Grenzen des unternehmerischen Ermessens bei der Vergabe von Unternehmensspenden im US-amerikanischen Gesellschafts- und im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht [1 ed.] 9783428513895, 9783428113897

Die Grenzen unternehmerischen Ermessens bei Geschäftsleiterentscheidungen sind in den letzten Jahren verstärkt Gegenstan

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Grenzen des unternehmerischen Ermessens bei der Vergabe von Unternehmensspenden im US-amerikanischen Gesellschafts- und im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht [1 ed.]
 9783428513895, 9783428113897

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Schriften zum Internationalen Recht Band 151

Grenzen des unternehmerischen Ermessens bei der Vergabe von Unternehmensspenden im US-amerikanischen Gesellschafts- und im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht

Von

Nico Zachert

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

NICO ZACHERT

Grenzen des unternehmerischen Ermessens bei der Vergabe von Unternehmensspenden im US-amerikanischen Gesellschafts- und im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht

Schriften zum Internationalen Recht Band 151

Grenzen des unternehmerischen Ermessens bei der Vergabe von Unternehmensspenden im US-amerikanischen Gesellschafts- und im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht

Von

Nico Zachert

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-11389-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 2002 bei der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation eingereicht. Für seine jederzeitige Förderung und seine stets hilfreiche Betreuung möchte ich mich ganz besonders bei meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Peter Heermann, bedanken. Herrn Prof. Dr. Ulrich Spellenberg danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Für ihre Unterstützung bei der Durchsicht der Arbeit möchte ich mich bei Dr. Christian Bärenz, Andrea Brand, Alexander Brand, Jens Grasser, Dr. Jörg Müller und Philip Wendl bedanken. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Andreas Thier für viele Ratschläge in wissenschaftlichen und universitären Fragen und Herrn Prof. Dr. Peter Landau für die langjährige Förderung. Die Arbeit ist meinen Eltern gewidmet. Sie haben mich bei meiner Ausbildung in jeder erdenklichen Weise unterstützt. Frankfurt am Main, im Januar 2005

Nico Zachert

Inhaltsübersicht Erstes Kapitel Einleitung

23

A. Die dieser Arbeit zugrunde liegende Problematik................................................... 23 B. Bestimmung des Untersuchungsgegenstands .......................................................... 25 C. Gang der Untersuchung........................................................................................... 28 Zweites Kapitel Unternehmerisches Ermessen bei der Vergabe von Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

30

A. Unternehmensspenden als Ermessensproblem im modernen amerikanischen Fallrecht .................................................................................................................. 30 B. Verfahrensanforderungen der Business Judgment Rule .......................................... 54 C. Materielle Überprüfbarkeit von Unternehmensspenden.......................................... 92 Drittes Kapitel Unternehmerisches Ermessen des Vorstands bei der Vergabe von Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

106

A. Die Entscheidungszuständigkeit des Vorstands für Unternehmensspenden.......... 106 B. Die Bedeutung des unternehmerischen Ermessens bei der innergesellschaftlichen Vorstandshaftung im deutschen Recht........................................................ 110 C. Verfahrensmäßige Überprüfung von Spendenentscheidungen im deutschen Recht ..................................................................................................................... 123 D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen ................................................... 176 Viertes Kapitel Unternehmerisches Ermessen der Geschäftsführer bei der Vergabe von Unternehmensspenden im deutschen GmbH-Recht

202

A. Die Entscheidungszuständigkeit des GmbH-Geschäftsführers für Unternehmensspenden ................................................................................................... 202 B. Die Bedeutung des unternehmerischen Ermessens bei der innergesellschaftlichen GmbH-Geschäftsführerhaftung .................................................................. 208 C. Verfahrensmäßige Überprüfung von Spendenentscheidungen im GmbH-Recht .. 211 D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen im GmbH-Recht........................ 217 Fünftes Kapitel Ergebnisse und Thesen

226

Literaturverzeichnis..................................................................................................... 236 Sachregister ................................................................................................................. 246

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel Einleitung

23

A. Die dieser Arbeit zugrunde liegende Problematik.............................................. 23 B. Bestimmung des Untersuchungsgegenstands...................................................... 25 I. Unternehmensspenden als geeignete Fallgruppe............................................... 25 II. Der Spendenbegriff ........................................................................................... 26 C. Gang der Untersuchung........................................................................................ 28 Zweites Kapitel Unternehmerisches Ermessen bei der Vergabe von Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

30

A. Unternehmensspenden als Ermessensproblem im modernen amerikanischen Fallrecht....................................................................................................... 30 I. Entwicklung hin zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Unternehmensspenden nach der Ultra vires-Doktrin....................................................................... 30 1. Allgemeines zur Ultra vires-Doktrin............................................................ 30 2. Die Frühphase: Grundsätzliches Unternehmensspendenverbot bei strenger Anwendung der Ultra vires-Doktrin....................................................... 33 3. Die Direct benefit-Doktrin ........................................................................... 35 a) Förderung der eigenen Absatzmöglichkeiten .......................................... 35 b) Förderung der eigenen Mitarbeiter.......................................................... 36 c) Förderung von Bildungseinrichtungen .................................................... 40 d) Erste Ansätze zum Verzicht auf die Unternehmensbezogenheit von Spenden................................................................................................... 40 e) Zusammenfassung................................................................................... 41 4. Einzelstaatliche Statuten .............................................................................. 42 5. Die grundsätzliche Zulässigkeit von allgemeinwohlbezogenen Spenden („charitable donations“) im modernen Fallrecht .......................................... 44 6. Zusammenfassung........................................................................................ 45 II. Die innergesellschaftliche Zuständigkeit für Unternehmensspenden................ 46 1. Die Aufgabenverteilung zwischen Board of Directors und den Anteilseignern ......................................................................................................... 46 2. Die Aufgabenverteilung zwischen dem Board of Directors und den Officers ............................................................................................................ 48 III. Die Bedeutung der Business Judgment Rule..................................................... 49 1. Rechtliche Bindungen und Haftungsrisiken der Directors ........................... 49 2. Einwände gegen überzogene Haftungsrisiken.............................................. 50 3. Die Business Judgment Rule als Grundlage eines haftungsfreien unternehmerischen Ermessens ............................................................................. 51 a) Historische Ursprünge der Business Judgment Rule............................... 51 b) Voraussetzungen und Wirkung der Business Judgment Rule ................. 52

10

Inhaltsverzeichnis

B. Verfahrensanforderungen der Business Judgment Rule ................................... 54 I. Freisein von Interessenkonflikten ..................................................................... 54 1. Der Begriff des Interessenkonflikts im Allgemeinen ................................... 54 a) „In-sich-Geschäfte“................................................................................. 54 b) Persönliche Eigeninteressen.................................................................... 55 aa) Die finanzielle Natur des Eigeninteresses......................................... 55 bb) Das Erheblichkeitserfordernis........................................................... 56 c) Beteiligung von unabhängigen und neutralen Personen an der Entscheidung ................................................................................................ 57 2. Prüfung von Interessenkonflikten bei Spendenentscheidungen ................... 59 a) Die älteren Entscheidungen..................................................................... 59 b) Kahn v. Sullivan...................................................................................... 61 aa) Sachverhalt und Prozessgeschichte................................................... 61 bb) Behandlung von Interessenkonflikten in den Entscheidungen.......... 62 cc) Bewertung der Entscheidung des Delaware Supreme Courts ........... 63 c) „Pet Charities“ auch bei nicht-finanziellen Vorteilen?............................ 64 aa) Immaterielle Vorteile für Directors durch Unternehmensspenden.... 64 bb) Die rechtliche Behandlung dieser immateriellen Vorteile ................ 66 cc) Zusammenfassung ............................................................................ 67 3. Zwischenergebnis......................................................................................... 68 II. Handeln auf ausreichender Informationsgrundlage („Informed Basis Test“).... 68 1. Informationspflichten im Allgemeinen ........................................................ 68 a) Die Duty of Care im Verhältnis zur Business Judgment Rule................. 68 b) Der Gegenstand und Umfang der Informationspflichten ........................ 69 c) Der Sorgfaltsmaßstab .............................................................................. 70 2. Informationspflichten bei Unternehmensspenden ........................................ 71 a) Theodora Holding Corp. v. Henderson ................................................... 71 b) Kahn v. Sullivan...................................................................................... 72 3. Zwischenergebnis und Bewertung ............................................................... 74 III. Handeln im Interesse des Unternehmens („Good Faith Test“).......................... 74 1. Die Überprüfung der Entscheidungsmotivation im Hinblick auf ihre Gewinnorientierung im Rahmen der Business Judgment Rule......................... 74 a) Die Überprüfung der Entscheidungsmotivation im Rahmen der Business Judgment Rule................................................................................. 74 b) Das Verhältnis der Business Judgment Rule zur Ultra vires-Doktrin ..... 75 2. Gewinnorientierte Motivation als Voraussetzung für die Anwendung der Business Judgment Rule?....................................................................... 75 a) Die Debatte über Gewinnmaximierung und soziale Verantwortlichkeit in der amerikanischen Literatur........................................................ 75 aa) Unternehmenstheorien und die soziale Verantwortlichkeit............... 77 (1) Das Principal/Agent-Modell ....................................................... 77 (2) Interessenpluralistische Unternehmenstheorien als Grundlage für die Theorie der sozialen Verantwortlichkeit ......................... 78 bb) Die ökonomische Ebene in der amerikanischen Diskussion ............. 79 cc) Die „politische“ Ebene...................................................................... 80 b) Der Gewinnmaximierungsgrundsatz im amerikanischen Fallrecht ......... 81 aa) Die Pflicht zur Gewinnmaximierung als Ausgangspunkt im Common Law ................................................................................... 81 bb) Relativierung des Gewinnmaximierungsprinzips durch das unternehmerische Ermessen? .................................................................... 82 (1) Die Dodge-Entscheidung und die Business Judgment Rule ....... 82

Inhaltsverzeichnis

11

(2) Die Entscheidung Shlensky v. Wrigley........................................ 83 (3) Zusammenfassung ...................................................................... 84 3. Unternehmensspenden als Ausnahme zum Gewinnmaximierungserfordernis?.......................................................................................................... 85 a) Das Erfordernis der Gewinnmaximierung in den staatlichen Statuten .... 86 b) Das Erfordernis der Gewinnmaximierung im modernen Fallrecht.......... 87 aa) Das formale Gewinnmaximierungserfordernis im modernen Fallrecht .................................................................................................. 87 bb) Die materielle Bedeutungslosigkeit des Gewinnmaximierungserfordernisses im Zusammenhang mit Unternehmensspenden ......... 89 cc) Zwischenergebnis ............................................................................. 90 c) Notwendigkeit eines Lippenbekenntnisses zum Shareholder Value bei Spendenentscheidung? ...................................................................... 90 4. Zwischenergebnis......................................................................................... 91 C. Materielle Überprüfbarkeit von Unternehmensspenden ................................... 92 I. Allgemeines zur materiellen Überprüfbarkeit von Entscheidungen im Anwendungsbereich der Business Judgment Rule................................................. 92 II. Materielle Überprüfung von Unternehmensspenden......................................... 94 1. Der „Reasonableness Test“ als Ermessensgrenze bei Spendenentscheidungen.......................................................................................................... 94 2. Der „Reasonableness Test“ als Verschärfung des „Rational Purpose Test“? ........................................................................................................... 94 3. Die Corporate Waste Doctrine als Grundlage für den „Reasonableness Test“............................................................................................................. 96 4. Die inhaltliche Ausgestaltung des „Reasonableness Test“........................... 98 a) Der „Reasonableness Test“ in Delaware................................................. 98 b) Exkurs: Die steuerrechtliche Behandlung von Unternehmensspenden ... 99 c) Die Kritik an der Heranziehung steuerrechtlicher Regelungen in der amerikanischen Literatur....................................................................... 101 d) Die Reasonableness-Prüfung außerhalb Delawares .............................. 101 5. Zusammenfassung...................................................................................... 102 III. Verstoß gegen außergesellschaftsrechtliche Verbotsgesetze........................... 103 IV. Zusammenfassung........................................................................................... 105 Drittes Kapitel Unternehmerisches Ermessen des Vorstands bei der Vergabe von Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

106

A. Die Entscheidungszuständigkeit des Vorstands für Unternehmensspenden .. 106 I. Unternehmensspenden als Zuständigkeitsproblem im deutschen Aktienrecht .. 106 II. Die Spenden als Teil der dem Vorstand nach §§ 76, 77 AktG obliegenden Geschäftsführungszuständigkeit...................................................................... 106 1. Spenden als Geschäftsführungsmaßnahmen .............................................. 106 2. Anderweitige Kompetenzzuweisung durch § 58 Abs. 3 S. 2 AktG............ 107 3. Zuständigkeitsverweisung an die Hauptversammlung aus § 179 AktG in Verbindung mit Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck ......... 108 4. Ungeschriebene Vorlagepflicht des Vorstands entsprechend § 119 Abs. 2 AktG? ............................................................................................. 109 III. Zwischenergebnis ........................................................................................... 110

12

Inhaltsverzeichnis

B. Die Bedeutung des unternehmerischen Ermessens bei der innergesellschaftlichen Vorstandshaftung im deutschen Recht......................................... 110 I. Die Anerkennung des unternehmerischen Ermessens von Vorstandsmitgliedern im deutschen Recht ........................................................................... 110 II. Die Berücksichtigung des unternehmerischen Ermessens bei der Prüfung der Voraussetzungen von § 93 AktG .............................................................. 112 1. Die Einschränkung der materiellen Überprüfung von unternehmerischen Entscheidungen im deutschen Recht ................................................ 112 a) Die Einschränkung der richterlichen Überprüfung von Vorstandsentscheidungen als Ausdruck des unternehmerischen Ermessens.............. 112 b) Heranziehung verwaltungsrechtlicher Grundsätze in Literatur und Rechtsprechung..................................................................................... 113 c) Die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung ................................................ 114 aa) Inhalt............................................................................................... 114 bb) Die ARAG/Garmenbeck-Kriterien als Haftungsausnahmetatbestand oder objektiver Sorgfaltsmaßstab?......................................... 116 cc) Zusammenfassung und Stellungnahme........................................... 117 2. Die Beweislastverteilung bei Ermessensentscheidungen ........................... 118 a) Die Beweislastverteilung nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG .......................... 118 b) Mertens Schadensbegriff – „Stille Abkehr von der gesetzlichen Beweislastumkehr“? .................................................................................. 119 c) Beweiserleichterungen zugunsten der Vorstandsmitglieder.................. 121 III. Rechtsvergleichende Zusammenfassung und weitere Vorgehensweise .......... 122 1. Rechtsvergleichende Zusammenfassung.................................................... 122 2. Die weitere Vorgehensweise...................................................................... 123 C. Verfahrensmäßige Überprüfung von Spendenentscheidungen im deutschen Recht................................................................................................... 123 I. Die Orientierung am Unternehmenswohl........................................................ 123 1. Aufteilung dieser Ermessensgrenze in zwei Teilfragen ............................. 123 2. Zulässiger Zweck der Unternehmensspende .............................................. 124 a) Pflicht zur Gewinnmaximierung aufgrund des Gesellschaftszwecks .... 124 aa) Bindung des Vorstands an den Gesellschaftszweck aufgrund des satzungsmäßig festgelegten Unternehmensgegenstands ................. 124 bb) Inhalt des Gesellschaftszwecks....................................................... 125 (1) Gewinnerzielung....................................................................... 125 (2) Maximaler oder „angemessener“ Gewinn?............................... 127 (a) Gewinnmaximierung als satzungsautonomer überindividueller Verbandszweck ...................................................... 127 (b) Die Grenzen der Satzungsautonomie als Grundlage für Beschränkung auf den „angemessenen Gewinn“?.............. 128 b) Überlagerung der satzungsautonom begründbaren Gewinnmaximierungspflicht durch höherrangiges Recht................................................ 129 aa) Überlagerung des satzungsautonomen Gewinnmaximierungsziels durch § 70 AktG 1937?........................................................... 129 bb) Überlagerung des erwerbswirtschaftlichen Gesellschaftszwecks durch die verfassungsrechtliche Sozialbindung des Eigentums ...... 131 (1) Unzulässigkeit des Gewinnmaximierungsprinzips wegen der unmittelbaren Geltung von Art. 14 Abs. 2 GG? ....................... 131 (2) Unzulässigkeit des Gewinnmaximierungsziels aufgrund von Grundrechten Dritter?............................................................... 133 cc) Überlagerung des Gesellschaftszwecks durch das MitbestG?......... 135

Inhaltsverzeichnis

13

(1) Inhalt des MitbestG 1976.......................................................... 135 (2) Modifikation der Zweckbindung des Vorstands durch das MitbestG? ................................................................................. 135 dd) Überlagerung der satzungsmäßigen Zweckbindung durch das sog. „Unternehmensinteresse“? ...................................................... 137 (1) Unternehmenswohl und Unternehmensinteresse als Verhaltensmaximen für Vorstände in der Rechtsprechung ................. 137 (2) Die rechtliche Unbestimmtheit des Begriffs ............................. 138 (3) Das „Unternehmen“ als verselbstständigter Rechtsträger? ....... 139 (a) Die Theorie vom „Unternehmen an sich“........................... 140 (b) Die Sozialverbandstheorien................................................ 141 (c) Die Lehre vom Aktienunternehmen ................................... 142 (d) Zwischenergebnis und Stellungnahme ............................... 143 (4) Das Unternehmensinteresse als interessenpluralistischer Verhaltensmaßstab?........................................................................ 143 (5) Die Vereinbarkeit der Gewinnmaximierungsmaxime mit dem Grundgedanken des Unternehmensinteresses ........................... 146 (6) Zwischenergebnis ..................................................................... 146 c) Vereinbarkeit des erwerbswirtschaftlichen Gesellschaftszwecks mit Unternehmensspenden .......................................................................... 147 aa) Langfristige Gewinnmaximierungsabsicht als Voraussetzung für die Zulässigkeit von Unternehmensspenden ................................... 147 bb) Anforderungen an das Beweisvorbringen des beklagten Vorstands .............................................................................................. 147 d) Rechtsvergleichende Zusammenfassung............................................... 148 3. Die Verfolgung von Eigeninteressen bei Spendenentscheidungen............. 150 a) Gesetzliche Regelungen zu In-sich-Geschäften und zur Mehrvertretung ....................................................................................................... 150 aa) Entschärfung von Interessenkonflikten durch aktienrechtliche Zuständigkeitsregelungen ............................................................... 150 bb) Verbot von Mehrvertretung nach § 181 BGB ................................. 151 cc) Rechtsvergleichende Zusammenfassung......................................... 152 b) Treuepflichten ....................................................................................... 153 aa) Objektive Interessenlage als (weiterer) Maßstab für die Überprüfung von Treuepflichten?................................................................ 153 bb) Die Erheblichkeit des Eigenvorteils................................................ 155 (1) Die Notwendigkeit des Erheblichkeitserfordernisses im Zusammenhang mit Unternehmensspenden.................................. 155 (2) Die Erheblichkeit von finanziellen Vorteilen in der Rechtsprechung.................................................................................. 156 (3) Die Erheblichkeit nicht-finanzieller Eigenvorteile in der Rechtsprechung ........................................................................ 157 (a) Vorteile für persönlich nahestehende Personen oder Organisationen........................................................................ 157 (b) Erhöhtes Sozialprestige als Grundlage für die Erheblichkeit des Eigenvorteils ......................................................... 159 cc) Rechtsvergleichende Zusammenfassung und Stellungnahme ......... 159 c) Parteispenden als Grundlage für Treuepflichtverletzungen?................. 160 d) Der Entlastungsbeweis durch das sich in einem Interessenkonflikt befindliche Vorstandsmitglied .............................................................. 162 aa) Die grundsätzliche Beweislastverteilung ........................................ 162

14

Inhaltsverzeichnis

bb) Entlastung durch Billigung der Spendenentscheidung durch den Aufsichtsrat..................................................................................... 163 (1) Widerlegung der durch einen Interessenkonflikt begründeten Vermutung für einen Treuepflichtverstoß................................. 163 (2) Verfahrensmäßige Erfordernisse .............................................. 164 cc) Entlastung allein durch Involvierung des Gesamtvorstands?.......... 165 dd) Entlastung durch Nachweis der materiellen Vereinbarkeit der Spende mit dem Prinzip der Gewinnmaximierung ......................... 166 4. Rechtsvergleichende Zusammenfassung.................................................... 167 II. Handeln auf ausreichender Informationsgrundlage......................................... 168 1. Ausreichende Selbstinformation als Voraussetzung für die Eröffnung des unternehmerischen Ermessensspielraums ............................................ 168 2. Die Reichweite der Informationspflicht bei Spendenentscheidungen ........ 168 a) Der strenge Maßstab: Ausschöpfen aller Erkenntnisquellen ................. 168 b) Übertragung des erleichterten US-amerikanischen Maßstabs ins deutsche Recht? .................................................................................... 169 c) Stellungnahme....................................................................................... 171 d) Kriterien bei der einzelfallbezogenen Bestimmung der Informationspflichten ................................................................................................ 171 aa) Die Höhe der Spende ...................................................................... 171 bb) Die Dringlichkeit der Entscheidung................................................ 172 cc) Erhöhte Informationspflichten bei besonderen Risiken .................. 172 dd) Indirekte Verschärfung der Informationspflichten bei Einschaltung des Aufsichtsrats wegen Interessenkonflikten ........................ 173 3. Gegenstand der Informationspflichten bei Spendenentscheidungen........... 173 a) Wirtschaftliche Auswirkungen auf das Spenderunternehmen................. 173 b) Informationen über die Empfängerorganisationen ................................ 174 aa) Vereinbarkeit des geförderten Zwecks mit den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens.......................................................... 174 bb) Informationspflichten hinsichtlich der „sozialen Wertigkeit“ der Spende?........................................................................................... 174 4. Rechtsvergleichende Zusammenfassung.................................................... 175 D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen.............................................. 176 I. Grenzen des erlaubten Risikos ........................................................................ 176 1. Die Unsicherheit über die Reichweite der materiellen Überprüfung von Ermessensentscheidungen im deutschen Recht.......................................... 176 a) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und die Kritik in der Literatur ................................................................................................ 176 b) Stellungnahme....................................................................................... 178 2. Die objektive Möglichkeit eines wirtschaftlichen Vorteils als Mindestvoraussetzung............................................................................................. 179 3. Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Vorteils von Spendenentscheidungen........................................................................................... 181 a) Wahrscheinlichkeit des wirtschaftlichen Erfolgs als Gegenstand der inhaltlichen Überprüfung ...................................................................... 181 b) Die Nähe am Unternehmensgegenstand als Maßstab? .......................... 181 aa) Die Heranziehung des Unternehmensgegenstands zur objektiven Überprüfung von Spendenentscheidungen in der Rechtsprechung des Ersten Strafsenats sowie in Teilen der Literatur ....................... 181 bb) Stellungnahme ................................................................................ 183

Inhaltsverzeichnis

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(1) Der Unternehmensgegenstand als Maßstab zur Überprüfung von Vorstandshandeln?............................................................. 183 (2) Die Gefahr der Rechtsunsicherheit ........................................... 184 (3) Die Gefahr des Beweisnotstands .............................................. 184 (4) Zwischenergebnis: Nähe zum Unternehmensgegenstand nicht als zwingender Rechtfertigungsgrund....................................... 185 4. Die Angemessenheit der Spende................................................................ 186 a) Die Angemessenheit der Spende als alternativer Rechtfertigungsgrund ..................................................................................................... 186 b) Vergleich mit anderen Unternehmen?................................................... 187 c) Die Verhältnismäßigkeitsprüfung als Ausdruck der Angemessenheit... 188 aa) Die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Spendenentscheidungen in der deutschen Literatur ................................................................... 188 bb) Bedeutung und Ausgestaltung der Verhältnismäßigkeitsprüfung im öffentlichen Recht...................................................................... 188 cc) Die Ungeeignetheit dieser Grundsätze bei der Überprüfung von unternehmerischen Ermessensentscheidungen................................ 190 d) Steuerrechtliche Wertungen als Grundlage für die Bestimmung der Angemessenheit .................................................................................... 192 aa) Das Steuerrecht als Leitlinie für die Konkretisierung der Angemessenheit ...................................................................................... 192 bb) Der Vorschlag von Baas und die Kritik in der Literatur ................. 193 cc) Die Heranziehbarkeit von steuerrechtlichen Wertungen im Zusammenhang mit Spendenentscheidungen...................................... 194 dd) Das Problem der Parteispenden ...................................................... 195 (1) Das verfassungsrechtliche Verbot der steuerrechtlichen Privilegierung von Parteispenden..................................................... 195 (2) Rechtfertigung von Parteispenden im Aktiengesellschaftsrecht .......................................................................................... 196 5. Zwischenergebnis: Zweistufige Rechtfertigung......................................... 197 II. Gesetzliche Verbote ........................................................................................ 198 1. Sorgfaltspflicht zur Einhaltung der Gesetze............................................... 198 2. Gesetzliche Spendenverbote ...................................................................... 199 a) Schmiergeldzahlungen .......................................................................... 199 b) Spenden an verbotene Organisationen .................................................. 200 c) Parteispenden ........................................................................................ 200 3. Rechtsvergleichende Zusammenfassung.................................................... 200 Viertes Kapitel Unternehmerisches Ermessen der Geschäftsführer bei der Vergabe von Unternehmensspenden im deutschen GmbH-Recht

202

A. Die Entscheidungszuständigkeit des GmbH-Geschäftsführers für Unternehmensspenden........................................................................................ 202 I. Keine Alleinzuständigkeit des GmbH-Geschäftsführers für Unternehmensspenden ........................................................................................................... 202 II. Gesetzliche Alleinzuständigkeit der Gesellschafter für Unternehmensspenden?................................................................................................................. 204 1. Gesetzliche Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung aufgrund § 46 Nr. 1 GmbHG? ................................................................................... 204

16

Inhaltsverzeichnis

2. Spenden als im Zuständigkeitsbereich der Gesellschafter liegende „ungewöhnliche Maßnahmen“?....................................................................... 205 a) „Ungewöhnliche Maßnahmen“ im GmbH-Recht.................................. 205 b) Das Spannungsverhältnis zwischen den Vorlagepflichten und dem unternehmerischen Ermessen................................................................ 206 c) Stellungnahme....................................................................................... 207 III. Zusammenfassung........................................................................................... 207 B. Die Bedeutung des unternehmerischen Ermessens bei der innergesellschaftlichen GmbH-Geschäftsführerhaftung.................................................... 208 I. Die Anerkennung des unternehmerischen Ermessens der Geschäftsführer im GmbH-Recht.............................................................................................. 208 II. Die Heranziehbarkeit der ARAG/Garmenbeck-Grundsätze............................ 209 III. Die Beweislastverteilung ................................................................................ 210 C. Verfahrensmäßige Überprüfung von Spendenentscheidungen im GmbHRecht..................................................................................................................... 211 I. Orientierung am Unternehmenswohl .............................................................. 211 1. Zulässiger Zweck der Unternehmensspende .............................................. 211 a) Die Bindung der Geschäftsführer an das Gewinnmaximierungsprinzip im GmbH-Recht .............................................................................. 211 b) Die Vereinbarkeit von Spenden mit dem Gewinnmaximierungsprinzip im GmbH-Recht .............................................................................. 213 2. Verfolgung von Eigeninteressen bei Spendenentscheidungen ................... 214 a) Gleichlauf mit aktiengesellschaftsrechtlichen Grundsätzen .................. 214 b) Haftungsbefreiender Gesellschafterbeschluss bei Vorliegen eines Eigeninteresses ......................................................................................... 214 II. Handeln auf ausreichender Informationsgrundlage......................................... 216 III. Zwischenergebnis ........................................................................................... 216 D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen im GmbH-Recht................. 217 I. Die Grenzen des erlaubten Risikos ................................................................. 217 1. Die Unsicherheit bei der Bestimmung der objektiven Risikogrenzen im GmbH-Recht .............................................................................................. 217 2. Nähe zum Unternehmensgegenstand und Angemessenheit als Rechtfertigungsgründe............................................................................................. 218 II. Gesetzliche Verbotsregelungen als objektive Grenze für die Zulässigkeit von Unternehmensspenden im GmbH-Recht .................................................. 219 III. Das Mitspracherecht der Gesellschafter bei ungewöhnlichen Geschäften als objektive Grenze........................................................................................ 220 1. Unternehmerisches Ermessen bei ungewöhnlichen Maßnahmen............... 220 2. Abgrenzungskriterien für vorlagepflichtige ungewöhnliche Maßnahmen . 220 a) Vorlagepflicht bei erhöhter Schadenswahrscheinlichkeit?.................... 220 b) Vorlagepflicht bei Änderung der Geschäftspolitik................................ 221 c) Vorlagepflicht bei Spenden gegen den (mutmaßlichen) Willen der Gesellschafter........................................................................................ 222 d) Beweislastverteilung hinsichtlich der Vereinbarkeit der Spende mit der bisherigen Geschäftspolitik und dem Gesellschafterwillen............. 222 aa) Anwendbarkeit von § 93 Abs. 2 S. 2 AktG analog ......................... 222 bb) Beweiserleichterung bei wirtschaftlich vertretbaren Spenden?....... 223 cc) Begrenzung des Anwendungsbereichs für die Beweiserleichterung................................................................................................. 224 IV. Zusammenfassung........................................................................................... 224

Inhaltsverzeichnis Fünftes Kapitel Ergebnisse und Thesen

17

226

Literaturverzeichnis .................................................................................................. 236 Sachregister................................................................................................................ 246

Abkürzungsverzeichnis & A. A.2d A.a.O./a.a.O ABA Abs. AcP Admin. Sci. Q. a.E. a.F. aff’d AG al. Ala. ALI Am. Econ. Rev. Ann. AO App. Ariz. Ark. Ass’n BB Bd. bearb. BGB BGBl. BGH BGHSt. BGHZ Brooklyn L. Rev. Bros. BT-Drucks. B.U.L. Rev. Bus. Bus. Law. BVerfGE BVerwGE Cal. Cal. Corp. Code CEO Ch. Cir.

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Abkürzungsverzeichnis Co. Colo. Conn. Cornell L. Rev. Corp. Creighton L. Rev. DB D.C. Del. Del. Gen. Corp. Law Del. J. Corp. L. DePaul L. Rev. Dep’t Dist. Div. D & O Versicherung E. Emory L. J. EStG etc. F. f. F.2d F.3d Fed. ff. Fla. Fn. FS F.Supp. Ga. Gen. GG GmbH GmbHR Harvard L. Rev. Haw. Hdb. Hg. Hgg. hM Hofstra L. Rev. Hosp. HS i.d.R. Ill. Inc. Ind. I.R.C. JW JZ

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Abkürzungsverzeichnis

Kan. KK KonTraG

Kansas Kölner Kommentar Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Körperschaftsteuergesetz Kentucky Louisiana Landgericht Limited Massachusetts Model Business Corporation Act Maryland Maine Memorial Metropolitan Manufacturing Michigan Michigan Law Review Minnesota Millionen Mississippi Mitbestimmungsgesetz von 1976 Missouri Montana Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Municipal mit weiteren Nachweisen National North Carolina North Dakota North Eastern Reporter North Eastern Reporter, Second Series Nebraska Nevada New Hampshire New Jersey Neue Juristische Wochenschrift New Mexiko Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht North Western Reporter North Western Reporter, Second Series New York Business Corporation Law New York Law School Law Review Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht oder Ähnliches Oklahoma Oberlandesgericht Oregon Pacific Reporter Pacific Reporter, Second Series

KStG Ky. La. LG Ltd. Mass. M.B.C.A. Md. Me. Mem’l Metro. Mfg. Mich. Mich. L. Rev. Minn. Mio. Miss. MitbestG Mo. Mont. MüKo Mun. mwN Nat’l N.C. N.D. N.E. N.E.2d Neb. Nev. N.H. N.J. NJW N.M. Nr. NVwZ N.W. N.W.2d N.Y. Bus. Corp. Law. N.Y. L. Sch. L. Rev. NZG o.ä. Okla. OLG Or. P. P.2d

Abkürzungsverzeichnis Pa. Pac. L. Rev. RegE rev'd RG R.I. R.M.B.C.A. R.R. Ry. S.C. Schriftltg. S.D. SEC So. sog. Stanford L. Rev. Stat. Stetson L. Rev. StGB StV S.W. S.W. 2d. Tel. Tenn. Tex. u.a. UCLA L. Rev. U.S. U.S.C. U.S.-Can. L. Rev. Univ. USA v. Va. Va. L. Rev. Vand. L. Rev. Verf. vgl. Vt. VwVfG Wash. Wash. & Lee L. Rev. Wis. Wiss. Red. wistra WM W. Va. Wyo. Yale L. Rev.

21

Pennsylvania Pacific Law Review Regierungsentwurf reversed Reichsgericht Rhode Island Revised Model Business Corporation Act Railroad Railway South Carolina Schriftleitung South Dakota Securities and Exchange Commission Southern Reporter sogenannte/n/r Stanford Law Review Statute(s) Stetson Law Review Strafgesetzbuch Strafverteidiger South Western Reporter South Western Reporter, Second Series Telephone Tennessee Texas unter anderem University of California at Los Angeles Law Review United States; Entscheidungen des Supreme Courts of the United States United States Code United States-Canada Law Review University United States of America versus; von Virginia Virginia Law Review Vanderbilt Law Review Verfasser; Verfassung vergleiche vermont Verwaltungsverfahrensgesetz Washington (State) Washington and Lee Law Review Wisconsin Wissenschaftliche Redaktion Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, WertpapierMitteilungen West Virginia Wyoming Yale Law Review

22

Abkürzungsverzeichnis

z.B. ZGR ZHR

z.B. Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung

ZIP ZPO

Erstes Kapitel

Einleitung A. Die dieser Arbeit zugrunde liegende Problematik Die Problematik der zivilrechtlichen Innenhaftung von Vorstandsmitgliedern gegenüber der Aktiengesellschaft und von Geschäftsführern gegenüber der GmbH ist in den letzten Jahren immer mehr in das Zentrum der gesellschaftsrechtlichen Diskussion in Wissenschaft und Praxis gerückt. Zahlreiche Monographien sind in den jüngerer Zeit zu diesem Thema erschienen.1 Die wachsende Relevanz der Vorstandshaftung zeigt sich auch in der steigenden praktischen Bedeutung der D & O Versicherung, die Geschäftsleiter vor Haftungsrisiken schützt. 2 Als Folge der vor wenigen Jahren ergangenen ARAG/GarmenbeckEntscheidung, in der der Bundesgerichtshof grundsätzlich eine Pflicht des Aufsichtsrats zur Geltendmachung von begründeten Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder bejaht hat, ist für die Zukunft von einer weiter steigenden praktischen Bedeutung der Vorstandshaftung auszugehen.3 Grundlage für die innergesellschaftliche Haftung im Kapitalgesellschaftsrecht sind in erster Linie § 93 Abs. 1, 2 AktG und § 43 Abs.1, 2 GmbHG. Bei diesen Regelungen fällt auf den ersten Blick auf, dass nach ihrem Wortlaut bereits eine einfache Sorgfaltspflichtverletzung für eine Haftung ausreichen kann. Angesichts der in der wirtschaftlichen Realität oft exorbitant hohen Schäden birgt diese Vorschrift für Vorstandsmitglieder und GmbH-Geschäftsführer damit ein gefährliches Haftungsrisiko.4 Vor diesem Hintergrund kommt Rechtsprechung und Literatur die schwierige Aufgabe zu, die Sorgfaltspflichten dieser Geschäftsleitungsorgane unter Berücksichtigung der Komplexität und Vielseitigkeit des modernen Wirtschaftslebens zu konkretisieren. ___________ 1 Siehe z.B. Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung; Abeltshauser, Leitungshaftung; Bastuck Enthaftung; Roth Unternehmerisches Ermessen. 2 Vgl. dazu Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 17: Danach ist in den letzten 50 Jahren ein deutlicher Anstieg der D & O-Versicherungsfälle zu verzeichnen. So gab es im Zeitraum der Jahre 1976 bis 1985 113 D & O-Versicherungsfälle und im Zeitraum der Jahre 1986 bis 1995 206 D & O-Fälle. Allerdings ist dabei zu beachten, dass ca. nur 21% der D & O-Versicherungsfälle auf die zivilrechtliche Haftung im Innenverhältnis entfallen, während sich die restlichen Fälle zu 39% auf die steuerrechtliche Haftung nach § 69 AO und zu 40% auf die Vorstandshaftung im Außenverhältnis verteilen. 3 Vgl. BGHZ 135, 244 ff. = BGH ZIP 1997, 883 ff. 4 Vgl. Schneider FS Werner S. 795, 796.

1. Kapitel: Einleitung

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Dabei hat sich im Aktiengesellschaftsrecht inzwischen die Auffassung durchgesetzt, dass dem Vorstand ein unternehmerisches Ermessen einzuräumen ist.5 Dem GmbH-Geschäftsleiter wird in der neueren Literatur und Rechtsprechung grundsätzlich ebenfalls ein solches Ermessen eingeräumt. 6 Nicht geklärt ist aber die Frage, wie die Grenzen des Geschäftsleiterermessens näher zu bestimmen sind.7 Hierzu wird in der modernen deutschen Literatur zunehmend die rechtsvergleichende Heranziehung von Erkenntnissen aus dem amerikanischen Gesellschaftsrecht diskutiert.8 Besonderes Augenmerk wird auf die business judgment rule gerichtet, die für die Überprüfung von unternehmerischen Entscheidungen im amerikanischen Recht primär maßgeblich ist.9 Bei der business judgment rule handelt es sich um eine Mischung von tatsächlicher Vermutung, Beweislastregeln und materiellem Sorgfaltsmaßstab.10 Zentraler Grundgedanke dieser Regel ist der weitgehende Verzicht auf eine materielle Überprüfung von Leitungsentscheidungen durch das Gericht. Ihre Anwendung setzt voraus, dass die mit der Entscheidung befassten directors nicht einem Interessenkonflikt unterlagen, sich hinreichend über die Sache informiert und nachvollziehbar im besten Interesse des Unternehmens zu handeln geglaubt haben.11 In der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung hat der Bundesgerichtshof diese Prüfung für die Konkretisierung des Vorstandsermessens für das deutsche Recht weitgehend übernommen, ohne dass er ausdrücklich auf das amerikanische Recht Bezug nahm.12 Wörtlich kann nach dieser Entscheidung eine Haftung von Vorstandsmitgliedern erst in Betracht kommen, „wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsgefühl getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Ent-

___________ 5 Siehe z.B. BGHZ 135, 244, 253 („weiter Handlungsspielraum“); Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 81; KK-Mertens § 93 AktG Rn. 29; § 76 AktG Rn. 10 ff.; Lutter Festgabe Wissenschaft 50 Jahre BGH Bd. II S. 321, 335; Goette FS BGH S. 123, 126 f.; Heermann ZIP 1998, 761, 762; Geßler/Hefermehl § 93 AktG Rn 10. 6 Vgl. OLG Zweibrücken NZG 1999, 506, 507; OLG Jena NZG 2001, 86, 87; Lutter/ Hommelhoff § 43 GmbHG Rn. 6; Scholz-Schneider § 43 GmbHG Rn. 45a ff.; Michalski-Haas § 43 GmbHG Rn. 67; Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 356; Heermann ZIP 1998, 761, 762; v. Gerkan ZHR 154 (1990), 39, 55 f. 7 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 267, 300 ff. 8 Siehe z.B. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 8 ff., 367 ff.; Abeltshauser Leitungshaftung S. 6 ff.; Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 83 ff.; Hopt FS Mestmäcker S. 909, 919 ff.; Mutter Unternehmerische Entscheidungen S. 206 ff.; Semler Leitung S. 83 f. 9 Vgl. Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 83. 10 Vgl. Heermann AG 1998, 201, 205 f. 11 Vgl. Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 83. 12 Vgl. BGHZ 135, 244, 253 f.; Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 83.

B. Bestimmung des Untersuchungsgegenstands

25

scheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstandes aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss“.13

Eine weitere Konkretisierung dieser Voraussetzungen brauchte der Bundesgerichtshof nicht vorzunehmen, da die Vorstandshaftung als solche gar nicht Gegenstand der Entscheidung war. Ziel dieser Arbeit ist es daher, auf Grundlage der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien die Grenzen des unternehmerischen Ermessens unter rechtsvergleichender Heranziehung von Erkenntnissen aus dem amerikanischen Recht näher zu bestimmen. Dabei ist zu beachten, dass, wie bereits in der deutschen Literatur zu Recht angemerkt wurde, der Übertragbarkeit der business judgment rule ins deutsche Recht Grenzen gesetzt sind.14 Dies gilt insbesondere für die gesetzlich geregelte Beweislastverteilung und den Fahrlässigkeitsmaßstab. Die Unterschiede, die zwischen den beiden Rechtsordnungen in diesem Bereich weiter bestehen, sollen ebenfalls genauer herausgearbeitet werden. Angesichts der Komplexität und Vielseitigkeit des Wirtschaftsgeschehens und der sich daraus ergebenden Anforderungen an Unternehmensleiter bietet es sich an, den Versuch zur Konkretisierung der Grenzen des unternehmerischen Ermessens anhand einer begrenzten Fallgruppe vorzunehmen. Dieses Vorgehen erlaubt es, rechtsvergleichend die Grundsätze zu diskutieren, die im amerikanischen Recht zur genaueren Bestimmung der Haftungsvoraussetzungen in dem betreffenden Bereich entwickelt wurden. Die Haftung von Leitungsorganen ist aufgrund der im Rahmen der Aktionärsklage erweiterten Durchsetzbarkeit in den Vereinigten Staaten in einem bedeutend höheren Maß Gegenstand von Rechtsprechung und wissenschaftlicher Diskussion gewesen als in Deutschland. Soweit grundsätzlich die der business judgment rule zugrunde liegenden Gedanken auch im deutschen Recht anwendbar sind, ist anhand der zu untersuchenden Fallgruppe zu prüfen, inwieweit die im amerikanischen Recht entwickelten Konkretisierungen für das deutsche Recht herangezogen werden können.

B. Bestimmung des Untersuchungsgegenstands I. Unternehmensspenden als geeignete Fallgruppe Die Fallgruppe „Unternehmensspenden“ bietet sich an, da hier nach deutschem Recht die Grenzen des Geschäftsleiterermessens besonders unklar sind. Eine besondere Schwierigkeit liegt in der Tatsache, dass Unternehmensspenden häufig nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der erwerbswirtschaftlichen ___________ 13 14

Vgl. BGHZ 135, 244, 253 f. Vgl. Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 83.

