus der organhaftungsrechtlichen Steuerungsfunktion die Notwendigkeit eines angemessenen Selbstbehalts als Wirksamkeitsvoraussetzung. § 93 Abs. 2 S. 3 AktG bezieht sich nur auf die Versicherung von Vorstandsmitgliedern in einer Aktiengesellschaft. Dies bedeutet, daß Aufsichtsratsmitglieder oder leitende Angestellte nicht vom Zwangs-Selbstbehalt erfaßt werden. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf sie ist mangels Regelungslücke nicht ge436 Siehe Thüsing, Stellungnahme zum VorstAG S. 13 f., verfügbar auf der homepage des Bundestags. 437 Aus der ständig wachsenden Zahl der Publikationen zu diesem Thema siehe exemplarisch nur Franz, DB 2009, 2764 ff.; Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434 (2441f.) ff.; Lange, VersR 2009, 1011 ff.; Gaul/Janz, NZA 2009, 809 (812 f.) ff.; van Kann, NZG 2009, 1010 ff.; Spindler, NJOZ 2009, 3282 (3287 f.); van Kann/Keiluweit, DStR 2009, 1587 (1589); Nikolay, NJW 2009, 2640 (2644 f.); Hoffmann-Becking/Krieger, NZG-Beil. 2009, 1 (6 ff.); Bosse, BB 2009, 1650 (1652); Gädtke, VersR 2009, 1565 ff.; Greven, BB 2009, 2154 (2157); Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 (1353 f.); Dauner-Lieb/Tettinger, ZIP 2009, 1555 ff.; Fiedler, MDR 2009, 1077 ff.; Ihlas, VW 2009, 1360 ff.; Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 ff. 438 Dazu im einzelnen noch J. II. 1.

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boten. Die Untersuchung unter D. V. hat gezeigt, daß die Steuerungsfunktion des Organhaftungsrechts auch nicht durch eine selbstbehaltslose D&O-Versicherung zugunsten von Aufsichtsratsmitgliedern in unzulässiger Weise eingeschränkt wird. Daraus folgt zugleich, daß § 93 Abs. 2 S. 3 AktG keine gesetzgeberische Konkretisierung eines vermeintlich ohnehin bestehenden aktienrechtlichen Erfordernisses eines Selbstbehalts ist, sondern eine konstitutive Regelung mit Ausnahmecharakter. Für Aufsichtsratsmitglieder empfiehlt lediglich Ziff. 3.8 DCGK, daß ein „entsprechender Selbstbehalt“ vereinbart wird. Hierauf ist an anderer Stelle vertieft einzugehen.439 Nach Wortsinn, Regelungsstruktur und Telos gilt § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ferner nicht für die Eigenschadendeckung der Gesellschaft im Rahmen einer sog. entity coverage. Zwar hat sich die Entity-Deckung mittlerweile in Deutschland weit verbreitet. Sie bezieht sich aber gerade nicht auf eine Entlastung des Organmitglieds von den Folgen der Organhaftung, so daß diesbezüglich ein Selbstbehalt gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Nach seinem Wortlaut gilt § 93 Abs. 2 S. 3 AktG nur, wenn „die Gesellschaft“ eine D&O-Versicherung betreffend eine Tätigkeit der Vorstandsmitglieder „für die Gesellschaft“ schließt. Das bedeutet, daß zunächst die Vorstandsmitglieder der AG erfaßt sind, die selbst Versicherungsnehmerin ist. Nach seinem Telos muß § 93 Abs. 2 S. 3 AktG jedoch bei einer Konzernpolice auch für mitversicherte Vorstandsmitglieder in Tochtergesellschaften greifen. Andernfalls könnte § 93 Abs. 2 S. 3 AktG auch ohne weiteres durch Zwischenschaltung einer anderen versicherungsnehmenden Gesellschaft ausgehebelt werden. Soweit das Vorstandsmitglied einer Tochtergesellschaft von einer anderen Konzerngesellschaft vergütet wird, ist nach Sinn und Zweck des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG bezüglich des insoweit greifenden Selbstbehalts hinsichtlich der Höhe der Vergütung aber nur auf den (hypothetischen) Anteil der festen Vergütung abzustellen, der sich auf die Tätigkeit in der Tochtergesellschaft bezieht und dessen Höhe sich etwa aus konzerninternen Verrechnungsschlüsseln oder den Regelungen im Anstellungsvertrag ergibt.

c) Die betroffenen Deckungselemente aa) Die Innen- und die Außenhaftung Die D&O-Versicherung, wie sie auf dem deutschen Markt angeboten wird, deckt sowohl die Innen- als auch die Außenhaftung ab. Es stellt sich damit die Frage, ob § 93 Abs. 2 S. 3 AktG nur die Versicherung der Innenhaftung meint oder sich auch auf Außenhaftungstatbestände bezieht. Nach dem undifferenzierten Wortsinn könnte letzteres anzunehmen sein. Ein solches weites Verständnis wäre aber mit der Systematik, dem Telos und der Genese der Vorschrift nicht zu vereinbaren. In systematischer Hinsicht muß zunächst be439

D. VI. 3.

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

rücksichtigt werden, daß die Regelung Bestandteil des Innenhaftungsrechts ist. Darin kommt bereits zum Ausdruck, daß es dem Zwangs-Selbstbehalt um eine Stärkung bzw. Wahrung der Steuerungsfunktion des Innenhaftungsrechts geht.440 Wenn die Vorschrift auch Außenhaftungstatbestände erfassen sollte, wäre es näherliegend gewesen, sie an anderer Stelle im Aktienrecht oder etwa im Versicherungsvertragsrecht anzusiedeln. Unter teleologischen Gesichtspunkten erscheint das Außenhaftungsrecht in seiner Gesamtheit ferner zu uneinheitlich, als daß sich die Notwendigkeit eines Selbstbehalts als zur Wahrung der jeweiligen Steuerungsfunktionen erforderlich ansehen ließe.441 Hinzu kommt, daß eine Außenhaftung vielfach zugleich mit einem Schaden der Gesellschaft verbunden ist und ein solcher Tatbestand, sofern eine Organpflicht verletzt wurde, sodann zu einem Innenhaftungsanspruch nach § 93 AktG führt. Für die Fälle einer reinen Außenhaftung ohne gleichzeitige Schädigung der Gesellschaft bzw. Organpflichtverletzung besteht aber sub specie der Wahrung der Grundsätze guter Corporate Governance kein Interesse des Aktienrechts. Dies spiegelt sich – was im Rahmen der genetischen Auslegung relevant ist – nicht zuletzt darin wider, daß die gesellschaftsrechtliche Diskussion über die Notwendigkeit eines Selbstbehalts der D&OVersicherung im Aktienrecht sich bislang stets auf die Steuerungsfunktion des Innenhaftungsrechts beschränkt hat. Es kann deshalb nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber nicht nur für die Innenhaftung des Vorstands nach § 93 AktG erstmals konstitutiv einen Selbstbehalt regeln wollte und dieser zugleich auf eine Vielzahl von Außenhaftungstatbeständen ausgedehnt werden sollte, die bislang nicht Gegenstand der Diskussion in Wissenschaft und Praxis waren. § 93 Abs. 2 S. 3 AktG kann daher nur für die Innenhaftung gelten.

bb) Die Abwehrkosten Die D&O-Deckung erstreckt sich auch auf die Kosten der Anspruchsabwehr. § 93 Abs. 2 S. 3 AktG nimmt diesen Teil der D&O-Versicherung ebenfalls nicht ausdrücklich vom Zwangs-Selbstbehalt aus. Jedoch kann auch diesbezüglich § 93 Abs. 2 S. 3 AktG nach Systematik und Telos nicht greifen.442 Auch wenn die Schadensabwehrkosten in D&O-Versicherungsfällen beträchtlich sein können und daher als wirtschaftliches Risiko ebenfalls eine eigenständige abschreckende Wirkung entfalten, so sind sie jedoch nicht Gegenstand der Schadenersatzpflicht des Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 AktG. Wie soeben dargelegt, dient § 93 Abs. 2 S. 3 AktG aber nur der Sicherung der Steuerungsfunktion des Innenhaftungsanspruchs, so daß eine Erstreckung des 440

So auch Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659. Siehe zu verschiedenen Außenhaftungstatbeständen die Untersuchung der Steuerungsfunktion in Teil D. IV. 2. 442 So auch Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 (1660). 441

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Zwangs-Selbstbehalts auf die Abwehrkosten nicht geboten ist. Dieses Verständnis wird ferner durch den Wortsinn der Vorschrift bestätigt, denn § 93 Abs. 2 S. 3 AktG bezieht sich hinsichtlich der Bestimmung der Höhe des Selbstbehalts u.a. auf einen Prozentsatz „des Schadens“. Schaden in diesem Sinn kann dann aber nur der Vermögensnachteil sein, welcher der Gesellschaft entstanden ist und nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG vom Organmitglied liquidiert werden kann.443 Die Erstreckung des Selbstbehalts auf die Abwehrkosten wäre auch deshalb problematisch, weil es zu Kollisionen mit Allocation-Regelungen im Rahmen der Entity-Deckung kommen könnte. Die Allocation-Regelung soll gerade vermeiden, daß es hinsichtlich der Haftpflichtfrage zwischen dem Organmitglied und der Gesellschaft zu weiteren Auseinandersetzungen über die Zuordnung der getätigten Schadensabwehraufwendungen kommt. Die Geltung eines organbezogenen Selbstbehalts bezüglich der Abwehrkosten würde aber wiederum eine Differenzierung zwischen der Sphäre der Gesellschaft einerseits und der des Organmitglieds andererseits erforderlich machen.444

d) Die Bemessung des Selbstbehalts Nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG muß ein Selbstbehalt von mindestens 10 % des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vereinbart werden. Erste Anhaltspunkte hinsichtlich des vom Gesetzgeber Gewollten ergeben sich aus den Materialien. Dort heißt es445: „Bei der Vereinbarung des Selbstbehalts sind zwei Werte festzusetzen: Eine prozentuale Quote, die sich auf jeden einzelnen Schadensfall bezieht, und eine absolute Obergrenze, die für alle Schadensfälle in einem Jahr zusammen gilt, jedoch bei großen Schäden auch schon bei einem einzigen Schadensfall erreicht werden kann. Die Höhe der Werte gibt das Gesetz nicht abschließend vor, geregelt wird lediglich, wie hoch die Werte mindestens sein müssen. Bei jedem Schadensfall hat sich das Vorstandsmitglied mit einem vertraglich festzulegenden Prozentsatz an dem Schaden zu beteiligen, der mindestens 10 Prozent betragen muss. Absolute Obergrenze ist ein Betrag, der mindestens dem Eineinhalbfachen der jährlichen Festvergütung entsprechen muss.“ Hinsichtlich der prozentualen Vorgabe folgt daraus also, daß bezüglich eines jeden Schadenfalls – der in der D&O-Versicherung dem claims made-Prinzip unterliegt – mindestens 10 % von dem Organmitglied zu tragen sind. Wenn es mithin innerhalb desselben Kalender- oder Versicherungsjahrs zu mehreren Schadenfällen kommt, muß dieser 10 %-Anteil jeweils erneut greifen. Wie so443

So auch Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 (1660). Freilich kann, ohne daß § 93 Abs. 2 S. 3 AktG dies vorschriebe, ein Selbstbehalt durch Vereinbarung auf die Abwehrkosten erstreckt werden. 445 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum VorstAG, BT-Drucks. 16/13433, S. 11. 444

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

eben dargelegt, kann „Schaden“ in diesem Sinn nur den Umfang des Innenhaftungsanspruchs nach § 93 Abs. 2. S. 1 AktG bedeuten. Die Abwehrkosten sind also nicht einzubeziehen. Problematisch kann diese Regelungsanordnung werden, wenn die D&O-Police eine Serienschadenklausel enthält. Sofern der Versicherungsvertrag mehrere Schäden zu einem Schadenereignis oder mehrere Versicherungsfälle zu einem Versicherungsfall verknüpft, stellt sich die Frage, ob hierbei der 10 %-Selbstbehalt dann trotzdem kumulativ in Ansatz zu bringen ist. Dies könnte dazu führen, daß der Versicherer für den betreffenden Serienschaden die Jahresmaximierung nur einmal zur Verfügung stellen muß, der Selbstbehalt aber mehrfach greift. Eine solche Auslegung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG könnte jedoch nicht überzeugen. Denn eine mögliche Einschränkung einer Steuerungsfunktion des Organhaftungsrechts richtet sich allein nach dem Umfang der Deckung. Soweit der Versicherer nur einmal leisten muß, kann daher der Selbstbehalt auch nur einmal greifen. Dies entspricht im übrigen der gängigen versicherungsvertragsrechtlichen Praxis, soweit außerhalb § 93 Abs. 2 S. 3 AktG Selbstbehalte auf Serienschadenklauseln treffen.446 Die zweite, kumulativ zu vereinbarende Obergrenze beträgt nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG „mindestens die Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds“. Nach dem Wortsinn ist also nicht klar, ob sich diese zweite Mindestgrenze auf den einzelnen Versicherungsfall bezieht, wie die 10 %-Regelung, oder ob dies eine Höchstgrenze für die innerhalb einer bestimmten Referenzperiode eintretenden Versicherungsfälle meint. Anders als dies in der Literatur teilweise gesehen wird,447 läßt sich der Vorschrift nicht entnehmen, daß sich die Grenze des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung „wortlautgemäß“ auf den einzelnen Schaden bezieht. Vielmehr trifft das Gesetz hier keine Festlegung. Da der Gesetzgeber insoweit jedoch klargestellt hat, daß die zweite Grenze sich auf „alle Schadensfälle in einem Jahr zusammen“ bezieht,448 steht fest, daß dieses Verständnis nicht richtig sein kann.449 Andernfalls wäre der Selbstbehalt auch so hoch, daß er zur wirtschaftlichen Überforderung des Organmitglieds führen könnte und damit die D&O-Versicherung entwerten würde. Damit verbleibt aber die Frage, welches Bezugsjahr für diese zweite Selbstbehaltsgrenze gilt. Auch hierüber sagt § 93 Abs. 2 S. 3 AktG nichts. Die Materialien erklären dazu:450 „Das Bezugsjahr für den anzuwendenden Selbstbehalt ist das Jahr des Pflichtverstoßes.“ Da der Versicherungsfall in der D&O446

Vgl. Langheid/Grote, VersR 2005, 1163 (1174). Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 (1660). 448 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum VorstAG, BT-Drucks. 16/13433, S. 11. 449 So auch im Ergebnis Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 (1660). 450 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum VorstAG, BT-Drucks. 16/13433, S. 11. 447

VI. Der angemessene Selbstbehalt

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Versicherung nach dem claims made-Prinzip definiert wird, können also die relevanten Zeiträume auseinanderfallen. Unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung der Steuerungsfunktion des Organhaftungsrechts ist dieser Ansatz konsequent, weil es darum geht, Pflichtverletzungen des Organmitglieds entgegenzuwirken. Das Organmitglied kann daher nicht darauf spekulieren, daß es zu einem späteren Zeitpunkt der Anspruchserhebung möglicherweise keine Organfunktion mehr ausübt und folglich sein Selbstbehalt in Ermangelung einer entsprechenden Vergütung entfällt. Nach dem Präventionszweck des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG kann die auf die Jahresvergütung zum Zeitpunkt des Pflichtverstoßes bezogene zweite Grenze des Selbstbehalts deshalb auch nicht durch einen nachträglichen vollständigen oder teilweisen Verzicht auf die Vergütung herabgesetzt werden. Maßgeblich muß die mit Abschluß des Referenzjahrs vertraglich geschuldete Festvergütung sein. Was das Vergütungsjahr zum Zeitpunkt des Pflichtverstoßes anbelangt, lassen der Gesetzeswortlaut und die Materialien offen, ob es sich dabei um das Kalenderjahr, das Versicherungsjahr oder das Geschäftsjahr der Aktiengesellschaft handelt. Die Literatur meint teilweise, daß nach dem allgemeinen Sprachgebrauch das Kalenderjahr gemeint sei.451 Dieses Sprachverständnis erscheint aber nicht zwingend. Hätte der Gesetzgeber hier den Bezugspunkt genauer festlegen wollen, wäre eine entsprechende Klarstellung im Gesetzeswortlaut geboten gewesen. In Ermangelung einer Konkretisierung muß folglich insoweit Vertragsautonomie gelten. Die Parteien des Versicherungsvertrags können also entscheiden, ob Sie das Kalenderjahr, das Versicherungsjahr oder das Geschäftsjahr, innerhalb dessen sich der Pflichtverstoß ereignete, als Referenzperiode anlegen.

e) Der zeitliche Anwendungsbereich § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ist zum 5. August 2009 in Kraft getreten. Nach § 23 Abs. 1 EGAktG gilt die Vorschrift aber nicht nur für seitdem abgeschlossene Versicherungsverträge sondern – unter gewissen Voraussetzungen – auch für Altverträge: „§ 93 Absatz 2 Satz 3 des Aktiengesetzes in der ab dem 5. August 2009 geltenden Fassung ist ab dem 1. Juli 2010 auch auf Versicherungsverträge anzuwenden, die vor dem 5. August 2009 geschlossen wurden. Ist die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand aus einer vor dem 5. August 2009 geschlossenen Vereinbarung zur Gewährung einer Versicherung ohne Selbstbehalt im Sinne des § 93 Absatz 2 Satz 3 des Aktiengesetzes verpflichtet, so darf sie diese Verpflichtung erfüllen.“ Daraus folgt, daß bestehende Versicherungsverträge bis zum 1. Juli 2010 entsprechend anzupassen sind.452 Ferner bleibt auch über den 1. Juli 2010 hinaus 451

Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 (1660). Zu der praktisch nur während der kurzen Übergangsfrist relevanten Frage, inwieweit Vertragsänderungen, die zwischen dem Inkrafttreten des VorstAG und dem 01. Juli 2010 452

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

ein ohne Selbstbehalt vereinbarter Versicherungsvertrag bestehen, sofern sich die Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied zur Gewährung einer solchen Deckung verpflichtet hat. Die Laufzeit von Vorstandsverträgen ist jedoch gemäß § 84 Abs. 1 S. 1 AktG auf fünf Jahre begrenzt, so daß auch diese Ausnahmeregelung im Jahr 2014 ausläuft. In zeitlicher Hinsicht stellt sich des weiteren die Frage, wie solche Fälle zu behandeln sind, in denen die Pflichtverletzung vor Inkrafttreten des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG zum 5. August 2009 lag, die Anspruchserhebung aber danach erfolgte. Vereinzelt heißt es, daß die Norm auch in diesen Fällen greife. Da ein Versicherungsfall Voraussetzung für das Eingreifen des Selbstbehalts sei, müsse der Selbstbehalt auf jeden Versicherungsfall Anwendung finden, der nach Inkrafttreten der Neuregelung eintrete.453 Daß sich die Norm für die Bemessung des Selbstbehalts auf ein Datum vor ihrem Inkrafttreten beziehe, ändere daran nichts, weil dies von der Frage zu trennen sei, ob und wann ein Versicherungsfall eingetreten ist, was sich nach dem Anspruchserhebungsprinzip richte.454 Diese Ansicht kann jedoch nicht überzeugen. Das Telos des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG liegt darin, durch die Vereinbarung eines entsprechenden Selbstbehalts die Steuerungsfunktion der Organhaftung zu stärken und hierdurch die Wahrung der Grundsätze guter Corporate Governance zu verbessern. Die Erreichung dieses Ziels setzt es logisch voraus, daß das Organmitglied in Kenntnis der Geltung des gesetzlich vorgeschriebenen Selbstbehalts handelt. Anders gewendet ist eine infolge des Selbstbehalts nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG erhöhte Haftungsandrohung teleologisch sinnlos, wenn sie die Folgen einer bereits begangenen Pflichtverletzung betrifft. Eine Auslegung, wonach ein gemäß § 93 Abs. 2 S. 3 AktG vereinbarter Selbstbehalt auch Pflichtverletzungen erfaßt, die vor seinem Inkrafttreten begangen wurden, wäre daher nicht überzeugend.

f) Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 93 Abs. 2 S. 3 AktG Das Gesetz enthält keine Rechtsfolgenanordnung für einen Verstoß gegen § 93 Abs. 2 S. 3 AktG. Fest steht zunächst, daß der Vorstand, welcher für den Abschluß des D&O-Versicherungsvertrags zuständig ist, § 93 Abs. 2 S. 3 AktG beachten muß. Verletzt er die Norm, könnte dies theoretisch eine Schadenersatzpflicht nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG auslösen.455 Freilich wird es in diesen Fällen regelmäßig an einem Schaden fehlen. Ein Schaden der Gesellschaft käme allenfalls dann in Betracht, wenn sich durch die Vereinbarung eines gesetzeskonformen Selbstbehalts eine Prämienersparnis hätte erzielen lassen. Es läßt erfolgen, bereits eine Anpassungspflicht auslösen, weil sie materiell als Neuabschluß zu bewerten sind, Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 (1660). 453 Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 (1661 f.). 454 Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 (1661 f.). 455 Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 (1660).

VI. Der angemessene Selbstbehalt

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sich aber abstrakt nicht sagen, daß dies regelmäßig der Fall gewesen wäre. Vor Inkrafttreten des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG war aus dem Markt vielmehr zu vernehmen, daß die Vereinbarung von Selbstbehalten praktisch kaum meßbare Auswirkungen auf die Prämienhöhe hatte. Ferner stellt sich die Frage, ob Versicherungsverträge, die nicht mit § 93 Abs. 2 S. 3 AktG in Einklang stehen, zivilrechtlich ganz oder teilweise unwirksam sind. Daß es sich hierbei lediglich um ein „theoretisches“ Problem handle, weil die D&O Versicherer künftig für Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften nur noch Policen mit Selbstbehalt anböten,456 läßt sich wohl nicht sagen, denn ein Verstoß gegen § 93 Abs. 2 S. 3 AktG kann nicht nur durch das vollständige Ausbleiben der Vereinbarung eines Selbstbehalts eintreten, sondern auch durch die Vereinbarung eines fehlerhaften Selbstbehalts. Es hat sich gezeigt, daß mit der Vorschrift verschiedene Auslegungsfragen verbunden sind, die sich nach dem Wortlaut der Vorschrift und in Ermangelung entsprechender Judikatur derzeit noch nicht belastbar beantworten lassen. Das Risiko von fahrlässigen Verstößen gegen § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ist daher einstweilen hoch. Weitere problematische Fälle können durch eine fehlende Anpassung bestehender Verträge nach dem 1. Juli 2010 eintreten.457 Was mögliche Ansatzpunkte für eine zivilrechtliche Gesamt- oder Teilunwirksamkeit anbelangt, kann zunächst auf die Prüfungsergebnisse in Teil D. V. zurückgegriffen werden. Dort hatte sich gezeigt, daß die Notwendigkeit der Vereinbarung eines Selbstbehalts nicht bereits aus einer andernfalls eintretenden unzulässigen Verletzung einer Steuerungsfunktion des Organhaftungsrechts abgeleitet werden kann. Daraus folgte, daß § 93 Abs. 2 S. 3 AktG nicht die Verkörperung eines bereits existierenden aktienrechtlichen Prinzips darstellt, sondern eine konstitutive Sonderregelung für Vorstandsmitglieder. Folglich ließe sich eine Gesamt- oder Teilunwirksamkeit im vorliegenden Kontext nicht mit einer Überlagerung des Schuldrechts durch gesellschaftsrechtliche Wertungen, mithin durch einen Vorgang der gesellschaftsrechtlichen Institutionenbildung begründen.458 Vielmehr ist danach zu fragen, ob es sich bei § 93 Abs. 2 S. 3 AktG um ein gesetzliches Verbot im Sinn des § 134 BGB handelt. Hierfür spricht bereits nach grammatikalischer Auslegung, daß der Selbstbehalt – insoweit gerade anders als in Ziff. 3.8 DCGK – nicht lediglich empfohlen, sondern zwingend angeordnet wird. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß § 93 Abs. 2 S. 3 AktG zwar eine Handlungspflicht für den Vorstand, der für den Abschluß des Versicherungsvertrags zuständig ist, begründet, ansonsten aber nicht an spezifische Rechtsfolgen anknüpft. Es kann aber vor dem Hintergrund, daß der Gesetzgeber durch die Gesetzesänderung eine Verbesserung der Corporate Governance anstrebte und mit456 457 458

So aber Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 (1661). So auch Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 (1661). Hierzu ausführlich unter B. III. 2. a) bb) (III.) (3.).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

hin eine Verschärfung der Rechtslage, nicht angenommen werden, daß er mit § 93 Abs. 2 S. 3 AktG lediglich eine lex imperfecta schaffen wollte. Folglich muß § 93 Abs. 2 S. 3 AktG als gesetzliches Verbot im Sinn von § 134 BGB anzusehen sein. Davon zu trennen ist die Frage, ob eine Verletzung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG sodann zur Gesamt- oder zur Teilunwirksamkeit des Vertrags führt. Damit ist die Problematik der geltungserhaltenden Reduktion angesprochen. Nach den Grundsätzen der geltungserhaltenden Reduktion kann ein wegen quantitativer Überschreitung der gesetzlichen Grenzen unzulässiger Vertrag auf das noch rechtmäßige Maß zu „zurückgeführt“ werden.459 Dies gilt nicht nur bei Verstößen gegen § 138 Abs. 1 BGB460,461, sondern auch, soweit die Nichtigkeit – wie hier – aus einem gesetzlichen Verbot in Verbindung mit § 134 BGB folgt.462 Rechtsprechung und Teile der Literatur qualifizieren den Akt der geltungserhaltenden Reduktion in diesem Sinn als „richterliche Vertragsgestaltung“.463 Was die Rechtsgrundlage anbelangt, rekurriert die Judikatur teils auf eine Analogie zu § 139 BGB,464 teils qualifiziert sie die geltungserhaltende Reduktion als Um459 BGH, Urteil v. 29.1.1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741 (742): „Damit erweist sich die zeitlich unbegrenzte Wettbewerbsbeschränkung als sittenwidrig. Allerdings kann sie im Wege der geltungserhaltenden Reduktion auf das noch zu billigenden zeitliche Maß zurück geführt werden.“; LG Köln, Urteil v. 12.10.1964 – 1 S 134/64, NJW 1965, 158 (159): „Nichtig ist nur die Vereinbarung des überhöhten Mietzinses, der auf das angemessene Maß zurückzuführen ist.“; BGH, Urteil v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW-RR 1979, 1605 (1606): „ … durch Herabsetzung der Dauer des Wettbewerbsverbots auf das gerade noch vertretbare Maß“; BGH, Urteil v. 21.3.1977 – II ZR 96/75, NJW 1977, 1233 (1234): „ … durch Herabsetzung der überhöhten Leistung aufrechtzuerhalten“; KG, Urteil v. 29.9.1989 – 15 U 327/89, NJW-RR 1990, 91 (92): „vielmehr bleibt, da dies regelmäßig dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht, der Vertrag bestehen und ist das Honorar zu ermäßigen“. 460 BGH, Urteil v. 16/17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 (2090). 461 Hinsichtlich § 138 Abs. 2 BGB lehnt die Rechtsprechung eine geltungserhaltende Reduktion a priori ab, BGH, Urteil v. 21.3.1977 – II ZR 96/75, NJW 1977, 1233 (1234); BGH, Urteil v. 30.5.1958 – V ZR 280/56, NJW 1958, 1772. 462 LG Köln, Urteil v. 12.10.1964 – 1 S 134/64, NJW 1965, 157 (159): „Der Verstoß gegen § 2 a bewirkt allerdings nicht die Unwirksamkeit des ganzen Mietvertrages. Nichtig ist nur die Vereinbarung des überhöhten Mietzinses, der auf das angemessene Maß zurückzuführen ist“. 463 BGH, Urteil v. 5.6.1989 – II ZR 227/88, NJW 1989, 2681 (2682) – dort eine geltungserhaltende Reduktion allerdings wegen der Umstände des Falls ablehnend; grds. krit. Sandrock, AcP 159 (1960), 481 (537): „die Anerkennung der sog. Quantitativen Teilnichtigkeit würde zu einer richterlichen Vertragsgestaltung führen, die mit dem System des BGB nicht zu vereinbaren ist“, (539): „Ein gewichtiger Grund spricht gegen die Aufrechterhaltung des Vertrages zu angemessenen Bedingungen: Der Richter könnte in der Regel den Vertrag nicht fortbestehen lassen, ohne gestaltend in die vertraglichen Beziehungen einzugreifen. Daß eine solche Vertragsgestaltung nach dem System des BGB nicht möglich ist und auch große Gefahren insich birgt, ist oben wiederholt erwähnt worden.“. 464 Eine geltungserhaltende Reduktion analog § 139 BGB im Ergebnis verneinend BGH, Urteil v. 30.5.1958 – V ZR 280/56, NJW 1958, 1772; die geltungserhaltende Reduktion analog § 139 BGB Ergebnis bejahend hinsichtlich eines überlangen Bierlieferungsvertrags, BGH, Urteil v. 16/17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 (2090); BGH, Urteil v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459; zur Möglichkeit der analogen Anwendbarkeit des § 139

VI. Der angemessene Selbstbehalt

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deutung i.S.d. § 140 BGB.465 Die §§ 139 BGB und 140 BGB werden auch kumulativ angewendet.466 Die Möglichkeit der geltungserhaltenden Reduktion trägt damit zunächst dem Interesse der Parteien an einer Aufrechterhaltung ihres Vertrags zu gesetzeskonformen Bedingungen Rechnung. Der Spielraum für eine geltungserhaltende Reduktion wird aber zugleich durch den Schutzzweck der verletzten Norm eingehegt, wie die Rechtsprechung des BGH in den Fällen zeigt, in denen eine Aufrechterhaltung des Vertrags abgelehnt wurde. Der BGH hebt insoweit auf das Telos der Nichtigkeitsnorm ab und schließt daher beispielsweise bei Wuchergeschäften nach § 138 Abs. 2 BGB die geltungserhaltende Reduktion kategorisch aus.467 Er hat ausdrücklich hervorgehoben, daß es hinsichtlich der Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion bzw. Umdeutung auf die „Wertung“ ankommt, die „der die Nichtigkeit anordnenden Gesetzesvorschrift zugrunde liegt“.468 Aber auch soweit der BGH die geltungserhaltende Reduktion zuläßt, prüft er stets, ob das Ergebnis mit dem Zweck der die Nichtigkeit begründeten Norm vereinbar ist.469 Die Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion wird sonach zum einen vom Schutzzweck der verletzten Norm bestimmt und zum anderen von den legitimen Interessen der beteiligten Personen im Hinblick auf eine Aufrechterhaltung des Vertrags zu geänderten Bedingungen. § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ist auf eine Verbesserung der Corporate Governance durch Aufrechterhaltung eines bestimmten Haftungsrisikos gerichtet. In seinem organhaftungsrechtlichen Kontext hat er daher einen unmittelbaren Bezug zum Organhaftungsanspruch des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG.470 Der primäre Schutzzweck ist somit auf die Unversehrtheit des Gesellschaftsvermögens gerichtet. Dies zugrunde geBGB; BGH, Urteil v. 19.9.1988 – II ZR 329/87, NJW 1989, 834 (836): […]„ … nach Sinn und Zweck des § 139 BGB, ein teilweise nichtiges Rechtsgeschäft nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten, wenn dies dem hypothetischen Parteiwillen entspricht, ist es viel mehr gerechtfertigt, in begrenztem Umfang auch eine quantitative Teilbarkeit und eine entsprechende Teilnichtigkeiten anzuerkennen… sind sie nach Möglichkeit in entsprechender Anwendung des § 139 BGB mit einer nicht zu beanstandenden Bindungsdauer aufrechtzuerhalten …“; vgl. auch BGH, Urteil v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW-RR 1979, 1605 (1606); BGH, Urteil v. 5.6.1989 – II ZR 227/88, NJW 1989, 2681 (2682). 465 KG, Urteil v. 29.9.1989 – 15 U 327/89, NJW-RR 1990, 91; BGH, Urteil v. 21.3.1977 – II ZR 96/75, NJW 1977, 1233. 466 KG, Urteil v. 29.9.1989 – 15 U 327/89, NJW-RR 1990, 91 (92). 467 BGH, Urteil v. 30.5.1958 – V ZR 280/56, NJW 1958, 1772; ferner Sandrock, AcP 159 (1960), 481 (539). 468 BGH, Urteil v. 21.3.1977 – II ZR 96/75, NJW 1977, 1233 (1234). 469 BGH, Urteil v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, NJW 2001, 815 (817): „Die Anwendung des § 139 BGB steht – anders als die Revision der Beklagten meint – nicht in Widerspruch zum Schutzgedanken des § 138 BGB.“; vgl. auch LG Köln, Urteil v. 12.10.1964 – 1 S 134/64, NJW 1965, 157 (159): „Wie schon der Wortlaut des § 134 BGB deutlich macht, tritt die vollständige Nichtigkeit des Vertrages nur ein, wenn sich nicht aus dem Zweck des Verbotsgesetzes ein anderes ergibt.“ 470 Siehe dazu noch unter Teil F. II. 1. b).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

legt, ist mithin danach zu fragen, ob eine Totalnichtigkeit diesem Schutzzweck besser gerecht würde als eine Teilnichtigkeit. Insoweit ist entscheidend, daß der D&O-Versicherungsvertrag im überwiegenden Interesse des Unternehmens liegt, da er insbesondere die Werthaltigkeit des Organinnenhaftungsanspruchs sichert. Die Summen von Schadenersatzansprüchen nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG übersteigen schnell die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit selbst wohlhabender Privatpersonen. Im Fall der Totalnichtigkeit verlöre daher die Gesellschaft vielfach mit dem Versicherer Zugriffsmasse. Ein solches Ergebnis widerspräche daher dem Schutzzweck § 93 Abs. 2 S. 3 AktG. Deshalb muß im Fall der Verletzung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG eine geltungserhaltende Reduktion des Versicherungsvertrags in dem Sinn vorgenommen werden, daß ein gesetzeskonformer Selbstbehalt nicht als versichert gilt.

g) Die Versicherung des Selbstbehalts § 93 Abs. 2 S. 3 AktG schließt es – trotz entsprechender Vorschläge im Gesetzgebungsverfahren471 – nicht aus, daß das Vorstandsmitglied hinsichtlich des Selbstbehalts eine eigene Singularhaftpflichtversicherung abschließt. Solche sog. „Selbstbehaltsversicherungen“ wurden bereits vor Inkrafttreten des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG in der Versicherungswirtschaft diskutiert, hatten sich aber wegen der damals nur geringen Verbreitung von Selbstbehalten praktisch nicht etablieren können. Dem Vernehmen nach bieten nun aber mehrere Versicherer solche Produkte an. Der Abschluß einer Selbstbehaltsversicherung kann die Wirkung des Zwangs-Selbstbehalts freilich wieder aufheben. Letztlich kommt in dieser Möglichkeit daher auch eine gewisse Halbherzigkeit des Gesetzgebers zum Ausdruck, der einerseits symbolisch handeln wollte und den ZwangsSelbstbehalt einführte, andererseits aber möglicherweise erkannt hatte, daß ein Verbot der Versicherung des Selbstbehalts zu weit ginge und der Position deutscher Unternehmen im internationalen Wettbewerb schaden könnte. Desungeachtet muß auch beim Abschluß von Selbstbehaltsversicherungen das Telos des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG beachtet werden. Daraus folgt, daß Vertragskonstruktionen, die im wirtschaftlichen Ergebnis auf eine selbstbehaltslose D&O-Fremdversicherung auf Kosten der Gesellschaft hinauslaufen, von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG analog erfaßt werden. Dies bedeutet zunächst, daß eine durch die Gesellschaft abgeschlossene Selbstbehalts-Fremdversicherung nicht möglich ist. Die Rechtsfolge des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG läßt sich also nicht dadurch aushebeln, daß an Stelle eines selbstbehaltslosen Versicherungsvertrags zwei komplementäre Verträge abgeschlossen werden. Ferner ist danach zu fragen, ob es nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG zulässig sein kann, wenn das Organmitglied eine Singularhaftpflichtversicherung als Ver471 Siehe Thüsing, Stellungnahme zum VorstAG S. 13 f., verfügbar auf der homepage des Bundestags.

VI. Der angemessene Selbstbehalt

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sicherungsnehmer abschließt und die Gesellschaft ihm sodann die Prämien hierfür erstattet. Zwar hat das Organmitglied keinen Anspruch auf Übernahme der Prämien einer Singular-D&O-Versicherung.472 Eine Erstattungspflicht könnte aber privatautonom vereinbart werden. Jedoch verstieße sie dann gegen § 93 Abs. 2 S. 3 AktG analog. Denn das wirtschaftliche Ergebnis einer solchen Erstattungspflicht würde wiederum einer selbstbehaltslosen D&OFremdversicherung entsprechen, weil eine uneingeschränkte Abdeckung des Haftungsrisikos bis zur Deckungssumme vorläge bei gleichzeitiger Prämientragung durch die Gesellschaft.

2. Die Notwendigkeit und die Zweckmäßigkeit der Vereinbarung eines Selbstbehalts bei der Freistellungsvereinbarung und der D&O-Versicherung außerhalb des Anwendungsbereichs von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG a) Die rechtliche Notwendigkeit der Vereinbarung eines Selbstbehalts aa) Die Frage nach dem Selbstbehalt als zivilrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung Die zivilrechtliche Wirksamkeit der Freistellungsvereinbarung und der D&OVersicherung hängen somit – außerhalb des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG473 – nicht von der Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts ab, wie soeben unter D. V. dargelegt. Es ist daher zu prüfen, ob der Vorstand aus anderen Gründen aktienrechtlich zur Schaffung eines Selbstbehalts verpflichtet ist.

bb) Die Möglichkeit einer Schadenersatzpflicht wegen Unterlassens der Vereinbarung eines Selbstbehalts bei Abschluß einer D&O-Versicherung für Aufsichtsratsmitglieder Ziff. 3.8 DCGK empfiehlt für Aufsichtsräte – d.h. außerhalb von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – einen Selbstbehalt für die D&O-Versicherung. Es fragt sich daher zunächst, ob diese Vorschrift die Pflichten des Vorstands474 verbindlich dahingehend konkretisiert, daß jedenfalls im Regelfall bei der D&O-Versicherung von Aufsichtsratsmitgliedern ein Selbstbehalt erforderlich ist. Dies wirft die vorge472

Siehe dazu Teil E. Zu den zivilrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen § 93 Abs. 2 S. 3 AktG siehe soeben sub D. VI. 1. 474 Zur Organzuständigkeit für den Abschluß eines Freistellungs- bzw. D&O-Versicherungsvertrags s. im einzelnen unter Teil E. 473

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

lagerte Frage nach der Rechtsnatur des DCGK auf. Teils heißt es, seine Inhalte seien als Handelsbrauch zu qualifizieren oder als „Fachnormen“, vergleichbar den DIN-Vorschriften.475 Fest steht jedoch, daß sie keine Gesetzesqualität aufweisen476 und mithin den Zivilrichter nicht binden können.477 Deshalb ist es eine Frage des Einzelfalls, ob die Nichtbefolgung einer Kodex-Bestimmung eine Organpflichtverletzung478 darstellt.479 Ein Abweichen vom DCGK könnte mithin allenfalls ein Indiz für eine Pflichtverletzung sein, eine solche aber nicht originär begründen. Es ist deshalb im folgenden unmittelbar am Maßstab des § 93 Abs. 1 AktG zu prüfen, ob es eine Verletzung der Organpflichten darstellt, wenn der Vorstand die Vereinbarung eines Selbstbehalts bei Abschluß einer D&O-Versicherung für Aufsichtsratsmitglieder unterläßt. Dagegen spricht zunächst, daß das Fehlen eines Selbstbehalts für die Gesellschaft niemals unmittelbar schadenverursachend sein kann. Eine Pflichtverletzung könnte deshalb allenfalls darin zu sehen sein, daß der Verzicht auf einen Selbstbehalt zu einer stärkeren Herabsetzung der verhaltenssteuernden Wirkung der Organhaftung führt als dies bei einer D&OVersicherung mit Selbstbehalt der Fall wäre. Eine solche Betrachtung würde die Vorstandspflichten aber überspannen.480 Denn es ist zwar die Aufgabe des Vorstands, Pflichtverletzungen der Organmitglieder und der leitenden Angestellten durch Aufsicht und Vorkehrungsmaßnahmen zu verhindern. Diese Aufgabe ist aber nicht gleichbedeutend mit einer Verpflichtung, hierzu auch bei Aufsichtsratsmitgliedern, auf die sich § 93 Abs. 2 S. 3 AktG gerade nicht erstreckt, einen Selbstbehalt zu vereinbaren. Im übrigen ist die verhaltenssteuernde Wirkung des Organhaftungsrechts nicht mit der hinreichenden Präzision meßbar, um für Rechtsgeschäfte, die sie einschränken, daraus unmittelbare zivilrechtliche 475

Vgl. Borges, ZGR 2003, 508 (514 ff.). LG Köln, Urteil v. 22.11.2007 – 5 HKO 10614/07, NZG 2008, 150, Leitsatz: „Der Deutsche Corporate Governance Kodex ist weder Gesetz noch kommt ihm satzungsgleiche Wirkung zu.“; nachfolgend insoweit bestätigt durch OLG München, Urteil v. 6.8.2008 – 7 U 5628/07, ZIP 2009, 133: „Zu Recht hat das Erstgericht festgestellt, dass eine Verletzung des Deutschen Corporate Governance Kodex bzw. einzelner Empfehlungen für sich genommen die Anfechtbarkeit nicht zu begründen vermag, da der Kodex keine Gesetzesqualität aufweist. Die Empfehlungen sind nicht das Ergebnis staatlicher Rechtsetzung, sie lassen sich nur als Normen im faktischen Sinne qualifizieren. Auf die zutreffenden weiteren Ausführungen im landgerichtlichen Urteil kann in vollem Umfang verwiesen werden (vgl. auch Ulmer, ZHR, 166 (2002) 150 ff.; Semler in Münchener Kommentar AktG 2003, § 161 Rdnr. 10).“ 477 Borges, ZGR 2003, 508 (520 f). 478 Die Literatur hat ferner geprüft, ob Kodex-Bestimmungen grundsätzlich Schutzgesetze im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB sein können, vgl. Hopt, in: Hommelhoff/Lutter/Schmidt/ Schön/Ulmer, Corporate Governance, ZHR-Beiheift 71 (2002), 27 (52). Dieser Frage ist im vorliegendem Zusammenhang jedoch nicht weiter nachzugehen. Es ist aber schon fraglich, ob eine nicht-gesetzliche Regelung mit bloßem Empfehlungscharakter die Schutzgesetzeigenschaft aufweisen kann, da ihr die hierfür erforderliche Verbindlichkeit fehlt. 479 Ulmer, ZHR 166 (2002), 150 (166 f.). 480 So im Ergebnis auch Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2324). 476

VI. Der angemessene Selbstbehalt

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Folgen abzuleiten481, so daß auch für die Beurteilung der Zweckmäßigkeit eines Selbstbehalts außerhalb des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG keine zwingenden Maßstäbe entwickelt werden können. Hinzu kommt, daß im Schadenfall nicht nur die vermeintliche Pflichtverletzung durch Verzicht auf einen Selbstbehalt einerseits sowie der der Gesellschaft entstandene Schaden andererseits nachzuweisen wären, sondern auch der beide verbindende Kausalzusammenhang. Es müßte also festgestellt werden, daß bei Vereinbarung eines Selbstbehalts die verhaltenssteuernde Wirkung des Organhaftungsrechts das betreffende Aufsichtsratsmitglied davon abgehalten hätte, die schadenverursachende Handlung vorzunehmen. Dieser Nachweis hinge so stark von nicht meßbaren inneren Vorgängen ab, daß er kaum gelingen könnte. Außerdem muß berücksichtigt werden, daß der Verzicht auf einen Selbstbehalt Gesellschaftsschäden auch entgegenwirken kann. Mit ihm entfällt nämlich das Ausfallrisiko, das die Gesellschaft in Höhe eines Selbstbehalts andernfalls trüge. Es ist keineswegs sicher, daß ein Organmitglied in Höhe eines angemessenen Selbstbehalts immer zahlungsfähig ist. Wenn Drittgläubiger wegen desselben Schadens oder wegen anderer Schäden das Organmitglied bereits erfolgreich in Anspruch genommen haben, kann dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit so stark herabgesetzt sein, daß dieser ungedeckte Teil des Innenhaftungsanspruchs gegenüber der Gesellschaft nicht erfüllt wird.

cc) Der angemessene Selbstbehalt und das Unternehmensinteresse Der Vorstand ist dazu verpflichtet, das Unternehmensinteresse zu wahren. Läge die Vereinbarung eines Selbstbehalts für Aufsichtsratsmitglieder zwingend im Unternehmensinteresse, könnte daraus eine entsprechende Verhaltenspflicht des Vorstands resultieren. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß es zwischen der Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts für Aufsichtsratsmitglieder und einer tatsächlichen Herabsetzung der Wahrscheinlichkeit von Haftungsfällen keine kalkulierbaren Zusammenhänge gibt. Was die D&O-Versicherung anbelangt, muß daher ebenso wie der Abschluß der D&O-Versicherung selbst auch die Ausgestaltung des Versicherungsvertrags einschließlich eines Selbstbehalts im Leitungsermessen des Vorstands liegen.482 Hierbei hat der Vorstand u.a. zu prüfen, ob eine entsprechende Prämienreduzierung die Vereinbarung eines Selbstbehalts im Gesellschaftsinteresse als zweckmäßig erscheinen läßt. Dieser Effekt hat jedoch regelmäßig keine Bedeutung, weil die Höhe der Selbstbehalte – sofern sie nicht den Zweck der D&O-Versicherung vereiteln und zur wirtschaftlichen Überforderung des einzelnen führen sollen – in Relation zur Deckungssumme grundsätzlich so niedrig sind, daß sie nicht prämienwirksam 481 482

Siehe hierzu eingehend Teil D. V. 5. b). So auch Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2324).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

werden.483 Ferner hat der Vorstand stets in Betracht zu ziehen, daß ein Selbstbehalt mit einem Ausfallrisiko der Gesellschaft bei Innenhaftungsansprüchen verbunden ist. Für die steuerrechtliche Behandlung der D&O-Versicherung und der Freistellungsvereinbarung ist der Selbstbehalt hingegen ohne Auswirkungen.484 Desgleichen spielt er keine Rolle für die Frage der Organzuständigkeiten beim Abschluß der D&O-Versicherung oder der Freistellungsvereinbarung.485

dd) Die Übertragung des Ergebnisses auf die GmbH Für die GmbH kann aus den soeben zur Aktiengesellschaft dargelegten Gründen ebenfalls keine Verpflichtung zur Vereinbarung eines Selbstbehalts angenommen werden. Insbesondere ist § 93 Abs. 2 S. 3 AktG auf die GmbH-Geschäftsführer nicht analog anzuwenden.

b) Die Zweckmäßigkeit der Vereinbarung eines angemessen Selbstbehalts für Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung aa) Die sachlichen Gründe für die Vereinbarung eines fakultativen Selbstbehalts Wenngleich eine Abschwächung der Steuerungswirkung der Organhaftung infolge einer Freistellungsvereinbarung oder D&O-Versicherung gesellschaftsrechtlich nicht zu beanstanden ist,486 kann es sich im Einzelfall dennoch als zweckmäßig erweisen, durch einen Selbstbehalt zur Verhaltenssteuerung beizutragen.487 Bereits die frühen D&O-Produkte auf dem deutschen Markt in den 80er Jahren sahen Selbstbehalte von regelmäßig 10.000 DM vor.488 Der Selbstbehalt ermöglicht gleichsam eine „Feinsteuerung“ im System von zivilrechtlicher Prävention und Haftungsbegrenzung. Daß ein Selbstbehalt unter diesem Gesichtspunkt zweckmäßig sein kann, liegt § 93 Abs. 2 S. 3 AktG, der spezifische Fragen aufwirft489, und der Empfehlung in Ziff. 3.8 DCGK gerade zugrunde. Auch Ziff. 4.3 Abs. 2 der AVB-AVG sehen Selbstbehalte vor.490

483

Dreher, AG 2008, 429 (433); vgl. schon Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2322). S. Teil K. II. 1. a) bb) (IV.) sowie K. II. 1. b). 485 S. Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.) (j). 486 Teil D. V. 487 Baumann, VersR 2006, 455 ff.; Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2325). 488 Klinkhammer, VP 1988, 173 (176). 489 Dazu Teil D. VI. 1. 490 Stand Januar 2008: „In jedem Versicherungsfall tragen die in Anspruch genommenen versicherten Personen den im Versicherungsschein aufgeführten Betrag selbst (Selbstbehalt). Im Falle der Ziffer 1.2 gilt statt des Selbstbehalts der versicherten Person der im Versicherungsschein aufgeführte Betrag für die Versicherungsnehmerin.“ 484

VI. Der angemessene Selbstbehalt

217

Aus Sicht des Freistellungsschuldners bzw. Versicherers ist vor allem von Bedeutung, daß die Vereinbarung eines Selbstbehalts die Schadens-, Abwehr- und Verwaltungskosten für Bagatellschäden reduzieren kann.491 Es wäre unwirtschaftlich, wenn der Schutz auch bei niedrigen Schadenersatzforderungen gegen die Organmitglieder eingriffe. Der Zweck der Freistellungsvereinbarung und der D&O-Versicherung ist die „Vermeidung einer finanziellen Katastrophe“.492 Die Sicherungsinstrumente sollen hingegen nicht dafür sorgen, daß das Organmitglied selbst gegen geringe Schadenersatzforderungen abgesichert ist, die es ohne weiteres aus seinem privaten Vermögen begleichen könnte. Die Vereinbarung eines Selbstbehalts kann ferner den Willen der gesicherten Person zur Anspruchsabwehr stärken.493 Das liegt im Interesse des Freistellungsschuldners bzw. Versicherers. Die AVB einiger Versicherungsunternehmen tragen dem dadurch Rechnung, daß eine Freistellung von der Haftung in Höhe des Selbstbehalts494 durch einen Dritten gegenüber dem Versicherer anzuzeigen ist, da durch eine solche nachträgliche wirtschaftliche Beseitigung des Selbstbehalts der vorerwähnte Anreiz zur Anspruchsabwehr entfällt. Außerdem wirkt ein Selbstbehalt der Gefahr der freundlichen Inanspruchnahme entgegen.495

bb) Der rechtstatsächliche Befund Trotz dieser sachlichen Gründe zeichnet sich – jedenfalls außerhalb des Anwendungsbereichs des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – noch keine flächendeckende Verbreitung von Selbstbehalten in D&O-Versicherungen oder sonstigen Freistellungsvereinbarungen ab. Von den im DAX 30 geführten Aktiengesellschaften hatten vor Inkrafttreten des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG etwa 30 % keinen Selbstbehalt vereinbart.496 Bei den im MDAX notierten Aktiengesellschaften lag die Zahl derer ohne Selbstbehalt bei etwa 40 %.497 Eine Untersuchung einer Gruppe kleinerer börsennotierter Gesellschaften hatte ergeben, daß dort sogar über 60 % keinen Selbstbehalt im Sinn von Ziff. 3.8 DCGK vereinbart haben.498 Dem Vernehmen nach erklären viele der Unternehmen den Verzicht damit, daß sie nicht von der verhaltenssteuernden Wirkung eines Selbstbehalts überzeugt sind.499 Als ein wei491 Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2322); Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, 1997, S. 220; Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 169. 492 Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 169. 493 Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2322); Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, 2000, S. 184; Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 56 Rn. 10 f. 494 Dies betrifft namentlich die sog. Selbstbehaltsversicherung, dazu Teil J. II. 4. 495 Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2322). 496 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 86; s. ferner Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321. 497 Oser/Orth/Wader, DB 2003, 1337 (1339). 498 Oser/Orth/Wader, DB 2003, 1337 (1339). 499 Vgl. die Nachweise bei Bender/Vater, VersR 2003,1376 (1377); Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2322).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

terer Grund wird die fehlende Bereitschaft deutscher Führungskräfte genannt, Selbstbehalte zu akzeptieren.500 Soweit freiwillige Selbstbehalte – d.h. außerhalb von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – in D&O-Versicherungsverträgen enthalten sind, weisen sie erhebliche strukturelle Unterschiede auf. Es finden sich Quoten von 15 % bis 100 % des Jahresgehalts ebenso wie Festbeträge von bis zu EUR 100.000 bei Vorstandsmitgliedern.501 Für die Üblichkeit von Selbstbehalten in Freistellungsvereinbarungen liegen zwar keine empirischen Daten vor. Nicht repräsentative Stellungnahmen aus der Praxis deuten jedoch an, daß Selbstbehalte auch in jenem Zusammenhang keine besondere Bedeutung haben.

cc) Die Konzepte zur Regelung eines Selbstbehalts (I.) Die Zielvorgaben Hinsichtlich der Vereinbarung eines Selbstbehalts bei der D&O-Versicherung und der Freistellung stehen außerhalb der zwingenden Vorgaben des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG verschiedene Regelungskonzepte zur Verfügung. Diese sind daraufhin zu untersuchen, inwieweit sie die Erreichung der eingangs geschilderten mit einem Selbstbehalt verfolgten Zwecke ermöglichen. Was den allein für die D&O-Versicherung, nicht aber für die Freistellung relevanten Aspekt der Reduzierung der Versicherungsprämien anbelangt, ist entscheidend, daß die wirtschaftliche Belastung des Versicherers durch die Vereinbarung des Selbstbehalts für den Versicherungsfall spürbar herabgesetzt wird. Dies ist aber kein linearer Effekt. Ein geringer Selbstbehalt kann bereits eine greifbare Prämienersparnis ermöglichen, die durch die Vereinbarung eines deutlich höheren nicht wesentlich gesteigert wird.502 Im allgemeinen herrscht im Markt die Auffassung vor, daß Selbstbehalte nicht zu einer nennenswerten Prämienherabsetzung führen. Sodann ist der zweite mit einem Selbstbehalt zu erreichende Zweck in den Blick zu nehmen, Bagatellschäden von vornherein auszuklammern. Je aufwendiger die Berechnungsformel für den Selbstbehalt und je stärker dieser an individuelle Gegebenheiten anknüpft, desto ineffizienter wird das Vertragshandling in der Praxis. Sofern die Vereinbarung eines Selbstbehalts mit Wertungsfragen verknüpft wird, beispielsweise der Bezugnahme auf einen bestimmten Verschuldensgrad, wird die Schadenregulierung erschwert. 500

Bender/Vater, VersR 2003, 1376 (1377). S. die empirische Erhebung bei Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2322); ferner Krieger/ Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 70; Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 3. Aufl. 2008, Rn. 523. 502 Mertens, AG 2000, 447 (448) berichtet von einem Fall, in dem zunächst ein Selbstbehalt von 100.000 DM für die Organmitglieder seitens der Gesellschaft erwogen worden war. Man habe sich dann aber auf 10.000 DM beschränkt, weil die Versicherungsprämien hierbei im Vergleich zum hohen Selbstbehalt nur geringfügig höher gewesen wären. 501

VI. Der angemessene Selbstbehalt

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Die zentrale Rolle beim Entwurf eines Regelungskonzepts für die Vereinbarung eines Selbstbehalts spielt schließlich die Steuerungsfunktion der Organhaftung. Der Selbstbehalt sollte für das Organmitglied eine spürbare Belastung darstellen. Er darf aber nicht so weitreichend sein, daß der eigentliche Zweck des Sicherungsinstruments, nämlich eine „finanzielle Katastrophe“ zu verhindern, konterkariert wird.

(II.) Die Ausgestaltung im einzelnen (1.) Der Bezugspunkt der Bemessung des Selbstbehalts In konzeptioneller Hinsicht stellt sich zunächst die Frage, worauf sich die Bemessung des Selbstbehalts beziehen soll. Er kann prozentual an die Schadenshöhe anknüpfen.503 Das reicht als Grundlage für die Bemessung des Selbstbehalts aber nicht aus, weil das Organmitglied dadurch nicht vor einer wirtschaftlichen Überlastung geschützt wäre. Würde beispielsweise ein Selbstbehalt von 10 % des geltend gemachten Schadens vereinbart, führte dies bei einem Schaden von einer Million Euro zu einem Selbstbehalt von 100.000 Euro, was – abhängig von der Vergütung des Organmitglieds – noch im Rahmen des wirtschaftlich Erträglichen liegen könnte. Da Organhaftungsfälle aber vielfach Schadenersatzforderungen in Höhe mehrstelliger Millionenbeträge auslösen, kann die Grenze zur wirtschaftlichen Existenzvernichtung leicht erreicht werden, beispielsweise bei einem Schaden von 100–200 Mio. Euro.504 Überwiegend schlägt die Literatur daher vor, daß der Bezugspunkt für die Berechnung des Selbstbehalts die Vergütung des Organmitglieds sein müsse, da diese schadensunabhängig feststehe.505 Auch § 93 Abs. 2 S. 3 AktG knüpft deshalb ergänzend an die Höhe der Vergütungen an. Hinsichtlich der Verknüpfung von Selbstbehalt und Vergütung ergeben sich aber mehrere grundsätzliche Probleme.

503 Vgl. Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 89 ff. 504 Vgl. auch Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2326); aus Sicht der Praxis auf dieses Problem hinweisend Hendricks, VW 2003, 164 (166). 505 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 137 ff.; vgl. auch Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (468 ff.); Ferck, Der Selbstbehalt in der D&O-Versicherung für Organmitglieder von Aktiengesellschaften, 2007, S. 139 ff.; Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 92, f., spricht sich ergänzend zu einer schadensbezogenen prozentualen Definition des Selbstbehalts für eine absolute Obergrenze aus, die sich an der Vergütung des Mitglieds orientieren soll, dazu sogleich.

220

D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

(2.) Die Vergütung für die Organtätigkeit oder das individuelle Gesamtvermögen als Bezugspunkt Die Hypothese lautet, daß die Vergütung annäherungsweise die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Organmitglieds widerspiegelt. Um den Grad der verhaltenssteuernden Wirkung des Selbstbehalts möglichst exakt zu bestimmen, müßte jedoch das tatsächliche Vermögen in Betracht genommen werden, das durch externe Faktoren gemehrt oder gemindert sein kann. Verfügt das betreffende Organmitglied bereits über beträchtliches Vermögen oder erzielt es erhebliche Nebeneinkünfte, bildet die in Bezug genommene Vergütung nicht sein reales aktuelles Vermögen ab. Desgleichen kann durch Unterhaltspflichten oder andere externe Faktoren die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gemindert sein.506 Es wäre dennoch unpraktikabel, die Höhe des Selbstbehalts an die tatsächlichen Vermögensverhältnisse des einzelnen Organmitglieds zu knüpfen. 507 Denn es kann äußerst schwierig sein, die konkrete Vermögenssituation zu ermitteln und eine Vergleichbarkeit der Vermögensverhältnisse verschiedener Organmitglieder herzustellen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Anlageformen bei beträchtlichen Privatvermögen erheblich divergieren können, so daß sich kaum ein geeigneter einheitlicher Bewertungsmaßstab fände. Ferner wäre die Ermittlung der konkreten Vermögensverhältnisse mit einem hohen Aufwand verbunden, der mit dem Anliegen der Parteien des Freistellungsoder Versicherungsvertrags nicht vereinbar wäre, eine effiziente und kostengünstige Schadenabwicklung durchzuführen. Desungeachtet würde es einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre der Organmitglieder bedeuten, wenn sie dazu verpflichtet wären, ihre gesamten Vermögensverhältnisse gegenüber der Gesellschaft zwecks Kalkulation eines Selbstbehalts offenzulegen.508

(3.) Die Differenzierung zwischen fixer und variabler Vergütung Sofern es sich um eine ausschließlich fixe Vergütung handelt, ergibt sich für die Berechnung des Selbstbehalts keine Schwierigkeit.509 Die Vergütung von Organmitgliedern, insbesondere Vorstandsmitgliedern von Aktiengesellschaften 506

Hierauf weist zu Recht hin Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451

(469). 507

So auch Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (469). Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2326); zu den engen arbeitsrechtlichen Grenzen, innerhalb derer nach den Vermögensverhältnisses gefragt werden darf, s. Dörner, in: Dörner/ Luczak/Wildschütz, Handbuch Arbeitsrecht, 3. Aufl., 2002, B Rn. 228 ff. Auch insoweit kommt es aber nicht in Betracht, nach dem Gesamtwert des Vermögens zu fragen, sondern nur nach Schulden oder Lohnpfändungen. 509 Zur Bestimmung der geeigneten Höhe sogleich. 508

VI. Der angemessene Selbstbehalt

221

– vornehmlich börsennotierten – enthält aber in zunehmendem Maß variable Bestandteile.510 Dadurch sollen Verhaltensanreize über die Entlohnungsstruktur gesetzt werden.511 Der Umfang der Vermögensvorteile, die aus variablen Vergütungselementen resultieren, läßt sich aber ex ante nicht exakt beurteilen. Zum Zeitpunkt des Schadenseintritts steht daher vielfach nicht fest, wie hoch die effektive Gesamtvergütung des Organmitglieds sein wird.512 Einige Autoren sprechen sich deshalb dafür aus, variable Vergütungsbestandteile bei der Berechnung des Selbstbehalts außer Betracht zu lassen.513 Als Grund werden zum einen die eintretenden Schwierigkeiten bei der Ermittlung des effektiven Werts der variablen Elemente genannt, zum anderen heißt es, daß variable – d.h. in der Regel erfolgsabhängige – Vergütungsbestandteile infolge des Eintritts des Versicherungsfalls dem Organmitglied ohnehin nicht mehr zugute kommen dürften. Es sei „unwahrscheinlich, daß ein Manager in einem Jahr, in dem der Versicherungsfall eintritt, noch erfolgsabhängige Gehaltskomponenten erhält. Erhielte er dennoch Zahlungen, könnte man kaum mehr von ‚erfolgsabhängiger‘ Vergütung sprechen“.514 Diese Thesen sind zu überprüfen. Was variable Vergütungselemente anbelangt, stellt sich deren Bewertung für die Berechnung des Selbstbehalts zwar als ein konzeptionelles Problem dar. Deshalb müssen variable Vergütungsbestandteile jedoch noch nicht schlechterdings unbeachtlich sein. Denn auch für Unternehmen, die sich für einen erheblichen Anteil variabler Vergütungselemente entscheiden, ist die Vereinbarung eines Selbstbehalts unter den oben genannten Praktikabilitätsgesichtspunkten mitunter zweckmäßig. Freilich sind variable Vergütungselemente umgekehrt nicht zwingend in die Berechnung des Selbstbehalts einzubeziehen. Entscheidend ist, welchen Anteil die variablen Vergütungselemente an dem insgesamt erzielten Jahreseinkommen des Organmitglieds haben. Ist der variable Bereich vernachlässigbar gering, spricht nichts dagegen, sich aus Praktikabilitätsgründen allein auf die fixe Vergütung zu beschränken. Hinsichtlich der Bewertung der variablen Vergütung kommen verschiedene Ansatzpunkte in Betracht. Verfehlt ist jedenfalls die bereits erwähnte These, daß das Organmitglied mit dem Eintritt des Versicherungsfalls sämtlicher Ansprüche aus der variablen Vergütung verlustig gehe. 515 Denn zunächst hängt es 510 511 512

Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2327). Siehe dazu ausführlich Teil D. IV. 1. d) ff) (II.) (3.) (a). Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003,

S. 138. 513 Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2327); Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&OVersicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 92 f. 514 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 93. 515 So aber offenbar Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 93.

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

allein von den konkreten Vereinbarungen des Organmitglieds mit den Unternehmen ab, inwieweit sich der Eintritt eines Haftungsfalls auf die variable Vergütung auswirkt. Es trifft des weiteren auch nicht zu, daß die Gewährung einer variablen, erfolgsabhängigen Vergütung nicht mehr sinnvoll wäre, wenn sich ein Haftungsfall ereignet hat. Denn der einzelne Organhaftungsfall entwertet nicht zwangsläufig die gesamte Leistung des betreffenden Organmitglieds für das Unternehmen. Es hängt vielmehr von einer Vielzahl verschiedener Faktoren ab, in welchem Verhältnis der von einem Organmitglied ausgelöste Haftungsfall zu den Leistungen dieser Person steht, die dem Unternehmen zugute gekommen sind. Zum einen spielt hier die Schadenshöhe eine Rolle, zum anderen müssen die Verdienste des Organmitglieds während der vergütungstechnischen Referenzperiode in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Ein vollständiges Entfallen der variablen Vergütung wird in den seltensten Fällen sinnvoll oder angemessen sein. Auf die Frage des möglichen Verlusts einer erfolgsabhängigen Vergütung infolge eines Haftungsfalls kommt es aber im Ergebnis für die Bestimmung eines angemessenen Selbstbehalts ohnehin nicht an. Denn selbst wenn das Organmitglied bei Eintritt des Versicherungsfalls sämtliche wirtschaftlichen Vorteile aus einem variablen Vergütungsschema verlöre, wäre nicht ersichtlich, weshalb insoweit die Vereinbarung eines Selbstbehalts ausscheiden müßte. Das betreffende Organmitglied kann nämlich in der Vergangenheit bereits über variable Vergütungselemente erhebliche Vermögensvorteile erzielt haben, und es kann abhängig von der Größe dieses Vermögens die Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts aus Sicht des Unternehmens auch dann zur Verstärkung der Steuerungswirkung der Organhaftung sinnvoll sein, wenn zusätzlich im Versicherungsfall die variable Vergütung entfallen sollte. Die Bestimmung des wirtschaftlichen Werts variabler Vergütungselemente zwecks Berechnung eines angemessen Selbstbehalts verursacht auch nur scheinbar unlösbare Schwierigkeiten. Der Wert der variablen Vergütung kann insbesondere geschätzt werden.516 Eine solche Schätzung kann auf den in vergangenen Referenzperioden erzielten wirtschaftlichen Vorteilen aus variablen Vergütungsstrukturen basieren. Desgleichen kann der effektive Wert der variablen Vergütung im Weg der Hochrechnung bestimmt werden, wenn man die Leistung des Leitungsorgans bis zum Eintritt des Versicherungsfalls für die Berechnung in Ansatz bringt.

516 So wohl auch im Ergebnis Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2327), die sich dafür aussprechen, in Kenntnis zusätzlicher variabler Vergütungsbestandteile einen höheren Prozentsatz der festen Vergütung als Selbstbehalt zu vereinbaren.

VI. Der angemessene Selbstbehalt

223

(4.) Die Differenzierung anhand der unterschiedlichen Risikoexposition der Organmitglieder Es fragt sich, ob auch die individuelle Schadenswahrscheinlichkeit und die zu erwartende Schadenshöhe in die Bestimmung des Selbstbehalts einfließen sollten. Abhängig von der Ressortzuteilung innerhalb der Organe kann die Risikoexposition der einzelnen Mitglieder unterschiedlich ausfallen. Es ist jedoch zweifelhaft, ob dies Differenzierungen bei der Ausgestaltung der Selbstbehalte gebieten kann.517 Daß bei einer höheren Schadenswahrscheinlichkeit auch ein höherer Selbstbehalt sinnvoll wäre, ergäbe keinen Sinn. Im Gegenteil: Der Selbstbehalt wirkt um so stärker präventiv auf das Verhalten des Organmitglieds, je größer die Wahrscheinlichkeit ist, daß es zu einem Haftungsfall kommt. Angesichts dessen umgekehrt einen niedrigeren Selbstbehalt zu vereinbaren, würde jedoch wiederum das verfehlte Signal setzen, daß ein Organmitglied bei stark risikobehafteten Tätigkeiten weniger Sorgfalt obwalten lassen müßte als von den übrigen Organmitgliedern bzw. bei den sonstigen Organtätigkeiten verlangt würde. Desgleichen kann die Höhe des zu erwartenden Schadens kein Grund für eine unterschiedliche Regelung des Selbstbehalts sein. Denn der Umstand, daß ein möglicher Schaden außergewöhnlich groß ausfallen könnte, führt bei dem betroffenem Organmitglied nicht zu einer Absenkung seiner Sorgfaltsstandards. Dies zugrunde gelegt, ergäbe auch eine Anhebung des Selbstbehalts insoweit keinen Sinn. Desungeachtet ist zu berücksichtigen, daß ungewöhnliche Haftungsrisiken, wie etwa Haftpflichtansprüche in den USA oder die Umwelthaftung, vielfach von vornherein aus dem D&O-Versicherungsschutz ausgenommen sind, so daß sich die Frage der Bemessung des Selbstbehalts diesbezüglich nicht stellt. Es ist umgekehrt grundsätzlich keine sachliche Rechtfertigung dafür zu erkennen, den Selbstbehalt bei stark risikobehafteten Tätigkeiten zur Schonung des Organmitglieds herabzusetzen. Dagegen spricht schon, daß eine besondere Risikoexposition einzelner Organmitglieder üblicherweise durch Vergütungszuschläge bereits kompensiert ist. Abgesehen davon wäre es praktisch kaum möglich, die Unterschiede der einzelnen Haftungsrisiken nach belastbaren und vergleichbaren Maßstäben zu bewerten, um daran Differenzierungen bei der Ausgestaltung des Selbstbehalts zu knüpfen.

517

So auch Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2327).

224

D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

(5.) Die Bestimmung der absoluten Höhe des Selbstbehalts (a) Die Kombination von absoluter und variabler Grenze Als die schwierigste – dritte – Frage bezüglich der Gestaltung des Selbstbehalts erweist sich mithin nicht die nach der Definition des Bezugsmaßstabs, sondern die nach der Festlegung der effektiven Höhe. Der variable Maßstab, ausgedrückt als ein bestimmter Prozentsatz des Schadens, hat sich als alleiniges Begrenzungskriterium als ungeeignet erwiesen, weil er die Gefahr einer wirtschaftlichen Überforderung des Versicherten birgt. Es kann daher sinnvoll sein, den variablen Maßstab mit einem absoluten Fixbetrag zu kombinieren. 518 Die Literatur hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die variable Strukturierung des Selbstbehalts einen Verhaltensanreiz setzen kann, einen potentiellen Schaden möglichst gering zu halten.519 Dem liegt folgende Überlegung zugrunde: Wenn der Selbstbehalt lediglich als absolute Grenze definiert wird, ist er oft so niedrig, daß er in den typischen Organhaftungsfällen vollständig ausgeschöpft wird. Diese lösen nämlich regelmäßig Schadenssummen von mehr als EUR 500.000 aus.520 Die absolute Höhe eines zu vereinbarenden Selbstbehalts wird prinzipiell unterhalb eines solchen Werts liegen, um nicht zu einer wirtschaftlichen Überforderung des Organmitglieds zu führen. Wenn das Organmitglied bei einem sich abzeichnenden Haftungsfall in der Gewißheit handelt, daß bei der späteren Geltendmachung von Organhaftungsansprüchen sein Selbstbehalt vollständig greifen wird, kann ihm die Motivation abhanden kommen, einen eintretenden Schaden möglichst gering zu halten. Ein Schadensverringerungsanreiz bestünde aber, wenn dem Organmitglied bewußt wäre, daß eine Schadensverringerung unabhängig von der absoluten Schadenshöhe regelmäßig zu einer Reduzierung des zu tragenden Selbstbehalts führt. Dieser Anreiz läßt sich nur über einen variablen Selbstbehalt erreichen, der mit einer absoluten Obergrenze zum Schutz vor wirtschaftlicher Überforderung zu kombinieren ist. Dieser Regelungsansatz entspricht auch § 93 Abs. 2 S. 3 AktG.

518 Dies schlägt Pammler vor, Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 88 ff. 519 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 90. 520 Hendricks, Interview mit dem Handelsblatt, Handelsblatt vom 17.1.2003, S. K 4; Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 90.

VI. Der angemessene Selbstbehalt

225

(b) Die Konkretisierung der absoluten Grenze (aa) Der Zweckpluralismus Es verbleibt bei diesem zweckmäßigen Kombinationsmodell die Frage, wie hoch die absolute Grenze, die sich an der Gesamtvergütung orientiert, festzusetzen ist, sofern nicht § 93 Abs. 2 S. 3 AktG greift und diese Frage regelt. Zur Ermittlung der Relation von Selbstbehalt und Vergütung ist auf die eingangs geschilderten Zwecke zu rekurrieren, die aus Sicht der Beteiligten für die Vereinbarung eines Selbstbehalts sprechen. Dies ist zunächst das Ziel, Bagatellschäden von der Versicherung auszunehmen, um das Sicherungsinstrument auf seinen eigentlichen Zweck zu konzentrieren, nämlich die Absicherung gegen „finanzielle Katastrophen“ des Organmitglieds. Der Selbstbehalt muß sich unter dieser Prämisse an der Grenze orientieren, bei der das betreffende Organmitglied den Schaden noch ohne weiteres vollständig und unverzüglich begleichen kann. Absolute Werte lassen sich hier nicht angeben. Die Einigung auf einen konkreten Wert muß außerhalb des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG allein der von Zweckmäßigkeitserwägungen geleiteten Privatautonomie der Parteien unterliegen. Was den Gesichtspunkt der Prämienreduzierung anbelangt, gibt es keinen „richtigen“ Wert für einen Selbstbehalt. Die Vereinbarung eines Selbstbehalts ist einer unter mehreren Faktoren, die zu einer Prämienreduzierung führen können. Ohnehin wirkt sich in der Praxis ein Selbstbehalt meistens nicht oder nicht in nennenswertem Umfang prämienmindernd aus. 521 Es erweist sich daher, daß die Verbesserung der Steuerungsfunktion der Organhaftung das am schwierigsten in die Ermittlung des Selbstbehalts zu integrierende Ziel ist. Um die Steuerungsfunktion zu verbessern, muß ein Wert gefunden werden, der in Relation zur effektiven Gesamtvergütung einen ausreichend starken Verhaltensanreiz setzt, um eine noch bessere Wahrnehmung der Sorgfaltspflichten erwarten zu lassen, als dies ohne Vereinbarung eines Selbstbehalts mutmaßlich der Fall wäre. Die Höhe kann hier abhängig von der konkreten Risikostruktur des Unternehmens der Vergütung der Organmitglieder stark variieren.

(bb) Der Individual- und der Pauschalselbstbehalt Eine weitere grundlegende regelungstechnische Frage betrifft die Differenzierung zwischen Individual- und Pauschalselbstbehalten.522 Der Individualselbstbehalt steht in Abhängigkeit zu der Höhe der Vergütung des jeweiligen Or-

521 522

Vgl. auch Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2325) m. w. Nachw. aus der Praxis. Hierzu Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2329).

226

D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

ganmitglieds.523 Die Höhe definiert sich dann als ein bestimmter Prozentsatz der fixen und variablen Vergütungsbestandteile. Der Vorteil des Individualselbstbehalts liegt darin, daß das Verhältnis zwischen bestmöglicher Verhaltenssteuerung und dem Schutz vor wirtschaftlicher Überforderung in bezug auf jedes einzelne Organmitglied auch bei unterschiedlicher Vergütungshöhe gewahrt ist. Der Nachteil ist, daß der effektive Umfang der Versicherungsleistung von externen Umständen, nämlich der Vergütungshöhe, abhängt. Dies erschwert dem Versicherer die Risikokalkulation.524 Wenn die Vereinbarung eines Selbstbehalts dazu dienen soll, eine Prämienreduzierung zu erzielen, wird aus Sicht des Versicherers daher vielfach nur ein Pauschalselbstbehalt in Betracht kommen. Hierbei handelt es sich um einen feststehenden Wert, der von der Vergütungshöhe unabhängig ist. Der Pauschalrabatt kann jedoch zu erheblichen Belastungsungleichheiten und einer Schwächung der Steuerungsfunktion führen, wenn die Vergütungen der Mitglieder stark voneinander abweichen.

(cc) Die Festlegung der Höhe in Relation zu der Vergütung Hinsichtlich des Anteils, den der Selbstbehalt an der Vergütung ausmachen soll, gehen die Meinungen auseinander. Einige sprachen sich vor Inkrafttreten des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG in bezug auf Vorstände in Anlehnung an die Rechtsprechung zu Schäden aus betrieblich veranlaßter Tätigkeit für eine Selbstbeteiligung von bis zu drei Monatsgehältern bzw. bis zu 25 % des Jahreseinkommens aus.525 Andere wollten den Selbstbehalt auf den Umfang von 50 % oder sogar der gesamten Jahresvergütung ausdehnen.526 Teils wurden auch feste Beträge vorgeschlagen, etwa zwischen EUR 100.000 und 250.000.527 Was Aufsichtsräte anbelangt, forderten einige aus den vorgenannten Gründen einen Anteil über 25 %, und manche hielten auch insoweit die gesamte Höhe der Aufsichtsratsvergütung für angemessen.528

523 Andere individuelle Faktoren wie die Risikoexposition, die Aufgabenverteilung innerhalb des Organs, die Zugehörigkeit zur Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberseite etc. sollten nach den bisherigen Untersuchungen hingegen keine Rolle für individuelle Bemessung des Selbstbehalts spielen. 524 Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2327). 525 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 137. 526 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 92 ff., wobei Pammler sich nur auf die fixe Jahresvergütung beziehen will und variable Elemente außer Betracht läßt. 527 Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 3. Aufl. 2008, Rn. 523. 528 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 138; Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 92 ff.

VI. Der angemessene Selbstbehalt

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Diese Vorschläge sind für den Bereich vorbehaltlich des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG bzw. der neu gefassten Ziff. 3. 8. DCGK auch heute noch zweckmäßige Ansatzpunkte. Der Verlust eines Viertels der Jahresvergütung eines Vorstandsmitglieds kann in manchen Fällen sicherlich eine spürbare Wirkung auf die Haftungsvermeidungsbemühungen haben. Entsprechendes gilt für den Selbstbehalt in Höhe der gesamten Aufsichtsratsvergütung. Es spräche aber auch nichts dagegen, den Selbstbehalt höher anzusetzen und im Einzelfall sogar mehr als eine Jahresvergütung eines Vorstandsmitglieds oder eines Aufsichtsrats als Maßstab zugrunde zu legen, wenn eine ausreichende Verhaltenssteuerung aus Sicht der Gesellschaft andernfalls nicht gewährleistet wäre, was im Übrigen auch § 93 Abs. 2 S. 3 AktG so vorsieht. Umgekehrt kann der Selbstbehalt ohne weiteres auch unterhalb der Grenze von 25 % des Jahreseinkommens liegen, wenn er für die Verhaltenssteuerung ohnehin nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, etwa weil bereits die Arbeitsmarkt-, Produktmarkt- und Kapitalmarktdisziplinierung529 in dem betreffenden Unternehmen bzw. der jeweiligen Branche hinreichende ergänzende Verhaltensanreize setzen. Insbesondere bei inhabergeführten Unternehmen, wie sie oft in der Rechtsform der GmbH bei Mittelständlern vorkommen und für die § 93 Abs. 2 S. 3 AktG sowie Ziff. 3.8. DCGK nicht greifen, kann sich ein geringer Selbstbehalt als ausreichend erweisen, wenn das persönliche wirtschaftliche Schicksal eng mit dem unternehmerischen verknüpft ist, so daß auf dieser Ebene bereits eine starke Verhaltenssteuerung stattfindet. Ohnehin stellt sich die Frage der Selbstbeteiligung bei inhabergeführten Unternehmen oder Organmitgliedern, die zugleich jedenfalls Mehrheitsgesellschafter sind, im Bereich der D&O-Versicherung vielfach nicht, weil hier grundsätzlich Eigenschadenklauseln i.S.v. Ziff. 4.2 AVB-AVG530 vereinbart werden.531 Danach mindert sich der Versicherungsschutz um die Quote der Kapitalbeteiligung des Versicherten, was denselben oder einen sogar noch weitergehenden Effekt hat wie bzw. als eine Selbstbeteiligung. Gerade bei den oft inhabergeführten kleinen und mittelständischen GmbH ist der D&O-Versicherungsschutz daher jedenfalls in bezug auf Innenhaftungsansprüche vielfach wertlos.532

529

Hierzu im einzelnen Teil E. IV. 1. d) ff) (II.) (3.). Stand Januar 2008: „Besteht eine mittelbare oder unmittelbare Kapitalbeteiligung der versicherten Personen, die eine Pflichtverletzung begangen haben…an der Versicherungsnehmerin …, so umfasst der Versicherungsschutz…nicht den Teil des Schadenersatzanspruchs, welcher der Quote dieser Kapitalbeteiligung entspricht.“ 531 Hierzu Teil G. VII. 532 Vgl. Vgl. Hendricks, in: Interview mit Experten Presse News v. 2.8.2004, http://www. experten.de/NET/epn/1321.epnnews. 530

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

(dd) Die mögliche Einbeziehung des Verschuldensgrads in die Höhe des Selbstbehalts Es stellt sich des weiteren die Frage, ob die Höhe des Selbstbehalts hinsichtlich des Grads des Verschuldens differenzieren soll.533 Dagegen wird man jedenfalls nicht anführen können, daß eine solche Regelung unter dem Gesichtspunkt der Prävention keinen Sinn ergäbe.534 Zwar werden die Schadenshöhe und -wahrscheinlichkeit nicht unmittelbar durch den Verschuldensgrad determiniert. 535 Dennoch würde durch die Belegung grob fahrlässigen Verhaltens mit einem höheren Selbstbehalt als bei einfacher Fahrlässigkeit ein zusätzlicher Anreiz zur Einhaltung der Sorgfaltsstandards gesetzt. Es gilt auch hier der Gedanke, der bereits unter dem Gesichtspunkt der Schadensverringerung gegen eine ausschließlich absolute Obergrenze für den Selbstbehalt gesprochen hat. Wenn das Organmitglied weiß, daß es bei leichter wie bei grober Fahrlässigkeit mit denselben Haftungskonsequenzen zu rechnen hat, kann dies zu einer allgemeinen Absenkung der Sorgfaltsbemühungen führen. Ein gradierter Selbstbehalt wirkt dem entgegen. Die Vereinbarung eines besonders hohen Selbstbehalts für grobe Pflichtverletzungen und eines niedrigeren für leichte Fahrlässigkeit ergäbe folglich Sinn, weil auf diese Weise dem Organmitglied verdeutlicht würde, daß von ihm nicht das Vertrauen auf das Ausbleiben eines Schadenseintritts, sondern aktive Bemühungen im Rahmen der Erfüllung seiner Organpflichten verlangt werden. Auch das auf Prävention bedachte Straf- und das Ordnungswidrigkeitenrecht knüpfen hinsichtlich der Rechtsfolgen unter anderem an den Grad des Verschuldens beziehungsweise der Vorwerfbarkeit an. Rechtssystematisch ließe sich gegen eine Abhängigkeit des Umfangs des Selbstbehalts vom Verschuldensgrad aber möglicherweise einwenden, daß im deutschen Schadenersatzrecht nach ausführlichen gesetzgeberischen Vorüberlegungen gerade kein Gradationssystem geschaffen wurde.536 Der Umstand, daß sich das BGB gegen die Gradation entscheidet, bedeutet aber nicht, daß die 533 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 91. 534 So aber wohl Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 91. 535 Hierauf abstellend Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 91. 536 Dazu ausführlich Teil D. III. 1. c) bb). Wobei die Rechtsprechung freilich abweichend davon arbeitsrechtliche Haftungsprivilegierungen entwickelt hat, die jedoch nicht für die Organhaftung gelten, s. BAG, Beschluß v. 12.6.1992 – GS 1/89 (Ergangen auf Vorlagebeschl. d. 8. Senats des BAG), NZA 1993, 547; BGH, Beschluß v. 21.9.1993 – GmS – OGB 1/93, NJW 1994, 856 ff.; BAG GS, Beschluß v. 27.9.1994 – GS 1/89 (A), NJW 1995, 210 ff.; Zöllner/Loritz/ Hergenröder, Arbeitsrecht, 6. Aufl. 2008, § 20 II (S. 236 f.); Linck, in: Schaub, ArbeitsrechtsHandbuch, 12. Aufl. 2007, § 53 Rn. 37 ff.; Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 113.

VI. Der angemessene Selbstbehalt

229

Vertragsparteien ein solches System nicht zur Feinsteuerung der Verhaltensanreize privatautonom vereinbaren können. Gegen eine Anknüpfung an den Verschuldensgrad sprechen indes die damit verbundenen erheblichen praktischen Probleme.537 Die Kategorisierung der Verschuldensgrade gehört zu den schwierigsten Fragen des Haftungsrechts. Das gilt bereits für die Definition abstrakter Verschuldenskategorien, erst recht aber für die Anwendung dieser Kategorien auf konkrete Verhaltensweisen. Ohne eine gerichtliche Entscheidung dürfte sich zwischen den Parteien kaum jemals Einigkeit darüber erzielen lassen, welcher Verschuldensgrad in concreto vorlag. Im Haftpflichtprozeß wird diese Frage vielfach nicht geklärt, weil es auf sie nicht ankommt, da hinsichtlich der gesetzlichen Haftungstatbestände gerade kein Gradationssystem gilt und mithin – mit Ausnahme besonderer Tatbestände wie § 826 BGB – die niedrigste Verschuldensform ausreicht. Die Schadensabwicklung würde also durch ein in bezug auf den Selbstbehalt vereinbartes Gradationssystem erheblich verkompliziert.538

(6.) Der Zeitpunkt der Vergütung (a) Die Berücksichtigung von Veränderungen der Vergütung während der Organtätigkeit Sofern sich die Höhe des Selbstbehalts an der Vergütung des Organmitglieds ausrichtet, muß festgelegt werden, auf welchen Zeitpunkt hierbei abzustellen ist. Der Umfang der Vergütung kann sich nämlich während der Dauer der Organzugehörigkeit erheblich ändern. Es kommen im wesentlichen zwei Zeitpunkte für eine Anknüpfung in Betracht: Der Zeitpunkt der Pflichtverletzung und der der Anspruchserhebung.539 Da sich die Entwicklung der Vergütung insbesondere bei Einbeziehung variabler Elemente vielfach nicht verläßlich prognostizieren läßt, ist keiner der beiden für das Organmitglied offensichtlich günstig oder ungünstig. Zum Zeitpunkt einer möglichen Pflichtverletzung kann das Organmitglied außerdem regelmäßig noch nicht wissen, wie lange es dem Organ angehören wird und folglich wie sich seine Vermögenssituation in der Zukunft mittel- bis langfristig entwickelt. Es wird daher die Haftungsfolgen für ein Fehlverhalten mit Blick auf seine aktuelle Vermögenssituation beurteilen. Da der Hauptzweck der Vereinbarung eines Selbstbehalts in dieser Verhaltenssteuerung liegt, erscheint es zweckmäßig, seine Höhe an die Einkünfte zu knüpfen, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung geleistet wurden. Ließe man 537 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 91. 538 Zur Frage des gesetzlichen Ausschlusses grob fahrlässig und vorsätzlich herbeigeführter Schäden in der D&O-Versicherung und Freistellung s. Teil G. III. 539 Für ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Anspruchserhebung Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2329).

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D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

die Höhe des Selbstbehalts ansteigen, sofern sich zwischen Pflichtverletzung und Anspruchserhebung auch die Vergütung erhöht, könnte diese Änderung nämlich keine zusätzliche verhaltenssteuernde Wirkung entfalten. Wenn die effektive Höhe der Vergütung aufgrund weitgehender variabler Elemente stark schwankt, kann es jedoch auch zweckmäßig sein, auf den Zeitpunkt der Anspruchserhebung abzustellen.540 Ein weiterer gewichtiger Grund kann hierfür sprechen. Nach dem claims made-Prinzip wird der Versicherungsfall in der D&O-Versicherung grundsätzlich durch die Anspruchserhebung definiert.541 Der Zeitpunkt der Pflichtverletzung ist also nicht entscheidend. Vielfach läßt sich auch kein bestimmter Stichtag für eine Pflichtverletzung feststellen, sondern es handelt sich oft um Verhaltensweisen, die sich über längere Zeiträume erstreckten. Es kann daher im Einzelfall schwierig sein, einen bestimmten Zeitpunkt der haftungsrelevanten Pflichtverletzung zu ermitteln.

(b) Die Besonderheiten der Vergütungsstruktur ausgeschiedener Organmitglieder Der D&O-Versicherungsschutz erstreckt sich grundsätzlich auch auf ausgeschiedene Organmitglieder.542 Somit erhebt sich diesbezüglich die Frage, ob für den Zeitraum nach der Organtätigkeit weiterhin ein Selbstbehalt gelten soll. Dagegen ließe sich möglicherweise anführen, daß die Versicherten zum Zeitpunkt der Anspruchserhebung nach Ausscheiden aus dem Organ keine Vergütung von der Gesellschaft mehr erhalten. Dem durch den Selbstbehalt verkörperten Teil des Haftungsrisikos stünde folglich zu diesem Zeitpunkt keine entsprechende Vergütungschance mehr gegenüber. Dies könnte dafür sprechen, einen Selbstbehalt nur für aktive Organmitglieder vorzusehen. Der Organinnenhaftungsanspruch setzt jedoch nicht voraus, daß der Schädiger zum Zeitpunkt der Anspruchserhebung seine Organstellung noch inne hat. Daher kann für die Betrachtung des Verhältnisses von Haftungsrisiko und Vergütungschance nur auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung abgestellt werden. Die Pflichtverletzung kann der Schädiger wiederum nur als Organmitglied begehen, so daß er zu diesem Zeitpunkt auch über einen Vergütungsanspruch verfügt hat. Daher ist auch für die Bemessung des Selbstbehalts auf die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung vorliegende Vergütungssituation abzustellen.543

540

So im Ergebnis Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2329). Dazu im einzelnem Teil G. IV. 1. a). 542 Siehe dazu noch zum einzelnen Teil G. I. 1. b). 543 Vgl. Messmer, VW 2003, 1384 (1386); zum Anknüpfungspunkt bei § 93 Abs. 2 S. 3 AktG siehe oben unter D. VI. 1. d). 541

VI. Der angemessene Selbstbehalt

231

Ein vollständiger Verzicht auf einen Selbstbehalt bei ausgeschiedenen Organmitgliedern würde außerdem die verhaltenssteuernde Wirkung einer solchen Regelung stark beeinträchtigen. Die Organmitglieder könnten darauf spekulieren, daß die Haftungsansprüche gegen sie erst nach ihrem Ausscheiden geltend gemacht werden. Da nach dem claims made-Prinzip544 der D&O-Versicherungsfall durch die Anspruchserhebung definiert ist und Versicherungsschutz auch für ausgeschiedene Organmitglieder besteht, würden diese dann über einen umfangreicheren Versicherungsschutz verfügen als während ihrer Amtszeit. Außerdem erhielten die Organmitglieder den verfehlten Anreiz, ihre Organstellung so schnell wie möglich aufzugeben, sobald sich eine Anspruchserhebung abzeichnet. Eine solche „Flucht aus der Organstellung“, um in den Genuß eines selbstbehaltlosen Versicherungsschutzes zu gelangen, könnte die Unternehmensführung schwächen und dem Unternehmensinteresse abträglich sein. Es verbleibt somit die Frage, ob der Selbstbehalt für ausgeschiedene Organmitglieder herabzusetzen ist. Einige sprechen sich dafür aus, die Höhe des Selbstbehalts an die zum Zeitpunkt der Anspruchserhebung gezahlte Vergütung zu knüpfen. Dies korreliere mit dem die D&O-Versicherung kennzeichnenden claims made-Prinzip.545 Sofern ausgeschiedene Organmitglieder weiterhin Versorgungsleistungen von der Gesellschaft erhielten, sollten diese zum Bezugspunkt für den Selbstbehalt werden. Fehlten entsprechende Versorgungsleistungen, bleibe nur die Anknüpfung an die letzte von der Gesellschaft gezahlte Vergütung.546 In letzterem Fall solle allerdings das zeitliche Auseinanderfallen von Vergütungszahlung und Anspruchserhebung durch einen entsprechenden Abschlag beim Selbstbehalt berücksichtigt werden.547 Eine solche Herabsetzung des Selbstbehalts für ausgeschiedene Organmitglieder führt jedoch im Grundsatz zu denselben negativen Verhaltensanreizen wie ein vollständiges Entfallen des Selbstbehalts. Auch die Korrelation mit dem claims made-Prinzip ist kein zwingender Grund für eine Reduzierung des Selbstbehalts. Das claims made-Prinzip besagt lediglich, daß der Versicherungsfall durch die Anspruchserhebung definiert wird. Es bedeutet nicht, daß sich der Umfang der Haftung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Anspruchserhebung richtet. Damit ist die Reduzierung des Selbstbehalts eine Frage der Billigkeit. Maßgeblich ist, ob die Vermögenssituation nach Ausscheiden aus dem Amt so wesentlich verschlechtert ist, daß die Beibehaltung des Selbstbehalts eine unangemessene Belastung darstellen würde. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß Organmitglieder nach ihrem Ausscheiden vielfach eine gleichwertig oder besser vergütete Tätigkeit in dem Organ eines anderen Unternehmens aufnehmen. Eine wirtschaftliche Überfor544 545 546 547

Dazu im einzelnen Teil G. IV. 1. a. Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2329). Messmer VW 2003, 1384 (1386); Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2329). Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2329); a.A. wohl Messmer, VW 2003, 1384 (1386).

232

D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

derung durch einen Selbstbehalt, der sich an der zuletzt geleisteten Vergütung des vorherigen Unternehmens ausrichtet, ist dann nicht gegeben.

(7.) Die Einbeziehung der Kosten der Anspruchsabwehr Ein vereinbarter Selbstbehalt erstreckt sich im D&O-Versicherungsrecht grundsätzlich nicht auf die Kosten der Rechtsverteidigung, weil diese gem. § 101 Abs. 1 S. 1 VVG (§ 150 Abs. 1 S. 1 VVG alt) voll zu ersetzen sind, sofern diesbezüglich keine abweichende ausdrückliche Regelung getroffen wurde.548 Auch § 93 Abs. 2 S. 3 AktG verlangt dies nicht (s.o.). In älteren Versicherungsbedingungen war oftmals vorgesehen, daß sich der Selbstbehalt auch auf die Kosten der Anspruchsabwehr bezieht.549 In neueren Bedingungswerken ist dies meist nicht mehr geregelt.550 Zwar erhöht die Einbeziehung der Verteidigungskosten in den Selbstbehalt die verhaltenssteuernde Wirkung insoweit, als dadurch der vorschnellen Inanspruchnahme durch die Organmitglieder entgegengewirkt wird. 551 Sie führt allerdings zu schwerwiegenden Abgrenzungsproblemen, wenn es sich um eine entity-Deckung552 handelt, die eine allocation-Regelung enthält.553 Aufgrund der allocation-Regelung trägt der Versicherer die Abwehrkosten sowohl der Gesellschaft als auch der Versicherten, um die andernfalls auftretenden Zuordnungsprobleme zu vermeiden. Wenn sich nun der Selbstbehalt auch auf die Verteidigungskosten erstreckt, leben diese Zuordnungsfragen innerhalb des Selbstbehalts wieder auf. Die allocation-Regelung würde dadurch sinnlos.

(8.) Der zeitliche Bezugspunkt des Selbstbehalts Der Selbstbehalt muß ferner in zeitlicher Hinsicht konkretisiert werden, wobei vorrangig § 93 Abs. 2 S. 3 AktG maßgeblich ist.554 Entweder betrifft er den jeweiligen Versicherungsfall555 bzw. den Freistellungsfall in Freistellungsvereinbarungen nicht versicherungsvertraglicher Art oder er gilt bezogen auf das Kalenderjahr. Mit Blick auf den verhaltenssteuernden Zweck des Selbstbehalts 548

Voit, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 150 Rn. 10. Vgl. die Auswertung verschiedener Bedingungswerke bei Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 170. 550 Das im folgenden Gesagte gilt sinngemäß für Freistellungsvereinbarungen nicht versicherungsvertraglicher Art. 551 Dreher, Vergütung, Versorgung und Absicherung von Vorstandsmitgliedern in der Aktiengesellschaft, in: RWS-Forum Gesellschaftsrecht, 2003, V 1 b; Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2328). 552 Teil G. I. 1. g). 553 Siehe dazu auch Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2328). 554 Dazu oben sub D. VI. 1. e). 555 Der gem. in der D&O-Versicherung geltenden claims made-Prinzip durch die Anspruchserhebung definiert wird, dazu Teil G. IV. 1. a). 549

VI. Der angemessene Selbstbehalt

233

ist ersteres wohl vorzugswürdig. Das Bewußtsein, daß bereits eine einmalige Pflichtverletzung zur Ausschöpfung des Jahres-Selbstbehalts führen kann und weitere Pflichtverletzungen keine zusätzlichen Schadenstragungspflichten auslösen, könnte nämlich insgesamt zu einer Abnahme der Sorgfaltsanstrengungen bei den Organmitgliedern führen. Diesem Ansatz folgt auch § 93 Abs. 2 S. 3 AktG.

3. Der Selbstbehalt für Aufsichtsratsmitglieder im Sinn von Ziff. 3.8 Abs. 3 DCGK a) Der „entsprechende Selbstbehalt“ Ziffer 3.8 Abs. 3 DCGK empfiehlt bei der D&O-Versicherung für Aufsichtsratsmitglieder einen dem § 93 Abs. 2 S. 3 AktG „entsprechende(n)“ Selbstbehalt. Die Klausel ist Folge des Inkrafttretens des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG. Zuvor empfahl Ziffer 3.8 DCGK sowohl für die Vorstandsmitglieder als auch für die Aufsichtsratsmitglieder einen „angemessenen“ Selbstbehalt. Die Neufassung ist insoweit problematisch, als sich die Frage stellt, ob die Formulierung „entsprechender“ Selbstbehalt bedeutet, daß er nach denselben Kriterien zu strukturieren ist wie der für Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG.556 Die Vergütungsstruktur von Aufsichtsratsmitgliedern unterscheidet sich nämlich grundlegend von der bei Vorstandsmitgliedern. Dies liegt zunächst daran, daß das Aufsichtsratsmandat ein typisches Nebenamt darstellt. Die zweite Mindestgrenze des Selbstbehalts in Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung ist daher bei einem Aufsichtsratsmitglied in der Regel deutlich weniger als bei einem Vorstandsmitglied. Dementsprechend niedriger fällt auch der durch einen solchen Selbstbehalt ausgelöste Verhaltensappell an die Aufsichtsratsmitglieder aus. Vor Inkrafttreten des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG und der Änderung von Ziffer 3.8 DCGK sprachen sich weite Teile des Schrifttums daher dafür aus, die Selbstbehalte bei Vorstandsmitgliedern und Aufsichtsratsmitgliedern unterschiedlich zu strukturieren. Einer solchen differentzierenden Vorgehensweise ist nunmehr freilich durch Ziffer 3.8 DCGK nicht der Boden entzogen. Denn § 93 Abs. 2 S. 3 AktG begründet lediglich Mindestanforderungen. Sowohl bei Vorstandsmitgliedern als auch erst recht bei Aufsichtsratsmitgliedern können daher höhere Selbstbehalte als dort gesetzlich vorgeschrieben vereinbart werden. Bei einer besonders niedrigen Aufsichtsratsvergütung kommt daher auch ein Selbstbehalt in Höhe von etwa dem Zweifachen oder Dreifachen der Jahresvergütung in Betracht.

556

Dazu oben D. VI. 1.

234

D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

b) Die Frage der analogen Anwendung von Ziff. 3.8 DCGK auf Freistellungsvereinbarungen Es stellt sich die Frage, ob Ziff. 3.8 DCGK in Verbindung mit § 161 AktG analog auf Freistellungsvereinbarungen nicht versicherungsvertraglicher Art anzuwenden ist. Eine analoge Anwendung von Ziff. 3.8 DCGK würde dann auch für Freistellungsvereinbarungen ohne Selbstbehalt die Erklärungspflicht nach § 161 AktG auslösen. Die Analogiefähigkeit von Ziff. 3.8 DCGK ist jedoch bereits fraglich, weil es sich nicht um eine gesetzliche Regelung handelt. Dennoch hat der DCGK über die dynamische Verweisung in § 161 AktG eine materiellrechtliche Relevanz. Eine analoge Anwendung von Ziff. 3.8 DCGK in Verbindung mit § 161 AktG ist daher methodisch nicht ausgeschlossen. Es ist aber das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke zweifelhaft. Zwischen der D&O-Versicherung und der Freistellungsvereinbarung bestehen strukturelle Unterschiede. Dazu gehört insbesondere der Umstand, daß eine Freistellungsvereinbarung einer Aktiengesellschaft mit eigenen Organmitgliedern nur hinsichtlich Außenhaftungsansprüchen und auch insoweit lediglich in begrenztem Umfang in Betracht kommt.557 Ein Verzicht auf Innenhaftungsansprüche ist nach Maßgabe des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ohnehin ausgeschlossen. Eine greifbare und allgemein wirkende Entschärfung der Haftungsfolgen für das eigene Management kann die Gesellschaft daher grundsätzlich nur durch die D&O-Versicherung vornehmen. Ziff. 3.8 DCGK betrifft daher einen anderen Regelfall als er bei der Freistellung gegeben ist. Die Norm will einer Absenkung der haftungsrechtlichen Verhaltenssteuerung durch die Gesellschaft selbst entgegenwirken. Dies spricht dagegen, daß die Freistellung als potentieller Regelungsgegenstand der Ziff. 3.8 DCGK planwidrig übergangen wurde. Hinzu kommt, daß die D&O-Versicherung eine größere rechtspraktische Bedeutung für die Haftungsverfassung hat als die stärker einzelfallabhängige Freistellungsvereinbarung. Wenn der DCGK sich daher auf eine Empfehlung hinsichtlich ersterer beschränkt, läßt sich dem die Aussage entnehmen, daß andere Sicherungsinstrumente wie Freistellungsvereinbarungen im Rahmen des aktienrechtlich Zulässigen frei gestaltbar sind, ohne daß auch dort die Empfehlung zur Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts gälte. Deshalb gilt Ziff. 3.8 DCGK auch nicht analog für Freistellungsvereinbarungen der Organmitglieder mit Dritten.

c) Die Befreiung des Aufsichtsratsmitglieds von dessen Selbstbehalt Ziff. 3.8 DCGK empfiehlt für Aufsichtsratsmitglieder die Vereinbarung eines Selbstbehalts. Es stellt sich daher auch hier die Frage, inwieweit das Organmitglied von einem solchen Selbstbehalt befreit werden kann. Eine vorweggenom557

Teil B. II. 1. d).

VI. Der angemessene Selbstbehalt

235

mene Haftungsfreistellung in Höhe des Selbstbehalts seitens der Gesellschaft scheitert grundsätzlich an den §§ 93 Abs. 4 S. 3, 116 AktG, weil sie einen partiellen Anspruchsverzicht bedeuten würde. Freistellungsvereinbarungen mit Dritten – auch soweit sie sich auf einen Selbstbehalt beziehen – sind unter Berücksichtigung der sich aus dem Unabhängigkeitspostulat ergebenden Einschränkungen aktienrechtlich hingegen ohne weiteres möglich. Zwar kann eine solche Freistellungsvereinbarung den Steuerungseffekt der Organhaftung abschwächen, der durch den Selbstbehalt gerade gesichert werden soll. Da aber auch eine ohne Selbstbehalt vereinbarte D&OVersicherung bzw. sonstige Freistellung keine gesellschaftsrechtlich unzulässige Einschränkung der Steuerungsfunktion darstellt, kann eine separate Enthaftung von einem vereinbarten Selbstbehalt nicht unzulässig sein. Wenn das Aufsichtsratsmitglied eine zusätzliche Eigenversicherung in Höhe des Selbstbehalts558 abschließt, ist das gesellschaftsrechtlich folglich ebenfalls nicht zu beanstanden, da der Selbstbehalt keine gesellschaftsrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung des Versicherungsvertrags bei Aufsichtsratsmitgliedern ist. Sofern eine Befreiung des Aufsichtsratsmitglieds von seinem Selbstbehalt, etwa durch eine Selbstbehaltsversicherung oder eine Freistellungsvereinbarung mit einem Dritten, vorliegt, stellt sich aber die Frage, ob die Empfehlung des Ziff. 3.8 DCGK noch erfüllt ist. Einerseits zielt Ziff. 3.8 DCGK auf eine Verbesserung der Steuerungsfunktion des Organhaftungsrechts ab. Eine Befreiung vom Selbstbehalt könnte diesen Regelungszweck daher möglicherweise vereiteln. Andererseits muß aber berücksichtigt werden, daß Ziff. 3.8 DCGK sich bezüglich des Selbstbehalts für Aufsichtsratsmitglieder gerade an der gesetzlichen Vorgabe für Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG orientiert („entsprechender Selbstbehalt“). Nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ist es aber zulässig, wenn der vorgeschriebene Selbstbehalt durch eine Singularhaftpflichtversicherung oder eine Freistellungsvereinbarung mit einem Dritten gedeckt wird.559 Dann muß Entsprechendes für Ziff. 3.8 DCGK gelten.

4. Die Vereinbarung eines zweistufigen Selbstbehalts bei der entity-Deckung Was die D&O-Versicherung anbelangt, kann die Vereinbarung eines Selbstbehalts nicht nur in bezug auf das versicherte Organmitglied geboten oder nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG erforderlich sein, sondern auch im Verhältnis zum Un558 Vielfach sind die Gesellschaften wohl bereit, die Prämien solcher Singularhaftpflichtversicherungen direkt oder indirekt zu erstatten, vgl. Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 3. Aufl. 2008, Rn. 526. 559 S.o. Teil D. VI. 1. f).

236

D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

ternehmen, sofern dieses ebenfalls Versicherter aufgrund einer entity-Deckung ist.560 Für die Vereinbarung eines Selbstbehalts zu Lasten des Unternehmens spricht bei der entity-Deckung ebenfalls zunächst der Gedanke, daß die Geltendmachung von Bagatellschäden ausgeklammert werden soll. Ferner kann ein Selbstbehalt des Unternehmens bei der entity-Deckung theoretisch zu einer Prämienreduzierung führen. Schließlich läßt sich aber auch in bezug auf das Unternehmen der Aspekt der Verhaltenssteuerung als Grund für die Vereinbarung eines Selbstbehalts anführen. Allerdings ist der Adressat des Verhaltensappells hier eine juristische Person, so daß man die Frage aufwerfen muß, ob überhaupt von Prävention im eigentlichen Sinn gesprochen werden darf. Das traditionelle deutschrechtliche Verständnis im Strafrecht etwa geht gemäß dem Grundsatz societas delinquere non potest davon aus, daß die juristische Person kein geeigneter Adressat für strafrechtliche Normappelle sei. Diese Thematik bedarf hier aber keiner Vertiefung. Sie betrifft nämlich insbesondere das Problem, inwieweit eine vergeltende Strafe bei einem Verband nach der Strafzwecklehre Sinn ergibt.561 Was die verhaltenssteuernde Wirkung eines Selbstbehalts in bezug auf die Gesellschaft anbelangt, geht es um die Frage, ob hierdurch ein auf das Unternehmen gerichteter wirksamer Verhaltensanreiz zur künftigen Haftungsvermeidung geschaffen werden kann. Sie ist zu bejahen. Daß Haftungsandrohungen gegenüber Unternehmen eine unternehmensbezogene Verhaltenssteuerung bewirken, zeigen bereits die Bußgeldtatbestände des EU-Kartellrechts, die sich nur an Unternehmen richten, aber auch § 30 OWiG mit der Möglichkeit der Annexbuße gegen Unternehmen. Der gegenüber dem Unternehmen vereinbarte Selbstbehalt wird grundsätzlich höher ausfallen als der bezüglich des einzelnen Organmitglieds, da die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens regelmäßig größer ist. Konkrete Aussagen zu der idealen Höhe eines Unternehmensselbstbehalts lassen sich aber nicht treffen. Sie hängen nicht zuletzt von der kaum vergleichbaren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Unternehmen und dem das Unternehmen in seiner Gesamtheit betreffenden Haftungsrisiko ab. Auch hier geht es nur um Zweckmäßigkeits-, nicht um Rechtmäßigkeitserwägungen.

560

Hierzu im Einzelnen Teil G. I. g). Hierzu Schroth, Unternehmen als Normadressaten und Sanktionssubjekte, 1993; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, 1996. 561

VI. Der angemessene Selbstbehalt

237

5. Die Vereinbarung einer internen Zahlungspflicht anstelle eines Selbstbehalts Der Selbstbehalt ist Bestandteil des Freistellungs- bzw. D&O-Versicherungsvertrags. Es kommt jedoch auch eine alternative Gestaltungsvariante in Betracht. Freistellungs- bzw. Versicherungsverträge können ohne Selbstbehalt vereinbart werden, wobei sich die Organmitglieder zugleich gegenüber der Gesellschaft dazu verpflichten, einen Teil des Schadens selbst zu tragen.562 Diese Regelung hat den Vorteil, daß die Ersatzpflicht des Organmitglieds aufgrund des der Gesellschaft zustehenden Innenhaftungsanspruchs bis zur Höhe der Deckungssumme bzw. der Grenze der Freistellungszusage vollständig gedeckt ist. Dies verschafft der Gesellschaft als Gläubigerin des Innenhaftungsanspruchs eine größere Sicherheit als eine Freistellungs- bzw. Versicherungsvereinbarung, die einen Selbstbehalt zu Lasten des Organmitglieds aufweist.563 Ein weiterer Vorzug der Vereinbarung einer gesellschaftsinternen Zahlungspflicht anstelle eines Selbstbehalts liegt darin, daß die Regelungen über Höhe und Zahlungsmodalitäten geändert werden können, ohne daß sich dies auf die Freistellungsvereinbarung mit dem Drittgläubiger oder den Versicherungsvertrag auswirkt. Auf diese Weise kann leichter der individuellen Risiko- und Vermögenssituation einzelner Organmitglieder Rechnung getragen werden.564 Es fragt sich aber, ob die Vereinbarung einer solchen internen Zahlungspflicht anstelle eines Selbstbehalts bei einer D&O-Versicherung auch die Anforderungen von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG und Ziff. 3.8 DCGK erfüllt. Dagegen ließe sich möglicherweise der Wortsinn der Vorschriften anführen, wonach unter einem Selbstbehalt grundsätzlich eine Regelung zu verstehen ist, die den Versicherer in bestimmtem Umfang von seiner Leistungspflicht befreit.565 Diese Wirkung zugunsten des Versicherers hat eine interne Zahlungspflicht nicht. § 93 Abs. 2 S. 3 AktG und Ziff. 3.8 DCGK müssen aber teleologisch ausgelegt werden. Es geht den Vorschriften nicht darum, zu Gunsten des Versicherers eine Entlastung herbeizuführen, sondern um eine Sicherung der Steuerungsfunktion der Organhaftung. Für diesen Zweck kommt es nicht darauf an, ob der von dem 562 In der Praxis kommen solche internen Zahlungsverpflichtungen, die an die Stelle eines Selbstbehalts treten, durchaus vor, vgl. die Nachweise bei Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 in Fn. 6. 563 Es kann nämlich der Fall eintreten, daß ein Organmitglied aufgrund vorheriger Inanspruchnahme durch Drittgläubiger im Haftungsfall bereits außerstande ist, den Schaden der Gesellschaft in Höhe des Selbstbehalts aus seinem Privatvermögen zu begleichen. 564 Denn die AVB der D&O-Versicherung erfassen grundsätzlich alle Organmitglieder in entindividualisierter Form in gleicher Weise. Auch ein in den AVB enthaltener Selbstbehalt bezieht daher alle versicherten Personen gleichermaßen ein. 565 A.A. Offenbar Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Luther/von Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 3. Aufl. 2008, Rn. 522. Verf. spricht auch hinsichtlich der internen Zahlungspflichten von Selbstbehalt.

238

D. Die Auswirkungen der Freistellung und der D&O-Versicherung

Organmitglied zu tragende Eigenanteil der Haftpflichtforderung im Versicherungsvertrag geregelt ist oder auf einer Vereinbarung mit der Gesellschaft beruht. Voraussetzung von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG bzw. Ziff. 3.8. DCGK ist allerdings, daß alle Organmitglieder von der Selbstbehaltsregelung erfaßt sind. Deshalb muß bei der Vereinbarung einer internen Zahlungspflicht darauf geachtet werden, daß sämtliche betroffenen Personen einbezogen sind.566

566 Zu Ziff. 3.8 DCGK vgl. Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Luther/von Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 3. Aufl. 2008, Rn. 522.

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E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß einer D&O-Versicherung I. Der aufwendungsersatzähnliche Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft 1. Die Anspruchsgrundlage Es fragt sich, ob Organmitgliedern ein gesetzlicher Anspruch auf Freistellung gegen die Gesellschaft zustehen kann.1 Die Rechtsprechung hat sich hierzu hinsichtlich der Aktiengesellschaft und der GmbH zwar – soweit ersichtlich – noch nicht geäußert. Der BGH hat aber Freistellungsansprüche von Vereinsmitgliedern gegen den Verein bejaht, wenn die Vereinsmitglieder in Durchführung satzungsmäßiger Aufgaben für den Verein Dritte aufgrund einer damit typischerweise verbundenen Gefahr geschädigt haben und diesen gegenüber schadenersatzpflichtig geworden sind.2 Auch im Kapitalgesellschaftsrecht ist ein solcher Freistellungsanspruch von Organmitgliedern gegen die Gesellschaft grundsätzlich möglich.3 Als Rechtsgrundlage kommt ein Aufwendungsersatzanspruch in Betracht. Der Anstellungsvertrag ist als Geschäftsbesorgungsverhältnis einzustufen.4 Erleidet der Beauftragte in Ausführung des Auftrags einen Schaden, soll nach

1 Hierzu Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (311); Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (156); Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 517; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 108 (zur GmbH Geschäftsführung); Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 108 ff. 2 BGH, Urteil v. 5.12.1983 – II ZR 252/82, BGHZ 89, 153; BGH, Urteil v. 13.12.2004 – II ZR 17/03, NJW 2005, 981 = VersR 2005, 1088. 3 S. nur Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999 § 93 Rn. 515 ff.; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, 2007, S. 108. 4 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (311); Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 111; in: Großkommentar AktG, 4. Aufl., 11. Lfg. 1999, § 93 Rn. 517; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 Rn. 77; BGH, Urteil v. 5.12.1983 – II ZR 252/82, BGHZ 89, 153 (zum Verhältnis des Vereinsmitglieds zu seinem Verein).

240

E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

verbreiteter Ansicht § 670 BGB analog zur Anwendung kommen.5 Über § 670 BGB greift die Freistellungsregelung des § 257 BGB, wenn der Schaden darin liegt, daß der Beauftragte sich gegenüber einem Dritten schadenersatzpflichtig gemacht hat. Anspruchsvoraussetzung ist nach dieser Sehweise, daß die Entstehung der Verbindlichkeit in einem inneren Zusammenhang mit der Geschäftsbesorgungstätigkeit stand, sich mithin ein tätigkeitsspezifisches Risiko verwirklicht hat.6 Dieser Risikozusammenhang wäre in bezug auf die Organtätigkeit immer dann gegeben, wenn die anspruchsbegründende Handlung zum Aufgabenbereich des Organs gehörte. Nach anderer Ansicht richtet sich der Ersatz von Schäden und damit die Freistellung von gegen den Beauftragten gerichteten Ansprüchen, die in Ausführung seiner Tätigkeiten entstanden sind, nicht nach § 670 BGB analog, sondern ergibt sich aus einer auf richterlicher Rechtsfortbildung beruhenden Risikohaftung des Geschäftsherrn.7 Zu Recht wird gegen die analoge Anwendung von § 670 BGB eingewandt, daß die Annahme, der Beauftragte habe die Schädigung als „Aufwendung“ im Sinn von § 670 BGB freiwillig in Kauf genommen, gekünstelt erscheint. Außerdem ist die Konstruktion eines Aufwendungsersatzanspruchs nach § 670 BGB zu starr, da sie zu einer „Allesoder-Nichts“-Lösung führt, weil § 254 BGB hier nicht paßt,8 auch wenn ihn einige Stimmen analog anwenden wollen.9 Geht man richtigerweise von einem eigenständigen Tatbestand der Risikohaftung des Geschäftsherrn aus, beruht diese auf dem Prinzip der Zurechnung des mit der Tätigkeit verbundenen spezifischen Schadenrisikos gegenüber demjenigen, in dessen Interesse der Beauftragte tätig geworden ist.10 Aus diesem Ansatz ergeben sich weitere Folgerungen. Ein besonderer Freistellungsanspruch besteht demnach auch dann, wenn das Organmitglied aus 5 BGH, Urteil v. 7.11.1960 – VII ZR 82/59, BGHZ 33, 251 (257); BGH, Urteil v. 27.11.1962 – VI ZR 217/61, BGHZ 38, 270 (277) zur Geschäftsführung ohne Auftrag. 6 Dazu Sprau, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, §§ 670, 671 Rn. 11; vgl. auch BGH, Urteil v. 5.12.1983 – II ZR 252/82, BGHZ 89, 153 zum Vereinsrecht. 7 Grundlegend Canaris, RdA 1966, 41; Genius, AcP 173, 481; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, II. Band: Besonderer Teil, 1. Halbband, 13. Aufl. 1986, § 56 III (S. 418); diesen Ansatz wohl favorisierend auch Sprau, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, §§ 670, 671 Rn. 11 f.; vgl. auch BGH, Urteil v. 13.12.2004 – II ZR 17/03, NJW 2005, 981 = VersR 2005, 1088, wo hinsichtlich des Vereinsrechts auf diesen Ansatz ebenfalls Bezug genommen wird. Der BGH meinte a.a.O., daß die Freistellungspflicht „letztlich auf einer Billigkeitserwägung“ beruhe, VersR 2005, 1088 (1089). 8 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, II. Band: Besonderer Teil, 1. Halbband, 13. Aufl. 1986, § 56 III (S. 418). 9 OLG Hamm, Urteil v. 31.10.1973 – 11 U 79/73, MDR 1974, 312; Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 112. 10 Dieses Prinzip liegt auch den Regeln über die „schadensgeneigte Arbeit“ zugrunde, Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, II. Band: Besonderer Teil, 1. Halbband, 13. Aufl. 1986, § 56 III (S. 418 f.).

I. Der aufwendungsersatzähnliche Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft

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einer Rechtsscheinhaftung in Anspruch genommen wird. Wollte das Organmitglied für die Gesellschaft handeln, nicht aber für sich selbst, muß die Gesellschaft im Innenverhältnis dafür einstehen,11 denn ihrer Risikosphäre ist die haftungsbegründende Tätigkeit zuzuordnen. Auch bei einer Haftung des Organmitglieds aus culpa in contrahendo kann ein Rückgriffsanspruch im Verhältnis zur Gesellschaft bestehen. Denn auch hier gilt der Grundsatz, daß für ein Verschulden bei Vertragsverhandlungen nur derjenige haftet, der Vertragspartner ist oder werden soll, weil es andernfalls zu einer nicht angemessenen Risikoverlagerung auf Kosten des Organmitglieds käme.12

2. Die Konsequenzen eines Mitverschuldens durch Verletzung von Organpflichten Klärungsbedürftig verbleibt, nach welchem Maßstab ein Mitverschulden des Organmitglieds zu beurteilen ist. Da es sich um einen Anspruch des Organmitglieds gegen die Gesellschaft handelt, sind die Sorgfaltspflichten in diesem Verhältnis relevant. Ein Mitverschulden liegt also nicht bereits dann vor, wenn das Organmitglied im Außenverhältnis eine Pflichtwidrigkeit begangen hat, sondern nur, wenn eine Verletzung seiner Organpflichten im Verhältnis zur Gesellschaft gegeben ist.13 Sofern ein solches Mitverschulden gegenüber der Gesellschaft besteht, ist fraglich, ob der Freistellungsanspruch vollständig gesperrt ist. Wenn das Organmitglied nämlich auch eine Pflicht im Innenverhältnis verletzt hat, steht der Gesellschaft ihrerseits im Grundsatz ein Organhaftungsanspruch nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG zu, sofern auch ihr ein Schaden entstanden ist. Würde dem Organmitglied in diesem Fall ein Freistellungsanspruch gewährt, liefe dies auf einen Verzicht auf den Organhaftungsanspruch aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG hinaus. Der Organhaftungsanspruch würde mithin in allen Fällen, die zugleich zu einer Außenhaftung des Organmitglieds führen, aufgehoben.14 Selbst wenn es im Einzelfall an einem Schaden der Gesellschaft fehlte, würde der Schaden des Organmitglieds, der auf einer Organpflichtverletzung beruht, über den Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis auf die Gesellschaft verlagert. Dieses Ergebnis würde das System des Innenhaftungsrechts entwerten. Die § 93 Abs. 2 S. 1 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG müssen deshalb den gesetzlichen Freistellungsanspruch insge11 Vgl. Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, Karlsruhe 2003, S. 96. 12 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, Karlsruhe 2003, S. 97. 13 Vgl. Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 114 f. 14 Vgl. Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, 2007, S. 108.

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E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

samt überlagern.15 Sofern eine Pflichtverletzung im Verhältnis zur Gesellschaft vorliegt, kommt es daher nicht über § 254 BGB lediglich zu einer Minderung des Freistellungsanspruchs, sondern zu seinem vollständigen Fortfall.16 Es fragt sich, ob die Überlagerung des Freistellungsanspruchs durch die Organpflichten davon abhängen kann, inwieweit etwaige Organhaftungsansprüche vertraglich verzichtbar sind, so daß ein Freistellungsanspruch bereits in all’ den Fällen bestünde, in denen die Gesellschaft wirksam von der Innenhaftung absehen könnte. Gegen eine solche These spräche jedoch, daß auch ein Organhaftungsanspruch nach § 43 Abs. 2 GmbHG, der – anders als nach § 93 Abs. 4 AktG im Aktienrecht – weitgehend der Parteidisposition unterliegt, von vornherein ohne Anwendungsbereich wäre, wenn ein Organmitglied bei Verletzung einer Pflicht im Innenverhältnis ex lege eine Freistellung gegenüber der Gesellschaft verlangen könnte. Deshalb muß auch im GmbH-Recht ein Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft ausscheiden, wenn zugleich eine Organpflicht im Innenverhältnis verletzt wurde.17 Die gesetzliche Innenhaftung hat bei einer Verletzung von Organpflichten in vollem Umfang den Schaden der Gesellschaft abzudecken, weshalb zu Recht auch die arbeitsrechtlichen Grundsätze der betrieblich bedingten Tätigkeit bei Geschäftsführern nicht für einschlägig gehalten werden.18

II. Der Anspruch aus § 426 BGB gegen die Gesellschaft Das Organmitglied und die Gesellschaft können Dritten auch gesamtschuldnerisch haften. Das ist namentlich der Fall, wenn die Gesellschaft analog § 31 BGB19 für die Handlung eines Organs einzustehen hat. 20 In diesen Fällen kann 15

Davon zu trennen ist die Frage, inwieweit die Gesellschaft vertragliche Freistellungsansprüche mit dem Organmitglied vereinbaren kann. S. dazu Teil B. 16 So im Ergebnis auch Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 515; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, 2007, S. 108; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 Rn. 77 f.; Wiesner, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht, Bd. 4 Aktiengesellschaft, 3. Aufl. 2007, § 21 Rn. 62. 17 So auch Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 108: „Soweit GFührer der Ges nach § 43 haftet, kommen Freistellungsansprüche gegen Ges selbstverständlich nicht in Frage.“; so auch Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&OVersicherung, 2007, S. 109. 18 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 109; vgl. auch BGH, Urteil v. 27.2.1975 – II ZR 112/72, VersR 1975, 612, wonach keine Haftungsbefreiung bei einem geschäftsführenden Vorstand einer Genossenschaftsbank anzunehmen ist, wenn es zu einer „Verletzung seiner normalen Vorstandspflichten“ gekommen ist. 19 Andere Grundlagen einer gesamtschuldnerischen Haftung sind etwa eine Rechtsscheinhaftung einer Leitungsperson, welche die beschränkte Haftung des Unternehmens nicht offenbart hat, BGH, Urteil v. 18.3.1974 – II ZR 167/72, BGHZ 62, 216 (222 f.); Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 105. 20 RG, Urteil v. 18.10.1917 – VI 143/17, RGZ 91, 72 (77); BGH, Urteil v. 12.4.1957 – I ZR

II. Der Anspruch aus § 426 BGB gegen die Gesellschaft

243

neben 21 den Anspruch des Organs gegen die Gesellschaft aus der Risikohaftung des Geschäftsherrn ein Freistellungsanspruch aus dem Recht des Gesamtschuldnerinnenausgleichs nach § 426 Abs. 1 BGB treten. 22 Es fragt sich, ob sich aus der Anwendung der Gesamtschuldregeln Abweichungen von dem unter I. gefundenen Ergebnis ergeben. Soweit eine Haftung aus § 823 BGB in Rede steht, folgt bereits aus einer Analogie zu § 840 Abs. 2 BGB, daß das handelnde Organmitglied den Schaden nach Gesamtschuldregeln im Innenverhältnis allein zu tragen hat. Aber auch hinsichtlich der Anspruchsgrundlagen außerhalb der §§ 823 ff. BGB muß dies gelten, sofern das Organ durch die haftungsbegründende Handlung zugleich seine Organpflichten verletzt hat. Die Verletzung der Organpflicht bewirkt hier eine Sperrung des gesetzlichen Innenausgleichsanspruchs. Andernfalls käme es infolge der Organpflichtverletzung zu einer Schadenverlagerung auf die Gesellschaft. Insoweit folgt daher aus § 426 Abs. 1 BGB auch kein Freistellungsanspruch des Organmitglieds gegen die Gesellschaft.23 Sofern es an einer Organpflichtverletzung fehlt, könnte die Vermutungsregel des § 426 Abs. 1 BGB greifen und zu einer anteiligen Schadenstragung im Innenverhältnis führen. 24 Jedoch müssen auch insoweit die besonderen Wertungen des Anstellungsverhältnisses einerseits und des Organinnenhaftungsrechts andererseits durchschlagen.25 Daher erfolgt auch bei Gesamtschuldlagen von Organmitglied und Gesellschaft entsprechend den Wertungen der Risikotragungshaftung der Gesellschaft für die Organtätigkeit nicht eine lediglich anteilige, sondern eine vollständige Freistellung durch die Gesellschaft, 26 soweit

28/56, GRUR 1959, 428 (429) – Michaelismesse; Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 106; Hadding, in: Soergel BGB, Bd. 1, Allgemeiner Teil 1, Stand Frühjahr 2000, § 31 Rn. 28; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, 2007, S. 109 f. 21 § 426 BGB verdrängt andere Anspruchsgrundlagen nicht, sondern ergänzt sie, vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 426 Rn. 1. 22 Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 106; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, 2007, S. 109 f. 23 Vgl. Weick, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2005, § 31 Rn. 49; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, 2007, S. 110; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 93 Rn. 178. 24 So Weick, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2005, § 31 Rn. 49: „… so bleibt wohl nichts übrig, als die beiden Gesamtschuldner in ihrem Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen haften zu lassen.“ 25 Zur Überlagerung des § 426 Abs. 1 BGB durch parallel bestehende Rechtsbeziehungen Grüneberg, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 426 Rn. 1, 8. Vgl. auch Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 110, der sich ebenfalls dagegen ausspricht, bei der Lösung der Fragen des Innenausgleichs und der Freistellung zwischen bürgerlichrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Regeln im Ergebnis zu differenzieren. 26 Denn auch hinsichtlich des Gesamtschuldnerinnenausgleichs greifen diese Wertungen aus dem Anstellungsverhältnis, Reuter, in: Münchener Kommentar BGB, 5. Aufl. 2006, § 31 Rn. 28.

244

E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

das Organmitglied seine Pflichten im Innenverhältnis nicht verletzt hat. 27 Befriedigt das haftende Organmitglied den Dritten, geht der Anspruch gegen die Gesellschaft gem. § 426 Abs. 2 S. 1 BGB auf das Organmitglied über.28

III. Der Freistellungsanspruch des Organmitglieds gegen Dritte 1. Der Anspruch aus Risikozurechnung gegenüber einem außenstehenden Prinzipal Freistellungsansprüche auf Grundlage einer Risikozurechnung gegenüber einem Prinzipal können dem Organmitglied auch gegenüber Dritten zustehen, wenn es seine Organfunktion im Auftrag eines anderen Unternehmens wahrnimmt, etwa einer Muttergesellschaft. 29 In diesem Verhältnis ist der Freistellungsanspruch nicht gesperrt, wenn das Organmitglied zugleich eine Organpflicht in der Gesellschaft verletzt hat, in der es seine Organtätigkeit ausübt. Denn die Organpflichten sind von der Rechtsstellung des Organs im Verhältnis zu Dritten losgelöst. Freilich muß ein mögliches Mitverschulden des Organmitglieds im Verhältnis zum Freistellungspflichtigen nach § 254 BGB berücksichtigt werden. Eine Verletzung von Organpflichten in der Gesellschaft, als deren Organ die betreffende Person den Haftungsfall ausgelöst hat, kann zugleich eine Verletzung von Pflichten im Verhältnis zu dem dritten Auftraggeber, beispielsweise der Muttergesellschaft, darstellen. 30 Der Freistellungsanspruch ist dann gemäß § 254 BGB gemindert. Vielfach verfügen Anteilseignervertreter in Aufsichtsräten jedoch schon über explizit geregelte vertragliche Freistellungsansprüche mit den sie stellenden Anteilseignern,31 so daß es dort auf den sich aus allgemeinen Risikozurechnungsgründen ergebenden gesetzlichen Freistellungsanspruch nicht mehr ankommt.

2. Der Anspruch auf Abschluß einer Freistellungsvereinbarung aus dienstvertraglicher Fürsorgepflicht eines Dritten Es ist zu untersuchen, ob einem Organmitglied bereits vor Eintritt eines Schadenfalls ein Anspruch auf Abschluß einer Freistellungsvereinbarung zustehen kann. Ein solcher könnte sich aus § 618 BGB ergeben, der die vertraglichen Für27 28 29 30 31

Zu diesen Fällen Teil B. II. 1. d) aa). Vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 426 Rn. 13. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 109. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 109. Teil B. I. 3. d).

III. Der Freistellungsanspruch des Organmitglieds gegen Dritte

245

sorgepflichten des Dienstberechtigen in bezug auf Schutzmaßnahmen zugunsten des Dienstverpflichteten konkretisiert. Die Anstellungsverträge der Vorstandsmitglieder unterliegen dem Dienstvertragsrecht, so daß die Vorschrift an sich einschlägig ist. Aufsichtsratsmitglieder üben ihr Amt hingegen nicht auf der Grundlage eines Anstellungsvertrags aus, sondern auf der eines Rechtsverhältnisses mit korporations- und schuldrechtlicher Doppelnatur.32 Ob und inwieweit § 618 BGB in diesem Verhältnis anwendbar ist, kann aber im vorliegenden Zusammenhang auf sich beruhen. Denn § 618 BGB definiert eine zwingende Mindestgrenze für dienstliche Fürsorgeaufwendungen. Eine Verpflichtung des Dienstberechtigten, den Dienstverpflichteten von sämtlichen Haftungsrisiken freizustellen, kann aus § 618 BGB nicht abgeleitet werden, weil es insoweit nicht um den von § 618 BGB in Bezug genommenen Essentialschutz für Leben und Gesundheit geht. Über § 618 BGB hinaus können jedoch weitere Fürsorgepflichten als Nebenpflichten aus dem Dienstverhältnis bestehen. So hat der BGH angenommen, daß der Dienstberechtigte verpflichtet sein kann, in bezug auf ein KfZ, mit dessen Führung der Dienstverpflichtete betraut ist, für ausreichenden Haftpflichtschutz zu sorgen.33 Nach der Rechtsprechung besteht aber keine Verpflichtung zur Absicherung eines jeden Htaftungsrisikos. In dem vorgenannten Fall hat der BGH demgemäß geurteilt, daß nur eine Versicherung im Rahmen der gesetzlichen Mindestgrenzen geschuldet sei, weil die entsprechende gesetzliche Festlegung bereits auf der Erwägung beruhe, daß ein angemessener Schutz dadurch erreicht werde.34 Eine Verpflichtung zu einer

32

Str. wie hier Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (304); Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 101 Rn. 2; a.A. früher RG, Urteil v. 2.3.1929 – I 324/28, RGZ 123, 351 (354): ergänzend vertragliches Anstellungsverhältnis. 33 BGH, Urteil v. 9.8.1966 – 1 AZR 473/65, NJW 1966, 2233; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 611 Rn. 101. 34 BGH, Urteil v. 9.8.1966 – 1 AZR 473/65, NJW 1966, 2233: „Nach Art. III § 11 VO zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über die Einführung der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter und zur Änderung des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen sowie des Gesetzes über den Versicherungsvertrag v. 6. 4. 1940 (RGBl. I S. 617) mußte zur Unfallzeit der Lkw mit einer Deckungssumme von 100 000 DM für Personenschäden versichert sein. Die Eingehung einer solchen Versicherung ist zwar nicht nur öffentlich-rechtliche Pflicht des Kraftfahrzeughalters. Sie ist, wenn der Kraftfahrzeughalter auf Grund eines Arbeitsvertrages das Lenken des Kraftfahrzeuges einem Arbeitnehmer überläßt, darüber hinaus eine Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, und zwar jedenfalls in dem Sinne, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für einen ausreichenden Versicherungsschutz verantwortlich ist. Die Versicherungspflicht soll gerade auch zur Sicherung des Fahrers dienen. Ausreichend ist jedoch eine Versicherung im Rahmen der gesetzlichen Mindestgrenzen. Die Bestimmung dieser gesetzlichen Mindestgrenzen beruht auf der Erwägung, daß diese Deckungssummen in der Regel ausreichen, um eintretende Schäden abzudecken. Eine höhere Versicherung kann der mit dem Lenken des Fahrzeugs betraute Arbeitnehmer deswegen nicht unter Berufung auf die Fürsorgepflicht verlangen; es würde dies eine Überspannung derselben bedeuten.“

246

E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

darüber hinausgehenden Absicherung würde die vertragliche Fürsorgepflicht überspannen.35 Wendet man diese Grundsätze auf die vorliegende Fragestellung an, kann aus der dienstvertraglichen Fürsorgepflicht der Gesellschaft, bei der das Organmitglied seine Haupttätigkeit ausübt, keine Verpflichtung abgeleitet werden, mit ihm im Rahmen des gesellschaftsrechtlich Zulässigen36 eine Freistellungsvereinbarung abzuschließen. Dies schon deshalb, weil eine solche Freistellungsvereinbarung, anders als bei einer KfZ-Haftpflichtversicherung, weder gesetzlich vorgeschrieben noch konkretisiert ist. 37 Die Freistellungsvereinbarung läßt sich mithin nicht als ein gesetzlicher Mindeststandard ansehen, der im Rahmen der Fürsorgepflicht nach § 618 BGB erfüllt werden müßte. Es kommt hinzu, daß dem Organmitglied ohnehin ein Anspruch auf Freistellung auf der Grundlage einer Risikozurechnung gegenüber der Gesellschaft38 zusteht, sofern es einen Haftpflichtfall in Wahrnehmung seiner Tätigkeit gegenüber dieser Gesellschaft durch Ausübung seiner Organtätigkeit herbeiführt. 39 Es besteht also auch keine Schutzbedürftigkeit des Organmitglieds.

IV. Der Freistellungsanspruch aus PVV wegen von der Gesellschaft zu vertretenden Verlusts bzw. Fehlens des D&O-Versicherungsschutzes 1. Die Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung zur Verschaffung von D&O-Versicherungsschutz Ein Anspruch auf Freistellung gegen die Gesellschaft ist rechtsformübergreifend noch unter einem anderen Gesichtspunkt zu prüfen. Wenn die Gesellschaft entgegen einer vertraglichen40 Verpflichtung gegenüber dem Organmitglied nicht für D&O-Versicherungsschutz gesorgt hat, kann dem Organmitglied im Haftungsfall ein Schaden dadurch entstehen, daß es selbst die Regreßpflicht erfüllen muß, für die ansonsten der Versicherer aufgekommen wäre.41 Dem Organmitglied könnte dann ein aus § 280 BGB resultierender Freistellungsan35

BGH, Urteil v. 9.8.1966 – 1 AZR 473/65, NJW 1966, 2233. Zu den gesellschaftsrechtlichen Grenzen von Freistellungsvereinbarungen Teil B. 37 Die Regierungskommission Corporate Governance hatte sich ausdrücklich gegen eine gesetzliche Versicherungspflicht ausgesprochen, Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 76. 38 Nach der Gegenansicht gemäß § 670 BGB analog, vgl. oben Teil E. I. 39 Oben Teil E. I. 40 Zur möglichen gesetzlichen Verpflichtung zur Verschaffung von D&O-Versicherungsschutz sogleich unter Teil E. VII. 41 Dazu eingehend Lange, VersR 2010, 162 ff. 36

IV. Der Freistellungsanspruch aus PVV

247

spruch gegen die Gesellschaft zustehen.42 Voraussetzung wäre, daß zwischen dem Organmitglied und der Gesellschaft ein Schuldverhältnis besteht, aus dem die Gesellschaft verpflichtet ist, D&O-Versicherungsschutz zu gewährleisten, und daß die Gesellschaft diese Pflicht schuldhaft verletzt hat. Inwieweit eine Verpflichtung besteht, für Versicherungsschutz zugunsten eines anderen zu sorgen, hängt von den rechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien ab.43 Die rechtliche Qualifizierung dieses Innenverhältnisses ist von dem Versicherungsvertragsrecht losgelöst und richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts.44 Eine Verpflichtung der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin, eine D&O-Versicherung abzuschließen und die Leistungspflicht des Versicherers aufrechtzuerhalten, kann sich aus dem Anstellungsvertrag mit dem betreffenden Organmitglied ergeben. Vielfach wird dort ein Anspruch auf D&O-Versicherungsschutz vereinbart.45 Es handelt sich hierbei um eine Nebenleistungspflicht im Sinn von § 241 BGB, da der Abschluß einer D&O-Versicherung keine Vergütung für die Organtätigkeit und mithin keine Hauptleistung darstellt.46 Auf die Qualifizierung als Haupt- oder Nebenleistung kommt es aber im vorliegenden Zusammenhang ohnehin nicht an, da nach § 280 BGB auch die schuldhafte Verletzung von Nebenleistungspflichten zu einem Schadenersatzanspruch führen kann. Unterläßt es der Verpflichtete, für vertragsgemäßen Versicherungsschutz zu sorgen, kann er also aufgrund dieser Pflichtverletzung dem vertragswidrig Nicht-Versicherten im Haftungsfall schadenersatzpflichtig sein.47 Sofern in dem Anstellungsvertrag keine Vereinbarung über eine D&O-Versicherung getroffen wurde, kann eine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung 42

Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 Rn. 177; Bauer/Krets DB 2003, 811 (814); Koch GmbHR 2004, 160 (167). 43 BAG, Urteil v. 30.1.1958 – 2 AZR 293/56, NJW 1958, 764 (765, unter 2 a)) = VersR 1960, 360 (361): „Die Verpflichtung eines Versicherungsnehmers, ein Versicherungsverhältnis zugunsten eines Dritten in dessen Interesse einzugehen, es aufrechtzuerhalten und es zugunsten des Dritten unter Ausnutzung der dem Versicherungsnehmer in solchen Fällen nach § 76 VVG und nach § 15 Abs. 1 AllgUnfallVB gegebenen Möglichkeiten im Interesse des Versicherten abzuwickeln, kann ebensogut die Gegenleistung des Versicherungsnehmers an den Versicherten aus einem Kaufvertrag sein wie auf einer Schenkung, einer Geschäftsbesorgung, einem Auftrag, einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder, was im vorl. Fall nach den Gesamtumständen besonders nahe liegt, auf einem Arbeitsvertrag beruhen.“ 44 BAG, Urteil v. 30.1.1958 – 2 AZR 293/56, NJW 1958, 764 (765, unter 2 b)) = VersR 1960, 360 (361); OLG Hamburg, Urteil v. 1.3.1960 – 7 U 154/59, VersR 1960, 1132 f. 45 Zu D&O-Versicherungsverschaffungsklauseln in Manageranstellungsverträgen s. Lange, ZIP 2004, 2221 ff. 46 Teil F. II. 1. 47 So zur D&O-Versicherung Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 (1795); Lange, VersR 2010, 162 ff.allgemein BGH, Urteil v. 23.4.1963 – VI ZR 142/62, NJW 1963, 1201 (1202, unter II 5 a)) = VersR 1963, 521; Römer, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, §§ 75, 76 Rn. 3; vgl. auch Vgl. Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 177.