1. Kapitel: Einleitung

26

Tätigkeit des Unternehmens stehen und sich somit die Frage stellt, an welche Bezugspunkte die Ermessensgrenzen der Leitungsorgane zu knüpfen sind. Konkreter formuliert stellt sich hier die Frage, ob Leitungsentscheidungen allein an den Gesellschafterinteressen oder aller am Unternehmen beteiligten Interessen auszurichten sind. Es handelt sich um ein im deutschen Recht noch offenes Problem. Zudem ist das rechtliche Problem der Ermessensgrenzen bei Unternehmensspenden in letzter Zeit wieder verstärkt zum Gegenstand der wissenschaftlichen, teilweise auch tagespolitischen Diskussion in Deutschland geworden.15 Insbesondere die Diskussion um die Beiträge der Wirtschaft zum Zwangsarbeiterfonds hat dieses Thema wieder in den Vordergrund gerückt.16 In jüngster Zeit hat sich zudem der Erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs ausführlich mit der gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit von Unternehmensspenden befasst.17 Dabei wird sowohl in dieser Entscheidung als auch in den jüngeren Publikationen zunehmend das unternehmerische Ermessen ein Schwerpunkt der Diskussion. Hinsichtlich des Ziels dieser Arbeit, einen Beitrag zur Konkretisierung der Ermessensgrenzen bei Spendenentscheidungen im Besonderen zu leisten, bietet sich ein Blick auf die „Schätze“ der amerikanischen Judikatur und Literatur zu diesem schon lange – in letzter Zeit aber sehr intensiv – diskutierten Thema an.18 Während in Deutschland zur Problematik von Unternehmensspenden nur in geringem Maße Rechtsprechung vorhanden ist, wird im amerikanischen Recht die Diskussion über Zulässigkeit und Grenzen von diesen Spenden seit über 100 Jahren geführt. II. Der Spendenbegriff Trotz der inzwischen im deutschen Recht in zunehmendem Umfang vorhandenen gesellschaftsrechtlichen Literatur über Unternehmensspenden findet sich darin keine allgemeingültige Definition des Begriffs. In den Wirtschaftswissenschaften findet sich die Definition der Spende als „freiwillige [Leistung], die ohne Gegenleistung, aber i.d.R. mit einer gewissen Zweckbestimmung“ abgegeben wird.19

___________ 15

Vgl. Fleischer AG 2001, 171 ff.; Kind NZG 2000, 567 ff. Mertens AG 2000, 157 ff.; Philipp AG 2000, 62 ff.; ders. AG 2000, 353 ff. 17 Vgl. BGH StV 2002, 137 ff. = AG 2002, 347 ff. („SSV Reutlingen“). 18 Vgl. Fleischer AG 2001, 171, 172 mit Verweis auf die in den letzten Jahren zu diesem Thema stattgefundenen Symposien der Cornell, Maryland, Stetson und New York Law Schools. 19 Vgl. Gabler Wirtschafts-Lexikon Bd. 4 S. 3504. 16

B. Bestimmung des Untersuchungsgegenstands

27

Einiges spricht für die Übernahme dieses Spendenbegriffs für die Untersuchungen dieser Arbeit. Im Vertragsrecht ist die Spende der Schenkung eng verwandt. Nach § 516 Abs. 1 BGB ist die Schenkung eine unentgeltliche Zuwendung. Unentgeltlich ist die Zuwendung, wenn sie unabhängig von einer Gegenleistung geschieht.20 Auch § 10b EStG, der die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden regelt, setzt voraus, dass die Ausgaben vom Steuerpflichtigen unentgeltlich und freiwillig geleistet worden sind.21 Zum Teil wird im Zusammenhang mit Spenden zwischen Sponsoring und Mäzenatentum differenziert. Kennzeichnend für das Sponsoring soll danach sein, dass mit der Zuwendung unternehmensbezogene Ziele der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit verfolgt werden, die häufig Gegenstand vertraglich vereinbarter Gegenleistungen sind. 22 Ein Mäzen erwarte dagegen regelmäßig keine Gegenleistung für seine Unterstützung und verzichte sogar manchmal darauf, öffentlich über die Förderung zu sprechen.23 Diese Abgrenzung trägt allerdings in unserem Zusammenhang wenig zur Konkretisierung des hier interessierenden Spendenbegriffs bei.24 Soweit das Unternehmen für seine Ausgaben eine Gegenleistung von dem Empfänger der Spende erhält, wird es in der Regel am Merkmal der Unentgeltlichkeit fehlen. Dagegen können, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, gerade auch mit unentgeltlichen Leistungen unternehmensbezogene Zwecke verfolgt werden. Dies gilt insbesondere für die typischerweise mit Sponsoringmaßnahmen assoziierte Öffentlichkeitswirksamkeit der Zuwendungen. Wenn auch die mit Spenden verfolgte Zwecksetzung sich durchaus auf ihre gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit auswirken mag, kann die sprachliche Abgrenzung zu Sponsoringmaßnahmen hier nicht allein maßgeblich sein. In dieser Arbeit wird deswegen der Oberbegriff „Spenden“ verwendet und nur im Ausnahmefall auf die Begriffe „Sponsoring“ und „Mäzenatentum“ zurückgegriffen.25 Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass sich der Spendenbegriff nicht ohne weiteres aufgrund seiner Zweckbestimmung eingrenzen lässt. Nach § 10b Abs. 1 EStG kommen im Rahmen des steuerrechtlichen Spendenbegriffs die Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser, wissenschaftlicher und besonders förderungswürdig anerkannter gemeinnütziger Zwecke in Betracht. Nach § 10b ___________ 20

Vgl. Palandt-Putzo § 516 BGB Rn. 8. Vgl. Kirchhof § 10b EStG Rn. 14. 22 Vgl. Bruhn/Mehlinger Rechtliche Gestaltung S. 4. 23 Vgl. BGH StV 2002, 137, 139; Laub AG 2002, 308; Krome DB 1999, 2030; Bruhn/Mehlinger Rechtliche Gestaltung S. 3. 24 So im Ergebnis auch BGH StV2002, 137, 139. 25 Beachte aber die etwas andere Terminologie bei Bruhn/Mehlinger Rechtliche Gestaltung S. 3 f., nach der Spenden als steuerlich motivierte unentgeltliche Zuwendungen eine eigene Fallgruppe neben Mäzenatentum und Sponsoring darstellen. 21

28

1. Kapitel: Einleitung

Abs. 2 EStG werden daneben Zuwendungen an politische Parteien und Wählervereinigungen vom Spendenbegriff umfasst. Inwieweit die steuerrechtlichen Wertungen allerdings auf das Gesellschaftsrecht durchschlagen, kann erst im Rahmen der Untersuchung selbst geklärt werden. Zur Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands lässt sich zunächst nur feststellen, dass der Zweck der Spende einen Allgemeinwohlbezug im weiteren Sinne aufweisen muss.

C. Gang der Untersuchung Ziel dieser Arbeit ist es zunächst, die dem Vorstand einer Aktiengesellschaft bei der Vergabe von Unternehmensspenden gesetzten Ermessensgrenzen unter rechtsvergleichender Heranziehung von Erkenntnissen aus dem amerikanischen Gesellschaftsrecht weiter zu konkretisieren. Dafür bedarf es zunächst einer umfassenden Darstellung der rechtlichen Behandlung von Unternehmensspenden im amerikanischen Recht, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Bedeutung des unternehmerischen Ermessens und die konkreten Anforderungen der business judgment rule zu richten ist. Im folgenden Teil sollen anhand des in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung vom Bundesgerichtshof entwickelten Prüfungsschemas unter Berücksichtigung der sich aus dem deutschen Recht ergebenden rechtlichen Bindungen des Vorstands die Ermessensgrenzen ermittelt werden, denen der Vorstand nach deutschem Recht bei Spendenentscheidungen unterliegt. Dabei soll rechtsvergleichend geprüft werden, inwieweit amerikanische Erkenntnisse zur Konkretisierung der Ermessensgrenzen herangezogen werden können und welche Besonderheiten sich aus dem deutschen Recht ergeben. Weiterhin soll in einem folgenden Schritt geprüft werden, welchen Grenzen GmbH-Geschäftsführer bei der Vergabe von Unternehmensspenden unterliegen. Aufgrund der strukturellen Besonderheiten der GmbH, insbesondere den relativ weitgehenden Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter auf Geschäftsführungsmaßnahmen, ist das zur amerikanischen corporation vorhandene Material nur teilweise als Vergleichsgrundlage heranziehbar.26 Deswegen wird in diesem Teil – ausgehend von den zum deutschen Aktiengesellschaftsrecht erreichten Ergeb___________ 26 In der rechtsvergleichenden Literatur werden zwei amerikanische Kapitalgesellschaftsrechtsformen im Zusammenhang mit der deutschen GmbH genannt: die Close Corporation und die Limited Liability Company (LLC): Beide unterscheiden sich von der in dieser Arbeit größtenteils als Vergleichsgrundlage herangezogenen Public Corporation (Publikumsgesellschaft) durch ihre personalistische Struktur. Vgl. zur Vergleichbarkeit der Close Corporation mit der deutschen GmbH Bungert Die GmbH im USamerikanischen Recht S. 9 ff.; ders., Das Recht ausländischer Kapitalgesellschaften S. 13 f.; Immenga Die personalistische Kapitalgesellschaft S. 26 ff.; zur Limited Liability Company siehe Bungert Gesellschaftsrecht S. 47 ff.; ders. Das Recht ausländischer Kapitalgesellschaften S. 16 f.

C. Gang der Untersuchung

29

nissen – untersucht, inwieweit sich für das unternehmerische Ermessen der GmbH-Geschäftsführer bei Spendenentscheidungen Abweichungen ergeben.27 Hinsichtlich der Terminologie wird bei einigen Fachbegriffen aus dem amerikanischen Recht auf eine Übersetzung verzichtet, da die in der deutschen Rechtssprache existierenden Parallelbegriffe nicht immer deckungsgleich sind. Soweit notwendig werden aber die nicht übersetzten Begriffe im Text selbst genauer erläutert. Um eine bessere Lesbarkeit der Arbeit zur gewährleisten, werden die englischen Fachtermini sowie die Namen von Gerichtsentscheidungen kursiv geschrieben.

___________ 27

Vgl. dazu auch die Vorgehensweise bei Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 352 ff.

Zweites Kapitel

Unternehmerisches Ermessen bei der Vergabe von Unternehmensspenden im amerikanischen Recht A. Unternehmensspenden als Ermessensproblem im modernen amerikanischen Fallrecht I. Entwicklung hin zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Unternehmensspenden nach der Ultra vires-Doktrin Die moderne rechtliche Behandlung von Unternehmensspenden ist im amerikanischen Recht das Ergebnis eines seit über 120 Jahren andauernden Entwicklungsprozesses, der in mehrere Phasen eingeteilt werden kann. In der ersten Phase waren Spenden generell unzulässig, in der zweiten hing die Zulässigkeit von der Unternehmensbezogenheit der Spende ab. In der dritten – „modernen“ – Phase sind Unternehmensspenden grundsätzlich zulässig. Ursprünglich stand der Ermessensspielraum der Unternehmensleiter bei der Vergabe von Unternehmensspenden dabei nicht im Zentrum der Diskussion. Vielmehr ging es bei den alten Fällen um die Frage, ob eine Unternehmensspende im Außenverhältnis von der rechtlichen Handlungsfähigkeit der corporation umfasst war.1 Das Problem der Rechts- und Handlungsfähigkeit einer corporation wird traditionell unter dem Stichwort Ultra vires-Doktrin behandelt. Entsprechend der historischen Entwicklung des amerikanischen Rechts wird der folgende Teil Hintergrund und Grundsätze der Ultra vires-Doktrin knapp erläutern. Anschließend wird anhand beispielhafter Fälle die in den drei oben aufgeführten Phasen vollzogene Entwicklung hin zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Spenden dargestellt. 1. Allgemeines zur Ultra vires-Doktrin Die Ultra vires-Doktrin ist die Lehre von der Beschränkung der Rechts- und Handlungsfähigkeit der corporation im Außenverhältnis durch die sich aus der ___________ 1 Der Begriff „rechtliche Handlungsfähigkeit“ wird hier als Übersetzung des amerikanischen Begriffs „corporate powers“ und nicht etwa im technischen Sinne des deutschen bürgerlichen Rechts verwendet; dies entspricht auch der von Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 248 ff. verwendeten Terminologie.

A. Ermessensproblem – modernes amerikanisches Fallrecht

31

Satzung ergebenden Grenzen.2 Im common law entwickelte sie sich aus dem althergebrachten Chartersystem, nach dem corporations ihre Rechtspersönlichkeit durch einen hoheitlichen Verleihungsakt erhielten.3 In dieser charter definierten die dort enumerierten corporate powers die Reichweite der Rechtsund Handlungsfähigkeit der corporation. Handlungen des Unternehmens, die nicht von den in der charter aufgezählten powers gedeckt waren, waren nichtig.4 Dies bedeutete insbesondere, dass solche Verträge nicht gegen die corporation durchgesetzt werden konnten. Zur Zeit der Kolonialisierung des nordamerikanischen Kontinents waren diese charters eng gefasst, da auf diese Weise die von der Krone gewährten Monopolrechte geschützt werden konnten. 5 Zudem existierte im kolonialen England des 18. Jahrhundert eine skeptische Haltung gegenüber corporations, die zum einen auf das Interesse des Monarchen, den Zugang zu ökonomischen Möglichkeiten zu kontrollieren, und zum anderen auf das in der englischen Öffentlichkeit vorhandene Misstrauen gegenüber Kapitalgesellschaften zurückging.6 Die Ultra vires-Doktrin überlebte zunächst die Abschaffung des staatlichen Konzessionssystems durch die meist Anfang des 19. Jahrhunderts erlassenen general incorporation statutes.7 Das lag auch daran, dass in der jungen amerikanischen Gesellschaft Vorbehalte gegen die wirtschaftliche Macht der corporations noch lange fortbestanden.8 Daher wurde zunächst der Umfang der in den charters festgelegten corporate powers weiterhin eng ausgelegt.9 Trotzdem kam es im Laufe des 19. Jahrhunderts zu ersten Ausweitungen der Rechts- und Handlungsfähigkeit von corporations. ___________ 2

Ähnlich K. Schmidt Gesellschaftsrecht S. 221. Vgl. Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 4 ff.: Die ersten bedeutenden business corporations waren die großen Überseehandelsgesellschaften und joint stock companies, die im 16. und 17. Jahrhundert für Entdeckung, Aufbau und wirtschaftliche Nutzung von Kolonien gegründet wurden. Auf dem nordamerikanischen Kontinent sind hier insbesondere die Virginia Company (1609), die Massachusetts Company (1629) und die Hudson Bay Company (1670) zu nennen. 4 Cox/Hazen/O’Neal Corporations S. 61. 5 Vgl. Ashbury Railway Carriage & Iron Co. v. Richie, L.R.7 H.L.653 (1875); siehe auch Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 254. 6 Vgl. Coffee/Klein Business Organizations S. 115. Anlass für das Misstrauen in der Öffentlichkeit war der Skandal um die „South Sea Bubble“, der durch den Zusammenbruch einer für die Kolonisierung des Südpazifiks gegründeten corporation ausgelöst wurde. Dem Zusammenbruch folgten Anfang des 18. Jahrhunderts ein Absturz des stock market, eine wirtschaftlichen Krise und schließlich strengere Gesetze, die sich gegen spekulative Anlagen und auch generell gegen Kapitalgesellschaften richteten. 7 Siehe dazu Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 15. 8 Vgl. Klein/Coffee Business Organization and Finance S. 115. 9 Vgl. Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 16. 3

2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

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Die erste Lockerung, die die rechtliche Handlungsfähigkeit über die ausdrücklich enumerierten powers hinaus erweiterte, war die Lehre von den „implied“ oder „incidental“ powers. Nach dieser erstreckte sich die Rechts- und Handlungsfähigkeit auf solche Aktivitäten, die bei vernünftiger Betrachtungsweise zur Durchführung ausdrücklich erlaubter Geschäfte notwendig waren.10 Damit orientierte sich der Umfang der rechtlichen Handlungsfähigkeit im Ergebnis zunehmend am Unternehmensgegenstand. Die Ultra vires-Doktrin wurde aber im Laufe der Zeit auch in ihren Rechtsfolgen weiter stark abgeschwächt. So ersetzte die Anfechtbarkeit eines von einer corporation außerhalb ihrer rechtlichen Handlungsfähigkeit abgeschlossenen Rechtgeschäfts zunehmend seine Nichtigkeit. Zudem wurden im common law vermehrt Heilungsmöglichkeiten von Verstößen sowie Einwände gegen die Berufung auf die Ultra vires-Doktrin entwickelt.11 Heute erlauben es die meisten einzelstaatlichen Gesetze corporations nicht mehr, den Ultra viresEinwand gegen die von ihnen selbst geschlossenen Verträge zu erheben. Allerdings kann die Ultra vires-Doktrin immer noch Anteilseignern als Grundlage für Unterlassungsansprüche gegen ihre corporation dienen.12 Der Anwendungsbereich der Ultra vires-Doktrin ist im modernen amerikanischen Gesellschaftsrecht nur noch auf wenige Fallgruppen beschränkt. Dies liegt besonders an den immer weiter gefassten gesetzlichen Corporate powerKatalogen der einzelstaatlichen gesellschaftsrechtlichen Regelungen.13 Außerdem wurden in der Praxis mit zunehmender Duldung durch Gesetzgeber und Rechtsprechung immer weitere Corporate purpose-Klauseln üblich.14 Eine Fallgruppe, bei der die Ultra vires-Doktrin noch heute im amerikanischen Recht eine Rolle spielt, ist jedoch das Gebiet der Unternehmensspenden.15 Deswegen ist trotz der allgemein gesunkenen Wichtigkeit der Ultra vires-Doktrin die Entwicklung der Rechtsprechung im Bereich der Unternehmensspenden zum Verständnis der amerikanischen Rechtslage von zentraler Bedeutung. ___________ 10

Vgl. Cousens 35 Va. L. Rev. 401, 401 (1949). Vgl. Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 254. 12 Vgl. Klein/Coffee Business Organizations S. 147. 13 Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 255. 14 Grundsätzlich ist der corporate purpose (Gesellschaftszweck) von den corporate powers (Handlungsfähigkeit) der corporation zu unterscheiden. Der corporate purpose regelt in erster Linie das Innenverhältnis zwischen Aktionären und Management, während die corporate powers, wie oben im Text dargestellt, die Handlungsfähigkeit der corporation nach außen betrifft. Allerdings werden diese unterschiedlichen Konzepte in der amerikanischen Rechtsprechung und Kautelarpraxis sehr oft vermengt, sodass die großzügigere Anwendung der Corporate purpose-Regeln sich auch auf die corporate powers auswirkt. Vgl. Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 248. Siehe auch die Darstellung bei Klein/Coffee Business Organizations S. 146 f. 15 Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 257. 11

A. Ermessensproblem – modernes amerikanisches Fallrecht

33

2. Die Frühphase: Grundsätzliches Unternehmensspendenverbot bei strenger Anwendung der Ultra vires-Doktrin Entsprechend den klassischen Grundsätzen der Ultra vires-Doktrin waren corporations in ihrer Spendenpraxis auf die in der charter festgelegten express powers und auf die sich daraus ergebenden incidental powers (oder „implied powers“) beschränkt. Letztere wurden zunächst von den Gerichten eng, d.h. streng am Wortlaut orientiert, ausgelegt.16 Wohltätiges Engagement im Allgemeinen und Spenden im Besonderen waren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den charters der zum Betrieb von Wirtschaftsunternehmen gegründeten corporations nicht vorgesehen.17 Unternehmensspenden wurden daher in den meisten Entscheidungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und in zahlreichen Entscheidungen bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts als unzulässig betrachtet. Den Gerichten genügte zunächst selbst die Erreichung eines wirtschaftlichen Eigenvorteils aus einer Unternehmensspende nicht, um eine nicht ausdrücklich erlaubte Spende vor der Anwendung der Ultra vires-Doktrin zu schützen.18 Entscheidend war vielmehr entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen, ob die Spende mit dem Unternehmensgegenstand vereinbar war. Ein Beispiel für diese strenge Haltung ist der im Jahre 1881 vom Supreme Court of Massachusetts entschiedene Fall Davis v. Old Colony Railroad Company.19 Die beklagte Eisenbahngesellschaft hatte zusammen mit anderen Unternehmen und Privatpersonen eine Garantieerklärung für mögliche wirtschaftliche Verluste eines in Boston stattfindenden internationalen Musikfestivals („world’s jubilee and international musical festival“) abgegeben.20 Als die Gläubiger die Bahngesellschaft für diese Verluste in Anspruch nehmen wollten, weigerte sich diese unter Berufung auf die Ultra vires-Doktrin zu zahlen. Das Gericht verneinte unter Anwendung der Ultra vires-Doktrin eine Bindung beklagten corporation an die Garantieerklärung und wies die Klage ab. In der Begründung führte das Gericht aus, dass allein die Tatsache, dass die Eisenbahngesellschaft aufgrund des während des Musikfestivals zu erwartenden erhöhten Passagieraufkommens wirtschaftlich von der Spende profitieren würde, nicht ausreiche, um die „Spende“ vor der Anwendung der Ultra vires-Doktrin zu schützen. Ausgehend von einer engen Auslegung der charter, war für das Gericht allein entscheidend, dass ___________ 16

Vgl. Blumberg 50 B.U. L. Rev.157, 168 (1970). Vorher wurden dagegen corporations zum Teil als quasi-öffentliche Institutionen betrachtet, die oft auch zur Förderung von öffentlichen und sogar wohltätigen Zwecken gegründet wurden; vgl. dazu Gibson 14 Bus.Law. 434 (1959). 18 Vgl. Blumberg 50 B.U. L. Rev. 157, 168 (1970); Garret 4 Bus. Lawyer 28 (1948). 19 Davis v. Old Colony Railroad Co., 131 Mass. 258 (Mass. 1881). 20 Davis v. Old Colony Railroad Co., 131 Mass 258, 275 (Mass. 1881). 17

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

eine solche Spende für den Betrieb des Bahngeschäfts weder ein notwendiges noch ein zweckmäßiges Mittel gewesen sei.21 In dem gleichen Urteil wurde auch über eine Klage gegen eine weitere Mitunterzeichnerin der Garantieerklärung, die Smith American Organ Company, entschieden. Hier wendete das Gericht konsequenterweise ebenfalls die Ultra vires-Doktrin an, ungeachtet der eventuell für den Orgelhersteller infolge des Musikfestivals zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteile. Die Tatsache, dass der Verkauf von Orgeln zu den in der charter genannten Tätigkeitsfeldern gehörte, hatte ebenfalls auf die Haltung des Gerichts keinen Einfluss. Sehr ähnlich war die Begründung der im Jahre 1915 in Alabama ergangenen Entscheidung Brinson Railway Co. v. Exchange Bank of Springfield.22 In diesem Fall sollte mit der Spende einer Bahngesellschaft der Aufbau einer Schule gefördert werden. Dabei war zu erwarten, dass die neue Schule, die sich an einem an der Bahnlinie gelegenen Ort befand, ebenfalls zu einem erhöhten Passagieraufkommen zugunsten der Bahngesellschaft führen würde. Das Gericht erklärte diese Spende trotzdem für unzulässig. Auch hier galt also der Grundsatz, dass allein die Tatsache, dass die betreffende Aktivität im wirtschaftlichen Interesse der betreffenden corporation lag, noch nicht deren Zulässigkeit begründete.23 Das Gericht im Brinson-Fall folgte damit einer früheren, kaum begründeten Entscheidung aus Georgia. In Military Interstate Association v. Savannah, Thunderbolt and Isle of Hope R.R. hatte das Gericht ebenfalls eine Spende einer Eisenbahngesellschaft für ultra vires erklärt.24 Mit dieser Spende wäre die Ansiedlung einer Militäreinrichtung in der Nähe der von der Bahngesellschaft betriebenen Bahnlinie gefördert worden, was zu einem höheren Passagieraufkommen geführt hätte.25 ___________ 21 Davis v. Old Colony Railroad Co., 131 Mass. 258, 275 („[...] a contract to pay, or to guarantee the payment of, the expenses of such an enterprise, is neither a necessary nor an appropriate means of carrying on the business of the railroad corporation, is an application of its funds to an object unauthorized and impliedly prohibited by its charter, and is beyond its corporate powers“). 22 Brinson Railway Co. v. Exchange Bank of Springfield, 16 Ga. App. 425 (Ga. App. 1915). 23 Vgl. S. Davis 1 B.U. L. Rev. 47, 50 f. (1921). 24 Military Interstate Association v. Savannah, Thunderbolt and Isle of Hope R.R., 105 Ga. 420, 31 S.E. 200 (1898). 25 Für diese strenge Haltung der Gerichte gegenüber Spenden gibt es noch zahlreiche weitere Beispiele; vgl. Stacy v. Glen Ellyn Hotel & Springs, 223 Ill. 546, 79 N.E. 133 (Ill. 1906); Western Md. R.R. v. Blue Ridge Hotel Co., 102 Md. 307, 62 A. 351 (Md. 1905); George v. Nevada Cent. R.R., 22 Nev. 228, 38 P. 441 (Nev. 1894); Memphis G. & E. Co. v. Memphis & C.R.R., 85 Tenn. 703, 5 S.W. 52 (Tenn. 1887); Alabama City,

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3. Die Direct benefit-Doktrin Allerdings war diese Haltung bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts keineswegs in allen Bundesstaaten einheitlich.26 In diesen Jahren entwickelte sich in vielen Jurisdiktionen die sog. „direct benefit“-Lehre, die die zweite Phase hin zur Zulässigkeit von Unternehmensspenden markiert. Nach dieser Lehre war eine Spende dann unter der Ultra vires-Doktrin zulässig, wenn sie zu einem konkreten wirtschaftlichen Vorteil (direct benefit) zugunsten der spendenden corporation führte.27 Entscheidend für die Anwendung dieser Lehre war der Nachweis eines konkreten unternehmensbezogenen Vorteils. Nicht zugelassen waren dagegen allgemeinwohlbezogene Spenden (charitable contributions). Kennzeichnend für diese Haltung gegenüber Unternehmensspenden war eine aus dem englischen common law stammende Formulierung: „It is not charity sitting at the board of directors, because as it seems to me charity has no business to sit at boards of directors quâ charity. There is, however, a kind of charitable dealing which is for the interest of those who practise it, and to that extent and in that garb […] charity may sit at the board, but for no other purpose.“28

Die Abgrenzung zwischen gemeinnützigen und zugelassenen „egoistischen“ Spenden war jedoch in dieser Phase noch schwieriger, als dieses Zitat vermuten lässt. Denn maßgeblich war weniger die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Vorteils aus der Spende, sondern in erster Linie immer noch die Frage, wie nahe der Spendenzweck am Unternehmensgegenstand war.29 Wie die im Folgenden darzustellenden Entscheidungen zeigen, bildeten sich hier einige wenige Fallgruppen heraus. a) Förderung der eigenen Absatzmöglichkeiten Ein besonders frühes Beispiel für die Anwendung der Direct benefit-Doktrin ist der im Jahre 1892 vom Supreme Court von Illinois entschiedene Fall Richelieu Hotel Company v. International Military Encampment Company.30 Der Sachverhalt in diesem Fall unterscheidet sich kaum von der oben kurz dargestellten Entscheidung Military Interstate Association v. Savannah. Auch hier galt die Spende ___________ G & Ary. v. Kyle, 204 Ala. 597, 600, 87 So. 191, 193 (Ala. 1920); siehe dazu auch S. Davis 1 B.U. L. Rev., 47, 50 (1921); Blumberg 50 B.U. L. Rev. 157, 168 f. (1970). 26 So auch bereits S. Davis 1 B.U. L. Rev. 47, 50 f. (1921). 27 Vgl. Blumberg 50 B.U. L. Rev. 157, 170 (1970). 28 Vgl. Hutton v. West Cork Railway, 23 L. R. Ch. Div. 654, 673 (Bowen, L.J. 1883). 29 Vgl. S. Davis 1. B.U.L. Rev. 47, 51 (1921) („It cannot be said that every act which would be in furtherance of the interests of a corporation would be within its powers. The question depends on whether the act is proximate to the corporate business or remote, and what is proximate depends on the circumstances of a particular transaction“). 30 Richelieu Hotel Co. v. International Military Encampment Co., 140 Ill. 248, 29 N.E. 1044 (Ill. 1892); vgl. S. Davis 1 B.U. L. Rev. 48, 50 (1921).

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

der Förderung einer militärischen Ansiedlung, in deren Nähe die spendende corporation ein Hotel betrieb. Anders als der Supreme Court von Georgia wandte der Supreme Court von Illinois aber in dieser Konstellation die Ultra vires-Doktrin nicht an. In der Begründung führte das Gericht aus, dass Spenden an Einrichtungen, die ein höheres Gästeaufkommen für das Hotel erwarten ließen, ähnlich wie Werbung oder die Einrichtung eines Busservices zu den für den Hotelbetrieb notwendigen incidental powers gehöre.31 An den Nachweis der Unternehmensbezogenheit einer Spende wurden zunächst weiterhin relativ strenge Anforderungen gestellt, sodass viel Unsicherheit über die Zulässigkeit von Unternehmensspenden blieb. So weigerte sich der Illinois Supreme Court in der Entscheidung McCrory v. Chambers, die Direct benefit-Doktrin anzuwenden. 32 In dieser Entscheidung waren die Beklagten directors der First National Bank of Charleston. Gegenstand des Falles war der Versuch der Bank, durch Spenden die Abwanderung eines bisher am gleichen Ort ansässigen Industrieunternehmens zu verhindern. Das Gericht ging in dieser Entscheidung davon aus, dass nur die Stadt, nicht jedoch die Bank selbst vom Bleiben des Unternehmens profitieren würde und erklärte deswegen die Spenden für unzulässig33. b) Förderung der eigenen Mitarbeiter Relativ konsequent wurde die Direct benefit-Doktrin aber schon früh auf Spenden angewendet, die den Mitarbeitern des Unternehmens zugute kamen.34 Allerdings ist hier die Grenze zwischen Spenden und freiwilligen Leistungen, die sich letztendlich aus dem Arbeitsverhältnis selbst ergeben, schwer zu ziehen. In diese Fallgruppe fielen z.B. Zahlungen, die der Schaffung und Förderung sozialer Versorgungskassen für die Mitarbeiter dienten. Ein Beispiel dafür bietet die Entscheidung State ex rel. Sheets v. Pittsburg C.C. & St. L. Ry.35 In diesem Fall entschied der Supreme Court von Ohio, dass die finanzielle und orga___________ 31 Vgl. Richelieu Hotel Co. v. International Military Encampment Co. 140 Ill. 248, 263 f. (Ill. 1892) („power to carry on the hotel business necessarily carries with it, as an incident, the power to adopt and promote all reasonable expedients directly calculated to increase the number of patrons of the hotel, such as advertising, employing agents to solicit partronage, running omnibuses and other vehicles to convey guests to an from the hotel, and other similar expedients. Donations of money to enterprises calculated to bring to the city large numbers of visitors from abroad would seem to fall within the same reason“). 32 McCrory v. Chambers, 48 Ill. 445 (Ill. App Ct. 1892). 33 McCrory v. Chambers, 48 Ill. App. 445, 453 (Ill. App. Ct. 1892). 34 Vgl. K. Davis 13 U.S.-Can. L. Rev. 1, 58 (1988). 35 State ex rel. Sheets v. Pittsburg C.C. & St. L. Ry, 68 Ohio St. 9, 67 N.E. 93 (Ohio 1903).

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nisatorische Unterstützung einer zu einem großen Teil von den Arbeitnehmern mitfinanzierten betrieblichen Unfall- und Krankenversicherung (relief fund) durch eine Eisenbahngesellschaft nicht ultra vires war. Bemerkenswert an dieser Entscheidung war, dass das Gericht die Zuwendungen teilweise auf eine philanthropische Motivation der Geschäftsleiter zurückführte.36 In der Begründung verwies das Gericht auf die Häufigkeit und Schwere von Arbeitsunfällen im Rahmen des Betriebs einer Eisenbahngesellschaft. Der relief fund sei als Reaktion auf diese betriebstypische Gefahr von der Ultra vires-Doktrin gedeckt.37 Wie die folgenden Fälle zeigen, war darüber hinaus die Verbesserung der Lebensumstände von Mitarbeitern als solche zulässig, selbst wenn die Leistungen der corporation keinen unmittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis selbst hatten. Dabei handelte es sich häufig um den Bau von Infrastruktureinrichtungen in Arbeitersiedlungen. Ein Beispiel für diese Fallgruppe bietet die im Jahre 1890 in New York ergangene Entscheidung People ex rel. Metropolitan Life Ins. Co. v. Hotchkiss.38 Gegenstand dieser Entscheidung war der geplante Erwerb eines Grundstücks durch das beklagte Versicherungsunternehmen. Auf diesem Grundstück wollte die beklagte corporation ein Krankenhaus für tuberkulosekranke Mitarbeiter bauen.39 Das Gericht sah darin keinen Verstoß gegen die Ultra vires-Doktrin, da auch das Unternehmen von dem Krankenhaus mittelbar profitieren würde. Kranke Mitarbeiter würden schneller gesund werden, die Gefahr der Ansteckung gesunder Mitarbeiter würde geringer sein und die Arbeitsmoral insgesamt verbessert werden.40 Das Gericht führte in seiner Begründung weiter aus, dass es sich bei dieser Ausgabe nicht um eine altruistisch motivierte Spende handele.41 Vielmehr sei die Ausgabe als Teil einer aufgeklärten Personalpolitik zu betrachten.42

___________ 36

Vgl. 68 Ohio St. 9, 36. Vgl. zu dieser Fallgruppe auch Harrison v. Alabama Midland Ry., 144 Ala. 246 (Ala. 1906); Maine v. Chicago B. & Q.R.R., 109 Iowa 260 (Iowa 1897); Wachovia Bank & Trust Co. v. Steele’s Mills 225 N.C. 302, 34 S.E.2d 425 (N.C. 1945). 38 People ex rel. Metropolitan Life Ins. Co. v. Hotchkiss, 136 App. Div. 150, 120 N.Y.S. 649 (N.Y. App. Div. 1909); siehe zu dieser Fallgruppe Blumberg 50 B.U. L. Rev. 157, 170 f. (1970). 39 Vgl. Metropolitan Life Ins. Co. v. Hotchkiss, 136 App. Div. 150, 152 (N.Y. App. Div. 1909). 40 Vgl. 136 App. Div. 150, 153 f. 41 Vgl. 136 App. Div.150, 153 („These acts are not to be defended upon the ground of gratuity or charity“). 42 Vgl. 136 App. Div. 150, 154. 37

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

Ganz ähnlich entschied ein anderes New Yorker Gericht im Fall Steinway v. Steinway & Sons.43 Dieser Entscheidung lag die Klage eines Aktionärs gegen den Klavierhersteller Steinway & Sons zugrunde. Die beklagte corporation hatte einen Teil der Produktion in den zum damaligen Zeitpunkt offensichtlich noch wenig entwickelten New Yorker Stadtteil Queens verlegt. Dabei hatte es in der betreffenden Gegend Wohnhäuser, eine Kirche, eine Schule, eine Bibliothek und ein Schwimmbad für die Mitarbeiter gebaut. Zudem finanzierte das Unternehmen Teile der Infrastruktur der Gegend (Straßen, Kanäle etc.).44 Auch hier ging das Gericht davon aus, dass es sich um gewinnorientierte Investitionen handelte.45 Es sei nämlich im Interesse der corporation, ihre Mitarbeiter nahe an ihrer Arbeitsstelle anzusiedeln und möglichst harmonische Beziehungen zwischen ihnen und dem Unternehmen zu fördern. Dementsprechend wurden Ausgaben, die den materiellen, intellektuellen und religiösen Lebensbedürfnissen der Mitarbeiter dienten, vom Gericht als rechtmäßige Ausübung der incidental powers des Unternehmens akzeptiert.46 Das Gericht sah in solchen Investitionen auch einen Weg, Aufruhr oder Streiks unter den Mitarbeitern zu verhindern.47 Das amerikanische Fallrecht war aber selbst im Bereich arbeitnehmerorientierter Infrastrukturmaßnahmen zu dieser Zeit nicht ganz einheitlich. Gegen die Anwendung der Incidental powers-Doktrin entschied z.B. der Supreme Court von Illinois im Fall People et rel. Moloney v. Pullman’s Palace Car Co.48 Gegenstand dieser Entscheidung war der geplante Neubau einer ganzen Stadt mit einer großen Anzahl von Wohnhäusern, Schulen, einer Kirche, Geschäftsräumen, Theatern etc. durch einen Automobilhersteller im Zuge einer Produktionsverlegung.49 Ähnlich wie Steinway & Sons in New York machte hier die Pullman’s Palace Car Co. geltend, dass der Aufwand notwendig war, um gut ausgebildete Mitarbeiter für sich zu gewinnen.50 Das Gericht lehnte dieses Argument aber ab und wandte die Ultra viresDoktrin an. In der Begründung zu dieser Entscheidung verwies es auf die seiner Meinung nach fehlende Notwendigkeit dieser Grundstücksinvestitionen im Hinblick auf das in der charter definierte wirtschaftliche Betätigungsfeld. Danach würde eine Stadt mit der notwendigen sozialen und wirtschaftlichen Infra___________ 43 Steinway v. Steinway & Sons, 17 Misc. 43, 40 N.Y.S. 718 (N.Y. Supr. Ct. Spec. Term. 1896). 44 Vgl. 17 Misc. 43, 45 f. 45 Vgl. 17 Misc. 43, 46. 46 Vgl. 17 Misc. 43, 48. 47 Vgl. 17 Misc. 43, 48. 48 People et rel. Moloney v. Pullman’s Palace Car Co., 175 Ill. 125; 51 N.E. 664 (Ill. 1898). 49 175 Ill. 125, 140. 50 175 Ill 125, 144.

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struktur auch ohne die tätige Mithilfe der neuangesiedelten corporation wachsen. Öffentlich finanzierte Einrichtungen seien außerdem einem Monopol durch ein dominierendes Unternehmen vorzuziehen.51 Die ablehnende Haltung dieses Gerichts erklärt sich zum großen Teil aus der oben schon angesprochenen skeptischen Einstellung gegenüber der wirtschaftlichen Macht von corporations, die lange Zeit einen Grund für die strenge Beibehaltung der Ultra vires-Doktrin nach Aufgabe des Konzessionensystems bildete. Dementsprechend wollte das Gericht das Grundstückseigentum der corporation mit Hilfe der Ultra vires-Doktrin auf ein für den Autobau notwendiges Ausmaß begrenzen.52 Jüngere Entscheidungen, die sich ebenfalls mit der Gründung ganzer Städte durch Industrieunternehmen befassten, zeigten sich jedoch von der Furcht vor der Machtkonzentration weniger beeindruckt und wandten die Implied powersLehre an. So beschäftigte sich im Jahre 1928 der Supreme Court von Missouri in der Entscheidung North Todd Gentry v. Long-Bell Lumber Co. mit der Frage, ob die corporation, die ein großes, in der Holz- und Kohleindustrie tätiges Unternehmen betrieb, bei dem Bau einer Stadt für ihre Mitarbeiter ultra vires handeln würde.53 Diese Stadt sollte ca. 20.000 Bewohner beherbergen.54 Auch hier finanzierte die corporation nicht nur Wohnhäuser für die Angestellten, sondern auch die Infrastruktur der Stadt. Das Gericht bejahte die Anwendung der Implied powers-Lehre hinsichtlich des Baus der Stadt selbst, der Finanzierung der Bauten durch Wertpapieremissionen, der Publikation einer Zeitung und der Schaffung weiterer Infrastruktureinrichtungen.55

___________ 51 Vgl. 175 Ill. 125, 153 („[...] we are constrained to declare the corporation had not lawful power to perform such acts, and that the existence of a town or city where the streets, alleys, school houses, business houses, sewerage systems, hotels, churches, theaters, water-works, market places, dwellings and tenements are the exclusive property of a corporation is opposed to good public policy and incompatible with the theory and spirit of our institutions. It is clearly the theory of our law, streets, alleys and public ways, and public school buildings, should be committed to the control of the proper public authorities, and that real estate should be kept as full as possible in the channels of trade and commerce, and good public policy demands that the number of persons who should engage in the business of selling such articles as are necessary to the support, maintenance and comfort of the people of any community should not be restricted by the will of any person, natural or artificial, but should be left to be determined by the healthy, wholesome and natural operations of the rules of trade and business, free from all that which tends to stifle competition and foster monopolies“). 52 Vgl. auch 175 Ill. 125, 138. 53 Vgl. State ex inf. North Todd Gentry v. Long-Bell Lumber Co., 321 Mo. 461, 500 ff. (Mo. 1928). 54 321 Mo. 461, 484. 55 321 Mo. 461, 504-509.

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c) Förderung von Bildungseinrichtungen Besonders problematisch waren Spenden an Bildungseinrichtungen, da diese in erster Linie der Allgemeinheit dienten und der Bezug zum Unternehmensgegenstand weniger eng war. Diesen Spenden wurde entgegengehalten, dass die spendende corporation von ihnen nur als Teil der Allgemeinheit profitieren würde.56 In dem im Jahre 1922 von einem New Yorker District Court entschiedenen Fall Armstrong Cork Co. v. H.A. Meldrum Co. wurde trotzdem die Spende eines Unternehmens, die zwei örtlichen Business Schools zugute kommen sollten, für zulässig gehalten.57 Das Gericht sah in der Heranziehung eines örtlichen Führungsnachwuchses sowie in dem mit der Spende verbundenen Prestigegewinn für das Unternehmen einen direct benefit für die corporation.58 In der amerikanischen Literatur wird hierzu angemerkt, dass es sich wohl um den einzigen Fall handele, bei dem die Direct benefit-Doktrin, freilich als Scheinbegründung, auf eine tatsächlich allgemeinwohlbezogene Spende angewendet wurde.59 Zu einem anderen Ergebnis kam die häufig in gleichem Zusammenhang zitierte New Yorker Entscheidung Worthington v. Worthington.60 Hier hatte der Leiter eines Herstellers von hydraulischen Geräten der Columbia Universität einige solcher Geräte gespendet. Die corporation verklagte ihn mit Erfolg auf Schadensersatz. Allerdings wurde dieser Fall nicht über die Ultra vires-Doktrin gelöst. Stattdessen wurde das Spendenversprechen als lediglich persönliche Verpflichtung des beklagten director gewertet, für das die corporation nicht einstehen müsse. 61 Daneben bezweifelte das entscheidende Gericht aber in einem obiter dictum ausdrücklich, dass die Spende, wäre sie der corporation zuzurechnen gewesen, zulässig gewesen wäre. d) Erste Ansätze zum Verzicht auf die Unternehmensbezogenheit von Spenden Die erste Entscheidung, bei der offensichtlich kein unmittelbarer Vorteil für die spendende corporation im Raum stand, erging im Fall Sorenson v. Chicago, B. & Q.R.R.62 In dieser Entscheidung griffen die Kläger die geplante verbilligte ___________ 56

Vgl. K. Davis 13 U.S.-Can. L. J. 7, 58 (1988). Armstrong Cork Co. v. H.A. Meldrum Co., 285 F. 58 (W.D.N.Y. 1922). 58 285 F. 58, 59. 59 Vgl. Blumberg 50 B.U. L. Rev.157, 171 (1970). 60 Worthington v. Worthington 100 App. Div. 332, 91 N.Y.S. 443 (N.Y. App. Div. 1905); siehe dazu auch K. Davis 13 U.S.-Can. L. J. 7, 58 (1988). 61 Vgl. dazu auch Blumberg 50 B.U. L. Rev. 157, 171 Fn. 80 (1970). 62 State ex. Rel. Sorenson v. Chicago, B. & Q.R.R., 199 N.W. 534 (Neb. 1924). 57

A. Ermessensproblem – modernes amerikanisches Fallrecht

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bzw. unentgeltliche Ausstellung von Fahrkarten für Priester und Mitarbeiter von Wohltätigkeitsorganisationen durch eine Eisenbahngesellschaft an. Der Supreme Court von Nebraska hielt diese Praxis jedoch für zulässig. Allerdings ging er auf die Ultra vires-Doktrin überhaupt nicht ein, sondern untersuchte lediglich die Vereinbarkeit dieser Praxis mit einfachgesetzlichen Anti-Diskriminierungsstatuten und der Verfassung von Nebraska. Diese Entscheidung hat vom gesellschaftsrechtlichen Standpunkt einen geringen Erkenntniswert, obwohl sie in diesem Zusammenhang in der amerikanischen Literatur gerne zitiert wird.63 Sie deutet aber auf die in den zwanziger Jahren wachsende Bereitschaft der Gerichte hin, Unternehmensspenden grundsätzlich zuzulassen. Insgesamt bleibt allerdings festzuhalten, dass in der Phase vor 1932 im amerikanischen Fallrecht eine skeptische Haltung gegenüber Unternehmensspenden noch immer überwog.64 e) Zusammenfassung Wie die obige Diskussion zeigt, zeichnete sich das common law zu den Unternehmensspenden in der Zeit um die Jahrhundertwende durch Uneinheitlichkeit aus. Vor allem Spenden, die den Mitarbeitern des Unternehmens direkt zugute kamen, wurden in der Regel von den Gerichten unter der Implied powers-Doktrin hingenommen.65 Anders war es mit Spenden, die zu einem erhöhten Kundenaufkommen führen sollten. Hier war das Bild, wie die oben diskutierten Fälle zeigen, uneinheitlich. Ein Grund für die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung war, dass vor 1932 unter der Direct benefit-Doktrin ein wirtschaftlicher Vorteil alleine nicht ausreichend war, um eine Spende unter der Implied powers-Lehre aufrecht zu erhalten. Entscheidend war vielmehr, ob nach Sicht der Gerichte die Spende in einem nicht zu weit entfernten Zusammenhang (proximate) mit dem in den express powers vorgesehenen Geschäftsbetrieb stand. 66 Damit wurde hauptsächlich die Nähe des Spendenzwecks zum Unternehmensgegenstand bei der Überprüfung von Spenden berücksichtigt. Bei dieser Prüfung kam es in hohem Maße auf die Umstände des Einzelfalls an. 67 Zwar wurden die Gerichte im Verlauf des ersten Viertels des 20. Jahrhunderts bei der Anerkennung eines ___________ 63 Vgl. A.P. Smith v. Barlow, 98 A.2d 581, 585 (N.J. 1953); Blumberg 50 B.U. L. Rev. 157, 171 (1970); K. Davis 13 U.S.-Can. L. J. 7, 60 (1988). 64 Vgl. Blumberg 50 B.U. L. Rev. 157, 186 (1970). 65 Anders aber in der Entscheidung People et rel. Moloney v. Pullman’s Palace Car Co. 175 Ill. 125 (Ill. 1898); vgl. oben. 66 Vgl. S. Davis 1 B.U. L. Rev. 47, 51 (1921) („The question depends on whether the act is proximate to the corporate business or remote“). 67 Vgl. S. Davis 1 BU L. Rev. 47, 51 (1921).

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direct benefit immer großzügiger. 68 Aber im Ergebnis blieb doch ein relativ hohes Maß an Rechtsunsicherheit.69 4. Einzelstaatliche Statuten In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts gewannen Spenden in der amerikanischen Öffentlichkeit vor allem infolge des Ersten Weltkriegs immer mehr an Bedeutung.70 Das in dieser Zeit gestiegene öffentliche Interesse an Spenden, die wirklich der Allgemeinheit zugute kommen sollten, spiegelte sich auch in Änderungen im Steuerrecht wider. Der War Revenue Act von 1917 erlaubte zum ersten Mal allgemeinwohlbezogene Spenden als abzugsfähige Ausgaben (charitable deductions).71 Allerdings wurden Unternehmensspenden erst im Jahre 1935 abzugsfähig. Trotzdem wurden auch diese bereits ab 1921 dadurch gefördert, dass die direct benefit rule kodifiziert und damit die Absetzbarkeit solcher Spenden als Betriebsausgaben (ordinary business expenses) erleichtert wurde.72 Vor diesem Hintergrund begannen die einzelnen Bundesstaaten, in ihren Statuten Spenden ausdrücklich zu erlauben. Als erster Bundesstaat erließ Texas im Jahre 1917 ein solches Statut.73 In den zwanziger Jahren schlossen sich New York, Ohio und Tennessee an.74 Es folgten New Jersey (1930), Massachusetts (1933), Michigan (1935), Missouri (1937), Delaware (1941), Maryland (1945), North Carolina (1945), Pennsylvania (1945), Virginia (1947) und Hawaii (1947), das aber zum damaligen Zeitpunkt noch kein Bundesstaat der USA war.75 Diese Gesetze waren allerdings sehr unterschiedlich ausgestaltet. 76 Die vor 1945 erlassenen Gesetzesfassungen setzten den Spenden zum Teil noch relativ ___________ 68

Vgl. Gibson 14 Bus. Law. 434 (1959). Vgl. Garrett 4 Bus. Law. 28, 29 (1948) („No standard is prescribed, each case must rest upon its own facts, and facts not meeting the test today may be acceptable tomorrow as conditions and business methods change“). 70 Vgl. K. Davis 13 U.S.-Can. L. J. 7, 59 (1988). 71 War Revenue Act Ch. 63 § 1201 (2), 40 Stat. 300, 330 (1917). 72 Vgl. K. Davis 13 U.S.-Can. L. J. 7, 60 (1988); siehe zur steuerlichen Behandlung von Unternehmensspenden auch die unten folgende Diskussion. 73 Act of Feb. 13, 1914, Ch. 15, § 1, 1917 Tex. Gen. Laws 25. 74 Act. Of Apr. 9, 1923, Ch. 190, 1923 N.Y. Laws 237; Act of Feb. 19, 1920, 1920 Ohio Laws 1245; Act of Apr. 9, 1925, Ch. 59, 1925 Tenn. Pub. Acts 130; vgl. dazu auch Davis 13 U.S.-Can. L. J. 7, 59 (1988). 75 Vgl. Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 676 Fn. 66 (1997); vgl. auch für New York Act of April 16, 1918, Ch. 240, 1918 N.Y. Laws 885, der bereits im Frühling 1918 corporations erlaubte, zugunsten der amerikanischen Kriegsanstrengungen zu spenden. 76 Vgl. Andrews Corporation Giving S. 235. 69

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enge Grenzen.77 Einige dieser Gesetze setzten eine Höchstgrenze für die erlaubten Spenden. North Carolina z.B. begrenzte Spenden auf 5% des Nettoeinkommens einer corporation.78 Ohio setzte zwar keine verbindliche Höchstgrenze, verlangte aber bei Spenden, die 1% des Eigenkapitals (capital and surplus) überstiegen, ein Vetorecht für 25% der Anteilseigner.79 New Jersey erließ eine ähnliche Regelung.80 Auch New York sah in dem Gesetz von 1918, das Spenden zugunsten der Kriegsanstrengungen der USA zuließ, eine solche Höchstgrenzenregelung vor.81 Einige Staaten verlangten, dass Unternehmensspenden mit Spenden von Privatpersonen kombiniert werden sollten.82 Manche Statuten sahen auch geographische Grenzen vor.83 Die zweite Welle von gesetzlichen Ermächtigungen zu spenden kam in den späten vierziger und in den fünfziger Jahren. Im Jahre 1959 hatten bereits 41 Bundesstaaten solche Gesetze erlassen. 84 Heute haben alle 50 Bundesstaaten und der District of Columbia Gesetze, die Spenden grundsätzlich zulassen.85 Dabei stand diese Gesetzgebung unter dem Einfluss des vom Committee on Business Corporations der American Bar Association formulierten Gesetzesvorschlags für die einzelstaatlichen gesellschaftsrechtlichen Regelungen (Model Act).86 Dieser Vorschlag enthielt keine der oben erwähnten Beschränkungen.87 Die neueren Gesetze wurden dementsprechend liberal gefasst. Daneben wurden viele alte restriktive Gesetze diesen moderneren Formulierungen angepasst.88

___________ 77 Für eine tabellarische Übersicht dieser Beschränkungen siehe Andrews Corporation Giving, App. C., Table 38 S. 236. 78 Section 55-25, Article 4, Ch. 55, General Statutes of North Carolina. 79 Section 119 of General Corporation Act of Ohio; Section 8623-119, Page’s Ohio General Code Annotated. 80 Section 14:3-13, New Jersey Statutes Annotated; Laws of 1930, Ch. 105, as amended by Laws of 1931, Ch. 190, and reenacted by Laws of 1949, Ch. 171, approved May 20, 1949. 81 Vgl. Law of April 16, 1918, Ch. 240, l 1, 1918 N.Y. Laws 885. 82 Vgl. Ohio (1920, Section 8623-119 Ohio General Code), New York (1923), New Jersey (1930), Massachusetts (1933) und Delaware (1941); siehe dazu Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 599 (1997); Andrews Corporation Giving S. 237. 83 Siehe z.B. für Massachusetts Acts of Feb. 9, 1933, Ch. 8, 1, 1933 Mass. Laws 18, 19; für Missouri Laws of March 25, 1937, 1937 Mo. Laws; vgl. dazu Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 598 Fn. 72 (1997). 84 Vgl. K. Davis 13 U.S.-Can. L. Rev. 7, 61 (1988). 85 Vgl. Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 602 (1997). 86 Vgl. Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 601 (1997). 87 Vgl. Section 4 (m) M.B.C.A. (Model Business Corporation Act). 88 Vgl. Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 601 (1997).

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5. Die grundsätzliche Zulässigkeit von allgemeinwohlbezogenen Spenden („charitable donations“) im modernen Fallrecht Allgemeinwohlbezogene Unternehmensspenden wurden im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts nicht nur durch legislative Akte, sondern zunehmend auch im amerikanischen common law akzeptiert. Dieses blieb in diesem Bereich relevant, da die einzelstaatliche Gesetzgebung sich in diesem Bereich im Verlauf des 20. Jahrhunderts nur langsam entwickelte und den Komplex „Unternehmensspenden“ nicht abschließend regelte. Die im Jahre 1953 ergangene Entscheidung A.P. Smith v. Barlow des Supreme Courts von New Jersey gilt als ein Meilenstein auf dem Weg zur generellen Zulässigkeit von allgemeinwohlbezogenen Unternehmensspenden. 89 In dieser Entscheidung klagten Aktionäre gegen eine Unternehmensspende von $ 1.500 an die Princeton Universität. Das Gericht entschied, dass eine solche Spende nicht ultra vires sei. Dabei stützte sich der Supreme Court auf zwei verschiedene Argumentationslinien: Zunächst sprach das Gericht der Gesellschaft allgemein das Recht zu, Spenden zugunsten des öffentlichen Wohls („in aid of public welfare“) zu tätigen. Darauf folgend führte das Gericht aber aus, dass die angegriffenen Ausgaben ebenfalls im Hinblick auf die wirtschaftlichen Interessen der corporation gerechtfertigt werden könnten.90 Diese Begründung stellte damit nicht mehr ausschließlich auf einen direct benefit bzw. einen ausreichend engen Zusammenhang mit dem Unternehmensgegenstand ab. Da die Spende weder einer bestimmten Fakultät der Princeton Universität zugedacht war noch ein eindeutiger regionaler Bezug zu der spendenden corporation geltend gemacht wurde, war hier ein konkreter Beitrag zur Nachwuchsförderung im Gegensatz zum oben diskutierten Armstrong Cork Co. v. H.A. Meldrum Co.-Fall – soweit gegeben – vermutlich ohnehin zufällig.91 Dem Gericht schien jedenfalls zu genügen, dass die spendende corporation allenfalls einen mittelbaren Vorteil aus der Spende ziehen würde, ohne dies allerdings ausdrücklich zu sagen.92 Die kurze Zeit später ergangene Entscheidung Memorial Hospital Association v. Pacific Grape Products des Supreme Court von Kalifornien ging zwar in seiner Argumentation nicht ganz so weit, zeigte aber dafür ein relativ großzügiges Verständnis des Unternehmensbezogenheitserfordernisses: 93 Gegenstand ___________ 89 A.P. Smith Mfg. Co. v. Barlow 96 A.2d 581 (N.J. 1953); Blumberg 50 B.U. L. Rev.157, 174 (1970). 90 96 A.2d, 581, 586, 590. 91 Armstrong Cork Co. v. H.A. Meldrum Co. 285 F. 58 (W.D.N.Y. 1922). 92 Vgl. K. Davis 13 U.S.-Can. L. Rev. 7, 62 f. (1988). 93 Memorial Hospital Association of Stanislaus County v. Pacific Grape Products Company, 290 P.2d 481 (Cal. 1955).

A. Ermessensproblem – modernes amerikanisches Fallrecht

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der Entscheidung war die Frage, ob die beklagte corporation, die ein Lebensmittelunternehmen betrieb, an ein in ihrem Namen abgegebenes Spendenversprechen gebunden war. Empfängerin der Spende in Höhe von $ 5.000 war eine gemeinnützige Organisation, die in der Nähe des Unternehmenssitzes ein Krankenhaus bauen wollte. Bei der Anwendung der Implied powers-Doktrin stellte das Gericht fest, dass die Spende angemessen („reasonable“) war, da sie dem Prestige und damit dem Kundenaufkommen diene. Überdies sah das Gericht hier auch einen unmittelbaren Vorteil („direct benefit“) in der Tatsache, dass das Krankenhaus später einen Beitrag zur Krankenversorgung der Mitarbeiter des Unternehmens leisten würde.94 Im 1958 vom Supreme Court von Utah entschiedenen Fall Union Pacific Railroad Co. v. Trustees erklärte das Gericht eine Unternehmensspende von $ 5.000 an die gemeinnützige Union Pacific Railroad Foundation unter Anwendung der implied powers doctrine für zulässig. 95 Ähnlich wie der Supreme Court von New Jersey argumentierte hier das Gericht mit den langfristigen wirtschaftlichen Vorteilen, die für das Unternehmen aus dem durch die Spende erzielten Prestigegewinn zu erreichen waren.96 In seinen Ausführungen deutet der Supreme Court von Utah eine erhebliche Zurückhaltung bei der Überprüfung dieser langfristigen Vorteile an. So führte er aus, dass es für das Gericht undenkbar („inconceivable“) sei, dass die verantwortlichen Unternehmensleiter angesichts ihrer unternehmerischen Fähigkeiten und Erfahrung freiwillig Spendenentscheidungen treffen würden, wenn sie nicht zumindest von ihrem langfristigen Nutzen überzeugt wären. 97 Im Ergebnis kommt er zum selben Maßstab wie der Supreme Court von New Jersey in der A.P. Smith-Entscheidung und bejaht die Zulässigkeit von gemeinnützigen Spenden dann, wenn sie den Anschein erwecken, dass sie auf einen Vorteil für die corporation innerhalb eines absehbaren Zeitraums abzielen.98 6. Zusammenfassung Noch Ende des 19. Jahrhunderts waren Unternehmensspenden im amerikanischen Gesellschaftsrecht grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen wurden zu___________ 94

Vgl. 290 P.2d 481, 483. Union Pacific Railroad Co. v. Trustees, Inc., 8 Utah 2d, 101, 329 P.2d 398 (Utah, 1958). 96 Vgl. 329 P.2d 398, 401 („quid pro quo as the resultant of good will engendered by contributions“). 97 Vgl. 329 P.2d 398, 401. 98 Vgl. 329 P.2d 398, 402 („We think that [...] included in the implied powers of a corporation, an authority should be numbered that allows contributions of reasonable amounts […], if they appear reasonably designed to assure a present or foreseeable benefit to the corporations“). 95

2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

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nehmend in den Fällen gemacht, in denen die Spenden in einem engen Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb selbst standen und somit dem spendenden Unternehmen selbst einen unmittelbaren Vorteil versprachen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die grundsätzliche Zulässigkeit von Unternehmensspenden in fast allen Bundesstaaten gesetzlich geregelt. Auch im amerikanischen common law wurde die Zulässigkeit von Spenden grundsätzlich anerkannt. Statt auf konkrete Vorteile verwiesen die Gerichte zunehmend pauschal auf die zu erwartenden Prestigegewinne für das Unternehmen und die damit verbesserten Marktchancen. Seit den fünfziger Jahren verdrängte die Überprüfung einer Unternehmensspende auf ihre Angemessenheit (reasonableness) zunehmend eine auf den Unternehmensgegenstand bezogene Überprüfung eines unmittelbaren Vorteils. Mit der Loslösung von den in der charter vorgeschriebenen Bindungen rükken die Grenzen des unternehmerischen Ermessens in den Vordergrund. Diese Problematik wird im US-amerikanischen Recht allgemein im Rahmen des Instituts der business judgment rule diskutiert. Die Anwendung der business judgment rule auf Unternehmensspenden soll Gegenstand der weiteren Erörterungen zur Behandlung von Spenden im US-amerikanischen Recht sein. Da aber die business judgment rule nicht im Zusammenhang mit der ultra viresDoktrin, sondern mit der Frage der Haftung von Board-Mitgliedern für unternehmerische Entscheidungen entwickelt wurde, soll zunächst die innergesellschaftliche Zuständigkeit für Unternehmensspenden im amerikanischen Recht geklärt werden. II. Die innergesellschaftliche Zuständigkeit für Unternehmensspenden Die Unternehmensleitung obliegt nach amerikanischem Recht drei verschiedenen „Organen“. Den Anteilseignern (shareholders), dem board of directors und den officers. Diese Grundstruktur in ihrer klassischen Form wird in der amerikanischen Literatur als „umgedrehte Pyramide“ („inverted pyramid“) beschrieben.99 An der Spitze der umgedrehten Pyramide stehen die Anteilseigner, es folgt der board, dem die officers unterstehen. 1. Die Aufgabenverteilung zwischen Board of Directors und den Anteilseignern Nach der in den einzelstaatlichen Statuten vorgesehenen klassischen Gesellschaftsstruktur ist der board of directors für die Unternehmensleitung (ma___________ 99

Vgl. Eisenberg Corporations S. 158.

A. Ermessensproblem – modernes amerikanisches Fallrecht

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nagement) zuständig.100 Anteilseigner können grundsätzlich dem board keine Weisungen hinsichtlich der Unternehmensführung geben.101 Der Einfluss der Anteilseigner beschränkt sich weitgehend auf die Wahl und Abwahl der directors, ein Zustimmungsrecht bei fundamentalen Strukturentscheidungen, ein Mitspracherecht bei Satzungsänderungen sowie vereinzelt auf die Anfechtung bestimmter Transaktionen der anderen Leitungsorgane.102 Das nähere Verhältnis zwischen dem board und den Anteilseignern wird in den by-laws, die typischerweise die innergesellschaftliche Organisation regeln, und in den articles of incorporation normiert.103 Aus dieser Struktur ergibt sich, dass Anteilseigner grundsätzlich nicht über Unternehmensspenden entscheiden.104 Einige der frühen einzelstaatlichen Statuten behandelten Spenden als Sonderfall und sahen ein Mitspracherecht für die Anteilseigner bei der Spendenvergabe vor. Pennsylvanias erstes Unternehmensspendengesetz von 1945 sah die Zustimmung der Anteilseigner für Spenden vor.105 Eine ähnliche Regelung galt nach 1947 auch in Hawaii.106 Wie oben bereits erwähnt, sahen andere Bundesstaaten bei Überschreiten einer bestimmten Höchstgrenze des Spendenbetrags ein Vetorecht für die Aktionäre vor.107 ___________ 100 Vgl. Eisenberg Corporations S. 158; Del. Gen. Corp. Law § 141 (a); R.M.B.C.A. § 8.01 (b). 101 Vgl. Charlestown Boot & Shoe v. Dunsmore 60 N.H. 85 (N.H. 1880). 102 Vgl. Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 653; Gevurtz Corporation Law S. 195 ff. 103 Vgl. Gevurtz Corporation Law S. 196 f. 104 Siehe auch Minnesota Mining and Manufacturing Co., SEC no-action letter, 1996 WL 4291 (S.E.C.) In diesem no-action letter vertrat die Securities and Exchange Commission die Auffassung, dass Entscheidungen über einen konkreten Spendenvorschlag nicht Gegenstand eines von Aktionären eingereichten „proxy proposals“ nach § 14 (a) Securities Exchange Acts von 1934 in Verbindung mit Rule 14a-8 (i) (1) sein kann. Proxy proposals („proxies“) sind mit von Aktionären ausgestellten Stimmrechtsausübungsvollmachten vergleichbar. No-action letters sind Stellungnahmen der SEC. Sie haben zwar keine rechtsverbindliche Wirkung, sodass die SEC grundsätzlich entgegen der im no-action letter geäußerten Meinung Maßnahmen treffen oder unterlassen kann. Dies kommt allerdings selten vor, sodass die Rechtspraxis und Wissenschaft solche no-action letters im Regelfall als eine maßgebliche Quelle für die von der SEC bei der Auslegung von Gesetzen und Verordnungen angewandten Richtlinien betrachten. 105 Section 302 (16) (b) Business Corporation Laws, P.L. 605 a.F. (zitiert in Andrews Corporation Giving App.C S. 311). 106 Vgl. Laws of 1947, Act 104, Series C-138, approved May 14, 1947 (zitiert in Andrews Corporation Giving App. C. S. 316). 107 Law of April 16, 1918, Ch. 240, 1, 1918 N.Y. Laws 885; wie oben dargestellt, handelte es sich dabei um New York (1918), Ohio (1920) und New Jersey (1930);Law of April 16, 1918, Ch. 240, 1, 1918 N.Y. Laws 885; 108 Ohio Laws Part 2, S. 1245, approved February, 1920 (zitiert aus Andrews Corporation Giving S. 310); New Jersey:

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

Aber in den heutigen Regelungen, die sich, wie oben erwähnt, größtenteils an § 4 (m) des Model Acts orientieren, sind solche Mitspracherechte für Anteilseigner nicht mehr vorgesehen.108 2. Die Aufgabenverteilung zwischen dem Board of Directors und den Officers Die Aufgabenverteilung zwischen board und executive officers ist in den Gesetzen oft nicht geregelt.109 Nach der klassischen Gesellschaftsstruktur agieren die officers als Vertreter des board und führen ihre Entscheidungen aus.110 Sie werden vom board of directors ernannt oder in den by-laws bestimmt.111 Zumindest bei einigen public corporations entwickelt sich die Aufgabenverteilung zwischen board und den officers langsam hin zu einer Zweiteilung zwischen Geschäftsführung und Überwachung. Nach der z.B. im Revised Model Act vorgesehenen Struktur, die auch der Praxis in den großen corporations entspricht, sind officers für das Tagesgeschäft zuständig, während der board zunehmend eine Überwachungsfunktion ausübt.112 Aus diesen Strukturerwägungen ergibt sich, dass in der Regel die officers über die Spendenvergabe entscheiden.113 Dabei spielt oft bei der Spendenvergabe die Person des Chief Executive Officer (CEO) eine herausragende und dominierende Rolle.114 In den frühen einzelstaatlichen Spendengesetzen wurde dieser Tatsache auch Rechnung getragen. Nahezu alle vor dem Jahr 1949 erlassenen Statuten verlangten die ausdrückliche Zustimmung des board bei der Vergabe von Spenden.115 Das ist allerdings heute nicht mehr der Fall.116 In der neueren amerikanischen Literatur wird deswegen zum Teil wieder die Involvierung des board bei Spendenentscheidungen zum Schutz der Aktionärsinteressen gefordert.117 ___________ Section 14:3-13 Laws of 1930, Ch. 105 (zitiert nach Andrews Corporation Giving S. 303). 108 Vgl. oben 2. Kap. A. I. 4.; siehe z.B. Del. Gen. Corp. Law § 122 (9); R.M.B.C.A. § 3.03 (13). 109 Vgl. z.B. Del. Gen. Corp. Law § 142. 110 Vgl. Eisenberg Corporations S. 158. 111 Vgl. Gevurtz Corporation Law S. 180. 112 Vgl. Official Comment R.M.B.C.A. § 8.01 (b). 113 Vgl. Banard 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1157 (1997). 114 Vgl. Banard 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1157 (1997). 115 Vgl. Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 596 m.w.N (1997). 116 Vgl. z.B. Del. Gen. Corp. Law § 122 (9), der, wie bereits oben mehrmals erwähnt, keine besonderen Beschränkungen mehr erhält. 117 Vgl. Banard 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 1147, 1173 f. (1997).

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Für die dieser Arbeit zugrunde liegenden Problematik ist aber die genaue Aufgabenverteilung zwischen board und officers nur von sehr begrenzter Bedeutung, da officers typischerweise gleichzeitig Board-Mitglieder sind. Zudem unterliegen sie prinzipiell denselben haftungsrechtlichen Grundsätzen.118 III. Die Bedeutung der Business Judgment Rule 1. Rechtliche Bindungen und Haftungsrisiken der Directors Aus der obigen Darstellung ergibt sich, dass die directors und die officers die Geschäftsführung der corporation kontrollieren. Anders als im deutschen Recht ist grundsätzlich kein dem Aufsichtsrat vergleichbares Überwachungsorgan vorgesehen.119 Daher kommen den rechtlichen Grenzen für Unternehmensleiter bei der Ausübung ihrer Tätigkeit im Interesse der corporation und ihrer Aktionäre im amerikanischen Recht besondere Bedeutung zu. Das unternehmerische Ermessen der directors und officers ist durch ihre sog. fiduciary duties an die Interessen der corporation und ihrer Anteilseigner gebunden. Bei den fiduciary duties handelt es sich zum einen um die Loyalitätspflicht (duty of loyalty) und zum anderen um die Sorgfaltspflicht (duty of care).120 Grundsätzlich erfordert die duty of care, dass sich die Unternehmensführer so verhalten, wie sich ein durchschnittlich vorsichtiger und sorgfältiger Geschäftsleiter unter Berücksichtung der einschlägigen Handelsbräuche unter ähnlichen Umständen verhalten würde.121 Es handelt sich also um einen objektivierten Sorgfaltsstandard. Die duty of loyalty verlangt zunächst grundsätzlich, dass sich Unternehmensleiter bei ihren Entscheidungen nicht von Eigeninteressen leiten lassen.122 Sie ist zumindest nach ihrem Grundgedanken mit den im deutschen Recht geltenden Treuepflichten vergleichbar. Wenn Unternehmensleiter diese Pflichten verletzen, sind sie grundsätzlich schadensersatzpflichtig. Das aufgrund dieser rechtlichen Grundsätze beste___________ 118 Vgl. Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 97 ff.; ALI Principles of Corporate Governance § 4.01 (c); anders aber für Pennsylvania Platt v. Richardson, [1989.1990 Transfer Binder] Fed. Sec. L. Rep. (CCH) 94, 786 (M.D. Pa. June 6, 1989) (zitiert aus Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 100). 119 In neuerer Zeit werden allerdings bei zahlreichen Unternehmen Ausschüsse von den „outside directors“ gebildet, die zunehmend Überwachungsaufgaben übernehmen. Siehe dazu auch unten 2. Kap. B. I. 1. c). 120 Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 1. 121 Vgl. Briggs v. Spaulding 141 U.S. 132, 152 (U.S. 1891) („In any view the degree of care to which [directors are] bound is that which ordinarily prudent and diligent men would exercise under similar circumstances, and in determining that the restrictions of the statutes and the usages of business should be taken into account“). 122 Vgl. Eisenberg Corporations S. 599.

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hende Haftungsrisiko wird tatsächlich noch erheblich dadurch erhöht, dass nach amerikanischem Recht die Schadensersatzansprüche der corporation auch von einzelnen Aktionären in Form von sog. derivative actions geltend gemacht werden können. 2. Einwände gegen überzogene Haftungsrisiken Diese prozessuale Regel führt zu einem ersten Einwand gegen eine zu weitgehende Sanktionierung von Verstößen gegen die fiduciary duties. Entgegen den gerade dargestellten Grundsätzen der Kompetenzordnung könnten auf dem Weg der Derivativklagen die Aktionäre nicht nur in ihrer Gesamtheit, sondern auch einzeln durch individuelle Entscheidungskontrolle erheblichen Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen.123 Zudem wurde in der amerikanischen Diskussion schon früh auf die Gefahr hingewiesen, dass ein angesichts der natürlichen menschlichen Fehlbarkeit unkalkulierbares Haftungsrisiko fähige potenzielle Unternehmensleiter davon abschrecken könnte, Leitungspositionen zu übernehmen.124 In Ausübung dieser Position sollten diese wiederum nicht von riskanten, aber gewinnversprechenden Transaktionen abgehalten werden, wie dies gerade bei der Einführung neuer Produkte oder anderer Neuerungen der Fall ist.125 Zudem wird geltend gemacht, dass den Gerichten häufig die notwendigen Spezialkenntnisse fehlten, komplexe wirtschaftliche Entscheidungen aus einer Ex ante-Perspektive zu beurteilen. 126 „Richter [seien] schlechte Geschäftsleute“. 127 Außerdem seien Letztere nicht dem kontrollierenden Druck des Marktes ausgesetzt.128 Gegen zu geringe Anforderungen an die Haftungsvoraussetzungen spricht weiterhin, dass directors und officers, anders als die Anteilseigner, das Risiko für fehlerhafte Entscheidungen nicht durch Diversifikation des Portefeuilles streuen können.129 Außerdem bleibt unzufriedenen Anteilseignern alternativ zu der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen die Möglichkeit, directors durch Abwahl von ihrer Position zu entfernen.130

___________ 123

Vgl. Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 17 f. Vgl. Percy v. Millaudon, 8 Mart. 68 (La. 1829). 125 Vgl. Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 12 f. 126 Siehe z.B. Auerbach v. Bennett N.Y. 2d 619, 630, 393 N.E. 2d 994, 1000 (N.Y. Ct. of App. 1979). 127 Vgl. Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 682. 128 Vgl. Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 683. 129 Vgl. Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 683. 130 Vgl. Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 18. 124

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3. Die Business Judgment Rule als Grundlage eines haftungsfreien unternehmerischen Ermessens Aufgrund dieses Spannungsverhältnisses zwischen dem Bedürfnis nach einer Pflichtenbindung der directors einerseits und den vielfältigen Argumenten gegen eine Überspannung der rechtlichen Anforderungen andererseits wurde im amerikanischen Recht die business judgment rule entwickelt. Kernelement dieser Regel ist die Einschränkung der richterlichen Überprüfung von unternehmerischen Entscheidungen. a) Historische Ursprünge der Business Judgment Rule Der Gedanke der eingeschränkten Überprüfbarkeit ist im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht als Grundprinzip tief verankert. Bereits in einer englischen Entscheidung aus dem Jahr 1742 wird die gerichtliche Zurückhaltung bei der inhaltlichen Beurteilung von unternehmerischen Entscheidungen angedeutet.131 Im amerikanischen Fallrecht findet man schon in Entscheidungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Ansätze für die business judgment rule.132 Häufig zitiert wird die im Jahre 1829 ergangene Entscheidung des Louisiana Supreme Courts im Fall Percy v. Millaudon, die grundsätzlich die Möglichkeit einer Haftungsfreistellung für auf allgemeiner menschlicher Fehlbarkeit beruhende Fehler anerkannte.133 Ähnlich äußerte sich auch im Jahre 1847 der Alabama Supreme Court in der Entscheidung Godbold v. Branch Bank.134 Die im Jahre 1850 vom Rhode Island Supreme Court gewählte Formulierung in der Entscheidung Hodges v. New England Screw Co. erinnert noch mehr an die moderne business judgment rule, da sie ausdrücklich auf „good faith“ und „exercise of proper care“ als Voraussetzungen für eine erleichterte Haftung Bezug nahm.135

___________ 131 Vgl. Charitable Corp. v. Sutton, 2 Atk. 400, 404 (1742). Für eine detailliertere Darstellung der Entstehungsgeschichte der business judgment rule siehe Block/Barton/ Radin The Business Judgment Rule S. 9 ff.; Arsht 8 Hofstra L. Rev 97 ff. (1979). 132 Percy v. Millaudon, 8 Mart. 68 (n.s.) (La. 1829). 133 Vgl. 8 Mart. 68 (n.s.) („The test of responsibility, therefore, should be, not the certainty of wisdom in others, but the possession of ordinary knowledge; and by showing that the error of the agent is of so gross a kind that a man of common sense, and ordinary attention, would not have fallen into it“). 134 Vgl. Gobold v. Branch Bank 11 Ala. 191 (Ala. 1847) (zitiert nach Arsht 8 Hofstra L. Rev. 93, 98 (1979)). 135 Vgl. Hodges v. New England Screw Co., 1 R.I. 312 (R.I. 1850); für ähnliche Formulierungen in anderen Jurisdiktionen siehe auch Sperling’s Appeal, 71 Pa. 11, 24 (Pa. Supr. Ct. 1872); Pollitz v. Wabash R.R. Co. 207 N.Y. 113, 124, 100 N.E. 721, 724 (N.Y. Ct. of App. 1912).

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b) Voraussetzungen und Wirkung der Business Judgment Rule Hinsichtlich der Voraussetzungen der business judgment rule gibt es im amerikanischen Recht verschiedene Formulierungen. Letztendlich stimmen sie aber weitgehend mit der vom American Law Institute gewählten Formulierung überein, an der sich die restliche Darstellung auch orientieren soll. Danach muss der handelnde Geschäftsleiter (1) frei von Interessenkonflikten sein („conflict of interest test“), (2) er muss ausreichend informiert sein („informed basis test“) und subjektiv im Interesse der Gesellschaft handeln („good faith test“). Diese Kriterien haben gemeinsam, dass sie sich nicht auf den Inhalt der unternehmerischen Entscheidung, sondern auf die formalen Umstände des Entscheidungsverfahrens beziehen.136 Allerdings verzichtet die amerikanische Rechtsprechung auch im Anwendungsbereich der business judgment rule nicht vollständig auf eine – allerdings stark eingeschränkte – inhaltliche Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung. Diese bezieht sich nach der im amerikanischen Recht gebräuchlichsten Formulierung auf die „rationale Nachvollziehbarkeit“ der Entscheidung („rational belief test“).137 Liegen die Voraussetzungen der business judgment rule nicht vor, überprüfen die Gerichte ihre „fairness“ und damit ihre inhaltliche Richtigkeit. Im Rahmen des „fairness test“ wird bei der Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung zwischen den Gesichtspunkten des „fair dealing“ und des „fair price“ unterschieden. Nach den vom Delaware Supreme Court in der Entscheidung Weinberger v. UOP, Inc. gemachten Ausführungen bezieht sich die duty of fair dealing auf das „Timing“ und die Vorgehensweise bei der Entscheidungsfindung; „fair price“ bezieht sich dagegen auf die materiellen, wertbezogenen Aspekte der Entscheidung.138 Im Rahmen ihrer Anwendbarkeit schützt damit die business judgment rule Unternehmensleiter vor einer vollen richterlichen Inhaltskontrolle ihrer unternehmerischen Leitungsentscheidungen.139 Dadurch werden directors und officers vor einer möglichen Haftung für die Folgen ihres Verhaltens geschützt.140 Da die business judgment rule sich primär nur auf die richterliche Überprüfbarkeit beschränkt, ist sie aber nicht einfach mit einem Verhaltensmaßstab gleichzusetzen.141 In der ___________ 136

Vgl. Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 682. Siehe dazu die Diskussion unten 2. Kap. C. I. 138 Vgl. Weinberger v. UOP 457 A.2d 701, 711 (Del. 1993). 139 Vgl. Abeltshauser Leitungshaftung S. 130. 140 Vgl. Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 673. 141 Vgl. Barton/Block/ Radin The Business Judgment Rule S. 4: („The business judgment rule is a standard of judicial review for director conduct, not a standard of conduct“). 137

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amerikanischen Diktion spricht man in diesem Zusammenhang von einem „safe harbor“ für die Unternehmensleitung.142 Ein weiteres wichtiges Element der business judgment rule ist die ihr zugrunde liegende Beweislastverteilung. Sie sieht nämlich eine Vermutung zugunsten der Erfüllung ihrer Voraussetzungen vor und wirkt so auch als Beweislastregel.143 Die klagenden Aktionäre müssen also zunächst beweisen, dass die beklagten Unternehmensleiter die Voraussetzungen der business judgment rule nicht erfüllt haben. Gelingt ihnen das nicht, so unterliegt die unternehmerische Entscheidung keiner weiteren richterlichen Kontrolle mehr. Gelingt ihnen dies aber, geht die Beweislast hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung („fairness“) auf die beklagten Unternehmensleiter über. In der deutschen Literatur ist umstritten, welche Kategorien des deutschen Rechts die amerikanische business judgment rule am besten beschreiben. Horn vertritt die Ansicht, dass es sich bei der business judgment rule um einen Haftungsausnahmetatbestand handelt.144 Abeltshauser siedelt sie in der Nähe der Verschuldensebene im Sinne einer „Exkulpationsmöglichkeit“ an. 145 Nach Merkt regelt die business judgment rule die Anwendung eines groben Fahrlässigkeitsmaßstabs bei der Überprüfung von Sorgfaltspflichtverletzungen. 146 Oltmanns vergleicht die business judgment rule mit dem Ermessensbegriff im deutschen Recht, nach dem behördliche Entscheidungen nur noch auf ihre Rechtmäßigkeit, nicht jedoch auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden, obwohl auch Letztere einer Pflichtenbindung unterliegt.147 Eine exakte Einordnung der business judgment rule unter die oben zitierten Kategorien ist kaum möglich. Am präzisesten ist noch ihre Charakterisierung als Haftungsausnahmetatbestand, wobei dieser Begriff zunächst über die Beweislastverteilung der business judgment rule täuscht. Zudem liegt der Schwerpunkt nach der amerikanischen Diktion nicht auf einer Befreiung von der Haftung, sondern von der richterlichen Überprüfung. Insoweit hängt die business judgment rule eng mit der aus dem deutschen Verwaltungsrecht bekannten Ermessenslehre zusammen. Funktionell betrachtet regelt sie auch die Grenzen des unternehmerischen Ermessens. Mittelbar wirkt sie im Ergebnis wie ein grober Fahrlässigkeitsmaßstab, wobei diese Einordnung ihre eigentliche recht-

___________ 142

Vgl. Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 682. Vgl. Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 19 ff., insbes. S. 25 ff. 144 Vgl. Horn ZIP 97, 1129, 1134; Hopt FS Mestmäcker S. 909, 920. 145 Vgl. Abeltshauser Leitungshaftung S. 138. 146 Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 674. 147 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 32. 143

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

liche Wirkung am wenigsten trifft. Letztere Ansicht kann sich jedoch auf einzelne Äußerungen amerikanischer Gerichte stützen.148

B. Verfahrensanforderungen der Business Judgment Rule I. Freisein von Interessenkonflikten Die erste verfahrensmäßige Voraussetzung für die Anwendbarkeit der business judgment rule ist, wie oben dargestellt, dass sich der mit der Entscheidung befasste director nicht in einem Interessenkonflikt befand (conflict of interest test). 1. Der Begriff des Interessenkonflikts im Allgemeinen a) „In-sich-Geschäfte“ Die Prüfung von Interessenkonflikten stellt in der Regel nicht unmittelbar auf die Motivation des Unternehmensleiters ab. Stattdessen wird in erster Linie untersucht, ob der handelnde director objektiv ein persönliches Interesse an der Entscheidung hat. Aus dem Vorliegen eines Interessenkonflikts ergibt sich die Vermutung, dass die Motivation des betreffenden director eigennütziger Natur war und somit grundsätzlich die Unanwendbarkeit der business judgment rule.149 Allgemein formuliert liegt ein Interessenkonflikt zunächst dann vor, wenn ein director auf beiden Seiten der Transaktion auftritt.150 Dies ist jedenfalls dann gegeben, wenn Unternehmensleiter in eigenem Namen mit der durch sie vertretenen Gesellschaft eine Transaktion durchführen, also ein Fall des „In-sichGeschäfts“ vorliegt.151 Ähnlich gelagert ist der inzwischen in zahlreichen gesetzlichen Regelungen ausdrücklich bezeichnete Fall, in dem die directors gleichzeitig mehrere an einer Transaktion beteiligte corporations vertreten. In dieser Konstellation sind also zwei an einer Transaktion beteiligte corporations über ihre Leitungsorgane personell verflochten.152 ___________ 148 Vgl. Smith v. Van Gorkom 488 A.2d 858, 873 (Del. 1985): („Our analysis satisfies us that under the business judgment rule director liability is predicated upon the concepts of gross negligence“). 149 Vgl. Cox/Hazen/O’Neal Corporations S. 207; Arsht 8 Hofstra L. Rev. 93, 115 (1979). 150 Vgl. Arsht 8 Hofstra L. Rev. 93, 116 (1979). 151 Vgl. dazu Abelthauser Leitungshaftung S. 274 ff. 152 Vgl. z.B. Del. Gen. Corp. Law § 144 (a) („[…] contract or transaction between a corporation […] and any other corporation, partnership, association, or other organization in which one or more of its directors or officers are directors or officers“); § 310 (b) Cal. Gen. Corp. L.; N.Y. Bus. Corp. L. § 713 (a) (beide mit ähnlichen Formulierungen, allerdings nur auf directors beschränkt); vgl. auch R.M.B.C.A. § 8.31; siehe zu einer umfassenden Darstellung zur Problematik der sog. interlocking directorates Ebke ZGR 1990, 50, 67 ff.