248

E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

eines Versicherunsgsschutzes nach § 241 BGB aber auch dadurch begründet sein, daß die Gesellschaft bei den Organmitgliedern das berechtigte Vertrauen darauf geweckt hat, daß zu ihren Gunsten ein entsprechender Versicherungsschutz vorgehalten wird. Wurde ein D&O-Versicherungsvertrag geschlossen, obliegt es der Gesellschaft, die Organmitglieder48, soweit diese Kenntnis von der Versicherung hatten und damit auf die Deckung vertrauten, darüber zu informieren, falls der Versicherungsschutz entfällt, sei es durch Kündigung oder durch Säumnis bei der Prämienzahlung.49 Diese Pflicht resultiert aus der allgemeinen vertraglichen Aufklärungspflicht, d.h. der Pflicht, den anderen Teil unaufgefordert über entscheidungserhebliche Umstände zu informieren. 50 Eine Verletzung dieser Pflicht kann wiederum einen eigenständigen Schadenersatzanspruch nach § 280 BGB auslösen.51;52 48 Sowie die leitenden Angestellten, soweit sie ebenfalls in den Versicherungsschutz einbezogen sind. 49 Wenn die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin einer D&O-Versicherung mit der Zahlung der Versicherungsprämien in Verzug gerät, kann die Deckung der versicherten Organmitglieder entfallen. Wird die einmalige oder die erste Prämie nicht rechtzeitig gezahlt, ist der Versicherer, solange die Zahlung nicht bewirkt ist, gem. § 37 Abs. 1 VVG zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Nichtzahlung nicht zu vertreten. Ist die einmalige oder die erste Prämie bei Eintritt des Versicherungsfalls nicht gezahlt, ist der Versicherer nach § 37 Abs. 2 VVG ferner nicht zur Leistung verpflichtet, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Nichtzahlung nicht zu vertreten. Der Versicherer ist danach jedoch nur leistungsfrei, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge der Nichtzahlung der Prämie aufmerksam gemacht hat. Bei Folgeprämien gilt nach § 38 VVG folgendes: Wird eine Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt, kann der Versicherer nach § 38 Abs. 1 VVG dem Versicherungsnehmer auf dessen Kosten in Textform eine Zahlungsfrist bestimmen, die mindestens zwei Wochen betragen muß. Tritt der Versicherungsfall nach Fristablauf ein und ist der Versicherungsnehmer bei Eintritt mit der Zahlung der Prämie oder der Zinsen oder Kosten in Verzug, ist der Versicherer gem. § 38 Abs. 2 VVG nicht zur Leistung verpflichtet. Der Versicherer kann gem. § 38 Abs. 3 VVG nach Fristablauf den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, sofern der Versicherungsnehmer mit der Zahlung der geschuldeten Beträge in Verzug ist. Die Kündigung wird unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb eines Monats nach der Kündigung oder, wenn sie mit der Fristbestimmung verbunden worden ist, innerhalb eines Monats nach Fristablauf die Zahlung leistet. Bei der Fremdversicherung, zu der die D&O-Versicherung gehört, treffen den Versicherten dieselben Folgen wie bei einer Eigenversicherung, und es kommt nicht darauf an, ob die Pflichtverletzung mit dem Wissen und Willen des Versicherten begangen worden ist, (BGH, Urteil v. 15.11.1978 – IV ZR 183/77, VersR 1979, 176 (177 f., unter 2.); Römer, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, §§ 75, 76 Rn. 3.). 50 Dazu Heinrichs, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 280 Rn. 30. 51 Hierzu Thomas, VersR 2010, 281 ff. 52 Schließlich kann eine Verpflichtung zur Verschaffung ausreichenden D&O-Versicherungsschutzes auch aus dem organschaftlichen Diskriminierungsverbot folgen, wenn es durch eine Benachteiligung beim D&O-Versicherungsschutz andernfalls zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung käme. Auch ein Verstoß gegen die aus dem Diskriminierungsverbot resultierende Pflicht zur Verschaffung gleichwertigen D&O-Versicherungsschutzes muß zu einem Sachenersatzanspruch aus § 280 BGB führen, weil das

IV. Der Freistellungsanspruch aus PVV

249

Ein rechtliches Spannungsverhältnis entsteht, wenn der Geschädigte identisch ist mit dem Unternehmensrepräsentanten, der für das Fehlen des Versicherungsschutzes persönlich verantwortlich ist. Da diese Fallkonstellation vor allem bei der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten Bedeutung erlangt, wird sie später in jenem Kontext behandelt.53

2. Die Rechtsfolgen des Schadenersatzanspruchs a) Die Rechtsfolgen bei reiner Außenhaftung Sofern nach dem Vorgesagten ein Schadenersatzanspruch besteht, richtet er sich als Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB darauf, das Organmitglied von seiner Haftung zu befreien. Geht es um eine reine Außenhaftung, bedeutet dies einen Anspruch gegen die Gesellschaft, das Organmitglied von dem Drittanspruch freizustellen.54 Sofern das Organmitglied den Außenhaftungsanspruch bereits erfüllt hat, bezieht sich der Schadenersatzanspruch gegen die Gesellschaft auf Naturalrestitution durch Geldleistung.

b) Die Rechtsfolgen bei Verwirklichung eines Innenhaftungsanspruchs Zu Konflikten mit dem Innenhaftungsrecht kommt es, wenn das Organmitglied, welches wegen der Versäumnisse der Gesellschaft eines Versicherungsschutzes ermangelt (s.o.), eine Organpflicht verletzt hat und der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist, so dass das Organmitglied zusätzlich einem Schadenersatzanspruch der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG ausgesetzt ist. Der eigene Schadenersatzanspruch aus § 280 BGB würde sich dann gegen den Gläubiger des aus der Pflichtverletzung des Organmitglieds entstandenen Innenhaftungsanspruchs richten. Dies führte zwar nicht zur Konfusion, da es sich um zwei verschiedene Ansprüche handelt. Der auf Befreiung von der Verbindlichkeit gerichtete Schadenersatzanspruch richtete sich aber auf Abschluß eines Erlaßvertrags über den Organhaftungsanspruch der Gesellschaft nach § 397 BGB. Sofern die Gesellschaft ihren AnDiskriminierungsverbot zugleich eine Nebenpflicht des Anstellungsvertrags darstellt. Jedoch wird es beim Abschluß eines D&O-Versicherungsvertrags in der Praxis kaum zu Ungleichbehandlungen kommen, da die Policen grundsätzlich alle Organmitglieder in entindividualisierter Form erfassen. Der Fall, daß einzelne in den Versicherungsschutz einbezogen sind, andere hingegen nicht, ist daher praxisfern. 53 Teil F. III. 54 Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 177.

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E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

spruch gegen das Organmitglied geltend macht, muß diesem dann eine Einrede aus § 242 BGB zustehen. Denn ähnlich dem Rechtsgedanken des dolo facit qui petit quod statim redditurus est verstieße es gegen Treu und Glauben, eine Forderung geltend zu machen, die dem Schuldner aufgrund dessen Schadenersatzanspruchs gegen den Gläubiger erlassen werden müßte. Der Abschluß des Erlaßvertrags wäre ein unnötiger Formalismus. Daher wäre bereits der zu erlassende Anspruch selbst gesperrt. Der auf Erlaß des Organhaftungsanspruchs gerichtete Schadenersatzanspruch aus § 280 BGB könnte aber wiederum in der Aktiengesellschaft mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG kollidieren.55 Denn nach dieser Regelung kann die Gesellschaft nur eingeschränkt auf Ersatzansprüche verzichten. 56 Es stellt sich aber die Frage, ob § 93 Abs. 4 S. 3 AktG diesen Fall erfaßt. Sinn und Zweck der Norm ist es, die Verfügungsmacht der Gesellschaft über den Anspruch zu begrenzen. Sie will eine verfrühte Disposition über den Anspruch verhindern, bevor das gesamte Ausmaß des Schadens erkennbar ist 57 und sicherstellen, daß die Ausgleichsfunktion zu Gunsten von Gesellschaft und Gesellschaftern nicht vorschnell im Weg „kollegialer Verschonung“58 ausgeschlossen wird.59 Es ist indes zweifelhaft, ob dieser Normzweck im hier zu prüfenden Fall tangiert ist. Einer „kollegialen Verschonung“ muß § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht vorbeugen, da der Gesellschaft bei der Entscheidung über den Verzicht kein Ermessen zusteht. Sie ist dem Anspruch aus § 280 BGB ausgesetzt. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ist daher teleologisch in der Hinsicht zu reduzieren, daß er nicht greift, wenn die Gesellschaft aufgrund eines gegen sie gerichteten Schadenersatzanspruchs dazu verpflichtet ist, den Anspruch zu erlassen und seine Geltendmachung nach § 242 BGB infolgedessen ohnehin gesperrt ist.

V. Der Freistellungsanspruch gegen mithaftende Organmitglieder Freistellungsansprüche der Organmitglieder können sich auch gegen andere Organmitglieder richten, wenn eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer gegeben ist. Der Freistellungsanspruch gegen die mithaftende Person folgt zunächst unmittelbar aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB60 und besteht in Höhe des von ihr 55

Was über die Verweisung des Art. 51 SE-VO auch in der SE gälte. Für die GmbH würde sich dieses Problem hingegen nicht ergeben, da der Anspruch nach § 43 GmbHG im Grundsatz frei abdingbar ist, vgl. Teil B. II. 2. 57 Zimmermann, in: Festschrift für Duden, 1977, S. 773 (774); Mertens, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 209 (210); Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 45. 58 Vgl. Mertens, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 209 (210). 59 Zimmermann, in: Festschrift für Duden, 1977, S. 773 (774). 60 Denn die Verpflichtung der Gesamtschuldner nach § 426 Abs. 1 BGB entsteht bereits 56

VI. Die besondere Problematik von Freistellungsansprüchen

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zu tragenden Haftungsanteils.61 Ein solcher Freistellungsanspruch des Organmitglieds kann sich auch gegen einen Gesellschafter richten, wenn mit diesem eine Gesamtschuldlage besteht, beispielsweise bei verbotswidriger Auszahlung gebundenen Vermögens.62 Ein Ausgleichsanspruch zwischen Organmitglied und Gesellschaftern ist im GmbH-Recht ferner möglich bei existenzvernichtenden Eingriffen. Denn die Umsetzung einer rechtswidrigen, weil auf Existenzvernichtung bezogenen, Gesellschafterweisung verwirklicht den Haftungstatbestand des § 43 Abs. 2 GmbHG.63 Dem Geschäftsführer steht dann ein Freistellungsanspruch gegen die mithaftenden Gesellschafter zu, weil es bei der Existenzvernichtung primär um einen eigennützigen, unternehmerisch nicht vertretbaren Eingriff der Gesellschafter in das Vermögen und die Interessen ihrer Gesellschaft geht. Ein solcher Freistellungsanspruch ergibt sich in diesem Verhältnis gemäß den vorgenannten Wertungsgesichtspunkten aus § 242 BGB und aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB.64 Die Gesellschafter wären ungerechtfertigt bereichert, wenn ihr Vermögen durch Plünderung der Gesellschaft gemehrt und die Entwertung ihrer Geschäftsanteile durch Rückgriff auf den Geschäftsführer ausgeglichen würde.

VI. Die besondere Problematik von Freistellungsansprüchen der Organmitglieder gegen die Gesellschaft wegen tätigkeitsbezogener Geldstrafen und -bußen 1. Das Problem Ein gesondert zu untersuchender Problembereich sind mögliche Freistellungsansprüche der Organmitglieder gegen die Gesellschaft wegen gegen sie persönlich verhängter Geldstrafen und -bußen. Während unter Teil E. I. geprüft wurde, ob und inwieweit Organmitgliedern ein Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft in bezug auf persönlich erlittene Vermögenseinbußen im allgemeinen zustehen kann, ist insoweit der Frage nachzugehen, ob Freistellungsansprüche im besonderen auch dann bestehen können, wenn die Vermögenseinbuße in Gestalt einer Straf- oder Bußgeldsanktion eingetreten ist. mit der Begründung der Gesamtschuld, BGH, Urteil v. 21.3.1991 – IX ZR 286/90, NJW 1990, 1733 (1734); BGH, Urteil v. 27.6.1961 – VI ZR 205/60, BGHZ 35, 317 (325); Grüneberg, in: Palandt, 67. Aufl. 2008, § 426 Rn. 3. 61 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 110; zur anteiligen Haftung im Innenverhältnis s. auch Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 93 Rn. 18; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 301 f. 62 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 110. 63 Lutter/Banerjea, ZIP 2003, 2177 ff. 64 Lutter/Banerjea, ZIP 2003, 2177 (2179).

252

E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

Die Rechtsprechung hat sich mit dieser Frage bislang kaum befaßt. Das OLG Dresden hat in einem Urteil vom 7. November 1918 einen solchen Anspruch abgelehnt.65 In diesem Fall hatte sich ein Gesellschafter einer OHG durch ein unternehmensbezogenes Geschäft der Preistreiberei schuldig gemacht und wurde deswegen mit einer Geldstrafe belegt. Er verlangte von der Gesellschaft Erstattung. Den Anspruch wies das OLG Dresden mit der Begründung ab, es verbleibe „bei dem Charakter der Geldstrafe als einer höchstpersönlichen Leistung,“ die der Betroffene nicht von der Gesellschaft erstattet verlangen könne. § 110 HGB komme nicht in Frage; die „Strafe ist nicht als ein Verlust im Sinne dieser Gesetzesvorschrift anzusehen, den [der Betroffene] unmittelbar durch seine Geschäftsführung erlitten habe.“ Vielmehr solle der Gesellschafter „durch die Strafe eine Vermögensminderung erfahren und diese das persönliche Strafübel für ihn bilden, das er sich wegen der Rechtsverletzung zugezogen hatte und das sein Vermögen belastete.“66 Eine gefestigte Meinung hat sich im Schrifttum nicht herausgebildet. Einige lehnen einen Anspruch kategorisch ab.67 Andere halten ihn „regelmäßig“ für ausgeschlossen.68 Manche vertreten die Ansicht, ein Freistellungsanspruch solle im Grundsatz ausscheiden und Ausnahmen sollten nur in Betracht kommen, soweit die Sanktionierung auf eine „fehlerhafte prozessuale Beratung nach der Tat“ zurückzuführen ist oder eine „ausländische Straftat“ in Rede steht.69

2. Die Beschränkung der Erstattungsmöglichkeit auf reine Außenpflichtverletzungen Rekurriert man auf die Grundüberlegungen zum organschaftlichen Freistellungsanspruch (unter Teil E. I.), läßt sich das Problem abschichten. Danach kann das Organmitglied – sowohl in der Aktiengesellschaft als auch in der GmbH – eine Erstattung für tätigkeitsbezogene Vermögenseinbußen nur verlangen, soweit durch die schadenverursachende Handlung nicht zugleich eine Organpflicht im Innenverhältnis verletzt wurde. Diese Abgrenzung zwischen Innen- und Außenpflichtverletzungen gilt auch, soweit es um die Erstattung von Geldstrafen und -bußen geht.70 Nun wird aber gerade die Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten durch ein Organmitglied oft zugleich 65

OLG Dresden, Urteil v. 7.11.1918 – 4. ZS, 4. O. 49/18, JW 1918, 837 f. OLG Dresden, Urteil v. 7.11.1918 – 4. ZS, 4. O. 49/18, JW 1918, 837 f. 67 Schneider/Sethe, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 35 Rn. 243: „Der Geschäftsführer hat keinen Anspruch auf Übernahme von Geldstrafen, Bußgeldern und Verfahrenskosten, wenn das Verfahren zu einer Verurteilung geführt hat.“ 68 Stein, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1997, § 35 Rn. 307. 69 Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 127 ff., insbes. 131 f. 70 Dreher, in: Festschrift für Konzen, 2006, S. 85 (95). 66

VI. Die besondere Problematik von Freistellungsansprüchen

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eine solche Organpflichtverletzung darstellen.71 In den meisten Fällen scheitert ein Erstattungsanspruch des Organmitglieds gegen die Gesellschaft daher schon aus diesem Grund. Freilich sind sowohl im Bereich der vorsätzlich als auch der fahrlässig begangenen Straftaten, vor allem aber der Ordnungswidrigkeiten, Konstellationen denkbar, in denen es zu einer Sanktionierung kommt, ohne daß zugleich eine Organpflicht verletzt wurde. Es geht hier vor allem um Fälle, in denen eine komplizierte Rechts- und Tatsachenbewertung erforderlich war, das Organmitglied die entscheidenden Fragen mit vertretbarem Aufwand – ggf. und unter Hinzuziehung externer Berater – geprüft hat und die Verfolgungsbehörde dennoch einen Rechtsverstoß erkennt. Da die Rechtsprechung hinsichtlich der Anerkennung unvermeidbarer Verbotsirrtümer äußerst zurückhaltend ist, kommt es in der Praxis vielfach selbst dann zu Bußgeldverhängungen, wenn sich Organmitglieder vor ihren Entscheidungen umfassend durch unternehmensinterne Juristen und externe Rechtsberater haben instruieren lassen.72 Hier fehlt es an einer Organpflichtverletzung, obwohl im Außenverhältnis eine Bußgeldpflicht entstanden ist. Insoweit stellt sich dann die Frage, wie es sich mit einem gesetzlichen Erstattungsanspruch gegen die Gesellschaft verhält.73

71

Stein, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1997, § 35 Rn. 307. BGH, Beschluß v. 27.1.1966, KRB 2/65, WuW/E BGH 726 = BGHSt 21, 18 – Klinker: „Danach ist der Irrtum unüberwindlich, wenn der Täter trotz der ihm nach den Umständen des Falles, seiner Persönlichkeit sowie seinem Lebens- und Berufskreis zuzumutenden Anspannung des Gewissens die Einsicht in das Unrechtmäßige seines Handelns nicht zu gewinnen vermochte (BGHSt 2, 194, 201, 209). Das setzt voraus, daß er alle seine geistigen Erkenntniskräfte eingesetzt und etwa auftauchende Zweifel durch Nachdenken und erforderlichenfalls durch Einholung von Rat beseitigt hat (BGHSt 4, 1, 5; 4, 237, 243; 9, 164, 172). Hätte der Täter bei gehöriger Anspannung seines Gewissens das Unrechtmäßige seines Tuns erkennen können, so ist sein Verbotsirrtum verschuldet. Dabei sind an den Täter höhere Anforderungen zu stellen als hinsichtlich der Beobachtung der im Verkehr erforderlichen und dem Täter zuzumutenden Sorgfalt bei den Fahrlässigkeitsdelikten (BGHSt 4, 236, 242 f; 4 StR 436/57 vom 31. Oktober 1957 S. 5). Auch an die neben der Pflicht zu eigener Prüfung in den meisten Fällen bestehende Erkundigungspflicht (BGHSt 2, 201; 4, 5; 5, 284, 289) sind strenge Maßstäbe anzulegen. Es ist ferner zu beachten, daß der Täter sich der ihm obliegenden persönlichen Entscheidung über Recht oder Unrecht seines Tuns nicht schlechthin dadurch entziehen kann, daß er eine Meinungsäußerung eines Rechtskundigen einholt.“; Vgl. s. auch BGH, Beschluß v. 26.5.1981, KRB 1/81, WuW/E BGH 1891 – Ölbrenner II; KG, Urteil v. 28.1.1985 – K 9/84, WuW/E OLG 3543 – Kontaktlinsenpflegemittel; BGH, Urteil v. 1.12.1966, KRB 1/66, WuW/E BGH 858, 862 – Konkurrenzfiliale. 73 Es geht in diesem Zusammenhang um einen gesetzlichen Freistellungsanspruch. Davon zu trennen ist die an anderer Stelle zu untersuchende Frage, inwieweit eine vertragliche Freistellungsverpflichtung der Gesellschaft gegenüber dem Organmitglied wegen möglicher Geldstrafen und -bußen getroffen werden kann, dazu unter Teil G. XIV. 72

254

E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

3. Der Konflikt zwischen zivilrechtlicher Ausgleichspflicht und öffentlich-rechtlicher Steuerungsfunktion Der Freistellungsanspruch bezüglich Geldstrafen und -bußen führt zu einem Konflikt mit der öffentlich-rechtlichen Steuerungsfunktion der Sanktionsnorm. Während die Risikozurechnung der Tätigkeit des Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft nach den zivilrechtlichen Kategorien zu einer Erstattungspflicht führt, ist das Telos der Straf- oder Bußgeldvorschrift gerade darauf gerichtet, dem Betroffenen durch die Vermögenssanktion ein Übel zuzufügen. Die zivilrechtliche Kompensation kann die – gesetzlich ebenfalls gewollte – Sanktionswirkung also aufheben oder jedenfalls mitigieren. Es ist somit zu prüfen, ob der Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft auf Grund einer Überlagerung durch das öffentliche Sanktionsrecht gesperrt ist. Ein solches Vorrangverhältnis ließe sich jedenfalls nicht auf den Grundsatz des ius publicum privatorum pactis mutari non potest 74 stützen, d.h. darauf, daß die Normen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht der Parteidisposition unterliegen. Denn der hier zu erörternde Freistellungsanspruch beruht nicht auf einem privatorum pactum, sondern es handelt sich um einen gesetzlichen Anspruch, der mithin nicht der Parteidisposition entspringt.75 Es bedürfte daher einer anderen Begründung, um den gesetzlichen Freistellungsanspruch mit Verweis auf die Notwendigkeit der Durchsetzung der öffentlich-rechtlichen Sanktionsfolgen zu negieren. Bastuck meint hierzu, daß der Gesetzgeber „eine abschließende Regelung getroffen“ habe, soweit das „Strafrecht die Beteiligung verschiedener Personen am Begehen einer Straftat nach strafrechtlichen Kategorien beurteilt“.76 Daraus folgert er: „die zivilrechtlichen Normen über Schadenszurechnung treten zurück und sind nicht anwendbar“. Seines Erachtens besteht insoweit ein „Vorrang einer Spezialmaterie vor den zivilrechtlichen Normen der Schadenszurechnung mit der Folge, daß der Ersatz ausgeschlossen wird“. Gegen diese These sind jedoch Einwände zu erheben. Daß der Gesetzgeber durch das Strafrecht eine „abschließende Regelung“ getroffen habe, gegenüber der zivilrechtliche Normen zurückträten, ist als allgemeiner Grundsatz nicht tragfähig. Denn das Strafrecht und das Zivilrecht haben unterschiedliche Regelungszwecke; sie kollidieren daher nicht, sondern regeln ein und denselben Sachverhalt unter verschiedenen Gesichtspunkten. Deshalb schließt etwa die Strafbarkeit wegen Körperverletzung auch keine zivilrechtlichen Schadener74 Papinianus, D. 2, 14, 38; dazu Kaser, in: Festschrift für Wieacker, 1978, S. 90 (102 ff.; 108 ff.). 75 Der Frage, inwieweit privatautonom geschaffene Freistellungsansprüche im Konflikt zu dem öffentlich-rechtlichen Sanktionssystem stehen, ist in Teil G. XIV. nachzugehen. 76 Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 129.

VI. Die besondere Problematik von Freistellungsansprüchen

255

satzansprüche des Opfers aus. Das Strafrecht ist eben nicht „abschließend“ in dem Sinn, daß das Zivilrecht hinsichtlich des geregelten Sachbereichs insgesamt nicht mehr gälte. Auch wenn also keine generelle Verdrängungswirkung gegenüber dem Zivilrecht besteht, bleibt das Spannungsverhältnis zwischen der öffentlich-rechtlich angeordneten Sanktionsfolge und dem auf die Aufhebung dieser Sanktionsfolge gerichteten zivilrechtlichen Anspruch bestehen. Bastuck spricht sich dafür aus, diesen Konflikt zu Gunsten des Strafrechts zu lösen, denn andernfalls „würde auch das Strafrecht im Hinblick auf den Präventionsgedanken wirkungslos gemacht und das ausgefeilte, strafrechtliche Normensystem durch das für diese Zwecke relativ unscharfe Zivilrecht außer Kraft gesetzt.“77 Daraus folgert er: „Soweit die Beteiligung Dritter an der Begehung einer Tat betroffen ist, kann der Schaden ‚Geldstrafe‘ nicht nach zivilrechtlichen Kategorien neu beurteilt werden.“ Diese Begründung überzeugt aber ebenfalls nicht. Sie beruht zunächst insoweit auf einer petitio principii, als sie einen Vorrang des strafrechtlichen Rechtsfolgenregimes vor dem zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch annimmt. Ein solcher Vorrang besteht aber nicht. Die Aussage Bastucks ließe sich ebenso gut umkehren und ergäbe ebenfalls einen Sinn. Es darf nämlich auch nicht das ausdifferenzierte Recht des Ausgleichsanspruchs eines Organmitglieds gegen seine Gesellschaft durch das strafrechtliche Normensystem außer Kraft gesetzt werden. Hier stehen sich jeweils Institutionen des Zivilrechts und des Strafrechts gegenüber, ohne daß auf dieser Ebene des einfachen Rechts der eine Regelungskomplex Vorrang gegenüber dem anderen genösse. Es ist schließlich aber auch die Annahme unzutreffend, daß die Zubilligung des Freistellungsanspruchs „den Präventionsgedanken wirkungslos“ machen und das strafrechtliche Normensystem „außer Kraft“ setzen würde. Das gegen das Organmitglied geführte Bußgeldverfahren und die verhängte Sanktion fügen unabhängig von der Vermögenseinbuße ein psychologisches Übel zu; neben die öffentliche Appellfunktion, die der Bußgeldbescheid erfüllt, kann eine Herabsetzung des sozialen Ansehens im privaten Bereich und in der Öffentlichkeit treten. Die Verurteilung kann ferner die Chancen des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt verschlechtern. Desungeachtet ändert ein Freistellungsanspruch nicht die sanktionsrechtliche Verantwortlichkeit des Adressaten, sondern kompensiert nur die Nachteile, die nach der Leistung der Geldstrafe bzw. -buße im Vermögen des Betroffenen eintreten. Es wird daher nicht in die Strafvollstreckung eingegriffen, denn diese findet ihr Ende, sobald die Zahlung durch den Betroffenen geleistet wurde. Auch der früher darüber geführte Streit, ob die Erstattung von Geldstrafen und -bußen durch Dritte den Tatbestand der Vollstreckungsvereitelung erfüllt, ist mittlerweile überwunden.78 Der BGH hat dies zu Recht mit der Begründung verneint, 77 78

Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 130. Dazu im einzelnen Teil G. XIV.

256

E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

daß der staatliche Strafanspruch mit der Bewirkung der Geldleistung durch den Verurteilten erschöpft ist.79 Inwieweit der Betroffene hierfür von dritter Seite Ersatz erhält, ist daher keine Frage, die durch das Strafrecht beantwortet wird. Folglich besteht auch kein Normkonflikt zwischen dem Ausgleichsanspruch und dem öffentlich-rechtlichen Sanktionszweck, da beide Regelungsbereiche nach strukturellen Merkmalen voneinander abgegrenzt werden können. Hätte der Gesetzgeber ein „Erstattungsverbot“ bei Geldbußen und -strafen implementieren wollen, wäre eine explizite gesetzliche Regelung erforderlich gewesen. Denn wenn eine Kompensation der Nachteile im Vermögen des Betroffenen tatsächlich noch dem Bereich des Strafrechts zuzuordnen sein sollte, gälte diesbezüglich auch der Grundsatz nulla poena sine lege, wonach nicht nur der materielle Straf- bzw. Bußgeldtatbestand ausdrücklich geregelt sein muß, sondern auch dessen Rechtsfolgen.80 Ein ausdrückliches Erstattungsverbot existiert aber nicht. Es besteht daher kein Grund, den organschaftlichen Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft81 bei Geldstrafen und -bußen auszuschließen.

4. Der schadenersatzrechtliche Freistellungsanspruch Neben dem organspezifischen Freistellungsanspruch analog § 670 BGB bzw. auf Grund der Risikozurechnung gegenüber der Gesellschaft als Prinzipalin82 kann dem Organmitglied ein vertraglicher Schadenersatzanspruch gegen Dritte zustehen, wenn deren vertragliche Pflichtverletzungen ursächlich dafür waren, daß es zu einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit kam. Im Vordergrund stehen hier Ansprüche wegen Beratungsfehlern gegenüber externen Rechtsberatern. Nach der Rechtsprechung kann auf dieser Grundlage eine Freistellung bzw. Kompensation wegen einer erlittenen Geldbuße oder -strafe verlangt werden, wenn ein Beratungsfehler dazu geführt hat, daß sich der Beratene bußgeldpflichtig bzw. strafbar gemacht hat.83 79 Mit einem Grundsatzurteil vom 7. November 1990 hat der BGH entschieden, daß die Fremdzahlung von Geldstrafen keine Vollstreckungsvereitelung i.S.v. § 258 Abs. 2 StGB darstellt, da eine solche Maßnahme nicht den Bereich der Strafvollstreckung betrifft, sondern sich lediglich auf die vom Willen des Verurteilten abhängige „persönliche Betroffenheit“ auswirkt, die vom Strafrecht nicht mehr erfaßt ist, BGH, Urteil v. 7.11.1990 – 2 Str 439/90, NJW 1991, 990 ff. 80 Vgl. etwa die Rspr. zur Bestimmtheit von Sanktionsrahmen, BVerfG, Urteil v. 20.3.2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135 zur Vermögensstrafe nach § 43 a StGB. 81 Der freilich voraussetzt, daß nicht zugleich eine Verletzung der Organpflichten im Innenverhältnis vorliegt, s. oben Teil E. I. 82 Zur Begründung des Anspruchs oben Teil E. I. 1. 83 RAG, Urteil v. 10.6.1942 – III 14/42, RGZ 169, 267 zu einem Steuerberatungsfehler; BGH, Urteil v. 31.1.1957 – II ZR 41/56, BGHZ 23, 222, zu einem Beratungsfehler einer Bank in einer devisenrechtlichen Angelegenheit.

VI. Die besondere Problematik von Freistellungsansprüchen

257

Ebensowenig wie in Betreff des Freistellungsanspruchs analog § 670 BGB bzw. auf Grund der Risikozurechnung gegenüber dem Prinzipal steht es dieser vertraglichen Schadenersatzpflicht entgegen, daß die öffentlich-rechtliche Sanktionsnorm einen verhaltenssteuernden Zweck hat. Der Bereich der Strafvollstreckung endet mit der Leistung der Geldstrafe bzw. -buße durch den Betroffenen und schränkt dessen Möglichkeiten, für die erlittenen Vermögenseinbußen Kompensation von dritter Seite zu erlangen, nicht ein. Diese schadenersatzrechtlichen Freistellungsansprüche könnten insbesondere dann für das Organmitglied von Bedeutung sein, wenn es zugleich eine Organpflicht im Innenverhältnis verletzt hat. Denn in diesem Fall scheidet ein Freistellungsanspruch aus dem Gedanken des Aufwendungsersatzes analog § 670 BGB bzw. der Risikozurechnung gegenüber der Gesellschaft aus.84 Es stellt sich daher die Frage, ob auf Freistellung gerichtete Schadenersatzansprüche des Organmitglieds nicht nur im Verhältnis zu externen Beratern in Betracht kommen, sondern auch im Innenverhältnis zu der eigenen Gesellschaft. Insoweit ist klärungsbedürftig, ob ein bußgeldpflichtiges Vorstandsmitglied etwa gegen einen Justitiar der eigenen Rechtsabteilung oder die Gesellschaft selbst einen vertraglichen Schadenersatzanspruch geltend machen kann, sofern ihm von dieser Seite falscher Rechtsrat erteilt wurde, der zur Begehung einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat geführt hat. In diese Richtung deutet ein Beschluß des Reichsarbeitsgerichts vom 27. November 1942.85 In diesem Fall war der Inhaber eines mit Lederwaren handelnden Betriebs mit einer Ordnungsstrafe wegen Überschreitung der staatlich festgesetzten Preise belegt worden. Für diesen Verstoß war ein Angestellter des Inhabers verantwortlich, dem ein Fehler bei der Berechnung der Preise unterlaufen war. Nach Ansicht des Reichsarbeitsgerichts kam hier ein Rückgriff in Betracht, da der Angestellte gerade dazu verpflichtet gewesen sei, den Betrieb vor Nachteilen auch in Gestalt einer Ordnungsstrafe zu bewahren. Es ist aber zweifelhaft, ob ein vergleichbar strukturierter Rückgriffsanspruch eines Organmitglieds wegen eines einem Unternehmensmitarbeiter unterlaufenen Fehlers in der rechtlichen Beurteilung eines Problems gegen diesen Mitarbeiter oder gegen die Gesellschaft bestehen kann. Denn es fehlt in diesem Verhältnis an der Verletzung einer Vertragspflicht gegenüber dem Organmitglied i.S.v. §§ 241, 280 BGB. Die Mitarbeiter der Rechtsabteilung erbringen ihre Leistung auf Grund ihres Anstellungsvertrags mit der Gesellschaft. Es besteht kein Beratungsvertrag der Mitarbeiter der Rechtsabteilung mit einzelnen Organmitgliedern. Ebensowenig gehört die Erteilung von Rechtsrat gegenüber den Organmitgliedern zu einer Haupt- oder Nebenleistungspflicht der Gesellschaft aus dem 84

Oben Teil E. I. RAG, Beschluß v. 27.11.1942 – RAG. 88/42, RAGE 27, 43; hierzu auch Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 126. 85

258

E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

Anstellungsvertrag. Die Tätigkeit der Rechtsabteilung ist allein auf die Gesellschaft bezogen. Eine Vertragspflichtverletzung gegenüber dem Organmitglied scheidet in diesen Fällen daher aus. Auch eine Schutzwirkung zugunsten der Organmitglieder kann nicht angenommen werden. Vertragliche Beratungsverhältnisse können aber mit anderen Konzerngesellschaften bestehen. So ist es etwa denkbar, daß die Rechtsabteilung einer Konzernholding der Geschäftsführung von Tochtergesellschaften Rechtsrat erteilt. Sofern es hierbei zu Beratungsfehlern gegenüber der Tochtergesellschaft kommt, kann mithin der Tochtergesellschaft bzw. deren Organmitgliedern ein vertraglicher Schadenersatzanspruch gegen die Obergesellschaft zustehen. Es gilt insoweit prinzipiell nichts anderes als im Verhältnis zu externen Rechtsanwälten oder Steuerberatern.

VII. Die Möglichkeit eines Anspruchs auf Abschluß einer D&O-Versicherung gegen die Gesellschaft 1. Die Pflicht zu Schutzmaßnahmen nach § 618 BGB Es ist im folgenden zu klären, ob eine Verpflichtung der Gesellschaft zur Verschaffung von D&O-Versicherungsschutz bestehen kann, auch wenn kein entsprechender Anspruch des Organmitglieds im Anstellungsvertrag begründet wurde. Zunächst ist hier § 618 BGB zu prüfen. Die Norm definiert aber nur eine zwingende Mindestgrenze für dienstliche Fürsorgeaufwendungen, zu der der Abschluß einer D&O-Versicherung nicht gehört.86 Eine Verpflichtung zur Verschaffung von D&O-Versicherungsschutz kann gemäß § 618 BGB demnach nicht bestehen.87

2. Die D&O-Versicherung als Element einer effektiven Risikobewältigungsstrategie a) Die rechtlichen Grundlagen einer möglichen kategorischen Verpflichtung zum Abschluß einer D&O-Versicherung Ein weiterer normativer Ansatz zur Begründung einer Pflicht zum Abschluß eines D&O-Versicherungsvertrags könnte in § 91 Abs. 2 AktG liegen, wonach der Vorstand geeignete Maßnahmen zu treffen und insbesondere ein Über86

Mertens, AG 2000, 447 (449). Seibt/Saame, AG 2006, 901 (907); wohl auch Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (551); im Ergebnis ebenso Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 520. 87

VII. Die Möglichkeit eines Anspruchs auf Abschluß einer D&O-Versicherung

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wachungssystem einzurichten hat, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Aus dieser bereits in § 76 Abs. 1 AktG verankerten und in § 92 Abs. 2 AktG konkretisierten Anforderung, die sinngemäß für GmbH-Geschäftsführer gilt, 88 könnte eine Verpflichtung zum Abschluß einer D&O-Versicherung folgen, wenn diese zur Erfüllung der Überwachungsaufgaben beitrüge. Einige Stimmen nehmen eine solche Verpflichtung an;89 die wohl herrschende Ansicht in der Literatur 90 und das OLG Koblenz91 lehnen dies ab. Insoweit ist zunächst der Umfang der aus § 91 Abs. 2 AktG erwachsenden Vorstandspflichten zu prüfen. Stimmen vornehmlich aus der Betriebswirtschaftslehre und der Prüfungspraxis wollen § 91 Abs. 2 AktG eine Pflicht zur Einrichtung eines allumfassenden Risikomanagements entnehmen.92 In einem so weitgehenden Handlungsauftrag ließe sich der Abschluß einer D&O-Versicherung möglicherweise als notwendiges Element des Risikomanagements ansehen. Dieser weiten Auslegung des § 91 Abs. 2 AktG ist aber mit der herrschenden Ansicht im rechtswissenschaftlichen Schrifttum93 zu widersprechen. Bereits der Wortsinn des § 93 Abs. 2 AktG läßt keinen Zweifel daran aufkommen, daß die Vorschrift nur die Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Früherkennung gefährdender Entwicklungen anordnet. Dafür spricht auch die genetische Auslegung. Der Referentenentwurf des KonTraG sah ursprünglich noch vor, in einem § 91 Abs. 1 S. 3 AktG den Begriff des Überwachungssystems dahingehend zu erläutern, daß es dazu dienen solle, „die Ein-

88 § 92 Abs. 2 AktG ist in Ermangelung einer Parallelregelung im GmbHG insoweit entsprechend heranzuziehen, BegrRegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15. 89 Vetter, AG 2000, 453 (455), der meint, der Vorstand sei „im Regelfall auch aufgefordert, die Absicherung der Interessen der Gesellschaft durch eine D&O-Versicherung vorzunehmen“; in diese Richtung tendierend auch Doralt, in: Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 2. Aufl. 2004, § 13 Rn. 164. 90 Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 91 Rn. 14; Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 72; Kort DStR 2006, 799 (801); Lange DStR 2002, 1626 (1630); Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, 2007, S. 216 f.; Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, 2007, S. 205 f.; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 24, 28; s. ferner die Übersicht bei Koch, ZGR 2006, 184 (189). 91 In bezug auf einen GmbH-Geschäftsführer OLG Koblenz, Urteil v. 24.09.2007 – 12 U 1437/04, NZG 208, 280, LS 5 S. 2: „Es gibt auch keinen Anspruch des Geschäftsführers gegen die Gesellschaft auf Abschluss einer speziellen Haftpflichtversicherung (directors and officersVersicherung).“ 92 Preußner/Becker, NZG 2002, 846 (847 f.); Preußner/Zimmermann, AG 2002, 657 (659); Wolf, DStR 2002, 1729 ff.; Lück, DB 1998, 8 f.; Lück DB 2000, 1473; Gernoth, DStR 2001, 299 ff.; in diese Richtung auch IdW PS 450 S. 27 Tz. 106. 93 Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 91 Rn. 1, 9; Pahlke, NJW 2002, 1680 (1681 f.); Krieger/ Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 91 Rn. 14; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 82; s. auch LG Berlin, Urteil v. 3.7.2002 – 2 O 358/01, AG 2002, 682 (683).

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E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

haltung der nach Satz 2 zu treffenden Maßnahmen zu überwachen“.94 Mit der von diesem Wortlaut abweichenden Fassung des § 91 AktG war ausweislich der Regierungsbegründung jedoch keine inhaltliche Änderung bezweckt.95 Der Vorstand ist somit lediglich zu organisatorischen Vorkehrungen betreffend die Risikoerkennung verpflichtet sowie zu deren Überwachung angehalten. Die D&O-Versicherung gehört nicht dazu, weil sie nicht zur Risikoerkennung beiträgt, sondern die Bewältigung des Risikos betrifft. Ob und welche Maßnahmen zum Risikomanagement ergriffen werden, steht vielmehr im Leitungsermessen des Vorstands. Letztlich kann dieser Meinungsstreit im vorliegenden Zusammenhang aber auch offen bleiben.96 Denn selbst wenn man aus § 91 Abs. 2 AktG die Pflicht zur Errichtung eines umfassenden Risikomanagementsystems ableitet wollte, wäre fraglich, ob damit die Verpflichtung verbunden sein könnte, zu diesem Zweck eine D&O-Versicherung abzuschließen.97 Dagegen spräche schon, daß es im Leitungsermessen des Vorstands liegt, auf welche Weise er eine Risikovorsorge betreibt.98 Der Abschluß einer D&O-Versicherung kann sich diesbezüglich als zweckmäßig erweisen, muß es aber nicht. Zwar liegt die D&OVersicherung einerseits im ganz überwiegenden Interesse des Unternehmens und nicht des Organmitglieds.99 Es seien exemplarisch nur die Sicherung des Innenhaftungsanspruchs zugunsten der Gesellschaft und die Verbesserung der Handlungsfähigkeit der Unternehmensleitung hervorgehoben. Jedoch ist der Deckungsumfang in mehrerer Hinsicht stark begrenzt,100 und es entsteht durch den Vertragsschluß eine erhebliche Prämienlast. Die D&O-Versicherung bringt also nicht lediglich Vorteile für das Unternehmen, und es läßt sich ebensowenig sagen, daß die Vorteile stets überwiegen. Dementsprechend hat auch die Regierungskommission Corporate Governance die Einführung einer Versicherungspflicht ausdrücklich abgelehnt.101 94

BegrRefE KonTraG v. 22.11.1996 zu § 93 Abs. 1 S. 2 und 3, ZIP 1996, 2129 (2131). BegrRegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, 2007, 216 f. 96 A.A. offenbar Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, 2007, 215 ff., die nur unter Zugrundelegung der erstgenannten engen Auffassung zu dem Ergebnis kommt, daß den Vorstand keine Pflicht zum Abschluß eines D&O-Versicherungsvertrags trifft. 97 So im Ergebnis auch Preußner/Becker, NZG 2002, 846 (850). 98 Seibt/Saame, AG 2006, 901 (903). 99 Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.). 100 Dazu noch im einzelnen in Teil G. 101 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 76; ferner BT-Drucks. 14/7515, S. 54: „Der Vorschlag, eine D&O-Versicherungspflicht einzuführen, findet nicht die Zustimmung der Regierungskommission. Was die Innenhaftung der Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft angeht, kann die Gesellschaft, die ja die Geschädigte und Anspruchsinhaberin ist, von sich aus darüber entscheiden, ob sie zu ihren Gunsten eine solche Versicherung haben will oder nicht, und dies entsprechend regeln. Besteht die 95

VII. Die Möglichkeit eines Anspruchs auf Abschluß einer D&O-Versicherung

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Zwar ist unter anderem dem ARAG-Urteil zu entnehmen, daß die Gesellschaftsorgane das Interesse der Gesellschaft an einer Geltendmachung der Organhaftungsansprüche durchzusetzen haben.102 Von der Verpflichtung zur Durchsetzung solcher Ansprüche ist aber die Frage zu unterscheiden, ob die Organmitglieder ganz allgemein auch im Hinblick auf künftige mögliche Organhaftungsansprüche im Interesse der Gesellschaft für ausreichenden D&OVersicherungsschutz sorgen müssen, um die Erfüllbarkeit der Organhaftungsansprüche zu gewährleisten. Daher kann auch auf die ARAG-Rechtsprechung keine Verpflichtung zum Abschluß eines D&O-Versicherungsvertrags gestützt werden. Darin fügt sich im übrigen die Ansicht der Bundesregierung ein, daß eine Pflicht zum Abschluß einer D&O-Versicherung nicht besteht. Auf eine kleine Anfrage im Bundestag hinsichtlich der D&O-Versicherungsverträge der KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau und der quasi-staatlichen IKB Deutsche Industriebank AG meinte sie: „Die Entscheidung über den Abschluss einer Organund/oder Manager-Haftpflichtversicherung wird von Unternehmen, unabhängig davon, ob der Staat Anteilseigner ist oder nicht, eigenverantwortlich getroffen. Eine Verpflichtung zum Abschluss besteht nicht.“103

b) Die Pflicht zur Prüfung der Zweckmäßigkeit einer D&O-Versicherung im Einzelfall aa) Die Ermessensfreiheit und die Ermessensreduzierung hinsichtlich des Abschlusses einer D&O-Versicherung Die Unternehmensleitung ist somit zwar nicht nach § 91 Abs. 2 AktG zum Abschluß eines D&O-Versicherungsvertrags verpflichtet. Es besteht aber eine von § 91 Abs. 2 AktG nicht erfaßte, sondern aus den §§ 76, 93 AktG folgende Pflicht des Vorstands, auf erkannte Risiken angemessen zu reagieren.104 Dasselbe gilt der Sache nach für den GmbH-Geschäftsführer nach § 43 Abs. 1 GmbHG. In diesem Kontext105 hat der Vorstand die Zweckmäßigkeit eines D&O-Versiche-

Gesellschaft nicht hierauf, mag jedes Organmitglied für sich entscheiden, ob es eine entsprechende Absicherung des Haftungsrisikos vornimmt oder nicht. Was die Außenhaftung der Organmitglieder angeht, so haften diese in der Regel gesamtschuldnerisch neben der Gesellschaft. Auch insoweit besteht für eine Haftpflichtversicherungspflicht kein Anlass.“ 102 Vetter, AG 2000, 453 (455). 103 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler, Martin Zeil, Jürgen Koppelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 16/9673 – zu Organ- und Manager-Haftpflichtversicherungen bei der KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau und der quasi-staatlichen IKB Deutsche Industriebank AG, BT-Drucks, 16/9925 v. 3.7.2008, S. 1. 104 Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn. 28. 105 Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, 2007, S. 217 f.

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E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

rungsvertrags zu prüfen.106 Diese Prüfung macht eine Einzelfallanalyse erforderlich, ob potentielle Schadenersatzansprüche gegenüber den Organmitgliedern durchsetzbar wären und ferner eine Abwägung darüber, ob eine festgestellte Nichtdurchsetzbarkeit zum Prämienaufwand in einem kaufmännisch sinnvollen Verhältnis stünde.107 Außerdem ist der sonstige Nutzen einer D&O-Versicherung für die Gesellschaft zu gewichten, etwa hinsichtlich einer Verbesserung der Handlungsfähigkeit des Managements. Angesichts hoher Versicherungsprämien, des begrenzten Deckungsumfangs und abhängig von der unternehmensbezogenen Risikostruktur kann der Abschluß einer D&O-Versicherung daher im Einzelfall auch unterbleiben oder statt dessen eine Versicherung nur des Ausfallrisikos der Gesellschaft zweckmäßig sein. Jedenfalls gehört es nicht zu den Pflichten eines gewissenhaften Unternehmensleiters, gegen alle Risiken Versicherungen abzuschließen, sondern nur dann, wenn ein Eingehen des Risikos ohne Versicherungsschutz nicht zu verantworten wäre. Das Handlungsermessen des Vorstands könnte sich indes möglicherweise im Einzelfall zu einer Handlungs- bzw. Unterlassungspflicht verdichten, wenn keine andere Entscheidung als der Abschluß oder der Nicht-Abschluß sachlich gerechtfertigt wäre108 und das Risiko, welches mit dem Unterlassen des Abschlusses einer D&O-Versicherung verbunden wäre, unverantwortlich erschiene.109 Inwieweit eine solche aus den Organpflichten des Vorstands konkretisierte Handlungspflicht in Betracht kommen kann, hängt zunächst vom Beurteilungsmaßstab ab. Teilweise heißt es hierzu, daß die business judgment rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG bei Abschluß des D&O-Versicherungsvertrags durch den Vorstand wegen eines Interessenkonflikts schon nicht greife.110 Diese Ansicht wäre zustimmungswürdig, wenn die Vorstandsmitglieder aufgrund der Tatsache, daß der Versicherungsschutz auch111 ihnen persönlich zugute kommt, nicht mehr vernünftigerweise annehmen dürften, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Zwar heißt es im RegE UMAG, daß ein Handel „zum Wohle der Gesellschaft … unbeeinflusst von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und ohne unmittelbaren Eigennutz sein“ muß.112 Weiter führt der RegE UMAG aus, „Sondereinflüsse außerhalb des Unternehmensinteresses dürfen die Entscheidung nicht beeinflusst haben, was offensicht106

Bartscherer, VP 2001, 183; Seibt/Saame, AG 2006, 901 (903). Vgl. Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, 2007, S. 217 f. 108 Vgl. Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (313); Seibt/Saame, AG 2006, 901 (903). 109 OLG Frankfurt, Urteil v. 12.12.2007 – 17 U 111/07, AG 2008, 453 (dort zum Kreditengagement der Gesellschaft). 110 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, § 13 Rn. 1028. 111 Daneben erfaßt die D&O-Versicherung regelmäßig den Aufsichtsrat und oft auch leitende Angestellte. Es handelt sich also von vornherein nicht um eine Begünstigung ausschließlich des Vorstands. 112 RegE UMAG, BR-Drucks 3/05, S. 19 f. 107

VII. Die Möglichkeit eines Anspruchs auf Abschluß einer D&O-Versicherung

263

lich bei Handeln zum eigenen Nutzen oder zum Nutzen von dem Geschäftsleiter nahestehenden Personen oder Gesellschaften unterstellt werden muss.“113 Es ist aber zweifelhaft, ob – angelsächsischem Vorbild folgend – die business judgment rule bei einem Interessenkonflikt damit ipso iure ausscheiden muß.114 Denn gutgläubig zum Wohl der Gesellschaft kann auch derjenige handeln, der sich in einem Interessenkonflikt befindet, diesen aber ausblenden kann.115 Daher nehmen auch einige Vertreter der Ansicht, daß eine Freiheit von Interessenkonflikten im Rahmen von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG inzident zu prüfen sei, an, daß das kaufmännische Ermessen im Konfliktfall nicht kategorisch entfalle, sondern lediglich einem strengeren Prüfungsmaßstab unterliege.116 Wie der RegE UMAG außerdem zu Recht herausgestellt hat, ist ein Handeln zum eigenen Vorteil freilich insoweit legitim, „als sich dieser nur mittelbar aus dem Wohl der Gesellschaft ableitet.“117 Denn andernfalls würde sich die business judgment rule in diesen Fällen selbst aufheben. Wendet man diese Maßstäbe auf die vorliegende Problematik an, fällt ins Gewicht, daß der D&O-Versicherungsvertrag im überwiegenden Interesse der Gesellschaft liegt. Dies betrifft namentlich den Schutz der Werthaltigkeit der Organinnenhaftung, aber auch weitere Gesichtspunkte wie die Sicherung der unternehmerischen Handlungsfreiheit der Organmitglieder.118 Auch bei der D&O-Versicherung leiten sich also die Vorteile der Organmitglieder aus einer Maßnahme ab, deren eigentlicher Zweck im Wohl der Gesellschaft liegt. Davon abgesehen sind die für das Vorstandsmitglied aus einer D&O-Versicherung resultierenden Vorteile auch nicht so bedeutsam, daß sie in einem Interessenkonflikt kumulieren würden, den der Einzelne bei seiner Entscheidung nicht mehr ausblenden könnte. Zum einen ist hier nämlich zu berücksichtigen, daß eine D&O-Deckung bereits nicht zu einer greifbaren Vermögensmehrung bei dem Organmitglied führt, sondern nur vor Vermögensschäden schützt, die erst aus der Organtätigkeit resultieren. Eine unmittelbare Bereicherung kommt daher nicht in Betracht. Zum anderen verläuft das Eigeninteresse des Organmitglieds grundsätzlich parallel zum Interesse der Gesellschaft an dem Bestehen von D&O-Versicherungsschutz. Je höher das konkrete Haftungsrisiko ist, desto stärker wird i.d.R. das individuelle Interesse an D&O-Deckung sein, um so deutlicher tritt aber zugleich der Nutzen der Versicherung für die Gesellschaft in den Vordergrund. Deshalb scheidet die vernünftige Annahme des Vorstands, 113

RegE UMAG, BR-Drucks 3/05, S. 20. Vgl. Lutter, ZIP 2007, 841 (844); Lutter, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 245 (248 f.); Fleischer, ZIP 2004, 685 (690 f.); wohl auch Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 93 Rn. 4 g. 115 Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 15. 116 Lutter, ZIP 2007, 841 (845 f.); auch Hüffer verlangt in diesem Sinn, daß das Organmitglied von dem Interessenkonflikt „betroffen“ ist, Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 93 Rn. 4g. 117 RegE UMAG, BR-Drucks 3/05, S. 20. 118 Dazu im einzelnen Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.). 114

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E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

bei der Prüfung des Abschlusses eines D&O-Versicherungsvertrags zum Wohl der Gesellschaft zu handeln, nicht aus. Die business judgment rule ist mithin nicht außer Kraft gesetzt. Selbst wenn aber die business judgment rule nicht griffe oder jedenfalls das kaufmännische Ermessen des Vorstands bei der Prüfung des Abschlusses eines D&O-Versicherungsvertrags119 einem besonders strengeren Prüfungsmaßstab unterläge, wäre fraglich, ob eine entsprechende „Ermessensreduzierung auf Null“ hier überhaupt denkbar wäre. Wegen der vielfältigen Haftungsrisiken von Organmitgliedern und leitenden Angestellten, der vielen Wertungs- und Prognoseelemente bei der Einschätzung des tatsächlichen Haftungsrisikos und der nach den Unternehmenseigenschaften stark variierenden Konditionen der Versicherer sowie nicht zuletzt der weitreichenden Risikoausschlüsse und der rechtlichen120 und praktischen Probleme bei der Schadensabwicklung im Versicherungsfall121 handelt es sich bei der Prüfung des Abschlusses eines D&O-Versicherungsvertrags um einen außergewöhnlich komplexen Entscheidungsprozeß. Angesichts dessen ist zweifelhaft, ob es gelingen kann, die abstrakten Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf Null zu definieren.122 So heißt es in der Literatur zwar, eine Verpflichtung zum Abschluß sei zu verneinen, wenn der Unternehmensgegenstand auf einen „nicht risikoträchtigen Bereich beschränkt ist“ und sich „in der Vergangenheit kaum Schadensfälle ereignet“ hätten.123 Andere meinen, daß Unternehmen haftungsanfälliger Branchen grundsätzlich zum Abschluß einer D&O-Versicherung verpflichtet seien.124 Schon die insoweit verwandten Begrifflichkeiten zeigen aber, daß handhabbare Maßstäbe zur Klärung, wann eine Verpflichtung bestehen soll, exegetisch kaum gewonnen werden können. Wie ein „risikoträchtiger Bereich“ zu definieren wäre, ist ebenso offen wie die Beantwortung der Frage, welche Befunde an Schadensfällen in der Vergangenheit noch als „kaum“ beachtlich anzusehen wären. Hinzu kommt, daß die Beurteilung der Zweckmäßigkeit des Abschlusses einer D&O-Versicherung sich nach dem Vorgesagten nicht allein an der Risikostruktur des Unternehmens zu orientieren hat, sondern ebenso die Konditionen der am Markt für das konkrete Unternehmen erhältlichen Versicherungspolicen berücksichtigen muß. Gerade bei ungewöhnlich großen Haftungsrisiken können die gängigen Bedingungen erhebliche Unzulänglich119 Das Gesagte gilt mutatis mutandis für Änderungen oder Verlängerungen von D&OVersicherungsverträgen. 120 Siehe hierzu Teil I. 121 Hierzu Seibt/Saame, AG 2006, 901 (903, 912). 122 Gegen einen Anspruch auf Abschluß einer D&O-Versicherung auch Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 520. 123 Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung (Diss. 2005/2006), 2007, 219. 124 Lange, DStR 2002, 1626 (1630).

VII. Die Möglichkeit eines Anspruchs auf Abschluß einer D&O-Versicherung

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keiten aufweisen. Deshalb kann sich eine D&O-Versicherung gerade bei überdurchschnittlichen, schwer versicherbaren Risiken aus Unternehmenssicht als nicht sinnvoll erweisen. Das gilt erst recht für die GmbH. Gerade wegen der dort vorhandenen höheren Haftungswahrscheinlichkeit im Vergleich zur AG sind die für mittelständische Unternehmen in dieser Rechtsform angebotenen Policen oft so stark eingeschränkt, daß die Praxis den Sinn einer D&O-Versicherung bisweilen anzweifelt.125 In diese komplexen Abwägungsvorgänge darf nicht durch die Konstruktion einer Ermessensreduzierung auf Null hineinregiert werden. Eine Abschlußpflicht ist daher grundsätzlich abzulehnen. Freilich kann es andererseits nicht denkgesetzlich ausgeschlossen werden, daß sich das unternehmerische Ermessen in besonderen Ausnahmefällen dahingehend reduziert, daß der Abschluß eines D&O-Versicherungsvertrags im Rahmen einer Risikobewältigungsstrategie notwendig wird.126 Das ist mit Blick auf die Vielzahl der ermessensrelevanten Faktoren aber lediglich ein abstraktes Szenario, dessen vertiefte Behandlung hier keinen materiellen Ertrag brächte.

bb) Die Kriterien für die Ermessensausübung (I.) Die Analyse des Haftungsrisikos Von der Frage einer Verpflichtung zum Abschluß eines Versicherungsvertrags ist die Konkretisierung der Maßstäbe zu trennen, die die Ausübung des Ermessens durch den Vorstand zu leiten haben. Die Ermessensausübung setzt zunächst eine genaue Risikoanalyse voraus. Eine pauschalierende Risikoeinschätzung, die allein an der Unternehmensgröße oder der Branchenzugehörigkeit festmacht, kann den Anforderungen grundsätzlich nicht genügen.127 Zwar heißt es teilweise, es ergebe sich aus den veröffentlichten D&O-Schadenfällen, daß Unternehmen bestimmter Branchen anfälliger für Haftungsfolgen seien als andere, wie insbesondere Banken und Finanzdienstleister oder Unternehmen der neuen Medien.128 Dies allein reicht zur Beurteilung der Zweckmäßigkeit des D&O-Versicherungsschutzes aber nicht aus. Denn neben der Branchenzugehörigkeit spielen für die Haftungswahrscheinlichkeit insbesondere branchenunabhängige Faktoren wie der Gesellschafterkreis, die Kundenstruktur, die Größe, die Bekanntheit, die finanzielle Situation oder der räumlich relevante Markt, auf dem das Unternehmen tätig ist, eine Rolle. Auch kann nicht lediglich auf die Schadenwahrscheinlichkeit abgestellt werden, sondern muß 125 Vgl. Hendricks, in: Interview mit Experten Presse News v. 2.8.2004, http://www. experten.de/NET/epn/1321.epnnews. 126 So zu Recht Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (313). 127 Seibt/Saame, AG 2006, 901 (903 f.). 128 Sieg, VP 2002, 62; vgl. auch Hendricks, Interview mit dem Handelsblatt, Handelsblatt vom 17.1.2003, S. K 4.

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E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

das Risiko des Eintritts des Versicherungsfalls ermittelt werden, der nach dem claims made-Prinzip in der D&O-Versicherung durch die Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs definiert ist. Zusätzlich zur Ermittlung der Schadenwahrscheinlichkeit muß daher eine Analyse der Faktoren vorgenommen werden, die für die tatsächliche Anspruchserhebung von Belang sind. So wird ein Unternehmen, das hauptsächlich Vorprodukte für seine Anteilseigner herstellt – beispielsweise ein Gemeinschaftsunternehmen zweier Hersteller von Industriegütern –, einem geringeren Risiko der Inanspruchnahme durch seine Kunden ausgesetzt sein als ein Unternehmen, das seine Güter auf einem Weltmarkt vertreibt. Bei der Analyse der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Versicherungsfalls ist weiter zwischen der Außen- und der Innenhaftung zu differenzieren. Was die Wahrscheinlichkeit einer Außenhaftung anbelangt, ist vor allem zu berücksichtigen, daß direkte Ansprüche gegen Organmitglieder vielfach erst dann geltend gemacht werden, wenn die Gesellschaft selbst nicht mehr über ausreichende Liquidität verfügt.129 Damit ist der Fall der Insolvenz der Versicherungsnehmerin angesprochen.130 Diesbezüglich ist in die Risikoanalyse einzustellen, daß die D&O-Versicherung oft ein außerordentliches Kündigungsrecht des Versicherers für den Insolvenzfall der Versicherungsnehmerin131 oder entsprechend Ziff. 3.4 AVB-AVG132 jedenfalls eine Begrenzung auf Pflichtverletzungen bis zum Insolvenzfall vorsieht. Daher kann die D&O-Versicherung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Versicherten oftmals gerade nicht mehr den erforderlichen Schutz bieten. In die Ermessensentscheidung über den Abschluß einer D&O-Versicherung muß daher mittelbar auch die Insolvenzwahrscheinlichkeit des Unternehmens eingestellt und dieser Gefahr ggf. durch eine entsprechende Gestaltung des Versicherungsvertrags begegnet werden.133 In der Literatur heißt es vereinzelt, daß der Vorstand durch eine „unangemessen günstige Ausgestaltung“ der D&O-Versicherung seine Organpflichten verletze.134 Dies impliziert, daß der Versicherungsvertrag stets ein gewisses nicht gedecktes Risiko bestehen lassen müsse. Gegen eine solche Annahme 129

Vgl. Hendricks, Interview mit dem Handelsblatt, Handelsblatt vom 17.1.2003, S. K 4. Seibt/Saame, AG 2006, 901 (904). 131 Vgl. Hendricks, Interview mit Experten Presse News v. 2.8.2004, http://www.experten. de/NET/epn/1321.epnnews. 132 Stand Januar 2008: „Im Fall der Insolvenz der Versicherungsnehmerin oder eines Tochterunternehmens erstreckt sich die Deckung für die versicherten Personen des betroffenen Unternehmens nur auf Haftpflichtansprüche infolge von Pflichtverletzungen, welche bis zum Eintritt der Insolvenzreife begangen worden sind.“ 133 Vgl. Seibt/Saame, AG 2006, 901 (904). 134 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, § 13 Rn. 1028 ohne nähere Begründung. Für Vorstandsmitglieder ist zwar nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ein Selbstbehalt jetzt vorgeschrieben, nicht aber für Aufsichtsräte, so dass auch diese Frage ihre Bedeutung nicht verloren hat. 130

VII. Die Möglichkeit eines Anspruchs auf Abschluß einer D&O-Versicherung

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spricht rechtssystematisch aber, daß die D&O-Versicherung im überwiegenden Interesse der Gesellschaft liegt. Je weiter ihr Schutz reicht, desto besser wird einem der Hauptzwecke, die Werthaltigkeit der Organinnenhaftung zu sichern, Rechnung getragen. Die Vereinbarung eines Selbstbehalts ist zwar unproblematisch, weil § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ihn für Vorstandsmitglieder vorschreibt bzw. Ziff. 3.8 DCGK ihn für Ausichtsratsmitglieder empfiehlt und weil zum anderen durch ihn ein Ausfallrisiko der Gesellschaft kaum begründet wird. Denn in Höhe des Selbstbehalts besteht bei den Organmitgliedern in der Regel Vermögen, auf das die Gesellschaft zugreifen kann. Entscheidend für die Sicherung der Werthaltigkeit der Organinnenhaftung sind aber demnach der sachliche Deckungsumfang und die Deckungssumme. Schränkt der Vorstand den Versicherungsschutz insoweit sachlich oder summenmäßig ein, besteht daher ein sachlicher Rechtfertigungsbedarf. Die Rechtfertigung kann darin liegen, daß die Risikobewertung nur eine entsprechend begrenzte Deckung gebietet oder ein umfangreicherer Versicherungsschutz aufgrund des damit verbundenen Prämienanstiegs nicht mehr wirtschaftlich wäre. Es läßt sich dann aber gerade nicht sagen, daß eine „unangemessen günstige Ausgestaltung“ des D&OVersicherungsvertrags pflichtwidrig sei, weil sie das Organmitglied quasi „zu gut“ schützt. Entscheidend für die Ausübung des Handlungsermessens des Vorstands kann immer nur die Interessenlage des Unternehmens sein.

(II.) Die Bewertung des Umfangs des Versicherungsschutzes (1.) Die Prüfung der Abdeckung von Außenhaftungsansprüchen Des weiteren ist in Betreff der Außenhaftung der Umfang des Versicherungsschutzes genau zu prüfen. Es ist hierbei vor allem der Ausschluß der Haftung bei vorsätzlicher bzw. wissentlicher Schädigung oder Pflichtverletzung in den Blick zu nehmen.135 Eine Reihe typischer Außenhaftungstatbestände, insbesondere solche nach § 826 BGB, setzen zumindest bedingt vorsätzliches Handeln voraus und fallen daher von vornherein nicht unter den D&O-Versicherungsschutz. Die D&O-Versicherung ist hinsichtlich solcher Tatbestände dann aufgrund ihrer Abwehrfunktion allein gegenüber unberechtigten Ansprüchen von Bedeutung. Neben der Haftung für wissentliche oder vorsätzliche Pflichtverletzungen bzw. Schädigungen werden häufig auch weitere Tatbestände ausgeschlossen, wie beispielsweise die Vertretereigenhaftung und regelmäßig Ansprüche im Zusammenhang mit Personen und Sachschäden. Es muß daher ermitteltwerden,welcheBedeutungsolchepotentiellenAußenhaftungstatbestände, bei der die D&O-Versicherung von vornherein nicht greift, für die betreffenden Organmitglieder haben.

135

Zu diesem Problemkreis Teil G. III.

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E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

(2.) Die Prüfung der Abdeckung von Innenhaftungsansprüchen (a) Die Bedeutung der business judgment rule für die Versicherbarkeit von Innenhaftungsansprüchen Neben der Außenhaftung ist die konkrete Wahrscheinlichkeit einer Innenhaftung zu ermitteln. Hierbei ist zunächst zu bedenken, daß nach der in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG normierten business judgment rule ein Schadenersatzanspruch ausscheidet, wenn das Organmitglied vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohl der Gesellschaft zu handeln.136 Diese Regel ist auf die Geschäftsführung der GmbH sinngemäß anzuwenden.137 Die Problematik bei der Anwendung der business judgment im Kontext der D&O-Versicherung liegt darin, daß vielfach ein zumindest bedingter Vorsatz bezüglich des Schadeneintritts gegeben sein wird, sobald der Nachweis gelingt, daß der Vorstand nicht in gutem Glauben zum Wohl der Gesellschaft gehandelt hat. Sofern also der Innenhaftungstatbestand die „Hürde“ der business judgment rule genommen hat, ist damit der Bereich der bedingt vorsätzlichen Schädigung bzw. Pflichtverletzung gegeben, der wiederum nach § 103 VVG (§ 152 VVG alt) und abhängig von den entsprechenden Konkretisierungen des Risikoausschlußgrunds vorsätzlicher Schädigung in den AVB138 zum Entfallen der Deckung führt. Sofern im D&O-Versicherungsvertrag dieser Risikoausschlußgrund sehr restriktiv geregelt ist,139 kann sich der Anwendungsbereich der D&O-Versicherung im Bereich der Innenhaftung daher so stark reduzieren, daß die Prämienaufwendungen im Verhältnis zum effektiven Deckungsschutz betriebswirtschaftlich keinen Sinn mehr ergeben.140

(b) Der Haftungsbereich außerhalb der business judgment rule Aber auch außerhalb der business judgment rule kann der Deckungsumfang bezüglich der Innenhaftung mitunter sehr schmal sein. Ein unternehmerisches Ermessen im Sinn des § 93 Abs. 2 AktG gilt nämlich nicht bei der Verletzung gesetzlicher, satzungsmäßiger oder anstellungsvertraglicher Verpflichtungen

136

Vgl. Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 10; Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7 Rn. 45 ff.; Hüffer, Aktiengesetz, 8. Auflage 2008, § 93 Rn. 4a ff. 137 Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 43 Rn. 9; Seibt/ Saame, AG 2006, 901 (905). 138 Hierzu im einzelnen Teil G. III., insbesondere zur Möglichkeit der Beschränkung des Ausschlußgrunds auf dolus directus durch Vereinbarung des Wissentlichkeitskriteriums. 139 Zu diesem Fragenkreis Teil G. III. 2. c) cc), insbesondere zur Erstreckung des Vorsatzerfordernisses auf die Schadensfolge. 140 Vgl. Seibt/Saame, AG 2006, 901 (906).

VII. Die Möglichkeit eines Anspruchs auf Abschluß einer D&O-Versicherung

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ohne tatbestandlichen Beurteilungsspielraum.141 Die Rechtsprechung wendet zudem den Indizienbeweis an, daß die Organmitglieder alle geltenden Vorschriften kennen, die den eigenen Beruf regeln.142 Daher liegt in diesen Fällen vielfach ein vorsätzlicher oder auch wissentlicher Verstoß gegen Organpflichten vor. Sofern der Risikoausschluß für wissentliches oder vorsätzliches Handeln auf die Pflichtverletzung beschränkt wurde,143 ist damit regelmäßig der Deckungsschutz bereits verwirkt. Wenn Innenhaftungsansprüche nur in nicht mehr nennenswertem Umfang vom D&O-Versicherungsschutz erfaßt sind, stellt sich wiederum die Frage nach der Wirtschaftlichkeit der Prämienaufwendungen.

(c) Die Verletzung von Organisations-, Planungsund Überwachungspflichten Es verbleiben damit als ein wichtiger Anwendungsbereich für die D&OVersicherung auf Innenhaftungsfälle Schäden wegen Verletzungen von Organisations-, Planungs- und Überwachungspflichten.144 Zwar ist noch nicht abschließend geklärt, inwieweit diesbezüglich ein unternehmerischer Ermessensspielsraum nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG anerkannt werden kann.145 Davon losgelöst sind aber fahrlässige oder jedenfalls lediglich bedingt vorsätzliche – und mithin nicht wissentliche – Verstöße denkbar, die – abhängig von der Ausgestaltung des Risikoausschlußgrunds des § 103 VVG (§ 152 VVG alt) in den AVB – noch nicht zur Leistungsbefreiung des Versicherers führen.146 In 141 Fleischer, in: Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7 Rn. 53; Hüffer, Aktiengesetz, 8. Auflage 2008, § 93 Rn. 4 f.; BGH, Urteil v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 245 – ARAG; Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 12. 142 LG Wiesbaden, Urteil v. 14.12.2004 – 1 O 180/03, VersR 2005, 545: „Jedenfalls in der hiesigen Konstellation, in welcher die versicherten Personen Vorstandsmitglieder eines börsennotierten Unternehmens waren, ist davon auszugehen, dass diese – jedenfalls im Allgemeinen – über die geltenden Gesetze orientiert waren. Hier liegt zumindest ein vermeidbarer und damit unbeachtlicher Verbotsirrtum vor. Der Irrtum über das Bestehen eines Gesetzes ist dann vermeidbar, wenn das Gesetz den Arbeitsbereich des Schädigers betrifft (OLG Bamberg vom 15.2.2001 – 1 U 49/00).“; OLG Köln, Urteil v. 27.4.1989 – 5 U 216/88, VersR 1990, 193 (194): „Dabei wird im allgemeinen davon ausgegangen werden können, daß bei Verstößen gegen Vorschriften, die speziell die berufliche Tätigkeit der versicherten Person betreffen, dieser die Vorschriften geläufig sind …“. 143 Hierzu G. III. c) bb). 144 Hierzu BGH, Urteil v. 5.12.1989 – VI ZR 335/88, BGHZ 109, 297 (303 ff.); BGH, Urteil v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370 (377 f.). 145 Man wird wohl wie folgt zu differenzieren haben: Es gibt eine Pflicht, für eine ordnungsgemäße Unternehmensorganisation, -planung und -überwachung zu sorgen. Hinsichtlich der konkret zu ergreifenden Maßnahmen besteht aber ein unternehmerisches Ermessen, vgl. Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 7 Rn. 55; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Auflage 2008, § 93 Rn. 24, 28. 146 Gilt § 103 VVG unmittelbar, führt auch bedingt vorsätzliches Handeln zum Eingreifen des Risikoausschlußgrunds. Wenn hingegen – wie dies oft geschieht – der Vorsatz auf die

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E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

diesem Umfang bleibt daher in der Tat ein Anwendungsbereich für die D&OVersicherung.147 Was die Schadenwahrscheinlichkeit anbelangt, muß hier vor allem die Komplexität der Unternehmensstruktur untersucht werden. Mögliche Verletzungen von Organisations-, Planungs- und Überwachungspflichten sind in einem Großkonzern wahrscheinlicher als in einer kleinen Unternehmensgruppe oder in einer Familiengesellschaft. Des weiteren ist die Möglichkeit der Anspruchsdurchsetzung über die §§ 147, 148 AktG in die Betrachtung einzustellen. Daher spielt für die Wahrscheinlichkeit der Anspruchsgeltendmachung – und damit nach dem claims made-Prinzip für den Eintritt des Versicherungsfalls – auch die Anteilseignerstruktur eine Rolle.148

(III.) Die Bewertung der mittelbaren Vorteile des D&O-Versicherungsschutzes für die Gesellschaft Neben der Risikoanalyse gemäß den vorgenannten Grundsätzen müssen die aus der D&O-Versicherung mittelbar resultierenden Vorteile für das Unternehmen gewichtet und berücksichtigt werden. Es geht hierbei in erster Linie um die Verstärkung der Handlungsfähigkeit der Unternehmensleitung,149 die Verbesserung der corporate governance durch die D&O-Versicherung,150 die Vorteile für das Unternehmen bei der Personalgewinnung151 und die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Vergütung und Risiko.152

(IV.) Die Bewertung der Modalitäten der Schadenregulierung Sofern die Risikoanalyse ergibt, daß eine greifbare Gefahr der Inanspruchnahme der Organmitglieder und leitenden Angestellten im Außen- und Innenverhältnis besteht, die vom Deckungsschutz der D&O-Versicherung erfaßt wäre, müssen die Modalitäten der Schadenregulierung der D&O-Versicherung bewertet werden. Hierbei sind zuerst das Trennungsprinzip und die aus ihm resultierenden möglichen Komplikationen zu berücksichtigen.153 Nach dem gesetzlichen Regelungskonzept verfügt die Versicherungsnehmerin nämlich nicht über einen Direktanspruch gegen den Versicherer, sondern es ist im ersten Schritt hinsichtlich der Innenhaftung die Durchführung des Haftpflichtprozesses mit allen aus Unternehmenssicht negativen Konsequenzen wie insbesondere der Beteiligung „wissentliche Pflichtverletzung“ herabgesetzt wurde, schaden nur dolus directus ersten und zweiten Grads, Teil G. III. 2. c) aa). 147 Seibt/Saame, AG 2006, 901 (906). 148 Seibt/Saame, AG 2006, 901 (906). 149 Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.) (b). 150 Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.) (c). 151 Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.) (d). 152 Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.) (e). 153 Hierzu im einzelnen Teil I. II. 1. b).

VII. Die Möglichkeit eines Anspruchs auf Abschluß einer D&O-Versicherung

271

der Öffentlichkeit an dem Verfahren notwendig.154 Anders als im Deckungsprozeß kommt hier eine Verlagerung der Auseinandersetzung auf ein die Vertraulichkeit besser wahrendes Schiedsverfahren oft nicht in Betracht.155 Zwar hat die VVG-Novelle von 2008 die Möglichkeit einer direkten deckungsrechtlichen Inanspruchnahme des Versicherers durch die Gesellschaft scheinbar erleichtert.156 Die insoweit bestehenden neuen Möglichkeiten sind jedoch mit erheblichen Risiken sowohl für den Versicherten als auch die Versicherungsnehmerin behaftet, so daß die Änderungen durch die VVG-Novelle nicht überbewertet werden dürfen. Hinzu kommt, daß nach den AVB der Versicherer regelmäßig berechtigt ist, den Haftpflichtprozeß im Namen der versicherten Person zu führen.157 Grundsätzlich besteht daher auch eine freie Anwaltswahl des Versicherten allenfalls vorbehaltlich eines Widerspruchsrechts des Versicherers. Das Prozeßführungsrecht des Versicherers kann zu Folgeproblemen führen, wie beispielsweise zu Streitigkeiten über die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung oder den Umfang der Anwaltsleistungen.158 Im Hinblick auf die mögliche Verwirklichung von Risikoausschlußgründen, insbesondere das Vorliegen einer wissentlichen oder vorsätzlichen Schädigung bzw. Pflichtverletzung, können darüber hinaus bereits im Haftpflichtprozeß aufgrund des Prozeßführungsrechts des Versicherers Interessenkonflikte entstehen. Denn die Feststellungen im Haftpflichtprozeß, insbesondere zum Verschuldensgrad, können präjudiziell für den anschließenden Deckungsprozeß sein.159

(V.) Die Wahrung der Interessen der Gesellschaft bei der Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen Die genannten typischen Defizite einer D&O-Versicherung berechtigen freilich nicht zu der Annahme, daß der Abschluß regelmäßig unwirtschaftlich ist. Vielmehr handelt es sich bei den identifizierten Problemen um wesensimmanente Grenzen des D&O-Versicherungsschutzes, und es ist Aufgabe des Unternehmens, darauf hinzuwirken, daß den unternehmensspezifischen Belangen durch eine individuelle Gestaltung der Versicherungsbedingungen Rechnung 154

Zur Rechtslage nach dem alten VVG insoweit noch Seibt/Saame, AG 2006, 901 (907). Allgemein zur Problematik der Wahrung der Vertraulichkeit bei der Abwicklung von D&O-Schadenfällen, Ihlas, VW 2007, 660 ff. 156 Dazu noch im einzelnen unter Teil I. II. 1. 157 Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 12 Rn. 46; Beckmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 28 Rn. 88. 158 Kiethe, BB 2003, 537 (540); Beckmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 28 Rn. 85. 159 Teil I. II. 1.; vgl. Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch des Versicherungsrechts, 2. Aufl. 2008, § 16 Rn. 157; Seibt/Saame, AG 2006, 901 (911). 155

272

E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

getragen wird. Die Unternehmensleitung ist daher grundsätzlich im ersten Schritt gehalten, auf die Erlangung einer geeigneten und günstigen Police bei einem verläßlichen Versicherer hinzuwirken. Nur wenn trotz dieser Bemühungen der Prämienaufwand im Verhältnis zur konkreten Risikosituation und dem zu erzielenden Deckungsschutz in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis mehr steht, werden die überwiegenden Gründe gegen eine D&O-Versicherung sprechen.

c) Das praktische Vorgehen bei der Prüfung geeigneten D&O-Versicherungsschutzes Die Praxis empfiehlt, einen Katalog konkret abzudeckender Risiken in Form eines „Pflichtenhefts“ zur Vorlage gegenüber den Anbietern von D&O-Versicherungen auszuarbeiten und die Angebote anhand dieses Anforderungsprofils zu bewerten.160 Es wird auch angeraten, die Reputation des D&O-Versicherers im Markt und die Leistungsfähigkeit und Erfahrung bei der Schadenbearbeitung besonders zu berücksichtigen. Wenn die Unternehmensleitung nach Durchführung einer umfassenden Risikoanalyse und Abwägung der Vor- und Nachteile der konkreten D&O-Versicherungsangebote gemäß den vorgenannten Grundsätzen sich für oder gegen eine D&O-Versicherung entscheidet, kann ein Sorgfaltspflichtverstoß wegen unzureichenden Risikomanagements nicht angenommen werden.161 Der Abwägungsvorgang sollte daher hinreichend dokumentiert werden, damit die Geschäftsleiter gegen den Vorwurf einer Verletzung ihrer Organpflichten gesichert sind.162

VIII. Der Anspruch auf Erstattung der Prämien einer Singularhaftpflichtversicherung Da der Anstellungsvertrag als Geschäftsbesorgungsverhältnis einzustufen ist,163 kann das Organmitglied nach § 670 BGB Aufwendungsersatz von der Gesellschaft verlangen. Schließt das Organmitglied auf eigene Kosten eine Singularhaftpflichtversicherung ab, stellt sich daher die Frage, ob die Prämien als erstattungsfähige Aufwendungen anzusehen sind. Darunter sind freiwillige Ver160

Seibt/Saame, AG 2006, 901 (912 f.). Seibt/Saame, AG 2006, 901 (913). 162 Zur Zeckmäßigkeit der Dokumentation von Organentscheidungen s. auch Kiethe, GmbHR 2007, 393 (399). 163 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (311); Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 111; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 517; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 Rn. 77; BGH, Urteil v. 5.12.1983 – II ZR 252/82, BGHZ 89, 153 (zum Verhältnis des Vereinsmitglieds zu seinem Verein). 161

VIII. Der Anspruch auf Erstattung der Prämien

273

mögensopfer zur Erreichung des Auftrags bzw. der Geschäftsbesorgung zu verstehen.164 Der Abschluß einer D&O-Versicherung ist eine Aufwendung, die der Ausübung der Organtätigkeit dient und die im überwiegenden Interesse der Gesellschaft liegt. Das folgt bereits daraus, daß sie die Handlungsfähigkeit der Organmitglieder verbessert und die Werthaltigkeit der Organinnenhaftung zugunsten der Gesellschaft sichert.165 Die Prämien wären mithin erstattungsfähig, wenn das Organmitglied den Abschluß der Versicherung gem. § 670 BGB als „den Umständen nach für erforderlich halten darf “. Diesbezüglich ist ein subjektiv-objektiver Maßstab anzulegen.166 Es kommt auf die objektivierte Betrachtung des Geschäftsführers zum Zeitpunkt der Erbringung der Aufwendungen an.167 Zwar kann auch die Sicherheit der Auftragsdurchführung ein Aspekt sein, der Aufwendungen rechtfertigt.168 Maßstab bleibt aber die Erforderlichkeit, nicht lediglich die Zweckmäßigkeit. Der Geschäftsführer muß sich also fragen, ob er die Aufwendung normativ als für die Durchführung der Geschäftsbesorgung notwendig halten durfte.169 Hinsichtlich der Notwendigkeit bestehen Zweifel. Für die Fälle der reinen Außenhaftung steht dem Organmitglied, sofern keine Organpflichten verletzt wurden, grundsätzlich ein Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft zu, der es hinreichend schützt.170 Was die Innenhaftung anbelangt, gibt es keinen Grundsatz, der besagt, daß der Geschäftsherr den Geschäftsführer gegen die Folgen von dessen Pflichtverletzungen ihm selbst gegenüber abzusichern hätte. Darin fügt sich ein, daß die D&O-Fremdversicherung ein überwiegend im Gesellschaftsinteresse liegendes Schutzinstrument darstellt, dessen Einsatz im pflichtgemäßen Ermessen der Gesellschaft liegt. Das einzelne Organmitglied hat keinen Anspruch auf Abschluß einer D&O-Fremdversicherung.171 Diese Wertungen müssen bei der Frage der Erforderlichkeit der Singularhaftpflicht164 RG, Urteil v. 1.7.1918 – VI 151/18, RGZ 95, 51 (53); BGH, Urteil v. 30.5.1960 – II ZR 113/58, NJW 1960, 1568. 165 Zum Charakter als Aufwendung im Interesse der Gesellschaft ausführlich sogleich Teil F. II. 1. b) (III.) (2.). 166 Statt aller Sprau, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 670 Rn. 4. 167 RG, Urteil v. 17.10.1904 – VI 587/03, RGZ 59, 207 (210); RG, Urteil v. 13.11.1935 – V 99/35, RGZ 149, 205 (207). 168 Ehmann, in: Ermann, 10. Aufl. 2000, § 670 Rn. 7; Seiler, in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl. 2009, § 670 Rn. 9. 169 Vgl. RG, Urteil v. 13.11.1935 – V 99/35, RGZ 149, 205 (207): „Dem persönlichen Ermessen des Geschäftsführers gibt das Gesetz nur insofern Spielraum, als es ihm das Urteil über die Notwendigkeit der Aufwendungen überläßt, die er zur Durchführung jener Maßnahmen treffen will, wobei immer vorausgesetzt wird, daß er sich sein Urteil erst nach sorgfältiger, die Umstände des Falls berücksichtigender Prüfung bildet.“; BGH; Urteil v. 19.9.1985 – IX ZR 16/85, BGHZ 95, 375 (388). 170 Oben Teil E. I. 171 Oben Teil E. VII.

274

E. Der Anspruch des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß

versicherung berücksichtigt werden. Denn könnte das Organmitglied deren Prämien als Aufwendungsersatz verlangen, würde der Gesellschaft im wirtschaftlichen Ergebnis dennoch die Versicherung aufgezwungen.172 Das Organmitglied hat daher keinen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Übernahme der Prämien einer Singularhaftpflichtversicherung.

172

So im Ergebnis wohl auch Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 520.

275

F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung I. Die Haftungsbefreiung durch Freistellung und Verzicht 1. Die Haftungsbefreiung der Organmitglieder durch die Gesellschaft a) Die Aktiengesellschaft Enthaftungsvereinbarungen der Aktiengesellschaft1 mit ihren eigenen Organmitgliedern scheitern in weitem Umfang bereits an § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. 2 Sie sind nur zulässig, soweit sie sich auf die Freistellung von reinen Außenhaftungstatbeständen beziehen. Da solche Freistellungsvereinbarungen für die Organmitglieder aber aus haftungsrechtlicher Sicht uninteressant sind, haben sie kaum praktische Bedeutung. Die Literatur weist zur Untermauerung der weitgehenden Unzulässigkeit von Freistellungsvereinbarungen mit der eigenen Aktiengesellschaft auf ein spezielles organisationsrechtliches Problem hin, soweit es um die Freistellung gerade von Aufsichtsratsmitgliedern geht. Die Gesellschaft müßte sich hierbei gem. § 78 Abs. 1 AktG durch den Vorstand vertreten lassen. Es bestünde insoweit die Gefahr von Interessenkonflikten, da der Vorstand im Ergebnis den Aufsichtsrat durch die Freistellung von den Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Kontrolle der Geschäftsführung entlasten würde.3 Dies könne dem Vorstand nicht gestattet sein.4 Dieser Einwand kann in der Aktiengesellschaft aber letztlich wohl nicht zum Tragen kommen. Denn eine Freistellung des Aufsichtsrats durch die eigene Gesellschaft ist wegen §§ 93 Abs. 4 S. 1, 116 S. 1 AktG nur für reine Außenhaf-

1

Hinsichtlich der SE gilt dasselbe über die Verweisung in Art. 51 SE-VO. Teil B. II. 1. 3 Westermann, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 871 (886); Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (156). 4 Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (156). 2

276

F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

tungsfälle möglich. Was die ordnungsgemäße Kontrolle durch den Aufsichtsrat anbelangt, ergeben sich aber regelmäßig keine solchen reinen Außenhaftungstatbestände. Haftet der Aufsichtsrat jedoch einmal nach außen, ohne eine Organpflicht verletzt zu haben oder ohne dass der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist, fehlt es prinzipiell bei dem für die Gesellschaft handelnden Vorstand an einem Interessenkonflikt hinsichtlich des Abschlusses einer Freistellungsvereinbarung. Die Gesellschaft wird bei Freistellungen zugunsten des Aufsichtsrats mithin durch den Vorstand vertreten. Was Freistellungsvereinbarungen der eigenen Gesellschaft mit Vorstandsmitgliedern anbelangt, vertritt die Gesellschaft gem. § 112 AktG der Aufsichtsrat.5 Soweit leitende Angestellte oder sonstige Mitarbeiter von einer Haftung freigestellt werden sollen, ist wiederum der Vorstand zuständig. Diese Zuständigkeiten gelten unabhängig davon, ob die Enthaftung vor oder nach dem Haftungsfall erfolgt.

b) Die GmbH Enthaftungsvereinbarungen der GmbH mit ihren Organmitgliedern sind in Ermangelung einer mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vergleichbaren Vorschrift hingegen grundsätzlich zulässig.6 Zuständig für die Vertretung der Gesellschaft gegenüber Geschäftsführern ist, sofern kein Aufsichtsrat besteht, 7 die Gesellschafterversammlung, da die Haftungsbefreiung Bestandteil des Anstellungsverhältnisses ist.8 Eine Vertretung der Gesellschaft gegenüber einem Geschäftsführer durch einen anderen Geschäftsführer, wie dies außerhalb des Anstellungsverhältnisses möglich ist,9 scheidet daher aus. Eine Haftungsbefreiung setzt mithin analog § 46 Nr. 8 GmbHG einen Gesellschafterbeschluß voraus10 oder eine durch die Gesellschafter gebilligte Regelung im Anstellungsvertrag; sie kann

5

Ignor/Rixen, wistra 2000, 448. Teil B. II. 2. 7 In diesem Fall ist der Aufsichtsrat in entsprechender Anwendung des § 112 AktG für die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Geschäftsführern zuständig; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, 4. Aufl. 2002, § 35 Rn. 20. 8 Für die Fragen des Anstellungsvertrags sind die Gesellschafter unabhängig davon zuständig, ob Bestellung und Anstellung eine Einheit bilden; BGH, Urteil v. 21.1.1991 – II ZR 144/90, BGHZ 113, 237 (239 ff.); Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 35 Rn. 17; anders noch die frühere Rechtsprechung, die eine Zuständigkeit für das Anstellungsverhältnis nur annahm, wenn die diesbezüglichen Rechtsgeschäfte mit der Bestellung eine Einheit bildeten, vgl. BGH, Urteil v. 1.2.1968 – II ZR 212/65, WM 1968, 570; BGH, Urteil v. 13.5.1968 – II ZR 103/66, 1968, 1328. 9 Mertens, in: Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 9. Aufl. 1997, § 35 Rn. 46. 10 Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, 2006, § 43 Rn. 133. 6

I. Die Haftungsbefreiung durch Freistellung und Verzicht

277

auch in der GmbH-Satzung oder in der von den Gesellschaftern aufgestellten Geschäftsordnung implementiert werden.11 Beim Abschluß von Verträgen mit den Mitgliedern eines fakultativen Aufsichtsrats i.S.d. § 52 GmbHG wird die Gesellschaft gem. § 35 Abs. 1 GmbHG durch die Geschäftsführer vertreten.12 Hier stellt sich nun in der Tat die Frage, ob die Gefahr von Interessenkonflikten bestehen kann, wenn die Geschäftsführung im Ergebnis den Aufsichtsrat von den Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Kontrolle der Geschäftsführung entlasten will.13 Denn eine Haftungsbefreiung der Aufsichtsratsmitglieder könnte sich – anders als in der Aktiengesellschaft – bei der GmbH auch auf die Innenhaftung wegen Verletzung von Organpflichten nach § 52 GmbHG i.V.m. §§ 116, 93 Abs. 1, 2 AktG erstrecken. Deshalb bedarf eine Enthaftung von Schadenersatzansprüchen der Gesellschaft auch insoweit eines Gesellschafterbeschlusses.14

2. Die Freistellung der Organmitglieder durch Dritte a) Die allgemeinen Grundsätze Beim Abschluß von Freistellungsvereinbarungen mit Dritten ist einerseits das Organmitglied als natürliche Person Vertragspartner und andererseits der Freistellungsschuldner, welche Rechtsform auch immer er hat. Fungieren Gesellschaften als Freistellungsschuldner, müssen mithin die für ein wirksames Rechtsgeschäft im Außenverhältnis erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Es kommt insoweit auch eine Vertretung durch Prokuristen oder sonstige Bevollmächtigte in Betracht. Spezifische gesellschaftsrechtliche Kompetenzprobleme ergeben sich nicht.

b) Die besonderen Haftungsrechtsfolgen bei Freistellungen durch Personalgesellschaften Verpflichten sich Personalhandelsgesellschaften, trifft die Pflicht zur Freistellung gemäß § 128 HGB auch jeden persönlich haftenden Gesellschafter. Gleiches gilt gemäß der Rechtsprechung der Sache nach in der Gesellschaft bürger-

11 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, Karlsruhe 2003, S. 79. 12 Zur Vertretung der GmbH durch die Geschäftsführer gegenüber anderen Organen oder Organmitgliedern Mertens, in: Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl. 1997, § 35 Rn. 45; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 35 Rn. 6. 13 Westermann, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 871 (886); Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (156). 14 Vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 52 Rn. 77.

278

F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

lichen Rechts.15 Nach der herrschenden Erfüllungstheorie haftet der Gesellschafter genauso wie die Gesellschaft, d.h. hier auf Freistellung. Wenn sich also aus der Freistellungsvereinbarung ergibt, daß nicht nur die Erfüllung begründeter, sondern auch die Abwehr unbegründeter Ansprüche geschuldet ist – was die Regel darstellt16 –, schulden mithin auch die Gesellschafter die Erfüllung begründeter und die Abwehr unbegründeter Schadenersatzansprüche. Nach der Haftungstheorie soll sich die akzessorische Gesellschafterhaftung hingegen von vornherein auf Sekundäransprüche beschränken.17 Da die Freistellungspflicht keine reine Zahlungspflicht ist, sofern sie die Anspruchsabwehr einschließt, könnten die Gesellschafter in dieser Hinsicht nur nach der Erfüllungstheorie selbst als Freistellungsschuldner in Anspruch genommen werden. Gemäß der Haftungstheorie würden die Gesellschafter nur Schadenersatz in Geld schulden.18 Überzeugender ist jedoch die Erfüllungstheorie.19 Denn dem schützenswerten Interesse des Gesellschafters an einer Freihaltung seiner Privatsphäre von einer gesellschaftsbezogenen Erfüllungspflicht kann im Einzelfall durch den Einwand der Unzumutbarkeit nach § 242 BGB hinreichend Rechnung getragen werden. Außerdem steht es dem Gesellschafter frei, seine Erfüllungspflicht auf eigene Kosten durch einen Dritten wahrnehmen zu lassen.

15

BGH, Urteil v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341. BGH, Urteil v. 19.4.2002 – V ZR 3/01, NJW 2002, 2382: „Die vertragliche Verpflichtung zur Freistellung umfasst auch die Verpflichtung, unbegründete Ansprüche Dritter vom Freistellungsberechtigten abzuwehren.“; BGH, Urteil v. 24.6.1970 – VIII ZR 268/67, NJW 1970, 1594; BGH, Urteil v. 7.3.1983 – II ZR 82/82, NJW 1983, 1729. Es handelt sich dabei letztlich um einen Fall des Aufwendungsersatzanspruchs, Alff, in: RGRK, Bd. II, 1. Teil, 1976, § 247 Rn. 1; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I, Allgemeiner Teil, Teilb. 1, 7. Aufl. 1992, § 13 III 2; Zahn, ZfBR 2007, 627 (628). 17 Zum Streit s. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1423 ff. mit Kritik an den Begrifflichkeiten, der hier aber nicht nachzugehen ist. 18 Zum Schadenersatz wegen Verletzung der Abwehrpflicht BGH, Urteil v. 19.4.2002 – V ZR 3/01, NJW 2002, 2382; BGH, Urteil v. 24.6.1970 – VIII ZR 268/67, NJW 1970, 1594. 19 So auch Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 33 Aufl. 2008, § 128 Rn. 8. 16

II. Die D&O-Versicherung

279

II. Die D&O-Versicherung 1. Die Zuständigkeit innerhalb der Gesellschaft für den Abschluß der D&O-Versicherung a) Die vergütungsspezifische Zuständigkeitsordnung und die D&O-Versicherung Hinsichtlich des Abschlusses von D&O-Versicherungen stellen sich grundlegend andere Kompetenzfragen als in bezug auf Haftungsbefreiungen, namentlich durch Freistellungsvereinbarungen. Unproblematisch ist der – freilich seltene – Fall, daß ein Organmitglied eine D&O-Versicherung als Singularhaftpflichtversicherung, auch in Gestalt einer Selbstbehaltsversicherung, für sich als Versicherungsnehmer abschließt. 20 Er handelt insoweit im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Zustimmungserfordernisse oder andere Einschränkungen der Vertragsfreiheit resultieren aus dem Gesellschaftsrecht nicht. 21 Regeltypisch ist jedoch die Konstellation, daß die Gesellschaft einen Fremdversicherungsvertrag i.S.v. §§ 100, 43 VVG (§§ 149, 74 VVG alt) als Versicherungsnehmerin abschließt und damit auch zur Prämienzahlung verpflichtet ist. Die Kompetenzfrage stellt sich hierbei in zweifacher Hinsicht. Zum einen gilt es zu klären, welche Organzuständigkeiten im Innenverhältnis für den Abschluß des Versicherungsvertrags bestehen. Zum anderen geht es um die Vertretung der Gesellschaft im Außenverhältnis gegenüber dem Versicherer. 22 Der rechtspraktische Befund scheint eindeutig. Wie aus der Praxis zu vernehmen ist, schließt grundsätzlich der Vorstand den D&O-Versicherungsvertrag für die Gesellschaft ab.23 Die herrschende Meinung in der Literatur hält dies aktienrechtlich nicht für problematisch.24 Rechtsprechung gibt es dazu – 20

Zu diesem Versicherungsprodukt s. Teil J. II. 4. So auch Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (459 in Fn. 43). 22 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 102. 23 Gleichwohl werden in Einzelfällen der Aufsichtsrat oder – in groben Zügen – die Hauptversammlungen in den Prozeß der Vorbereitung des Vertragsschlusses eingebunden, vgl. Ihlas, VW 2007, 660. 24 Vgl. z.B. Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31 (48 ff.); Dreher, ZHR 165 (2001), 293 ff.; ders., in: RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2003, S. 203, 237 ff.; ders., AG 2008, 429 ff.; Fleischer, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 12 Rn. 12; ders., in: Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 93 Rn. 287 ff.; Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 70; Mertens, AG 2000, 447 ff.; Vetter, AG 2000, 453 ff.; Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 133; Hopt, in: Großkommentar Aktiengesetz, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 519 – anders Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 Rn. 53, 159: nur bei angemessenem Selbstbehalt (freilich noch bezogen auf eine Rechtslage vor Inkrafttreten des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG); Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&OVersicherung, 2007, S. 163 ff. 21

280

F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

soweit ersichtlich – noch nicht. Jedoch zweifeln Teile des Schrifttums diese Meinung in jüngerer Zeit zunehmend an. 25 Sie tragen – freilich noch bezogen auf eine Rechtslage vor Inkrafttreten des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – vor, daß die von der Gesellschaft gezahlten Versicherungsprämien hinsichtlich der versicherten Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder jedenfalls dann Bestandteil der Bezüge bzw. Vergütung seien, wenn kein angemessener Selbstbehalt vereinbart sei. 26 Früher wurde teilweise der Abschluß einer D&O-Versicherung durch den Vorstand sogar per se für unzulässig gehalten. 27 Wären die Prämien Vergütungsbestandteil, würde dies hinsichtlich der Versicherung der Vorstandsmitglieder die Zuständigkeit des Aufsichtsrats nach § 87 AktG begründen. 28 Andernfalls, so heißt es, bestehe die „Gefahr der Selbstbedienung des Vorstands“. 29 Unter Umständen würde in diesem Fall § 112 AktG den Aufsichtsrat auch zur Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Versicherer ermächtigen.30 Hinsichtlich Versicherungen zugunsten des Aufsichtsrats könnte bei Qualifizierung der D&O-Versicherung als Vergütungsbestandteil die Zuständigkeit der Hauptversammlung nach § 113 Abs. 1 S. 2 AktG bzw. alternativ das Erfordernis einer satzungsmäßigen Regelung der D&O-Versicherung gegeben sein, wie dies ebenfalls von Teilen der Literatur angenommen wird.31

25 Teilweise werden diese Gegenstimmen bereits als überwiegende Ansicht angesehen, was den literarischen Befund aber wohl nicht zutreffend wiedergibt, so aber Bedkowski, Die Geschäftsleiterpflichten, 2006, S. 459. 26 So aus neuerer Zeit Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 167 ff.; Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (471); kritisch auch Schwark, ZHR-Beiheft 71, 2002, 75 (101); Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (553); apodiktisch die Zuständigkeit des Aufsichtsrats bzw. der Hauptversammlung bejahend ohne Auseinandersetzungen mit der Gegenmeinung Bedkowski, Die Geschäftsleiterpflichten, 2006, S. 459 f. 27 So Krüger, NVersZ 2001, 8; Kästner, AG 2001, 113 (121 f.); Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 435 gehen zwar davon aus, daß der Vorstand den Vertrag abschließe. Der Aufsichtsrat habe jedoch zuvor im Rahmen seiner Anstellungskompetenz die Entscheidung zu treffen, daß die Gesellschaft eine solche Versicherung für ihre Vorstände nehme. 28 So Krüger, NVersZ 2001, 8; Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 167 ff.; Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (471). 29 Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (471). 30 Hierzu Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 170 f.; Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (321); beide aber zu Recht die Einschlägigkeit von § 112 AktG ablehnend. 31 Kästner, DStR 2001, 195; Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 102 ff.; Krüger, NVersZ 2001, 8; Feddersen AG 2000, 385 (394); Kästner AG 2000, 113, 118; Kästner AG 2001, 195; Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (471); Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 113 Rn. 2 a; so auch bei Fehlen eines das Eigeninteresse des Organmitglieds reduzierenden Selbstbehalts Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. 2002, § 11 Rn. 870.

II. Die D&O-Versicherung

281

Für die Praxis ist vor allem die Frage der Einschlägigkeit von § 113 AktG bedeutsam. Wäre bei einer unterstellten Anwendbarkeit des § 87 AktG der Aufsichtsrat für die D&O-Versicherung in Betreff der Vorstandsmitglieder zuständig, ließe sich in diesem Verhältnis grundsätzlich schnell Einigkeit über die zu ergreifenden Maßnahmen und die Konditionen der Versicherung erzielen.32 Problematisch ist hingegen die Erstreckung der Kompetenz auf die Hauptversammlung über § 113 AktG, weil der Abschluß der D&O-Versicherung öffentlich bekannt würde. Das wäre wiederum dazu geeignet, gegenüber potentiellen Gläubigern einen Anreiz zu schaffen, Schadenersatzansprüche gegen die Organmitglieder und die Gesellschaft geltend zu machen in der Erwartung einer Deckung durch die Versicherung. Außerdem hat die Zuständigkeitsfrage ein Potential für aktienrechtliche Beschlußmängelklagen. Darin fügt sich ein, daß auch die Bundesregierung die Bedingungen des Abschlusses von D&O-Versicherungsverträgen und deren Inhalt als Geschäftsgeheimnisse ansieht. Auf eine kleine Anfrage im Bundestag hinsichtlich der D&O-Versicherungsverträge der KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau und der quasi-staatlichen IKB Deutsche Industriebank AG machte die Bundesregierung daher keine Angaben zum Inhalt, sondern meinte lediglich: „Bei Einzelheiten zum D&O-Versicherungsschutz handelt es sich um Betriebsinterna, die einer Veröffentlichung grundsätzlich nicht zugänglich sind.“33

b) Das Aktienrecht aa) Der Begriff der Bezüge und Vergütungen im Sinn des AktG (I.) Die Vorstandsbezüge nach § 87 AktG Der Begriff der Vorstandsbezüge wird in § 78 Abs. 1 AktG34 nicht abschließend legaldefiniert, sondern nur anhand der dort genannten Beispiele „Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art“ konkretisiert. Insbesondere was den Bereich der „Versicherungsentgelte“ anbelangt, handelt es sich nicht um eine Definition, weil der Begriff nicht alle Elemente enthält, die für das Vorliegen 32

So auch die Einschätzung von Mertens, AG 2000, 447 (450). Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler, Martin Zeil, Jürgen Koppelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 16/9673 – zu Organ- und Manager-Haftpflichtversicherungen bei der KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau und der quasi-staatlichen IKB Deutsche Industriebank AG, BT-Drucks, 16/9925 v. 3.7.2008, S. 2: Die Frage lautete: „Wenn ja [d.h. falls D&O-Deckung besteht], wann wurden diese abgeschlossen, was war der konkrete Anlass, wurde der Verwaltungsrat darüber informiert, wie lauten die Versicherungspartner, wie hoch ist die versicherte Risikosumme, wurde ein ange- messener Selbstbehalt vereinbart, und für welche Organe und leitende Angestellte wurde dieser Versicherungsschutz abgeschlossen (Auflistung nach juristischer Person)?“ (eckiger Klammerzus. durch Verf.). 34 § 87 Abs. 1 S. 1 AktG 1965 deckt sich nahezu wörtlich mit § 78 Abs. 1 S. 1 AktG 1937. 33

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

von Vorstandsbezügen charakteristisch sind. Daher können – entgegen einer Minderheitsmeinung in der Literatur35 – nicht alle Versicherungsentgelte, die die Gesellschaft zahlt, per se als Vorstandsbezüge nach § 87 Abs. 1 S. 1 AktG angesehen werden.36 Dasselbe gilt für den Begriff „Versicherungsentgelte“ im Beispielskatalog für Gesamtbezüge nach § 285 Nr. 9 lit. a) HGB.37 Denn vom Wortlaut wären auch dort Entgelte erfaßt, die Versicherungen ohne jeden Bezug zu dem Vorstandsmitglied betreffen, also sogar Versicherungen, bei denen das Vorstandsmitglied nicht versicherte Person ist.38 Der Begriff „Versicherungsentgelte“ ist also zu weit.39 Er muß teleologisch konkretisiert werden. Der Zweck des § 87 Abs. 1 S. 1 AktG liegt darin, die Vorstandsvergütung zum Schutz der Gesellschaft sowie der an ihrem Vermögensbestand rechtlich oder wirtschaftlich interessierten Personen zu begrenzen.40 Eine Eingrenzung muß zunächst dahingehend erfolgen, daß nur solche Versicherungen tatbestandsmäßig sein können, die die Vorstandsmitglieder auch als versicherte Personen erfassen, was bei der D&O-Versicherung zu bejahen ist. Es fragt sich aber, ob diese Eigenschaft der Versicherung bereits hinreichend ist, um den Charakter der Entgelte als Vorstandsbezüge anzunehmen. Daß die Qualifizierung des Vorstandsmitglieds als versicherte Person noch nicht den Bezügecharakter der Versicherungsentgelte begründen kann, zeigt bereits die rechtssystematische Kontrollüberlegung, daß dann alle Versicherungsentgelte, die Versicherungen betreffen, bei denen ein einzelnes Vorstandsmitglied zum Kreis der Versicherten gehört, als Vorstandsbezüge anzusehen wären. Eine 35

Krüger, NVersZ 2001, 8; Bedkowski, Die Geschäftsleiterpflichten, 2006, S. 459. Dies zu Recht hervorhebend Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (302); Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (552). 37 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (302); Vetter, AG 2000, 453 (456). 38 § 285 Nr. 9 lit. a) HGB wurde 1985 durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz in das HGB aufgenommen und entstammt dem AktG (Hierzu Vetter, AG 2000, 453 (456 f.)). Der Zweck des früheren § 160 Nr. 8 AktG sowie seiner Vorgängerregelung in § 128 Abs. 2 Nr. 7 AktG 1937 war es, aus Transparenzgründen die Bezüge zu erfassen, die ein Organmitglied erhält. Daher ist § 285 Nr. 9 AktG im Kontext mit den §§ 87, 113 AktG zu lesen und kann für diese Normen keine eigenständige Auslegungshilfe darstellen. Das übersieht möglicherweise Kästner, AG 2000, 113 (116), die meint, daß § 285 Nr. 9 AktG „sehr weit gezogen“ sei und dies Rückschlüsse auf die Auslegung der §§ 87, 113 AktG erlaube. 39 Vetter, AG 2000, 453 (456). Nicht überzeugend daher die – recht knappe – Begründung Habethas, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 176 f., der die von der Gesellschaft gezahlten Prämien der D&O-Versicherung unter § 87 Abs. 1 S. 1 AktG subsumiert, weil es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung um ein dem Vorstand gewährtes Versicherungsentgelt handele ähnlich der Übernahme der Prämien einer Eigenversicherung des Vorstandsmitglieds durch die Gesellschaft; dies verkennt auch Bedkowski, Die Geschäftsleiterpflichten, 2006, S. 459, welche alle Versicherungen als vergütungsrelevant ansehen will. 40 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (302); vgl. auch RegE AktG 1965 (abgedr. bei Kropff, AktG 1965, S. 111), der auf § 78 AktG 1937 Bezug nimmt. Die hierauf bezogene Begründung (Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger 1937 Nr. 28 v. 4.2.1937, S. 1, 4) verweist insoweit auf „der heutigen Volksauffassung entsprechende Grundsätze“. 36

II. Die D&O-Versicherung

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Kraftfahrzeuginsassen-Unfallversicherung, die ein Vorstandsmitglied als Insasse des Fahrzeugs erfaßt, wäre danach auch als Teil der Vorstandsbezüge anzusehen, desgleichen berufsbezogene Rechtsschutz-, Unfall-, Haftpflicht- sowie Lösegeldversicherungen. Insoweit wurde aber hinsichtlich der Abschlußkompetenz des Vorstands bisher, soweit ersichtlich, noch nirgendwo die Gefahr einer „Selbstbedienung“ moniert, müßte aber die Folge dieser Ansicht sein.41 Im übrigen müßten nach dieser Betrachtung auch alle anderen Vermögensaufwendungen der Gesellschaft, die dem Vorstand mittelbar zugute kommen, als Teil der Bezüge gelten. Nicht nur wäre dann eine Vereinbarung hinsichtlich der Zahl und Qualifikation von Vorstandsassistenten,42 sondern beispielsweise auch die Einrichtung eines neuen Fitneßraums im Bürogebäude43 als Teil der Vorstandsbezüge einzustufen, weil diese Vorteile – auch – dem einzelnen Vorstandsmitglied zugute kommen. Die Qualifizierung als Vorstandsbezüge setzt daher im Hinblick auf Versicherungsentgelte ebenso wie hinsichtlich jedes anderen Vermögensvorteils eine individuelle Zurechnung zu dem betreffenden Organmitglied voraus. Es muß ein Zusammenhang zur privaten Vermögenssphäre des Organmitglieds dergestalt bestehen, daß es sich um eine im überwiegenden Vermögensinteresse des Organmitglieds liegende Gegenleistung für die Ausübung der Vorstandstätigkeit handelt.

(II.) Die Aufsichtsratsvergütung nach § 113 AktG Der Begriff der Vergütung des Aufsichtsrats ist gesetzlich nicht spezifiziert.44 Insbesondere werden Versicherungsentgelte nicht als Beispiel genannt. Der Zweck der Vorschrift, welche die in § 98 AktG 1937 enthaltene Regelung nahezu wörtlich übernimmt, ist wiederum der Schutz der Gesellschaft und der an ihrem Vermögen bestehenden Interessen.45 Das folgt bereits aus dem Angemessenheitserfordernis des § 113 Abs. 1 S. 3 AktG.46 Der Zweck der Vorschrift liegt entgegen einer teilweise vertretenen Minderheitsmeinung nicht darin, eine Zuständigkeit der Hauptversammlung zur Entscheidung „über alle materiellen Vorteile“ zu begründen.47 Dann ergäbe bereits der Begriff 41

Näher Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (300, 319 f.). Beispiel nach Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (303). 43 Beispiel nach Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 133. 44 Kästner, AG 2000, 113 (115); Mertens, AG 2000, 447 (448). 45 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (303). 46 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (303); die Gesetzesbegründung ist insoweit wenig aussagekräftig. Die Regierungsbegründung zu § 113 Abs. 1 AktG (abgedr. bei Kropff, AktG 1965, S. 157) verweist auf die Vorgängerregelung im AktG 1937. Die darauf bezogene Begründung (Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger 1937 Nr. 28 v. 4.2.1937, 1. Beilage S. 1) führt nicht weiter. 47 So aber Kästner, AG 2000, 113 (116). 42

284

F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

der Vergütung keinen Sinn, der eine Abgrenzung von nicht vergütungsspezifischen Vorteilen voraussetzt.48 Nach teleologischer Auslegung des § 113 Abs. 1 AktG ist somit nur der Vermögensvorteil, der als Gegenleistung für die Aufsichtsratstätigkeit anzusehen ist, Vergütung im Sinn der Vorschrift. Auch Nebenleistungen, wie insbesondere Versicherungsentgelte, können zwar unter den Vergütungsbegriff fallen. Der Sache nach gilt für die Abgrenzung jedoch dasselbe Zurechnungserfordernis wie für den Vorstand. Es muß mithin ein synallagmatischer Bezug zur Aufsichtsratstätigkeit bestehen. Der Streit über die Frage, ob Grundlage der Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder ein separater Anstellungsvertrag ist, wie bei den Vorstandsmitgliedern, oder ein Rechtsverhältnis mit der Gesellschaft besteht, das eine korporations- und schuldrechtliche Doppelnatur aufweist,49 ist hierfür irrelevant.50 Denn es geht vorliegend nicht um die schuldrechtliche Qualifizierung der Aufsichtsratsvergütung, sondern um ihre organisationsrechtliche Einordnung im Zusammenhang mit der Kompetenzregel des § 113 AktG.

bb) Die Zuordnung der D&O-Versicherung zu den Interessensphären des Organmitglieds und der Gesellschaft (I.) Die Bedeutung der Interessensphären für die Vergütungseigenschaft Für die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 AktG und des § 113 Abs. 1 AktG gelten also dieselben Maßstäbe. 51,52 Hinsichtlich der Entgelte für eine D&O-Versicherung ist in beiden Fällen zu untersuchen, ob ein Zurechnungszusammenhang zu der privaten Vermögenssphäre und zu der Or48

Die von Kästner gezogene teleologische Schlußfolgerung, daß Entgelte für D&OVersicherungen Vergütungsbestandteile seien, ist somit nicht haltbar, Kästner, AG 2000, 113 (116). 49 Zu dem Streit s. Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 101 Rn. 2; Vetter, AG 2000, 453 (456). 50 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (304). 51 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (304); Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 132; Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (552); so im Ergebnis auch Vetter, AG 2000, 453 (457 f.); Kästner, AG 2000, 113 (116). 52 Nicht überzeugend die Begriffsunterscheidung bei Lange, ZIP 2001, 1524 (1527). Verf. meint, daß Vergütung im Sinn von § 113 AktG nur einen Teilausschnitt von Gesamtbezügen nach § 87 AktG sei und deshalb – offenbar anders als § 87 AktG – D&O-Versicherungsprämien nicht umfaßt, da nur § 87 AktG Versicherungsentgelte als Beispiel für Gesamtbezüge erwähne. Diese These ist Einwänden ausgesetzt, weil aus dem Beispiel der Versicherungsentgelte in § 87 AktG nicht folgt, daß damit alle Versicherungsentgelte als Entgelt erfaßt sind. Vielmehr sind es nur solche mit Vergütungscharakter (s.o.). Es geht im Zusammenhang mit der Einordnung der D&O-Versicherungsprämie allein um die Frage der Trennung der Gesellschaftssphäre von der persönlichen finanziellen Sphäre der Organmitglieder, vgl. Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (304), so daß unter diesem Gesichtspunkt eine Differenzierung zwischen dem Begriff der Bezüge und der Vergütung nicht indiziert ist.

II. Die D&O-Versicherung

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gantätigkeit der versicherten Person gegeben ist. Im folgenden soll daher einheitlich von der Vergütung der Organe die Rede sein. Die Beantwortung der Zurechnungsfrage macht damit eine Bewertung der D&O-Versicherung im Hinblick auf die Interessen der Organmitglieder einerseits und die Unternehmensinteressen andererseits erforderlich.53 Liegt die Versicherung primär im Interesse der Organmitglieder, spricht dies für eine Zurechnung zu deren Vermögenssphäre, die eine Gegenleistung für die Organtätigkeit darstellt. Ergibt die Untersuchung, daß die Versicherung in erster Linie den Unternehmensinteressen dient, ist das Gegenteil der Fall und die Gegenleistungsbzw. Vergütungseigenschaft zu verneinen.54 Es handelt sich bei dieser Abgrenzungsfrage mithin um die Differenzierung zwischen Vergütung und Aufwendungsersatz.55 Während die Vergütung die Gegenleistung für die Dienste des Organmitglieds darstellt, sollen durch den Aufwendungsersatz finanzielle Lasten übernommen werden, die durch die Gegenleistung nicht abgegolten sind, die anläßlich der Erbringung der Hauptleistung entstehen und die damit dem Auftraggeber zugute kommen.56 Wenn die D&O-Versicherung eine Aufwendung in diesem Sinn darstellt, kann sie nicht zugleich Vergütung sein.57

(II.) Die Abgrenzung von Aufwendung und Vergütung Vereinzelt heißt es, daß eine Interessenbewertung für die Frage nach dem Charakter als Aufwendung oder Vergütung nicht relevant sei.58 Die von der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin geleisteten Versicherungsprämien seien nur dann als Aufwendung anzusehen, wenn ein Organmitglied Ersatz der Versicherungsprämien nach § 670 BGB verlangen könnte, falls das Organmitglied selbst die Versicherungsprämien zunächst gezahlt hätte. Ein solcher Aufwendungsersatzanspruch stünde dem Organmitglied aber nicht zu, weil die Prämien für die D&O-Versicherung „zu eigenen Zwecken“ erbracht würden.59 Denn bei der D&O-Versicherung gehe es „dem Organmitglied primär darum, sich vor den erheblichen finanziellen Belastungen im Haftungsfall zu schützen. Andere Gründe, wie etwa der Schutz Dritter oder der Gesellschaft durch die Bereitstellung von Vollstreckungsmasse“ würden das Organmitglied „kaum 53 Vgl. Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (309); so wohl auch Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (471). 54 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 133; Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 208. 55 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (304 ff.); Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (552); vgl. auch Mertens, AG 2000, 447 (448 f.). 56 Vgl. Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (304 ff.). 57 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (307). 58 Pammler, Die Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 108 f. 59 Pammler, Die Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 109.

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

veranlassen, eine D&O-Versicherung abzuschließen.“60 Nichts anderes könne daher gelten, sofern die Gesellschaft sich als Versicherungsnehmerin von vornherein zur Zahlung der Prämien verpflichte. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß ein Aufwendungsersatzanspruch hinsichtlich der Prämien einer Singularhaftpflichtversicherung nach § 670 BGB zwar in der Tat ausscheidet, dies aber an der fehlenden Erforderlichkeit bzw. Befugnis des Organmitglieds liegt, zur Ausführung seiner Tätigkeit eine D&OVersicherung auf Kosten der Gesellschaft abzuschließen, und nicht am Fehlen des Aufwendungscharakters.61 Nicht überzeugend ist ferner, daß die vorgenannte Ansicht die Prüfung der Interessen, die am D&O-Versicherungsvertrag bestehen, als unbeachtlich ablehnt, statt dessen aber den weniger konturierten Begriff des „Zwecks“ für maßgeblich hält. Eine Frage nach „Zwecken“ kann jedoch nicht weiterführen, weil jeder Handelnde einen eigennützigen Zweck verfolgt – das eine Singularhaftpflichtversicherung für sich abschließende Organmitglied daher zwangsläufig ebenso wie die Gesellschaft, soweit sie als Versicherungsnehmerin einer D&O-Fremdversicherung fungiert. Das Abstellen auf eigene oder fremde „Zwecke“ bzw. den eigenen Schutz oder den Schutz Dritter ist aber auch deshalb unergiebig, weil dadurch nichts über den Charakter als Aufwendungsersatz gesagt ist. Die These, die D&O-Versicherung stelle keine Aufwendung des Organmitglieds dar, weil es dem Versicherten darum gehe, sich selbst zu schützen,62 ist mithin nicht zustimmungswürdig. Auch der Personenschutz, den ein Unternehmen einem Vorstandsmitglied zur Verfügung stellt, damit es sich gefahrlos in der Öffentlichkeit bewegen kann,63 oder werterhöhende Umbauten an privaten Immobilien von Organpersonen zu deren Schutz vor berufsbezogenen Sicherheitsrisiken, stellen keine Vergütung dar, obwohl durch sie allein der Zweck verfolgt wird, das Organmitglied zu schützen. Mit der vordergründigen Frage danach, wer unmittelbar von der Leistung profitiert, ist für die Einordnung als Vergütung oder Aufwendung also nichts gewonnen. Eine Abgrenzung zwischen beidem kann vielmehr nur vorgenommen werden, wenn die in Rede stehende Vermögensleistung in wertender Betrachtung den Interessensphären der Parteien zugeordnet wird.64 Selbst wenn die Leistung für das begünstigte Organmitglied noch so zweckmäßig oder begrüßenswert ist, stellt sie eine Aufwendung der Gesellschaft dar, sofern sie schwerpunktmäßig dem Interessenkreis der Gesellschaft zuzurechnen ist.65 60 Pammler, Die Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 108. 61 Dazu eingehend unter Teil E. VIII. 62 Pammler, Die Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 108 f. 63 Beispiel nach Mertens, AG 2000, 447 (450). 64 Vgl. Lange, ZIP 2001, 1524 (1526); zur steuerrechtlichen Beurteilung der D&O-Versicherung ebenso Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (551). 65 Lange, ZIP 2001, 1524 (1526).

II. Die D&O-Versicherung

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Sie ist Vergütung, wenn sie umgekehrt in ihrem Kern der privaten Vermögenssphäre des die Gegenleistung Erbringenden zugehört.

(III.) Die Einordnung der D&O-Versicherung in die verschiedenen Interessensphären (1.) Die Interessen der Organmitglieder (a) Die Notwendigkeit der Definition vergütungsspezifischer Interessen Die D&O-Versicherung dient zunächst insoweit den Interessen der Organmitglieder, als diese die versicherten Personen sind.66 Das gilt auch im Fall der heute verbreiteten entity-Deckung, die auch gegen die Gesellschaft gerichtete Freistellungsansprüche aus Organhaftungsfällen67 abdeckt.68 Denn die entityDeckung ergänzt nur die Versicherung der Organmitglieder. Zudem dient die entity-Deckung auch dem Interesse des Organmitglieds an der Erfüllbarkeit möglicher eigener gegen die Gesellschaft gerichteter Freistellungsansprüche.69 Es verbleibt aber die Frage, ob es sich hierbei um ein vergütungsspezifisches Interesse der Organmitglieder handelt.70 Das wäre – wie oben dargelegt – nur dann der Fall, wenn das Interesse überwiegend der privaten Vermögenssphäre des Organmitglieds zuzurechnen wäre.71 Dieses vergütungsspezifische Interesse ist dadurch charakterisiert, daß es auf eine Verbesserung der eigenen Vermögenslage durch Erbringung der Hauptleistung, d.h. der Organtätigkeit für das Unternehmen, gerichtet ist. Dadurch grenzt es sich von den Aufwendungen der Gesellschaft ab, die zwar dem Organmitglied ebenfalls zugute kommen können, aber nicht darauf abzielen, sein Vermögen zu mehren, sondern nur die ordnungsgemäße Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben sicherstellen wollen. Ein solches vergütungsspezifisches Interesse wäre beispielsweise hinsichtlich Lebens- oder Rentenversicherungen anzunehmen, die zugunsten des Organmitglieds bestehen.72 Diese sind unter dem Gesichtspunkt des vergütungsspezifischen Interesses von jenen abzugrenzen, die der Absicherung betrieblicher Risiken dienen,73 wie die bereits erwähnte Kraftfahrzeuginsassen-Unfallver66

Mertens, AG 2000, 447 (451). Dazu Teil G. I. 1. g). 68 Dazu Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (298 ff.). 69 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (311). 70 In diesem Sinn für die Notwendigkeit einer Konkretisierung des Vorteils im Hinblick auf die Subsumtion unter der Vergütungsbegriff auch Mertens, AG 2000, 447 (451). 71 Mertens, AG 2000, 447 (451). 72 Vetter, AG 2000, 453 (456); Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 133. 73 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 133. 67

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

sicherung für Dienstwagen, die keine Gegenleistung für die Ausübung der Organtätigkeit darstellen. Die D&O-Versicherung bezieht sich auf die Absicherung solcher betriebsbezogener Risiken.74 Es besteht kein Anspruch des Organmitglieds auf Abschluß einer D&O-Versicherung nach § 618 BGB.75 Deshalb wäre es auch verfehlt, sie als „dienstliche Fürsorgeaufwendung“ der Gesellschaft anzusehen,76 wie dies Teile der Literatur tun.77 Das spricht bereits dagegen, das Interesse des Organmitglieds an einer Absicherung seines privaten Vermögens als vergütungsspezifisch anzuerkennen. Es kommt hinzu, daß die D&O-Versicherung keine Gegenleistung im Sinn eines „do ut des“ für die seitens des Organmitglieds geschuldete Leistung ist.78 Der Begriff der Vergütung bzw. Bezüge setzt sprachlogisch wie auch im übrigen Zivilrecht, beispielsweise in § 611 BGB,79 voraus, daß es sich um ein im Synallagma stehendes Entgelt für die Hauptleistung handelt.80 Obwohl die Versicherung für das Organmitglied in bezug auf dessen Organtätigkeit wegen der Sicherungsfunktion einen Vorteil verkörpert und selbst wenn das Organmitglied den Abschluß einer solchen Versicherung zur condicio sine qua non für die Aufnahme oder Fortführung des Mandats machen sollte, ist sie kein Entgelt für die Organtätigkeit. Die Organtätigkeit wird niemals wegen, sondern allenfalls unter der Voraussetzung des Abschlusses einer D&O-Versicherung übernommen.81 Eine dem Vermögensinteresse des Organmitglieds dienende Vergütung kann aber nur in solchen Vorteilen liegen, die das Organmitglied gerade durch die Erbringung seiner Hauptleistung als Organmitglied anstrebt. Nur insoweit besteht ein Synallagma,82 da dieses nur Hauptleistungen miteinander verbindet.83 Der Sache nach gilt dieser Gedanke auch im Steuerrecht hinsichtlich der Frage der Einkommenssteuerpflicht vermögenswerter Leistungen gemäß dem sog. Veranlassungsprinzip.84 Die D&O-Versicherung wirkt sich 74

Mertens, AG 2000, 447 (449); Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 133. 75 Teil E. VII. 1. 76 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (308). 77 Vgl. Mertens, AG 2000, 447 (449 ff.); Lange, ZIP 2001, 1524 (1526); Barzen/Brachmann/ Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 133. 78 Lange, ZIP 2001, 1524 (1527); Vetter, AG 2000, 453 (457). 79 Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 611 Rn. 49. 80 Lange, ZIP 2001, 1524 (1527); Mertens, AG 2000, 447 (448). 81 Vetter, AG 2000, 453 (457); vgl. auch Lange, ZIP 2001, 1524 (1526). 82 Vgl. Vetter, AG 2000, 453 (457); Lange, ZIP 2001, 1524 (1526). 83 Grüneberg, in: Palandt, 67. Aufl. 2008, Einf. v § 320 Rn. 17. 84 BFH, Urteil v. 20.9.1985 – VI R 120/82, ZIP 1985, 1527 (1528): „Wie der Senat im Urteil vom 17.September 1982 VI R 75/79 (BFHE 137, 13, BStBl. II 1983, 39; vgl. ferner Urteile vom 7.Dezember 1984 VI R 164/79, BFHE 142, 483, BSStBl. II 1985, 164 und vom 22.März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl. II 1985, 529) entschieden hat, folgt vielmehr gerade aus dem auch vom FG angesprochenen Veranlassungsprinzip, daß Arbeitslohn nur eine Einnahme des Arbeitnehmers sein kann, die sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung seiner (individuellen) Arbeitskraft erweist, und daß hierzu nicht

II. Die D&O-Versicherung

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auf das Vermögen des Organmitglieds unter diesem Gesichtspunkt nicht begünstigend aus, sondern ist ein neutraler Posten. Sie mildert lediglich die Haftungsfolgen ab, die infolge der Erbringung der Hauptleistung überhaupt erst eintreten können. Das Organmitglied wird nicht tätig, um einen Haftungsfall herbeizuführen und infolgedessen in den Genuß der Versicherungsleistung zu gelangen,85 sondern es erbringt seine Hauptleistung als Organmitglied, obwohl ein Haftungsfall eintreten kann, der dann in begrenztem Umfang versichert ist.86 Das Verhalten des Organmitglieds ist stets darauf gerichtet, die Leistungen der D&O-Versicherung nicht in Anspruch zu nehmen. Der Versicherungsfall kann dem Organmitglied schon deshalb keinen Vermögensvorteil bringen, weil die Versicherungsleistung die Haftungssumme nur unter-, nicht aber überschreiten kann. Es ist also kein Fall denkbar, in dem die Versicherung zu einem Vermögensvorteil bei dem betreffenden Organmitglied im Verhältnis zum status quo ante, d.h. vor Übernahme der Organtätigkeit, führt. Sie kann daher auch nicht der Grund sein, weshalb das Organmitglied seine Leistung erbringt, mithin keine synallagmatische Gegenleistung und daher auch keine Vergütung für die Organtätigkeit darstellen.87 Der vergütungsspezifische Charakter des Interesses des Organmitglieds an der Versicherung ist also zu verneinen, weil das abgesicherte Risiko nicht der privaten Lebensführung des Organmitglieds entspringt, sondern ein ausschließlich berufliches ist.88 Dagegen läßt sich nicht einwenden, daß es auch andere Vermögensvorteile gibt, die bei isolierter Betrachtung das Organmitglied nicht zur Übernahme der Tätigkeit bewögen, dennoch aber anerkanntermaßen Vergütungsbestandteile gehört, was der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse zuwendet.“ 85 Vetter, AG 2000, 453 (457); Lange, ZIP 2001, 1524 (1526). 86 Dies verdeutlicht auch ein Rekurs auf die versicherungsvertragsrechtliche Definition der Funktion der Versicherung als Rechtsprodukt. Es sind insoweit im wesentlichen drei theoretische Ansätze zu unterscheiden: Nach der sogenannten Bedarfsdeckungstheorie – begründet von Ulysses Gobbi – kommt der Versicherung die Funktion zu, einen durch den Eintritt des Versicherungsfalls entstehenden Bedarf auszugleichen (Gobbi, Zeitschrift für Versicherungs-Recht und -Wissenschaft 1896, 465 (468 ff.) und 1897, 246 (255) sowie Hülße, ZVersWiss 1903, 539 (553)). Nach der sogenannten Schadenersatztheorie, die in ihrer modernen Form auf Antigono Donati zurückgeht, soll die Funktion der Versicherung in einer „eventuellen Schadensbeseitigung“ zu sehen sein (Donati, ZVersWiss 1960, 289 (294 ff.)). Die letztlich überzeugende, weil universell gültige, von Schmidt-Rimpler begründete Vermögensgestaltungstheorie sieht die Funktion der Versicherung hingegen in der Absicherung von Vermögensgestaltungszielen (Schmidt-Rimpler, in: Festschrift für Heymann, 1931, Bd. 2, S. 1211 ff.; ders., VersR 1963, 493 ff.; ders., VersR 1964, 792 ff.; Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt, 1991, S. 40 ff.; ähnlich Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 1 Rn. 3 ff.). Losgelöst von dem Theorienstreit ist für den vorliegenden Prüfungszusammenhang entscheidend, daß die D&O-Versicherung diese Funktion jedenfalls allein in Betreff der Risiken entfaltet, die überhaupt erst aus der Organtätigkeit resultieren. 87 Vetter, AG 2000, 453 (457). 88 Mertens, AG 2000, 447 (449); Vetter, AG 2000, 453 (457).

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

darstellen, wie beispielsweise die private Nutzung des Dienstwagens.89 Wenn derartige Vorteile für sich genommen nicht ausreichen, um den Betreffenden zur Übernahme der Tätigkeit zu bewegen, liegt das allein daran, daß sie als isolierter Bestandteil der Vergütung keinen ausreichenden eigenen wirtschaftlichen Wert verkörpern, der die Ausübung der Organtätigkeit hinreichend entlohnen würde. Daher ist nicht der Umkehrschluß möglich, daß jeder Vermögensvorteil, der nicht ausreicht, um das Organmitglied zum Vertragsschluß zu veranlassen, zwangsläufig Vergütung ist.90 Unbeachtlich ist auch der gegen den fehlenden Vergütungscharakter angeführte Hinweis darauf, daß das Organmitglied „eigene Rechte aus dem Versicherungsvertrag“ erlange.91 Das ist natürlich richtig, aber es sagt eben nichts über den Vergütungscharakter aus. Gleiches gälte auch für die KfZ-Haftpflichtversicherung des nicht privat genutzten Dienstwagens. Die entscheidende Frage lautet vielmehr, ob diese Rechte Bestandteil der Vergütung sind oder aus Gesellschaftsaufwendungen resultieren, die zum Zweck einer optimalen Ausübung der Organtätigkeit und der Absicherung von finanziellen Risiken des Unternehmens gemacht werden.

(b) Der rechtssystematische Vergleich mit gesetzlichen Regelungen zur Prämienerstattung für Haftpflichtversicherungen in anderen Dienst- und Auftragsverhältnissen (aa) Das Vormundschafts-, Betreuungs- und Pflegschaftsrecht Diese Betrachtung ist einem rechtssystematischen Vergleich mit § 1835 Abs. 2 BGB zu unterziehen. Nach dieser Vorschrift erhält der Vormund Aufwendungsersatz für die Kosten einer Haftpflichtversicherung im Fall der unentgeltlichen Amtsausübung aus dem Vermögen des Mündels, Pfleglings oder Betreuten. Der Grund für den Anspruch liegt darin, daß auch der Vormund in Wahrnehmung der Interessen des Mündels einem persönlichen Haftungsrisiko ausgesetzt ist. Dieses kann sich in einer Innenhaftung durch Schädigung der Person, deren Interessen wahrgenommen werden, realisieren92 oder in einer Außenhaftung – z.B. aus Delikt – gegenüber Dritten.93 Nach § 1915 Abs. 1 BGB gilt die Vorschrift auch für Pfleger und über § 1908i BGB für Betreuer. Der Aufwendungsanspruch besteht 89

So aber die Ansicht Pammlers, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 122. 90 Demgemäß hat der BFH z.B. auch die Erstattung der Mitgliedsbeiträge an einen GmbH-Geschäftsführer für die Mitgliedschaft in einem Industrieclub nicht als steuerpflichtigen Vergütungsvorgang angesehen, BFH, Urteil v. 20.9.1985 – VI R 120/82, ZIP 1985, 1527 = BStBl. II 1985, 718. 91 Hierauf abstellend Kästner, AG 2000, 113 (117). 92 Dabei geht es vor allem um die Haftung aus § 1833 BGB, die Verschulden voraussetzt. 93 Vgl. zu den möglichen Anspruchsgrundlagen Wagenitz, in: Münchener Kommentar BGB, 4. Aufl., § 1835 Rn. 28; Saar, in: Erman, BGB, 12. Aufl., § 1833 Rn. 12.