B. Verfahrensanforderungen der Business Judgment Rule

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b) Persönliche Eigeninteressen Schwieriger ist die genauere Formulierung der Anforderungen, wenn ein director zwar nicht unmittelbar Spendengelder erhält, aber mittelbar aus einer Transaktion persönliche Vorteile zieht.153 Grundsätzlich ist für solche Transaktionen sowohl im Fallrecht als auch in vielen gesetzlichen Regelungen anerkannt, dass derartige mittelbare persönliche Eigenvorteile zur Unanwendbarkeit der business judgment rule führen können.154 aa) Die finanzielle Natur des Eigeninteresses Dies gilt allerdings nicht für jeden persönlichen Vorteil.155 Haftungsrelevante persönliche Eigeninteressen beziehen sich in der Regel auf persönliche finanzielle Vorteile für den director oder auf die Erhaltung der eigenen Position im board (entrenchment). 156 Letztere Konstellation wird vor allem bei Unternehmensverkäufen, häufig im Rahmen von feindlichen Übernahmen, relevant.157 Allerdings sind in der Regel mit der Position im board eines Unternehmens finanzielle Vorteile verbunden, sodass es sich hierbei nicht zwingend um eine vollständig selbstständige Fallgruppe handelt. Die Betonung liegt – auch in vielen neueren Entscheidungen – jedenfalls auf der finanziellen Natur des Eigeninteresses.158 Die vom American Law Institute aufgestellten Principles on Corporate Governance gehen ebenfalls vom Erfordernis der finanziellen Natur des Eigeninteresses aus.159 Gleiches gilt für eine Reihe von einzelstaatlichen Gesetzen.160

___________ 153 Die hier verwendete Terminologie ist nicht deckungsgleich mit der teilweise im amerikanischen Recht gemachten Differenzierung zwischen „direct“ und „indirect conflicts of interests“. Ein Teil der Literatur zum amerikanischen Gesellschaftsrecht spricht von „indirect conflict of interests“ im Zusammenhang mit Transaktionen zwischen wechselseitig über ihre Entscheidungsorgane personell verflochtenen corporations. „Direct conflicts“ liegen demgegenüber in den Fällen vor, in denen ein director selbst Partei einer self-dealing transaction ist. Vgl. Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 716; Gevurtz Corporation Law S. 352. 154 Vgl. z.B. Cede v. Technicolor 634 A.2d 345, 362 (Del. 1993); R.M.B.C.A. §§ 8.31, 8.60 (1988). Siehe auch ALI Principles of Corporate Governance § 1.23 (a) (3). 155 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 58. 156 Vgl. z.B. Grobow v. Perot 539 A.2d 180, 188 (Del. 1988). 157 Vgl. z.B. Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co. 493 A.2d 946, 955 (Del. 1985). 158 Vgl. etwa Aronson v. Lewis 473 A.2d 805, 812 (Del. 1984). 159 Vgl. ALI Principles on Corporate Governance, §§ 4.01 (c), 1.23 (a) (3) („pecuniary interest“). 160 Vgl. Cal. Gen. Corp. Code § 310 (a); N.Y. Gen Bus. Corp. L. § 713 (a).

2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

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bb) Das Erheblichkeitserfordernis Nicht jedes finanzielle Eigeninteresse führt automatisch zur Unanwendbarkeit der business judgment rule. So fordern einige Gesetze ausdrücklich ein erhebliches („material“) finanzielles Interesse an der betreffenden Transaktion.161 Dies entspricht trotz des Fehlens einer solchen einschränkenden Qualifikation auch der Rechtslage in Delaware, da dort die Rechtsprechung bei der Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelung ein solches Erheblichkeitserfordernis hineinliest.162 Zunächst ist für die Annahme der Erheblichkeit erforderlich, dass die betreffenden directors alleinige Nutznießer des finanziellen Eigenvorteils sind, es sich dabei also um einen Sondervorteil handelt. An diesem Merkmal fehlte es in der Entscheidung Sinclair v. Levien. Gegenstand dieser Entscheidung des Delaware Supreme Courts war ein Dividendenbeschluss des board, von dem die beklagten directors als Aktionäre selbst profitierten. 163 Das Gericht verneinte die Annahme eines Interessenkonflikts, da auch die nicht im board vertretenen Minderheitsaktionäre Nutznießer der erhöhten Dividende waren.164 Abgesehen davon gibt es aber über die genauen inhaltlichen Anforderungen des Erheblichkeitserfordernisses im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht Raum für Unsicherheit. Nach der Formulierung des R.M.B.C.A. (Revised Model Business Corporation Act) von 1988 ist für die Annahme eines erheblichen Interessenkonflikts erforderlich, dass aufgrund des finanziellen Eigenvorteils objektiv eine Beeinflussung des betreffenden director zu erwarten ist.165 Ähnlich ist §1.23 der Principles of Corporate Governance formuliert.166 Strittig war dagegen die genauere Ausgestaltung des materiality test in Delaware. In der Entscheidung Cede v. Technicolor lehnte der Delaware Supreme ___________ 161

Vgl. z.B. Cal. Corp. Code § 310 (a). Vgl. Del. Gen. Corp. Law § 144 (a); Cede v. Technicolor 634 A.2d 345, 362 f. (Del. 1993). 163 Vgl. Sinclair Oil Corp. v. Levien, 280 A.2d 717 (Del. 1971). 164 Vgl. 280 A.2d 717, 722 („Since Sinclair received nothing from Sinven to the exclusion of and detriment to Sinven’s minority stockholders, there was no self-dealing“). 165 Vgl. R.M.B.C.A. 8.60 (1) (i.); diese Formulierung wurde inzwischen z.B. von Alabama, Ala. Code Ann. § 14-2-860-863 (1994); Mississippi, Miss. Code Ann. § 79-48.60-63 (Supp. 1994); Montana, Mont. Code Ann. § 35-1-464 (1993); Utah, Utah Code Ann. § 16-109-850-10°-853 (Supp. 1994); Vermont, Vt. Stat. Ann. Tit. 11 §§8.60-8.63 (1993) und Washington, Wash. Rev. Code Ann. §23B.08.730 (1994) angenommen; vgl. dazu auch Cox/Hazen/O’Neal Corporations S. 210. 166 Vgl. ALI Principles on Corporate Governance § 1.23 (a) (3): „The director or officer [...] has a material pecuniary interest in the transaction or conduct (other than usual and customary directors’ fees and benefits) and that interest […] would reasonably be expected to affect the director’s or officer’s judgment in a manner adverse to the corporation“. 162

B. Verfahrensanforderungen der Business Judgment Rule

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Court die Anwendung des objektiven „reasonable person“-Maßstabs ab.167 In der Folgeentscheidung wendete der Court of Chancery mit Billigung des Delaware Supreme Courts stattdessen einen subjektiven „actual person“-Maßstab an.168 Danach ist zu prüfen, ob eine Beeinflussung des konkreten director aufgrund des finanziellen Vorteils zu erwarten war. 169 Die praktischen Auswirkungen dieser neuen Rechtsprechung auf das Ergebnis waren freilich in diesem Fall gering. So wurde ein erheblicher Interessenkonflikt sowohl auf Grundlage des objektiven als auch des subjektiven Maßstabs bei einem director verneint, der anlässlich der Transaktion mit der Erwerberin des Unternehmens einen neuen Anstellungsvertrag zu verbesserten Konditionen ausgehandelt hatte.170 Einigkeit besteht jedoch darin, dass sich die Anforderungen an die Erheblichkeit eines finanziellen Interesses im hohen Maße nach den Umständen des Einzelfalls richten. Angesichts der Unbestimmtheit der Kriterien für das Erheblichkeitserfordernis wird die Rechtslage in diesem Bereich in neueren amerikanischen Publikationen als unklar kritisiert.171 c) Beteiligung von unabhängigen und neutralen Personen an der Entscheidung Allerdings führt ein Interessenkonflikt bei einzelnen directors in der Regel nicht unmittelbar zur Nicht-Anwendbarkeit der business judgment rule. Nach dem heute geltenden Recht kann ihre Anwendung auch durch die Involvierung unabhängiger und neutraler directors gesichert werden. Dies war allerdings nicht immer der Fall. Die Behandlung von Interessenkonflikten insbesondere bei „In-sich-Geschäften“ und Fällen der Mehrfachvertretung hat im amerikanischen Recht eine mehrstufige Entwicklung durchlaufen. In einigen älteren Entscheidungen galt für solche Geschäfte ein absolutes Verbot, das durch Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der dagegen verstoßenden Rechtsgeschäfte sanktioniert wurde. 172 Ab 1910 wurde das strikte Verbot der „In-sich-Geschäfte“ zugunsten eines „fairness test“ aufgeweicht.173 Dieser stand allerdings in ___________ 167

Vgl. Cede v. Technicolor 634 A.2d 345, 364 (Del. 1993). Vgl. Cinerama, Inc. v. Technicolor, 663 A.2d 1134, 1151 f. (Del. Ch. 1994). 169 Vgl. Cinerama, Inc. v. Technicolor, 663 A.2d 1134, 1151(Del. Ch. 1994). 170 Vgl. Cinerama, Inc. v. Technicolor, 663 A.2d 1134, 1151 f. (Del. Ch. 1994); aff’d 663 A.2nd 1156 (Del. 1995); zur Anwendung des objektiven Maßstabs siehe Cinerama, Inc. v. Technicolor, 17 Del. J. Corp. L. 551, 571ff. (Del. Ch. June 21, 1991); Aff’d in part and rev’d in part Cinerama, Inc. v. Technicolor, Inc., 634 A.3d 345, 36. 171 Vgl. Gevurtz Corporation Law S. 350. 172 Vgl. z.B. Morgan v. King, 63 P. 416, 421 f. (Colo. 1900); Abeltshauser Leitungshaftung S. 274 ff.; Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 53 ff. 173 Vgl. Abeltshauser Leitungshaftung S. 275; siehe zum fairness test oben 2. Kap. A. III. 3. b). 168

2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

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der Regel neben dem Erfordernis einer Zustimmung einer Mehrheit von anderen directors, die selbst keinem Interessenkonflikt unterlagen. 174 Zudem mussten diese neutralen directors unabhängig sein, also nicht unter dem bestimmenden Einfluss der sich in einem Interessenkonflikt befindenden directors stehen. Seit 1960 wurden die Anforderungen zum Teil noch weiter gelockert, indem das fairness- und Zustimmungserfordernis in ein Alternativverhältnis gestellt wurden. Nun genügt es in der Regel, wenn die Mehrheit der unabhängigen directors oder die Anteilseigner zustimmen. Andernfalls erfolgt eine vollständige inhaltliche Überprüfung der Transaktion auf ihre „fairness“.175 Daneben gibt es in neuerer Zeit die Möglichkeit, selbst bei Nicht-Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen die Anwendung der business judgment rule durch die Verlagerung der Entscheidung auf einen Unterausschuss von unabhängigen und neutralen directors zu sichern.176 Solche independent board committees bestehen grundsätzlich nur aus outside directors, d.h. in erster Linie solchen Direktoren, die nicht Angestellte des Unternehmens sind.177 Die Mitglieder dieser Ausschüsse sollten erstens keinem Interessenkonflikt unterliegen und zweitens unabhängig von denjenigen Personen sein, die einem Interessenkonflikt unterliegen.178 Abhängigkeit kann vor allem aufgrund monetärer Bindungen bestehen, insbesondere wenn zwischen Ausschussmitgliedern und der corporation Anstellungsverhältnisse oder ähnliche Vertragsverhältnisse (wie z.B. Beratungsverträge) bestehen.179 Dabei kommt es aber auf die Umstände des Einzelfalls (z.B. auf die Höhe der betreffenden Vergütung) an. Auch in der Vergangenheit liegende Vertragsverhältnisse können die Unabhängigkeit von Ausschussmitgliedern in Frage stellen. 180 Zudem können non-monetäre Verhältnisse wie freundschaftliche oder familiäre Bindungen die Unabhängigkeit von Ausschussmitgliedern beeinträchtigen.181 Damit hängt die Wirksamkeit von Transaktionen, bei denen sich ein oder mehrere directors in einem Interessenkonflikt befinden, in der Regel alternativ von der Billigung durch eine Mehrheit von unabhängigen directors oder eines von ihnen ___________ 174

Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 54. Vgl. Del. Gen. Bus. Corp. L. § 144 (a), NY Bus. Corp. Law. § 713 (a); vgl. dazu auch Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 43. 176 Vgl. Weinberger v. UOP, Inc. 457 A.2d 701, 709 Fn. 7 (Del. 1983); Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 43. 177 Vgl. Block/ Maimone/Ross 59 Brooklyn L. Rev. 65, 81 (1993). 178 Vgl. Kahn v. Tremont Corp. 694 A.2d 422, 428 f. (Del. 1997); Brown/Maimone/ Schoell 23 Del. J. Corp. L. 1157, 1159 (1998). 179 Vgl. Brown/Maimone/Schoell 23 Del. J. Corp. L. 1157, 1172 ff. (1998). 180 Vgl. z.B. Kahn v. Tremont, 694 A.2d 422, 429 f. (Del. 1997). 181 Vgl. Brown/Maimone/Schoell 23 Del. Gen. J. Corp. L.1157, 1175 (1998). 175

B. Verfahrensanforderungen der Business Judgment Rule

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gebildeten Unterausschusses, durch die Aktionäre oder durch das Gericht ab.182 Bezogen auf die business judgment rule bedeutet dies, dass sie trotz Vorliegens eines Interessenkonflikts dann anzuwenden ist, wenn die betreffende Transaktion mit ordnungsgemäß erfolgter Zustimmung der oben genannten Gremien durchgeführt wurde.183 Wichtige Voraussetzung für eine wirksame Zustimmung der directors bzw. der Anteilseigner ist jedoch die vollständige Offenlegung des Interessenkonflikts, was im Ergebnis zu der Begründung einer strengen Publizitätspflicht auf Grundlage der Loyalitätspflicht führt.184 Allerdings gibt es im amerikanischen Recht von diesen Grundsätzen Abweichungen. Einige heute noch gerne zitierte Entscheidungen verlangen auch bei Ratifikation durch ein unabhängiges und neutrales Entscheidungsgremium auf jeden Fall eine vollständige gerichtliche Inhaltskontrolle und stellen sich damit gegen die Anwendung der business judgment rule.185 Diese Entscheidungen stellen aber innerhalb des amerikanischen Rechts heute nur noch Ausnahmen dar. 2. Prüfung von Interessenkonflikten bei Spendenentscheidungen Die allgemeinen Regeln über die Behandlung von Interessenkonflikten spielen, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, im Zusammenhang mit Unternehmensspenden eine zunehmende Rolle. Die amerikanische Rechtsprechung war aber bei der Annahme von Interessenkonflikten in den bisher ergangenen Entscheidungen äußerst zurückhaltend. a) Die älteren Entscheidungen In den älteren Entscheidungen finden sich regelmäßig Hinweise darauf, dass es sich bei der Spende nicht um eine „pet charity“ handelte, also um eine Spende, mit der der betreffende director eigennützige Zwecke verfolgte. Trotzdem wurde diese Problematik von den Gerichten in den Entscheidungsgründen noch nicht einmal diskutiert. In der Entscheidung Theodora Holding Corp. v. Henderson stellte der Court of Chancery lediglich fest, dass es sich bei der angegriffenen Spende nicht um eine „pet charity“ handelte, bei der der director eigennützige Zwecke verfolgte, und ___________ 182 Vgl. z.B. Del. Gen. Bus. Corp. L. § 144 (a); NY Bus. Corp. Law. § 713 (a); siehe dazu auch Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 55. 183 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 55; Abeltshauser Leitungshaftung S. 281. 184 Vgl. Abeltshauser Leitungshaftung S. 276; Del. Gen. Corp. Law § 144 (a) (1). 185 Vgl. Cookies Food Products v. Lakes Warehouse, 430 N.W. 447, 552 f. (Iowa 1988) („We […] require directors who engage in self-dealing to establish the additional element that they have acted in good faith, honesty, and fairness“); Remillard Brick Co. v. Remillard-Dandini Co., 241 P.2d 66, 74 (Cal 1952); siehe auch Cal. Corp. Code § 310 (a) (2).

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

wendete letztendlich die business judgment rule an.186 Dabei hätte es nach dem Sachverhalt durchaus Anlass gegeben, eventuell gegebene Interessenkonflikte zu problematisieren. Gegenstand dieser vielzitierten erstinstanzlichen Entscheidung aus Delaware war die Klage einer Minderheitsaktionärin der Alexander Dawson, Inc. gegen den Mehrheitsaktionär, der gleichzeitig auch Vorsitzender des board und CEO der corporation war.187 Der Beklagte hatte eine Unternehmensspende in Höhe von $ 528.999 an die Alexander Dawson Foundation veranlasst, die wiederum von ihm selbst kontrolliert wurde. 188 Allerdings geht aus dem vom Gericht dargestellten Sachverhalt nicht eindeutig hervor, ob der Beklagte formal eine Position im board der Stiftung bekleidete und somit möglicherweise ein Fall der Mehrfachvertretung vorlag. Die Gelder sollten letztendlich dem Aufbau eines Sommercamps für Kinder aus armen Verhältnissen dienen.189 Der Court of Chancery hat in diesem Fall trotz des von ihm festgestellten „kontrollierenden“ Einflusses des beklagten director über die Empfängerorganisation das eventuelle Vorliegen eines Interessenkonflikts nicht weiter problematisiert. Auch die Tatsache, dass der Beklagte auf dem Gelände des geförderten Ferienlagers eine Privatwohnung unterhielt, wurde vom Gericht nur beiläufig behandelt.190 Auch in der oben diskutierten Entscheidung A.P. Smith v. Barlow stellte der New Jersey Supreme Court lediglich pauschal fest, dass es keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Spende an eine pet charity gebe.191 Gegenstand dieser Klage war, wie oben bereits dargestellt, eine Unternehmensspende von $ 1.500 an die Princeton Universität. In der Literatur wurde darauf hingewiesen, dass der beklagte Board-Vorsitzende der corporation Absolvent der Spendenempfängerin war, wobei sich dazu im Text der Entscheidung selbst keine Anhaltspunkte finden.192 Jedenfalls hat auch hier der New Jersey Supreme Court den möglichen Verstoß gegen die Loyalitätspflichten nicht weiter diskutiert.

___________ 186 Theodora Holding Corp. v. Henderson, 257 A.2d 398, 404, 406 (Del. Ch. 1969) („[the donation was not] made indiscrminately or to a pet charity in furtherance of personal rather than corporate ends“). 187 Vgl. 257 A.2d 398. 188 Vgl. 257 A.2d 398, 401. 189 Vgl. 257 A.2d 398, 401. 190 Vgl. 257 A.2d 398, 402. 191 Vgl. A.P. Smith Mfg. Co. v. Barlow 98 A.2d 581, 590 (N.J. 1953); siehe dazu oben 2. Kap. A. I. 5. 192 Balotti/Hanks 54 Bus. Law. 965, 974 (1999).

B. Verfahrensanforderungen der Business Judgment Rule

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b) Kahn v. Sullivan In den Entscheidungen zum Kahn v. Sullivan-Fall wurde die Problematik des Interessenkonflikts bei Unternehmensspenden zum ersten Mal ausführlich thematisiert.193 aa) Sachverhalt und Prozessgeschichte Kahn v. Sullivan lag folgender Sachverhalt zugrunde: Dr. Armand Hammer war Gründer, CEO und Vorsitzender des board der Occidental Petroleum Corporation. 194 Seit den zwanziger Jahren hatte er eine private Kunstsammlung aufgebaut, deren Gesamtwert zum Zeitpunkt seines Todes im Dezember 1990 ca. $ 300-400 Mio. betrug. Nach dem Auseinanderbrechen einer langjährigen, auch von Occidental Petroleum finanziell geförderten Kooperation mit dem Los Angeles County Museum of Art sollte die Occidental Petroleum Corporation nach dem Willen von Dr. Hammer den Neubau eines Museums für die Kunstsammlung für geschätzte $ 50 Mio. finanzieren. Das Museumsgebäude sollte dann dem Träger des Museums 30 Jahre lang mietfrei zur Verfügung gestellt und die während dieser Zeit anfallenden Betriebskosten (geschätzte $ 35,6 Mio.) von der Occidental Petroleum getragen werden. Nach dem ursprünglichen Plan sollte das Museum nach Dr. Hammer selbst benannt werden („The Armand Hammer Museum of Art and Cultural Center“). Occidental Petroleum sollte dagegen nur Mitspracherechte im board und einige eingeschränkte Sponsorenrechte erhalten. Gegen das geplante Museumsvorhaben wurden zwei Aktionärsklagen in Form von Sammelklagen (class actions) eingereicht, wobei die beiden Gruppen jeweils nach den Klageführern A. Kahn und J. Sullivan benannt wurden. Die Kläger forderten die Einstellung der Zahlungen für das Vorhaben und Schadensersatz.195 Die unter dem Namen von Sullivan klagenden Aktionäre traten sofort in Vergleichsverhandlungen mit den Beklagten ein. Die „Kahn Gruppe“ scheiterte mit ihrem Antrag auf einstweilige Verfügung (preliminary injunction) gegen den geplanten Vergleich wegen der fehlenden Dringlichkeit des Anspruchs.196 Der daraufhin geschlossene Vergleich wurde von den „Kahn“Klägern angefochten.197 Gegen die Klageabweisung legten die Kläger Rechts___________ 193 Vgl. Kahn v. Sullivan, 594 A.2d 48 ff. (Del. 1991); Sullivan v. Hammer, 1990 Del. Ch. LEXIS 119, Fed. Sec. L. Rep. (CCH) P95, 415 (Del. Ch. Aug. 7, 1990); Kahn v. Occidental Petroleum Corp. 1989 Del. Ch. LEXIS 92 (Del. Ch. July 19, 1989). 194 Vgl. Kahn v. Sullivan 594 A.2d 48, 51 (Del. 1991). 195 Vgl. Kahn v. Occidental Petroleum Corp., 1989 Del. Ch. LEXIS 92, 3 (Del. Ch. 1989). 196 Vgl. Kahn v. Occidental Petroleum Corp., 1989 Del. Ch. LEXIS 92 (Del. Ch. 1989). 197 Vgl. Sullivan v. Hammer, 1990 Del. Ch. LEXIS 119, Fed. Sec. L. Rep. (CCH) P95, 415 (Del. Ch. August 7, 1990).

2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

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mittel vor dem Delaware Supreme Court ein.198 Gegenstand der gerichtlichen Prüfung im Hauptsacheverfahren war nach dem anwendbaren Prozessrecht die Angemessenheit (reasonableness) des geschlossenen Vergleichs. 199 Im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit dieses Vergleichs wurden hier die Erfolgsaussichten der Aktionärsklagen inzident geprüft. Das Rechtsmittel hatte im Ergebnis keinen Erfolg. bb) Behandlung von Interessenkonflikten in den Entscheidungen In der ursprünglichen Klage hatten sich die Aktionäre in erheblichem Maß auf angebliche Verstöße der an der Entscheidung beteiligten directors gegen ihre Loyalitätspflichten gestützt. Zunächst war dieses Argument nicht ganz erfolglos. In der Entscheidung über die beantragte einstweilige Verfügung gegen den Vergleich stellte der Court of Chancery fest, dass der zu dem Zeitpunkt sich noch im Verhandlungsstadium befindende Vergleich insgesamt kritikwürdig sei. Insbesondere identifizierte das Gericht die „egozentrische Natur“ von Dr. Hammers Motivation und die Frage, wem die Kunstwerke im Ergebnis gehören würden, als Probleme, die auf jeden Fall in einem Hauptsacheverfahren über den Vergleich angesprochen werden müssten.200 Der letztendlich geschlossene Vergleich berücksichtigte einige dieser Einwände, indem die corporation Namensgeberin für das Museum wurde und zahlreiche andere Sponsorenrechte erhielt. 201 Hinsichtlich der im Eigentum von Armand Hammer stehenden Kunstwerke wurde vereinbart, dass sie das Museum (bzw. seine Trägergesellschaft) spätestens mit dem Tod Hammers erlangen sollte.202 Dieser Vergleich hielt der gerichtlichen Überprüfung stand, da sowohl der Court of Chancery als auch der Delaware Supreme Court die business judgment rule auf die Spendenentscheidung anwendeten.203 Dabei gingen die Gerichte grundsätzlich vom Vorliegen eines Interessenkonflikts bei Dr. Hammer selbst aus, ohne dies gesondert zu begründen. Entscheidend für die Anwendung der business judgment rule war aber die Verlagerung der relevanten Entscheidun___________ 198

Vgl. Kahn v. Sullivan 594 A.2d 48 ff. (Del. 1991). 594 A.2d 48, 59. 200 Vgl. Kahn v. Occidental Petroleum Corp., 1989 Del. Ch. LEXIS 92, 13 (Del. Ch. 1989) („Among the troublesome issues which will have to be addressed at any settlement hearing are […] (4) the egocentric nature of some of Dr. Armand Hammer’s objections to the Los Angeles County Museum being the recipient of the donation; (5) the issue who really owns the art“); vgl. auch Kahn v. Sullivan, 594 A.2d 48, 55 (Del. 1991). 201 Vgl. Kahn v. Sullivan 594 A.2d 48, 57 (Del. 1991) („Occidental Petroleum Cultural Center Building“). 202 Vgl. 594 A.2d 48, 57. 203 Vgl. Sullivan v. Hammer, 1990 Del. Ch. LEXIS 119, 15 ff. (Del. Ch. 1990); Kahn v. Sullivan, 594 A.2d 48, 59 ff. (Del. 1991). 199

B. Verfahrensanforderungen der Business Judgment Rule

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gen auf einen eigens gebildeten Board-Ausschuss. 204 Geprüft wurde in der Entscheidung nur, ob die Mehrheit der Mitglieder dieses Ausschusses keinem Interessenkonflikt unterlagen und vor allem, ob sie von Dr. Hammer unabhängig waren. Entsprechend der business judgment rule lag hier die Beweislast bei den Klägern. Die Gerichte gingen davon aus, dass diese Beweisführung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gelingen würde. Großen Wert legte es dabei auf die Heranziehung von unabhängigen Beratern für den Ausschuss.205 cc) Bewertung der Entscheidung des Delaware Supreme Courts Zunächst zeigt sich in der Entscheidung des Delaware Supreme Courts, welche Bedeutung Interessenkonflikte tatsächlich bei Unternehmensspenden erlangen können. Nach dem Sachverhalt wollte sich der CEO selbst ein persönliches Denkmal auf Kosten des von ihm geleiteten Unternehmens setzen. Hierbei handelte es sich in erster Linie um einen mittelbaren immateriellen Vorteil, dessen Kommerzialisierbarkeit aber zumindest im Raum stand. Jedenfalls wurde in der gleichen Entscheidung der Wert für die Umbenennung des Museums in das „Occidental Petroleum Cultural Center Building“ auf ungefähr $ 10 Mio. geschätzt.206 Daneben bestand zumindest die Möglichkeit, dass Dr. Hammer, der bis zu seinem Tod ursprünglich Eigentümer der in dem gespendeten Museum ausgestellten Kunst bleiben wollte, nach dem ursprünglichen Plan weitere mittelbare finanzielle Vorteile aus der Spende gezogen hätte, da die corporation auch für die Instandhaltungskosten des Museums aufkommen sollte. Für die Rechtsprechung Delawares war anscheinend das Vorliegen eines Interessenkonflikts bei Dr. Hammer selbst so offensichtlich, dass eine genaue Überprüfung unterblieb. Allerdings zeigen die Entscheidungen, welch hohe Hürden die business judgment rule auch bei solchen Sachverhalten potenziellen Klägern aufstellt. Der Nachweis, dass die Mehrheit der an der Entscheidung beteiligten directors ebenfalls einem Interessenkonflikt unterliegen oder in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Dr. Hammer stehen, stellte ein fast unüberwindbares Hindernis dar. Die Rechtsprechung kam den Klägern trotz der Offensichtlichkeit des Interessenkonflikts bei Dr. Hammer nicht mit Beweiserleichterungen zur Hilfe. Dabei mag die Verlagerung der Entscheidung auf einen Unterausschuss von outside directors eine Rolle gespielt haben, da bei diesen eine persönliche Abhängigkeit vom CEO im Vergleich zu anderen Board-Mitgliedern relativ unwahrscheinlich ist. ___________ 204 Vgl. Kahn v. Sullivan, 594 A.2d 48, 60 (Del. 1991); Sullivan v. Hammer, 1990 Del. Ch. LEXIS 119, 1f. (Del. Ch. 1990). 205 Vgl. Kahn v. Sullivan 594 A.2d 48, 60 (Del. 1991). 206 Vgl. 594 A.2d 48, 62.

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

Zusammengefasst liefern diese Entscheidungen zwei Erkenntnisse: Erstens sind Interessenkonflikte bei Unternehmensspenden insbesondere aufgrund mittelbarer Vorteile in der Praxis sehr gut möglich. Zweitens geht der durch die business judgment rule gewährte Schutz auch bei Spendenentscheidungen sehr weit. Die Überwindung dieser Regel aufgrund potenzieller Interessenkonflikte bleibt allein schon wegen der Möglichkeit, unabhängige directors einzubinden, die absolute Ausnahme. c) „Pet Charities“ auch bei nicht-finanziellen Vorteilen? Wie bereits erwähnt, wird die Problematik von Interessenkonflikten in amerikanischen Entscheidungen zum Teil unter dem Stichwort „pet charity“ behandelt, ohne allerdings genau darzulegen, was unter diesem Begriff zu verstehen ist.207 Es findet sich auch keine Definition in amerikanischen Rechtswörterbüchern.208 Ohne Zweifel fallen darunter aber die erheblichen finanziellen Vorteile, die im Allgemeinen haftungsrelevante Interessenkonflikte auslösen können.209 Noch nicht gerichtlich entschieden ist dagegen die Frage, ob auch nichtfinanzielle Vorteile einen solchen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit Unternehmensspenden begründen können. aa) Immaterielle Vorteile für Directors durch Unternehmensspenden Nicht nur die Entscheidung Kahn v. Sullivan hat gezeigt, dass immaterielle Vorteile für directors bei der Motivation zu Unternehmensspenden eine große Rolle spielen können. In der neueren amerikanischen Literatur werden solche persönlichen Vorteile, zum Teil unter Berufung auf entsprechende soziologische Studien, als dominante Entscheidungsfaktoren bezeichnet.210 Bei diesen immateriellen Vorteilen handele es sich danach zunächst um psychische Vorteile, die vor allem daher herrührten, dass die verantwortlichen directors durch die Unternehmensspende ihr persönliches Ansehen in der Öffentlichkeit und vor allem unter den anderen gesellschaftlichen Eliten, die häufig selbst Positionen im gemeinnützigen Bereich bekleiden, steigerten. 211 Zudem wird darauf hingewiesen, dass ___________ 207 Vgl. z.B. A.P. Smith Mfg. Co. v. Barlow, 98 A.2d 581, 590 (N.J. 1953); Theodora Holding Corp. v. Henderson, 257 A.2d 398, 404 (Del. Ch. 1969). 208 Vgl. Garner Black’s Law Dictionary; Anderson, Ballantine’s Law Dictionary. 209 Weitergehender K. Davis 13 U.S.-Can. L. Rev. 7, 24 (1988), der davon ausgeht, dass ein finanzielles Eigeninteresse zumindest in der Regel zur Nicht-Anwendbarkeit der business judgment rule führt. 210 Siehe Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 615 (1997) („increased power, status, and prestige [are] the principal motivational factors in managerial decisision-making“); vgl. zur Motivation von Unternehmensspenden auch Atkinson/Galaskiewicz 33 Admin. Sci. Q. 82, 82–100 (1988). 211 Vgl. Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 616 ff. (1997).

B. Verfahrensanforderungen der Business Judgment Rule

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diese Vorteile im gesellschaftlichen Leben häufig durch konkrete „Belohnungen“ für directors vergrößert werden, etwa in Form von leitenden Positionen bei den geförderten gemeinnützigen Organisationen, Einladungen zu Gala-Abenden, Premieren und Zusammenkünfte mit Politikern oder anderen Prominenten.212 Im Zusammenhang mit konkreten Fällen werden in der Literatur aber hauptsächlich Konstellationen herangezogen, die über die rein psychischen Vorteile hinausgehen. So wird in der amerikanischen Literatur im Zusammenhang mit pet charities auf Fälle verwiesen, in denen directors durch Unternehmensspenden finanzierte Lehrstühle oder ganze Institute nach sich selbst benennen ließen.213 Ähnlich wie in der Entscheidung Kahn v. Sullivan geht es hier also um Fälle, in denen sich directors auf Kosten der corporation persönliche Denkmäler setzten. Auch die Förderung von Personen und Einrichtungen, die den directors persönlich nahe stehen, werden in diesem Kontext genannt. Problematische Fälle sind danach die Förderung von Universitäten oder anderer Einrichtungen, bei denen die directors der corporation selbst (oder etwa ihre Ehepartner) ehrenamtlich leitende Positionen bekleiden.214 Daneben wird die Pflege von beruflich wichtigen Kontakten als möglicher Bereich herausgestellt, in denen der Begriff pet charity relevant werden könnte. So wird auf Fälle verwiesen, in denen sich der CEO die Gunst der anderen BoardMitglieder und damit letztendlich die eigene Position im Unternehmen dadurch sicherte, dass an diesen Board-Mitgliedern nahestehende Einrichtungen gespendet wurde. Auch die Finanzierung prestigeträchtiger Golftuniere für die anderen Board-Mitglieder wird in diesem Zusammenhang genannt.215 Eine weitere von der Literatur in diesem Zusammenhang genannte Fallgruppe ist die Förderung politischer Interessengruppen durch Unternehmensspenden. Diese sind bisher – im Gegensatz zu Parteispenden – noch nicht staatlich reguliert und ermöglichen die Förderung der von dem jeweiligen Unternehmensleiter persönlich favorisierten politischen Zielen auf Kosten der corporation.216 bb) Die rechtliche Behandlung dieser immateriellen Vorteile Bei all diesen Fallgruppen ist zu beachten, dass sie, mit Ausnahme der besonders gelagerten Kahn v. Sullivan-Entscheidung, von der Rechtsprechung ___________ 212

Vgl. Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 618 (1997). Vgl. Banard 41 N.Y. L. Sch. L. Rev. 1147, 1161 (1997). 214 Vgl. die Banard 41 N.Y. L. Sch. L. Rev. 1161, 1162 (1997) (mit konkreten Beispielen aus der Tagespresse); Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 610 ff. (1997). 215 Vgl. Banard 41 N.Y. L. Sch. L. Rev. 1161, 1162 (1997). 216 Vgl. Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 610 ff., 651 ff. (1997). 213

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

noch nie zur Annahme eines Interessenkonflikts herangezogen wurden. Bisher blieb es, wie oben dargestellt, lediglich bei wenig mehr als pauschalen Hinweisen auf die Problematik der pet charities. In den A.P. Smith v. Barlow- und Theodora Holding Corp. v. Henderson-Entscheidungen wurden pet charities darüber hinaus als Förderung persönlicher statt unternehmensbezogener Zwecke näher definiert.217 Allerdings zeigt schon die oben dargestellte Zurückhaltung der Gerichte in den Theodora Holding Corp. v. Henderson- und A.P. Smith v. Barlow-Entscheidungen, dass die Begründung eines Interessenkonflikts aufgrund solcher Vorteile wohl die Ausnahme bleiben wird. Auch die Literatur ist in dieser Hinsicht eher zurückhaltend. Selbst die zahlreichen, in den letzten Jahren erschienenen Aufsätze, die die Gefahr von Interessenkonflikten im Zusammenhang mit Unternehmensspenden als zentrales Problem diskutieren, sehen in der Nichtanwendung der business judgment rule nicht die Lösung dieser Problematik. Stattdessen werden intensivere Publizitätspflichten und Überwachungsmaßnahmen durch den board gefordert, vereinzelt auch eine verstärkte materielle inhaltliche Kontrolle im Rahmen der business judgment rule.218 Andererseits spricht nach den vorhandenen gerichtlichen Äußerungen viel dafür, dass immaterielle Vorteile im amerikanischen Recht im Zusammenhang mit Unternehmensspenden grundsätzlich relevant werden können. Dafür müssen aber besondere Umstände vorliegen. Kahn v. Sullivan lässt sich von anderen diskutierten Entscheidungen insoweit differenzieren, als hier nach dem ursprünglichen Plan Dr. Hammer selbst statt „seiner“ corporation quasi als Finanzier des Museums auftreten wollte. Dies zeigte sich in der Namensgebung und in dem mit der Spende verfolgten Zweck, seine Privatsammlung darin auszustellen. Wenn sich ein director persönlich im Zusammenhang mit einer Unternehmensspende derart in den Vordergrund stellt, scheint zumindest die Möglichkeit gegeben zu sein, dass amerikanische Gerichte bereits bei immateriellen Vorteilen einen Interessenkonflikt annehmen. Zudem mag die Kommerzialisierbarkeit des eigentlich immateriellen Vorteils eine Rolle gespielt haben, da hier, wie oben bereits erwähnt, zumindest aus Sicht von Occidental Petroleum der Museumsname einen erheblichen wirtschaftlichen Wert gehabt hat.219 ___________ 217 Vgl. A.P. Smith Mfg. Co. v. Barlow, 98 A.2d 581, 590 (N.J. 1953); Theodora Holding Corp. v. Henderson, 257 A.2d 398, 404 (Del. Ch. 1969) („a pet charity in furtherance of personal rather than corporate ends“). 218 Vgl. Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 675 (1997) (verschärfte kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten); Banard 41 N.Y. L. Sch. L. Rev. S. 1147, 1178 (1997) (Zustimmungserfordernis durch den board); anders Balotti/Hanks 54 Bus. Law. 965, 993 f. (1999); Eisenberg 28 Stetson L. Rev. 1, 24 (1998) (beide für eine Verschärfung der inhaltlichen Überprüfung; siehe dazu unten 2. Kap. C. II. 2.). 219 Vgl. Kahn v. Sullivan 594 A.2d 48, 62 (Del. 1991).

B. Verfahrensanforderungen der Business Judgment Rule

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Der Kommerzialisierbarkeit von eigentlich immateriellen Vorteilen aus Unternehmensspenden für directors trägt auch das in der Rechtspraxis eng mit dem Gesellschaftsrecht verknüpfte Kapitalmarktrecht Rechnung. Item 402 (g) (2) der Regulation S-K regelt die Offenlegung der Bezahlung von Geschäftsleitern.220 Seit 1992 verlangt die Securities and Exchange Commission (SEC) die Offenlegung sog. „charitable award“-Programme als eine Form von Bezahlung für Unternehmensleiter. Im Rahmen dieser „charitable award“-Programme verpflichtet sich das Unternehmen gegenüber dem Unternehmensleiter, zu einem späteren Zeitpunkt einen bestimmten Betrag in seinem Namen an einen von ihm ausgewählten Empfänger zu spenden.221 Typischerweise wird der zu spendende Betrag durch Abschluss einer Lebensversicherung abgesichert. Obwohl die Offenlegungsregelungen für „charitable awards“ nur einen begrenzten Anwendungsbereich haben, weisen sie doch auf die rechtliche Fassbarkeit von mittelbaren Vorteilen hin, wenn diese, wie hier, als Teil der Managervergütung kommerzialisierbar sind. Allerdings hat diese bundesrechtliche Regelung keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der business judgment rule.222 cc) Zusammenfassung Mittelbare immaterielle Vorteile für Unternehmensleiter wie persönlicher Status- und Prestigegewinn, aber auch die Förderung persönlicher Zwecke werden in der amerikanischen Literatur und im Ansatz im modernen amerikanischen Fallrecht als ein zentrales Problem bei der Zulässigkeit von Unternehmensspenden betrachtet. Einige Entscheidungen deuten an, dass sie die Anwendbarkeit der business judgment rule in Frage stellen können. Allerdings war die Rechtsprechung bisher insgesamt sehr zurückhaltend. Auch die Literatur zieht größtenteils andere Lösungen für dieses Problem vor. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass bei Vorliegen eines immateriellen Vorteils besondere Umstände vorliegen müssen, um die business judgment rule auszuschließen. Dies ist möglicherweise dann der Fall, wenn der betreffende director nach außen wie der eigentliche Spender auftritt oder wenn der Vorteil kommerzialisierbar ist.

___________ 220 Regulation S-K bestimmt die Informationen, die Unternehmen, deren Anteile einem größeren, unbestimmten Kreis von Anteilseignern gehören, regelmäßig der SEC und damit auch der Öffentlichkeit offenlegen müssen. 221 Vgl. 57 FR 48126 (n. 100) (1992). 222 In der Literatur wurde auch angeregt, Unternehmensspenden an nahestehende Organisationen steuerrechtlich als Teil der Manager-Vergütung zu behandeln; vgl. Lashbrooke 22 Pac. L. J., 221, 232 (1991).

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

3. Zwischenergebnis Eine Interessenkollision liegt grundsätzlich dann vor, wenn Unternehmensleiter der spendenden Unternehmen selbst Empfänger der Spende sind oder bei der Empfängerorganisation eine leitende Position bekleiden. Mittelbare finanzielle Vorteile, die ein Unternehmensleiter durch eine Spende an einen Dritten erlangt, können bei Überschreiten der Erheblichkeitsgrenze die Anwendung der business judgment rule in Frage stellen. Die Problematik des mittelbaren Eigeninteresses von Unternehmensleitern an von ihnen verantwortete Unternehmensspenden ist sowohl in der amerikanischen Rechtsprechung als auch in der modernen amerikanischen Literatur in den letzten Jahren zunehmend ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Grundsätzlich bedarf es zum Ausschluss der business judgment rule zwar finanzieller Eigenvorteile, allerdings gilt dies nicht zwingend im Zusammenhang mit Unternehmensspenden, da der Begriff der pet charity weiter gefasst ist. Die Rechtsprechung war aber auch bei Unternehmensspenden bisher bei der Annahme eines haftungsrelevanten Interessenkonflikts sehr zurückhaltend. II. Handeln auf ausreichender Informationsgrundlage („Informed Basis Test“) 1. Informationspflichten im Allgemeinen a) Die Duty of Care im Verhältnis zur Business Judgment Rule Die zweite Voraussetzung für die Anwendung der business judgment rule ist, dass die fragliche Entscheidung auf einer ausreichenden Informationsgrundlage gefällt wurde. Dieses Merkmal ist der Ausdruck der dem Unternehmensleiter obliegenden Sorgfaltspflicht (duty of care).223 Wie oben dargestellt, regelt die duty of care als Sorgfaltsmaßstab die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit der directors und officers und verlangt von ihnen, dass sie bei der Ausübung der ihnen obliegenden Aufgaben „jene Sorgfalt walten lassen, die eine vernünftige Person unter gleichen Umständen an den Tag legen würde“.224 Als Verhaltensmaßstab ist die duty of care mit dem Haftungsausnahmetatbestand der business judgment rule eng verknüpft. Dieser beschränkt den Umfang der gerichtlichen Überprüfung des Verhaltensmaßstabs.225 Gleichzeitig ist aber ___________ 223 Vgl. Cinerama v. Technicolor, Inc. („Technicolor III“), 663 A.2d 1156, 1164 n.13 (Del. 1995); Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 74. 224 Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 672 mit Verweis auf Selheimer v. Manganese Corp. 224 A.2d 634 (Pa. 1966). Siehe dazu auch oben 2. Kap. A. III. 3. 225 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 32.

B. Verfahrensanforderungen der Business Judgment Rule

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im Rahmen dieses beschränkten Umfangs die Erfüllung des Verhaltensmaßstabs Voraussetzung für die Anwendung der business judgment rule.226 b) Der Gegenstand und Umfang der Informationspflichten Es besteht im amerikanischen Recht weitgehende Einigkeit darüber, dass der Gegenstand der Informationspflichten einzelfallabhängig ist.227 Zudem gibt es trotz der in den letzten beiden Jahrzehnten gestiegenen Bedeutung noch immer relativ wenige Entscheidungen, bei denen Informationspflichtverletzungen eine entscheidende Rolle gespielt haben. So wurde in den späten sechziger Jahren in der amerikanischen Literatur noch die Suche nach Fällen, bei denen die Informationspflichten im Rahmen der business judgment rule relevant wurden, mit der Suche nach Nadeln in einem Heuhaufen verglichen.228 Dies hat sich seit der im Jahre 1985 ergangenen Entscheidung Smith v. Van Gorkom des Supreme Courts von Delaware allerdings etwas geändert, obwohl diese nicht zu dem befürchteten dramatischen Anstieg von Aktionärsklagen geführt hat.229 Maßgeblich für den Umfang der Informationspflichten ist nun vor allem die oben zitierte Entscheidung Smith v. Van Gorkom.230 In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatten die Board-Mitglieder einem vom CEO Van Gorkom im Alleingang eingefädelten Verkauf des von ihnen geleiteten Unternehmens zugestimmt, obwohl sie als Grundlage für die Entscheidung sich nahezu ausschließlich auf einen 20-minütigen Vortrag Van Gorkoms verlassen mussten und ihnen weder der Vertragstext, Wertgutachten noch ähnliche schriftliche Informationen vorlagen. Zudem wurde die Entscheidung, ohne zwingenden Grund, innerhalb von zwei Stunden getroffen, ohne dass die directors vorher über den geplanten Verkauf informiert gewesen waren.231 Diese Mängel konnten auch ___________ 226

Vgl. Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 673. Vgl. Stepak v. Addison, 20 F.3d 398, 410 (11th Cir. 1994) („no pre-set formula that corporate boards must follow to be considered properly informed“); Levine v. Smith, 591 A.2d, 194, 214 (Del. 1991) („no prescribed procedure“, „no special method that must be followed to satisfy the duty of due care“); Citron v. Steego Corp., 14 Del. J. Corp. L. 634, 648 (Del. Ch. Sept. 9. 1988) („no ritual [that] will assure later judicial approval or from which thoughtful deviation will risk automatic judicial censure“). 228 Vgl. Bishop 77 Yale L. Rev. 1078, 1099 (1968); die von Bishop zitierten vier älteren Entscheidungen, die auf den ersten Blick eine Haftung für eine bloße Sorgfaltspflichtverletzung bejahten, eigneten sich seiner Meinung nach aufgrund ihrer Besonderheiten nicht als Präzedenzfälle für die Überwindung der business judgment rule. 229 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 81. 230 Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d, 858, 874 ff. (Del. 1985); für eine detaillierte Darstellung des Sachverhalts und der Entscheidungsgründe dieses Falles siehe Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 72-79; vgl. auch Abeltshauser Leitungshaftung S. 79-83. 231 Im Vorfeld hatten einige Mitglieder des Managements lediglich grundsätzlich über die Möglichkeit des Verkaufs aus steuerlichen Gründen und sehr allgemein über Preisvorstellungen diskutiert. 227

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

nicht durch eine Zustimmung der Mehrheit der Anteilseigner und die Einholung nachträglicher Alternativangebote „geheilt“ werden. Oltmanns hat kürzlich versucht, die unter den Oberbegriff „Informationspflichten“ fallenden Anforderungen an das Entscheidungsverfahren genauer aufzugliedern.232 Danach ist zunächst erforderlich, dass sich der board nicht passiv verhält, sondern sich hinreichend aktiv mit dem Informationsgegenstand befasst. Die directors dürfen die Entscheidung nicht unter einem unangemessenen Zeitdruck und damit auf Grundlage unvollständiger Informationen treffen, solange dafür keine zwingenden Gründe bestehen. Die directors müssen sich anhand von Unterlagen hinreichend vor den entscheidenden Sitzungen über den Entscheidungsgegenstand unterrichten. Weiterhin besteht das Recht und im Einzelfall die Pflicht, sich bei komplexen Entscheidungen Rat von kundigen Unternehmensmitarbeitern, aber auch von professionellen Dritten, z.B. Rechtsanwälten, Unternehmensberatern oder Investmentbankern, einzuholen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass sich die directors automatisch auf alle Gutachten von externen Beratern verlassen und somit ihre Informationspflichten quasi delegieren dürfen.233 Hinsichtlich des Umfangs der Informationspflichten ist zu berücksichtigen, dass die Informationsbeschaffung für das Unternehmen durch Zeitverzögerung, zusätzlichen Arbeitsaufwand, Beauftragungen von externen Beratern etc. Kosten verursacht und der Umfang der Informationsbeschaffung selbst damit wiederum eine unternehmerische Entscheidung darstellt. Daher wird von amerikanischen Gerichten teilweise auch die business judgment rule auf das Ausmaß der Informationsbeschaffung angewendet.234 Daraus ergibt sich, dass die Gerichte bei der Bestimmung der Informationspflichten lediglich versuchen, Mindesterfordernisse aufzustellen, ohne ihren genauen Umfang zu bestimmen.235 c) Der Sorgfaltsmaßstab Eng verknüpft mit Umfang und Gegenstand der Informationspflichten ist die Frage nach dem in diesem Zusammenhang geltenden Sorgfaltsmaßstab. Hierzu gibt es unterschiedliche Aussagen, wobei im Wesentlichen Einigkeit darüber besteht, dass der Maßstab nicht allzu streng zu bestimmen ist. Nach der vom American Law Institute gewählten Formulierung ist der Umfang dieser Pflicht ___________ 232 Vgl. zum Folgenden Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 91 ff.; Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858 ff. (Del. 1985). 233 Vgl. etwa Weinberger v. UOP, Inc., 457 A.2d 701, 712 (Del. 1983). 234 Vgl. Potter v. Pohlad, 560 N.W. 2d 389, 393 (Minn. Ct. App. 1997), review denied 1997 Minn. LEXIS 459 (Minn. June 11, 1997); Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 80. 235 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 95.

B. Verfahrensanforderungen der Business Judgment Rule

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auf das von einem Unternehmensleiter vernünftigerweise unter den gegebenen Umständen als angemessen empfundene Maß begrenzt.236 Dies spricht also für einen einfachen Fahrlässigkeitsmaßstab. Ähnlich hat sich auch der Federal Court of Appeals for the 2nd Circuit in der Entscheidung Hanson Trust PLC v. ML SCM Acquisition geäußert.237 Nach der Kommentierung des American Law Institute ist dieser Sorgfaltsmaßstab flexibel zu interpretieren. Zu berücksichtigen sei dabei die Bedeutung der betreffenden Entscheidung, die zur Verfügung stehende Zeit, die mit der Informationsbeschaffung verbundenen Kosten, das Vertrauen des Unternehmensleiters in die für die Bearbeitung der entscheidenden Fragen verantwortlichen Mitarbeiter, die allgemeine Lage, in der sich das Unternehmen zum fraglichen Zeitpunkt befinde, und die anderen Verpflichtungen des board zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung.238 In Delaware wird seit der im Jahre 1984 ergangenen Entscheidung Aronson v. Lewis ausdrücklich ein grober Fahrlässigkeitsmaßstab (gross negligence) angewendet.239 Daraus folgt, dass Verletzungen von Informationspflichten nur unter Berücksichtigung dieses großzügigen Maßstabs zur Nichtanwendung der business judgment rule führen können. Und die Beweislast liegt, wie oben bereits dargestellt, bei den Klägern. Auch dies zeigt, dass die Anforderungen der Gerichte an das Verfahren bei unternehmerischen Entscheidungen im amerikanischen Recht insgesamt noch sehr niedrig sind. 2. Informationspflichten bei Unternehmensspenden a) Theodora Holding Corp. v. Henderson Die in den letzten zwanzig Jahren gestiegene Bedeutung von Informationspflichten bei der Überprüfung unternehmerischen Handelns spiegelt sich auch in der Rechtsprechung Delawares zu Spendenentscheidungen wider. In der im Jahre 1969 ergangenen Entscheidung Theodora Holding Corp. v. Henderson wurde auf eine mögliche Verletzung der Informationspflichten trotz dafür sprechender Anhaltspunkte nicht eingegangen.240 Der Court of Chancery beließ es ___________ 236 Vgl. ALI Principles of Corporate Governance § 4.01 (c) (2) („[A director or officer is protected by the business judgment rule, if he or she] is informed with respect to the subject of the business judgment to the extent the director or officer reasonably believes to be appropriate under the circumstances“). 237 Vgl. Hanson Trust PLC v. ML Acquisition, Inc., 781 F.2d 264 (2nd Cir. 1986). 238 ALI Principles of Corporate Governance § 4.01 (c) Comment c. 239 Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (Del. 1984); vgl. auch Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d, 858, 873 (Del. 1985). 240 Theodora Holding Corp. v. Henderson, 257 A.2d 398 (Del. Ch. 1969). Siehe zu dieser Entscheidung auch oben 2. Kap. B. I. 2. a).

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nur bei dem Hinweis im Sachverhalt, dass der beklagte director und CEO Henderson das Unternehmen informell und mit wenig Rücksicht auf die anderen Mitglieder des board führte.241 b) Kahn v. Sullivan Anders dagegen, wenn auch im Ergebnis ohne Auswirkungen, ging der Delaware Supreme Court in der oben bereits ausführlich diskutierten Entscheidung Kahn v. Sullivan von 1991 auf die Problematik möglicher Informationspflichtverletzungen ein.242 Bereits in der im Jahre 1989 ergangenen Ablehnung einer einstweiligen Verfügung gegen den geplanten Vergleich zwischen den Parteien hatte der Chancellor unter anderem die nicht erfolgte Beauftragung unabhängiger Berater und Rechtsanwälte für den mit der Entscheidung betrauten Board-Ausschuss gerügt.243 Der Delaware Supreme Court ließ in seiner zwei Jahre später ergangenen Entscheidung für die Anwendbarkeit der business judgment rule schließlich ausreichen, dass der verantwortliche Ausschuss vor seiner endgültigen Entscheidung über die Spende unabhängigen Rechtsrat erhalten hatte.244 Zudem pflichtete der Supreme Court der Einschätzung des Courts of Chancery bei, dass die Kläger ihren Vorwurf, die Mitglieder des Unterausschusses hätten sich nicht über die steuerlichen Konsequenzen, den Wert der auszustellenden Kunstwerke und die durch die Spende entstehenden Kosten informiert, nicht beweisen konnten.245 Auf Details ging das Gericht in seiner rechtlichen Würdigung dabei nicht ein. Allerdings weist die sehr detaillierte Schilderung des Entscheidungsverfahrens in der Sachverhaltsdarstellung darauf hin, dass der Delaware Supreme Court den Informationspflichten durchaus erhebliche rechtliche Bedeutung zumaß. Im Einzelnen beschreibt das Gericht die verschiedenen Stufen des Entscheidungsverfahrens im Hinblick auf die Museumsspende. 246 Während der ersten Phase des Entscheidungsverfahrens, das Dr. Hammer mit der Bekanntmachung seines Vorschlags begann, war zunächst der Exekutivausschuss, dann der gesamte board in die Vorbereitung der Entscheidung involviert. In dieser Phase wurden erste Gutachten bei Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern in Auftrag geben. Im Februar 1988 erhielt jedes Board-Mitglied von den beauf___________ 241

Vgl. 257 A.2d 398, 401. Kahn v. Sullivan, 594 A.2d 48 ff. (Del. 1991); vgl. zu dieser Entscheidung oben 2. Kap. B. I. 2. b). 243 Vgl. Kahn v. Occidental Petroleum, 1989 Del. Ch. LEXIS 92, l3 (Del. Ch. 1989). 244 Vgl. Kahn v. Sullivan 594 A.2d 48, 60 (Del. 1991). 245 Vgl. 594 A.2d 48, 60 Fn. 25. 246 Vgl. zum Folgenden 594 A.2d 48, 51 ff. 242

B. Verfahrensanforderungen der Business Judgment Rule

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tragten Anwälten eine Erläuterung über das zu erwartende Ausmaß der geplanten Spende und ihre rechtliche Zulässigkeit. Das Rechtsgutachten enthielt eine Analyse der finanziellen Lage der corporation (Occidental Petroleum), des Potenzials für erhöhten good will und andere zu erwartende Vorteile für die corporation sowie ein vergleichendes Gutachten zum Spendenverhalten anderer Unternehmen. Wenig später erhielten die Board-Mitglieder ein weiteres Gutachten über die steuerlichen Auswirkungen der Spende. Daraufhin wurde die Entscheidung über den Spendenvorschlag an einen Sonderausschuss von acht neutralen und unabhängigen outside directors delegiert. Die erste Sitzung dieses Sonderausschusses fand im Februar 1989 unter Anwesenheit der mit der Sache befassten externen Rechtsanwälte und Steuerberater statt. Das Gericht stellte anhand des Protokolls fest, dass die Mitglieder des Ausschusses viele Fragen stellten und dass diese von den Beratern beantwortet wurden. Daraufhin stimmte der Sonderausschuss der geplanten Spende zu.247 Nachdem im Zuge des inzwischen laufenden Rechtsstreits die Modalitäten der geplanten Spende etwas modifiziert worden waren, stimmte der Sonderausschuss am 20. Juli 1989 noch einmal über das geplante Vorhaben ab. Das Gericht stellte fest, dass die Mitglieder des Sonderausschusses im Vorfeld dieser Entscheidung schriftliche Unterlagen einschließlich der Satzung der neugegründeten Museumsträgergesellschaft, steuerlicher Unterlagen, Gutachten von externen Beratern, Vertragsentwürfe, eine Aufstellung der auszustellenden Kunstwerke etc. erhalten hatten.248 Nachdem der Sonderausschuss noch im August von einer weiteren, vorher nicht in der Sache involvierten Rechtsanwaltskanzlei beraten worden war, stimmte er dem Vorschlag noch einmal zu. Die Entscheidungsgründe spiegeln die detaillierte Darstellung des Entscheidungsverfahrens nicht wider. Allerdings zeigt die Sachverhaltsdarstellung, dass das Gericht den zeitlichen Ablauf, die aktive Haltung der verantwortlichen Board-Mitglieder, die Beratung von externen Anwälten und Steuerberatern und die Bereitstellung schriftlicher Dokumente im Vorfeld der Entscheidungen im Ergebnis berücksichtigte. Entscheidend war möglicherweise auch die Zulässigkeit der nachträglichen Heilung von anfänglichen kleineren Mängeln im weiteren Verlauf des Entscheidungsverfahrens. 3. Zwischenergebnis und Bewertung Auch nach der Entscheidung Smith v. Van Gorkom sind die Anforderungen, die an das Entscheidungsverfahren gestellt werden, insgesamt immer noch nicht zu überschätzen. Zumindest in Delaware gilt der Maßstab der groben ___________ 247 248

Vgl. 594 A.2d 48, 54. Vgl. 594 A.2d 48, 56.

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

Fahrlässigkeit. Allerdings zeigt die Entwicklung bei der rechtlichen Beurteilung von Spendenentscheidungen, dass die Gerichte grundsätzlich den Ablauf des Entscheidungsverfahrens zunehmend im Detail überprüfen. Dabei zeigt der Kahn v. Sullivan-Fall, dass die verantwortlichen directors zumindest über die Kosten von Großspenden informiert sein sollten. Abgesehen davon liegt der Schwerpunkt der richterlichen Diskussion bei dem Verfahren der Informationsgewinnung selbst. Die detaillierte Analyse des Entscheidungsverfahrens in den Sachverhaltsfeststellungen lässt sich wohl auch mit der Tatsache erklären, dass es sich bei dem geplanten Vorhaben um eine Großspende handelte und zudem ein möglicher Interessenkonflikt zumindest im Raum stand. Bei unverfänglicheren Spenden mit geringeren Beträgen ist davon auszugehen, dass die Anforderungen an das Entscheidungsverfahren viel geringer sind. III. Handeln im Interesse des Unternehmens („Good Faith Test“) 1. Die Überprüfung der Entscheidungsmotivation im Hinblick auf ihre Gewinnorientierung im Rahmen der Business Judgment Rule a) Die Überprüfung der Entscheidungsmotivation im Rahmen der Business Judgment Rule Nach dem „good faith“-Erfordernis muss eine Entscheidung im aufrichtigen Vertrauen darauf getätigt werden, dass die entsprechende Handlung im besten Interesse des Unternehmens ist.249 Aus dieser Pflicht ergibt sich für die Gerichte die Notwendigkeit, die Motive des board bei der Entscheidung zu überprüfen.250 Dieser Prüfungspunkt ist eng mit der duty of loyalty und der Überprüfung von Interessenkonflikten verbunden. Allerdings beschränkt sich die Frage nach der Motivation von Unternehmensspenden nicht nur auf die Problematik der Verfolgung von Eigeninteressen. Darüber hinaus ist nämlich zu überprüfen, ob die Anwendung der business judgment rule auch nicht-gewinnorientierte unternehmerische Entscheidungen schützt. Diese Frage wurde nicht bereits mit der Aufgabe der Direct benefit-Doktrin beantwortet.251 Denn diese vollzog sich nur durch den Wegfall des Unmittelbarkeitserfordernisses, was besonders eine am Unternehmensgegenstand orientierte Prüfung entbehrlich machte. Dies ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Verzicht auf einen wirtschaftlichen Vorteil. So stellte z.B. der Supreme Court von Utah in Union Pacific Railroad Co. v. Trustees klar, dass die fundierte Überzeugung der Unternehmensleiter, dass die Spende letztendlich dem Unter___________ 249 Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (1984) („the honest belief that the action taken was in the best interests of the company“). 250 Block/Barton/Radin, The Business Judgment Rule S. 81. 251 Siehe dazu oben A. I. 3.

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nehmen selbst nützen würde, Voraussetzung für die Anerkennung der Spende als unternehmerische Ermessensentscheidung sei.252 b) Das Verhältnis der Business Judgment Rule zur Ultra vires-Doktrin Mit dem oben diskutierten alten Fallrecht besteht insoweit ein enger Zusammenhang, als die Frage der Zulässigkeit von nicht auf Gewinnmaximierung orientierten unternehmerischen Entscheidungen früher im Rahmen der Ultra vires-Doktrin diskutiert wurde. Da die praktische Bedeutung dieser Lehre im Allgemeinen heute sehr gering geworden ist, erlangt jedoch die mögliche Pflicht zu gewinnmaximierendem Verhalten heute vor allem im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der business judgment rule praktische Bedeutung.253 Überdies käme man bei einer Verortung der Problematik im Rahmen der Ultra vires-Doktrin zum selben Ergebnis hinsichtlich der Anwendbarkeit der business judgment rule. Leitungsentscheidungen, die ultra vires sind, werden nämlich nicht von ihr geschützt.254 2. Gewinnorientierte Motivation als Voraussetzung für die Anwendung der Business Judgment Rule? a) Die Debatte über Gewinnmaximierung und soziale Verantwortlichkeit in der amerikanischen Literatur Da die Vereinbarkeit von Spenden mit dem Unternehmensgegenstand mit der Aufgabe der Direct benefit-Doktrin nicht mehr von praktischer Bedeutung ist, stellt sich nun die Frage, welche Ziele bei der Spendenvergabe zu verfolgen sind. Da die meisten Spenden zumindest unmittelbar gemeinnützige Zielsetzungen verfolgen, ist an dieser Stelle vor allem zu klären, ob ein solcher Spendenzweck mittelbar mit dem Gewinnmaximierungsinteresse vereinbar zu sein hat oder Spenden auch gerade aufgrund des allgemeinwohlfördernden Charakters zulässig sind. Ähnlich wie in Deutschland existiert in der wissenschaftlichen Diskussion über das amerikanische Gesellschaftsrecht eine langjährige und ausschweifende ___________ 252 Vgl. Union Pacific Railroad Co. v. Trustees 329 P.2d 398, 401 f. (Utah 1958) („Why was the contribution made? We believe that if it were made with the studied and not unreasonable conviction that it would benefit the corporation, it should be the type of thing that should rest in the sound discretion of management and within the ambit of a legitimate exercise of implied authority in the ordinary course of the company’s business“). 253 Vgl. ALI Principles of Corporate Governance § 2.01 Comment c. 254 Vgl. Jones v. Ellis, 551 So.2d 396, 400 (Ala. 1989); Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 91.

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

Debatte über die Ziele, die ein Unternehmensleiter in Ausübung seiner Funktion zu befolgen hat. Dabei wird eine monistische Ausrichtung der Leitungstätigkeit an der Profitmaximierung (zugunsten der Anteilseigner) der sozialen Verantwortlichkeit von Unternehmen (corporate social responsibility) gegenübergestellt.255 Eine vollständige Darstellung dieser zumindest seit siebzig Jahren durchgehend geführten Debatte würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und ist für die rechtliche Beurteilung von Unternehmensspenden aufgrund ihrer weitgehend rechtspolitischen Orientierung nicht hilfreich.256 Da allerdings die Debatte über die soziale Verantwortlichkeit nicht ohne Einfluss auf das geltende amerikanische Recht im Bereich der Unternehmensspenden geblieben ist, sollen zum Verständnis dieser Regelungen die wichtigsten Argumente dieser wissenschaftlichen Diskussion dargestellt werden.257 aa) Unternehmenstheorien und die soziale Verantwortlichkeit (1) Das Principal/Agent-Modell Ein häufig genannter Ausgangspunkt dieser Debatte sind auch aus heutiger Sicht zwei im Jahre 1932 im Harvard Law Review erschienene Artikel der Professoren Berle und Dodd, in denen diese sich über das Verhältnis der Bindung von Managern an die Pflicht zur Profitmaximierung einerseits und über die Zulässigkeit der Verfolgung allgemeinwohlorientierter Unternehmensziele an___________ 255 Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs „corporate social responsibility“ gibt es in der amerikanischen Diskussion nicht, vgl. Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 628 (1997); Kernpunkt dieser Debatte ist aber die Frage, ob und inwieweit die Interessen der Anteilseigner zugunsten von Allgemeinwohlinteressen beeinträchtigt werden dürfen bzw. sollen; vgl. z.B. Engel 32 Stanford L. Rev. 1, 5f. (1979) („The term [corporate social responsibility is most useful if taken to denote the obligations and inclinations], if any, of corporations organized for profit, voluntarily to pursue social ends that conflict with the presumptive shareholder desire to maximize profit“). 256 Zum Ausmaß dieser Debatte siehe ALI Principles of Corporate Governance, § 2.01, Reporter’s Note 9; vgl. dazu auch Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 93; zur rechtspolitischen Zielsetzung der Debatte vgl. z.B. Nader/Green/Seligman Taming the Giant Corporation (1976) und Stone Where the Law Ends (1975); siehe auch Smith 23 J. Corp. L. 277, 280 (1998) („The influence of the shareholder primacy norm seems so obvious that arguments among corporate law scholars typically leapfrog over descriptive aspects of the debate and rush straight to the normative question: should corporate law require profit maximization?“). 257 Diese Debatte findet keineswegs komplett isoliert von der entsprechenden Diskussion in Deutschland statt; vgl. z.B. Hopt/Teubner Corporate Governance and Directors’ Liabilities (1985). Vor dem Hintergrund der trotzdem bestehenden unterschiedlichen Rechtstraditionen und den strukturellen Unterschieden zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Gesellschaftsrecht und wird jedoch in dieser Arbeit diese Diskussion für das amerikanische und für das deutsche Recht getrennt dargestellt; siehe zur Diskussion in Deutschland unten 3. Kap. C. I. 2. b).

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dererseits stritten. 258 Berle ging dabei vom Principal/Agent-Modell aus, das noch heute von vielen amerikanischen Kommentatoren favorisiert wird. Das Zentrum dieser Argumentation ist ein konsequenter Eigentumsschutz der Anteilseigner. Diese hätten, abgesehen von ihrer Veräußerungsmöglichkeit, keine Verfügungsgewalt über das in ihrem Anteil verkörperte Eigentum an der corporation und seien deswegen vor der Willkür der die Kontrolle innehabenden Manager zu schützen, deren Interessen nicht immer mit denen der Anteilseigner parallel verliefen.259 Deshalb dürfte deren rechtliche Verantwortlichkeit gegenüber den Anteilseignern nicht durch die gleichzeitige Bindung an eigentümerfremde Ziele verwässert werden. Anderenfalls drohe eine für die Anteilseignerinteressen gefährliche quasi-absolutistische Herrschaft der Unternehmensverwaltung.260 Die zentrale Bedeutung des Eigentums an der corporation und das agency problem waren auch Ausgangspunkt für Milton Friedmans berühmte Verteidigung des Gewinnmaximierungsprinzips in einem im Jahre 1970 in der New York Times erschienenen Aufsatz. 261 Mehr als Berle stützt Friedman seine Argumentation nicht nur auf den bloßen Eigentumsschutz als solchen, sondern auf die „vertragliche“ Beziehung zwischen den Eigentümern und den Unternehmensleitern, die zwischen ihnen eine Art Anstellungsverhältnis begründet. Daraus ergebe sich für die Unternehmensleiter die Pflicht zur Gewinnmaximierung im Interesse der Anteilseigner, wobei sie sich aber an die Grenzen zu halten hätten, die ihnen von der Rechtsordnung und Übung („custom“) gesetzt seien.262 Das Prinzip der Gewinnmaximierung sei ein Leitstern, der erst eine klare Bestimmung der Verantwortlichkeit und damit eine effektive Kontrolle der Unternehmensleiter ermögliche.263 ___________ 258 Siehe Dodd 45 Harvard L. Rev. 1145 (1932); Berle 45 Harvard L. Rev. 1365 (1932); zur zentralen Bedeutung dieses Streits auch für die moderne Diskussion vgl. Blumberg 50 B.U. L. Rev. 157, 158 (1970) („A legal discussion of the „social responsibility“ of the business corporation revolves around the question ‚For whom are corporate managers trustess?‘ posed by Professor E. Merrick Dodd, Jr. 38 years ago“); vgl. auch Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 631 (1997); K. Davis 13 U.S.-Can. L. J. 7, 17 ff. (1988). 259 Vgl. Berle 45 Harvard L. Rev. 1365, 1370 (1932). 260 Vgl. Berle 45 Harvard L. Rev. 1365, 1372 (1932) („Unchecked by present legal balances a social-economic absolutism of corporate adminstrators, even if benevolent, might be unsafe“). 261 Friedman, New York Times Magazine, Sept. 13, 1970 S. 32. 262 Vgl. Friedman New York Times Magazine, Sept. 13, 1970 S. 32, 33 („In a freeenterprise, private-property system, a corporate executive is an employee of the owners of the business. He has direct responsibility to his employers. That responsibility is to conduct the business in accordance with their desires, which generally will be to make as much money as possible while conforming to the basic rules of the society, both those embodied in law and those embodied in custom“). 263 Vgl. Friedman New York Times Magazine, Sept. 13, 1970 S. 32, 33.

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

(2) Interessenpluralistische Unternehmenstheorien als Grundlage für die Theorie der sozialen Verantwortlichkeit Dodd vertrat dagegen im Jahre 1932 in seinem Aufsatz die Auffassung, dass die corporation entsprechend einer sich herausbildenden öffentlichen Meinung nicht nur den Anteilseignern, sondern auch der Allgemeinheit gegenüber verpflichtet sei.264 Kernpunkt von Dodd’s Argumentation war, dass Unternehmensleiter als trustees nicht ausschließlich den Anteilseignern aufgrund eines mit ihnen geschlossenen „Geschäftsführungsvertrags“, sondern der corporation als einer von den Anteilseignern zu unterscheidenden Rechtsperson („distinct legal entity“) verpflichtet seien.265 Deswegen dürften Unternehmensleiter auch die Interessen von Arbeitnehmern, Verbrauchern und der Allgemeinheit auf Kosten der Profitmaximierung berücksichtigen.266 In jüngerer Zeit wurde der von Dodd vertretene interessenpluralistische Ansatz durch weitere Unternehmenstheorien verfeinert. Gemeinsam haben diese Theorien die Ablehnung der Principal/Agent-Theorie als grundlegendes Erklärungsmodell für das amerikanische Gesellschaftsrecht. 267 Nach der „Nexus of Contracts“-Lehre repräsentiert die corporation lediglich ein kompliziertes Netz verschiedener Vertragsverhältnisse zwischen Aktionären, Kunden, Arbeitnehmern, Managern etc., die ständig neu ausgehandelt werden („nexus of contracts“). 268 Die Anteilseigner sind aufgrund einiger Vertragsverhältnisse zwar Teil des Ganzen, aber der Begriff „Eigentum“ wäre keine adäquate Kurzformel für ihre Stellung.269 Eng mit der Nexus of Contracts-Lehre verwandt ist das in jüngster Zeit vorgestellte Team Production Model.270 Dieser Ansatz geht davon aus, dass die unterschiedlichen Beiträge, die von einer Vielzahl von beteiligten Personen zur Erreichung des Gesellschaftszwecks geleistet werden müssen, nicht mehr durch „Vertragsverhältnisse“ geregelt werden können. Die corporation biete durch ihren institutionellen Rahmen die Grundlage für die fortdauernde ___________ 264 Vgl. Dodd 45 Harvard L. Rev. 1145, 1148 (1932) („[The present writer] believes that public opinion, which ultimately makes law, has made and is today making substantial strides in the direction of a view of the business corporation as an economic institution which has a social service as well as a profit-making function, that this view has already had some effect upon legal theory, and that it is likely to have a greatly increased effect upon the latter in the near future“). 265 Vgl. Dodd 45 Harvard L. Rev. 1145, 1160 (1932). 266 Vgl. Dodd 45 Harvard L. Rev. 1145, 1160 (1932). 267 Vgl. z.B. Bainbridge 50 Wash & Lee L. Rev. 1423 (1993). 268 Vgl. dazu Alchian/Demsetz 62 Am. Econ. Rev. 777, 794 (1972). 269 Vgl. Bainbridge 50 Wash & Lee L. Rev. 1423, 1427 (1993); ders. 82 Cornell L. Rev. 856, 904 Fn. 22 (1997). 270 Vgl. Blair/Stout 85 Va. L. Rev. 247 (1999).

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Präzisierung der komplexen multilateralen Beziehungen zwischen den „team“Mitgliedern.271 bb) Die ökonomische Ebene in der amerikanischen Diskussion Auf ökonomischer Ebene verweisen die Befürworter der sozialen Verantwortlichkeit auf die durch unternehmerisches Handeln der Allgemeinheit aufgebürdeten Kosten.272 Klassisches Beispiel für dieses Phänomen sind Umweltschäden, die zwar von Wirtschaftsunternehmen verursacht, aber in Ermangelung öffentlich-rechtlicher Regelungen oft von der Allgemeinheit verkraftet und gegebenenfalls beseitigt werden müssen. Außerdem würde die Internalisierung von sozialen Aufgaben durch Unternehmen geringere „Transaktionskosten“ verursachen als die Erfüllung dieser Aufgaben im Wege (externer) staatlicher Regulierung.273 Die Befürworter einer monistischen Ausrichtung am Prinzip der Gewinnmaximierung stützen sich ebenfalls auf ökonomische Argumente. So wird den Protagonisten der sozialen Verantwortlichkeit entgegengehalten, dass Unternehmen durch Gewinnmaximierung gerade auch der Allgemeinheit am besten dienen, da sie so die zur Verfügung stehenden Ressourcen am effizientesten nutzen.274 Eng mit der Thematik der optimalen Nutzung begrenzter Ressourcen hängt die Frage zusammen, ob Manager überhaupt die notwendigen Kenntnisse haben, um durch sozial motiviertes Handeln tatsächlich (im utilitaristischen Sinn) das Allgemeinwohl zu fördern. 275 Unternehmensleiter würden lediglich nach ihrer Fähigkeit, Gewinne zu erwirtschaften, ausgewählt. Fehlentscheidungen von Managern in diesem Bereich könnten in Extremfällen sogar den aus Sicht des Unternehmens Begünstigten eher schaden als nützen.276 ___________ 271

Vgl. Blair 28 Stetson L. Rev. 27, 30 f. (1998). Vgl. Wallich, in: Manne/Wallich The Modern Corporation and Social Responsibility 37, 49 f.; vgl. dazu auch K. Davis 13 U.S. Can. L. Rev. 7, 14 (1988); Blumberg 1 B.U. L. Rev. 157, 165 (1970); ähnlich im Ausgangspunkt Nader/Green/Seligman Taming the Giant Corporation S. 1–32 (Notwendigkeit der social responsibility, da Unternehmen die Quelle von Umweltverschmutzung, gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen, seelischer Frustration ihrer Angestellten (‚white collar blues‘), der Krise der staatlichen Demokratie, gefährlich fehlerhaften Produkten, gefährlichen Technologien und der Vergrößerung des Wohlstandsgefälles seien). 273 Vgl. Clark Corporations S. 687; K. Davis 13 U.S.-Can. L. J. 7, 14 (1988). 274 Vgl. Eisenberg 17 Creighton L. Rev. 1, 15 (1983-1984); Rostow, in: Mason (Hg.) The Corporation in Modern Society 47, 63-67; Davis 13 U.S.-Can. L. Rev. 7, 14 (1988). 275 Vgl. dazu Engel 32 Stanford L. Rev, 1, 12 (1979); Friedman New York Times Magazine, Sept. 13, 1970, S. 32, 122. 276 Vgl. Manne, in: Manne/Wallich The Modern Corporation and Social Responsibility, 1, 28 f. Manne nennt das Beispiel des Unternehmens Coca Cola, das im Jahre 1970 infolge öffentlicher Kritik erhebliche Summen für die Verbesserung der sozialen Situa272

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

Manne diskutiert das Problem der sozialen Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit der Kontrolle von Unternehmensleitern durch die Kapitalmärkte. Dabei geht er davon aus, dass die Anteilseigner die Verschwendung von Ressourcen durch Auswechslung der Geschäftsleiter sanktionieren können. Dadurch seien Sozialaufwendungen, die auf Kosten der Anteilseigner gemacht würden, Grenzen gesetzt. Allerdings seien mit der Ablösung der Unternehmensleitung erhebliche Transaktionskosten für die corporation und damit für ihre Anteilseigner verbunden. Daraus ergebe sich, dass Unternehmensleiter bis zum durch die Höhe der Transaktionskosten definierten Betrag über Unternehmensgelder frei verfügen dürften. Dieses Geld könne für soziale Zwecke ausgegeben werden, allerdings auch zum Wohl der Manager selbst, z.B. durch erhöhte Gehaltszahlungen, luxuriöse Geschäftsräume, Firmenjets, teure Spesenkonten etc. Im Ergebnis würden also soziale Aufwendungen nicht auf Kosten der Anteilseigner, sondern auf Kosten der Manager selbst ausgegeben werden.277 cc) Die „politische“ Ebene Neben der Frage nach der ökonomischen Vernunft von sozial motiviertem Handeln durch Manager wird in der amerikanischen Diskussion auch die Problematik der politischen Legitimation von Unternehmensleitern diskutiert. So argumentiert z.B. Friedman, dass diese bei Sozialaufwendungen notwendig sei, aber in der Regel fehle.278 Denn die Unternehmensleiter könnten bei sozialen Aufwendungen nicht davon ausgehen, dass alle Anteilseigner ihre Ziele teilten. Speziell auf Spenden bezogen argumentiert er, dass es den Anteilseignern selbst überlassen werden sollte, ob und gegebenenfalls welche gemeinnützigen Zwecke sie durch Spenden verfolgen wollten. Diese Entscheidung den Unternehmensleitern zu überlassen, käme einer zusätzlichen „Besteuerung“ der Anteilseigner gleich, was angesichts der fehlenden demokratischen Legitimation der Geschäftsleiter zu einer Kollision mit dem Verbot der „taxation without representation“ hinausliefe.279 Eine andere Ansicht verweist dagegen auf das Haftungsprivileg der Anteilseigner einer corporation. Da Anteilseigner nicht das normalerweise mit Privateigentum verbundene volle Haftungsrisiko tragen müssten, sei es zumindest ___________ tion seiner angestellten Orangenpflücker ausgab, dann aber aufgrund der erhöhten Kosten auch ein Drittel der im Allgemeinen sehr niedrig qualifizierten Arbeiter entließ. Diese verloren damit auch die sozialen Vorteile, die sie vor den Reformen genossen hatten. 277 Vgl. Manne, in: Manne/Wallich The Modern Corporation and Social Responsibility, 1, 19 ff.; siehe auch Lashbrooke 22 Pac. L. J. 221, 230 (1991). 278 Vgl. Friedman New York Times Magazine, Sept. 13, 1970, S. 32, 122. 279 Vgl. Friedman New York Times Magazine, Sept. 13, 1970, S. 32, 122.

B. Verfahrensanforderungen der Business Judgment Rule

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moralisch vertretbar, die sich aus ihren Gesellschaftsanteilen ergebenden Eigentumsrechte zugunsten anderer Interessengruppen zu relativieren.280 b) Der Gewinnmaximierungsgrundsatz im amerikanischen Fallrecht Der ausufernden Debatte über die Zulässigkeit von auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Leitungsentscheidungen in der Literatur stehen relativ wenige Entscheidungen gegenüber, in denen diese Frage eine Rolle spielte. aa) Die Pflicht zur Gewinnmaximierung als Ausgangspunkt im Common Law Im allgemeinen common law hatte der Gedanke der sozialen Verantwortlichkeit zunächst keinen Einfluss auf die Pflichtenbindung der Unternehmensleiter. Vielmehr durfte allein die Gewinnmaximierung zugunsten der Anteilseigner Ziel unternehmerischen Handelns sein. In der berühmten Entscheidung Dodge v. Ford Motor Co. beschäftigte sich der Supreme Court von Michigan mit einem Fall, in dem der beklagte director zugab, dass er sich nicht von Gewinnerwägungen hatte leiten lassen. Henry Ford, der Mehrheitsaktionär und Mitglied des board war, hatte durchgesetzt, dass die erwirtschafteten Gewinne nicht als Dividenden an die Aktionäre ausgezahlt, sondern stattdessen in das Unternehmen reinvestiert werden sollten. Der Grund für die Investitionen lag aber nach seiner Aussage nicht in langfristigen wirtschaftlichen Erwägungen, sondern in dem Ziel, so viele Arbeitnehmer wie möglich zu beschäftigen und damit die „Wohltaten des Kapitalismus“ auf möglichst viele Menschen zu verteilen.281 Gegen dieses Unterfangen klagten einige Minderheitsaktionäre. In seiner Entscheidung stellte der Michigan Supreme Court fest, dass es das primäre Ziel eines Wirtschaftsunternehmens sei, die Gewinne der Aktionäre zu maximieren. Das Ermessen der Unternehmensleitung beschränke sich lediglich auf die Auswahl des Weges zu diesem Ziel, schließe jedoch nicht das Recht ein, dieses auf Kosten der Erzielung von Gewinnen oder ihrer Auszahlung zu ändern.282 ___________ 280

Vgl. Green 50 Wash & Lee L. Rev. 1409, 1415 f. (1993). Vgl. Dodge v. Ford Motor Co., 170 N.W. 668 (Mich. 1919) („[...] to employ still more men, to spread the benefits of this industrial system to the greatest possible number, to help them build up their lives and their homes“). 282 Vgl. 170 N.W. 668, 684 („The discretion of directors is to be exercised in the choice of means to attain that end [of profit-maximization], and does not extend to a change in the end itself, to the reduction of profits, or to the non-distribution of profits among stockholders in order to devote them to other purposes“). 281

2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

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Interessant an dieser Entscheidung ist nicht nur das ausdrückliche Bekenntnis zum Gewinnmaximierungsprinzip. Nach Auffassung des Gerichts besteht dieses allein im Interesse der Aktionäre, nicht etwa im Interesse der corporation selbst. Damit ist diese alte Leitentscheidung des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts nicht nur ein Bekenntnis zum Prinzip der Pflicht zur Gewinnmaximierung, sondern auch ein Bekenntnis zum shareholder value, also den Gewinninteressen der einzelnen Aktionäre. bb) Relativierung des Gewinnmaximierungsprinzips durch das unternehmerische Ermessen? (1) Die Dodge-Entscheidung und die Business Judgment Rule Die Dodge-Entscheidung stellte bereits, wie oben erwähnt, ausdrücklich klar, dass zwar das Ziel der Gewinnmaximierung vorgegeben sei, der Weg zur Erreichung dieses Ziels jedoch im unternehmerischen Ermessen der Manager liege.283 Aber obwohl die Gewinnmaximierung in dieser Entscheidung zum „Polarstern“ für unternehmerische Entscheidungen erhoben wurde, bleibt die Frage, ob die Nicht-Überprüfbarkeit der unternehmerischen Strategien, die zu diesem Ziel führen sollen, letztendlich indirekt das Gewinnmaximierungsprinzip selbst relativiert. 284 Denn hinsichtlich der Orientierung am Ziel der Gewinnmaximierung findet zunächst nur eine ausschließlich subjektive Prüfung statt.285 Falls also ein Manager nicht offen, wie in der Dodge-Entscheidung geschehen, zugibt, dass die Spende gerade nicht gewinnorientierten Zielen folge, müsste eine solche rein altruistische Spendenmotivation aus den objektiven Umständen der Spende selbst ermittelt werden. Dies wiederum setzt aber eine materielle Überprüfung der Spendenentscheidung selbst voraus, vor der die business judgment rule gerade schützen soll.286 Interessanterweise gilt die Dodge-Entscheidung auch als eine Leitentscheidung im Hinblick auf die business judgment rule.287 Denn im zweiten Teil der Entscheidung verweigerte das Gericht das aus wirtschaftlichen Gründen begehrte Verbot einer vom Beklagten geplanten unternehmerischen Expansion des Unternehmens. Das Gericht stellte hier ausdrücklich klar, dass es wegen seiner fehlenden eigenen unternehmerischen Expertise die Richtigkeit der Entscheidung ___________ 283

Vgl. 170 N.W. 668, 684.

284 Vgl. K. Davis 13 U.S.-Can. L. J. 7, 8 (1988) („polestar for managerial decisionmak-

ing“).

285 Vgl. K. Davis 13 U.S.-Can. L. J. 7, 9 (1988). 286 Vgl. K. Davis 13 U.S.-Can L. J. 7, 9 (1988); Krämer Das Unternehmensinteresse S. 142. 287 Vgl. Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 7 f.