II. Die D&O-Versicherung

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nach § 1835 Abs. 2 S. 2 BGB jedoch nicht, sofern die Tätigkeit entgeltlich ausgeübt wird. Daraus könnte nun abzuleiten sein, daß die Versicherungsprämien Bestandteil der Vergütung sind, da sie nur in Ermangelung einer Vergütung durch das Gesetz als Aufwendung qualifiziert werden. Eine solche Sehweise würde aber den Regelungsgehalt des § 1835 Abs. 2 BGB verkennen. Entscheidend ist zunächst, daß § 1835 Abs. 2 S. 1 BGB die Erstattung explizit als Aufwendungsersatz qualifiziert. Dadurch bringt das Gesetz die Zuordnung der Versicherungsprämien zu der Interessensphäre des Mündels94 zum Ausdruck. Wenn § 1835 Abs. 2 S. 2 BGB den Aufwendungsersatzanspruch für den Fall der Vergütung ausschließt, wird hierdurch diese materielle Zuordnung zur Interessensphäre des Mündels nicht aufgehoben, denn die Versicherungsprämien können funktional nicht zugleich Aufwendung und Vergütung sein. In der Sache bleibt es daher bei der Trennung zwischen Aufwand und Vergütung. § 1835 Abs. 2 BGB ist folglich kein Beleg für den Vergütungscharakter der Prämien einer Haftpflichtversicherung zugunsten von Beauftragten im allgemeinen und läßt sich daher auch nicht für eine solche These bei der D&O-Versicherung heranziehen. Der Rechtsgedanke des Aufwendungsersatzanspruchs aus § 1835 Abs. 2 S. 1 BGB verdeutlicht auch, daß der Einwand, es bestehe die „Gefahr der Selbstbedienung“95, der von Teilen der Literatur gegen eine Abschlußkompetenz des Vorstands geltend gemacht wird, nicht trägt. Im Vormundschaftsrecht gilt ebenso wie bezüglich der D&O-Versicherung, daß der mit dem Haftpflichtschutz verbundene Vorteil immer nur die aus dem Amt erwachsenden Haftpflichtrisiken ausgleichen kann und sich daher per se nicht zu einer Bereicherung des Versicherten eignet. Daher besteht von vornherein keine Mißbrauchsgefahr, der im Vormundschaftsrecht oder im Gesellschaftsrecht dadurch zu begegnen wäre, daß dem Versicherten die Befugnis zum Vertragsschluß entzogen würde.

(bb) Das Insolvenzrecht Auch aus den Wertungen des Insolvenzrechts läßt sich nicht ableiten, daß die Prämien einer Haftpflichtversicherung zugunsten eines Dienstverpflichteten als Teil seiner Vergütung anzusehen sind. Der Insolvenzverwalter ist nach § 60 InsO und weiteren Vorschriften, wie dem Deliktsrecht oder der AO ebenso wie die Leitungsorgane einer Kapitalgesellschaft einem erheblichen Eigenhaftungsrisiko ausgesetzt.96 Hinsichtlich der Haftpflichtversicherung des Insolvenzver94 Bzw. über die Verweisungen der §§ 1908i, 1915 Abs. 1 BGB des Betreuten oder des Pfleglings. 95 So schon Kästner, AG 2000, 113 (116) und neuerdings wieder Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (471). 96 Vgl. insoweit – noch zur Vorgängervorschrift § 82 KO – W. Lüke, Die persönliche Haftung des Konkursverwalters, 1986 und ders., Persönliche Haftung des Verwalters in der Insolvenz, 2. Aufl. 1996.

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

walters gilt nach § 63 InsO i.V.m. § 4 Abs. 3 InsVV, daß mit der Vergütung auch die Kosten einer Haftpflichtversicherung abgegolten sind. Die Kosten einer angemessenen zusätzlichen Versicherung sind nach § 4 Abs. 3 InsVV nur dann als Auslagen zu erstatten, wenn die Verwaltung mit einem besonderen Haftungsrisiko97 verbunden ist. Auch hier zeigt sich zunächst, daß die Prämien grundsätzlich als Aufwendung anzusehen sind. Daß § 4 Abs. 3 InsVV eine separate Erstattung nur für die Versicherung überdurchschnittlicher Risiken vorsieht, liegt daran, daß der Insolvenzverwalter ohnehin über einen Versicherungsschutz verfügt, der die allgemeinen Risiken abdeckt. Die hierfür geleisteten Prämien sind also berufsspezifische Aufwendungen, die der Verwalter grundsätzlich selbst zu tragen hat. Nur bei überdurchschnittlichen Risiken soll nach der InsVV dieser Posten separat zu Lasten des Schuldners bzw. dessen Gläubigern geltend gemacht werden können.98 In der Praxis vereinbart der Insolvenzverwalter in diesen Fällen grundsätzlich eine spezielle Objektdeckung mit dem Versicherer, deren Prämie gegenüber dem Insolvenzverwalter separat abgerechnet wird und die somit als eigenständiger Posten im Rahmen des Aufwendungsersatzes geltend gemacht werden kann. Soweit hingegen die allgemeine Berufshaftpflichtversicherung des Insolvenzverwalters betroffen ist, scheidet eine solche Zuordnung der Prämie zu bestimmten Haftungsrisiken schon rechnerisch aus, da hierfür der Wert der Versicherung für die einzelnen Mandate ermittelt werden müßte, was kaum gelänge. Deshalb soll dieser Teil der Kosten pauschal mit der Vergütung abgegolten sein. Der Teil der Kostenbelastung des Insolvenzverwalters durch die allgemeine Versicherungsprämie bleibt trotzdem Aufwendung. Es gilt insoweit nichts anderes als für andere Kostenfaktoren wie die Büromiete oder die Stromrechnung, die ebenfalls in die Höhe der Vergütung mittelbar einfließen, ihrem Charakter nach aber Aufwendungen des Insolvenzverwalters darstellen. Die Verfahrensweise, die Prämien für die allgemeine Berufshaftpflichtversicherung den Mandanten nicht pro rata separat als Aufwendung in Rechnung zu stellen, ist im übrigen auch anwaltliche Praxis. Erst wenn der Rechtsanwalt spezielle Objektdeckungen für einzelne Mandate vereinbart, entspricht es den Gepflogenheiten, die dadurch entstehende Prämienlast zusätzlich als Aufwendung abzurechnen. § 4 Abs. 3 InsVV zeichnet diese Praxis für den Bereich der Insolvenzverwaltung also lediglich nach. Die insolvenzrechtliche Regelung be97 Dies meint Fälle, „deren Risiken die eines Durchschnittsverfahrens übersteigen“, Begründung zur InsVV, abgedr. bei Hess, InsO, Band 3, 2007, § 4 InsVV Rn. 5. 98 Der Verordnungsgeber knüpft damit jedenfalls teilweise an die herrschende Meinung an, wie sie bereits zu der früheren Rechtslage nach § 5 Abs. 1 Satz 4 VergütVO bestand, vgl. mit ausführlicher Begründung und zahlr. Nw. W. Lüke, Die persönliche Haftung des Konkursverwalters, 1986, S. 208 ff.; ders., Die persönliche Haftung des Verwalters in der Insolvenz, 1994, S. 68 ff.; weitere Nachweise zum früheren Streitstand bei Hess, InsO, Band 3, 2007, § 4 InsVV Rn. 22.

II. Die D&O-Versicherung

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sagt daher nicht, daß die Prämien für eine Haftpflichtversicherung funktional Teil der Gegenleistung wären.

(2.) Die Interessen der Gesellschaft (a) Der sog. Bilanzschutz (aa) Die Gegenüberstellung der Interessen von Organmitglied und Gesellschaft Das Fehlen des Vergütungscharakters wird unter weiteren Gesichtspunkten deutlich, die ein originäres Interesse der Gesellschaft am Abschluß der D&OVersicherung belegen. Die D&O-Versicherung verbessert die Durchsetzung der Innenhaftungsansprüche der Gesellschaft gegenüber den Organmitgliedern, was auch als Bilanzschutz der Versicherungsnehmerin bezeichnet wird.99 Da die Haftungssummen leicht das persönliche Vermögen der Organmitglieder übersteigen können,100 gewährleistet vielfach erst die D&O-Versicherung eine Realisierung der Innenhaftungsansprüche bis zur Höhe der Deckungssumme.101,102 Die D&O-Versicherung sieht zudem üblicherweise als sog. entity-Deckung vor, daß der Anspruch des versicherten Organmitglieds gegen das Versicherungsunternehmen auf die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin übergeht, sofern diese das Organmitglied von einer Außenhaftung freigestellt103 hat.104 Auch dies bestätigt das originäre Interesse der Gesellschaft am Abschluß der D&OVersicherung.105 Daß die Versicherung zugleich das Vermögen der Organmitglieder schützt, ist aus dieser Perspektive lediglich ein Rechtsreflex, verhindert aber nicht die

99 100

Steinkühler, VW 2009, 94. Das ist die allgemeine Bewertung der Lage vgl. nur Dreher, ZHR 165 (2001), 293

(313). 101 Vgl. OLG München, Urteil v. 15.3.2005 – 25 U 3940/04, VersR 2005, 540 (542); Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (551); Lange, ZIP 2001, 1524 (1526); Mertens, AG 2000, 447 (451). 102 Dieser Gesichtspunkt ist als allgemeines Prinzip der Haftpflichtversicherung vom Gesetzgeber anerkannt und wurde beispielsweise einer Ausdehnung der Rechte aus dem Pflichtversicherungsvertrag zugunsten des Geschädigten ausdrücklich zugrunde gelegt. Vgl. Begr. RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 50: „Eine Versicherungspflicht wird immer zumindest auch im Interesse der Geschädigten angeordnet, um ihnen – allerdings nur im Rahmen der Mindestversicherungssummen – einen verhandlungs- und zahlungsbereiten, weitgehend insolvenzsicheren Schuldner zu sichern. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich tritt der jeweilige Versicherer weitgehend an die Stelle des versicherten Schädigers, und dies – nach den jeweiligen Vorschriften – in manchen Fällen selbst dann, wenn der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsschutz verloren haben sollte.“ 103 Dazu Teil G. I. 1. g. 104 S. auch Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (311 ff.); Mertens, AG 2000, 447 (451). 105 Mertens, AG 2000, 447 (451).

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

Zurechnung zur Interessensphäre der Gesellschaft.106 Das Interesse des Organmitglieds am Erhalt seines Privatvermögens durch Abschluß einer D&OVersicherung bleibt daher unter diesem Gesichtspunkt wesentlich hinter dem entsprechenden Interesse der Gesellschaft zurück.107 Vereinzelt heißt es hingegen, daß das Interesse des Organmitglieds an der D&O-Versicherung zumindest gleichwertig, wenn nicht sogar überwiegend sei, da „dem totalen wirtschaftlichen Ruin“ des Organmitglieds auf Seiten der Gesellschaft nur ein Schaden gegenüberstehe, „den diese in den meisten Fällen wirtschaftlich verkraften kann.“108 Dieser Vergleich ist aber nicht aussagekräftig. Es ist unleugbar, daß die D&O-Versicherung auch insoweit dem Vermögensinteresse des Organmitglieds dient, als sie eine Haftung – möge sie nun im wirtschaftlichen Ruin enden oder nicht – begrenzen kann. Das ändert aber eben nichts daran, daß – wie soeben ausgeführt – die Versicherung dadurch keinem vergütungsspezifischen Interesse des Organmitglieds Rechnung trägt. Der Vergütungscharakter läßt sich auf diese Sicherungsfunktion nicht stützen, da es sich bei dem Versicherungsschutz nicht um ein vergütungsspezifisches Interesse handelt, sondern um ein Interesse betreffend die mit der Erbringung der Hauptleistung erst entstehenden zusätzlichen Vermögensrisiken für das Organmitglied. Daher muß das Interesse des Organmitglieds im vorliegenden Kontext, in dem es um den Vergütungscharakter geht, als rechtlich irrelevant hinter dem Interesse der Gesellschaft an der Absicherung der eigenen Haftungsansprüche zurücktreten.109

(bb) Die Möglichkeit der Eigenschadenversicherung in bezug auf die Innenhaftungsansprüche der Gesellschaft Dem soeben gefundenen Ergebnis, daß die Gesellschaft ein rechtlich relevantes Interesse am Abschluß der D&O-Versicherung hat, halten Teile der Literatur des weiteren entgegen, daß die Gesellschaft eine Absicherung ihrer Innenhaftungsansprüche auch durch eine Eigenschadenversicherung ihres Ausfallrisikos herbeiführen könne.110 Letzteres ist zwar richtig. Auch trifft es zu, daß eine solche Eigenschadenversicherung ausschließlich dem Gesellschaftsinteresse und nicht dem Interesse des Organmitglieds zuzurechnen wäre, so daß es sich bei den Prämien zweifelsohne nicht um Vergütungsbestandteile im Sinn der §§ 87 Abs. 1, 113 Abs. 1 AktG handeln würde. Nur kann daraus nicht im Umkehrschluß gefolgert werden, daß eine D&O-Versicherung, die auch den Interessen der Organmitglieder an einer Absicherung gegen Organhaftungsfälle dient, 106

Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (313). Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (313). 108 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 112. 109 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (313). 110 Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (459 in Fn. 43); vgl. auch Kästner, AG 2000, 113 (118). 107

II. Die D&O-Versicherung

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zwangsläufig einen Vergütungscharakter aufweist. Denn für den Charakter der D&O-Versicherung als Gesellschaftsaufwendung ist es hinreichend, daß diese im überwiegenden Interesse der Gesellschaft abgeschlossen wird. Es ist keine Voraussetzung des Fehlens der Vergütungseigenschaft, daß sie nicht zugleich den nicht vermögensspezifischen Interessen der Organmitglieder dienen darf. Vielmehr ist es kennzeichnend für viele Versicherungsarten, wie die bereits erwähnte Kraftfahrzeuginsassen-Unfallversicherung, daß sie auch die Interessen der Organmitglieder schützen, ohne daß unter diesem formellen Aspekt etwas über die materielle Zuordnung im Hinblick auf die Vergütungseigenschaft gesagt wäre. Ein weiterer, im Interesse des Unternehmens liegender Effekt der D&OVersicherung ist darin zu sehen, daß die Absicherung der Organhaftungsfälle, insbesondere im Hinblick auf Außenhaftungstatbestände, das Ansehen des Unternehmens gegenüber Geschäftspartnern verbessern kann.111 Auch dies zeigt, daß die Gesellschaft ein überwiegendes Interesse an der D&O-Versicherung geltend machen kann und das Schutzinteresse des Organmitglieds umgekehrt kein vergütungsspezifisches ist.

(b) Die Sicherung der unternehmerischen Handlungsfreiheit Aus Sicht der Gesellschaft kann ein weiteres eigenes Interesse für den Abschluß einer D&O-Versicherung angeführt werden, dem insbesondere auch durch eine Eigenschadenversicherung des Ausfallrisikos der Innenhaftung nicht gedient wäre. Die D&O-Versicherung kann das Haftungsrisiko des Organmitglieds auf ein noch erträgliches Maß begrenzen und dadurch die notwendige unternehmerische Handlungsfreiheit im Interesse einer möglichst schlagkräftigen Unternehmensleitung sichern.112 Gegen diese Betrachtung sind allerdings verschiedene Einwände denkbar, die im folgenden näher zu untersuchen sind. Es ließe sich zunächst in Zweifel ziehen, ob das abstrakte Haftungsrisiko die Organmitglieder überhaupt zu einem auf Absicherung bedachten, zu zögerlichen, defensiven und daher im Hinblick auf das Unternehmensinteresse schädlichen Verhalten bewegt.113 Denn die Organhaftung hat eine zu erhöhter Sorgfalt anhaltende rechtlich intendierte Steuerungsfunktion,114 so daß eine Vorsicht bei der Unternehmenslenkung und -kontrolle gesetzlich gewollt und unter dem Gesichtspunkt des Unternehmensinteresses nicht als per se schädlich angesehen werden kann. Eine solche Steuerung funktioniert aber nicht einseitig und unbegrenzt. Wie jedes rechtliche Instrument und wie jeder Mechanismus überhaupt 111

Lange, ZIP 2001, 1524 (1526). OLG München, Urteil v. 15.3.2005 – 25 U 3940/04, VersR 2005, 540 (542) unter Bezugnahme auf Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (310); ferner Steinkühler, VW 2009, 94. 113 Vgl. Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 114 f. 114 Dazu Teil D. 112

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

kann auch die Verhaltenssteuerung durch die Organinnenhaftung schädliche Wirkungen entfalten, wenn die Einwirkungsintensität dieses Mittels ansteigt, ohne daß die dadurch herbeigeführten überschießenden Folgen durch gegenläufige Mechanismen aufgefangen werden. Daher ist es eine Maß- und Gradfrage, inwieweit das Risiko persönlicher Haftung zu einem im Unternehmensinteresse liegenden vorsichtigen Verhalten anhält und ab wann dieser Vorsichtsanreiz gleichsam kippt, das Handeln von Strategien zur persönlichen Absicherung beherrscht wird und das Organmitglied dadurch der im Unternehmensinteresse erforderlichen Entschlossenheit beraubt ist. Wenn bereits der rechtstatsächliche Befund zu verzeichnen ist, daß Kandidaten für Leitungs- und Kontrollorgane bisweilen die Tätigkeit nur unter der Bedingung aufzunehmen bereit sind, daß eine D&O-Versicherung abgeschlossen wird,115 ist nicht mehr in Abrede zu stellen, daß das Risiko der Organhaftung einer effizienten Unternehmensführung abträglich sein kann. Denn die Ablehnung der Organtätigkeit durch einen fähigen Kandidaten ist die stärkste Form des Ausdrucks eines gegen das Unternehmensinteresse gerichteten lähmenden Wirkungspotentials der Organhaftung. Es bedarf auch keiner vertieften ökonomischen Analyse, um festzustellen, daß Haftungssummen im mehrstelligen Millionen-Euro-Bereich das Damoklesschwert der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Organmitglieds darstellen, von der noch viel prekäreren Situation bei den deutlich schlechter vergüteten GmbH-Geschäftsführern ganz zu schweigen.116 Daß das Drohen des wirtschaftlichen Existenzverlusts dazu führen kann, Maßnahmen zur eigenen Absicherung im Zweifel Vorrang vor der Wahrnehmung von Geschäftschancen des Unternehmens einzuräumen, ist aus sich heraus verständlich. Auch ein Vergleich mit dem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht zeigt, daß eine zivilrechtliche Haftungsrechtsfolge unter dem Gesichtspunkt der Prävention immer nur abhängig von ihrem konkreten Ausmaß Sinn ergeben kann. Im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht ist die Sanktion gemäß § 46 StGB und § 17 Abs. 3 OWiG schuldabhängig und in Bezug zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters bzw. Betroffenen zu setzen. Eine wirtschaftliche Existenzvernichtung kann daher selbst bei schweren Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nicht als Rechtsfolge verhängt werden.117 Daran wird deutlich, daß 115

Vgl. Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (310). Etwas widersprüchlich insoweit Pammler, der einerseits den potentiellen „totalen wirtschaftlichen Ruin des Organmitglieds“ als einen Grund gegen das überwiegende Interesse der Gesellschaft an der D&O-Versicherung anführt, sodann aber mit Blick auf ein vermeintlich durch Rechtsprechung und Gesetzgebung gemindertes Haftungsrisiko sagt: „Jedoch kann man den Entscheidungsträgern in Unternehmen keine regelrechte Entscheidungsangst nachsagen“; Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 112 und 114. 117 BVerfG, Urteil v. 20.3.2002, 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135 = NJW 2002, 1779 zur Vermögensstrafe gem. § 43a StGB. 116

II. Die D&O-Versicherung

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die zivilrechtlichen Haftungsfolgen bei Organmitgliedern weit über das zur Erreichung der rechtlich intendierten Prävention erforderliche Maß hinausgehen können. Da im deutschen Haftungsrecht kein Gradationssystem118 gilt, die Haftungssumme also grundsätzlich allein von der Schadenshöhe beeinfluß wird, müssen zivilrechtliche Instrumente wie der Versicherungsvertrag als komplementäre Elemente zur Begrenzung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Haftung möglich sein, auch wenn dem Haftungstatbestand ein Präventionszweck innewohnt.119 Es liegt also in der zivilrechtlichen Haftungsverfassung begründet, daß die Organhaftung ein Ausmaß annehmen kann, das auch unter Präventionsgesichtspunkten nicht mehr gerechtfertigt ist und dann Wirkungen entfaltet, die einer effizienten Unternehmensleitung und Leitungskontrolle entgegenlaufen. Die Wiederherstellung der Entscheidungsfreude des Managements durch eine privatautonome Haftungsabmilderung ist deshalb kein durch das Gesellschaftsrecht mißbilligtes Anliegen.

(c) Die Verbesserung der corporate governance durch die D&O-Versicherung Hinsichtlich des Unternehmensinteresses muß ferner berücksichtigt werden, daß durch den Abschluß der D&O-Versicherung eine externe Kontrolle durch das Versicherungsunternehmen implementiert wird, die neben die gesellschaftsinterne Verhaltenskontrolle und die marktbezogenen Kontrollmechanismen120 tritt121 und dadurch die corporate governance sogar unmittelbar verbessert. Das Versicherungsunternehmen prüft zunächst anläßlich des Vertragsschlusses die unternehmensbezogenen risikorelevanten Faktoren.122 Auch Mitteilungspflichten der Versicherungsnehmerin gegenüber dem Versicherungsunternehmen über versicherungsrelevante Umstände können bei der Versicherungsnehmerin bzw. den versicherten Personen, die diese Informationspflichten für die Versicherungsnehmerin wahrnehmen,123 das Bewußtsein für Haftungsrisiken und die Begrenztheit des Versicherungsschutzes schärfen. Holderness qualifiziert daher die Versicherungsunternehmen zutreffend als „hired outside monitors“.124 118 Für eine Abhängigkeit des Schadenersatzes vom Grad des Verschuldens hatte sich noch maßgeblich von Jhering ausgesprochen, von Jhering, Das Schuldmoment im Römischen Privatrecht, S. 54 ff.; dazu Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, S. 240 ff., 417 ff. 119 Hierzu Teil D. 120 Hierzu Teil D. V. 4. b) bb) (I.) (7.). 121 Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 182 f. 122 Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 182. 123 Zu den vorvertraglichen Anzeigepflichten s. noch unter Teil F. III. 124 Holderness, International Review of Law and Economics, 10 (1990), 115 (123 ff.); dazu auch Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 183.

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

Die D&O-Versicherung setzt drüber hinaus einen zusätzlichen Anreiz zur gegenseitigen Kontrolle der Organmitglieder. Denn die Verletzung versicherungsrechtlicher Obliegenheiten durch einzelne Organmitglieder kann zum Entfallen des D&O-Versicherungsschutzes oder jedenfalls zu einer u.U. erheblichen Kürzung der Leistungen zu Lasten aller Versicherten führen. Das einzelne Organmitglied ist daher im Sinn einer „Schicksalsgemeinschaft“125 davon abhängig, daß die anderen Organmitglieder die versicherungsrechtlichen Obliegenheiten beachten. Paradigmatisch für dieses Phänomen ist der ComroadFall. Die Versicherer haben sich dort vom Vertrag gelöst und gegenüber einem ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden die Deckung verweigert, weil der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens die Versicherer bei Abschluß der D&OVersicherung durch Vorlage gefälschter Bilanzen arglistig getäuscht hatte.126 Die D&O-Versicherung wirkt dadurch, daß sie für einen Teil der Organhaftungsrisiken einen begrenzten Versicherungsschutz verspricht, im Ergebnis auch einer andernfalls möglicherweise eintretenden „Hasardeurmentalität“ entgegen. Handelt ein Organmitglied in dem Bewußtsein, selbst bei leicht fahrlässigen Pflichtverletzungen mit dem Verlust seiner wirtschaftlichen Existenz rechnen zu müssen, kann dies die Hemmschwelle absenken, mit Blick auf höhere Profite oder den persönlichen Erfolg immer größere Risiken einzugehen, weil Maßnahmen zur Risikobegrenzung angesichts der trotzdem bestehenden ganz erheblichen Eigenhaftungsrisiken subjektiv sinnlos erscheinen und folglich ganz unterbleiben.

(d) Die Notwendigkeit der D&O-Versicherung für die Personalgewinnung Was das Unternehmensinteresse an der D&O-Versicherung anbelangt, ist auch das Ziel der Gewinnung geeigneten Personals für die Organtätigkeit zu berücksichtigen. Die Anforderungen an die Qualifikation insbesondere bei Organmitgliedern der Aktiengesellschaft aber auch der GmbH sind hoch. Das ist vor allem auf eine zunehmend unübersichtlich werdende Rechtslage, die komplexen und sich immer schneller entwickelnden Kapitalmärkte sowie die verstärkte Internationalisierung auch mittelständischer Unternehmen sowie die damit einhergehende Unterwerfung unter nicht vertraute ausländische Jurisdiktionen zurückzuführen. Außerdem ist das Risiko der Organhaftung sowohl rechtlich als auch praktisch deutlich gestiegen.127 Das führt zu größerer Zurückhaltung bei der Übernahme von Organmandaten. Insbesondere was die Aufsichtsratstätigkeit anbelangt, steht das Haftungsrisiko vielfach in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis mehr zur Vergütung. Aus der Praxis der D&O-Versicherung ist daher zu vernehmen, daß potentielle Kandidaten die 125 126 127

Dreher, AG 2008, 429 (435). OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.8.2005 – I-4 U 140/04, VersR 2006, 785. S. dazu bereits Teil B. I. 3. sowie Steinkühler, VW 2009, 94.

II. Die D&O-Versicherung

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Übernahme des Mandats vielfach vom Bestehen einer D&O-Versicherung abhängig machen.128 Die Unternehmenswirklichkeit kann sich dieser Entwicklung nicht verschließen. Dies um so weniger, als der Markt für Leitungs- und Kontrollorgane mittlerweile ein internationaler ist und in anderen Rechtskreisen, namentlich den USA, die D&O-Versicherung zum Standard der rechtlichen Rahmenbedingungen im Unternehmen gehört. Die D&O-Versicherung dient unter diesem Gesichtspunkt einem originären Unternehmensinteresse, indem sie der Gesellschaft die Rekrutierung geeigneter Führungskräfte erleichtert und vielfach sogar erst ermöglicht.129 Dagegen wenden Stimmen der Literatur jedoch ein, daß das Kriterium des Unternehmensinteresses an der Personalgewinnung zur Abgrenzung von Vergütung und Aufwendung ungeeignet sei. Denn auch die Entgelte für die Organtätigkeit, wie beispielsweise die Vorstandsgehälter, spielten für die Personalgewinnung eine Rolle, ohne daß es bei diesen Leistungen deswegen am Vergütungscharakter fehlte.130 Dieser Einwand kann aber nicht durchgreifen. Die Entgelte werden im ausschließlichen Interesse der Organmitglieder gezahlt, weil sie im vertraglich vereinbarten Synallagma mit der Hauptleistung stehen. Sie sollen die Organtätigkeit abgelten. Daraus ziehen sie ihren Vergütungscharakter. Die D&O-Versicherung soll hingegen nicht den Gegenwert der Organtätigkeit verkörpern, sondern das Organhaftungsrisiko begrenzen. Sie betrifft also die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen das Organmitglied seine Leistungen erst erbringen soll.131 Das unmittelbare Interesse an der D&O-Versicherung hat insoweit also die Gesellschaft im Nachfragewettbewerb um qualifizierte Organmitglieder.132

(e) Die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Vergütung und Risiko Möglicherweise kann für die Zuordnung zur Interessensphäre der Gesellschaft ein weiterer Gesichtspunkt angeführt werden. Denn es ist zu berücksichtigen, daß eine vor allem beim Aufsichtsrat, aber auch beim Vorstand vergleichsweise niedrige Vergütungsstruktur einem erheblichen Eigenhaftungsrisiko gegen128 Vgl. nur Steinkühler, VW 2009, 94; Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (551); Barzen/ Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 2. Aus der Praxis wird dieser Befund durch die Amtsniederlegung der Organmitglieder der LION bioscience AG im Jahr 2004 unterstrichen, als am Markt kein D&O-Versicherungsschutz zu vertretbaren Konditionen zu erhalten war. 129 OLG München, Urteil v. 15.3.2005 – 25 U 3940/04, VersR 2005, 540 (542); Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (310); Mertens, AG 2000, 447 (451); Lange, ZIP 2001, 1524 (1526). 130 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 111. 131 Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (551); Vetter, AG 2000, 453 (457); Mertens, AG 2000, 447 (449 ff.); Lange, ZIP 2001, 1524 (1526). 132 Vgl. Mertens, AG 2000, 447 (451).

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

übersteht.133 Auch zusätzlich erhöhte Haftungsrisiken, beispielsweise bei Börsengängen in den USA, werden regelmäßig nicht durch Vergütungsanpassungen kompensiert. Es fehlt daher oftmals an einem Gleichlauf von Haftungsrisiko und Vergütungschance.134 Dieser Gleichlauf kann hergestellt werden, wenn das Haftungsrisiko durch eine D&O-Versicherung partiell ausgeglichen wird. Aufgrund dieser Sehweise ließe sich allerdings auch die These aufstellen, daß die D&O-Versicherung einen fehlenden Bereich der Vergütung funktional ersetzt, nämlich den Ausgleich für ein besonders hohes Haftungsrisiko. Dies spräche dann eher für den Vergütungscharakter. Andererseits ließe sich auch das Gegenteil behaupten, da die Versicherung ja gerade eine erhöhte Vergütung nicht erforderlich macht, weil sie im Interesse der Gesellschaft die Haftungskonstellationen dahingehend zu ändern sucht, daß eine Anhebung der Vergütung zur Risikokompensation nicht mehr erforderlich ist. Es würde sich bei dieser Betrachtung um eine Gesellschaftsaufwendung, nicht um Vergütung handeln. Die besseren Gründe sprechen für die letztere Betrachtung. Denn das Risiko der persönlichen Inanspruchnahme ist ein Umstand, der zwar für die Bemessung der angemessenen Vergütung Bedeutung besitzt. Er ist aber kein Teil der Vergütung selbst, der wie ein Abzugsposten zu Buche schlägt. Die D&O-Versicherung wirkt sich nicht unmittelbar auf die Vergütung aus, indem sie eine Lücke in ihr gleichsam auffüllt. Vielmehr ändert sie – vergütungsunabhängig – das persönliche Haftungsrisiko des Organmitglieds und damit einen Bemessungsfaktor für die Vergütung. Diese Veränderung des Bemessungsfaktors ist für die Gesellschaft dann wegen der im zweiten Schritt ersparten Vergütungszuschläge ökonomisch sinnvoller, als das Organmitglied weiterhin der hohen persönlichen Haftung auszusetzen und dieses Risiko durch Vergütungszuschläge zu kompensieren.135

(f) Die Sicherung des Unternehmensinteresses durch die entity-Deckung (aa) Die Funktion der entity-Deckung Schließlich ist in bezug auf das Unternehmensinteresse zu berücksichtigen, daß die D&O-Versicherung in ihrer modernen Form sich nicht auf eine Versicherung des Haftungsrisikos der Organmitglieder beschränkt, sondern als sog. entity133

Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (314). Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (314). 135 Hierauf verweist auch das US-Schrifttum zur D&O-Versicherung, vgl. Oesterle, Wisconsin Law Review 1983, 513 (578 Fn. 218); Holderness, International Review of Law and Economics, 10 (1990), 115 (118 Fn. 12): „When individuals are risk-averse, by definition the incremental salary they demand as compensation for possible litigation will exceed the expected costs of that litigation.“; ferner Habetha, Direktorenhaftung und gesellschaftsfinanzierte Haftpflichtversicherung, 1995, S. 174. 134

II. Die D&O-Versicherung

301

coverage auch das Risiko der Gesellschaft gegenüber Drittansprüchen absichern kann. Ergänzend zum eigentlichen D&O-Haftpflichtschutz für die Organmitglieder und leitenden Angestellten haben die Unternehmen zunehmend Policen zur Deckung von Schäden der Gesellschaft selbst nachgefragt.136 Im anglo-amerikanischen Rechtsraum haben daher entity-coverages eine starke Verbreitung gefunden.137 Aber auch in Deutschland hat die entity-coverage mittlerweile eine größere Bedeutung als noch vor zehn Jahren. Was ihre tatsächliche Verbreitung in Deutschland im einzelnen anbelangt, gehen die Meinungen allerdings auseinander. Einige sehen sie als „den Regelfall“ an.138 Andere meinen, daß sie „in Deutschland keine wesentliche Rolle“ spielten.139 Sicher ist aber, daß die entityDeckung auch auf dem deutschen Markt nachgefragt wird. Diese Entwicklung dokumentiert, daß die D&O-Versicherung auf dem Gedanken der Unternehmensdeckung beruht, was bereits für den reinen Haftpflichtschutz gilt, aber in Form der entity-Deckung durch die Erfassung der Gesellschaftshaftung unmittelbaren rechtlichen Ausdruck gefunden hat.140

(bb) Die typischen Regelungen bei der entity-Deckung sub specie des Unternehmensinteresses (aaa) Die Begrenzung der entity-Deckung Der Deckungsumfang ist freilich auch bei der entity-coverage begrenzt.141 Es werden nicht sämtliche Drittansprüche erfaßt, wie beispielsweise aus Vertragsverletzung, sondern nur spezifische, schwer kontrollierbare Risiken. Ausgehend von der US-Praxis haben sich hinsichtlich des Deckungsumfangs einzelne Fallgruppen entwickelt. So wird beispielsweise eine Deckung für EPL-Risiken angeboten, d.h. für die employment practices liability, mithin für Ansprüche von Arbeitnehmern gegen die Gesellschaft als Arbeitgeberin wegen Diskriminierung oder ähnlichen Verletzungen des Arbeitsrechts.142 Auch eine IPO-Deckung ist möglich, die sich auf Risken im Zusammenhang mit Börsengängen bezieht.143 Die Deckung dieser Ansprüche liegt unmittelbar im Gesellschaftsinteresse, gehört aber nicht standardmäßig zu den auf dem deutschen Markt angebotenen Policen.

136

Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (298). Steinkühler, VW 2005, 1768 (1769). 138 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (298). 139 Steinkühler, VW 2005, 1768 (1769). 140 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (299). 141 Hierzu im einzelnen Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (299 ff.). 142 Hierzu ausführlich Rieger-Goroncy, NVersZ 1999, 247 (249); ferner Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (299); Weyerstall, VW 2001, 395. 143 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (299 f.). 137

302

F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

Üblich sind hingegen zwei Klauseln, die strukturtypisch zur entity-Deckung gehören und in dem Großteil der D&O-Versicherungsverträge vereinbart werden. Es sind dies die allocation-Regelung und die company reimbursement-clause. Diese Klauselelemente sind im folgenden darauf zu untersuchen, ob sie überwiegend im Interesse des Unternehmens oder des einzelnen Organmitglieds liegen.

(bbb) Die allocation-Regelung Allocation-Regelungen betreffen die Kosten der Rechtsverfolgung zugunsten der Gesellschaft.144 Sofern Schadenersatzansprüche Dritter sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen ein Organmitglied geltend gemacht werden, decken sich die Interessen beider Anspruchsgegner in bezug auf die Rechtsverteidigung in der Regel. Daher werden vielfach die Gesellschaft und das betreffende Organmitglied einer gemeinsamen Verteidigungslinie folgen und auch dieselben Rechtsanwälte mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen. Ferner werden Gutachten, die zum Zwecke der Verteidigung erstellt wurden, regelmäßig von beiden Anspruchsgegnern verwertet. Es stellt sich damit die Frage nach der Zuordnung dieser Kosten. Eine Aufteilung ist hier oft nicht möglich, jedenfalls aber nicht zweckmäßig, weil es zu Auseinandersetzungen zwischen der Gesellschaft und den Organmitgliedern führen könnte. Die allocationRegelung sieht daher eine einheitliche Kostentragung durch die D&O-Versicherung vor. Dieses Ergebnis liegt schon deshalb im ausschließlichen Unternehmensinteresse, weil mit der Übernahme der Kosten der Rechtsverteidigung der Gesellschaft unmittelbar das Vermögen der Gesellschaft geschützt ist. Des weiteren sichert die allocation-Regelung ein Ausfallrisiko der Gesellschaft im Verhältnis zu dem in bezug auf die Kosten mithaftenden Organmitglied, bei dem grundsätzlich eine geringere Vollstreckungsmasse für die vielfach sehr hohen Verfahrenskosten zur Verfügung steht.

(ccc) Die company reimbursement-coverage Die company reimbursement-coverage bezieht Freistellungsansprüche in die Deckung ein, die seitens des Organmitglieds gegen die Gesellschaft geltend gemacht werden können, wenn sich das Organmitglied in Ausübung seiner Tätigkeit einer Außenhaftung ausgesetzt hat, ohne zugleich eine Organpflicht im Innenverhältnis verletzt zu haben.145,146 Auch die company reimbursement-co144

Hierzu Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (300 f.). Zu diesen Ansprüchen siehe unter Teil B. II. 1. d). 146 Vgl. Ziff. 1.2 AVB-AVG (Stand: Januar 2008): „Besteht eine Verpflichtung der Versicherungsnehmerin oder einer Tochtergesellschaft, versicherte Personen für den Fall, dass diese von Dritten im Sinne von Ziffer 1.1 Absatz 1 in dem in Ziffer 1.1 beschriebenen Umfang haftpflichtig gemacht werden, freizustellen (company reimbursement), so geht der Anspruch 145

II. Die D&O-Versicherung

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verage sichert ein originäres Vermögensinteresse der Gesellschaft. Zwar zieht auch das Organmitglied einen theoretischen wirtschaftlichen Nutzen aus diesem Teil der entity-Deckung, da sein Freistellungsanspruch gegen ein mögliches Insolvenzrisiko der Gesellschaft abgesichert wird.147 Es ist aber fraglich, ob dieses Anliegen nicht hinter dem wirtschaftlichen Interesse des Unternehmens zurücktritt, das sich darauf richtet, für die Freistellungsverpflichtung nicht selbst aufkommen zu müssen. Dies könnte mit der Begründung anzunehmen sein, daß es beim Organmitglied nur um eine Ausfallhaftung geht, die zudem in der Regel nur partiell eingreift, während bei der Gesellschaft ein Interesse an vollem Primärschutz besteht.148 Ein solcher Vergleich beider Interessen könnte aber problematisch sein, weil zunächst ein übergeordneter Bewertungsmaßstab definiert werden müßte, anhand dessen beide Interessen zu messen und sodann gegenüberzustellen wären. Die Kriterien des Primärschutzes und der Ausfallhaftung scheinen für eine Gewichtung keine zwingenden Kategorien zu sein, weil sie im Rahmen der Betrachtung der D&O-Versicherung im Hinblick auf die Versicherung des Eigenrisikos der Organmitglieder im umgekehrten Verhältnis vorlägen. Dort würde ein Primärschutz der Organmitglieder mit einer unter Umständen nur partiellen Ausfallhaftung der Gesellschaft konkurrieren. Insgesamt ließe sich mithin über eine solchermaßen durchgeführte Gewichtung der Interessen noch kein zwingendes Ergebnis erzielen. Das Gesellschaftsinteresse genießt aber deshalb Vorrang vor dem Interesse des Organmitglieds an der Eigensicherung, weil das Insolvenzrisiko zu Lasten des Organmitglieds in aller Regel theoretisch ist, während die Absicherung der Gesellschaft gegen mögliche Freistellungsansprüche ein unmittelbares Haftungsrisiko betrifft. Letztlich ausschlaggebend ist aber, daß das Interesse des Organmitglieds an der D&O-Versicherung wegen des fehlenden Synallagmas kein vergütungsspezifisches ist, wie oben bereits dargelegt wurde. Es hat also ohnehin außer Betracht zu bleiben.

(g) Die Ausrichtung der Versicherungspraxis am Unternehmensrisiko Einen weiteren Hinweis darauf, daß der Bezugspunkt der D&O-Versicherung nicht das Interesse des einzelnen Organmitglieds ist, sondern das Unternehmen als Risikoträger, liefert die Versicherungspraxis. Die Versicherung wird regelmäßig in entindividualisierter Form auf alle gegenwärtigen, ehemaligen auf Versicherungsschutz aus diesem Vertrag in dem Umfang von den versicherten Personen auf die Versicherungsnehmerin oder ihre Tochtergesellschaft über, in welchem diese ihre Freistellungsverpflichtung erfüllt. Voraussetzung für den Übergang des Versicherungsschutzes ist, dass die Freistellungsverpflichtung nach Art und Umfang rechtlich zulässig ist.“ 147 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (311). 148 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (311).

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

und im Einzelfall sogar künftigen Organmitglieder erstreckt.149 Die Versicherer legen anschließend bei der Prämienkalkulation das Unternehmensrisiko zugrunde, welches anhand betrieblicher Daten, wie der Unternehmensgröße, der Branche, dem örtlichen Tätigkeitsfeld oder dem Alter des Unternehmens, ermittelt wird.150 Versicherungsschutz finden beispielsweise Unternehmen nur schwer, wenn sie erst kurze Zeit am Markt sind oder haftungsträchtigen Bereichen wie dem Immobilien- oder Finanzdienstleistungssektor sowie der Bau- und EDV-Branche angehören.151 Das einzelne Organmitglied spielt für den Inhalt der Versicherung folglich keine Rolle.152 Die Zustimmung der Organmitglieder zum Abschluß der D&O-Versicherung ist nicht erforderlich; der Versicherungsschutz kann mithin unabhängig von ihrem und sogar gegen ihren Willen bestehen.153

(h) Die Versicherung sämtlicher Organmitglieder als Ausdruck des Unternehmensinteresses an einer effektiven D&O-Deckung Es kommt ein weiterer Aspekt hinzu, der verdeutlicht, daß die D&O-Versicherung im überwiegenden Unternehmensinteresse abgeschlossen wird. Versicherungsrechtlich wäre es ohne weiteres möglich, daß sich die einzelnen Organmitglieder durch mehrere, voneinander unabhängige Einzelpolicen entweder auf eigene Rechnung oder in Verbindung mit einer Erstattung der Prämien durch die Gesellschaft selbst versichern. Indes werden solche Singular-D&OPolicen aus gutem Grund am Markt praktisch nicht nachgefragt.154 Denn die individuelle Versicherung der einzelnen Organmitglieder würde aufgrund ihrer oftmals gesamtschuldnerischen Haftung dazu führen, daß sich die Anspruchsgeltendmachung auf diejenigen Personen konzentriert, die über eine besonders umfangreiche D&O-Deckung verfügen. Dies wiederum kann zu Zuordnungsproblemen bezüglich der Verantwortlichkeit von Pflichtverletzungen führen.155 Dem Bilanzschutzinteresse der Gesellschaft ist daher besser gedient, 149

Kästner, AG 2000, 113 (115); Mertens, AG 2000, 447 (448). Dreher, AG 2008, 429 (436); Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 130; Kästner, AG 2000, 113 (115); Mertens, AG 2000, 447 (448, 452). 151 Vgl. Kästner, AG 2000, 113 (114). 152 Mertens, AG 2000, 447 (452). Unklar der Einwand Kästners (AG 2000, 113 (117)), es spreche gegen die Irrelevanz der konkreten versicherten Personen, „daß diese pauschale Bemessungsgrundlage für die D&O-Versicherung in der Versicherungspraxis nur vorübergehend so ausgestaltet ist, da bisher keine konkreten statistischen Erfahrungen (z.B. Volumen der Schadensfälle, Branchenindizes etc.) vorliegen, um eine andere Bemessungsgrundlage zu erlauben.“ Fest steht, daß die Prämienberechnung – auch heute – stets auf entindividualisierter Grundlage erfolgt. 153 Mertens, AG 2000, 447 (452). 154 Dazu im einzelnen unter Teil J. II. 5. 155 Steinkühler, VW 2009, 94. 150

II. Die D&O-Versicherung

305

wenn der Kreis der versicherten Personen als Gruppenpolice abstrakt auf die Angehörigen aller relevanten Unternehmens- bzw. Konzernorgane erstreckt wird. Zuordnungsfragen im Hinblick auf die Individualverantwortlichkeit einzelner Organmitglieder werden somit vermieden. Daß diese Gestaltung der D&O-Deckung die in der Praxis nahezu ausschließlich anzutreffende Form ist, verdeutlicht den Charakter als Unternehmenspolice.156

(i) Das Ergebnis der Zuordnung zu den Interessensphären Als Ausgangspunkt für die Subsumtion unter den Vergütungsbegriff ist also zugrunde zu legen, daß sowohl die reine D&O-Versicherung als auch die moderne Form der entity-Deckung für das Organmitglied und die Gesellschaft Vorteile mit sich bringen und es sich dabei bildlich um zwei Seiten derselben Medaille handelt. Die Anwendung der §§ 87 Abs. 1, 113 Abs. 1 AktG macht es deshalb erforderlich, die D&O-Versicherung als ein solchermaßen zwar zweifaltiges, aber dennoch einheitliches Rechtsprodukt daraufhin zu untersuchen, ob es insgesamt dem Unternehmensinteresse dient oder dem Vermögensinteresse des einzelnen Organmitglieds. Was das Sicherungsinteresse des Organmitglieds anbelangt, hat die Prüfung ergeben, daß dieses nicht vergütungsspezifisch ist und mithin in diesem Zusammenhang außer Betracht zu bleiben hat. Ausschlaggebend für die Zurechnung zur Interessensphäre der Gesellschaft ist hingegen, daß die D&O-Versicherung der Verfolgung verschiedener Ziele im Unternehmensinteresse dient. Dazu zählen das Bilanzschutzinteresse, das Rekrutierungsinteresse, das Interesse an der Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Vergütungschance und Haftungsrisiko zwecks Ersparnis von Vergütungszuschlägen und vor allem die Sicherstellung der unternehmerischen Handlungsfreiheit und Schlagkraft der Unternehmensleitung. Die D&O-Versicherung verbessert unmittelbar die Voraussetzungen für eine gute corporate governance, weil das Versicherungsunternehmen als zusätzliche externe Kontrollinstanz fungiert und die Haftungsmilderung einer andernfalls drohenden Hasardeurmentalität entgegenwirkt. Die Versicherungspraxis, die auf das individuelle Risiko des einzelnen Organmitglieds keine Rücksicht nimmt, bestätigt das rechtliche Ergebnis eines primär die Interessensphäre der Gesellschaft betreffenden Versicherungsprodukts.

(j) Die mögliche aktienrechtliche Unzulässigkeit der Berufung auf die Interessen der Gesellschaft am Abschluß der D&O-Versicherung Diesem Ergebnis der Interessenbewertung halten einzelne Stimmen in der Literatur – die noch aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG stammen – entgegen, daß die Verwirklichung der Interessen des Unternehmens im 156

Steinkühler, VW 2009, 94.

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

vorgenannten Sinn durch eine D&O-Versicherung ohne Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts auf ein „aktienrechtlich unzulässiges Ziel ausgerichtet“ sei.157 Denn die dadurch bewirkte Aufhebung der Steuerungsfunktion der Organinnenhaftung verstoße gegen den nach dieser Ansicht analog anzuwendenden § 93 AktG. Daher dürften diese Interessen zugunsten der Gesellschaft nicht berücksichtigt werden, und es schlage das Interesse der Organmitglieder an der D&O-Versicherung zu Buche, so daß die Versicherung als Vergütungsbestandteil anzusehen sei mit der Folge, daß kompetenziell die §§ 87, 113 AktG greifen müßten.158 Auch wenn für Vorstandsmitglieder mittlerweile ein Selbstbehalt nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG gesetzlich vorgeschrieben ist, so hat diese These für die Versicherung von Aufsichtsratsmitgliedern weiterhin Relevanz. Dieser Einwand ist aber zurückzuweisen, und zwar losgelöst von der Frage, ob er bei Vorliegen eines angemessenen Selbstbehalts ohnehin entfällt. Die Untersuchung möglicher Eingriffe in die Steuerungsfunktion der Organhaftung hat bereits gezeigt, daß die D&O-Versicherung für Aufsichtsratsmitglieder – d.h. außerhalb von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – unabhängig von der Vereinbarung eines Selbstbehalts aktienrechtlich unbedenklich ist und § 93 AktG weder in direkter noch in analoger Anwendung entgegensteht.159 Demnach ist das Fazit in bezug auf die Prüfung der Interessensphären zu ziehen, daß die D&O-Versicherung primär dem Interesse der Gesellschaft dient und keinen Vergütungsbestandteil darstellt.160 Ihr Abschluß kann daher bereits aus diesem Grund nicht den §§ 87, 113 AktG unterfallen.

(IV.) Die Stellungnahme der Regierungskommission Corporate Governance betreffend die Abschlußkompetenzen für D&O-Versicherungen Darin fügt sich ein, daß auch die Regierungskommission Corporate Governance in ihrem Bericht161 eine gesetzliche Regelung über die Abschlußkompetenz von D&O-Versicherungen nicht für erforderlich gehalten hat, obwohl ihr bekannt gewesen ist, daß diese regelmäßig ohne Beteiligung der Hauptversammlung bzw. des Aufsichtsrats zustande kommen.162 Wörtlich heißt es 157

Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, 451 (471). Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, 451 (471). 159 Teil D. 160 So auch Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 134; Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (310 ff.); Notthoff, NJW 2003, 1350 (1354); Lange, ZIP 2001, 1524 (1526); Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (553); Mertens, AG 2000, 447 ff.; Vetter, AG 2000, 453 (457). 161 BT-Drucks. 14/7515, S. 53 f. = Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 115. 162 Darauf weist zutreffend hin Semler, in: Münchener Kommentar AktG, 2. Aufl. 2004, 158

II. Die D&O-Versicherung

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dort: „Eine gesetzliche Regelung der Frage, ob und wie beim Abschluss einer Haftpflichtversicherung für Organmitglieder die Hauptversammlung mitzuwirken hat, ist nach Auffassung der Regierungskommission nicht angezeigt.“163 Gegen die Aussagekraft dieser Äußerung bringen Stimmen in der Literatur vor, es stehe nirgendwo in dem Bericht, daß eine Regelung angesichts des fehlenden Vergütungscharakters bzw. der daher fehlenden Zuständigkeit der Hauptversammlung überflüssig sei.164 Außerdem stamme die Äußerung aus einer Zeit, in der die offenbar herrschende Literaturansicht noch von dem Vergütungscharakter der Prämien ausgegangen sei.165 Richtig ist, daß sich die Kommission einer definitiven Aussage zur Zuständigkeitsverteilung enthalten hat und zwar – so muß man wohl ergänzen – bewußt, da die Frage durch die Rechtsprechung nicht geklärt war und bis heute nicht geklärt ist. Man wird aber nicht sagen können, daß die Regierungskommission sich von den damals aktuellen Literaturmeinungen, so sich aus ihnen denn überhaupt eine herrschende Ansicht abgezeichnet haben sollte, sonderlich hat beeinflussen lassen. Denn der in der Literatur geführten Diskussion stand damals wie heute eine einheitlich durchgeführte Praxis gegenüber, nach der eine Zuständigkeit der Hauptversammlung nicht angenommen wurde und wird.166 Eine Studie von Theisen hat ergeben, daß keine der untersuchten ca. 200 Gesellschaften die Prämien für eine D&O-Versicherung als Vergütungsbestanteil in ihren Veröffentlichungen erwähnt hat.167 Dies wird in der Praxis schon deshalb seit jeher so gehandhabt, weil es weder im Interesse des Unternehmens noch des Versicherers liegt, daß der Abschluß eines D&O-Versicherungsvertrags über die Hauptversammlung publik wird und dadurch Anreize zur Geltendmachung begründeter oder unbegründeter Organhaftungsansprüche setzt.168 Es würde sicherlich die Arbeitsweise der Regierungskommission nicht richtig eingeschätzt, wenn man davon ausginge, daß diese sich trotz der ihr bekannten einheitlichen Verfahrensweise in der Praxis einer Stellungnahme enthalten habe, weil ihr die Frage als durch die Literatur vermeintlich im gegenteiligen Sinn geklärt zu sein schien. Gleichwohl ist nicht zu leugnen, daß die bewußt offene Formulierung der Kommission nur eingeschränkte Schlüsse auf die ihr zugrundeliegende Rechts§ 113 Rn. 82 ff.; so im Ergebnis auch Semler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 113 Rn. 13. 163 BT-Drucks. 14/7515, S. 54 = Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 115. 164 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 106. 165 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 106. 166 Vgl. zu diesem Befund auch Vetter, AG 2000, 453 (456); Mertens, AG 2000, 447 (448). 167 Theisen, DB 1999, 1665 (1668); dazu auch Kästner, AG 2000, 113 (118). 168 Vgl. Lange, ZIP 2001, 1524 (1525 in Fn. 5).

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

ansicht zuläßt.169 Außerdem genießen die Äußerungen der Regierungskommission zu Fragen der Auslegung des Aktienrechts keine zwingende Autorität. Daran ändert auch § 161 AktG nichts, der den Kodex selbst betrifft, aber nicht den Äußerungen der Kommission zu Aktienrechtsfragen verbindliche Kraft verleiht.170

(V.) Der Vergleich mit dem Steuerrecht Ein Vergleich mit dem Steuerrecht bestärkt aber wiederum die Einordnung der D&O-Versicherung als Gesellschaftsaufwand. Dort stellt sich die Parallelfrage, ob die D&O-Versicherungsprämien einkommenssteuerrechtlich als Teil der Vergütung der Organmitglieder zu behandeln sind.171 Früher vertrat die Finanzverwaltung die Ansicht, daß es sich bei den Prämien in bezug auf Vorstände und Geschäftsführer um steuerpflichtige Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 19 EStG handele, also um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Denn es werde vorrangig das private Vermögen der Organmitglieder geschützt und erst in zweiter Linie das Vermögen der Gesellschaft.172 Da diese Verwaltungspraxis nicht mehr mit der modernen D&O-Versicherungspraxis im Einklang stand, die sich ganz am Unternehmensinteresse ausrichtet, hat sie das Finanzministerium Niedersachsen durch Erlaß vom 25. Januar 2002 aufgegeben, der im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und der obersten Finanzbehörden der anderen Länder erging.173 Die Versicherungsprämien sind danach grundsätzlich nicht mehr als steuerpflichtiger Arbeitslohn anzusehen.174 Zwar entfaltet die steuerrechtliche Praxis für die aktienrechtliche Parallelfrage keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung. Daß deshalb die Berücksichtigung des steuerrechtlichen Befunds für das Aktienrecht nicht weiterführe,175 läßt sich aber nicht sagen. Denn für eine prinzipiell einheitliche Klärung spricht das Ziel der Einheit der Rechtsordnung als Auslegungsmaxime. Zwar sind Steuer- und Aktienrecht verschiedene Materien. Es geht 169 So denn im Ergebnis auch Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 106. 170 Vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 161 Rn. 3 f. 171 Dazu ausführlich unter P. sowie Steinkühler, VW 2005, 1768 ff.; Dreher, DB 2001, 996 ff.; Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 128 ff.; Kästner, DStR 2001, 195 (198). 172 So in der Literatur auch Kästner, DStR 2001, 195 (198). 173 Erlaß des Finanzministeriums Niedersachsen v. 25.1.2002 – S 2332 – 161 – 35 / S 2245 – 21 – 31 2, abgedr. in: DB 2002, 399 f. = DStR 2002, 678. 174 Zu den steuerrechtlichen Voraussetzungen im einzeln noch in Teil K. Die D&O-Bedingungswerke in ihrer modernen Form erfüllen diese Voraussetzungen regelmäßig, Dreher, AG 2008, 429; Vetter, AG 2000, 453 (458). 175 So Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 117.

II. Die D&O-Versicherung

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bei der vorliegenden Frage aber nicht um die Übernahme steuerrechtlicher Wertungen ins Aktienrecht, sondern nur um die wertungsmäßige Bestätigung des im Aktienrecht entwickelten Ergebnisses durch das Steuerrecht.176 Wenn im Steuerrecht die D&O-Versicherung nicht als Vergütungsbestandteil angesehen wird, stellt dies ein gewichtiges Indiz für eine analoge Behandlung im Aktienrecht dar,177 sofern diesbezüglich keine differentia specifica gegeben ist, die gegen eine parallele Lösung spräche. Eine solche ist aber nicht erkennbar. Denn die Berücksichtigung der Interessenlage und die Sphärenbetrachtung liegen sowohl der steuerrechtlichen als auch der aktienrechtlichen Lösungsfindung zugrunde.178

(VI.) Die Prämienzahlungspflicht als nicht individuell zuordenbare Aufwendung der Gesellschaft Die Einstufung der D&O-Versicherung als Vergütungsbestandteil muß aus einem weiteren Grund ausscheiden. Denn dies würde voraussetzen, daß der auf das einzelne Organmitglied entfallende Anteil der einheitlichen Prämie für die D&O-Versicherung179 bezifferbar ist.180 Andernfalls könnte die Funktion der §§ 87, 113 AktG nicht erfüllt werden, nämlich die Angemessenheit der Vergütung sicherzustellen. Die zuständigen Organe Aufsichtsrat bzw. Hauptversammlung wüßten nicht, wie hoch die Vergütung effektiv ist, über die sie zu beschließen haben. Es wäre jedoch nicht angängig, die Prämie einfach durch die Anzahl der betroffenen Organmitglieder zu dividieren, weil vielfach auch leitende Angestellte in die Versicherung einbezogen sind und diese andere Haftungsrisiken zu gewärtigen haben als Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder.181 Die errechnete Pro-Kopf-Prämie wäre also nach dem effektiven Haftungsrisiko zu gewichten, was kaum gelänge. Denn es müßten dann auch 176

Vgl. Dreher, DB 2001, 996 (999). Vgl. Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (553). 178 Dreher, DB 2001, 996 (999). 179 Auf die in der Praxis unbedeutenden Einzelversicherungen ist hier nicht einzugehen. 180 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 133; Mertens, AG 2000, 447 (452). Eine ähnliche Problematik ergab sich nach der früheren Praxis der Finanzverwaltungen, die die Prämien von D&O-Versicherungen teilweise als steuerpflichtigen Arbeitslohn bzw. steuerpflichtiges Einkommen der versicherten Personen ansahen (dazu unter K. II. 1. a) aa)). Dem Vernehmen nach gab es dahingehende Verwaltungsvorschriften, daß die Höhe zunächst nach der Zuordnung der Versicherungsprämie zu den versicherten Risiken zu bestimmen sei. Dieser Betrag sollte dann durch Aufteilung nach der versicherten Personenzahl den Arbeitnehmern zugerechnet werden; hierzu mit berechtigter Kritik bereits Küppers/Dettmeier/Koch, DStR 2002, 199 (199, 202). Da die Prämien steuerrechtlich zu Recht nicht mehr als Einkommen bzw. Arbeitslohn anzusehen sind, ist diese Problematik im Steuerrecht entfallen. 181 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 133 weisen darauf hin, daß beispielsweise nach englischem Recht auch die Wirtschaftsprüfer der Gesellschaft als deren Officers gelten; dazu auch Rieger-Goroncy, NVersZ 1999, 247. 177

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

unterschiedliche Haftungswahrscheinlichkeiten auf der Ebene der einzelnen Organe und Organmitglieder in Ansatz gebracht werden, was letztlich auf reine Fiktionen hinausliefe.182 Außerdem sind gemäß den meisten Versicherungsbedingungen auch ehemalige und künftige Organmitglieder einbezogen, und es wäre unklar, wie deren Anteile an dem Vermögensvorteil der Versicherung zu bewerten wären.183 Mangels Bezifferbarkeit der Versicherungsprämie184 für das einzelne Organmitglied kann die D&O-Versicherung also auch aus diesen Gründen nicht als Vergütung angesehen werden.185

(VII.) Die Folgerungen für die Anwendbarkeit der §§ 87, 113 AktG Die Untersuchung des Vergütungscharakters hat ergeben, daß die D&O-Versicherung im überwiegenden Interesse der Gesellschaft abgeschlossen wird. Der Umstand, daß auch das private Vermögen der Organmitglieder geschützt wird, vermag an dieser Bewertung nichts zu ändern. Denn die überwiegenden Interessen an der D&O-Versicherung liegen in der Sphäre des Unternehmens. Ohnehin kann der Schutz des Vermögens des Organmitglieds nicht als vergütungsspezifisches Interesse anerkannt werden, weil es lediglich die Absicherung eines betrieblichen Risikos betrifft.

cc) Die Frage der analogen Anwendung des §§ 87, 113 AktG (I.) Die Prüfung der Voraussetzungen einer Analogie (1.) Die analoge Anwendung des § 113 AktG (a) Der Normzweck Sodann stellt sich die Frage einer möglichen analogen Anwendung der §§ 87, 113 AktG, wie sie teilweise befürwortet wird.186 Aber bereits hinsichtlich § 113 AktG ist das Vorliegen der Analogievoraussetzungen zweifelhaft. Der Zweck des § 113 AktG liegt nach gängiger Meinung zunächst darin, überhöhte Aufsichtsratsvergütungen auf Kosten der Gesellschaft zu verhindern. Die Norm überantwortet deshalb diesen Gegenstand der Hauptversammlung, um eine gegenseitige Be182

Vgl. Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003,

S. 133. 183

Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003,

S. 133. 184 Küppers/Dettmeier/Koch, DStR 2002, 199 (202): „Die ‚Verteilung‘ der von der Versicherungsnehmerin zu zahlenden Prämie auf die versicherten Personen ist schlechterdings nicht möglich“; Mertens, AG 2000, 447 (452): „Praktisch ist es daher unmöglich, die Prämie, die das Unternehmen zu zahlen hat, individuell auf die einzelnen Verwaltungsmitglieder umzulegen, …“. 185 Mertens, AG 2000, 447 (452). 186 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 134 ff. (zu § 113 AktG) und 169 f. (zu § 87 AktG).

II. Die D&O-Versicherung

311

günstigung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat auszuschließen.187 Der Aufsichtsrat soll dadurch auch vor einer Abhängigkeit vom Vorstand bewahrt werden, damit seine Leitungskontrolle nicht beeinträchtigt wird.188 Lange meint indes, daß darin nicht der Zweck des § 113 AktG liegen könne.189 Er betrachtet die Kompetenz für die Festsetzung der Aufsichtsratsvergütung aufgrund der Bestellungskompetenz nach § 101 AktG190 als Annexkompetenz, die ohnehin bei der Hauptversammlung liege.191 § 113 AktG komme daher allein eine negative Begrenzungsfunktion dahingehend zu, die Annexkompetenz der Hauptversammlung auf die Frage der Aufsichtsratsvergütung zu beschränken192 und die Zuständigkeit im übrigen der Hauptversammlung zu entziehen. Träfe diese Sehweise zu, könnte eine analoge Anwendung der Vorschrift, die keine Kompetenz begründen, sondern nur beschneiden würde, bereits an ihrem Charakter als Ausnahmevorschrift scheitern. Diese teleologische Interpretation des § 113 AktG überzeugt aber nicht. Denn selbst wenn die Kompetenz für Vergütungsentscheidungen bereits als Annexkompetenz bei der Hauptversammlung läge, würde dies nicht bedeuten, daß es nicht der Zweck des § 113 AktG sein kann, deklaratorisch auf die Zuständigkeit der Hauptversammlung zu verweisen und klarzustellen, daß der Vorstand diese Kompetenz aus den eingangs genannten Gründen nicht besitzt. Die Schlußfolgerung, daß § 113 AktG die Kompetenz nur begrenze, ist also nicht zwingend. Außerdem hätte § 113 AktG auch bei einer unterstellten ohnehin bestehenden Annexzuständigkeit der Hauptversammlung eine dahingehend konstitutive Wirkung, daß eine Übertragung der Kompetenz von der Hauptversammlung auf den Vorstand durch Satzungsbestimmung über § 23 Abs. 5 AktG verhindert würde.193 Dies spricht ebenfalls dagegen, in § 113 AktG lediglich eine kompetenzbegrenzende Norm zu sehen.

187 Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 113 Rn. 1; Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 113 Rn. 1. 188 Fischer, BB 1967, 859 (861); Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 136; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 113 Rn. 1. 189 Lange, ZIP 2001, 1524 (1527 in Fn. 36). 190 Lange, ZIP 2001, 1524 (1527 in Fn. 35) verweist in diesem Zusammenhang zwar auf § 84 Abs. 1 S. 1 AktG, der die Bestellung der Vorstände durch den Aufsichtsrat betrifft, er meint aber wohl § 101 AktG, der die Bestelltung des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung regelt. 191 Lange, ZIP 2001, 1524 (1527 in Fn. 36). 192 Lange, ZIP 2001, 1524 (1527 in Fn. 36). 193 Vgl. Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 136.

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

(b) Die Folgerungen für das Vorliegen einer Gesetzeslücke Aus diesem teleologischen Vorverständnis folgt, daß die Norm einen spezifischen Vergütungsbezug aufweist. Er kommt nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck, daß § 113 AktG nicht an jeden Vermögensvorteil anknüpft, was ebenfalls denkbar wäre, sondern sich ausdrücklich auf Vergütungen beschränkt. Wenn der Gesetzgeber die Begrenzung auf den Vergütungsbegriff wählt, liegt darin bereits eine Entscheidung gegen eine Ausdehnung der kompetenziellen Sonderregel auf solche Vermögensvorteile, die keine Vergütung darstellen. Es kann nicht angenommen werden, daß die Verwendung des Vergütungsbegriffs auf einer gesetzgeberischen Nachlässigkeit beruhte. Vielmehr war die Vorschrift seit jeher auf Vergütungen im Sinn des Aktienrechts bezogen. Die Beschränkung auf den Vergütungsbegriff ist auch notwendig. Denn wäre jeder Vermögensvorteil erfaßt, auch wenn er keine Vergütung darstellt, wie etwa Gesellschaftsaufwendungen, die auch dem Organmitglied zugute kommen, würde dies zu nicht handhabbaren Unsicherheiten in der Kompetenzverteilung innerhalb der Gesellschaft führen. Hinsichtlich jeder Maßnahme, die auch nur reflexartig den Aufsichtsratsmitgliedern zugute käme, würde sich die Frage erheben, ob diesbezüglich ein Hauptversammlungsbeschluß erforderlich ist. Es gibt deshalb aus gutem Grund keine allgemeine Zuständigkeit der Hauptversammlung in bezug auf Fragen, bei denen die Gefahr besteht, daß persönliche Interessen von Verwaltungsmitgliedern die Wahrnehmung der Organfunktionen beeinflussen können.194 Wenn in solchen Fällen stets ein Hauptversammlungsbeschluß eingeholt werden müßte, wäre die Verwaltung der Aktiengesellschaft weitgehend lahmgelegt. Das Gesetz beschränkt sich insoweit auf Rechtsinstitute wie die Organhaftung, die Publizitätsvorschriften, die Erforderlichkeit der Entlastung der Verwaltung durch die Hauptversammlung oder auch den strafrechtlichen Untreuetatbestand als wirksame Kontrollmechanismen.195 Für eine Überdehnung der Hauptversammlungszuständigkeit besteht also auch kein praktisches Bedürfnis. Die Normlogik des § 113 AktG ergibt mithin, daß die Beschränkung auf den Vergütungsbegriff ihren Sinn hat. Es fehlt an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Die Analogiefeindlichkeit des § 113 AktG wird durch seine Normstruktur bestätigt. § 113 Abs. 1 S. 3 AktG postuliert gegenüber der zuständigen Hauptversammlung die Angemessenheit der Vergütung. Die Angemessenheit setzt einen Vergütungscharakter voraus, denn sie beruht auf dem Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der Organtätigkeit als Leistung und der Vergütung. An einem solchen Gegenleistungsverhältnis fehlt es aber zwischen der Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds und der D&O-Versicherung. Die „Angemessenheit“ einer D&O-Versicherung läßt sich am Maßstab des § 113 Abs. 1 S. 3 AktG 194 195

Mertens, AG 2000, 447 (450). Mertens, AG 2000, 447 (450).

II. Die D&O-Versicherung

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also nicht beurteilen. Folglich ergäbe auch eine Kompetenzzuweisung an die Hauptversammlung nach § 113 Abs. 1 S. 1 AktG für den Abschluß von D&OVersicherungen keinen Sinn.

(c) Die Frage der Vergleichbarkeit von geregeltem und ungeregeltem Sachverhalt Eine Analogie müßte auch an der fehlenden Vergleichbarkeit von geregeltem und vermeintlich ungeregeltem Fall scheitern. Die Annahme, daß der Vorstand über den Abschluß von D&O-Versicherungen eine Abhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder schaffen könnte, die die Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgabe beeinträchtigen würde, wäre sachfremd. Denn D&O-Versicherungen werden üblicherweise als Gruppenversicherungen abgeschlossen und erfassen sowohl die Vorstands- als auch die Aufsichtsratsmitglieder sowie in der Regel noch leitende Angestellte. Außerdem stellt der Abschluß einer D&O-Versicherung zwar einen Sicherheitsvorteil für die Aufsichtsratsmitglieder dar. Das Rechtsprodukt D&O-Versicherung eignet sich aber nicht für eine unsachliche Beeinflussung des Aufsichtsrats durch den Vorstand. Denn der Abschluß eines D&O-Versicherungsvertrags ist ein einmaliger Vorgang, der die Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen der Aufsichtsratstätigkeit betrifft. Er löst, anders als dies in bezug auf eine Erhöhung der Aufsichtsratsvergütung der Fall wäre, keine greifbare „Dankesschuld“ bei dem Organmitglied aus.

(2.) Die analoge Anwendung des § 87 AktG Das Gesagte gilt auch für die Erwägung, § 87 AktG analog auf die D&O-Versicherung zugunsten der Vorstandsmitglieder anzuwenden und hierdurch die Zuständigkeit des Aufsichtsrats zu begründen.196 Auch § 87 AktG stellt eine abschließende und ausdrücklich auf die Vorstandsbezüge beschränkte Kompetenzregel dar. Eine Erstreckung auf Gegenstände außerhalb der Gesamtbezüge wäre ebenso verfehlt wie bei § 113 AktG. Denn auch eine Analogie des § 87 AktG würde zu einer Verwischung des Kompetenzgefüges in der Gesellschaft führen, weil bei jeder Maßnahme, die reflexartig einen Vorteil für ein Vorstandsmitglied bewirkt, selbst wenn es sich nur um Gesellschaftsaufwendungen im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen der Organtätigkeit handelt, die Zuständigkeit des Aufsichtsrats die Folge wäre. Angesichts der dadurch hervorgerufenen Rechtsunsicherheit ergibt sich auch aus der Normlogik des § 87 AktG, daß die Vorschrift mit guten Gründen auf die Gesamtbezüge beschränkt ist. Eine planwidrige Regelungslücke für nicht vergütungsspezifische Vorteile kann nicht erkannt werden. 196 Dies vertritt Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 169 f.

314

F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

(II.) Die rechtspraktischen Auswirkungen einer Analogie der §§ 87, 113 AktG Da die D&O-Versicherung üblicherweise als Gruppenversicherung abgeschlossen wird und sowohl die Vorstands- als auch die Aufsichtsratsmitglieder sowie i.d.R. die leitenden Angestellten erfaßt, wäre eine nicht sinnvolle Zersplitterung der Zuständigkeiten die Folge. Hinsichtlich ein und desselben Vertrags wäre in Betreff der Einbeziehung der Aufsichtsräte die Hauptversammlung zuständig, bezüglich der leitenden Angestellten der Vorstand und hinsichtlich der Vorstandsmitglieder der Aufsichtsrat. Die Vertreter der direkten oder analogen Anwendung der §§ 87, 113 AktG wollen angesichts dieser Konsequenzen bei Kompetenzverletzungen eine nach Gruppen von Versicherten differenzierte Teilunwirksamkeit des Versicherungsvertrags annehmen.197 So soll nach Kästner eine Versicherung im Hinblick auf Aufsichtsratsmitglieder wegen Verstoßes gegen § 113 Abs. 1 AktG unwirksam, in bezug auf den Vorstand aber trotz Verletzung von § 87 Abs. 1 AktG wirksam sein.198 Wie sich eine solche Teilunwirksamkeit dann auf den Prämienanspruch auswirken soll, bleibt offen.199 Außerdem würde eine analoge Anwendung der §§ 87, 113 AktG zu kaum noch lösbaren Problemen bei der bereicherungsrechtlichen DreiecksRückabwicklung im Innenverhältnis der Gesellschaft führen, wenn eine D&OVersicherung unter Verletzung der sich in Anwendung der §§ 87, 113 AktG ergebenden Zuständigkeit zustande gekommen wäre.200 Zu praktikablen Lösungen würde dann allenfalls die Anwendung der Grundsätze über fehlerhafte Verträge führen. 201 Danach bliebe die Leistungspflicht des Versicherers aber bestehen und es existierte lediglich ein Kündigungsrecht ex nunc. Dem vermeintlichen Schutzanliegen der §§ 87, 113 AktG könnte auf diese Weise also gerade nicht Rechnung getragen werden. Eine Verletzung der Kompetenzregeln bliebe bis zu einer Kündigung folgenlos. Letztlich bestätigt die Betrachtung der Rechtsfolgen, die eine Analogie zu den §§ 87, 113 AktG für die D&O-Versicherung bedeuten würde, daß die Vorschriften sich mit Recht auf die Vergütung beschränken. Da die Prämien der D&O-Versicherung nicht hierzu zählen, muß sowohl eine direkte als auch eine analoge Anwendung ausscheiden. 197

Kästner, AG 2000, 113 (117). Kästner, AG 2000, 113 (117). 199 Kästner, AG 2000, 113 (117). 200 Siehe hierzu die Darstellung der Probleme, insbesondere des bereicherungsrechtlichen Dreiecksverhältnisses, bei Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 152 ff. (in bezug auf die Aufsichtsratsmitglieder als versicherte Personen) sowie S. 172 (in bezug auf die Vorstandsmitglieder). 201 Ebenso wie bei Gesellschafts- und Arbeitsverträgen kann auch hinsichtlich sonstiger Dauerschuldverhältnisse die Anwendung der Grundsätze fehlerhafter Verträge in Betracht kommen, Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 44 Rn. 13. 198

II. Die D&O-Versicherung

315

c) Das GmbH-Recht Im GmbH-Recht stellt sich ebenfalls die Frage, welches Organ im Innenverhältnis für den Abschluß des D&O-Versicherungsvertrags zugunsten der Geschäftsführer zuständig ist. Die praktisch einhellige Meinung hält eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung für erforderlich, 202 wenngleich dies keine Wirksamkeitsvoraussetzung des Vertrags sein soll. 203 Eine solche Kompetenzzuweisung an die Gesellschafterversammlung läßt sich dem GmbHG aber nicht entnehmen. Vereinzelt wird eine Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung auf eine Annexkompetenz zur Anstellungsbefugnis nach § 46 Nr. 5 GmbHG gestützt. 204 Dies kann jedoch nicht überzeugen, weil es sich bei den Prämien für die D&O-Versicherung nicht um einen Vergütungsbestandteil handelt, sondern eine im überwiegenden Unternehmensinteresse liegende Versicherung. Die übrigen Vertreter der vorgenannten Ansicht räumen denn auch weitgehend ein, daß die durch die Gesellschaft gezahlten Prämien keine Vergütung darstellen und daher die Entscheidung über sie nicht auf der Grundlage der Kompetenz zur Bestellung der Geschäftsführer nach § 46 Nr. 5 GmbHG in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fällt.205 Das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses soll aber aus § 46 Nr. 8 GmbHG analog folgen, weil die D&O-Versicherung aus der Sicht des Geschäftsführers wie eine Haftungsmilderung wirke. 206 Dabei halten sie aber den Zweck des § 46 Nr. 8 GmbHG zu Unrecht für einschlägig. Die Norm beruht auf der Erwägung, daß die Verfolgung der Ansprüche gegen die Geschäftsführer zur Offenlegung von Unternehmensinterna führen kann. 207 Die Abwägung der Vor- und Nachteile einer Geltendmachung soll daher der Gesellschafterversammlung als dem höchsten Gesellschaftsorgan überlassen sein. 208 Die Regelung ist zwar in erweiternder Auslegung im Umkehrschluß auch auf eine Haftungsmilderung oder einen Haftungsausschluß anwendbar,209 202 Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, 2006, § 43 Rn. 258; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 112; Jula, Der GmbH-Geschäftsführer, 2. Aufl. 2007, S. 379; Habetha, DZWiR 1995, 272 (280); Bedkowski, Die Geschäftsleiterpflichten, 2006, S. 462. 203 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 112; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, 2006, § 43 Rn. 258. 204 Bedkowski, Die Geschäftsleiterpflichten, 2006, S. 462; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, 2006, § 43 Rn. 258. 205 Explizit Habetha, DZWiR 1995, 272 (280). 206 Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, 2006, § 43 Rn. 258; Habetha, DZWiR 1995, 272 (280); so im Ergebnis auch Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 112. 207 Hüffer, in: Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl. 1997, § 46 Rn. 95. 208 Hüffer, in: Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl. 1997, § 46 Rn. 95. 209 OLG Frankfurt, Urteil v. 4.12.1998 – 25 U 39/98, NZG 1999, 767 (768): „Die Haftungsentlastung des Bekl. ist auch unter Beachtung der Formvorschriften des GmbH-Rechtes vereinbart worden. Sie bedarf gemäß § 46 Nr. 5 und 8 GmbHG der Beschlußfassung durch

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

so daß für diesbezügliche Rechtsgeschäfte analog § 46 Nr. 8 GmbHG ein Gesellschafterbeschluß zu verlangen ist, wie bereits dargelegt wurde. 210 Einen solchen Verzicht bewirkt die D&O-Versicherung aber nicht, sondern sie verbessert im Gegenteil sogar noch die Durchsetzbarkeit möglicher Organinnenhaftungsansprüche.211 Wenn selbst der wesentlich strengere § 93 Abs. 4 S. 3 AktG den Abschluß einer D&O-Versicherung aus diesem Grund weder direkt noch analog erfaßt, 212 muß dasselbe für § 46 Nr. 8 GmbHG gelten. 213 Eine Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung ist entgegen der herrschenden Meinung daher abzulehnen. Die Zuständigkeit liegt auch im Innenverhältnis allein bei den Geschäftsführern.

2. Die Zuständigkeit im Außenverhältnis Wer die Ansicht vertritt, daß es sich bei der D&O-Versicherung um einen Vergütungsbestandteil handelt mit der internen Zuständigkeit des Aufsichtsrats bzw. der Hauptversammlung, steht vor der Frage, wie sich eine Kompetenzverletzung im Innenverhältnis auf die Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis auswirkt. Dasselbe gilt für diejenigen, die in der GmbH die Gesellschafterversammlung analog § 46 Nr. 8 GmbHG für zuständig halten. Teils gehen die Vertreter dieser Ansichten davon aus, daß ein Verstoß gegen die von ihnen angenommene interne Kompetenzverteilung die Vertretungsmacht des Leitungsorgans im Außenverhältnis nach § 78 Abs. 1 AktG214 bzw. § 35 GmbHG215 nicht berühre, ein Versicherungsvertrag mithin wirksam bleibe. Andere halten den Versicherungsvertrag für nichtig. 216 Der Streit kann nach dem hier gefundenen Ergebnis auf sich beruhen, weil die §§ 87, 113 AktG und § 46 Nr. 8 GmbHG nicht berührt sind. Die Vertretung im Außenverhältnis liegt deshalb in der Aktiengesellschaft nach § 78 Abs. 1 die Gesellschafterversammlung, denn sie enthält einerseits eine Entlastung des GF und andererseits den Verzicht auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Bekl. als GF und Gesellschafter. Dies ergibt sich aus dem Sinn der Nr. 8; dort ist Voraussetzung der Wirksamkeit für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen ein Beschluß der Gesellschafter; nichts anderes kann nach dem Sinn der Vorschrift für den Verzicht und den Vergleich betreffend solcher Ersatzansprüche gelten, auch wenn dies nicht ausdrücklich im Gesetzestext vorgesehen ist …“; Hüffer, in: Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl. 1997, § 46 Rn. 95. 210 Teil B. II. 2. a) aa). 211 Haas, in: Michalski, GmbHG, 2002, § 43 Rn. 260. 212 S. Teil C. II. 1. und D. V. 213 Gegen die Einschlägigkeit von § 46 Nr. 8 GmbHG zu Recht auch Haas, in: Michalski, GmbHG, 2002, § 43 Rn. 260. 214 Vgl. Krüger, NVersZ 2001, 8 (9); Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, 451 (471). 215 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 112. 216 Vgl. Lange, ZIP 2001, 1524 (1528); Kästner, AG 2000, 113 ff.; Kästner, DStR 2001, 422.

III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten

317

AktG beim Vorstand, in der GmbH gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG bei der Geschäftsführung.217 Damit greift auch § 112 AktG a priori nicht, der eine Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat vorsähe. 218 Ohnehin wäre § 112 AktG nicht einschlägig, weil er nur die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern betrifft, um die es beim Abschluß einer Versicherung durch die Gesellschaft mit dem Versicherungsunternehmen aber nicht geht. 219

3. Das Publizitätserfordernis Da die Prämien für die D&O-Versicherung keine Vergütungsbestandteile sind, müssen sie auch nicht im Rahmen der Gesamtbezüge nach § 285 Nr. 9 HGB im Anhang angegeben werden. 220 Die Regierungskommission Corporate Governance hatte zwar empfohlen, durch Änderung der §§ 289, 314 HGB die Veröffentlichung der Höhe der D&O-Versicherungsprämien sowie der vereinbarten Selbstbehalte im Anhang bzw. Konzernanhang vorzuschreiben.221 Diese Empfehlung wurde aber nicht umgesetzt. Es bleibt deshalb dabei, daß die Offenlegung der Prämien und ggf. Selbstbehalte im Ermessen der Gesellschaft liegt. 222

III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten 1. Das Problem Nach § 19 VVG (§ 16 VVG alt) hat der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluß des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Bei Verletzung dieser vorvertraglichen Anzeigepflicht ist der Versicherer gem. § 19 Abs. 2 VVG (§ 16 Abs. 2 VVG alt) zum Rücktritt

217

Vgl. Vetter, AG 2000, 453 (457). Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (321). 219 Vetter, AG 2000, 453 (457); Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (321). 220 Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (553). 221 BT-Drucks. 14/7515, S. 54: „Die Regierungskommission empfiehlt, durch entsprechende Änderung der §§ 289, 314 HGB vorzusehen, dass im Anhang bzw. Konzernanhang der Betrag der für eine D & O-Versicherung für die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gezahlten Versicherungsprämien sowie die Höhe des jeweiligen Selbstbehalts der Organmitglieder anzugeben ist.“ 222 Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (553); a.A. Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 172 f., freilich beruhend auf der hier abgelehnten Ansicht, daß die Versicherungsprämien Vergütungsbestandteile seien. 218

318

F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

berechtigt. 223 Im Fall einer arglistigen Täuschung kann gemäß § 22 VVG (§ 22 VVG alt) i.V.m. § 123 BGB auch eine Anfechtung in Betracht kommen.224 Bei der als Fremdversicherung i.S.d. §§ 43 ff. VVG (§§ 74 ff. VVG alt) zu qualifizierenden D&O-Versicherung führt dies zu einem Problem. Gemäß § 47 Abs. 1 VVG (§ 79 Abs. 1 VVG alt) sind, soweit die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, auch die Kenntnisse und das Verhalten des Versicherten zu berücksichtigen. Dies bedeutet, daß der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin gem. § 47 Abs. 1 VVG (§ 79 Abs. 1 VVG alt) in Betreff der vorvertraglichen Anzeigepflicht nach § 19 VVG (§ 16 VVG alt) das Wissen jedes einzelnen Versicherten zugerechnet wird.225 Folglich kann der Versicherungsschutz in seiner Gesamtheit entfallen, wenn eine einzelne versicherte Person relevantes Wissen i.S.v. § 19 VVG besaß, das dem Versicherer nicht mitgeteilt wurde. Sämtliche Versicherten bilden also eine „Schicksalsgemeinschaft“, 226 deren Wohl und Wehe von der ordnungsgemäßen Mitteilung aller Informationen gegenüber der Versicherungsnehmerin und der Weiterleitung dieser Informationen durch sie an den Versicherer abhängt. Angesichts der erheblichen Anzahl versicherter Personen bei konzernweiten D&O-Policen führt dies zwangsläufig zu einem Konfliktpotential im Hinblick auf die berechtigten Interessen des Versicherers an einer ordnungsgemäßen Erfüllung der Anzeigepflicht unter Einbeziehung des Wissens der Versicherten nach § 47 VVG (§ 79 Abs. 1 VVG alt) einerseits und dem ebenfalls berechtigten Vertrauen des einzelnen Versicherten auf den Bestand der D&O-Versicherung andererseits. Exemplarisch hierfür ist der Comroad-Fall. Der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende erhielt allein deshalb keine D&ODeckung, weil der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens die Versicherer bei Abschluß der D&O-Versicherung durch Vorlage gefälschter Bilanzen arglistig getäuscht hatte und sich die Versicherer folglich von dem Versicherungsvertrag insgesamt lösen konnten. 227

223 Zu den hier nicht weiter erörterungsbedürftigen Beweislastfragen hinsichtlich des Verschuldens s. Pohlmann, VersR 2008, 437 ff. 224 OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.8.2005 – 4 U 140/04, VersR 2006, 785 – Comroad. 225 Siehe hierzu Seibt/Saame, AG 2006, 901 (911 f.); Lange, VersR 2006, 605 ff.; Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 ff.; Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 ff.; Langheid/Goergen, VP 2007, 161 ff.; Dageförde, in: Münchener Kommentar VVG, 2010, § 47 Rn. 2; Wandt, Versicherungsrecht, 5. Aufl 2010, Rn. 705. 226 Dreher, AG 2008, 429 (435). 227 OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.8.2005 – I-4 U 140/04, VersR 2006, 785 – Comroad.

III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten

319

2. Der sachliche Umfang der vorvertraglichen Anzeigepflicht Die Erfüllung der vorvertraglichen Anzeigepflichten ist bei der D&O-Versicherung von besonderer praktischer Bedeutung. Denn die Risikobewertung erfordert im Vergleich zu anderen Versicherungen eine aufwendigere Prüfung.228 Ein Grund für die Komplexität der Risikobewertung liegt in der Struktur des Versicherungsprodukts. Die D&O-Versicherung deckt bei Konzernen i.d.R. nicht nur die Muttergesellschaft ab, sondern erstreckt sich auch auf die Tochtergesellschaften. 229 Es werden ferner nicht nur die Organmitglieder, sondern vielfach auch leitende Angestellte230 und bisweilen outside directorships versichert. 231 Die Risikobewertung wird weiter dadurch erschwert, daß der D&O-Versicherung das claims made-Prinzip zugrunde liegt, 232 wonach der Versicherungsfall durch die Anspruchserhebung definiert ist. Vielfach wird Versicherungsschutz auch für Pflichtverletzungen gewährt, die vor Vertragsschluß begangen wurden. Der Versicherer muß daher in der Vergangenheit liegende Risiken ex post bewerten. Die Ermittlung dieses Umstandswissens durch umfangreiche Fragebögen dient zwar primär dem Interesse des Versicherers an einer exakten Risikoeinschätzung. Eine wahrheitsgemäße und genaue Abbildung der versicherten Risiken hat aber auch für den Versicherungsnehmer einen Vorteil. Zum einen setzt eine für den Versicherungsnehmer günstige Prämienkalkulation eine exakte Risikoeinschätzung voraus. Zum anderen dient die Ermittlung der unternehmensspezifischen Haftungsrisiken 233 auch dem Zweck, daß der Versicherungsnehmer sich über die relevanten Risiken Gewißheit verschafft und somit Deckungslücken verhindert.234

3. Der Adressat der Anzeigepflicht Adressat der Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 VVG (§ 16 Abs. 1 VVG alt) ist die Versicherungsnehmerin, bei der D&O-Fremdversicherung also die Gesellschaft. § 47 VVG (§ 79 VVG alt) erstreckt diese Anzeigepflicht nicht auf die versicherten Personen, sondern führt zu einer Wissenszurechnung gegenüber der Versicherungsnehmerin. 235 Abhängig vom Umfang der D&O-Versicherung 228

Langheid/Goergen, VP 2007, 161. Teil G. I. 1. f). 230 Teil G. I. 1. a) bb). 231 Teil G. I. 1. a) bb) IV. 232 Teil GJ. IV. 1. a). 233 Zum Aspekt der unternehmensbezogenen Risikoeinschätzung in der D&O-Versicherung siehe Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.) (g). 234 Langheid/Goergen, VP 2007, 161. 235 Lange, VersR 2006, 605 (606); Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792; Langheid/ Goergen, VP 2007, 161 (162); Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1166); Seibt/Saame, AG 2006, 901 (911). 229

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

sind daher auch versicherte Personen in Tochtergesellschaften von der Zurechnungsnorm des § 47 VVG (§ 79 VVG alt) erfaßt. 236 Da oftmals auch ausgeschiedene Organmitglieder versichert sind, kann über § 47 VVG (§ 79 VVG alt) deren Wissen ebenfalls zuzurechnen sein. Nach § 47 Abs. 2 S. 1 VVG (§ 79 Abs. 2 S. 1 VVG alt) ist das Wissen der Versicherten aber nicht schädlich, wenn der Versicherungsvertrag ohne ihr Wissen geschlossen worden ist oder ihnen eine rechtzeitige Benachrichtigung des Versicherungsnehmers nicht möglich oder nicht zumutbar war. Diese Ausnahme von der Zurechnung spielt in der D&O-Versicherung aber eine unbedeutende Rolle. Zwar sind die Versicherten am Vertragsschluß nicht zwingend beteiligt. Nach zutreffender Auffassung fällt der Vertragsschluß in die Zuständigkeit des Vorstands bzw. der Geschäftsführung. 237 Die Aufsichtsratsmitglieder oder leitenden Angestellten sind mit dem Vertragsschluß also nicht befaßt. Allerdings können die Versicherten auch auf andere Weise vom Bestehen einer D&O-Versicherung in ihrem Konzern Kenntnis erlangen, beispielsweise durch mündliche Informationen oder Rundschreiben. Je stärker die D&O-Versicherung in mittleren und großen Unternehmen Verbreitung findet, desto eher kann davon ausgegangen werden, daß die Versicherten vom Vertragsschluß Kenntnis hatten. Die Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer haben aufgrund ihrer Befassung ohnehin Kenntnis. 238 Die Anstellungsverträge der Organmitglieder enthalten ferner vielfach Versicherungsverschaffungsklauseln, 239 so daß die Kenntnis des einzelnen hierüber nachgewiesen werden kann. In dem Fragebogen vor Vertragsschluß erkundigt sich der Versicherer außerdem meist danach, ob auch in den Personen der Versicherten relevante Umstände im Sinn des § 19 VVG (§ 16 VVG alt) vorliegen. Wenn diese Frage verneint wird, kommuniziert die Versicherungsnehmerin damit, daß der Vertrag mit Wissen der Versicherten geschlossen wurde. Eine Kenntnis im Sinn des § 47 Abs. 2 S. 1 VVG (§ 79 Abs. 2 S. 1 VVG alt) setzt auch nicht voraus, daß der konkrete Versicherungsvertrag in allen Einzelheiten bekannt ist. Ausreichend ist das Wissen über ihn als solchen.240 Falls der einzelne Versicherte nicht über eine solche Kenntnis verfügt, muß sich der Versicherer gem. § 47 Abs. 2 S. 2 VVG (§ 79 Abs. 3 VVG alt) den Einwand der Unkenntnis nicht entgegenhalten lassen, sofern der Versicherungsnehmer den Vertrag ohne Auftrag des Versicherten geschlossen und diesen Umstand bei Vertragsschluß dem Versicherer nicht angezeigt hat. Diese Gegenausnahme hat in der D&O-Versicherung aber eine geringe Bedeutung. 241 Sie scheidet näm236 237 238 239 240 241

Lange, VersR 2006, 605 (607). Teil F. II. Lange, VersR 2006, 605 (607). Dazu Lange, ZIP 2004, 2221 ff. Lange, VersR 2006, 605 (607). Vgl. Lange, VersR 2006, 605 (607).

III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten

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lich aus, wenn die Gesellschaft die D&O-Versicherung aufgrund einer Versicherungsverschaffungsklausel im Auftrag eines Versicherten abschließt, was häufig der Fall ist.

4. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Anzeigepflicht a) Die Auswirkungen der VVG-Novelle im allgemeinen Bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist der Versicherer nach § 19 Abs. 2 VVG (§ 16 Abs. 2 VVG a.F.) zum Rücktritt berechtigt. § 19 VVG n.F. hat die Rechtsfolgen im Vergleich zu § 16 VVG a.F. zugunsten des Versicherungsnehmers abgemildert. 242 Während nach § 16 Abs. 3 VVG a.F. der Rücktritt nur ausgeschlossen war, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Umstand kannte oder wenn die Anzeige ohne Verschulden des Versicherungsnehmers unterblieben ist, gilt dies nach § 19 Abs. 3 S. 1 VVG n.F. bereits dann, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. Der Versicherer kann nach einer einfach fahrlässigen Verletzung der Anzeigepflicht gem. § 19 Abs. 3 S. 2 VVG den Vertrag lediglich unter Einhaltung der Frist eines Monats kündigen. Wegen des gestuften Rechtsfolgenregimes der §§ 19 ff. VVG kann es für den Versicherer zweckmäßig sein, die Rücktrittserklärung mit einer vorsorglichen Kündigung zu verbinden. Sie greift dann automatisch, falls keine grobe Fahrlässigkeit nachzuweisen ist.243 Das Rücktrittsrecht wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht wird nach § 19 VVG weiter eingeschränkt. Ein Rücktritt wegen grober Fahrlässigkeit und das Kündigungsrecht sind ausgeschlossen, wenn der Versicherer den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. Die anderen Bedingungen werden in diesem Fall sog. vertragsändernder Umstände nach § 19 Abs. 4 S. 2 VVG auf Verlangen des Versicherers rückwirkend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenen Pflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode, Vertragsbestandteil. 244 Soweit es dagegen um sog. vertragshindernde Umstände geht, greift die Milderung des § 19 Abs. 4 VVG nicht. Die Versicherer werden somit in den kritischen Fällen, in denen sich grundsätzlich vom Deckungsschutz

242 Hierzu allgemein Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, 2008, § 1 Rn. 222. 243 Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (164); Langheid, NJW 2006, 3317 (3318). 244 Die Ausübung der Rechte nach § 19 Abs. 2 bis 4 VVG muß durch den Versicherer gem. § 21 Abs. 1 S. 1 VVG innerhalb eines Monats schriftlich erfolgen. Die Rechte erlöschen gem. § 21 Abs. 3 VVG nach Ablauf von fünf Jahren nach Vertragsschluß. Wenn der Versicherer die Anzeigepflicht vorsätzlich oder arglistig verletzt hat, beträgt diese Frist nach § 21 Abs. 3 S. 2 VVG zehn Jahre.

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

umfaßte Risiken mit hohen Schadensummen verwirklicht haben, nach solchen nicht angezeigten Umständen suchen. Außerdem besteht eine Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 S. 1 VVG nur noch hinsichtlich solcher Gefahrumstände, die für den Entschluß des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat. Früher existierte nach § 16 Abs. 1 S. 3 VVG a.F. lediglich eine dahingehende Vermutung, daß ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, im Zweifel als erheblich gilt. Deshalb konnten auch außerhalb der ausdrücklichen schriftlichen Fragen Gefahrumstände der Anzeigepflicht unterfallen und sog. Spontananzeigen erforderlich machen.245 Nunmehr muß der Versicherungsnehmer gem. § 19 VVG nach Abgabe seiner Vertragserklärung bis zum Vertragsschluß neue Gefahrumstände nur dann anzeigen, wenn der Versicherer zusätzliche schriftliche Fragen gestellt hat. Der Gesetzgeber hat mit dieser Änderung bezweckt, das Risiko einer Fehlschätzung, ob ein Umstand für das versicherte Risiko erheblich ist, vom Versicherungsnehmer auf den Versicherer zu übertragen. 246

b) Die Folgen für die D&O-Versicherung im besonderen Die Novellierung der Rechtsfolgen bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht hat in der D&O-Versicherung problematische Auswirkungen, weil dem Versicherungsnehmer kein Anreiz mehr gesetzt wird, pflichtgemäße Angaben zu machen. Sofern eine vorsätzliche Verletzung der Anzeigepflicht nicht nachweisbar ist, 247 bleiben unrichtige oder unvollständige Angaben folgenlos. Selbst bei einer grob fahrlässigen Verletzung steht der Versicherungsnehmer nicht schlechter, als wenn er von Anfang an zutreffende Angaben gemacht hätte. Hinzu kommt die vom Gesetzgeber bezweckte Übertragung des Einschätzungsrisikos in Betreff der Gefahrerheblichkeit durch Beschränkung der Anzeigepflicht auf schriftlich durch den Versicherer gestellte Fragen. Diese Rechtsänderungen werden voraussichtlich die Versicherer dazu veranlassen, in noch größerem Umfang als bisher schriftliche Fragebögen an die Versicherungsnehmer zu versenden.248 Außerdem ist zu erwarten, daß es zu weitergehenden Risikoausschlüssen und Prämienerhöhungen aufgrund von Risikozuschlägen kommen wird. 249 Die novellierten §§ 19 ff. VVG wurden daher möglicherweise mit einer Verschlechterung der Qualität und Verteuerung des Versicherungspro245 Dazu Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, §§ 16, 17 VVG Rn. 1; Langheid, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, §§ 16, 17 Rn. 11; Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (162); Grote/Schneider, BB 2007, 2689 (2692). 246 Hierzu BegrRegE VVG, BT-Drucks, 16/3945, S. 64; Presseerklärung des Bundesministeriums der Justiz vom 5.7.2007, verfügbar auf der Homepage des Ministeriums. 247 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.8.2005 – I-4 U 140/04, VersR 2006, 785 – Comroad. 248 Grote/Schneider, BB 2007, 2689 (2693). 249 Grote/Schneider, BB 2007, 2689 (2693).

III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten

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dukts erkauft, da die Versicherer den Deckungsumfang wohl eher einschränken und die Prämien erhöhen werden als daß sie das Gegenteil täten. Obwohl also die Rechtsfolgen für den Versicherungsnehmer und die Versicherten nach § 19 VVG n.F. abgemildert wurden, heißt das jedoch nicht, daß sich die Problematik der vorvertraglichen Anzeigenpflichten in der D&O-Versicherung wesentlich entschärft hätte. Denn die Zurechnungsnorm des § 47 VVG (§ 79 VVG alt) gilt weiterhin. Außerdem wird gerade das Verschweigen relevanter Informationen i.S.v. § 19 Abs. 1 VVG (§ 16 Abs. 1 VVG alt) durch Mitglieder der Leitungsorgane in der D&O-Versicherung oft den Tatbestand einer vorsätzlichen Verletzung der Anzeigepflicht verwirklichen, die – auch nach § 19 VVG n.F. – das uneingeschränkte Rücktrittsrecht des Versicherers auslöst. Organmitglieder werden ungern ihnen bekannte oder von ihnen selbst begangene250 Pflichtverletzungen offenlegen.

c) Die Eingrenzung der Zurechnung über § 47 VVG de lege lata aa) Die teleologische Reduktion der §§ 47, 19 VVG Das Konzept der Wissenszurechnung führt wegen der Vielzahl der versicherten Personen zu einem Konflikt zwischen den Interessen des Versicherers an einer ordnungsgemäßen Aufklärung einerseits und dem Vertrauen des einzelnen Versicherten auf den Bestand der D&O-Versicherung andererseits. Unter Billigkeitsgesichtspunkten ist es fragwürdig, ob die unterbliebene Anzeige durch eine einzelne versicherte Person, beispielsweise den leitenden Angestellten einer Tochtergesellschaft, dazu führen soll, daß der Versicherungsschutz für den gesamten Konzern entfällt. Der einzelne Versicherte hat keine Möglichkeit, zu überprüfen, ob die übrigen ordnungsgemäße Angaben gemacht haben. Die Versicherungsnehmerin kann die Richtigkeit der Angaben also weder gegenüber dem Versicherer noch gegenüber den Versicherten garantieren. In der Vielzahl der versicherten Personen, insbesondere bei mittleren bis großen Konzernen, und der Komplexität der versicherten Risiken ist diese Problematik für die D&O-Versicherung typisch und weicht von anderen Arten der Fremdversicherung grundlegend ab. Fraglich ist also, ob das Rechtsfolgenregime der §§ 19 ff. VVG (§§ 16 ff. VVG alt) einer die Interessen der Versicherten berücksichtigenden Korrektur bedarf. 251 Die Rechtsfolgen könnten sich beispielsweise auf das von der Anzeigepflichtverletzung betroffene Versicherteninteresse beschränken. 252 Falls die Anzeige250 OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.8.2005 – I-4 U 140/04, VersR 2006, 785 – Comroad, wo der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende deshalb keine Deckung erhielt, weil der Vorstandsvorsitzende den D&O-Versicherer bei Abschluß des Vertrags durch Vorlage gefälschter Bilanzen arglistig getäuscht hatte. 251 Hierzu Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1169). 252 Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1169).

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

pflichtverletzung auf dem zugerechneten Verhalten einer einzelnen versicherten Person beruht, würde sich der Rücktritt nur auf dieses „Vertragssegment“ auswirken. 253 Sofern die einzelne Person ein Repräsentant der Versicherungsnehmerin ist, wird deren Verhalten zwar bereits unmittelbar als eigenes zugerechnet, so daß eine Verletzung der Anzeigepflicht durch die Versicherungsnehmerin vorliegt, was zum Rücktritt in bezug auf den gesamten Vertrag berechtigen würde. Wenn der die Anzeigepflicht Verletzende aber kein Repräsentant der Versicherungsnehmerin ist, beispielsweise ein Angestellter eines Tochterunternehmens, träte keine Gesamtwirkung des Rücktritts ein. Für eine solche Lösung fehlt aber ein dogmatisch überzeugendes Konzept. Eine teleologische Reduktion des § 47 VVG (§ 79 Abs. 1 VVG alt) ergäbe keinen Sinn. Die vermeintliche Unbilligkeit des Rechts der Anzeigepflichtverletzung in der D&O-Versicherung resultiert nämlich nicht aus der Wissenszurechnung selbst, sondern aus der uneingeschränkten Rechtsfolge des § 19 VVG (§ 16 VVG alt). Es erhebt sich daher die Frage, ob das Rechtsfolgenregime einer teleologischen Einschränkung zugänglich ist. Die §§ 19 ff. VVG (§§ 16 ff. VVG alt) haben den Zweck, die Interessen des Versicherers im Hinblick auf fehlerhafte Angaben aller Gefahrumstände zu schützen. Der dem Versicherer aus einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigenpflicht resultierende Nachteil ist aber davon unabhängig, ob es sich um eine Eigenversicherung oder eine Fremdversicherung handelt. Für das Interesse des Versicherers an korrekten und vollständigen Angaben spielt es auch keine Rolle, ob die Rechtsfolge eines Rücktritts vom Vertrag aus Sicht der einzelnen Versicherten in der D&O-Versicherung unbillig erscheint. Losgelöst von der konkreten Ursache für die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigenpflicht muß der Versicherer davor geschützt werden, auf der Grundlage einer falschen Risikoeinschätzung eine Deckungszusage abzugeben. Die §§ 19 ff. VVG (§§ 16 ff. VVG alt) haben nicht nur den Zweck, die wirtschaftlichen Interessen des Versicherers zu schützen, sondern dienen reflexartig auch den Interessen der übrigen Versicherungsnehmer. Sie verhindern, daß sich ein einzelner Versicherungsnehmer durch Verschweigen von Gefahrumständen wirtschaftliche Vorteile auf Kosten der anderen Versicherungsnehmer bei der Prämienkalkulation verschafft. Eine teleologische Reduktion der §§ 19 ff. VVG (§§ 16 ff. VVG alt) scheidet daher aus. Auch eine Anwendung von § 123 Abs. 1 VVG (§ 158i VVG alt) führt nicht weiter. Die Norm sieht für die Pflichtversicherung vor, daß sich der Versicherer bei einer Versicherung für fremde Rechnung auf eine Befreiung von der Leistungspflicht nur berufen kann, wenn die der Leistungsfreiheit zugrunde liegenden Umstände in der Person dieses Versicherten vorliegen oder wenn diese Umstände dem Versicherten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht

253

Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1169).

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bekannt waren. Die D&O-Versicherung stellt aber keine Pflichtversicherung dar, 254 so daß § 123 Abs. 1 VVG weder direkt noch analog greift.

bb) Der Teilrücktritt Eine Begrenzung der Rechtsfolgen des Rücktritts auf das Interesse des einzelnen Versicherten könnte möglicherweise aus § 29 VVG (§ 30 VVG alt) abgeleitet werden. Nach dieser Vorschrift steht dem Versicherer das Rücktrittsrecht nur bezüglich eines Teils der Gegenstände oder Personen zu, auf die sich die Versicherung bezieht, wenn anzunehmen ist, daß für diesen allein der Versicherer den Vertrag unter den gleichen Bedingungen nicht geschlossen hätte. § 29 Abs. 1 VVG (§ 30 Abs. 1 VVG alt) betrifft damit aber nur den Fall, daß mehrere Versicherungsnehmer durch einen Versicherungsvertrag das gleiche Interesse versichert haben. 255 Bei der D&O-Versicherung liegt hingegen ein Versicherungsvertrag mit einem einzelnen Versicherungsnehmer und mehreren versicherten Personen vor. § 29 Abs. 1 VVG (§ 30 Abs. 1 VVG alt) ist mithin nicht unmittelbar einschlägig. 256 Es ist zweifelhaft, ob § 29 Abs. 1 VVG (§ 30 Abs. 1 VVG alt) analog angewendet werden kann. Hierfür müßte eine planwidrige Regelungslücke für einen Teilrücktritt im Sinn des § 29 Abs. 1 VVG (§ 30 Abs. 1 VVG alt) bei der Fremdversicherung bestehen. Einer Analogie steht aber der Zweck des § 47 VVG (§ 79 VVG alt) entgegen. Dieser soll das Interesse des Versicherers an einer zutreffenden Einschätzung des versicherten Risikos schützen. Reflexartig dient die Norm damit auch den Interessen der übrigen Versicherungsnehmer. 257 Dieser Normzweck würde konterkariert, wenn das Rücktrittsrecht bei der Fremdversicherung auf das Interesse des einzelnen Versicherten beschränkt wäre, dessen zugerechnetes Verhalten für die Verletzung der Anzeigenpflicht verantwortlich war. Denn ein solchermaßen eingeschränktes Rücktrittsrecht wäre für den Versicherer – jedenfalls in der hier interessierenden Konstellation einer D&O-Versicherung – wertlos. Da eine Pflichtverletzung eines Organmitglieds regelmäßig zu einer gesamtschuldnerischen Haftung aller Organmitglieder führt, wäre der Versicherer in bezug auf die übrigen Organmitglieder in voller Höhe zur Leistung verpflichtet. Der Teilrücktritt würde mithin das einzelne Organmitglied, welches die Verletzung der Anzeigepflicht zu verantworten hat, individuell belasten und möglicherweise einen zusätzlichen Verhaltensanreiz setzen, im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigenpflicht wahrheits254

Dazu noch Teil I. II. 1. b) bb) (I). Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1168); vgl. auch Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 30 Rn. 1a; a.A. Wandt, in: Münchener Kommentar VVG, Bd. 1, 2010, § 29 Rn. 14, der § 29 auf die D&O-Versicherung direkt anwenden will. 256 Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1168). 257 Dazu oben Teil F. III. 4. c) aa). 255

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

gemäße Anzeigen zu machen. Er würde aber nicht zu einer vollständigen oder partiellen Entlastung des Versicherers führen. Diese Überlegung zeigt zugleich, daß die vermeintliche Unbilligkeit der Rücktrittsrechtsfolge nach § 19 Abs. 2 VVG (§ 16 Abs. 2 VVG alt) bei der D&OVersicherung wegen des Versäumnisses eines einzelnen Organmitglieds seine Ursache nicht in einer Regelungslücke hat, sondern in der besonderen Struktur des D&O-Versicherungsvertrags, der sich insbesondere durch die Vielzahl der versicherten Personen kennzeichnet. Die hohe Anzahl der Versicherten ist der Sphäre der Versicherungsnehmerin zuzuordnen. Die aus diesem Umstand resultierenden Gefahren für einen Verlust des Versicherungsschutzes durch den Rücktritt hat nach dieser Sphärenbetrachtung dann ebenfalls die Versicherungsnehmerin zu tragen. Es besteht mithin kein dem Versicherungsvertragsrecht inhärentes Bedürfnis für eine Korrektur der gesetzlichen Rechtsfolgen der §§ 19 ff. VVG (§§ 16 ff. VVG alt).

cc) Die Möglichkeit des Teilrücktritts bei der kombinierten Eigen- und Fremdversicherung Nach der Rechtsprechung des BGH sind die Deckungsansprüche der Beteiligten bei einer kombinierten Eigen- und Fremdversicherung rechtlich getrennt. 258 Gründe, die zum Entfallen des Deckungsanspruchs führen, sind hinsichtlich der einzelnen Rechtsverhältnisse isoliert zu prüfen. Wenn diese Rechtsprechung auf die D&O-Versicherung anwendbar wäre, könnte daraus folgen, daß das Rücktrittsrecht auf das versicherte Interesse der einzelnen versicherten Person beschränkt ist, die den Verstoß gegen die Anzeigepflicht zu vertreten hat. 259 Dies kommt jedoch nicht in Betracht, da die D&O-Versicherung eine reine Fremdversicherung260 ist. 261 Zwar liegt die D&O-Versicherung insoweit im wirtschaftlichen Eigeninteresse der Versicherungsnehmerin, als sie die Werthaltigkeit der Innenhaftungsansprüche sichert. Das begründet aber versicherungsrechtlich nicht den Charakter als Eigenschadenversicherung. 262 Die D&O-Versicherung wird auch nicht durch Vereinbarung eines Direktan-

258

BGH, Urteil v. 15.12.1970 – 6 ZR 97/69, VersR 1971, 239 (241); OLG Schleswig, Urteil v. 15.11.1994 – 9 U 85/93, VersR 1995, 827; OLG Hamm, Urteil v. 28.9.1992 – 6 U 45/92, VersR 1993, 1372 (jeweils zum Risikoausschlußgrund der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls und des § 152 VVG a.F. = § 103 VVG n.F.). 259 Zu diesem Gedanken Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1168); Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (164). 260 Anders freilich für den hier nicht weiter interessierenden Bereich der entity-Deckung. 261 So auch Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1168); Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (164). 262 Dazu ausführlich noch Teil. I. II. 1. b) bb) (II).

III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten

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spruchs oder durch Abtretung des Deckungsanspruchs des Organmitglieds an die Gesellschaft zur Eigenschadenversicherung. 263

dd) Die fehlende Kausalität Die Folgen eines Rücktritts werden möglicherweise dadurch abgemildert, daß die Leistungspflicht trotz Rücktritts nach § 21 Abs. 2 S. 1 VVG (§ 21 VVG alt) bestehen bleibt, wenn sich die Verletzung der Anzeigepflicht auf einen Umstand bezieht, der weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist.264 Einige Stimmen in der Literatur sehen in diesem gesetzlichen Kausalitätserfordernis eine „interessen- und sachgerechte Lösung“ der hier untersuchten Problematik. 265 In der Tat wird die Rechtsfolge des Rücktritts durch § 21 Abs. 2 S. 1 VVG (§ 21 VVG alt) in einem entscheidenden Punkt begrenzt. Die Leistungspflicht entfällt nur im Hinblick auf den Versicherungsfall, der auf den Tatsachen beruht, die die einzelne versicherte Person als Umstandswissen verschwiegen hat.266 Hinsichtlich aller anderen Versicherungsfälle, die sich in der Vertragslaufzeit ereignen, bleibt die Einstandspflicht des Versicherers unberührt. Allerdings versagt die Lösung über § 21 Abs. 2 S. 1 VVG (§ 21 VVG alt) gerade dann, wenn die Anzeigepflichtverletzung in der D&O-Versicherung relevant wird, nämlich wenn der verschwiegene Umstand zu einem Versicherungsfall führt. Eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht wird regelmäßig erst entdeckt werden, wenn der Versicherungsfall eingetreten ist. Just in dieser Konstellation findet § 21 Abs. 2 S. 1 VVG (§ 21 VVG alt) aber keine Anwendung, da die Kausalität vorliegt.267

d) Die vertraglichen Lösungen aa) Die Abdingbarkeit des Rücktrittsrechts Da das Rücktrittsrecht im Weg der Auslegung oder teleologischen Reduktion der §§ 19 ff., 47 VVG nicht auf einen Umfang begrenzt werden kann, der die Interessen der Versicherten und der Versicherungsnehmerin hinreichend berücksichtigt, ist nach vertraglichen Lösungen zu fragen. Zunächst ist an einen Ausschluß des Rücktrittsrechts nach § 19 Abs. 2 VVG (§ 16 Abs. 2 VVG alt) zu denken. 268 Zwar kann das Anfechtungsrecht nach § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung vertraglich nicht abbedungen werden. 269 Das Rücktrittsrecht 263 264 265 266 267 268 269

Dazu noch Teil I. II. 1. b) bb) (II). Gem. § 21 Abs. 2 S. 2 VVG gilt dies allerdings nur, sofern keine Arglist vorliegt. Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1169); Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (164). Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1169). Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 (1794). Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 (1794). BGH, Urteil v. 17.1.2007 – VIII ZR 37/06, VersR 2007, 1084 = NJW 2007, 1058 f.: „Ein

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

nach § 19 Abs. 2 VVG (§ 16 Abs. 2 VVG alt) ist aber zu Lasten des Versicherers verzichtbar. 270 Auch nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wäre gegen einen Ausschluß des Rücktrittsrechts nichts einzuwenden, da die Versicherungsnehmerin nicht benachteiligt würde. Die Lösung würde aber die Rechte des Versicherers so stark einschränken, daß sie praktisch nicht in Betracht kommt. 271 Denn der Versicherer wäre hinsichtlich aller in der Sphäre der Versicherungsnehmerin bekannten Gefahrumstände deckungspflichtig, sofern er keine Arglist nach § 123 BGB nachweisen kann. 272 Diese Konsequenz könnte die Versicherungsnehmerin bzw. die versicherten Personen im Sinn des § 47 Abs. 1 VVG (§ 79 VVG) sogar noch dazu ermutigen, ihr Umstandswissen überhaupt nicht mehr preiszugeben.

bb) Die severability clause (I.) Die einfache severability clause Im angelsächsischen Rechtskreis enthalten die D&O-Bedingungswerke vielfach sog. severability clauses. In ihrer Grundform als sog. einfache severability clause273 ist in ihnen geregelt, daß die Wirkungen deckungsschädlicher Umstände auf die Personen beschränkt bleiben, bei denen sie eingetreten sind. 274 Severability clauses dieses Inhalts verhindern vor allem, daß bei einer gutgläubigen versicherten Person ein subjektiver Deckungsausschlußgrund – etwa der wissentlichen Pflichtverletzung – allein aufgrund der Zurechnung von Fremdwissen verwirklicht wird. Auch in deutschen Bedingungswerken sind sie in unterschiedlichen Ausgestaltungen anzutreffen. Ein bestimmter marktüblicher Regelungstyp hat sich bisher aber nicht entwickelt. Mit einer einfachen severability clause wird also zwar eine Zurechnung des Wissens der einen versicherten Person gegenüber den anderen ausgeschlossen. 275 Sie führt im vorliegenden Zusammenhang aber nicht weiter, weil sie die Zurechnung gegenüber der Versicherungsnehmerin nach § 47 VVG (§ 79 VVG vertraglicher Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist nach allgemeiner Auffassung unwirksam, wenn die Täuschung … von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des § 123 II BGB ist … . Wird die Anfechtung für den Fall der arglistigen Täuschung im Voraus ausgeschlossen, liefert sich der Erklärende der Willkür des Vertragspartners aus und gibt seine – durch § 123 BGB geschützte (vgl. Mot. I, § 103) – freie Selbstbestimmung vollständig auf. Dem Täuschenden wird ermöglicht, Vorteile aus seiner Täuschung zu ziehen, ohne eine Rückabwicklung des Vertrags befürchten zu müssen. Dafür verdient der arglistig Täuschende nicht den Schutz der Rechtsordnung.“ 270 Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 (1794). 271 Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 (1794). 272 Wenngleich die Fälle des § 123 BGB keineswegs rein theoretisch sind, vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.8.2005 – 4 U 140/04, VersR 2006, 785 – Comroad. 273 Zu den sog. qualifizierten severability clauses sogleich. 274 Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1168). 275 Seibt/Saame, AG 2006, 901 (911).

III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten

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alt) unberührt läßt. 276 Für eine Verletzung der Anzeigepflicht durch die Versicherungsnehmerin reicht es jedoch aus, wenn ihr das Wissen eines einzelnen Versicherten nach § 47 VVG (§ 79 VVG alt) zugerechnet wird. Die Rechtsfolge des Rücktritts betrifft dann den Vertrag in seiner Gesamtheit und wirkt mithin auch zu Lasten derer, die von der severability clause eigentlich geschützt werden sollen.

(II.) Die full severability clause (1.) Der Regelungsgehalt Ein effektiver Schutz der gutgläubigen Versicherten läßt sich möglicherweise durch eine sogenannte full severability clause, auch als qualifizierte severability clause bezeichnet, herstellen. 277 Durch sie werden die versicherten Personen in zwei Lager aufgeteilt, die gutgläubigen „whitehats“ und die bösgläubigen „blackhats“. Im Unterschied zur einfachen severability clause werden hier die Wirkungen der Anzeigepflichtverletzung auf die „blackhats“ beschränkt.

(2.) Die Gefahr eines Regreßkreisels bei der full severability clause Gegen diese Regelung wird indes eingewandt, daß sie unpraktikabel sei, da sie zu einem „Regreßkreisel“ zwischen versicherter Person, Versicherer und Versicherungsnehmerin führe. 278 Denn der Versicherer könne, wenn er einem gutgläubigen Versicherten Deckungsschutz gewähre, jedenfalls bei Arglist des Bösgläubigen einen Schadenersatzanspruch gegen die Versicherungsnehmerin bzw. den bösgläubigen Wissensvertreter geltend machen. Die Überprüfung dieses Einwands macht es zunächst erforderlich, mögliche Anspruchsgrundlagen für einen Rückgriffsanspruch zu untersuchen. Ein solcher bestünde jedenfalls nicht nach dem VVG. Zwar sieht § 123 Abs. 3 VVG (§ 158i S. 4 VVG alt) für die Pflichtversicherung einen Rückgriff gegen den Versicherungsnehmer vor. Da § 123 VVG (§ 158i VVG alt) für die D&O-Versicherung aber weder direkt noch analog gilt, steht diese Anspruchsgrundlage nicht zur Verfügung. 279 Gleichwohl kann dem Versicherer nach allgemeinem Zivilrecht, namentlich nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 826 BGB bzw. aus c.i.c. gem. §§ 311 Abs. 2; 280 Abs. 1; 241 Abs. 2 BGB, ein Schadenersatzanspruch gegen die Versicherungsnehmerin zustehen, wenn dieser eine Täuschung bei Vertragsschluß nachzuweisen ist. 280 Ein Regreßanspruch könnte im übrigen 276

Seibt/Saame, AG 2006, 901 (911). Dazu Seibt/Saame, AG 2006, 901 (911); Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 (1794); Seibt/Saame, AG 2006, 901 (911). 278 Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 (1795). 279 Seibt/Saame, AG 2006, 901 (911). 280 Vgl. Lange, ZIP 2006, 1680 (1681). 277

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

vertraglich vereinbart werden. 281 In diesen Fällen würde die Versicherungsnehmerin also den Schaden in Höhe der gewährten Deckung tragen. 282 Selbst wenn es aber in Einzelfällen mithin zu einem „Regreßkreisel“ käme, spräche dies nicht zwingend gegen eine full severability clause. Denn der Zweck der D&OVersicherung wäre dadurch nicht vereitelt. Die Versicherung soll zwar die Werthaltigkeit der Organinnenhaftungsansprüche erhalten, was bei Eintritt eines Regreßkreisels nicht mehr gegeben wäre. Die Konstruktion D&O-Deckung als eine im Unternehmensinteresse liegende Fremdversicherung hat aber nicht den Zweck, die Versicherungsnehmerin insoweit auch gegen eigene Anzeigepflichtverletzungen zu immunisieren.

(3.) Die praktischen Einwände gegen full severability clauses Die Vereinbarung einer full severability clause ist aber unter einer Rechtsfolgenbetrachtung mehreren praktischen Einwänden ausgesetzt. Für den Versicherer kommt sie in ihren Wirkungen vielfach einer vollständigen Abbedingung seines Rücktrittsrechts gleich. Denn der Versicherungsfall löst regelmäßig eine gesamtschuldnerische Haftung der Organmitglieder aus. Selbst wenn gegenüber einzelnen von ihnen als „blackhat“ die Leistungspflicht des Versicherers entfällt, besteht sie bezüglich der übrigen in voller Höhe fort. Soweit also nicht allen gesamtschuldnerisch Haftenden nachgewiesen werden kann, daß sie den Umstand, der mit dem Versicherungsfall in Zusammenhang steht, bei Vertragsabschluß kannten, muß der Versicherer die volle Deckungssumme zur Verfügung stellen.283 Ferner kann eine full severability clause zu einer Verschlechterung des Risikomanagements im Unternehmen führen. Der Deckungsschutz wird nach ihrer Logik nämlich um so wirkungsvoller aufrechterhalten, je stärker der Informationsfluß beschränkt ist.284

cc) Die Erstreckung der Anzeigepflicht auf die Versicherten Ein Ergebnis, das dem einer full severability clause gleichkommt, läßt sich möglicherweise dadurch erzielen, daß die Anzeigepflicht des § 19 VVG (§ 16 VVG alt) auf sämtliche Versicherte im Sinn des § 47 VVG (§ 79 VVG alt) erstreckt wird. 285 Wenn in den Personen der Versicherten eine originäre Anzeigepflicht nach § 19 281

S. etwa das Klauselbeispiel bei Lange, ZIP 2006, 1680 (1681): „Ist der Versicherer der Versicherungsnehmerin gegenüber von der Verpflichtung zur Leistung frei, kann er dies einem Versicherten nur entgegenhalten, wenn die der Leistungspflicht zugrunde liegenden Umstände in der Person dieses Versicherten vorliegen oder wenn diese Umstände dem Versicherten bekannt oder grob fahrlässig nicht bekannt waren. Soweit der Versicherer Leistungen nach Satz 1 gewährt, kann er gegen die Versicherungsnehmerin Rückgriff nehmen.“ 282 Seibt/Saame, AG 2006, 901 (911). 283 Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 (1794). 284 Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 (1794 f.). 285 Hierzu Lange, VersR 2006, 605 (610); Seibt/Saame, AG 2006, 901 (911).

III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten

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VVG (§ 16 VVG alt) begründet wird, bedeutet dies gleichzeitig eine Abbedingung der Zurechnungsnorm des § 47 VVG (§ 79 VVG alt). Denn eine Wissenszurechnung parallel zu einer eigenen Anzeigepflicht ergibt keinen Sinn. 286 Die gesetzliche Wissenszurechnung bleibt daher nicht neben der vertraglich begründeten originären Anzeigepflicht bestehen. 287 Was die Prüfung dieser Regelung nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen anbelangt, kann eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB nicht angenommen werden, da die Rechtsstellung der Versicherungsnehmerin bzw. der Versicherten im Vergleich zur Anwendung des § 47 VVG (§ 79 VVG alt) erweitert wird. Denn das Verschweigen von Umstandswissen in der Person eines einzelnen Versicherten wird der Versicherungsnehmerin versicherungsvertragsrechtlich 288 nicht zugerechnet und begründet daher bei ihr insoweit keine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht i.S.v. § 19 VVG (§ 16 VVG alt). Die Rücktrittsfolgen sind infolgedessen – ebenso wie bei einer full severability clause – auf dasjenige versicherte Interesse beschränkt, das in der Person desjenigen besteht, der seine Anzeigepflicht verletzt hat. Dieses Ergebnis ist zwar aus Sicht der gutgläubigen Versicherten im Vergleich zur Anwendung des § 47 VVG (§ 79 VVG alt) deutlich günstiger. Für den Versicherer kommt eine solche Lösung freilich – ebenso wie die full severability clause – in der D&O-Versicherung den Wirkungen eines vollständigen Verzichts auf sein Rücktrittsrecht nach § 19 Abs. 2 VVG (§ 16 Abs. 2 VVG alt) sehr nahe. Denn wegen der regelmäßig gegebenen gesamtschuldnerischen Haftung sämtlicher Organmitglieder bleibt die Leistungspflicht im Versicherungsfall gegenüber den gutgläubigen Versicherten bestehen.

dd) Die Repräsentantenklausel Möglicherweise kann das Problem durch eine vertragliche Beschränkung des Kreises der nach § 47 VVG (§ 79 VVG alt) zuzurechnenden Wissensträger über eine sog. Repräsentantenklausel gelöst werden. Sie grenzt diejenigen Personen ein, deren Wissen sich die Versicherungsnehmerin zurechnen lassen muß. 289 Wenn in dem Kreis der zuzurechnenden Personen relevantes Wissen vorlag, welches dem Versicherer hätte mitgeteilt werden können, berechtigt dies zum Rücktritt vom Vertrag in seiner Gesamtheit, d.h. auch gegenüber den nicht zu286 So auch im Ergebnis Lange, VersR 2006, 605 (610), der dieses Ergebnis allerdings nicht mit der Vertragslogik begründet, sondern damit, daß es allenfalls zu einer „Doppelverwertung“ des Wissens der versicherten Personen käme, die den Versicherungsnehmer und die Versicherten unangemessen benachteiligen würde. 287 Lange, VersR 2006, 605 (610); Seibt/Saame, AG 2006, 901 (911). 288 Unberührt von einer solchen Klausel bleibt freilich die zivilrechtliche Zurechnung der Wissensvertreter über § 166 Abs. 1 BGB, deren Kreis jedoch i. d. R. enger ist als der der versicherten Personen der D&O-Versicherung i.S.d. § 47 VVG. 289 Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 (1795).

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

zurechnenden Versicherten. Verfügte hingegen innerhalb der Gruppe der erfaßten Wissensträger niemand über Umstandswissen, ist der Rücktritt vollständig ausgeschlossen, selbst wenn die übrigen Versicherten relevantes Wissen hatten, welches verschwiegen wurde. Die Vereinbarung einer Repräsentantenklausel hat gegenüber einer full severability clause mehrere Vorteile. Sie vermeidet die „gespaltene Leistungspflicht“ des Versicherers, welche sich aufgrund der regelmäßig stattfindenden gesamtschuldnerischen Haftung zu Lasten des Versicherers wie ein vollständiger Verzicht auf das Rücktrittsrecht auswirkt. Die Leistungspflicht besteht entweder gegenüber allen Versicherten oder überhaupt nicht. Es ergibt sich von vornherein nicht die Gefahr eines „Regreßkreisels“. Außerdem setzt die Repräsentantenklausel nicht den verfehlten Anreiz, der mit der full severability clause verbunden ist, die Kommunikation über Umstandswissen im Unternehmen möglichst zu verhindern, um die Anzahl der Bösgläubigen nicht unnötig groß werden zu lassen. Vielmehr werden die Repräsentanten angehalten, das Vorhandensein von Umstandswissen gegenseitig zu kontrollieren, weil ein Verschweigen durch einen einzelnen von ihnen zum Fortfall des Versicherungsschutzes in seiner Gesamtheit führen kann. Im Gegensatz zur gesetzlichen Regelung des § 47 VVG (§ 79 VVG alt) wird dieser Kontrollaufwand aber durch die Begrenzung des zuzurechnenden Personenkreises auf ein vertretbares Maß begrenzt. Allerdings muß durch eine entsprechende Ausgestaltung der Befragung der Repräsentanten seitens des Versicherers sichergestellt werden, daß auch das Umstandswissen der nicht zum Repräsentantenkreis Gehörenden ermittelt wird. Deren Umstandswissen bleibt nicht unberücksichtigt. Der Unterschied zu einer uneingeschränkten Anwendung des § 47 VVG (§ 79 VVG alt) liegt aber darin, daß eine ordnungsgemäße Befragung der Versicherten durch die Versicherungsnehmerin gemäß den Vorgaben des Versicherers der Anzeigepflicht nach § 19 VVG (§ 16 VVG alt) genügt. Nur wenn die Befragung der versicherten Person außerhalb des Kreises der Repräsentanten dazu führt, daß die Repräsentanten selbst Umstandswissen erlangen, muß dies über die Versicherungsnehmerin dem Versicherer mitgeteilt werden und führt bei unterbliebener Anzeige zum uneingeschränkten Rücktrittsrecht.

III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten

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e) Die Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung aa) Die Auswirkungen der VVG-Novelle auf das Anfechtungsrecht des Versicherers nach § 123 BGB wegen Verschweigens von Umstandswissen Gemäß § 22 VVG (§ 22 VVG alt) ist neben den besonderen Rechtsfolgen der §§ 19 ff. VVG die Möglichkeit der Arglistanfechtung über § 123 BGB nicht ausgeschlossen. 290 Die VVG-Novelle hat insoweit zu einem neuen Problem geführt. Eine arglistige Täuschung liegt grundsätzlich vor, wenn dem Betreffenden bewußt ist, daß es sich um einen gefahrerheblichen Umstand handelt und er diese Information gegenüber dem Versicherer verschweigt. 291 Voraussetzung ist aber, daß eine darauf bezogene Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers besteht. Nach § 19 VVG ist die versicherungsvertragliche Aufklärungspflicht auf solche Umstände begrenzt, nach denen der Versicherer schriftlich gefragt hat. Es ist daher zu klären, ob auch eine Arglist i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB davon abhängt, daß eine vorherige schriftliche Frage gestellt wurde. § 19 VVG würde damit den Anwendungsbereich des § 123 Abs. 1 BGB im Versicherungsvertragsrecht einschränken.292 Dagegen spricht aber schon rechtssystematisch, daß sich die Begrenzung auf schriftliche Anfragen in § 19 ff. VVG nur auf die versicherungsvertragsrechtlichen Rechtsfolgen der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten bezieht.293 Die Begründung zum Regierungsentwurf der VVG-Novelle hat daher klargestellt, daß eine Anfechtung auch möglich ist, wenn Umstandswissen arglistig verschwiegen wurde, nach dem der Versicherer „nicht oder nur mündlich“ gefragt hat. 294 Die Arglistanfechtung ist daher nicht auf Täuschungen beschränkt, denen eine schriftliche Anfrage zugrunde liegt.

290

OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.8.2005 – I-4 U 140/04, VersR 2006, 785 – Comroad. Vgl. Grote/Schneider, BB 2007, 2689 (2693). 292 Unklar Marlow/Spuhl, das neue VVG Kompakt, 3. Aufl. 2008, S. 47. Sie vertreten die Ansicht, § 19 Abs. 1 VVG regele die vorvertraglichen Anzeigepflichten als Spezialregelung auch hinsichtlich der Anwendung des § 123 BGB. Ohne Anfrage des Versicherers scheide daher eine Arglist grundsätzlich aus. Gleichwohl soll eine mündliche Anfrage ihrer Meinung nach – in Widerspruch dazu – wiederum genügen, um bei einem Verschweigen zu Arglist zu führen. Wenn jedoch § 19 Abs. 1 VVG eine „abschließende Spezialregelung“ für die vorliegende Frage darstellt, wie es Verf. a.a.O. vertreten, ergibt sich daraus gerade, daß nur Anfragen in Textform relevant sein könnten. Die Ansicht kann daher nicht überzeugen. 293 Vgl. Grote/Schneider, BB 2007, 2689 (2693). 294 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 64. 291

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

bb) Die vertragliche Begrenzung der Risiken eines Anfechtungsgrunds für die Versicherten (I.) Die gesetzlichen Rechtsfolgen bei arglistiger Täuschung durch die Versicherungsnehmerin Die Möglichkeit der Anfechtung des Versicherungsvertrags nach § 123 BGB begründet ein eigenständiges Risiko für die Versicherten, das neben die Rechtsfolgen einer Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten nach den §§ 19 ff. VVG tritt. Sofern der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin und Vertragspartnerin aufgrund einer Zurechnung des Wissens der für sie handelnden Repräsentanten nach den zivilrechtlichen Grundsätzen des § 166 Abs. 1 BGB bzw. § 31 BGB295 eine arglistige Täuschung anzulasten ist, kann der Versicherer losgelöst von den versicherungsvertragsrechtlichen Rechtsfolgen der §§ 19 ff. VVG den Vertrag anfechten. Paradigmatisch hierfür ist der bereits erwähnte durch das OLG Düsseldorf rechtskräftig entschiedene Fall Comroad. 296 Da der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens die Versicherer bei Abschluß der D&O-Versicherung durch Vorlage gefälschter Bilanzen arglistig getäuscht hatte, 297 fochten diese den Vertrag nach § 123 Abs. 1 BGB an und verweigerten gegenüber einem ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden die Deckung. Das Anfechtungsrecht begründet also insoweit eine spezifische Problematik, als sich die Frage stellt, inwieweit es auch zu Lasten gutgläubiger versicherter Personen gehen kann. Die anfängliche Nichtigkeit nach § 142 Abs. 1 BGB könnte der gutgläubigen versicherten Person möglicherweise dann nicht entgegengehalten werden, wenn es sich um einen Fall des § 123 Abs. 2 S. 2 BGB handeln würde, wonach, soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar ist, wenn er die Täuschung kannte oder kennen mußte. Dies würde voraussetzen, daß die versicherte Person hier begünstigter „anderer“ im Sinn der Vorschrift ist. Diesbezüglich kommt es darauf an, ob der Versicherte dem Vertragsschließenden zuzurechnen ist, der die mit dem Anfechtungsgrund 295 Die rechtsdogmatische Begründung für die Wissenszurechnung in der Gesellschaft ist streitig (s. hierzu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. § 10 V 2 b); Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 78 Rn. 3). Es stehen sich im wesentlichen zwei Begründungsansätze gegenüber. Einerseits läßt sich die Zurechnung auf eine analoge Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB stützen (vgl. Leptien, in: Soergel, 13. Aufl. Stand 1999, § 166 Rn. 6; Baumann, ZGR 1973, 284 (290 ff.); in bezug auf die Zurechnung des Wissens eines Sparkassenfilialleiters BGH, Urteil v. 1.6.1989 – III ZR 261/87, BB 1989, 1641; hinsichtlich der Zurechnung gegenüber einem Sozialversicherungsträger, BGH, Urteil v. 25.6.1996 – VI ZR 117/95 NJW 1996, 2508 (2510)). Überzeugender ist es jedoch, sie andererseits aus dem in § 31 BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken der Zurechnung kraft Leitungsmacht abzuleiten, so K. Schmidt, a.a.O.). 296 OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.8.2005 – I-4 U 140/04, VersR 2006, 785 – Comroad. 297 OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.8.2005 – I-4 U 140/04, VersR 2006, 785 – Comroad.

III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten

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behaftete Erklärung abgibt. 298 Denn der Zweck des § 123 Abs. 2 BGB liegt darin, das Anfechtungsrisiko zwischen verschiedenen gutgläubigen Beteiligten angemessen zu verteilen.299 Deshalb ist aufgrund wertender Betrachtung zu prüfen, ob der Betreffende im Lager des bösgläubigen Vertragspartners steht, da es dann mit Blick auf diesen Zweck gerade nicht geboten wäre, das Anfechtungsrisiko auf den gutgläubigen anderen Vertragspartner – hier den Versicherer – zu übertragen. Für die hier in Rede stehende D&O-Fremdversicherung ist diesbezüglich zu berücksichtigen, daß das Management bzw. die leitenden Angestellten im überwiegenden Interesse der Gesellschaft abgesichert werden sollen.300 Sie sind daher der Sphäre der Gesellschaft zuzurechnen und nicht als ein „anderer“ im Sinn des § 123 Abs. 2 S. 2 BGB anzusehen.301 Das Risiko eines Fortfalls des Versicherungsschutzes zu Lasten aller Versicherter auf Grundlage von § 123 Abs. 1 BGB ist damit letztlich die notwendige Folge der versicherungsvertragsrechtlichen Struktur der D&O-Versicherung und der spezifischen Interessenlage, die ihren Abschluß prägt. Die Gesellschaft schließt den Vertrag im überwiegend eigenen Interesse als Versicherungsnehmerin und damit Vertragspartnerin ab. Die versicherten Personen sind – anders als bei Abschluß einer Singularhaftpflichtversicherung, die im D&O-Bereich ebenfalls möglich, aber selten ist 302 – gerade nicht Versicherungsnehmer. Ebenso wie die Entscheidung über den Abschluß und den Inhalt des Versicherungsvertrags in den Händen der Gesellschaft liegt, kann diese daher durch ihr Verhalten den Vertrag im Weg der Kündigung beenden oder durch Begründung eines Anfechtungsrechts der Nichtigkeit anheim fallen lassen. Das Nichtigkeitsrisiko ist somit lediglich Folge der Vertragshoheit der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin. Zugleich wird diese Rechtsfolge durch den Gedanken des § 334 BGB gestützt, der für den Vertrag zugunsten Dritter – dem die D&O-Fremdversicherung strukturell zuzuordnen ist – anordnet, daß dem Versprechenden Einwendungen aus dem Vertrag auch gegenüber dem Dritten zustehen.

298 Heinrichs/Ellenberger, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 123 Rn. 12; Lange, ZIP 2006, 1680 (1681). 299 Lange, ZIP 2006, 1680 (1681). 300 Dazu im einzelnen Teil F. II. 1. 301 Heinrichs/Ellenberger, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 123 Rn. 12; Lange, ZIP 2006, 1680 (1681); im Ergebnis auch OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.8.2005 – I-4 U 140/04, VersR 2006, 785 – Comroad, das ein Anfechtungsrecht in diesem Fall bejaht. 302 Dazu Teil J. II. 5.

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

(II.) Die Berücksichtigung von Vertrauensschutzgesichtspunkten nach § 242 BGB Dennoch hat das erstinstanzlich zuständige Landgericht Düsseldorf im Fall Comroad eine Leistungspflicht des Versicherers zugunsten des Aufsichtsratsmitglieds angenommen. Es hat insoweit die Ansicht vertreten, daß dem betroffenen früheren Aufsichtsratsmitglied aus Gründen des Vertrauensschutzes Deckung zustehen müsse. Nach § 242 BGB bestehe ein „Anspruch“ des Betroffenen „auf Deckungszusage“ wegen einer durch die Versicherer im Vorfeld des Vertragsabschlusses geschaffenen Vertrauensgrundlage. Diese stützte das Landgericht Düsseldorf wiederum auf Werbematerial, welches vor Vertragsschluß ausgehändigt worden war.303 Nach Ansicht des Landgerichts sollte also dem Versicherer in einem solchen Fall die Berufung auf den Wegfall des Versicherungsvertrags wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt sein. 304 Das OLG Düsseldorf meinte hierzu jedoch zu Recht, daß ein Vertrauen durch Werbeunterlagen allenfalls bei der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin und Vertragspartnerin entstanden sein konnte, denn ihr seien die Unterlagen zum Zweck des Vertragsabschlusses vorgelegt worden. Das betroffene Aufsichtsratsmitglied sei hingegen am Vertragsabschluß nicht beteiligt gewesen. Er habe sich darauf verlassen, daß die Gesellschaft es ausreichend versichern würde. Aufgrund eigenen, in die Versicherer gesetzten Vertrauens sei es daher nicht schutzwürdig. Ebensowenig kann insoweit im übrigen ein Vertrauensschutz der Versicherungsnehmerin nach § 242 BGB in den Bestand des Versicherungsvertrags angenommen werden, da der Gesellschaft die Arglist ihres Vorstandsmitglieds als Repräsentanten über § 166 Abs. 1 BGB bzw. § 31 BGB ja gerade zugerechnet wird.305

(III.) Die Möglichkeiten der vertraglichen Begrenzung der Folgen der Arglistanfechtung Fraglich ist daher, inwieweit diese Rechtsfolgen der Arglistanfechtung zugunsten nicht bösgläubiger Versicherter vertraglich begrenzt werden können. Im Comroad-Fall enthielt der Vertrag eine einfache severability clause des Inhalts, daß bei „der Prüfung, ob Versicherungsschutz besteht“, einer versicherten Person „keine bei anderen versicherten Personen gegebenen Tatsachen zugeschrieben oder vorhandene Kenntnisse zugerechnet“ würden. Es war daher zu klä-

303 Wiedergegeben in OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.8.2005 – I-4 U 140/04, VersR 2006, 785 – Comroad. 304 So auch das Verständnis des erstinstanzlichen Urteils durch OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.8.2005 – I-4 U 140/04, VersR 2006, 785 – Comroad. 305 So ebenfalls zutreffend OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.8.2005 – I-4 U 140/04, VersR 2006, 785 – Comroad.

III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten

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ren, ob damit auch die Folgen der Anfechtung nur diejenigen versicherten Personen treffen sollten, deren Verhalten für den Anfechtungsgrund maßgeblich war. Zu Recht verneinte dies das OLG Düsseldorf. Denn die Klausel würde einen Anfechtungsgrund wegen arglistiger Täuschung nur dann verhindern, wenn sie dazu führen würde, daß das Wissen des handelnden Vorstandsmitglieds nicht der Gesellschaft zugerechnet werden könnte, weil in deren Person der Anfechtungsgrund entstanden war. Da die Regelung aber nur die Zurechnung zwischen den einzelnen versicherten Personen verhindern solle, konnte ein Zurechnungsausschluß im Verhältnis zur Gesellschaft als Versicherungsnehmerin nicht angenommen werden. Ein vernünftiger objektiver Dritter – so das OLG – hätte diese Klausel nicht dahingehend verstehen können, daß sich der Versicherer für den Fall einer zum Vertragsschluß führenden arglistigen Täuschung durch den Versicherungsnehmer des Rechts begeben wolle, dieses treuwidrige Verhalten seines Vertragspartners den versicherten Personen entgegenzuhalten. Anhaltspunkte für einen so weit gehenden Verzichtswillen des Versicherers ergäben sich nach Ansicht des Gerichts weder aus Sinn und Zweck der Norm noch aus ihrer systematischen Stellung oder Entstehungsgeschichte. Eine einfache severability clause ist also nicht nur in Betreff der Rechtsfolgen der §§ 19 ff. VVG unzureichend,306 sondern begründet auch hinsichtlich der Folgen der Arglistanfechtung keinen Schutz der gutgläubigen Versicherten. Es bleibt somit zu untersuchen, inwieweit durch auf die Arglistanfechtung spezifisch gerichtete vertragliche Bestimmungen das Risiko eines Verlusts des Versicherungsschutzes zugunsten gutgläubiger Versicherter verhindert werden kann.307 Dies könnte möglicherweise durch eine qualifizierte severability clause erreicht werden, etwa folgenden Inhalts:308 „Ist der Versicherer der Versicherungsnehmerin gegenüber von der Verpflichtung zur Leistung frei, kann er dies einem Versicherten nur entgegenhalten, wenn die der Leistungspflicht zugrunde liegenden Umstände in der Person dieses Versicherten vorliegen oder wenn diese Umstände dem Versicherten bekannt oder grob fahrlässig nicht bekannt waren. Soweit der Versicherer Leistungen nach Satz 1 gewährt, kann er gegen die Versicherungsnehmerin Rückgriff nehmen.“ Fraglich ist, ob eine solche Klausel zivilrechtlich wirksam wäre, soweit sie die Rechte des Versicherers nach § 123 BGB einschränkt. § 123 Abs. 1 BGB ist im Grundsatz unabdingbar, da er eine Wertentscheidung verkörpert.309 Das OLG 306

Dazu soeben Teil F. III. 4. d) bb). S. hierzu auch Steinkühler/Kassing, VP 2009, 31 f. 308 Nach Lange, ZIP 2006, 1680 (1681). 309 BGH, Urteil v. 17.1.2007 – VIII ZR 37/06, VersR 2007, 1084 = NJW 2007, 1058 f.: „Ein vertraglicher Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist nach allgemeiner Auffassung unwirksam, wenn die Täuschung … von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des § 123 II BGB ist … . Wird die Anfechtung für den Fall der arglistigen Täuschung im Voraus ausgeschlossen, liefert sich der Erklärende der Willkür des Vertragspartners aus und gibt seine – durch § 123 BGB ge307

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

Düsseldorf hat im Fall Comroad – freilich im Rahmen der Auslegung der dort gegebenen einfachen severability clause –310 herausgestellt, daß die allgemeine Interessenlage eindeutig gegen eine Leistungspflicht des Versicherers gegenüber gutgläubigen versicherten Personen trotz arglistiger Täuschung der Versicherungsnehmerin spreche, denn „Unredlichkeit aufseiten des zukünftigen Versicherungsnehmers wäre sonst sanktionslos Tor und Tür 311 geöffnet.“ Für den Versicherer könnte das Anfechtungsrecht nach § 123 Abs. 1 BGB durch eine solche Regelung materiell entwertet werden, da er trotz einer arglistigen Täuschung jedenfalls gegenüber den nicht an der Täuschung beteiligten Versicherten leistungspflichtig bliebe. Das wirtschaftliche Ergebnis käme daher einem Verzicht auf das Anfechtungsrecht nahe. Diese Wirkungen zu Lasten des Versicherers werden aber bereits durch eine Regreßklausel, wie sie auch das oben gegebene Formulierungsbeispiel enthält, abgemildert. Fehlt es an einer vertraglichen Regreßklausel, besteht in diesen Fällen regelmäßig ein entsprechender Schadenersatzanspruch des Versicherers gegen die arglistig täuschende Versicherungsnehmerin nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 826 BGB bzw. aus c.i.c. nach §§ 311 Abs. 2; 280 Abs. 1; 241 Abs. 2 BGB. Es verlagert sich durch die Leistungspflicht trotz Arglistanfechtung mithin allein das Insolvenzrisiko der Versicherungsnehmerin auf den Versicherer. Losgelöst davon muß ferner bei der Frage der Zulässigkeit einer Konkretisierung der Anfechtungsfolgen unter Wertungsgesichtspunkten die Billigkeit des andernfalls eintretenden Ergebnisses zu Lasten unbeteiligter Versicherter berücksichtigt werden, welche gutgläubig auf den Bestand des Versicherungsschutzes vertraut haben. Auch wenn dieser Billigkeitsgedanke es nicht gebietet, die Rechte des Versicherers bereits de lege lata im Weg der teleologischen Reduktion einzuschränken,312 so muß er doch berücksichtigt werden, soweit es um die Beurteilung von Klauseln geht, mit denen die Parteien die Problematik privatautonom regeln. Diese Billigkeitserwägung spricht zusätzlich dafür, eine Konkretisierung der Rechtsfolgen des Anfechtungsrechts nach § 123 BGB unabhängig von einer zugleich vereinbarten Regreßmöglichkeit dahingehend zuzulassen, daß sich der Versicherer gegenüber gutgläubigen Versicherten nicht auf die Vertragsnichtigkeit nach § 142 Abs. 1 BGB berufen kann. Es tritt hierdurch der Gedanke der sozialen Risikoabsicherung in den Vordergrund, der für den Bereich der Pflichtschützte (vgl. Mot. I, § 103) – freie Selbstbestimmung vollständig auf. Dem Täuschenden wird ermöglicht, Vorteile aus seiner Täuschung zu ziehen, ohne eine Rückabwicklung des Vertrags befürchten zu müssen. Dafür verdient der arglistig Täuschende nicht den Schutz der Rechtsordnung.“ 310 „Bei der Prüfung, ob Versicherungsschutz besteht, werden einer versicherten Person keine bei anderen versicherten Personen gegebenen Tatsachen zugeschrieben oder vorhandene Kenntnisse zugerechnet.“ 311 So die Formulierung im Original. 312 Dazu oben Teil F. III. 4. c).

III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten

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versicherung einer entsprechenden gesetzlichen Beschränkung der Vertragslösungsmöglichkeiten in § 123 Abs. 1 VVG313 (§ 158i VVG alt) bereits zugrunde liegt. Zwar handelt es sich bei der D&O-Versicherung nicht um eine Pflichtversicherung i.S.d. § 113 Abs. 1 VVG, jedoch können die Beteiligten ein Interesse daran haben, die Rechtsfolgen vertraglich partiell denen einer Pflichtversicherung anzunähern, wie dies etwa auch für den Bereich des sog. Direktanspruchs gilt.314 Ein Bedürfnis für eine entsprechende qualifizierte severability clause wird besonders deutlich unter Berücksichtigung der niedrigen Anforderungen, die seitens der Rechtsprechung an das Vorliegen einer arglistigen Täuschung gestellt werden. Sie kann schon bei „Angaben ins Blaue hinein“ gegeben sein315, so daß nicht einmal eine Täuschungsabsicht erforderlich wäre, damit sich der Versicherer in diesen Fällen von dem Vertrag in seiner Gesamtheit lösen kann.

f) Die Schadenersatzansprüche bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht aa) Die Ansprüche gegen die Versicherungsnehmerin (I.) § 280 BGB (1.) Die Struktur des Schadenersatzanspruchs Sofern die Versicherungsnehmerin ihre vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt und infolgedessen der Versicherer gem. § 19 VVG (§ 16 VVG alt) vom Vertrag zurücktritt oder ihn nach § 123 Abs. 1 BGB anficht, kann dem Versicherten gegen die Versicherungsnehmerin ein Schadenersatzanspruch nach § 280 BGB zustehen.316 Falls in dem Anstellungs- oder Arbeitsvertrag eine Versicherungsverschaffungsklausel enthalten ist, besteht eine unmittelbare vertragliche Verpflichtung der Versicherungsnehmerin, für den vereinbarten Versicherungsschutz zu sorgen.317 Aber auch wenn eine Versicherungsverschaffungsklausel fehlt, kann eine diesbezügliche vertragliche Nebenpflicht bestehen, sofern die Versicherungsnehmerin gegenüber den potentiell Versicherten den zurechenbaren Rechtsschein gesetzt hat, entsprechenden D&O-Versicherungsschutz 313 „Ist bei einer Versicherung für fremde Rechnung der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber nicht zur Leistung verpflichtet, kann er dies einem Versicherten, der zur selbständigen Geltendmachung seiner Rechte aus dem Versicherungsvertrag befugt ist, nur entgegenhalten, wenn die der Leistungsfreiheit zu Grunde liegenden Umstände in der Person dieses Versicherten vorliegen oder wenn diese Umstände dem Versicherten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt waren.“ 314 Dazu im einzelnen Teil I. II. 1. 315 S. nur BGH, Urteil v. 21.1.1975 – VIII ZR 101/73, BGHZ 63, 382 (388); Lange, ZIP 2006, 1680 (1683); Heinrichs/Ellenberger, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 123 Rn. 11. 316 Vgl. Lange, ZIP 2006, 1680 (1682); ders., VersR 2010, 162 ff.: Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 (1795 in Fn. 9). 317 Lange, ZIP 2006, 1680 (1682); ders. ZIP 2004, 2221 ff.

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

vorzuhalten.318 Diese Nebenpflicht verletzt sie, wenn sie den Versicherungsschutz durch Verschweigen von Umstandswissen nach §§ 19 ff. VVG (§§ 16 ff. VVG alt) oder arglistige Täuschung i.V.m. einer Anfechtung nach § 123 BGB durch den Versicherer in Fortfall bringt. Was die Außenhaftung anbelangt, richtet sich der Schadenersatzanspruch auf Freistellung von der Drittverbindlichkeit. 319 Hinsichtlich einer möglichen Innenhaftung bedeutet er einen Verzicht auf den Organhaftungsanspruch seitens der Versicherungsnehmerin.320 § 93 Abs. 3 S. 4 AktG steht diesem aus der Schadenersatzpflicht folgenden Verzicht nicht entgegen. 321 Denn die Norm bezieht sich auf den zwischen Organmitglied und Gesellschaft ausgehandelten Verzicht auf die Innenhaftung, betrifft also nicht den Fall, daß die Gesellschaft gesetzlich im Weg des Schadenersatzes dazu verpflichtet ist, das Organmitglied von der Innenhaftung zu befreien.

(2.) Der Maßstab der Pflichtwidrigkeit und des Verschuldens (a) Die Nichtanzeige eigenen Umstandswissens der Versicherungsnehmerin Eine zu vertretende Pflichtverletzung der Versicherungsnehmerin liegt jedenfalls dann vor, wenn sie ihr eigenes Umstandswissen dem Versicherer nicht angezeigt hat. Als eigenes Umstandswissen der Versicherungsnehmerin gilt dabei jedes Wissen, das der Gesellschaft nach den gesellschafts- und zivilrechtlichen Tatbeständen für Wissensvertreter zuzurechnen ist.322 Entgegen teilweise vertretener Ansicht handelt es sich bei § 47 VVG (§ 79 VVG alt) nicht um eine diese Grundsätze323 verdrängende lex specialis,324 sondern um eine eigenständige Kategorie der Wissenszurechnung. Bei der gesellschaftsrechtlichen Wissenszurechnung geht es um die Frage, nach welchen Grundsätzen einer juristischen Person das 318

Siehe hierzu im einzelnen Teil E. IV.; ferner eingehend Thomas, VersR 2010, 281 ff. Hierzu Teil E. IV.2. a); Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 (1795); Lange, ZIP 2006, 1680 (1682). 320 Teil E. IV.2. a); Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 (1795); Lange, ZIP 2006, 1680 (1682) geht hier von einer Aufrechnungsmöglichkeit aus. Überzeugender ist jedoch der Verzichtsanspruch, weil es gekünstelt erscheint, dem Organmitglied einen Anspruch gegen die Gesellschaft zuzubilligen, der auf Zahlung an die Gesellschaft gerichtet ist und sodann mit dem entgegengerichteten Anspruch der Gesellschaft gegen das Organmitglied aufgerechnet werden könnte. 321 Teil E. IV. 2. b); Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 (1795). 322 Vgl. Langheid/Goergen, VP 2007 161 (162); Heinrichs, in: Palandt, BGB 67. Aufl. 2008, § 166 Rn. 6. 323 Zur rechtsdogmatischen Begründung für die Wissenszurechnung in der Gesellschaft s. oben Teil F. III. 4. e) bb) (I.). 324 Anders offenbar Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 (1794): „Dass die Vorschrift des § 79 VVG (§ 47 VVG-E) dabei den allgemeinen Grundsätzen der Wissenszurechnung als speziellere Regelung vorgeht, dürfte nicht ernsthaft infrage zu stellen sein“. 319

III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten

341

Wissen der für sie handelnden natürlichen Personen zugerechnet werden kann. § 47 VVG (§ 79 VVG alt) begründet hingegen einen eigenständigen versicherungsrechtlichen Zurechnungstatbestand, der losgelöst davon ist, ob zwischen dem Versichertem und der Versicherungsnehmerin eine organschaftliche Verbindung besteht. Daß die versicherten Personen in der D&O-Versicherung oftmals zugleich nach gesellschaftsrechtlichen Maßstäben Wissensvertreter der Versicherungsnehmerin sind, ändert an dieser rechtlichen Trennung nichts. Der Kreis der zuzurechnenden Wissensvertreter nach § 47 VVG (§ 79 VVG alt) kann auch darüber hinaus gehen, wenn über § 47 VVG (§ 79 VVG alt) beispielsweise durch eine Gruppenpolice auch die Organmitglieder von Tochtergesellschaften oder outside directorships in Drittgesellschaften erfaßt werden. Diese versicherungsvertragsrechtlich zuzurechnenden Personen stellen nicht ohne weiteres zugleich Wissensvertreter der Versicherungsnehmerin nach zivil- bzw. gesellschaftsrechtlichen Maßstäben dar.325

(b) Der Fortfall des Versicherungsschutzes infolge Wissenszurechnung nach § 47 VVG Fraglich ist daher, ob eine zu vertretende Pflichtverletzung der Versicherungsnehmerin i.S.v. § 280 BGB auch vorliegt, wenn die Anzeigepflichtverletzung allein aufgrund einer Zurechnung des Wissens einer versicherten Person nach § 47 VVG (§ 79 VVG alt) erfolgt. Dem könnte entgegenstehen, daß § 47 VVG (§ 79 VVG alt) eine versicherungsspezifische Zurechnungsnorm darstellt. Ihr Eingreifen muß daher nicht zugleich eine schuldhafte Pflichtverletzung der Versicherungsnehmerin auslösen. Es ist daher danach zu fragen, ob die vertragliche Verpflichtung zur Verschaffung von Versicherungsschutz auch die Pflicht enthält, zu verhindern, daß der Tatbestand des § 19 VVG (§ 16 VVG alt) aufgrund der Zurechnung fremden Wissens über § 47 VVG (§ 79 VVG alt) verwirklicht wird. In diesem Zusammenhang ist in Betracht zu ziehen, daß die Erfüllung der Verpflichtung nach § 19 VVG (§ 16 VVG alt) allein der Sphäre der Versicherungsnehmerin zuzuordnen ist. Nur sie ist Adressatin der Anzeigepflicht, nicht die versicherte Person, deren Wissen über § 47 VVG (§ 79 VVG alt) zugerechnet wird. Wenn der Verantwortungsbereich versicherungsrechtlich auf diese Weise zu Lasten der Versicherungsnehmerin abgesteckt ist, obliegt es mithin ihr, sicherzustellen, daß es unter Berücksichtigung der Rechtsfolgen einer Zurechnung nach § 47 VVG (§ 79 VVG alt) nicht zu einer Pflichtverletzung im Sinn von § 19 VVG (§ 16 VVG alt) kommt. Die Versicherungsnehmerin muß daher im Rahmen ihrer vertraglichen Verpflichtung gegenüber den Versicherten zur Verschaffung von Versicherungsschutz sicherstellen, daß sie von den Personen, die von § 47 VVG (§ 79 VVG alt) erfaßt werden, zutreffende Informationen 325 Zu der Problematik der zivilrechtlichen Wissenszurechnung im Konzern s. grundlegend Drexl, ZHR 161 (1997), 491 ff.

342

F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

über deren Umstandswissen erhält. Wenn sie nicht die zur Erlangung dieser Informationen erforderlichen Maßnahmen326 ergreift und es infolgedessen zum Rücktritt nach § 19 VVG (§ 16 VVG alt) kommt, verletzt sie eine Verpflichtung zur Verschaffung von D&O-Versicherungsschutz.327

(c) Die Identität von pflichtwidrig handelndem und geschädigtem Organmitglied Der Schadenersatzanspruch nach § 280 BGB könnte freilich dann zu Wertungswidersprüchen führen, wenn der Anspruchsteller gerade diejenige versicherte Person ist, die persönliches Umstandswissen verschwiegen und dadurch für die Pflichtverletzung der Versicherungsnehmerin nach § 19 VVG (§ 16 VVG alt) verantwortlich ist. Hier muß das Mitverschulden des Versicherten nach § 254 Abs. 1 BGB berücksichtigt werden. Den Geschädigten trifft ein Mitverschulden, wenn er diejenige Sorgfalt außer acht gelassen hat, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich vor Schäden zu bewahren. 328 Sofern die versicherte Person das bei ihr vorhandene Umstandswissen trotz einer entsprechenden Aufforderung durch die Versicherungsnehmerin oder den Versicherer selbst nicht angezeigt hat, stellt dies ein solches Mitverschulden dar, weil es jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, sich durch korrekte und vollständige Angaben vor einem Verlust des Deckungsschutzes aus einer D&O-Versicherung zu bewahren. Nach § 254 Abs. 1 BGB muß dies jedenfalls bei einer vorsätzlichen Nichtanzeige von Umstandswissen des Versicherten zu einem vollständigen Entfallen der Ersatz- bzw. Freistellungspflicht der Gesellschaft führen. Denn fällt dem Geschädigten Vorsatz zur Last, besteht in der Regel keine Ersatzpflicht.329 Es stellte ein venire contra factum proprium dar, wenn der vorsätzlich handelnde Geschädigte in einem solchen Fall noch ersatzberechtigt wäre.330 Hat der Betreffende lediglich fahrlässig gehandelt, kommt eine Schadensteilung in Betracht.

326 Der Umfang der erforderlichen Maßnahmen läßt sich nicht abstrakt beschreiben. Er hängt ab von der Risikolage des Unternehmens, seiner Größe und konzernmäßigen Strukturierung sowie dem Kreis der versicherten Personen. 327 Sofern eine solche Verpflichtung vertraglich im Einzelfall besteht, s. dazu Teil E. IV. 1. 328 BGH, Urteil v. 3.7.1951 – I ZR 44/50, BGHZ 3, 46 (49); BGH, Urteil vom 29.4.1953 – VI ZR 63/52, BGHZ 9, 316 (318). 329 BAG, Urteil v. 19.2.1998 – VIII AZR 645/96, NJW 1998, 2923; OLG Köln, Urteil vom 14.12.1990 – 19 U 283/89, VersR 1991, 565. 330 OLG Köln, Urteil v. 14.12.1990 – 19 U 283/89, VersR 1991, 565.

III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten

343

(II.) Das Deliktsrecht (1.) § 826 BGB Neben dem Schadenersatzanspruch aus § 280 BGB gegen die Versicherungsnehmerin kann möglicherweise auch ein solcher nach Deliktsrecht wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. § 826 BGB in Betracht kommen. Zunächst muß hierfür die Anzeige von Umstandswissen durch ein der Versicherungsnehmerin nach § 31 BGB zuzurechnendes Verhalten der für sie handelnden Organe vorsätzlich unterblieben sein. Hierfür müßten die Organe der Versicherungsnehmerin also die Schadensfolgen, d.h. den Rücktritt des Versicherers nach § 19 VVG (§ 16 VVG alt), jedenfalls billigend in Kauf genommen haben.331 Hinsichtlich des zumindest bedingten Vorsatzes der Versicherungsnehmerin ist dieser das Wissen ihrer Repräsentanten zuzurechnen.332 Es kommt mithin darauf an, ob diese es billigend in Kauf genommen haben, daß eine Verletzung der Anzeigepflicht eintritt. Das ist anzunehmen, wenn sich die Betreffenden nicht durch Befragung der Versicherten darüber vergewissert haben, ob und welches Umstandswissen bei diesen vorliegt. Es fragt sich daher, ob die vorsätzliche Nichtanzeige von Umstandswissen auch als sittenwidrig zu qualifizieren ist. Sittenwidrig ist eine Handlung, wenn sie mit dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden nicht in Einklang steht.333 Der Begriff der Sittenwidrigkeit erhebt auch die der Rechtsordnung immanenten rechtsethischen Werte und Prinzipien zum Bewertungsmaßstab.334 Es ist aber zweifelhaft, ob die Nichtanzeige von Umstandswissen gegen solche rechtsethischen Werte und Prinzipien verstößt oder ganz allgemein mit dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden nicht in Einklang steht. Zwar kann die Verletzung der Anzeigepflicht aufgrund der strikten Regelung 331

BGH, Urteil v. 14.6.2000 – VIII ZR 218/99, NJW 2000, 2896 (2897): „Für das Vorliegen des Schädigungsvorsatzes i.S. des § 826 BGB ist das Bewusstsein erforderlich, dass das Handeln den schädigenden Erfolg haben wird. Der Vorsatz braucht sich zwar nicht auf den genauen Kausalverlauf und den Umfang des Schadens zu erstrecken, muss jedoch die gesamten Schadensfolgen sowie Richtung und Art des Schadens umfassen. Für die Bejahung des Schädigungsvorsatzes reicht es aus, dass der Ersatzpflichtige den dem Ersatzberechtigten entstandenen Schaden zumindest in der Form des bedingten Vorsatzes zugefügt hat“. 332 Zur Rechtsdogmatik der Wissenszurechnung im Gesellschaftsrecht s. Teil F. III. 4. e) bb) (I.). 333 BGH, Urteil v. 19.7.2004 – II ZR 217/03, NJW 2004, 2668 (2670) – infomatec; RG, Urteil v. 15.10.1912 – VII 231/12, RGZ 80, 219 (221); BGH, Urteil v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 (232); BGH, Urteil v. 29.9.1977 – III ZR 164/75, BGHZ 69, 295 (297); BAG, Urteil v. 1.4.1976 – 4 AZR 96/75, NJW 1976, 1958; Motive II S. 125. 334 Vgl. auch die Rechtsprechung zum Sittenwidrigkeitsbegriff in § 138 BGB, BGH, Urteil v. 1.10.1976 – V ZR 10/76, BGHZ 68, 1 (4): Verstoß gegen die guten Sitten, wenn „die ordnungspolitischen Ziele des Normgebers“ oder „sonstige tragende Grundsätze der Rechtsordnung oder anerkannte Moralvorstellungen“ durch das Rechtsgeschäft „berührt werden“; BGH, Urteil v. 12.3.1981 – III ZR 92/79, BGHZ 80, 153 (158); BGH, Urteil v. 26.1.1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336 (338).

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F. Die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarung

des § 19 Abs. 2 VVG (§ 16 Abs. 2 VVG alt) zum vollständigen Entfallen des Versicherungsschutzes führen und muß die Versicherungsnehmerin daher gerade in dieser Hinsicht besondere Sorgfalt obwalten lassen, um die Organmitglieder nicht zu schädigen. Es gehört aber nicht zu den rechtsethischen Prinzipien, daß eine Gesellschaft ihre Organmitglieder durch Versicherung vor Haftungsfolgen schützt. Die D&O-Deckung stellt auch keine Pflichtversicherung dar. Deshalb kann die Gesellschaft zwar vertragliche Pflichten verletzen, wenn sie entgegen einer Vereinbarung im Anstellungsvertrag die D&O-Versicherung durch Verschweigen von Umstandswissen in Fortfall bringt. Eine sittenwidrige Schädigung ist darin jedoch selbst bei vorsätzlicher Begehung nicht zu sehen.

(2.) § 823 BGB Ein Schadenersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB scheidet ebenfalls aus, da ein Verstoß gegen die vorvertragliche Anzeigepflicht nicht zu einer Verletzung eines sonstigen Rechts im Sinn von § 823 Abs. 1 BGB führt. Zwar entfällt infolge des Rücktritts der Deckungsanspruch. Forderungen stellen aber keine sonstigen Rechte nach § 823 Abs. 1 BGB dar.335 Allenfalls könnte § 823 Abs. 2 BGB greifen, wenn der Verlust der D&O-Deckung zugleich ein Schutzgesetz verletzt. Spezifische Schutzgesetze hinsichtlich einer D&O-Versicherung sind aber nicht erkennbar. Denkbar wäre die Anwendung von § 263 StGB, wenn ein Organmitglied durch Unternehmensrepräsentanten hinsichtlich des Abschlusses eines D&O-Versicherungsvertrags vorsätzlich getäuscht und dadurch zum Abschluß eines Anstellungsvertrags veranlaßt worden wäre. Eine solche Haftung würde dann über § 31 BGB analog auch die Gesellschaft treffen.336 Es handelt sich dabei aber um ein eher theoretisches Szenario, dessen Schwerpunkt im übrigen strafrechtlicher Natur ist und das daher hier nicht vertieft wird.

bb) Die Schadenersatzansprüche der Versicherten untereinander Versicherte Personen, die des Versicherungsschutzes wegen Rücktritts des Versicherers nach § 19 VVG (§ 16 VVG alt) oder Anfechtung nach § 123 BGB verlustig gehen, können möglicherweise auch Schadenersatzansprüche gegen andere versicherte Personen geltend machen, die für die Verletzung der Anzeigepflicht verantwortlich sind. Ein solcher Anspruch könnte sich zum einen gegen Repräsentanten der Versicherungsnehmerin richten, insbesondere also die am Abschluß beteiligten Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer. Zum anderen könnten Ansprüche auch gegen andere versicherte Personen in Betracht kom-

335

Statt aller Sprau, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 823 Rn. 11. Zur Haftung der Gesellschaft nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 31 BGB Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2002, § 31 Rn. 13; Verse, ZHR 170 (2006), 398 (401). 336

III. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten

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men, deren Wissen über § 47 VVG (§ 79 VVG alt) der Versicherungsnehmerin zugerechnet wurde und zur Verletzung der Anzeigepflicht geführt hat. Ansprüche nach § 280 BGB scheiden in diesen Verhältnissen jedoch grundsätzlich aus, da zwischen den versicherten Personen und den Repräsentanten der Versicherungsnehmerin regelmäßig keine vertraglichen oder quasi-vertraglichen Rechtsbeziehungen bestehen. Auch deliktische Ansprüche sind grundsätzlich zu verneinen, da § 826 BGB mangels Sittenwidrigkeit nicht greift und § 823 BGB ebenfalls prinzipiell nicht einschlägig ist, wie soeben dargelegt.

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung I. Der persönliche Anwendungsbereich 1. Die D&O-Versicherung a) Die Organmitglieder und die leitenden Angestellten der Versicherungsnehmerin als versicherte Personen aa) Die allgemeinen Grundsätze Der Deckungsschutz der D&O-Versicherung als Versicherung für fremde Rechnung im Sinn der §§ 43 VVG (§§ 74 ff. VVG alt) erstreckt sich üblicherweise auf die Tätigkeit der versicherten Personen in ihrer Funktion als gegenwärtige, künftige und ehemalige Mitglieder des Vorstands oder des geschäftsführenden Organs oder Gremiums der versicherten Gesellschaft, auf Mitglieder des Aufsichtsrats, Verwaltungsrats, eines Beirats oder eines vergleichbaren beaufsichtigenden oder beratenden Organs oder Gremiums und auf Vertreter der zuvor genannten Personen.1 Ferner gehören zu den versicherten Personen vielfach „officers“ in ausländischen 2 versicherten Gesellschaften, des weiteren Angestellte der versicherten Gesellschaften in leitender Tätigkeit und ggf. noch Liquidatoren.3 Die Gruppe der mitversicherten Personen erfaßt oft auch die Rechtsnachfolger der in Anspruch Genommenen.4

1 Hinsichtlich der GmbH & Co. KG wird üblicherweise nach den Versicherungsbedingungen nicht die GmbH als Komplementärin, sondern der Geschäftsführer der GmbH versichert; Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 114; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 460. 2 Zu kollisionsrechtlichen Problenen bei internationalen D&O-Haftungsfällen s. Koch, VersR 2009, 141 ff. 3 Liquidatoren sind aber nur mitversichert, sofern sie ihr Mandat nicht aufgrund eines externen Dienstleistungsvertrags für die Gesellschaft ausüben; Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 114. 4 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 114.

I. Der persönliche Anwendungsbereich

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bb) Die Einbeziehung leitender Angestellter (I.) Die Begriffsdefinition Auch wenn Ziff. 1.1 der AVB-AVG eine Beschränkung auf die Organmitglieder des Versicherungsnehmers vorsieht,5 kann der Versicherungsschutz auf leitende Angestellte ausgedehnt werden. Die Praxis bezeichnet dies vereinzelt bereits als „Standard“.6 Die Einbeziehung leitender Angestellter entspricht der Versicherungspraxis in den USA, wo der Terminus „officer“ auch Führungskräfte einschließt, die unterhalb der Organebene tätig sind.7 Der Begriff des leitenden Angestellten ist nicht allgemeingültig oder versicherungsrechtlich definiert, sondern hat vielmehr beispielsweise im Betriebsverfassungs- und Kündigungsschutzgesetz unterschiedliche Bedeutungen. In dem vorliegenden versicherungsrechtlichen Zusammenhang kommt es für die Subsumtion unter den Begriff des leitenden Angestellten darauf an, ob die Person arbeitnehmertypische Funktionen mit einem eigenen erheblichen Entscheidungsspielraum wahrnimmt.8

(II.) Der Ausschluß der Arbeitnehmerhaftung Nach den AVB wird für Angestellte Deckung vielfach nur gewährt, soweit nicht die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung greifen. Auch die leitenden Angestellten fallen als Arbeitnehmer unter die arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegierungen, die für Organmitglieder nicht gelten. Danach haftet der Arbeitnehmer nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit in vollem Umfang; bei leichter Fahrlässigkeit findet keine persönliche Haftung statt, und nur bei mittlerer Fahrlässigkeit erfolgt eine anteilige Regreßpflicht.9 Bei der Arbeitnehmerhaftung tritt auch keine Beweislastumkehr zu Lasten des Schuldners in bezug auf Pflichtverletzung, Verschulden sowie Rechtswidrigkeitszusammenhang ein, wie dies im Organhaftungsrecht nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG und

5 Stand Januar 2008: „Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass ein gegenwärtiges oder ehemaliges Mitglied des Aufsichtsrates, des Vorstandes oder der Geschäftsführung der Versicherungsnehmerin oder einer Tochtergesellschaft … in Anspruch genommen wird.“ 6 Vgl. Steinkühler, VW 2009, 94 (95). 7 Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2006, Rn. 605 ff.; Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 5 ff.; Steinkühler, VW 2009, 94 (95). 8 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 107. 9 BAG, Beschluß v. 12.6.1992 – GS 1/89 (Ergangen auf Vorlagebeschl. d. 8. Senats des BAG), NZA 1993, 547; BGH, Beschluß v. 21.9.1993 – GmS – OGB 1/93, NJW 1994, 856 ff.; BAG GS, Beschluß v. 27.9.1994 – GS 1/89 (A), NJW 1995, 210 ff.; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, 6. Aufl. 2008, § 20 II (S. 236 f.); Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 12. Aufl. 2007, § 53 Rn. 37 ff.; Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 113.

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

sinngemäß auch im Rahmen von § 43 GmbHG10 der Fall ist.11 Der Arbeitnehmer bzw. leitende Angestellte muß also nicht nachweisen, daß er sorgfältig gehandelt hat. Soweit diese haftungsrechtlichen Privilegierungen greifen, bedarf es für leitende Angestellte keiner zusätzlichen Absicherung durch eine D&O-Deckung. Ohnehin richten sich Schadenersatzansprüche seltener gegen leitende Angestellte als gegen Organmitglieder, weil jene als Anspruchsgegner wirtschaftlich weniger attraktiv sind als diese. Darüber hinaus hat eine weitestgehende Konzentration der D&O-Versicherung auf Organmitglieder den Effekt, daß der Charakter als Spezialversicherung für organspezifische Risiken nicht verlorengeht. Eine Erstreckung auf den gesamten Haftungsbereich leitender Angestellter würde dazu führen, daß die Versicherung insgesamt konzernweit deutlich häufiger in Anspruch genommen würde als bei einer restriktiven Vereinbarung. Es würden also in verstärktem Maße auch „alltägliche“ Haftungsfälle als Schäden geltend gemacht. Dieser Funktionswandel in der D&O-Versicherung würde zu einer Erhöhung der Versicherungsprämien führen, ohne daß ein solcher Effekt angesichts der arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegierung im Unternehmensinteresse erforderlich wäre. Ergänzend oder alternativ zu einer Einbeziehung leitender Angestellter in die D&O-Versicherung unter Ausschluß der Arbeitnehmerhaftung kommt eine eigene Vermögensschadenhaftpflichtversicherung der Betreffenden oder eine Rechtsschutzversicherung für leitende Angestellte in Betracht.

(III.) Die Folgen eines Fehlens des Ausschlusses der Arbeitnehmerhaftung Wird ein Ausschluß der Arbeitnehmerhaftung in den AVB entgegen der Regel nicht vorgenommen, erhebt sich die Folgefrage, inwieweit das Vorhandensein einer D&O-Deckung sich auf die Einschlägigkeit der arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegierungen auswirken kann.12 Die arbeitsrechtliche Haftungsprivilegierung ist nämlich ausgeschlossen, wenn zugunsten des Arbeitnehmers eine gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung eingreift.13 Deckung schafft also schlagwortartig Haftung. Diese Regel ist aber auf gesetzlich vor-

10

Zöllner/Noack, GmbH-Gesetz, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 36. Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 113. 12 Hierzu Steinkühler, VW 2009, 94 (95 ff.), jedoch ohne definitives Ergebnis. Die Einbeziehung leitender Angestellter, so Verf., könne „mitunter andere ‚Baustellen‘ hervorrufen.“ 13 BAG, Urteil v. 25.9.1997 – 8 AZR 288–96, NJW 1998, 1810 (1811); BGH, Urteil v. 8.12.1971 – IV ZR 102/70, NJW 1972, 440. 11

I. Der persönliche Anwendungsbereich

349

geschriebene Haftpflichtversicherungen beschränkt.14 Dazu zählt die D&OVersicherung nicht.15

(IV.) Die Versicherung leitender Angestellter in Wahrnehmung von outside directorships Die D&O-Versicherung kann Deckungsschutz auch für die dienstlich veranlaßte Wahrnehmung von Organtätigkeiten in anderen – nicht konzernrechtlich mit der Versicherungsnehmerin verbundenen16 – Gesellschaften vorsehen.17 Das kann sinnvoll sein, wenn die Tätigkeit in dem fremden Gesellschaftsorgan – i.d.R. im Aufsichtsrat – im Interesse der Versicherungsnehmerin erfolgt. Vielfach werden solche outside directorships von leitenden Angestellten oder Organmitgliedern der Versicherungsnehmerin wahrgenommen, wenn Geschäftsbeziehungen oder geringfügige Kapitalbeteiligungen an dem fremden Unternehmen bestehen. Das betrifft namentlich Bankenvertreter in den Aufsichtsräten großer Industrieunternehmen. In der Versicherungspraxis ist eine Erstreckung der D&O-Versicherung auf outside directorships dennoch relativ selten. Sie gehört nicht zum Standard der Bedingungswerke. Denn es fehlt vielfach an einem praktischen Bedürfnis hierfür. Die konzernfremden Gesellschaften, in denen die outside directorships ausgeübt werden, verfügen i.d.R. ebenfalls über eine D&O-Versicherung, weil diese in deutschen Großunternehmen mittlerweile praktisch zum Standard gehört.18 Es käme dann zu einer Mehrfachversicherung, an der weder die Versicherungsnehmerin noch die konzernfremde Gesellschaft ein Interesse haben könnte.19 Die Einbeziehung von outside directorships kann ferner die Prämien14 BAG, Urteil v. 25.9.1997 – 8 AZR 288–96, NJW 1998, 1810 (1811): „Die private Haftpflichtversicherung, für deren Abschluß kein gesetzlicher Zwang besteht, haftet nur in dem Umfang, in dem der Arbeitnehmer selbst haftet. Bei Bestehen einer Pflichtversicherung liegen Risiken vor, die der Gesetzgeber als so gefahrträchtig erachtet hat, daß er den Handelnden im Hinblick auf mögliche Gefahren für andere ohne Versicherungsschutz nicht tätig sehen wollte. Diese Tatsache überlagert gleichsam die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung. Für die Anwendung dieser Grundsätze besteht kein Raum in der vom Gesetzgeber durch die Pflichtversicherung vorgesehenen Wertung.“ 15 Nicht weiterführend der Hinweis von Steinkühler, VW 2009, 94 (95 f.) auf BGH, Urteil v. 29.1.2008 – VI ZR 98/07, BeckRS 2008, 04684. Verf. meint, daß der BGH (Verf. schreibt „OLG Karlsruhe“, meint aber wohl das a.a.O. vorfindliche BGH Urteil zu einem Fall des OLG Karlsruhe) „die Gefahr einer Haftungsverschärfung durch vorhandenen Versicherungsschutz vom Grundsatz her bestätigt“ habe. Es ging dort aber nicht um die Frage der arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegien, sondern um die Haftung des Veranstalters von sportlichen Wettbewerben. 16 Zur Einbeziehung verbundener Unternehmen sogleich unter Teil G. I. 1. f). 17 Mertens, AG 2000, 447 (448). 18 S. bereits Teil C. I. 19 Es würde hierdurch die Mitteilungspflicht nach § 77 VVG (§ 58 VVG alt) ausgelöst. Zwar betrifft die Norm nach ihrem Wortlaut den Fall, daß derselbe Versicherungsnehmer

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

kalkulation verkomplizieren. Da die Berechnung der Versicherungsprämie in der D&O-Versicherung regelmäßig in entindividualisierter Form die Risikofaktoren des betreffenden Unternehmers zur Grundlage hat, 20 müßten die unternehmensbezogenen Risiken zweier oder mehrerer Gesellschaften eingerechnet werden. Das würde zum einen zu Problemen bei der Informationsbeschaffung bezüglich der versicherungsrelevanten Daten führen; zum anderen käme es zu der praktisch kaum zu beantwortenden Frage, in welchem Verhältnis die unternehmensbezogenen Risiken der Versicherungsnehmerin einerseits und der konzernfremden Gesellschaft, die das outside directorship betrifft, andererseits zueinander in Bezug zu setzen wären. Außerdem kann die Versicherung des outside directors im Haftungsfall eine Konzentration der Anspruchsgeltendmachung auf diese Person bewirken.21 Sofern in dem Organ der konzernfremden Gesellschaft eine gesamtschuldnerische Haftung mehrer Organmitglieder gegeben ist, führt das Vorliegen von Versicherungsschutz in bezug auf ein einzelnes Mitglied – den outside direktor – dazu, daß potentielle Gläubiger in dieser Person eine höhere Solvenz vermuten als hinsichtlich der Nicht-Versicherten. Um einer solchen Schadenverlagerung auf das versicherte Organmitglied gegenzusteuern, kann jedoch wiederum die Deckungssumme auf den im Innenverhältnis geschuldeten Betrag des gesamtschuldnerisch haftenden Organmitglieds beschränkt werden, wie das in einigen D&O-AVB aber auch vielfach bei Einzelpolicen für outside directors 22 getan wird.

b) Die Einbeziehung ehemaliger und künftiger Organmitglieder Die AVB erstrecken die Deckung vielfach auf ehemalige Organmitglieder. Dies hat seinen Grund in der Geltung des claims made-Prinzips, 23 wonach der Versicherungsfall durch die Anspruchserhebung definiert wird.24 Eine Pflichtverletzung wäre mithin nicht mehr versichert, wenn das Organmitglied aus dem Amt die Versicherung nimmt. Die Vorschrift muß aber teleologisch dahingehend ausgelegt werden, daß sie auch greift, wenn die Mehrfachversicherung darauf beruht, daß ein zweiter Versicherungsnehmer eine Fremdversicherung abschließt, die den ersten Versicherungsnehmer bzw. den Versicherten in einem ersten Fremdversicherungsvertrag erfaßt; ähnlich Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 58 Rn. 12. Außerdem kommt es insoweit zu einer sinnlosen Doppelzahlung einer Prämie. 20 Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.) g). 21 Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, 2000. 22 Dies berichten zur Einzelpolice Schneider/Ihlas, DB 1994, 1123 (1125 f.). 23 Dazu unter Teil G. IV. 1. a). 24 Vgl. Ziff. 3.1 AVB-AVG (Stand Januar 2008): „Versicherungsschutz besteht für während der Dauer des Versicherungsvertrages eingetretene Versicherungsfälle wegen Pflichtverletzungen, welche während der Dauer des Versicherungsvertrages begangen wurden. Wird eine Pflichtverletzung durch fahrlässige Unterlassung verursacht, gilt sie im Zweifel als an dem Tag begangen, an welchem die versäumte Handlung spätestens hätte vorgenommen werden müssen, um den Eintritt des Schadens abzuwenden.“

I. Der persönliche Anwendungsbereich

351

ausschiede und ein Anspruch erst danach geltend gemacht würde. Die Möglichkeit, den Versicherungsschutz auf künftige Organmitglieder auszudehnen, ergibt sich wiederum aus § 74 Abs. 1 VVG, der eine ausdrückliche namentliche Benennung der versicherten Personen nicht verlangt. § 74 Abs. 1 VVG fordert lediglich, daß die Person des Versicherten bestimmbar ist, was bei der D&OVersicherung dadurch gewährleistet wird, daß die Funktion der versicherten Person im Unternehmen genau definiert ist.

c) Die Versicherung fehlerhaft bestellter Organmitglieder Zweifel am Versicherungsschutz können sich bei fehlerhaft bestellten Organmitgliedern ergeben. Diese haften grundsätzlich wie ordnungsgemäß bestellte Mitglieder, 25 so daß ein Bedürfnis für D&O-Deckungsschutz besteht. Gleichwohl können die Versicherungsbedingungen die Deckung auf „ordnungsgemäß bestellte“ Organmitglieder beschränken. Fehlt es an einer solchen ausdrücklichen Begrenzung, ist es eine Frage der Auslegung der Versicherungsbedingungen, ob Organmitglieder auf der Grundlage fehlerhafter Bestellung Versicherungsschutz genießen. Bevor die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB greifen kann, ist anhand des Wortsinns der AVB zu klären, ob sich ein Hinweis darauf ergibt, daß Organmitglieder auf der Grundlage fehlerhafter Bestellung erfaßt sein sollen. Sofern die Versicherungsbedingungen ausdrücklich daran anknüpfen, daß das Organmitglied „bestellt“ ist oder „Mitglied des Organs“ ist oder war bzw. sein wird, läßt sich dem mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, daß die Parteien eine wirksame Bestellung voraussetzen. Heißt es hingegen lediglich, daß Versicherungsschutz „für die Tätigkeit als Mitglied“ der Organe gewährt wird, ohne daß sich neben der tätigkeitsbezogenen Beschreibung eine Beschränkung auf solche Personen finden läßt, die auch die Eigenschaft eines wirksam bestellten Organs aufweisen, kann der Inhalt der Versicherungsbedingungen ebenso dahingehend gedeutet werden, daß Organmitglieder aufgrund einer fehlerhaften Bestellung erfaßt sein sollen. 26 Es bestehen dann jedenfalls Zweifel im Sinn von § 305c Abs. 2 BGB, so daß diese Unklarheiten zu Lasten des Verwenders, scil. des Versicherers, gehen. In diesen Fällen sind daher auch Organmitglieder aufgrund einer fehlerhaften Bestellung vom Deckungsschutz erfaßt.

25 26

BGH, Urteil v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, BGHZ 104, 44 (46 f.). Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 108 ff.

352

G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

d) Die Versicherung faktischer Organmitglieder Davon zu trennen ist die Frage, inwieweit sog. faktische Organmitglieder27 Versicherungsschutz genießen. Es handelt sich dabei um Personen, die nicht fehlerhaft, sondern überhaupt nicht bestellt worden sind, sich aber als Organmitglieder gerieren. 28 Sie unterliegen nach der Rechtsprechung29 der Organhaftung wie ein ordnungsgemäß bestelltes Mitglied.30 Die AVB können sich auch auf solche faktischen Organmitglieder erstrecken. In diesem Fall wird der Terminus des faktischen Organmitglieds üblicherweise in den AVB vertraglich konkretisiert,31 um Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden. Fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung über faktische Organmitglieder, ist zweifelhaft, ob diese Personen versichert sind. In Ermangelung eines Bestellungsakts lassen sie sich nämlich nicht mehr als Mitglieder des Organs im weitesten Sinn betrachten, nicht einmal mehr als fehlerhaft bestellte. Ohne eine explizite Regelung fallen sie daher nicht in den Anwendungsbereich der D&OVersicherung.32 Für die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB ist hier kein Raum mehr.

e) Die Liquidatoren als versicherte Personen Die häufig vorzufindende Einbeziehung von Liquidatoren in den Versicherungsschutz hat nur eine geringe praktische Bedeutung. Denn für die Liquidation der Aktiengesellschaft, der Genossenschaft und des Vereins sind grundsätzlich die Vorstandsmitglieder gem. § 265 Abs. 1 AktG, § 83 Abs. 1 GenG und § 48 Abs. 1 S. 1 BGB zuständig, für die GmbH gem. § 66 Abs. 1 GmbHG die Geschäftsführer. Eine explizite Erstreckung der D&O-Versicherung auf Liquidatoren betrifft daher nur die Fälle, in denen die Gesellschaft andere Personen als Liquidatoren einsetzt.33 27 In den Policen bisweilen dem angelsächsischen Sprachgebrauch folgend als „shadow directors“ bezeichnet. 28 Dazu Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 43 Rn. 3; Kübler/ Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 15 III 6. (S. 211) und § 18 V 2 c (S. 288); Hopt/ Roth, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 2006, § 101 Rn. 100 und § 112 Rn. 40. 29 Der über diese Frage geführte Literaturstreit ist hier nicht zu vertiefen. Es geht insoweit im Kern darum, ob ein faktisches Verhalten eine rechtliche Sonderverbindung begründen kann, die zur Einschlägigkeit der Organhaftungsfolgen führt; dies ablehnend Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 93 Rn. 12. 30 BGH, Urteil v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, BGHZ 104, 44 (46 f.); BGH, Urteil v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61 (69); BGH, Urteil v. 27.6.2005 – II ZR 113/03, WM 2005, 1606 (1607 f.). 31 Vgl. Steinkühler, VW 2009, 94. 32 So auch Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 110. 33 Dies ist in der Aktiengesellschaft durch Satzung oder einen Beschluß der Hauptversammlung gem. § 265 Abs. 2 S. 1 AktG möglich, in der GmbH durch Gesellschaftsvertrag oder einen Gesellschafterbeschluß gem. § 66 Abs. 1 GmbHG. In der Genossenschaft kann

I. Der persönliche Anwendungsbereich

353

f) Die Einbeziehung der Organmitglieder und der leitenden Angestellten verbundener Unternehmen aa) Die Definition verbundener Unternehmen Es können auch die Organmitglieder und leitenden Angestellten von Tochtergesellschaften mitversichert werden. Hinsichtlich der Definition der verbundenen Unternehmen kommen verschiedene Kriterien in Betracht, so etwa das Vorliegen eines nachweislich beherrschenden Einflusses auf die Geschäftsführung oder ein Verweis auf den Tatbestand des § 290 HGB. Unter die verbundenen Unternehmen können auch neu gegründete und erworbene Gesellschaften gefaßt werden. Im Fall der Veräußerung der Tochtergesellschaften sind die bis zum Zeitpunkt der Veräußerung begangenen Pflichtverletzungen regelmäßig versichert, sofern die ehemalige Tochtergesellschaft nicht unter einen anderweitigen Versicherungsschutz fällt.34 Die Erstreckung der Versicherung auf erworbene oder neu gegründete Tochtergesellschaften kann unter verschiedene Einschränkungen gestellt werden. Teils sehen die Versicherungsbedingungen das Erfordernis einer schriftlichen Meldung des Erwerbs bzw. der Neugründung vor, teils werden auch Schäden ausgeschlossen, die infolge einer Pflichtverletzung eintreten, welche vor Erwerb des Tochterunternehmens lag.

bb) Die Konzernvorteilsregelung Um einen Mißbrauch der D&O-Versicherung im Konzernverhältnis zu verhindern, können die Versicherungsbedingungen regeln, daß Schäden, die bei einer anderen Konzerngesellschaft zu einem Vermögensvorteil geführt haben, insoweit vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind. 35 Ziff. 5.12 AVB-AVG36 sehen eine solche Klausel vor; sie soll in der Praxis aber selten angewendet werden.37 Eine unangemessene Benachteiligung der Versicherungsnehmerin ist in dieser Regelung nicht zu sehen. 38

solches durch das Statut ohne einen Beschluß der Generalversammlung gem. § 83 Abs. 1 GenG erfolgen und im Verein durch Beschluß der Mitgliederversammlung gem. §§ 48 Abs. 1 S. 2, 27 Abs. 1 BGB. 34 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 109. 35 Diese Mißbrauchsgefahr besteht unabhängig davon, ob sich der Versicherungsschutz auf Tochtergesellschaften erstreckt oder nicht. 36 Stand: Januar 2008: ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche „der Versicherungsnehmerin, einer Tochtergesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft, deren Vermögensschaden bei einer anderen Gesellschaft dieses Konzerns zu einem Vermögensvorteil geführt hat, in Höhe des Vermögensvorteils.“ 37 Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 192 f.; zu einem solchen Fall aber LG Wiesbaden, Urteil v. 14.12.2004 – 1 O 180/03, VersR 2005, 545 (546). 38 LG Wiesbaden, Urteil v. 14.12.2004 – 1 O 180/03, VersR 2005, 545 (546).

354

G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

Eine Konzernvorteilsklausel kann Auslegungsfragen aufwerfen, wenn es infolge der Schädigung nicht zu einem dauerhaften Vermögensvorteil bei einer Konzerngesellschaft kommt. In einem vom LG Wiesbaden entschiedenen Fall lag der Schaden in einem an eine Konzerngesellschaft gewährten Darlehen.39 Gegen die Einschlägigkeit der vereinbarten Konzernvorteilsklausel wurde seitens der Versicherungsnehmerin vorgebracht, daß der Vorteil aufgrund des Rückzahlungsanspruchs nur vorübergehend bestehe. Nach Ansicht des LG Wiesbaden setzt die Konzernvorteilsklausel aber nicht voraus, daß der mit dem Vermögensschaden korrespondierende Vermögensvorteil in einem anderen Teil des Konzerns von Dauer ist.40 Dies kann freilich anders zu beurteilen sein, wenn die Konzernvorteilsklausel ausdrücklich an die Dauerhaftigkeit des konzerninternen Vorteils anknüpft. An einem solchen dauerhaften Vorteil kann es dann beispielsweise auch fehlen, wenn eine begünstigte Konzerngesellschaft veräußert wird, ohne daß sich der Vorteil in einem erhöhten Verkaufspreis niederschlägt und damit im Konzern verbleibt.

g) Die entity-Deckung und die company reimbursement-clause Die sogenannte entity-Deckung bezeichnet eine Erstreckung der D&O-Versicherung auf Schäden der Gesellschaft. Die D&O-Fremdversicherung zugunsten des versicherten Organmitglieds wird also durch eine Eigenschadenversicherung der Versicherungsnehmerin ergänzt. Die entity-Deckung ist mittlerweile auch in Deutschland eine marktgängige Ausgestaltung der D&O-DVersicherung.41 Sie kann aber aus Gründen der Mißbrauchsprävention Außenhaftungsansprüche ausschließen, sofern diese von Tochter- oder anderen Konzerngesellschaften gegen die Versicherungsnehmerin geltend gemacht werden. Die entity-Deckung in Gestalt des company reimbursement sieht vor, daß der Anspruch auf Versicherungsschutz aus dem D&O-Versicherungsvertrag in dem Umfang von der versicherten Person auf das versicherte Unternehmen übergeht, in welchem dieses eine Freistellungsverpflichtung gegenüber dem Organmitglied erfüllt hat.42 Die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin hätte ohne Vereinbarung einer company reimbursement-Klausel bei der D&O-Versicherung keinen eigenen Anspruch gegen den Versicherer, weil es sich um eine Versicherung auf fremde Rechnung handelt.43

39

LG Wiesbaden, Urteil v. 14.12.2004 – 1 O 180/03, VersR 2005, 545 (546). LG Wiesbaden, Urteil v. 14.12.2004 – 1 O 180/03, VersR 2005, 545 (546). 41 Zur rechtstatsächlichen Verbreitung s. Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.) (f) (aa). 42 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 110, 115; zum Freistellungsanspruch des Organmitglieds s. Teil E. I. 43 Zur Frage des Direktanspruchs der Versicherungsnehmerin gegen den Versicherer Teil I. II. 1. 40

I. Der persönliche Anwendungsbereich

355

2. Die Freistellungsvereinbarung Was Freistellungsvereinbarungen anbelangt, stellen sich in bezug auf den persönlichen Schutzumfang dieselben Fragen wie in Betreff der D&O-Versicherung. Soweit nicht versicherungsrechtliche und versicherungswirtschaftliche Besonderheiten betroffen sind, ist daher auf die Ausführungen zur D&O-Versicherung zu verweisen. So kann sich auch eine Freistellungsvereinbarung sowohl auf die Gesellschaftsorgane als auch auf leitende Angestellte erstrecken. Es können auch die Organmitglieder in verschiedenen Konzerngesellschaften freigestellt werden, ebenso die Organmitglieder in unterschiedlichen Konzernen. So kann ein Mehrheitsgesellschafter etwa eine Freistellungsvereinbarung mit den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie den leitenden Angestellten seines Beteiligungsunternehmens treffen und ergänzend eine Freistellungszusage für outside directorships erteilen. In der Praxis werden den Anteilseignervertretern in Aufsichtsräten oftmals Freistellungszusagen von den sie stellenden Aktionären erteilt.44 Die Freistellungsvereinbarung kann der D&O-Versicherung weiter dadurch angenähert werden, daß sich ihr Umfang nicht auf das einzelne Organmitglied bzw. den leitenden Angestellten ad personam bezieht, sondern in abstrahierter Form alle ehemaligen, gegenwärtigen und künftigen Organmitglieder freigestellt werden, wie dies der Sache nach auch die D&O-Versicherungsbedingungen regelmäßig vorsehen. Bei der Freistellungsvereinbarung führt das freilich zu einer besonderen schuldrechtlichen Problematik. Wenn die Freistellungsvereinbarung unmittelbar mit den Organmitgliedern getroffen wird, kann sie nicht von vornherein künftige Organmitglieder erfassen. Es muß folglich mit jedem neu berufenen Organmitglied ein zusätzlicher Vertrag geschlossen werden, was aber in der Praxis ohne größeren Aufwand in der Form geschehen kann, daß durch Erklärung des Organmitglieds ein Beitritt zu dem bestehenden Freistellungsvertragswerk erfolgt. Dieses Procedere läßt sich dadurch vermeiden, daß die Freistellungsvereinbarung als Vertrag zugunsten Dritter im Sinn von § 328 BGB zwischen dem Freistellungsschuldner und der Gesellschaft abgeschlossen wird. Es kann dann ohne weiteres geregelt werden, daß die Freistellungsverpflichtung sich – einem D&O-Versicherungsschutz ähnlich – auf alle ehemaligen, gegenwärtigen und künftigen Organmitglieder sowie leitende Angestellte und ggf. outside directorships erstreckt. Der Freistellungsschutz ist damit unabhängig von einem Wechsel der Organmitglieder oder leitenden Angestellten.

44 Vgl. Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2328); Schmidt, Arbeitshilfe von ver.di zum Deutschen Corporate Governance Kodex, verfügbar auf der Homepage von ver.di unter www.verdi.de, S. 5.

356

G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

II. Der sachliche Umfang 1. Die gedeckten Schäden in der D&O-Versicherung a) Die Begrenzung auf Vermögensschäden Üblicherweise deckt die D&O-Versicherung lediglich Vermögensschäden, nicht aber Personen- und Sachschäden oder solche Vermögensschäden, die aus von versicherten Unternehmen oder versicherten Personen verursachten Personen- oder Sachschäden resultieren.45 Diese unterfallen nämlich bereits den üblichen Deckungsbereichen der Betriebshaftpflichtversicherung und den Erweiterungen der Produkt- und Umwelthaftpflichtversicherung.

b) Die Innen- und die Außenhaftungsansprüche Die D&O-Versicherung erfaßt grundsätzlich sowohl Innen- als auch Außenhaftungstatbestände. Die gängige Meinung hält diese für weniger praktisch relevant als jene,46 da die Gesellschaft als die solventere Schuldnerin von Drittgläubigern favorisiert werde, so daß es selten zu (reinen) Außenhaftungsklagen gegen Organmitglieder komme. Ob diese Einschätzung die mittlerweile verbreitete Praxis noch zutreffend widerspiegelt, kann dahinstehen. Drittansprüche, die sich gegen die Organmitglieder selbst richten, sind jedenfalls nicht nur theoretisch von Belang. Vielfach wird in diesen Fällen jedoch auch die Gesellschaft in Anspruch genommen, so daß zugleich ein potentieller Innenhaftungsanspruch entsteht, sofern nicht die seltene Fallkonstellation einer reinen Pflichtverletzung im Außenverhältnis gegeben ist. Es ist ferner zu berücksichtigen, daß reine Außenhaftungstatbestände vielfach ein Vorsatzerfordernis enthalten, so daß in diesen Fällen entsprechend den subjektiven Ausschlußgründen ohnehin keine D&ODeckung besteht.47 Diese Gründe sind dafür ursächlich, daß reine Außenhaftungsfälle in der D&O-Praxis eine ganz untergeordnete Rolle spielen. Die Deckung von Innenhaftungsansprüchen ist für die D&O-Versicherung in der Bundesrepublik Deutschland ein deutlich wichtigeres Element als in den USA, da dieser Haftungstatbestand hier – anders als in den USA, wo die Außenhaftung im Vordergrund steht – eine große Relevanz besitzt. Die Bedeutung der Innenhaftungsansprüche wurde durch die Rechtsprechung, insbesondere die ARAG-Entscheidung,48 weiter gefördert. Jedoch impliziert die Versicherung von Innenhaftungsansprüchen eine Kollusions-Gefahr zwischen Organ-

45 46 47 48

Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 115. Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 139. Dazu im einzelnen noch Teil G. III. S. bereits Teil B. I. 3.

II. Der sachliche Umfang

357

mitglied und Gesellschaft, der durch verschiedene, sogleich zu erörternde Haftungseinschränkungen und -ausschlüsse begegnet wird.49

c) Die Begrenzung auf gesetzliche Haftpflichtbestimmungen Der Versicherungsfall wird in den Versicherungsbedingungen grundsätzlich dahingehend definiert, daß eine versicherte Person wegen einer Pflichtverletzung, die sie in ihrer Eigenschaft als Organmitglied oder leitender Angestellter begangen hat, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden in Anspruch genommen wird. Ereignete sich der Haftungsfall nicht bei einer Tätigkeit, die zur Wahrnehmung der Organpflichten gehörte, fehlt mithin der Deckungsschutz. Das betrifft Handlungen, die nicht organspezifisch sind, sondern auch von Unternehmensmitarbeitern wahrgenommen werden können, wie Vertragsschlüsse im normalen Geschäftsbetrieb, etwa bei der Veräußerung von Waren. Bedeutung hat dies vor allem für mittelständische Unternehmen, bei denen die Geschäftsführer bisweilen stark im operativen Bereich tätig sind. Es kann dann zweckmäßig sein, den sachlichen Deckungsumfang auf diese Aufgaben zu erstrecken.50 Dasselbe gilt, falls leitende Angestellte mitversichert sind, weil andernfalls für sie von vornherein keine Deckung besteht. Statt eines Einschlusses dieser Risiken aus dem operativen Bereich kommt auch der Abschluß einer darauf beschränkten Errors & Omissions-Versicherung, auch E&O-Police, in Betracht. Der Begriff der „gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen“ in den D&O-AVB hat die versicherungsrechtliche Bedeutung, die ihr der BGH in bezug auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) gegeben hat.51 Darunter fallen sowohl deliktische als auch quasi-deliktische Ansprüche, Schadenersatzansprüche aus Vertrag und positiver Vertragsverletzung i.S.v. § 280 BGB sowie Verschulden bei Vertragsschluß nach §§ 280, 311 Abs. 2 BGB.52 Abzugrenzen sind die gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen von den nicht erfaßten Erfüllungsansprüchen, Ansprüchen auf Erfüllungssurrogate und den nicht auf Schadenersatz gerichteten Gewährleistungsansprüchen. Auch sonstige zusätzliche Anspruchsgrundlagen, die erst durch besondere Zusage oder Vereinbarung der versicherten Personen entstanden sind, werden nicht unter den Begriff der gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen subsumiert.

49 50 51 52

Teil G. XI. Seibt/Saame, AG 2006, 901 (908). BGH, Urteil v. 20.11.1970 – IV ZR 1188/68, NJW 1971, 429 (430). Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 130.

358

G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

d) Die öffentlich-rechtlichen Haftpflichtbestimmungen In der Versicherungspraxis ist der Deckungsschutz der D&O-Versicherung nicht auf privatrechtliche Haftpflichtbestimmungen begrenzt, sondern erfaßt grundsätzlich alle gesetzlichen Haftpflichttatbestände, d.h. auch solche öffentlich-rechtlicher Natur.53 Die AVB-AVG sehen zwar in Ziff. 1.1 eine Beschränkung auf gesetzliche Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts vor. Diese Einschränkung wird in den AVB aber regelmäßig nicht gemacht. Der D&O-Versicherungsschutz erstreckt sich deshalb insbesondere auch auf die Haftung wegen schuldhafter Verletzung steuerlicher Pflichten.

2. Die gedeckten Schäden in der Freistellungsvereinbarung Was die Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarungen anbelangt, können grundsätzlich dieselben Haftpflichttatbestände erfaßt werden wie durch die D&O-Versicherung. Jedoch sind ergänzend die gesellschaftsrechtlichen Grenzen für den Abschluß von Freistellungsvereinbarungen zu beachten. Dazu gehört vor allem die Einschränkung, daß im Aktienrecht eine Befreiung von der Innenhaftung durch die eigene Gesellschaft nur unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in Betracht kommt. Ferner darf die Unabhängigkeit der Organmitglieder durch eine konditionierte Freistellungsvereinbarung nicht eingeschränkt werden.54

III. Der Verschuldensgrad in der Freistellungsvereinbarung und der D&O-Versicherung 1. Die bürgerlich-rechtlichen Grenzen der Haftungsbefreiung bei vorsätzlichen Schädigungen Die Freistellung und Versicherung der Organhaftpflicht beziehen sich in erster Linie auf fahrlässig herbeigeführte Schäden. Das spiegeln auch die §§ 81, 103 VVG (§§ 61, 152 VVG alt) wider, die für den Fall der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls die Leistungsfreiheit des Versicherers vorsehen.55 Die Normen sind aber grundsätzlich abdingbar.56 Für die Freistellungsverein53

Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 131. Zu den Einzelheiten siehe Teil B. 55 Wobei § 81 Abs. 2 VVG bei grober Fahrlässigkeit ein Leistungsminderungsrecht des Versicherers vorsieht. Nach § 61 VVG a.F. war der Versicherer auch in diesem Fall berechtigt, die Leistung zu verweigern. 56 Zu § 152 VVG a.F. OLG München, Urteil v. 11.1.1973 – 1 U 2473/72, VersR 1974, 1069 54

III. Der Verschuldensgrad

359

barung ebenso wie die D&O-Versicherung stellt sich daher die Frage, ob auch eine Erstreckung der Deckung auf die Fälle vorsätzlicher Schädigungen durch das Organmitglied möglich wäre. Die Literatur hält teilweise Freistellungsvereinbarungen für unwirksam, soweit sie sich auch auf vorsätzliches Handeln beziehen.57 Hierfür wird vereinzelt auf § 276 Abs. 3 BGB rekurriert, der anordnet, daß die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner nicht im voraus erlassen werden kann.58 Zwar ist § 276 Abs. 3 BGB nicht unmittelbar einschlägig, weil er das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner des Haftungstatbestands betrifft, nicht aber die Freistellungsverpflichtung eines Dritten59 bzw. einen Versicherungsvertrag mit dem Versicherer. § 276 Abs. 3 BGB läßt sich aber eine Wertung entnehmen, die auf § 242 BGB fußt. Durch eine Haftungsbeschränkung für vorsätzliche Schädigungen würde der Geschädigte sich des zivilrechtlichen Schutzes seiner Rechte praktisch begeben. Dies will die Rechtsordnung nicht zulassen. Eine solche Haftungskonstellation tritt bei einer Freistellungsvereinbarung bzw. D&O-Versicherung aber nicht ein, da der geschädigte Dritte seine Rechte behält und ihm durch die Freistellungsvereinbarung bzw. den Versicherungsvertrag wirtschaftlich sogar eine erweiterte Haftungsmasse zur Verfügung steht. Die Vergleichbarkeit des geregelten und des ungeregelten Sachverhalts fehlt mithin, und eine analoge Anwendung des § 276 Abs. 3 BGB ist abzulehnen.60 Eine Freistellungsverpflichtung bzw. D&O-Deckung für vorsätzliche Schädigungen könnte aber an § 138 BGB scheitern.61 Als ein erster rechtlicher Ansatzpunkt ist zu klären, ob sich die Sittenwidrigkeit damit begründen ließe, daß durch die Freistellung bzw. Versicherung für vorsätzliche Schädigungen Dritter die Präventionswirkung des Organhaftungsrechts ausgehebelt würde. Die Untersuchungen zum verhaltenssteuernden Nebenzweck des Organhaftungs(1070); Penner, VersR 2005, 1359 (1360). Die Regierungsbegründung der VVG-Novelle hebt ausdrücklich hervor: „Die Vorschrift ist wie bisher abdingbar (vgl. § 112 VVG-E), es kann somit ein Leistungsausschluss bei milderen Schuldformen vereinbart werden.“ BegrRegE BT-Drucks. 16/3945, S. 85; Seitz, VersR 2007, 1476 (1478). Zwar ging die Regierungsbegründung nur von der Vereinbarung milderer Schuldformen aus. Es kann für den umgekehrten Fall der Vereinbarung einer Leistungspflicht selbst bei vorsätzlicher Schädigung § 103 VVG dann aber ebensowenig zwingenden Charakter haben. Für die Möglichkeit der Erstreckung der Versicherung jedenfalls auf „leichte“ Fälle des Vorsatzes auch Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 61 Rn. 29. 57 Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, 151 (168); Westermann, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 871 (882). 58 Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, 151 (168); hierzu auch Kapp, NJW 1992, 2796 (2797). 59 Kapp, NJW 1992, 2796 (2797). 60 Für eine Analogie aber Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, 151 (168 in Fn. 58). 61 So Westermann, in: Festschrift für Beusch, 1993, S. 871 (882) für die Freistellungsvereinbarung und Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 61 Rn. 29 für den Versicherungsvertrag.

360

G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

rechts haben indes ergeben, daß Eingriffe in die Steuerungswirkung als solche kein ausreichender Anknüpfungspunkt für das Sittenwidrigkeitsurteil des § 138 BGB sind.62 Die Sittenwidrigkeit kann aber möglicherweise aus den Folgen für das Verhältnis zwischen Freistellungsschuldner und Freistellungsgläubiger bzw. Versicherer und Versichertem abgeleitet werden. Die pauschale Erstreckung der Deckung auf vorsätzliche Schädigungen wirkt sich für die Freistellungsschuldner bzw. Versicherer wirtschaftlich durch die aus dem Schaden folgende Freistellungs- bzw. Deckungspflicht ebenso aus, als wenn ihnen gegenüber eine vorsätzliche Schädigung unter Verzicht auf die Haftung entgegen § 276 Abs. 3 BGB vorgenommen worden wäre. Ferner hat eine solche Regelung für den Schädiger eine ähnliche Wirkung wie ein vollständiger Haftungsverzicht durch den Geschädigten, weil ihn wirtschaftlich durch die Haftungsübernahme des Dritten im Ergebnis keine Einstandspflicht für sein vorsätzliches Handeln trifft. Auch wenn man eine analoge Anwendung des § 276 Abs. 3 BGB abzulehnen hat, muß dessen Regelungsgehalt daher im Rahmen des § 138 BGB berücksichtigt werden, da die Sittenwidrigkeit ein normgeprägter Tatbestand ist, der mithin auch die Wertung des § 276 Abs. 3 BGB in sich aufnimmt.63 Eine Freistellungsvereinbarung oder D&O-Versicherung, die unspezifizisch auch vorsätzliche Schädigungen erfaßt, ist daher wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB im Grundsatz nichtig. Gleichwohl muß berücksichtigt werden, daß die Parteien einer Freistellungsvereinbarung oder D&O-Versicherung ein berechtigtes Interesse daran haben können, die Grenzen des Haftungsausschlusses für vorsätzliches Verhalten zu konkretisieren. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, daß die Abgrenzung zwischen bewußter Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz vielfach schwerfällt und folglich ein erhebliches Potential für Vertragsstreitigkeiten bietet. Dem könnten die Parteien dadurch begegnen wollen, daß sie eine Freistellung bzw. Deckung auch für bedingten Vorsatz vereinbaren, wie dies in D&O-AVB bisweilen geschieht.64 Ferner könnten die Parteien ein Interesse daran haben, den Ausschluß der Freistellung nur für den Fall vorzusehen, daß auch der Schaden vom Vorsatz umfaßt war, wohingegen die vorsätzliche Pflichtverletzung noch nicht zum Freistellungs- bzw. Deckungsausschluß führen soll. Es ist fraglich, ob auch solche Klauseln nach § 138 BGB nichtig wären.

62

Teil D. V. Vgl. Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (168). 64 Von einer solchen Klausel, welche die Deckung explizit auf bedingten Vorsatz erstreckt, wird bei dem Versicherer AIG berichtet, s. ZfV 2008, 796. Zu Klauseln, die an die „wissentliche Pflichtverletzung“ anknüpfen, sogleich ausführlich unter Teil G. III. 2. c) aa). Für die Möglichkeit der Erstreckung der Versicherung jedenfalls auf „leichte“ Fälle des Vorsatzes auch Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 61 Rn. 29. 63

III. Der Verschuldensgrad

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Aus § 138 BGB kann jedenfalls kein starres Freistellungsverbot für vorsätzliche Schädigungen abgeleitet werden. Da es sich bei dem Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit um einen wertbezogenen Begriff handelt, kann § 138 BGB nicht als ein gesetzliches Verbot ausgelegt werden, das bei Vorliegen der Vorsatzvoraussetzungen i.S.v. § 276 Abs. 3 BGB ipso iure zur Nichtigkeit führt. Vielmehr müssen bei der Anwendung des § 138 BGB auf Freistellungsvereinbarungen und D&O-Bedingungswerke ebenso wie bei anderen Vertragstypen die jeweiligen Interessen beider Parteien an dem gewählten Vertragsinhalt Berücksichtigung finden.65 Somit kann eine Freistellungsvereinbarung oder D&O-Deckung, deren subjektiven Ausschlußgrund die Parteien zur Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im vorbezeichneten Sinn konkretisiert haben, nicht der Nichtigkeit nach § 138 BGB anheim fallen. Denn in einem solchen Klauselinhalt verwirklicht sich nicht der Rechtsgedanke, der als Wertungskriterium aus § 276 Abs. 3 BGB hervorgeht und sich im Sittenwidrigkeitsbegriff des § 138 BGB niederschlägt, nämlich daß niemand seine Rechte der willkürlichen Schädigung Dritter soll preisgeben bzw. sich daran anknüpfenden Freistellungs- und Deckungspflichten unterwerfen können. Eine Einbeziehung des bedingten Vorsatzes oder eine Beschränkung des Ausschlußgrunds auf die Fälle, in denen sich der Vorsatz auch auf die Schadensfolgen bezogen hat, sind daher mit § 138 BGB vereinbar.

2. Die Konkretisierung des Vorsatzausschlusses in der D&O-Versicherung durch das VVG und die AVB a) Die Konkurrenz zwischen § 103 und § 81 VVG. Vor allem in der D&O-Versicherung hat die Definition des subjektiven Ausschlußgrunds eine erhebliche Bedeutung. Hierzu haben sich in der Praxis der D&O-Versicherung verschiedene Klauseltypen herausgebildet, die sich von den – abdingbaren – Vorgaben des VVG zum Verschuldensgrad in der allgemeinen Schadenversicherung nach § 81 VVG (§ 61 VVG alt) und der Haftpflichtversicherung nach § 103 VVG (§ 152 VVG alt) ableiten. Bevor die Möglichkeiten der formularmäßigen Konkretisierung des Vorsatzausschlusses in den AVB untersucht werden können, ist daher zu klären, in welchem Verhältnis diese Normen zueinander stehen und welchen materiellen Gehalt sie haben. Als Haftpflichtversicherung greift für die D&O-Versicherung § 103 VVG (§ 152 VVG alt), wonach der Versicherer nicht haftet, wenn der Versicherungs65 Etwa beim Abschluß langfristiger Lieferverträge, BGH, Urteil v. 7.5.1975 – VIII ZR 210/73, BGHZ 64, 288 (290 ff.); zu sog. ewigen Anleihen Thomas, ZHR 171 (2007), 684 ff.

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

nehmer den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt hat. Es sind daher nach § 103 VVG (§ 152 VVG alt) Haftungsgrundlagen wie § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem vorsätzlich verwirklichten Schutzgesetz vom Versicherungsschutz ausgenommen. § 103 VVG (§ 152 VVG alt) verdrängt grundsätzlich den allgemeineren § 81 VVG (§ 61 VVG alt), der bei grob fahrlässiger Schadenverursachung ein Kürzungsrecht des Versicherers vorsieht. 66 § 81 VVG (§ 61 VVG alt) könnte aber möglicherweise anwendbar sein, soweit die D&O-Versicherung im Ergebnis dazu führt, daß sie einen Innenhaftungsanspruch der Versicherungsnehmerin gegenüber der versicherten Person deckt. Die D&O-Versicherung bezieht sich insoweit im wirtschaftlichen Ergebnis auf einen Eigenschaden der Versicherungsnehmerin. Daher sprechen Stimmen im Schrifttum der D&OVersicherung im Innenverhältnis die Eigenschaft einer „unechten Eigenschadenversicherung“ zu.67 Es wäre infolgedessen in diesem Verhältnis § 81 VVG (§ 61 VVG alt) anzuwenden. Eine solche Aufspleißung der D&O-Versicherung in eine Fremdhaftpflichtversicherung, soweit Außenhaftungstatbestände erfaßt sind, und eine unechte Eigenschadenversicherung, soweit Innenhaftungsansprüche in Rede stehen, ist aber nicht zustimmungswürdig.68 Die Rechtsnatur als Haftpflichtversicherung auch für fremde Rechnung kann bei versicherungsrechtlicher Betrachtung nicht dadurch entfallen, daß die Versicherungsnehmerin und die Person des Geschädigten zufällig identisch sind. Der versicherungsrechtliche Bedarf i.S.d. Bedarfsdeckungstheorie69 bzw. die Schadenbeseitigung i.S.d. Schadenersatztheorie70 bzw. die Absicherung der Vermögensgestaltungsziele i.S.d. vorzugswürdigen Vermögensgestaltungstheorie nach Schmidt-Rimpler 71 beziehen sich, unabhängig von der personellen Identität des Anspruchstellers, bei der D&O-Versicherung auf das versicherte Organmitglied, sofern es nicht um den hier nicht weiter interessierenden Bereich der entity-Deckung geht. 66 BGH, Urteil v. 30.5.1963 – II ZR 14/61, VersR 1963, 742 (743); Seitz, VersR 2007, 1476; Voit/Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 152 Rn. 1; Langheid, in: Römer/ Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, § 152 Rn. 1. 67 So hinsichtlich der Innenhaftungsansprüche Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, 1997, S. 244; Ihlas/Stute, Beilage zu PHi 4/2003, 1 (7, 15), Auf Küpper, VP 1986, 196 (198) kann man sich für diese Ansicht jedoch nicht berufen, weil dieser – wie hier vertreten – von der möglichen Einbeziehung einzelner eigener versicherter Interessen, d.h. von Eigenschäden, in eine Fremd-Haftpflichtversicherung ausgeht. 68 So auch Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 180. 69 Vgl. Gobbi, Zeitschrift für Versicherungs-Recht und -wissenschaft, 1896, 465 (468) und 1997, 246 (255) sowie Hülße, ZVersWiss, 1903, 539 (553). 70 Donati, ZVersWiss, 1960, 289 (204). 71 Schmidt-Rimpler, in: Festschrift für Heimann, 1931, Bd. II, S. 12 ff., ders. Versicherungswirtschaft und Versicherungswettbewerb, 1939, S. 67 ff., ders., VersR 1963, 493 ff.; ders., VersR 1964, 792 ff.

III. Der Verschuldensgrad

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Aus Sicht des Organmitglieds ist daher die Eigenschaft als Haftpflichtversicherung zu beurteilen und im Fall der D&O-Versicherung sowohl in Betreff der Außenhaftungs- als auch der Innenhaftungstatbestände zu bejahen. 72 Das Zusammenfallen der Eigenschaft als Versicherungsnehmerin und Anspruchsstellerin in derselben Person führt zwar prozessual zu besonders gelagerten Fragestellungen,73 ändert aber nicht den Rechtscharakter der Haftpflichtversicherung.

b) Der versicherungsrechtliche Vorsatzbegriff Der versicherungsrechtliche Vorsatzbegriff des § 103 VVG ist gesetzlich nicht definiert, so daß im Grundsatz auf die Kategorien des § 276 BGB rekurriert werden kann.74 Vorsatz ist danach das Wissen und Wollen hinsichtlich des rechtswidrigen Erfolgs.75 Der Terminus erfaßt den dolus directus ersten und zweiten Grades sowie den dolus eventualis.76 Bewußte Fahrlässigkeit reicht nicht aus. Nach § 103 VVG n.F. muß sich der Vorsatz ausdrücklich auch auf den Schaden, d.h. den Erfolg, erstrecken.77 Ein Vorsatz lediglich hinsichtlich der Pflichtverletzung genügt mithin nicht.78 Zu § 152 VVG a.F. war dies nicht eindeutig dem Gesetz zu entnehmen, weil die Regelung als Bezugspunkt des Vorsatzes nicht den Schaden nannte, sondern „den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist“.79 Die Gerichte haben sich zu der Frage des Bezugspunkts des Vorsatzbegriffs in § 152 VVG a.F. nie geäußert,80 da die Vorschrift in den zu entscheidenden Fällen regelmäßig durch die AHB konkretisiert war. 81 Das herrschende Schrifttum war aber zu Recht der Auffassung, daß auch der

72 So im Ergebnis auch Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 180. 73 Dazu im einzelnen Teil I. II. 74 Seitz, VersR 2007, 1476; Vothknecht, VW 2006, 488. 75 Vothknecht, VW 2006, 488; Vorrath, VW 2006, 151. 76 Seitz, VersR 2007, 1476 ff. 77 „Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeigeführt hat.“ 78 Die Gesetzesbegründung hebt dies ausdrücklich hervor: „In der Sache bleibt die bisherige Regelung des § 152 VVG erhalten. Klargestellt wird, dass sich der Vorsatz hier – anders als bei § 823 BGB – nicht nur auf die Handlung, sondern auch auf die Schadensfolgen beziehen muss, damit der Haftungsausschluss zu Gunsten des Versicherers greift.“ BegrRegE BTDrucks. 16/3945, S. 85. 79 „Der Versicherer haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, widerrechtlich herbeigeführt hat“. 80 Offen gelassen in BGH, Urteil v. 26.5.1971 – IV ZR 28/70, VersR 1971, 806 (807); OLG München, Urteil v. 11.1.1973 – 1 U 2473/72, VersR 1974, 1069 (1070); OLG Hamm, Urteil v. 24.8.1973 – 20 U 65/73, VersR 1973, 1133 (1134 f.); den Befund einer fehlenden Klärung durch die Gerichte bestätigend Seitz, VersR 2007, 1476; Vorrath, VW 2006, 151. 81 Seitz, VersR 2007, 1476.

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

Schaden Gegenstand des Vorsatzes in § 152 VVG sein mußte.82 Dies entsprach i.ü. der Rechtsprechung zu § 4 Abs. 2 Nr. 1 AHB.83 Da es sich um einen subjektiven Risikoausschlußtatbestand handelt, müssen die Voraussetzungen des Vorsatzes durch den Versicherer nachgewiesen werden,84 was grundsätzlich nur im Weg des Indizienbeweises nach § 286 ZPO möglich ist.85 Der Anscheinsbeweis ist nicht statthaft, da kein Satz der Lebenserfahrung existiert, daß die Vorsätzlichkeit in D&O-Haftungsfällen regelmäßig gegeben ist.86 Die praktische Bedeutung des Ausschlußgrunds der vorsätzlichen Schädigung kann nicht überschätzt werden. Wenn die Organmitglieder im Vorfeld einer Entscheidung um vollständige Sach- und Rechtsinformationen bemüht sind und sich ggf. ergänzend anwaltlich beraten lassen, liegt vielfach ein zumindest billigendes Inkaufnehmen vor, sofern es zu einem Pflichtverstoß kommt. Aus der Praxis ist daher die Einschätzung zu vernehmen, daß in gut zwei Dritteln der D&O-Versicherungsfälle seitens der Versicherer der Einwand der Vorsätzlichkeit bzw. Wissentlichkeit erhoben wird.87 Der Ausschlußgrund der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls greift nur in bezug auf die versicherte Person, der dieser Vorwurf zu machen ist. Eine Zurechnung des Vorsatzes gegenüber anderen Versicherten oder der Versicherungsnehmerin erfolgt nicht.88 Einige AVB sehen allerdings für den Zeitraum vor Vertragsschluß, also den Bereich der Rückwärtsversicherung, eine Zurechnung auf vertraglicher Grundlage vor.89 Eine solche Regelung ist für die Versicherten und die Versicherungsnehmerin problematisch, weil sie den Versicherungsschutz stark einschränkt.90 Sie stellt jedoch noch keine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 BGB dar. Denn weder weicht sie i.S.v. § 307 82 Voit/Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 152 Rn. 5; Penner, VersR 2005, 1359 (1360); a.A. Vothknecht, VW 2006, 488, Bezugspunkt sei allein die Pflichtverletzung selbst, nicht der dadurch herbeigeführte Schaden. 83 BGH, Urteil v. 26.5.1971 – IV ZR 28/70, VersR 1971, 806 (807); OLG Hamm, Urteil v. 24.8.1973 – 20 U 65/73, VersR 1973, 1133 (1135); OLG München, Urteil v. 11.1.1973 – 1 U 2473/72, VersR 1974, 1069 (1070). 84 Vothknecht, VW 2006, 488; Vorrath, VW 2006, 151 (152). 85 Vorrath, VW 2006, 151 (152). 86 Vorrath, VW 2006, 151 (152); vgl. auch OLG Köln, Urteil v. 27.4.1989 – 5 U 216/88, VersR 1990, 193: „Mit Hilfe des Anscheinsbeweises kann dagegen der Nachweis eines wissentlichen Verstoßes nicht erbracht werden, da es keinen Satz der Lebenserfahrung gibt, daß jedermann in Fällen der vorliegenden Art das Bewußtsein eines Pflichtverstoßes hat“. 87 Hendricks, VW 2006, 229. 88 Beckmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 28 Rn. 119; Seibt/Saame, AG 2006, 901 (909); insofern haben einfache severability clauses also nur deklaratorische Bedeutung, s. dazu Teil F. III. 4. d) bb). 89 Vgl. Beckmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 28 Rn. 119. 90 Beckmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 28 Rn. 119.

III. Der Verschuldensgrad

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Abs. 2 BGB von einer gesetzlichen Regelung ab, mit deren Grundgedanken dies nicht vereinbar wäre, noch schränkt sie wesentliche Rechte und Pflichten des Versicherten so stark ein, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet würde. Eine unangemessene Benachteiligung läßt sich insoweit auch nicht außerhalb der Regelbeispiele des § 307 Abs. 2 BGB annehmen. Der dort verankerte Maßstab von Treu und Glauben macht eine wertende Betrachtung der Klausel unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien erforderlich. Es sind auch die Belange des Verwenders einzustellen, namentlich das „Interesse an einer unkomplizierten Vertragsabwicklung und geschäftlichen Behandlung“.91 Der Versicherer kann ein Interesse daran geltend machen, durch die Zurechnung des Vorsatzes gegenüber den anderen Organmitgliedern zu verhindern, daß es aufgrund einer gesamtschuldnerischen Haftung dieser Personen zu einer Leistungspflicht kommt, obwohl in der Person des Schädigers der Ausschlußgrund der vorsätzlichen Begehung vorläge. Zugleich erhöht eine solche Klausel den Anreiz der Organmitglieder zur gegenseitigen Kontrolle.

c) Die vertragliche Konkretisierung des Verschuldensgrads aa) Die Anknüpfung des Ausschlusses an die Wissentlichkeit § 152 VVG a.F.92 bzw. § 103 VVG n.F.93 sind abdingbar. Das Vorsatzkriterium kann daher in den Versicherungsbedingungen konkretisiert bzw. modifiziert werden.94 Unter dieser Prämisse enthalten die AVB teilweise einen Ausschluß für „wissentliche“ Pflichtverletzungen.95 Diese Klausel wirft eine Auslegungsfrage auf. Es ist nach dem Wortsinn des Wissentlichkeitskriteriums unklar, ob es sich um eine Erweiterung oder eine Einschränkung des Vorsatzausschlusses nach § 103 VVG handelt.96 „Wissentlich“ könnte bedeuten, daß ein bloßes „Für-möglich-Halten“ nicht ausreicht und somit der bedingte Vorsatz ausgeschlossen ist.97 Die Wissentlichkeit wäre dann ein Teilbereich des Vorsatzes.98 Das Wissentlichkeitskriterium könnte im Gegenteil aber auch besagen, daß sogar eine nicht vorsätzliche, d.h. wenigstens bedingt gewollte 91 BGH, Urteil v. 24.9.1980 – VIII ZR 273/79, NJW 1981, 117 (118); s. auch BGH, Urteil v. 10.1.1996 – XII ZR 271/94, NJW 1996, 988 (989); BGH, Urteil v. 16.1.1985 – VIII ZR 153/83, BGHZ 93, 252 (263) – KfZ-Schmiermittel. 92 OLG München, Urteil v. 11.1.1973 – 1 U 2473/72, VersR 1974, 1069 (1070); Penner, VersR 2005, 1359 (1360). 93 BegrRegE BT-Drucks. 16/3945, S. 85; Seitz, VersR 2007, 1476 (1478). 94 OLG Hamm, Urteil v. 24.2.1988 – 20 U 255/87, VersR 1988, 1122 (1123); Voit/Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 152 Rn. 7. 95 Vgl. Lange, DStR 2002, 1674 (1676). 96 Diese Unklarheit auf vermeintliche Ungenauigkeiten in der wissenschaftlichen Diskussion zurückführend Vothknecht, VW 2006, 488 f. 97 Es wäre dann dolus directus erforderlich, dolus eventualis würde nicht ausreichen, so Vorrath, VW 2006, 151. 98 So Vothknecht, VW 2006, 488 f.

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

Handlung, tatbestandsmäßig ist, so daß auch der Bereich der Fahrlässigkeit umfaßt wäre.99 Das OLG Hamm hat in diesem Sinn entschieden, daß eine „wissentliche Pflichtverletzung“ nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig zu sein brauche. Vielmehr seien auch Fälle denkbar, in denen einfache Fahrlässigkeit den Tatbestand erfülle.100 Diese Ansicht des OLG Hamm begegnet Zweifeln. Wissentlichkeit bedeutet nach dem Sprachsinn, daß ein bloßes Wollen nicht ausreicht. Damit ist der bedingte Vorsatz ausgeschlossen, bei dem an die Stelle des Wissens das billigende Inkaufnehmen tritt.101 Die wissentliche Pflichtverletzung bzw. Schadenherbeiführung stellt also einen Teilbereich des vorsätzlichen Handelns dar, und nicht umgekehrt der Vorsatz einen Teilbereich der Wissentlichkeit. Ein Deckungsausschluß erfolgt nach dem Kriterium der Wissentlichkeit mithin nur bei dolus directus ersten und zweiten Grades.102 Diese Auslegung entspricht i.ü. der Begriffsinterpretation durch den BGH.103 Ein Synonym für den Begriff „wissentlich“ ist die Formulierung „bewußt“.104 Der Tatbestand der Wissentlichkeit ist somit enger als der des Vorsatzes, der auf Wissentlichkeit abstellende Ausschlußgrund mithin ebenfalls enger und für den Versicherungsnehmer deshalb günstiger.105 Vorrath kann in diesem Zusammenhang nicht gefolgt werden, wenn sie einerseits zutreffend meint, daß Wissentlichkeit den Eventualvorsatz ausklammere und den Ausschluß mithin auf dolus directus beschränke, sie andererseits den Vorsatzbegriff aber für „enger“ hält als den der wissentlichen Pflichtverletzung.106 Denn wenn Wissentlichkeit nur einen Teilbereich des Vorsatzes meint, scil. dolus directus, kann der

99

Unklar Vorrath, die in VW 2006, 575 (576) ausweislich ihres dort gegebenen Beispiels offenbar davon ausgeht, daß Wissentlichkeit vorliegen könne, wenn das betreffende Organmitglied „keine (vorsätzliche) Pflichtverletzung begehen“ wollte, und weiter die These implizit zurückweist, daß das Vorsatzkriterium den Wissentlichkeitsbegriff einschlösse. In VW 2006, 151 hatte die Verfasserin noch die Ansicht vertreten, daß beim Wissentlichkeitskriterium dolus directus erforderlich sei. 100 OLG Hamm, Urteil v. 24.2.1988 – 20 U 255/87, VersR 1988, 1122 (1123); nicht eindeutig in dieser Frage hingegen OLG Hamm, Beschluß v. 30.5.1995 – 20 W 2/95, NJW-RR 1995, 1431 (1432); OLG Hamm, Urteil v. 22.9.1995 – 20 U 38/95, VersR 1996, 1006 (1007). 101 Vorrath, VW 2006, 151; Mahncke, ZfV 2006, 540 (541). 102 Hendricks, VW 2006, 229; Vorrath, VW 2006, 151; Mahncke, ZfV 2006, 540 (541). 103 BGH, Urteil v. 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991, 176 (177): „Bedingter Vorsatz im Sinn eines nur Für-möglich-Haltens von Pflichten bestimmten Inhalts und ein diesen nur für möglich gehaltenen Pflichten zuwiderlaufendes Verhalten genügen demnach nicht zur Verwirklichung des Risikoausschlusses eines wissentlichen (oder bewußten) Pflichtverstoßes. … läßt bei diesen Verstößen – anders als § 152 VVG – nicht schon bedingten Vorsatz als Verschuldensform genügen, sondern fordert Dolus directus.“ 104 BGH, Urteil v. 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991, 176 (177); OLG Hamm, Urteil v. 13.10.1995 – 20 U 128/95, VersR 1996, 1006 (1007). 105 Mahncke, ZfV 2006, 540 (541). 106 Vorrath, VW 2006, 151.

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Bereich der Wissentlichkeit nicht zugleich weiter sein als der Vorsatzbegriff.107 Um Unklarheiten hinsichtlich der Auslegung einer Wissentlichkeitsklausel zu vermeiden, können die Parteien die Bedeutung in den AVB oder einer ergänzenden Regelung klarstellen108 bzw. die jeweilige Auslegung der Klausel seitens des Versicherers schriftlich bestätigen lassen.109

bb) Die Beschränkung des Vorsatzes auf die Pflichtverletzung (I.) Die Pflichtverletzung als Anknüpfungspunkt für den Ausschlußgrund Die AVB können ferner vorsehen, daß der Vorsatz sich nur auf die Pflichtverletzung bezieht, nicht aber auf den Erfolg, wie dies § 103 VVG n.F. (§ 152 VVG a.F.) entspräche.110 Es wird hierfür ein Deckungssausschluß bei „vorsätzlicher Pflichtverletzung“ vereinbart in Abgrenzung zu der vorsätzlichen Schadenherbeiführung.111 Der Leistungsausschluß wird dadurch gegenüber § 103 VVG also erweitert. Teilweise finden sich auch Haftungsausschlüsse für ein wissentliches Abweichen von Gesellschafterbeschlüssen, Vorschriften, Vollmachten oder Weisungen.112 Durch solche Regelungen können wichtige Handlungsbereiche vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, weil oft eine Vielzahl von Gesellschafterbeschlüssen oder Zustimmungskatalogen sowie sonstigen vertraglichen Beschränkungen besteht, sogar ohne daß die betreffenden Organmitglieder sich dieser vollständig bewußt sind. Derartige Klauseln bergen also die Gefahr erheblicher Deckungslücken.

(II.) Die Begrenzung des Ausschlußgrunds auf wissentliche Pflichtverletzungen Eine solche sachliche Erweiterung des Ausschlußgrunds durch Anknüpfung des subjektiven Elements an die Pflichtverletzung anstelle des Erfolgs kann wiederum mit einem Ausschluß des dolus eventualis kombiniert werden. Es wird dann von vornherein nur die wissentliche bzw. bewußte Pflichtverletzung in Gestalt des dolus directus für tatbestandsmäßig erklärt.113 Für die Gel107 Mit insoweit sachlich berechtigter Kritik an dieser These Vorraths Vothknecht, VW 2006, 488; Mahncke, ZfV 2006, 540 (542). 108 Hendricks, VW 2006, 229 f. weist aus Sicht der Praxis darauf hin, daß solche Klarstellungen bisweilen in Gestalt von Nebenabreden getroffen werden. 109 Mahncke, ZfV 2006, 540 (544). 110 BGH, Urteil v. 17.12.1986 – IV a ZR 166/85, VersR 1987, 174 (175); BGH, Urteil v. 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991, 176 (177); OLG Hamm, Urteil v. 24.2.1988 – 20 U 255/87, VersR 1988, 1122 (1123); OLG Hamm, Urteil v. 22.9.1995 – 20 U 38/95, VersR 1996, 1006 (1007); OLG Köln, Urteil v. 2.7.1996 – 9 U 14/96, VersR 1997, 1345 (1346); Seitz, VersR 2007, 1476 (1477 f.). 111 Vgl. Penner, VersR 2005, 1359 (1360); Vorrath, VW 2006, 151. 112 Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 180. 113 BGH, Urteil v. 17.12.1986 – IV a ZR 166/85, VersR 1987, 174 (175); BGH, Urteil v.

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tendmachung eines solchen Ausschlußgrunds muß der Versicherer zum einen aufzeigen, wie sich der Versicherte hätte verhalten müssen.114 Zum anderen muß er beweisen, daß der Versicherte gewußt hat, wie er sich hätte verhalten sollen.115 Nach Hansen sollen hingegen die Begriffe der Wissentlichkeit und des Vorsatzes identisch sein, soweit sie sich auf die Pflichtverletzung beziehen. Es bestehe nur dann eine Differenzierungsmöglichkeit zwischen beiden subjektiven Kriterien, wenn sie sich auch auf den Schaden erstreckten.116 Hansen meint, jede wissentliche Pflichtverletzung sei auch eine gewollte und mithin stets vorsätzlich.117 Das ist zwar richtig. „vorsätzlich“ ist aber nicht gleichbedeutend mit „wissentlich“. Denn bedingt vorsätzliche Pflichtverstöße sind nicht wissentlich. Und nicht jede Pflichtverletzung wird mit dolus directus begangen. Wer wissentlich, d.h. in Kenntnis der Fakten und Rechtslage, darauf vertraut, daß sein Verhalten keine gesetzliche Pflicht verletzt, handelt lediglich bedingt vorsätzlich. Wenn beispielsweise der Vorstand die Weisung erteilt, ein bestimmtes Rabattsystem zu praktizieren, welches nach Art. 102 AEUV verboten ist, und darauf vertraut, daß sein Unternehmen nicht marktbeherrschend ist, handelt er lediglich bedingt vorsätzlich, wenn das Unternehmen nach Abschluß eines kartellbehördlichen Verfahrens dennoch als marktbeherrschend angesehen und ein Verstoß festgestellt wird. Die Differenzierung zwischen Wissentlichkeit und Vorsatz im oben bezeichneten Sinn gilt daher unabhängig davon, ob der subjektive Ausschlußgrund sich auch auf den Schaden bezieht oder das Vorsatz- bzw. Wissentlichkeitskriterium in den AVB auf die Pflichtverletzung beschränkt wurde.118

cc) Die Gestaltungskombinationen des subjektiven Ausschlußgrunds Es kommen daher folgende Grundtypen einer vertraglichen Konkretisierung bzw. Modifikation des § 103 VVG in Betracht:119 Die unbeschränkt vorsätzliche Schadenverursachung entspricht dem gesetzlichen Leitbild des § 103 VVG. Die wissentliche Schadenverursachung begrenzt den Ausschluß auf dolus directus zu Lasten des Versicherers. Ein Abstellen auf die unbegrenzt vorsätzliche Pflichtverletzung erweitert den Ausschluß zugunsten des Versicherers dadurch, daß sich der Vorsatz nur auf die Pflichtverletzung, nicht hingegen auf den Scha26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991, 176 (177); OLG Hamm, Urteil v. 24.2.1988 – 20 U 255/87, VersR 1988, 1122 (1123); OLG Hamm, Urteil v. 22.9.1995 – 20 U 38/95, VersR 1996, 1006 (1007); OLG Köln, Urteil v. 2.7.1996 – 9 U 14/96, VersR 1997, 1345 (1346). 114 BGH, Urteil v. 17.12.1986 – IV a ZR 166/85, VersR 1987, 174 (175). 115 BGH, Urteil v. 17.12.1986 – IV a ZR 166/85, VersR 1987, 174 (175). 116 Hansen, VW 2006, 313. 117 Hansen, VW 2006, 313. 118 So wohl auch Mahncke, ZfV 2006, 540 (542). 119 Dazu Seitz, VersR 2007, 1476 (1478).

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den beziehen muß. Die Anknüpfung an die wissentliche Pflichtverletzung modifiziert schließlich § 103 VVG durch eine Begrenzung des Ausschlußgrunds auf dolus directus zugunsten des Versicherten und eine gleichzeitige strukturelle Erweiterung zugunsten des Versicherers, da der Schaden nicht von der Wissentlichkeit erfaßt sein muß. Diese Regelungstypen können kombiniert werden. So sieht Ziff. 5.1 AVBAVG120 einen Ausschluß von Haftpflichtansprüchen „wegen vorsätzlicher Schadenverursachung oder durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Beschluss, Vollmacht oder Weisung oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung“ vor. Nach dieser Klausel greift der Ausschluß, wenn die Schadenverursachung zumindest bedingt vorsätzlich erfolgt ist. Sofern kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung nachweisbar ist, kann sich der Versicherer auf Leistungsfreiheit berufen, falls eine jedenfalls wissentliche Pflichtverletzung i.S.d. dolus directus gegeben ist. Dieser zweite Ausschlußgrund wird in den AVB ggf. um Regelbeispiele, wie die wissentliche Abweichung vom Gesetz etc., ergänzt.

dd) Die Abgrenzung von Ausschlußgrund und Obliegenheit Für die Abgrenzung von Risikoausschluß und Obliegenheit kommt es darauf an, ob die Regelung eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das allein der Versicherer Versicherungsschutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers fordert, von dem es abhängt, ob er einen bestimmten Versicherungsschutz behält oder verliert.121 Da die oben genannten Modifikationen an den Leistungsausschluß des § 103 VVG n.F. (§ 152 VVG a.F.) anknüpfen und ihn zulässig abändern, sind sie dem Bereich des Leistungs- bzw. Risikoausschlusses zuzuordnen.122

ee) Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (I.) Die Einbeziehungskontrolle und die Unklarheitenregel In AGB-rechtlicher Hinsicht stellt sich die Frage, ob die Abbedingung des Erfordernisses des Schädigungsvorsatzes und mithin die Absenkung des Ausschlußgrunds auf die vorsätzliche Pflichtverletzung eine überraschende Klausel i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB darstellt.123 Der BGH hat hierzu bezüglich einer Ver120

Stand Januar 2008. OLG Hamm, Urteil v. 22.9.1995 – 20 U 38/95, VersR 1996, 1006 (1007). 122 BGH, Urteil v. 17.12.1986 – IV a ZR 166/85, VersR 1987, 174 (175); BGH, Urteil v. 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991, 176 (177); OLG Hamm, Urteil v. 24.2.1988 – 20 U 255/87, VersR 1988, 1122 (1123); OLG Hamm, Urteil v. 22.9.1995 – 20 U 38/95, VersR 1996, 1006 (1007); OLG Köln, Urteil v. 2.7.1996 – 9 U 14/96, VersR 1997, 1345 (1346). 123 Hinsichtlich der Kontrolle von D&O-AVB nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann sich ein weiteres allgemeines Problem ergeben, wenn Versiche121

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

mögensschadenhaftpflichtversicherung für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater entschieden, daß ein Überraschungsmoment nicht erkennbar sei, da von diesen Personengruppen eine Kenntnis und ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer berufsspezifischen Pflichten erwartet werden dürfe und daß deren Berufsethos sie von „wissentlichen Verstößen gegen Berufspflichten und Mandantenanweisungen eigentlich abhalten müßte“.124 Der Sache nach gilt diese Erwägung ebenso für D&O-Policen. Denn auch die Organmitglieder und leitenden Angestellten befinden sich in einer exponierten Pflichtenstellung, die von ihnen eine besondere Kenntnis dieser Pflichten und ordnungsgemäße Wahrnehmung erwarten läßt.125 Auch wenn es möglicherweise kein mit den Rechtsanwälten,126 Wirtschaftsprüfern127 oder Steuerberatern128 vergleichbar konturiertes Berufsethos gibt, so beruht auch der Bereich der Unternehmensleitung und -kontrolle auf ethischen Standards, die nicht nur im DCGK Ausdruck gefunden haben, sondern in der Tradition des „ehrbaren Kaufmanns“ verankert sind, der für den Bereich des Wirtschaftsrechts prägend ist. Die Anknüpfung des Versicherungssausschlusses an die Pflichtverletzung ist folglich auch in der D&O-Police nicht überraschend. Unklarheiten im Sinn von § 305c Abs. 2 BGB wirft die Kombination eines Verzichts auf den Schädigungsvorsatz mit der Einführung des Wissentlichkeitskriteriums ebenfalls nicht auf.129 rungsmakler eingeschaltet sind. Sofern der Versicherungsmakler ein eigenes Bedingungswerk erstellt, wie dies teilweise der Fall ist, erhebt sich die Frage, zu wessen Lasten Unklarheiten nach § 305c Abs. 2 BGB gehen. Dies hängt vom Verwenderbegriff ab. Ist der Versicherer hier Verwender, wirken sich die Unklarheiten zu seinen Lasten aus. Andernfalls würden Unklarheiten zu Lasten der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin gehen. Dies könnte bei Nachteilen für die Versicherungsnehmerin bzw. versicherte Person sodann zu Schadenersatzansprüchen gegen den Makler führen. Es handelt sich dabei aber nicht um ein D&O-spezifisches Problem, so daß der Problemkomplex hier nicht vertieft werden soll. 124 BGH, Urteil v. 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991, 176 (179). 125 Die Rechtsprechung wendet insoweit den Indizienbeweis an, daß die Organmitglieder alle geltenden Vorschriften kennen, die den eigenen Beruf regeln, LG Wiesbaden, Urteil v. 14.12.2004 – 1 O 180/03, VersR 2005, 545: „Jedenfalls in der hiesigen Konstellation, in welcher die versicherten Personen Vorstandsmitglieder eines börsennotierten Unternehmens waren, ist davon auszugehen, dass diese – jedenfalls im Allgemeinen – über die geltenden Gesetze orientiert waren. Hier liegt zumindest ein vermeidbarer und damit unbeachtlicher Verbotsirrtum vor. Der Irrtum über das Bestehen eines Gesetzes ist dann vermeidbar, wenn das Gesetz den Arbeitsbereich des Schädigers betrifft (OLG Bamberg vom 15.2.2001 – 1 U 49/00).“; OLG Köln, Urteil v. 27.4.1989 – 5 U 216/88, VersR 1990, 193 (194): „Dabei wird im allgemeinen davon ausgegangen werden können, daß bei Verstößen gegen Vorschriften, die speziell die berufliche Tätigkeit der versicherten Person betreffen, dieser die Vorschriften geläufig sind …“. 126 S. insbes. §§ 43, 43 a BRAO. 127 S. insbes. §§ 43, 43 a WiPrO. 128 S. insbes. § 57 StBerG. 129 BGH, Urteil v. 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991, 176 (179); die verschiedenen hierzu in der Literatur vertretenen Ansichten ändern daran nichts, denn es geht AGB-rechtlich nicht um die rechtswissenschaftliche Unumstrittenheit, sondern die Verständlichkeit aus Sicht des Vertragspartners.

III. Der Verschuldensgrad

371

(II.) Die Inhaltskontrolle Es fragt sich, wie die Konkretisierungen des § 103 VVG (§ 152 VVG alt) nach der Inhaltskontrolle des § 307 BGB zu beurteilen sind. Sofern der Deckungsausschlußgrund auf die wissentliche Schädigung begrenzt wird, ist eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers nicht gegeben, so daß § 307 Abs. 1 BGB ausscheidet. Klärungsbedürftig ist, ob die Begrenzung des Vorsatzes auf die Pflichtverletzung, d.h. die Ausklammerung des Schadens von der subjektiven Tatbestandsseite, eine unangemessene Benachteiligung begründen kann. Die Rechtsprechung hat einen solchen Regelungsgehalt bislang AGB-rechtlich nicht beanstandet, sofern zugleich der Vorsatz zugunsten des Versicherungsnehmers durch Einführung des Wissentlichkeitsmaßstabs auf dolus directus begrenzt wurde.130 Der BGH hat eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers durch Abweichen von dem gesetzlichen Leitbild des § 152 VVG a.F. (§ 103 VVG n.F.) mit der Begründung abgelehnt, daß gerade durch die Kombination des Fortfalls des Erfordernisses eines Schädigungsvorsatzes mit der Begrenzung des Ausschlußgrunds auf dolus directus dem wesentlichen Gehalt der Norm Rechnung getragen werde.131 Der aus dem ersten Regelungselement resultierende Nachteil für den Versicherungsnehmer werde durch den Vorteil aus dem zweiten „ausgeglichen“.132 Eine solche Bilanzierung von Vor- und Nachteilen ist AGB-rechtlich zulässig, da es sich um sachlich zusammenhängende Regelungen handelt, die zueinander in einem Wechselverhältnis stehen.133 Wenn der Vorsatz indes nicht zugunsten des Versicherungsnehmers auf dolus directus beschränkt ist, gleichwohl aber der Ausschlußgrund zugunsten des Versicherers durch Verzicht auf das Erfordernis eines Schädigungsvorsatzes ausgedehnt wird, liegt eine einseitige Benachteiligung des Versicherungsnehmers vor, die nicht mehr durch eine gegenläufige Begrenzung des Ausschlußgrunds ausgeglichen wird. Erhebt man einen solchen Nachteilsausgleich, auf den der BGH abgestellt hat, also zum entscheidenden Kriterium, um eine unangemessene Benachteiligung zu verneinen, müßte eine solche Regelung an der Inhaltskontrolle des § 307 BGB scheitern. Zur Beurteilung der Unangemessenheit bedarf es aber einer umfassenden Würdigung der Regelung unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien.134 Es sind insbesondere auch die sich aus der Rechtsordnung ergeben130 BGH, Urteil v. 17.12.1986 – IV a ZR 166/85, VersR 1987, 174 (175); BGH, Urteil v. 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991, 176 (177); OLG Hamm, Urteil v. 24.2.1988 – 20 U 255/87, VersR 1988, 1122 (1123); OLG Hamm, Urteil v. 22.9.1995 – 20 U 38/95, VersR 1996, 1006 (1007); OLG Köln, Urteil v. 2.7.1996 – 9 U 14/96, VersR 1997, 1345 (1346). 131 BGH, Urteil v. 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991, 176 (179). 132 BGH, Urteil v. 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991, 176 (179). 133 Vgl. BGH, Urteil v. 29.11.2002 – V ZR 105/02, NJW 2003, 888 (889 ff.). 134 BGH, Urteil v. 24.9.1980 – VIII ZR 273/79, NJW 1981, 117 (118); s. auch BGH, Ur-

372

G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

den allgemeinen Bewertungskriterien einzubeziehen.135 In diesen Wertungsvorgang ist zunächst einzustellen, daß der vorgenannte Ausschlußgrund nur greift, wenn der eingetretene Schaden auch tatsächlich das Endglied einer Kausalkette ist, die durch eine vorsätzliche Pflichtverletzung des Versicherten in Gang gesetzt wurde.136 Durch dieses Kausalitätserfordernis wird bereits eine gewichtige Begrenzung des Haftungssausschlusses hergestellt. Für Schäden, die nicht zweifelsfrei auf eine vorsätzliche Pflichtverletzung zurückzuführen sind, besteht Deckung. Es kommt ein weiterer rechtssystematischer Grund hinzu, der für die AGBrechtliche Zulässigkeit spricht. Zwar begrenzt § 103 VVG (§ 152 VVG alt) für die als Haftpflichtversicherung zu qualifizierende D&O-Versicherung den Leistungsausschluß auf Vorsatz. § 103 VVG (§ 152 VVG alt) verdrängt § 81 Abs. 2 VVG, der bei grober Fahrlässigkeit ein Leistungsminderungsrecht vorsieht (bzw. früher § 61 VVG, der auch die grobe Fahrlässigkeit als Leistungsausschlußgrund ausreichen ließ). Die D&O-Versicherung ist nämlich nicht als Eigenschadenversicherung oder „unechte Eigenschadenversicherung“137 zu qualifizieren, so daß § 81 Abs. 2 VVG (bzw. § 61 VVG alt) weder direkt noch analog zur Anwendung kommt.138 Dennoch müssen im Rahmen der AGBrechtlichen Problematik die Wertungen berücksichtigt werden, die der Differenzierung zwischen § 103 VVG und § 81 Abs. 2 VVG zugrunde liegen. § 103 VVG stellt für den Versicherungsnehmer der Haftpflichtversicherung eine Privilegierung hinsichtlich des Ausschlußgrunds dar, die der Gesetzgeber bei einer allgemeinen Schadenversicherung nicht in diesem Umfang für geboten hält, weil er für die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls ein Kürzungsrecht des Versicherers vorsieht. Wenn nun aber die Komponente der Sicherung eines Eigenschadens der Gesellschaft in Gestalt des Ausfallrisikos bei Innenhaftungsansprüchen ein wichtiges Motiv für den Abschluß einer D&O-Versicherung ist, nähert sich die Interessenlage derjenigen an, die § 81 Abs. 2 VVG (§ 61 VVG alt) zugrunde liegt. Da trotz einer der Eigenschadenversicherung ähnlichen Interessenlage der engere Leistungsausschlußgrund des § 103 VVG n.F. gilt, stellt es keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar, wenn der Ausschlußgrund durch eine Begrenzung auf die Pflichtverletzung unter Ausklammerung des Schädigungsvorsatzes wieder graduell ausgedehnt wird. teil v. 10.1.1996 – XII ZR 271/94, NJW 1996, 988 (989); BGH, Urteil v. 16.1.1985 – VIII ZR 153/83, BGHZ 93, 252 (263) – KfZ-Schmiermittel. 135 Heinrichs, in: Palandt, BGB, 66. Aufl. 2007, § 307 Rn. 8. 136 Dies hebt auch der BGH hervor, BGH, Urteil v. 26.9.1990 – IV ZR 147/89, VersR 1991, 176 (179). 137 So aber Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, 1997, S. 243 f. 138 Teil G. III. 2. a); a.A. offenbar Ihlas, D&O, 2. Auflage 2009, S. 458, der § 81 Abs. 2 VVG nur für irrelevant hält, weil grobe Fahrlässigkeit in der D&O-Versicherung kein Ausschlußgrund sei.

III. Der Verschuldensgrad

373

ff) Die praktische Bedeutung vertraglicher Konkretisierungen des Vorsatzausschlusses Es bleibt die Frage, wie groß die praktische Bedeutung vertraglicher Konkretisierungen des Vorsatzausschlusses ist. Wenn dolus directus sowohl hinsichtlich der Pflichtverletzung als auch des Schadens gegeben ist, spielen die oben erörterten Regelungen keine Rolle, denn der Ausschlußgrund ist in jedem Fall verwirklicht. Vertragliche Modifikationen erlangen abhängig von der konkret getroffenen Regelung also nur Relevanz, wenn mit dolus eventualis gehandelt wurde oder der Vorsatz in bezug auf die Schädigung gefehlt hat. Stimmen aus der Praxis vermelden, daß diese Fälle kaum Bedeutung haben. Regelmäßig sei, wenn Anlaß zur Prüfung des Vorsatzausschlusses bestehe, direkter Vorsatz sowohl hinsichtlich der Pflichtverletzung als auch des Schadens vorzufinden.139

gg) Die Pflichtverletzungen im Interesse des Unternehmens Der Leistungsausschluß für vorsätzliche bzw. wissentliche Schädigung oder Pflichtverletzung kann zu einem Zielkonflikt führen, wenn die pflichtwidrige Handlung im Interesse des Unternehmens begangen wurde, etwa um von diesem einen Schaden abzuwenden.140 Sofern durch eine solche Pflichtverletzung mit nützlicher Intention ein Schadenersatzanspruch der Gesellschaft oder eines Dritten gegen das Organmitglied begründet wurde,141 stellt sich die Frage, ob sich der Versicherer auf den Ausschlußgrund berufen kann. § 103 VVG (§ 152 VVG alt) gibt keinen Ansatzpunkt dafür, Pflichtverletzungen, die mit dem Ziel begangen wurden, dem Unternehmen rechtswidrige Vorteile zu verschaffen, zuzulassen. Eine vorsätzliche bzw. wissentliche Pflichtverletzung bzw. Schädigung ist daher auch dann gegeben, wenn die Handlung dazu diente, andere Schäden von der Gesellschaft abzuwenden oder ihr sonstige Vorteile zu sichern.142 Es ist damit die Frage aufgeworfen, ob in den AVB geregelt werden kann, daß der Ausschlußgrund nicht greift, wenn und soweit das Organmitglied zwecks Abwendung eines anderweitigen Schadens oder aus anderen Motiven in Verfolgung von Vorteilen für die Gesellschaft gehandelt hat.143 Hier gilt wiederum

139

Mahncke, ZfV 2006, 540 (543). Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 180. 141 Die Problematik sog. nützlicher Pflichtverletzung betrifft die corporate governanceDiskussion. Es geht darum, inwieweit eine Pflichtverletzung im Verhältnis zur Gesellschaft ausgeschlossen sein kann, wenn das Organmitglied einen „efficient breach of regulatory law“ zugunsten des Unternehmens begangen hat. Die Thematik betrifft mithin die Entstehung des Anspruchs, nicht die Versicherung oder Freistellung. Dieser Fragenkreis soll daher vorliegend nicht vertieft werden, hierzu z.B. Fleischer, ZIP 2005, 141; Habetha, DZWiR 1995, 272 (275 ff.). 142 Vorrath, VW 2006, 151 (152). 143 Vgl. Mahncke, ZfV 2006, 540 (544). 140

374

G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

der Grundsatz, daß § 103 VVG (§ 152 VVG alt) abdingbares Recht darstellt.144 Da sich eine Begrenzung des Ausschlusses hinsichtlich nützlicher Pflichtverletzungen zu Lasten des Versicherers auswirkt, ist AGB-rechtlich dagegen nichts einzuwenden. Es gelten jedoch die allgemeinen zivilrechtlichen Grenzen, insbesondere des § 138 BGB. Demnach darf eine Leistungspflicht grundsätzlich nicht für vorsätzliche Schädigungen vereinbart werden; nur eine Konkretisierung des Vorsatzausschlusses nach § 103 VVG kommt in Betracht. Soweit also der Ausschlußgrund im Rahmen des Vorgesagten konkretisiert werden darf, kann auch ergänzend auf die subjektive Zwecksetzung der Handlung abgestellt werden.145

IV. Der zeitliche Geltungsbereich 1. Die D&O-Versicherung a) Das claims made-Prinzip Gemäß § 100 VVG (§ 149 VVG alt) hat sich der Versicherer bei der Haftpflichtversicherung, zu der die D&O-Versicherung zählt, dazu verpflichtet, dem Versicherungsnehmer bzw. Versicherten die Leistung zu ersetzen, die dieser aufgrund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat. Der Versicherungsfall wird in den D&O-AVB grundsätzlich als die erstmalige, i.d.R. schriftliche,146 Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gegen eine versicherte Person durch Dritte oder durch den Versicherungsnehmer aufgrund einer tatsächlichen oder behaupteten Pflichtverletzung definiert.147 Dem D&O-Versicherungsvertrag liegt somit das Anspruchserhebungsprinzip, auch claims made-Prinzip, zugrunde. Es kommt also nicht auf den Zeitpunkt der Pflichtverletzung an, sondern den der Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs. Dadurch wird im Grundsatz eine unbeschränkte Nachhaftung ausgeschlossen, was im D&O-Versiche144

Voit/Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 152 Rn. 7 sowie Teil G.

III. 1. 145

Dazu Teil G. III. 1. So regelmäßig die AVB, vgl. Ziff. 2 AVB-AVG: „… Im Sinne dieses Vertrages ist ein Haftpflichtanspruch geltend gemacht, wenn gegen eine versicherte Person ein Anspruch schriftlich erhoben wird oder ein Dritter der Versicherungsnehmerin, einer Tochtergesellschaft oder der versicherten Person schriftlich mitteilt, einen Anspruch gegen eine versicherte Person zu haben.“ 147 Ziff. 2 AVB-AVG (Stand Januar 2008): „Versicherungsfall ist die erstmalige Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gegen eine versicherte Person während der Dauer des Versicherungsvertrages. Im Sinn dieses Vertrages ist ein Haftpflichtanspruch geltend gemacht, wenn gegen eine versicherte Person ein Anspruch schriftlich erhoben wird oder ein Dritter der Versicherungsnehmerin, einer Tochtergesellschaft oder der versicherten Person schriftlich mitteilt, einen Anspruch gegen eine versicherte Person zu haben.“ (Hervorheb. im Original). 146

IV. Der zeitliche Geltungsbereich

375

rungsgeschäft deshalb von Bedeutung ist, weil Ersatz der Schäden vielfach erst mehrere Jahre nach einer Pflichtverletzung eingefordert wird und die Prämienkalkulation angesichts solcher Unwägbarkeiten ansonsten problematisch wäre. Einzelne Stimmen erheben aus diesem Grund Bedenken nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.148 Es handle sich bei der Regelung des claims made-Prinzips schon um eine überraschende Klausel, weil die Versicherungsnehmerin mit den damit verbundenen „massiven Einschränkungen“ des Versicherungsschutzes nicht zu rechnen brauche. Außerdem sei das claims made-Prinzip nach § 307 Abs. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, weil nach Vertragsbeendigung ein „jahrelanger Zeitraum haftungsrechtlicher Ungewißheit“ entstünde. Zu Recht werden diese Bedenken im übrigen Schrifttum jedoch nicht erhoben, und auch die Rechtsprechung hat sich – soweit ersichtlich – bisher nicht in diesem Sinn geäußert. Vielmehr hat das OLG München in einer richtungweisenden Entscheidung vom 8. Mai 2009 diese Einwände zurückgewiesen.149 Denn das claims made-Prinzip ist ein Charakteristikum des Rechtsprodukts D&O-Versicherung, das ausnahmslos allen Bedingungswerken zugrunde liegt. Hinzu kommt, daß es sich bei der D&O-Versicherung mittlerweile auch in Deutschland um ein verbreitetes Produkt handelt, dessen wesentliche Prinzipien markteinheitlich gehandhabt werden. Auch wenn in bezug auf die diversen Deckungsausschlüsse die AVB stark voneinander abweichen können, so ist das claims made-Prinzip doch einer der wenigen gemeinsamen Nenner aller Bedingungswerke. Es kann daher nicht angenommen werden, daß das claims made-Prinzip eine überraschende Klausel darstellt.150 Daß mit der Beendigung eines D&O-Versicherungsvertrags auch der Versicherungsschutz entfällt, ist eine normale schuldrechtliche Folge, die schon grundsätzlich keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB darstellt. Ebenso erscheint es zweifelhaft, ob eine unangemessene Benachteiligung damit begründet werden könnte, daß mit Ausscheiden eines Organmitglieds aus dem Unternehmen die Deckung nach dem claims made-Prinzip strukturbedingt endet. Daß insoweit eine Deckungslücke für das ausgeschiedene Organmitglied entstehen kann, liegt bei dem claims made-Prinzip in der Natur der Sache. Diese Konsequenz findet ihre sachliche Rechtfertigung in der andernfalls nicht mehr handhabbaren Prämienkalkulation, weil sich die Zeit-

148

Pant, in: Hauschka, Corporate Compliance, 2007, § 12 Rn. 6 ff. OLG München, Urteil v. 8.5.2009 – 25 U 5136/08, VersR 2009, 1066; so bereits die Vorinstanz LG München I, Urteil v. 25.9.2008 – 12 O 20461/07, VersR 2009, 210 = BeckRS 2008, 21805. 150 So jetzt auch mit diesen Erwägungen OLG München, Urteil v. 8.5.2009 – 25 U 5136/08, VersR 2009, 1066; so bereits die Vorinstanz LG München I, Urteil v. 25.9.2008 – 12 O 20461/07, VersR 2009, 210 = BeckRS 2008, 21805; dazu Sieg/Schramm, PHi 2009, 28. 149

376

G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

räume, innerhalb derer Ansprüche geltend gemacht werden können, kaum belastbar eingrenzen lassen. Die beschriebenen Folgen können desungeachtet durch Vereinbarung einer Nachdeckung bzw. Erstreckung des Versicherungsschutzes auf ausgeschiedene Organmitglieder aufgefangen werden. Dies ist freilich mit einem Prämienaufschlag verbunden. Das claims made-Prinzip trägt also auch dem Interesse der Versicherungsnehmerin an möglichst niedrigen Prämien Rechnung. Es läßt sich daher nicht sagen, daß die Gesellschaft – auf die als Vertragspartnerin des D&O-Versicherungsvertrags bei der Kontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB abzustellen wäre, wenn man entgegen dem LG München I eine Inhaltskontrolle vornähme – durch diesen Regelungsgehalt unangemessen benachteiligt würde.

b) Die Nachhaftungsklausel Die AVB sehen denn auch in der Regel eine Nachhaftung vor, so daß nach Beendigung des Vertrags keine Deckungslücke eintritt.151 Die Nachhaftung gilt für Versicherungsfälle, welche dem Versicherer innerhalb der Nachfrist gemeldet werden, soweit sie auf Pflichtverletzungen beruhen, die während des Zeitraums der Versicherung – oder, soweit vereinbart, während der Dauer der Rückwärtsversicherung – begangen wurden.152 Dem Vernehmen nach wird die Nachhaftung häufig ohne zusätzliche Prämienzahlung gewährt. Darin weicht die Praxis von der Empfehlung des GDV ab.153 Die Anwendung eines reinen claims made-Prinzips würde bedeuten, daß auch Schadenersatzansprüche für Pflichtverletzungen versichert sind, die zeitlich vor dem Abschluß des Versicherungsvertrags lagen, wie dies für einige D&O-Versicherungsverträge gilt.154 Um das vorvertragliche Schadenrisiko auszuschließen, kombinieren einige D&O-Versicherer aber das Anspruchserhebungsprinzip mit dem Verstoßprinzip, wie dies auch Ziff. 3.1 der AVBAVG vorsieht.155 Der Versicherungsschutz wird dadurch an die doppelte Bedingung geknüpft, daß nicht nur die Geltendmachung des Schadenersatzan-

151

Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 115. Vgl. Ziff. 3.3. Abs. 2 AVB-AVG (Stand: Januar 2008). 153 Vgl. Ziff. 3.3 AVB-AVG (Stand Januar 2008): „Wird der Versicherungsvertrag durch den Versicherer nicht oder nicht zu denselben Konditionen verlängert, so hat die Versicherungsnehmerin das Recht, innerhalb eines Monats nach Ablauf des Vertrages gegen Zahlung eines zusätzlichen Beitrages in Höhe von ……. % des letzten Jahresbeitrages die Vereinbarung einer Nachmeldefrist von einem Jahr zu verlangen; dies gilt nicht für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Versicherungsnehmerin sowie in den Fällen der Vertragsbeendigung gem. Ziffer 9.2.“ 154 Vgl. Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 150. 155 Stand Januar 2008: „Versicherungsschutz besteht für während der Dauer des Versicherungsvertrages eingetretene Versicherungsfälle wegen Pflichtverletzungen, welche während der Dauer des Versicherungsvertrages begangen wurden.“ 152

IV. Der zeitliche Geltungsbereich

377

spruchs während der Dauer des Versicherungsvertrags erfolgt, sondern auch die zugrunde liegende Pflichtverletzung in diesem Zeitraum stattgefunden hat. Die Versicherungsbedingungen können ferner vorsehen, daß die Nachhaftungszeit unabhängig von ihrer Befristung endet, wenn eine andere Organhaftpflichtversicherung abgeschlossen wird. Hierdurch kann es zu Deckungslücken kommen, sofern die Rückwärtsversicherung der neuen Organhaftpflichtversicherung einen Schaden, der ansonsten von der Nachhaftung der vorherigen Versicherung gedeckt wäre, nicht erfaßt. Das ist möglich, wenn der Schaden, der an sich unter die Nachhaftung der ersten Versicherung fiele, dem Versicherten zum Zeitpunkt des Abschlusses der neuen Organhaftpflichtversicherung bekannt ist und damit nicht unter die in ihr enthaltene Rückwärtsversicherung fällt. Hinsichtlich der Nachhaftungsfrist ist zu berücksichtigen, daß die Verjährung der Haftung erst mit dem Schluß des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat.156 Daher ist mitunter selbst eine fünfjährige Nachhaftungsfrist nicht ausreichend, sofern keine Anschlußversicherung mit einer entsprechenden Rückwärtsdeckung greift.157

c) Die Rückwärtsversicherung Ziff. 3.2 AVB-AVG sieht ergänzend eine Rückwärtsversicherung vor.158 Durch sie sind Ansprüche versichert, die auf Pflichtverletzungen beruhen, welche vor dem Vertragsschluß begangen wurden.159 Die Möglichkeit der Rückwärtsversicherung ergibt sich aus § 2 Abs. 1 VVG.160 Da sich die Versicherung auf ein ungewisses Ereignis beziehen muß, ordnet § 2 Abs. 2 S. 2 VVG an, daß der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, wenn der Versicherungsnehmer bei der Schließung des Vertrags bereits weiß, daß der Versicherungsfall schon eingetreten ist. Bei der Fremdversicherung, zu der die D&O-Versicherung gehört, kommt gem. § 47 VVG (§ 79 Abs. 1 VVG alt) hierbei neben der Kenntnis der Versicherungsnehmerin auch die Kenntnis der Versicherten in Betracht.161 156

Vgl. Notthoff, NJW 2003, 1350 (1352); Seibt/Saame, AG 2006, 901 (910). Seibt/Saame, AG 2006, 901 (910). 158 Stand Januar 2008: „Durch besondere Vereinbarung kann im Falle des Wechsels des Versicherers der Versicherungsschutz bei Ansprüchen Dritter (nicht der Versicherungsnehmerin oder einer Tochtergesellschaft) erweitert werden auf Versicherungsfälle wegen Pflichtverletzungen, welche vor Beginn dieses Versicherungsvertrages begangen wurden. Dies gilt jedoch nicht für solche Pflichtverletzungen, welche eine versicherte Person, die Versicherungsnehmerin oder eine Tochtergesellschaft bei Abschluss dieses Versicherungsvertrages kannte oder hätte kennen müssen …“ 159 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, 110, 114. 160 Die Vorschrift hat sich inhaltlich durch die VVG-Novelle nicht geändert. 161 Vgl. OLG Köln, Urteil v. 6.6.1952 – 4 U 285/51, VersR 52, 268; Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 2 Rn. 14. 157

378

G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

§ 2 Abs. 2 S. 2 VVG meint die positive Kenntnis, nicht das Kennenmüssen.162 Es ist aber möglich, in den Versicherungsbedingungen diesbezüglich auf das Kennenmüssen abzustellen, wie dies Ziff. 3.2 AVB-AVG vorsieht. Früher waren derartige Regelungen in den D&O-AVB relativ weit verbreitet, wie berichtet wird; mittlerweile sind sie nur noch selten anzutreffen. Die Versicherungsbedingungen können alternativ dazu auch vorsehen, daß eine die Leistungspflicht ausschließende Kenntnis bzw. ein Kennenmüssen sich nicht auf die Pflichtverletzung, sondern die Anspruchsgeltendmachung bezieht. Selbst eine positive Kenntnis von der Pflichtverletzung schadet dann nicht, sofern auf dieser Grundlage noch kein Anspruch erhoben wurde oder dies dem Organmitglied noch nicht bekannt ist.

2. Die Freistellungsvereinbarung a) Rückwirkende Freistellung und Nachhaftung Was Freistellungsvereinbarungen anbelangt, ist bezüglich der Definition des Sicherungsfalls keine einheitliche Praxis erkennbar. Möglich sind die Vereinbarung des Verstoßprinzips ebenso wie des claims made-Prinzips oder Kombinationen beider Modelle. Hinsichtlich der sachlichen Erwägungen, die für das claims made-Prinzip und seine Modifikationen sprechen können, gilt grundsätzlich dasselbe wie in der D&O-Versicherung. Allerdings wird der Aspekt der Prämienkalkulation grundsätzlich keine Bedeutung haben, weil Freistellungsvereinbarungen regelmäßig ohne Gegenleistung getroffen werden. Auch zu der zeitlichen Reichweite haben sich bei Freistellungsvereinbarungen in der Kautelarpraxis keine Standards entwickelt. Soweit das claims made-Prinzip angewandt wird, kommen hinsichtlich der Absicherung vergangener Risiken und der Nachhaftung ebenfalls dieselben Regelungen in Betracht, wie sie in der D&O-Versicherung bekannt sind. Daher können die Parteien der Freistellungsvereinbarung stipulieren, daß auch Haftpflichtfälle aus der Zeit vor Vertragsschluß erfaßt sein sollen. Sie können ebenso vereinbaren, daß Ansprüche, die nach dem Ausscheiden des Organmitglieds aus dem Amt oder der Beendigung der Freistellungsvereinbarung163 erhoben werden, noch abgedeckt sind.

162 163

Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 2 Rn. 14. Zu den Gründen für eine Vertragsbeendigung s. Teil B. III. 2. a) bb) (II.) (3.).

IV. Der zeitliche Geltungsbereich

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b) Das Problem „ewiger“ Freistellungsvereinbarungen aa) Die Zweckmäßigkeit zeitlicher Begrenzungen Von der Frage der Rückwirkung und Nachhaftung zu trennen ist die Laufzeit. Die Parteien können die Vereinbarung befristen oder unter Bedingungen stellen, etwa daß der Freistellungsgläubiger Organmitglied in einer bestimmten Gesellschaft ist oder der Freistellungsschuldner Anteilseigner dieser Gesellschaft. Ergänzend wird vielfach die Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts zweckmäßig sein. Insbesondere wenn ein hohes Haftungsrisiko besteht, das stark von Unwägbarkeiten abhängt, kann die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung für den Freistellungsschuldner eine condicio sine qua non dafür sein, die Verpflichtung überhaupt einzugehen.

bb) Die zivilrechtlichen Grundsätze der Bewertung ordentlich-unkündbarer Schuldverhältnisse Wenn die Freistellungsvereinbarung hingegen weder eine Befristung noch ein ordentliches Kündigungsrecht enthält und auch unter keiner auflösenden Bedingung steht, könnte dies im Hinblick auf § 138 BGB wegen der dann unbegrenzten Bindungsdauer problematisch sein. Der BGH hat zwar einerseits anerkannt, daß der Schuldrechtsordnung kein allgemeines Verbot langfristiger oder dauerhafter Verträge zu entnehmen ist.164 Andererseits hat die Rechtsprechung aber auch entschieden, daß Dauerschuldverhältnisse gegen § 138 BGB verstoßen können, wenn sie eine der Parteien wegen des Fehlens ordentlicher Kündigungsrechte in eine hinsichtlich ihrer Folgen nicht prognostizierbare wirtschaftliche Abhängigkeit bringen.165 Eine unbefristete und unkündbare Freistellung zu Gunsten eines Organmitglieds könnte ebenfalls eine in den Folgen kaum abschätzbare wirtschaftliche Abhängigkeit des Freistellungsschuldners schaffen. Denn der Freistellungsschuldner wäre dauerhaft mit dem auf das Organmitglied entfallenden unternehmerischen Risiko belastet.166 Bevor § 138 BGB überhaupt greifen kann, ist eine ohne zeitliche Begrenzungen formulierte Freistellungsvereinbarung aber darauf zu untersuchen, ob in ihr eine konkludente Abrede über ihre Beendigung enthalten ist. Wenn eine Freistellungsvereinbarung mit einem einzelnen Organmitglied abgeschlossen 164 BGH, Urteil v. 7.5.1975 – VIII ZR 210/73, BGHZ 64, 288 (290), in bezug auf einen dauerhaften Wärmelieferungsvertrag: „Der das Schuldrecht bestimmende Grundsatz der allgemeinen Vertragsfreiheit eröffnet auch die Möglichkeit, rechtsgeschäftliche Bindungen über einen langen Zeitraum einzugehen. Grundsätzlich verstößt das weder gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) noch gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).“ 165 BGH, Urteil v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 (297 ff.); BGH, Urteil v. 31.3.1982 – I ZR 56/80, BGHZ 83, 313 (315 ff.); BGH, Urteil v. 22.2.1980 – V ZR 135/76, WM 80, 877; Krüger-Nieland/Zöller, in: BGB RGRK, 1982, § 138 Rn. 79. 166 Darauf abstellend auch Habersack, in: Festschrift für Ulmer, 2003, S. 151 (167 f.).

380

G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

wurde, ist diese regelmäßig gem. §§ 157, 133 BGB nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte sowie entsprechend dem wirklichen Willen der Parteien dahin auszulegen, daß sie sich nur auf die Amtszeit des betreffenden Organmitglieds in der jeweiligen Gesellschaft bezieht. Sofern sie in Betreff eines bestimmten Vorhabens geschlossen wurde, etwa einer riskanten Unternehmensübernahme, ist sie auf dieses Geschäft sachlich und zeitlich begrenzt. Eine Unwirksamkeit der Freistellungsvereinbarung nach § 138 BGB wegen überlanger Bindungsdauer oder fehlender zeitlicher Begrenzung dürfte daher keine praktische Bedeutung haben.