B. Verfahrensanforderungen der Business Judgment Rule

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nicht überprüfen wollte.288 Dieses Problem stellte sich im ersten Teil der Entscheidung nicht, da hier die fehlende gewinnorientierte Motivation zugegeben worden war. (2) Die Entscheidung Shlensky v. Wrigley Das Spannungsverhältnis zwischen dem Gewinnmaximierungsprinzip einerseits und der business judgment rule andererseits wurde im Jahre 1968 für Illinois in der Entscheidung Shlensky v. Wrigley zugunsten Letzterer gelöst.289 Die Kläger waren Minderheitsaktionäre einer corporation, die eine professionelle Baseballmannschaft (Chicago Cubs) betrieb. Das Baseballstadion dieser Mannschaft (Wrigley Field) war zu diesem Zeitpunkt das einzige im professionellen Baseball ohne Flutlicht, sodass alle Heimspiele nur tagsüber ausgetragen werden konnten. Dies führte zu geringeren Einnahmen. Die Klage richtete sich gegen die Weigerung des board, im Stadion Flutlichter installieren zu lassen. Nach Ansicht der Kläger beruhte die ablehnende Haltung des board nicht auf gewinnorientierten Überlegungen, sondern auf der Ansicht, dass Baseball grundsätzlich bei Tageslicht gespielt werden sollte und dass die Anschaffung solcher Flutlichter die Nachbarschaft des Stadions belasten würde.290 Das Gericht ließ diese Einwände gegen die business judgment rule nicht durchgreifen.291 Es erörterte zwar den Dodge v. Ford Motor Co.-Fall, wandte ihn aber auf den vorliegenden Sachverhalt nicht an, ohne sich allerdings ausdrücklich von ihm zu distanzieren. In seiner Begründung verwies das Gericht auf seine fehlende Überzeugung, dass die Entscheidung aus Sicht der verantwortlichen directors nicht im besten Interesse der Gesellschaft und ihrer Anteilseigner getroffen worden sei.292 Dabei verweigerte es unter Hinweis auf die business judgment rule ausdrücklich eine materielle Überprüfung der Entscheidung auf ihre tatsächliche Vereinbarkeit mit dem Gewinnmaximierungsprinzip. Vielmehr beschränkte es sich auf die Feststellung, dass aus Sicht des Gerichts die Berücksichtigung von Nachbarschaftsinteressen durch die verantwortlichen Unternehmensleiter nach wirtschaftlichen Gründen vertretbar war, da weniger Zuschauer kommen könnten, wenn das Stadion in einer armen Gegend wäre.293 Zudem verwies das Ge___________ 288 Vgl. Dodge v.

Ford Motor Co., 170 N.W. 668, 684 (Mich. 1919). Shlensky v. Wrigley, 237 N.E.2d 776 (Ill. App. Ct. 1968). 290 237 N.E.2d 776, 778. 291 237 N.E.2d 776, 778. 292 237 N.E.2d 776, 780 („However, we are not satisfied that the motives [...] are contrary to the best interests of the corporation and the stockholders“). 293 237 N.E.2d 776, 780 („For example, it appears to us that the effect on the surrounding neighborhood might well be considered by a director who was considering the 289

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

richt auf die Möglichkeit, dass der Schutz der umliegenden Gegend vor dem Niedergang im Hinblick auf den Wert des eigenen Stadions im langfristigen wirtschaftlichen Interesse der corporation gelegen haben könnte. Die Frage, ob Gewinnmaximierung, wie in der Dodge-Entscheidung angenommen, das primäre Ziel jeder Board-Entscheidung sein sollte, diskutierte das Gericht nicht. Allerdings ergibt sich aus der Urteilsbegründung, dass auch das Wrigley-Gericht grundsätzlich an der Pflicht zur Gewinnmaximierung festhielt. Aber das Gericht betonte den fast ausschließlich subjektiven Charakter dieser Pflicht und ließ alleine die Möglichkeit der erwerbswirtschaftlichen Vertretbarkeit der Entscheidung ausreichen, um die business judgment rule anzuwenden. Zu verstehen ist dieser Fall nur unter Berücksichtung der nach der business judgment rule geltenden Beweislast. Danach müssen, wie oben erläutert, die klagende corporation bzw. die klagenden Aktionäre den Beweis dafür führen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der business judgment rule nicht vorliegen.294 (3) Zusammenfassung Die beiden heute oft zitierten Leitentscheidungen Dodge v. Ford Motor Co. und Shlensky v. Wrigley ergänzen sich eher, als dass sie sich widersprechen. Beide erkennen die business judgment rule an. Beide gehen im Ergebnis von der Pflicht zur Gewinnmaximierung aus. Dieser Grundsatz wird als solcher nicht durch die business judgment rule relativiert. Vielmehr ist die Absicht zur Erfüllung dieser Pflicht subjektive Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Regel. Unter der Wrigley-Entscheidung wird diese Pflicht allerdings in der Regel nur äußerst geringe praktische Bedeutung haben. Denn wegen ihres subjektiven Charakters einerseits und der Zurückhaltung der Gerichte bei der Überprüfung des Entscheidungsinhalts andererseits ist bei den meisten unternehmerischen Entscheidungen die Nichtanwendbarkeit der business judgment rule nur in den Fällen vorstellbar, in denen die nicht-kommerzielle Natur der Entscheidung von den Verantwortlichen ausdrücklich zugegeben wird.295 Gerade dies könnte aber im Zusammenhang mit Spenden in der Praxis manchmal der Fall sein, da der Spender sich gerade nicht als rationaler Egoist, sondern als altruistischer Wohltäter nach außen präsentieren möchte.

___________ patrons who would or would not attend the games if the park were in a poor neighborhood“). 294 Vgl. Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 5. 295 Vgl. K. Davis 13 U.S.-Can. L. Rev. 7, 20 (1988).

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3. Unternehmensspenden als Ausnahme zum Gewinnmaximierungserfordernis? Wie oben dargestellt, gilt im amerikanischen Recht der Grundsatz der Gewinnmaximierung, wenn auch in seiner praktischen Anwendung durch die business judgment rule stark beschränkt. Der Bereich Unternehmensspenden wird jedoch in der Literatur zum amerikanischen Gesellschaftsrecht neben den relativ neuen „other constituencies statutes“, die sich auf die Verhaltenspflichten von Unternehmensleitern bei feindlichen Übernahmen beziehen, als Ausnahmebereich zitiert, in dem sich der Gedanke der sozialen Verantwortlichkeit grundsätzlich gegen das Gewinnmaximierungsprinzip durchgesetzt habe.296 Diese Frage gilt es im folgenden Abschnitt zu prüfen. a) Das Erfordernis der Gewinnmaximierung in den staatlichen Statuten Wie bereits oben dargestellt, haben inzwischen alle fünfzig Bundesstaaten und der District of Columbia die grundsätzliche Zulässigkeit von Spenden gesetzlich geregelt.297 In sieben Bundesstaaten, nämlich Kalifornien, Maine, Massachussetts, Minnesota, New Jersey, New York und North Dakota, werden sie ausdrücklich auch dann zugelassen, wenn sie nicht der Gewinnmaximierung dienen. 298 Neunzehn andere Staaten erlauben ausdrücklich Spenden, die der Gewinnmaximierung dienen, und haben daneben eine allgemeine Spenden___________ 296 Vgl. K. Davis 13 U.S.-Can. L. Rev. 7, 8 (1988); Merkt US-amerikanisches Gesellschaftsrecht Rn. 84; „other constituency statutes“ betreffen die Berechtigung von Unternehmensleitern, bei der Ergreifung von Abwehrmaßnahmen gegen feindliche Übernahmen auch andere Interessengruppen als die der eigenen Aktionäre zu berücksichtigen; vgl. z.B. N.Y. Bus. Corp. Law § 717 (b) („ […] a director shall be entitled to consider [...] (2) the effects that the corporation’s actions may have in the short-term or in the long-term upon any of the following: […] (ii.) the corporation’s current employees; (iii) the corporation’s retired employees and other beneficiaries receiving or entitled to receive retirement, welfare or similar benefits […] by the corporation, (iv.) the corporation’s customers and creditors; and (v) the ability of the corporation to provide, as a going concern, goods, services, employment opportunities and employment benefits and otherwise to contribute to the communities in which it does business […]“). Für eine systematische Übersicht der bereits existierenden „other constituency statutes“ siehe Adams/Matheson 49 Emory L. J. 1085, 1124 (App.) (2000). Siehe zur Zulässigkeit der Berücksichtigung von aktionärsfremden Interessen im Kontext von feindlichen Übernahmen auch Unocal v. Mesa Petroleum, 493 A.2d 946, 955 (Del. 1985). 297 Siehe dazu oben A. I. 4. 298 Es handelt sich dabei um Kalifornien („regardless of specific corporate benefit“), Maine („irrespective of corporate benefit“), Massachusetts, Minnesota, New Jersey, New York und North Dakota; vgl. Cal Corp Code § 207 (e) (LEXIS 2001); 13-A Me.Rev. Stat. § 202 (2000); NY Bus. Corp. § 202 (12) (Lexis 2001); N.J. Stat § 14A:3-4 (Lexis 2001); N.D. Cent. Code, § 10-19.1-26 (Lexis 2000).

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regelung zugunsten philanthropischer Zwecke. 299 Obwohl hinsichtlich des Wortlauts der Gesetze leichte Unterschiede bestehen, haben diese neunzehn Staaten ähnliche Formulierungen wie die folgende Regelung aus Florida: „[A corporation has power:] […] (12) To make donations for the public welfare or for charitable, scientific, or educational purposes; […] (14) To make payments or donations or do any other act not inconsistent with law that furthers the business and affairs of the corporation […].“300

Aus der Tatsache, dass nur bei einer der beiden Regelungen (hier also in Unterabsatz (12)) die ausdrückliche Beschränkung auf das Gewinnmaximierungsprinzip fehlt, lässt sich der Umkehrschluss ziehen, dass dieses in Bezug auf die darunter fallenden Spenden nicht gilt.301 Sonst wäre diese Regelung überflüssig. Die anderen Bundesstaaten, darunter der im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht dominierende Bundesstaat Delaware, erlauben zwar ausdrücklich Spenden für philanthropische Zwecke, enthalten aber keine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Bindung an das Gewinnmaximierungsprinzip. In diesen Staaten bleibt damit die Frage, ob Unternehmensspenden gewinnorientiert zu sein haben, strittig. b) Das Erfordernis der Gewinnmaximierung im modernen Fallrecht aa) Das formale Gewinnmaximierungserfordernis im modernen Fallrecht Das US-amerikanische common law hat im Zusammenhang mit Unternehmensspenden das Erfordernis der subjektiven Orientierung der Spende am Prinzip der Gewinnmaximierung bis in die jüngste Zeit hinein formal noch ___________ 299 Es handelt sich dabei um die Staaten Colorado, Florida, Georgia, Indiana, Iowa, Kentucky, Minnesota, Mississippi, Montana, New Hampshire, North Carolina, Oregon, South Carolina, Tennessee, Vermont, Utah, Virginia, Washington, Wisconsin, Wyoming; vgl. Col. Rev. Stat. 7-103-102 (m), (n) (2000); Fla. Stat. § 607.0302 (12), (14) (2000); Off.Code of Ga. Ann. § 14-2-302 (13), (16) (2000); Burns Ind. Code Ann. § 231-22-2 (13), (15) (2000), Iowa Code Ann. 490.302 (13), (15) (2001), Ky. Rev. Stat. Ann., 271B.3-020 (m), (o) (2001); Miss. Code Ann. § 79-4-3.02 (13), (15) (2001); Mont. Code Anno. § 35-1-115 (13), (15) (2000); N.H. Rev. Stat. Ann. 293-A:3.02 (13), (15) (2000); N.C. Gen. Stat. 55-3-02 (a) (13), (15) (2000); Ore. Rev. Stat. 60.077 (n), (p) (1999); S.C. Code Ann. § 33-3-102 (13), (15) (2000); Utah Code Ann. 16-10a0302 (13), (15) (2000); 11A Vt. Stat. Ann. § 3.02 (13), (15) (2001); Ca. Code Ann. § 13.1-627 (12), (13) (2000); Ann. Rev. Code Wash (ACRW) § 23B.03.020 (o), (q) (2001); Wis. Stat. § 180.0302 (13), (15) (2000); Wyo. Stat. § 17-16-302 (xiii), (xv) (2001). 300 Fla. Stat. § 607.0302. 301 Vgl. Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 602 (1997); Balotti/Hanks 54 Bus. Law. 965, 971 f. (1999).

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nicht aufgegeben. Eindeutig beibehalten wird die Pflicht zur Gewinnmaximierung in den bereits oben zitierten Entscheidungen Union Pacific Railroad Co. v. Trustees und Memorial Hospital Association of Stanislaus County v. Pacific Grape Products Co. 302 Zwar wird auf einen unmittelbaren Vorteil aus der Spende verzichtet, allerdings betonen beide Gerichte in ihrer Begründung die möglichen mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile für die spendenden corporations.303 Nicht ganz eindeutig ist in dieser Hinsicht die Entscheidung A.P. Smith v. Barlow.304 Denn in der Begründung wird ausdrücklich das Prinzip der sozialen Verantwortlichkeit als Grundlage für die Zulässigkeit von Unternehmensspenden anerkannt.305 Allerdings entspricht der folgende Satz des Gerichts der traditionellen Common law-Regel, da dieser feststellt, dass die Spende auch durch die zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteile zugunsten der corporation begründet werden könne.306 Im Ergebnis stellt damit zwar der Supreme Court von New Jersey die Verbindlichkeit des Gewinnmaximierungsprinzips im Zusammenhang mit Unternehmensspenden in Frage, überschreitet aber nicht die Grenze zur kompletten Aufgabe dieses Grundsatzes, sondern belässt es bei einer Doppelbegründung. Ähnliches gilt für das nun wohl in diesem Bereich in erster Linie maßgebliche Fallrecht von Delaware. Die Entscheidung Theodora Holding Corp. v. Henderson stellt noch ein relativ eindeutiges Bekenntnis zum Gewinnmaximierungsprinzip dar, da in der Begründung auf den langfristigen mittelbaren Vorteil für die Aktionäre aus den Unternehmensspenden hingewiesen wird. 307 Kahn v. Sullivan ist dagegen bereits hinsichtlich der formalen Notwendigkeit einer subjektiven Gewinnmotivation nicht eindeutig.308 Diese Entscheidung enthält zwar keine ausdrückliche Aufgabe des Gewinnmaximierungserfordernisses. Bei der Diskussion über die Erfolgsaussichten der ___________ 302 Vgl. Union Pacific Railroad Co. v. Trustees, 329 P.2d 398, 401 f. (Utah 1958); Memorial Hospital Ass’n of Stanislaus County v. Pacific Grape Products Co., 290 P.2d 481, 483 (Cal. 1955). 303 Siehe dazu auch oben A. I. 5. 304 Vgl. oben A. I. 5. 305 Vgl. A.P. Smith Mfg. Co. v. Barlow, 98 A.2d 581, 586 (N.J. 1953) („It seems to us that […] modern conditions require that corporations acknowledge and discharge social as well as private responsibilities as members of the communities within which they operate“). 306 Vgl. 98 A.2d 581, 586 („But even if we confine ourselves to the terms of the common-law rule in its application to current conditions, such expenditures may likewise readily be justified as being for the benefit of the corporation“). 307 Vgl. Theodora Holding Corp. v. Henderson 257 A.2d 398, 405 (Del. Ch. 1969). 308 Vgl. Kahn v. Sullivan, 594 A.2d 48 ff. (Del. 1991).

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ursprünglichen Aktionärsklage gegen die Spende verzichtete das Gericht zunächst aber auf eine Überprüfung der subjektiven Gewinnmaximierungsabsicht. Ausdrücklich stellt dagegen das Gericht unter Verweis auf Theodora Holding Corp. v. Henderson fest, dass für die Zulässigkeit von Unternehmensspenden in erster Linie ihre Angemessenheit („reasonableness“) der entscheidende Maßstab sei.309 Allerdings stellte der Supreme Court im zweiten Teil der Entscheidung, in dem die Angemessenheit des streitgegenständlichen Vergleichs im Wege einer Gesamtabwägung überprüft wurde, auch auf die zu erwartenden langfristigen wirtschaftlichen Vorteile für das spendende Unternehmen ab.310 Dabei folgte es der Einschätzung der ersten Instanz (also dem Chancellor), dass Occidental selbst aus der Spende aufgrund der allgemeinen Imageverbesserung und wegen der im Hinblick auf die enge räumliche Nähe des Museums zum Firmensitz zu erwartenden zusätzlichen Werbeeffekte wirtschaftlich von der Spende profitieren würde.311 Als Zwischenergebnis bleibt damit festzustellen, dass sich eine komplette formale Aufgabe des Gewinnmaximierungsprinzips bei Unternehmensspenden, anders als in einigen Gesetzen, im common law noch nicht eindeutig durchgesetzt hat. Das American Law Institute hat in den Principles on Corporate Governance diesen Schritt allerdings vollzogen. Nach § 2.01 sind explizit philanthropische Spenden, die nicht der Gewinnmaximierung dienen, im angemessenen Maße erlaubt.312 bb) Die materielle Bedeutungslosigkeit des Gewinnmaximierungserfordernisses im Zusammenhang mit Unternehmensspenden Allerdings wurde in keiner der nach dem Zweiten Weltkrieg ergangenen Entscheidung eine Spende wegen der fehlenden Gewinnmotivation für unzulässig erklärt. Ein Grund hierfür liegt in den sehr gering gewordenen subjektiven Anforderungen an die Gewinnmaximierungsabsicht. In der bereits oben dargestellten A.P. Smith-Entscheidung zitiert der Supreme Court von New Jersey einen der beklagten Unternehmensleiter mit der Aussage, dass die angegriffenen Spenden eine „[gute Investition]“ seien, weil sie dem Unternehmen erlauben würden, in seinem sozialen Umfeld an good will zu gewinnen, die spätere Rekrutierung gut ausgebildeter Mitarbeiter erleichtere ___________ 309

Vgl. 594 A.2d 48, 61. Siehe zum Inhalt dieser Entscheidung oben B. I. 2. b) aa). 311 Vgl. 594 A.2d 48, 62 f. (Del. 1991); 1990 Del. Ch. LEXIS 119, 21 (Del. Ch. 1990). 312 ALI Principles of Corporate Governance § 2.01 (b). 310

B. Verfahrensanforderungen der Business Judgment Rule

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und allgemein der Erhaltung der freien Marktwirtschaft („free enterprise system“) diene.313 In der Entscheidung Theodora Holding v. Henderson, die im Jahre 1969 erging, argumentierte der Court of Chancery von Delaware ähnlich und meinte, dass Unternehmensspenden der Ablehnung von Kapitalgesellschaften zugestandenen wirtschaftlichen Privilegien durch eine empörte („aroused“) Öffentlichkeit vorbeugten.314 Dadurch, dass diese beiden Gerichte allein den Beitrag zur Erhaltung der marktwirtschaftlichen Ordnung als solcher zur Erfüllung der Gewinnmaximierungspflicht ausreichen ließen und darüber hinaus auf einen unternehmensbezogenen Vorteil verzichteten, ist das subjektive Gewinnmaximierungserfordernis materiell in diesen Entscheidungen letztendlich bedeutungslos geworden. Denn nahezu jede Spende kann mit dieser Argumentation gerechtfertigt werden. So ist z.B. eine auf das Unternehmen selbst bezogene Imageverbesserung danach nicht mehr notwendig. cc) Zwischenergebnis Im Ergebnis hat sich damit das amerikanische Fallrecht den Spendenstatuten, die ausdrücklich eine Abweichung vom Gewinnmaximierungsprinzip darstellen, zumindest materiell angenähert. Denn trotz der bisher noch nicht erfolgten formalen Aufgabe des Gewinnmaximierungsprinzips hat dieses materiell keine Bedeutung mehr. Soweit ein Gericht den Entscheidungen A.P. Smith v. Barlow und Theodora Holding Corp. v. Henderson folgt, kann eine Orientierung am Gewinnmaximierungsprinzip allein schon aufgrund der Tatsache angenommen werden, dass der gesamtgesellschaftliche Beitrag auch der Erhaltung der marktwirtschaftlichen Ordnung selbst dient. In der amerikanischen Literatur wird dieser Gedanke unter dem Stichwort „enlightened self-interest“ zusammengefasst.315 Festzuhalten bleibt aber daneben, dass Dreh- und Angelpunkt des weitgehenden Verzichts auf das Gewinnmaximierungserfordernis sowohl im Zusammenhang mit Spendenentscheidungen als auch außerhalb dieses Bereichs die business judgment rule selbst ist. Dieses Grundprinzip des amerikanischen Rechts ermöglicht es, das in Dodge v. Ford Motor Co. aufgestellte Dogma der Gewinnmaximierung auszuhebeln, ohne grundsätzliche dogmatische Erwägungen anzustellen.

___________ 313

Vgl. A.P. Smith Mfg. Co. v. Barlow, 98 A.2d 581, 586 (N.J. 1953). Vgl. Theodora Holding Corp. v. Henderson 257 A.2d 398, 404 (Del. Ch. 1969) („[corporate donations prevent] business advantages now reposed in corporations by law [from becoming] unacceptable to the representatives of an aroused public“). 315 Vgl. K. Davis 13 Can-U.S. L. J. 7, 12 (1988). 314

2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

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c) Notwendigkeit eines Lippenbekenntnisses zum Shareholder Value bei Spendenentscheidung? Wie oben angedeutet, ist allgemein der Nachweis eines Verstoßes gegen die Pflicht, Entscheidungen am Gewinnmaximierungsprinzip zu orientieren, in erster Linie dann möglich, wenn die verantwortlichen directors, wie im Fall Dodge v. Ford Motor Co. geschehen, offen ihre rein altruistische Motivation zugeben. 316 Die Gefahr einer Haftung aufgrund eines fehlenden Lippenbekenntnisses zum shareholder value besteht jedenfalls in den Staaten nicht, in denen das Gewinnmaximierungserfordernis durch gesetzliche Regelungen aufgegeben wurde. Soweit formal die Pflicht zur Gewinnmaximierung noch besteht, ist in dieser Frage ein anderes Ergebnis ebenfalls unwahrscheinlich. Zu Recht wurde in der neueren amerikanischen Literatur zu diesem Problem angemerkt, dass gerade der Hinweis auf die fehlende Gewinnorientierung einer Handlung den good will und die Werbeeffekte zugunsten des Unternehmens vergrößern könnte und damit den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens dienen würde.317 4. Zwischenergebnis Im amerikanischen Recht hängt die Anwendung der business judgment rule auch davon ab, ob die Entscheidung subjektiv auf das Ziel der Gewinnmaximierung ausgerichtet war. Allerdings ist dieses Erfordernis praktisch erheblich eingeschränkt worden, da ein Nichtvorliegen dieser rein subjektiven Verhaltensanforderung in der Regel nicht nachzuweisen sein wird. Insbesondere blockiert die der business judgment rule zugrunde liegende richterliche Zurückhaltung bei der materiellen Überprüfung von Entscheidungen den Rückschluss auf die fehlende Gewinnmotivation aus dem materiellen Entscheidungsgehalt. Für die Zulässigkeit von Spenden existieren zur Zeit im amerikanischen Gesellschaftsrecht zwei mögliche Begründungen. Die eine Begründung liegt in dem ausdrücklichen Verzicht auf die Bindung an das Prinzip der Gewinnmaximierung im Zusammenhang mit (angemessenen) Unternehmensspenden. Diesen Weg haben zahlreiche einzelstaatliche Spendengesetze sowie die ALI Principles of Corporate Governance eingeschlagen. Das moderne Fallrecht ermöglicht dagegen teilweise Spenden trotz eines formalen Festhaltens am Gewinnmaximierungsprinzip. In den modernen Entscheidungen werden an die Erfüllung der Gewinnmaximierungspflicht so geringe und pauschale Anforderungen gestellt, dass ein Scheitern der business judgment rule alleine wegen einer altruistischen Motivation des verantwortlichen Unternehmensleiters heute kaum vorstellbar ist. ___________ 316 317

Vgl. K. Davis 13 Can.-U.S. L. J. 7, 9 (1988). Vgl. Eisenberg 28 Stetson L. Rev. 1, 16 (1998).

C. Materielle Überprüfbarkeit von Unternehmensspenden

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Im für das amerikanische Gesellschaftsrecht maßgeblichen Bundesstaat Delaware sind die gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der subjektiven Erfordernisse bei der Spendenvergabe nicht eindeutig. Allerdings deutet die Entscheidung Kahn v. Sullivan des Supreme Court von Delaware auch auf eine formale Aufgabe dieses subjektiven Erfordernisses im Zusammenhang mit Unternehmensspenden hin. Selbst bei einem ausdrücklichen Geständnis der Unternehmensleiter hinsichtlich des ausschließlich philanthropischen Charakters einer Unternehmensspende ist heute wohl eine automatische Unanwendbarkeit der business judgment rule auf Spendenentscheidungen höchst unwahrscheinlich. In der neueren Literatur wird deswegen angesichts der heute in den Vereinigten Staaten geltenden Rechtslage die Auffassung vertreten, dass das der alten DodgeEntscheidung zugrunde liegende Erfordernis eines angestrebten Vorteils zugunsten der Gesellschaft und ihrer Anteilseigner im Zusammenhang mit Unternehmensspenden nicht mehr gelte.318 Konsequenz davon sei, dass Unternehmensleiter über das Gesellschaftsvermögen ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens frei disponieren könnten. Diese Analyse mag angesichts des Angemessenheitserfordernisses zu weit gegriffen sein.319 Festzuhalten ist allerdings das vielleicht überraschende Ergebnis, dass die Bindung von Unternehmensleitern an das Shareholder value-Prinzip bei der Anwendung der business judgment rule auf Unternehmensspenden im modernen amerikanischen Gesellschaftsrecht faktisch keine eigene Rolle mehr spielt.

C. Materielle Überprüfbarkeit von Unternehmensspenden I. Allgemeines zur materiellen Überprüfbarkeit von Entscheidungen im Anwendungsbereich der Business Judgment Rule Das letzte Element der business judgment rule bezieht sich nicht mehr auf den Entscheidungsvorgang, sondern auf den Inhalt der Entscheidung selbst. Über eine eingeschränkte inhaltliche Überprüfung besteht im US-amerikanischen Recht zwar Einigkeit, allerdings gibt es unterschiedliche Auffassungen über die formale Begründung dieser eingeschränkten Überprüfung. Einige Entscheidungen stellen auch im Rahmen der business judgment rule grundsätzlich auf einen objektiven Angemessenheitstest („reasonableness standard“) ab. 320 Diese Überprüfung erfolgt aber in der Regel nur sehr einge___________ 318

Vgl. Kahn 44 UCLA 579, 603 f. (1997). Siehe zum Angemessenheitserfordernis den folgenden Abschnitt. 320 Vgl. Cramer v. General Tel. & Electronic Corp., 582 F.2d 259, 275 (3rd Circuit 1978); Meyers v. Moody, 693 F.2d 1196, 1211 (5th Circuit 1982); Mc Donnell v. Ameri319

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

schränkt, wie die folgende Formulierung des Third Circuit Courts in der Entscheidung Cramer v. General Tel. & Electronic Corp. zeigt: „In addition, where the shareholder contends that the directors’ judgment is so unwise or unreasonable as to fall outside the permissible bounds of the directors’ sound discretion, a court should, we think, be able to conduct its own analysis of the reasonableness of that business judgment. […] courts have some limited power to review the reasonableness of the directors’ judgment that a derivative suit is not in the best interests of the corporation.“321 (Hervorhebung durch den Verf.)

Diese Formulierung des objektiven Prüfungsmaßstabs nähert sich damit im Ergebnis der Wortwahl des American Law Institute sowie einiger Entscheidungen in Delaware an, obwohl bei diesen auf den ersten Blick die Prüfung auf einen subjektiven Maßstab beschränkt wird. Nach der vom American Law Institute gewählten Formulierung muss ein Unternehmensleiter rational nachvollziehbar glauben (rationally believe), dass seine Entscheidung dem Interesse der Gesellschaft entspricht.322 Dieser Ansatz entspricht auch zum Teil der in Delaware vertretenen Rechtsprechung, die von dem Erfordernis eines „rational business purpose“ ausgeht.323 Das Merkmal der rationalen Nachvollziehbarkeit weist ebenfalls auf eine eingeschränkte objektive Entscheidungskontrolle hin. Die Anforderungen sind allerdings keineswegs hoch. Der Delaware Supreme Court beispielsweise lässt das Vorliegen eines beliebigen rational nachvollziehbaren unternehmensbezogenen Zwecks für die Erfüllung dieses Merkmals ausreichen.324 Deswegen führen auch die Entscheidungen, die nach ihrem Wortlaut zunächst sogar vollständig auf eine materielle Entscheidungskontrolle verzichten, im Ergebnis zu einem weitgehend deckungsgleichen Prüfungsmaßstab.325 Denn im Rahmen dieser rein subjektiven Prüfung indiziert objektiv irrationales Handeln „bad ___________ can Leduc Petroleums, Ltd. 491 F.2d 380, 384 (2d Cir. 1974); vgl. dazu auch die Diskussion in den ALI Principles of Corporate Governance § 4.01 (c) Comment f. 321 Cramer v. General Tel. & Electronic Corp. 582 F.2d, 259, 275 (3rd Circuit 1978); diese Entscheidung wird teilweise deswegen auch als Autorität für den auf den ersten Blick im Vergleich zum reasonableness test abgeschwächten rational purpose test zitiert; vgl. ALI Principles of Corporate Governance, 4.01 (c) Comment f.; Cox/Hazen/ O’Neal Corporations S. 195 Fn. 3. 322 Vgl. ALI Principles of Corporate Governance § 4.01 (c) (3). 323 Vgl. Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 959, 954 (Del. 1985); Sinclair Oil Corp. v. Levien, 280 A.2d 717, 720 (Del. 1985); Cox/Hazen/O’Neal Corporations S. 195 f. 324 Vgl. Unocal Corp. V. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 954 (Del. 1985); ALI Principles of Corporate Governance Comment f. 325 Zu diesem Prüfungsmaßstab vgl. In re RJR Nabisco, Inc. Shareholders Litigation [1988-1989 Transfer Binder] 1989 Del. Ch. LEXIS 9, Fed. Sec. L. Rep. (CCH) 94, 194 (Del. Ch. Jan. 31. 1989).

C. Materielle Überprüfbarkeit von Unternehmensspenden

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faith“.326 Letztendlich ist damit der Unterschied zwischen der „subjektiven“ „bad faith“-Prüfung, dem „objektiven“ „reasonableness test“ und dem teilweise objektiven „rational belief test“ nur formaler bzw. terminologischer Natur und hat keine nennenswerte Auswirkungen auf die vom Gericht im Ergebnis vorzunehmende materielle Überprüfung.327 Diese beschränkt sich nach allen Auffassungen auf die rationale Nachvollziehbarkeit der Entscheidung.328 Insbesondere verlangt dieser Maßstab nicht, dass Unternehmensleiter „optimale“ Entscheidungen treffen.329 Ohnehin spielt das Merkmal der rationalen Nachvollziehbarkeit in der Praxis nur eine eingeschränkte Rolle.330 In der Regel geht es dabei um Verkäufe von Unternehmensteilen, da hier der Preis mit einem „objektiven“ Marktwert verglichen werden kann.331 Aber auch die oben diskutierte Entscheidung Shlensky v. Wrigley bietet ein Beispiel für den Maßstab der rationalen Nachvollziehbarkeit.332 Dort ließ das Gericht die bloße Möglichkeit gelten, dass die Berücksichtigung von Nachbarschaftsinteressen objektiv den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens nützen könnte.333 II. Materielle Überprüfung von Unternehmensspenden 1. Der „Reasonableness Test“ als Ermessensgrenze bei Spendenentscheidungen Die modernen Entscheidungen begrenzen die Zulässigkeit von Unternehmensspenden danach, ob sie objektiv „reasonable“ (angemessen) sind.334 Die Principles of Corporate Governance des American Law Institute haben diese ___________ 326 Vgl. 1989 Del. Ch. LEXIS 9, 41 n. 13 („As I conceptualize the matter, such limited substantive review as the rule contemplates (i.e. is the judgment under review ‚egregious‘ or ‚irrational‘ or ‚so beyond reason‘, etc.) really is a way of inferring bad faith“). 327 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 103; ALI Principles of Corporate Governance § 4.01 (c) Comment f. 328 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 103; ALI Principles of Corporate Governance § 4.01 (c) Comment f. 329 Vgl. Cox/Hazen/O’Neal Corporations S. 196. 330 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 103. 331 Vgl. z.B. Gimbel v. Signal Companies, Inc., 316 A.2d 599 (Del. Ch. 1974), aff’d 316 A.2d 619 (Del. 1974); siehe dazu Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 104 ff. 332 Shlensky v. Wrigley, 237 N.E.2d 776 (Ill. App. Ct. 1968). 333 Vgl. 237 N.E.2d 776, 778. 334 Vgl. A.P. Smith Mfg. Co. v. Barlow, 98 A.2d 581, 585 (N.J. 1953); Theodora Holding Corp. v. Henderson, 257 A.2d 398, 404 (Del. Ch. 1969); Kahn v. Sullivan 594 A.2d 48, 61 (Del. 1991); Union Pacific Railroad Co. v. Trustees, Inc. 329 P.2d 398, 402 (Utah 1958); Memorial Hospital Ass’n v. Pacific Grape Products Co., 290 P.2d 481, 483 (Cal. 1955); siehe auch bereits Sorenson v. Chicago B. & Q. R. Co. 199 N.W. 534, 537 (Neb. 1924).

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

Einschränkung ebenfalls übernommen.335 Dagegen enthalten die meisten einzelstaatlichen Spendenstatuten eine solche Formulierung nicht. 336 Allerdings besteht in der amerikanischen Diskussion weitgehend Einigkeit darüber, auch im Anwendungsbereich dieser Statuten das Spendenermessen durch das Merkmal der „reasonableness“ zu begrenzen.337 2. Der „Reasonableness Test“ als Verschärfung des „Rational Purpose Test“? Die Verwendung des Begriffs „reasonableness test“ allein zeigt zunächst, dass bei Unternehmensspenden auf jeden Fall eine objektive Kontrolle stattfindet. Allerdings sagt der Begriff noch nichts über Umfang und Intensität dieser materiellen Überprüfung aus. In der Literatur zum amerikanischen Gesellschaftsrecht gibt es widersprüchliche Aussagen zu der Frage, ob die materielle Überprüfung von Unternehmensspenden sich von der Überprüfung anderer Entscheidungen im Rahmen der business judgment rule grundsätzlich unterscheidet. Wie schon die allgemeinen Ausführungen zum rational belief test angedeutet haben, können „reasonableness“ und „rationality“ lediglich eine terminologische Abweichung für den gleichen rechtlichen Grundsatz darstellen. Im Hinblick auf zumindest materiell nicht zwingend gewinnmaximierende Spendenentscheidungen wäre damit die „reasonableness“ bloß Ausdruck der „rationalen Nachvollziehbarkeit“ selbst.338 M. Eisenberg, einer der Mitverfasser der ALI Principles on Corporate Governance, sieht in dem „reasonableness test“ eine Verschärfung gegenüber der business judgment rule. Diese sei im Zusammenhang mit Unternehmensspenden wegen der Abkehr von der Gewinnmaximierungsmaxime einerseits und der Ungenauigkeit des Gemeinnutzensbegriffs andererseits geboten.339 Eine flexible Anpassung des objektiven Prüfungsmaßstabs im Sinne einer Änderung der business judgment rule ist dem amerikanischen Recht grundsätzlich keineswegs fremd. Dieser Gedanke liegt z.B. der Modifikation dieser Regel bei der Überprüfung von Abwehrmaßnahmen gegen feindliche Übernahmen zugrun___________ 335 Vgl. ALI Principles of Corporate Governance 4.01 (c) (3) („[…] may devote a reasonable amount of resources to public welfare, humanitarian, educational, and philanthropic purposes“ (Hervorhebung durch den Verf.)). 336 Siehe aber N.J. Stat. § 14A:3-4 (1) (New Jersey 2001) („reasonable amounts“). 337 Vgl. Eisenberg C 973 ALI-ABA 1, 10 (American Law Institute – American Bar Association Continuing Legal Education ALI-ABA Course of Study, Oct. 6, 1994); Gevurtz Corporation Law S. 226. 338 So ansatzweise Abeltshauser Leitungshaftung S. 132 f. 339 Vgl. Eisenberg 17 Creighton L. Rev. 1, 13 (1984).

C. Materielle Überprüfbarkeit von Unternehmensspenden

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de.340 Feindliche Übernahmen berühren die Eigeninteressen der Geschäftsleiter der Zielgesellschaft, da diese bei Erfolg des Übernahmeversuchs den Verlust ihrer Position befürchten müssen. In der Entscheidung Unocal v. Mesa Petroleum ging der Delaware Supreme Court in einer solchen Konstellation deshalb von einem notwendigen Interessenkonflikt aus, der eine Verschärfung der business judgment rule verlange. 341 Das Gericht formulierte daraufhin eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, in der untersucht wurde, ob die Abwehrmaßnahme in einem angemessenen („reasonable“) Verhältnis zu der durch die feindliche Übernahme geschaffenen Bedrohung stehe.342 In jüngster Vergangenheit ist in der amerikanischen Literatur der Vorschlag gemacht worden, diese modifizierte business judgment rule auch bei der gerichtlichen Überprüfung von Unternehmensspenden anzuwenden, bei denen die Unternehmensleiter einen nicht-finanziellen Eigenvorteil erlangen.343 Begründet wird dies mit der zu der Konstellation der feindlichen Übernahmen angeblich vergleichbaren Gefahr der Verfolgung von Eigeninteressen bei Spendenentscheidungen.344 Wie aber die folgenden Ausführungen zeigen, spielt eine solche „Verhältnismäßigkeitsprüfung“ zumindest in Delaware bei der Überprüfung von Spendenentscheidungen nach dem derzeit geltenden Recht keine Rolle. Eine weitere Möglichkeit wäre allerdings die Einordnung des reasonableness test als ein speziell für die Fallgruppe von Unternehmensspenden entwickelter selbstständiger Prüfungsmaßstab, der als solcher mit der business judgment rule verknüpft wird. Dafür spricht die historische Entwicklung dieses Prüfungsmaßstabs als Ausgleich für die abnehmende Bedeutung der Ultra vires-Doktrin und des Gewinnmaximierungsprinzips. Auch der Wortlaut der Entscheidung Theodora Holding Corp. v. Henderson lässt sich für eine solche Einordnung ___________ 340 Diese amerikanische Rechtslage in diesem Bereich war auch in Deutschland schon Gegenstand intensiver Diskussion; vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 111 mwN. 341 Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946, 955 (Del. 1985). 342 Vgl. 493 A.2d 946, 955 („reasonable in relation to the threat posed“); diese Prüfung wurde in weiteren Leitentscheidungen konkretisiert bzw. teilweise auch leicht modifiziert; vgl. Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc. 506 A.2d, 173 (Del. 1986); Paramount Communications Inc. v. Time Inc. 571 A.2d 1150, 1153 (Del. 1990) Paramount Communications Inc. v. QVC Network 637 A.2d 34 (Del. 1994); siehe zur Modifizierung der business judgment rule im amerikanischen Recht auch Merkt ZHR 165 (2001), 224, 234 f. 343 Vgl. Balotti/Hanks 54 Bus. Law. 965, 993 (1999); siehe zur rechtlichen Behandlung von nicht-finanziellen Eigeninteressen im amerikanischen Recht auch oben 2. Kap. B. I. 2. c). 344 Siehe Balotti/Hanks 54 Bus. Law. 965, 993 (1999) („The standard for review of these contributions should not, however, be the business judgment rule because the ‚ever present specter‘ of self-interest glides through the boardroom as easily in this instance as when a change of control is proposed“).

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

des reasonableness test heranziehen, da dieser die Überprüfung der Spende außerhalb der business judgment rule vornimmt und eher in den Kontext der Ultra vires-Doktrin stellt.345 3. Die Corporate Waste Doctrine als Grundlage für den „Reasonableness Test“ In der Entscheidung Kahn v. Sullivan begründete der Delaware Supreme Court die Überprüfung der „reasonableness“ mit der Lehre von der Vermögensverschwendung („corporate waste doctrine“).346 Dabei handelt es sich in Bezug auf die business judgment rule um einen eigenständigen Ausschlusstatbestand, der insbesondere keinen Unterfall der Loyalitätspflichtverletzungen darstellt.347 Erforderlich für ihre Anwendbarkeit ist, dass die Gegenleistung für weggegebenes Gesellschaftsvermögen so unverhältnismäßig gering ist, dass keine vernünftige („reasonable“) Person der betreffenden Transaktion zustimmen würde.348 Diese Voraussetzungen für die Vermögensverschwendung werden von den Gerichten aber in der Regel so streng ausgelegt, dass diese Doktrin in der Praxis nur eine geringe Rolle spielt.349 Ein typisches Anwendungsfeld ist die gerichtliche Überprüfung von Managerbezügen. Auf den ersten Blick scheint die Corporate Waste Doctrine die Anwendung der business judgment rule im Zusammenhang mit Unternehmensspenden in hohem Maße zu gefährden. Dafür sprechen auch manche der in ihrem Zusammenhang gebrauchten Formulierungen. In der Entscheidung Lewis v. Vogelstein, die sich nicht mit Spenden befasste, stellte beispielsweise ein Delaware Court of Chancery Vermögensverschwendung begrifflich mit Geschenken gleich. 350 Daraus ließe sich grundsätzlich schließen, dass durch die corporate waste doctrine die ___________ 345 Vgl. Theodora Holding Corp. v. Henderson, 257 A.2d 398, 405 (Del. 1969) („the test to be applied on the validity of the gift“ (Hervorhebung durch den Verf.)); siehe aber 257 A.2d 398, 406 („reasonable corporate acts within the business judgment rule“). 346 Vgl. Kahn v. Sullivan, 594 A.2d 48, 61 (Del. 1991); siehe zur Corporate Waste Doctrine die nachfolgenden Ausführungen. 347 Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 93 f. 348 Vgl. Lewis v. Vogelstein 699 A.2d 327, 336 (Del. 1997) („an exchange of corporate assets for consideration so disproportionately small as to lie beyond the range at which any reasonable person might be willing to trade“); vgl. auch Saxe v. Brady, 184 A.2d 602, 610 (Del. Ch. 1962) („[a consideration] so inadequate in value that no person of ordinary, sound business judgment would deem it worth what the corporation has paid“). 349 Vgl. Zupnick v. Goizueta, 698 A.2d 384, 387 (Del. Ch. 1997); Block/Barton/ Radin, The Business Judgment Rule S. 96. 350 Vgl. Lewis v. Vogelstein, 699 A.2d 327, 336 (Del. Ch. 1997) („Such a transfer is in effect a gift“).

C. Materielle Überprüfbarkeit von Unternehmensspenden

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Anforderungen an einen unternehmensbezogenen Zweck für Spenden wieder erhöht werden könnten. Allerdings sah der Supreme Court von Delaware in der Entscheidung Kahn v. Sullivan die corporate waste doctrine lediglich als Aufhänger für die Anwendung der in Theodora Holding Corp. v. Henderson entwickelten Angemessenheitsprüfung.351 Ein zusätzlicher Prüfungsmaßstab ergibt sich damit aus der corporate waste doctrine im Zusammenhang mit Unternehmensspenden nur, wenn man die Reasonableness-Prüfung nicht, wie in anderen, oben diskutierten Entscheidungen suggeriert wird, unmittelbar aus dem Erfordernis der rationalen Nachvollziehbarkeit ableitet oder als Ergebnis einer historisch aus der Ultra vires-Doktrin verschärften fallgruppenbezogenen inhaltlichen Überprüfung von Unternehmensspenden wertet. Anderenfalls erlangt sie im Zusammenhang mit Unternehmensspenden keine eigenständige Bedeutung. Unabhängig von der dogmatischen Begründung bleibt jedenfalls festzuhalten, dass in den modernen Leitentscheidungen zu Unternehmensspenden die Reasonableness-Prüfung mit der business judgment rule verknüpft wird. In der Entscheidung Theodora Holding Corp. v. Henderson stellt das Gericht abschließend fest, dass die angegriffenen Spenden „reasonable acts within the business judgment rule“ waren.352 Auch in Kahn v. Sullivan werden die reasonableness-Prüfung und die business judgment rule im Ergebnis verknüpft.353 Die formale Begründung des reasonableness test ist deswegen im Ergebnis nicht entscheidend. Von größerer Bedeutung – insbesondere unter rechtsvergleichenden Gesichtspunkten – ist vielmehr die rechtliche Ausgestaltung dieses sehr allgemein formulierten Prüfungsmaßstabs. 4. Die inhaltliche Ausgestaltung des „Reasonableness Test“ a) Der „Reasonableness Test“ in Delaware Die Rechtsprechung Delawares hat in zwei Leitentscheidungen den reasonableness test im Ergebnis als Sonderfall hinsichtlich der objektiven Überprüfung von Spendenentscheidungen behandelt. In Theodora Holding Corp. v. Henderson berücksichtigte das Gericht den Wert der Spende, die finanzielle Situation des Unternehmens und die für die Allgemeinheit von der Spende zu erwartenden Vorteile.354 Dabei errechnete es zunächst die durch die Spende dem Unternehmen entstandenen Kosten unter Berücksichtigung der durch sie erlangten steuerlichen Vorteile. Allerdings ver___________ 351

Vgl. Kahn v. Sullivan, 594 A.2d 48, 61 (Del. 1991). Vgl. Theodora Holding Corp. v. Henderson, 257 A.2d 398, 406 (Del. Ch. 1969). 353 Vgl. Kahn v. Sullivan, 594 A.2d 48, 59-62 (Del. 1991). 354 Vgl. Theodora Holding Corp. v. Henderson, 257 A.2d 398, 405 (Del. Ch. 1969). 352

2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

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suchte es nicht, die mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile zu messen, sondern ging ohne weitere Begründung davon aus, dass diese größer seien als die durch die Spende verursachten Kosten. Eine inhaltliche Prüfung der wirtschaftlichen Vernünftigkeit dieser Spende fand damit im Ergebnis nicht statt. Allerdings stellte das Gericht fest, dass die in der Klage angegriffenen Transaktionen weder bei isolierter noch bei gemeinsamer Betrachtung zu einer Existenzgefährdung des Unternehmens geführt hatten.355 In erster Linie maßgeblich für die Reasonableness-Prüfung waren für das Gericht die steuerlichen Regelungen über die Absetzbarkeit von Unternehmensspenden.356 Das Gericht verzichtete dabei auf eine gesonderte Begründung für die Heranziehbarkeit der steuerrechtlichen Wertungen. Inhaltlich wurde geprüft, ob die Spendenhöhe nicht die Absetzbarkeitsgrenze von damals 5% des zu versteuernden Einkommens überschritten hatte. In Kahn v. Sullivan stützte sich der Delaware Supreme Court auf die Entscheidung Theodora Holding Corp. v. Henderson und wendete die gleichen Kriterien an.357 Neben den in erster Linie maßgeblichen steuerrechtlichen Wertungen waren danach auch der Jahresgewinn, die Steuervorteile und der Bilanzwert des spendenden Unternehmens zu berücksichtigen. 358 Allerdings nahm hier das Gericht keine Abwägung dieser Faktoren vor, sondern beließ es bei einer bestenfalls summarischen Prüfung. Anders als der Chancellor in der Entscheidung Theodora Holding Corp. v. Henderson legte der Delaware Supreme Court in Kahn v. Sullivan eindeutig das Hauptgewicht der Prüfung nicht auf die Reasonableness-Prüfung, sondern auf die (prozeduralen) Voraussetzungen der business judgment rule. b) Exkurs: Die steuerrechtliche Behandlung von Unternehmensspenden Da die steuerliche Absetzbarkeit von Unternehmensspenden in Delaware das entscheidende Merkmal bei der Reasonableness-Überprüfung darstellt, soll im Folgenden kurz die steuerrechtliche Behandlung dieser Spenden nach dem heute geltenden Recht dargestellt werden. Unternehmensspenden sind grundsätzlich auf zwei verschiedenen Wegen steuerlich absetzbar. Zum einen können sie nach § 162 (a) Internal Revenue Code (im Folgenden „I.R.C.“) als betriebliche Ausgabe (ordinary business expense) den zu ___________ 355

Vgl. 257 A.2d 398, 406. Vgl. 257 A.2d 398, 405 („[…] a test in which the provisions of of the Internal Revenue Code pertaining to charitable gifts furnish a helpful guide“). 357 Vgl. Kahn v. Sullivan, 594 A.2d 48, 61 (Del. Supr. Ct. 1991). 358 Vgl. 594 A.2d 48, 61. 356

C. Materielle Überprüfbarkeit von Unternehmensspenden

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versteuernden Gewinnbetrag mindern. Zum anderen können sie aber auch unter die Absetzbarkeitsregelungen des § 170 (a) I.R.C. fallen.359 Die Abgrenzung zwischen § 170 und § 162 richtet sich nach der in § 170 (c) geregelten Definition von „charitable contributions“. Danach ist eine „charitable contribution“ eine „contribution or gift“ für bestimmte, im Gesetz aufgezählte Arten von gemeinnützigen Empfängerorganisationen. Nach Treasury Regulation 1.270A-1(c) (5) setzt das Merkmal „contribution or gift“ voraus, dass das Unternehmen für die Spende keinen entsprechenden wirtschaftlichen Vorteil erwarten durfte.360 Anders als im amerikanischen Gesellschaftsrecht ist daher im amerikanischen Steuerrecht die Zulässigkeit von nicht-gewinnmaximierendem Verhalten eindeutig anerkannt.361 Fällt eine Spende in den Überlappungsbereich zwischen diesen beiden Normen, ist gemäß § 162 (b) I.R.C. § 170 I.R.C. vorrangig anzuwenden.362 Die steuerrechtliche Abgrenzung zwischen den §§ 162 und 170 I.R.C. ist aber im Hinblick auf die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit von Unternehmensspenden unerheblich, da die beiden einschlägigen Entscheidungen aus Delaware in ihrer Begründung nur auf die inhaltliche Regelung von § 170 I.R.C. Bezug nehmen.363 Nach § 170 (a) (1) Internal Revenue Code sind Spenden an gemeinnützige Organisationen (charitable organisations) steuerlich absetzbar. Der Begriff der gemeinnützigen Organisation wird in § 170 (c) des Codes definiert. Danach sind zunächst Spenden an die Vereinigten Staaten, einen ihrer Bundesstaaten oder einer ihrer unteren Verwaltungseinheiten (political subdivisions) zulässig. 364 Staatliche Verwaltungseinheiten sind z.B. auch öffentliche Schulen oder Feuer___________ 359

Vgl. Knauer 44 DePaul L. Rev. 1, 41 (1994). Vgl. 1.270.A-1(c) (5) „[…] no reasonable expectation of financial return commensurate with the amount of the transfer“; vgl. dazu Knauer 44 DePaul L. Rev. 1, 35 ff. (1994). 361 Knauer 44 DePaul L. Rev. 1, 4 ff. (1994) sieht darin das „Paradox of Corporate Giving“, da Unternehmensspenden gesellschaftsrechtlich gewinnmaximierende Investitonen zu sein haben, steuerrechtlich aber gerade nicht den wirtschaftlichen Eigeninteressen des Unternehmens dienen sollen; ähnlich auch Sugin 41 N.Y. L. Sch. Rev. 835, 855 (1997); E.C. Lashbrooke, 22 Pac. L. J. 221, 228 ff. (1991). 362 § 162 (b) I.R.C. lautet: „No deduction shall be allowed under subsection (a) for any contribution or gift which would be allowable as a deduction under section 170 were it not for the percentage limitations, the dollar limitations, or the requirements as to the time of payment, set forth in such section.“ Durch diese Kollisionsnorm wird auch die Umgehung der in § 170 I.R.C. geltenden Spendenobergrenzen vermieden. 363 Vgl. Theodora Holding Corp. v. Henderson, 257 A.2d 398, 404 (Del. Ch. 1969); Kahn v. Sullivan, 594 A.2d 48, 61 (Del. 1991). 364 Vgl. § 170 (c) (1) („A State, a possession of the United States, or any political subdivision of any of the foregoing, or the United States or the District of Columbia, but only if the contribution is made for exclusively public purposes“). 360

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

wehren.365 Weiterhin sind nach I.R.C. § 170 (c) (2) Spenden an corporations, trusts, Fonds und Stiftungen erlaubt, die ausschließlich religiösen, wohltätigen, wissenschaftlichen, literarischen Zwecken dienen oder Bildung, Sportwettbewerbe, den Kinderschutz oder den Tierschutz fördern. Die Spendengelder müssen in den USA verwendet werden.366 Diese Liste ist weitgehend deckungsgleich mit den in I.R.C. § 501 (c) (3) steuerbefreiten Organisationen (taxexempt organisations).367 Ferner sind Spenden an Veteranenorganisationen und Friedhofsgemeinschaften erlaubt.368 Nicht steuerlich absetzbar sind allerdings Spenden an Einzelpersonen oder an nicht organisierte Personengruppen. Der Internal Revenue Code begrenzt den Betrag, der für Spenden steuerlich absetzbar ist, auf 10% des jährlichen Einkommens des Unternehmens, vgl. § 170 (b) (2) I.R.C. c) Die Kritik an der Heranziehung steuerrechtlicher Regelungen in der amerikanischen Literatur In der amerikanischen Literatur werden diese steuerrechtlichen Grundsätze sowie ihre Heranziehung bei der Beurteilung der gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit von Unternehmensspenden kritisiert.369 10% des Jahresgewinns seien ein im Verhältnis zu den tatsächlich in den USA getätigten Spenden sehr großzügiger Rahmen.370 Zudem wird dieser Regelung vorgeworfen, die im Steuerrecht vorgenommene teilweise Aufgabe der Gewinnmaximierungsmaxime ins Gesellschaftsrecht ausstrahlen zu lassen und so den nach dem Principal/Agent-Modell notwendigen Aktionärsschutz übermäßig einzuschränken.371

___________ 365 Vgl. Lindsay 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 825, 827 (1997); siehe z.B. Phipps v. School Distr. 111 F.2d 393, 394 (3rd Cir. 1940) (für Schulen). 366 Vgl. § 170 (c) IRC („For purposes of this section, the term ‚charitable contribution‘ means a contribution or gift to or for the use of – […] (2) A corporation, trust, or community chest, fund, or foundation – […] (B) organized and operated exclusively for religious, charitable, scientific, literary, or educational purposes, or to foster national or international amateur sports competition […], or for the prevention of cruelty to children or animals“). 367 Vgl. auch Lindsay 41 N.Y.L. Sch. L. Rev. 825, 827 (1997). 368 Vgl. I.R.C. § 170 (c) (3), (5). 369 Vgl. Kahn 44 UCLA 579, 606 ff. (1997). 370 Vgl. Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 607 (1997) (mit Verweis auf die Studie American Association of Fundraising Counsel („AAFRC“) The Annual Report on Philanthropy for the Year 1995 S. 90, wonach Großunternehmen im Durchschnitt nur 1,24% ihrer Gewinne vor Steuern spendeten). 371 Vgl. Kahn 44 UCLA L. Rev. 579, 607 f. (1997); Lashbrooke 22 Pac. L. Journal 221, 222 f. (1991) (für eine Abschaffung von § 170 I.R.C. aus Aktionärsschutzgründen).

C. Materielle Überprüfbarkeit von Unternehmensspenden

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d) Die Reasonableness-Prüfung außerhalb Delawares Die Heranziehung steuerrechtlicher Grundsätze findet sich noch nicht in den – allerdings älteren – Entscheidungen zu Unternehmensspenden in den Jurisdiktionen außerhalb Delawares. Dafür spielen, anders als in Delaware, Gewinnmaximierungserwägungen eine etwas größere Rolle. Wie bereits oben dargestellt, prüften die Gerichte in den Fällen Memorial Hospital Association v. Pacific Grape Products Co. und Union Pacific R.R. v. Trustees, Inc. die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Vorteils.372 Dieser wird aber in der Entscheidung A.P. Smith v. Barlow faktisch unwiderleglich vermutet, da hier der Vorteil in der Erfüllung der gesamtgesellschaftlichen Erwartungen als Beitrag zur Erhaltung der Marktwirtschaft gesehen wird.373 Allerdings waren die Spendenbeträge in allen drei Fällen so niedrig, dass sich die Frage nach der zulässigen Spendenhöhe nicht stellte. In der A.P. Smith-Entscheidung ging es um eine Spende von $ 1.500 und in den Fällen Union Pacific R.R. Co. und Pacific Grape Products Co. um Spendenbeträge von jeweils $ 5.000. Angesichts der hohen überregionalen Bedeutung des Gesellschaftsrechts von Delaware ist eine Übernahme der dort geltenden Grundsätze bei höheren Spendenbeträgen in anderen Bundesstaaten wahrscheinlich. Das American Law Institute möchte die Reasonableness-Prüfung um das Element der Branchenüblichkeit ergänzen („customary level of the expenditures and assets“).374 Dementsprechend geht dieser Ansatz davon aus, dass Unternehmensspenden mit solchen von anderen corporations ähnlicher Größe in der gleichen Branche verglichen werden können.375 Ein weiterer vom American Law Institute vorgeschlagener Faktor ist der Zusammenhang, der zwischen dem von der Gesellschaft betriebenen Unternehmen und der Verwendung ihrer Gelder besteht.376 5. Zusammenfassung Die business judgment rule erlaubt in ihrem Anwendungsbereich nur eine sehr eingeschränkte Überprüfung von unternehmerischen Entscheidungen. Der grundsätzlich geltende Prüfungsmaßstab ist derjenige der „rationalen Nachvollziehbarkeit“ („rational belief test“). Spendenentscheidungen werden an___________ 372 Vgl. Memorial Hospital Ass’n v. Pacific Grape Products Co. 290 P.2d 481, 483 (Cal. 1955); Union Pacific R.R. Co. v. Trustees, Inc., 329 P.2d 398, 402 (Utah, 1958). 373 Vgl. A.P. Smith Mfg. Co. v. Barlow 98 A.2d 581, 586 (N.J. 1953); siehe dazu oben 2. Kap. B. III. 3. b). 374 Vgl. ALI Principles of Corporate Governance § 2.01 Reporter’s Note 2. 375 Vgl. ALI Principles of Corporate Governance § 2.01 Reporter’s Note 2. 376 Vgl. ALI Principles on Corporate Governance § 2.01 Reporter’s Note 2 („strength of the nexus between the use of corporate resources and the corporation’s business“).

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

hand eines speziell zu dieser Fallgruppe entwickelten reasonableness test überprüft. Die formalen Begründungen für diesen Prüfungsmaßstab sind unterschiedlich. Auf der einen Seite lässt sich der reasonableness test als spezielle Ausprägung des rational belief test werten, auf der anderen Seite wurde er schon mit der corporate waste doctrine begründet. Diese beiden Begründungen können aber auch nebeneinander stehen. Nach der modernen Rechtsprechung Delawares werden im Rahmen der Reasonableness-Überprüfung in erster Linie die Grundsätze der steuerlichen Absetzbarkeit von Unternehmensspenden herangezogen. Da diese gerade nicht von dem gewinnmaximierenden Charakter von Spenden ausgehen, findet damit im Ergebnis bei der materiellen Überprüfung von Unternehmensspenden grundsätzlich keine Überprüfung ihrer möglichen Profitabilität statt.377 In den während der fünfziger Jahre ergangenen Entscheidungen wurde dagegen zumindest die Möglichkeit der wirtschaftlichen Rentabilität von Unternehmensspenden noch geprüft. Weiterhin beachtet werden – auch in den neueren Entscheidungen – die durch die Spende verursachten Kosten und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens selbst. III. Verstoß gegen außergesellschaftsrechtliche Verbotsgesetze Den zweiten Ansatzpunkt für die inhaltliche Überprüfung von Spendenentscheidungen bilden die allgemeinen Verbotsgesetze. Spenden können Rechtsverletzungen darstellen. Dies gilt in erster Linie für Spenden, die einen (partei-) politischen Bezug haben. In den Vereinigten Staaten sind politisch motivierte Spenden teilweise streng reglementiert. 378 Illegale Parteispenden werden in vielen Fällen unstrittig den oben diskutierten good faith test bestehen, da auch eine auf illegale Weise betriebene „politische Landschaftspflege“ häufig mit dem Prinzip der Profitmaximierung vereinbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn einerseits die Spenden der Durchsetzung einer für die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens vorteilhaften Politik dienen und andererseits Wahrscheinlichkeit und Schwere der Sanktionen für den Rechtsverstoß diese Vorteile nicht aufwiegen. Deswegen stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die business judgment ___________ 377 Allerdings wurde, wie oben dargestellt, im Rahmen einer Gesamtabwägung bei der Bewertung des zugrunde liegenden Prozessvergleichs durchaus auch auf die Vorteile der Spende abgestellt. Dies fand aber außerhalb der reasonableness-Prüfung statt; vgl. Kahn v. Sullivan 594 A.2d 48, 62 (Del. 1991). 378 Maßgeblich für die Regulierung von politischen Spenden ist, neben verschiedenen einzelstaatlichen Regelungen, vor allem der Federal Election Campaign Act von 1971 (FECA). Siehe dazu Kulitz Unternehmerspenden S. 109 ff. Dieses Gesetz wurde zuletzt durch den Bipartisan Campaign Reform Act von 2002 geändert, um seine Umgehung durch sog. Soft Money Donations zu erschweren.

C. Materielle Überprüfbarkeit von Unternehmensspenden

103

rule Unternehmensleiter auch bei Spenden schützt, die gegen außerhalb des Gesellschaftsrechts stehende Verbotsgesetze verstoßen. Im Zusammenhang mit Spenden gibt es hierzu im amerikanischen Recht einige Entscheidungen, die leicht voneinander abweichen. Miller v. American Telephon and Telegraph Co. (AT&T) ist die am meisten zitierte Entscheidung zu dieser Frage.379 In diesem Fall verklagten Anteilseigner die Unternehmensleitung von AT&T, weil diese sich weigerte, vom Democratic National Committee einen geschuldeten Betrag von $ 1,5 Mio. einzutreiben. Die Kläger stützten sich u.a. darauf, dass dies einen Verstoß gegen das Parteispendenverbot darstelle. In seiner Entscheidung stellte das Gericht zunächst klar, dass grundsätzlich Entscheidungen über die Eintreibung ausstehender Schulden von der business judgment rule geschützt seien. 380 Allerdings erklärte das Gericht die business judgment rule in Bezug auf Entscheidungen, die gegen Verbotsgesetze verstoßen, für nicht anwendbar.381 Ein ähnlicher Sachverhalt lag der fast zeitgleich mit dem Miller-Fall ergangenen Entscheidung Schwartz v. Romnes zugrunde. 382 Hier hatte wiederum AT&T (genauer das Tochterunternehmen N.Y. Telephone) mit einer Spende von $ 50.000 ein Referendumsbegehren unterstützt.383 Anders als der District Court verneinte der Federal Court of Appeals for the Second Circuit in der zweiten Instanz die Verletzung von Parteispendengesetzen und erklärte die Spende für zulässig.384 Von höherer Bedeutung war allerdings ein darüber hinaus in dieser Entscheidung enthaltenes obiter dictum, in dem das Gericht andeutete, dass es das erstinstanzliche Urteil gegen die Unternehmensleitung auch bei Vorliegen eines Verstoßes gegen Spendengesetze aufgehoben hätte.385 Da in diesem Fall die Beklagten aufgrund juristischer Beratung von der Rechtmäßigkeit der Spende ausgingen, lässt sich dieses Diktum möglicher___________ 379

1974). 380

Miller v. American Telephone and Telegraph Co., 507 F.2d 759 (3rd Circuit,

Vgl. 507 F.2d 759, 762. Vgl. 507 F.2d 759, 762 („Where, however, the decision not to collect a debt owed the corporation is itself alleged to have been an illegal act, different rules apply. When New York law regardings such acts by directors is considered in a conjunction with the underlying purposes of the particular statute involved here, we are convinced that the business judgment rule cannot insulate the defendant directors from liability if they did in fact breach § 18 U.S.C. 610., as plaintiffs have charged“). 382 Schwartz v. Romnes, 495 F.2d 844 (2nd Circuit 1974). 383 Bei dem Referendum ging es um die Ausgabe von staatlichen Anleihen zur Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen („transportation bond issue“). 384 Vgl. 495 F.2d 844, 848 ff., 854; vgl. zur erstinstanzlichen Entscheidung Schwartz v. Romnes 357 F. Supp. 30 (S.D.N.Y. 1973). 385 Vgl. 495 F.2d 844, 848 Fn. 5. 381

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2. Kapitel: Unternehmensspenden im amerikanischen Recht

weise mit dem fehlenden Vorsatz der Beklagten begründen.386 Ein in unserem Zusammenhang bedeutenderer Streitpunkt hinsichtlich der Anwendbarkeit der business judgment rule bei Verstoß gegen Verbotsgesetze ergibt sich aber aus der Begründung zur Entscheidung Miller v. AT&T.387 Denn das Gericht diskutierte in seiner Urteilsbegründung auch den Zweck der Verbotsnorm. Danach hatte das betreffende Parteispendengesetz einerseits den Zweck, das Wahlsystem vor dem Einfluss von Unternehmen zu schützen, andererseits diente es aber auch dem Schutz der Anteilseigner der corporation. 388 Zudem verwies das Gericht im weiteren Verlauf der Begründung darauf, dass die Aktionäre in den Schutzbereich der Norm fielen.389 Aus dieser Begründung ließe sich also entnehmen, dass eine Einschränkung der business judgment rule nur dann in Betracht kommt, wenn die Aktionäre oder die corporation in den Schutzbereich der verletzten Verbotsnorm fallen. Die überwiegende Auffassung in der Literatur sowie das American Law Institute lehnen aber eine solche Einschränkung ab. 390 Im Zusammenhang mit Unternehmensspenden ist diese Frage aber nur von sehr begrenzter Relevanz, da Spendenverbote in der Regel auch die Interessen der Aktionäre, etwa im politischen Bereich ihre negative Meinungsfreiheit, schützen. IV. Zusammenfassung Bei der materiellen Überprüfung von Unternehmensspenden gibt es zwei bedeutende Ansatzpunkte. In erster Linie wird die reasonableness der Spendenentscheidung überprüft, in zweiter Linie die Vereinbarkeit der Spende mit etwaigen Verbotsgesetzen. Die formale Begründung des reasonableness test ist nicht ganz eindeutig, die Prüfung wird aber in jedem Fall mit der business judgment rule verknüpft. Zumindest in Delaware reduziert sich die Überprüfung der Angemessenheit von Unternehmensspenden weitgehend auf ihre Vereinbarkeit mit steuerrechtlichen Grundsätzen und schränkt das unternehmerische Ermessen bei Spen___________ 386

Vgl. 495 F.2d 844, 848. Vgl. Gevurtz Corporation Law S. 314. 388 Vgl. Miller v. American Tel. & Tel. Co., 507 F.2d 759, 763 (3rd Circ. 1974) („That statute and its predecessor reflect congressional efforts: (1) to destroy the influence of corporations over elections through financial contributions and (2) to check the practice of using corporate funds to benefit political parties without the consent of the shareholders“). 389 507 F.2d 759, 763. 390 Vgl. Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 91; ALI Principles of Corporate Governance 2.01 (b) (1) und Comment d; Arsht 8 Hofstra L. Rev. 93, 129 f. (1979); a.A. Fischel 35 Van. L. Rev. 1259, 1271 (1982). 387

C. Materielle Überprüfbarkeit von Unternehmensspenden

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denentscheidungen in der Praxis daher nur wenig ein. Entscheidend bei der Überprüfung von Unternehmensspenden bleiben daher im Ergebnis die allgemein geltenden prozeduralen Anforderungen der business judgment rule. Daneben führt aber auch ein Verstoß gegen Verbotsgesetze, insbesondere gegen das Parteispendenverbot, zur Unanwendbarkeit der business judgment rule und damit in der Regel zur Haftung der verantwortlichen Geschäftsleiter.

Drittes Kapitel

Unternehmerisches Ermessen des Vorstands bei der Vergabe von Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht A. Die Entscheidungszuständigkeit des Vorstands für Unternehmensspenden I. Unternehmensspenden als Zuständigkeitsproblem im deutschen Aktienrecht Die in der deutschen Literatur zum Aktiengesellschaftsrecht seit Jahrzehnten geführte Debatte über Unternehmensspenden und spendenähnliche Aufwendungen beschränkt sich traditionell nicht auf die Frage der Grenzen, die dem Vorstand bei der Entscheidung über Unternehmensspenden gesetzt sind. Zentraler Ausgangspunkt für die in den fünfziger Jahren begonnene Debatte über die Zulässigkeit von Unternehmensspenden war vielmehr die innergesellschaftliche Zuständigkeitsverteilung und damit die Frage, ob der Vorstand über Unternehmensspenden entscheiden darf.1 Die Debatte über die Entscheidungszuständigkeit des Vorstands in diesem Bereich wird auch in der jüngeren Literatur fortgeführt, sodass von einer Erledigung noch keine Rede sein kann.2 II. Die Spenden als Teil der dem Vorstand nach §§ 76, 77 AktG obliegenden Geschäftsführungszuständigkeit 1. Spenden als Geschäftsführungsmaßnahmen Nach § 76 Abs. 1 AktG obliegt die Geschäftsleitung dem Vorstand als Kollegialorgan in eigener Verantwortung. § 77 Abs. 1 AktG regelt die Geschäftsführungskompetenz des Vorstands.3 Das genaue Verhältnis dieser beiden Begriffe ist umstritten. Nach der heute wohl herrschenden Meinung beschreibt die Geschäftsleitungskompetenz nur die Führungsfunktion des Vorstands, während die Geschäftsführungskompetenz weiter geht und jedes rechtliche und tatsäch___________ 1 Vgl. dazu schon Meilicke NJW 1959, 409. Die gesellschaftsrechtlichen Zuständigkeitsregeln werden zum Teil auch als Ermessensgrenzen eingeordnet; siehe auch Roth Unternehmerisches Ermessen S. 66. 2 Siehe dazu Philipp AG 2000, 62 ff.; Mertens AG 2000, 157 ff. 3 Vgl. Hüffer § 76 AktG Rn. 7.

A. Die Entscheidungszuständigkeit des Vorstands für Unternehmensspenden 107

liche Handeln des Vorstands umfasst.4 Die Geschäftsführung wäre nach dieser Auffassung also der Oberbegriff. Nach einer anderen Auffassung bezieht sich die Geschäftsführung nur auf die Verwaltung der Gesellschaft, während zur Leitungskompetenz zusätzlich die Festlegung der Unternehmenspolitik und die Entscheidungen über die zu übernehmenden geschäftlichen und finanziellen Risiken gehören.5 Nach der dritten Auffassung sind Geschäftsleitung und Geschäftsführung hinsichtlich der innergesellschaftlichen Verhältnisse (teilweise) identische Begriffe.6 Im Hinblick auf die innergesellschaftliche Zuständigkeit kommt es aber auf die genaue Einordnung dieser Begriffe nicht an.7 Spendenentscheidungen lassen sich nach jeder Meinung grundsätzlich als Geschäftsführungsmaßnahmen einordnen, da es sich bei ihnen in der Regel um Einzelfallentscheidungen ohne grundlegende Auswirkungen auf das Unternehmen handelt. Allerdings könnte sich aus dem Aktiengesetz eine anderweitige Zuständigkeitsverweisung für Spenden ergeben. Diese Frage soll in den folgenden Abschnitten untersucht werden. 2. Anderweitige Kompetenzzuweisung durch § 58 Abs. 3 S. 2 AktG Spenden könnten als anderweitige Gewinnverwendung im Sinne von § 58 Abs. 3 S. 2 AktG gewertet werden und somit in den Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung fallen.8 Dies wäre dann der Fall, wenn die für die Spende verwendeten Mittel aus dem Bilanzgewinn entnommen würden. Diese Ansicht wird vor allem in der älteren Literatur vertreten.9 Sie entspricht auch der im RegE zu § 58 Abs. 3 formulierten Begründung, nach der diese Norm die Zuwendungen an Dritte, insbesondere an gemeinnützige Anstalten, regeln sollte.10 Gegen diese Ansicht spricht, dass Spenden in der Praxis bereits in der Gewinn- und Verlustrechnung berücksichtigt werden.11 Da die Gewinn- und Ver___________ 4 Vgl. Hüffer § 76 AktG Rn. 7; MünchHdb. AG/Wiesner § 19 Rn. 12; KK-Mertens § 76 AktG Rn. 4; Würdinger Aktienrecht S. 119. 5 Vgl. Geßler/Hefermehl § 76 AktG Rn. 10 (wobei dieser von der Identität von Geschäftsführung und Geschäftsleitung ausgeht, wenn man letzteren Begriff nicht ausschließlich auf die Verwaltungstätigkeit beschränkt). 6 Vgl. Semler Leitung S. 8; Dose Rechtsstellung S. 48 ff., der die Geschäftsleitung als Oberbegriff für Vertretung und Geschäftsführung sieht. 7 So im Ergebnis auch KK-Mertens § 76 AktG Rn. 4. 8 Vgl. dazu Kulitz Unternehmerspenden S. 158 (allerdings nur auf politische Spenden bezogen); Meilicke NJW 1959, 409, 410 ff. 9 Vgl. Meilicke NJW 1959, 409 ff. 10 RegE Kropff Aktiengesetz S. 78. 11 Vgl. Barz, in: Großkommentar AktG, 3. Auflage, § 58 Anm. 24/25; Henze, in: Hopt/Wiedemann AktG § 58 Rn. 81; KK-Lutter AktG § 58 Rn. 76; siehe dazu auch Fleischer AG 2001, 171, 177.

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

lustrechnung eine der Grundlagen für die Berechnung des Bilanzgewinns ist, stehen solche Spenden begrifflich außerhalb des Bilanzgewinns, dessen Verteilung in § 58 Abs. 3 AktG geregelt wird.12 Zudem würde eine solche Interpretation des § 58 AktG darauf hinauslaufen, dass man § 58 Abs. 3 und 4 AktG zur Begründung eines Anspruchs auf Erwirtschaftung eines möglichst hohen Gewinns heranziehen könnte. Dies ist aber mit dem Regelungen von § 58 Abs. 3 und 4 AktG nicht vereinbar.13 Vielmehr ergibt sich aus § 58 Abs. 4 AktG nur ein Gewinnverteilungsanspruch, der erst mit dem formalen Hauptversammlungsbeschluss über Gewinnfeststellung und Gewinnverwendung entsteht.14 Auch praktische Erwägungen sprechen gegen die zwingende Übertragung der Entscheidungszuständigkeit über Spenden an die Hauptversammlung. Der Spendenbedarf der Empfänger und die mit der Spendenvergabe verbundenen Interessen sind für die Gesellschaft nicht für ein Jahr im Voraus planbar. Wenn man entsprechend der zum amerikanischen Recht dargestellten Diskussion davon ausgeht, dass Spenden den erwerbswirtschaftlichen Zielen eines Unternehmens dienen können, so wird dieses mittelbare Ziel beispielsweise gerade in der Reaktion auf einen aktuellen – etwa durch Katastrophen entstandenen – Spendenbedarf erreicht werden können. Da eine Hauptversammlung aber nur jährlich stattfindet, wäre diese schnelle Reaktionsmöglichkeit bei Annahme der Hauptversammlungszuständigkeit sehr eingeschränkt. 15 Eine weitere praktikable Erwägung liegt in der größeren Sachnähe des Vorstands, der eher die Angemessenheit und die Vereinbarkeit einer Spende mit den erwerbswirtschaftlichen Zielen beurteilen kann als die Hauptversammlung.16 3. Zuständigkeitsverweisung an die Hauptversammlung aus § 179 AktG in Verbindung mit Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck In der Satzung einer Aktiengesellschaft ist die Festlegung des Unternehmensgegenstands gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG zwingend vorgeschrieben. Dieser kann nach § 179 Abs. 1 AktG nur von der Hauptversammlung geändert werden. Der Gesellschaftszweck braucht zwar nicht ausdrücklich in der Satzung festgelegt zu werden. 17 Ist dies aber der Fall, bedarf eine Änderung des Gesellschafts___________ 12

Zur Ermittlung des Bilanzgewinns siehe Hüffer AktG § 158 Rn. 6. Vgl. Mertens AG 2000, 157, 160. 14 Vgl. KK-Lutter § 58 AktG Rn. 83; Grossmann Unternehmensziele S. 63 ff. 15 Vgl. OLG Hamburg AG 1964, 45, 48. 16 Vgl. Fleischer AG 2001, 171, 177. 17 Zur Ermittlung des Gesellschaftszwecks bei nicht ausdrücklicher Regelung in der Satzung siehe unten 3. Kap. C. I. 2. a) bb). 13

A. Die Entscheidungszuständigkeit des Vorstands für Unternehmensspenden 109

zwecks nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung aus Vertrauensschutzgründen sogar über den Wortlaut von § 179 Abs. 2 AktG hinaus nicht nur einer qualifizierten Mehrheit, sondern der Zustimmung aller Aktionäre.18 In der Literatur wird teilweise vertreten, dass sich aus § 179 Abs. 2 AktG in Verbindung mit diesen Satzungsregelungen die (ausschließliche) Zuständigkeit der Hauptversammlung für solche Entscheidungen ergibt, die außerhalb der satzungsmäßigen Grenzen von Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck liegen. 19 Dies würde auch für Unternehmensspenden gelten, wenn diese vom Gesellschaftszweck oder dem Unternehmensgegenstand nicht umfasst wären. Daran ist richtig, dass der Vorstand nach § 82 Abs. 2 AktG an die Satzung gebunden ist. Daher kann die Hauptversammlung grundsätzlich durch entsprechende Beschlüsse (z.B. durch Einfügung einer Allgemeinwohlklausel in die Satzung) die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit von Spenden im Vorfeld klarstellen. Allerdings ist der Schluss, dass jede einmalige Übertretung der durch die Satzung gezogenen Grenzen gleichzeitig eine „faktische“ Satzungsänderung enthält, nicht zwingend. Dies würde heißen, Satzungsverstoß und Satzungsänderungsversuch gleichzustellen. Eine Satzungsänderung wird aber häufig von den verantwortlichen Entscheidungsträgern gar nicht gewollt sein. Deswegen ist es naheliegender, solche Satzungsverstöße als Pflichtverstöße im Rahmen von § 93 AktG zu berücksichtigen und damit nicht als Zuständigkeitsproblem zu behandeln.20 4. Ungeschriebene Vorlagepflicht des Vorstands entsprechend § 119 Abs. 2 AktG? Der Bundesgerichtshof hat in der Holzmüller-Entscheidung eine – ungeschriebene – Vorlagepflicht des Vorstands bei bestimmten Geschäftsführungsfragen bejaht.21 Allerdings ist nach dieser Rechtsprechung Voraussetzung, dass es sich dabei um bestimmte „grundlegende Entscheidungen“ des Vorstands handelt, die einen tiefen Eingriff in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörperten Vermögensinteressen darstellen. Es ist in der Literatur umstritten, ob dieses Urteil des Bundesgerichtshofs zur Begründung einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit heran___________ 18 Vgl. Röhricht, in: Hopt/Wiedemann § 23 AktG Rn. 93; KK-Zöllner § 179 AktG Rn. 111; a.A. Hopt/Wiedemann § 179 Rn. 56 (für bloße Mehrheitsentscheidung). 19 So im Ansatz Mertens AG 2000, 157, 159. 20 Vgl. Hüffer § 179 AktG Rn. 9. Die in der deutschen Literatur gebrauchte Terminologie ist in diesem Bereich aber nicht ganz einheitlich. Anders als in dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Ansatz wird häufig allgemein der Begriff der Spendenkompetenz zum Gegenstand der Diskussion gemacht und dabei nicht zwischen Entscheidungszuständigkeit und Sorgfaltspflicht unterschieden. So zuletzt Fleischer AG 2001, 171, 175. 21 Vgl. BGHZ 83, 122, 131.

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

gezogen werden kann oder ob sie lediglich eine Ermessensbindung des Vorstands hinsichtlich der in § 119 Abs. 2 AktG normierten Vorlagemöglichkeit vorsieht.22 Der Wortlaut der Entscheidung spricht für die Annahme einer Ermessensbindung. Im Rahmen dieser Arbeit bedarf es allerdings keiner Stellungnahme zu diesem Streit, da Konstellationen, in denen Unternehmensspenden grundlegende Entscheidungen darstellen, schlechterdings nicht vorstellbar sind. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung auf die Ausgliederung eines Unternehmensteils Bezug genommen. Mit einer Unternehmensspende ist eine solche Strukturentscheidung nicht vergleichbar. Sicherlich kann eine Spende die Aktionärsrechte insoweit beeinträchtigen, als sie kurzfristig zu geringeren Dividendenauszahlungen führen kann. Allerdings stellen Spenden regelmäßig keine Änderung des Kapitalanlageobjekts selbst dar. III. Zwischenergebnis Die Entscheidungszuständigkeit des Vorstands für Unternehmensspenden ist trotz des Fehlens einer ausdrücklichen Zuständigkeitszuweisung mit der heute absolut herrschenden Meinung zu bejahen. 23 Spendenentscheidungen lassen sich begrifflich unter den Geschäftsführungsbegriff subsumieren, da sie Teil der Verwaltungstätigkeit sind. Sie fallen auch nicht unter die anderweitigen Zuständigkeitsverweisungen im Aktiengesetz.

B. Die Bedeutung des unternehmerischen Ermessens bei der innergesellschaftlichen Vorstandshaftung im deutschen Recht I. Die Anerkennung des unternehmerischen Ermessens von Vorstandsmitgliedern im deutschen Recht Der Entscheidungszuständigkeit des Vorstands bei der Vergabe von Unternehmensspenden steht die in § 93 Abs. 1 AktG normierte Pflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. § 93 Abs. 2 S. 1 AktG sieht bei einem Verstoß gegen das Gebot eine Haftung des Vorstands für den dadurch verursachten Schaden vor.

___________ 22 Vgl. MünchHdb.AktG/Semler § 34 Rn. 34 ff. für die Annahme einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit; für eine Ermessensbindung vgl. z.B. Mertens AG 2000, 157, 162; Hüffer § 119 AktG Rn. 16. 23 Einschränkend kürzlich Philips AG 2000, 62, 65 f.

B. Ermessen und innergesellschaftliche Vorstandshaftung – deutsches Recht 111

Bei der Sorgfaltspflicht der Vorstandsmitglieder handelt es sich um einen ausfüllungsbedürftigen Begriff. Anders als im amerikanischen Recht kann bei der Überprüfung von Unternehmensspenden nicht auf gesetzliche Spezialregelungen zurückgegriffen werden. Zwar existieren im Aktiengesetz einige genauer definierte Sorgfaltspflichten (vgl. §§ 90, 91, 92, 88 Abs. 1, 93 Abs. 1 S. 2 AktG). Diese werden jedoch im Regelfall bei der Überprüfung von Unternehmensspenden nicht relevant. Eine Ausnahme könnte sich gegebenenfalls aus § 92 Abs. 3 AktG ergeben, in dem ein grundsätzliches Zahlungsverbot nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung geregelt ist. Dabei handelt es sich aber um einen Sonderfall, der mit der Problematik von Unternehmensspenden als solcher nicht identisch ist. Bei der Auslegung von § 93 Abs. 2, Abs. 1 AktG ist das unternehmerische Ermessen des Vorstands zu berücksichtigen. Dieses ist im deutschen Aktiengesetz zwar nicht ausdrücklich normiert. Der Wortlaut von § 76 Abs. 1 AktG, nach dem der Vorstand die Gesellschaft „in eigener Verantwortung“ zu leiten hat, weist aber auf die Existenz eines solchen Ermessens hin.24 Dies trifft insbesondere aufgrund der Tatsache zu, dass unternehmerisches Handeln in einer auf Wettbewerb beruhenden marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung zwangsläufig mit der Eingehung von Risiken verbunden ist. Das unternehmerische Ermessen ist von Literatur und Rechtsprechung inzwischen allgemein anerkannt worden.25 Besonders klar hat dies, wenn auch nur in einem Diktum, der Bundesgerichtshof in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung ausgedrückt. In dieser Entscheidung gewährt er dem Vorstand „bei der Leitung des Gesellschaftsunternehmens“ ausdrücklich einen „weite[n] Handlungsspielraum [...], ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist“.26 Dieser Ansatz steht grundsätzlich in der Kontinuität eines Teils der früheren Rechtsprechung. Bereits vorher hatte der Bundesgerichtshof in der sog. Herstatt-Entscheidung festgestellt, dass der Vorstand bei der Erfüllung seiner Pflicht aus § 92 Abs. 2 AktG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden habe, ob weniger einschneidende Maßnahmen als ein Insolvenzverfahren in

___________ 24 Vgl. Kindler ZHR 162 (1998), 101, 106; ähnlich auch Roth Unternehmerisches Ermessen S. 48 ff., der das unternehmerische Ermessen dogmatisch aus der Zusammenfassung von Leitungsmacht und Sorgfaltspflicht ableitet. 25 Vgl. Heermann ZIP 1998, 761, 762; Kallmeyer, ZGR 1993, 104, 107; Götz, AG 1997, 219, 220; vgl. dazu auch Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 81; KK-Mertens § 76 AktG Rn. 10 ff.; Hüffer AktG § 93 AktG Rn. 13a. 26 Vgl. BGHZ 135, 244, 253. Siehe dazu und zum Folgenden auch Oltmanns Geschäftsleiterermessen S. 232 f.

112

3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

Betracht kommen.27 In der Siemens/Nold-Entscheidung hat der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit dem Bezugsrechtsausschluss durch den Vorstand bei der Ausnutzung genehmigten Kapitals die Existenz unternehmerischer Ermessensentscheidungen grundsätzlich anerkannt.28 Im Zusammenhang mit Unternehmensspenden hat kürzlich der Erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Existenz des unternehmerischen Ermessens des Vorstands betont. In dieser Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof zu prüfen, ob das angeklagte Vorstandsmitglied durch die Vergabe einer Unternehmensspende gegen die Vermögensbetreuungspflicht im Sinne von § 266 StGB verstoßen hatte. Bei der Bestimmung der gesellschaftsinternen Pflichten griff der Strafsenat ausdrücklich auf den in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung vorausgesetzten „weiten Handlungsspielraum“ des Vorstands zurück.29 II. Die Berücksichtigung des unternehmerischen Ermessens bei der Prüfung der Voraussetzungen von § 93 AktG 1. Die Einschränkung der materiellen Überprüfung von unternehmerischen Entscheidungen im deutschen Recht a) Die Einschränkung der richterlichen Überprüfung von Vorstandsentscheidungen als Ausdruck des unternehmerischen Ermessens Mit der Anerkennung des unternehmerischen Ermessens im deutschen Recht stellt sich die Frage, wie sich dieses konkret auf die Vorstandshaftung nach § 93 Abs. 1, Abs. 2 AktG auswirkt. Da es an einer Regelung im deutschen Aktiengesellschaftsrecht fehlt, bietet sich der Blick auf andere Rechtsgebiete und Rechtsordnungen an. Im deutschen Verwaltungsrecht äußert sich das behördliche Ermessen in der Einschränkung der richterlichen Überprüfung von Ermessensentscheidungen innerhalb der Grenzen von § 114 VwGO.30 Im amerikanischen Recht wird dem unternehmerischen Ermessen durch die business judgment rule Rechnung getragen. Diese äußert sich, wie oben dargestellt, vor allem in einer Einschränkung der richterlichen Kontrolle von Vorstandsentscheidungen. Die amerikanischen Gerichte beschränken sich im Rahmen der business judgment rule weitgehend auf eine verfahrensmäßige Überprüfung von unternehmerischen Entscheidungen ___________ 27 Vgl. BGHZ 75, 96, 108. Dieses pflichtgemäße Ermessen begrenzte der BGH durch eine Höchstfrist von drei Wochen. 28 Vgl. BGH ZIP 1997, 1499, 1501 („Siemens/Nold“). 29 Vgl. BGH StV 2002, 137, 138 („SSV Reutlingen“). 30 Vgl. dazu Ossenbühl in Badura/Ehlers/Erichsen Allgemeines Verwaltungsrecht § 10 Rn. 15 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I § 31 Rn. 45.