V. Die summenmäßige Begrenzung von D&O-Versicherung und Freistellung 1. Der Deckungsumfang, die aggregate limits und der Selbstbehalt a) Die Jahresmaximierung Der Deckungsumfang der D&O-Versicherung ist in verschiedener Hinsicht begrenzt. Abhängig vom Risiko kann er von EUR 250.000 bis EUR 25 Mio. im Standardgeschäft und bis zu EUR 500 Mio. im Großrisikogeschäft betragen.167 Wie bereits ausgeführt, richtet sich die Berechnung der Versicherungsprämie in der D&O-Fremdversicherung nach unternehmensbezogenen Parametern und nicht nach dem individuellen Risiko der einzelnen versicherten Personen, was insbesondere bei der Versicherung von outside directorships zu Problemen führen kann.168

b) Die aggregate limits Üblicherweise unterliegt der Höchstbetrag einer doppelten Begrenzung. Die Höchstgrenze bezieht sich zunächst auf den einzelnen Schaden. Darüber hinaus wird vielfach auch eine Höchstgrenze pro Jahr in Form eines sog. aggregate limit vereinbart, da bei der D&O Versicherung die Gefahr erheblicher Frequenzschäden besteht.169 Mehrere Versicherungsfälle dürfen daher eine bestimmte Jahreshöchstsumme nicht überschreiten. Auch ohne aggregate limits kann es aber leicht zu einer Überschreitung der Deckungssumme kommen, 167

Dreher ZHR 165 (2001), 293 (298). Teil G I. 1. a) bb) IV. 169 Nach Ziff. 4.3 AVB-AVG soll die im Versicherungsschein angegebene Deckungssumme zugleich die Jahreshöchstleistung definieren: „Für den Umfang der Leistung des Versicherers ist die im Versicherungsschein angegebene Versicherungssumme der Höchstbetrag für jeden Versicherungsfall und für alle während eines Versicherungsjahres eingetretenen Versicherungsfälle zusammen. Kosten gemäß Ziffer 4.4 sind darin inbegriffen.“ 168

V. Die summenmäßige Begrenzung von D&O-Versicherung und Freistellung

381

wenn eine Serienschadenklausel vereinbart wurde, durch die mehrere Schäden zu einem Schadenereignis oder mehrere Versicherungsfälle zu einem Versicherungsfall verknüpft werden.170

c) Der Selbstbehalt Der Deckungsumfang kann des weiteren durch einen Selbstbehalt eingeschränkt sein. § 93 Abs. 2 S. 3 AktG schreibt ihn für Vorstandsmitglieder vor. Er ist in den übrigen Fällen gesellschaftsrechtlich nicht vorgeschrieben, sondern eine freiwillige Regelung, der insoweit allein Zweckmäßigkeitserwägungen zugrunde liegen.171

2. Die Erstreckung auf gerichtliche und außergerichtliche Kosten a) Die Regelung des § 101 Abs. 1 S. 1 VVG Der Versicherungsschutz der D&O-Versicherung erstreckt sich gem. § 101 Abs. 1 S. 1 VVG (§ 150 Abs. 1 S. 1 VVG alt) sowohl auf die gerichtlichen als auch auf die außergerichtlichen Kosten, die durch die Verteidigung gegen den von einem Dritten geltend gemachten Anspruch entstehen, soweit die Kosten den Umständen nach geboten sind. Die AVB konkretisieren die zu übernehmenden Kosten vielfach i.S.v. Ziff. 4.4 AVB-AVG.172 Grundsätzlich gehören dazu die Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten sowie Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung des Schadens. Auch Schadenermittlungskosten und Reisekosten können eingeschlossen sein. Gemäß der Verpflichtung des Versicherers nach § 101 Abs. 1 S. 1 VVG (§ 150 Abs. 1 S. 1 VVG alt), die Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Verteidigung zu tragen, sind diese auch dann zu übernehmen, wenn sie zusammen mit der übrigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen.173 Da die Kosten der Verteidigung beispielsweise wegen der Notwendigkeit, spezialisierte Rechtsberater und Gutachter einzuschalten, deutlich höher ausfallen können als in anderen Arten der Haftpflichtversicherung, wird in den AVB vielfach geregelt, daß die Kosten auf die Versicherungssumme anzurechnen sind.174 Inwie170

Zu Serienschadenklauseln im einzelnen s. unten Teil G. VI. Dazu im einzelnen Teil D. V. und VI. 172 Stand Januar 2008: „Kosten sind: Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten, Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung des Schadens bei oder nach Eintritt des Versicherungsfalles sowie Schadenermittlungskosten, auch Reisekosten, die dem Versicherer nicht selbst entstehen. Dies gilt auch dann, wenn diese Kosten auf Weisung des Versicherers entstanden sind.“ 173 Langheid, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, § 150 Rn. 7; Voit/Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 150 Rn. 10. 174 Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 168. 171

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

weit sich ein etwaiger Selbstbehalt auch auf die Kosten erstreckt, hängt von der Regelung in den AVB ab.175 Fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung dazu, ist der Selbstbehalt nicht auf die Kosten anzuwenden.176

b) Die Auswirkungen des Vorsatzausschlusses nach § 103 VVG auf die Kostenerstattung Der Versicherungsausschluß für eine vorsätzliche Pflichtverletzung nach § 103 VVG (§ 152 VVG alt) bzw. eine vertragliche Ausdehnung des Ausschlußgrunds auf wissentliche Pflichtverletzungen führt zu praktischen Schwierigkeiten, wenn die Verschuldensfrage im Rahmen einer außergerichtlichen oder gerichtlichen Auseinandersetzung zunächst noch geklärt werden muß. In der Praxis ist die Regelung üblich, daß die Kosten der Rechtsverteidigung vorgestreckt werden bis zur endgültigen Klärung der Frage über das Vorliegen des subjektiven Ausschlußgrunds. Steht nach Beendigung der Rechtsverteidigung fest, daß der Ausschlußgrund greift, sind die Kosten dem Versicherer zurückzuerstatten. Die entsprechende Rückzahlungspflicht wird in den Versicherungsbedingungen teils an die rechtskräftige Feststellung des Vorsatzes bzw. der Wissentlichkeit geknüpft, teils wird Rechtskraft nicht vorausgesetzt. Es stellt sich daher die Frage, ob § 103 VVG (§ 152 VVG alt) verletzt ist, wenn nach einer nicht rechtskräftigen Feststellung des Vorliegens der Ausschlußvoraussetzungen in der ersten Instanz weiterhin eine Kostenübernahme durch den Versicherer bis zur rechtskräftigen Entscheidung erfolgt. Das käme in Betracht, weil § 103 VVG (§ 152 VVG alt) die übrigen Versicherten davor schützen soll, einen vorsätzlich herbeigeführten Schaden zu tragen. Da die Zahlungsfähigkeit des Versicherten nach rechtskräftiger Feststellung des Ausschlußgrunds i.d.R. stärker gefährdet ist als nach der erstinstanzlichen Entscheidung hierüber, könnten die vorgestreckten Kosten dann möglicherweise nicht mehr zurückerstattet werden, was dem Normzweck des § 103 VVG (§ 152 VVG alt) zuwider liefe.177 Eine Verletzung des § 103 VVG (§ 152 VVG alt) kann in solchen Fällen dennoch nicht angenommen werden, denn der Regelung läßt sich nicht entnehmen, daß der Versicherungsschutz bereits dann gesperrt sein soll, wenn die bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit besteht, daß es zu einer rechtskräftigen Feststellung des Vorsatzelements kommt.

175

Zum Selbstbehalt und der Kostentragung s. ausführlich unter Teil D. VI. Voit/Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 150 Rn. 10. 177 Im Ergebnis daher wohl einen Verstoß gegen § 152 VVG alt bejahend Olbrich, die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 181 f. 176

VI. Die Serienschadenklausel

383

VI. Die Serienschadenklausel 1. Der Regelungsgegenstand Durch Serienschadenklauseln werden mehrere Schäden zu einem Schadenereignis oder mehrere Versicherungsfälle zu einem Versicherungsfall verknüpft. Serienschadenklauseln sind in Vermögensschadenhaftpflichtversicherungen, insbesondere den Berufshaftpflichtversicherungen der Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, gängig178 und spielen auch in der D&O-Versicherung eine wichtige Rolle.179 Der Zweck der Regelung liegt darin, Multiplikationsrisiken einzugrenzen, indem die Versicherungssumme pro Serie von Schadenereignissen oder Versicherungsfällen bzw. pro Serie und laufender Versicherungsperiode nur einmal zur Verfügung gestellt werden muß. Nr. 4.6 AVB-AVG180 schlägt folgende Klausel vor: „Unabhängig von den einzelnen Versicherungsjahren gelten mehrere während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrages geltend gemachte Ansprüche eines oder mehrerer Anspruchsteller a) aufgrund einer Pflichtverletzung, welche durch eine oder mehrere versicherte Personen begangen wurde, b) aufgrund mehrerer Pflichtverletzungen, welche durch eine oder mehrere versicherte Personen begangen wurden, sofern diese Pflichtverletzungen demselben Sachverhalt zuzuordnen sind und miteinander in rechtlichem, wirtschaftlichem oder zeitlichem Zusammenhang stehen, als ein Versicherungsfall. Dieser gilt unabhängig von dem tatsächlichen Zeitpunkt der Geltendmachung der einzelnen Haftpflichtansprüche als in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem der erste Haftpflichtanspruch geltend gemacht wurde. Liegt die erste Pflichtverletzung zeitlich vor Beginn des Versicherungsvertrages oder einer vereinbarten Rückwärtsversicherung, so gelten alle Pflichtverletzungen dieser Serie als nicht versichert.“ Die AVB der D&O-Versicherer weichen von diesem Formulierungsvorschlag lediglich in Einzelheiten ab.181 Die Serienschadenklausel dient den Interessen des Versicherers, weil die Versicherungsleistung für Serienschäden begrenzt wird – er muß insoweit lediglich die Jahresmaximierung zur Verfügung stellen.182 Sie bringt aber auch für den Versicherten Vorteile mit sich. Zum einen bewirkt sie, daß ein vereinbarter Selbstbehalt bei einem Serienschaden nur einmal in Ansatz gebracht wird, was den Versicherten erheblich entlasten kann.183 Zum anderen macht 178 Dazu von Rintelen, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 26 Rn. 325 ff. 179 Hierzu Säcker, VersR 2005, 10 (13 f.); Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1173 ff.). 180 Stand Januar 2008. 181 So die Feststellungen bei Langheid/Grote, VersR 2005, 1163 (1173). 182 Langheid/Grote, VersR 2005, 1163 (1174). 183 Vgl. BGH, Urteil v. 23.1.1991 – IV ZR 173/90, VersR 1991, 417. Es lagen dort bei einer Eigenschadenversicherung 56 Pflichtverletzungen eines Bankangestellten vor, die der BGH

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

die Serienschadenklausel die D&O-Versicherung vielfach erst kalkulier- und finanzierbar.184 Ohne sie wären die Prämien oft nicht mehr erschwinglich.

2. Die Regelungsbestandteile Die Serienschadenklausel setzt sich aus mehreren Regelungselementen zusammen, die im folgenden zu untersuchen sind. Zunächst legt sie fest, daß die Versicherungssumme nur einmal zur Verfügung steht, wenn dem Geschädigten mehrere Personen haften.185 Ohne diese Begrenzung käme es zu dem sachlich nicht gerechtfertigten Ergebnis, daß sich die Versicherungssumme bei einem identischen Schaden abhängig von der Anzahl der haftenden Personen vergrößern würde. Insbesondere hinsichtlich der gesamtschuldnerisch haftenden Organmitglieder ist diese Begrenzung daher notwendig. Des weiteren enthält die Serienschadenklausel eine Verklammerung dergestalt, daß die Versicherungssumme nur einmal zur Verfügung steht, wenn ein einheitlicher Schaden durch mehrere Verstöße verursacht wird.186 Andernfalls wäre die Deckungssumme bezüglich desselben Schadens mehrmals geschuldet, falls nicht eine, sondern mehrere Pflichtverletzungen den identischen Schaden ausgelöst haben. Als drittes Element der Serienschadenklausel werden alle Pflichtverletzungen, die „demselben Sachverhalt zuzuordnen sind“, zusammengezogen, sofern sie „miteinander in rechtlichem, wirtschaftlichem oder zeitlichem Zusammenhang stehen“. Es gelten kraft dieser Fiktion187 also sämtliche Pflichtverletzungen, die innerhalb desselben Sachverhalts begangen wurden, als Einheit, auch wenn sie wiederum zu unterschiedlichen Schäden geführt haben.

zu einem Versicherungsfall zusammenzog, so daß der Selbstbehalt in Höhe von 3.000 DM nur einmal anfiel. Dazu auch Langheid/Grote, VersR 2005, 1163 (1174). 184 Langheid/Grote, VersR 2005, 1163 (1175). 185 Vgl. von Rintelen, in: Beckmann-Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 26 Rn. 326. 186 Von Rintelen, in: Beckmann-Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 26 Rn. 327. 187 Langheid/Grote, VersR 2005, 1163 (1174).

VI. Die Serienschadenklausel

385

3. Die Frage der notwendigen Beschränkung der Serienschadenklausel auf das jeweilige Versicherungsjahr In bezug auf die Serienschadenklausel in der D&O-Versicherung wurde vereinzelt die Ansicht vertreten, daß eine solche Verklammerung immer nur „Handlungen“ innerhalb eines Versicherungsjahrs betreffen könne.188 Andernfalls müßte die Versicherungsnehmerin zwar jedes Jahr die Prämie neu zahlen, könne aber mit einer einzigen Deckungssumme „abgespeist“ werden. Dadurch werde die D&O-Versicherung entwertet. Diese Sehweise impliziert aber zunächst zu Unrecht, daß in der D&O-Versicherung die Handlung den Versicherungsfall definiert. Es gilt aber in der D&O-Versicherung das claims made-Prinzip.189,190 Desungeachtet ist der Einwand, die D&O-Versicherung würde entwertet, sachlich nicht zustimmungswürdig. Denn für die Serienschadenklausel bestehen sowohl aus Sicht des Versicherers als auch des Versicherten und – im Hinblick auf die Prämienkalkulation – der Versicherungsnehmerin anzuerkennende Interessen, wie soeben gezeigt. Auch ist nicht erkennbar, daß die Serienschadenklausel in der dargestellten Form gegen ein gesetzliches Verbot im Sinn des § 134 BGB verstieße. Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB sind angesichts der Interessen aller Beteiligten an ihr ebenfalls nicht ersichtlich.

4. Die Beurteilung nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen a) Die Anwendbarkeit des AGB-Rechts Die Serienschadenklausel ist sodann nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu beurteilen. Nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB findet eine Inhaltskontrolle nur für Bestimmungen statt, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Daraus folgt im Umkehrschluß, daß Leistungsbeschreibungen, durch die die Art oder der Umfang der Hauptleistung definiert werden, keiner Inhaltskontrolle unterliegen.191 Klärungsbedürftig ist also, worunter der Aspekt der Fiktion eines einheitlichen Versicherungsfalls durch die Serienschadenklausel fällt. Die Abgrenzung zwischen kontrollfähigen Geschäftsbedingungen und von § 307 Abs. 1 und 2 BGB nicht erfaßten Inhaltsbeschreibungen ist exegetisch schwer zu fassen, da § 307 Abs. 3 S. 1 BGB den hinter dieser Abgrenzung ste188

Säcker, VersR 2005, 10 (13). Dazu Teil G. IV. 1. a). 190 Langheid/Grote, VersR 2005, 1163 (1174 f.). 191 BGH, Urteil v. 12.3.1987 – VII ZR 37/86, BGHZ 100, 157 (173), Fuchs, in: Ulmer/ Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl. 2006, § 307 Rn. 14 ff. 189

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

henden rechtlichen Gedanken nur unvollkommen zum Ausdruck bringt.192 Der BGH legt einen strengen Maßstab an. Nach seiner Rechtsprechung verbleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden könnte. Die Ausnahme von der Kontrolle soll sich daher auf die essentialia negotii beschränken.193 Es ist mithin nur der eigentliche Kern der Leistungszusage194 der Inhaltskontrolle entzogen, im übrigen bleibt aber ein weiter Bereich der richterlichen Überprüfbarkeit bestehen.195 Wendet man diese Grundsätze auf die Serienschadenklausel an, liegen die Voraussetzungen für die Durchführung der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB vor. Denn die Regelung über Serienschäden ist kein essentiale negotii des Versicherungsvertrags. Im Gegenteil folgt aus § 100 VVG (§ 149 VVG alt) für die Haftpflichtversicherung, daß der Versicherer verpflichtet ist, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser aufgrund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat. Das VVG schreibt zwar nicht vor, welcher Vorgang in der Haftpflichtversicherung den Eintritt des Versicherungsfalls auslöst.196 § 100 VVG (§ 149 VVG alt) legt aber fest, daß die finanzielle Abdeckung der aus dem einzelnen Haftpflichtfall erwachsenen Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers einem Dritten gegenüber Gegenstand des Leistungsversprechens des Versicherers ist. Hiervon weicht eine Serienschadenklausel ab, in der mehrere Versicherungsfälle für die Regulierung durch den Versicherer zu einem einzigen gebündelt werden.197 Die Klausel betrifft somit die Modalitäten der Hauptleistungspflicht, stellt aber nicht den Kern der Leistungszusage dar, weil es ohne sie nicht an einem bestimmbaren Vertragsinhalt fehlte.

192

Vgl. Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl. 2006, § 307 Rn. 14. BGH, Urteil v. 12.3.1987 – VII ZR 37/86 BGHZ 100, 157 (174); BGH, Urteil v. 5.10.1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305 (315) – Klöckner: „Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung, die sich im Rahmen der von Gesetz und Recht gewährleisteten Freiheit vertraglicher Gestaltung bewegen, unterliegen nach § 8 AGB-Gesetz keiner Inhaltskontrolle …“. 194 Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl. 2006, § 307 Rn. 41; zur Bestimmung des Leistungskerns s. auch Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt, 1991, S. 265 ff. 195 Diesen Praxisbefund attestierend H. P. Westermann, ZBB 1989, 36 (39); Ulmer, BB 1982, 584 (586), Wolf/Pfeiffer, JZ 1988, 388 (392); vgl. auch Koch/Stübing, Allgemeine Geschäftsbedingungen, 1977, § 8 Rn. 3; Roth, AcP 190 (1990), 292 (314) (die „Rechtsprechung kontrolliert nicht, wo sie darf, sondern wo sie will“); ferner Römer, in: Festschrift für Egon Lorenz, 1994, S. 449 (457 f.) hinsichtlich der Inhaltskontrolle von Versicherungsbedingungen. 196 BGH, Urteil v. 28.11.1990 – IV ZR 184/89, VersR 1991, 175 (176); Voit/Knappmann, in: Prölss-Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 149 Rn. 12. 197 BGH, Urteil v. 28.11.1990 – IV ZR 184/89, VersR 1991, 175 (176). 193

VI. Die Serienschadenklausel

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b) Die Inhaltskontrolle Es fragt sich daher, ob die Serienschadenklausel des vorgestellten Inhalts den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Der BGH hat dies und damit die AGB-rechtliche Unwirksamkeit für eine Serienschadenklausel einer Berufshaftpflichtversicherung für Architekten und Ingenieure, BHB § 1 Nr. 3a198, angenommen. Die Besonderheit dieser Regelung lag darin, daß sie auf jede zeitliche und vor allem sachliche Verknüpfung von gemeinsamer Fehlerquelle, den Verstößen und den Eintritt der Schäden verzichtete.199 Dadurch überschritt sie nach Ansicht des BGH die berechtigten Interessen des Versicherers und benachteiligte die Versicherungsnehmer unangemessen. 200 Nach teilweise vertretener Ansicht soll diese Rechtsprechung auf die Serienschadenklausel in der D&O-Versicherung i.S.v. Nr. 4.6 AVB-AVG Anwendung finden und ihr daher entgegenstehen, sofern die Klammerwirkung nicht auf das einzelne Versicherungsjahr begrenzt werde. 201 Denn andernfalls enthalte die Serienschadenklausel keine zeitliche Limitierung, wie vom BGH in dem vorgenannten Fall gefordert. Diese Betrachtung überdehnt aber die Aussage des Judikats. Der BGH hat nämlich nicht die zeitliche Verklammerung als solche beanstandet, sondern gerügt, daß die Klausel selbst keinerlei zeitliche oder sachliche Verknüpfung voraussetzte. Nr. 4.6 AVB-AVG tut dies aber und verlangt einen rechtlichen, wirtschaftlichen oder zeitlichen Zusammenhang. Die Verklammerung von Versicherungsfällen, die sich nach dem claims-madePrinzip richten und in verschiedenen Versicherungsjahren eintreten, steht einem zeitlichen Zusammenhang nicht entgegen. Die BGH-Rechtsprechung zu BHB § 1 Nr. 3a paßt daher für die Serienschadenklausel in der D&O-Versicherung nicht. 202 Darüber hinaus hat der BGH in dem genannten Fall gerade hervorgehoben, daß eine Serienschadenklausel zwar zu einer Schmälerung des Versicherungsschutzes führt. Dies allein reiche aber nicht aus, so der BGH weiter, um sie als unangemessen und deshalb unzulässig anzusehen. 203 Ein gewisses Interesse an der Vereinbarung einer Serienschadenklausel könne den Versicherern nicht abgesprochen werden, weil sie unsorgfältigem Verhalten entgegenwirke und dadurch Haftpflichtfälle zu vermeiden helfe. 204 Demgemäß hat der BGH mehrfach 198

VerBAV 77, 302 f. „Die Versicherungssummen stehen…nur einmal zur Verfügung, wenn mehrere auf gemeinsamer Fehlerquelle beruhende Verstöße zu Schäden an einem Bauwerk oder mehreren Bauwerken führen, auch wenn diese Bauwerke nicht zum selben Bauvorhaben gehören.“ 200 BGH, Urteil v. 28.11.1990 – IV ZR 184/89, VersR 1991, 175 (176). 201 Säcker, VersR 2005, 10 (13). 202 Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1175). 203 BGH, Urteil v. 28.11.1990 – IV ZR 184/89, VersR 1991, 175 (176). 204 BGH, Urteil v. 28.11.1990 – IV ZR 184/89, VersR 1991, 175 (176). 199

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

die Zulässigkeit von Serienschadenklauseln, die den vorgenannten Einwänden nicht ausgesetzt waren, bestätigt.205 Dies zugrunde gelegt, ist auch nicht erkennbar, daß eine Serienschadenklausel, die nicht auf das Versicherungsjahr begrenzt ist, an der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB scheitern würde. 206

c) Die restriktive Auslegung der Serienschadenklausel Der BGH verlangt aber eine restriktive Auslegung der Serienschadenklausel. 207 Eine solche Regelung in den AVB ist als Risikobegrenzungsinstrument nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise fordert. 208 Zu § 3 II Nr. 2c S. 2 AVB-Vermögen 209 hat der BGH daher geurteilt, daß eine Serienschadenklausel nicht zur Fiktion eines einheitlichen Versicherungsfalls führt, wenn selbständige Mandate aufgrund derselben Fehlvorstellung des versicherten Beraters schlecht erfüllt werden. 210 Ein gegenteiliges Verständnis wiche vom wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 100 VVG (§ 149 VVG alt) zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab, weil danach die finanzielle Abdeckung der aus dem einzelnen Haftpflichtfall erwachsenden Verantwortlichkeit geschuldet sei. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer brauche aber nicht damit zu rechnen, daß sein Versicherungsschutz lückenhaft ist, wozu eine solche Auslegung führen würde, ohne daß ihm diese hinreichend verdeutlicht wurde. 211 Das bedeutet, daß es sich um dieselbe Ursache handeln muß, nicht lediglich um eine gleiche oder gleichartige.212 Nicht ausreichend ist es mithin, wenn eine Vielzahl von Schäden oder Versicherungsfällen lediglich auf einen gemeinsamen Fehlerursprung zurückzuführen ist, der zu immer wiederkehrenden Fehlleistungen des Versicherten geführt hat. 213

205 BGH, Urteil v. 27.11.2002 – IV ZR 159/01, VersR 2003, 187; BGH, Urteil v. 17.9.2003 – IV ZR 19/03, VersR 2003, 1389 f.; Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1175). 206 So aber Säcker, VersR 2005, 10 (13). 207 BGH, Urteil v. 27.11.2002 – IV ZR 159/01, VersR 2003, 187 f.; BGH, Urteil v. 17.9.2003 – IV ZR 19/03, VersR 2003, 1389 f. 208 BGH, Urteil v. 27.11.2002 – IV ZR 159/01, VersR 2003, 187 (188); BGH, Urteil v. 17.9.2003 – IV ZR 19/03, VersR 2003, 1389 (1390). 209 VerBAV 1989, 347. 210 BGH, Urteil v. 17.9.2003 – IV ZR 19/03, VersR 2003, 1389 (1390). 211 BGH, Urteil v. 17.9.2003 – IV ZR 19/03, VersR 2003, 1389 (1390). 212 BGH, Urteil v. 27.11.2002 – IV ZR 159/01, VersR 2003, 187 (188). 213 Vgl. Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1174).

VIII. Die Öffnungsklausel

389

VII. Die Eigenschadenklausel Ziff. 4.2 AVB-AVG sieht eine weitere Kürzung der Deckung in bezug auf versicherte Personen vor, die an der Versicherungsnehmerin kapitalmäßig beteiligt sind. 214 Sofern Innenhaftungsansprüche der Gesellschaft gegen ein solches Organmitglied geltend gemacht werden, soll der Versicherungsschutz um die Quote der Kapitalbeteiligung des Versicherten gekürzt werden. In der Praxis wird eine solche Eigenschadenklausel grundsätzlich erst ab einer gewissen Mindest-Beteiligungsquote vereinbart. 215 Der Sinn dieser Regelung liegt darin, eine Eigenschadendeckung auszuschließen und insbesondere einer Kollusionsgefahr im Innenverhältnis entgegenzuwirken. Die Eigenschadenklausel kann den D&OVersicherungsschutz insbesondere bei inhabergeführten kleinen und mittelständischen GmbH praktisch entwerten. Aus dem Markt ist jedoch zu vernehmen, daß die Verbreitung von Eigenschadenklauseln während der weichen Marktphase der letzten Jahre zurückgegangen ist.

VIII. Die Öffnungsklausel 1. Der Regelungsgegenstand Eine erhebliche Einschränkung des D&O-Versicherungsschutzes kann durch sog. Öffnungsklauseln 216 erfolgen. Sie regeln, daß Schadenersatzansprüche der Versicherungsnehmerin, scil. der Gesellschaft, oder eines Tochterunternehmens nur dann gedeckt sind, wenn sie nicht auf Weisung, Veranlassung oder Empfehlung bestimmter Organe geltend gemacht werden. Ziff. 1.3 S. 1 AVBAVG217 formuliert das wie folgt: „Versicherungsschutz für Schadenersatzansprüche der Versicherungsnehmerin gegen versicherte Personen besteht unter der Voraussetzung, dass diese von der Hauptversammlung oder der Gesellschafterversammlung initiiert und auch gerichtlich geltend gemacht werden, es sei denn, der Versicherer verzichtet auf die Voraussetzung der gerichtlichen Geltendmachung.“ Die Öffnungsklausel hat den Zweck, eine Kollusion zwischen Versicherungsnehmerin und versicherter Person zu verhindern. 214

Stand Januar 2008: „Besteht eine mittelbare oder unmittelbare Kapitalbeteiligung der versicherten Personen, die eine Pflichtverletzung begangen haben bzw. von Angehörigen dieser versicherten Personen … an der Versicherungsnehmerin bzw. einer vom Versicherungsschutz erfassten Tochtergesellschaft, so umfasst der Versicherungsschutz bei Ansprüchen der Versicherungsnehmerin bzw. einer vom Versicherungsschutz erfassten Tochtergesellschaft nicht den Teil des Schadenersatzanspruchs, welcher der Quote dieser Kapitalbeteiligung entspricht.“ 215 Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 166. 216 Bisweilen auch als „Öffentlichkeitsklausel“ bezeichnet. 217 Stand Januar 2008.

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

2. Die aktienrechtliche Problematik Öffnungsklauseln sind aktienrechtlich problematisch, weil sie mit der Pflicht des Aufsichtsrats in Widerstreit geraten können, Organhaftungsansprüche gegen den Vorstand grundsätzlich geltend zu machen. Die Anspruchserhebung unter den Vorbehalt des Hauptversammlungsbeschlusses zu stellen, scheint dieser originären Aufsichtsratspflicht zu widersprechen. Es ist aber bereits fraglich, ob eine Öffnungsklausel für den Aufsichtsrat überhaupt „starke Anreize“ setzt, Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder nicht zu realisieren, wie es vereinzelt heißt. 218 Denn der Aufsichtsrat ist nach der ARAG-Rechtsprechung hierzu grundsätzlich verpflichtet. Er würde sich mithin selbst einem Organhaftungsanspruch aussetzen, falls er auf die Geltendmachung des Anspruchs allein aus Gründen der dann fehlenden Innenhaftungsdeckung durch die D&O-Versicherung verzichten würde. Auch eine moralische Hemmschwelle, den Organhaftungsanspruch gegen den Vorstand geltend zu machen, dürfte grundsätzlich nicht bestehen. Denn wenn der D&O-Versicherungsvertrag von vornherein eine Öffnungsklausel enthält, steht fest, daß die Innenhaftungsansprüche praktisch nicht gedeckt sind. Diese Deckungslücke ist dann nicht auf die Geltendmachung des Anspruchs durch den Aufsichtsrat zurückzuführen, sondern auf die Begrenztheit des Versicherungsschutzes. Bei wirtschaftlicher Betrachtung ist der Haftungsfall nicht anders zu beurteilen, als wenn eine auf die Außenhaftung beschränkte D&O-Versicherung abgeschlossen worden wäre. Die Bedenken gegen eine verhaltenssteuernde Wirkung der Öffnungsklausel, die der ARAG-Rechtsprechung zuwiderlaufen könnte, sind daher unbegründet. Folglich bleibt allein zu prüfen, ob es im Rahmen der ARAG-Rechtsprechung einen anzuerkennenden Grund für das Absehen von der Geltendmachung eines Anspruchs durch den Aufsichtsrat darstellen könnte, wenn hierfür aufgrund einer Öffnungsklausel im Einzelfall kein D&O-Versicherungsschutz bestünde. Selbst wenn aber zweifelhaft sein sollte, ob die Forderung aufgrund der Deckungslücke voll realisierbar ist, könnte dies nicht dazu berechtigen, von einer Anspruchserhebung abzusehen. Denn auch ohne D&O-Deckung wird jedenfalls ein Teilbetrag aus dem persönlichen Vermögen des Organmitglieds beizutreiben sein.

218 So Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 191 f., im Ergebnis eine aktienrechtliche Unwirksamkeit dennoch zu Recht ablehnend.

VIII. Die Öffnungsklausel

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3. Die Beurteilung nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen a) Die Einbeziehungskontrolle Wenn sonach die aktienrechtliche Zulässigkeit der Öffnungsklausel feststeht, 219 ist abschließend zu untersuchen, welche Fragen sich im Hinblick auf ihre Einbeziehung nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergeben. Sie könnte eine überraschende Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB darstellen, wenn sie das erforderliche Überraschungsmoment aufwiese. Ein solches liegt vor, wenn der andere Teil mit der Klausel „nicht zu rechnen braucht“. 220 Die Regelung muß mithin einen „Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt“ haben. 221 Das Vorliegen eines Überraschungsmoments beurteilt sich grundsätzlich nach den Erkenntnismöglichkeiten des typischerweise zu erwartenden Durchschnittskunden. 222 Es fehlt, wenn eine in sich verständliche Klausel drucktechnisch so wiedergegeben ist, daß ihre Kenntnisnahme durch den Kunden erwartet werden kann. 223 Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist fraglich, ob einer Öffnungsklausel das nach § 305c BGB erforderliche Überraschungsmoment zugeschrieben werden kann. Zum einen ist die Öffnungsklausel aus sich heraus verständlich. Zum anderen wird sie in der Praxis grundsätzlich drucktechnisch so hervorgehoben, daß sie ebenso wie andere Vertragsklauseln vom Versicherungsnehmer zur Kenntnis genommen werden kann. Weiter muß berücksichtigt werden, daß es sich bei den Versicherungsnehmerinnen bzw. deren gesetzlichen Vertretern um Handelsgesellschaften bzw. geschäftserfahrene Personen handelt, von denen eine Kenntnisnahme des Inhalts der Klausel zu erwarten ist. 219

Ob und inwieweit Öffnungsklauseln als Konkretisierung von § 81 VVG (§ 61 VVG alt) angesehen werden können, der den Versicherer von der Leistungspflicht ganz oder teilweise befreit, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, kann auf sich beruhen. Ebenso kann offen bleiben, ob es sich dabei um eine Konkretisierung des § 103 VVG (§ 152 VVG alt) handelt, der vorsätzliche Schädigungen von der Haftpflichtversicherung ausnimmt. Denn auch wenn beide Fragen zu verneinen wären, würde dies nichts an der aktienrechtlichen Zulässigkeit ändern. Unklar daher insoweit die Ausführungen von Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 178 ff., der zunächst die vorgenannten Aspekte untersucht und zu dem Ergebnis kommt, daß es sich nicht um eine Konkretisierung der §§ 61, 152 VVG alt handelt, gleichwohl aber annimmt, daß die Öffnungsklausel aktienrechtlich unbedenklich sei. 220 Heinrichs, in: Palandt, 67. Aufl. 2008, § 305c Rn. 4. 221 BGH, Urteil v. 20.2.1987 – V ZR 249/85, BGHZ 100, 82 (85); BGH, Urteil v. 10.11.1989 – V ZR 201/88, NJW 1990, 576 (577). 222 BGH, Urteil v. 8.5.1987 – V ZR 89/86, BGHZ 101, 29 (33); BGH Urteil v. 23.5.1984 – VIII ZR 27/83, NJW 1985, 850 (851); BGH, Urteil v. 30.6.1995 – V ZR 184/94, NJW 1995, 2637 (2638). 223 BGH, Urteil v. 24.9.1980 – VIII ZR 273/79, NJW 1981, 117 (118).

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

b) Die Inhaltskontrolle Es ist deshalb zu untersuchen, ob eine Öffnungsklausel der Inhaltskontrolle des § 307 BGB standhält. Die Literatur nimmt teilweise eine unangemessene Benachteiligung an, da die Öffnungsklausel den D&O-Versicherungsschutz für Innenhaftungsfälle weitgehend ausschließe und dies dem eigentlichen Vertragszweck der D&O-Versicherung entgegenlaufe. 224 Die D&O-Versicherung solle die Haftung von Organmitgliedern generell abdecken, also auch unter Einschluß der Innenhaftung. Außerdem schaffe die Öffnungsklausel Anreize für den Aufsichtsrat, Innenhaftungsansprüche zu Lasten der Gesellschaft nicht geltend zu machen. Diese Thesen sind zu überprüfen. Gemäß dem Regelbeispiel des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB wäre eine unangemessene Benachteiligung anzunehmen, wenn die Klausel wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so stark einschränken würde, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre. Die Natur des Vertrags wird durch seinen Zweck und Inhalt bestimmt. 225 Hierbei ist neben gesetzlichen Wertungen betreffend den Vertrag das durch die Verkehrsauffassung geprägte Leitbild des Vertrags zu berücksichtigen.226 Freilich gehört beim D&O-Versicherungsvertrag der Deckungsschutz für Innenhaftungsfälle jedenfalls bei den auf dem deutschen Markt angebotenen Produkten 227 zum vertraglichen Leitbild. Die Öffnungsklausel greift in dieses wesentliche Recht auch unbestreitbar insoweit ein, als die Geltendmachung des Versicherungsanspruchs unter eine weitere Voraussetzung gestellt wird. Indes ist nicht erkennbar, daß hierdurch die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wird. Dieses Merkmal hat eine eigenständige Bedeutung neben der Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten, so daß von letzterem nicht ohne weiteres auf ersteres geschlossen werden darf. 228 Daß die Erreichung des Vertragszwecks nicht gefährdet ist, folgt bereits daraus, daß die Öffnungsklausel nur den Innenhaftungsanspruch betrifft und sich somit nicht auf die Leis224 Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, 2007, S. 174 f.; Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 196. 225 Heinrichs, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 307 Rn. 32. 226 Heinrichs, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 307 Rn. 32. 227 Zur Versicherung von Innenhaftungsansprüchen auf dem U.S.-Markt s. Teil C. I. 228 BGH, Urteil v. 3.3.1988 – X ZR 54/86, BGHZ 103, 316 (324): „Die Revision läßt außer acht, daß nach der Regelung des § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders nicht ohne weiteres schon dann anzunehmen ist, wenn wesentliche Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, eingeschränkt werden; es muß vielmehr hinzukommen, daß dadurch die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wird. Das in dieser Regelung zum Ausdruck kommende Verbot der Aushöhlung wesentlicher Vertragspflichten und -rechte besagt, daß Allgemeine Geschäftsbedingungen dem Vertragspartner nicht solche Rechtspositionen nehmen oder einschränken dürfen, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck zu gewähren hat …“.

VIII. Die Öffnungsklausel

393

tungspflicht des Versicherers in ihrer Gesamtheit bezieht, d.h. einschließlich der Deckung für Außenhaftungsansprüche. Außerdem führt die Öffnungsklausel nicht zu einem Ausschluß der Deckung für Innenhaftungsansprüche, sondern implementiert nur eine zusätzliche Leistungsbedingung. Das Erfordernis eines Beschlusses der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung erschwert damit zwar die Erlangung der Versicherungsleistung, die im wirtschaftlichen Ergebnis den Anspruch zugunsten der Gesellschaft absichert; 229 sie gefährdet aber nicht den Vertragszweck. Außerdem kann durch die Begrenzung des Deckungsumfangs in bezug auf Innenhaftungsansprüche in Gestalt der Öffnungsklausel auch eine Prämienreduzierung möglich werden, die wiederum der Versicherungsnehmerin zugute kommt.

4. Die Praktikabilität der Öffnungsklausel Auch wenn die Öffnungsklausel rechtlich unbedenklich ist, bringt sie für die Versicherungsnehmerin gewichtige Nachteile mit sich. Hauptgrund für den Abschluß eines D&O-Versicherungsvertrags ist die Absicherung des Innenhaftungsanspruchs der Gesellschaft gegen die einzelnen Organmitglieder.230 Die Öffnungsklausel zwingt die Gesellschaft dazu, einen Innenhaftungsanspruch über die Hauptversammlung geltend zu machen, wenn er unter den D&O-Versicherungsschutz fallen soll. Dadurch kommt es zu einer aus Sicht der Versicherungsnehmerin ungewünschten Publizität des Innenhaftungsfalls, der zum einen die Reputation des Unternehmens beschädigen und zum anderen potentiellen Drittklägern einen Anlaß geben kann, Ansprüche gegen die versicherten Personen und ggf. das Unternehmen geltend zu machen. Ohnehin scheint die Kollusionsgefahr, der die Öffnungsklausel entgegenwirken soll, eher theoretischer Natur zu sein. Die Annahme, ein Organmitglied würde sich angesichts der Unsicherheit darüber, ob die D&O-Versicherung den Schaden im Ergebnis überhaupt trägt, 231 freiwillig eines Organpflichtverstoßes bezichtigen lassen, ist realitätsfern, sofern nicht eine Sonderkonstellation vorliegt, wie beispielsweise bei einer kleinen Gesellschaft, an der die versicherte Person ein starkes wirtschaftliches Eigeninteresse hat. 232 Da die Öffnungsklausel zu einem faktischen weitgehenden Ausschluß der D&O-Versicherung für Innenhaftungsansprüche führt, hat sie sich in der Praxis – soweit ersichtlich –

229

Dazu im einzelnen Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.). Siehe dazu Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.) (a) – sog. Bilanzschutz. 231 Ex ante läßt sich oft nicht belastbar beurteilen, ob nicht einer der zahlreichen Haftungsausschlüsse greift. 232 Sofern dieses Eigeninteresse auf einer Kapitalbeteiligung an der Gesellschaft beruht, greift indes vielfach wiederum die Eigenschadenbegrenzung, siehe Teil G. VII. 230

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

bisher kaum durchgesetzt, obwohl Ziff. 1.3 AVB-AVG sie vorsieht. 233 Wegen des steigenden Innenhaftungsrisikos234 prognostizieren einige Stimmen im Schrifttum aber, daß sie künftig häufiger in D&O-Versicherungsverträgen vereinbart werde.235 Anstelle einer Öffnungsklausel könnte zwar auch ein vollständiger Ausschluß der Innenhaftung vom Deckungsschutz erwogen werden.236 Dies hat aber praktisch keine große Bedeutung, da hierdurch die D&O-Versicherung für den deutschen Markt vollständig ihren Sinn verlöre.

IX. Die Trennungsklausel Die sog. Trennungsklausel, auch Kündigungsklausel, macht die Ersatzpflicht des Versicherers davon abhängig, daß das betreffende Organmitglied von seinem Amt abberufen wird. 237 Sie soll ebenfalls einer Kollusionsgefahr zwischen Versicherungsnehmerin und versicherter Person entgegenwirken. 238 Bei geringen Schäden wirkt die Trennungsklausel darüber hinaus wie ein faktischer Selbstbehalt, da der wirtschaftliche Vorteil, der in der Inanspruchnahme der D&O-Versicherung läge, die Abberufung weder aus Sicht des Unternehmens noch des betreffenden Organmitglieds rechtfertigen würde. Es ist fraglich, ob der Trennungsklausel aktienrechtliche Einwände entgegenstehen. Die Entscheidungsautonomie der zuständigen Organe über die Abberufung der betroffenen Organmitglieder wird durch sie nicht tangiert. Die Regelung stellt lediglich eine zusätzliche Bedingung für die Versicherungsleistung dar, ohne in die gesellschaftsrechtliche Kompetenzordnung einzugreifen. 239 Die Trennungsklausel ist auch ebensowenig wie die Öffnungsklausel nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu beanstanden. Sie

233 Stand Januar 2008: „Versicherungsschutz für Schadenersatzansprüche der Versicherungsnehmerin gegen versicherte Personen besteht unter der Voraussetzung, dass diese von der Hauptversammlung oder der Gesellschafterversammlung initiiert … werden …“. 234 Zu den Gründen hierzu siehe B. I. 3. 235 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 176. 236 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 110, 123. 237 Dazu Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, 2007 (Diss. 2006), S. 172 ff.; Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 110, 115; Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 200. 238 Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 201. 239 Vgl. Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 201 ff.

IX. Die Trennungsklausel

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ist nicht überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB. 240 Eine unangemessene Benachteiligung der Versicherungsnehmerin i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist nicht gegeben. Die Trennungsklausel schränkt den D&O-Versicherungsschutz, der auch zu Gunsten des Innenhaftungsanspruchs der Versicherungsnehmerin wirkt, 241 nicht ein. Die Geltendmachung des Versicherungsanspruchs setzt somit zwar die wirksame Kündigung voraus. Daß hierdurch die Versicherungsnehmerin in ein „Dilemma, aus dem es kein folgenloses Entrinnen mehr gibt“, gerate, Art. 12 GG verletzt sei und hieraus die Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB resultiere, 242 kann jedoch keine Zustimmung finden. Denn der Umstand, daß die Deckung nur greift, wenn sich die Gesellschaft von dem Organmitglied trennt, ist im Hinblick auf das berechtigte Interesse des Versicherers an der Verhinderung einer Kollusion durch freundliche Inanspruchnahme – auch wenn diese vielfach ohnedies eher theoretischer Natur ist – nicht unangemessen. 243 Außerdem hindert die Trennungsklausel die Gesellschaft in keiner Weise daran, ihre Innenhaftungsansprüche gegen das Organmitglied zu verfolgen, ohne sich von ihm zu trennen. Will das versicherte Organmitglied die Versicherung nicht in Anspruch nehmen und statt dessen seine Stellung behalten, ist ihm dies nicht verwehrt. Verlangt der Versicherte hingegen Deckung, muß er die Anstellung kündigen. Es ist daher schon nicht erkennbar, weshalb die Gesellschaft dazu gezwungen sein sollte, dem betroffenen Organmitglied „erhebliche Ausgleichszahlungen“ zu leisten, die ihrerseits den Tatbestand der Untreue zu Lasten der Gesellschaft erfüllen könnten, um als Versicherungsnehmerin den „Versicherungsfall überhaupt zu realisieren“.244 Die Gesellschaft ist in der D&O-Fremdversicherung nicht versicherte Person 245 und verfügt folglich über keinen Direktanspruch gegen den Versicherer. 246 Die These, daß das Trennungserfordernis es der Gesellschaft erschwere, „selbst berechtigte Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag auszuüben“, 247 geht daher von falschen rechtlichen Prämissen aus. Vielmehr ist zu berücksichtigen, daß mit der Anspruchserhebung durch die Gesellschaft das Vertrauensverhältnis zu dem Organmitglied mitunter in einem so starken Ausmaß zerstört ist, daß eine weitere Tätigkeit in dieser Gesellschaft nicht mehr in Betracht kommt. Die Notwendigkeit einer Trennung er240 Vgl. insoweit die Ausführungen zur Öffnungsklausel, die hier sinngemäß gelten, siehe Teil G. VIII. 241 Siehe dazu Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.) (a) – sog. Bilanzschutz. 242 So Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, 2007, S. 172 ff. 243 So im Ergebnis auch Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 204 ff. 244 So aber Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, 2007, S. 172. 245 Anders freilich hinsichtlich der im vorliegenden Zusammenhang nicht relevanten entity-Deckung. 246 S. dazu im einzelnen unter Teil I. II. 247 So Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, 2007, S. 173.

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

gibt sich daher in den Fällen, in denen es sich nicht um eine Kollusion zu Lasten des Versicherers handelt, bereits aus der Anspruchserhebung. Da das Ausscheiden des Organmitglieds längere Verhandlungen, etwa über Abfindungen, erfordern kann, sehen die AVB vielfach vor, daß das Anstellungsverhältnis zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Organmitglieds oder des Versicherers bereits beendet sein muß oder die hierüber zu führenden Verhandlungen jedenfalls begonnen haben müssen. 248 Eine wesentliche Einschränkung der Vertragsrechte i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, die den Vertragszweck gefährdet, liegt jedoch auch in einem solchen Regelungsinhalt nicht, weil die Leistungspflicht dann lediglich zu einem späteren Zeitpunkt, etwa mit dem endgültigen Ausscheiden, eintritt, aber nicht entfällt. 249 Um eine Umgehung der Trennungsklausel zu verhindern, muß diese auch die Möglichkeit unterbinden, daß das gekündigte Organmitglied sogleich ein neues Anstellungsverhältnis mit der Gesellschaft eingeht. Der Zweck einer Vermeidung einer Kollusion kann es auch erforderlich machen, ein Wiedereinstellungsverbot – jedenfalls für einen nennenswerten Zeitraum – in bezug auf Tochtergesellschaften zu regeln. Ein solches Verbot kann sich auch auf künftige Tochtergesellschaften erstrecken, damit Umgehungen durch Gründung neuer Gesellschaften, die sodann in den Konzern überführt werden, ausgeschlossen sind. Um die praktische Wirksamkeit des Wiedereinstellungsverbots zu sichern, sehen die AVB regelmäßig vor, daß bei einem Verstoß die Leistungspflicht rückwirkend entfällt.

X. Die Gerichtsklausel Die sog. Gerichtsklausel, wie sie in Ziff. 1.3 AVB-AVG vorgesehen ist, 250 stellt den Versicherungsschutz unter die Bedingung der gerichtlichen Feststellung des Anspruchs. 251,252 Sie kann unterschiedlich ausgestaltet werden, indem sie 248 Vgl. etwa das Klauselbeispiel bei Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 109. 249 Daß eine Klausel, die nicht auf bereits geführte Verhandlungen über das Ausscheiden Rücksicht nimmt, „auf eine juristische Unmöglichkeit gerichtet“ ist, die zu ihrer Unwirksamkeit führt, läßt sich daher nicht sagen, so aber Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, 1997, S. 296. 250 Stand Januar 2008: „Versicherungsschutz für Schadenersatzansprüche der Versicherungsnehmerin gegen versicherte Personen besteht unter der Voraussetzung, dass diese … auch gerichtlich geltend gemacht werden, es sei denn, der Versicherer verzichtet auf die Voraussetzung der gerichtlichen Geltendmachung.“ 251 Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, 2007, S. 169; Barzen/Brachmann/ Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 110, 115; Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 205 ff. 252 Hiervon zu trennen ist die Problematik des Anerkenntnisverbots i.S.v. § 105 VVG (§ 154 Abs. 2 VVG alt, zum alten Recht Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung,

X. Die Gerichtsklausel

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die Anhängigkeit einer Klage voraussetzt oder sich auf ein erstinstanzliches Urteil oder aber die rechtskräftige Feststellung bezieht. 253 Die Gerichtsklausel stellt zum einen sicher, daß nur gerichtlich geprüfte Ansprüche von der Versicherung gedeckt werden, so daß freundliche Inanspruchnahmen ausscheiden. 254 Zum anderen führt sie wegen der Notwendigkeit der Durchführung eines Gerichtsverfahrens zu einer Publizität des Haftungsfalls, was eine Hemmschwelle für die Geltendmachung und somit die Inanspruchnahme des Versicherers darstellt. Die Gerichtsklausel hat daher – ähnlich der Selbstbeteiligung – auch den Zweck, Bagatellschäden auszuklammern. Aktienrechtlich ist die Gerichtsklausel unbedenklich, da sie die Möglichkeit der Geltendmachung des Innenhaftungsanspruchs nicht beschränkt.255 Auch sub specie des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nicht erkennbar, daß es sich um eine überraschende Klausel im Sinn von § 305c Abs. 1 BGB handelt. Entgegen teilweise vertretener Ansicht256 liegt auch keine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB vor. 257 Daß die Klausel die Versicherungsnehmerin insofern in ein „Dilemma“ führt, als diese entweder Klage erheben muß oder die D&O-Versicherung nicht leistet, kann für eine unangemessene Benachteiligung schwerlich ausreichen. 258 Denn weder weicht nach § 307 Abs. 2 BGB der Versicherungsvertrag hier von einer gesetzlichen Regelung in einer mit deren wesentlichen Grundgedanken nicht zu vereinbarenden Weise ab noch werden wesentliche Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag so eingeschränkt, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wird. Es ist auch nicht erkennbar, daß sich aus außerhalb der Regelbeispiele des § 307 Abs. 2 BGB liegenden Gründen hier eine unangemessene Benachteiligung ergäbe. Soweit es in der Literatur heißt, die Klausel benachteilige auch den Versicherer, da sie den Weg einer außergerichtlichen Einigung im Haftpflichtprozeß sperre, 259 ist das sachlich unzutreffend und AGB-rechtlich 1997, S. 296 f.). Der Fortfall vertraglicher Anerkenntnisverbote durch die VVG-Novelle hat sich auf die Möglichkeiten der Geltendmachung des Deckungsanspruchs im Dreiecksverhältnis zwischen Versichertem, Versicherungsnehmerin und Versicherer ausgewirkt. Die damit zusammenhängenden Fragestellungen sind gesondert im Rahmen der prozessualen Durchsetzung der Leistungsansprüche zu untersuchen in Teil I. 253 Zu den damit zusammenhängenden Fragen hinsichtlich einer vorgezogenen Erstattung der Kosten der Rechtsverteidigung siehe Teil G. V. 2.; ferner Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 205 f. 254 Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, 2007, S. 169; Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 206. 255 So im Ergebnis auch Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 206 f. 256 Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, 2007, S. 169. 257 So im Ergebnis ebenfalls Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 207 f. 258 So aber Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, 2007, S. 169 ff. 259 Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, 2007, S. 170 ff.

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

irrelevant. Ohne weiteres kann der Versicherer von dem Erfordernis der Klageerhebung einen Dispens erteilen, wenn er dies für zweckmäßig hält; Ziff. 1.3 AVB-AVG sieht diese Möglichkeit ausdrücklich vor. 260 Auch AGB-rechtlich ist eine in arguendo unterstellte Benachteiligung des Versicherers durch die Gerichtsklausel nicht belangvoll, da § 307 Abs. 1 BGB die Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders voraussetzt.

XI. Die typischen Haftungsausschlüsse in der D&O-Versicherung Typische Haftungsausschlüsse in der D&O-Versicherung261 betreffen beispielsweise Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch Umwelteinwirkungen, wie in Ziff. 5.4 AVB-AVG262 vorgesehen. Außerdem sind vielfach Haftungsansprüche, die in den USA, Kanada oder nach Common Law erhoben werden, vom Versicherungsschutz ausgenommen. 263 Der Hintergrund hierfür ist, daß die Haftungsrisiken in den USA, aber auch in Kanada, aufgrund der anderen rechtlichen Rahmenbedingungen wesentlich größer sind als in der Bundesrepublik Deutschland und anderen europäischen Staaten. Ziff. 5.9 AVB-AVG sieht ferner den Ausschluß von Ersatzansprüchen bei fehlerhaftem oder unterlassenem Abschluß von Versicherungsverträgen vor. 264 Die D&O-Versicherung soll keine „Auffang-Police“ für unterversicherte anderweitige Risiken darstellen. Weitere Ausschlüsse beispielsweise wegen Verstoßes gegen das Insiderrecht, wegen Beleidigung, Geschäftsschädigung, unlauterer Wettbewerbshandlungen, der Verletzung von Berufsgeheimnissen oder von Immaterialgüterrechten, Schäden im Zusammenhang mit Bestechungen, Schenkungen oder Spenden sowie Schäden aus Spekulationsgeschäften oder wegen Einbußen bei Darlehen und Krediten 265 können vereinbart werden.

260 „… es sei denn, der Versicherer verzichtet auf die Voraussetzung der gerichtlichen Geltendmachung.“ 261 S. hierzu auch den Katalog in Ziff. 5 AVB-AVG (Stand Januar 2008). 262 Stand Januar 2008: „wegen Schäden durch Umwelteinwirkungen und alle sich daraus ergebenden weiteren Schäden“. 263 Sehr weitgehend insoweit Ziff. 5.5 AVB-AVG (Stand Januar 2008): Keine Deckung für Haftpflichtansprüche, „welche vor Gerichten außerhalb der EU geltend gemacht werden – dies gilt auch im Falle der Vollstreckung von Urteilen, die außerhalb der EU gefällt wurden –; wegen Verletzung oder Nichtbeachtung des Rechts von Staaten, die nicht der EU angehören; wegen einer außerhalb der EU vorgenommenen Tätigkeit“. 264 Stand Januar 2008: „… sich daraus ergeben oder damit im Zusammenhang stehen, dass Versicherungsleistungen oder Versicherungen nicht oder unzureichend wahrgenommen, abgeschlossen oder fortgeführt werden“. 265 Zu einem solchen Fall LG Wiesbaden, Urteil v. 14.12.2004 – 1 O 180/03, VersR 2005, 545.

XII. Die Begrenzung und die Haftungsausschlüsse

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Bei der Betrachtung von D&O-Bedingungswerken ist zu berücksichtigen, daß der Umfang der Deckungsausschlüsse in Zusammenhang mit der tatsächlichen Risikostruktur des jeweiligen Unternehmens steht. Die Versicherer haben ein vertriebsbezogenes Interesse daran, die Bedingungswerke einfach und klar zu halten, um den Kunden nicht durch unnötig komplizierte Klauselwerke abzuschrecken. Daher werden vielfach nur Deckungsausschlüsse hinsichtlich solcher Risken aufgenommen, die nach der Analyse des Versicherers für das konkrete Unternehmen überhaupt real bestehen. Somit können die Bedingungswerke bei kleineren Unternehmen, die etwa über keine Aktivitäten in den USA verfügen, keine IPO-Vorhaben planen oder betriebsbedingt keinem nennenswerten Umwelthaftungsrisiko ausgesetzt sind, unter formaler Betrachtung deutlich weiter reichen als bei Unternehmen, bei denen diesbezügliche Risiken vorzufinden sind. Der Umfang der geregelten Risikoausschlüsse ist also einzelfallabhängig, so daß es keine marktübergreifenden allgemeinen Bedingungsstandards gibt. 266

XII. Die Begrenzung und die Haftungsausschlüsse bei der Freistellungsvereinbarung Was den sachlichen, persönlichen und zeitlichen Umfang von Freistellungsvereinbarungen anbelangt, haben sich im Gegensatz zur D&O-Versicherung noch keine typischen Klauseln herausgebildet. Dies hat mehrere Ursachen. Zum einen fehlt es an einem Markt für Freistellungsvereinbarungen, auf dem sich im Wettbewerb um Sicherungsnehmer Klauselwerke hätten entwickeln können, die mit den D&O-AVB vergleichbar wären. Zum anderen ist die Freistellungsvereinbarung ein flexibles Instrument, das in einer Vielzahl verschiedener Konstellationen zum Einsatz kommt, so daß sich die jeweiligen Interessenlagen von Freistellungsschuldner und Freistellungsempfänger stärker unterscheiden als in der D&O-Versicherung. 267 Die Entwicklung allgemeiner Kautelen für Freistellungsvereinbarungen ergäbe daher keinen Sinn. Freilich kann es sich abhängig vom Einzelfall als zweckmäßig erweisen, einzelne Regelungsbestandteile der D&O-Bedingungswerke auf Freistellungsvereinbarungen zu übertragen. So kann die Festsetzung eines Selbstbehalts hier ebenso den wünschenswerten Effekt haben, Bagatellschäden auszuklammern und die verhaltenssteuernde Wirkung des Organhaftungsrechts auf den Freistellungsgläubiger zu stärken wie bei der D&O-Versicherung. Desgleichen 266 Das gilt namentlich für die unterschiedlichen nationalen Jurisdiktionen, denen die Bedingungswerke jeweils angepaßt sein müssen. Es kommt daher nicht in Betracht, ein deutsches Bedingungswerk identisch für Risiken eines französischen Schwesterunternehmens zu verwenden. 267 Hierzu Teil B. I. 3. d).

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

kann der Freistellungsschuldner ein Interesse daran haben, daß bestimmte Haftungstatbestände, beispielsweise Organhaftungsansprüche aus den USA, vom Freistellungsschutz ausgenommen werden. Auch die Vereinbarung einer Begrenzung der Freistellungssumme wird vielfach aus Sicht des Freistellungsschuldners erforderlich sein.

XIII. Die Formbedürftigkeit der Freistellungsvereinbarung nach § 518 BGB 1. Die Anwendung des Schenkungsrechts Freistellungsvereinbarungen enthalten in der Regel keine Verpflichtung zur Erbringung einer Gegenleistung durch den Freistellungsgläubiger, wie dies in Gestalt der Prämienzahlungspflicht bei der D&O-Versicherung der Fall ist. 268 Es stellt sich angesichts der fehlenden Entgeltlichkeit die Frage, ob Freistellungsvereinbarungen als Schenkungen der notariellen Form nach § 518 BGB bedürfen. Gemäß § 516 BGB liegt eine Schenkung vor, wenn eine Partei eine andere Partei unentgeltlich durch Zuwendung bereichert. Ein Schenkungsversprechen i.S.d. § 516 BGB kann auch in Gestalt einer unentgeltlich übernommenen Freistellungsverpflichtung erfolgen. 269 Es handelt sich insoweit um ein schenkweise erteiltes Schuldversprechen im Sinn von § 780 BGB, für das gem. § 518 Abs. 1 S. 2 BGB ebenfalls die notarielle Form vorgeschrieben ist. 270

2. Die Unentgeltlichkeit der Freistellung Zu klären ist daher, welche Anforderungen an die Unentgeltlichkeit zu stellen sind. In ständiger Rechtsprechung ist eine Zuwendung unentgeltlich, „der nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Gegenleistung gegenübersteht“. 271 268 In der D&O-Fremdversicherung ist Prämienschuldnerin die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin. 269 Weidenkaff, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl. 2008, § 518 Rn. 12. 270 Zur Formbedürftigkeit schenkweise erteilter Schuldversprechen vgl. BGH, Urteil v. 14.6.1976 – III ZR 105/74, WM 1976, 1053 ff.: „Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß ein abstraktes Schuldversprechen (§ 780 BGB), wenn es schenkweise erteilt wird, der – hier nicht eingehaltenen – notariellen Form des § 518 Abs. 1 S. 2 BGB bedarf (Steffen a.a.O., § 780 Rdn. 31; vgl. auch BGHZ 64, 340, 341). Dem Berufungsgericht ist auch darin beizutreten, daß die KG und die Klägerin aus einem formnichtigen Schuldanerkenntnis keine Rechte hätten erwerben können.“ 271 S. bereits RG, Urteil v. 30.9.1929 – IV 800/28, RGZ 125, 380 (383): „Unentgeltlich ist eine Zuwendung, der nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Gegenleistung gegenüber-

XIII. Die Formbedürftigkeit der Freistellungsvereinbarung nach § 518 BGB

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Wenn ein Dritter zugunsten eines Organmitglieds oder aller Mitglieder eines Organs ohne Gegenleistung eine Freistellungsverpflichtung eingeht, ist mithin im Grundsatz eine Schenkung gegeben, so daß die Vereinbarung gemäß § 518 BGB der notariellen Form bedarf. Der Formmangel wird aber geheilt, wenn durch Leistung an den Gläubiger das Organmitglied von seiner Verbindlichkeit freigestellt wurde.272

3. Die dienstvertragliche causa für die Freistellungsvereinbarung Die Unentgeltlichkeit fehlt indes, wenn der Freistellungsvereinbarung eine dienstvertragliche causa zugrunde liegt. Die Freistellungsvereinbarung kann als Sicherungsinstrument eine dienstvertragliche Aufwendung darstellen, wenn das freigestellte Organmitglied die Organtätigkeit im Auftrag einer anderen Gesellschaft ausübt, bei der es etwa als leitender Angestellter oder Vorstandsmitglied bzw. Geschäftsführer tätig ist. Paradigmatisch sind Bankenvertreter in den Aufsichtsräten von Industrieunternehmen und andere Anteilseignervertreter. 273 Soweit die Gesellschaft, bei der die betreffende Person ihre Haupttätigkeit ausübt, eine Freistellungszusage erteilt, ist die causa hierfür mithin das Anstellungsverhältnis. Denn die Person übt die Organtätigkeit im Interesse dieser Gesellschaft aus, so daß auch eine Absicherung damit zusammenhängender Risiken dem Rechtsverhältnis zuzuordnen ist. Zwar besteht kein Anspruch des betreffenden Organmitglieds auf Abschluß einer Freistellungsvereinbarung auf Grundlage dienstvertraglicher Fürsorgepflicht gegen die entsendende Gesellschaft.274 Der Dienstberechtigte kann sich aber im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens für eine Freistellung als zweckmäßige Aufwendung entscheiden. Grundlage hierfür bleibt der Anstellungsvertrag mit der entsendenden Gesellschaft. Eine Schenkung, die dem Formzwang des § 518 BGB unterliegt, kann dann ebensowenig angenommen werden wie hinsichtlich anderer Leistungen, die seitens des Dienstherrn in Ausgestaltung der Rahmenbedingungen des Anstellungsverhältnisses gewährt werden. 275 steht“; ferner BGH, Urteil v. 11.11.1981 – IVa ZR 182/80, NJW 1982, 436; auch einhellige Meinung in der Lit., vgl. statt aller Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 516 Rn. 8. 272 Vgl. zum Vollzug einer schenkweise erteilten Freistellungszusage Weidenkaff, in: Palandt, 67. Aufl. 2008, § 518 Rn. 7. 273 Diese erhalten in der Praxis vielfach Freistellungszusagen durch ihre Auftraggeber, vgl. auch Schmidt, Arbeitshilfe von ver.di zum Deutschen Corporate Governance Kodex, verfügbar auf der Homepage von ver.di unter www.verdi.de, S. 5. 274 Teil E. III. 2. 275 Zu den durch den Arbeitgeber erbrachten Leistungen zugunsten seiner Arbeitnehmer s. Weidenkaff, in: Palandt, 67. Aufl. 2008, § 611 Rn. 96 ff.

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

4. Die Eingehung einer Freistellungsverpflichtung durch einen Gesellschafter causa societatis Falls ein Gesellschafter als Freistellungsschuldner fungiert, kann die Freistellung auch causa societatis erbracht worden sein. Es ist dann das Schenkungsrecht ausgeschlossen, soweit ein Gesellschafter zugunsten seiner Gesellschaft eine Verpflichtung eingeht, selbst wenn es in bezug auf die eingegangene Verpflichtung an einer unmittelbaren Gegenleistung fehlt. In einem vom BGH entschiedenen Fall ging es um den Anspruch einer Aktiengesellschaft gegen einen ihrer Aktionäre. Der Aktionär hatte sich für das Gründungsstadium zu Nachschußzahlungen gegenüber der Gesellschaft verpflichtet. Der BGH entschied, daß sich die rechtliche Beurteilung solcher Ansprüche nicht nach den Grundsätzen des Schenkungsrechts, sondern nach den eigenständigen Kategorien des Kapitalgesellschaftsrechts richte.276 Eine solchermaßen causa societatis eingegangene Verpflichtung begründe keine Schenkung, weil der Betreffende das Versprechen „in seiner Eigenschaft als (Gründungs-)Gesellschafter im Hinblick auf seine Mitgliedschaft (causa societatis) abgegeben hat.“ Diese Zusagen würden regelmäßig ohne unmittelbare Gegenleistung im Rechtssinn, wohl aber vor dem Hintergrund abgegeben, „daß sich der Gesellschafter davon eine Stärkung der Gesellschaft und damit mittelbar eine Verbesserung seiner durch die Mitgliedschaft vermittelten Vermögenslage verspricht.“ Mit „vordergründiger Abgrenzung zwischen Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Leistung“ sei hier nichts gewonnen. Das Eingehen der Verpflichtung causa societatis schließe die Anwendung der Schenkungsregeln daher insgesamt aus. Zwar ist eine Freistellung eines Gesellschafters zugunsten eines Organmitglieds der Beteiligungsgesellschaft auf ein anderes Ziel gerichtet als ein an die Gesellschaft selbst adressiertes Zahlungsversprechen, weil die Freistellung zunächst nur dem Organmitglied selbst dient, während das Zahlungsversprechen unmittelbar das Gesellschaftsvermögen mehrt. Dennoch können beide Verpflichtungen causa societatis eingegangen sein. Denn auch die Freistellungsvereinbarung eines Gesellschafters mit Organmitgliedern beruht regelmäßig auf einem originären Interesse des Gesellschafters an der Gesellschaft. Ebenso wie die D&O-Versicherung dient eine Freistellungszusage in mehrerlei Hinsicht den Interessen der Gesellschaft. Auch sie verbessert – wie die D&O-Versicherung – die Durchsetzbarkeit des Organinnenhaftungsanspruchs der Gesellschaft, ist der Gesellschaft im Wettbewerb um qualifizierte Mitglieder der Leitungs- und Kontrollorgane dienlich und ermöglicht es vor allem, die Handlungsfähigkeit der Organmitglieder zu verbessern, indem ein existenzbedrohendes Haftungsrisiko, das einen lähmenden Effekt haben kann, reduziert wird. Eine Freistellungsvereinbarung durch einen Gesellschafter soll daher grundsätzlich den Ge276

BGH, Urteil v. 8.5.2006 – II ZR 94/05 – BB 2006, 1467 = ZIP 2006, 1199.

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sellschaftsinteressen dienen und ist mithin causa societatis eingegangen, auch wenn sie nicht mit der Gesellschaft als Vertrag zugunsten Dritter, sondern direkt mit den Organmitgliedern abgeschlossen wurde. Das Schenkungsrecht greift daher in seiner Gesamtheit nicht, und es besteht schon aus diesem Grund kein Formerfordernis nach § 518 BGB. Der Charakter der Freistellungsvereinbarung als einer causa societatis eingegangenen Verpflichtung im oben definierten Sinn kann aber fehlen, wenn die Freistellung sich nicht auf sämtliche Organmitglieder bezieht, sondern nur auf ein bestimmtes oder eine Gruppe von Organmitgliedern. Sofern der Gesellschafter beispielsweise nur minderheitlich beteiligt ist und ein von ihm in den Aufsichtsrat oder Beirat entsandtes Mitglied im eigenen Interesse durch eine Freistellungsvereinbarung gesichert wird, läßt sich die Eingehung der Freistellungspflicht prinzipiell nicht als cuasa societatis ansehen. Durch die Begrenzung auf das einzelne Organmitglied wird nämlich dokumentiert, daß es dem Freistellungsschuldner nicht um eine Stärkung der Gesellschaft als solche, sondern um eine individuelle Absicherung der Person geht, die seiner Einflußsphäre zuzurechnen ist. In diesen Fällen wird allerdings regelmäßig eine dienstvertragliche causa im zuvor beschriebenen Sinn vorliegen, welche das Schenkungsrecht ebenfalls verdrängt.

XIV. Die Erfassung von Bußgeldern und Geldstrafen durch die Freistellungsvereinbarung und die D&O-Versicherung 1. Die Einschränkung der Steuerungsfunktion der Sanktionsnorm durch die Freistellung und die D&O-Versicherung Die Freistellungsvereinbarung und die D&O-Versicherung können sich nicht nur auf Haftpflichttatbestände privatrechtlichen Inhalts, sondern auch auf solche des öffentlichen Rechts erstrecken, etwa aus dem Steuerrecht. Unter dem Gesichtspunkt der öffentlich-rechtlichen Haftpflichtbestimmungen stellt sich die Frage, ob eine Freistellungsvereinbarung oder D&O-Versicherung auch Geldbußen und -strafen wegen der Begehung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten durch Organmitglieder und leitende Angestellte abdecken kann.277 277 Davon zu trennen ist die sog. Vertrauensschadenversicherung. Es handelt sich hierbei um eine Versicherung der Schäden, die dem Unternehmen oder Dritten aus unerlaubten Handlungen, namentlich Straftaten wie etwa Betrug, Untreue oder Unterschlagung durch Unternehmensmitarbeiter, entstehen. Vielfach sind diese Straftaten nicht aufklärbar, so daß ein Schädiger nicht individualisiert werden kann. In diesen Fällen greift die Vertrauensschadendeckung. Sie bezieht sich also nicht auf die Sanktionsfolge, das Bußgeld oder die Geldstrafe, sondern den durch die Tat eingetretenen Schaden bei dem Unternehmen oder Dritten.

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

Eine solche Absicherung träte in ein Spannungsverhältnis zu dem öffentlich-rechtlichen Steuerungszweck dieser Sanktionsnormen. Daher lehnen einige Literaturstimmen eine Enthaftung des Organmitglieds für Geldbußen und -strafen kategorisch ab. Der Eingriff in den Sanktionszweck des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts führe zur Unwirksamkeit einer Freistellung nach §§ 134, 138 BGB. 278 Auch Ziff. 5.11 AVB-AVG schließt diesen Bereich von der D&O-Deckung aus, 279 nachdem ein entsprechender Passus in den Musterbedingungen von 1997 noch gefehlt hatte. 280 Ob diese grundsätzlichen Bedenken berechtigt sind, ist im folgenden zu untersuchen, wobei zwischen Fahrlässigkeits- und Vorsatzdelikten differenziert werden soll.

2. Die Freistellung und die Versicherung bezüglich Sanktionen wegen Fahrlässigkeitstaten a) Die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verbote einer Freistellung und Versicherung bei Fahrlässigkeitstaten In der Rechtsprechung und der Literatur herrschte lange Zeit keine einheitliche Meinung zu der Frage, ob die Übernahme von Geldbußen und -strafen durch Dritte den Tatbestand der Begünstigung nach § 257 StGB oder der Vollstreckungsvereitelung nach § 258 Abs. 2 StGB erfüllt. 281 Sofern diese Tatbestände griffen, wäre der Freistellungs- bzw. Versicherungsvertrag bereits über § 134 BGB nichtig. Eine Begünstigung muß jedoch ausscheiden, weil die Übernahme der Geldstrafe bzw. -buße nicht dazu dient, die Vorteile der Tat zu sichern. 282 Die FremdS. dazu Pant, in: Hauschka, Corporate Comliance, 2007, § 12 Rn. 17 ff.; Sieg, in: Krieger/ Schneider, Handbuch Managerhaftung, 2007, § 16 Rn. 17. 278 Zur Versicherung Johannsen, in: Bruck/Möller, VVG, Bd. IV, (1970) Anm. B 8; Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 131. 279 „Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind Haftpflichtansprüche … 5.11 wegen Vertragsstrafen, Kautionen, Bußgeldern und Entschädigungen mit Strafcharakter (punitive und exemplary damages)“. 280 Dies berichtet Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 187. 281 RG, Urteil v. 21.9.1897 – 1946/97, RGSt 30, 232 (235) – Zahlung der Geldstrafe durch einen anderen kann Begünstigung darstellen; s. ferner RG, Urteil v. 10.6.1942 – III 14/42, RGZ 169, 267 ff.; BGH, Urteil v. 31.1.1957 – II ZR 41/56, BGHZ 23, 222 (224); BGH, Urteil v. 6.4.1964 – II ZR 11/62, BGHZ 41, 223; siehe hierzu auch die Übersicht bei Hillenkamp, in: Festschrift für Lackner, S. 455 (466 f.). 282 Vgl. bereits RG, Urteil v. 10.6.1942 – III 14/42, RGZ 169, 267 ff. sowie BGH, Urteil v. 31.1.1957 – II ZR 41/56, BGHZ 23, 222 (224) jeweils mit der Begründung, daß der Ersatz der bereits entrichteten Strafe keine Begünstigung darstelle, da durch die zuvor erfolgte Entrichtung der Geldstrafe dem Strafanspruch bereits genüge geschehen sei; BGH, Urteil

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zahlung von Geldbußen kann schon nicht unter § 258 Abs. 2 StGB fallen, weil es eine Strafverteilung bei Ordnungswidrigkeiten nicht gibt. 283 Mit einem Grundsatzurteil vom 7. November 1990 hat der BGH auch entschieden, daß ebensowenig die Erstattung von Geldstrafen eine Vollstreckungsvereitelung i.S.v. § 258 Abs. 2 StGB darstellt, da eine solche Maßnahme nicht den Bereich der Strafvollstreckung betrifft, sondern sich lediglich auf die vom Willen des Verurteilten abhängige „persönliche Betroffenheit“ auswirkt, die vom Strafrecht nicht mehr erfaßt ist. 284 Die Versicherung des Risikos von Geldstrafen und -bußen könnte jedoch möglicherweise eine straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Teilnahmehandlung des Versicherers oder der prämienpflichtigen Gesellschaft darstellen. Eine strafrechtliche Beihilfe nach § 27 StGB ist indes nur in bezug auf Vorsatztaten möglich. Soweit fahrlässige Straftaten in Rede stehen, wäre für § 27 StGB daher rechtssystematisch bereits kein Raum. 285 Auch eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Beteiligung nach § 14 OWiG, in Gestalt der Mittäterschaft, der Anstiftung oder der Beihilfe, muß sich auf eine vorsätzliche Haupttat beziehen. 286 Die Versicherung oder Freistellung bezüglich Fahrlässigkeitstaten kann daher auch nicht unter § 14 OWiG fallen.

b) Die Vereitelung der Steuerungswirkung des Straf- und Bußgeldrechts Es stellt sich damit die Frage, wie eine Freistellung oder Versicherung von Bußgeldern und Geldstrafen nach § 138 Abs. 1 BGB zu beurteilen ist. Die Gerichte haben Freistellungszusagen, die vor Begehung der Tat erteilt wurden – soweit ersichtlich bisher einhellig – für sittenwidrig gehalten. Das BAG meinte, „Zusagen des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer bei der Arbeitsausübung auferlegte Geldstrafen oder Geldbußen zu übernehmen, sind regelmäßig als Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 BGB nichtig, weil sie jedenfalls dem Zweck von Straf- und Bußgeldvorschriften zuwiderlaufen und geeignet sind, die Hemmschwelle des Arbeitnehmers, Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zu begehen, herabzusetzen“. 287 Das BAG führte mit Blick auf die oben genannten Judikate zur strafrechtlichen Zulässigkeit der nachträglichen Erstattung von v. 6.4.1964 – II ZR 11/62, BGHZ 41, 223; siehe dazu auch BGH, Urteil v. 7.11.1990 – 2 Str 439/90, NJW 1991, 990 (992). 283 Kapp, NJW 1992, 2796 (2797). 284 BGH, Urteil v. 7.11.1990 – 2 Str 439/90, NJW 1991, 990 ff. 285 Kapp, NJW 1992, 2796 (2797). 286 Bohnert, OWiG, 2. Aufl. 2007, § 14 Rn. 23 ff. 287 BAG, Urteil v. 25.1.2001 – 8 AZR 465/00, DB 2001, 1095 = VersR 2002, 61 f.= NJW 2001, 1962; zustimmende Anmerkung durch Junker, EWiR 2001, 613 f.; s. auch Holly/Friedhofen NZA 1992, 145, 148 ff., 153; LAG Hamm, Urteil v. 30.7.1990 – 19 (14) Sa 1824/89, NJW 1991, 861.

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Geldstrafen und -bußen weiter aus, wenn die Strafrechtsordnung darauf verzichte, die Übernahme Dritten auferlegter Geldstrafen oder Geldbußen unter Strafe zu stellen, bedeute dies nicht, daß die Zivilrechtsordnung bereit sei, „dieses Verhalten zu billigen, indem sie derartige Absprachen für rechtswirksam erklärt.“288 Ein Arbeitgeber, der im eigenen wirtschaftlichen Interesse seine Arbeitnehmer zur Vernachlässigung von Verkehrsvorschriften verleite, indem er von vornherein die Übernahme etwaiger Geldstrafen und Geldbußen zusage – so das BAG weiter –, handle „unverantwortlich nicht nur gegenüber seinen Arbeitnehmern, deren Gesundheit er gefährdet, sondern auch gegenüber der allgemeinen Verkehrssicherheit.“289 Ebenso hat das FG Köln in einem Urteil aus 2004 entschieden und erklärt, wer eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen habe, müsse „die deswegen gegen ihn verhängte Sanktion nach deren Sinn und Zweck in eigener Person tragen und damit eine ihm auferlegte Geldstrafe oder -buße aus seinem eigenen Vermögen aufbringen.“290 Vorherige Zusagen des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer bei der Arbeitsausübung auferlegte Geldstrafen oder Geldbußen zu übernehmen, seien „regelmäßig“ als Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil sie dem Sinn und Zweck der Sanktionen zuwiderliefen und geeignet seien, „die Hemmschwelle des Arbeitnehmers herabzusetzen.“291 Auch nach dem LAG Hamm soll ein Arbeitnehmer grundsätzlich dazu verpflichtet sein, die Geldbuße aus seinem eigenen Vermögen zu tragen. 292 Zwar sei es dem deutschen Rechtssystem nicht grundsätzlich fremd, von einem Dritten Ersatz für eine Geldstrafe oder ein Bußgeld zu verlangen. Allerdings könne eine derartige Erstattung regelmäßig nur in Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden. Die individuelle Schuldzumessung, die im Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahren erfolgt, könne zivilrechtlich nicht in der Weise korrigiert werden, daß die Strafe auf den „wahren Verantwortlichen“ abgewälzt werde. Erstattungsansprüche eines mit Geldstrafe bzw. -buße Belegten kämen nur dann in Betracht, wenn der in Anspruch Genommene vertraglich verpflichtet war, den Täter gerade vor dem fraglichen Rechtsverstoß und damit vor Bestrafung zu bewahren. Fehlt es an einer solchen Pflicht, müsse eine Übernahme der Geldbuße oder -strafe durch einen Dritten ausscheiden. Das LAG Hamm stellte ergänzend darauf ab, daß die Gewißheit der Freistellung von der Sanktion durch einen Dritten den Präventionszweck des Straf- oder Bußgeldtatbestands gefährde, in concreto die Pflichten im Straßenverkehr einzuhalten. 288 BAG, Urt. v. 25.1.2001 – 8 AZR 465/00, DB 2001, 1095 = VersR 2002, 61 f.= NJW 2001, 1962. 289 BAG, Urteil v. 25.1.2001 – 8 AZR 465/00, DB 2001, 1095 = VersR 2002, 61 f.= NJW 2001, 1962. 290 FG Köln, Urteil v. 10.11.2004 – 14 K 459/02, DStRE 2006, 203 (207). 291 FG Köln, Urteil v. 10.11.2004 – 14 K 459/02, DStRE 2006, 203 (207). 292 LAG Hamm, Urteil v. 30.7.1990 – 19 (14) Sa 1824/89, NJW 1991, 861.

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Das arbeitsrechtliche Schrifttum hält Freistellungsvereinbarungen mit Mitarbeitern in bezug auf Geldstrafen und -bußen im Einklang damit ebenfalls für unzulässig. 293 Gegen die Qualifizierung vortatlicher Freistellungen oder Versicherungen von Geldbußen und -strafen als sittenwidrig könnte indes möglicherweise die oben dargestellte Rechtsprechung des BGH anzuführen sein, wonach die spätere Übernahme einer Sanktion durch einen Dritten keine tatbestandliche Strafvereitelung nach § 258 Abs. 2 StGB darstellt.294 Wenn dies für die nachträgliche Zahlung von Geldstrafen gilt, kann auch gegen eine vorweggenommene Freistellung strafrechtlich jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt nichts einzuwenden sein. 295 Denn der Begriff der Sittenwidrigkeit erhebt zwar die der Rechtsordnung immanenten rechtsethischen Werte und Prinzipien zum Maßstab für die Beurteilung der Wirksamkeit schuldrechtlicher Vereinbarungen. 296 Daraus folgt aber im Umkehrschluß, daß Regeln des Strafrechts, die einen bestimmten Lebensbereich bereits konkretisiert haben, den Sittenwidrigkeitsbegriff im Sinn von § 138 Abs. 1 BGB auch in negativer Hinsicht abgrenzen. Die Rechtsprechung des BGH zur Übernahme von Geldstrafen durch Dritte entfaltet mithin die Wirkung einer Negativfeststellung, 297 die auch der Sittenwidrigkeitstatbestand des § 138 Abs. 1 BGB respektieren muß. Es ist nicht Sache des Zivilrechts, Funktionen zu übernehmen, die das Strafrecht selbst aufgegeben hat.298 Damit steht die Unbedenklichkeit vortatlicher Freistellungen bzw. Versicherungen aber nicht fest. Denn im Gegensatz zu nicht sittenwidrigen nachtatlichen Freistellungs- bzw. Erstattungsvereinbarungen könnte sich die vor Tatbestandsverwirklichung getroffene Vereinbarung in problematischer Weise auf die öffentlich-rechtliche Steuerungsfunktion der erfaßten Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände auswirken. In diese Differenzierung nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses fügt sich die Rechtsprechung ein, wonach dem von einer öffentlich-rechtlichen Sanktion persönlich Betroffenen ein Schadenersatzanspruch gegen einen Dritten – etwa einen Rechtsanwalt oder Steuerberater – zustehen kann, wenn dieser damit beauftragt war, die Einhaltung der Rechtsvorschriften durch den Betroffenen 293 Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 12. Aufl. 2007, § 54 Rn. 8; Holly/Friedhofen, NZA 1992, 145 ff.; vgl. auch Preis, in: Erfurter Kommentar Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2008, 230 BGB § 611 Rn. 562. 294 BGH, Urteil v. 7.11.1990 – 2 Str 439/90, NJW 1991, 990 (992): „Die Bezahlung einer Geldstrafe – unmittelbar oder mittelbar – aus dem Vermögen eines Dritten erfüllt nicht den Tatbestand der Strafvereitelung.“ 295 Kapp, NJW 1992, 2796 (2798). 296 Vgl. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 41 Rn. 12 ff.; Hefermehl, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. Stand März 1999, § 138 Rn. 7; Heinrichs, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 138 Rn. 3. 297 Begriff nach Kapp, NJW 1992, 2796 (2798). 298 Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555 (566); dazu auch Kapp, NJW 1992, 2796 (2798).

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sicherzustellen und es aufgrund einer Verletzung dieser Vertragspflichten zur Tatbestandsverwirklichung durch den Betroffenen kam. 299 Eine Beeinträchtigung der Verhaltenssteuerung durch den verwirklichten Straf- oder Bußgeldtatbestand scheidet in diesen Fällen aus, da der Kompensationsanspruch erst nach der Tatbegehung entsteht und der Täter daher nicht bereits ex ante durch eine Freistellungsvereinbarung oder Versicherung in eine faktische Bußgeldimmunität versetzt wurde. 300 Erfolgt die Freistellung hingegen bereits vor einer möglichen Tatbegehung, wird die öffentlich-rechtliche Steuerungsfunktion des Straf- oder Bußgeldtatbestands unmittelbar eingeschränkt, wie die oben wiedergegebene Rechtsprechung im Grundsatz zu Recht herausgestellt hat.301 Das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht prägt insoweit die der Rechtsordnung immanenten rechtsethischen Werte und Prinzipien, so daß es in dieser Fallgruppe über § 138 Abs. 1 BGB zum Maßstab für die Beurteilung der Wirksamkeit schuldrechtlicher Vereinbarungen wird.302 Freistellungen und Versicherungen, die darauf gerichtet sind, den Präventionszweck von Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbeständen durch Deckung der Sanktionsfolgen ex ante abzumildern oder aufzuheben, sind daher nach § 138 Abs. 1 BGB grundsätzlich nichtig. Gleichwohl ist fraglich, ob damit vortatliche Freistellungen oder Versicherungen per se der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB anheim fallen. Dagegen spricht, daß der Begriff der Sittenwidrigkeit einen Wertungstatbestand darstellt, der unter Berücksichtigung aller Merkmale eines Sachverhalts zu prüfen ist. Es ist also danach zu fragen, ob im Einzelfall auch bei einer vortatlichen Freistellung oder Versicherung Umstände vorliegen können, die die Annahme rechtfertigen, daß es nicht zu einer Haftungsimmunisierung kommt, die rechtsethischen Werten und Prinzipien zuwiderläuft, welche der Rechtsordnung immanent sind. 299 RAG, Urteil v. 10.6.1942 – III 14/42, RGZ 169, 267 zu einem Steuerberatungsfehler; BGH, Urteil v. 31.1.1957 – II ZR 41/56, BGHZ 23, 222, zu einem Beratungsfehler einer Bank in einer devisenrechtlichen Angelegenheit; RAG, Beschluß v. 27.11.1942 – RAG. 88/42, RAGE 27, 43 zur Falschberatung des Unternehmensinhabers durch einen Angestellten. 300 Die Tatsache, daß der Betroffene bereits vor Tatbegehung weiß, daß ihm im Fall der Verwirklichung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit ggf. später ein Schadenersatzanspruch gegen seinen Berater zusteht, kann von den Wirkungen nicht mit einer vorher getroffenen Freistellungsvereinbarung verglichen werden. Ein maßgeblicher Unterschied besteht darin, daß dem Betroffenen ein solcher Schadenersatzanspruch nur zustehen kann, wenn er berechtigterweise auf den Rechtsrat vertraut hat. Handelt er also in dem Bewußtsein, Unrecht zu tun, erhält er mangels Kausalität des falschen Rechtsrats grds. auch keinen Schadenersatzanspruch. Deshalb wird die Präventivwirkung des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts durch Zubilligung eines solchen Schadenersatzanspruchs nicht tangiert. 301 Vgl. auch Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 35 Rn. 66; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 Rn. 82. 302 Vgl. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, § 41 Rn. 12 ff.; Hefermehl, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. Stand März 1999, § 138 Rn. 7; Heinrichs, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 138 Rn. 3.

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Hierher müssen zunächst Freistellungen und Versicherungen in bezug auf ausländische Straf- und Bußgeldtatbestände gehören, die keine materielle Entsprechung im deutschen Recht finden. Dasselbe muß hinsichtlich im Ausland verhängter Sanktionen gelten, wenn dort rechtsstaatliche Verfahrensgarantien nicht als gewahrt angesehen werden können. 303 In beiden Fällen kann von der Strafbarkeit nach ausländischem Recht keine Ableitung für den Sittenwidrigkeitsbegriff nach § 138 BGB vorgenommen werden. Denn es ist nicht Aufgabe des § 138 BGB, die vom deutschen Recht abweichenden Wertprägungen ausländischer Rechtsordnungen in das deutsche Zivilrecht zu importieren. 304 Ebensowenig kann eine Zusage bezüglich der Tragung von Verfahrenskosten an § 138 BGB scheitern, denn diese sind nicht Teil der Sanktion, so daß darauf beschränkte Freistellungen in eine öffentlich-rechtlich gewollte Steuerungsfunktion schon nicht eingreifen. Der Industrie-Strafrechtsschutz ist ein solches, nach § 138 Abs. 1 BGB daher zulässiges, Rechtsprodukt.305 Daß daneben noch Fälle denkbar wären, in denen eine Freistellung bzw. Versicherung für die eigentlichen Sanktionsfolgen einer Fahrlässigkeitstat aufgrund einer besonderen Interessenlage als nicht sittenwidrig angesehen werden könnte, ist hingegen abstrakt nicht erkennbar.

3. Die Freistellung und die Versicherung bezüglich Vorsatztaten a) Die grundsätzliche Sittenwidrigkeit der Freistellung und Versicherung bezüglich Vorsatztaten Davon zu trennen ist die Frage, welche Grundsätze für die Beurteilung von Freistellungsvereinbarungen und D&O-Versicherungen in bezug auf Geldstrafen und -bußen wegen Vorsatztaten gelten. Die §§ 81 Abs. 1, 103 VVG (§§ 61, 152 VVG alt) sehen zwar die Leistungsfreiheit des Versicherers bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls vor. Die Vorschriften sind aber abdingbar. 306 Es wäre daher versicherungsvertragsrechtlich nicht ausgeschlossen, auch vorsätzlich herbeigeführte Schäden in den Versicherungsschutz einzubeziehen.307 Für Freistellungsvereinbarungen außerhalb des Versicherungsvertragsrechts gelten die §§ 81 Abs. 1, 103 VVG (§§, 61, 152 VVG alt) ohnehin nicht. 303

Vgl. Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986, S. 132. Davon zu trennen ist die hier nicht weiter zu vertiefende Frage, inwieweit es bei international tätigen Unternehmen zur organschaftlichen Legalitätspflicht nach deutschem Gesellschaftsrecht gehört, ausländische Rechtspflichten einzuhalten. 305 Dazu Teil J. II. 1. 306 S. oben unter Teil G. III. 307 Vgl. Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 61 Rn. 29. 304

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

Nun wäre die Prüfung der Frage, ob eine Versicherung für vorsätzliche Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zulässig ist, jedoch weitgehend akademisch, weil weder die Gesellschaft ein Interesse daran hätte, die Prämien einer D&O-Versicherung zu tragen, die Geldbußen und -strafen für sämtliche Vorsatztaten ihrer Organmitglieder abdeckt, noch ein Versicherer sich auf eine solche Klausel überhaupt einließe. Derartige Anfragen spielen in der D&OPraxis demgemäß keine Rolle.308 Allenfalls in Betreff der Freistellungsvereinbarung wären Fallkonstellationen denkbar, in denen die Parteien im Einzelfall eine Absicherung für die Folgen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen schaffen wollen. Folgender Beispielsfall kann das verdeutlichen: Eine Tochtergesellschaft praktiziert einen Vertriebsvertrag, der potentiell kartellrechtswidrig ist, etwa weil er eine überlange Bindungsdauer aufweist und daher in Verbindung mit anderen wettbewerbsrelevanten Faktoren marktabschottend wirkt. Das Management steht daher vor der Frage, ob es diesen Vertrag kartellrechtskonform modifizieren soll, etwa indem es dem Kunden ein Sonderkündigungsrecht einräumt, um das Risiko einer kartellbehördlichen Abstellungs- und Bußgeldverfügung zu reduzieren. Wenn in dieser Situation die Muttergesellschaft dem Geschäftsführer von einer Modifikation des Vertrags abrät, weil es die kartellrechtlichen Bedenken nicht teilt, und ihm zusagt, ein etwaiges Bußgeld, das gegen ihn wegen der Praktizierung des kartellrechtswidrigen Vertrags verhängt würde, zu übernehmen, stellt sich die Frage, ob diese Abrede zivilrechtlich wirksam wäre. Auch hier gilt jedoch, daß eine Freistellung für vorsätzliche Schädigungen im Grundsatz bereits gegen § 138 BGB verstößt.309 Es kann dabei keine Rolle spielen, ob es sich um die vorsätzliche Verwirklichung eines Haftpflichttatbestands privatrechtlichen Inhalts oder um einen Straf- oder Bußgeldtatbestand handelt.310 Selbst wenn aber eine Versicherung und Freistellung in bezug auf bedingt vorsätzlich verwirklichte Haftpflichttatbestände privatrechtlichen Inhalts unter Einschränkungen möglich sein kann,311 muß dies für Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ausscheiden. Es schlägt auch hier der Gedanke zu Buche, daß das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht die der Rechtsordnung immanenten rechtsethischen Werte und Prinzipien unmittelbar konkretisiert und damit den Begriff der Sittenwidrigkeit entsprechend vorprägt. Freistellungsvereinbarungen oder D&O-Versicherungen, welche die Sanktionsfolgen künftiger vorsätzlicher Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten abdecken, sind daher sittenwidrig nach § 138 Abs. 1 BGB. Eine Freistellung von Sanktionen nach ausländischen Rechtsordnungen, die im deutschen Recht keine Entsprechung finden, oder die 308

Vgl. auch Ihlas, VW 2007, 660 (666). Teil G. III. 1. 310 Für die D&O-Versicherung eine Deckung wegen Geldstrafen für Vorsatztaten kategorisch ablehnend auch Ihlas, VW 2007, 660 (666). 311 S. hierzu Teil G. III. 1. 309

XIV. Die Erfassung von Bußgeldern und Geldstrafen

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vortatlich zugesagte Übernahme von Verteidigungskosten kann jedoch auch bei Vorsatztaten nicht nach § 138 BGB beanstandet werden.312

b) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Freistellungsgläubigers für die Erteilung einer Freistellungszusage wegen vorsätzlicher Straftaten und Ordnungswidrigkeiten Losgelöst von der Frage der zivilrechtlichen Wirksamkeit bergen Freistellungsvereinbarungen, soweit sie sich auf vorsätzliche Straftaten und Ordnungswidrigkeiten beziehen, ein erhebliches straf- und bußgeldrechtliches Risiko für den Freistellungsschuldner bzw. dessen Repräsentanten. Sofern der Nachweis dafür erbracht werden kann, daß eine solche Zusage – die freilich zivilrechtlich unwirksam ist – die Begehung der Tat wirtschaftlich oder auch nur psychisch erleichtert hat bzw. sogar auf die Tatbegehung hingewirkt hat, kann darin (psychische) Beihilfe bzw. Anstiftung – auch in Form der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Beteiligung – liegen.313 Soweit eine Freistellungsvereinbarung jedoch erst nach der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens getroffen wird, scheidet eine Teilnahme aus, weil Anstiftung, Beihilfe bzw. die ordnungswidrigkeitenrechtliche Beteiligung nur zu nicht beendeten Taten möglich sind.314

4. Die Begrenzung der Freistellung eigener Organmitglieder von den Folgen einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat durch das Unternehmenswohl und § 266 StGB a) Das Problem Soweit eine Gesellschaft nachtatlich eine Geldbuße oder -strafe, die gegen eines ihrer eigenen Organmitglieder verhängt wurde, übernehmen oder sich jedenfalls zur Tragung der Kosten der Rechtsverteidigung verpflichten will, greifen zwar nicht die soeben entwickelten Grundsätze der zivilrechtlichen Unwirksamkeit. Es ergibt sich aber ein anderes spezifisches Problem auf Seiten der Ge312

S. zu Fahrlässigkeitstaten soeben Teil G. XIV. 2. Hoffmann/Wißmann, StV 2001, 249 (251). 314 Eine Beihilfe ist jedenfalls nach der materiellen Beendigung der Haupttat ausgeschlossen; RG, Urteil v. 8.11.1892 – 3155/92, RGSt 23, 292; BGH, Urteil v. 9.1.1985 – 2 StR 806/84, NJW 1985, 814. Die im Vordringen befindliche Literaturansicht hält eine Beihilfe sogar nur bis zur Vollendung für möglich; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. II, 2003, § 26 Rn. 259 ff.; Schünemann, in: Leipziger Kommentar StGB, Bd. 1, 12. Aufl. 2006, § 27 Rn. 42; zum Kausalitätserfordernis bei der Anstiftung s. Dierlamm, in: Münchener Kommentar StGB, Bd. 4, 2006, § 266 Rn. 56 ff.; bei § 14 OWiG wird eine Beteiligung ebenfalls nur bis zur Beendigung für möglich gehalten; Rengier, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 3. Aufl. 2006, § 14 Rn. 25; ferner Hoffmann/Wißmann, StV 2001, 249 (251). 313

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sellschaft als Freistellungsschuldnerin und der insoweit für sie handelnden Organe. Da diese Maßnahmen das Gesellschaftsvermögen belasten, dürfen die für sie handelnden Organe nach dem Pflichtenmaßstab des § 93 Abs. 1 AktG bzw. § 43 Abs. 1 GmbHG entsprechende Freistellungs- und Erstattungsverpflichtungen gegenüber dem betroffenen Organmitglied nur eingehen, wenn dies im Unternehmensinteresse liegt. Durch eine undifferenzierte Freistellungs- und Erstattungspolitik zugunsten ordnungswidrigkeiten- oder strafrechtlich verantwortlicher Organmitglieder können sich daher die hierbei für die Gesellschaft handelnden Organmitglieder ihrerseits schadenersatzpflichtig nach § 93 Abs. 2 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG machen. Hinzu kommt eine mögliche strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organe, die auf Kosten der Gesellschaft eine solche Freistellung bzw. Erstattung zugunsten des sanktionsrechtlich verantwortlichen Organmitglieds veranlassen. Darin kann eine Untreue nach § 266 StGB zu Lasten der freistellenden Gesellschaft liegen. Die Verwirklichung des Untreuetatbestands setzt diesbezüglich voraus, daß die Zahlung der Geldbuße oder -strafe durch die insoweit für die Gesellschaft handelnde natürliche Person den Mißbrauch einer Befugnis, über das Vermögen der Gesellschaft zu verfügen, oder die Verletzung einer Pflicht, die Vermögensinteressen der Gesellschaft wahrzunehmen, darstellt.

b) Die Beurteilung der nachtatlichen Erstattung von Geldbußen und -strafen aa) Die Privatunternehmen Die für § 93 Abs. 1 AktG bzw. § 43 Abs. 1 GmbHG relevante Frage, ob eine derartige Verwendung von Gesellschaftsmitteln im Unternehmensinteresse liegt, richtet sich nach einer Abwägung im Einzelfall. Es gelten insoweit die allgemeinen Grundsätze der Beurteilung von Freistellungsvereinbarungen mit Organmitgliedern in bezug auf Außenhaftungstatbestände. 315 Für § 266 StGB kommt es hingegen darauf an, ob durch eine Freistellung oder Erstattung von Geldbußen und -strafen bzw. der Verteidigungskosten durch die Gesellschaft das für die Gesellschaft handelnde Organ eine nach dem Gesellschaftsrecht bestehende Vermögensbetreuungspflicht verletzt. 316 Die Vermögensbetreuungspflicht setzt voraus, daß der Betreffende eine Geschäftsbesorgung für einen anderen in einer nicht ganz unbedeutenden Angelegenheit übernimmt mit einem Aufgabenkreis von einigem Gewicht; zu 315

S. dazu eingehend Teil B. II. 1. d) bb) (II.). Diese Voraussetzung betrifft sowohl die Treubruchs- als auch die Mißbrauchsalternative, vgl. BGH, Urteil v. 26.7.1972 – 2 StR 62/72, BGHSt. 24, 386 (387); BGH, Urteil v. BGH, Urteil v. 13.6.1985 – 4 StR 213/85, BGHSt 33, 244 (250); Ignor/Rixen, wistra 2000, 448 (449); Hoffmann/Wißmann, StV 2001, 249 (250). 316

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dem Personenkreis mit einer solchen Pflichtenstellung gehören im Bereich des Wirtschaftsstraf- und -bußgeldrechts die Geschäftsführer, die Vorstände, die Aufsichtsräte, aber auch Prokuristen und Mitarbeiter, soweit letztere ein gewisses Maß an Selbständigkeit und Entscheidungsfreiheit genießen.317 Der Inhalt der Pflichtenstellung richtet sich nach den – außerstrafrechtlichen – Maßstäben des jeweiligen zivilrechtlichen Betreuungsverhältnisses. 318 Die Erstattung von Geldbußen und -strafen, Strafbefehlen und Auflagen gem. § 153a StPO ist also dann nicht pflichtwidrig, wenn sie im Interesse des Unternehmens liegt,319 d.h. ökonomisch sinnvoll ist und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Wirtschaftsführung entspricht. 320 Eine Pflichtverletzung der über die Erstattung entscheidenden Organe kann nur angenommen werden, wenn die Abwägung des Nutzens und der wirtschaftlichen Nachteile einer Erstattung jeglicher Plausibilität entbehren. 321 Nach dem BGH ist eine Pflichtverletzung mithin zu verneinen, „solange die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, nicht überschritten sind“.322 Entscheidend ist hierfür, ob die seitens der Gesellschaft freiwillig erbrachte Leistung an das Organmitglied einen „zukunftsbezogenen Nutzen“ für das Unternehmen hat.323 So kann es beispielsweise dem Interesse des Unternehmens dienen, das Organmitglied davon abzuhalten, Rechtsmittel gegen eine Bußgeldentscheidung einzulegen, um eine entsprechende negative Außenwirkung zu vermeiden. Zu diesem Zweck kann es unternehmensseitig geboten sein, das Organmitglied von der wirtschaftlichen Belastung des Bußgelds oder der Geldstrafe zu befreien. 324 Die negative publicity durch Wirtschaftsstrafverfahren kann sich erheblich auf das Ansehen eines Unternehmens bei seinen Kunden und damit auf den Ertrag auswirken.325 Ferner kann eine Beendigung des Verfahrens durch Zahlung einer 317 Hoffmann/Wißmann, StV 2001, 249 (250); s. auch die Beispiele bei Dierlamm, in: Münchener Kommentar StGB, Bd. 4 2006, § 266 Rn. 56 ff.; Vgl. auch BGH, Urteil v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522 (530) = BGHSt 50, 331 ff. – Mannesmann. 318 Tiedemann, in: Festschrift für Tröndle, 1989, S. 319 (326); Ignor/Rixen, wistra 2000, 448 (449). 319 Kapp, NJW 1992, 2796 (2797). 320 Hoffmann/Wißmann, StV 2001, 249 (250). 321 Vgl. Ignor/Rixen, wistra 2000, 448 (450). 322 BGH, Urteil v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522 (523) = BGHSt 50, 331 ff. – Mannesmann. 323 BGH, Urteil v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522 (524) = BGHSt 50, 331 ff. – Mannesmann. 324 Sven Thomas, in: Festschrift für Riess, 2002, S. 795 (804); Kapp, NJW 1992, 2796 (2797); vgl. auch Ignor/Rixen, wistra 2000, 448 (450); vgl. auch Ebenroth/Willburger, BB 1991, 1941 (1944). 325 Hoffmann/Wißmann, StV 2001, 249 (250).

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Geldbuße oder eine Einstellung gegen Geldauflage nach § 153a StPO dem Unternehmen die andernfalls anfallenden Kosten ersparen, die infolge der Durchführung des Verfahrens bzw. der gerichtlichen Auseinandersetzung auch für das Unternehmen anfallen, etwa durch anwaltliche Vertretung von unternehmenseigenen Zeugen etc.326 Die Erstattung kann auch dem Zweck dienen, ein konkret betroffenes Organmitglied im Unternehmen zu halten. 327 Aus der Praxis ist zu vernehmen, daß Geldstrafen und -bußen sowie Auflagen durchaus häufig übernommen werden und die Verfolgungsbehörden diesen Umstand bei der Bemessung der Höhe bisweilen sogar zu berücksichtigen scheinen. 328 Ist die Freistellung hingegen lediglich als „Geschenk“ für das Organmitglied zu bewerten, ohne daß dies dem Unternehmen dient, kommt die Verwirklichung des Untreuetatbestands in Betracht. Eine Verpflichtung der Gesellschaft, das Organmitglied beispielsweise von Bußgeldern wegen privater Steuervergehen freizustellen, wäre unter dem Gesichtspunkt des § 266 StGB nicht möglich.329 Es stellt sich die Frage, ob hinsichtlich der Zulässigkeit der Erstattung des weiteren zwischen Sanktionen für Vorsatzdelikte einerseits und für fahrlässig begangene Zuwiderhandlungen andererseits zu unterscheiden ist. Teilweise heißt es – freilich in bezug auf öffentlich-rechtliche Gesellschaften (dazu sogleich) –, daß bei Vorsatztaten jegliche Zahlung der Gesellschaft § 266 StGB erfülle.330 Für eine Differenzierung zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten in diesem Zusammenhang spräche, daß eine Erstattung von Geldstrafen und -bußen wegen Vorsatztaten einem wesentlichen Grundgedanken der Zivilrechtsordnung zuwiderlaufen könnte, wonach der privatautonom geschaffenen Absicherung des Schädigers vor den Folgen vorsätzlicher Schädigungen die zivilrechtliche Anerkennung zu versagen ist.331 Jedoch kann dieser Gedanke für die Anwendung des § 266 StGB auf nachtatliche Zusagen keine Rolle spielen. § 266 StGB dient nämlich nur dem Zweck, das Vermögen des Treugebers zu schützen. Für seine Einschlägigkeit kommt es nicht darauf an, ob die Vermö326

Ignor/Rixen, wistra 2000, 448 (450). Hoffmann/Wißmann, StV 2001, 249 (250). 328 Hoffmann/Wißmann, StV 2001, 249. 329 Vgl. auch insoweit BGH, Urteil v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522 (523 f.) = BGHSt 50, 331 ff. – Mannesmann mit dem Gedanken der „kompensationslosen Anerkennungsprämie“, der sich auf diese Konstellation übertragen läßt. 330 Schünemann, Leipziger Kommentar, StGB, 11. Aufl., Stand 1.4.1998, § 266 Rn. 143 mit Blick auf die Verfahrenskosten (hierzu noch sogleich unter Teil G. XIV. 4. c). Verf. meint, eine Erstattung sei insoweit nur möglich unter dem Vorbehalt der Rückforderung, falls durch die Entscheidung eine vorsätzliche Begehung festgestellt werde. Danach müßte a maiore ad minus eine Erstattung für die Geldbuße oder -strafe selbst bei vorsätzlicher Begehung erst recht ausscheiden. Nach BGH, Urteil v. 7.11.1990 – 2 StR 439/90, NJW 1991, 990 (991) erfüllt eine Erstattung der materiellen Sanktionsfolgen durch öffentliche Mittel ohnehin grundsätzlich § 266 StGB. 331 Weshalb beispielsweise Freistellungsvereinbarungen, die sich auf vorsätzliche Schädigungen beziehen, grds. an § 138 BGB scheitern. 327

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gensverschiebung selbst ethisch verwerflich, ihrerseits gesetzlich verboten bzw. zivilrechtlich unwirksam ist. Derlei denkbare Einwände, die gegen die Erstattung der Buße oder Strafe sprechen könnten, führen ebensowenig dazu, daß § 266 StGB erfüllt ist, wie ihr Fehlen den Schluß erlaubt, daß § 266 StGB nicht greift.332 Auch hinsichtlich der Erstattung von Geldbußen und -strafen für Vorsatztaten kommt es daher allein darauf an, ob die „Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, nicht überschritten sind“333, was von einer Einzelfallprüfung des damit verbundenen zukunftsbezogenen Nutzens für das Unternehmen abhängt.

bb) Die öffentlichen Unternehmen Soweit es um die Erstattung von Geldbußen und -strafen durch öffentliche Unternehmen geht, sind die besonderen Anforderungen zu berücksichtigen, die für die Verwendung öffentlicher Mittel gelten. Der BGH hat in einem Urteil vom 7. November 1990 in bezug auf die durch einen Verbandsvorsteher bewirkte Zahlung der Geldstrafen für Bedienstete eines Verbands angenommen, daß diese unzulässig sei und das auf die besondere öffentlich-rechtliche Prägung des Unternehmenszwecks334 gestützt: „Es bedarf keiner ausführlichen Begründung dafür, daß es unzulässig war, öffentliche Mittel für die Bezahlung der Geldstrafen zu verwenden, zu denen die Bediensteten des Verbandes verurteilt worden waren. Derartige Zahlungen gehören eindeutig nicht zu den Aufgaben eines Abwasserverbandes. Sie lassen sich insbesondere auch nicht mit dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht für die Bediensteten rechtfertigen.“335 Es ist aber fraglich, ob die fallbezogenen Aussagen des BGH dahingehend verallgemeinerungsfähig sind, daß die Erstattung einer Geldstrafe oder -buße durch ein öffentliches Unternehmen stets den Untreuetatbestand verwirklicht. Eine Literaturansicht nimmt dies an. 336 Andere halten jedenfalls die Übernahme von Geldauflagen nach § 153a StPO durch den Dienstherrn für zulässig.337 Die Begründung des BGH in o.g. Fall war ausdrücklich knapp gehalten 332 Sven Thomas, in: Festschrift für Riess, 2002, S. 795 (805): „Der Verstoß gegen Gesetze, die dem Schutz des Treugebers dienen, kann Anknüpfungspunkt für die Pflichtwidrigkeit sein, indiziert sie aber nicht. Die Verletzung anderer Vorschriften (oder die Sittenwidrigkeit eines Geschäfts) sind hingegen vom Grundsatz her (für § 266 StGB) neutral.“ 333 BGH, Urteil v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522 (523) = BGHSt 50, 331 ff. – Mannesmann. 334 Dies als den zentralen Gesichtspunkt der ratio decidendi des Urteils ansehend auch Hoffmann/Wißmann, StV 2001, 249 (250). 335 BGH, Urteil v. 7.11.1990 – 2 StR 439/90, NJW 1991, 990 (991). 336 Schünemann, Leipziger Kommentar, StGB, 11. Aufl., Stand 1.4.1998, § 266 Rn. 143. 337 Dierlamm, in: Münchener Kommentar StGB, 2006, § 266 Rn. 220.

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und läßt daher kaum Ableitungen zu.338 Der Kern der Entscheidung ist jedoch problematisch. Der BGH meint, es gehöre nicht zu den „Aufgaben“ eines Abwasserverbands, für die Bezahlung von Geldstrafen zu sorgen. Soweit er damit den Gesellschaftszweck meint, ist ihm freilich zuzustimmen. Das trifft aber ebenso auf jede andere Privatgesellschaft zu und besagt nichts darüber, ob die Erstattung im Einzelfall nicht doch dem Unternehmensinteresse dienen kann. Soweit dies der Fall ist,339 fehlt es aber an der für § 266 StGB erforderlichen Pflichtverletzung in bezug auf die Vermögensverfügung340 und zwar auch bei einem öffentlichen Unternehmen. Der BGH hat ferner ausgeführt, die Erstattung lasse sich auch nicht mit dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht „rechtfertigen“. Daß der Gedanke der dienstlichen Fürsorgeaufwendung nicht greift,341 bedeutet aber nicht, daß nicht andere Gründe im Interesse des öffentlichen Unternehmens für eine Übernahme der Geldbuße oder -strafe sprechen können. Auch in einem öffentlichen Unternehmen kann es zu wirtschaftlichen Nachteilen dadurch kommen, daß eines seiner Organmitglieder mit Rechtsmitteln gegen eine Sanktionsentscheidung vorgeht und dadurch eine negative öffentliche Aufmerksamkeit auslöst. Dieser Aspekt mag zwar – um auf den BGH-Fall zurückzukommen – bei einem öffentlichen Abwasserverband mit Monopolstellung eine geringere Bedeutung für die Ertragslage dieses Unternehmens haben als bei einer reinen Privatgesellschaft, deren wirtschaftlicher Erfolg stärker von der Außendarstellung abhängt, etwa bei einer privaten Bank.342 Deshalb kann die Erstattung im Ergebnis mit dem BGH im Einzelfall durchaus als Untreue anzusehen sein, weil sie bei dem konkret betroffenen öffentlichen Unternehmen durch dessen Interesse nicht gerechtfertigt ist, es mithin an einem „zukunftsbezogenen Nutzen“ für das Unternehmen fehlt.343 Dies ist aber auch bei öffentlichen Unternehmen immer nur Ergebnis einer Einzelfallprüfung. Ein allgemeines Erstattungsverbot besteht für öffentliche Unternehmen nach § 266 StGB daher ebensowenig wie bei Privatgesellschaften.

338 Kritisch gegen die bewußte Verknappung der Begründung Ignor/Rixen, wistra 2000, 448 (452). 339 Vgl. Teil B. II. 1. d) bb) (II.). 340 BGH, Urteil v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522 (523 f.) = BGHSt 50, 331 ff. – Mannesmann. 341 Gegen den Begriff in Zusammenhang mit der D&O-Versicherung auch Teil E. III. 2. 342 Vgl. Ignor/Rixen, wistra 2000, 448 zu den besonderen Imageschäden bei Banken wegen Strafverfahren gegen ihre Organmitglieder und dem elementaren Interessen der Banken an einer schnellen und diskreten Beendigung dieser Verfahren. 343 Vgl. BGH, Urteil v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522 (524) = BGHSt 50, 331 ff. – Mannesmann.

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c) Die Erstattung der Kosten der Rechtsverteidigung und § 266 StGB aa) Die Privatunternehmen Ferner ist zu klären, ob die Erstattung der Kosten der Rechtsverteidigung eines betroffenen Organmitglieds eine Untreue zu Lasten des Unternehmens darstellen kann. Hier können keine anderen Maßstäbe gelten als in Betreff der Erstattung der Geldbußen und -strafen selbst. Es kommt also auch insoweit darauf an, ob die Zahlungen zugunsten des Organmitglieds im Interesse des Unternehmens liegen,344 mithin einen „zukunftsbezogenen Nutzen“ für das Unternehmen haben345. Das wird regelmäßig der Fall sein, soweit die Zuwiderhandlung aus einer unternehmensbezogenen Tätigkeit resultiert und die Gesellschaft schon deshalb ein Interesse daran hat, eine Beeinträchtigung der Firmenreputation durch eine erfolgreiche Rechtsverteidigung des Betroffenen gering zu halten. Ferner hat das Unternehmen i.d.R. ein Interesse daran, gegenüber gegenwärtigen und künftigen Organen und leitenden Angestellten das Signal zu setzen, daß sich die Unternehmensrepräsentanten in solchen Fällen der Unterstützung der Gesellschaft gewiß sein können. Dies fördert die Loyalität der Organe und Mitarbeiter und verbessert die Chancen der Gesellschaft auf dem Nachfragemarkt für qualifizierte Mitarbeiter. Soweit freilich die Verteidigungskosten durch eine Versicherung, insbesondere eine Industrie-Strafrechtspolice, gedeckt sind, kann es indiziert sein, daß die Gesellschaft von einer Erstattung absieht oder jedenfalls nur solche Kostenbestandteile übernimmt, die aus der Deckung herausfallen, etwa für zusätzliche Rechtsgutachten etc. Im Einzelfall kann ein Interesse an der Übernahme der Verteidigungskosten auch fehlen, wenn eine Pflichtverletzung eines Organmitglieds in Rede steht, zu der sich das Unternehmen in der Öffentlichkeit gerade unabhängig von der Berechtigung der Vorwürfe distanzieren will. Zu denken wäre etwa an den Tatbestand einer sexuellen Belästigung durch ein Organmitglied; hier die Kosten der Rechtsverteidigung zu übernehmen, könnte dem Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit u.U. sogar schaden und wäre ggf. auch dem Betriebsklima abträglich, da von den übrigen Mitarbeitern die Unparteilichkeit der Unternehmensleitung in dieser Frage in Zweifel gezogen werden könnte. Darin fügt sich ein, daß auch die D&O-Policen oft einen Deckungsausschluß für solche Übergriffe vorsehen. Mit § 266 StGB unvereinbar wäre es ferner, wenn die Gesellschaft die Kosten eines das Privatvermögen des Organmitglieds betreffenden Steuerstrafverfahrens übernähme. 344 Hoffmann/Wißmann, StV 2001, 249 (251); vgl. auch Sven Thomas, in: Festschrift für Riess, 2002, S. 795 (804 f.); Dierlamm, in: Münchener Kommentar StGB, 2006, § 266 Rn. 220. 345 Vgl. BGH, Urteil v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522 (524) = BGHSt 50, 331 ff. – Mannesmann.

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bb) Die öffentlichen Unternehmen (I.) Die grundsätzliche Zulässigkeit der Tragung der Verfahrenskosten Anders als hinsichtlich der Übernahme der Geldstrafe und -buße selbst hat der BGH in der o.g. Entscheidung betreffend den öffentlichen Verband die Erstattung der Verteidigungskosten für mit § 266 StGB im Grundsatz vereinbar gehalten.346 Darin ist ihm zuzustimmen, da die Interessen an einer Abwendung des gegen ein Organmitglied gerichteten Vorwurfs einer Zuwiderhandlung dort nicht anders gelagert sind als in einer Privatgesellschaft. Die insoweit gegen eine Übernahme der Geldbuße- oder Strafe – also der eigentlichen Sanktion – durch öffentliche Unternehmen angeführten Erwägungen des BGH tragen daher in bezug auf die Verteidigungskosten von vornherein nicht. In diesem Sinn wird die Übernahme der Verfahrenskosten teils auch als Ausfluß der öffentlichrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn angesehen,347 wobei in bezug auf diese Begrifflichkeit klarzustellen ist, daß kein Anspruch des Betroffenen gegen die Gesellschaft besteht, sofern er zugleich eine Organpflicht verletzt hat.348

(II.) Die Differenzierung zwischen vorsätzlich und fahrlässig begangenen Zuwiderhandlungen Die Literatur macht weitere Einschränkungen hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Verteidigungskosten durch öffentliche Unternehmen unter dem Gesichtspunkt des § 266 StGB. Es heißt vereinzelt, sie sei nur bei Fahrlässigkeitsdelikten möglich. Ein Vorschuß müsse daher immer unter den Vorbehalt gestellt werden, daß eine Rückerstattung zu erfolgen habe, falls später rechtskräftig eine vorsätzliche Begehungsweise festgestellt werden sollte.349 Diese Differenzierung kann jedoch nicht überzeugen. Denn für die Qualifikation der Kosten als Verteidigungsaufwand im Rahmen von § 266 StGB ist es unerheblich, welche materielle Begehungsweise letztlich vorlag. Die Übernahme der Kosten der Rechtsverteidigung kann daher nur entweder zulässig oder unzulässig sein, was sich allein danach richtet, ob ein Unternehmensinteresse daran besteht, den Betroffenen zu unterstützen. Soweit die Erstattung bei vorsätzlicher Begehungsweise durch die öffentliche Hand zu vermeintlichen Wertungswidersprüchen innerhalb der öffentlichen Rechtsordnung führt, kann dies jedenfalls nicht 346 BGH, Urteil v. 7.11.1990 – 2 StR 439/90, NJW 1991, 990 (991): „Keinen Bestand hat jedoch die Verurteilung, soweit sie dem Angekl. Untreue durch Zahlung der Gerichts- und Anwaltskosten vorgeworfen wird: Das angefochtene Urteil lastet dem Angekl. insoweit auch an, er habe Vermögen des Verbandes pflichtwidrig für einen sachfremden Zweck verwendet. Es gehöre nicht zu den Aufgaben des Verbandes, Bedienstete …“. 347 Dierlamm, in: Münchener Kommentar StGB, 2006, § 266 Rn. 220. 348 Nur falls keine Organpflicht verletzt wurde, besteht ein aufwendungsersatzähnlicher Erstattungsanspruch gegen die Gesellschaft, Teil E. I. 349 Schünemann, Leipziger Kommentar, StGB, 11. Aufl., Stand 1.4.1998, § 266 Rn. 143.

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den Straftatbestand der Untreue auslösen. Denn § 266 StGB will eben nur das Vermögen schützen und dient nicht dem Zweck, sonstige Einwände, die gegen den Akt der Verfügung selbst sprechen, strafrechtlich zu sanktionieren. Die Erstattung der Verteidigungskosten durch öffentliche Mittel kann daher nur im Einzelfall eine Untreue darstellen, wenn sie nicht dem Unternehmensinteresse dient. Es können hier keine anderen Maßstäbe gelten als die zu Privatunternehmen entwickelten.

(III.) Die Erstattung von Vereinbarungshonoraren oberhalb der gesetzlichen Gebührengrenzen Außerdem diskutiert die Literatur sub specie § 266 StGB die Höhe, in der Anwaltshonorare durch ein öffentliches Unternehmen übernommen werden dürfen. Einige halten nur die gesetzlichen Gebühren für erstattungsfähig. Die „exorbitanten Honorare sog. Starverteidiger“ dürften nicht abgedeckt werden, weil sich der Staat ansonsten widersprüchlich verhielte.350 Diese These ist aus mehreren Gründen abzulehnen. Zunächst stellt es keinen Widerspruch dar, wenn auch der Staat als Mandant Honorare oberhalb der gesetzlichen Gebühren erstattet, sofern dies im Einzelfall sachlich gerechtfertigt ist. Wenn ein Rechtsstreit wegen besonderer Komplexität einen hohen Bearbeitungsaufwand auslöst und eine besondere Expertise des Verteidigers erfordert – etwa im wirtschaftsrechtlichen Kontext –, kann es zweckmäßig oder sogar im öffentlichen Interesse notwendig sein, höhere als die gesetzlichen Gebühren zu zahlen, sofern nur dadurch die der Sache angemessene Verteidigung gewährleistet ist.351 Außerdem ist ein Selbstwiderspruch des Staats nicht zu erkennen, weil Abweichungen von den gesetzlichen Gebühren ja gerade – gesetzlich – erlaubt sind. Aus der Existenz gesetzlicher Gebührensätze folgt auch nicht, daß die Veranschlagung höherer Summen wirtschaftlich nicht gerechtfertigt wäre. Die Gebührenvorschriften besagen vielmehr nur, daß die dort festgelegten Grenzen das Minimum dessen darstellen, das für eine Verteidigerleistung in dem jeweiligen Fall zu veranschlagen ist. Die Überschreitung der Gebührensätze ist daher weder im Bereich privater noch öffentlicher Unternehmen sachlich per se unvernünftig und damit auch nicht auf Seiten der öffentlichen Hand widersprüchlich. Aber selbst wenn man die Ansicht verträte, daß sich ein öffentliches Unternehmen durch Zahlung von Vergütungen außerhalb der Gebührensätze widersprüchlich verhielte, könnte dies nicht den Tatbestand der Untreue begründen. 350

Schünemann, Leipziger Kommentar, StGB, 11. Aufl., Stand 1.4.1998, § 266 Rn. 143. Die Klärung von Rechtsfragen in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen ein Organmitglied eines öffentlichen Unternehmens kann über den persönlichen Bereich des Betroffenen hinaus für die Belange des Unternehmens und die öffentliche Hand als Eigentümer von Bedeutung sein, gerade weil sich auf diesem Weg vielfach erst die Rechtmäßigkeit des Handelns der öffentlichen Hand feststellen läßt. 351

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

§ 266 StGB schützt nämlich nicht die Widerspruchsfreiheit des Handelns der öffentlichen Hand, sondern das Vermögen – hier: des öffentlichen Unternehmens. Wenn die Verteidigung im Interesse des öffentlichen Unternehmens geboten ist und eine sachgerechte Verteidigung im Einzelfall – was freilich stets zu prüfen ist – einen Aufwand erfordert, der zu den gesetzlichen Gebühren am Markt nicht angeboten wird, dann kann es sub specie des § 266 StGB eben auch nicht pflichtwidrig sein, diesen Betrag zu erstatten, selbst wenn dadurch die Unzulänglichkeiten der gesetzlichen Gebühren offenkundig werden, da selbst der Staat für sie keine adäquaten Rechtsdienstleistungen am Markt erhält. 352

cc) Die Anwendung der Grundsätze auf ex ante getroffene Freistellungsvereinbarungen bezüglich der Verteidigungskosten Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die nachträgliche Erstattung der Kosten der Rechtsverteidigung durch das Unternehmen mit § 266 StGB vereinbar ist, muß von jener unterschieden werden, inwieweit ex ante Vereinbarungen mit der Gesellschaft zivilrechtlich wirksam geschlossen werden können, die sich auf eine entsprechende Erstattung richten. Eine solche kann nach § 134 BGB nur wirksam sein kann, soweit sie nicht auf eine gegen § 266 StGB verstoßende Zahlung gerichtet ist.353 Dies führt zu einem Problem, denn die strafrechtliche Zulässigkeit der Erstattung der Verteidigungskosten ist eine Frage des Einzelfalls, da es darauf ankommt, inwieweit sie jeweils im Unternehmensinteresse liegt. Daher wäre jede vortatliche Verpflichtung zur Erstattung mit dem Risiko eines späteren – einzelfallabhängigen – Verstoßes gegen § 266 StGB behaftet. Es ergibt sich aber i.d.R. schon im Weg der Auslegung, daß sich eine entsprechende Verpflichtung von vornherein nur auf die strafrechtlich zulässigen Zahlungen beziehen kann, d.h. soweit § 266 StGB nicht greift. Daher ist es keine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung für die Freistellungsvereinbarung, ausdrücklich klarzustellen, daß eine Freistellungspflicht nur besteht, soweit die Zahlung nicht im Einzelfall gegen § 266 StGB verstößt.354 Um diese Einschränkung beiden Parteien klar vor Augen zu führen, kann ein solcher klärender Hinweis dennoch zweckmäßig sein. Es kann in diesem Zusammenhang dann auch ausdrücklich klargestellt werden, daß keine Freistellungspflicht aus Gesellschaftsmitteln für nicht tätigkeitsbezogene Zuwiderhandlungen – etwa private Steuerstrafverfahren – besteht. 352 Zu Recht für die Zulässigkeit der Erstattung von Vereinbarungshonoraren außerhalb der gesetzlichen Gebührenordnungen ohne Verstoß gegen § 266 StGB auch Dierlamm, in: Münchener Kommentar StGB, 2006, § 266 Rn. 220. 353 Vgl. Kapp, NJW 1992, 2796 (2797). 354 Zum Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung von Rechtsgeschäften s. BGH, Urteil v. 26.9.2002 – I ZR 44/00, NJW 2003, 819 (820) – Anwalts-Hotline.

XIV. Die Erfassung von Bußgeldern und Geldstrafen

421

Sofern eine Freistellungsvereinbarung hingegen nicht nur auf entsprechende Klarstellungen verzichtet, sondern die Erstattungspflicht der Gesellschaft explizit auf solche nicht zulässigen Bereiche ausdehnt, ist die Vereinbarung gem. § 134 BGB i.V.m. § 266 StGB insoweit unwirksam. Sie ist dann im Weg der geltungserhaltenden Reduktion analog § 139 BGB auf den wirksamen Inhalt zu reduzieren. Bei Verstoß gegen sanktionierte gesetzliche Verbote – wozu § 266 StGB gehört – ist die Vereinbarung mit dem gesetzlich noch zulässigen Inhalt aufrecht zu erhalten.355 Eine vortatliche Freistellungszusage hinsichtlich der Verteidigungskosten könnte jedoch möglicherweise unter dem Gesichtspunkt einer Anstiftung oder Beihilfe zur Haupttat problematisch sein.356 Die Anstiftung nach § 26 StGB setzt das Bestimmen eines anderen zu einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat voraus. Das Bestimmen verlangt, beim Täter den Entschluß zur Tat hervorzurufen;357 die bloße Verursachung objektiver Tatanreize reicht nicht aus.358 Die Annahme, daß durch die Aussicht, ein Dritter werde die Kosten der Rechtsverteidigung tragen, bei dem Begünstigten der Tatentschluß zur Begehung eines Vorsatzdelikts hervorgerufen wird, wäre aber nicht berechtigt. In Betracht käme allenfalls eine Beihilfe nach § 27 StGB. Die Tragung der Verfahrenskosten müßte hierfür eine Hilfeleistung zur Haupttat darstellen. Da sie die Begehung der Tat nicht erleichtert, käme nur sog. psychische Beihilfe in Betracht. Diese kann etwa in der bewußten Bestärkung eines bereits bestehenden Tatentschlusses liegen359 oder in der Beseitigung letzter Hemmungen.360 Eine solche Wirkungskraft wird der Deckung der Verfahrenskosten gerade im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts, das schwerwiegende Sanktionen bereithält, jedoch nicht zuzuschreiben sein. Die Annahme, daß sich die Zusage der Übernahme der Verfahrenskosten ursächlich als psychische Hilfeleistung zur Be355

So zu Verstößen gegen § 5 WiStrG, BGH, Rechtentscheid in Mietsachen v. 11.1.1984 – VIII ARZ 13/83, BGHZ 89, 316. Denn § 134 BGB statuiere „die Nichtigkeit nicht als Strafe“. Teile der Literatur kritisieren diesen Ansatz. Canaris etwa bezeichnet die Rechtsprechung des BGH zu § 5 WiStrG als „geradezu indiskutabel“, Canaris, Gesamtunwirksamkeit und Teilgültigkeit rechtsgeschäftlicher Regelungen, in: Festschrift für Steindorff, 1990, S. 519 (529). Für eine Reduktion auf den gesetzlich zulässigen Höchstumfang aber auch BGH, Urteil v. 23.6.1989 – V ZR 289/87, BGHZ 108, 147 zu einem Verstoß gegen § 5 BKleingG; ferner BGH, Urteil v. 9.11.1989 – VII ZR 252/88, NJW-RR 1990, 276 zur HOAI; BGH, Urteil v. 16.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 (2090) zu einem Bierlieferungsvertrag; BGH, Urteil v. 29.1.1996 – II ZR 286/94, NJW-RR 1996, 741 (742) zu einer zeitlich unbegrenzten Wettbewerbsbeschränkung in einem Sozietätsvertrag. 356 §§ 26, 27 StGB bzw. § 14 OWiG; monographisch dazu Schauf, Versicherungsschutz und Strafrecht, 2006. 357 BGH, Urt. v. 6.7.1956 – 2 StR 87/55, BGHSt 9, 370 (379). 358 Vgl. Fischer, StGB, 56. Aufl. 2009, § 26 Rn. 3 m.w.N. zur Literatur und Einzelheiten zum Stand der Diskussion. 359 RG, Urteil v. 20.12.1938 – 1 D 942/38, RGSt 73, 52 (53); OLG Stuttgart, Urteil v. 11.11.1949 – 126/49 NJW 1950, 118. 360 BGH, Urteil v. 16.6.1954 – 4 StR 721/53; vgl. Fischer, StGB, 56. Aufl. 2009, § 27 Rn. 11.

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G. Die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarung

gehung einer vorsätzlichen Wirtschaftsstraftat bei dem Täter auswirkt, wäre lebensfremd. Wer sich der drohenden Sanktionen bewußt ist, läßt sich nicht dadurch zur Tat motivieren, daß ihm die Kosten der Rechtsverteidigung abgenommen werden. Auch eine Beihilfe muß daher ausscheiden. Auf Grundlage dieser Prämissen kommt dann ebensowenig eine Teilnahme nach § 14 OWiG in Betracht, soweit Ordnungswidrigkeitentatbestände betroffen sind.

d) Die Rechtsfolgen einer wirksamen nachtatlichen Freistellung von Bußgeldern und Geldstrafen Es versteht sich von selbst, daß eine im Einzelfall zulässige nachtatliche Freistellungsvereinbarung immer nur eine Verpflichtung zur Übernahme der Kosten, die durch die Bezahlung der Geldstrafe oder des Bußgelds entstehen, bedeuten kann. Die Strafvollstreckungsbehörde wird in der Praxis die unmittelbare Zahlung durch einen Dritten ohnehin nicht akzeptieren, so daß der Freistellungsschuldner dem Freistellungsgläubiger entweder vor der Zahlung der Geldbuße oder -strafe den erforderlichen Betrag zur Verfügung stellt oder ihn anschließend ersetzt.361 Die Parteien können insbesondere nicht einen originären Übergang der öffentlich-rechtlichen Bußgeldpflicht auf den Freistellungsschuldner vereinbaren. Die Bußgeldpflicht einschließlich der Adressatenstellung richtet sich nämlich allein nach dem öffentlichen Ordnungswidrigkeiten- bzw. Strafrecht. Diese Normen haben zwingenden Charakter und können durch Vereinbarung unter Privaten nicht modifiziert werden gemäß dem schon im römischen Recht geltenden Grundsatz „ius publicum privatorum pactis mutari non potest“.362 Wenngleich die Europäische Kommission im EU-Kartellrecht diese nicht immer beachtet hat und in einem Fall davon ausging, daß eine originäre Übernahme der öffentlich-rechtlichen Bußgeldpflicht durch eine private „Haftungsübernahmeerklärung“ möglich sei,363 kann jedenfalls für das deutsche Ordnungswidrigkeiten- und Strafrecht diesbezüglich kein Zweifel daran bestehen, daß eine private Freistellungsvereinbarung nicht zu einer Veränderung der sanktionsrechtlichen Adressatenstellung führt.364 361 Ignor/Rixen, wistra 2000, 448 meinen, daß eine Direktzahlung an die Staatskasse jedenfalls „aus Gründen der Praktikabilität und der Übersichtlichkeit“ nicht sinnvoll sei. 362 Papinianus, D. 2, 14, 38; dazu Kaser, in: Festschrift für Wieacker, 1978, S. 90 (102 ff.; 108 ff.). 363 So EG-Kommission, Entscheidung v. 21.1.1998, ABl. 1998 Nr. L 100/55, 98/247/EGKS; EuG, Urteil v. 13.12.2001 – verb. Rs. T-45/98 und T-47/98, Slg. 2001, S. II-3757 – Krupp Thyssen Stainless GmbH und Acciai Speciali Terni SpA/Kommission; ferner EG-Kommission, Entscheidung v. 20.12.2006, Fall COMP/39.234 – Legierungszuschläge – Neuentscheidung; anders EuGH, Urteil v. 14.7.2005 – Rs. C-65/02 P und C-73/02 P, Tz. 88 – Legierungszuschlag. 364 Interessanterweise hat auch die EG-Kommissionen in einem anderen Fall so entschieden, vgl. EG-Kommission, Entscheidung vom 19.1.2005, Fall C-37.773 Tz. 248 – MCAA.

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H. Die Folgen eines Kontrollwechsels für die Freistellungsvereinbarung und den D&O-Versicherungsvertrag I. Das Problem Die D&O-Versicherung erstreckt sich bei einer Konzernpolice1 nicht nur auf die Organmitglieder2 der Versicherungsnehmerin, sondern auch auf die verbundener Unternehmen. Dasselbe gilt bei entsprechender Ausgestaltung für Freistellungsvereinbarungen. Damit stellt sich die Frage, welche Folgen ein Kontrollwechsel auf diese Sicherungsinstrumente hat. Es sind hierbei zwei Fragenkreise zu trennen: Der Erwerb und die Veräußerung von Gesellschaften durch die Versicherungsnehmerin zum einen und ein Wechsel der Kontrolle über die Versicherungsnehmerin selbst zum anderen.

II. Die D&O-Versicherung 1. Der Kontrollerwerb und -verlust der Versicherungsnehmerin an Tochtergesellschaften a) Die Rechtsfolgen des Kontrollerwerbs aa) Das Absinken des Schutzniveaus bei flexibler Konzernpolice Der Kontrollerwerb durch die Versicherungsnehmerin erweitert die Anzahl der zu versichernden Organmitglieder im Konzern. Ob diese neuen KonzernOrganmitglieder unter den bestehenden Versicherungsschutz des Erwerbers fallen, hängt von der versicherungsvertraglichen Regelung ab. Wenn der Erwerber keine Konzernpolice vereinbart hat, sind sie nicht versichert.3 Verfügt der Erwerber lediglich über eine statische Konzernpolice, welche nur konkret 1

Hierzu im einzelnen Teil G. I. f). Zusätzlich können auch leitende Angestellte einbezogen sein, siehe Teil G. I. 1. a) bb), für die das im folgenden Gesagte sinngemäß gilt. 3 Lange, AG 2005, 459 (470). 2

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H. Die Folgen eines Kontrollwechsels

benannte oder die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kontrollierten Gesellschaften erfaßt, besteht ebenfalls keine Deckung.4 Die neuen Organmitglieder sind mithin nur dann versichert, wenn der Erwerber eine flexible Konzernpolice vereinbart hat, die sich also auf alle bestehenden und künftig kontrollierten Gesellschaften bezieht. Eine flexible Konzernpolice führt dazu, daß auch die Organmitglieder der Tochtergesellschaften der erworbenen Gesellschaft und die von deren Tochter- und Enkelgesellschaften etc. versichert sind. Durch eine flexible Konzernpolice kann es bei dem Erwerb einer Gesellschaft also zu einem mitunter erheblichen Anstieg der Anzahl der versicherten Personen kommen. Dadurch steigt zugleich die Wahrscheinlichkeit, daß die vereinbarte Jahreshöchstleistung der Versicherung ausgeschöpft wird.5 Wenn dieser Effekt nicht bei Abschluß des Versicherungsvertrags durch das Ansetzen entsprechend hoher Deckungssummen und aggregate limits antezipiert wurde,6 droht eine Verwässerung des Versicherungsschutzes,7 die sowohl die neuen als auch die bisherigen Organmitglieder im Konzern gefährdet.8 Diesem Absinken des Schutzniveaus kann die Versicherungsnehmerin durch Anhebung der Deckung begegnen. Dies sollte sie vor Vollzug des Erwerbs tun, um keine Deckungslücken entstehen zu lassen. Freilich führt das zu einem Prämienanstieg. Eine Erweiterung des Deckungsumfangs wird aus diesem Grund für die Versicherungsnehmerin nicht immer wirtschaftlich sinnvoll oder realisierbar sein. Insbesondere wenn eine neu erworbene Gesellschaft nur vorübergehend gehalten werden soll, weil sie entweder weiterveräußert oder als Rechtsträger aufgelöst wird, kann es vorzugswürdig sein, den bestehenden Deckungsumfang bei gleich bleibender Prämienlast beizubehalten. Wenn die Gesellschaft ihre angestammten Organmitglieder gegen den Verwässerungseffekt schützen will, ohne aber auf eine flexible Konzernpolice zu verzichten, kann sie dies durch Vereinbarung von sub-limits für die Zielgesellschaften erreichen. Dadurch wird verhindert, daß Haftungsfälle in den erworbenen Gesellschaften die Jahresdeckungssumme zu Lasten der Organmitglieder des bestehenden Konzerns aufzehren. Eine weitere Begrenzung läßt sich durch eine Beschränkung der Rückwärtsdeckung erreichen. Während die Organmitglieder der Versicherungsnehmerin

4

Lange, AG 2005, 459 (470). Zu den Deckungsgrenzen der D&O-Versicherung Teil G. V. 6 Eine solche prognostische Kalkulation des erforderlichen Deckungsumfangs kommt insbesondere in Betracht, wenn die Versicherungsnehmerin bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beabsichtigt, durch Unternehmenszukäufe zu wachsen. 7 Zugleich kann eine versicherungsrechtliche Gefahrerhöhung eintreten, weil sich durch den Anstieg der Anzahl der versicherten Personen das Risiko vergrößert. Jedoch ist diese Gefahrerhöhung nach § 27 VVG (§ 29 VVG alt) unbeachtlich, weil es bei der flexiblen Konzernpolice gerade als vereinbart anzusehen ist, daß sie mitversichert sein soll. 8 Lange, AG 2005, 459 (470). 5

II. Die D&O-Versicherung

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grundsätzlich eine Rückwärtsdeckung genießen,9 kann die Deckung für die Organmitglieder neu erworbener Gesellschaften auf Pflichtverstöße ab dem Zeitpunkt des Kontrollerwerbs begrenzt werden. Diese Begrenzung wird in der Praxis bei flexiblen Konzernpolicen oft verwendet.10

bb) Der Erwerb der Gesellschaft während des Nachhaftungszeitraums Wenn eine Gesellschaft hingegen erst erworben wird, nachdem die D&O-Versicherung des Erwerbers beendet wurde, ergeben sich andere Rechtsfragen. Für die Organmitglieder der Versicherungsnehmerin sehen die D&O-Policen grundsätzlich eine Nachdeckung vor.11 Diese Nachdeckung ist aber regelmäßig auf solche Schäden begrenzt, die auf Pflichtverletzungen beruhen, welche vor dem Ende des Versicherungsvertrags begangen wurden. Wenn nun eine Gesellschaft während dieses Nachdeckungszeitraums erworben wird, werden ihre Organmitglieder von dieser Regelung nicht erfaßt. Denn deren Pflichtverletzungen sind aufgrund der üblichen Begrenzung der Rückwärtsdeckung erst ab dem Zeitpunkt des Kontrollerwerbs versichert. Bei ihnen können daher keine Pflichtverletzungen vorliegen, die vor Beendigung des Versicherungsvertrags der Versicherungsnehmerin versichert waren. Diese Rechtsfolge wird in den AVB in Betreff der Nachhaftungsregel vielfach dadurch klargestellt, daß Deckung insoweit nur für die „während der Dauer des Versicherungsvertrags“ konzernierten Gesellschaften gewährt wird.12

cc) Das Zusammentreffen zweier D&O-Versicherungen bei erworbener Gesellschaft und Erwerber (I.) Die Konkurrenz zweier Versicherungsverträge mit unterschiedlichen Versicherern (1.) Die Neben- und die Mehrfachversicherung Verfügt die erworbene Gesellschaft ebenfalls über eine D&O-Police, kommt es in bezug auf deren Organmitglieder zu einer Nebenversicherung nach § 77 VVG (§ 58 VVG alt), soweit diese nach den oben geschilderten Grundsätzen auch unter die Konzernpolice des Erwerbers fallen.13 Es kann darin auch eine Mehrfachversicherung i.S.d. § 78 VVG (§ 59 VVG alt) liegen, wenn die Summe der Entschä9

Dazu Teil G. IV. 1. c). Vgl. Lange, AG 2005, 459 (470 in Fn. 165). 11 Dazu Teil G. IV. 1. b). 12 Lange, AG 2005, 459 (471). 13 § 77 VVG (§ 58 VVG alt) scheint zwar davon auszugehen, daß derselbe Versicherungsnehmer bei mehreren Versicherern eine Versicherung nimmt. Die Norm ist aber auch dann einschlägig, wenn dasselbe Interesse durch mehrere Versicherungsnehmer versichert wird. Hierzu im einzelnen Lange, AG 2005, 459 (468). 10

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H. Die Folgen eines Kontrollwechsels

digungen aus beiden Versicherungen im Versicherungsfall den Gesamtbetrag des Schadens übersteigt. Mithin kann Versicherungsschutz gem. § 78 Abs. 1 VVG (§ 59 Abs. 1 VVG alt) aus beiden Policen nur bis zur Höhe der Haftpflichtsumme verlangt werden.14 Die Versicherer führen nach § 78 Abs. 2 VVG (§ 59 Abs. 2 VVG alt) im Innenverhältnis einen Gesamtschuldnerausgleich durch. An dem Bestehen zweier D&O-Policen hat das Unternehmen langfristig kein Interesse. Sofern der Erwerber über eine unbeschränkte flexible Konzernpolice verfügt, wird die bei der erworbenen Gesellschaft bestehende Deckung regelmäßig sinnlos.15 Wenn die erworbene Gesellschaft selbst insoweit Versicherungsnehmerin ist, kann sie die Versicherung zum nächsten Termin ordentlich kündigen. Neben der ordentlichen Kündigung wäre noch eine Kündigung nach § 79 VVG (§ 60 VVG alt) zur Beseitigung einer Mehrfachversicherung denkbar. Allerdings setzt die Mehrfachversicherung voraus, daß die Summe der Entschädigungen aus beiden Versicherungen den Gesamtbetrag des Schadens übersteigen würde, was bei der als Haftpflichtversicherung zu qualifizierenden D&O-Versicherung ex ante praktisch nicht feststellbar ist.16

(2.) Die Subsidiaritätsklausel Um sich vor der gesamtschuldnerischen Haftung nach § 78 VVG (§ 59 VVG alt) zu schützen, sehen viele Versicherer in ihren AVB vor, daß sie nur subsidiär gegenüber anderen bestehenden Versicherungen zur Leistung verpflichtet sind. Entweder wird die Deckung bei Vorliegen eines weiteren Versicherungsvertrags vollständig ausgeschlossen, sog. qualifizierte Deckungsklausel, oder es wird geregelt, daß sie erst nach Verbrauch der anderweitigen Versicherungssumme eingreift, sog. einfache Subsidiaritätsklausel. Die Subsidiarität kann entweder gegenüber älteren Versicherungsverträgen oder generell gegenüber jedem anderen Versicherungsvertrag vereinbart werden. Es kommt jedoch zu Kollisionsfragen, wenn beide in Rede stehenden Versicherungsverträge eine Subsidiaritätsklausel enthalten: Sofern die AVB keine Kollisionsregeln kennen, ist die Lösung durch ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln.17 Es muß sich dann die qualifizierte Subsidiaritätsklausel gegenüber der einfachen durchsetzen, da der mit einfacher Subsidiaritätsklausel ausgestattete Versicherungsvertrag Deckungsschutz gewährt. Dies führt zum Entfallen der Leistungspflicht des Versicherers, der 14

Lange, AG 2005, 459 (469). Etwas anderes könnte nur dann angenommen werden, wenn die Deckung bei der erworbenen Gesellschaft umfangreicher ist als die Konzernpolice des Erwerbers. Auch dann kommt es aber jedenfalls zu unnötigen Überlappungen der D&O-Policen. 16 Lange, AG 2005, 459 (468 in Fn. 126, 469). 17 Lange, AG 2005, 459 (469). 15

II. Die D&O-Versicherung

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zu seinen Gunsten eine qualifizierte Subsidiaritätsklausel vereinbart hat.18 Konkurrieren hingegen zwei einfache Klauseln miteinander, läßt sich exegetisch kein Rangverhältnis ermitteln. Im Weg der ergänzenden Vertragsauslegung ist für diesen Fall der Parteiwille anzunehmen, daß sich die Klauseln gegenseitig aufheben und es bei der gesetzlichen Rechtsfolge der §§ 77 ff. VVG bleibt.19 Die Kollision zweier qualifizierter Klauseln könnte dazu führen, daß kein Versicherer leistungspflichtig ist.20 Gegen eine solche Rechtsfolge wären aber nicht nur AGB-rechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer überraschenden Klausel i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB zu erheben. 21 Vielmehr ist zweifelhaft, ob dieses Ergebnis nach dem Sinngehalt der qualifizierten Subsidiaritätsklausel überhaupt die vertragliche Rechtsfolge sein kann. Denn eine Subsidiarität gegenüber einer für dasselbe Risiko bestehenden Versicherung ergibt nur dann Sinn, wenn es zumindest theoretisch möglich ist, daß der Versicherungsnehmer darüber Deckung genießt. Ist dies aber ausgeschlossen, weil die qualifizierten Subsidiaritätsklauseln sich gegenseitig aufheben, führen die Regelungen zu einer vollständigen Leistungsfreiheit, welche die Parteien bei Abschluß beider qualifiziert subsidiärer Versicherungsverträge nicht gewollt haben. Für die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen gem. §§ 133, 157 BGB ist aber zugrunde zu legen, daß die Parteien das Vernünftige vereinbaren wollten. 22 Daher ist der Deutung der Vorzug zu geben, die den Vertrag als widerspruchsfrei erscheinen läßt.23 Ganz allgemein ist nach der Rechtsprechung des BGH gemäß der allgemeinen Lebenserfahrung von einem „wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Verhalten“ der Teilnehmer am Rechtsverkehr auszugehen. 24 Es scheiden also solche Deutungen des Vertrags aus, die offensichtlich ökonomisch keinen Sinn ergeben und daher von den Parteien nicht gewollt sein konnten. Deshalb kann bei Zusammentreffen zweier qualifizierter Subsidiaritätsklauseln nur angenommen werden, daß die Regelungen sich – wie bei Kollision zweier einfacher Subsidiaritätsklauseln – gegenseitig aufheben und mithin die Rechtsfolgen des § 78 VVG (§ 59 VVG alt) gelten.

18 Vgl. Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 59 Rn. 26; Lange, AG 2005, 459 (469). 19 Lange, AG 2005, 459 (469); Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 59 Rn. 28. 20 So wohl Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 59 Rn. 27. 21 Hierauf hinweisend Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 59 Rn. 27. 22 BGH, Urteil v. 14.3.2003 – V ZR 278/01, NJW-RR 2003, 1136; BGH, Urteil v. 20.12.2001 – IX ZR 401/99, NJW 2002, 1050. 23 BGH, Urteil v. 14.3.2003 – V ZR 278/01, NJW-RR 2003, 1136; BGH, Urteil v. 23.1.1997 – IX ZR 69/96, NJW 1997, 1003 ff. 24 BGH, Beschluß v. 29.10.1985 – KVR 1/84, WuW/E BGH 2211 (2218) = ZIP 1986, 397 ff.

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H. Die Folgen eines Kontrollwechsels

(II.) Die Kumulation zweier Verträge mit demselben Versicherer Wenn das erworbene Unternehmen und der Erwerber bei demselben Versicherer eine D&O-Versicherung genommen haben, ist § 78 Abs. 1 VVG (§ 59 Abs. 1 VVG alt) insoweit analog25 anzuwenden, als der Versicherte den Versicherer im Versicherungsfall kumulativ aus beiden Verträgen in Anspruch nehmen kann, höchstens aber bis zur Haftpflichtsumme. 26 Etwas anderes gilt, wenn wenigstens einer der beiden Versicherungsverträge eine abweichende Rechtsfolge vorsieht. Vielfach wird in Kumulklauseln festgelegt, daß bei Vorliegen von zwei oder mehreren Versicherungen für ein Interesse gegen dieselbe Gefahr mit demselben Versicherer dessen Leistungspflicht auf die höchste vereinbarte Versicherungssumme begrenzt ist. 27

b) Die Rechtsfolgen des Kontrollverlusts Die Veräußerung einer Gesellschaft, die von einer Konzernpolice erfaßt ist, reduziert die Anzahl der Versicherten und damit zugleich die statistische Wahrscheinlichkeit, daß die Jahreshöchstgrenzen der Versicherung28 ausgeschöpft werden. Wenn es zu einer erheblichen und dauerhaften Senkung der Anzahl der Versicherten kommt, kann es für die Versicherungsnehmerin daher zweckmäßig sein, den Deckungsumfang entsprechend herabzusetzen, um dadurch eine Prämienersparnis zu erzielen. Die Organmitglieder der veräußerten Gesellschaft scheiden infolge des Kontrollverlusts aus der Konzernpolice aus. Ihr Versicherungsschutz für Pflichtverletzungen, die sich während ihrer Tätigkeit im alten Konzernverbund ereignet haben, hängt mithin von der vertraglichen Regelung ab. Üblicherweise beschränken die AVB die Deckung auf Ansprüche, die aus Pflichtverletzungen resultieren, welche vor der Entkonzernierung begangen wurden.29 In diesem Umfang sind dann die Organmitglieder auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Konzernverbund als ehemalige Organmitglieder30 weiterhin versichert. Fehlt es an einer ausdrücklichen Klarstellung hinsichtlich der Begrenzung auf Pflichtverletzungen während der Konzernzugehörigkeit, folgt dieses Ergebnis aus einer Auslegung der Definition des Versicherungsgegenstands. 31 Dieser wird so festgelegt, daß Pflichtverletzungen als Organmitglied einer Tochter25

Vgl. BGH, Urteil v. 28.11.1990 – IV ZR 233/89, VersR 1991, 172 (173) unter III. 1; Römer, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, § 58 Rn. 4, § 59 Rn. 3; Lange, AG 2005, 459 (470). 26 Lange, AG 2005, 459 (470). 27 Vgl. Lange, AG 2005, 459 (469). 28 Dazu Teil G. V. 1. 29 Lange, AG 2005, 459 (472). 30 Zur Erfassung ehemaliger Organmitglieder durch die AVB der D&O-Versicherung Teil G. I. 1. b). 31 Lange, AG 2005, 459 (472).

II. Die D&O-Versicherung

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gesellschaft der Versicherungsnehmerin erfaßt werden.32 Nach der Veräußerung haben die ehemals Versicherten ihre Eigenschaft als Organmitglied einer Tochter der Versicherungsnehmerin verloren und mithin auch ihre Deckung für Ansprüche aus künftigen Pflichtverletzungen. Wenn die veräußerte Gesellschaft beim Erwerber unter dessen Konzernpolice fällt, richtet sich der Deckungsschutz der Organmitglieder für Pflichtverletzungen im neuen Konzernverbund nach dieser D&O-Versicherung. Eine Deckungskonkurrenz im Verhältnis zur Konzernpolice des Veräußerers entsteht nicht, da die neue Versicherung grundsätzlich keine Rückwärtsversicherung für Pflichtverstöße aus dem Zeitraum vor Konzerneingang enthält. Für den davor liegenden Zeitraum gewährleistet die D&O-Versicherung des Veräußerers zugunsten des Organmitglieds Deckungsschutz.

2. Der Kontrollerwerb und -verlust über die Versicherungsnehmerin a) Der Kontrollwechsel als Gefahrerhöhung aa) Der Begriff der Gefahrerhöhung Mit einem Erwerb oder Wechsel der Kontrolle in bezug auf die Versicherungsnehmerin als kontrollierte Gesellschaft durch ein drittes bzw. zu einem dritten Unternehmen ist die Frage aufgeworfen, ob sich diese Veränderung als Gefahrerhöhung i.S.d. §§ 23 ff. VVG darstellt.33 Eine Gefahrerhöhung ist jede nachträglich eintretende, erhebliche Änderung der bei Vertragsabschluß vorhandenen gefahrerheblichen Umstände, wenn sie den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht.34 Dabei ist eine ganzheitliche Betrachtensweise geboten. Es kommt nicht darauf an, ob einzelne neue Gefahrenquellen entstanden sind, sondern darauf, ob sich das Risiko insgesamt erhöht hat.35 Eine subjektive Gefahrerhöhung i.S.v. § 23 Abs. 1 VVG liegt vor, wenn die Änderung der gefahrerhöhenden Umstände durch den Versicherungsnehmer vorgenommen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestattet wurde. Eine objektive Gefahrerhöhung ist gegeben, wenn die 32 Vgl. Ziff. 1.1 AVB-AVG (Stand Januar 2008): „Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass ein gegenwärtiges oder ehemaliges Mitglied des Aufsichtsrates, des Vorstandes oder der Geschäftsführung der Versicherungsnehmerin oder einer Tochtergesellschaft (versicherte Personen) wegen einer bei Ausübung dieser Tätigkeit begangenen Pflichtverletzung…auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird.“ 33 Hierzu Lange, AG 2005, 459 (465 ff.). 34 BGH, Urteil v. 5.5.2004 – IV ZR 183/03, VersR 2004, 895 ff.; BGH, Urteil v. 10.1.1951 – II ZR 21/50, NJW 1951, 231 f.; Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 23 Rn. 4. 35 BGH, Urteil v. 5.5.2004 – IV ZR 183/03, VersR 2004, 895 ff.

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H. Die Folgen eines Kontrollwechsels

Gefahrerhöhung unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eintritt. Subjektive und objektive Gefahrerhöhung führen unter unterschiedlichen Voraussetzungen gem. den §§ 24 – 26 VVG (§§ 24 – 28 VVG alt) zu einem Kündigungsrecht, einem Prämienanpassungsanspruch oder zur Leistungsfreiheit des Versicherers. Zur Einordnung des Kontrollwechsels über die Versicherungsnehmerin in das Recht der Gefahrerhöhung ist zunächst zu untersuchen, ob sich hierdurch die bei Vertragsabschluß tatsächlich vorhandenen gefahrerheblichen Umstände ändern. Im Regelfall muß dies angenommen werden. Zwar folgt aus dem Erwerb der Kontrolle durch einen Dritten noch nicht, daß die Gefahr von Haftungsfällen bei der Versicherungsnehmerin nach dem Kontrollerwerb höher ist als vorher. Der Vorgang des Kontrollerwerbs als solcher kann aber die Wahrscheinlichkeit erhöhen, daß Organhaftungsansprüche aus der Vergangenheit geltend gemacht werden.36 Im Rahmen der üblichen due diligence-Prüfung werden häufig Haftungstatbestände aufgedeckt, die bislang nicht verfolgt worden sind.37 Vielfach trennt sich auch der Erwerber von Organmitgliedern seiner neuen Tochtergesellschaft, was im Rahmen von Streitigkeiten über Abfindungen zur Prüfung und Erhebung von Organhaftungsansprüchen führen kann. Neben der Unternehmensinsolvenz gelten daher Übernahmen als der wichtigste Anlaß für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen Organmitglieder und damit für den Eintritt des Versicherungsfalls in D&O-Versicherungen.38 Darin fügt sich ein, daß die Versicherer im Antragsfragebogen grundsätzlich Auskünfte über die Anteilseignerstruktur und bevorstehende Gesellschafterwechsel verlangen. 39 Prinzipiell handelt es sich in diesen Fällen um eine objektive Gefahrerhöhung, denn der Kontrollerwerb über die Versicherungsnehmerin ist durch diese im Grundsatz nicht zu beeinflussen. Eine subjektive Gefahrerhöhung kann angenommen werden, wenn vinkulierte Geschäftsanteile übertragen werden oder eine andersartige aktive Einflußnahme der Gesellschaft festzustellen ist, die auf den Kontrollwechsel gerichtet war.40 Da eine Gefahrerhöhung von einer ganzheitlichen Betrachtung abhängt, kann sie bei einem Kontrollwechsel im Einzelfall zu verneinen sein, wenn mit ihm die genannten Risiken nicht verbunden sind. Das ist denkbar, wenn der Erwerber schon in einem erheblichen Umfang an der Versicherungsnehmerin beteiligt war und mit seinem Kontrollerwerb keine due diligence oder Umstrukturierung des

36

Vgl. Lange, AG 2005, 459 (464 ff.). Lange, AG 2005, 459 (465). 38 Küpper-Dirks, Managerhaftung und D&O-Versicherung, 2002, S. 81; Lange, AG 2005, 459 (465). 39 Lange, AG 2005, 459 (464). 40 Vgl. Lange, AG 2005, 459 (465 f.). 37

II. Die D&O-Versicherung

431

Managements verbunden sein wird.41 Hierher gehört beispielsweise der Fall, daß ein durch zwei Mütter kontrolliertes Gemeinschaftsunternehmen auf eine der Mütter vollständig übergeht.

bb) Die Kündigung wegen Gefahrerhöhung und die Nachdeckung Wenn der Versicherer infolge einer Gefahrerhöhung den Vertrag kündigt, stellt sich die Frage der Nachdeckung.42 Einige Versicherer schließen in ihren AVB die Nachdeckung für den Fall der Kündigung wegen Gefahrerhöhung aus. Die ratio hinter einer solchen Regelung liegt darin, daß eine Nachdeckung die Rechtsfolgen der Gefahrerhöhungsregeln aushöhlen würde. Erfolgt der Kontrollwechsel hingegen innerhalb des Nachdeckungszeitraums, nachdem der Versicherungsvertrag bereits aus einem anderen Grund geendet hat, kann auch dann noch eine Gefahrerhöhung i.S.d. §§ 23 ff. VVG vorliegen. Denn § 23 Abs. 1 VVG stellt hinsichtlich seines zeitlichen Anwendungsbereichs nur auf die Abgabe der Vertragserklärung durch den Versicherungsnehmer ab, ohne an das Bestehen des Versicherungsvertrags zu knüpfen, so daß auch der Nachdeckungszeitraum erfaßt wird. Demgemäß stehen dem Versicherer in Ansehung der Pflichten aus dem Nachdeckungsverhältnis gem. §§ 23 ff. VVG dieselben Rechte zu wie in Betreff des Versicherungsvertrags vor dessen Beendigung.43

cc) Die Unerhebliche Gefahrerhöhung Selbst wenn eine Gefahrerhöhung vorliegt, bleibt sie gem. § 27 VVG (§ 29 VVG alt) unbeachtlich, sofern sie unerheblich ist oder nach den Umständen als vereinbart anzusehen ist, daß sie mitversichert sein soll. Die Unerheblichkeit ist gegeben, wenn zwar eine bedeutsame Gefahränderung eingetreten ist, die Wahrscheinlichkeit des Versicherungsfalls aber nur unwesentlich gesteigert wurde.44 Auch diese Frage ist anhand einer Gesamtbetrachtung gemäß den oben gebildeten Grundsätzen zu beantworten. Näherer Untersuchung bedarf der Aspekt der mitversicherten Gefahrerhöhung. Eine stillschweigende Abrede des Inhalts, daß die in einem Kontrollwechsel liegende Gefahrerhöhung mitversichert sein soll, scheidet jedenfalls aus, wenn der Versicherer die kontrollrelevanten Umstände vor Vertragsschluß abgefragt hat. Hat der Versicherer hinsichtlich Anteilseignerstruktur und anstehender Gesellschafterwechsel keine Fragen gestellt, kann hingegen nicht angenommen werden, daß die Parteien einen Kontrollwechsel als nicht mitversichert ansehen wollten.45 Das Recht der Gefahrerhöhung ist dann gem. § 27 VVG (§ 29 VVG alt) gesperrt. 41 42 43 44 45

Lange, AG 2005, 459 (465). Zur Nachdeckung Teil G. IV. 1. b). Lange, AG 2005, 459 (467). Vgl. Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 29 Rn. 1. Diese Frage offen lassend Lange, AG 2005, 459 (464).

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H. Die Folgen eines Kontrollwechsels

b) Die change of control-Klausel Die AVB enthalten vielfach sog. change of control-Klauseln, die regeln, welche Rechtsfolgen mit einem Kontrollwechsel verbunden sein sollen. Sie können beispielsweise einen Kontrollwechsel explizit als Gefahrerhöhung definieren oder umgekehrt festlegen, daß dieser keinen Einfluß auf den Versicherungsschutz haben soll. Dem Versicherer wird in solchen Klauseln bisweilen auch ein vertragliches Kündigungsrecht für den Fall des Kontrollwechsels eingeräumt, oder es wird der Versicherungsschutz auf Pflichtverletzungen beschränkt, die vor dem Kontrollerwerb lagen. Denkbar sind auch Regelungen, wonach der Versicherungsschutz bei einem Kontrollwechsel ipso iure endet.46 Change of control-Klauseln betreffen die Rechtsfolgen von Gefahrerhöhungen. Ihre Wirksamkeit beurteilt sich daher nach § 32 VVG (§ 34 a VVG alt). Gem. § 32 Abs. 1 VVG kann u.a. von den §§ 19 bis 28 Abs. 4 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden. Vereinbarungen, die dagegen verstoßen, sind zivilrechtlich unwirksam. Die meisten der oben genannten Regelungen sind daher wertlos, da sie die Rechtsfolgen des Gefahrerhöhungsrechts zu Lasten der Versicherungsnehmerin abändern.47 So kann beispielsweise nicht das Recht eingeräumt werden, nach Kontrollwechsel fristlos zu kündigen, da § 24 Abs. 1 VVG (§ 27 Abs. 1 VVG alt) eine Kündigungsfrist von grds. einem Monat vorsieht. Desgleichen unzulässig ist die Begrenzung des Versicherungsschutzes auf Pflichtverletzungen, die vor dem Kontrollwechsel lagen, weil der Versicherer hierdurch auch ohne Kündigung eine partielle Leistungsfreiheit erlangt. Dasselbe gilt für eine Klausel, die ipso iure zur Beendigung des Versicherungsvertrags bei Kontrollwechsel führen soll. Sofern eine change of control-Klausel nicht gegen § 32 VVG verstößt, weil nur zugunsten des Versicherungsnehmers von den §§ 19 ff. VVG abgewichen wurde, kann aber ihr zeitlicher Anwendungsbereich mit Blick auf eine vereinbarte Nachdeckung klärungsbedürftig sein. Denn ein Kontrollwechsel kann auch noch während eines Nachdeckungszeitraums eintreten, so daß sich die Frage stellt, ob die von einer change of control-Klausel angeordneten Rechtsfolgen auch dann – d.h. nach Beendigung des Versicherungsvertrags – weiterhin greifen sollen. Wenn der Wortlaut der Regel ausdrücklich an das Bestehen eines Versicherungsvertrags anknüpft, ist dies zu verneinen.48 Es gelten dann die §§ 23 ff. VVG unmodifiziert. Andernfalls greift die change of control-Klausel auch während der Nachdeckung, was interessengerecht ist, da sich die Problematik der Gefahrerhöhung hier ebenso stellt wie während der Vertragslaufzeit.

46 47 48

Lange, AG 2005, 459 (466). So auch Lange, AG 2005, 459 (466 f.). Lange, AG 2005, 459 (468).

III. Die Freistellungsvereinbarung

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III. Die Freistellungsvereinbarung Bezüglich Freistellungsvereinbarungen ergeben sich aus einem Kontrollwechsel der Sache nach dieselben Probleme wie bei der D&O-Versicherung. Da für sie die Einschränkungen aus dem VVG nicht gelten, haben die Parteien einerseits eine größere Gestaltungsfreiheit hinsichtlich change of control-Klauseln; andererseits verfügt der Freistellungsschuldner nicht über die Kündigungsund Leistungsverweigerungsrechte wegen Gefahrerhöhung, die dem D&OVersicherer nach den §§ 23 ff. VVG zustehen. Diese Ausgangslage bedeutet für die Parteien einer Freistellungsvereinbarung zunächst, daß sie die Folgen eines Kontrollwechsels vertraglich regeln müssen, wenn sie in der Lage sein wollen, dem Aspekt einer Gefahrerhöhung später Rechnung zu tragen. Ferner kann aus Sicht des Freistellungsschuldners insbesondere dann ein Interesse an einer Kündigung der Freistellungsvereinbarung bestehen, wenn er – wie dies den Regelfall darstellen dürfte – für seine Freistellungspflicht keine Gegenleistung von dem Begünstigten erhält, sondern seine Nähe zur Gesellschaft ausschlaggebend für den Abschluß der Vereinbarung war. Fehlt es an einem vertraglich vereinbarten Kündigungsrecht, greift grundsätzlich § 314 BGB, wenn eine Freistellungszusage causa societatis abgegeben wurde und der Freistellungsschuldner als Gesellschafter ausscheidet.49

49

S. bereits Teil B. III. 2. a) bb) (II.) (4.).

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall I. Die Ersatz- und Freistellungsansprüche bei der Abwicklung von D&O-Versicherungsfällen 1. Der Übergang von Freistellungsansprüchen des Organmitglieds auf den D&O-Versicherer a) Die Ersatz- und die Freistellungsansprüche gegenüber Dritten Nach § 86 Abs. 1 VVG (§ 67 Abs. 1 VVG alt) gehen Ersatzansprüche gegenüber Dritten, die dem Versicherungsnehmer zustehen, insoweit auf den Versicherer über, als dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt.1 Bei der Versicherung für fremde Rechnung, wie sie die D&O-Versicherung regeltypisch darstellt, findet ein Übergang des Anspruchs des Versicherten auf den Versicherer nach § 86 Abs. 1 VVG (§ 67 Abs. 1 VVG alt) statt.2 Dazu gehören auch Ansprüche, die auf Befreiung von der Verbindlichkeit gerichtet sind.3 Wenn also eine Freistellungsvereinbarung und eine D&O-Versicherung zusammentreffen, geht der auf Freistellung gerichtete Anspruch des Organmitglieds auf den Versicherer über, soweit die D&O-Versicherung den Schaden ersetzt hat. Falls der Versicherer noch keinen Schadenersatz geleistet hat, kann er indes aufgrund eines Freistellungsanspruchs des Versicherten gegenüber einem Dritten nach § 86 Abs. 1 VVG (§ 67 Abs. 1 VVG alt) nicht Freistellung für künftig zu leistenden Schadenersatz verlangen.4

1

Zu den Änderungen durch die VVG-Novelle Just, VP 2008, 137 ff. sowie 157 ff. RG, Urteil v. 6.6.1935 – VI 38/35, RGZ 148, 137 (144); BGH, Urteil v. 28.11.1957 – II ZR 325/56, BGHZ 26, 133; BGH, Urteil v. 30.4.1959 – II ZR 126/57, BGHZ 30, 40; BGH, Urteil v. 11.7.1960 – II ZR 254/58, BGHZ 33, 97; Prölss, in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl. 2004, § 67 Rn. 11. 3 BGH, Urteil v. 14.3.1985 – I ZR 168/82, VersR 1985, 753; Prölss, in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl. 2004, § 67 Rn. 4. 4 BGH, Urteil v. 25.4.1989 – VI ZR 146/88, VersR 1989, 730 (732). 2

I. Die Ersatz- und Freistellungsansprüche bei der Abwicklung

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b) Die Freistellungsansprüche gegenüber der Gesellschaft Der Übergang eines Freistellungsanspruchs nach § 86 Abs. 1 VVG (§ 67 Abs. 1 VVG alt) führt zu einer besonderen Problemlage, wenn die Gesellschaft selbst Freistellungsschuldnerin ist. Ein solcher Freistellungsanspruch kann zunächst auf vertraglicher Grundlage bestehen. Eine Freistellungsvereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied in bezug auf Außenhaftungsansprüche ist auch in der Aktiengesellschaft möglich.5 Das Organmitglied kann ferner über einen gesetzlichen Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft verfügen, wenn es in Ausübung seiner Organtätigkeit einen Haftpflichtfall ausgelöst hat, ohne zugleich eine Organpflicht verletzt zu haben.6 Ein gegen die Gesellschaft gerichteter Freistellungsanspruch wäre daher grundsätzlich ebenfalls von § 86 Abs. 1 VVG (§ 67 Abs. 1 VVG alt) erfaßt, sofern der D&O-Versicherer den Schaden des versicherten Organmitglieds ersetzt hat. Bei der Fremdversicherung gehen Ansprüche des Versicherten gegen den Versicherungsnehmer allerdings nur dann über, wenn nach dem Vertragstyp das Interesse des Versicherungsnehmers nicht mitversichert sein soll.7 Die Untersuchung der Interessensphären hat indes gerade gezeigt, daß die D&O-Versicherung überwiegend im Interesse der Gesellschaft abgeschlossen wird.8 Was die Versicherung von Außenhaftungsansprüchen angeht, führt die D&O-Deckung insoweit zu einer effektiven Entlastung der Gesellschaft, als diese gerade nicht selbst für die Freistellung ihrer Organmitglieder soll sorgen müssen. Das BVerwG hat demgemäß in einem ähnlichen Zusammenhang geurteilt, daß ein Befreiungsanspruch des Beamten gegen den Dienstherrn nicht nach § 67 VVG a.F. (§ 86 Abs. 1 VVG) auf den Versicherer übergehe.9 Es sei bereits zweifelhaft, ob ein solcher Anspruch, der auch eine fürsorgerische Maßnahme des Dienstherrn darstelle, ein „auf Ersatz des Schadens“ i.S.d. § 67 VVG a.F. (§ 86 Abs. 1 VVG) gerichteter Anspruch sei.10 Im übrigen stehe es im Ermessen des Dienstherrn, ob er einer fürsorgerisch etwa gebotenen Entlastung des Bediensteten durch Zahlung des Schuldbetrags oder durch Übernahme oder Erstattung der Prämie für eine schadendeckende Versicherung nachkomme.11 Ähnlich hat der BGH in bezug auf einen Befreiungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den 5 Teil B. II. 1. d). In der GmbH können Enthaftungsvereinbarungen mit der Gesellschaft auch in bezug auf Innenhaftungstatbestände getroffen werden Teil B. II. 2. 6 Er wird gemeinhin auf eine Analogie zu § 670 BGB gestützt, ist zutreffend aber als Akt richterlicher Rechtsfortbildung auf Grundlage des Rechtsgedankens der Risikozurechnung der Tätigkeiten gegenüber dem Prinzipal anzusehen; zu den Einzelheiten siehe Teil E. I. 7 BGH, Urteil v. 7.5.2003 – IV ZR 239/02, NJW-RR, 2003, 1107 f.; Bischoff, VersR 1961, 193; Prölss, in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl. 2004, § 67 Rn. 15, § 80 Rn. 29. 8 Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.). 9 BVerwG, Urteil v. 14.2.1968 – VI C 53/65, NJW 1968, 2308 (2310). 10 BVerwG, Urteil v. 14.2.1968 – VI C 53/65, NJW 1968, 2308 (2310). 11 BVerwG, Urteil v. 14.2.1968 – VI C 53/65, NJW 1968, 2308 (2310).

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

Arbeitgeber entschieden.12 Ein Forderungsübergang nach § 67 VVG a.F. (§ 86 Abs. 1 VVG) sei jedenfalls dann auszuschließen, wenn es sich um einen „seiner rechtlichen Natur nach ganz persönlichen Anspruch“ handele, der „aus sozialen Gründen nur dem haftpflichtig gewordenen Arbeitnehmer bei gefahrgeneigter Tätigkeit gewährt wird“.13 Der Sache nach treffen diese Erwägungen auch auf den gesetzlichen Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft und die Interessengrundlage im D&OVersicherungsvertrag zu. Die D&O-Versicherung wird im primären Interesse der Gesellschaft abgeschlossen. Das Interesse der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin ist vom wirtschaftlichen Zweck der D&O-Versicherung mit umfaßt. Diesem Vertragszweck liefe es zuwider, wenn der Freistellungsanspruch des Organmitglieds im Fall der reinen Außenhaftung gem. § 86 Abs. 1 VVG (§ 67 Abs. 1 VVG alt) auf den Versicherer überginge, so daß im wirtschaftlichen Ergebnis die Gesellschaft den Schaden trüge. Es träten dann dieselben wirtschaftlichen Folgen für die Gesellschaft ein, als wenn keine D&O-Versicherung abgeschlossen worden wäre, obwohl die Gesellschaft die Versicherungsprämien im überwiegend eigenen Interesse gezahlt hat.14 Dieser Wertungsgesichtspunkt lag auch der Urteilsbegründung des BVerwG zugrunde, wenn es dort heißt, daß es im Ermessen des Dienstherrn stehe, ob er eine fürsorgerisch15 gebotene Entlastung des Bediensteten durch Zahlung des Schuldbetrags oder durch Übernahme oder Erstattung der Prämie für eine schadendeckende Versicherung vornehme.16 Freistellungsansprüche des Organmitglieds gegen die Gesellschaft können daher nicht nach § 86 Abs. 1 VVG (§ 67 Abs. 1 VVG alt) auf den Versicherer übergehen.

12

BGH, Urteil v. 8.12.1971 – IV ZR 102/70, NJW 1972, 440 (441 f.). BGH, Urteil v. 8.12.1971 – IV ZR 102/70, NJW 1972, 440 (442 f.), Hervorhebung im Original. 14 Siehe zur Interessenbewertung im einzelnen Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.). 15 Wobei der Begriff der „Fürsorgeaufwendung“ im Kontext des D&O-Versicherungsvertrags insoweit irreführend und daher abzulehnen ist, als kein Anspruch des Organmitglieds gegen die Gesellschaft auf Abschluß eines D&O-Versicherungsvertrags besteht, Teil E. VII. 16 BVerwG, Urteil v. 14.2.1968 – VI C 53/65, NJW 1968, 2308 (2310). 13

I. Die Ersatz- und Freistellungsansprüche bei der Abwicklung

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2. Die vertragliche Vereinbarung einer Freistellungspflicht der Gesellschaft zugunsten des D&O-Versicherers a) Die Prüfung einer analogen Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Losgelöst von dem gesetzlichen Übergang von Freistellungsansprüchen auf den Versicherer stellt sich die Frage, inwieweit die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin und der Versicherer im Rahmen der Abwicklung eines Versicherungsfalls vertraglich eine Freistellungsvereinbarung zur Absicherung des Versicherers vereinbaren können. Es geht hierbei um Konstellationen, in denen eine geschädigte Aktiengesellschaft im Versicherungsfall mit dem Versicherer zugunsten des versicherten Organmitglieds einen Deckungsvergleich schließt, obwohl die Verfügungsbefugnis über den Deckungsanspruch vertraglich dem versicherten Organmitglied eingeräumt wurde17. Dieser Deckungsvergleich wird nun häufig in der Höhe unterhalb der Deckungssumme und der Höhe eines möglichen Innenhaftungsanspruchs liegen, weil er im Weg des gegenseitigen Nachgebens zustande kommt. Es wäre also beispielsweise denkbar, daß die Gesellschaft dem Versicherer einen möglichen Innenhaftungsanspruch i.H.v. bis zu EUR 1 Mio. gegen das Organmitglied meldet und sich beide auf eine Deckungszusage i.H.v. EUR 750.000 einigen, ohne daß das Organmitglied diesem Deckungsvergleich zustimmt. Für den Versicherer bestünde dann das Risiko, daß die Gesellschaft die noch offenen EUR 250.000 gegenüber dem Organmitglied einfordert, weil sie nach den ARAG-Grundsätzen zur vollständigen Geltendmachung verpflichtet ist, oder eine Anspruchsdurchsetzung nach den §§ 93 Abs. 5, 147, 148 AktG erfolgt. Da der Deckungsvergleich jedoch keine Bindungswirkung zu Lasten des versicherten Organmitglieds entfaltet – denn es handelt sich um einen Vertrag zu Lasten Dritter, d.h. des Versicherten und es fehlt an seiner diesbezüglichen Zustimmung –, könnte der Betroffene auch hinsichtlich dieses zusätzlichen Betrags dann noch Deckung vom Versicherer verlangen.18 Um dieser Gefahr vorzubeugen, könnte der Versicherer ein Interesse daran haben, mit der Gesellschaft eine Freistellungsverpflichtung in Höhe der restlichen Deckungssumme zu vereinbaren für den Fall, daß die versicherte Person aufgrund einer weiteren Inanspruchnahme durch die Gesellschaft auch insoweit den Deckungsanspruch gegen den Versicherer geltend macht. Im Ergebnis würde also die Gesellschaft aufgrund dieser Vergleichs-Konstruktion zwar nicht auf ihren Innenhaftungsanspruch gegenüber dem Organmitglied verzichten. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG stünde in direkter Anwendung also nicht entgegen. Aufgrund der Freistellungsverpflichtung gegenüber dem Versicherer käme es 17

S. dazu Teil I. II. 1. Vorausgesetzt die Deckungsvoraussetzungen liegen vor und die Deckungssumme ist noch nicht ausgeschöpft. 18

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

aber im wirtschaftlichen Ergebnis dazu, daß die Gesellschaft in Höhe der nicht vom Vergleich umfaßten Summe den Schaden zu tragen hätte, denn in dieser Höhe wäre eine Freistellungspflicht gegenüber dem Versicherer entstanden. Daher stellt sich die Frage, ob diese Konstruktion mit den Wertungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vereinbar ist und die Norm möglicherweise analog angewendet werden muß. Auch an dieser Stelle19 ist zunächst auf den Zweck von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zu rekurrieren. Die Vorschrift soll sicherstellen, daß die Ausgleichsfunktion zu Gunsten von Gesellschaft und Gesellschaftern nicht vorschnell im Weg „kollegialer Verschonung“20 ausgeschlossen wird. 21 Die Norm gewährleistet daher die Werthaltigkeit der Organinnenhaftung.22,23 Dieser Regelungszweck würde indes durch eine solche vertragliche Konstruktion möglicherweise vereitelt. Denn bei einer weiteren Geltendmachung des Innenhaftungsanspruchs des Organmitglieds käme es zu einer damit korrespondierenden Freistellungspflicht gegenüber dem Versicherer. Dieses Ergebnis könnte wirtschaftlich einem Verzicht gegenüber dem Organmitglied gleichkommen und daher ebenfalls unter § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in analoger Anwendung fallen.24 Wie bereits unter B. V. untersucht, ist aufgrund dieser Erwägung § 93 Abs. 4 S. 3 AktG etwa auch auf Freistellungsketten über konzernunabhängige Dritte anwendbar. Jedoch ist fraglich, ob eine Freistellungsverpflichtung der Gesellschaft mit dem Versicherer dieser Fallgruppe zugeordnet werden kann. Denn die Freistellungsvereinbarung der Gesellschaft mit dem Versicherer ist nicht kausal für die Entschädigung des Organmitglieds im Fall der Nachforderung seitens der Gesellschaft. Vielmehr ist der Versicherer gegenüber dem Organmitglied gerade unabhängig von einer diesbezüglichen Abrede mit der Gesellschaft, die der Schadloshaltung des Versicherers dient, aufgrund des Deckungsanspruchs verpflichtet. Die Freistellungsvereinbarung mit dem Versicherer hat mithin – anders als der bereits untersuchte vertraglich vereinbarte Freistellungskreisel25 – nicht den Zweck, das Organmitglied gleichsam unter Umgehung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG im Weg kollektiver Verschonung verfrüht zu entlasten. Sie ist lediglich ein Element des gegenseitigen Nachgebens im Interesse der Ge19

Zu der ähnlichen Problemlage bei konzerninternen Freistellungspflichten s. Teil B. IV. Vgl. Mertens, in: Festschrift für Fleck, 1988, S. 209 (210). 21 Zimmermann, in: Festschrift für Duden, 1977, S. 773 (774). 22 I.d.S. auch Pammler, Die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung im Spannungsfeld des Aktienrechts, 2006, S. 45. 23 Zur Frage der verhaltenssteuernden Wirkung von § 93 AktG s. Teil D. 24 Zu Recht vertritt die Literatur die Ansicht, daß § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Rechtshandlungen erfaßt, die einem Verzicht oder Vergleich „wirtschaftlich gleichkommen“ bzw. einer Umgehung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG dienen, Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 53; Spindler, in: Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 Rn. 233; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 377; Mertens, in: Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1996, § 93 Rn. 134. 25 S. unter Teil B. V. 20

I. Die Ersatz- und Freistellungsansprüche bei der Abwicklung

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sellschaft an einem Deckungsvergleich mit dem Versicherer, welcher das Ziel verfolgt, hinsichtlich eines Teils des Schadens für das Organmitglied Deckung zu erlangen und hierdurch die Werthaltigkeit des eigenen Organhaftungsanspruchs abzusichern.26

b) Die Beurteilung des Abschlusses einer Freistellungsvereinbarung zugunsten des Versicherers am Maßstab des § 93 Abs. 1 AktG Die Rechtmäßigkeit einer solchen Freistellungsvereinbarung ist daher nicht am per se-Verbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in analoger Anwendung zu messen. Vielmehr hat der Vorstand der Gesellschaft nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG im Rahmen der business judgment rule zu prüfen, ob er vernünftigerweise annehmen durfte, bei Abschluß der Freistellungsvereinbarung mit dem Versicherer auf der Grundlage angemessener Information zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Hierzu ist der wirtschaftliche Nutzen der Freistellungsvereinbarung in Relation zu möglichen Risiken zu setzen. Ein wichtiger Bewertungsfaktor ist die Höhe des Deckungsvergleichs zur möglichen Gesamthöhe des Schadens. Wenn der Deckungsvergleich bereits einen großen Teil der Schadenshöhe abdeckt, kann das wirtschaftliche Interesse der Gesellschaft an Rechtssicherheit über den Deckungsanspruch insoweit größer sein als der mögliche Schaden, der der Gesellschaft durch eine Freistellungspflicht gegenüber dem Versicherer hinsichtlich eines geringen weiteren Anteils des Schadens bzw. der darauf bezogenen Deckungspflicht eintritt. Weiter ist der wirtschaftliche Nutzen des Deckungsvergleichs in die Beurteilung einzustellen. Je größer die tatsächlichen oder rechtlichen Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens der Deckungsvoraussetzungen sind, desto eher kann es im Wohl der Gesellschaft liegen, für einen summenmäßig begrenzten Deckungsvergleich hinsichtlich einer möglicherweise darüber hinausgehenden Forderungssumme eine Freistellung zugunsten des Versicherers zu vereinbaren. Desgleichen ist zu berücksichtigen, inwieweit sich das Bestehen eines über die Vergleichssumme hinausgehenden Schadens der Gesellschaft überhaupt belastbar einschätzen läßt. Je größere tatsächliche oder rechtliche Zweifel daran bestehen, daß ein über der Summe des Deckungsvergleichs liegender Schaden gegenüber dem Organmitglied erfolgreich geltend gemacht werden könnte, desto eher kann es zum Wohl der Gesellschaft sinnvoll sein, zwecks Abschlusses eines Deckungsvergleichs hinsichtlich dieses Teils eine Freistellungspflicht gegenüber dem Versicherer einzugehen.

26 Zu diesem im Interesse der Gesellschaft liegenden Zweck der D&O-Versicherung s. Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.).

440

I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

c) Die Behandlung möglicher Interessenkollisionen des Vorstands Was den Abschluß einer solchen Freistellungsvereinbarung im Rahmen des Deckungsverhältnisses anbelangt, stellt sich sub specie der Pflichtenlage nach § 93 Abs. 1 AktG noch die Frage nach der Behandlung möglicher Interessenkollisionen. Sofern der Vorstand den Deckungsvergleich und die korrespondierende Freistellungsvereinbarung zugunsten eines Aufsichtsratsmitglieds abschließt, bestehen keine Probleme. Fraglich ist hingegen, inwieweit Vorstandsmitglieder eine solche Regelung in bezug auf Haftungsfälle eingehen können, die sie selbst betreffen. Was die Anwendung der business judgment rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG anbelangt, steht zunächst fest, daß dieses Privileg bei Interessenkollisionen im Weg der teleologischen Reduktion einzuschränken ist27, nach teilweise vertretener Ansicht sogar ganz entfallen soll. Die business judgment rule stellt nämlich eine unwiderlegbare Rechtsvermutung des Inhalts auf, daß das Organmitglied zum alleinigen Wohl der Gesellschaft gehandelt hat. 28,29 Die sachliche Grundlage dieser Vermutung ist um so mehr eingeschränkt, je stärker sich das betreffende Organmitglied in einem Interessenkonflikt befindet.30 Nach teilweise vertretener Auffassung ist die Freiheit von Interessenkonflikten daher ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.31 Überzeugender ist hingegen die Ansicht, daß ein Interessenkonflikt lediglich zu einer strengeren gerichtlichen Prüfung der Frage führt, ob das Organmitglied trotz des Konflikts annehmen durfte, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. 32 27

Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 15. Lutter in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 245 (247); Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 93 Rn. 4 c ff. 29 Man kann in der Norm auch eine Tatbestandskonkretisierung zu § 93 Abs. 1 S. 1 AktG sehen, was aber nicht zu anderen Rechtsfolgen führt, vgl. Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 11. Entscheidend ist, daß nach beiden Ansichten bereits die Pflichtverletzung entfällt und nicht erst das Verschulden. 30 Begr. RegE UMAG v. 14.3.2005, BT-Drucks. 15/5092, S. 11: „Das Handeln muss dabei ferner unbeeinflusst von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und ohne unmittelbaren Eigennutz sein. Der Geschäftsleiter muss also unbefangen und unabhängig sein. Sondereinflüsse außerhalb des Unternehmensinteresses dürfen die Entscheidung nicht beeinflußt haben, was offensichtlich bei Handeln zum eigenen Nutzen oder zum Nutzen von dem Geschäftsleiter nahestehenden Personen oder Gesellschaften unterstellt werden muss.“; vgl. auch Lutter in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 245 (247). 31 Lutter in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 245 (247); vgl. auch Begr. RegE UMAG v. 14.3.2005, BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 32 Denn gutgläubig zum Wohl der Gesellschaft kann auch derjenige handeln, der sich in einem Interessenwiderstreit befindet, diesen aber ausblenden kann, vgl. Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 15. Auch die Begr. RegE UMAG v. 14.3.2005, BTDrucks. 15/5092, S. 11 geht davon aus, daß das Vorliegen eines Interessenkonflikts nicht per se zum Ausschluß der business judgment rule führt, sondern toleriert werden kann, wenn das Organmitglied „… den Interessenkonflikt offen gelegt hat (wie es etwa der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt) und unter diesen Umständen die Annahme gleichwohl 28

I. Die Ersatz- und Freistellungsansprüche bei der Abwicklung

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Die Problematik einer Einschränkung der business judgment rule ergäbe sich jedoch a priori nicht, wenn für den Abschluß des Vergleichs und der damit zusammenhängenden Freistellungsvereinbarung in diesen Fällen nicht der Vorstand, sondern gem. § 112 AktG der Aufsichtsrat zuständig wäre. Nach dem Wortlaut ist die Zuständigkeit des Aufsichtsrats nur für die Vertretung der Gesellschaft „gegenüber“ den Vorstandmitgliedern begründet. In der hier zu untersuchenden Fallkonstellation geht es aber um die Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Versicherer, wobei es sich allerdings um eine Angelegenheit handelt, die auch die Interessen des Vorstands berührt, da ihnen der Deckungsvergleich zugute kommt. Dennoch unterfallen Geschäfte der Gesellschaft mit Dritten selbst dann nicht dem Anwendungsbereich, wenn sie mittelbar Vorstandsmitglieder betreffen.33 Wegen der strengen Anforderungen, die an aktienrechtliche Kompetenzregeln aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu stellen sind, und wegen seines Ausnahmecharakters ist § 112 AktG eng auszulegen.34 Eine analoge Anwendung auf die Vertretung gegenüber Dritten kommt daher nur dann in Betracht, wenn der Dritte wirtschaftlich identisch mit einem Vorstandsmitglied ist, es sich etwa um eine Ein-Mann-Gesellschaft eines Vorstandsmitglieds handelt. 35 Die Aufsichtsratszuständigkeit wird hingegen nicht allein dadurch begründet, daß das Geschäft für den Vorstand wirtschaftlich günstig ist.36 Eine wirtschaftliche Identität ist hier nicht gegeben; vielmehr handelt es sich bei dem Deckungsvergleich um ein Rechtsgeschäft, das die Vorstandsmitglieder lediglich als Dritte betrifft, in erster Linie aber dem Interesse zum Wohle der Gesellschaft zu handeln vernünftig und nachvollziehbar erscheint.“ Dies wird durch Ziff. 4.3.3 DCGK bestätigt, wonach die Vorstandsmitglieder dem Unternehmensinteresse verpflichtet sind und kein Mitglied des Vorstands bei seinen Entscheidungen persönliche Interessen verfolgen und Geschäftschancen, die dem Unternehmen zustehen, für sich nutzen soll; vgl. auch Lutter, ZIP 2007, 841 (845 f.). 33 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 112 Rn. 11; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 112 Rn. 2; OLG Saarbrücken, Urteil v. 30.11.2000 – e8 U 71/00 – 15, AG 2001, 483 re Sp., zu einem Fall, der ein Geschäft mit einer anderen Gesellschaft betraf, an dem ein Vorstandmitglied unmaßgeblich beteiligt war; auch bei maßgeblichen Beteiligungen soll nach teilweise vertretener Ansicht § 112 AktG nicht analog angewendet werden, Hüffer, a.a.O.; weitergehend Rupietta, NZG 2007, 801 (802 ff.). 34 Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 2006, § 112 Rn. 65; OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 12.4.2006 – 21 U 37/05, AG 2007, 127: „§ 112 AktG sieht keine Allzuständigkeit des Aufsichtsrates für all diejenigen Fälle vor, in denen es zwischen einem Vorstandsmitglied und der Aktiengesellschaft zu einer Interessenkollision kommen könnte. Gerade weil solche Interessenkollisionen in einer Vielzahl unterschiedlicher Fallgestaltungen denkbar sind, müsste im Interesse des Rechtsverkehrs und des Vertrauensschutzes durch eine eindeutige Vorschrift klargestellt werden, in welchen Fällen eine Interessenkollision zwischen Vorstand und der Aktiengesellschaft besteht und deshalb der Aufsichtsrat für die Gesellschaft handeln muss.“ 35 Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 112 Rn. 11. 36 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rn. 435; Hopt/ Roth, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 2006, § 112 Rn. 65.

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

der Gesellschaft an einer Sicherung der Werthaltigkeit ihres Innenhaftungsanspruchs dient. Folglich kann nicht der Aufsichtsrat nach § 112 AktG zuständig sein. Dieses Ergebnis findet eine Bestätigung darin, daß auch der Abschluß des D&O-Versicherungsvertrags insgesamt in die Zuständigkeit des Vorstands fällt.37 Die Kompetenz zum Abschluß eines Deckungsvergleichs und einer damit zusammenhängenden Freistellungsvereinbarung zugunsten des Versicherers muß daher ebenfalls beim Vorstand liegen, um insoweit eine Zersplitterung der Vertragshoheit innerhalb der Gesellschaft zu verhindern. Freilich ist in diesem Zusammenhang Ziff. 4.3.4 DCGK einschlägig. Danach soll jedes Vorstandsmitglied Interessenkonflikte dem Aufsichtsrat gegenüber unverzüglich offenlegen und die anderen Vorstandsmitglieder hierüber informieren.38 Es handelt sich bei der Eingehung einer solchen Freistellungspflicht der Gesellschaft gegenüber dem D&O-Versicherer betreffend die Vorstandsmitglieder um ein wesentliches Geschäft, das nach Ziff. 4.3.4 DCGK und § 111 Abs. 4 S. 2 AktG der Zustimmung des Aufsichtsrats zu unterstellen ist.

II. Die prozessuale Durchsetzung der Ansprüche aus der D&OVersicherung und der Freistellungsvereinbarung 1. Die formelle und die materielle Forderungsberechtigung in der D&O-Versicherung a) Die Verfügungs- und die Klagebefugnis Die D&O-Versicherung ist regeltypisch eine Fremdversicherung i.S.v. § 44 Abs. 1 VVG (§ 75 Abs. 1 VVG alt).39 Gem. § 44 Abs. 1 S. 1 VVG (§ 75 Abs. 1 S. 1 VVG alt) stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zwar dem Versicherten zu. Die Geltendmachung der Versicherungsansprüche ist aber gem. §§ 44 Abs. 2, 45 VVG (§§ 75 Abs. 2, 76 VVG alt) an den Besitz des Versicherungsscheins geknüpft. Dessen Aushändigung durch den Versicherer kann nach § 44 Abs. 1 S. 2 VVG (§ 75 Abs. 1 S. 2 VVG alt) nur von der Versicherungsnehmerin verlangt werden.40 37 S. im einzelnen Teil F. II. 1. b) sowie Hopt/Roth, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 2006, § 112 Rn. 65. 38 Dazu Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 107. 39 OLG München, Urteil v. 15.3.2005 – 25 U 3940/04, VersR 2005, 540 = DB 2005, 1675; LG Marburg, Urteil v. 3.6.2004 – 4 O 2/03, DB 2005, 437 (438); Dreher, DB 2005, 1669, 1670 f.; Sieg, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 2007, § 16 Rn. 23 f.; Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, 2007, S. 100 f.; Koch, GmbHR 2004, 18 (22). 40 Kästner, AG 2000, 113 (114); Ulmer, in: Festschrift für Canaris, Bd. II., 2007, S. 451 (457).

II. Die prozessuale Durchsetzung

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Wenn die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin im Besitz des Scheins ist, kann sie gem. § 45 Abs. 1 VVG (§ 76 Abs. 1 VVG alt) die Rechte des Versicherten in eigenem Namen geltend machen.41 Die versicherte Person kann hingegen nach § 44 Abs. 2 VVG (§ 75 Abs. 2 VVG alt) nicht selbst vorgehen, ohne im Besitz des Versicherungsscheins zu sein. Ihr fehlt die Verfügungs- und Klagebefugnis.42 Der Versicherte erlangt aber durch Zustimmung des Versicherungsnehmers nach §§ 183, 185 BGB die ihm fehlende Verfügungsmacht.43 Diese wird ihm in den AVB regelmäßig erteilt.44 Die Zustimmung des Versicherers ist hingegen nicht ausreichend, denn § 44 VVG (§ 75 VVG alt) schützt auch die Interessen des Versicherungsnehmers.45

b) Das Trennungsprinzip aa) Der Haftpflichtprozeß und der Deckungsprozeß Die D&O-Versicherung ist eine Haftpflichtversicherung i.S.d. §§ 100 ff. VVG (§§ 149 ff. VVG alt). Es sind mithin das Haftpflichtverhältnis als die Rechtsbeziehung zwischen dem Geschädigten und der versicherten Person und das Deckungsverhältnis als das Verhältnis der versicherten Person zum Versicherer zu trennen. Aus dieser Zweiteilung folgt für die Haftpflichtversicherung das Trennungsprinzip.46 Danach ist zunächst im Haftpflichtprozeß darüber zu 41 OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.12.2006 – I-4 U 6/06, unter II.1.; Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 75 Rn. 5 ff. 42 Römer, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, §§ 75, 76 Rn. 7; vgl. auch Dreher, AG 2008, 429 (436). 43 Vgl. z.B. Römer, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, §§ 75, 76 Rn. 13; Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 75 Rn. 9; oder wenn der Versicherungsnehmer die Zustimmung ohne billigenswerte Gründe verweigert, s. dazu OGH v. 10.5.2006 – 7 Ob 260/05v, Versicherungsrundschau 12/08, 29 f. 44 Vgl. die Musterbedingungen des GDV (AVB-AVG), Stand Januar 2008, Ziff. 10.1: „Die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag steht ausschließlich den versicherten Personen zu“; zu einer solchen Klausel LG München I, Urteil v. 30.3.2004 – 23 O 8879/03, VersR 2005, 543. 45 Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 75 Rn. 11. 46 BGH, Urteil v. 19.2.1959 – II ZR 171/57, VersR 1959, 256; BGH, Urteil v. 18.3.1992 – IV ZR 51/91, VersR 1992, 568 = BGHZ 117, 345 = NJW 1992, 1509 (1510): „Das sogenannte Trennungsprinzip, das die Prüfung der Haftpflichtfrage grundsätzlich dem Haftpflichtprozeß vorbehält, leitet sich, wie allgemein in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, aus dem Wesen der Haftpflichtversicherung her. Es gewährleistet, daß der vertraglich zu gewährende Versicherungsschutz unverkürzt erbracht wird.“; BGH, Urteil v. 30.9.1992 – IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276 = NJW 1993, 68: „In der Haftpflichtversicherung gilt, daß der vorangegangene Haftpflichtprozeß zwischen dem Geschädigten und dem Versicherungsnehmer Bindungswirkung im nachfolgenden Deckungsprozeß zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer hat, jedenfalls soweit es um den Haftungstatbestand geht. Demgemäß wird die Haftpflichtfrage grundsätzlich abschließend im Haftpflichtprozeß entschieden (sog. Trennungsprinzip).“; OLG Köln, Urteil v. 2.9.2008 – 9 U 151/07, VersR 2008, 1673 (Tz. 85 d. UA) zu LG Köln, Urteil v. 5.6.2007 – 85 O 177/05, dazu Kretschmer, EWiR 2008, 609 f.

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

entscheiden, ob und in welcher Höhe eine Haftung gegenüber dem Geschädigten besteht. Sodann ist im Deckungsprozeß zu klären, ob und inwieweit der Versicherer hierfür Freistellung schuldet.47 Das Trennungsprinzip basiert auf der Bindungswirkung des Haftpflichturteils für den Deckungsprozeß. Im Deckungsprozeß sind die im Haftpflichtprozeß getroffenen Feststellungen nicht erneut überprüfbar.48 Die Feststellungen im Haftpflichtprozeß entfalten für den Deckungsprozeß insoweit Bindungswirkung, wie die festgestellten Tatsachen für beide Verfahren gleichermaßen von Bedeutung sind und mithin die sog. Voraussetzungsidentität gegeben ist.49 Die Bindungswirkung folgt nicht aus einer Rechtskrafterstreckung des Urteils im Haftpflichtprozeß, sondern stellt eine im materiellen Recht wurzelnde Besonderheit der Haftpflichtversicherung dar.50 Seine sachliche Berechtigung zieht das Trennungsprinzip aus dem Zweck, Manipulationen zwischen Geschädigtem und Versichertem zu Lasten des Versicherers zu verhindern.51 Das spielt auch in der D&O-Versicherung eine Rolle, denn dort kann es ebenfalls zu besorgen sein, daß sich das betroffene Organmitglied mit seiner Gesellschaft im Hin47 Hierzu Langheid, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, § 149 Rn. 12; Voit/Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Vor §§ 149 – 158 k Rn. 2 f.; Sieg, in: Krieger/ Schneider, Handbuch Managerhaftung, 2007, § 16 Rn. 20 ff. 48 BGH, Urteil v. 18.3.1992 – IV ZR 51/91, VersR 1992, 568 = BGHZ 117, 345 = NJW 1992, 1509 (1510): „Eine notwendige Ergänzung des Trennungsprinzips ist die in gefestigter Rechtsprechung entwickelte, im Schrifttum anerkannte Bindungswirkung des vorangegangenen Haftpflichtprozesses für den Deckungsprozeß (s. auch dazu Johannsen, in: Bruck-MöllerJohannsen, Allg. Haftpflichtversicherung, Anm. B 61 m. w. Nachw.). Die Bindungswirkung verhindert, daß die Grundlagen der Entscheidung wie die Entscheidung selbst, die im Haftpflichtprozeß getroffen worden ist, nochmals zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer in Frage gestellt werden können. Es handelt sich dabei um eine weitere im materiellen Recht wurzelnde Besonderheit der Haftpflichtversicherung. Diese Bindungswirkung umfaßt mehr als die Rechtskraft einer Entscheidung und ist begrifflich von ihr zu trennen.“; BGH, Urteil v. 30.9.1992 – IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276 = NJW 1993, 68: „Die Bindungswirkung verhindert, daß die im Haftpflichtprozeß getroffene Entscheidung und auch deren Grundlagen nochmals zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer in Frage gestellt werden können. Diese Grundsätze hat das RG schon vor der Jahrhundertwende entwickelt (RGZ 3, 21) und ständig vertreten (z.B. RGZ 141, 185, zuletzt 167, 243). Sie werden in ständiger Rechtsprechung von allen damit befaßten Senaten des BGH anerkannt …“ 49 Deshalb entfalten etwa Feststellungen aus dem Haftpflichtprozeß hinsichtlich des Verschuldens nicht zwingend Bindungswirkung in bezug auf subjektive Ausschlußgründe in der D&O-Deckung, sofern letztere etwa an die Wissentlichkeit anknüpfen, weil es sich nicht um deckungsgleiche inhaltliche Tatbestände handelt; vgl. Sieg, in: Münchener Anwaltshandbuch des Versicherungsrechts, 2. Aufl. 2008, § 16 Rn. 158; zu den subjektiven Ausschlußgründen s. Teil G. III. 50 BGH, Urteil v. 18.3.1992 – IV ZR 51/91, VersR 1992, 568 = BGHZ 117, 345 = NJW 1992, 1509 (1510): „Es handelt sich dabei um eine weitere im materiellen Recht wurzelnde Besonderheit der Haftpflichtversicherung. Diese Bindungswirkung umfaßt mehr als die Rechtskraft einer Entscheidung und ist begrifflich von ihr zu trennen.“; Langheid, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, § 149 Rn. 12. 51 Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1170).

II. Die prozessuale Durchsetzung

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blick auf den Deckungsschutz der D&O-Versicherung im Sinn eines „friendly understanding“52 vorschnell verständigt.53 Die Praxis attestiert insoweit eine bisweilen anzutreffende „Kasko-Mentalität“ der Unternehmen.54

bb) Die Frage eines Direktanspruchs der Versicherungsnehmerin bei der Innenhaftung (I.) Das Problem Sofern Innenhaftungsansprüche in Rede stehen, führt der Charakter als Fremdund Haftpflichtversicherung dazu, daß die Gesellschaft als Geschädigte und Versicherungsnehmerin personenidentisch ist. Sie ist also einerseits derjenige Rechtsträger, der materiell von der D&O-Versicherung begünstigt werden soll und in dessen überwiegendem Interesse diese abgeschlossen wurde55 und andererseits gemäß dem Regelungskonzept der §§ 44, 45 VVG (§§ 75, 76 VVG alt) verfügungs- und klagebefugt hinsichtlich des Deckungsanspruchs. Würde man die D&O-Versicherung insoweit als Eigenschadenversicherung begreifen, könnte dies dafür sprechen, in Überwindung des Trennungsprinzips der Gesellschaft einen Direktanspruch gegen den Versicherer zuzubilligen, ohne daß zuvor die Haftpflicht des Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft im Haftpflichtprozeß geklärt werden müßte.56 Aufgrund ihrer Ausgestaltung als Haftpflichtversicherung i.S.d. §§ 100 ff. VVG (§§ 149 ff. VVG alt) und des damit geltenden Trennungsprinzips begründet die D&O-Versicherung aber grundsätzlich57 keinen Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer. 58 Es liegen auch nicht die Voraussetzungen für einen Direktanspruch nach § 115 VVG vor. Die Norm wurde in Ausweitung des früher nur nach § 3 Nr. 1 PflVersG a.F. möglichen Direktanspruchs gegen Haftpflichtversicherer durch die VVG-Novelle 2008 in das Gesetz eingefügt. Die D&O-Versicherung stellt aber keine Pflichtversicherung nach dem Pflichtversicherungsgesetz i.S.v. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG dar.59 Sie ist auch keine sonstige Pflichtversicherung,

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Graf v. Westphalen, DB 2005, 431. Vgl. Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1169 f.). 54 Graf v. Westphalen, DB 2005, 431. 55 Dazu Teil F. II. 1. 56 Zu dieser Frage Dreher, DB 2005, 1669; Graf v. Westphalen, DB 2005, 431 ff.; Lange, VersR 2007, 893. 57 Zu den Möglichkeiten der vertraglichen Begründung eines Direktanspruchs sogleich. 58 OLG München, Urteil v. 15.3.2005 – 25 U 3940/04, VersR 2005, 540 ff.; LG München I, Urteil v. 30.3.2004 – 23 O 8879/03, VersR 2005, 543 (544); LG Wiesbaden, Urteil v. 14.12.2004 – 1 O 180/03, VersR 2005, 545; OLG Köln, Urteil v. 2.9.2008 – 9 U 151/07, VersR 2008, 1673 zu LG Köln, Urteil v. 5.6.2007 – 85 O 177/05; LG Marburg, Urteil v. 3.6.2004 – 4 O 2/03, DB 2005, 437; Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1170 ff.); Bank, VW 2008, 730 (732). 59 Bank, VW 2008, 730 (732). 53

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

die unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 VVG60 einen Direktanspruch gewähren könnte.61

(II.) Die Frage nach einer Qualifizierung der D&O-Versicherung als Eigenschadenversicherung in bezug auf Innenhaftungsansprüche Ein Direktanspruch könnte möglicherweise damit begründet werden, daß man die D&O-Versicherung wegen des überwiegenden Unternehmensinteresses an einer Sicherung der Innenhaftungsansprüche62 in bezug auf diese als unechte Eigenschadenversicherung der Gesellschaft ansieht63. Diese Ansicht ist aber nicht überzeugend. Die D&O-Versicherung gewährt dem Organmitglied nämlich in Form der Abwehrdeckung Schutz auch gegen die Versicherungsnehmerin. Daher kann sie weder nach ihrer rechtlichen Konzeption noch nach ihrer vertraglichen Zwecksetzung als deren Eigenschadenversicherung angesehen werden.64 Sie dient zwar der Sicherung der Werthaltigkeit des Organinnenhaftungsanspruchs und dadurch dem Interesse der Gesellschaft. Dadurch wird sie indes nicht zur Eigenschadenversicherung. Es handelt sich vielmehr lediglich um den – auch versicherungsvertragsrechtlich zulässigen – 65 Einschluß von Eigenschäden, mithin von eigenen versicherten Interessen, in eine Fremd-Haftpflichtversicherung. 66 In Übereinstimmung mit dieser Begründung haben das OLG München in einem Urteil zur D&O-Versicherung aus 2005 und verschiedene Landgerichte einen unmittelbaren Zahlungsanspruch der Versicherungsnehmerin gegen den

60 Grundsätzliche Kritik an der Neuregelung bei Abram, VP 2008, 77 ff. Der durch Nrn. 2 und 3 geschaffene Direktanspruch sei in der Praxis nahezu wertlos. 61 Es handelt sich nicht gem. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG um eine Haftpflichtversicherung nach dem Pflichtversicherungsgesetz, regelmäßig liegen auch die insolvenzrechtlichen Voraussetzungen von § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG nicht vor und auch Nr. 3 ist nicht erfüllt, der nur eingreift, wenn der Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers unbekannt ist. Ohnehin ist zweifelhaft, ob die Nrn. 2 und 3 einschlägig sein können, wenn Geschädigter und Versicherungsnehmer personenidentisch sind. Vgl. zum neuen § 115 VVG z.B. Abram, VP 2008, 77 ff. 62 Hierzu Teil F. II. 1. b). 63 So Ihlas/Stute, Beilage zu PHi 4/2003, S. 2 (7, 15), jedoch sich zu Unrecht auf Küpper, VP 1986, 196 (198) berufend, der – wie auch vorliegend vertreten – von der möglichen Einbeziehung einzelner eigener versicherter Interessen, d.h. von Eigenschäden, in eine FremdHaftpflichtversicherung ausgeht. In diesem Sinn wohl auf Pant, in: Hauschka, Corporate Comliance, 2007, § 12 Rn. 3. 64 So z.B. auch Lange, VersR 2007, 893 (896); Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1171); Koch, WM 2007, 2173 (2176); im Ergebnis auch OLG München, Urteil v. 15.3.2005 – 25 U 3940/04, VersR 2005, 540 f. = DB 2005, 1675 f. und LG Marburg, Urteil v. 3.6.2004 – 4 O 2/03, DB 2005, 437 (438). 65 Vgl. nur BGH, Urteil v. 25.3.1992 – IV ZR 17/91, VersR 1992, 865. 66 So schon Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (312, 316). Die Frage der versicherten Interessen und damit des Fremd- oder Eigenschadencharakters ist dabei streng von der Frage zu trennen, in wessen wirtschaftlichem Interesse die D&O-Versicherung primär erfolgt.

II. Die prozessuale Durchsetzung

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Versicherer abgelehnt.67 Sofern kein Direktanspruch vertraglich vereinbart wurde,68 verstoße die direkte Geltendmachung des Deckungsanspruchs gegen das Trennungsprinzip.69 Das OLG München hatte zwar in einem früheren CMR-Versicherungsfall einen Direktanspruch angenommen und geurteilt, daß ein Spediteur, der für einen Frachtführer mit dessen Zustimmung eine CMR-Versicherung genommen hat, im Schadenfall gegen den Versicherer einen unmittelbaren Zahlungsanspruch geltend machen könne.70 Der Versicherungsnehmer war auch dort zugleich Drittgeschädigter i.S.d. § 149 VVG alt (jetzt § 100 VVG). Das OLG München meinte im CMR-Fall, der Versicherungsnehmer brauche nicht als Dritter den Anspruch des versicherten Frachtführers auf Befreiung von der Verbindlichkeit gegen die Versicherung zu pfänden und sich überweisen zu lassen, weil er ihn ohnehin geltend machen könne. Auch liege die Zustimmung des Versicherten vor. In seinem späteren Urteil zur D&O-Versicherung hat das OLG München aber zu Recht klargestellt, daß dies auf die Situation der D&OVersicherung nicht übertragen werden kann, da sich die genannte CMR-Entscheidung nicht mit dem Trennungsprinzip auseinandergesetzt hatte. 71 Vielmehr handelte es sich im CMR-Fall um die Konstellation der Liquidation eines Drittschadens, worum es in der D&O-Versicherung nicht geht.72 Für die D&O-Versicherung kommt dieses Ergebnis schon deshalb nicht in Betracht, weil der Versicherer andernfalls seines Wahlrechts nach § 100 VVG (§ 149 VVG alt) beraubt würde. Dieses erlaubt ihm, seine Vertragspflicht gegenüber dem Versicherten nach seinem Ermessen entweder durch Entschädigung begründeter Schadenersatzansprüche oder durch Abwehr von aus seiner Sicht unbegründeten Schadenersatzansprüchen zu erfüllen.73 Das Wahlrecht 67 OLG München, Urteil v. 15.3.2005 – 25 U 3940/04, VersR 2005, 540 = DB 2005, 1675; so auch LG München I, Urteil v. 30.3.2004 – 23 O 8879/03, VersR 2005, 543 (544); LG Wiesbaden, Urteil v. 14.12.2004 – 1 O 180/03, VersR 2005, 545; hierzu auch Held, in: Handbuch des Fachanwalts für Versicherungsrecht, 2. Aufl., 2006, S. 1876 f. 68 Dazu sogleich Teil I. II. 1. c). 69 OLG München, Urteil v. 15.3.2005 – 25 U 3940/04, VersR 2005, 540 (542); ferner OLG Köln, Urteil v. 2.9.2008 – 9 U 151/07, VersR 2008, 1673 (Tz. 85 d. UA) zu LG Köln, Urteil v. 5.6.2007 – 85 O 177/05; LG München I, Urteil v. 30.3.2004 – 23 O 8879/03, VersR 2005, 543 (544). 70 OLG München, Urteil v. 3.2.1993 – 7 U 3993/91, VersR 1994, 422; ähnlich OLG Köln, Urteil v. 13.11.2001 – 9 U 14/00, NVersZ 2002, 515 ff. zur Notarvertrauensschadenversicherung. 71 OLG München, Urteil v. 15.3.2005 – 25 U 3940/04, VersR 2005, 540 (542); so auch LG Marburg, Urteil v. 3.6.2004 – 4 O 2/03, DB 2005, 437 (438) mit bezüglich des CMR-Urteils des OLG München aus 1993 und des Urteils des OLG Köln zur Notarvertrauensschadenversicherung; ebenso Graf von Westphalen, DB 2005, 431 (437). 72 So zu Recht Graf von Westphalen, DB 2005, 431 (437). 73 OLG München, Urteil v. 15.3.2005 – 25 U 3940/04, VersR 2005, 540 (542); so auch OLG Köln, Urteil v. 2.9.2008 – 9 U 151/07, VersR 2008, 1673 (Tz. 81 d. UA) zu LG Köln, Urteil v. 5.6.2007 – 85 O 177/05; LG Marburg, Urteil v. 3.6.2004 – 4 O 2/03, DB 2005, 437 (438).

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

endet gem. § 106 S. 1 VVG (§ 154 Abs. 1 S. 1 VVG alt) erst mit der endgültigen Feststellung der Haftpflichtschuld.74 § 106 S. 1 VVG (§ 154 Abs. 1 S. 1 VVG alt) würde folglich unterlaufen, wenn bereits zuvor die Versicherung auf Zahlung in Anspruch genommen werden könnte.75 Auch ein weiteres Urteil des BGH aus dem Jahr 1975, in welchem ein Direktanspruch bejaht wurde,76 ist auf die D&O-Versicherung nicht übertragbar. In diesem Fall hatte ein Unternehmer als Versicherungsnehmer die Ansprüche aus einer gem. § 27 Abs. 1 GüKG abgeschlossenen Haftpflichtversicherung an den Haftpflichtgläubiger nach § 38 Abs. 3 KVO abgetreten. Der BGH entschied, daß dieser infolgedessen berechtigt sei, den Versicherer unmittelbar auf Zahlung in Anspruch zu nehmen. Die Haftpflicht des Unternehmers sei dann als Vorfrage zu prüfen. Das sonst für die Haftpflichtversicherung geltende Trennungsprinzip sei in diesem Fall nicht anwendbar. Jedoch besagt dieses Urteil nichts über die Möglichkeit eines Direktanspruchs der Versicherungsnehmerin in der D&O-Versicherung, weil dort der Anspruch abgetreten war. Fehlt es an einer solchen Abtretung,77 besteht auch nach dieser Entscheidung kein Grund zu der Annahme, daß in der D&O-Versicherung das Trennungsprinzip nicht gilt.

c) Der vertraglich vereinbarte Direktanspruch aa) Die Frage der Abdingbarkeit des Trennungsprinzips Fraglich ist, ob die Parteien das Trennungsprinzip aufheben und vereinbaren können, daß die Versicherungsnehmerin den Deckungsanspruch direkt gegen den Versicherer geltend machen kann.78 Wenn das Trennungsprinzip zwingendes Recht darstellen würde,79 müßte diese Möglichkeit ausscheiden. Das OLG München hat die Vereinbarung eines vertraglichen Direktanspruchs in seinem Urteil von 2005 hingegen zu Recht für möglich gehalten.80 Es überzeugt nicht, dem Trennungsprinzip den Rang zwingenden Rechts zuzuschreiben. 81 Zwingendes Recht, das eine direkte Inanspruchnahme des Versicherers durch die Versicherungsnehmerin ausschlösse, existiert nicht.82 74 LG Marburg, Urteil v. 3.6.2004 – 4 O 2/03, DB 2005, 437 (438); OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.12.2006 – I-4 U 6/06, unter II.2. 75 LG Marburg, Urteil v. 3.6.2004 – 4 O 2/03, DB 2005, 437 (438). 76 BGH, Urteil v. 12.3.1975 – IV ZR 102/74, NJW 1975, 1276. 77 Zur Möglichkeit der Abtretung des Deckungsanspruchs in der D&O-Versicherung s. noch unter Teil I. II. 1. d). 78 Dreher, DB 2005, 1669 (1675). 79 Vgl. Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1172): „… ist wiederum auf das in der Haftpflichtversicherung zwingend geltende Trennungsprinzip zu verweisen.“ 80 OLG München, Urteil v. 15.3.2005 – 25 U 3940/04, VersR 2005, 540 (542) unter Bezugnahme auf Säcker, VersR 2005, 10 ff. 81 OLG München, Urteil v. 15.3.2005 – 25 U 3940/04, VersR 2005, 540 (542). 82 Säcker, VersR 2005, 10 (11).

II. Die prozessuale Durchsetzung

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bb) Die Vorteile und Risiken der Vereinbarung eines Direktanspruchs Zwingende sachliche Gründe stehen der Vereinbarung eines solchen Direktanspruchs ebenfalls nicht entgegen. Vielmehr kann ein Interesse beider Parteien an einer Vereinfachung der Geltendmachung des Anspruchs aus dem Versicherungsvertrag gegen ein Festhalten am Trennungsprinzip sprechen.83 In der Praxis wurde von dieser Möglichkeit dennoch lange Zeit kein Gebrauch gemacht. 84 Denn durch eine Aufrechterhaltung des Trennungsprinzips wollten sich die Versicherer vor einer andernfalls befürchteten Kollusion zwischen Gesellschaft und Organmitglied schützen. Mittlerweile ist von einem D&O-Versicherer bekannt, daß er einen Zusatzbaustein „Direktanspruch“ anbietet,85 was zeigt, daß es sich nicht um eine rein theoretische Erwägung handelt. Durch einen vertraglichen Direktanspruch in Betreff der Innenhaftungsansprüche verliert die D&O-Versicherung insoweit86 nicht ihren Charakter als Haftpflichtversicherung zugunsten der Organmitglieder und wird also diesbezüglich nicht zur Eigenschadenversicherung der Gesellschaft. Denn es bleibt dabei, daß in bezug auf die Innenhaftungsansprüche lediglich eigene Interessen der Versicherungsnehmerin in die Fremdhaftpflichtversicherung eingeschlossen sind. Durch die Vereinbarung eines Direktanspruchs erlangt die Gesellschaft nämlich nur die Möglichkeit, den Deckungsanspruch des Organmitglieds ohne separaten Haftpflichtprozeß gegen den Versicherer geltend zu machen. Die Haftpflichtfrage muß innerhalb des Deckungsanspruchs weiterhin inzident geprüft werden. Die Gesellschaft kann also nicht ihren Eigenschaden unmittelbar beim Versicherer liquidieren, ohne daß zuvor geklärt ist, inwieweit aus diesem Schaden auch ein Innenhaftungsanspruch gegen das versicherte Organmitglied resultiert.

d) Die Abtretung des Freistellungsanspruchs an die Versicherungsnehmerin aa) Die Abtretungsmöglichkeiten nach der VVG-Novelle (I.) Der Ausschluß des formularmäßigen Abtretungsverbots durch § 108 Abs. 2 VVG Neben der Vereinbarung eines Direktanspruchs kommt in Innenhaftungsfällen auch eine Abtretung des Freistellungsanspruchs des Versicherten an die geschädigte Gesellschaft, die zugleich Versicherungsnehmerin ist, in Betracht.87 83

Säcker, VersR 2005, 10 (11). Lange, VersR 2007, 893 (894). 85 Vgl. Klinkhammer, VP 2008, 82 (84). 86 Wenn die D&O-Versicherung eine entity-Deckung enthält, hat sie ohnehin insoweit bereits Eigenschadenversicherungselemente, s. Teil G. I. 1. g). 87 Hierzu Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (166). 84

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

Nach altem VVG konnte in den AVB formularmäßig ein Abtretungsverbot vereinbart werden, welches eine Übertragung des Deckungsanspruchs auf den Geschädigten verhinderte.88 Gemäß dem neu gefaßten § 108 Abs. 2 VVG,89 der bisher in dieser Form nicht im VVG enthalten war, sind solche Abtretungsverbote in den AVB90 hingegen nicht mehr möglich. Sie können nur noch per Individualabrede vereinbart werden.91 Letzteres scheidet in der Praxis aber wegen der hohen Anforderungen, welche die Rechtsprechung hieran in Abgrenzung zur allgemeinen Geschäftsbedingung stellt,92 regelmäßig aus.93

(II.) Die Anwendbarkeit des § 108 Abs. 2 VVG auf die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin § 108 Abs. 2 VVG wäre auf die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin aber nur anwendbar, wenn diese Dritte i.S.v. § 108 Abs. 2 VVG wäre. Fest steht zunächst, daß der Begriff des Dritten nur den geschädigten Dritten meint. Dies folgt schon aus dem Telos der Norm und aus der Regierungsbegründung zur VVG-Novelle, die vom geschädigten Dritten spricht.94 Da die Gesellschaft im 88

LG München I, Urteil v. 30.3.2004 – 23 O 8879/03, VersR 2005, 543 (544); LG Wiesbaden, Urteil v. 14.12.2004 – 1 O 180/03, VersR 2005, 545. 89 „Die Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Dritten kann nicht durch Allgemeine Versicherungsbedingungen ausgeschlossen werden.“ 90 Vgl. Ziff. 10.2 AVB-AVG (Stand Januar 2008): „Der Freistellungsanspruch darf vor seiner endgültigen Feststellung ohne Zustimmung des Versicherers weder abgetreten noch verpfändet werden. Eine Abtretung an den geschädigten Dritten ist zulässig.“ 91 BegrRegE VVG, BT-Drucks, 16/3945, S. 87. 92 Im AGB-rechtlichen Kontext hat der BGH geurteilt, daß eine Individualvereinbarung nur vorliegt, wenn es zu einem wirklichen Aushandeln gekommen ist; dies verlange mehr als bloßes Verhandeln, BGH, Urteil v. 27.3.1991 – IV ZR 90/90, NJW 1991, 1678 (1679): „Nur soweit der Vertragsinhalt nicht nur vom Verwender, sondern ebenso vom Kunden in seinen rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen aufgenommen worden ist, kann er als Ausdruck seiner rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung und Selbstverantwortung gewertet werden“. Der Kerngehalt der Regelung müsse ernsthaft zur Disposition gestellt werden, und dem Vertragspartner müsse Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner eigenen Interessen eingeräumt sein, BGH, Urteil v. 18.11.1982 – VII ZR 305/81, BGHZ 85, 305 (308); BGH, Urteil v. 27.4.1988 – VIII ZR 84/87, BGHZ 104, 232 (236); BGH, Urteil v. 10.10.1991 – VII ZR 289/90, NJW 1992, 1107 f. Die allgemein geäußerte Bereitschaft, die Klausel zu ändern, soll nicht genügen, BGH, Urteil v. 14.4.2005 – VII ZR 56/04, NJW-RR 2005, 1040. 93 Schimmer, VersR 2008, 875 (877); Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (166); zu optimistisch daher die Einschätzung von Bank, VW 2008, 730 (732), es „bleibt abzuwarten“, ob sich individualvertraglich vereinbarte Abtretungsverbote „in der Praxis“ durchsetzen. Anhaltspunkte dafür, daß die Versicherer versuchen würden, diesbezügliche Individualabreden zu treffen, sind jedenfalls im Markt nicht erkennbar. 94 BegrRegE, BT-Drucks, 16/3945, S. 86 f.: „§ 108 Abs. 2 VVG-E hat zum Ergebnis, dass der schädigende Versicherungsnehmer seinen Befreiungsanspruch gegen den Versicherer an den geschädigten Dritten – und nur an diesen – abtreten kann; dieser wird dadurch in die Lage versetzt, den Versicherer direkt in Anspruch zu nehmen.“; so auch Schimmer, VersR 2008, 875 (877).

II. Die prozessuale Durchsetzung

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Kontext der Innenhaftungsansprüche gegen das Organmitglied geschädigt ist, bleibt allein ihre Dritteigenschaft klärungsbedürftig. Die Regierungsbegründung ist diesbezüglich nicht aufschlußreich, da sie nicht von der Konstellation der Fremdversicherung ausgegangen ist und insoweit von dem schädigenden „Versicherungsnehmer“ als Zedenten spricht. Zedent ist in der D&O-Fremdversicherung aber das Organmitglied als schädigende versicherte Person und Zessionarin ist die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin. Der BGH hat zu dieser Frage – in bezug auf die Kraftfahrtversicherung – geurteilt, daß der Versicherungsnehmer als Geschädigter wie jeder andere geschädigte Dritte gegen den Versicherer – in concreto im Weg der Direktklage nach dem damaligen § 3 PflVG (jetzt § 115 VVG) – vorgehen könne.95 Überträgt man dieses Judikat – mutatis mutandis 96 – auf § 108 Abs. 2 VVG, wird mithin auch die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin der D&O-Versicherung als Zessionarin vom Ausschluß des formularmäßigen Abtretungsverbots in ihrer Dritteigenschaft erfaßt.97 Abtretungsverbote gegenüber dem Versicherten in bezug auf die Gesellschaft wären daher unwirksam.98 Dieser Auslegung des § 108 Abs. 2 VVG wird nun vereinzelt entgegengehalten, es sei nicht mit der Intention des Gesetzgebers und der besonderen Interessenlage in der D&O-Versicherung zu vereinbaren, die Gesellschaft als „Dritten“ anzusehen. Im Verhältnis zu ihr seien formularmäßige Abtretungsverbote daher nach wie vor möglich.99 Aus der Regierungsbegründung gehe hervor, daß die Norm dem geschädigten Dritten entgegenkommen solle, der häufig keine Kenntnis vom Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und dem Haftpflichtversicherer habe. Dieser Gedanke treffe auf die D&O-Versicherung nicht zu, da die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin Vertragspartnerin des Versicherers und daher über den Vertragsinhalt im Bilde sei.100 Außerdem habe die VVG-Novelle auch nicht das Trennungsprinzip aufgegeben.101

95 BGH, Urteil v. 10.6.1986 – VI ZR 113/85, VersR 1986, 1010; s. auch OLG Hamm, Urteil v. 4.6.1993 – 20 U 62/93, VersR 1994, 301; Langheid, VersR 1986, 15 (16), ebenfalls zu § 3 PflVG. 96 Der Direktanspruch nach § 3 PflVG (jetzt auch § 115 VVG) stellt keinen Deckungsanspruch dar, sondern berechtigt den Geschädigten nur dazu, seinen Haftpflichtanspruch gegenüber dem Versicherer geltend zu machen. In beiden Fallkonstellationen geht es aber darum, ob der geschädigte Dritte personenidentisch mit dem Versicherungsnehmer sein kann. 97 Langheid, NJW 2007, 3745 (3746). 98 Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (166). 99 Schimmer, VersR 2008, 875 ff. Der Verweis Schimmers, a.a.O. 879 auf Langheid/ Grote, VersR 2005, 1165 (1172), die dies „im Ergebnis ebenso“ sähen, ist nicht zutreffend, da sich diese Autoren im Hinblick auf die Gesellschaft nicht für die Möglichkeit formularmäßiger Abtretungsverbote entgegen § 108 Abs. 2 VVG aussprechen. 100 Schimmer, VersR 2008, 875 (878) unter Berufung auf BegrRegE, BT-Drucks 16/3945, S. 87. 101 Schimmer, VersR 2008, 875 (878).

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

Diese Einwände gegen eine Anwendung des § 108 Abs. 2 VVG auf die Abtretung an die Versicherungsnehmerin überzeugen jedoch nicht. Sie träfen auch auf den vom BGH entschiedenen Fall in der Kraftfahrtversicherung zu. Dort hat der BGH aber zu Recht geurteilt, daß es nach dem Telos des pflichtversicherungsrechtlichen Direktklagerechts des Geschädigten keinen Grund gibt, diesem den Anspruch zu verwehren, wenn er zugleich Versicherungsnehmer ist, was der Sache nach für die Möglichkeit der Abtretung des Deckungsanspruchs an den Geschädigten nicht anders zu beurteilen sein kann. Nach der Rechtsprechung schließen sich die Begriffe des geschädigten Dritten und des Versicherungsnehmers also nicht aus. Daß der Gesetzgeber hinsichtlich der Abtretung des Deckungsanspruchs in Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung von einem anderen Verständnis ausgegangen ist, hat in § 108 Abs. 2 VVG keinerlei Niederschlag gefunden. Auch wenn die Regierungsbegründung von einer bestimmten Interessenkonstellation ausgegangen ist, die bei einer Abtretung an die Versicherungsnehmerin möglicherweise nicht gegeben ist, rechtfertigt dies keine andere Auslegung. Denn die Regierungsbegründung nennt lediglich ein Motiv für § 108 Abs. 2 VVG und schließt damit nicht aus, daß es nicht andere Gründe im Interesse der Parteien geben kann, den Anspruch an den Geschädigten abzutreten, wenn dieser zugleich Versicherungsnehmer ist. Auch das Trennungsprinzip steht der Abtretung an die Versicherungsnehmerin nicht entgegen, da dieses schon nach alter Rechtslage durch Abtretung aufgehoben werden konnte.102 Weiters wird gegen die Anwendung des § 108 Abs. 2 VVG auf die Versicherungsnehmerin – und damit für das Fortbestehen der Möglichkeit formularmäßiger Abtretungsverbote nach der VVG-Novelle in diesem Verhältnis – vorgebracht, daß andernfalls die Gefahr einer Kollusion zwischen Versichertem und Versicherungsnehmerin bestehe, indem sich Schadenersatzforderung und Freistellungsanspruch in derselben Person vereinigten.103 Zwar existiert in der D&O-Fremdversicherung mit der Möglichkeit der Abtretung des Deckungsanspruchs ein theoretisches Kollusionsrisiko. Dieses ist angesichts der beträchtlichen Gefahren, die mit einem Zusammenwirken von versicherter Person und Gesellschaft zulasten des Versicherers für den Versicherten verbunden sind und wegen der mit der Abtretung eintretenden prozessualen Hindernisse aber praktisch weniger relevant, als es zunächst den Anschein haben mag.104 Sodann heißt es im Schrifttum, eine Abtretung des Deckungsanspruchs an die Gesellschaft könne trotz § 108 Abs. 2 VVG formularmäßig ausgeschlossen werden, um zu verhindern, daß die Gesellschaft auf den Versicherten einen „Anerkenntnis- bzw. Befriedigungsdruck“ ausübt. Die Versicherungsnehmerin 102 103 104

BGH, Urteil v. 12.3.1975 – IV ZR 102/74, NJW 1975, 1276 (1277). Schimmer, VersR 2008, 875 (878 f.). Dazu im einzelnen noch Teil I. II. 1. d) bb).

II. Die prozessuale Durchsetzung

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könne ansonsten auf den Versicherten dadurch einwirken, daß sie Schadenersatzforderungen oberhalb der Versicherungssumme androhe, um den Versicherten zum Anerkenntnis eines darunter liegenden Betrags und ferner der Abtretung des Deckungsanspruchs zu drängen.105 Auch diese These überzeugt nicht. Die Möglichkeit, durch Androhung besonders hoher Schadenersatzforderungen auf das Verhalten des Schuldners Druck auszuüben, besteht in jedem Rechtsverhältnis. Sie ist keine Besonderheit der D&O-Fremdversicherung, die eine restriktive Auslegung des § 108 Abs. 2 VVG geböte. Desungeachtet hat das Drohpotential der Gesellschaft gegenüber dem Versicherten auch keinen spezifischen Bezug zur Möglichkeit der Abtretung des Deckungsanspruchs. Die Gesellschaft kann die Androhung besonders hoher Schadenersatzansprüche – theoretisch – dazu einsetzen, das Organmitglied zu allen ersinnlichen Verhaltensweisen zu bewegen, etwa zum Verzicht auf Abfindungsansprüche etc. Es wäre also nicht erklärbar, weshalb es aus dieser Sachlage heraus gerade zulässig sein sollte, die Möglichkeit der Abtretung des Deckungsanspruchs formularmäßig auszuschließen. Träfe es wirklich zu, daß die Gesellschaft über die Androhung besonders hoher Schadenersatzansprüche auf den Versicherten einwirken könnte, würde sie sich im übrigen wohl kaum auf die Vereinbarung eines Abtretungsverbots einlassen. Denn schließlich ist sie es, die den Versicherungsvertrag abschließt, nicht das versicherte Organmitglied. Wäre also der Abtretungsausschluß tatsächlich erforderlich, um das Organmitglied vor der Versicherungsnehmerin zu schützen, müßte § 108 Abs. 2 VVG in der D&O-Fremdversicherung faktisch leerlaufen, da die Versicherungsnehmerin diesen Schutz im eigenen Gesellschaftsinteresse gerade nicht Vertragsbestandteil werden ließe. Schon diese Überlegung zeigt, daß ein theoretisch bestehender Anerkenntnis- und Befriedigungsdruck kein Aspekt ist, der sich auf die Auslegung des § 108 Abs. 2 VVG auswirken kann. Hinzu kommt, daß das skizzierte Drohpotential jedenfalls in der Aktiengesellschaft sub specie iuris nur eingeschränkt besteht. Denn die Höhe des geltend zu machenden Innenhaftungsanspruchs wird durch den Schaden bestimmt. Ob dieser über oder unter der Deckungssumme der D&O-Versicherung liegt, spielt keine Rolle. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG steht einem teilweisen Verzicht auf den Anspruch entgegen. Nach der ARAG-Rechtsprechung106 kann der Aufsichtsrat auch grundsätzlich nicht von der Geltendmachung absehen. Es sind also prinzipiell keine Möglichkeiten vorhanden, die Höhe der einzufordernden Summe seitens der Gesellschaft zu verhandeln. Davon losgelöst stehen die Straftatbestände der Nötigung und der Erpressung rechtswidrigen Einwirkungen auf die Entscheidungsfreiheit des Organmitglieds entgegen. Das angesprochene Drohpotential durch Inaussichtstellen besonders hoher Schadenersatzforderungen trägt also keine restriktive Auslegung des § 108 Abs. 2 VVG. 105 106

Schimmer, VersR 2008, 875 (879). BGH, Urteil v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 245 (252).

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

Des weiteren wird für eine Einschränkung des § 108 Abs. 2 VVG bezüglich der vorliegenden Fallgruppe angeführt, daß ein Abtretungsverbot den Versicherten vor den mit einer Zession an die Versicherungsnehmerin verbundenen Nachteilen schützen könne.107 Zwar ist es richtig, daß mit der Abtretung des Deckungsanspruchs erhebliche Risiken verbunden sein können, da der Versicherte sich seiner Rechte aus dem Versicherungsvertrag begibt, ohne dadurch seine Haftpflicht gegenüber der Gesellschaft zum Erlöschen zu bringen. Die versicherte Person wird daher grundsätzlich im eigenen Interesse von einer Abtretung absehen. Zu ihrem Schutz ein formularmäßiges Abtretungsverbot zuzulassen, ist daher nicht erforderlich und kann somit auch keine restriktive Auslegung des § 108 Abs. 2 VVG rechtfertigen. Vielmehr kann eine Abtretung für die versicherte Person im Einzelfall – insbesondere bei geringen Schäden – sogar prozeßökonomisch sinnvoll sein, so daß ein pauschales Verbot unter Schutzzweckgesichtspunkten darüber hinaus keinen Sinn ergäbe. Auch das schließlich noch angeführte Wortlautargument, wonach die Formulierung „Dritter“ schon dagegen spreche, die Versicherungsnehmerin einzubeziehen, weil ein „First-Party-Claim“ kein „Third-Party-Claim“ sei,108 überzeugt nicht, weil das eine petitio principii ist. Ob Dritter auch die Gesellschaft sein kann, ist gerade beweisbedürftig und kann dann nicht mit der These widerlegt werden, daß dies nicht der Fall sei. Denn begrifflich läßt § 108 Abs. 2 VVG die Auslegung zu, daß auch die Versicherungsnehmerin Dritte ist, da dieser Terminus den Geschädigten des Versicherungsfalls meint. Das ist im Bereich der Innenhaftung die Gesellschaft.

bb) Die materielle Rechtslage nach erfolgter Abtretung (I.) Die Beibehaltung des Charakters als Haftpflichtversicherung trotz Abtretung des Deckungsanspruchs an die geschädigte Versicherungsnehmerin Infolge der Abtretung vereinigen sich der Schadenersatzanspruch gegen das Organmitglied und der Freistellungsanspruch gegen den Versicherer in der Hand der Versicherungsnehmerin. Die Abtretung verstößt nicht gegen das Trennungsprinzip.109 Vielmehr hebt sie das Trennungsprinzip nach der Rechtsprechung des BGH auf. Denn die Abtretung beseitigt dessen „wesentliche Stütze“, nämlich das Auseinanderfallen der Gläubigerstellung bei Haftpflicht- und Deckungsanspruch.110 Durch den Übergang des Freistellungsanspruchs auf den Gläubiger

107

Schimmer, VersR 2008, 875 (879). Schimmer, VersR 2008, 875 (879). 109 BGH, Urteil v. 12.3.1975 – IV ZR 102/74, NJW 1975, 1276; Graf von Westphalen, DB 2005, 431 (436). 110 BGH, Urteil v. 12.3.1975 – IV ZR 102/74, NJW 1975, 1276 (1277). 108

II. Die prozessuale Durchsetzung

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des Schadenersatzanspruchs wandelt sich dieser in einen Zahlungsanspruch gegen den Versicherer als Freistellungsschuldner.111 Die Versicherungsnehmerin kann ihn im Weg der Zahlungsklage gegen den Versicherer geltend machen.112 Ein solcher Direktanspruch entspricht auch der Intention des Gesetzgebers des neuen § 108 Abs. 2 VVG.113 Trotz der Abtretung kann die Versicherungsnehmerin nur den Deckungsanspruch gegen den Versicherer geltend machen. Die D&O-Versicherung bleibt insoweit also Haftpflichtversicherung und wird nicht zur Eigenschadenversicherung der Gesellschaft. Der Versicherer wird nicht Schuldner des Haftpflichtanspruchs.114 Im Rahmen des Deckungsprozesses muß der Haftpflichtanspruch vielmehr inzident geprüft werden.115 Das ist zugleich der dogmatische Unterschied zu einem Direktanspruch i.S.d. § 115 VVG. Dieser stellt nämlich keinen Deckungsanspruch dar, sondern berechtigt den Geschädigten nur dazu, seinen Haftpflichtanspruch gegenüber dem Versicherer geltend zu machen.116 Der Versicherer ist mithin trotz Abtretung vor einer unberechtigten Inanspruchnahme durch die Versicherungsnehmerin geschützt, da der Deckungsanspruch nur insoweit besteht, wie der Haftpflichtanspruch begründet ist. Die prozessuale Lage verändert sich gleichwohl, z.B. dadurch, daß das versicherte Organmitglied nicht mehr Partei, sondern Zeuge ist.117

111 BGH, Urteil v. 27.2.1964 – II ZR 179/62, VersR 1964, 502 (504); BGH, Urteil v. 22.1.1954 – I ZR 34/53, BGHZ 12, 136 (141); Böttcher, NZG 2008, 645 (646 f.); Langheid/ Goergen, VP 2007, 161 (166). 112 Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (166). 113 BegrRegE VVG, BT-Drucks, 16/3945, S. 87. 114 Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (166). 115 BGH, Urteil v. 12.3.1975 – IV ZR 102/74, NJW 1975, 1276 (1277): „Der unmittelbare Zahlungsanspruch des Haftpflichtgläubigers nach Abtretung des Deckungsanspruchs ergibt sich jedenfalls aus dem Zweck des § 38 Abs. 3 KVO und der Tatsache, daß nunmehr Haftpflichtanspruch und Deckungsanspruch in einer Hand vereinigt sind. Solange dies nicht der Fall ist, kann der Gläubiger (nur) den VN auf Zahlung in Anspruch nehmen, und der VN kann vom Versicherer verlangen, diesen Anspruch – nach Feststellung der Haftpflicht in der Regel ebenfalls durch Zahlung an den Gläubiger – abzudecken. Es ist nicht einzusehen, warum der Haftpflichtgläubiger, dem nach der Abtretung beide Ansprüche zustehen, den Versicherer nicht unmittelbar auf Zahlung sollte in Anspruch nehmen und in einem etwa notwendigen Deckungsprozeß die Haftpflichtfrage zur Vorfrage machen dürfen. Eine derartige Lage ist bei anderen akzessorischen Rechtsverhältnissen ebenfalls gegeben.“; Böttcher, NZG 2008, 645 (647). 116 Langheid, VersR 2007, 865 ff.; vgl. zu § 3 Nr. 1 PflVG a.F. ferner Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1171). 117 Böttcher, NZG 2008, 645 (647); dazu noch im einzelnen unter Teil I. II. 1. d) ee) (I.).

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

(II.) Die materiellrechtlichen Wechselwirkungen zwischen dem Haftpflichtanspruch und dem abgetretenen Deckungsanspruch (1.) Das Problem Es stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis Haftpflicht- und Deckungsanspruch nach erfolgter Abtretung des letzteren zueinander stehen. Sofern der Haftpflichtanspruch bereits mit bindender Wirkung für den Versicherer durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist, steht nach § 106 VVG fest, daß der Deckungsanspruch gegen den Versicherer zwei Wochen nach dem Datum der Feststellung fällig ist. Zweifelhaft ist indes, ob der abgetretene Deckungsanspruch bereits fällig sein kann, ohne daß bzw. bevor der Haftpflichtanspruch mit bindender Wirkung festgestellt wurde. Dies wäre dann der Fall, wenn im Deckungsprozeß inzident über den Haftpflichtanspruch als Tatbestandsvoraussetzung des Deckungsanspruchs entschieden werden könnte. Da der Deckungsanspruch begründet ist, soweit der Haftpflichtanspruch festgestellt wurde, ist die Haftpflichtfrage tatbestandlich zunächst lediglich ein Element des Deckungsanspruchs. Fraglich ist mithin allein, ob losgelöst von dieser materiellrechtlichen Akzessorietät prozessual die Notwendigkeit besteht, den Haftpflichtanspruch zunächst durch einen gesonderten Haftpflichtprozeß gegenüber dem Schädiger mit bindender Wirkung feststellen zu lassen. Materiellrechtliche Voraussetzung für den Deckungsanspruch wäre dann nicht nur das objektive Bestehen des Haftpflichtanspruchs – welches ohne weiteres im Rahmen des Deckungsprozesses inzident geprüft werden könnte –, sondern das Vorliegen eines darauf bezogenen gesonderten Feststellungsakts in Gestalt eines rechtskräftigen Urteils, eines Vergleichs oder eines Anerkenntnisses.

(2.) Die Bedeutung des § 404 BGB Für ein solches Erfordernis könnte sprechen, daß der Versicherer andernfalls sein Wahlrecht nach § 100 VVG (§ 149 VVG alt) verlöre, wonach er seine Vertragspflicht gegenüber dem Versicherten entweder durch Entschädigung begründeter Schadenersatzansprüche oder durch Abwehr von aus seiner Sicht unbegründeten Schadenersatzansprüchen erfüllen kann.118 Wenngleich die Notwendigkeit der Wahrung dieses Wahlrechts der Annahme entgegensteht, daß die Versicherungsnehmerin ohne Abtretung des Deckungsanspruchs Leistung von dem Versicherer verlangen kann,119 ist jedoch fraglich, ob dies auch für den Fall gilt, daß der Deckungsanspruch an die Gesellschaft abgetreten wurde. Die Notwendigkeit eines vorgeschalteten Haftpflichtprozesses trotz Abtretung könnte aus § 404 BGB folgen, wonach der Schuldner dem neuen Gläubi118 119

So Lange, VersR 2008, 713 ff. S.o. unter Teil I. II. 1. b) bb) (II).

II. Die prozessuale Durchsetzung

457

ger die Einwendungen entgegensetzen kann, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Als eine solche Einwendung könnte möglicherweise das Wahlrecht des Versicherers aus § 100 VVG (§ 149 VVG alt) anzusehen sein. Denn danach kann die versicherte Person den Versicherer nicht direkt auf Freistellung in Anspruch nehmen, solange ihre Haftpflicht nicht mit bindender Wirkung festgestellt wurde. Andernfalls ergäbe das Wahlrecht des Versicherers keinen Sinn, und auch § 106 VVG stünde entgegen. Klärungsbedürftig ist mithin, ob es sich bei dem Erfüllungswahlrecht um eine Einwendung des Versicherers i.S.d. § 404 BGB handelt. Der Begriff der Einwendung i.S.d. § 404 BGB ist weit zu verstehen und erfaßt alle rechtshindernden und -vernichtenden Einwendungen, ferner Einreden wie die Verjährung sowie prozessuale Einreden.120 Der Umfang des Deckungsanspruchs kann sich nach § 404 BGB durch dessen Abtretung also grundsätzlich nicht verändern. Soweit der Anspruch jedoch auf ein Rechtsverhältnis zwischen dem Zedenten und dem Zessionar bezogen ist, kann der Wechsel der Gläubigerstellung Auswirkungen auf den Anspruchsinhalt haben. Der Freistellungsanspruch des Haftpflichtschuldners gegenüber dem Versicherer als Freistellungsschuldner wandelt sich demgemäß nach Abtretung an den Gläubiger des Haftpflichtanspruchs in einen Zahlungsanspruch gegen den Versicherer.121 Es ist jedoch zweifelhaft, ob sich diese Änderung des Anspruchsinhalts auch auf das Wahlrecht des Versicherers auswirkt. Dieses ist seinem Inhalt nach nämlich nicht davon abhängig, wer Inhaber des Deckungsanspruchs ist, weil es das Haftpflichtverhältnis betrifft. Somit bleibt es von der Abtretung unberührt. Der Versicherer hat daher auch nach der Abtretung die Möglichkeit, anstelle einer Erfüllung eines begründeten Anspruchs auf Ersatz des Schadens der Gesellschaft – des vormaligen Freistellungsanspruchs des Organmitglieds – den Haftpflichtanspruch abzuwehren, um dadurch die Entstehung der Ersatzpflicht zu verhindern. Davon zu trennen ist indes die Frage, ob das Wahlrecht verlangt, daß über den Haftpflichtanspruch in einem gesonderten Prozeß entschieden wird bzw. jedenfalls außerhalb des Deckungsprozesses durch Vergleich oder Anerkenntnis. Fehlt es an einer Abtretung an den Geschädigten, folgt eine entsprechende Notwendigkeit aus dem haftpflichtversicherungsrechtlichen Trennungsprinzip. Dieses wird durch die Abtretung aber aufgehoben,122 so daß auch die Notwendigkeit zweier Prozesse entfällt. 120

Vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2006, § 404 Rn. 2. BGH, Urteil v. 22.1.1954 – I ZR 34/53, BGHZ 12, 136 (141); Böttcher, NZG 2008, 645 (646 f.); Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (166). 122 BGH, Urteil v. 12.3.1975 – IV ZR 102/74, NJW 1975, 1276 (1277): „Das Trennungsprinzip ist im Gesetz selbst nicht ausdrücklich verankert. Die Rechtsprechung hat es in Fällen entwickelt, in denen Haftpflichtanspruch und Deckungsanspruch nicht in einer Hand vereinigt waren und wegen des in den Vertragsbedingungen für die Haftpflichtversicherung aufgestellten Abtretungsverbots auch nicht vereinigt sein konnten.“ 121

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

(3.) Die Frage der Herleitung des Erfordernisses eines separaten Haftpflichtprozesses aus § 100 VVG Es bleibt gleichwohl zu untersuchen, ob die Notwendigkeit eines separaten Haftpflichtprozesses möglicherweise unmittelbar aus dem Wortlaut des § 100 VVG (§ 149 VVG alt) folgt. Dort heißt es, der Versicherer sei bei der Haftpflichtversicherung verpflichtet, „den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten auf Grund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren.“ Zunächst ist zu berücksichtigen, daß sich an dieser Pflichtenstellung des Versicherers durch die Abtretung des Deckungsanspruchs nichts ändert. Der Anspruch auf Abwehrdeckung ist Kehrseite des Wahlrechts des Versicherers, seine Freistellungspflicht durch Abwehr des Haftpflichtanspruchs nicht entstehen zu lassen. Dieses Recht verliert der Versicherer jedoch durch die Abtretung des Deckungsanspruchs auch dann nicht, wenn der Haftpflichtanspruch inzident im Rahmen der Deckungsklage geprüft wird. Aus § 100 VVG (§ 149 VVG alt) folgt mithin nicht, daß der Haftpflichtanspruch nicht inzident im Deckungsprozeß geprüft werden könnte.

(4.) Die Funktion des § 106 VVG Möglicherweise ist ein Erfordernis eines separaten Haftpflichtprozesses jedoch § 106 VVG zu entnehmen, der anordnet, daß der Versicherer den Versicherungsnehmer „innerhalb von zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Anspruch des Dritten mit bindender Wirkung für den Versicherer durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist, vom Anspruch des Dritten freizustellen“ hat.123 Die Norm hätte bei einer inzidenten Prüfung des Haftpflichtanspruchs im Deckungsprozeß keinen Anwendungsbereich, weil über die Haftpflichtfrage nicht gesondert entschieden wird, so daß es insoweit nicht zu einem rechtskräftigen Urteil kommt.124 Damit steht aber nicht fest, daß § 106 VVG die Fälligkeit des Deckungsanspruchs zwingend an die vorherige separate Feststellung des Haftpflichtanspruchs knüpft. Zwar setzt § 106 VVG strukturell voraus, daß die Gläubigerstellung von Haftpflicht- und Deckungsanspruch auseinanderfallen, wie dies für die Haftpflichtversicherung ohne Abtretung des Deckungsanspruchs gilt. Für diesen Grundfall trifft § 106 VVG die im wesentlichen deklaratorische Aussage, daß die Freistellungspflicht mit Feststellung des Haftpflichtanspruchs besteht und regelt konstitutiv lediglich 123

So Lange, VersR 2008, 713 ff. Weshalb der Haftpflichtanspruch unabhängig vom Ausgang des Deckungsprozesses ist. Im Deckungsprozeß ist nur der Deckungs-, nicht aber der Haftpflichtanspruch streitgegenständlich, dazu im einzelnen unter Teil I. II. 1. 124

II. Die prozessuale Durchsetzung

459

die Zweiwochenfrist hinsichtlich der Fälligkeit. Sofern der Deckungsanspruch jedoch an den Gläubiger des Haftpflichtanspruchs abgetreten wurde, liegt die Fallkonstellation, auf die § 106 VVG zugeschnitten ist, nicht mehr vor. Deshalb ist es maßgeblich, ob § 106 VVG die Herbeiführung einer solchen Konstellation sperrt oder dem Versicherer jedenfalls die Einwendung vermittelt, dem Zessionar die fehlende Fälligkeit des Deckungsanspruchs bis zur verbindlichen Feststellung der Haftpflichtfrage außerhalb des Deckungsprozesses entgegenzuhalten. Die mangelnde Feststellung der Haftpflicht könnte dann als Einrede gegen den Deckungsanspruch erhoben werden. Ein solches zwingendes Erfordernis eines vorgeschalteten Haftpflichtprozesses ist § 106 VVG indes nicht zu entnehmen. Da er ersichtlich auf die Situation einer gespaltenen Gläubigerstellung ausgerichtet ist, stellt er eine auf diese Konstellation beschränkte Regelung zur Fälligkeit des Anspruchs dar. Fehlt es an einer getrennten Gläubigerstellung, wie nach der Abtretung, greift die ratio des § 106 VVG nicht. Die Norm ist mithin nach Abtretung des Deckungsanspruchs an den Haftpflichtgläubiger nicht einschlägig. Daher kann aus ihr für diesen Fall auch keine Einwendung gegen den Deckungsanspruch bei noch nicht separat festgestelltem Haftpflichtanspruch abgeleitet werden. Der Deckungsanspruch ist mithin nach der Abtretung sofort fällig, wobei die Haftpflichtfrage inzident zu prüfen ist.

(5.) Die Regierungsbegründung zu § 108 Abs. 2 VVG Dieses Ergebnis stützt möglicherweise auch die Regierungsbegründung der VVG-Novelle.125 Der Gesetzgeber hat mit dem Ausschluß formularmäßiger Abtretungsverbote durch § 108 Abs. 2 VVG die Schaffung eines Direktanspruchs bezweckt und meinte:126 „§ 108 Abs. 2 VVG-E hat zum Ergebnis, dass der schädigende Versicherungsnehmer seinen Befreiungsanspruch gegen den Versicherer an den geschädigten Dritten – und nur an diesen – abtreten kann; dieser wird dadurch in die Lage versetzt, den Versicherer direkt in Anspruch zu nehmen.“ Diese Aussage könnte allerdings auch auf den Deckungsanspruch beschränkt sein. Es wäre dann davon auszugehen, daß der Gesetzgeber zwar eine direkte Inanspruchnahme des Versicherers durch den Geschädigten ermöglichen wollte, ohne jedoch die Notwendigkeit eines separaten, vorgeschalteten Prozesses gegen den Schädiger über den streitigen Haftpflichtanspruch auszuschließen.127 Daß ein solches enges Verständnis der Regierungsbegründung nicht überzeugen kann, folgt jedoch aus einer weiteren Passage der Regierungsbegründung zu § 108 Abs. 2 VVG. Dort heißt es:128 „Der Versicherungsnehmer kann nämlich ein Interesse daran haben, den Geschädigten an den Ver125 126 127 128

Langheid, VersR 2007, 865 ff.; Böttcher, NZG 2008, 645 (646). BegrRegE VVG, BT-Drucks, 16/3945, S. 87. So Lange, VersR 2008, 713 ff. BegrRegE VVG, BT-Drucks, 16/3945, S. 87.

460

I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

sicherer zu verweisen, wenn dieser einen Haftpflichtanspruch in Frage stellt, den der Versicherungsnehmer – vielleicht wegen seiner Beziehungen zu dem Geschädigten – nicht einfach zurückweisen möchte.“ Die Haftpflichtfrage ist also auch nach der Regierungsbegründung direkt gegenüber dem Versicherer im Rahmen des Deckungsanspruchs zu klären.

(6.) Die Rechtsprechung des BGH zu den Rechtsfolgen der Abtretung vor Inkrafttreten der VVG-Novelle Dies stimmt im übrigen mit der Rechtsprechung des BGH zur Abtretung des Deckungsanspruchs vor der VVG-Novelle überein. In dem oben bereits angesprochenen Urteil aus dem Jahr 1975 betreffend die Abtretung der Ansprüche aus einer gem. § 27 Abs. 1 GüKG abgeschlossenen Haftpflichtversicherung an den verfügungsberechtigten Haftpflichtgläubiger nach § 38 Abs. 3 KVO129 hat der BGH ausdrücklich klargestellt: „Mit der Abtretung des Deckungsanspruchs erlangt der Haftpflichtgläubiger auch nicht nur das Recht, gegen den Versicherer auf Feststellung des Versicherungsschutzes zu klagen, ein Recht, das er bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses (§ 256 ZPO) auch vor der Abtretung besitzt; er kann den Versicherer vielmehr aufgrund der Abtretung auch dann auf Zahlung in Anspruch nehmen, wenn die Haftpflichtfrage im Haftpflichtverhältnis zum VN noch nicht geklärt ist.“130

(7.) Die möglichen systematischen Rückschlüsse aus § 115 VVG Möglicherweise lassen sich jedoch seit der VVG-Novelle neue systematische Rückschlüsse aus § 115 VVG für die vorliegende Frage ziehen, die gegen eine Fortgeltung der zitierten BGH-Rechtsprechung und mithin gegen die Möglichkeit einer inzidenten Prüfung des Haftpflichtanspruchs in der Deckungsklage deuten könnten. Die Vorschrift führt einen Direktanspruch, wie er bisher in der Kfz-Haftpflichtversicherung bestand, nunmehr generell für alle Pflichtversicherungen ein.131 Daraus ließe sich eventuell ableiten, daß eine direkte Geltendmachung des Haftpflichtanspruchs gegenüber dem Versicherer außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift – welche die D&O-Versicherung nicht erfaßt, da diese keine Pflichtversicherung ist – ausscheidet.132 § 115 VVG betrifft aber einen anderen Fall, als er aus der Abtretung des Deckungsanspruchs in der D&O-Versicherung resultiert. Denn § 115 VVG erlaubt es, den Haftpflichtanspruch selbst gegenüber dem Versicherer geltend zu machen. Diese Möglichkeit verschafft die Abtretung des Deckungsanspruchs an die Ge129 130 131 132

BGH, Urteil v. 12.3.1975 – IV ZR 102/74, NJW 1975, 1276. BGH, Urteil v. 12.3.1975 – IV ZR 102/74, NJW 1975, 1276 (1277). Hierzu BegrRegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 88 f. So Lange, VersR 2008, 713 ff.

II. Die prozessuale Durchsetzung

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sellschaft aber nicht. Die Zessionarin kann lediglich den Deckungsanspruch durchsetzen, wobei der Haftpflichtanspruch, der sich weiterhin unverändert nur gegen das Organmitglied als Schädiger richtet, inzident geprüft wird. Systematische Rückschlüsse aus § 115 VVG sind für die vorliegende Frage daher nicht möglich.

(8.) Die Berücksichtigung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Klärungsbedürftig ist abschließend jedoch, ob aktienrechtliche Einwände einer direkten Inanspruchnahme des Versicherers ohne gesonderten Haftpflichtprozeß entgegenstehen. Die Gesellschaft kann nämlich nicht außerhalb der engen Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf ihren Anspruch gegen das Organmitglied verzichten. Ein solcher Verzicht könnte darin liegen, daß die Gesellschaft ohne vorherige Klärung der Haftpflichtfrage mit dem Organmitglied direkt den Versicherer in Anspruch nimmt und insoweit der Haftpflichtanspruch lediglich inzident geprüft wird. Darin könnte ein konkludenter Verzicht auf die Geltendmachung des Innenhaftungsanspruchs gegenüber dem Organmitglied liegen, der mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht vereinbar wäre. § 93 Abs. 4 AktG verlangt jedoch nicht, daß der Anspruch prozessual gegenüber dem Organmitglied durchgesetzt wird. Die Gesellschaft darf auf den Anspruch nur nicht verzichten. Wenn das Organmitglied den Deckungsanspruch an die geschädigte Gesellschaft abtritt, liegt darin jedoch eine Leistung auf die Haftpflichtforderung, die als Leistung erfüllungshalber zu betrachten ist.133 Wird Deckung gewährt, ist der Haftpflichtanspruch der Gesellschaft erfüllt. Verliert die Gesellschaft den Deckungsprozeß, etwa weil ein Haftungsausschluß greift, kann sie weiterhin das Organmitglied in Anspruch nehmen. Das gilt sogar dann, wenn die Deckungsklage scheitert, weil das Gericht den inzident zu prüfenden Haftpflichtanspruch verneint hat. Denn der Deckungsprozeß entfaltet keine Rechtskraft hinsichtlich des Haftpflichtverhältnisses. Folglich steht das Aktienrecht einer direkten Geltendmachung des Deckungsanspruchs bei lediglich inzidenter Prüfung der Haftpflichtfrage nicht entgegen.134

cc) Die Beweislastverteilung nach erfolgter Abtretung Die Abtretung des Deckungsanspruchs wirft Fragen hinsichtlich der Beweislast betreffend den inzident zu prüfenden Haftpflichtanspruch auf. Was ihn anbelangt, trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Gesellschaft als Klägerin die Beweislast. Diesbezüglich kommt ihr im Prozeß gegen das Organmitglied 133 Dazu im einzelnen sogleich Teil I. II. 1. e) cc) (II.) sowie zu der hier noch nicht relevanten Frage, ob auch eine Abtretung des Deckungsanspruchs an Erfüllungs Statt in Betracht kommt. 134 Für die GmbH besteht eine vergleichbare Problematik in Ermangelung einer Parallele zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ohnehin nicht.

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

die Beweislastumkehr des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG zugute. Es ist deshalb zu klären, ob ihr diese Privilegierung auch gegen den Versicherer zusteht, soweit in diesem Verhältnis der Deckungsanspruch geprüft wird.135 Nach der Rechtsprechung des BGH zu § 3 PflVersG a.F. darf eine Direktklage nicht dazu führen, daß „dem Geschädigten der Beweis des Haftpflichttatbestandes gegenüber den sonst gültigen Regeln erschwert wird.“136 Andernfalls würde nicht nur der vertragliche Schutzanspruch des Versicherten bedenklich ausgehöhlt, sondern auch der Schutz, den die Direktklage dem Geschädigten bestimmungsgemäß gewähren soll. Es ist jedoch fraglich, ob diese Judikatur auf die vorliegende Konstellation übertragbar ist.137 Dagegen läßt sich ausführen, daß sich das Urteil betreffend § 3 PflVersG a.F. damit befaßte, ob die Beweislastgrundsätze des Haftpflichtanspruchs auch bei direkter Geltendmachung gegenüber dem Versicherer Bestand haben. Davon unterscheidet sich die hier gegenständliche Problematik, weil vorliegend zu prüfen ist, ob eine Beweislastregel, wie sie § 93 Abs. 2 S. 2 AktG darstellt, die von vornherein nur den Haftpflichtanspruch betrifft, auch dann zur Anwendung gelangt, wenn der Deckungsanspruch geltend gemacht wird und die Haftpflichtfrage lediglich inzident zu prüfen ist. Die Anwendbarkeit des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG hängt mithin davon ab, ob § 93 Abs. 2 S. 2 AktG auch im Rahmen der Prüfung des Deckungsanspruchs gegenüber dem Versicherer zu Geltung kommen kann. Zwar kann eine Abtretung grundsätzlich nicht zu einer Veränderung gesetzlicher Beweislastregeln führen. Vorliegend geht es aber nicht um eine Abtretung des Haftpflichtanspruchs, auf den sich § 93 Abs. 2 S. 2 AktG bezieht, sondern um die Geltendmachung des Deckungsanspruchs und die inzidente Anwendung der Beweislastregel des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG in diesem Deckungsverhältnis. Zweifel an der Anwendbarkeit des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG ergeben sich daher bereits aus dem Wortsinn, da Beklagter des Deckungsprozesses nicht das Organmitglied, sondern der Versicherer ist. § 93 Abs. 2 S. 2 AktG bezieht sich jedoch ausdrücklich auf die Widerlegung durch die Vorstandsmitglieder bzw. über § 116 AktG durch die Aufsichtsratsmitglieder. Mithin ist die Beweislastregel auf das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied zugeschnitten. Es wäre aktienrechtlich systemfremd, sie auch im Verhältnis zu Dritten im Rahmen einer Inzidentprüfung des Innenhaftungsanspruchs zur Anwendung gelangen zu lassen. Denn zu der prozessualen Situation, daß die Gesellschaft den Haftpflichtanspruch gegenüber dem Versicherer zu beweisen hat, kommt es ausschließlich infolge der Abtretung des Deckungsanspruchs bei gleichzeitiger inzidenter Bedeutung des Haftpflichtanspruchs für diesen. Daher ist die Anspruchskonstellation versicherungsrechtlich bedingt. Sie verdrängt die für die 135 136 137

Ablehnend Grote/Schneider, BB 2007, 2689 (2699). BGH, Urteil v. 13.12.1977 – VI ZR 206/75, NJW 1978, 2154 (2165). Dagegen Böttcher, NZG 2008, 645 (648).

II. Die prozessuale Durchsetzung

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Geltendmachung des Innenhaftungsanspruchs gegenüber dem Organmitglied geschaffene aktienrechtliche Beweislastregel. Eine weiterere rechtssystematische Erwägung bestätigt dieses Ergebnis. Unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 5 AktG können auch geschädigte Dritte den Innenhaftungsanspruch gegen das Organmitglied geltend machen. Für sie ordnet § 93 Abs. 5 S. 2 HS 2 AktG – in bezug auf die Fälle des Absatzes 3 bzw. die gröbliche Pflichtverletzung – die entsprechende Anwendung der Beweislastumkehr nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG an. Dem läßt sich e contrario entnehmen, daß eine entsprechende Anwendung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG in anderen Anspruchskonstellationen nicht möglich ist.138 Es tritt ein teleologischer Grund hinzu, der die Nichtanwendbarkeit des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG in diesen Fällen stützt. Die Beweislastumkehr gegenüber den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG zieht ihre sachliche Berechtigung daraus, daß die Organmitglieder einen unmittelbaren Zugang zu den für die Widerlegung erforderlichen Informationen haben und über persönliche Kenntnisse über den Haftungsfall verfügen. Daher gehen Teile der Literatur zu Recht davon aus, daß beispielsweise für ausgeschiedene Organmitglieder, die diese Möglichkeiten und Kenntnisse nicht mehr haben, eine teleologische Reduktion des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG vorzunehmen ist.139 Im Weg des argumentum a fortiori trifft dieser Gedanke auf die eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeiten des Versicherers zu, denn dieser verfügt als Gesellschaftsfremder über kein qualifiziertes Wissen zum Haftpflichtfall. Er hat auch keine Möglichkeit, von der Gesellschaft Herausgabe verteidigungsrelevanter Unterlagen zu verlangen, wie dies für ein ehemaliges Organmitglied aus gesellschaftlicher Treuepflicht denkbar wäre.140 Außerdem führt die Nichtanwendung der Beweislastumkehr des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG auch nicht zu einer aktienrechtlich unzulässigen Beschränkung des Organinnenhaftungsanspruchs auf Kosten der Gesellschaft. Denn das Urteil aus dem Deckungsprozeß entfaltet keine Rechtskraft für den Haftpflichtanspruch, weil es sich um unterschiedliche Streitgegenstände handelt.141 Deshalb hat die Gesellschaft die Möglichkeit, nach verlorenem Deckungsprozeß den Haftpflichtprozeß gegen das Organmitglied zu führen. Dort findet dann die Beweislastumkehr des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG Anwendung. Es kann daher sogar der Fall eintreten, daß die Gesellschaft den Deckungsprozeß verliert, weil sie im Hinblick auf den inzident zu prüfenden Haftpflichtanspruch als voll beweisbelastete Partei gegenüber dem Versicherer beweisfällig geblieben ist, sie 138

Vgl. Böttcher, NZG 2008, 645 (649). Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 93 Rn. 17; a.A. Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 34. 140 Hierzu z.B. Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 93 Rn. 17. 141 Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (166); vgl. auch Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 325 Rn. 41. 139

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

den sodann geführten Haftpflichtprozeß aber aufgrund der Beweislastumkehr des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG gewinnt.

dd) Die Auswirkungen des direkten Deckungsprozesses auf einen nachfolgenden Haftpflichtprozeß (I.) Die Frage der gesetzlichen Bindungswirkung des Deckungsprozesses für einen nachfolgenden Haftpflichtprozeß Das Urteil im Deckungsprozeß über den abgetretenen Anspruch entfaltet Rechtskraft auch gegenüber dem Zedenten.142 Wurde der Deckungsanspruch im Prozeß der Gesellschaft verneint, hilft der versicherten Person eine Rückabtretung143 des Anspruchs nicht, weil es sich bei der Klage aus ihm um eine res iudicata handeln würde. Wenn der Zessionar den Deckungsprozeß verloren hat, verfügt der Versicherte also über keine Deckung. Nach verlorenem Deckungsprozeß kann die Gesellschaft das Organmitglied jedoch ohne weiteres (ggf. erneut)144 in Anspruch nehmen.145 Sofern das Organmitglied in diesem Fall zuvor den Haftpflichtanspruch anerkannt hat, sind alle Einwendungen gegenüber der Gesellschaft abgeschnitten. Was hingegen den inzident zu prüfenden Haftungsanspruch anbelangt, ist fraglich, ob das Urteil aus dem Deckungsprozeß insoweit Rechtskraft zu Lasten des nicht beteiligten Organmitglieds entfaltet. Eine solche Erstreckung könnte für die versicherte Person günstig sein, wenn etwa der Richter im Deckungsprozeß festgestellt hat, daß der inzident geprüfte Haftpflichtanspruch nicht vorliegt; eine Rechtskrafterstreckung würde sich umgekehrt zu Lasten des Organmitglieds auswirken, wenn im Deckungsprozeß geurteilt wurde, daß zwar Deckungsausschlußgründe vorliegen, der Haftpflichtanspruch aber erfüllt sei. Eine Rechtskraft entfaltet das Urteil in bezug auf das Organmitglied nach § 325 ZPO jedoch nicht, weil der Haftpflichtanspruch im Rahmen der Deckungsklage zwar inzident geprüft wurde, er dort aber nicht den Streitgegenstand gebildet hat und das Organmitglied auch nicht als Partei beteiligt war.146 Es liegt diesbezüglich daher keine res iudicata vor.

142

Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (166). Wegen der Möglichkeit der Rückabtretung handelt es sich entgegen Böttcher, NZG 2008, 645 (649) bei der Frage nach der Bindungswirkung des Deckungsprozesses der Gesellschaft zu Lasten der versicherten Person nicht um ein „Scheinproblem“. 144 Während der Anhängigkeit des Deckungsprozesses dürfte ein infolge der Abtretung als konkludent vereinbart geltendes pactum de non petendo die Gesellschaft davon abhalten, den Haftpflichtprozeß gegen das Organmitglied zu führen. Gleichzeitig wird man während dieses Zeitraums eine Hemmung der Verjährung des Haftpflichtanspruchs annehmen müssen, vgl. Grote/Schneider, BB 2007, 2689 (2698). 145 Grote/Schneider, BB 2007, 2689 (2699). 146 Böttcher, NZG 2008, 645 (649); Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (166). 143

II. Die prozessuale Durchsetzung

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Davon zu trennen ist wiederum die Frage, ob haftungsrechtliche Feststellungen aus dem Deckungsprozeß der Gesellschaft aufgrund der allgemeinen haftpflichtrechtlichen Bindungswirkung auf einen nachfolgenden Haftpflichtprozeß der Gesellschaft gegen das Organmitglied ausstrahlen.147 Wäre dies der Fall, würde es sich gleichsam um eine „umgekehrte Bindungswirkung“ handeln, da nicht der Haftpflichtrechtsstreit für die Deckungsklage präjudiziell wäre, sondern diese für jenen. Dafür müßte aber die haftpflichtrechtliche Bindungswirkung in der hier interessierenden Konstellation überhaupt gelten. Die Bindungswirkung korrespondiert indes mit dem haftpflichtversicherungsrechtlichen Trennungsprinzip, welches durch die Abtretung des Deckungsanspruchs gerade aufgehoben wird.148 Deshalb ergäbe weder eine direkte noch eine „umgekehrte“ Bindungswirkung hier Sinn. Dies verdeutlicht folgende Überlegung: Der Zweck der Bindungswirkung folgt aus dem Versicherungsverhältnis. Nach dem Haftpflichtversicherungsvertrag soll der Versicherer – vorbehaltlich der Deckungsausschlüsse – Freistellung für alle Schadenersatzpflichten schulden, die gegenüber der versicherten Person gerichtlich festgestellt wurden. Daher kann eine erneute Überprüfung der Haftpflichtfrage im Deckungsprozeß nicht mehr stattfinden.149 Für das umgekehrte Verhältnis von Deckungs- und Haftpflichtanspruch greift dieser Gedanke jedoch nicht. Ob und inwieweit der Haftpflichtanspruch besteht, ist nämlich rechtlich und sachlich davon losgelöst, wie über einen versicherungsvertraglichen Deckungsanspruch geurteilt wurde, der sich auf diesen bezieht.150 Somit können haftpflichtrechtliche Feststellungen aus dem Deckungsprozeß, den die Gesellschaft aus abgetretenem Recht geführt hat, nicht aufgrund einer „umgekehrten Bindungswirkung“ auf einen nachfolgend geführten Haftpflichtprozeß der Gesellschaft gegen die versicherte Person durchschlagen. Diese Differenzierung ist auch sachgerecht, weil in Betreff der Beweislastverteilung wegen der Unanwendbarkeit des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG gegenüber dem Versicherer andere Beweislastgrundsätze gelten.151 Das Organmitglied trägt mithin auch die Gefahr, daß die Gesellschaft aufgrund der Nichtanwendbarkeit der Beweiserleichterung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG oder wegen einer nachlässigen Prozeßführung den Deckungsprozeß verliert, da das Gericht bereits den inzident zu prüfenden Haftpflichtanspruch verneint. In diesem Fall ist das Organmitglied weiterhin dem Haftpflichtanspruch der Gesellschaft ausgesetzt. Die Gesellschaft kann sich in einem nachfolgenden Haftpflichtprozeß

147 Dies prüfend, im Ergebnis aber (wohl) verneinend Langheid, VersR 2007, 865 ff.; ebenfalls ablehnend Lange, r+s 2007, 401 (404). 148 Dazu unter Teil I. II. 1. d). 149 RG, Urteil v. 22.1.1880 – I 870/80, RGZ 3, 21 (25). 150 Böttcher, NZG 2008, 645 (649). 151 Dazu unter Teil I. II. 1. d) cc).

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

auf die Beweislastumkehr des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG berufen und dann möglicherweise reüssieren.

(II.) Die vertragliche Vereinbarung einer „umgekehrten Bindungswirkung“ Freilich können die versicherte Person und die Gesellschaft eine „umgekehrte Bindungswirkung“ haftpflichtrechtlicher Feststellungen aus dem Deckungsprozeß der Gesellschaft als Zessionarin des Deckungsanspruchs für einen nachfolgenden Haftpflichtprozeß gegen das Organmitglied vertraglich vereinbaren.152 Eine solche Vereinbarung ist jedoch mit wirtschaftlichen Risiken für die versicherte Person verbunden und aktienrechtlichen Beschränkungen unterworfen. Was die wirtschaftlichen Risiken anbelangt, muß das Organmitglied berücksichtigen, daß es sich durch eine solche Vereinbarung den Folgen eines Prozesses unterwirft, an dem es nicht als Partei beteiligt war. Für das Organmitglied bringt eine solche Regelung daher Nachteile. Diese kann es allenfalls dadurch teilweise kompensieren, daß es dem Deckungsprozeß beitritt – mit oder ohne Streitverkündung einer der Parteien dieses Prozesses.153 Hierdurch wird jedoch zugleich die vom Gesetzgeber bezweckte Verbesserung der Prozeßökonomie durch die Möglichkeit des Direktanspruchs wieder vereitelt. Ferner ist § 93 Abs. 4 S. 3 AktG für den Inhalt einer solchen vertraglichen Bindungswirkung zu beachten. Eine Bindung zu Lasten des Organmitglieds und zugunsten der Gesellschaft entwertet den Innenhaftungsanspruch der Gesellschaft nicht, sondern verbessert seine prozessuale Durchsetzbarkeit. Eine entsprechende vertragliche Bindungswirkung ist daher sub specie § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht zu beanstanden. Problematisch ist jedoch eine Bindungswirkung in die umgekehrte Richtung, d.h. zugunsten des Organmitglieds. Wenn sich das Organmitglied in einem Haftpflichtprozeß aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit der Gesellschaft auf Feststellungen aus dem Deckungsprozeß berufen kann, die seine Haftung im Grund oder in der Höhe ausschließen bzw. einschränken, verzichtet die Gesellschaft damit insoweit auf ihren Innenhaftungsanspruch gegen das Organmitglied. So wäre der Fall denkbar, daß die Gesellschaft den Deckungsprozeß aus abgetretenem Recht wegen Nichterweislichkeit der Sorgfaltspflichtverletzung im Rahmen des inzident zu prüfenden Haftpflichtanspruchs verliert, da in diesem Rechtsstreit die Beweiserleichterung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG nicht greift.154 Könnte sich nun das Organmitglied gegenüber der Gesellschaft darauf berufen, daß es aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG nicht haftet, wie im Deckungsprozeß inzident festgestellt, wäre der Gesellschaft von vornherein die Möglichkeit genommen, die Haftpflichtfrage 152 153 154

Vgl. Böttcher, NZG 2008, 645 (649); Langheid, VersR 2008, 865 ff. Vgl. Langheid, VersR 2007, 865 ff. Dazu unter Teil I. II. 1. d) cc).

II. Die prozessuale Durchsetzung

467

in einem Prozeß gegen das Organmitglied klären zu lassen, wobei sie sich nunmehr auf die Beweislastumkehr des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG berufen könnte, was ggf. zu einer anderen Beurteilung der Haftpflichtfrage führen würde. Einer vertraglichen Bindungswirkung, die eine solche Möglichkeit ausschließt, steht mithin das Verzichtsverbot des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG entgegen.

(III.) Das Verhältnis von Abwehrdeckung und Freistellung nach Abtretung des Deckungsanspruchs (1.) Das Problem Die Rechtshängigkeit der Direktklage der Gesellschaft aus abgetretenem Recht gegen den Versicherer bzw. die Rechtskraft eines hierauf ergangenen Urteils sperrt den Haftpflichtanspruch der Gesellschaft gegen das Organmitglied als versicherte Person nicht. Daher kann der Fall eintreten, daß die Gesellschaft nach einer Niederlage im Deckungsprozeß aus abgetretenem Recht das Organmitglied aus dem Innenhaftungsanspruch nach § 93 Abs. 2 AktG in Anspruch nimmt. Ein solches Szenario ist insoweit nicht unrealistisch, als die Gesellschaft sich in dem gegen das Organmitglied geführten Haftpflichtprozeß auf die Beweiserleichterung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG berufen kann, die ihr hinsichtlich der inzidenten Prüfung der Haftpflichtfrage im Direktprozeß gegen den Versicherer nicht zusteht.155 Daher kann eine Haftpflichtklage gegen das Organmitglied selbst dann noch sinnvoll sein, wenn im Direktprozeß der Haftpflichtanspruch im Weg der Inzidentprüfung verneint wurde. Ferner ist an all’ die Fälle zu denken, in denen der Direktprozeß aufgrund einer Nachlässigkeit bei der Verfahrensführung verloren wurde – etwa durch verspätetes Vorbringen von Angriffsmitteln oder sonstige Fehler. In dieser Situation ist die anschließende Durchführung des Haftpflichtprozesses gegen das Organmitglied aus Sicht der Gesellschaft erst recht geboten.156 Denkbar – wenngleich weniger realistisch – wäre auch die Konstellation, daß die Gesellschaft parallel zur Direktklage gegen den Versicherer das Organmitglied im Haftpflichtprozeß in Anspruch nimmt.157 155

Teil I. II. 1. d) cc). Zu möglichen Schadenersatzansprüchen des Organmitglieds gegen die Gesellschaft für den Fall, daß diese den Direktprozeß aufgrund einer Nachlässigkeit verliert, s. noch Teil I. II. 1. e) cc) (I.) (2.). 157 Zwar wird man regelmäßig mit der Abtretung des Deckungsanspruchs ein pactum de non petendo hinsichtlich des Haftpflichtanspruchs als vereinbart ansehen, s. dazu noch Teil I. II. 1. e) cc) (I.) (1.). Haben die Parteien indes keine solche Übereinkunft getroffen oder hält sich die Gesellschaft nicht an ein vereinbartes pactum de non petendo, kann das Organmitglied parallel zum Direktprozeß der Gesellschaft gegen den Versicherer einer Haftpflichtklage der Gesellschaft ausgesetzt sein. Selbst wenn bei einem Verstoß gegen ein vorübergehendes pacum de non petendo die Haftpflichtklage – einstweilen – keine Aussicht auf Erfolg 156

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

Dies führt zu der Frage, ob das Organmitglied in diesen Fällen noch über Abwehrdeckung aus dem Versicherungsvertrag verfügt. Einerseits könnte dagegen sprechen, daß der Deckungsanspruch, soweit er die Pflicht zur Freistellung von begründeten Ansprüchen betrifft, ja bereits in dem vorausgehenden Direktprozeß rechtskräftig abgelehnt wurde158 bzw. in einem parallel geführten Direktprozeß jedenfalls rechtshängig ist159 und dort die Haftpflichtfrage aufgrund der Aufhebung des Trennungsprinzips durch die Abtretung inzident geprüft wird. Andererseits schützt diese Rechtskraft bzw. anderweitige Rechtshängigkeit das Organmitglied nicht, da es nicht Partei des Deckungsprozesses ist und der Haftpflichtanspruch der Gesellschaft gegen es mithin nicht gesperrt wird. Ein materielles Bedürfnis nach Abwehrdeckung besteht daher.

(2.) Die Reichweite der Rechtskraft des Deckungsprozesses Der Anspruch auf Abwehrdeckung wäre jedoch erloschen bzw. durch die anderweitige Rechtshängigkeit dieses Anspruchs gesperrt, wenn der Deckungsprozeß sich nicht nur auf den Freistellungs- bzw. Zahlungsanspruch bezöge, sondern auch den Anspruch auf Abwehrdeckung erfaßte. Dies setzte zunächst voraus, daß die Gesellschaft als Zessionarin überhaupt Inhaberin des Anspruchs auf Abwehrdeckung wurde. Klärungsbedürftig ist mithin, ob von der Abtretung des Deckungsanspruchs nur der auf Freistellung gerichtete Teil umfaßt ist160 oder der Deckungsanspruch in seiner Gesamtheit.161 Die Leistungspflicht des Versicherers nach § 100 VVG (§ 149 VVG alt) erstreckt sich auf die Abwehr unbegründeter Ansprüche und die Freistellung von begründeten Forderungen. Sie ist mithin in zwei, auf unterschiedliche Leistungsinhalte gerichtete Ansprüche gespalten. Eine Abtretung des Anspruchs auf Abwehrdeckung an die Gesellschaft ergäbe keinen Sinn, weil sie selbst Anspruchstellerin ist und mithin keine Abwehrdeckung gegen sich selbst beanspruchen könnte. Die Gesellschaft wird infolge der Abtretung des Deckungsanspruchs mithin nicht Inhaberin des auf Abwehrdeckung gerichteten Teils. Somit kann sich die Rechtskraft bzw. Rechtshängigkeit des Deckungsprozesses, den die Gesellschaft aus abgetretenem Recht allein hinsichtlich des Freistellungsanspruchs führt, welcher sich in ihrer Hand in einen Zahlungsanspruch wandelt, schon nicht auf den Teil der Abwehrdeckung erstrecken, was auch aus § 399 BGB folgt.

hätte, wäre das Organmitglied zunächst beklagte Partei des Haftpflichtprozesses und müßte sich verteidigen. 158 So aber Böttcher, NZG 2008, 645 (650); Langheid, VersR 2007, 865 ff. 159 Der Fall der parallelen Führung von Direkt- und Haftpflichtprozeß wird – soweit ersichtlich – nirgendwo diskutiert. 160 So wohl Lange, r+s 2007, 401 (403). 161 So wohl Böttcher, NZG 2008, 645 (650).

II. Die prozessuale Durchsetzung

469

(3.) Die versicherungsvertragsrechtliche Koppelung von Freistellung und Abwehrdeckung Selbst wenn dem Anspruch der versicherten Person auf Abwehrdeckung eine Rechtskraft aus dem Urteil im Deckungsprozeß der Gesellschaft nicht entgegensteht, könnte er in dieser Konstellation aber aus vertraglichen Gründen gesperrt sein. Einer Geltendmachung des Anspruchs auf Abwehrdeckung nach dem verlorenen Deckungsprozeß der Gesellschaft, der auf Zahlung gerichtet war, stünde möglicherweise das Wahlrecht des Versicherers aus § 100 VVG (§ 149 VVG alt) entgegen. Es ist daher zu klären, ob sich der Versicherer in diesen Fällen darauf berufen kann, daß er infolge der Abtretung in eine Auseinandersetzung über die Begründetheit des Haftpflicht- und des Deckungsanspruchs mit der Gesellschaft gedrängt wurde und er daher nicht ein zweites Mal eine Verteidigung gegen den Haftpflichtanspruch zu führen habe. Der Verlust des Anspruchs auf Abwehrdeckung könnte als die Kehrseite der Aufhebung des Trennungsprinzips durch die Abtretung des Deckungsanspruchs an die Gesellschaft angesehen werden. Denn unter Geltung des Trennungsprinzips wäre eine solche Verpflichtung zur Abwehrdeckung nach erfolgreicher Verteidigung gegen den Deckungsanspruch nicht möglich, da zuerst der Haftpflichtprozeß geführt werden müßte. Ein solcher Untergang des Rechts auf Abwehrdeckung infolge der Abtretung wäre aber nicht systemgerecht. Zunächst ist zu berücksichtigen, daß § 108 Abs. 2 VVG die Abtretung des Deckungsanspruchs ausdrücklich ermöglichen will. Die Schaffung eines Direktanspruchs entspricht der darauf bezogenen Intention des Gesetzgebers.162 Daß die versicherte Person im Gegenzug ihren Anspruch auf Abwehrdeckung verlieren soll, ergibt sich weder aus § 108 Abs. 2 VVG noch ist dies der darauf bezogenen Regierungsbegründung zu entnehmen. Desungeachtet wird das Erfüllungswahlrecht des Versicherers durch die Abtretung nicht tangiert. Denn auch ohne Abtretung kann der Fall eintreten, daß der Versicherer zunächst Abwehrdeckung leistet und sodann im Fall der Niederlage im Haftpflichtprozeß eine Auseinandersetzung mit der versicherten Person über den Freistellungsanspruch führt. Aus § 100 VVG (§ 149 VVG alt) folgt mithin nicht, daß der Versicherer hinsichtlich des einzelnen Versicherungsfalls nur entweder Abwehrdeckung oder Freistellung schuldet. Infolge der Abtretung und der primären Geltendmachung des Freistellungs- bzw. Zahlungsanspruchs durch die Zessionarin bei gleichzeitigem oder folgendem Haftpflichtprozeß ändert sich also lediglich die Reihenfolge der Prozesse, nicht aber der Umfang der Leistungspflicht des Versicherers. Der Unterschied zwischen der vorliegenden Konstellation einer Direktklage aus abgetretenem Recht und der Situation bei Geltung des Trennungsprinzips 162

BegrRegE VVG, BT-Drucks, 16/3945, S. 87.

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

ist allein darin zu sehen, daß hier im Rahmen des Deckungsprozesses die Haftpflichtfrage lediglich einen inzidenten Tatbestand darstellt. Sie wäre daher zum einen innerhalb des Direktprozesses zu prüfen und zugleich Streitgegenstand des parallelen oder folgenden Haftpflichtprozesses. Eine solche prozessuale Situation ist aber nicht ungewöhnlich und auch nicht mit der Leistungsdefinition des § 100 VVG unvereinbar. Sofern die Gesellschaft die Haftpflichtklage nicht nach Abschluß des Deckungsprozesses, sondern parallel zu diesem anhängig macht, wird das Gericht, welches mit der Direktklage befaßt ist, den Rechtsstreit regelmäßig aussetzen, bis über die Haftpflichtfrage in dem separaten Haftpflichtprozeß entschieden wurde, wenngleich insoweit nicht aus Gründen des Trennungsprinzips, sondern allein der Prozeßökonomie. Entgegen teilweise geäußerter Ansicht163 muß der Versicherer daher sowohl bei einer Haftpflichtklage nach rechtskräftiger Beendigung des Deckungsprozesses als auch bei paralleler Rechtshängigkeit beider Klagen Abwehrdeckung gewähren.

(4.) Die versicherungsvertragliche Einschränkung des Anspruchs auf Abwehrdeckung bei Abtretung des Freistellungsanspruchs Will der Versicherer seine Pflicht zur Gewährung von Abwehrdeckung in diesen Fällen ausschließen, erfordert dies mithin eine versicherungsvertragliche Regelung. Der Versicherer muß in den AVB festlegen, daß die Abtretung des Deckungsanspruchs an die Gesellschaft zum Verlust des Anspruchs auf Abwehrdeckung führt. Dieser Anspruchsverlust kann entweder unbedingt formuliert werden oder nur für den Fall, daß der Direktprozeß der Gesellschaft gegen den Versicherer verloren wurde. Zu prüfen bleibt, ob eine solche Ausschlußklausel nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzunehmen wäre. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß die Abwehrdeckung nicht vollständig ausgeschlossen, sondern nur graduell eingeschränkt wird und außerdem für eine Konstellation, die die versicherte Person durch eine Verfügung über den auf Freistellung gerichteten Teil des Deckungsanspruchs selbst herbeigeführt hat. Es läge daher insbesondere kein Fall des § 307 Abs. 2 BGB vor, da die Klausel weder mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 100 VVG, von der abgewichen wird, unvereinbar wäre, noch wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Haftpflichtversicherungsvertrags ergeben, so einschränken würde, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre.

163

So Böttcher, NZG 2008, 645 (650); Langheid, VersR 2007, 865 ff.

II. Die prozessuale Durchsetzung

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ee) Die verfahrensrechtlichen Konsequenzen der Abtretung des Deckungsanspruchs (I.) Die Zeugenstellung des Organmitglieds nach erfolgter Abtretung Die Abtretung des Deckungsanspruchs wirkt sich ferner auf die Beweissituation im Deckungsprozeß aus. Da das Organmitglied nicht Partei des Deckungsprozesses der Gesellschaft aus abgetretenem Recht ist, kann es Zeuge sein.164 Die Beweismöglichkeiten der Gesellschaft sind dadurch zunächst scheinbar besser als bei einer Deckungsklage des Organmitglieds, in dem es nicht selbst als Zeuge vernommen werden könnte. Eine Verschlechterung der Position des Versicherers wird aber dadurch verhindert, daß die Zeugenstellung dem Organmitglied zugleich rechtliche Beschränkungen auferlegt, die für die Prozeßpartei nicht gelten. Der Zeuge ist nach den §§ 153 ff. StGB strafrechtlich zur Wahrheit verpflichtet. Das Risiko einer Manipulation der prozessualen Wahrheitsfindung ist daher in dieser Konstellation wohl niedriger als in einem durch das Organmitglied geführten Deckungsprozeß.165 Hinzu kommt folgendes: Das Gericht ist nach §§ 138 Abs. 3, 288 Abs. 1 ZPO an ein Parteigeständnis gebunden. Soweit das Organmitglied in einem separat geführten Haftpflichtprozeß anspruchsbegründende Tatsachen einräumt, müssen diese daher dem Urteil zugrunde gelegt werden, weil die zugestandenen Tatsachen der gerichtlichen Prüfung entzogen sind166. Das gilt selbst bei einem bewußt unwahren Geständnis.167 Die Rechtsprechung hat eine Ausnahme zwar für den Fall des kollusiven Zusammenwirkens der Parteien zu Lasten eines Dritten anerkannt.168 Insoweit muß aber die Unwahrheit des Vorbringens zweifelsfrei feststehen.169 Diesen Nachweis kann der Versicherer jedoch in den seltensten Fällen führen.170 Der Versicherer verfügt auch über kein wirksames Instrument, um ein falsches Geständnis im Haftpflichtprozeß der versicherten Person zu verhindern. Zwar ist die Nebenintervention des Versicherers nicht nur im Kraftfahrthaft164

Bank, VW 2008, 730 (732). So wohl im Ergebnis auch Böttcher, NZG 2008, 645 (648). Freilich sind desungeachtet auch bei einer Aussage als Partei stets die Grenzen des Prozeßbetrugs nach § 263 StGB einschlägig. 166 Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO 29. Aufl. 2008, § 288 Rn. 5. 167 BGH, Urteil v. 22.5.1970 – IV ZR 1084/68, VersR 1970, 826; Reichold, in: Thomas/ Putzo, ZPO 29. Aufl., 2008, § 288 Rn. 7. 168 BGH, Urteil v. 22.5.1970 – IV ZR 1084/68, VersR 1970, 826; OLG Düsseldorf, Urteil v. 27.5.1997 – 4 U 126–96, NJW-RR 1998, 606; OLG Hamm, Urteil v. 10.11.1997 – 6 U 1/97, VersR 1998, 1274; OLG Frankfurt/M., Urteil v. 6.6.1977 – 23 U 188/75 VersR 1978, 260. 169 Vgl. BGH, Urteil v. 22.5.1970 – IV ZR 1084/68, VersR 1970, 826; OLG Düsseldorf, Urteil v. 27.5.1997 – 4 U 126–96, NJW-RR 1998, 606; OLG Hamm, Urteil v. 10.11.1997 – 6 U 1/97, VersR 1998, 1274. 170 Langheid, VersR 2007, 865 ff. 165

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

pflicht-, sondern auch im Privathaftpflichtprozeß i.d.R. zulässig171. Die Möglichkeiten des Versicherers, auf den Ausgang des Rechtsstreits Einfluß zu nehmen, sind aber begrenzt, da er als unselbstständiger Streithelfer den Beschränkungen des § 67 HS 2 ZPO172 unterliegt. Ein vom Geständnis der versicherten Person abweichender Vortrag des Versicherers als Nebenintervenient muß daher unbeachtet bleiben.173 Das Geständnis der versicherten Person kann sich sodann wegen der Bindungswirkung des Haftpflichturteils für den Deckungsprozeß mittelbar auf diesen auswirken.174 Eine dem prozessualen Geständnis vergleichbare Bindungswirkung entfaltet die Zeugenaussage nicht. Sie hat der Richter lediglich in seine freie Beweiswürdigung einzustellen. Sollten sich Zweifel an der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen des Organmitglieds oder an der Glaubwürdigkeit des Organmitglieds als Zeugen ergeben, kann der Richter dies bei einer Zeugenaussage daher im Rahmen seiner Beweiswürdigung berücksichtigen, wohingegen er an ein Parteigeständnis in einem separaten Haftpflichtprozeß in den oben geschilderten Grenzen gebunden wäre.175 Nach der Rechtsprechung des BGH176 ist ein Vorbringen nämlich nur als erwiesen anzusehen, wenn auch ohne eine „unumstößliche Gewißheit“ ein „für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewißheit“ besteht, „der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen“. Verdachtsmomente, die bei dem Richter die Annahme einer Kollusion von Organmitglied und Gesellschaft zu Lasten des Versicherers begründen können, sind geeignet, diese Gewißheit zu erschüttern, so daß eine entsprechende Aussage des Organmitglieds als Zeuge nicht entscheidungstragend sein könnte.177

(II.) Die Interessenkollision im Direktprozeß Die Möglichkeit einer Beeinflussung des Deckungsprozesses durch Abtretung des Deckungsanspruchs ist aus einem weiteren Grund eingeschränkt. Das Interesse der geschädigten Gesellschaft an einem möglichst belastbar begründeten Haftpflichtanspruch gerät grundsätzlich in Konflikt mit dem Bestreben, zugleich Deckung aus abgetretenem Recht für diesen Schaden zu erlangen. Kann etwa eine (bedingt) vorsätzliche Schädigung nicht ausgeschlossen wer171

Langheid, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, § 149 Rn. 18; Lemcke, VersR 1995, 989. 172 „ … er ist berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, insoweit nicht seine Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen.“ 173 Langheid, VersR 2007, 865 ff. 174 Langheid/Müller-Frank, NJW 1993, 2652 (2659 f.); Bayer, NVersZ 1998, 9. 175 S. auch Langheid, NJW 2007, 3745 (3746); Böttcher, NZG 2008, 645 (648). 176 BGH, Urteil v. 18.3.1987 – IV a ZR 205/85, VersR 1987, 503. 177 Vgl. auch Langheid, VersR 2007, 865 ff.

II. Die prozessuale Durchsetzung

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den, ist der Geschädigte in Betreff der Haftpflichtfrage gehalten, auch die Möglichkeit des Vorsatzes zu prüfen und ggf. entsprechend zu Lasten des Schädigers vorzutragen. Dasselbe gilt etwa, wenn zur Darlegung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Schädigers vorgebracht werden kann, daß das Organmitglied Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände verwirklicht hat. Diese den Haftpflichtanspruch stützenden Umstände – scil. vorsätzliche Verwirklichung oder kumulative Begehung von Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbeständen durch den Schädiger – erfüllen wiederum regelmäßig Deckungsausschlüsse178 gegenüber dem Versicherer.179 Umgekehrt kann ein zu defensiver Vortrag bezüglich der Haftpflichtfrage, um das Eingreifen eines Deckungsausschlusses zu vermeiden, dazu führen, daß die Deckungsklage der Gesellschaft aus abgetretenem Recht bereits aus Gründen eines fehlenden Haftpflichtanspruchs abgewiesen wird. Die Gesellschaft befindet sich mithin in einem Zielkonflikt, um nicht entweder den Haftpflicht- oder den Deckungsanspruch zu gefährden. Ein widersprüchlicher Vortrag innerhalb des integrierten Deckungsprozesses in bezug auf die Haftpflichtfrage einerseits und den Deckungsanspruch andererseits kann zudem zur Klageabweisung wegen Unschlüssigkeit führen.

(III.) Die Folgerungen für eine mögliche Kollusionsgefahr Die Möglichkeit der Abtretung des Deckungsanspruchs180 könnte prima vista die Gefahr einer Kollusion zwischen Organmitglied und Gesellschaft zu Lasten des Versicherers begründen.181 Um der Gesellschaft Befriedigung aus dem Deckungsanspruch erfüllungshalber182 zu verschaffen, könnte das Organmitglied versucht sein, als Zeuge die haftungsrelevanten Tatsachen so weit wie möglich einzuräumen. Sein Interesse an einer Abwehr des Haftpflichttatbestands könnte sinken. Da jedoch die Zeugenstellung zur strafbewehrten Wahrheitspflicht führt, wird jedenfalls einem kriminellen Zusammenwirken von versicherter Person und Versicherungsnehmerin entgegengewirkt. Außerdem ist die Besserstellung des Versicherers durch das Entfallen der Geständniswirkung bezüglich der Haftpflichtfrage im Deckungsprozeß aus abgetretenem Recht zu berücksichtigen. Insgesamt wird die Abtretung des Deckungsanspruchs die Gefahr einer Kollusion daher sogar eher verringern.183

178

Zu den Einzelheiten S. Teil G. II., III., XI und XIV. Vgl. Langheid, VersR 2007, 865 ff. 180 Zur Kombination von Abtretung und Anerkenntnis sogleich unter Teil I. II. 1. e). 181 So die Einschätzung bei Bank, VW 2008, 730 (732). 182 Dazu im einzelnen Teil I. II. 1. e) cc) (II.). 183 So auch die Einschätzung von Böttcher, NZG 2008, 645 (648); Langheid, NJW 2007, 3745 (3746 f.); Langheid, VersR 2007, 865 (869). 179

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

(IV.) Die Kostenfolge Die Führung eines Deckungsprozesses aus abgetretenem Recht geht für die Gesellschaft mit einem Nachteil einher. Sie trägt nämlich das Kostenrisiko der Deckungsklage, welches ansonsten bei der versicherten Person läge.184 Unterliegt die Gesellschaft beispielsweise im Deckungsprozeß, weil ein Ausschlußgrund greift, trifft sie ein zusätzlicher Schaden in Form der Verfahrenskosten. Diesen Schaden kann sie jedoch in einem anschließenden Haftpflichtprozeß – der durch den verlorenen Deckungsprozeß wegen der Unterschiedlichkeit der Streitgegenstände ohne weiteres möglich bleibt – nicht als ersatzfähigen Schaden geltend machen, weil es insoweit an einer Pflichtverletzung des Organmitglieds fehlt. Die Abtretung und damit der Übergang des Kostenrisikos des Deckungsprozesses geschehen einvernehmlich mit der Gesellschaft und sind nicht pflichtwidrig. Ebensowenig kann es dem Organmitglied als eigenständige Organpflichtverletzung angelastet werden, wenn sein Verhalten, das zu einer Schadenersatzpflicht im Innenverhältnis geführt hat, zugleich einen Deckungsausschlußtatbestand verwirklicht. Dieses Kostenrisiko kann die Gesellschaft nur vermeiden, wenn sie mit dem Organmitglied eine Erstattung für den Fall der Niederlage im Deckungsprozeß vereinbart.

e) Die Verbindung von Abtretung und Anerkenntnis aa) Der Fortfall der Möglichkeit des vertraglichen Anerkenntnisverbots durch § 105 VVG Für die direkte Geltendmachung des Deckungsanspruchs durch die Versicherungsnehmerin hat die VVG-Novelle mit § 105 VVG185 eine weitere bedeutsame Änderung gebracht. Nach § 105 VVG ist die Möglichkeit entfallen, ein Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot vertraglich zu vereinbaren. § 154 Abs. 2 VVG hat es dem Versicherer früher ermöglicht, im Versicherungsvertrag Leistungsfreiheit für den Fall vorzusehen, daß der Versicherungsnehmer den anspruchsberechtigten Dritten befriedigte oder dessen Anspruch anerkannte. Die Leistungspflicht blieb nach § 154 Abs. 2 VVG nur bestehen, wenn die Befriedigung oder Anerkennung nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigert werden konnte. Der Gesetzgeber der VVG-Novelle hielt diese Regelung auch unter Berücksichtigung der Interessen des Versicherers für unangemessen.186 Dem lag der Gedanke zugrunde, daß der Versicherungsnehmer durch Anerkennen oder Befriedigen einen nicht bestehenden Anspruch des Dritten nicht zu Lasten des Versicherers begründen und darüber hinaus auch nicht den 184

Darauf zu Recht hinweisend Langheid, VersR 2007, 865 ff. § 105 VVG hat das bisherige Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot i.S.d. § 154 Abs. 2 VVG alt ersetzt. 186 BegrRegE VVG-Novelle, BT-Drucks. 16/3945, S. 86. 185

II. Die prozessuale Durchsetzung

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Versicherungsfall herbeiführen könne. Außerdem war das Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot nach Ansicht des Gesetzgebers aus der Sicht des Versicherers nicht sehr effektiv. Denn der Versicherungsnehmer sei nicht gehindert, bestimmte Tatsachen dem Geschädigten gegenüber persönlich oder in einer Gerichtsverhandlung einzuräumen. § 105 VVG n.F. regelt daher nunmehr, daß eine Vereinbarung unwirksam ist, nach welcher der Versicherer bei Anerkenntnis des Anspruchs des Geschädigten oder Befriedigung seitens des Versicherungsnehmers leistungsfrei wird.187 Bei Fehlen eines wirksamen Abtretungsverbots kann also das Organmitglied gegenüber der geschädigten Gesellschaft zunächst den Haftpflichtanspruch anerkennen und sodann seinen Deckungsanspruch abtreten.188

bb) Die Grenzen einer Wirkung des Anerkenntnisses auf den Deckungsprozeß Durch die Kombination von Abtretung und Anerkenntnis nähert sich der Deckungsanspruch einem echten Direktanspruch gegen den Versicherer scheinbar noch stärker an, weil Einwände in Bezug auf den inzident zu prüfenden Haftpflichtanspruch vermeintlich kaum noch möglich sind.189 Die Auswirkungen eines Anerkenntnisses auf den Deckungsprozeß sind nach der VVG-Novelle dennoch begrenzt. Ein außerprozessuales Anerkenntnis der versicherten Person gegenüber der geschädigten Gesellschaft entfaltet schon keine Bindungswirkung für den Deckungsprozeß, da es bereits an einer rechtskräftigen Feststellung über die Haftpflichtfrage fehlt. Klagt die Gesellschaft sodann aus dem abgetretenem Deckungsanspruch gegen den Versicherer, ist im Deckungsprozeß erstmalig im Rahmen der inzidenten Prüfung über den Haftpflichtanspruch zu entscheiden, der losgelöst von dem außerprozessualen Anerkenntnis der versicherten Person beurteilt wird.190 Fraglich ist, wie es sich mit einem prozessualen Anerkenntnis nach § 307 ZPO in einem Haftpflichtprozeß verhält, wenn sodann der Deckungsanspruch an die Gesellschaft abgetreten wird und diese mit der Deckungsklage gegen den Versicherer vorgeht. Käme hier die haftpflichtversicherungsrechtliche Bindungswirkung zur Geltung, könnte der anerkannte Haftpflichtanspruch ungeprüft der Deckungsklage zugrunde zu legen sein. Da jedoch die Abtretung des Deckungsanspruchs zum Entfallen des Trennungsprinzips und infolgedes-

187

Dazu auch Grote/Schneider, BB 2007, 2689 (2697). Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (166); s. hierzu auch LG Marburg, Urteil v. 3.6.2004 – 4 O 2/03, DB 2005, 437 (438). 189 Vgl. LG Marburg, Urteil v. 3.6.2004 – 4 O 2/03, DB 2005, 437 (438). 190 Langheid, VersR 2007, 865 ff. 188

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

sen auch der darauf beruhenden Bindungswirkung führt,191 kommt eine solche Ausstrahlung auf den Deckungsprozeß nicht mehr in Betracht.192 Losgelöst von der fehlenden Bindungswirkung bei Abtretung des Deckungsanspruchs ist zweifelhaft, ob ein Anerkenntnis nach neuem VVG überhaupt im Rahmen der Prüfung des Deckungsanspruchs zu beachten ist. Nach früherem Recht war dies für das sog. erlaubte Anerkenntnis der Fall. Ein solches lag vor, wenn die AVB kein Anerkenntnisverbot enthielten oder Ausnahmen vom Anerkenntnisverbot griffen193. Mit der Abschaffung der Möglichkeit des formularmäßigen Anerkenntnisverbots in § 105 VVG n.F. hat die Begründung des Regierungsentwurfs jedoch klargestellt, daß ein nunmehr mögliches Anerkenntnis keine Wirkungen im Verhältnis zum Versicherer entfalten soll. Es heißt dort194: „Der Versicherungsnehmer kann durch Anerkennen oder Befriedigen einen nicht bestehenden Anspruch des Dritten nicht zu Lasten des Versicherers begründen und darüber hinaus auch nicht den Versicherungsfall herbeiführen; anderenfalls hätte der Versicherungsnehmer die Befugnis, zu Gunsten des Dritten den Versicherer zu belasten. Sowohl das Anerkenntnis als auch die Befriedigung müssen ohne Einfluss auf den Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer bleiben; verspricht der Versicherungsnehmer dem Dritten mehr als diesem zusteht, geht der Mehrbetrag immer zu Lasten des Versicherungsnehmers. Der Versicherer hat ihn nur von dem Anspruch freizustellen, den der Geschädigte ohne das Anerkenntnis gehabt hätte.“ Versicherungsvertragsrechtlich ist diese Rechtslage überzeugender als die frühere Differenzierung zwischen den Rechtswirkungen verbotener und erlaubter Anerkenntnisse,195 da nicht erkennbar ist, weshalb der Versicherer auch im Fall eines erlaubten Anerkenntnisses selbst dann Deckung schulden soll, wenn der Haftpflichtanspruch unbegründet ist.196 Es handelt sich insoweit nämlich um eine rechtsgeschäftliche 191

S. dazu unter Teil I. II. 1. d). So auch Langheid, VersR 2007, 865 ff. 193 Es handelte sich um folgende Ausnahmen (im einzelnen Lange, VersR 2006, 1313 m.w.N. zur Rspr.): Wenn nach den Umständen der Versicherungsnehmer die Befriedigung oder die Anerkennung nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigern konnte (§ 154 Abs. 2 VVG alt); wenn die Versicherungsbedingungen zwar ein Anerkenntnisverbot enthielten, ohne jedoch festzulegen, daß der Verstoß gegen das vertragliche Anerkenntnisverbot zum Verlust des Versicherungsschutzes führt und ferner durch das Anerkenntnis nicht in so grober Weise gegen das Verbot verstoßen wird, daß dies das vertragliche Vertrauensverhältnis erschüttert; wenn der Versicherer die Deckung bereits zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses versagt hatte; wenn der Versicherer sich zu diesem Zeitpunkt pflichtwidrig noch nicht zur Frage der Deckung geäußert hatte; wenn der Versicherungsnehmer seine Obliegenheit, ein Anerkenntnis zu unterlassen, weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat (§ 6 Abs. 3 VVG alt); wenn der Versicherer das Anerkenntnis nachträglich genehmigt. 194 BegrRegE VVG-Novelle, BT-Drucks. 16/3945, S. 86; ferner bereits Lange, VersR 2006, 1313 ff. 195 So auch Lange, VersR 2006, 1313 ff. 196 Sofern der Versicherer freilich dem Anerkenntnis zugestimmt hat, wird man auch nach neuem VVG jedenfalls nach § 242 BGB dem Versicherer die Einwendung versagen müs192

II. Die prozessuale Durchsetzung

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Verpflichtung des Versicherungsnehmers bzw. der versicherten Person, für die nach dem Konzept der Haftpflichtversicherung gerade keine Deckung geschuldet wird. Da das prozessuale Anerkenntnis i.S.d. § 307 ZPO nichts darüber besagt, ob der betroffene Anspruch tatsächlich besteht oder nicht, kann es mithin für die Beurteilung der inzident zu prüfenden Haftpflichtfrage im Rahmen des Deckungsprozesses keine Aussagekraft besitzen. Während also im Fall eines vertraglichen Abtretungs- und Anerkennungsverbots, wie es nach früherer Rechtslage möglich war, das Anerkenntnis wegen der Bindungswirkung auch im Verhältnis zum Versicherer verbindlich sein konnte, zugleich aber wegen Obliegenheitsverletzung zu dessen Leistungsfreiheit führte,197 bleibt nach geltendem VVG das Anerkenntnis ohne Einfluß auf den Befreiungsanspruch der Gesellschaft aus abgetretenem Recht gegen den Versicherer.198 Denn der Versicherer hat im Ergebnis nur von dem Anspruch freizustellen, der der geschädigten Gesellschaft auch ohne das Anerkenntnis des Versicherungsnehmers zugestanden hätte.

cc) Die Risiken der Abtretung für den Versicherten und mögliche Auswege (I.) Die Gefahr eines Haftpflichtprozesses nach verlorenem Deckungsprozeß und mögliche Sicherungsinstrumente (1.) Die Vereinbarung eines Haftungssausschlusses zwischen Gesellschaft und Organmitglied im Gegenzug zur Abtretung des Deckungsanspruchs Das Anerkenntnis des Haftpflichtanspruchs in Verbindung mit einer Abtretung des Deckungsanspruchs führt also nicht zu einer greifbaren Verbesserung der Erfolgsaussichten der Deckungsklage. Es birgt jedoch ein erhebliches Risiko für den Zedenten. Denn infolge des Anerkenntnisses hat sich das Organmitglied gegenüber der Gesellschaft praktisch alle Einwendungen im Haftpflichtverhältnis abgeschnitten. Zugleich hat die Gesellschaft die Möglichkeit, nach verlorenem Deckungsprozeß die Haftpflichtklage gegen das Organmitglied zu erheben bzw. aus dem Titel eines zuvor geführten Haftpflichtprozesses, der mit einem prozessualen Anerkenntnis endete, zu vollstrecken. Vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Organmitglied und der Gesellschaft zu dem Zweck, diese Folgen des Anerkenntnisses zu vermeiden, scheiden aktienrechtlich im wesentlichen aus. Zwar kann die Gesellschaft für die Dauer des Deckungsprozesses durch ein vorübergehendes pactum de non pesen, daß er auf das Anerkenntnis keine Deckung schulde. Die damit zusammenhängenden Fragen sind hier aber nicht zu vertiefen. Sie betreffen eine weit über die D&O-Versicherung hinausgehende Problematik des neuen Rechts. S. hierzu Lange, VersR 2006, 1313 ff. 197 Vgl. Langheid, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, § 154 Rn. 18. 198 Langheid, NJW 2007, 374 (3746).

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tendo eine Geltendmachung gegenüber dem Organmitglied zurückstellen; eine solche temporäre Sperrung ist grundsätzlich als mit der Abtretung konkludent vereinbart anzusehen, da der Sinn der Zession darin liegt, die Gesellschaft zunächst an den Versicherer zu verweisen.199 Wegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG kann die Gesellschaft aber grundsätzlich nicht im Gegenzug zu dem Anerkenntnis und Erwerb des Deckungsanspruchs auf den Haftpflichtanspruch gegen das Organmitglied verzichten oder mit diesem ein dauerhaftes pactum de non petendo schließen. 200 Allenfalls in der GmbH wäre ein Anspruchsverzicht gegenüber dem Organmitglied ohne solche Beschränkungen möglich. 201 Desungeachtet kommt ein vollständiger materiellrechtlicher Verzicht auf den Innenhaftungsanspruch ex ante freilich ohnehin nicht in Betracht, weil damit die Grundlage für einen erfolgreichen Deckungsprozeß entfiele. Der Verzicht ist daher vertraglich in jedem Fall dahingehend zu begrenzen, daß er nur gilt, soweit der Versicherte nicht über Versicherungsschutz verfügt.202 Alternativ können Organmitglied und Gesellschaft im Rahmen des gesellschaftsrechtlich Zulässigen auch ein dauerhaftes pactum de non petendo schließen, um Auswirkungen auf das Deckungsverhältnis zu vermeiden, wobei dies, wie soeben dargelegt, im Aktienrecht wegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG grundsätzlich ausscheidet.

(2.) Die Rückabtretung des Deckungsanspruchs an das Organmitglied Eine Rückabtretung des Deckungsanspruchs hilft dem Organmitglied nicht, weil der Versicherer dem Anspruch die Rechtskraft aus dem ersten Deckungsprozeß entgegenhalten würde. Wenn die Gesellschaft die Niederlage im Deckungsprozeß zu vertreten hat, sind allenfalls Schadenersatzansprüche des Versicherten gegen die Gesellschaft denkbar. 203 Diese Möglichkeit ist jedoch eher theoretisch, denn sie setzt ein Verschulden der Gesellschaft in einem Prozeß voraus, den diese in ihrem eigenen Interesse führt. Ihr Verschulden wird sich daher – außer etwa bei offenkundigen Fehlern – selten nachweisen lassen. Der Versicherte kann Rechtsnachteile in einem möglichen Haftpflichtprozeß nach verlorenem Deckungsprozeß durch die Versicherungsnehmerin also nur vermei199

Böttcher, NZG 2008, 645 (649). Grote/Schneider, BB 2007, 2689 (2699); Böttcher, NZG 2008, 645 (649). 201 Zur Möglichkeit eines Anspruchsverzichts in der GmbH s. nur BGH, Urteil v. 7.4.2003 – II ZR 193/02, NZG 2003, 528: „Wie sich aus § 46 Nr. 6, 8 GmbHG ergibt, ist es, solange nicht der Anwendungsbereich des § 43 Abs. 3 GmbHG betroffen ist, Sache der Gesellschafter, darüber zu befinden, ob ein Geschäftsführer wegen etwaiger Pflichtwidrigkeiten zur Rechenschaft gezogen oder ob auf Ansprüche gegen ihn durch Entlastungs- oder Generalbereinigungsbeschluß verzichtet werden soll … . Daß durch den Anspruchsverzicht das Vermögen der Gesellschaft und damit ihr Haftungsfonds im Verhältnis zu ihren Gläubigern geschmälert wird, nimmt das Gesetz hin, soweit nicht der Verzicht auf eine gemäß § 30 GmbHG verbotene Auszahlung an einen Gesellschaftergeschäftsführer hinausläuft … .“ 202 Böttcher, NZG 2008, 645 (650). 203 Ablehnend ohne nähere Begründung indes Grote/Schneider, BB 2007, 2689 (2698). 200

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den, indem er die Abtretung des Freistellungsanspruchs ohne Anerkenntnis des Haftungsgrunds vornimmt.204

(II.) Das Problem einer Abtretung des Deckungsanspruchs an Erfüllungs Statt zur Begrenzung der Risiken der Zession Teilweise schlägt die Literatur vor, daß das Organmitglied den Deckungsanspruch nur an Erfüllungs Statt gem. § 364 BGB übertragen solle, um sich vor dem Risiko eines verlorenen Deckungsprozesses der Gesellschaft bei gleichzeitigem Fortbestand der Innenhaftung zu schützen.205 Dieser Ansatz wirft aber versicherungsvertrags- und aktienrechtliche Fragen auf. Zunächst könnte eine solche Abtretung des Deckungsanspruchs bereits mit einem versicherungsvertraglichen Befriedigungsverbot kollidieren, sofern ein solches in den AVB enthalten ist. Denn die Abtretung an Erfüllungs Statt würde eine Befriedigung im Verhältnis zur Gesellschaft bewirken. Wie soeben untersucht wurde, sind entsprechende vertragliche Befriedigungsverbote seit der VVG-Novelle aber gem. § 105 VVG unwirksam. Unter diesem Gesichtspunkt spricht also nichts gegen eine Abtretung des Deckungsanspruchs an Erfüllung Statt. Klärungsbedürftig ist jedoch, inwieweit ihr aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG206 folgende aktienrechtlichen Einwände entgegenstehen. Problematisch ist hierbei, daß der Deckungsanspruch über den Haftpflichtanspruch hinausgehenden versicherungsvertragsrechtlichen Einschränkungen unterliegt, wie dem Ausschluß für vorsätzliches bzw. wissentliches Verhalten 207 oder verschiedenen sachlichen Deckungsausschlüssen. 208 Die Gesellschaft tauscht daher ggf. einen begründeten Innenhaftungsanspruch gegen einen unbegründeten Deckungsanspruch, was dem Gesellschaftsinteresse zuwiderliefe, das bei der Prüfung und Durchsetzung der Innenhaftungsansprüche gegen die Organmitglieder maßgeblich ist. 209 Verfügt die Gesellschaft über den Anspruch nach § 93 Abs. 2 AktG, muß sie dafür folglich eine angemessene Gegenleistung erhalten.210 Die Abtretung an Erfüllungs Statt zielt jedoch gerade darauf ab, eine Inanspruchnahme aus dem Innenhaftungsanspruch für den Fall auszuschließen, daß die Deckungsklage der Gesellschaft aus abgetretenem Recht keinen oder jedenfalls keinen vollen 204

Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (167). Langheid/Goergen, VP 2007, 161 (167). 206 Das hier zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Gesagte gilt über § 116 S. 1 AktG für den Aufsichtsrat sinngemäß. Über Art. 51 SE-VO, §§ 39, 40 Abs. 8 SEAG gilt § 93 AktG auch für die SE. 207 Dazu im einzelnen unter Teil G. III. 208 Dazu im einzelnen unter Teil G. II. und XI. 209 BGH, Urteil v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 245 (252) – ARAG. 210 Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770 (772); Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rn. 344; Spindler, Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 Rn. 233; Hopt, in: Großkommentar AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 Rn. 377; Eine „vollwertige“ Gegenleistung verlangen Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 53, wobei in der Sache wohl kein Unterschied zu den vorgenannten Meinungen besteht. 205

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Erfolg hat und mithin auf eine Einschränkung der Rechte der Gesellschaft aus § 93 Abs. 2 AktG gegenüber dem Organmitglied. In diesem Fall erlangt die Gesellschaft also mit einem wertlosen Deckungsanspruch keine angemessene Gegenleistung für den Verlust des vollwertigen Haftpflichtanspruchs gegen das Organmitglied. Was die Rechtsfolgen einer solchen Verfügung über den Innenhaftungsanspruch gegen eine nicht angemessene Gegenleistung anbelangt, kann der Sache nach auf die Untersuchungsergebnisse zur Abtretung des Innenhaftungsanspruchs in Teil B verwiesen werden. 211 Freilich kann nicht jede Abtretung des Deckungsanspruchs, die an Erfüllungs Statt erfolgt, als nicht angemessene Gegenleistung für den Verlust des Innenhaftungsanspruchs angesehen werden. Die Angemessenheit hängt vielmehr davon ab, ob der Deckungsanspruch begründet ist oder nicht. Sofern keine Deckungsausschlüsse greifen und der Schaden die Deckungssumme nicht überschreitet, ist die Abtretung an Erfüllungs Statt daher wirksam.

dd) Die Abdingbarkeit der §§ 105, 108 Abs. 2 VVG bei Großrisiken Hinsichtlich der Versicherung von Großrisiken gelten die Beschränkungen der Vertragsfreiheit nach dem VVG, d.h. auch die §§ 105, 108 Abs. 2 VVG, nach § 210 VVG i.V.m. Art. 10 EGVVG nicht. Art. 10 EGVVG definiert das Großrisiko. Die D&O-Versicherung fällt nach Art. 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 EGVVG i.V.m. Anlageteil A Nr. 13 zum VAG darunter, wenn die Versicherungsnehmerin zwei der dort genannten drei Merkmale erfüllt, d.h. eine Bilanzsumme von EUR 6.200.000, Nettoumsatzerlöse von EUR 12.800.000 bzw. im Durchschnitt des Wirtschaftsjahrs 250 Arbeitnehmer hat. Angesichts dieser Größenmerkmale bleibt es für die Vielzahl mittelständischer Unternehmen bei der Geltung der §§ 105, 108 VVG. Was die übrigen Versicherungsnehmer anbelangt, die unter § 210 VVG, Art. 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 EGVVG fallen, ergeben sich folgende Besonderheiten: Soll in die AVB ein Anerkenntnis- und Abtretungsverbot aufgenommen werden, müssen die Voraussetzungen für ein Großrisiko i.S.v. Art. 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 EGVVG nicht nur bei Vertragsschluß, sondern auch bei jeder Vertragsverlängerung gegeben sein. Außerdem unterliegen die AVB trotz der versicherungsvertragsrechtlichen Ausnahmeregelung über § 210 VVG der AGB-Kontrolle. Soll das Anerkenntnis- und Abtretungsverbot im Sinn der Rechtslage nach dem alten VVG fortgeführt werden, ist dies daher an § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB 211 Dort unter II. 1. b). Zwar geht es im vorliegenden Zusammenhang nicht um die Abtretung des Haftpflichtanspruchs durch die Gesellschaft, sondern um die Abtretung des Deckungsanspruchs durch das Organmitglied an die Gesellschaft. Sofern diese Abtretung aber an Erfüllungs Statt erfolgt, hat sie insofern dieselben Wirkungen, als in beiden Fällen die Gesellschaft ihren Innenhaftungsanspruch gegen das Organmitglied verliert.

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zu messen. Gegen eine solche Klausel ist jedoch AGB-rechtlich nichts einzuwenden. Denn sie verletzt keine Prinzipien, die zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen betreffend den Haftpflichtversicherungsvertrag gehören. 212 Vielmehr sichert das Abtretungsverbot gerade das für die Haftpflichtversicherung typische Trennungsprinzip.

ee) Die zu den §§ 105, 108 Abs. 2 VVG geltenden Übergangsregelungen Die §§ 105, 108 Abs. 2 VVG sind aufgrund der VVG-Novelle mit Wirkung zum 1. Januar 2008 in Kraft getreten. Hinsichtlich Altverträgen, d.h. solchen, die bis zum 31. Dezember 2007 geschlossen wurden, gilt gem. Art. 1 Abs. 2 EGVVG das alte VVG, sofern der Versicherungsfall bis zum 31. Dezember 2008 eingetreten ist.213 In dieser Konstellation gilt es auch über den 31. Dezember 2008 hinaus. Wenn hingegen der Versicherungsfall bis zum 31. Dezember 2008 nicht eingetreten ist, endet die Übergangsfrist, und es gilt ab 1. Januar 2009 auch insoweit das novellierte VVG. Das neue VVG ist ohne Einschränkungen anwendbar auf Verträge, die ab dem 1. Januar 2008 geschlossen werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Verlängerung eines bestehenden Versicherungsvertrags als Neuvornahme gilt. Der Versicherer kann gem. Art. 1 Abs. 3 EGVVG bis zum 1. Januar 2009 seine AVB für Altverträge mit Wirkung zum 1. Januar 2009 ändern, soweit diese von Vorschriften des novellierten VVG abweichen und er dem Versicherungsnehmer die geänderten Versicherungsbedingungen unter Kenntlichmachung der Unterschiede spätestens einen Monat vor diesem Zeitpunkt in Textform mitteilt. 214

f) Die Prozeßführungsbefugnis im Haftpflichtprozeß Sofern keine Abtretung des Deckungsanspruchs stattfindet – was angesichts der damit verbundenen Risiken für den Versicherten wohl auch nach der VVG-Novelle den Regelfall darstellen wird –, gelten hinsichtlich der Prozeßführungsbefugnis weiterhin die auch vor Inkrafttreten des VVG 2008 relevanten Maßgaben. Die AVB übertragen insoweit grundsätzlich dem Versicherer das Recht, den Haftungsprozeß für den Versicherten zu führen, wie dies auch Ziff. 4.5 Abs. 2 AVB-AVG vorsieht. 215 Die Regelung ist vor dem Hintergrund zu betrachten, daß die Leistungspflicht des Versicherers wegen der aus dem Trennungsprinzip 212

So auch Grote/Schneider, BB 2007, 2689 (2697). Zu den Übergangsregelungen siehe auch Langheid/Goergen, VP 2007, 161; Grote/ Schneider, BB 2007, 2689 (2701). 214 Vgl. dazu z.B. Fitzau, VW 2008, 448 f.; Honsel, VW 2008, 480. 215 Stand Januar 2008: „Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit über Schadenersatzansprüche gegen versicherte Personen, ist der Versicherer zur Prozessführung bevollmächtigt. Er führt den Rechtsstreit im Namen der versicherten Personen.“ 213

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folgenden Bindungswirkung des Haftpflichturteils auch von dem Ausgang des Haftpflichtprozesses abhängt. 216 In einigen AVB wird den Versicherten aber das Recht eingeräumt, den Anwalt zu wählen, vorbehaltlich einer Widerspruchsmöglichkeit des Versicherers. 217 Gem. § 101 Abs. 1 S. 2 VVG (§ 150 Abs. 1 S. 2 VVG alt) umfaßt die Versicherung die auf Weisung des Versicherers aufgewandten Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das wegen einer Tat eingeleitet wurde, welche die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnte. Es ist im D&O-Bereich für den Versicherer regelmäßig zweckmäßig, sich an der Verteidigung in eventuellen Strafverfahren zu beteiligen, um zu verhindern, daß die dort getroffenen Feststellungen sich auf die Erfolgsaussichten der Verteidigung im Haftpflichtprozeß zu Lasten des Versicherten auswirken. 218 Davon zu trennen ist die Frage, inwieweit für das Organmitglied neben der D&O-Police der Abschluß einer separaten Strafrechtsschutzversicherung sinnvoll sein kann. 219

g) Die Verfügungs- und die Prozeßführungsbefugnis hinsichtlich des Deckungsanspruchs aa) Die vertraglich vereinbarte Verfügungsund Prozeßführungsbefugnis des Versicherten Die Prozeßführungsbefugnis für den Deckungsanspruch liegt gem. §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG (§§ 75 Abs. 2, 76 Abs. 1 VVG alt) auch ohne Abtretung bei der Versicherungsnehmerin.220 Zwar ist § 44 Abs. 1 VVG (§ 75 Abs. 1 VVG alt) nicht abdingbar, der den Deckungsanspruch in der Fremdversicherung dem Versicherten zuschreibt.221 Die Verfügungs- und Prozeßführungsbefugnis des Versicherungsnehmers nach §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG (§§ 75 Abs. 2, 76 Abs. 1 VVG alt) kann aber vertraglich dahingehend modifiziert werden, daß den versicherten Personen diese Rechte zustehen, sofern es nicht um die Ansprüche der Versicherungsnehmerin aufgrund einer company reimbursement-Klausel geht. 222 So sieht es auch Ziff. 10.1 AVB-AVG vor, der anordnet daß die „Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag… ausschließlich

216

Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 172 f. Vgl. die Nachweise bei Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 173. 218 Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 173. 219 Dazu im einzelnen Teil J. II. 1. 220 Vgl. LG Marburg, Urteil v. 3.6.2004 – 4 O 2/03, DB 2005, 437 (438); LG München I, Urteil v. 30.3.2004 – 23 O 8879/03, VersR 2005, 543 (544). 221 Lange, VersR 2007, 893 (894). 222 LG München I, Urteil v. 30.3.2004 – 23 O 8879/03, VersR 2005, 543 (544); Dreher, DB 2005, 1669 (1674); Lange, VersR 2007, 893 (894 f.); Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1170). 217

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den versicherten Personen“ zusteht. 223 Üblicherweise treffen die D&O-AVB zu dieser Frage eine Aussage. 224 In den meisten Bedingungswerken ist mittlerweile die Verfügungs- und Prozeßführungsbefugnis des Versicherten im Sinn der AVB-AVG vereinbart.225 AGB-rechtlich ist eine solche Übertragung der Verfügungs- und Prozeßführungsbefugnis jedenfalls nicht zu beanstanden. Eine unangemessene Benachteiligung der Versicherungsnehmerin oder versicherten Person i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wird nicht bewirkt, weil für keine der beiden ein greifbarer Rechtsnachteil im Verhältnis zum Versicherer eintritt. Die §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG (§§ 75 Abs. 2, 76 Abs. 1 VVG alt) bezwecken den Schutz des Versicherers, so daß Abweichungen von ihnen bereits strukturell nicht zu einer Benachteiligung der Vertragspartner des Verwenders führen. 226

bb) Die parallele Verfügungs- und Prozeßführungsbefugnis von Versicherungsnehmerin und Versichertem Teilweise wird in den AVB geregelt, daß sowohl der Versicherte als auch die Versicherungsnehmerin zur Geltendmachung des Deckungsanspruchs berechtigt sein sollen. 227 Auch eine solche Klausel ist versicherungsrechtlich und gemäß den oben angestellten Erwägungen nach § 307 BGB zulässig.228 Die doppelte Rechtszuständigkeit kann allerdings zu kollidierenden Zahlungsklagen und der Frage führen, welches Rechtsverhältnis sich hierbei durchsetzt. Der BGH hat die Lösung bislang offengelassen. 229 Nach Meinung des LG Bonn soll das Verfügungsrecht im Versicherungsfall ausschließlich dem Versicherten zustehen, weil es andernfalls zu Unklarheiten über die Rechtszuständigkeit kommen könne. 230 Der Versicherungsnehmer könne nur vor Eintritt des Versiche223

Stand Januar 2008. Vgl. Lange, VersR 2007, 893 (894). 225 Lange, VersR 2007, 893 (894); Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 57; siehe auch Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1171); Koch, GmbHR 2004, 18 (27). 226 So auch Lange, VersR 2007, 893 (895). 227 Lange, VersR 2007, 893 (895). 228 Lange, VersR 2007, 893 (895). 229 BGH, Urteil v. 10.1.1966 – II ZR 185/63, VersR 1966, 230 (232); BGH, Urteil v. 26.10.1967 – II ZR 6/65, VersR 1967, 1169 (1170). 230 LG Bonn, Urteil v. 28.1.1955 – 5 S 284/54, NJW 1955, 1034 f.: „Der Wortlaut des § 10 Abs. 2 AKHB könnte vielmehr zu der Annahme verleiten, daß Versicherungsnehmer und Versicherter nebeneinander über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag verfügen können und die Anwendbarkeit zwar des § 75 Abs. 2 VVG, nicht aber die des § 76 VVG ausgeschlossen sein sollte. Eine solche Auslegung würde jedoch dem Sinn dieser Vorschrift nicht gerecht; denn bei einem vertraglichen Ausschluß des § 75 Abs. 2 VVG ohne gleichzeitigen Ausschluß des § 76 VVG wären Versicherter und Versicherungsnehmer nebeneinander aus dem Versicherungsvertrag forderungsberechtigt. Hieraus müßten sich zwangsläufig Schwierigkeiten für den Versicherer ergeben. Denn die Bekl. als Versicherer, die die internen Rechtsbeziehungen zwischen der Kl. als Versicherungsnehmerin und ihrem Kraftfahrer K. als Versicherten nicht 224

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rungsfalls über den Versicherungsvertrag verfügen.231 Diese Ansicht überzeugt jedoch nicht. Es ist ohne weiteres möglich, daß der Versicherungsnehmerin kraft Gesetzes und dem Versicherten kraft vertraglicher Regelung die Prozeßführungsbefugnis parallel zusteht.232 Die Verfügungs- und Prozeßführungsbefugnis der Versicherungsnehmerin ist dann lediglich insoweit eingeschränkt, als diese keine Verfügungen treffen darf, die bereits entstandene Rechte des Versicherten aus dem Versicherungsvertrag beeinträchtigen. 233 Daher kann die Versicherungsnehmerin den Deckungsanspruch auf Leistung an den Versicherten nur geltend machen, solange keine gegenteilige Verfügung des Versicherten vorliegt. 234 Dieser Grundsatz muß auch bei paralleler Verfügungsbefugnis in der D&O-Fremdversicherung gelten.235

cc) Die ausschließliche Prozeßführungsbefugnis der Versicherungsnehmerin Sofern keine der oben beschriebenen vertraglichen Regelungen hinsichtlich der Prozeßführungsbefugnis getroffen wurde, liegt diese also nach §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG (§§ 75 Abs. 2, 76 Abs. 1 VVG alt) ausschließlich bei der Versicherungsnehmerin. Vereinbarungen über die ausschließliche Prozeßführungsbefugnis der Versicherungsnehmerin haben daher nur deklaratorische Bedeutung und sind ohnehin selten. 236 Die Prozeßführungsbefugnis der Versicherungsnehmerin ändert freilich nichts am Anspruchsinhalt. Es besteht also – vorbehaltlich einer vertraglichen Abbedingung des Trennungsprinzips oder Abtretung des Deckungsanspruchs – keine Möglichkeit einer Direktklage der Gesellschaft gegen den Versicherer. kennt, wäre bei einander widersprechenden Verfügungen des Versicherungsnehmers und des Versicherten nicht in der Lage, zu entscheiden, wer von beiden im Innenverhältnis zur Entscheidung berechtigt ist. Der Versicherer soll daher durch die Vorschrift des § 10 Abs. 2 AKHB davor geschützt werden, nicht mit verschiedenen Personen verhandeln zu müssen, deren interne Rechtsbeziehungen er nicht kennt. Infolgedessen kann die Vorschrift des § 10 Abs. 2 AKHB nur so aufgefaßt werden, daß die Kl. in ihrer Eigenschaft als Versicherungsnehmerin und Vertragskontrahentin der Bekl. zwar über den Versicherungsvertrag als solchen immer nur allein verfügen kann; sie allein kann den Vertrag kündigen, verlängern, anfechten, erweitern oder vom Vertrage zurücktreten. Sobald jedoch ein konkreter Versicherungsfall eintritt und aus diesem Ansprüche erwachsen, geht das Verfügungsrecht in der Haftpflichtversicherung insoweit nach § 10 Abs. 2 AKHB allein auf den Versicherten über (vgl. Prölss, VVG § 10 AKHB Anm. 4; ders., § 76 VVG Anm. 2; Stiefel-Wussow, a.a.O. § 3 Anm. 15).“ 231 LG Bonn, Urteil v. 28.1.1955 – 5 S 284/54, NJW 1955, 1034 f. 232 LG Köln, Urteil v. 23.11.1961 – 8 O 73/61 – VersR 1962, 751; LG Hildesheim, Urteil v. 13.10.1959 – 6 O 222/58, VersR 1959, 990 f. 233 Hübsch, in: Berliner Kommentar VVG, 1999, § 75 Rn. 21. 234 So OGH, Entscheidung v. 6.10.1959 – 3 Ob 272/59, VersR 1960, 191 (192) m. zust. Anm. Wahle; Hübsch, in: Berliner Kommentar VVG, 1999, § 75 Rn. 21. 235 Hübsch, in: Berliner Kommentar VVG, 1999, § 75 Rn. 21; Lange, VersR 2007, 893 (895). 236 Lange, VersR 2007, 893 (895).

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dd) Die Möglichkeit der Übertragung der gesetzlichen Prozeßführungsbefugnis nach § 45 Abs. 1 VVG (§ 76 Abs. 1 VVG alt) auf Konzernunternehmen Abschließend ist zu klären, ob es möglich ist, die Prozeßführungsbefugnis der Versicherungsnehmerin nach §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG (§§ 75 Abs. 2, 76 Abs. 1 VVG alt) auf eine andere Konzerngesellschaft zu übertragen. Dafür kann ein sachliches Bedürfnis bestehen, wenn eine Konzernpolice vorliegt und der Schaden bei einem Organmitglied einer Tochtergesellschaft der Versicherungsnehmerin eingetreten ist. 237 Schon das RG hat jedoch – unabhängig von der Konzernfrage – geurteilt, daß die Verfügungsbefugnis des Versicherungsnehmers nicht übertragbar sei, und meinte wörtlich 238: „Nach § 75 Abs. 1 (VVG) stehen bei der Versicherung für fremde Rechnung die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten – nicht dem Versicherungsnehmer – zu. Der Versicherte erwirbt sie unmittelbar i.S.d. § 328 Abs. 1 BGB. Demnach ist für eine Abtretung dieser Rechte an ihn von Seiten des VN kein Raum (…). Auch das durch § 76 Abs. 1 VVG dem Versicherungsnehmer beigelegte Recht, über die dem Versicherten aus dem Versicherungsvertrag zustehenden Rechte im eigenen Namen zu verfügen, kann in dieser Hinsicht nicht in Betracht kommen. Hier handelt es sich um eine mit der Person des Versicherungsnehmers untrennbar verbundene Befugnis von besonderer Art, die nicht als pfändbar und somit nach dem Grundsatz des § 400 BGB auch nicht als abtretbar gelten kann (…).“239 Diese Begründung trägt indes nicht, wenn die betreffende Gesellschaft über eine Konzernpolice in den Schutzbereich der D&O-Versicherung einbezogen ist. 240 Denn eine Untrennbarkeit der Verbindung mit der Versicherungsnehmerin kann nicht mehr angenommen werden, wenn nicht nur die Organmitglieder der Versicherungsnehmerin, sondern auch diejenigen ihrer Tochtergesellschaften versichert sind. Da die D&O-Versicherung dem primären Interesse der den Innenhaftungsanspruch geltend machenden Gesellschaft dient, 241 soll die Versicherungsleistung nach dem wirtschaftlichen Zweck der Versicherung auch ihrem Vermögen zufließen. Sie kann daher ein legitimes Interesse daran vorweisen, den Deckungsanspruch selbst geltend zu machen, ohne daß dadurch freilich das Trennungsprinzip beseitigt würde. Die prozeßführungsbefugte Konzerntochter kann daher nicht ihren Haftpflichtanspruch direkt gegen den Versicherer geltend machen. 242 Eine Ermächtigung zur Geltendmachung des Deckungsanspruch scheidet im übrigen aus, wenn diesbezüglich ein 237 238 239 240 241 242

Vgl. Säcker, VersR 2005, 10 (11 f.). RG, Urteil v. 14.11.1930 – VII 94/30, RGZ 130, 237 (241 f.). Klammerzus. durch Verf. Säcker, VersR 2005, 10 (11 f.). Dazu Teil F. II. 1. b) (III.) (2.). Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1172).

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

wirksames Abtretungsverbot 243 vereinbart wurde, welches andernfalls umgangen würde. 244 Ein individualvertraglich vereinbartes Abtretungsverbot schließt seinem Sinngehalt zufolge auch die wirksame Erteilung einer Einziehungsermächtigung aus. 245

h) Der Prozeß gegen Versicherungskonsortien aa) Die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen der Mitversicherung D&O-Versicherungsverträge übersteigen wegen der hohen Deckungssummen oft die Zeichnungskraft eines einzelnen Versicherers. Das Risiko bedarf daher einer Aufteilung zwischen mehreren Versicherern. 246 Ab einer Bilanzsumme von EUR 500 Mio. sind regelmäßig mehrere Versicherer beteiligt. 247 Es gibt hierfür drei rechtliche Möglichkeiten, nämlich die Rückversicherung, den Versicherungspool und die mehrfache Versicherung. Letztere stellt in ihrer Spielart der Mitversicherung die gleichsam klassische Form der Risikoteilung zwischen Versicherern dar.248 Für die besonders großen D&O-Risiken hat die Mitversicherung 249 eine 243 Was nach § 108 Abs. 2 VVG – außer bei Großrisiken – nur noch individualvertraglich möglich ist, Teil I. II. 1. d) sowie Teil I. II. 1. e) dd). 244 LG Köln, Urteil v. 5.6.2007 – 85 O 177/05 bestätigt durch OLG Köln, Urteil v. 2.9.2008 – 9 U 151/07, VersR 2008, 1673; LG München I, Urteil v. 30.3.2004 – 23 O 8879/03, VersR 2005, 543 (544). 245 LG München I, Urteil v. 30.3.2004 – 23 O 8879/03, VersR 2005, 543 (545). 246 Zur Risikoaufteilung allgemein Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. 1980 § 58 Anm. 3; Voigt VW 1972, 1514; zu den wirtschaftlichen Hintergründen vgl. auch Kreiling, Versicherungsgemeinschaften im europäischen Kartellrecht, 1999, S. 8. 247 Ihlas, VW 2007, 660 (661). 248 Dreher/Lange, VersR 2005, 717. 249 Die deutsche lex lata enthält keine spezifischen gesetzlichen Regelungen über die Mitversicherung und auch keine Legaldefinition. Vielmehr hat der Gesetzgeber die Begriffsbildung folglich der Rechtsprechung, der Rechtswissenschaft und der Versicherungspraxis überlassen; daran hat sich auch durch die VVG-Novelle nichts geändert, s. hierzu Abschlußbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 19. April 2004 – H. 25 der VersR-Schriftenreihe. Lediglich Art. 2 Abs. 1 der EG-Mitversicherungsrichtlinie von 1978 (Richtlinie 78/476/EWG des Rates vom 30.5.1978, ABl. EG 1978 Nr. L 151/25; zu deren Inhalt ausführlich Levie, ZVersWiss 1978, 341; Jenssen, Die europäische Mitversicherung, 1990 S. 38 ff.; Braumüller, Versicherungsaufsichtsrecht, 1999, S. 22, 66, 75 ff.; Basedow/Fock, Europäisches Versicherungsvertragsrecht, 2002, S. 209 f.) und Art. 1 Ziff. 4 der GVO-Versicherungswirtschaft (Verordnung 267/2010 EU der Kommission vom 30.3.2010, ABl. EU 2010 Nr. L 83/1) enthalten – nicht abschließende und nicht allgemeinverbindliche – Definitionen des Begriffs (zu beiden Regelungen Dreher/Lange, VersR 2005, 717). Gemeinhin wird zwischen der sog. verdeckten und der offenen Mitversicherung differenziert. Die sog. offene Mitversicherung betrifft den Fall, daß sich mehrere Versicherer einverständlich an der Deckung desselben Risikos beteiligen, wobei der Versicherungsnehmer mit jedem einzelnen Versicherer rechtlich selbständige, inhaltlich aber voneinander abhängige Verträge schließt. Die einzelnen Versicherer übernehmen jeweils einen Teil des Risikos als Haftungsquote gegen einen dementsprechenden Prämienanteil. Die sog. offene Mitversicherung ist bei großen Risiken häufig und daher für die D&O-Versicherung relevant. Das einverständliche Zusammenwirken unter-

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erhebliche Bedeutung. 250 Die Deckungssumme wird dabei vielfach zusätzlich in mehrere layer geteilt, die jeweils von einer Gruppe von Versicherern übernommen werden. In der Mitversicherung übernehmen die Versicherer das Risiko anteilig als Teilschuldner nach § 420 BGB, haften also nicht als Gesamtschuldner. 251 Der Versicherungsnehmer schließt mit jedem Konsorten einen rechtlich selbständigen Vertrag ab. 252 Grundsätzlich sind diese Verträge einheitlich ausgestaltet und formal in einer Mitversicherungsvertragsurkunde253 als sog. gebündelte Verträge zusammengefaßt. 254 scheidet die Mitversicherung von der Nebenversicherung und wird durch die Dokumentation der Mitversicherungsverträge in einem einzigen Versicherungsschein sowie in der für das Vorliegen einer Mitversicherung konstitutiven Einheitlichkeit der Prämie und der Versicherungsbedingungen, die den einzelnen Versicherungsverträgen zugrunde liegen, verdeutlicht. Bei der sog. verdeckten Mitversicherung schließt der Verssicherungsnehmer lediglich einen Versicherungsvertrag. Der Versicherer wiederum trifft seinerseits weitere Vereinbarungen mit anderen Versicherern und teilt mit diesen die Prämie und das Risiko auf, so daß es sich konstruktiv um eine Art Rückversicherung handelt, vgl. Römer, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, § 58 Rn. 5. Die sog. verdeckte Mitversicherung bewirkt also nur eine Risikoteilung auf sekundärer Ebene, da die übrigen Versicherer in keinerlei Vertragsbeziehung zum Versicherungsnehmer stehen. Deshalb fehlt es bei der sekundären Risikoteilung an der Unmittelbarkeit der vertraglichen Beziehungen aller beteiligten Versicherer zu dem Versicherungsnehmer. Diese Unmittelbarkeit der vertraglichen Beziehungen ist für die Mitversicherung als Instrument der Risikoteilung auf primärer Ebene aber gerade charakteristisch, so daß der Begriff der verdeckten Mitversicherung abzulehnen ist. Soweit im folgenden von der Mitversicherung gehandelt wird, meint dies somit die Form der auch als „offen“ bezeichneten Mitversicherung. 250 Vgl. OLG Köln, Urteil v. 2.9.2008 – 9 U 151/07, VersR 2008, 1673 zu LG Köln, Urteil v. 5.6.2007 – 85 O 177/05; Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Vor § 58 Rn. 2; Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1172); Säcker, VersR 2005, 10 (12); Kretschmer, VersR 2008, 33 ff. 251 Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Vor § 58 Rn. 3. 252 OLG Bremen, Urteil v. 13.1.1994 – 2 U 104/93, VersR 1994, 709; Kollhosser, in: Prölss/ Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Vor § 58 Rn. 3. 253 Trotz dieser formalen Bündelung der Verträge ist mit der herrschenden Einzelvertragstheorie davon auszugehen, daß in Ermangelung einer entgegenstehenden Vereinbarung nicht ein einheitlicher Mitversicherungsvertrag vorliegt, sondern so viele einzelne Verträge, wie Versicherer an der Mitversicherung beteiligt sind, Dreher/Lange, VersR 2005, 717 ff.; Römer, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, § 58 Rn. 5; Armbrüster, in: Beckmann/ MatuscheBeckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 6 Rn. 41; Basedow/Fock, Europäisches Versicherungsvertragsrecht, 2002, S. 115, 427; Jenssen, Die europäische Mitversicherung, 1990 S. 28; Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Vorbem. zu § 58 Rn. 3, vgl. auch BGH, Urteil v. 12.05.1954 – II ZR 164/53, BGHZ 13, 259 (264) = VersR 1954, 283 (284) und OLG Bremen, Urteil v. 13.01.1994 – 2 U 104/93, VersR 1994, 709 (710). Einige Stimmen gehen von völlig unabhängigen Einzelverträgen aus, Hübener, Die Führungsklausel in der Mitversicherung, 1954, S. 33 f., Schimikowski, Versicherungsvertragsrecht, 4. Aufl. 2008, Rn. 330, Schulze Schwienhorst, Die kartellrechtlichen Rahmenbedingungen der „Mitversicherung im Einzelfall“, in: Festschrift für Kollhosser, 2004, Bd. I S. 329 (332); Honsel, Neue wettbewerbsrechtliche Rahmenbedingungen für die Versicherungswirtschaft, in: Festschrift für Kollhosser (a.a.O.) Bd. I, S. 165 (168). Diese Betrachtung ist aber im Hinblick auf die notwendige Abgrenzung der Mitversicherung von der Nebenversicherung abzulehnen, vgl. Dreher/Lange, VersR 2005, 717 ff.

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Damit stellt sich auf Seiten der Versicherer die Frage des Vertragshandling und der Passivlegitimation. In einem Führungsvertrag mit dem Versicherungsnehmer erteilen die Mitversicherer – gleich ob es sich um eine Mitversicherung im Einzelfall, auch als ad hoc-Mitversicherung bezeichnet, oder um eine Mitversicherungsgemeinschaft handelt 255 – einem von ihnen, dem Führenden, den Auftrag, die Vertragsdurchführung zu übernehmen. 256,257 In einer darin enthaltenen Führungsklausel wird dieser entsprechend bevollmächtigt. 258 Führender ist typischerweise, aber nicht notwendig, ein an der Mitversicherung beteiligter Versicherer – oft derjenige mit dem größten Risikoanteil. 259 Die Reichweite der Führungsklausel kann unterschiedlich ausfallen, 260 sich auf die Vertragsdurchführung beschränken, aber auch auf die Prozeßführung erstrecken und dem Führenden aktive und passive Prozeßführungsbefugnis einräumen.261

254 Zu den Einzelheiten s. Lange/Dreher, VersR 2008, 289 ff.; Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Vor § 58 Rn. 3. 255 Zur Abgrenzung beider Erscheinungsformen der Mitversicherung ausführlich Dreher/ Lange, VersR 2005, 717 (719) m.w.N. und sub specie des Kartellrechts Dreher, in: Festschrift für Egon Lorenz zum 70. Geburtstag 2005, S. 211 ff. sowie Kreiling, Versicherungsgemeinschaften im europäischen Kartellrecht, 1999 S. 12 ff.; vgl. auch Dreher/Kling, Kartell- und Wettbewerbsrecht der Versicherungsunternehmen, 2007, 1. Teil Rn. 223 ff. 256 Lange/Dreher, VersR 2008, 289 ff.; Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Vor § 58 Rn. 4. 257 Da die Rechtsbeziehungen der Beteiligten im Außenverhältnis bei der Einzelmitversicherung und der Mitversicherungsgemeinschaft nahezu identisch sind, ist es nicht erforderlich, im Rahmen der Untersuchung der vertraglichen Verhältnisse zwischen den Mitversicherern und dem Versicherungsnehmer bzw. Versicherten sowie den sich daraus ergebenden versicherungsvertragsrechtlichen Besonderheiten zwischen beiden Formen zu differenzieren, Dreher/Lange, VersR 2005, 717 ff. 258 LG Köln, Urteil v. 5.6.2007 – 85 O 177/05 dazu OLG Köln, Urteil v. 2.9.2008 – 9 U 151/07, VersR 2008, 1673; Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1172); Säcker, VersR 2005, 10 (12); Kretschmer, VersR 2008, 33 ff. 259 Zur Möglichkeit, auch eine Verwaltungsgesellschaft oder einen Versicherungsvermittler mit Führungsaufgaben zu betrauen s. Schaloske, Das Recht der so genannten offenen Mitversicherung, 2007, S. 158 ff. 260 Zu den einzelnen Gestaltungsmöglichkeiten s. Lange/Dreher, VersR 2008, 289 (290 ff.); Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Vor § 58 Rn. 7 ff. 261 LG Köln, Urteil v. 5.6.2007 – 85 O 177/05, dazu OLG Köln, Urteil v. 2.9.2008 – 9 U 151/07, VersR 2008, 1673; Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1172); Säcker, VersR 2005, 10 (12); Kretschmer, VersR 2008, 33 ff.; Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Vor § 58 Rn. 4, 6.

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bb) Die möglichen Inhalte von Führungsklauseln (I.) Das pactum de non petendo und das Anerkenntnis Neben der Vereinbarung einer bloßen Empfangsvollmacht mit dem Führenden 262 oder einer Erklärungsvollmacht263, die im Weg der Auslegung a maiore ad minus die Empfangsvollmacht regelmäßig enthält, 264 kommt als ergänzendes Element265 einer Führungsklausel eine Regelung in Betracht, wonach sich der Versicherungsnehmer/die versicherte Person dazu verpflichtet, seine Ansprüche nur gegen den Führenden geltend zu machen und die übrigen Mitversicherten eine gegen diesen ergangene rechtskräftige Entscheidung für sich als rechtsverbindlich anerkennen. 266 Diese sog. Tatbestandswirkung267 stellt auf Seiten des Versicherungsnehmers ein pactum de non petendo268 gegenüber den nicht führenden Mitversicherern dar und auf Seiten dieser ein bedingtes schuldrechtliches Anerkenntnis eines rechtskräftigen Urteils gegenüber dem Führenden. Eine Klage gegen die nicht führenden Mitversicherer ist folglich wegen der Stillhaltezusage unzulässig, da die Klagbarkeit des Anspruchs und mithin eine allgemeine Prozeßvoraussetzung fehlt.269 Hat der Versicherungsnehmer/die versicherte Person gegenüber dem Führenden rechtskräftig ob262 Die Einräumung einer reinen Empfangsvollmacht kommt als sog. Anzeigenklausel insbesondere in Mitversicherungen in Betracht, in denen ein flexibles und schnelles Agieren des Führenden wichtig ist, Lange/Dreher, VersR 2008, 289 (291). 263 Vgl. Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Vor § 58 Rn. 8. Die Einräumung aktiver Vertretungsmacht wird als Anschlußklausel bezeichnet, Lange/Dreher, VersR 2008, 289 (291). 264 Lange/Dreher, VersR 2008, 289 (291); Dreher/Lange, VersR 2005, 717 (724 Fn. 61) unter Verweis auf Möller, in: Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl. 1980, § 58 Anm. 69; nunmehr auch Schaloske, Das Recht der so genannten offenen Mitversicherung, 2007, S. 188. 265 Diese Regelungen sind rechtlich voneinander getrennte Bestandteile der Führungsklausel, Lange/Dreher, VersR 2008, 289 (292). 266 Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1173); s. das Formulierungsbeispiel bei Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Vor § 58 Rn. 9: „(1) Der VN wird bei Streitfällen aus diesem Vertrag seine Ansprüche nur gegen den führenden Versicherer und nur wegen dessen Anteil gerichtlich geltend machen. (2) Die an der Versicherung mitbeteiligten Versicherer erkennen die gegen den führenden Versicherer rechtskräftig gewordene Entscheidung gegenüber dem VN als auch für sie verbindlich an.“ 267 Dazu Lange/Dreher, VersR 2008, 289 (292); Dreher/Lange, VersR 2005, 717 (725); Beispiele für Tatbestandswirkungsklauseln finden sich bei Schaloske, Das Recht der so genannten offenen Mitversicherung, 2007, S. 200; vgl. zu der vereinbarten Tatbestandswirkung und dem damit verknüpften pactum de non petendo auch ausführlich Möller, in: Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl. 1980, § 58 Anm. 68. 268 Freilich kann eine Tatbestandswirkungsklausel auch ohne pactum de non petendo vereinbart werden; es bleiben dann die einzelnen Versicherer neben dem Führenden passivlegitimiert, Lange/Dreher, VersR 2008, 289 (292); wie hier auch Pörnbacher/Gädtke PHi 2007, 192 (194 f.); zu der Auslegung derartiger Klauseln ausführlich Kretschmer, VersR 2008, 33 (34 ff.). 269 Vgl. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl. 2009, Grundz. § 253 Rn. 29; Lange/Dreher, VersR 2008, 289 (292).

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siegt, tritt die Bedingung des schuldrechtlichen Anerkenntnisses ein, und die übrigen Mitversicherer sind leistungspflichtig. Zwar handelt es sich dabei nicht um eine Rechtskrafterstreckung des Urteils, sondern nur um einen schuldrechtlichen Anspruch. 270 Da dieser aber ohne weiteres durch Urkunden zu beweisen ist, wäre eine Leistungsverweigerung der übrigen Mitversicherten eine theoretische Konstellation.271 Eine Klage gegen sie wäre unausweichlich erfolgreich. Im übrigen könnte eine Leistungsverweigerung trotz Anerkenntnisses aufsichtsrechtliche Konsequenzen haben, so daß mit ihr nicht zu rechnen ist.272 Unterliegt der klagende Versicherte bzw. Versicherungsnehmer, verhindert das pactum den non petendo weitere Klagen gegen die übrigen Konsorten. 273 Vereinzelt wurden AGB-rechtliche Bedenken gegen diesen Regelungstyp geltend gemacht. Der Kläger sei auf den „good will“ der übrigen Konsorten angewiesen. Auf eine solche Regelung würde sich ein Versicherungsnehmer, „wenn er dies durchschaut, als rational handelndes Unternehmen nicht einlassen.“274 Sie sei daher überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB, wenn nicht ausdrücklich und „warnend“ auf die genannten Konsequenzen hingewiesen werde. 275 Geschehe dies nicht, könne die Klausel wegen der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nur „nicht exklusive Wirkung“ besitzen.276 Der Versicherungsnehmer werde durch sie auch unangemessen benachteiligt, da er keinen Titel gegen die übrigen Mitversicherer erlange. 277 Es ist jedoch zweifelhaft, ob der dargestellte Regelungstyp als überraschend oder unklar angesehen werden kann. Denn er stellt eine ohne weiteres verständliche und für beide Seiten praktikable Lösung der Vertragshandlingprobleme in der Mitversicherung im D&O-Bereich dar. 278 Es liegt darin auch keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB. Denn durch das bedingte Anerkenntnis der übrigen Konsorten verfügt der Versicherungsnehmer auch ohne Rechtskrafterstreckung über einen sicheren und effizienten Weg zur Durchsetzung seiner Ansprüche. Er ist insbesondere nicht auf den good will der einzelnen Versicherer angewiesen. Vielmehr wirkt 270 Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1173); Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Vor § 58 Rn. 9. 271 Lange/Dreher, VersR 2008, 289 (292); Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1173); Dreher/Lange, VersR 2005, 717 (725); nun auch Schaloske, Das Recht der so genannten offenen Mitversicherung, 2007 S. 202. 272 Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1173). 273 Lange/Dreher, VersR 2008, 289 (292 f.); Möller, in: Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl. 1980, § 58 Anm. 68; Schaloske, Das Recht der so genannten offenen Mitversicherung, 2007 S. 201. 274 Säcker, VersR 2005, 10 (13). 275 Säcker, VersR 2005, 10 (13). 276 Säcker, VersR 2005, 10 (13). 277 Säcker, VersR 2005, 10 (12 f.). 278 Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1173).

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sich die Klausel zum Vorteil des Versicherten bzw. Versicherungsnehmers aus, da er nicht gezwungen ist, den gesamten Schaden einzuklagen, sondern sich auf den den Führenden betreffenden Teil mit entsprechend günstiger Kostenfolge beschränken kann. 279

(II.) Die Einräumung der aktiven und der passiven Prozeßführungsbefugnis Die Konsorten können den Führenden auch die aktive und passive Prozeßführungsbefugnis über ihre Ansprüche und Schulden erteilen. 280 Während die Einräumung aktiver Prozeßführungsbefugnis nach einhelliger Ansicht zulässig ist, herrscht Streit über die Möglichkeiten und Voraussetzungen einer gewillkürten passiven Prozeßstandschaft. Einige lehnen sie ab, weil es auch keine materiellrechtliche Verpflichtungsermächtigung gebe.281 Der BGH282 und das OLG Bremen 283 haben sie jedoch für die Mitversicherung für zulässig gehalten. In einer Entscheidung zum Unterhaltsrecht hat der BGH die Frage der Zulässigkeit der gewillkürten passiven Prozeßstandschaft sodann offen gelassen. 284 Der BGH hat in seinem Urteil zur Mitversicherung ausgeführt, daß jedenfalls in diesem Kontext anzuerkennende Interessen aller Beteiligten daran bestehen, eine Durchsetzung der Rechte gegen die übrigen Versicherer in dem Prozeß gegen den Führenden zu ermöglichen, ohne daß weitere Verfahren gegen die

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Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 (1173). S. das Beispiel bei Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Vor § 58 Rn. 11: „Der führende Versicherer ist von den Mitversicherern ermächtigt, alle Rechtsstreitigkeiten auch bezüglich ihrer Anteile als Kläger oder Beklagte zu führen. Ein gegen den oder von dem führenden Versicherer erstrittenes Urteil wird deshalb von den Mitversicherern als auch für sie verbindlich anerkannt.“; ferner Lange/Dreher, VersR 2008, 289 (292). 281 Allgemein Vollkommer, in: Zöller, Zivilprozeßordnung, 26. Aufl. 2007, Vor § 50 Rn. 43; speziell im Kontext der Mitversicherung Schaloske, Das Recht der so genannten offenen Mitversicherung, 2007, S. 212 ff.; vgl. auch Armbrüster, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 6 Rn. 46. 282 BGH, Urteil v. 15.12.1976 – IV ZR 26/76, VersR 1977, 174. 283 OLG Bremen, Urteil v. 13.01.1994 – 2 U 104/93, VersR 1994, 709 (710): „Das gilt lediglich für ihre Rolle als Kl. Soweit § 19 Abs. 2 VB die Prozeßführungsbefugnis und/oder Passivlegitimation der Bekl. auch bezüglich der auf die Mitversicherer entfallenden Haftungsanteile begründet, geschieht dies nicht lediglich im Interesse der Bekl., sondern darüber hinaus auch im Interesse der übrigen Mitversicherer sowie nicht zuletzt im Interesse des VN. Denn dieser soll ersichtlich berechtigt sei, aus Vereinfachungsgründen den führenden Versicherer auch hinsichtlich der von den übrigen Versicherern versicherten Anteile des Risikos mit der Klage in Anspruch nehmen zu können, ohne deswegen eine seinem Titulierungsinteresse zuwiderlaufende Beschränkung der Klage auf die Beteiligungsquote des führenden Versicherers in Kauf nehmen zu müssen.“ 284 BGH, Urteil v. 17.3.1982 – IV b ZR 646/80, NJW 1983, 684 (685). 280

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anderen Konsorten erforderlich werden.285 Eine passive gewillkürte Prozeßstandschaft muß in der Mitversicherung daher möglich sein.286 Wie das OLG Frankfurt287 herausgestellt hat, ist lediglich eine isolierte passive Prozeßstandschaft problematisch, wenn also das Urteil gegen den Führenden keine materiellrechtliche Wirkung in bezug auf die übrigen Mitversicherer hätte. 288 Dieser Gedanke lag auch dem Urteil des BGH zur passiven Prozeßstandschaft in der Mitversicherung zugrunde.289 Denn ansonsten fehlt es an einer sachlichen Legitimation für das passive Prozeßführungsrecht des Führenden. Bei der Einräumung der passiven Prozeßführungsbefugnis muß also zu285 BGH, Urteil v. 15.12.1976 – IV ZR 26/76, VersR 1977, 174: „Nach dem von der Kl. bei der Bekl. abgeschlossenen Versicherungsvertrag sind Versicherer eine Reihe von – anderen – Gesellschaften (Ziff. 49 AVB). Die gesamte Geschäftsbearbeitung obliegt jedoch der bekl. D.-KG Versicherungsdienst (Ziff. 52 AVB). An sie sind alle Erklärungen und Anzeigen zu richten (Ziff. 53,54 AVB). Sie nimmt, wie am Schluß der AVB nochmals deutlich hervorgehoben ist, die gesamte Schadenregulierung vor. Da zwischen den Beteiligten auch zu keinem Zeitpunkt zweifelhaft gewesen ist, daß der Versicherungsanspruch gegen die Bekl. geltend gemacht werden könne, ist es rechtlich unbedenklich, wenn das Berufungsgericht sie hier als ermächtigt angesehen hat, den Rechtsstreit im eigenen Namen an Stelle der Versicherer zu führen. Dies liegt im Hinblick auf die erwähnten Geschäftsbedingungen auch im rechtlichen Interesse des Kl. und der Beklagten. Ob eine gewillkürte Prozeßstandschaft auf der Beklagtenseite unter entsprechenden Voraussetzungen ebenso allgemein anzuerkennen ist wie die Prozeßstandschaft auf der Klägerseite oder ob dies mit Rücksicht auf Gefahren, die den Gläubigern des Prozeßstandschafters aus einer möglichen Vollstreckung des Urteils gegen diesen erwachsen mögen, bedenklich sein könnte, bedarf hier keiner Entscheidung. Die Bekl. ist offensichtlich ausschließlich mit der Geschäftsführung für die beteiligten Versicherer befaßt. Es besteht kein Anlaß, daran zu zweifeln, daß diese die Zahlung, die der Bekl. durch ein Urteil auferlegt wird, ggf. alsbald selbst erbringen. Jedenfalls unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls ist eine Prozeßstandschaft der Bekl. auch hinsichtlich einer Zahlungsklage zulässig.“ (Hervorheb. durch Verf.). Diese besondere Interessenlage berücksichtigt Schaloske nicht hinreichend, wenn er die gewillkürte passive Prozeßstandschaft in der Mitversicherung ablehnen will, Schaloske, Das Recht der so genannten offenen Mitversicherung, 2007, S. 212 ff. 286 Lange/Dreher, VersR 2008, 289 (292); Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Vor § 58 Rn. 11. 287 OLG Frankfurt, Urteil v. 27.04.1978 – 1 U 111/77, VersR 1982, 706: „Voraussetzung für eine Zulässigkeit einer Prozeßstandschaft auf der Beklagtenseite muß nämlich nach Auffassung des Senats in aller Regel sein, daß auch der wirkliche Schuldner an das Ergebnis des Rechtsstreits gebunden ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Prozeßstandschaft, die zu einer Verdoppelung der Prozesse führt, kann im Regelfall nicht bejaht werden. Bei einer Prozeßstandschaft, deren Zulässigkeit sich allein aus Erklärungen des Prozeßstandschafters ergeben soll, ist aber eine Bindung des eigentlichen Schuldners an das Ergebnis des Rechtsstreits nicht zu rechtfertigen.“ 288 So auch Armbrüster, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, VersicherungsrechtsHandbuch, 2. Aufl. 2009, § 6 Rn. 46. 289 BGH, Urteil v. 15.12.1976 – IV ZR 26/76, VersR 1977, 174, darauf abstellend, daß kein Anlaß bestehe, daran zu zweifeln, daß die Zahlung, die dem beklagten Führenden durch ein Urteil auferlegt werde, durch diesen ggf. alsbald selbst erbracht werde. So auch die zutreffende Interpretation dieses BGH-Urteils durch das OLG Frankfurt, Urteil v. 27.04.1978 – 1 U 111/77, VersR 1982, 706.

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gleich sichergestellt werden, daß ein gegen den Führenden erstrittener Anspruch auch insoweit erfüllt wird, als er die von den anderen Versicherern zu tragenden Anteile betrifft. Eine gewillkürte passive Prozeßstandschaft ist daher nur dann wirksam, wenn die AVB eine solche Rechtsfolge enthalten, 290 der Führende also kumulativ materiellrechtlich passivlegitimiert ist. Die Klausel 291 muß mithin entweder explizit besagen oder aber dahingehend der Auslegung fähig sein, daß der Führende gem. § 328 Abs. 1 BGB mit seinen Mitversicherern zugunsten des Versicherungsnehmers vereinbart hat, eine Verpflichtung für die Teilschuld der übrigen Konsorten zu übernehmen und von diesen im Fall der Verurteilung für den auf sie entfallenen Teil Freistellung erhält. 292 Der gegen den Führenden erstrittene Titel kann sodann gegen diesen in voller Höhe vollstreckt werden. 293 Ausfluß der passiven Prozeßführungsbefugnis und der zugleich erforderlichen Passivlegitimation ist, daß eine Deckungsklage gegen die nicht führenden Mitversicherer als unbegründet abgewiesen wird. 294 AGB-rechtlich ist gegen eine solche Regelung nichts einzuwenden, da sie den Versicherungsnehmer begünstigt, indem sie seine Ansprüche prozessual auf einen Versicherer konzentriert und ihm dadurch die Erhebung von Einzelklagen gegen jeden einzelnen Konsorten erspart.295

290 Schaloske verneint auch in diesem Fall die Prozeßführungsbefugnis des Führenden, weil er davon ausgeht, daß die Einräumung einer gewillkürten Prozeßführungsbefugnis dann noch einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfe, die s.E. fehlt, Schaloske, Das Recht der so genannten offenen Mitversicherung, 2007, S. 212 ff., 221. Jedoch ist nicht ersichtlich, weshalb es an der Prozeßführungsbefugnis fehlen soll, wenn – wie Verf. in arguendo annimmt – bereits eine materiellrechtliche Passivlegitimation besteht. Auch die durch Verf. a.a.O. aufgeworfene Frage der Rechtsgrundlage für eine Rechtskrafterstreckung des gegen den führenden Prozeßstandschafter erstrittenen Urteils auf den Rechtsinhaber ist insofern ein Scheinproblem, als es hierfür keines gesonderten Tatbestands bedarf, wenn zugleich die materielle Passivlegitimation des Prozeßstandschafters gegeben ist. 291 S. etwa das Beispiel bei Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Vor § 58 Rn. 11. 292 Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Vor § 58 Rn. 11; Armbrüster, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 6 Rn. 46. 293 Die Vollstreckung findet also für und gegen den Prozeßstandschafter statt, vgl. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, 29. Aufl. 2008, § 51 Rn. 45. 294 OLG Köln, Urteil v. 2.9.2008 – 9 U 151/07, VersR 2008, 1673 (Tz. 93 d. UA) zu LG Köln, Urteil v. 5.6.2007 – 85 O 177/05. 295 Römer, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, § 58 Rn. 6: „Das Ergebnis erscheint unter der praktischen Erwägung sinnvoll, daß der VersN nicht erst den Führenden auf dessen Quote verklagen und dann bei materiell klarer Rechtslage auch noch weitere Prozesse gegen die Mitversicherer führen soll, um Titel auf die volle Haftung zu erlangen.“

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

2. Die gerichtliche Geltendmachung des Freistellungsanspruchs a) Die Trennung zwischen Schadenersatzund Freistellungsanspruch Der vertraglich vereinbarte Freistellungsanspruch bezieht sich grundsätzlich sowohl auf die Erfüllung begründeter als auch auf die Abwehr unbegründeter Ansprüche.296,297 Ähnlich dem Haftpflichtversicherungsvertrag ist auch bei der Freistellungsvereinbarung zwischen dem Schadenersatzanspruch einerseits und dem Freistellungsanspruch andererseits zu differenzieren. Für die Geltendmachung des Freistellungsanspruchs muß der Freistellungsgläubiger daher gegenüber dem Freistellungsschuldner darlegen und beweisen, daß der Anspruch des Drittgläubigers begründet ist.298 Eine Notwendigkeit der Durchführung eines separaten Haftpflichtprozesses, wie er aus dem haftpflichtversicherungsrechtlichen Trennungsprinzips folgt, besteht indes nicht. Der Freistellungsschuldner ist aber von seiner Leistungspflicht befreit, wenn der Freistellungsgläubiger gegenüber dem Drittgläubiger begründete Einreden nicht erhoben hat.299 Denn die Freistellungsvereinbarung soll nach dem regelmäßig anzunehmenden übereinstimmenden Willen der Parteien nicht die Erfüllung begründeter aber einredebehafteter Ansprüche umfassen. Weigert sich der zur Abwehr unbegründeter Ansprüche verpflichtete Freistellungsschuldner, die Anspruchsabwehr zu übernehmen, verletzt er eine Vertrags296 BGH, Urteil v. 19.4.2002 – V ZR 3/01, NJW 2002, 2382: „Die vertragliche Verpflichtung zur Freistellung umfasst auch die Verpflichtung, unbegründete Ansprüche Dritter vom Freistellungsberechtigten abzuwehren.“; BGH, Urteil v. 24.6.1970 – VIII ZR 268/67, NJW 1970, 1594 (1595): „Zum Wesen der Freistellung gehört aber nicht nur die Befriedigung begründeter Ansprüche, die Dritte gegen den Freizustellenden erheben, sondern auch die Abwehr unbegründeter Ansprüche, die Dritte geltend machen.“; BGH, Urteil v. 7.3.1983 – II ZR 82/82, NJW 1983, 1729; Heinrichs, in: Palandt, 67. Aufl. 2008, § 157 Rn. 12; Görmer, JuS 2009, 7 (9). Es handelt sich dabei letztlich um einen Fall des Aufwendungsersatzanspruchs, Alff, in: RGRK, Bd. II, 1. Teil, 1976, § 247 Rn. 1; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I, Allgemeiner Teil, Teilb. 1, 7. Aufl. 1992, § 13 III 2; Zahn, ZfBR 2007, 627 (628). 297 Was die Abwehr unbegründeter Ansprüche anbelangt, kann der Freistellungsschuldner nach entsprechender Ermächtigung durch den Freistellungsgläubiger den Rechtsstreit über den Drittschadenersatzanspruch als gewillkürter Prozeßstandschafter des Freistellungsgläubigers und Drittschuldners gegen den Drittgläubiger führen. Obsiegt der Freistellungsschuldner, hat er seine Freistellungspflicht gegenüber dem Freistellungsgläubiger erfüllt, Zahn, ZfBR 2007, 627 (633). 298 BGH, Urteil v. 30.11.1989 – IX ZR 249/88, NJW 1990, 1366 (1367): „Schließlich setzt ein auf Freistellung gerichteter Schadensersatzanspruch wegen Belastung mit einer Verbindlichkeit voraus, daß der Anspruchsteller tatsächlich mit dieser Verbindlichkeit beschwert ist (BGH, NJW-RR 1987, 43 = WM 1986, 1115 (1117) m. w. Nachw.; NJW 1988, 3013 = LM § 249 (Bb) BGB Nr. 47 = BGHRBGBB § 249 Satz 1 Freistellung 1).“; BGH, Urteil v. 4.10.2000 – VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155 (156); Zahn, ZfBR 2007, 627 (628). 299 Vgl. Zahn, ZfBR 2007, 627 (632).

II. Die prozessuale Durchsetzung

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pflicht aus der Freistellungsvereinbarung.300 Dem Freistellungsgläubiger steht infolgedessen nach der Rechtsprechung des BGH ein Schadenersatzanspruch gegen den Freistellungsschuldner zu, wenn er – der Freistellungsgläubiger – an den Drittgläubiger geleistet hat, nachdem er dem Freistellungsschuldner zuvor Gelegenheit gegeben hat, den Drittgläubiger zu befriedigen.301 Gegenüber diesem Schadenersatzanspruch wegen Verletzung der Abwehrpflicht kann der Freistellungsschuldner nicht mehr einwenden, daß der Schadenersatzanspruch nicht begründet war.302 Ergibt sich aber aus der Freistellungsvereinbarung, daß der Freistellungsschuldner nur zur Erfüllung berechtigter Drittforderungen, nicht aber zur Abwehr unbegründeter Forderungen vertraglich verpflichtet war, scheidet ein solcher Schadenersatzanspruch mangels Pflichtverletzung des Freistellungsschuldners aus.303 Hat der Freistellungsgläubiger den Dritten befriedigt, ohne dem zur Anspruchsabwehr verpflichteten Freistellungsschuldner Gelegenheit zur Freistel300 BGH, Urteil v. 19.4.2002 – V ZR 3/01, NJW 2002, 2382; BGH, Urteil v. 24.6.1970 – VIII ZR 268/67, NJW 1970, 1594 f. 301 BGH, Urteil v. 19.4.2002 – V ZR 3/01, NJW 2002, 2382; BGH, Urteil v. 24.6.1970 – VIII ZR 268/67, NJW 1970, 1594. 302 BGH, Urteil v. 19.4.2002 – V ZR 3/01, NJW 2002, 2382, LS 2: „Die Nichterfüllung der Abwehrpflicht hat nur unter den Voraussetzungen des Verzugs oder der positiven Forderungsverletzung einen Schadensersatzanspruch zur Folge. Gegenüber diesem Anspruch kann der Freistellungsschuldner nicht mehr einwenden, dass der Gläubiger die Forderung des Dritten zu Unrecht befriedigt habe.“, ferner: „Denn eine Verletzung der Freistellungsverpflichtung führt nicht dazu, dass der Freizustellende auf seine Gefahr zu prüfen hat, ob die Ansprüche des Drittgläubigers zu Recht bestehen. Der Gefahr, entweder eine unbegründete Forderung zu erfüllen oder sich wegen einer begründeten Forderung mit Klage überziehen zu lassen, soll der Freizustellende nach dem Sinn der Freistellung gerade enthoben sein. Verweigert der Freistellungsschuldner daher die Freistellung und stellt der Freistellungsgläubiger den Dritten deswegen selbst frei, so kann der Freistellungsschuldner gegenüber dem Schadensersatzanspruch des Freistellungsgläubigers nicht mehr einwenden, dass dieser die Forderung des Dritten zu Unrecht befriedigt habe (BGH, NJW 1970, 1594 [1596] = LM § 157 [Ge] BGB Nr. 13). Dies setzt allerdings voraus, dass dem Freistellungsschuldner Gelegenheit gegeben wurde, seiner Freistellungsverpflichtung durch Verhandlungen mit dem Drittgläubiger nachzukommen. Denn für den Freistellungsanspruch ist es gerade typisch, dass der gegen den Freistellungsgläubiger erhobene Anspruch abgewehrt werden soll.“; BGH, Urteil v. 24.6.1970 – VIII ZR 268/67, NJW 1970, 1594, (1595 f.): „Eine Verletzung der Freistellungsverpflichtung führt nicht etwa dazu, daß der Freizustellende auf seine Gefahr zu prüfen hat, ob die Ansprüche des Dritten zu Recht bestehen. Der Gefahr, einen Mißgriff zu tun, also entweder eine unbegründete Forderung zu erfüllen oder sich wegen einer begründeten Forderung mit Klage überziehen zu lassen, soll der Freizustellende nach dem Sinn der Freistellung gerade enthoben sein. Verweigert der zur Freistellung Verpflichtete die Freistellung und überläßt er damit dem Freizustellenden die Entscheidung der Frage, ob dem Dritten Ansprüche zustehen, so muß er die daraufhin getroffene Entscheidung hinnehmen. Der zur Freistellung Verpflichtete kann dann gegenüber dem Anspruch des Freizustellenden nicht mehr unter nachträglicher Aufrollung der Frage, ob der Anspruch des Dritten berechtigt ist, einwenden, daß der Freizustellende die Forderung des Dritten zu Unrecht befriedigt habe.“ 303 Zahn, ZfBR 2007, 627 (631).

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I. Die Rechtsverhältnisse im Haftungsfall

lung zu geben, kann er Ersatz seiner Aufwendungen nur unter den von ihm zu beweisenden Voraussetzungen eines Anspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen.304 Insoweit muß der Freistellungsgläubiger dann die Begründetheit der Drittforderung darlegen und beweisen.305 Grundsätzlich wird das Organmitglied selbst allein verfügungs- und prozeßführungsberechtigter Inhaber des Freistellungsanspruchs sein. Es kann den Freistellungsanspruch aber an den Geschädigten abtreten,306 in dessen Person er sich in einen Zahlungsanspruch gegen den Freistellungsschuldner umwandelt.307 Wenn keine Abtretung stattfindet und das betreffende Organmitglied auf den rechtskräftigen Schadenersatzanspruch nicht leistet, kann der Geschädigte durch Pfändung und Überweisung nach §§ 829, 835 ZPO in den Freistellungsanspruch vollstrecken.

b) Die prozessuale Geltendmachung Damit die auf Freistellung gerichtete Leistungsklage hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist, muß sie die Forderung des Drittgläubigers nach Grund und Höhe genau bestimmen.308 Wenn die Begründetheit oder Höhe der Forderung des Drittgläubigers einstweilen noch nicht feststeht bzw. über sie noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, kann der Freistellungsgläubiger gegenüber dem Freistellungsschuldner nur auf Feststellung der Freistellungspflicht klagen.309 Soweit dem Freistellungsgläubiger hingegen eine Bestimmung der Schadenersatzforderung nach Grund und Höhe möglich ist, muß er Leistungsklage auf Freistellung erheben, weil die Feststellungsklage wegen des Vor-

304

BGH, Urteil v. 19.4.2002 – V ZR 3/01, NJW 2002, 2382. BGH, Urteil v. 19.4.2002 – V ZR 3/01, NJW 2002, 2382. 306 BGH, Urteil v. 12.3.1993 – V ZR 69/92, NJW 1993, 2232 (2233); OLG Koblenz, Urteil v. 25.6.2003 – 7 U 1034/01, NJW-RR 2004, 668; Zahn, ZfBR 2007, 627 (628). 307 OLG Koblenz, Urteil v. 25.6.2003 – 7 U 1034/01, NJW-RR 2004, 668; Zahn, ZfBR 2007, 627 (628). 308 BGH, Urteil v. 4.10.2000 – VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155 (156): „Freistellung bedeutet eine Handlung, durch die der in Anspruch Genommene (die Bekl.) eine Schuld des Ast. (der Kl.) zum Erlöschen bringt. Dementsprechend muss der Antrag auf Verurteilung zur Freistellung die Forderung so genau bezeichnen, dass der Bekl. notfalls im Wege der Zwangsvollstreckung (§ 887 ZPO; BGHZ 25, 1 [7] = NJW 1957, 1514 = LM § 311 BGB Nr. 4) zur Befriedigung des Drittgläubigers angehalten werden kann (BGHZ 79, 76 [77f.] = NJW 1981, 870 = LM § 1 AHaftpflichtVB Nr. 13).“; BGH, Urteil v. 20.11.1990 – VI ZR 6/90, NJW 1991, 634 (635); Zahn, ZfBR 2007, 627 (628). 309 BGH, Urteil v. 20.11.1990 – VI ZR 6/90, NJW 1991, 634 (635): „Bei der Feststellungsklage spielt die Frage der Vollstreckungsfähigkeit als Kriterium für die hinreichende Bestimmtheit des Klageantrages von vornherein keine Rolle. Feststellung der Verpflichtung zur Freistellung kann somit auch bei noch offenen Schäden und erst drohender Inanspruchnahme begehrt werden (vgl. etwa BGHZ 100, 228 (232) = NJW 1987, 1887 = LM § 198 BGB Nr. 18 sowie BGH, NJW 1990, 1366 = WM 1990, 262 (264)).“ 305

II. Die prozessuale Durchsetzung

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rangs der Leistungsklage unzulässig ist.310 Die Feststellungsklage bleibt aber zulässig, wenn die Bezifferung zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht möglich war, während der Rechtshängigkeit aber möglich wurde.311 Klagt der Drittgläubiger gegen den Freistellungsgläubiger auf Schadenersatz, kann dieser dem Freistellungsschuldner nach § 72 Abs. 1 Alt. 2 ZPO unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf Schadloshaltung den Streit verkünden. 312

c) Die Vollstreckung Die Vollstreckung des Freistellungsanspruchs richtet sich nach § 887 ZPO. Wenn ein Freistellungstitel vorliegt, kann sich der Freistellungsgläubiger gem. § 887 Abs. 1 ZPO gerichtlich dazu ermächtigen lassen, den Drittgläubiger zu befriedigen und gem. § 887 Abs. 2 ZPO einen entsprechenden Vorschuß verlangen. 313 Falls der Freistellungsgläubiger hingegen kein Verfahren nach § 887 Abs. 1 ZPO durchgeführt hat, besteht die Möglichkeit der Kostenerstattung nach § 887 ZPO nicht.314 Er kann dann lediglich Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht gegen den Freistellungsschuldner geltend machen.315

310 BGH, Urteil v. 4.6.1996 – VI ZR 123/95, NJW 1996, 2725 (2726); Zahn, ZfBR 2007, 627 (633). 311 BGH, Urteil v. 4.6.1996 – VI ZR 123/95, NJW 1996, 2725 (2726); Zahn, ZfBR 2007, 627 (633). 312 Zahn, ZfBR 2007, 627 (632). 313 Zahn, ZfBR 2007, 627 (632). 314 BGH, Beschluß v. 10.8.2006 – I ZB 110/05, NJW-RR 2002, 213 (214); Zahn, ZfBR 2007, 627 (632). 315 BGH, Beschluß v. 10.8.2006 – I ZB 110/05, NJW-RR 2002, 213 (214), die betreffenden Ansprüche unterliegen jedoch möglichen Einwendungen, die bei Einhaltung des in den §§ 887, 891 ZPO vorgesehenen Verfahrens nicht in Betracht kommen.

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J. Die versicherungsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen zu der Freistellung und der D&O-Versicherung I. Die strukturellen Grenzen von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung Die Freistellungsvereinbarung und die D&O-Versicherung decken nicht sämtliche Risiken der Gesellschaft und ihrer Organmitglieder und leitenden Angestellten. Eine Freistellungsvereinbarung wird u.U. nur für ein spezifisches Vorhaben abgeschlossen oder auf bestimmte Haftpflichtkonstellationen des Freistellungsgläubigers beschränkt. Desgleichen enthalten die D&O-AVB typischerweise eine Reihe von Deckungsausschlüssen, namentlich für vorsätzliche bzw. wissentliche Pflichtverletzungen oder Straftaten und Ordnungswidrigkeiten.1 Daher können – abhängig von den unternehmensspezifischen Haftungsrisiken – andere Versicherungsprodukte anstelle von oder in Ergänzung zu einer Freistellungsvereinbarung bzw. D&O-Versicherung erforderlich werden.

II. Die versicherungsvertragsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen 1. Die Industrie-Straf-Rechtsschutzversicherung a) Die versicherungsrechtliche Struktur der Industrie-StrafRechtsschutzversicherung Die Industrie-Straf-Rechtsschutzversicherung ist eine Schadenversicherung, welche die Kosten von Straf- und Bußgeldverfahren deckt.2 Sie kann sich ergänzend auf Verfahren des Disziplinar- und Standesrechts i.S.v. § 2h ARB 2000 beziehen.3 Nicht gedeckt ist jedoch der Schaden, der durch die eigentliche Geldstrafe 1 2 3

S. hierzu Teil G. III. Küpper, VP 1982, 193 ff. Vgl. Böhme, ARB, 12. Aufl. 2007, § 2 (1) a Rn. 7 f.; Chubb ISRS 2005 § 3 Nr. 1. (a).

II. Die versicherungsvertragsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen

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oder -buße bzw. eine sonstige vermögensrelevante Sanktion entsteht. Die Versicherung erfaßt also lediglich die Kosten der Rechtsverteidigung, die aber vielfach ebenso belastend wie oder noch stärker belastend als die eigentliche Sanktionsfolge sein können. Die Industrie-Straf-Rechtsschutzversicherung ist eine Gestaltungsform der Rechtsschutzversicherung i.S.d. §§ 125 ff. VVG (§§ 158l ff. VVG alt). Die Einzelheiten ergeben sich aus den ARB-Musterbedingungen des GDV sowie den darauf beruhenden Sonderbedingungen der Versicherer. Der Industrie-Straf-Rechtsschutz (ISRS) entstand als Rechtsprodukt Anfang der 80er Jahre und wurde im Jahr 1983 durch das BAV genehmigt.4 Bis dahin existierte eine Straf-Rechtsschutz-Deckungsmöglichkeit für Unternehmen nur in Gestalt des Firmen-Straf-Rechtsschutzes als Ausschnittdeckung auf der Grundlage des § 24 Abs. 2c ARB 75.5 Es handelte sich bei dem ISRS um eine Weiterentwicklung dieses Firmen-Straf-Rechtsschutzes.6 Im Vordergrund stand bei der Gestaltung der ISRS-Bedingungen die Verteidigung von Mitarbeitern gegen den Vorwurf des Verstoßes gegen Umweltstraftaten und Straftaten durch die Herstellung fehlerhafter Produkte, d.h. die strafrechtliche Produzentenverantwortung.7 Die Kompliziertheit dieser Materien verursacht vielfach einen besonderen Verteidigungsaufwand durch außergerichtliche Sachverständige und besonders qualifizierte Rechtsanwälte, die üblicherweise nur gegen Honorarvereinbarung tätig werden. Dem trug die Ausgestaltung des ISRS Rechnung. Er unterschied sich vom Firmen-Straf-Rechtsschutz vor allem dadurch, daß er höhere Deckungssummen ermöglichte,8 die Erstattung von Vereinbarungshonoraren mit Rechtsanwälten oberhalb der gesetzlichen Gebührensätze vorsah, die Kosten außergerichtlich tätiger Sachverständiger mitversichert waren, er oft einen weiteren räumlichen Geltungsbereich hatte und also auch Verfahren im Ausland abdeckte9 sowie Verfahren wegen Vorsatztaten unter gewissen Voraussetzungen einschloß, was beim Firmen-Straf-Rechtsschutz grundsätzlich nicht der Fall war.10

4

VerBAV 1983, 386 ff.; ferner VerBAV 1986, 458 f.; VerBAV 1990, 131 zu Änderungen. Der Firmen-Rechtsschutz nach § 24 Abs. 2c ARB 75 wurde durch das BAV im Jahre 1980 genehmigt, VerBAV 1980, 212; dazu Eidam, StraFo 1995, 105 (106). 6 Die Firmen-Straf-Rechtsschutzklausel lautete: „Der Versicherungsschutz des § 24 (2) ARB wird auf den Straf-Rechtsschutz gemäß § 24 (2) c) ARB beschränkt.“ § 24 Abs. 2c ARB 75 besagte: „ … die Verteidigung in Verfahren wegen des Vorwurfes der Verletzung einer Vorschrift des Straf-, Ordnungswidrigkeiten-, Disziplinar- oder Standesrechts. Bei Freiheitsstrafen sowie bei Geldstrafen und -bußen über 500 DM sind Gnaden-, Strafaussetzungs-, Strafaufschub- und Zahlungserleichterungsverfahren eingeschlossen, und zwar für insgesamt zwei Anträge je Versicherungsfall.“ 7 VerBAV 1983, 386. 8 Die Deckungssummen überstiegen oft die in der Rechtsschutzversicherung damals üblichen 100.000 DM, VerBAV 1983, 386. 9 Küpper, VP 1982, 193 f. 10 Eidam, StraFo 1995, 105 (106). 5

500 J. Die versicherungsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen zu der Freistellung Ferner wurden im Jahr 1989 die besonderen Rechtsschutzbedingungen für das strafrechtliche Risiko von Unternehmen, d.h. die Sonderbedingungen zu § 24 ARB – Spezial-Strafrechtsschutz für Unternehmen (SSR) durch das BAV genehmigt.11 Diese stimmten im Kern mit den ISRS überein und ermöglichten lediglich eine größere Flexibilität12 bei der Vertragsgestaltung.13 Während der ISRS auf industrielle Großbetriebe zugeschnitten war,14 zielte der SSR auch auf kleinere und mittlere Unternehmen, wie etwa chemische Reinigungen sowie Freiberufler ab. Mit dem Fortfall der Genehmigungspflicht seit dem 1.7.1994 durch das Dritte Durchführungsgesetz/EWG zum VAG vom 21.7.199415 können die Versicherer ihre eigenen Bedingungswerke insoweit genehmigungsfrei entwickeln. In der Praxis wird daher nicht mehr konsequent zwischen den einzelnen vom BAV ursprünglich genehmigten Modellen unterschieden. Die Versicherer bezeichnen den Straf-Rechtsschutz für Unternehmen vielmehr als erweiterten Straf-Rechtsschutz, Universal-Straf-Rechtsschutz oder übergreifend als Industrie-StrafRechtsschutz und passen ihre ARB den Bedürfnissen der jeweiligen gewerblichen oder freiberuflichen Versicherungsnehmer individuell an. Im folgenden wird die Straf-Rechtsschutzversicherung für Unternehmen in diesem übergreifenden Sinn als Industrie-Straf-Rechtsschutz bzw. ISRS bezeichnet,16 ohne daß damit also die ISRS-Bedingungen in der konkreten, damals durch das BAV genehmigten Form gemeint sind. Grundsätzlich erfaßt die Industrie-Straf-Rechtsschutzversicherung sowohl die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin als auch die Organmitglieder und ggf. übrigen Angestellten als (Fremd-)Versicherte. Die Versicherung der Eigenschäden der Gesellschaft ist bedeutsam, soweit sich beispielsweise Bußgeldverfahren nach § 30 OWiG unmittelbar gegen das Unternehmen richten. Die Industrie-Straf-Rechtsschutzversicherung kann in Gestalt eines separaten Versicherungsvertrags abgeschlossen werden oder einen ergänzenden Bestandteil einer D&O-Police bilden.17 Letzteres ist aber dem Vernehmen nach der Ausnahmefall.

11

VerBAV 1989, 272. Die versicherten Personen und der für sie geltende Leistungsumfang konnte einzelvertraglich bestimmt werden. Außerdem konnten nach § 4 Abs. 1 ARB 75 bestehende Risikoausschlüsse entfallen 13 VerBAV 1989, 272; Schauf, Versicherungsschutz und Strafrecht, 2006, S. 13. 14 VerBAV 1983, 386. 15 BGBl. I 1630, 3134. 16 So etwa Chubb ISRS 2005. 17 Die Praxis schätzt, daß bereits ca. 30 % der D&O-versicherten Unternehmen ergänzend eine Rechtsschutzpolice vorhalten, Hendricks, VW 2006, 229. 12

II. Die versicherungsvertragsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen

501

b) Der Anwendungsbereich der Industrie-StrafRechtsschutzversicherung im Kontext von Freistellungsvereinbarung und D&O-Versicherung Die Industrie-Straf-Rechtsschutzversicherung deckt einen Bereich ab, der von den D&O-AVB regelmäßig nicht erfaßt wird. Die D&O-Deckung erstreckt sich nämlich grundsätzlich nicht auf Straf- und Bußgeldsanktionen und daher insoweit auch nicht auf die Kosten der Rechtsverteidigung über § 101 VVG (§ 150 VVG alt).18 Hinzu kommt, daß die D&O-Versicherung regelmäßig Deckungsausschlüsse für vorsätzliche oder wissentliche Schädigungen enthält, so daß für diese Begehungsformen ergänzender Strafrechtsschutz hinsichtlich der Verfahrenskosten sinnvoll ist. Zur sachlichen Berechtigung der Industrie-Straf-Rechtsschutzversicherung muß auch folgendes berücksichtigt werden: Eine effektive Verteidigung in Strafund Bußgeldverfahren kann über den sanktionsrechtlichen Aspekt hinaus eine wichtige Bedeutung für die zivilrechtliche Haftung haben. Denn Fragen der straf- und bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit fallen vielfach mit solchen der zivilrechtlichen Haftung des Unternehmens und seiner Geschäftsleiter zusammen.19 Es kann daher zweckmäßig sein, gegen eine straf- oder bußgeldrechtliche Sanktionierung mit hohem Verteidigungsaufwand vorzugehen, selbst wenn die dafür erforderlichen Kosten zur Sanktionshöhe in einem unangemessenen Verhältnis stünden. Durch eine erfolgreiche straf- bzw. bußgeldrechtliche Verteidigung läßt sich dann die mit dem Tatvorwurf verknüpfte zivilrechtliche Haftung des Unternehmens oder Organs verhindern bzw. jedenfalls reduzieren. Dieser Gedanke trägt unabhängig davon, ob ergänzend eine Freistellungsvereinbarung oder eine D&O-Versicherung in Betreff der zivilrechtlichen Haftung besteht. Diese Sicherungsinstrumente greifen nämlich grundsätzlich nicht, sofern eine vorsätzliche Schädigung gegeben ist. 20 Soweit in der rechtskräftigen Sanktionsentscheidung jedoch erst eine vorsätzliche Begehung festgestellt wurde, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß dies auch im Freistellungs- bzw. Haftpflicht- und sodann Deckungsprozeß so kommt. Eine effektive straf- bzw. bußgeldrechtliche Verteidigung, die eine Verurteilung jedenfalls wegen Vorsatzes verhindert, kann also dazu beitragen, daß die D&O-Versicherung bzw. die Freistellungsvereinbarung nicht leerläuft. Außerdem ist zu beachten, daß der Deckungsbereich der D&O-Versicherung gerade bei kleinen und mittelständischen Gesellschaften, die durch ihren Alleineigentümer oder einen Mehrheitsgesellschafter geführt werden, aufgrund der üb18

Teil G. XIV. So etwa im Kartellrecht, das in § 33 Abs. 4 GWB die Möglichkeit sog. follow on-Klagen vorsieht. Das sind Schadenersatzklagen, die maßgeblich auf zuvor ergangene kartellbehördliche Entscheidungen gestützt werden. 20 Teil G. III. 19

502 J. Die versicherungsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen zu der Freistellung lichen Eigenschadenklauseln 21 und der Wahrnehmung weitreichender operativer Aufgaben außerhalb des versicherten Bereichs der spezifischen Organtätigkeiten durch den Geschäftsleiter stark eingeschränkt sein kann. In diesen Konstellationen stellt eine Industrie-Straf-Rechtsschutzversicherung vielfach das einzige überhaupt sinnvolle Versicherungsprodukt bezüglich betrieblicher Risiken dar.22

c) Der Deckungsumfang der Industrie-StrafRechtsschutzversicherung aa) Der Umfang der zu erstattenden Kosten Die Industrie-Straf-Rechtsschutzversicherung deckt in erster Linie die Verfahrenskosten einschließlich der Anwaltskosten.23 Die AVB sehen regelmäßig vor, daß die gedeckte Höhe der Anwaltsvergütung von den Schwierigkeiten des Einzelfalls abhängt; sie ist grundsätzlich nicht an die Sätze nach dem RVG gebunden. Die AVB können auch regeln, daß zinslose Darlehen für Kautionen gewährt werden. Als Versicherungsfall gilt prinzipiell bereits die Einleitung des Ermittlungsverfahrens. 24 Auch die Kosten eigener außergerichtlicher Sachverständiger, etwa während des Ermittlungsverfahrens, sind daher prinzipiell erstattungsfähig. 25 Für Verfahren außerhalb der EU, insbesondere in den USA, wird Deckung vielfach nur gegen einen Prämienzuschlag gewährt. 26 Nach den gängigen AVB ist eine Kostenerstattung bei Verbrechen ausgeschlossen. Bisweilen enthalten die AVB ferner einen Ausschluß für Verstöße gegen das Kartellrecht. Der Grund liegt darin, daß Kartellverfahren aufgrund ihrer Komplexität und der hohen Streitwerte oft sehr kostspielig sind. 27 Der Deckungsausschluß für das Kartellrecht ist jedoch problematisch, da die Bedeutung von Kartellbußgeldverfahren der Europäischen Kommission und des BKartA stark zugenommen hat. Deckungslücken können nur verhindert werden, wenn auch das Kartellrecht unter den ISRS gefaßt wird. 28 Insoweit ist darauf zu achten, daß nicht nur Ordnungswidrigkeiten i.S.d. OWiG gedeckt sind, sondern auch Bußgeldverfahren der Kommission nach Art. 23 der Verordnung 1/2003. Zwar handelt es sich bei EU-Bußgeldern der Sache nach 21

Teil G. VII. Vgl. Hendricks, in: Interview mit Experten Presse News v. 2.8.2004, http://www. experten.de/NET/epn/1321.epnnews. 23 S. hierzu im einzelnen etwa Chubb ISRS 2005 § 3. 24 Küpper, VP 1982, 193 (194); Klinkhammer, VP 1988, 173 (176). 25 Klinkhammer, VP 1988, 173 (176); Küpper, VP 1982, 193. 26 Chubb ISRS 2005 § 4. 27 Rückausnahmen werden bisweilen für den Bereich der Fusionskontrolle gemacht, vgl. Chubb ISRS 2005 § 5 Nr. 3. 28 Diese Möglichkeit sahen bereits die ISRS von 1983 in § 4 Abs. 3b vor, VerBAV 1983, 386 (387). Allerdings gab es auch Versicherer, die in keinem Fall bereit waren, die Leistungserweiterung für Kartellrechtsverfahren zu vereinbaren, s. VerBAV 1986, 458 (459). 22

II. Die versicherungsvertragsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen

503

ebenfalls um Ordnungswidrigkeiten; 29 das Bußgeldverfahren der Kommission richtet sich jedoch nicht nach dem OWiG. Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist, daß das Delikt in Ausübung der Tätigkeit des Versicherten für das Unternehmen begangen wurde. Straftaten der Mitarbeiter, die sich gegen das Unternehmen richten, sind daher grundsätzlich nicht gedeckt.30 Diese Einschränkung erlangt vor dem Hintergrund besonderes Gewicht, daß die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte insbesondere den Tatbestand der Untreue zu Lasten des Unternehmens nach § 266 StGB immer weiter ausdehnen und auch auf Handlungen anwenden, welche die Betroffenen im vermeintlichen Interesse ihrer Gesellschaft vorgenommen haben. Sofern die Organmitglieder die Kosten solcher Verfahren versichern wollen, müssen sie daher ergänzend eine Singularrechtsschutzversicherung mit entsprechendem Deckungsumfang abschließen.

bb) Die Deckung bei Vorsatztaten (I.) Das Strafrecht (1.) Der Regelungsgehalt des § 2 UAbs. bb) ARB 2000 Eine Deckung soll grundsätzlich nach den AVB nicht nur bei Verbrechen per se ausgeschlossen sein, sondern auch bei Vergehen nicht bestehen, wenn der Betroffene der vorsätzlichen Begehung schuldig ist.31 Wie weit ein solcher Ausschluß im einzelnen reicht, hängt von der Klauselfassung ab. § 2i ARB 2000 sieht folgendes vor: Hinsichtlich verkehrsrechtlicher Vergehen soll der Versicherungsnehmer nach § 2i UAbs. aa) ARB 2000 verpflichtet sein, dem Versicherer die Kosten zu erstatten, die dieser für die Verteidigung getragen hat, wenn rechtskräftig festgestellt wird, daß der Versicherungsnehmer das Vergehen vorsätzlich begangen hat. Was sonstige Vergehen anbelangt – darunter fällt insbesondere der gesamte für den ISRS bedeutsame Bereich des Wirtschaftsstrafrechts –, soll nach § 2i UAbs. bb) 2000 eine Deckung zunächst nur bestehen, soweit ein Tatbestand in Rede steht, dessen vorsätzliche wie auch fahrlässige Begehung strafbar ist, solange dem Versicherungsnehmer lediglich ein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird. Wird dem Versicherungsnehmer dagegen Vorsatz angelastet, besteht nach § 2i UAbs. bb) ARB 2000 rückwirkend Versicherungsschutz, wenn nicht rechtskräftig festgestellt wird, daß er vorsätzlich gehandelt hat. Die Klausel hat mithin zwei Regelungskerne: Zum einen soll eine Deckung von vornherein ausscheiden, soweit der Vorwurf eines reinen Vorsatzvergehens erhoben 29 Art. 23 Abs. 5 VO 1/2003 stellt ausdrücklich klar, daß die Sanktion keinen strafrechtlichen Charakter hat. 30 Eidam, StraFo 1995, 105 (110). 31 Chubb ISRS 2005 § 5 Nr. 1.

504 J. Die versicherungsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen zu der Freistellung wurde (dazu sogleich (2.)). Zum anderen soll keine Deckung bestehen, wenn eine vorsätzliche Begehung rechtskräftig festgestellt wird (dazu (3.)).

(2.) Der Grundsatz des Ausschlusses reiner Vorsatzvergehen nach den ARB 2000 und seine Durchbrechung Soweit es um Delikte wie Diebstahl etc. geht, die nur vorsätzlich begangen werden können, ist die Deckung nach § 2i UAbs. bb) ARB 2000 per se ausgeschlossen, denn es handelt sich nicht um Tatbestände, deren vorsätzliche wie auch fahrlässige Begehung strafbar ist. Es besteht diesfalls also selbst dann keine Deckung hinsichtlich der Kosten der Rechtsverteidigung, wenn die Staatsanwaltschaft den Vorwurf zu Unrecht erhoben hat und später ein rechtskräftiger Freispruch oder eine Verfahrenseinstellung erfolgt.32 § 2i UAbs. bb) ARB 2000 stellt diese Konsequenz ausdrücklich klar. 33 Tragend für diesen Klauselinhalt soll der Gedanke sein, daß es im Interesse der Versichertengemeinschaft nicht hinnehmbar sei, den Versicherungsnehmer gegen den Vorwurf schwerwiegender Straftaten zu schützen.34 Rechtsstaatliche Gründe stehen dem pauschalen Deckungsausschluß bei reinen Vorsatzdelikten prinzipiell nicht entgegen, weil es sich um eine privatautonome Vereinbarung handelt, welche die Rechte des Betroffenen gegenüber der Anklagebehörde nicht tangiert.35 Fraglich ist allenfalls, ob Einwände sub specie des Grundsatzes in dubio pro reo durchgreifen könnten 36 , weil der Versicherte auch bei unberechtigter Beschuldigung mit einem reinen Vorsatzdelikt nicht über Deckung verfügt. Der Versicherte steht jedoch nicht schlechter, als wenn überhaupt keine Rechtsschutzversicherung zu seinen Gunsten existierte. Da aber das Fehlen einer Rechtsschutzversicherung den Grundsatz in dubio 32

OLG Oldenburg, Urteil v. 10.8.2005 – 3 U 30/05, NJW-RR 2005, 1548; Plote, in: van Bühren/Plote, ARB, 2. Aufl. 2008, § 2 ARB Rn. 71; Eidam, StraFo 1995, 105 (107). 33 Die Klarstellungen in § 2 UAbs. bb) S. 3 und 4 ARB 2000 gehen auf eine entsprechende Empfehlung des VdS aus Dezember 2005 zurück; s. hierzu Stahl, in: Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 7. Aufl. 2004, § 3 ARB 94/2000 Rn. 19. 34 Eidam, StraFo 1995, 105 (108). 35 OLG Oldenburg, Urteil v. 10.8.2005 – 3 U 30/05, NJW-RR 2005, 1548 (1549): „Nach dem klaren Wortlaut dieser Klausel erschließt sich dem Versicherungsnehmer zunächst eindeutig, dass Straf-Rechtsschutz bei Verbrechen und nur vorsätzlich begehbaren Vergehen von vornherein nicht in Betracht kommt. Darüber hinaus ist weiter eindeutig, dass es auf den Ausgang des Verfahrens nicht ankommt. Entscheidend ist vielmehr, welchen Vorwurf die Staatsanwaltschaft gegen den Versicherungsnehmer erhebt. Soweit der Kl. die Auffassung vertritt, aus rechtsstaatlichen Gründen könne es nicht darauf ankommen, was die Staatsanwaltschaft dem Versicherungsnehmer vorwerfe, sondern nur darauf, was vom Gericht letztlich rechtskräftig festgestellt werde, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Anders als im Strafrecht steht im Versicherungsvertragsrecht nicht der Schutz des Bürgers gegenüber staatlichen Eingriffen zur Debatte. Es unterliegt vielmehr der Dispositionsfreiheit der Parteien, welche vertraglichen Vereinbarungen sie treffen.“ 36 In diese Richtung wohl Eidam, StraFo 1995, 105 (108).

II. Die versicherungsvertragsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen

505

pro reo nicht verletzt, kann a maiore ad minus für einen Deckungssausschluß für reine Vorsatzdelikte nichts anderes gelten. Eine solche Klausel ist auch nicht überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB, da insbesondere den kaufmännisch vorgebildeten Versicherungsnehmern im ISRS grundsätzlich bekannt ist, daß eine Rechtsschutzversicherung sich nicht auf alle Risiken erstreckt und die Deckung bei Vorsatz regelmäßig ausgeschlossen ist.37 Auch eine unangemessene Benachteiligung ist nicht erkennbar.38 Gegen die Zweckmäßigkeit des Ausschlusses reiner Vorsatztatbestände nach § 2i UAbs. bb) ARB 2000 lassen sich jedoch mehrere sachliche Gründe anführen. Zunächst ist fraglich, ob eine entsprechende Klausel im Hinblick auf ihr Regelungsziel überhaupt dazu geeignet ist, Vergehen mit höherer Unrechtsschwere von solchen abzugrenzen, die weniger schwerwiegend sind. Die Differenzierung zwischen reinen Vorsatzdelikten und fahrlässig begehbaren, bringt nämlich nicht zwingend einen Unterschied in der Unrechtsschwere der Tatbestände zum Ausdruck.39 Außerdem besagt der Umstand, daß der Versicherte sich gegen den Vorwurf eines reinen Vorsatzdelikts verteidigen muß, nichts über die Berechtigung dieses Vorwurfs. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens kann auf einem unbegründetem Anfangsverdacht, etwa durch eine nicht berechtigte Strafanzeige, beruhen. Die Gefahr, daß Leitungsorgane durch ausgeschiedene Mitarbeiter aus persönlichen Gründen zu Unrecht reiner Vorsatzdelikte, wie etwa der Beleidigung oder des Betrugs, bezichtigt werden, ist nicht außer acht zu lassen. Hinzu kommt, daß bestimmte Berufsgruppen, wie die Ärzte in einem Krankenhaus-Unternehmen, von vornherein einem höheren Risiko – unbegründeter – Vorwürfe reiner Vorsatztaten ausgesetzt sind als in anderen Branchen tätige Personen.40 Wenn in diesen Fällen keine Verurteilung erfolgt, verfügt der Angeschuldigte nach § 464 StPO nicht zwangsläufig über einen hinreichenden Regreßanspruch gegen den Staat hinsichtlich der ihm entstandenen Kosten, etwa wenn das Ermittlungsverfahren vor Anklagerhebung eingestellt wird und er bereits in diesem Stadium anwaltlichen Beistand in Anspruch genommen hat.41 Desgleichen können die Kosten einer effektiven Verteidigung gegen den Vorwurf eines reinen Vorsatzdelikts aufgrund von Vereinbarungshonoraren mit Rechtsanwälten oberhalb der gesetzlichen Vergütungssätze 37

Vgl. Eidam, StraFo 1995, 105 (109). Eidam, StraFo 1995, 105 (109). 39 So z.B. zwischen dem nur vorsätzlich begehbaren Vergehen der falschen uneidlichen Aussage gem. § 153 StGB und dem gem. § 163 Abs. 1 StGB auch fahrlässig (insoweit als Vergehen gem. § 12 StGB) möglichen Meineid gem. § 154 StGB, vgl. Eidam, StraFo 1995, 105 (108). 40 VerBAV 1990, 29. 41 Das Gericht kann lediglich ausnahmsweise in dem seltenen Fall, daß die Staatsanwaltschaft eine bereits erhobene Klage vor Eröffnung des Verfahrens zurücknimmt und das Verfahren einstellt, gem. § 467a StPO auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeschuldigten die diesem erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegen; hierzu Schäfer, die Praxis des Strafverfahrens, 6. Aufl. 2000, Rn. 227. 38

506 J. Die versicherungsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen zu der Freistellung und durch die Kosten von Privatgutachtern außerhalb des Bereichs liegen, der nach der gerichtlichen Kostenentscheidung erstattungsfähig ist, so daß auch bei einem rechtskräftigen Freispruch mit entsprechender Kostenfolge zugunsten des Angeklagten bei diesem ein wirtschaftlicher Schaden verbliebe. Es kann daher zweckmäßig sein, abweichend von § 2i UAbs. bb) ARB Deckung für die Verteidigung gegen den Vorwurf reiner Vorsatzvergehen zu vereinbaren, wie dies in der Praxis der ISRS auch geschieht.42 Das BAV hatte sog. enumerative Vorsatzklauseln einiger Rechtsschutzversicherer bereits im Jahr 1989 genehmigt.43 Der Versicherungsschutz bezog sich danach auf reine Vorsatzvergehen, soweit diese im Versicherungsschein ausdrücklich genannt waren. Voraussetzung für die endgültige Kostentragung durch den Versicherer war, daß der Versicherte nicht wegen Vorsatzes verurteilt wird, auch nicht hinsichtlich einzelner Anklagepunkte. Die Rechtsschutzversicherer mußten zu dieser Klausel damals eine umfangreiche Geschäftsplanmäßige Erklärung abgeben, in der sie sich dazu verpflichteten, mit dem BAV jeweils abzustimmen, hinsichtlich welcher Vorsatzdelikte vorläufiger Rechtsschutz angeboten wird,44 die betreffenden Schadenfälle listenmäßig zu erfassen, bei einem im Ausnahmefall gewährten Verzicht auf die Rückforderung die dafür maßgeblichen Gründe in einer separaten Notiz darzulegen, sofern der Betrag über 200 DM lag, und keinesfalls nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen vorsätzlicher Begehung zu leisten.45 Da die Genehmigungspflicht im Jahr 1994 entfallen ist, verfügen die Versicherer nun über eine größere Gestaltungsfreiheit, um für reine Vorsatztaten Deckung zu gewähren, die von ihnen auch genutzt wird. Das betrifft etwa die Versicherung bilanzrechtlicher Tatbestände oder Delikte wie Gläubiger- und Schuldnerbegünstigung nach §§ 283c und d StGB sowie die Steuerhinterziehung nach § 370 AO oder Insidergeschäfte nach §§ 38, 14 WpHG.46

(3.) Der Deckungsausschluß bei vorsätzlicher Begehung (a) Die Deckung bei unberechtigtem Vorwurf vorsätzlicher Begehung Nach § 2i UAbs. bb) ARB 2000 besteht bei einer Verurteilung wegen Vorsatzes keine Deckung. Sofern zunächst Ermittlungen und ggf. Anklage wegen Fahrlässigkeit erfolgen, sodann aber der Vorwurf auf Vorsatz geändert wird, greift der Deckungsausschluß nach dem Klauselwortlaut des § 2i UAbs. bb) ARB 2000 erst ab dem Zeitpunkt der Änderung des Tatvorwurfs; die Kostenerstattung, die während des Zeitraums durch den Versicherer vorgenommen wurde, 42 43 44 45 46

Eidam, StraFo 1995, 105 (109). VerBAV 1990, 29 (30). Vorläufig sollten nur die §§ 168, 216, 221, 223, 239, 240 und 323c StGB genannt werden. VerBAV 1990, 29 (30). Eidam, StraFo 1995, 105 (109).

II. Die versicherungsvertragsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen

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als noch Fahrlässigkeit in Rede stand, verbleibt beim Versicherungsnehmer.47 Steht am Ende dennoch eine Verurteilung lediglich wegen Fahrlässigkeit, wird nach § 2i UAbs. bb) ARB 2000 rückwirkend auch für den Teil Deckung geschuldet, der den Vorsatzvorwurf betraf.48 Die ISRS-ARB sehen jedoch vielfach abweichend von § 2i UAbs. bb) ARB 2000 vor, daß auch bei dem Vorwurf der vorsätzlichen Begehung von vornherein die Kosten der Verteidigung getragen werden und eine Rückzahlung durch den Versicherten erst bei rechtskräftiger Verurteilung wegen Vorsatzes erfolgen muß. Im Unterschied zu § 2i UAbs. bb) ARB 2000 muß der Versicherungsnehmer die Kosten bei dem Vorwurf vorsätzlicher Begehung also nicht bis zum rechtskräftigen Ausschluß des Vorsatzes vorschießen, sondern der Versicherer tritt hier in Vorleistung.49

(b) Die Möglichkeit der Deckung bei rechtskräftig festgestelltem Vorsatz Fraglich ist, ob die AVB auch vorsehen können, daß die Kosten selbst dann durch den Versicherer zu tragen sind, wenn es zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen vorsätzlicher Begehung einer Straftat kommt. Zunächst ist das Versicherungsvertragsrecht zu prüfen. Zwar sieht § 81 Abs. 1 VVG (§ 61 VVG alt) die Leistungsbefreiung des Versicherers bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls vor.50 Die Norm ist aber abdingbar.51 Fraglich ist daher, ob § 138 BGB einer solchen Klausel entgegenstünde. Die Untersuchung der Freistellungsmöglichkeiten bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten hat bereits ergeben, daß eine Verpflichtung zur Tragung der Verfahrenskosten auch bei Vorsatztaten nicht als sittenwidrig angesehen werden kann 52, so daß Entsprechendes für eine diesbezügliche Rechtsschutzversicherung gelten muß. Dennoch sehen die AVB für diesen Fall entsprechend § 2i ARB 2000 häufig eine Rückerstattungspflicht vor.53 Das ist schon deshalb sinnvoll, weil eine rechtskräftig festgestellte vorsätzliche Begehung im Bereich des materiellen Strafrechts regelmäßig eine so schwerwiegende Pflichtverletzung des Organ47 Vgl. § 2i UAbs. bb) ARB 2000: „… solange dem Versicherungsnehmer ein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird.“; Eidam, StraFo 105 (107). 48 Vgl. § 2i UAbs. bb) ARB 2000: „Wird dem Versicherungsnehmer dagegen vorgeworfen, ein solches Vergehen vorsätzlich begangen zu haben, besteht rückwirkend Versicherungsschutz, wenn nicht rechtskräftig festgestellt wird, daß er vorsätzlich gehandelt hat.“ 49 Eidam, StraFo 1995, 105 (109). 50 Nach § 81 Abs. 2 VVG besteht bei grober Fahrlässigkeit, anders als früher nach § 61 VVG, nicht mehr die Leistungsfreiheit, sondern nur noch ein Kürzungsrecht. 51 Auch soweit lediglich die Verfahrenskosten, nicht aber das eigentliche Bußgeld, gedeckt werden sollen, wie dies für den ISRS charakteristisch ist, greift § 81 VVG (§ 61 VVG alt), ist aber abdingbar, Eidam, StraFo 1995, 105 (106). 52 Die Verpflichtung, die Geldstrafe bzw. -buße wegen einer Vorsatztat zu übernehmen, ist hingegen grundsätzlich sittenwidrig, Teil G. XIV. 53 Z.B. Chubb ISRS 2005 § 5 Nr. 1.

508 J. Die versicherungsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen zu der Freistellung mitglieds bzw. Mitarbeiters darstellt, daß es für die Gesellschaft aus Billigkeitsgründen nicht angezeigt wäre, durch Zahlung der Prämien einer ISRS-Police den Betroffenen von den insoweit anfallenden Verfahrenskosten zu entlasten. Das BAV hatte im übrigen bereits im Oktober 1994 unmittelbar nach Entfallen der Genehmigungspflicht eine Geschäftsplanmäßige Erklärung an die Versicherer gerichtet und darin klargestellt, daß bei Verurteilung wegen Vorsatzes Rückerstattungsansprüche des Versicherers in jedem Fall geltend zu machen seien.54 Das BAV wollte dadurch verhindern, daß mit einer zu weitreichenden Deckung der Begehung von Straftaten Vorschub geleistet werde,55 und führte aus: „Da generell die Rechtsschutzversicherung gemäß dem ‚ordre public‘ nicht für kriminelle Verhalten eintreten darf, obliegt es den Versicherern auch weiterhin, jedesmal die erforderlichen Rückforderungen zu veranlassen und den Zahlungseingang zu überwachen.“ Teilweise heißt es, angesichts dieser restriktiven Haltung des BAV müsse davon ausgegangen werden, daß eine Deckungszusage für den Fall der Verurteilung wegen Vorsatzes nach der Mißstandsaufsicht zu beanstanden sei.56 Diese Ansicht begegnet jedoch Bedenken. Ein Mißstand ist nach § 81 Abs. 2 S. 2 VAG jedes Verhalten eines Versicherungsunternehmens, das den Aufsichtszielen des § 81 Abs. 1 VAG widerspricht. Dazu gehören nach § 81 Abs. 1 S. 2 VAG erstens die Einhaltung der Gesetze, die für den Betrieb des Versicherungsgeschäfts gelten und zweitens eine ausreichende Wahrung der Belange der Versicherten.57 Die Belange der Versicherten werden durch eine solche Klausel nicht tangiert. Klärungsbedürftig bleibt demnach, ob die für den Betrieb des Versicherungsgeschäfts geltenden Gesetze entgegenstehen. Es ist insoweit ein materieller Gesetzesbegriff maßgeblich, der alle materiellen Gesetze, Satzungen und Verordnungen erfaßt.58 Voraussetzung ist aber, daß die Normen den Betrieb des Versicherungsgeschäfts betreffen. Sie müssen daher mit dem Geschäft insoweit in einem inneren Regelungszusammenhang stehen, als aus den Normen hervorgeht, daß sie zumindest mittelbar den Belangen der Versicherten dienen sollen.59 § 81 VAG hat also nicht den Sinn, eine lückenlose Rechtskontrolle durch die Aufsichtsbehörde zu ermöglichen.60 Selbst wenn man mit der Ansicht des früheren BAV davon ausgeht, daß eine Erstattung der Verfahrenskosten trotz rechtskräftiger Feststellung vorsätzlicher Begehung mit dem „ordre public“ in Konflikt gerate, kann darin kein Verstoß mit einem das Versicherungsge54

VerBAV 1994, 358 (359). Eidam, StraFo 1995, 105 (110). 56 Vgl. Eidam, StraFo 1995, 105 (110). 57 Vgl. Kollhosser, in: Prölss, Versicherungsaufsichtsgesetz, 12. Aufl. 2005, § 81 Rn. 11; Bähr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, 4. Aufl. 2007, § 81 Rn. 16 ff. 58 Kollhosser, in: Prölss, Versicherungsaufsichtsgesetz, 12. Aufl. 2005, § 81 Rn. 21. 59 Goldberg/Müller, Versicherungsaufsichtsgesetz, 1980, § 81 Rn. 12; Kollhosser, in: Prölss, Versicherungsaufsichtsgesetz, 12. Aufl. 2005, § 81 Rn. 21. 60 Kollhosser, in: Prölss, Versicherungsaufsichtsgesetz, 12. Aufl. 2005, § 81 Rn. 21. 55

II. Die versicherungsvertragsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen

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schäft im Interesse der Versicherten betreffenden Gesetz i.S.d. § 81 VAG liegen, da die Klausel die Versicherten begünstigt. Aufsichtsrechtlich bestünde daher keine Möglichkeit der Beanstandung.

(II.) Das Ordnungswidrigkeitenrecht Nach § 2j ARB 2000 besteht – anders als hinsichtlich Straftaten – für Ordnungswidrigkeiten kein Ausschluß der Deckung bei rechtskräftiger Feststellung von Vorsatz.61 § 2j UAbs. bb) ARB 94 empfahl noch bei rechtskräftiger Feststellung vorsätzlicher Begehung einer nichtverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeit eine Erstattungspflicht. Die Versicherer hatten aber bereits unter § 2j ARB 94 diese Empfehlung oft nicht übernommen.62 Für Bußgeldverfahren – d.h. den außerstrafrechtlichen Bereich – regeln die AVB daher nunmehr grundsätzlich, daß die durch den Versicherer gewährte Kostendeckung selbst dann nicht rückerstattet werden muß, wenn durch rechtskräftige Entscheidung eine vorsätzliche Begehung festgestellt wurde.63 Eine solche Regelung ist sinnvoll. Angesichts der Tatsache, daß im Bereich des Wirtschaftsordnungswidrigkeitenrechts, etwa dem Kartellrecht, viele Tatbestände keinen Handlungserfolg verlangen, sind die Anforderungen an eine vorsätzliche Begehung sehr niedrig. Da die Betroffenen oft in Kenntnis der tatsächlichen Umstände handeln und lediglich über die rechtliche Bewertung ihres Verhaltens irren, letzteres nach der restriktiven Rechtsprechung zur Unvermeidbarkeit von Verbotsirrtümern aber selten exculpiert,64 scheidet Fahrlässigkeit vielfach aus, und es liegt jedenfalls bedingter Vorsatz vor. Ein Deckungsausschluß für diese Begehungsform würde daher den ISRS weitgehend entwerten.

2. Die Betriebshaftpflichtversicherung Die Betriebshaftpflichtversicherung i.S.v. § 102 VVG (§ 151 VVG a.F.) schützt das Unternehmen, seine Organmitglieder und sonstige einbezogene Unternehmensangehörige vor Schadenersatzansprüchen Dritter, die sich aus der betrieblichen Tätigkeit ergeben.65 Die Deckung kann durch Zusätze, etwa eine spezielle Produkthaftpflicht, erweitert werden.66 61

Hierzu van Bühren/Plote, ARB, 2. Aufl. 2008, § 2 ARB Rn. 74. Eidam, StraFo 1995, 105 (106). 63 Küpper, VP 1982, 193 (194); z.B. Chubb ISRS 2005 § 5 Nr. 1. 64 Rechtsirrtümer werden aufgrund der restriktiven Rechtsprechung regelmäßig als vermeidbar angesehen und führen somit nicht zum Entfallen der Schuld nach § 17 StGB bzw. der Vorwerfbarkeit nach § 11 Abs. 2 OWiG. 65 Küpper, VP 1982, 193 (194); Klinkhammer, VP 1988, 173. 66 Klinkhammer, VP 1988, 173 (174). 62

510 J. Die versicherungsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen zu der Freistellung Die Betriebshaftpflichtversicherung ist strukturell – ebenso wie die um eine entity-Deckung ergänzte D&O-Versicherung – eine kombinierte Eigen- und Fremdversicherung; sie erfaßt also sowohl das Unternehmen als auch die Organmitglieder und Angestellten, soweit letztere in die Deckung einbezogen sind. Anders als die D&O-Versicherung sind reine Vermögensschäden jedoch nach den AVB grundsätzlich nicht gedeckt.67 Die Betriebshaftpflichtversicherung bezieht sich im Kern vielmehr lediglich auf Personen- und Sachschäden sowie die aus solchen Schäden hervorgehenden Vermögensschäden.68 Sie wird durch die D&O-Police daher nicht verdrängt, sondern durch sie hinsichtlich reiner Vermögensschäden ergänzt.

3. Die Deckungsklage-Rechtsschutzversicherung Die Komplexität der Abwicklung von D&O-Versicherungsfällen hat zur Entstehung eines neuen Versicherungsprodukts geführt, das die Rechtsstellung des versicherten Organmitglieds gegenüber dem D&O-Versicherer stärken soll. Insbesondere ein namhafter Rechtsschutzversicherer bietet einen DeckungsklageRechtsschutz, auch als D&O-Vertragsrechtsschutzversicherung bezeichnet, für die D&O-Versicherten69 an, der die Kosten des Deckungsprozesses gegen den D&O-Versicherer erfaßt.70 Die Entstehung dieser Deckungsklage-Rechtsschutzversicherung ist dem nach Einschätzung von Teilen der Praxis gegebenen Befund geschuldet, daß die Versicherer gerade angesichts der hohen Schadensummen im D&O-Bereich das Vorliegen von Leistungsverweigerungsrechten sehr genau prüfen und ggf. mit erheblichem Aufwand gerichtlich geltend zu machen versuchen. Dies betrifft namentlich die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflich-

67 Voit/Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, Betriebshaftpfl. Ziff. 7.1 Rn. 4; Klinkhammer, VP 1988, 173 (174). Vermögensschäden sind lediglich in eingeschränktem Umfang versichert. Selbst bei ausdrücklicher Erweiterung auf Vermögensschäden sollen etwa Haftpflichtansprüche in Zusammenhang mit Geld- und Kreditgeschäften nicht gedeckt sein, vgl. Ziff. 7.6.5 Mustertarif 2000 Allgemeiner Teil des GDV. 68 Vgl. Generali Allgemeine Bedingungen für die Betriebshaftpflichtversicherung, (AHVB 2004 / EURO TOP 2004) Art. 3.1: „Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer … die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen“. 69 Es handelt sich also nicht um ein Unternehmen, das zugleich D&O-Versicherungen anbietet. Der D&O-Versicherer und der Deckungsklagerechtsschutzversicherer sind verschiedene Versicherungsunternehmen. 70 Hendricks, in: Interview mit Experten Presse News v. 2.8.2004, http://www.experten. de/NET/epn/1321.epnnews; Fissenewert, Partner-Newsletter „D&O-Versicherung“, http:// www.partner-newsletter.de/artikel/2007-09_Managerhaftung_D+O-Versicherung.html.

II. Die versicherungsvertragsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen

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ten.71 Wegen der hohen Schadens- und Deckungssummen sowie der regelmäßig bestehenden Notwendigkeit der Einschaltung spezialisierter Rechtsberater und Gutachter können die Verfahrenskosten eines solchen Deckungsrechtsstreits die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Organmitglieds, das bereits dem Haftpflichtanspruch und den im Haftpflichtverfahren ebenfalls regelmäßig hohen Kostenforderungen ausgesetzt ist, schnell übersteigen. Teilweise wird die Decklungsklage-Rechtsschutzversicherung noch mit einer gegenüber der D&O-Versicherung subsidiären Vermögensschadenhaftpflichtversicherung kombiniert, was es der versicherten Person ermöglichen soll, mit dem Versicherer „auf gleicher Augenhöhe“ Deckungsfragen verhandeln zu können. Einzelne Stimmen aus der Praxis schätzen die Nachfrage nach diesem Produkt bereits recht hoch ein; sie vermuten eine Verbreitung bei bis zu 30 % der größeren Unternehmen. Die Nachfrage nach dem Produkt wird als steigend eingeschätzt. Die Ansichten über den praktischen Nutzwert des Produkts gehen indes auseinander. Einige weisen auf eine mögliche Schwachstelle der Deckungsklage-Rechtsschutzversicherung hin, die dann gegeben sein kann, wenn die Verträge jährlich zu erneuern sind. In diesem Fall kann, abhängig vom Bedingungswerk, der Deckungsklage-Rechtsschutzversicherer einen Neuabschluß ggf. verweigern, sobald er vom Haftpflichtfall Kenntnis erlangt. Inwieweit dieses Szenario jedoch realistisch ist, läßt sich nicht einschätzen. Teilweise heißt es auch, der Erfolg der Deckungsklage-Rechtsschutzversicherung sei vor allem auf ein zu unrecht negatives Image der D&O-Versicherung zurückzuführen.72 Eine vielfach nicht sachkundige Berichterstattung in den Medien erwecke bei einigen potentiellen Versicherten den Eindruck, daß die D&O-Versicherung oft nicht leiste. Dies liege auch daran, daß häufig nur verlorene Deckungsprozesse durch publizierte Urteile bekannt würden, eine erfolgreiche Geltendmachung des Deckungsanspruchs hingegen regelmäßig durch Vergleich ende, was weniger Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erzeuge.

4. Die Selbstbehaltsversicherung a) Die aktienrechtliche Zulässigkeit der Selbstbehaltsversicherung Die D&O-Versicherung kann einen Selbstbehalt aufweisen. Für Vorstandsmitglieder schreibt § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ihn vor. Ziff. 3.8 DCGK empfiehlt ihn für Ausfsichtsratsmitglieder.73 Es stellt sich daher die Frage, ob ein Organmitglied über eine weitere Haftpflichtversicherung diesen Eigenanteil ebenfalls abdecken kann. Aus der Praxis heißt es, daß solche Produkte am Markt angeboten 71 72 73

Hierzu Teil F. III. Ihlas, VW 2007, 660 (665 f.). Dazu eingehend Teil D. VI.

512 J. Die versicherungsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen zu der Freistellung werden.74 Bei dieser Versicherung, die auch als Selbstbehaltsversicherung bezeichnet wird, handelt es sich strukturell um eine D&O-Einzelpolice des Organmitglieds auf eigene Rechnung.75 Zunächst erhebt sich die Frage der gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit der Selbstbehaltsversicherung. Dies knüpft an die Grundproblematik an, ob eine selbstbehaltlose D&O-Versicherung überhaupt rechtmäßig ist, weil durch sie möglicherweise in nicht zulässigem Umfang eine verhaltenssteuernde Wirkung des Innenhaftungsanspruchs beseitigt würde.76 Nähme man dies an, müßte eine Selbstbehaltsversicherung ausscheiden, weil dann die durch den Selbstbehalt zu sichernde Steuerungsfunktion aufgehoben würde.77 Im Ergebnis überzeugt diese These jedoch nicht. Nach zutreffender Ansicht ist eine D&O-Versicherung – außerhalb des Anwendungsbereichs des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – unabhängig von der Vereinbarung eines Selbstbehalts zulässig.78 Dies betrifft namentlich die Versicherung von Aufsichtsratsmitgliedern in der Aktiengesellschaft und von Organmitgliedern in der GmbH. Folglich kann insoweit auch die Deckung des Selbstbehalts durch eine Singularhaftpflichtversicherung nicht beanstandet werden.79 Was § 93 Abs. 2 S. 3 AktG angeht, so hat die genetische Auslegung ergeben, daß auch dort der Abschluß einer den Selbstbehalt abdeckenden Singularhaftpflichtversicherung möglich ist.80

b) Die rechtstatsächliche Bedeutung der Selbstbehaltsversicherung Die rechtstatsächliche Bedeutung der Selbstbehaltsversicherung kann – solange noch keine Erfahrungen mit der neuen Rechtslage nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG vorliegen – nur schwer eingeschätzt werden. Sie wird zwar von einigen Versicherern angeboten.81 Es handelte sich gleichwohl bis zum Inkrafttreten des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG um ein Nischenprodukt. Durch den nunmehr für Vorstandsmitglieder aktienrechtlich vorgeschriebenen Selbstbehalt wird nach Einschränkung der Praxis der Markt für Selbstbehaltsversicherungen wachsen. Aber auch außerhalb des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG kann sich ein Bedarf für Selbstbehaltsversicherungen ergeben.

74 Dreher, AG 2008, 429 (433); vgl. dazu bereits Dreher, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2003, S. 240 f. 75 Inwieweit die Prämien durch die Gesellschaft erstattet werden, hängt von der Vereinbarung im Anstellungsverhältnis ab. Ein Anspruch auf Übernahme der Prämien durch die Gesellschaft besteht nicht, s. Teil G. VIII. 76 S. dazu im einzelnen Teil D. VI. 77 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 924. 78 Teil D. VI. 2. 79 Dreher, AG 2008, 429 (435). 80 Teil D. VI. 1. 81 Dreher, AG 2008, 429 (433); vgl. dazu bereits Dreher, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2003, S. 240 f.

II. Die versicherungsvertragsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen

513

Berichtet wird von Fällen, in denen das deutsche Management der deutschen Niederlassung eines US-amerikanischen Unternehmens aufgrund einer USamerikanischen Konzernpolice zwar versichert war, aber hohe Selbstbehalte zu tragen hatte. Hier können die deutschen Organmitglieder ein spezifisches Interesse an einer Angleichung der Deckung auf ein den Gepflogenheiten des deutschen Markts entsprechendes Maß haben. Es bietet sich dann der Abschluß einer Selbstbehaltsversicherung an, die sich auf die gesamte Höhe des Selbstbehalts oder jedenfalls einen Teil desselben erstreckt. Bisweilen wird der Prämienaufwand den Organmitgliedern sogar direkt oder indirekt durch die Gesellschaft erstattet.82 Letzteres hält einige Unternehmen dem Vernehmen nach davon ab, – soweit nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG möglich – überhaupt Selbstbehalte in den Versicherungsvertrag aufzunehmen, da die Mehrkosten eine eventuelle Prämienersparnis nicht aufwiegen.

c) Die versicherungsvertragsrechtliche Einordnung der Selbstbehaltsversicherung Versicherungsvertragsrechtlich stellt die ergänzende Eigenversicherung über den Selbstbehalt im Verhältnis zu der durch die Gesellschaft genommenen D&O-Fremdversicherung zunächst eine Versicherung bei mehreren Versicherern im Sinn von § 77 VVG (§ 58 VVG alt)83 dar und löst mithin die entsprechende Anzeigepflicht aus, sofern die Eigenversicherung mit einem anderen Versicherer abgeschlossen wird als die mit dem Selbstbehalt versehene D&OVersicherung.84 § 77 VVG greift, weil sich beide Versicherungsverträge auf dasselbe Interesse und dieselbe Gefahr beziehen. Der Umstand, daß die D&OVersicherung für fremde Rechnung durch die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin abgeschlossen wird, bei der Eigenversicherung aber das versicherte Organmitglied selbst Versicherungsnehmer ist, schadet nicht, denn § 77 Abs. 1 VVG (§ 58 Abs. 1 VVG alt) ist über seinen Wortlaut hinaus auch auf Versicherungsverträge unterschiedlicher Versicherungsnehmer anwendbar, sofern sie dasselbe Interesse und dieselbe Gefahr betreffen.85 82 Vgl. Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 3. Aufl. 2008, Rn. 526. 83 Die Terminologie ist in der Literatur uneinheitlich: Teils heißt es, § 77 VVG regle die Mehrfachversicherung, und die Nebenversicherung sei lediglich ein Unterfall (der freilich nicht unter § 78 VVG fällt), vgl. Halbach, in: Münchener Kommentar VVG 2010, § 77 Rn. 1, 4 f. Teils heißt es, die Nebenversicherung sei keine Mehrfachversicherung, wobei insoweit wohl der Begriff der Mehrfachversicherung nur auf § 78 VVG, also den Fall der Überdeckung, bezogen wird, vgl. Wandt, Versicherungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 750. 84 Verschiedene Versicherer im Sinn von § 77 VVG (§ 58 VVG alt) liegen auch vor, wenn es sich um unterschiedliche Gesellschaften desselben Konzerns handelt, Kollhosser, in: Prölss/ Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 58 Rn. 4. 85 BGH, Urteil v. 25.1.1990 – I ZR 19/87, BGHZ 110, 156 (166); Kollhosser, in: Prölss/ Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 58 Rn. 10.

514 J. Die versicherungsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen zu der Freistellung Der Abschluß einer Eigenversicherung in Höhe der Selbstbeteiligung begründet eine Nebenversicherung und keine Mehrfachversicherung i.S.v. § 78 VVG (§ 59 VVG alt), weil keine Überdeckung eintritt. Zwar kann eine Mehrheit von Haftpflichtversicherungen nach § 78 VVG (§ 59 VVG alt) eine Mehrfachversicherung darstellen.86 Dies setzt aber voraus, daß die Summe der Entschädigungen, die von jedem einzelnen Versicherer ohne Bestehen der anderen Versicherung zu zahlen wäre, den Gesamtschaden übersteigt. Daran fehlt es, wenn die eine Versicherung sich in der Höhe auf die Selbstbeteiligung der anderen Versicherung beschränkt. Die Summe der Entschädigungen beider Versicherungen übersteigt dann nicht den Gesamtschaden.87 Eine Mehrfachversicherung nach § 78 VVG (§ 59 VVG alt) kann aber im Hinblick auf die Kosten des Rechtsschutzes nach § 101 Abs. 1 S. 1 VVG (§ 150 Abs. 1 S. 1 VVG alt) bestehen. Nach § 101 Abs. 1 S. 1 VVG (§ 150 Abs. 1 S. 1 VVG alt) gehören die Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Verteidigung gegen den durch einen Dritten geltend gemachten Anspruch zur Deckung der Haftpflichtversicherung. Wenn sich der Selbstbehalt auch auf die Kosten erstreckt, fehlt es insoweit an einer Mehrfachversicherung, da diesbezüglich keine Überversicherung eintritt. Sofern aber bei der als Fremdversicherung abgeschlossenen D&O-Haupt-Versicherung der Selbstbehalt die Kosten im Sinn von § 101 Abs. 1 S. 1 VVG (§ 150 Abs. 1 S. 1 VVG alt) nicht mit einbezieht, liegt diesbezüglich auf Grund der den Selbstbehalt abdeckenden Nebenversicherung eine Mehrfachversicherung vor, da in dieser Hinsicht die Summe der Entschädigungen, die von dem einzelnen Versicherer ohne Bestehen der anderen Versicherung zu leisten wären, den Gesamtschaden sub specie der Kosten überstiege. In bezug auf die Kosten der Rechtsverteidigung nach § 101 Abs. 1 S. 1 VVG (§ 150 Abs. 1 S. 1 VVG alt) müssen dann beide Versicherer gem. § 78 Abs. 1 VVG (§ 59 Abs. 1 VVG alt) als Gesamtschuldner einen entsprechenden Innenausgleich nach § 78 Abs. 2 VVG (§ 59 Abs. 2 VVG alt) vornehmen.88 Sofern die Eigenversicherung nicht auf einen Selbstbehalt beschränkt ist, liegt hingegen insgesamt eine Mehrfachversicherung mit den Rechtsfolgen des § 78 VVG (§ 59 VVG alt) vor.

86

Römer, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, § 59 Rn. 6. Vgl. insoweit zur Sachversicherung Kollhosser, in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl. 2004, § 59 Rn. 6; ebenso Kohleick, Die Doppelversicherung im deutschen Versicherungsvertragsrecht, 1999, S. 58 f. 88 Vgl. auch Langheid, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, §150 Rn. 13: „Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß den Haftpflichtversicherer im Haftpflichtprozeß nur eine anteilige Kostentragungspflicht trifft, wenn im Deckungsprozeß etwa eine nur anteilige Deckungspflicht des Versicherers festgestellt wurde.“ 87

II. Die versicherungsvertragsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen

515

d) Die vertragsrechtlichen Wechselwirkungen zwischen der D&O-Police und der Selbstbehaltsversicherung sowie daraus resultierende Risiken Was die Ausgestaltung der Selbstbehaltsversicherung anbelangt, ist ferner im konkreten Fall zu prüfen, ob sie den gewünschten Effekt einer Aufhebung des Eigenanteils erzielt und nicht lediglich zu einer Verschiebung des Selbstbehalts führt. Wenn also beispielsweise ein Selbstbehalt in Höhe von EUR 250.000 vereinbart ist, könnte die versicherte Person eine Selbstbehaltsversicherung in dieser Höhe bei einem anderen Versicherer abschließen. Dies würde dann dazu führen, daß hinsichtlich der ersten EUR 250.000 dieser SelbstbehaltsVersicherer eintreten muß. Überstiegt der Schaden EUR 250.000, ist fraglich, ob sodann unmittelbar der D&O-Versicherer deckungspflichtig wird oder vielmehr ab dieser Schwelle zunächst bis zu einer Höhe von EUR 500.000 der vereinbarte Selbstbehalt greift. Der Selbstbehalt würde sich dann gleichsam „nach oben“ verschieben. Der D&O-Versicherer würde mithin erst ab einer Schadensumme von mehr als EUR 500.000 deckungspflichtig. Ob ein solcher Effekt durch den Abschluß der Selbstbehaltsversicherung eintritt, hängt vom wording des Selbstbehalts in den D&O-AVB ab. Heißt es dort etwa, daß der D&O-Versicherer nur nachrangig gegenüber anderen Versicherungen einsteht und ferner von seiner Leistungspflicht ein Eigenanteil der versicherten Person – im Beispielsfall i.H.v. EUR 250.000 – abzuziehen ist, kann der gewünschte Zweck der Selbstbehaltsversicherung jedenfalls bei Schäden oberhalb der jeweiligen Grenze verfehlt werden.

5. Die D&O-Singularhaftpflichtversicherung Die D&O-Versicherung ist eine typische Fremdversicherung, welche die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin für ihre Organmitglieder und leitenden Angestellten als versicherte Personen abschließt. Singularhaftpflichtversicherungen der Organmitglieder, auch als Personal-D&O oder Individual-D&OVersicherung bezeichnet, haben – vorbehaltlich der soeben angesprochenen Selbstbehaltsversicherung89 – hingegen kaum Bedeutung.90 Der Aufwand entsprechender Kalkulationen und der Pflege der Bedingungswerke wird seitens der Versicherer in Relation zu dem möglichen Ertrag mit diesem Produkt angesichts der geringen Nachfrage überwiegend als zu hoch eingestuft. Wie berichtet wird, werden Singulardeckungen dennoch am Markt vereinzelt 89 Strukturell ist die Selbstbehaltsversicherung lediglich eine spezielle D&O-Singularhaftpflichtversicherung. 90 Küppers/Dettmeier/Koch, DStR 2002, 199 (202); Baumann, VersR 2006, 455 (457 f.).

516 J. Die versicherungsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen zu der Freistellung angeboten. Aus der Praxis heißt es ferner, daß die Gesellschaften bisweilen auch bereit seien, die Prämien solcher Singularhaftpflichtversicherungen direkt oder indirekt zu erstatten,91 wenngleich auch gegenteilige Einschätzungen vertreten werden. Einen Anspruch auf Übernahme der Prämien durch die Gesellschaft hat das Organmitglied aber nicht.92 Als Kunden für die Singularhaftpflichtversicherungen kommen etwa Interimsmanager in Betracht. Es sind auch Konstellationen denkbar, in denen beispielsweise das Management einer deutschen Niederlassung eines ausländischen Unternehmens für die Tätigkeiten in Deutschland entsprechende Deckung wünscht, das Mutterunternehmen aber nicht über D&O-Versicherungsschutz verfügt und einen solchen auch nicht zugunsten des deutschen Managements vorhalten will. So heißt es teilweise, daß im asiatischen Rechtskreis aus Gründen eines anderen kulturellen Verständnisses unternehmerischer Verantwortung noch eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Rechtsprodukt D&OVersicherung bestünde. Ähnliche Fälle kann es in ehemals familiengeführten mittelständischen Unternehmen geben, die nie über D&O-Deckung verfügten und nun erstmalig einen Fremdgeschäftsführer anstellen, der eine entsprechende Absicherung wünscht. Als verbreitet werden im Markt Deckungssummen von EUR 2 – 3 Mio., in Sonderfällen auch bis zu EUR 10 Mio., genannt bei relativ günstigen Prämien von bis zu EUR 7.000 für eine Deckungssumme von EUR 10 Mio. Für die geringe Verbreitung von Singularhaftpflichtversicherungen ist wohl noch ein weiterer Grund verantwortlich. Das Risiko wird bei der Singularhaftpflichtversicherung – anders als bei der regeltypischen D&O-Fremdversicherung – grundsätzlich nicht unternehmensbezogen, sondern personenbezogen kalkuliert. Dies macht eine Offenlegung der individuellen Risikostruktur des einzelnen Versicherungsnehmers erforderlich, was die Kalkulation erschwert und sich für das Organmitglied als Hemmschwelle vor dem Vertragsschluß darstellen kann.

91 Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 3. Aufl. 2008, Rn. 526. 92 Teil E. VIII.

517

K. Die steuerrechtliche Behandlung der D&O-Versicherung und der Freistellung I. Die Freistellungsvereinbarung 1. Der Freistellungsempfänger Eine durch die Gesellschaft bewirkte Freistellung stellt beim Freistellungsgläubiger Arbeitslohn i.S.v. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar.1 Auch Aufwandsentschädigungen sind Arbeitslohn, soweit es sich nicht um durchlaufende Gelder oder Auslagenersatz handelt. 2 Daher müssen Leistungen aufgrund eines Freistellungsanspruchs auch dann als Arbeitslohn qualifiziert werden, wenn der Anspruch nicht auf einer Vereinbarung, sondern auf gesetzlicher Grundlage wegen Risikozurechnung gegenüber dem Geschäftsherrn beruht.3 Die Erstattung von Geldstrafen und -bußen4 ist steuerrechtlich ebenfalls als Arbeitslohn zu qualifizieren. 5 Aufsichtsratsmitglieder erhalten im Gegensatz zu Vorstandsmitgliedern oder Geschäftsführern für ihre Tätigkeit zwar keinen Arbeitslohn, sondern Einkünfte aus selbständiger Arbeit gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.6 Leistungen aufgrund einer Freistellungsverpflichtung gelten aber auch insoweit als Einkünfte, so daß Aufsichtsratsmitglieder steuerlich nicht anders behandelt werden als Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer.7 Die Leistungen aufgrund einer Freistellungspflicht unterliegen also voll der progressiven Besteuerung. In bezug auf die Erstattung von Geldbußen und -stra1 RFH, Urteil v. 17.4.1935 – VI A 183/35, RStBl. 1935, 1206; Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555 (577); Kapp, NJW 1992, 2796 (2799). 2 Vgl. BFH, Urteil v. 2.10.1968 – VI R 25/68 BStBl II 69, 185: „Nach § 19 EStG (§ 2 Abs. 1 LStDV) ist Arbeitslohn alles, was dem Arbeitnehmer für seine Beschäftigung gewährt wird, und zwar ohne Rücksicht darauf, unter welcher Bezeichnung dies geschieht.“; Drenseck, in: Schmidt, EStG 27. Aufl. 2008, § 19 Rn. 50 unter „Aufwandsentschädigung“. 3 Teil E. I. 4 Hierzu Teil G. XIV. 5 Drenseck, in: Schmidt, EStG 27. Aufl. 2008, § 19 Rn. 50 unter „Geldbuße/-Strafe“; Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555 (577); Kapp, NJW 1992, 2796 (2799). 6 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 130. 7 Zum Vergütungscharakter von Aufwandsentschädigungen zugunsten von Aufsichtsratsmitgliedern vgl. Wacker, in: Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 18 Rn. 150.

518 K. Die steuerrechtliche Behandlung der D&O-Versicherung und der Freistellung fen ist zu berücksichtigen, daß die Zahlung der Buße oder Strafe für den Betroffenen und Freistellungsempfänger gem. §§ 12 Nr. 4 bzw. §§ 9 Abs. 5, 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG sowie ggf. § 10 Nr. 3 KStG nicht abzugsfähig ist.8 Es kommt beim Freistellungsempfänger also zu einer „Steuer-Schere“, da er die Erstattungsleistung versteuern muß, die an den Gläubiger geleisteten Zahlungen hingegen nicht abzugsfähig sind. Wenn der Freistellungsempfänger gänzlich schadlos gestellt werden soll, muß dieser Steuernachteil kompensiert werden und die Freistellungsleistung auch diesen Teil des Schadens abdecken.9

2. Der Freistellungsschuldner Auf Seiten des Freistellungsschuldners sind die entsprechenden Aufwendungen der Freistellung als Betriebsausgaben absetzbar, sofern sie betrieblich veranlaßt sind. Eine betriebliche Veranlassung liegt insbesondere vor, wenn sie Teil des Arbeitslohns des Freistellungsgläubigers sind.10 Dies gilt auch, wenn es sich um eine Freistellung von Geldstrafen oder -bußen handelt.11 Der BFH hatte zwar in einem Urteil von 1957 noch die Abzugsfähigkeit mit der Begründung verneint, daß dies dem Sanktionszweck zuwiderlaufe.12 Durch einen Beschluß des großen Senats des BFH vom 21. November 198313 ist diese Judikatur aber überholt. Gegen die Abzugsfähigkeit ist nichts einzuwenden, weil die Strafe bzw. Buße beim Betroffenen nach wie vor nicht abzugsfähig ist.14 Soweit es sich bei dem Organmitglied um einen beherrschenden Gesellschafter der Aktiengesellschaft oder GmbH handelt, ist noch zu berücksichtigen, daß eine Freistellungsleistung durch die Gesellschaft15 eine verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG darstellen kann.16 Was die Entlastung von einem Organhaftungstatbestand angeht, wird üblicherweise eine verdeckte Gewinnausschüttung verneint, weil die Haftung aus der Organstellung herrührt und nicht aus der zugleich gegebenen Gesellschaftereigenschaft.17 Die Enthaftung begründet dann lediglich Einkünfte des betreffenden Organmitglieds.18 8

Kapp, NJW 1992, 2796 (2799). Ignor/Rixen, wistra 2000, 448; Kapp, NJW 1992, 2796 (2799). 10 Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555 (577); Kapp, NJW 1992, 2796 (2799). 11 Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555 (577); Kapp, NJW 1992, 2796 (2799). 12 BFH, Urteil v. 10.09.1957 – I 322/56 S, BFHE 65, 471 = NJW 1958, 119. 13 BFH Großer Senat, Beschluß v. 21.11.1983 – GrS 2/82, BFHE 140, 50 = NJW 1984, 1054 = BB 1984, 450. 14 Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555 (577). 15 Zu den Beschränkungen der Möglichkeit von Freistellungsvereinbarungen zwischen Gesellschaft und Organmitglied siehe Teil B. II. 1. 16 Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555 (577); Kapp, NJW 1992, 2796 (2799). 17 Schwedhelm, in: Streck, KStG, 6. Aufl. 2003, § 8 Rn. 150 unter „Haftung“ unter 2. 18 Schwedhelm, in: Streck, KStG, 6. Aufl. 2003, § 8 Rn. 150 unter „Haftung“ unter 2. 9

II. Die D&O-Versicherung

519

Sofern die Voraussetzungen eines Konzernhaftungstatbestands vorliegen, soll die Freistellung hingegen eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen können.19 Die Qualifizierung der Übernahme von Geldstrafen und -bußen für das Gesellschafter-Organmitglied durch die Gesellschaft als verdeckte Gewinnausschüttung ist strittig. Nach einer Ansicht soll es darauf ankommen, ob die Freistellung zuvor vertraglich vereinbart war. Bejahendenfalls soll Arbeitslohn vorliegen und keine verdeckte Gewinnausschüttung. 20 Fehlt es an einer Vereinbarung, soll hingegen eine verdeckte Gewinnausschüttung gegeben sein, die das zu versteuernde Einkommen der Gesellschaft nicht mindern darf.21 Überzeugender ist es, nur auf den Zusammenhang der Erstattung abzustellen. So ist die Übernahme von Strafen und Geldbußen für das Organmitglied als Arbeitslohn anzusehen, wenn das Delikt mit dem Dienstverhältnis zusammenhängt; andernfalls liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor.22

II. Die D&O-Versicherung 1. Die versicherten Personen a) Die Vorstandsmitglieder und die Geschäftsführer aa) Die steuerliche Einordnung der Charakteristika der D&O-Versicherung Die Finanzverwaltung hat ursprünglich die Ansicht vertreten, daß es sich bei den Prämien in bezug auf Vorstände und Geschäftsführer23 sowie ggf. leitende Angestellte um steuerpflichtige Einkünfte im Sinn des § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 19 EStG handele. Die Lohnsteuerreferenten der Länder hatten im Herbst 2000 sogar einen entsprechenden Beschluß getroffen.24 Dem lag die Auffassung zugrunde, 19 Zu den Voraussetzungen im einzelnen Schwedhelm, in: Streck, KStG, 6. Aufl. 2003, § 8 Rn. 150 unter „Haftung“ bei 3. 20 Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555 (577). 21 Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555 (577). 22 Schwedhelm, in: Streck, KStG, 6. Aufl. 2003, § 8 Rn. 150 unter „Strafen“. 23 Unabhängig von ihrer arbeitsrechtlichen Qualifizierung erzielen Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550. 24 Kästner, DStR 2001, 422 (423); Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 239. Es wird berichtet, daß sich die Lohnsteuerreferenten der Länder und des Bundes zunächst darauf geeinigt hätten, daß die vom Unternehmen entrichteten Prämien bei versicherten natürlichen Personen einkommensteuer- und bei Angestellten lohnsteuerpflichtig seien. Dem Vernehmen nach gab es auch dahingehende Verwaltungsvorschriften der Finanzverwaltungen, daß die von den Gesellschaften gezahlten Prämien bei Organmitgliedern zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führten. Dessen Höhe sollte sich zunächst nach der Zuordnung

520 K. Die steuerrechtliche Behandlung der D&O-Versicherung und der Freistellung daß die D&O-Versicherung vorrangig das private Vermögen der Organmitglieder schütze und erst in zweiter Linie das Vermögen der Gesellschaft.25 Diese Ansicht sah sich dem Einwand ausgesetzt, daß sich die Eigenschaft als Bezüge oder Vorteile i.S.v. § 19 EStG nicht nach dem hierfür maßgeblichen Veranlassungsprinzip begründen ließ, wonach die Leistung des Dienstberechtigten eine Gegenleistung für die Dienste des Verpflichteten darstellen muß. Die D&O-Versicherung ist als Gruppenversicherung von dem einzelnen Anstellungsverhältnis losgelöst. Der D&O-Versicherungsvertrag kann mithin nicht durch das einzelne Anstellungsverhältnis veranlaßt sein. 26 Nach den Grundsätzen der sog. Pauschalzuweisung liegt eine Gegenleistung nicht mehr vor, wenn die Leistung des Dienstverpflichteten entfallen kann, ohne daß dies die in Rede stehende Leistung des Dienstberechtigten beeinflussen würde. 27 So verhält es sich bei der D&O-Versicherung, denn diese wird in der Praxis entindividualisiert abgeschlossen. Die Prämie berechnet sich allein anhand der unternehmensbezogenen Risikofaktoren. Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf alle ehemaligen, gegenwärtigen und künftigen Organmitglieder. 28 Hinzu kommt, daß ein steuerbarer Arbeitslohn selbst bei Vorliegen einer betrieblichen Veranlassung zu verneinen ist, wenn die Aufwendungen im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen. 29 Dies ist bei der D&OVersicherung der Fall.30 Ungeachtet dessen fehlt es bei der D&O-Fremdversicherung ohnehin nach dem maßgeblichen Zuflußprinzip an der Eigenschaft als Arbeitslohn. Denn an einem Vermögenszufluß soll es sub specie des Steuerrechts bei der Fremdversicherung fehlen, wenn die betreffende Person den Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht eigenständig und unabhängig geltend machen kann, sondern dies wegen § 44 Abs. 1 S. 2 VVG (§ 75 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 VVG alt) durch die Versicherungsnehmerin erfolgt. 31 So liegt es bei der D&O-Versicherung prinzipiell, so daß auch aus diesem Grund die Steuerbarkeit zu verneinen ist.32 Des weiteren ist die Annahme steuerpflichtigen Arbeitslohns ausgeschlossen, wenn es sich um eine sog. aufgedrängte Bereicherung handelt, der Vorteil der Versicherungsprämie zu den versicherten Risiken bestimmen. Dieser Betrag sollte dann durch Aufteilung nach der versicherten Personenzahl den Arbeitnehmern zugerechnet werden; hierzu Küppers/Dettmeier/Koch, DStR 2002, 199. 25 So in der Literatur auch Kästner, DStR 2001, 195 (198). 26 Dreher, DB 2001, 996 (997). 27 Vgl. BFH, Urteil v. 27.6.1991 – VI R 3/87, BStBl. II 1992, 365 (366) = DB 1991, 2421. 28 Teil G. I. 1. b). 29 Vgl. BFH, Urteil v. 17.9.1982 – VI R 75/79, BStBl. II 1983, 39 (41) = DB 1983, 156; Dreher, DB 2001, 996 (997). 30 Ausführlich Teil F. II. 1. b) bb); ferner Dreher, DB 2001, 996 (997); ders., DB 2005, 1669 f.; Graf von Westphalen, DB 2005, 431 (432). 31 BFH, Urteil v. 13.4.1976 – VI R 216/72, BStBl. II 1976, 694 (696) = DB 1976, 1798; BFH, Urteil v. 16.4.1999 – VI R 60/96, BStBl. II 2000, 406 (407) = DB 1999, 1584. 32 Steinkühler, VW 2005, 1768 (1769); Dreher, DB 2001, 996 (998).

II. Die D&O-Versicherung

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dem Betreffenden also unabhängig von dessen Willen zufließt. 33 Dies ist bei der D&O-Versicherung der Fall, da sie in entindividualisierter Art und Weise sämtliche Mitglieder des Organs erfaßt, ohne daß diese dem Fremdversicherungsschutz zuzustimmen hätten.34 Die Organmitglieder wissen bisweilen nicht einmal vom Bestehen des Versicherungsvertrags. Ferner setzt das Vorliegen eines steuerbaren Vorteils die Marktgängigkeit der Zuwendung voraus. 35 Dieses Kriterium dient dem Zweck, den Wert des Vorteils zu bestimmen. Nun ist aber die D&O-Gruppenversicherung nicht mit einer Bündelung von Einzelpolicen vergleichbar, sondern stellt ein eigenständiges Versicherungsprodukt dar, das überwiegend dem Unternehmensinteresse dient und sich daher auch an der Risikostruktur des Unternehmens ausrichtet. Die Marktgängigkeit in Betreff des einzelnen Organmitglieds läßt sich daher nicht unter Bezugnahme auf am Markt verfügbare Einzelpolicen bestimmen, 36 zumal solche in der Praxis kaum angeboten werden.37 Es müßte also der auf das einzelne Organmitglied entfallende „Anteil“ an der Deckung bzw. Prämie ermittelt werden, was nicht möglich ist.38 Da die frühere Ansicht der Finanzbehörden aus den vorgenannten Gründen mit der modernen D&O-Versicherung als einer im Unternehmensinteresse abgeschlossenen und sich am unternehmensspezifischen Risiko orientierenden Gruppen-Fremdversicherung nicht mehr im Einklang war, wurde sie mittlerweile aufgegeben. Das Finanzministerium Niedersachsen hat die Praxis nach entsprechenden Vorabreiten in der Literatur39 durch Erlaß vom 25. Januar 2002, der im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und den obersten Finanzbehörden der anderen Länder erging, geändert;40 ein inhaltsgleiches Schreiben vom 24. Januar 2002 hat das Bundesfinanzministerium an den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. gerichtet.41 Daß die Prämien der gesellschaftsfinanzierten D&O-Versicherung keinen Arbeitslohn darstellen, könnte indes möglicherweise durch eine neuere Entscheidung des BFH zur Berufshaftpflichtversicherung angestellter Rechtsan33 BFH, Urteile v. 17.9.1982 – VI R 75/79, BStBl. II 1983, 39 (42); BFH, Urteil v. 29.11.2000 – I R 102/99, BStBl. II 2001, 195 (197). 34 Dreher, DB 2001, 996 (997 f.); Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, 235. 35 Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 236; vgl. auch Drenseck, in: Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 19 Rn. 30. 36 Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 236. 37 Küppers/Dettmeier/Koch, DStR 2002, 199 (202). Zur Singularhaftpflichtversicherung der Organmitglieder vgl. H. Baumann, VersR 2006, 455 (457 f.). 38 S. hierzu die Ausführungen zum Fehlen des Vergütungscharakters; wie hier in steuerrechtlicher Hinsicht auch Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, 1997, S. 308; Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 236 f. 39 Dreher, DB 2001, 996 ff. 40 Erlaß des Finanzministeriums Niedersachsen vom 25.1.2002 – S 2332 – 161 – 35 / S 2245 – 21 – 31 2, abgedr. in: DB 2002, 399 f. = DStR 2002, 678 = DStZ 2002, 577. 41 Hierzu Steinkühler, VW 2005, 1768.

522 K. Die steuerrechtliche Behandlung der D&O-Versicherung und der Freistellung wälte in Frage gestellt sein.42 Der BFH43 hat dort geurteilt, daß die Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung durch den Arbeitgeber deshalb zu Arbeitslohn führt, weil die Rechtsanwälte nach § 51 BRAO zu dem Abschluß einer solchen Versicherung verpflichtet sind. Nach Ansicht des BFH belege dies, daß ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse der Rechtsanwaltssozietät als Arbeitgeber nicht gegeben sei.44 Fraglich ist also, ob die D&O-Versicherung als Berufshaftpflichtversicherung qualifiziert und diese Rechtsprechung auf sie übertragen werden kann. Die Literatur ordnet die D&O-Versicherung in der Tat teilweise nicht nur als Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung ein, sondern im Hinblick auf die erfaßten berufsbezogenen Haftungsrisiken aus Organtätigkeit auch als Berufshaftpflichtversicherung.45 Dennoch kann die Rechtsprechung des BFH zur Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte nicht auf die D&O-Versicherung angewandt werden. Denn der für den BFH maßgebliche Umstand in steuerrechtlicher Hinsicht war die gesetzliche Versicherungspflicht nach § 51 BRAO.46 Zum Abschluß der D&O-Versicherung besteht hingegen keine Pflicht. Vielfach wissen noch nicht einmal alle versicherten Personen von der Existenz dieser Versicherung. Deshalb ist auch unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung zur Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte hinsichtlich der D&O-Versicherung weiterhin im Einklang mit der Finanzverwaltung im Grundsatz davon auszugehen, daß die D&O-Police primär im Interesse der Gesellschaft liegt.47 Die Versicherungsprämien sind bei Versicherten, die steuerrechtlich als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind, also insbesondere bei Vorständen und Geschäftsführern,48 grundsätzlich nicht mehr als steuerpflichtiger Arbeitslohn anzusehen.49 Die D&O-Versicherung muß hierfür nach dem Erlaß des Finanzministeriums Niedersachsen und dem insoweit inhaltsgleichen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen aber die folgenden vier Voraussetzungen erfüllen: 42

Hierzu auch Dreher, AG 2008, 429 (437). BFH, Urteil v. 26.7.2007 – VI R 64/06, DStR 2007, 1572. 44 Leitsatz: „Die Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung einer angestellten Rechtsanwältin durch den Arbeitgeber führt zu Arbeitslohn, weil diese gemäß § 51 BRAO zum Abschluss der Versicherung verpflichtet ist und deshalb ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers ausscheidet“ 45 So Pant, in: Hauschka, Corporate Compliance, 2007, § 12 Rn. 6. 46 § 51 Abs. 1 S. 1 BRAO: „Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abzuschließen und die Versicherung während der Dauer seiner Zulassung aufrechtzuerhalten.“ 47 Dreher, AG 2008, 429 (437). 48 Zur steuerrechtlichen Arbeitnehmereigenschaft Drenseck, in: Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 19 Rn. 4, 15. Davon zu trennen ist der arbeitsrechtliche Arbeitnehmebegriff, der vorliegend keine Rolle spielt. 49 Vetter, AG 2000, 453 (458); Dreher, AG 2008, 429 (437). 43

II. Die D&O-Versicherung

523

1. Es muß sich bei der D&O-Versicherung um eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung handeln, die in erster Linie der Absicherung des Unternehmens oder des Unternehmenswerts gegen Schadenersatzforderungen Dritter gegenüber dem Unternehmen dient, die ihren Grund in dem Tätigwerden oder Untätigbleiben der für das Unternehmen verantwortlich handelnden und entscheidenden Organe und Leitungsverantwortlichen haben. 2. Die D&O-Verträge müssen besondere Klauseln zur Firmenhaftung oder company reimbursement enthalten, die im Ergebnis dazu führen, daß der Versicherungsanspruch aus der Versicherungsleistung dem Unternehmen als Versicherungsnehmer zusteht. 3. Des Weiteren muß die D&O-Versicherung dadurch gekennzeichnet sein, daß regelmäßig das Management als Ganzes versichert ist und Versicherungsschutz für einzelne Personen nicht in Betracht kommt. 4. Es wird außerdem vorausgesetzt, daß die Basis der Prämienkalkulation nicht individuelle Merkmale der versicherten Organmitglieder sind, sondern Betriebsdaten des Unternehmens und dabei die Versicherungssummen deutlich höher liegen als typischerweise das Privatvermögen. Inwieweit die D&O-Versicherungen in ihrer modernen Form, insbesondere in Anlehnung an die Musterbedingungen des GDV, diese Voraussetzungen erfüllen, ist im folgenden zu untersuchen.50

bb) Die steuerrechtlichen Abgrenzungskriterien im einzelnen (I.) Die Versicherung des eigenbetrieblichen Risikos Die D&O-Versicherung dient einem überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse der Gesellschaft. Sie bietet dieser ein Regreßpotential, das i.d.R. weit über das persönliche Vermögen der Organmitglieder hinausgeht, so daß sie das Ausfallrisiko der Gesellschaft auffängt und also in erster Linie das betriebliche Risiko versichert ist.51 Allerdings ist zu berücksichtigen, daß ca. 70 % der Schadenfälle nach Schätzungen der Praxis Innenhaftungsfälle sind.52,53 Angesichts dessen ist fraglich, ob die D&O-Versicherung einen überwiegenden Schutz vor Drittansprüchen bewirkt, wie dies die steuerlichen Beurteilungsgrundsätze verlangen.54 50 Daß die Voraussetzungen regelmäßig vorliegen, wurde oben Teil F. II. 1. b) bb) (V.) bereits gesagt. Im folgenden sind die Grenzfragen näher zu betrachten. 51 Vgl. Olbrich, die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 234; Steinkühler, VW 2005, 1768. 52 Steinkühler, VW 2005, 1768 (1769). 53 Im US-amerikanischen Rechtskreis spielen die Innenhaftungsfälle ein untergeordnete Rolle gegenüber den Außenhaftungsansprüchen. Sofern die D&O-Versicherung Tätigkeiten in den USA abdeckt, ist daher ein überwiegender Schutz gegen Drittansprüche i.S.d. deutschen steuerrechtlichen Erfordernisse i.d.R. ohne weiteres gegeben (Steinkühler, VW 2005, 1768 (1769)). Allerdings sehen die Versicherungsbedingungen auf dem deutschen Markt vielfach den Ausschluß von Haftungsfällen in den USA vor, so daß dieser Aspekt entfällt. 54 Steinkühler, VW 2005, 1768 (1769).

524 K. Die steuerrechtliche Behandlung der D&O-Versicherung und der Freistellung Die vorwiegende Absicherung gegen Drittansprüche wird aber schon daran deutlich, daß die D&O-Versicherung in ihrer modernen Form vielfach mit einer entity-coverage kombiniert ist, die als company reimbursement coverage eventuelle Freistellungspflichten der Gesellschaft gegenüber dem Organmitglied abdeckt und darüber hinausgehend weitere Außenhaftungsrisiken der Gesellschaft erfassen kann.55 Zwar ist diese Ergänzung des Versicherungsschutzes nicht Bestandteil der eigentlichen Organhaftpflicht, weil insoweit das Unternehmen Versicherter ist.56 Das kann aber nicht bedeuten, daß die entity-Deckung für die steuerliche Beurteilung irrelevant ist. Denn sie gehört als integraler Bestandteil zum Rechtsprodukt der D&O-Versicherung.57 Auch wenn ein Großteil der D&O-Haftungsfälle Innenhaftungsansprüche betrifft, resultieren diese im übrigen vielfach wiederum aus Schadenersatzansprüchen, die zunächst gegen das Unternehmen erhoben werden und sodann im Regreßweg beim Organmitglied von der Gesellschaft eingefordert werden. 58 Im wirtschaftlichen Ergebnis sichert daher die D&O-Versicherung auch in bezug auf die Innenhaftungsansprüche das Unternehmen gegen die Folgen von Drittansprüchen ab.59 Demgemäß werden bei der Prämienkalkulation gerade die betrieblichen Daten herangezogen, und es wird nicht auf das individuelle Haftungsrisiko der einzelnen Organmitglieder abgestellt.

(II.) Das Erfordernis des der Versicherungsnehmerin zustehenden Anspruchs auf die Versicherungsleistung Auch die zweite Voraussetzung, wonach der Anspruch auf die Leistung der Versicherungsnehmerin zustehen muß, wird durch die D&O-Versicherung typischerweise erfüllt. Das Organmitglied kann den Anspruch auf die Versicherungsleistung nämlich wegen § 44 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 VVG (§ 75 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 VVG alt) nicht eigenständig und unabhängig von der Versicherungsnehmerin geltend machen,60 soweit die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin im Besitz des Versicherungsscheins ist.61 Im übrigen kann die Abtretung des Deckungsanspruchs des Versicherten an die Versicherungsnehmerin gem. § 108 Abs. 2 VVG nicht mehr durch AVB ausgeschlossen werden.62 Erlangt die

55

Siehe hierzu Teil G. I. 1. g). Steinkühler, VW 2005, 1768 (1769) will die entity-Deckung daher im steuerlichen Zusammenhang nicht als einen gegen Drittansprüche gerichteten Faktor der eigentlichen D&O-Versicherung berücksichtigen. 57 Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (299). 58 Steinkühler, VW 2005, 1768 (1769). 59 So auch Steinkühler, VW 2005, 1768 (1769). 60 Steinkühler, VW 2005, 1768 (1769); Dreher, DB 2001, 996 (998). 61 Steinkühler, VW 2005, 1768 (1769). 62 Dazu Teil I. II. 1. d). 56

II. Die D&O-Versicherung

525

Versicherungsnehmerin auf diese Weise den Deckungsanspruch, unterstreicht dies, daß die Prämien steuerlich nicht als Arbeitslohn zu qualifizieren sind. Die Bedingungswerke formulieren trotzdem teilweise, daß der versicherten Person eine „eigene Rechtsposition“ aus dem Vertrag zukommt.63 Wenn hierdurch nur aus Gründen der „Vertragskosmetik“ die Rechtsstellung des Versicherten besonders günstig umschrieben werden soll, ohne daß sich etwas an der Kompetenz der Versicherungsnehmerin zur Geltendmachung ändert, kann sich dies nicht steuerlich nachteilig auswirken. 64 Denn es kommt auch im Steuerrecht auf den materiellen Gehalt der Klausel an und nicht auf die Wortwahl. Dennoch empfiehlt es sich, die Auszahlung an die Versicherungsnehmerin erfolgen zu lassen und nicht direkt an den Versicherten, um aus steuerlicher Sicht keinen Zweifel an der Kompetenz der Versicherungsnehmerin zur Geltendmachung des Anspruchs aufkommen zu lassen. 65 Soweit Ansprüche der Gesellschaft als Versicherte im Bereich der entityDeckung, namentlich aufgrund von allocation-Regelungen oder einer company reimbursement-Klausel in Rede stehen, liegt ohnehin ein allein der Gesellschaft zustehender Anspruch vor, was zusätzlich gegen die Eigenschaft der in der Regel einheitlich berechneten Prämie66 als Arbeitslohn spricht.67

(III.) Die Versicherung des Managements als Ganzes Die D&O-Versicherung wird regelmäßig personenunabhängig auf alle ehemaligen, gegenwärtigen und künftigen Organmitglieder, ggf. ergänzt um in bestimmter Hinsicht konkretisierte leitende Angestellte, bezogen. Eine individuelle Versicherung einzelner Personen findet bei der hier in Rede stehenden typischen D&O-Fremdversicherung nicht statt. Auch die dritte steuerliche Voraussetzung zur Abgrenzung von Arbeitslohn ist daher regelmäßig erfüllt. Wenn abweichend von dieser Regel einzelne Personen vom Deckungsschutz ausgenommen sind, kann dies dann jedoch – abhängig von der Größe der Organe und der Anzahl der ausgeschlossenen Personen – dazu führen, daß das Merkmal der Versicherung des gesamten Managements entfällt und die Prämien von den Finanzbehörden infolgedessen als Arbeitslohn für die versicherten Personen qualifiziert werden.68

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Siehe die Nachweise bei Steinkühler, VW 2005, 1768 (1770). Anders Steinkühler, VW 2005, 1768 (1770), der dann die Gefahr sieht, daß das zweite Kriterium zur Abgrenzung vom Arbeitslohn als nicht mehr erfüllt angesehen wird. 65 Steinkühler, VW 2005, 1768 (1770). 66 Es wird also eine einheitliche Prämie für den Haftpflicht-Teil und die entity-Deckung vereinbart; vgl. Dreher, ZHR 165 (2001), 293 (301). 67 Vgl. Steinkühler, VW 2005, 1768 (1770). 68 Steinkühler, VW 2005, 1768 (1770). 64

526 K. Die steuerrechtliche Behandlung der D&O-Versicherung und der Freistellung

(IV.) Die entindividualisierte Prämienberechnung und die Höhe der Versicherungssumme oberhalb des üblichen Privatvermögens Bei der Prämienkalkulation werden die betrieblichen Daten des Unternehmens herangezogen, und es wird nicht auf das individuelle Haftungsrisiko der einzelnen Mitglieder abgestellt.69 Etwas anderes ergäbe auch im Hinblick auf die Versicherung des Managements als Ganzes keinen Sinn. Die Versicherungssumme liegt auch regelmäßig oberhalb des üblichen Privatvermögens. In der Praxis werden Versicherungssummen von bis zu EUR 500.000.000 als keine Ausnahme angesehen.70 Dieses Kriterium kann aber im – freilich eher theoretischen – Einzelfall zu verneinen sein, wenn die Versicherungssumme besonders niedrig festgelegt wurde und gleichzeitig einzelne Organmitglieder außergewöhnlich hohe feste oder variable Vergütungen erhalten.71 Ferner wurde im Zusammenhang mit dem Erfordernis der entindividualisierten Prämienberechnung die Frage aufgeworfen, ob die Vereinbarung eines Selbstbehalts sich auf die steuerrechtliche Behandlung der D&O-Versicherung auswirkt.72 Da die individuellen Merkmale der Versicherten nicht Grundlage der Prämienkalkulation sein dürfen, könnte die Vereinbarung eines Selbstbehalts dazu führen, daß die D&O-Versicherung als steuerpflichtiger Arbeitslohn einzustufen ist, wenn hierdurch eine Prämienreduzierung erreicht würde. Man könnte den Selbstbehalt dann als ein solches individuelles Merkmal ansehen, das sich auf die Prämienhöhe auswirkt. Diese Betrachtung wäre jedoch nicht überzeugend.73 Der Selbstbehalt ist schon kein individuelles Merkmal im Sinn des steuerrechtlichen Kriteriums, da er nicht die Haftungswahrscheinlichkeit in concreto betrifft, sondern den Umfang der Versicherungsleistung. Ferner ist auch bei der Anwendung des Kriteriums der entindividualisierten Prämienkalkulation immer der übergeordnete Maßstab der steuerrechtlichen Betrachtung zu berücksichtigen. Die Qualifizierung als steuerpflichtiger Arbeitslohn soll dann entfallen, wenn die Versicherung im überwiegenden Unternehmensinteresse liegt. Sofern ein Selbstbehalt zu einer Prämienreduzierung führt, unterstreicht dies aber gerade die Bedeutung des Unternehmensinteresses an dem konkreten Versicherungsvertrag. Hinzu kommt, daß sich der Selbstbehalt für das Organmitglied ausschließlich nachteilig auswirkt. Nicht 69

Dazu soeben II. 1. a) aa) sowie Teil J. I. 1. b) bb) (III.) (2.) (g). Dreher, DB 2001, 996 (998): eine Mrd. DM; ferner Küppers/Dettmeier/Koch, DStR 2002, 199 (202); zu Deckungssummen von mehreren hundert Millionen DM Rieger-Goroncy, NVwZ 1999, 247. 71 Steinkühler weist in diesem Zusammenhang auf einen Fall hin, in dem sich die Vergütung eines Organmitglieds auf einen dreistelligen Millionenbetrag belief, was im Einzelfall theoretisch unter der Deckungssumme einer D&O-Versicherung liegen kann; Steinkühler, VW 2005, 1768 (1770). 72 Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2325). 73 Ablehnend auch Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 (2325). 70

II. Die D&O-Versicherung

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zuletzt deshalb wäre es widersinnig, gerade mit dieser Begründung von steuerpflichtigem Arbeitslohn auszugehen.

b) Die Aufsichtsratsmitglieder Die Praxis gilt gemäß dem Erlaß des Finanzministeriums Niedersachsen vom 25. Januar 2002 für Aufsichtsratsmitglieder entsprechend.74 Diese erhalten für ihre Tätigkeit keinen Arbeitslohn, sondern erzielen Einkünfte aus selbständiger Arbeit gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Die steuerbare Einkunft i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG ist der Gewinn, dessen Ermittlung sich nach § 4 EStG richtet. Der Gewinn wird in der Regel nach § 4 Abs. 3 EStG durch Gegenüberstellung von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ermittelt. § 4 EStG enthält keine Definition der Betriebseinnahmen, so daß der BFH eine Definition in Anlehnung an die Begriffsbestimmung der Betriebsausgaben in § 4 Abs. 4 EStG entwickelt hat. Demgemäß setzen Betriebseinnahmen Zugänge von Wirtschaftsgütern in Form von Geld oder Geldeswert voraus, die durch den Betrieb veranlaßt sind.75 Es kann insoweit vollumfänglich auf die Parallelproblematik in § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG verwiesen werden.76 Auch was Aufsichtsräte anbelangt, sichert die D&O-Versicherung in erster Linie ein betriebliches Risiko ab. Es liegt aus den bereits genannten Gründen auch in bezug auf Aufsichtsratsmitglieder bei der D&O-Fremdversicherung kein steuerbarer Zufluß vor. Deshalb muß im Ergebnis dasselbe gelten wie hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der Prämien bei Vorständen und Geschäftsführern. Das ist auch rechtssystematisch indiziert, da sowohl die Einkünfte nach § 18 EStG als auch die nach § 19 EStG unter die gemeinsame Kategorie der Einkünfte nach § 2 Abs. 1 EStG zu subsumieren sind.77 Nach dem Grundsatz des Totalgewinns und der Totalperiode sind die grundlegenden Begriffsbestimmungen der Gewinn- und Überschußeinkunftsarten nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 EStG synchron auszulegen.78 Die Steuerpflicht ist daher auch bei Aufsichtsräten zu verneinen.79

74 Erlaß des Finanzministeriums Niedersachsen vom 25.1.2002 – S 2332 – 161 – 35 / S 2245 – 21 – 31 2, abgedr. in: DB 2002, 399 f. = DStR 2002, 678. 75 BFH, Urteil v. 14.4.1988 – IV R 86/86, BStBl. II 1988, 633 = DB 1988, 1426; BFH, Urteil v. 22.7.1988 – III R 175/85, BStBl. II 1988, 995 = DB 1988, 2605; BFH, Urteil v. 14.3.1989 – I R 83/85, BStBl. II 1989, 650 = DB 1989, 1499; Dreher, DB 2001, 996 (999); Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (552). 76 Dreher, DB 2001, 996 (999). 77 Vgl. Dreher, DB 2001, 996. 78 Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (552). 79 Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 130 f.; Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (552); so wohl auch Vetter, AG 2000, 453 (458); a.A. (Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit) Kästner, DStR 2001, 422.

528 K. Die steuerrechtliche Behandlung der D&O-Versicherung und der Freistellung

c) Die durch die Organmitglieder getragenen Prämien einer Einzelpolice Sofern Organmitglieder ausnahmsweise eine Einzelpolice auf eigene Kosten abschließen, stellen die Prämien steuerlich absetzbare Werbungskosten dar. Es handelt sich um Aufwendungen zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen als Organmitglied i.S.v. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG. Wenn die Gesellschaft die Prämien für eine Einzelpolice übernimmt,80 ist nach den oben unter a) und b) dargelegten Grundsätzen die Eigenschaft als Arbeitslohn bzw. Einkünfte gegeben, weil es an dem Erfordernis der Versicherung des Managements als Ganzes fehlt. Die versicherte Person kann in diesem Fall ihrerseits Werbungskosten geltend machen.

2. Die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin Auf Seiten des Unternehmens stellen die Versicherungsprämien unabhängig von der steuerlichen Einordnung bei den versicherten Personen81 Betriebsausgaben dar.82 Betriebsausgaben sind nach § 4 Abs. 4 EStG Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind.83 Diese Voraussetzung ist bei den Prämien für eine D&O-Versicherung erfüllt, da sie überwiegend das betriebliche Risiko84 abdecken soll.85 Die Prämien sind mithin Betriebsausgaben im Sinn von § 4 Abs. 4 EStG, § 8 Abs. 1 KStG.86 Nach § 10 Nr. 4 KStG wäre die Versicherungsprämie beim Unternehmen nur zur Hälfte steuerlich abzugsfähig, wenn sie als Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder zu qualifizieren wäre.87 Da der Vergütungscharakter aber auch hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder abzulehnen ist,88 kann § 10 Nr. 4 KStG nicht zur Anwendung kommen.89 80 Vielfach sind die Gesellschaften wohl bereit, die Prämien solcher Singularhaftpflichtversicherungen direkt oder indirekt zu erstatten, vgl. Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 3. Aufl. 2008, Rn. 526. 81 Dreher, DB 2001, 996; Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 229; Schüppen/ Sanna, ZIP 2002, 550 (552). 82 Dreher, DB 2001, 996; Heinicke, in: Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 4 Rn. 276; Vetter, AG 2000, 453 (458); Kästner, DStR 2001, 422 (423); Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 228. 83 Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (552). 84 Hierzu Teil F. II. 1. b) bb) (III.) (2.). 85 Dreher, DB 2001, 996; Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (552); Barzen/Brachmann/ Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 131. 86 Zu den Einzelheiten der Abführung der Versicherungssteuer und der Verteilung der Versicherungssteuer innerhalb des Konzerns siehe Steinkühler, VW 2005, 1768 (1770). 87 Olbrich, Die D&O-Versicherung, 2. Aufl. 2007, S. 228. 88 Teil F. II. 1. 89 So auch Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, 2003, S. 131; Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550 (552).

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L. Zusammenfassung der Ergebnisse Die vorliegende Arbeit hat die bürgerlichrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen und versicherungsrechtlichen Grundlagen der Freistellung und der Versicherung von organschaftlichen Haftungsrisiken untersucht. Sie hat sich hierbei in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht auf das Recht der AG und der GmbH konzentriert, wobei – soweit indiziert – auch auf die Rechtslage in der SE eingegangen wurde.

Teil B. Nach der Einleitung in Teil A waren in Teil B. die zivilrechtlichen Grundlagen von Freistellungsvereinbarungen herauszuarbeiten und von anderen gesellschaftsrechtlichen Instituten wie der haftungsbefreienden Handlungsermächtigung durch Gesellschafterbeschluß sowie der Entlastung der Organe abzugrenzen. Nach diesen systematischen Vorarbeiten wurde die Freistellungsvereinbarung im Kontext der gesellschaftsrechtlichen Haftungsstruktur und des steigenden Haftungsrisikos betrachtet. Es hat sich dort gezeigt, daß trotz der wachsenden Verbreitung von D&O-Versicherungen weiterhin ein Anwendungsbereich für nicht-versicherungsvertragsrechtliche Freistellungsvereinbarungen verbleibt. Die Rechtsprechung und die Gesetzgebung haben die Organhaftung schrittweise verschärft. Auch kann die D&O-Versicherung aufgrund verschiedener inhaltlicher Beschränkungen nicht sämtliche Haftungsrisiken effektiv decken, so daß weiterhin eine praktische Notwendigkeit für Freistellungsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht besteht. Sodann wurden die Möglichkeiten der Enthaftung der Organmitglieder durch die eigene Gesellschaft untersucht. Für die Aktiengesellschaft folgt hier aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, daß das Unternehmen nicht im voraus auf seinen Innenhaftungsanspruch verzichten kann. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ist ferner analog anzuwenden auf Rechtsgeschäfte, die im wirtschaftlichen Ergebnis ebenfalls auf einen Verlust des Innenhaftungsanspruchs hinauslaufen. Hierzu gehört zunächst die Abtretung des Anspruchs, sofern der Gesellschaft keine angemessene Gegenleistung zufließt. Die Angemessenheit ist insoweit jedoch nicht gleichbedeutend mit dem Nennwert der Forderung, sondern entspricht dem effektiven Wert, wobei auch Unsicherheiten hinsichtlich der Durchsetz-

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L. Zusammenfassung der Ergebnisse

barkeit in die Betrachtung einbezogen werden können. Die Aufrechnung von Gegenansprüchen des Organmitglieds mit dem Schadenersatzanspruch nach § 93 Abs. 2 AktG ist hingegen grundsätzlich möglich. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG steht dem wiederum in analoger Anwendung nur dann entgegen, wenn der Gegenanspruch des Organmitglieds gleichsam künstlich geschaffen wurde, um eine Aufrechnungslage herbeizuführen. Von der Befreiung von der Innenhaftung zu trennen sind Freistellungsvereinbarungen der Aktiengesellschaft mit ihrem Organmitglied in bezug auf Außenhaftungstatbestände. Unproblematisch zulässig sind solche Freistellungsvereinbarungen auch in der Aktiengesellschaft, sofern es sich um eine reine Außenhaftung handelt, bei der nicht zugleich eine Organpflicht im Innenverhältnis verletzt wurde. Selbst wenn aber das Organmitglied seine Organpflichten verletzt hat und einem Außenhaftungsanspruch ausgesetzt ist, muß eine Freistellung von der Außenhaftung entgegen der herrschenden Ansicht in Betracht kommen. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG steht in diesen Fällen nicht in analoger Anwendung entgegen, weil sein Schutzzweck, einen Innenhaftungsanspruch vor verfrühten Dispositionen der Gesellschaft zu schützen, hier nicht greift. Aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG folgt kein darüber hinausgehendes allgemeines Belastungsverbot zugunsten der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Freistellung von Außenhaftungsansprüchen, selbst wenn diese auf einer Organpflichtverletzung beruhen. Diese Grundsätze gelten sowohl für vorweggenommene Freistellungen als auch für nachträgliche Enthaftungsvereinbarungen. Im GmbH-Recht steht einer Befreiung der Organmitglieder von der Innenhaftung durch ihre Gesellschaft kein dem § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vergleichbares Verbot entgegen. Was die Freistellung von der Außenhaftung anbelangt, gelten dort sinngemäß dieselben Grundsätze, wie sie zur Aktiengesellschaft herausgearbeitet wurden. Im Anschluß an die Enthaftung der Organmitglieder durch den eigenen Unternehmensträger wurden Freistellungsvereinbarungen der Organmitglieder mit Dritten untersucht. In bezug auf die Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts stellen sich insoweit grundlegend andere Fragen als zuvor. Es geht hier namentlich um die Auswirkungen von Freistellungsvereinbarungen auf den Grundsatz der Unabhängigkeit der Organmitglieder und der Gleichberechtigung sowie der Gesamtverantwortung. Für den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft folgt insoweit aus § 111 Abs. 5 AktG, daß sich die Mitglieder nicht den Weisungen Dritter unterwerfen dürfen. Unter diesem Gesichtspunkt können Freistellungsvereinbarungen eine aktienrechtlich unzulässige Abhängigkeit begründen, wenn sie so ausgestaltet sind, daß die Entscheidungsfreiheit der freigestellten Aufsichtsratsmitglieder eingeschränkt wird. Eine solche Abhängigkeit kann dadurch begründet werden, daß die Freistellung an inhaltliche Bedingungen geknüpft wird oder etwa einen Zustimmungsvorbehalt des Freistellungsschuldners in bezug auf die im Aufsichtsrat

Teil B.

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zu treffenden Entscheidungen enthält. Vergleichbare Wirkungen können durch Kündigungsrechte herbeigeführt werden, wenn diese die sofortige Beendigung der Freistellungsvereinbarung ermöglichen oder jedenfalls ein Lösungsrecht bei Abweichen des Aufsichtsratsmitglieds von den Vorstellungen des Freistellungsschuldners vorsehen. Freistellungsvereinbarungen, die mit diesen Grundsätzen nicht vereinbar sind, fallen der Unwirksamkeit anheim. Sie verstoßen zwar nicht gegen ein gesetzliches Verbot und sind auch nicht als sittenwidrig im Sinn des § 138 Abs. 1 BGB zu betrachten. Jedoch kommt es durch das aus § 111 Abs. 5 AktG abzuleitende Unabhängigkeitspostulat zu einer Überlagerung des Schuldrechts durch die entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Wertungen. Die Unwirksamkeit ist somit das Ergebnis eines Prozesses der gesellschaftsrechtlichen Institutionenbildung. Es gelten diese Grundsätze auch für mögliche Einschränkungen der Autonomie von Vorstandsmitgliedern durch Freistellungsvereinbarungen. Ausnahmen sind jedoch insoweit vorzunehmen, wie eine Einwirkung auf das Vorstandshandeln gesellschaftsrechtlich ohnehin legitimiert ist, wie dies namentlich im Vertragskonzern für das Verhältnis der Muttergesellschaft zum Vorstand der Tochter gilt. Auch der GmbH-Geschäftsführer darf sich nicht durch entsprechend ausgestaltete Freistellungsvereinbarungen in ein Abhängigkeitsverhältnis zu Dritten begeben. Sofern der Freistellungsschuldner hingegen GmbH-rechtlich über Weisungsmöglichkeiten gegenüber dem Geschäftsführer verfügt, können auch abhängigkeitsbegründende Freistellungsvereinbarungen nicht beanstandet werden. Dies gilt für einen Allein- oder Mehrheitsgesellschafter, wobei die Freistellung durch einen Mehrheitsgesellschafter, soweit sie die Autonomie der Geschäftsführer einschränkt, auf einem Gesellschafterbeschluß beruhen muß. Neben der Unabhängigkeit der Organmitglieder ist der Grundsatz der Gleichbehandlung und Gesamtverantwortung hinreichend zu berücksichtigen. Soweit ein Haftungsverzicht oder eine Freistellungsvereinbarung in bezug auf Außenhaftungstatbestände mit der eigenen Gesellschaft zulässig sind und vorgenommen werden, müssen daher alle Mitglieder eines Organs gleichermaßen erfaßt sein. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dadurch, daß die Gesellschaft durch Vereinbarung oder Satzungsbestimmung nur einzelne Organmitglieder begünstigt, andere hingegen der vollen Innen- bzw. Außenhaftung ausgesetzt bleiben, ist mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Gesamtverantwortung nicht vereinbar. Freistellungsvereinbarungen mit Dritten unterliegen dieser Einschränkung hingehen nicht, da diese im Verhältnis zu den Organmitgliedern keine Gleichbehandlung schulden. Sodann wurden spezifische Fragen im Zusammenhang mit konzerninternen Freistellungsvereinbarungen behandelt. Es entsteht hier aktienrechtlich die Gefahr einer Umgehung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, soweit eine konzernrechtliche Nachteilsausgleichspflicht der herrschenden Gesellschaft gegenüber

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L. Zusammenfassung der Ergebnisse

dem abhängigen Unternehmen besteht. Freistellungsvereinbarungen einer abhängigen Gesellschaft zugunsten der Organmitglieder einer herrschenden Aktiengesellschaft können insoweit zu einem Zahlungskreisel führen, der bei der herrschenden Gesellschaft materiell auf einen Verzicht des Innenhaftungsanspruchs hinausläuft, weil dem Freistellungsschuldner die zur Freistellung in Höhe des Innenhaftungsanspruchs aufgewandten Mittel erstattet werden müssen. In diesem Fall sind konzerninterne Freistellungsvereinbarungen in Analogie zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ebenfalls unwirksam. Dasselbe gilt für vertragliche Konstruktionen zur Umgehung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. Demgemäß wäre es beispielsweise ebenfalls unzulässig, wenn die Aktiengesellschaft sich gegenüber einem dritten Freistellungsschuldner dazu verpflichtet, ihm die Leistungen, die dieser aufgrund der Freistellungspflicht an die Organmitglieder erbringt, zu erstatten. Auch bei einer solchen vertraglichen Konstruktion käme es zu einem Zahlungskreisel, der zu demselben wirtschaftlichen Ergebnis wie ein Verzicht auf den Innenhaftungsanspruch führte.

Teil C. In Teil C. war die Vereinbarkeit der D&O-Versicherung mit den Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts zu untersuchen. Dies machte es zunächst erforderlich, die D&O-Versicherung als Rechtsprodukt zu analysieren. Teil C. begann daher mit einer Untersuchung der Entstehungsgeschichte der D&OVersicherung sowie der Struktur des D&O-Versicherungsvertrags. Sodann war der Stand der Wissenschaft und Praxis zu Fragen der D&O-Versicherung zu ermitteln. Hier zeigte sich, daß die Literatur hinsichtlich grundlegender Fragen, wie etwa der Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts als Wirsamkeitsvoraussetzung außerhalb von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG oder der Abschlußkompetenz, gespalten ist und die Rechtsprechung trotz einer wachsenden Verbreitung der D&O-Versicherung diese Fragen noch nicht geklärt hat. Ausgehend von den geschaffenen Grundlagen war anschließend die Vereinbarkeit der D&O-Versicherung mit den Strukturprinzipien des Kapitalgesellschaftsrechts zu klären. Zunächst wurde dem von vereinzelten Literaturstimmen erhobenen Einwand nachgegangen, daß die D&O-Versicherung die Werthaltigkeit der Organinnenhaftung einschränke. Diese These konnte widerlegt werden, da die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin zwar die Prämienlast trägt, das Rechtsprodukt D&O-Versicherung aber zugleich die Werthaltigkeit des Innenhaftungsanspruchs verbessert. Es konnte auch nachgewiesen werden, daß – entgegen einigen Stimmen in der Literatur – die D&O-Versicherung nicht mit den Prüfungs- und Handlungsfunktionen des Aufsichtsrats kollidiert und auch – unabhängig von der Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts – nicht mit den Regelungen über das Klagezulassungsverfahren nach § 148

Teil D.

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AktG. Ferner hat die Untersuchung ergeben, daß die D&O-Versicherung – anders als bestimmte Freistellungsvereinbarungen – die Unabhängigkeit der Organmitglieder nicht einschränkt. Eine denkbare „Dankesschuld“, die das Organmitglied gegenüber der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin empfinden könnte, ist nicht geeignet, die Unabhängigkeit in rechtlich erheblicher Weise zu beeinflussen. Freilich sind auch die Grundsätze der Gleichberechtigung und Gesamtverantwortung beim Abschluß von D&O-Versicherungen hinreichend zu berücksichtigen. Nähme die Gesellschaft eine D&O-Fremdversicherung nur zugunsten einzelner Organmitglieder und enthielte sie anderen die Deckung vor, würde das mit diesen Strukturprinzipien kollidieren. Ein solches Szenario ist aber praxisfern, da durch eine Beschränkung des D&O-Versicherungsschutzes auf einzelne Personen innerhalb desselben Organs keine Prämienreduzierung zu erzielen ist. Denn das relevante Risiko verwirklicht sich grundsätzlich in einer gesamtschuldnerischen Haftung, deren Geltendmachung sich sodann auf die versicherten Organmitglieder konzentrieren würde. In der Praxis kommen solche Fälle einer auf einzelne Organmitglieder beschränkten D&O-Fremdversicherung daher nicht vor. Abschließend hat sich die Untersuchung den Möglichkeiten einer internen und externen D&O-Selbstversicherung zugewandt. Es hat sich gezeigt, daß eine Eigendeckung der Organhaftungsrisiken der eigenen Organmitglieder durch die Gesellschaft aktienrechtlich weitgehend an § 93 Abs. 4 S. 3 AktG scheitert. Das gilt für die interne Selbstversicherung aufgrund unmittelbarer Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. Was die Gründung von captives anbelangt, konnte auf die Untersuchungsergebnisse zu konzerninternen Freistellungsvereinbarungen zurückgegriffen und gezeigt werden, daß solche Konstruktionen hinsichtlich der Absicherung von Innenhaftungsansprüchen einer Aktiengesellschaft grundsätzlich an einer analogen Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG scheitern. Soweit ersichtlich, hat die Selbstversicherung im D&O-Bereich in Deutschland – anders als in den USA – bisher auch keine praktische Bedeutung.

Teil D. In Teil D. wurden die Auswirkungen von Freistellungsvereinbarungen und D&O-Versicherungsverträgen auf die Steuerungswirkung der Organhaftung untersucht. Es handelt sich hierbei um eine der Kernfragen im Rahmen der rechtlichen Diskussion über die Zulässigkeit von D&O-Versicherungsverträgen. Die Problematik betrifft aber gleichermaßen die Prüfung von Freistellungsvereinbarungen, obwohl sie dort in der literarischen Auseinandersetzung bislang kaum Beachtung gefunden hat.

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L. Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Prüfung machte es erforderlich, zunächst die verhaltenssteuernde Wirkung der unterschiedlichen Organhaftungstatbestände zu ermitteln und rechtlich zu qualifizieren. Eine Untersuchung der wichtigsten Organhaftungstatbestände, insbesondere der Innenhaftung, ergab, daß es sich um eine rechtlich intendierte Steuerungsfunktion handelt, die neben den Kompensationszweck tritt. Eine Vergeltungs-, Buß- bzw. Genugtuungsfunktion war hingegen zu verneinen. Was den verhaltenssteuernden Zweck anbelangt, so war dieser sodann in Relation zum Kompensationszweck einerseits und zu den anderen verhaltenssteuernden rechtlichen und ökonomischen Elementen andererseits zu setzen. Die Prüfung hat diesbezüglich ergeben, daß es sich bei dem Präventionszweck des Organhaftungsrechts um eine gegenüber der Kompensation nachgeordnete Funktion handelt, die zudem durch weitere rechtliche und ökonomische Steuerungsmechanismen ergänzt und dadurch in ihrer Bedeutung weiter relativiert wird. Ausgehend hiervon wurde anschließend geprüft, welche zivilrechtlichen Rechtsfolgen eine Einschränkung dieser verhaltenssteuernden Funktion des Organhaftungsrechts durch rechtliche Institute wie die D&O-Versicherung und die Freistellungsvereinbarung auslöst. Hier war zunächst der in der Literatur unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Steuerungsfunktion entwickelten These nachzugehen, daß eine uneingeschränkte Versicherung bzw. Freistellung von Organhaftungsrisiken in der Aktiengesellschaft an einer analogen Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG scheitern müsse. Die Prüfung hat jedoch ergeben, daß die Analogievoraussetzungen insoweit nicht vorliegen. Daraus konnte indes noch nicht geschlossen werden, daß die Einschränkung der Verhaltenssteuerung unproblematisch zulässig ist. Vielmehr hat die Untersuchung gezeigt, daß sich die Rechtsfolge einer Einwirkung von Freistellung und D&O-Versicherung auf die Verhaltenssteuerung als eine Frage der gesellschaftsrechtlichen Institutionenbildung darstellt. Auch wenn nämlich in Ermangelung einer Analogiefähigkeit des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG einer Einschränkung der Verhaltenssteuerung kein unmittelbar einschlägiges gesetzliches Verbot entgegensteht, hat doch die einleitende Prüfung in Teil D. ergeben, daß der Präventionszweck des Organhaftungsrechts eine rechtlich intendierte Steuerungsfunktion bildet. Zugleich hatte sich aber gezeigt, daß es sich bei der Steuerungsfunktion um ein in mehrfacher Hinsicht relatives Prinzip handelt, da es dem Kompensationszweck nachgeordnet ist und lediglich eines von mehreren rechtlichen und ökonomischen verhaltenssteuernden Elementen im Kapitalgesellschaftsrecht darstellt. Deshalb kann auch im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Institutionenbildung nicht jeder Eingriff in eine Verhaltenssteuerung der Organhaftung zur Unwirksamkeit entsprechender Vereinbarungen führen. Vielmehr hat die Prüfung ergeben, daß es insoweit erforderlich ist, die verhaltenssteuernde Funktion des Organhaftungsrechts als gesellschaftsrecht-

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liche Institution einerseits und die darauf bezogene Einwirkungsintensität von Freistellungsvereinbarungen und D&O-Versicherungen andererseits zu gewichten und einander gegenüberzustellen. Es ergab sich insoweit, daß die genannten Sicherungsinstrumente lediglich eine begrenzte Wirkung entfalten und die verhaltenssteuernde Wirkung des Organhaftungsrechts also keineswegs beseitigen, sondern nur graduell abmildern können. Hinzu tritt, daß der Abschluß von D&O-Versicherungsverträgen eine mögliche Abschwächung der Steuerungsfunktion dadurch teilweise auffängt, daß die Versicherer als „outside hired monitors“ wiederum zu einer Verbesserung der corporate governance beitragen. Sinngemäß gilt dies auch für Freistellungsvereinbarungen nicht versicherungsvertragsrechtlicher Art. Aus diesem Befund konnte der Schluß gezogen werden, daß die Einwirkung von Freistellungsvereinbarungen und D&O-Versicherungen auf die verhaltenssteuernde Funktion des Organinnenhaftungsrechts nicht die erforderliche Intensität aufweist, um zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit entsprechender Vereinbarungen zu führen. Dieses Ergebnis wurde durch einen rechtssystematischen Vergleich mit anderen Versicherungsprodukten bestätigt. So sind beispielsweise anerkanntermaßen auch die KfZ-Haftpflichtversicherung oder die Berufshaftpflichtversicherungen der Rechtsanwälte, Ärzte etc. nicht zivilrechtlich unwirksam, weil sie eine verhaltenssteuernde Wirkung der auf die versicherten Personen bezogenen zivilrechtlichen Haftungstatbestände beseitigen würden. Ausgehend hiervon konnte dann auch nachgewiesen werden, daß – entgegen teilweise vertretener Ansicht – die Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts – vorbehaltlich des Sonderproblems des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG – keine Wirksamkeitsvoraussetzung für einen D&O-Versicherungsvertrag oder eine Freistellungsvereinbarung ist. Dieses Ergebnis wurde ebenfalls durch weitere rechtssystematische Überlegungen bestätigt. Insbesondere zeigte sich anhand einer Rechtsfolgenbetrachtung, daß die Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts als Wirksamkeitsvoraussetzung das Rechtsprodukt der D&O-Versicherung selbst infrage stellen würde, da es zu nicht mehr handhabbaren Rechtsunsicherheiten käme. Ferner hat die Untersuchung gezeigt, daß § 93 Abs. 2 S. 3 AktG und Ziff. 3.8 DCGK nicht analog auf Freistellungsvereinbarungen nicht-versicherungsvertragsrechtlichen Inhalts anzuwenden sind. Anschließend wurde untersucht, inwieweit Organmitglieder wiederum von einem vereinbarten Selbstbehalt freigestellt werden können. Hier hat sich gezeigt, daß in der Aktiengesellschaft in Betreff der Innenhaftungsansprüche § 93 Abs. 4 S. 3 AktG entgegensteht, soweit die Gesellschaft selbst eine Haftungsbefreiung vornehmen will, im übrigen aber keine gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen für diesbezügliche Freistellungen gelten. Insbesondere Freistellungen durch Dritte sind daher zulässig, desgleichen darauf bezogene Versicherungsprodukte, wie die sog. Selbstbehalts-Versicherung.

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L. Zusammenfassung der Ergebnisse

Abschließend wurde die Problematik des Selbstbehalts in bezug auf die entityDeckung geprüft. Insoweit ergab die Untersuchung, daß auch in dieser Hinsicht die Vereinbarung eines Selbstbehalts zu Lasten der Gesellschaft zweckmäßig sein kann, wenngleich hier aus der Funktion der entity-Deckung als Eigenschaden-Versicherung der Gesellschaft andere Anforderungen an die Ausgestaltung des Selbstbehalts erwachsen als in bezug auf die Selbstbehalte hinsichtlich der einzelnen Organmitglieder. Außerdem wurde in Teil D. geprüft, inwieweit die Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts im D&O-Versicherungsvertrag durch die Begründung einer internen Zahlungspflicht des Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft ersetzt werden kann. Eine solche interne Zahlungspflicht kann funktional ohne weiteres an die Stelle eines Selbstbehalts treten. Der Vorteil dieser Lösung gegenüber der versicherungsvertragsrechtlichen liegt darin, daß die Gesellschaft eine größere Gestaltungsfreiheit genießt, da sie den Inhalt und die Modalitäten ohne Zustimmung eines Versicherers ändern kann. Ferner hat eine teleologische Auslegung von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG und Ziff. 3.8 DCGK ergeben, daß auch interne Zahlungspflichten, sofern sie die gesetzlich vorgeschriebene Höhe aufweisen, unter den Begriff des „Selbstbehalts“ im Sinn dieser Vorschriften zu subsumieren sind.

Teil E. Teil E. hat sich mit möglichen Ansprüchen des Organmitglieds auf Freistellung und Abschluß einer D&O-Versicherung befaßt. Die Prüfung ergab zunächst, daß dem Organmitglied ein aufwendungsersatzähnlicher Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft zustehen kann, wenn es sich in Ausübung seiner Amtstätigkeit einer Haftpflicht ausgesetzt hat. Anspruchsgrundlage ist entgegen herrschender Ansicht nicht § 670 BGB analog, sondern eine auf richterlicher Rechtsfortbildung beruhende Risikohaftung des Geschäftsherrn. Der Anspruch scheidet jedoch aus, sofern das Organmitglied zugleich eine Organpflicht verletzt hat. Ferner kann dem Organmitglied ein Freistellungsanspruch nach § 426 BGB zustehen, sofern es mit der Gesellschaft gesamtschuldnerisch haftet, wobei auch dieser Anspruch gesperrt ist, falls dem Organmitglied eine Verletzung seiner Organpflichten vorzuwerfen ist. Desgleichen kann ein Organmitglied über einen Freistellungsanspruch nach den Grundsätzen der Risikozurechnung gegenüber dem Geschäftsherren auch im Verhältnis zu außenstehenden Dritten verfügen, sofern es seine Organtätigkeit in der Gesellschaft in Wahrnehmung seiner Pflichten gegenüber dem Dritten ausgeübt hat. Dies betrifft insbesondere etwa Bankenvertreter in den Aufsichtsräten von Beteiligungsunternehmen gegenüber ihren Anstellungskörperschaften.

Teil E.

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Ein Freistellungsanspruch kann dem einzelnen Organmitglied auch nach § 280 BGB gegenüber der Gesellschaft zustehen, wenn diese entgegen einer vertraglichen Verpflichtung nicht für ausreichenden D&O-Versicherungsschutz gesorgt hat und es zu einem Schaden kam, der hiervon gedeckt gewesen wäre. Dieser Schadenersatzanspruch führt zu einem scheinbaren Konflikt in der Aktiengesellschaft, soweit es sich um eine Organpflichtverletzung handelt, die zugleich einen Innenhaftungsanspruch der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 AktG begründet hat. Der Anspruch auf Freistellung nach § 280 BGB gegen die Gesellschaft würde diese mithin dazu verpflichten, das Organmitglied von der Innenhaftung zu befreien. Ein solcher Verzicht scheint zwar mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unvereinbar zu sein. Dennoch kann der Schadenersatzanspruch auch in diesem Fall nicht gesperrt sein. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG greift hier nicht, da es sich nicht um einen freiwilligen Verzicht der Gesellschaft auf den Innenhaftungsanspruch handelt, sondern um die Erfüllung einer Rechtspflicht gegenüber dem Organmitglied. Besondere Fragen haben mögliche gesetzliche Freistellungsansprüche des Organmitglieds gegen die Gesellschaft in bezug auf persönliche Geldstrafen und -bußen aufgeworfen. Es besteht hier ein grundsätzlicher Konflikt zwischen der Freistellung einerseits und dem Präventionszweck der Sanktionsnorm andererseits. Insoweit hat die Prüfung ergeben, daß Freistellungsansprüche von vornherein nur in Betracht kommen können, soweit es sich um reine Außenpflichtverletzungen des Organmitglieds handelt. Hat das Organmitglied zugleich seine Legalitätspflicht im Verhältnis zur Gesellschaft verletzt, scheidet der Anspruch schon nach allgemeinen Grundsätzen aus. Was die reinen Außenpflichtverletzungen anbelangt, kann indes – entgegen teilweise vertretener Ansicht – kein zivilrechtliches Erstattungsverbot angenommen werden. Eine Verdrängung gesetzlicher Schadenersatzansprüche durch das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht findet nicht statt. Anschließend hat sich die Untersuchung in Teil E. mit der Frage befaßt, ob dem einzelnen Organmitglied ein Anspruch gegen die Gesellschaft auf Abschluß einer D&O-Versicherung zustehen kann. Hier zeigte sich, daß eine solche Pflicht nicht aus § 618 BGB folgt, der dem Dienstherrn gewisse Schutzpflichten auferlegt. Die D&O-Versicherung gehört nicht zu dem insoweit erforderlichen Minimalbestand. Sodann war zu prüfen, ob eine Pflicht zum Abschluß eines D&OVersicherungsvertrags als erforderliches Element einer effektiven Risikobewältigungsstrategie besteht. Diesbezüglich ergab die Prüfung, daß eine Pflicht nicht aus § 91 Abs. 2 AktG resultiert, nicht zuletzt deshalb, weil es im Leitungsermessen des Vorstands liegt, auf welche Weise er eine Risikovorsorge betreibt. Denkbar wäre daher allenfalls, daß der Abschluß einer D&O-Versicherung unter die sich aus den §§ 76, 93 AktG bzw. § 43 GmbHG ergebende Pflicht des Leitungsorgans fällt, auf erkannte Risiken angemessen zu reagieren. Daraus folgt jedoch nur, daß das Leitungsorgan die Zweckmäßigkeit eines D&O-Versicherungsver-

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L. Zusammenfassung der Ergebnisse

trags zu prüfen hat, die Frage des Abschlusses aber in seinem Leitungsermessen liegt. Die Arbeit hat in diesem Zusammenhang auch im einzelnen untersucht, welche Faktoren bei dieser Prüfung durch die Unternehmensleitung zu berücksichtigen sind. Zugleich ergab sich, daß angesichts der Komplexität der einzelnen Bewertungsfragen eine „Ermessensreduzierung auf null“ praktisch ausgeschlossen ist. Dieses Ergebnis deckt sich mit Stellungnahmen der Regierungskommission corporate governance sowie der Bundesregierung, die ebenfalls eine Versicherungspflicht ablehnen. Ausgehend von diesem Prüfungsstand war abschließend der Frage nachzugehen, ob ein Organmitglied, welches eine D&O-Singularhaftpflichtversicherung für sich abgeschlossen hat, von der Gesellschaft Erstattung der Prämien verlangen kann. Hier ergab sich, daß es dem einzelnen Organmitglied zwar freisteht, eine solche Versicherung für sich abzuschließen und daß in der Praxis die Unternehmen bisweilen die Prämienlast übernehmen. Es besteht aber kein gesetzlicher Anspruch, weder aus dem Aspekt der Risikozurechnung gegenüber dem Geschäftsherrn bzw. § 670 BGB analog noch aus § 618 BGB oder der allgemeinen Pflicht der Leitungsorgane, auf Haftungsrisiken angemessen zu reagieren.

Teil F. In Teil F. wurde die Zuständigkeit für den Abschluß von Freistellungsvereinbarungen und D&O-Versicherungen geprüft. Eine grundlegende Streitfrage betrifft hier die D&O-Versicherung. Teile der Literatur vertreten die Ansicht, daß die Versicherungsprämien – jedenfalls bei einem fehlenden Selbstbehalt – als Teile der Bezüge bzw. Vergütungen im Sinn der §§ 87, 113 AktG zu qualifizieren sind mit der Folge, daß der Aufsichtsrat bzw. die Hauptversammlung zuständig ist. Diese Ansicht überzeugt aber nicht und steht im Widerspruch zur Rechtspraxis. Es konnte insoweit ermittelt werden, daß der Abschluß der D&O-Versicherung im überwiegenden Interesse des Unternehmens liegt und nicht Teil der Gegenleistung für die Organtätigkeit ist. Da der Bezüge- bzw. Vergütungscharakter mithin fehlt, fällt der Abschluß der D&O-Versicherung in die ausschließliche Kompetenz des Vorstands. Im GmbH-Recht ist für den Vertragsschluß die Geschäftsführung zuständig. Entgegen der herrschenden Literaturansicht bedarf der Abschluß der D&O-Versicherung dort keiner Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung. In Teil F. war ferner mit der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten ein spezifisch versicherungsvertragsrechtliches Problem der D&O-Versicherung gegenständlich. Das Recht der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten führt in Verbindung mit der besonderen Struktur des D&O-Fremdversiche-

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rungsvertrags zu einer versicherungsrechtlichen Sonderlage. Die Untersuchung hat hier zunächst gezeigt, daß die Gesamtheit der versicherten Personen infolge der Zurechnungsvorschrift des § 47 VVG eine „Schicksalsgemeinschaft“ bildet, weil das Verschweigen von Umstandswissen einer einzelnen Person zum Entfallen des Versicherungsschutzes für alle führen kann. Die Prüfung hat weiter ergeben, daß diesem Problem nicht durch eine teleologische Reduktion der §§ 47, 19 VVG begegnet werden kann. Dies hat zu der Folgefrage geführt, inwieweit vertragliche Lösungen diese strukturelle Schwäche des D&O-Versicherungsvertrags beheben können. Eine Abbedingung des Rücktrittsrechts ist zwar möglich, käme aber für den Versicherer grundsätzlich nicht Betracht. Auch die Vereinbarung sog. severability clauses führt in dieser Hinsicht nicht weiter. Desgleichen wird eine Erstreckung der Anzeigepflicht auf die einzelnen versicherten Personen und damit die Abbedingung des § 47 VVG aus Sicht des Versicherers grundsätzlich ausscheiden, weil es für ihn im Fall der regelmäßig bestehenden gesamtschuldnerischen Haftung dann bei seiner Leistungspflicht bliebe. Daraus folgt, daß die einzig zweckmäßige vertragliche Lösung in der Vereinbarung einer sog. Repräsentantenklausel liegt. Durch sie wird der Kreis der Personen, deren Umstandswissen zuzurechnen ist, vertraglich eingegrenzt. Ein Rücktrittsrecht des Versicherers besteht also nur dann, wenn durch eine Person aus dieser Gruppe Umstandswissen verschwiegen wurde. Das Risiko eines Deckungsverlusts wird dadurch begrenzt. Zugleich wird dem Interesse des Versicherers daran Rechnung getragen, daß er bei der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflichten durch eine einzelne Person innerhalb dieses Kreises insgesamt von seiner Leistungspflicht befreit wird. Von den versicherungsvertragsrechtlichen Rechtsfolgen der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten nach den §§ 47, 19 VVG ist die Möglichkeit der Arglistanfechtung nach § 123 BGB zu trennen. Liegt eine arglistige Täuschung durch die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin bzw. deren Repräsentanten vor, kann der Versicherer unabhängig von den Regelungen über die Verletzung der Anzeigepflichten den Vertrag nach § 123 BGB anfechten. Daß dies kein theoretisches Szenario ist, hat der Fall Comroad gezeigt. Auch diese Rechtsfolgen der Arglistanfechtung mobilisieren wiederum im Hinblick auf die Gesamtheit der versicherten Personen als „Schicksalsgemeinschaft“ die Frage nach vertraglichen Begrenzungen. Insoweit hat die Analyse ergeben, daß die in Betreff der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten gängigen Klauseln nicht tauglich sind. Vielmehr bedarf es hinsichtlich § 123 BGB einer vertraglichen Beschränkung der Wirkungen des Anfechtungsrechts, um gutgläubige versicherte Personen gegenüber einem Deckungsverlust wirkungsvoll zu schützen. Eine solche Begrenzung der Arglistanfechtung ist aufgrund der besonderen Problemlage der D&O-Versicherung, die insoweit von dem Gedanken der sozialen Risikoabsicherung geprägt wird, zivilrechtlich zulässig.

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L. Zusammenfassung der Ergebnisse

Teil F. hat sich auch mit der Frage befaßt, inwieweit dem einzelnen Organmitglied Schadenersatzansprüche gegen die Gesellschaft oder andere versicherte Personen zustehen können, wenn es infolge der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten oder einer arglistigen Täuschung zu einem Fortfall des Versicherungsschutzes kam. Die Prüfung hat hier ergeben, daß ein solcher Anspruch nach § 280 BGB besteht, wenn die Gesellschaft etwa aufgrund einer Versicherungsverschaffungsklausel gegenüber dem Organmitglied dazu verpflichtet war, Versicherungsschutz vorzuhalten. Ein solcher Anspruch kann aber auch dann existieren, wenn die Gesellschaft durch entsprechende Äußerungen bei dem Organmitglied das Vertrauen darauf begründet hat, daß sie für Versicherungsschutz sorgen werde, selbst wenn es an einer Versicherungsverschaffungsklausel fehlt. Der gegen die Gesellschaft gerichtete Schadenersatzanspruch nach § 280 BGB führt zu einem spezifischen Problem, wenn das die Anzeigepflicht verletzende bzw. für die arglistige Täuschung verantwortliche Organmitglied selbst Anspruchsteller ist. Hier hat die Prüfung ergeben, daß ein Anspruch nach § 254 Abs. 1 BGB in diesen Fällen gesperrt ist, wenn das Organmitglied, welches den Fortfall des Versicherungsschutzes zu vertreten hat, vorsätzlich gehandelt hat. Bei Fahrlässigkeit kann der Anspruch des Organmitglieds gegen die Gesellschaft hingegen nicht vollständig entfallen, sondern es ist dann lediglich nach den allgemeinen Grundsätzen eine Schadenteilung angemessen. Deliktische Schadenersatzansprüche nach den §§ 823, 826 BGB spielen daneben jedoch keine Rolle. Desgleichen scheiden Schadenersatzansprüche der versicherten Personen untereinander grundsätzlich aus, weil es insoweit an vertraglichen Beziehungen zwischen den Personen fehlt.

Teil G. In Teil G. wurde die inhaltliche Ausgestaltung von Freistellungsvereinbarungen und D&O-Versicherungen untersucht. Es ging hierbei zunächst um den personellen Umfang. Nachdem die allgemeinen Grundsätze typischer D&OBedingungswerke dargelegt wurden, war insbesondere auf die Einbeziehung leitender Angestellter einzugehen. Eine Versicherung bzw. Freistellung trifft dort – anders als bei Organmitgliedern – auf die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung. Es konnte jedoch hergeleitet werden, daß eine Versicherung bzw. Freistellung bei leitenden Angestellten nicht zu einer Verschärfung der Arbeitnehmerhaftung im Sinn eines „Deckung schafft Haftung“ führt. Ferner wurden D&O-typische Klauseln, wie die Versicherung von outside directorships oder die Einbeziehung fehlerhaft bestellter und faktischer Organmitglieder untersucht, desgleichen Konzernvorteilsregelungen und die sog. entity-Deckung sowie die company reimbursement-clause.

Teil G.

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Die Analyse hat weiter gezeigt, daß sowohl in der D&O-Versicherung als auch in der Freistellungsvereinbarung verschiedene Möglichkeiten bestehen, den Ausschluß der Deckung für vorsätzliche bzw. wissentliche Schädigungen bzw. Pflichtverletzungen zu konkretisieren. Auch wenn die Freistellung und Versicherung für vorsätzliche Schädigungen nach § 138 BGB zivilrechtlich grundsätzlich unwirksam ist, besteht dennoch vielfach eine praktische Notwendigkeit und zivilrechtlich auch die Möglichkeit, unterhalb der Schwelle der Sittenwidrigkeit den Vorsatzausschluß in den AVB bzw. in der Freistellungsvereinbarung zu konturieren. Weitere Fragen hat der zeitliche Geltungsbereich von D&O-Versicherungen und Freistellungsvereinbarungen aufgeworfen. Im Zusammenhang mit der D&O-Versicherung waren hier zunächst die Besonderheiten des claims madePrinzips zu untersuchen. Es zeigte sich, daß diese den D&O-Versicherungsvertrag kennzeichnende Definition des Versicherungsfalls sowohl versicherungsvertragsrechtlich als auch nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zu beanstanden ist, anders als dies Teile der Literatur vertreten. Ferner war in diesem Zusammenhang zu untersuchen, inwieweit unkündbare, d.h. „ewige“, Freistellungsvereinbarungen zivilrechtlich zulässig sind. Die Untersuchung der denkbaren Fallkonstellationen hat hier ergeben, daß regelmäßig im Weg der Vertragsauslegung eine Befristung oder Kündbarkeit von den Parteien als gewollt anzunehmen ist, so daß sich die Frage der Sittenwidrigkeit wegen überlanger Bindungsdauer nicht stellt. Sodann war die summenmäßige Begrenzung von D&O-Versicherungen und Freistellungsvereinbarungen zu untersuchen. Es ergab sich hier, daß neben dem Schaden als solchem auch die Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Verteidigung bei der Festlegung des Deckungsumfangs berücksichtigt werden müssen. Die Arbeit hat auch diesbezügliche vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten entwickelt. Sodann war die sog. Serienschadenklausel näher zu untersuchen. Durch diese insbesondere in der D&O-Versicherung verbreitete Regelung werden mehrere Schäden bzw. Pflichtverletzungen zu einem Versicherungsfall zusammengefaßt. Hier ergab die Prüfung, daß Serienschadenklauseln nicht nur zu einer Risikobegrenzung im Interesse des Versicherers führen, sondern auch die versicherten Personen schützen. Entgegen teilweise vertretener Ansicht sind gegen Serienschadenklauseln keine AGB-rechtlichen Einwände zu erheben. Im Anschluß daran wurden Eigenschaden- und Öffnungsklauseln untersucht. Auch hier konnte nachgewiesen werden, daß gegen sie – wiederum entgegen vereinzelten Stimmen im Schrifttum – keine aktienrechtlichen Bedenken bestehen. Dasselbe gilt für Trennungs- und Gerichtsklauseln. Im Zusammenhang mit Freistellungsvereinbarungen war abschließend noch zu ermitteln, inwieweit diese dem schenkungsrechtlichen Formzwang des § 518 BGB unterfallen, sofern es an einer Gegenleistung des Freistellungsgläu-

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bigers fehlt. Insoweit zeigte sich, daß in den praxisrelevanten Fällen vielfach eine dienstvertragliche causa für die Freistellungsvereinbarung vorliegt. Ferner wurde begründet, daß die Eingehung einer Freistellungsverpflichtung durch einen Gesellschafter causa societatis ebenfalls zu einer Verdrängung des Schenkungsrechts führt. Teil G. hat sich ferner spezifisch der Erfassung von Bußgeldern und Geldstrafen durch die Freistellungsvereinbarung und die D&O-Versicherung zugewandt. Die Sicherungsinstrumente treten dort in einen unmittelbaren Konflikt mit dem öffentlich-rechtlichen Präventionszweck von Straf- und Bußgeldtatbeständen. Gleichwohl hat die Prüfung gezeigt, daß nachträgliche Verpflichtungen der Gesellschaft oder Dritter zur Übernahme der Sanktionsfolgen sowie der Kosten der Rechtsverteidigung weder straf- noch zivilrechtlich zu beanstanden sind. Solche nachtatlichen Freistellungen greifen in den Präventionszweck nicht ein, da der Betroffene nicht im voraus auf eine entsprechende Erstattung vertrauen konnte. Umgekehrt hat die Analyse ergeben, daß Freistellungsvereinbarungen hinsichtlich künftiger Geldbußen und -strafen nach § 138 Abs. 1 BGB sowohl in bezug auf Fahrlässigkeits- als auch auf Vorsatztaten grundsätzlich nichtig sind. Ausnahmen von der Sittenwidrigkeit sind lediglich in geringem Umfang etwa bezüglich ausländischer Straftaten anzuerkennen. Die Verpflichtung zur Übernahme künftiger Verfahrenskosten ist hingegen nicht als sittenwidrig anzusehen, da es sich hierbei nicht um die Sanktionsfolge handelt, so daß insoweit auch keine Vereitelung des öffentlich-rechtlichen Präventionszwecks zu verzeichnen ist. Die Industrie-StrafrechtsschutzVersicherung ist demnach ein zulässiges Rechtsprodukt, welches sich auf die Verteidigungskosten in Straf- und Bußgeldverfahren bezieht. Von der zivilrechtlichen Möglichkeit nachtatlicher und – in begrenztem Umfang – vortatlicher Freistellungen ist die Frage zu unterscheiden, inwieweit solche Vereinbarungen in dem Interesse des Unternehmens liegen, welches als Freistellungsschuldner fungiert. Diesbezüglich gilt zunächst, wie hinsichtlich jeder anderen Belastung des Gesellschaftsvermögens, daß entsprechende Verpflichtungen im Unternehmensinteresse geboten sein müssen. Es wurden hier im einzelnen die Voraussetzungen entwickelt, die bei der Entscheidung über die Freistellung von Organmitgliedern zu beachten sind. Dabei hat sich gezeigt, daß die ARAG-Grundsätze auf diese Frage sinngemäß übertragen werden können. Von der aktienrechtlichen Zulässigkeit derartiger Freistellungszusagen ist wiederum die strafrechtliche Komponente zu trennen. Nach der Rechtsprechung können Freistellungen der Gesellschaft zugunsten ihrer straf- oder bußgeldrechtlich verantwortlichen Organmitglieder den Tatbestand der Untreue nach § 266 StGB zu Lasten des Unternehmens erfüllen. In dieser Hinsicht ist die Auslegung des Untreuetatbestands, wie sie insbesondere durch die Mannesmann-Rechtsprechung erfolgt ist, zu berücksichtigen. Die Freistellungsverein-

Teil H.

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barung muß mithin einen „zukunftsbezogenen Nutzen“ für das freistellende Unternehmen aufweisen.

Teil H. In Teil H. wurden die Folgen eines Kontrollwechsels auf die Freistellungsvereinbarung und den D&O-Versicherungsvertrag untersucht. Ein Kontrollerwerb der Versicherungsnehmerin führt in der D&O-Versicherung dazu, daß die Anzahl der durch eine Konzernpolice versicherten Organmitglieder wächst. Zugleich bleibt die Deckungssumme unverändert, so daß es hierdurch insgesamt zu einem Absinken des Schutzniveaus kommt. Es wurde deshalb analysiert, durch welche Vertragsgestaltungen diesem Problem begegnet werden kann. Ferner war in Teil H. zu untersuchen, welche versicherungsvertragsrechtlichen Folgen eintreten, wenn die neu erworbene Gesellschaft ebenfalls bereits über D&O-Deckung verfügt. Die Untersuchung hat gezeigt, daß hier die Vorschriften über die Neben- und die Mehrfachversicherung einschlägig sind. Außerdem wurden in diesem Zusammenhang die Rechtsfolgen sog. Subsidiaritätsklauseln untersucht. Sofern in bezug auf das Zusammentreffen zweier Subsidiaritätsklauseln spezifische Kollisionsregeln in den AVB enthalten sind, richtet sich das Vorrangverhältnis nach ihnen. Fehlt es an Kollisionsregeln, setzen sich qualifizierte Subsidiaritätsklauseln gegenüber einfachen durch. Konkurrieren hingegen zwei einfache Subsidiaritätsklauseln miteinander, läßt sich kein Rangverhältnis ermitteln, so daß im Weg der ergänzenden Vertragsauslegung hier der Parteiwille anzunehmen ist, daß sich die Klauseln gegenseitig aufheben und es bei der gesetzlichen Rechtsfolge des § 77 VVG bleibt. Dasselbe muß für ein Zusammentreffen zweier qualifizierter Subsidiaritätsklauseln gelten. Kommt es hingegen zu einem Kontrollwechsel bei der Versicherungsnehmerin selbst, können versicherungsvertragsrechtlich die Vorschriften über die Gefahrerhöhung greifen. Abhängig von den Umständen des Einzelfalls kann ein Anteilseignerwechsel eine Gefahrerhöhung im Sinn der §§ 23 ff. VVG darstellen. In diesem Kontext wurden auch die versicherungsvertragsrechtlichen Grenzen sog. change of control-Klauseln analysiert. Abschließend konnten die gefundenen Ergebnisse auf die Freistellungsvereinbarung nicht-versicherungsvertragsrechtlicher Art übertragen werden.

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L. Zusammenfassung der Ergebnisse

Teil I. Im Teil I. waren die Rechtsverhältnisse bei Eintritt eines Haftungsfalls zu untersuchen. Hier war zunächst die Bedeutung von Ersatz- und Freistellungsansprüchen bei der Abwicklung von D&O-Versicherungsfällen zu prüfen. Es stellte sich die Frage nach den Grenzen des Übergangs von Ersatz- und Freistellungsansprüchen auf den Versicherer. Die Untersuchung in Teil E. hatte insoweit ergeben, daß dem Organmitglied ein Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft zustehen kann, wenn es sich in Ausübung seiner Amtstätigkeit einem Außenhaftungsanspruch ausgesetzt hat, ohne zugleich eine Organpflicht im Innenverhältnis zu verletzen. Wenn nun die D&O-Versicherung diesen Außenhaftungsanspruch abdeckt, stellt sich die Frage, ob dieser Anspruch des Organmitglieds gegen die Gesellschaft nach § 86 Abs. 1 VVG auf den Versicherer übergeht. Die Rechtsfolge des § 86 Abs. 1 VVG widerspricht insoweit der besonderen Interessenlage in der D&O-Versicherung. Diesbezüglich hatte sich in Teil F. gezeigt, daß die D&O-Versicherung im ganz überwiegenden Interesse der Gesellschaft besteht. Dieser Wertungsgesichtspunkt muß auf die Auslegung des § 86 Abs. 1 VVG durchschlagen, so daß Freistellungsansprüche des Organmitglieds gegen die Gesellschaft nicht auf den Versicherer übergehen. Eine besondere aktienrechtliche Problematik kann sich im Zusammenhang mit der Abwicklung komplexer D&O-Versicherungsfälle ergeben. Wie im einzelnen ausgeführt, kann die Versicherungsnehmerin ein Interesse daran haben, mit dem Versicherer einen Deckungsvergleich zugunsten der versicherten Person zu schließen. Da die Gesellschaft jedoch im Innenverhältnis gegenüber dem Organmitglied wegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht ganz oder teilweise auf ihren Innenhaftungsanspruch verzichten kann, besteht für den Versicherer im Deckungsverhältnis weiterhin das Risiko einer zusätzlichen Inanspruchnahme durch den Versicherten, falls der Organhaftungsanspruch noch in weiterem Umfang geltend gemacht werden sollte. Hier stellt sich die Frage, ob eine Freistellungspflicht der Gesellschaft zugunsten des Versicherers vereinbart werden kann, um diesen insoweit abzusichern. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG steht einer solchen Freistellungspflicht weder in direkter noch in analoger Anwendung entgegen. Zwar käme es im Freistellungsfall dazu, daß der Gesellschaft Mittel in der Höhe entzogen werden, wie sie sie gegenüber dem Organmitglied aufgrund einer weitergehenden Durchsetzung des Innenhaftungsanspruchs einfordert. Es handelt sich bei dieser Belastung aber nicht um einen Verzicht auf den Innenhaftungsanspruch, sondern lediglich um die notwendige Folge einer im Interesse des Unternehmens liegenden Vergleichsvereinbarung hinsichtlich des Deckungsanspruchs. Freilich hat das für die Gesellschaft handelnde Organ bei Abschluß einer entsprechenden Freistellungspflicht das Unternehmensinteresse zu wahren und zu prüfen, ob die Vorteile

Teil I.

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eines Deckungsvergleichs im Verhältnis zu den Nachteilen einer möglichen Freistellungspflicht überwiegen. In Teil I. wurden außerdem die Fragen der prozessualen Durchsetzung der Ansprüche aus der D&O-Versicherung und der Freistellungsvereinbarung untersucht. Zunächst war hier in bezug auf den D&O-Versicherungsvertrag die Verfügungs- und Klagebefugnis zu klären. Sodann waren das haftpflichtversicherungsrechtliche Trennungsprinzip und seine Bedeutung für die D&OFremdversicherung herauszuarbeiten. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, ob der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin ein Direktanspruch gegen den Versicherer zustehen kann. Die Rechtsprechung hatte dies bei der regeltypisch ausgestalteten D&O-Fremdversicherung in einigen Fällen verneint. Die Untersuchung konnte die Rechtsprechung darin bestätigen, daß ein solcher Direktanspruch mit dem Trennungsprinzip kollidieren würde. Gleichwohl hat die weitere Analyse ergeben, daß die vertragliche Vereinbarung eines Direktanspruchs möglich wäre, wenngleich dies in der Praxis bislang jedenfalls kaum geschieht. Von der Möglichkeit der Vereinbarung eines Direktanspruchs zu trennen ist die Frage, inwieweit das geschädigte Organmitglied seinen Deckungsanspruch an die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin abtreten kann. Die VVG-Novelle von 2008 hat den Beteiligten hier durch den Fortfall der Möglichkeit des formularmäßigen Abtretungsverbots neue Gestaltungsspielräume eröffnet. Gegen die Möglichkeit der Abtretung wendet eine Meinung im Schrifttum in bezug auf die D&O-Versicherung jedoch ein, daß diese nicht zu einem Fortfall des haftpflichtversicherungsrechtlichen Erfüllungswahlrechts nach § 100 VVG führen dürfe. Der Versicherer müsse das Recht behalten, seine Freistellungspflicht entweder durch Abwehr unbegründeter oder Erfüllung begründeter Ansprüche zu erbringen, so daß er einer direkten Inanspruchnahme über § 404 BGB den Einwand entgegenhalten könne, daß zunächst der Haftpflichtprozeß geführt werden müsse. Es konnte jedoch gezeigt werden, daß § 100 VVG über § 404 BGB nicht entgegensteht, da der Versicherer sein Erfüllungswahlrecht nicht verliert. Er kann nämlich im Deckungsprozeß den inzident zu prüfenden Haftpflichtanspruch angreifen. Im Rahmen der Abtretung des Deckungsanspruchs an die Gesellschaft ergibt sich ferner die Frage, inwieweit dieser im Verfahren gegen den Versicherer betreffs des inzident zu prüfenden Haftpflichtanspruchs die Beweiserleichterung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG zugute kommt. Diesbezüglich ergab die Prüfung, daß diese Beweislastumkehr nur in einem gegen das Organmitglied geführten Haftpflichtprozeß zur Anwendung gelangen kann. Soweit es um die Durchsetzung des Deckungsanspruchs geht, ist ihr Anwendungsbereich nicht eröffnet. Sodann waren die verfahrensrechtlichen Konsequenzen einer Abtretung des Deckungsanspruchs zu klären. Hier hat sich gezeigt, daß die Zession mit erheblichen Nachteilen für den Versicherten verbunden sein kann. Entgegen

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L. Zusammenfassung der Ergebnisse

landläufiger Meinung führt die Abtretung auch nicht zu einer erhöhten Kollusionsgefahr zu Lasten des Versicherers. Im Anschluß daran war zu klären, inwiefern sich der Fortfall der Option eines vertraglichen Anerkenntnisverbots durch § 105 VVG auf die Möglichkeiten der direkten Inanspruchnahme des Versicherers nach erfolgter Abtretung des Deckungsanspruchs ausgewirkt hat. Auch hierbei zeigte sich, daß entgegen dem ersten Anschein die Gefahr eines kollusiven Zusammenwirkens zu Lasten des Versicherers nicht gestiegen ist. Anders als es teilweise die Literatur vertritt, entfaltet das Anerkenntnis nämlich aufgrund der durch die VVG-Novelle von 2008 eingetretenen Rechtsänderung keine unmittelbare Bindungswirkung im Deckungsprozeß. Ein Anerkenntnis erhöht daher nicht zwangsläufig die Erfolgsaussichten des Deckungsprozesses. Hinzu kommt, daß das Anerkenntnis mit zusätzlichen Rechtsnachteilen für die versicherte Person verbunden ist. Des weiteren war im Rahmen der Untersuchung der prozessualen Durchsetzung der Ansprüche aus dem D&O-Versicherungsvertrag die Geltendmachung des Deckungsanspruchs gegen Versicherungskonsortien zu behandeln. In der D&O-Praxis werden Großrisiken regelmäßig nicht durch einen einzelnen Versicherer gedeckt, sondern in Form der Mitversicherung. Es zeigte sich hier, daß die gängigen Regelungen zur Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses in bezug auf die D&O-Mitversicherung – entgegen vereinzelt geäußerter Ansicht in der Literatur – nicht AGB-rechtlich bedenklich sind. Anschließend wurden noch die Fragen der gerichtlichen Geltendmachung nicht versicherungsvertragsrechtlicher Freistellungsansprüche behandelt. Es ging auch hierbei um die prozessualen Konsequenzen der Trennung zwischen Schadenersatz- und Freistellungsanspruch. Anders als in der D&O-Haftpflichtversicherung besteht jedoch außerhalb des Versicherungsrechts kein dem Trennungsprinzip und der Bindungswirkung vergleichbares Institut. Gleichwohl bestehen auch Parallelen zu der prozessualen Situation der D&O-Versicherung, etwa hinsichtlich des Wahlrechts des Freistellungsschuldners, entweder unbegründete Ansprüche abzuwehren oder begründete zu erfüllen.

Teil J. Teil J. hat sich mit versicherungsrechtlichen Ergänzungen und Alternativen zu der Freistellung und der D&O-Versicherung befaßt. Aufgrund der strukturellen Begrenzungen von Freistellungsvereinbarungen und D&O-Versicherungen haben sich am Markt verschiedene Versicherungsprodukte herausgebildet, die teils an die Stelle dieser Sicherungsinstrumente treten können, teils als Ergänzungen fungieren.

Teil K.

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In diesem Zusammenhang war zunächst die sog. Industrie-Strafrechtsschutzversicherung zu untersuchen. Sie deckt die Kosten der Rechtsverteidigung in Straf- und Bußgeldverfahren ab, weil diese Positionen grundsätzlich von den D&O-Bedingungswerken nicht umfaßt werden. Die Prüfung ergab hier, daß eine Übernahme der Verteidigungskosten auch in bezug auf vorsätzliche Straftaten versicherungsvertragsrechtlich und zivilrechtlich möglich ist. Dies gilt selbst für den Fall, daß im Ergebnis eine Verurteilung erfolgt. Hierfür ist entscheidend, daß die Verfahrenskosten nicht Teil der Sanktionsfolge sind, so daß durch eine entsprechende Deckung nicht in eine öffentlich-rechtliche Steuerungsfunktion eingegriffen wird. Neben der Betriebshaftpflichtversicherung war im folgenden insbesondere auf die Deckungsklage-Rechtsschutzversicherung einzugehen. Es handelt sich hierbei um ein spezifisches Rechtsschutzversicherungsprodukt, das mit einer D&O-Deckung gekoppelt werden kann. Die Deckungsklage-Rechtsschutzversicherung hat den Zweck, die versicherte Person in die Lage zu versetzen, mit dem Versicherer „auf Augenhöhe“ über Deckungsfragen zu verhandeln. Hintergrund dieses Versicherungsprodukts ist der Umstand, daß die Kosten eines Deckungsprozesses wegen der Komplexität der Rechtsfragen und der Länge des Verfahrens erheblich sein können. Die Einschätzungen der Praxis über die Zweckmäßigkeit dieses Produkts gehen jedoch auseinander. Im Anschluß daran war die sog. Selbstbehaltsversicherung zu untersuchen. Sie ist eine spezielle Haftpflichtversicherung, die den Zweck hat, die Belastung des einzelnen Organmitglieds durch einen Selbstbehalt wieder aufzufangen. Es handelt sich um eine typische Singularhaftpflichtversicherung. Sie wird also durch die versicherte Person auf eigene Kosten genommen. Aktienrechtliche Bedenken bestehen gegen die Selbstbehaltsversicherung nicht. Abschließend war als untypische Form der D&O-Police die D&O-Singularhaftpflichtversicherung in Betracht zu nehmen. Bei diesem Typus der D&ODeckung ist nicht die Gesellschaft Versicherungsnehmerin, sondern das einzelne versicherte Organmitglied. In der Praxis spielt diese Form der D&O-Versicherung lediglich in besonderen Fallkonstellationen eine Rolle. Spezifische aktienrechtliche oder versicherungsrechtliche Fragen wirft sie nicht auf. Das Organmitglied verfügt über keinen Anspruch gegenüber der Gesellschaft auf Erstattung der für eine D&O-Singularhaftpflichtversicherung gezahlten Prämien, wie schon in Teil E. ermittelt wurde.

Teil K. Teil K. behandelt schließlich die steuerrechtliche Einordnung der D&O-Versicherung und der Freistellung. Die Leistungen aufgrund einer Freistellungsvereinbarung bzw. die im Rahmen eines D&O-Versicherungsvertrags durch

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L. Zusammenfassung der Ergebnisse

die Gesellschaft geleisteten Prämien sind sowohl auf Seiten des Freistellungsschuldners bzw. der Gesellschaft als auch hinsichtlich des begünstigten Organmitglieds steuerrechtlich einzuordnen. Die bewirkte Freistellung durch die Gesellschaft stellt beim Freistellungsgläubiger Arbeitslohn i.S.v. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG bzw. Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG dar. Mithin unterliegen Leistungen aufgrund einer Freistellungspflicht der progressiven Besteuerung. In bezug auf die Erstattung von Geldbußen und -strafen ist zu berücksichtigen, daß Zahlungen für den Betroffenen und Freistellungsempfänger gem. §§ 12 Nr. 4 bzw. 9 Abs. 5, 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG sowie ggf. § 10 Nr. 3 KStG nicht abzugsfähig sind, so daß es beim Freistellungsempfänger zu einer „Steuer-Schere“ kommt. Sofern der Freistellungsempfänger also gänzlich schadlos gestellt werden soll, muß dieser Steuernachteil durch eine entsprechende Aufstockung der Freistellungsleistung kompensiert werden. Auf Seiten des Freistellungsschuldners sind die entsprechenden Aufwendungen der Freistellung grundsätzlich als Betriebsausgaben absetzbar. Soweit es sich bei dem Organmitglied um einen beherrschenden Gesellschafter der Aktiengesellschaft oder GmbH handelt, ist noch zu berücksichtigen, daß eine Freistellungsleistung durch die Gesellschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG darstellen kann. Bei der D&O-Versicherung war die steuerliche Einordnung der Prämien lange Zeit strittig. Die frühere Praxis der Finanzbehörden betrachtete sie in bezug auf Vorstände und Geschäftsführer sowie ggf. leitende Angestellte als steuerpflichtige Einkünfte i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 19 EStG. Nachdem entsprechende Vorarbeiten in der Literatur jedoch herausgestellt hatten, daß die D&O-Versicherung im überwiegenden Unternehmensinteresse liegt, wurde diese Praxis zu Recht aufgegeben. Nach den steuerrechtlichen Anforderungen entsprechend der Konkretisierung durch einen Erlaß des Finanzministeriums Niedersachsen und ein insoweit inhaltsgleiches Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen aus dem Jahr 2002 sind die Prämien für eine marktüblich ausgestaltete D&OFremdversicherung daher nicht mehr als steuerpflichtiger Arbeitslohn bzw. – bei Aufsichtsräten – steuerbare Einkunft i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG anzusehen. Sofern Organmitglieder ausnahmsweise eine Singularhaftpflichtversicherung auf eigene Kosten genommen haben, stellen die durch sie geleisteten Prämien steuerlich absetzbare Werbungskosten dar. Auf Seiten des Unternehmens handelt es sich bei den Prämien der D&O-Fremdversicherung unabhängig von der steuerlichen Einordnung bei den versicherten Personen um Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG, § 8 Abs. 1 KStG.

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Sachwortverzeichnis Abtretung des Versicherungsanspruchs 449 ff. Abtretungsverbot 449 f. Abwehr 8, 102, 116, 204 ff., 446 f., 458, 467 ff., 470 Abwehrkosten 8, 102, 116, 204 ff., 232 Allokation 205, 232, 302, 525 Anerkenntnisverbot 474 ff. Anfechtung 318, 327, 333 ff., 344 Angestellter, leitender 102, 117, 257, 324, 347 ff., 357, 401 Anspruchstheorie, siehe claims made Anstellungsvertrag 22, 43, 53, 203, 239, 245 ff., 248 f., 257 f., 268, 272, 276, 284, 320, 344, 401 Anwaltswahl 271 Anzeigepflichten 317 ff. Aufrechnung 25, 340, 530 Aufsichtsrat – Freistellung 41 ff. – D&O-Versicherung 109, 233 f. Ausschlüsse – Eigenschaden 389 – Geldstrafen, -bußen 403 ff. – Gerichtsklausel 396 ff. – Kenntnis 358 ff. – Produkthaftpflicht 509 – vorsätzliche Pflichtverletzung 363 ff. – wissentliche Pflichtverletzung 365 ff. Bankenvertreter 349, 401 Beherrschungsvertrag 73 f., 78 f., 80, 91 Beirat 13, 78, 91, 145, 346, 403 Berufshaftpflichtversicherung 178 f., 292, 383, 387, 521 f. Beweislast 7, 49, 129, 318, 347, 461 ff. Bilanzschutz 293 ff. Business Judgement Rule 44, 50 f., 87, 150, 262 ff., 268 f., 439 ff.

Bußgelder, siehe Geldbußen captive insurance 113 ff. claims made 230 ff, 374 ff. company reimbursement 302 f. corporate governance 1, 149 ff. culpa in contrahendo 241, 329, 338 Deckungsklage 458, 460, 442 ff. Deckungsklage-Rechtsschutzversicherung 510 derivative action 99, 115 D&O-Versicherung – Abgrenzung zu anderen Versicherungen 498 ff. – Geschichte Deutschland 96 – Geschichte USA 96 Direktanspruch 448 Dolus directus 363 ff. Doppelversicherung siehe Mehrfachversicherung Eigenschaden 389 entity-Deckung 354 Erlass des BMF 522 f. Existenzvernichtender Eingriff 37, 73, 93 f., 251 Fahrlässigkeit – grobe 173, 187, 228, 321, 324, 347, 372 – leichte 228, 347 Forderungsübergang 434 ff. Freistellung – Gründe für 15 ff. – Kombination mit D&O-Versicherung 437 ff. – prozessuale Durchsetzung 494 ff. – Steuerrecht 517 f.

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Sachwortverzeichnis

– Zivilrechtliche Grundlagen 8 ff. Gefährdungshaftung 124, 128 Geldbußen- und strafen 403 ff. Gerichtsklausel siehe Ausschlüsse Geschäftsführer – D&O-Versicherung 346 ff. – Freistellung 355 Gesellschafterhaftung 278 Haftpflichtbestimmungen, gesetzliche 357 Haftungserleichterung 62 Haftungsfreistellung, siehe Freistellung Haftungsprivileg der Arbeitnehmer 347 ff. Haftungsrisiko – Außenverhältnis 166 ff. – Innenverhältnis 145 ff. Handelndenhaftung 165, 169 Industrie-Straf-Rechtsschutzversicherung (ISRS) 498 ff. Insolvenzverwalter 97, 291 f. Irrtümer 13, 26, 253, 269, 370, 509 Kapitalerhaltung 91 Kausalität 327, 372, 408, 411 Kennenmüssen 378 Kollsuion, Kollsuionsgefahr 356, 389 f., 393 ff., 449, 452, 472 f. Kompensationsprinzip 120 Konzern 72 ff., 86 ff., 203 Konzernhaftung 519 Kündigungsklausel 394 ff. Liquidator 346, 352 Lloyd’s 98 Makler 187, 369 f. Mehrfachversicherung 425 ff. Minderheitsgesellschafter 75 ff., 93 Mitverschulden 12, 241 ff., 244, 342 Nachhaftung 376 f. Obliegenheiten 317 ff. Öffentlichkeitsklausel siehe Gerichtsklausel

Organisationspflicht 167 outside director 319, 341, 349 f., 355, 380 Personen – ehemalig versicherte 350 – versicherte 346 ff. Personalgesellschaft 277 ff. Pflichtverletzung, wissentliche 365 ff. Prämie 4 f., 36, 98, 100 ff., 105 ff., 109 Rechtsscheinhaftung 241 Rechtsschutzversicherung 498 ff., 510 f. Repräsentant 109, 324, 331 f., 336, 343 Rückgriffsansprüche 241, 251, 257, 329, 337 Rückwärtsversicherung 364, 376 f., 377 f. Rufschaden 191 Schaden 356 ff. Selbstbehalt(e) – angemessener 216 ff. – Aufsichtsrat 233 ff. – bei entity-Deckung 235 ff. – Vorstand 201 ff. Serienschadenklausel 383 ff. severability clause 328 ff. Sittenwidrigkeit 62 ff., 94, 171, 343 ff., 359 ff., 385, 405 ff., 507 Steuerrecht 517 ff. Straf-Rechtsschutzversicherung, siehe Industrie-Straf-Rechtsschutzversicherung (ISRS) Täuschung, arglistige 187, 298, 318, 323, 327 ff., 333 ff. Tochterunternehmen siehe Konzern Trennungsklausel siehe Kündigungsklausel Trennungsprinzip 443 ff. Treupflicht 35, 51, 75 f., 93, 159 Übernahmen 56, 59 f., 162, 380 Untreue 6, 167, 312, 395, 403, 412 ff., 415 ff. Verbotsirrtum, siehe Irrtümer Verzicht und Vergleich – Innenhaftungsanspruch in der AG 21 ff. – Innenhaftungsanspruch in der GmbH 36 ff.

Sachwortverzeichnis

Vergütungscharakter der Versicherungsprämie 279 ff. Verschaffungsklausel, siehe Versicherungsverschaffungsklausel Verschulden 358 ff. Versicherung für fremde Rechnung 101 ff. Versicherungsfall 374 ff. Versicherungssumme 98, 106, 108, 180, 381, 383 f., 426, 428, 453, 523, 526 Versicherungsverschaffungsklausel 247, 320 f., 339 Verstoßprinzip 376, 378

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Vertrauensschadenversicherung 403 Vorsatz 358 ff., 363 ff. Weisung und Billigung Gesellschafterversammlung 13 Wirtschaftsprüfer 55, 131, 178, 309, 370, 383 Zuständigkeit, interne für den Abschluß der D&O-Versicherung – AG 279 ff. – GmbH 315 f.