B. Ermessen und innergesellschaftliche Vorstandshaftung – deutsches Recht 113

und wenden hinsichtlich ihres materiellen Gehalts lediglich den Maßstab der rationalen Nachvollziehbarkeit an.31 Nach beiden Ansätzen äußert sich das unternehmerische Ermessen also grundsätzlich in der eingeschränkten richterlichen Überprüfung der betreffenden Entscheidungen.32 Dabei liegt nach beiden Theorien der Schwerpunkt der Beschränkung auf der inhaltlichen Überprüfbarkeit, während die verfahrensmäßige Kontrolle in den Vordergrund rückt. b) Heranziehung verwaltungsrechtlicher Grundsätze in Literatur und Rechtsprechung Im weiteren Sinne wird die Anwendung dieser Grundsätze auf die Überprüfung von Vorstandsentscheidungen in der deutschen gesellschaftsrechtlichen Literatur schon lange diskutiert. Prozedurale Ansätze für die Beurteilung unternehmerischer Entscheidungen waren u.a. Gegenstand der vor allem während der siebziger Jahre geführten Debatte um die Arbeitnehmermitbestimmung. 33 Insbesondere wurde dabei die „politische“ Legitimation von Leitungsentscheidungen durch Einbeziehungen verschiedener Interessengruppen betont.34 Allerdings ergibt sich aus diesen Ansätzen unmittelbar noch keine Aussage darüber, welche Maßstäbe bei der Überprüfung von Entscheidungen zu gelten haben. Aufbauend auf dieser Diskussion versuchte Großmann, diese Frage durch Heranziehung der oben erwähnten verwaltungsrechtlichen Grundsätze zur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung von Behördenentscheidungen zu beantworten.35 Ausgehend von der Lehre von den Ermessensfehlern sollte danach im Rahmen von § 93 Abs. 1 AktG nur geprüft werden, ob erstens ein Irrtum über Vorliegen und Grenzen eines unternehmerischen Ermessens vorlag oder Letztere vorsätzlich überschritten wurden, zweitens, ob ein Irrtum oder eine vorsätzliche Außerachtlassung der erlaubten Motive vorlag und drittens, ob die zu berücksichtigenden Tatsachen ausreichend gewürdigt worden waren. Großmanns Ansatz wurde vor allem aufgrund seiner Begründung in der Literatur kritisiert, da er gänzlich auf materielle Zielvorgaben verzichtete.36 Zudem werden der Übertragung öffentlich-rechtlicher Grundsätze in das deutsche Gesellschaftsrecht die Besonderheiten der unternehmerischen Tätigkeit entgegengehalten, die anders als im öffentlichen Recht grundsätzlich auch einen Spielraum ___________ 31

Siehe oben 2. Kap. A. III., C. I. Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 231; Wiedemann ZGR 1977, 160, 165. 33 Zur Diskussion über das MitbestG siehe auch unten 3. Kap. C. I. 2. b) cc), dd). 34 Vgl. Laske ZGR 1979, 173, 199 f. 35 Vgl. Großmann Unternehmensziele, 168 ff.; zustimmend Brinkmann AG 1982, 122, 127. 36 Vgl. Paefgen Struktur S. 90 f. 32

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

bei der Beurteilung des der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts erforderten.37 Das OLG Düsseldorf hat in seiner ARAG/Garmenbeck-Entscheidung jedoch Großmanns Ansatz im Ergebnis indirekt übernommen, da es § 114 VwGO analog auf die Überprüfung einer Aufsichtsratsentscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber Vorstandsmitgliedern anwendete.38 Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsprechung allerdings in der Revision teilweise verworfen, da er dem Aufsichtsrat anders als dem Vorstand keinen autonomen unternehmerischen Handlungsspielraum zugestand.39 c) Die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung aa) Inhalt In der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung entwickelte der Bundesgerichtshof eine weitere Formulierung für die gerichtliche Überprüfung des dem Vorstand zustehenden unternehmerischen Ermessens. Diese ist zwar im Ergebnis mit Großmanns Überlegungen in hohem Maße vereinbar, nähert sich aber in der Wortwahl mehr der amerikanischen business judgment rule an.40 Gegenstand der Entscheidung war die Klage von einigen Aufsichtsratsmitgliedern der beklagten Aktiengesellschaft gegen einen Beschluss des Aufsichtsrats, in dem die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten abgelehnt worden war. Dieser hatte über eine Tochtergesellschaft mit der Garmenbeck Ltd. riskante Darlehensgeschäfte abgeschlossen, die zu einem Gesamtschaden von mehr als 80 Mio. DM bei der ARAG führten. Die Kläger waren der Ansicht, dass der Vorstandsvorsitzende nach § 93 AktG haftbar gemacht werden müsse. Obwohl eigentlicher Gegenstand der Entscheidung die Pflicht des Aufsichtsrats zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder war, hat sich das Gericht inzident auch mit dem unternehmerischen Ermessen des Vorstands beschäftigt. Grund dafür war die Feststellung des Bundesgerichtshofs, dass der Aufsichtsrat das Vorstandsermessen bei der Beur___________ 37 Vgl. Roth Unternehmerisches Ermessen S. 14; zur Unterscheidung zwischen Ermessen und Beurteilungsspielraum im öffentlichen Recht siehe z.B. Maurer Allgemeines Verwaltungsrecht S. 127 ff. Im öffentlichen Recht wird ein richterlich nur eingeschränkt überprüfbarer Spielraum bei der Beurteilung unbestimmter Rechtsbegriffe grundsätzlich nicht anerkannt. Zu diesem Grundsatz gibt es im öffentlichen Recht allerdings Ausnahmen, etwa bei Prüfungsentscheidungen. 38 Vgl. OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1183, 1190; zur Prozessgeschichte des ARAG/ Garmenbeck-Falls siehe Grooterhorst, ZIP 1999, 1117 ff. 39 Vgl. BGHZ 135, 244, 254. 40 Vgl. BGHZ 135, 244, 253 f.

B. Ermessen und innergesellschaftliche Vorstandshaftung – deutsches Recht 115

teilung der Erfolgsaussichten eines Organhaftungsprozesses zu berücksichtigen habe. Eine Schadensersatzpflicht des Vorstands kommt danach nach Ansicht des Bundesgerichtshofs dann in Betracht, „wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss“.41

Dieser Ansatz beschränkt die Überprüfung des materiellen Gehalts der Entscheidung auf die Frage der unverantwortlichen Risikoübernahme. Die anderen Voraussetzungen der ARAG/Garmenbeck-Kriterien knüpfen an die Art und Weise des Zustandekommens der betreffenden Entscheidung an. Dabei ist unter dem ersten Prüfungsmerkmal nicht nur positiv eine Orientierung an einem unternehmensbezogenen Interesse zu verstehen. Vielmehr steckt darin auch die Frage nach Interessenkonflikten von Vorstandsmitgliedern, die die Annahme eines unternehmerischen Ermessens ausschließen können.42 Damit kommt es bei der Beurteilung von Ermessensentscheidungen zunächst nur auf die Interessen- und Motivationslage des Vorstands und auf die sorgfältige Informationsermittlung an. Auf der Tatbestandsseite ergibt sich damit ein Prüfungsschema, das mit demjenigen der amerikanischen business judgment rule bezüglich der verfahrensbezogenen Merkmale weitgehend identisch ist. Der Vorstand handelt nämlich dann haftungsfrei, wenn er (1) sich nicht in einem (relevanten) Interessenkonflikt befindet, (2) im Interesse des Unternehmens handelt und (3) aufgrund ausreichender Informationen handelt. Anders verhält es sich auf den ersten Blick aber mit dem Ausmaß der materiellen Überprüfung von Vorstandsentscheidungen. Denn das „Verbot“ übergroßer Risiken findet im amerikanischen Recht keine Entsprechung.43 Vielmehr beschränkt man sich dort auf den „rational purpose test“, also auf die Überprüfung der rationalen Nachvollziehbarkeit von unternehmerischen Entscheidungen. Allerdings wird im Folgenden noch zu klären sein, ob sich diese begriffliche Abweichung in der hier zu untersuchenden Fallgruppe tatsächlich in einer strengeren materiellen Überprüfung von Unternehmensspenden äußern muss.44

___________ 41

Vgl. BGHZ 135, 244, 253 f. Vgl. Lutter Festgabe Wissenschaft 50 Jahre BGH Bd. II S. 321, 334. 43 Vgl. Lutter Festgabe Wissenschaft 50 Jahre BGH Bd. II S. 321, 334; Oltmanns Geschäftsleiterermessen S. 267 ff. 44 Siehe hierzu unten 3. Kap. D. I. 42

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

bb) Die ARAG/Garmenbeck-Kriterien als Haftungsausnahmetatbestand oder objektiver Sorgfaltsmaßstab? Nach der vom Bundesgerichtshof in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung gewählten Formulierung handelt es sich auf den ersten Blick um einen mit der business judgment rule vergleichbaren Haftungsausschlusstatbestand.45 Der Bundesgerichtshof äußert sich zwar nicht ausdrücklich zur genauen dogmatischen Einordnung der von ihm entwickelten Grundsätze. Allerdings ergibt sich dies aus dem Zusammenhang der zum unternehmerischen Ermessen gemachten Ausführungen. Die Annahme eines Haftungsausschlusstatbestands bedeutet zunächst, dass bei Erfüllung der oben genannten Voraussetzungen eine Haftung trotz des Wortlauts von § 93 Abs. 1 S. 1 AktG auch dann nicht in Betracht kommt, wenn die betreffende Entscheidung bei materieller Betrachtungsweise trotzdem einen Fehler darstellt, der von vergleichbaren Geschäftsleitern in der jeweiligen Situation nicht begangen worden wäre. Eine andere Frage ist, ob bereits aus der Nichterfüllung dieser Kriterien zwingend eine Sorgfaltspflichtverletzung im Sinne von § 93 Abs. 1 S. 1 AktG folgt. Dies würde für die Annahme eines objektiven Sorgfaltsmaßstabs sprechen. Anders als im amerikanischen Haftungsrecht sieht der Wortlaut der Prüfung nicht ausdrücklich vor, dass bei einem Scheitern dieser Tatbestandsvoraussetzungen die Sorgfaltsgemäßheit der Entscheidung einer Überprüfung auf ihre inhaltliche Richtigkeit im Sinne eines Fairness Test unterzogen werden soll. Trotzdem wird dieser Ansatz in der Literatur auch für das deutsche Recht vertreten.46 Dies wird nicht bereits durch die Formulierung des Bundesgerichtshofs widerlegt. Denn bei einem Überschreiten der in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung aufgestellten Ermessensgrenzen kommt eine Haftung „erst in Betracht“, womit zumindest theoretisch eine Verneinung der Pflichtwidrigkeit im Ergebnis noch denkbar ist.47 Die praktische Bedeutung dieser Frage ist auch in rechtsvergleichender Hinsicht gering. Die ARAG/Garmenbeck-Kriterien sind so weit gefasst, dass bei ihrer Nichterfüllung die Ablehnung einer Sorgfaltspflichtverletzung schwer zu begründen sein wird. Ähnlich verhält es sich im amerikanischen Recht, wo eine Verneinung der Haftung bei Nichtvorliegen der business judgment rule aufgrund des fairness test kaum vorstellbar ist. Zudem ist zu beachten, dass im deutschen Recht neben der Pflichtwidrigkeit ohnehin Verschulden und ein kausaler Schaden weitere Voraussetzungen für eine Haftung bilden und daher auf jeden Fall aus der Überschreitung der Ermessensgrenzen alleine nicht unmittelbar die Haftung folgt. ___________ 45

Vgl. Horn ZIP 97, 1129, 1134; Hopt FS Mestmäcker S. 909, 920. Lutter Festgabe Wissenschaft 50 Jahre BGH Bd. II S. 321, 335. 47 Vgl. BGHZ 135, 244, 253. 46

B. Ermessen und innergesellschaftliche Vorstandshaftung – deutsches Recht 117

cc) Zusammenfassung und Stellungnahme Die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung bietet ein handhabbares Prüfungsschema, das dem unternehmerischen Ermessen Rechnung trägt. Es deckt sich weitgehend mit den Anforderungen des § 114 VwGO, da auch hier die Schwerpunkte auf dem Entscheidungsverfahren und dabei besonders auf der sorgfältigen Auswahl und Ermittlung der rechtlich relevanten Tatsachen liegen. Allerdings trägt die vom Bundesgerichtshof gewählte Formulierung den Besonderheiten des Gesellschaftsrechts insbesondere durch die Betonung des Unternehmenswohls und der Problematik der Risikobegrenzung besser Rechnung. Obwohl es sich bei dieser Formulierung möglicherweise noch nicht um gefestigtes Richterrecht handelt, bieten sich die in dieser Entscheidung gewählten Formulierungen als Leitlinie für die Überprüfung von Ermessensentscheidungen im Rahmen von § 93 AktG an.48 Zum einen wurde die Anerkennung des unternehmerischen Handlungsspielraums des Vorstands in die Leitsätze dieser Entscheidung aufgenommen und damit den Äußerungen zur Vorstandshaftung selbst erhebliches Gewicht beigemessen.49 Zum anderen trägt sie dem Gedanken der grundsätzlich anerkannten Einschränkung der richterlichen Überprüfung von Ermessensentscheidungen in besonders klarer Weise Rechnung. Zum dritten lehnt sie sich teilweise an die amerikanische business judgment rule an, was die rechtsvergleichende Untersuchung der Ermessensgrenzen im amerikanischen und deutschen Recht erleichtert.50 Nicht ganz eindeutig ergibt sich aus der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung, ob diese dem unternehmerischen Ermessen durch die Schaffung eines Haftungsausnahmetatbestands im Sinne der amerikanischen business judgment rule oder durch eine Konkretisierung bzw. Modifizierung des objektiven Sorgfaltsmaßstabs Rechnung trägt. Dabei handelt es sich aber um eine theoretische Frage, die nahezu ausnahmslos keine praktischen Auswirkungen hat. Allerdings spricht die offene Formulierung der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung dafür, dass der Bundesgerichtshof nicht die Sorgfaltspflicht nach § 93 AktG umfassend definieren wollte. Daher ist die Ansicht, dass es sich um einen Haftungsausnahmetatbestand handelt, vorzugswürdig. Trotzdem wird bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des unternehmerischen Ermessens in der Regel unmittelbar auf eine Sorgfaltspflichtverletzung geschlossen werden können.

___________ 48 Vgl. Horn ZIP 1997, 1129, 1134; für die allgemeine Anwendbarkeit der ARAG/ Garmenbeck Grundsätze im deutschen Recht nun auch BGH StV 2002, 137 ff. 49 Vgl. BGHZ 135, 244. 50 Vgl. Hopt § 93 AktG Rn. 83.

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

2. Die Beweislastverteilung bei Ermessensentscheidungen a) Die Beweislastverteilung nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG Wie oben dargestellt, wird dem unternehmerischen Ermessen im amerikanischen Recht auch durch eine für directors günstige Beweislastverteilung Rechnung getragen.51 Danach obliegt den klagenden Aktionären die Beweislast hinsichtlich des Nicht-Vorliegens einer der Voraussetzungen der business judgment rule. Eine Beweislastumkehr findet erst dann statt, wenn die Aktionäre die NichtAnwendbarkeit der business judgment rule darlegen. Im deutschen Recht stellt sich diese Frage anders dar. Nach dem Gesetzeswortlaut von § 93 Abs. 2 S. 2 AktG muss das beklagte Vorstandsmitglied beweisen, dass es die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt hat. Allerdings ist die Reichweite dieser Beweislastregel in der deutschen Literatur umstritten. Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung bezieht sie sich nur auf die subjektive Sorgfaltspflichtverletzung, also auf das (fehlende) Verschulden des Vorstandsmitglieds. 52 Die herrschende Meinung und insbesondere die Rechtsprechung erlegen dagegen den Vorstandsmitgliedern zusätzlich die Beweislast hinsichtlich der mangelnden objektiven Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens auf.53 Die klagende Aktiengesellschaft muss dagegen lediglich Eintritt und Höhe des Schadens beweisen. Letztere Auffassung lässt sich zunächst auf den Wortlaut von § 93 Abs. 1, Abs. 2 AktG stützen, der zwischen dem Verschulden und der Pflichtverletzung nicht differenziert. Vor allem spricht aber die Entstehungsgeschichte von § 93 AktG für die vom Bundesgerichtshof vertretene Auslegung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG. 54 Denn die Beweislastverteilung zuungunsten der Vorstandsmitglieder und die damit verbundene faktische Haftungsverschärfung sollten Ausgleich dafür sein, dass bei der Formulierung von § 84 Abs. 2 S. 2 AktG 1937, auf den der heutige § 93 Abs. 2 S. 2 AktG zurückgeht, der Vorschlag einer verschuldensunabhängigen Erfolgshaftung abgelehnt wurde. Zudem sollte, wie dies in der amtlichen Begründung zu § 84 AktG 1937 ausdrücklich vermerkt ist, eine bereits vorher bestehende Rechtsprechung des Reichsgerichts, die grundsätzlich

___________ 51

Vgl. oben 2. Kap. A. III. 3. b). Vgl. Ritter Aktiengesetz (1939) § 84 Anm. 3a; Fleck GmbHR 1974, 224. 53 Vgl. BGH WM 1971, 1548, 1549; RGZ 98, 98, 100; RG JW 1937, 2657, 2658; OLG Hamm ZIP 1995, 1263, 1265; LG Dortmund AG 2002, 97 („Harpener/Omni II“); Hüffer § 93 AktG Rn. 16 f.; MünchHdb. AG/Wiesner § 26 Rz. 13; Heermann ZIP 1998, 761, 765 ff.; Goette ZGR 1995, 648, 674. 54 Vgl. zum Folgenden Goette ZGR 1995, 648, 668 ff. 52

B. Ermessen und innergesellschaftliche Vorstandshaftung – deutsches Recht 119

die Beweislast hinsichtlich der objektiven Pflichtwidrigkeit beim Vorstand belassen wollte, kodifiziert werden.55 Die Beweisführung hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Sorgfaltspflichtverletzung bei einer verlustbringenden Entscheidung ist aber allein schon aufgrund dessen, dass es sich dabei um negative Tatsachen handelt, schwierig.56 Daher besteht nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht die Gefahr, dass fast jede Vermögensminderung Grundlage für eine schlüssige Schadensersatzklage sein kann.57 Eine so weitgehende Bewertung der prozessualen Rechtslage ist allerdings zweifelhaft, wenn man den haftungsfreien Ermessensspielraum des Vorstands berücksichtigt. Danach muss der Vorstand zunächst nur beweisen, dass er die in der ARAG/ Garmenbeck-Entscheidung gesetzten Ermessensgrenzen, also die Orientierung am Unternehmenswohl, die Entscheidung auf Grundlage ausreichender Informationen und die Vermeidung unverantwortlicher Risiken, eingehalten hat.58 Vor allem durch eine ausreichende Dokumentation des Entscheidungsverfahrens kann ein Vorstandsmitglied sich bereits im Voraus die Grundlage für den Beweis eines pflichtgemäßen Handelns häufig ermöglichen. Dies gilt insbesondere für die Informationspflichten. Die Beweislast hinsichtlich dieser Tatsachen obliegt dem Vorstand ungeachtet der oben diskutierten Frage, ob es sich bei den vom Bundesgerichtshof genannten Kriterien um eine Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs oder um einen Haftungsausnahmetatbestand handelt. Im ersten Fall ergibt sich die Beweislast unmittelbar aus § 93 Abs. 2 S. 2 AktG, im zweiten Fall aus dem allgemeinen Grundsatz, dass jede Partei die für sie günstigen Tatsachen zu beweisen hat. b) Mertens Schadensbegriff – „Stille Abkehr von der gesetzlichen Beweislastumkehr“? Im Zusammenhang mit sozialbezogenen Leitungsentscheidungen hat Mertens einen weiteren Weg vorgeschlagen, um die prozessuale Lage des Vorstands zu verbessern. Mertens setzt dabei nicht unmittelbar bei der in § 93 Abs. 2 S. 2 AktG vorgesehenen Beweislastverteilung an, sondern engt vielmehr den geltend zu machenden Schaden auf solche Vermögensminderungen ein, die sich aus pflichtwidrigen, also außerhalb des Leitungsermessens liegenden Vorstandsentschei___________ 55 Vgl. Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger 1937, Nr. 28, S. 4; Goette ZGR 1995, 648, 669. 56 Vgl. Heermann ZIP 1998, 761, 766. 57 Vgl. Krieger, in: Henze/Timm/Westermann Gesellschaftsrecht 1995 S. 149, 158; zustimmend Heermann ZIP 1998, 761, 766. 58 Vgl. Horn ZIP 1997, 1129, 1135.

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

dungen ergeben.59 Da der Schaden von der klagenden Aktiengesellschaft geltend zu machen ist, führt dies indirekt zu einer Verlagerung der Beweislast hinsichtlich der objektiven Pflichtwidrigkeit des Vorstandsverhaltens. Mertens ist zugute zu halten, dass sozialbezogene Aufwendungen, deren langfristige Vorteile für die Aktiengesellschaft selbst bilanzrechtlich nicht erfasst werden, bei einem rein auf Vermögensminderung angelegten Schadensbegriff einer allgemeinen Haftungsvermutung und damit einem entsprechenden Rechtfertigungszwang unterliegen. Allerdings stellt sein Lösungsansatz eine Abkehr von dem im allgemeinen Zivilrecht geltenden Schadensbegriff dar, da dort der Schaden anhand der Differenz zwischen der tatsächlichen und der hypothetischen Vermögenslage bei Wegfall des schadensbegründenden Ereignisses ermittelt wird. Im Zusammenhang mit pflichtwidrigen Spenden wird hier also nur auf die tatsächliche Vermögensminderung abgestellt.60 Die Einbeziehung des Zweckwidrigkeitsmerkmals in den Schadensbegriff würde zu einem Verlust an Klarheit und Einheitlichkeit des Schadensbegriffs führen.61 Eine solche Auslegung des Schadensbegriffs wäre überdies nach den oben gemachten Ausführungen mit dem Gesetzeszweck und der Entstehungsgeschichte von § 93 Abs. 2 S. 2 AktG nicht vereinbar, da er letztendlich zu einer erneuten Umkehr der Beweislast führen würde. Dies lässt sich auch nicht mit dem Hinweis auf die Begrenzung auf eine bestimmte Fallgruppe wie sozialbezogene Entscheidungen rechtfertigen.62 Angesichts des langfristig bestehenden erwerbswirtschaftlichen Unternehmensziels spricht kein Grund dafür, Unternehmensleiter ausgerechnet bei sozialbezogenen Entscheidungen besser zu stellen als bei gewinnorientierten operativen oder strategischen Unternehmensentscheidungen.63

___________ 59 Vgl. KK-Mertens § 93 AktG Rn. 23; ders. FS Goerdeler S. 349, 360; Geßler/Hefermehl § 93 AktG Rn. 28; MünchHdb. AG/Wiesner § 26 Rn. 11. 60 Anders, aber konsequent Soergel-Mertens Vorb. § 249 Rn. 48, der nur auf solche Vermögensminderungen abstellen will, die typischerweise auf ein pflichtwidriges Verhalten hindeuten. 61 Vgl. Hüffer § 93 AktG Rn. 15; Heermann ZIP 1998, 761, 766. 62 So im Ergebnis auch Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 263, der allerdings den Nachweis für das Nichtvorliegen des Schadens durch Angabe von nachvollziehbaren Gründen für das eingegangene Risiko zulassen will. Allerdings wird auch nach dieser Lösung Pflichtwidrigkeit und Schaden unnötigerweise vermengt. 63 So im Ergebnis auch Hopt/Wiedemann, § 93 Rn. 263; einschränkend Hüffer § 93 AktG Rn. 17, der im Zusammenhang mit Sozialaufwendungen für eine einschränkende Anwendung von § 93 Abs. 2 S. 2 AktG plädiert.

B. Ermessen und innergesellschaftliche Vorstandshaftung – deutsches Recht 121

c) Beweiserleichterungen zugunsten der Vorstandsmitglieder In neuerer Zeit wird in der Literatur zunehmend vorgeschlagen, die in § 93 Abs. 2 S. 2 AktG vorgesehene Beweislastverteilung durch eine strenge Durchsetzung der Darlegungs- und Substantiierungsobliegenheiten auf Klägerseite einerseits und durch abgestufte Beweiserleichterungen auf der Seite des beklagten Vorstandsmitglieds andererseits abzuschwächen. So schlägt z.B. Goette vor, dass die klagende AG zumindest eine mögliche Pflichtverletzung und ihre mögliche Schadensverursachung darlegen muss.64 Erst wenn ihr dies gelingt, müssen die beklagten Vorstandsmitglieder objektive und subjektive Pflichtgemäßheit ihres Verhaltens nachweisen. Im Hinblick auf die oben entwickelten Grundsätze zum unternehmerischen Ermessen ergibt sich daraus, dass die klagende Aktiengesellschaft Tatsachen substantiiert darlegen muss, die ein „Überschreiten des unternehmerischen Ermessensspielraumes und damit eine Pflichtverletzung durch das Leitungsorgan begründen“.65 Hinsichtlich des Umfangs dieser Darlegungspflichten gibt es in der Literatur verschiedene Ansätze, wobei weitgehende Einigkeit darüber besteht, dass diese fall- und situationsbezogen zu bestimmen ist sowie vom Grad der Substantiierung der Klägervorwürfe abhängt.66 Darüber hinaus betont Goette die Sachnähe der Parteien im Einzelfall.67 Heermann plädiert dagegen dafür, bei den Anforderungen an die Beweisführung der Vorstandsmitglieder auch zu berücksichtigen, wie weit die angegriffene Entscheidung in den Grenzbereich des unternehmerischen Ermessensspielraums vorgedrungen ist und wie hoch die Schadenseintrittswahrscheinlichkeit und potenzielle Schadenshöhe im Verhältnis zur Finanzkraft des Unternehmens sind.68 Die Beweiserleichterungen zugunsten des Vorstands sind in den Fällen zu befürworten, bei denen eine strenge Auslegung der in § 93 Abs. 2 S. 2 AktG vorgesehenen Beweislastverteilung zu unbilligen Ergebnissen insbesondere durch Beweisnotstände führen würde. Wie sich bereits aus den Ausführungen zum amerikanischen Recht gezeigt hat, stellen sich im Zusammenhang mit Unternehmensspenden besondere Probleme hinsichtlich der Motivation der verantwortlichen Vorstandsmitglieder. Bei der folgenden Diskussion über die Anwendung der Grundsätze des unternehmerischen Handlungsspielraums auf Unternehmensspenden im deutschen Recht soll deswegen besonderes Augenmerk auf die ___________ 64 Vgl. Goette ZGR 1995, 648, 673 f.; zustimmend (für §43 GmbHG) Lutter/ Hommelhoff, § 43 Rn. 26; Hachenburg/Mertens § 43 GmbHG Rn. 66; vgl. auch Fleck GmbHR 1997, 237, 239. 65 Vgl. Heermann ZIP 1998, 761, 768. 66 Vgl. etwa Heermann ZIP 1998, 761, 768. 67 Vgl. Goette ZGR 1995, 648, 674. 68 Vgl. Heermann ZIP 1998, 761, 768.

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

Frage gelegt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen die im Schrifttum vorgeschlagenen Beweiserleichterungen zugunsten des Vorstands den fallgruppenspezifischen Problemen gerecht werden. III. Rechtsvergleichende Zusammenfassung und weitere Vorgehensweise 1. Rechtsvergleichende Zusammenfassung Bei der Auslegung von § 93 Abs. 1, 2 AktG ist das unternehmerische Ermessen der Vorstandsmitglieder zu berücksichtigen. Die vom Bundesgerichtshof in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung entwickelte Prüfung der Ermessensgrenzen erinnert in hohem Maße an die amerikanische business judgment rule. Dies gilt insbesondere für die verfahrensmäßigen Voraussetzungen. In ihrer Wirkung schaffen beide Regelungen einen Haftungsfreiraum, wobei es im deutschen Recht nicht ganz eindeutig ist, ob aus dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen der business judgment rule unmittelbar die Sorgfaltspflichtverletzung folgt, oder ob formal eine Fairness-Prüfung dazwischen geschaltet werden muss. Von praktischer Bedeutung ist diese Frage allerdings nicht. Jedenfalls besteht im Grundsatz zwischen der amerikanischen business judgment rule und der Anerkennung des unternehmerischen Ermessens im deutschen Recht genug Übereinstimmung, um eine rechtsvergleichende Heranziehung der amerikanischen Ergebnisse zur näheren Bestimmung der Ermessensgrenzen im deutschen Recht sinnvoll erscheinen zu lassen. Unterschiede bestehen in der Formulierung der Reichweite der materiellen Überprüfung von Ermessensentscheidungen. Da allerdings im amerikanischen Recht, wie oben gezeigt, hinsichtlich der materiellen Überprüfbarkeit von Unternehmensspenden Besonderheiten gegenüber anderen unternehmerischen Entscheidungen bestehen, soll dieses Problem unten anhand der zu untersuchenden Fallgruppe ausführlicher diskutiert werden. Auch in der Beweislastverteilung unterscheidet sich die deutsche Rechtslage von der amerikanischen business judgment rule. Im amerikanischen Recht müssen die klagenden Aktionäre bzw. die Gesellschaft beweisen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der business judgment rule nicht vorliegen. Im deutschen Recht obliegt die Beweislast nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG grundsätzlich den Vorstandsmitgliedern. Allerdings werden in der deutschen Literatur bereits Wege diskutiert, dem unternehmerischen Ermessen durch Beweiserleichterungen zugunsten des Vorstands Rechnung zu tragen. Welche Grundsätze und Leitlinien bei Unternehmensspenden hier herangezogen werden können, ist anhand der hier zu untersuchenden Fallgruppe im Folgenden weiter zu prüfen.

C. Überprüfung von Spendenentscheidungen – deutsches Recht

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2. Die weitere Vorgehensweise Im folgenden Teil sollen die Haftungsvoraussetzungen des Vorstands für Unternehmensspenden unter Berücksichtigung der oben dargestellten Lehre vom unternehmerischen Handlungsspielraum ermittelt werden. Dabei sind sowohl die Pflichtenbindungen, denen der Vorstand nach deutschem Recht unterliegt, als auch die Grundsätze heranzuziehen, die im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht zur näheren Bestimmung von Ermessensgrenzen bei Unternehmensspenden entwickelt wurden.69 Um den Grundsätzen der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung sowie dem rechtsvergleichenden Ansatz Rechnung zu tragen, wird sich der Aufbau der Untersuchung grundsätzlich an dem in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung entwickelten Prüfungsschema orientieren. Um den engen Zusammenhang zwischen der Einschränkung der richterlichen Überprüfung mit dem unternehmerischen Ermessensspielraum zu illustrieren, wird dabei zwischen verfahrensmäßiger und materieller Überprüfung von Spendenentscheidungen differenziert.

C. Verfahrensmäßige Überprüfung von Spendenentscheidungen im deutschen Recht I. Die Orientierung am Unternehmenswohl 1. Aufteilung dieser Ermessensgrenze in zwei Teilfragen Die Orientierung am Unternehmenswohl stellt auf den ersten Blick eine zwar im Grundsatz selbstverständliche, dafür aber sehr vage formulierte Ermessensgrenze dar.70 Das Unternehmenswohl ist nicht gesetzlich definiert. Zumindest ergibt sich aus dem Kontext der in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung verwendeten Formulierung, dass an dieser Stelle die Umstände bei der Entscheidungsfindung und nicht die objektive Vereinbarkeit der Vorstandsentscheidung mit dem „Unternehmenswohl“ maßgeblich sein sollen. Dies deutet darauf hin, dass Motivation und Interessenlage des Vorstands Gegenstand der Prüfung sein sollen.71 Wie oben bereits angedeutet, bietet es sich im Interesse einer Konkretisierung dieser Ermessensgrenze an, ihre Überprüfung in Anlehnung an die amerikanischen Formulierungen der business judgment rule in zwei Teilfragen aufzugliedern.72 Dabei stellt sich erstens allgemein das Problem, welche Zwecke Vorstands___________ 69 Kritisch zur Brauchbarkeit der amerikanischen business judgment rule für die Konkretisierung der Grenzen des unternehmerischen Handlungsspielraums im deutschen Recht Mutter Unternehmerische Entscheidungen S. 217 ff. 70 Vgl. Lutter Festgabe Wissenschaft 50 Jahre BGH Bd. II S. 321, 334. 71 Vgl. Roth Unternehmerisches Ermessen S. 63. 72 Siehe oben 3. Kap. B. II. 1. c) aa).

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mitglieder bei Unternehmensspenden verfolgen dürfen und gegebenenfalls müssen. Zweitens betrifft die Bindung an das Unternehmenswohl die Vereinbarkeit des unternehmerischen Ermessens mit der Verfolgung von Eigeninteressen der für die Spendenentscheidung verantwortlichen Vorstandsmitglieder.73 Da Unternehmensspenden in der Regel zumindest auch der Förderung gemeinnütziger Zwecke dienen, betrifft die Frage nach der allgemeinen Zweckbindung von Vorstandsentscheidungen unmittelbar die grundsätzliche Zulässigkeit der geförderten Zwecke. Deswegen soll diese Problematik vor dem spezielleren Problem der Verfolgung von Eigeninteressen abgehandelt werden. 2. Zulässiger Zweck der Unternehmensspende Die Frage, welche Ziele Vorstandsmitglieder bei der Ausübung ihres unternehmerischen Ermessens verfolgen dürfen bzw. müssen, gehört zu den umstrittensten Fragen des deutschen Gesellschaftsrechts. Wie sich aus § 82 Abs. 2 AktG ergibt, müssen für die Beantwortung dieser Frage in erster Linie die gesetzlichen und satzungsmäßigen Bindungen maßgeblich sein, denen der Vorstand unterliegt. Dabei ist zu beachten, dass nach dem in § 23 Abs. 5 AktG normierten Prinzip der Satzungsstrenge die Satzung nicht den zwingenden gesetzlichen Regelungen widersprechen darf. Soweit satzungsmäßige Regelungen gesetzliche Regelungen ergänzen, sind diese gegebenenfalls restriktiv auszulegen, um etwaige Kollisionen mit dem Gesetzeswortlaut zu verhindern.74 a) Pflicht zur Gewinnmaximierung aufgrund des Gesellschaftszwecks aa) Bindung des Vorstands an den Gesellschaftszweck aufgrund des satzungsmäßig festgelegten Unternehmensgegenstands Der Gesellschaftszweck stellt die generelle nichtwirtschaftliche oder wirtschaftliche Zielsetzung des Verbandes dar.75 Die Grundlage für die Existenz des Gesellschaftszwecks und für seine Funktion als Verhaltensmaßstab ist aber im Aktienrecht nicht ohne weiteres zu begründen. Im Aktiengesetz findet sich auf ihn, anders als im Vereinsrecht (§§ 21, 33 Abs.1 S. 2, 57 BGB), im Personengesellschaftsrecht (§§ 705, 726 BGB, §§ 105 Abs. 1, 161 Abs. 1 HGB), im Genossenschaftsrecht (§ 1 GenG) und im GmbHG (§ 1 GmbHG) keine ausdrückliche Bezugnahme. Häufig ist der Gesellschaftszweck überdies in der Satzung nicht ausdrücklich geregelt. ___________ 73

Vgl. Lutter Festgabe Wissenschaft 50 Jahre BGH Bd. II S. 321, 328. Vgl. Hüffer § 23 AktG Rn. 39. 75 Vgl. K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 4 II 3. a) (S. 68); Hüffer, § 23 AktG Rn. 22. 74

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Trotzdem ist auch in diesen Fällen bei der Aktiengesellschaft vom Vorhandensein eines Gesellschaftszwecks auszugehen.76 Begründen lässt sich dies regelmäßig mit dem Unternehmensgegenstand, der wegen § 23 Nr. 3 AktG notwendiger Bestandteil der Satzung ist. Bereits von der Rechtsprechung des Reichsgerichts wurde anerkannt, dass dieser Haupterkenntnisquelle bei der Ermittlung des Gesellschaftszwecks ist.77 Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck sind nach heute allgemeiner Auffassung nicht identisch, wobei die genaue Abgrenzung schwierig ist.78 Nach der heute zumindest im Aktiengesellschaftsrecht herrschenden Ansicht stehen Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand in einer ZweckMittel-Relation.79 Der Unternehmensgegenstand beschreibt den verbindlichen Tätigkeitsrahmen der Gesellschaft. Der Gesellschaftszweck bezeichnet dagegen den finalen Sinn des Zusammenschlusses.80 Die im Unternehmensgegenstand beschriebene konkrete Tätigkeit der Gesellschaft bzw. des von ihr getragenen Unternehmens liegt regelmäßig, wie sich aus § 23 Abs. 3 Nr. 2 2. HS AktG ergibt, in einer näher definierten Teilnahme am Wirtschaftsleben. Diese wird jedoch nach dem Willen der Aktionäre kein reiner Selbstzweck sein.81 Der sich aus der Satzung somit ergebende Wille der (Gründungs-)Aktionäre richtet sich daher regelmäßig auf eine zweckgerichtete wirtschaftliche Tätigkeit. bb) Inhalt des Gesellschaftszwecks (1) Gewinnerzielung Der Gesellschaftszweck liegt bei Aktiengesellschaften in der Regel in der Gewinnerzielung.82 Dies ergibt sich aus dem Willen der Gesellschafter beim ___________ 76

Vgl. K. Schmidt § 4 I 2 b) (S. 64). Vgl. RGZ 164, 129, 140. 78 Vgl. KK-Kraft § 3 AktG Rn. 9 mwN; siehe zu älteren Auffassungen, die von der Identität von Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand ausgingen, die Nachweise bei Zöllner Schranken S. 26 Fn. 26. 79 Vgl. Hüffer § 23 AktG Rn. 22; KK-Kraft § 23 AktG Rn. 43; OLG Hamburg BB 1968, 267 (zur GmbH); a.A. Zöllner Schranken S. 27, der den Unternehmensgegenstand als echten Zweckbestandteil sieht. 80 Vgl. Hüffer § 23 AktG Rn. 22. 81 Vgl. Großmann Unternehmensziele S. 14. Zudem erkennt die Rechtsordnung Aktiengesellschaften wie auch andere Personenverbände „nicht um ihrer selbst Willen, sondern nur als Zweckgebilde an“. Der Gesellschaftszweck selbst ist daher „konstituierendes Element“ der Aktiengesellschaft. Vgl. K. Schmidt § 4 I 2 b) (S. 62). 82 Vgl. Hüffer § 23 AktG Rn. 22; ders. § 82 AktG Rn. 9; KK-Kraft § 3 AktG Rn. 10; zurückhaltender, aber im Ergebnis zustimmend KK-Mertens § 82 Rn. 12; siehe dazu auch die Diskussion bei Th. Raiser ZHR 144 (1980), 206 ff. 77

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Gründungsakt und bei späteren Änderungen des Gesellschaftszwecks.83 Außerdem entspricht dieses Ergebnis der Vermutung aus § 3 Abs. 1 AktG, nach der die Aktiengesellschaft im Zweifel als Handelsgesellschaft erwerbsorientiert am Wirtschaftsleben teilnimmt.84 Ein Teil der Literatur versucht, dieses Formalziel nicht aus der Satzung, sondern unmittelbar aus dem Aktiengesetz abzuleiten. Da sich die dogmatische Begründung der Gewinnmaximierungsmaxime im Hinblick auf den Grundsatz der formalen Satzungsstrenge auf die rechtliche Reichweite des Formalziels auswirken kann, sollen diese alternativen Begründungen für das Gewinnmaximierungsziel an dieser Stelle kurz diskutiert werden. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf die Regelungen in § 58 Abs. 4 AktG (Anspruch der Aktionäre auf Bilanzgewinn), § 174 AktG (Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung) und § 254 AktG (Dividende unter 4% des Grundkapitals als Anfechtungsvoraussetzung).85 Nach dieser in der Literatur vertretenen Ansicht setzen diese Vorschriften eine gewinnorientierte Zielsetzung der Gesellschaft voraus. Aus dem Zweck dieser Regelungen ergibt sich dieser Schluss aber nicht zwingend. Wie bereits oben im Zusammenhang mit § 58 Abs. 3 AktG dargelegt, normieren diese Vorschriften gerade keine Ansprüche auf Erwirtschaftung eines (bestimmten) Gewinns, sondern stellen lediglich „formale“ Gewinnverwendungsvorschriften dar.86 Zum Teil wurde der gesetzlichen Begründung eines erwerbswirtschaftlichen Formalziels in der Literatur entgegengehalten, dass die oben genannten Vorschriften das Verhältnis der Aktionäre untereinander regeln und nicht das Verhältnis zwischen der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre einerseits und dem Vorstand andererseits.87 Danach werde der einzelne Aktionär durch die Regelungen der §§ 58 Abs. 4, 174, 254 AktG davor geschützt, dass die Mehrheit der Aktionäre ihm die Ausschüttung etwa zum Zweck der Weggabe an Dritte oder der Rücklagenbildung vorenthalte. Dies ergebe sich aus dem Erfordernis einer besonderen Satzungsbestimmung in § 58 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 AktG und der Anfechtungsmöglichkeit nach § 58 Abs. 4 AktG.88 Diese Argumentation ist allerdings hinsichtlich der §§ 58, 174 AktG nicht überzeugend, da diese Vorschriften Zuständigkeitsregelungen enthalten und damit zumindest auch das Verhältnis zwischen Vorstand und Hauptversammlung bzw. den Aktionären regeln. ___________ 83

Mülbert Aktiengesellschaft S. 156. Vgl. Mülbert Aktiengesellschaft S. 156. 85 Vgl. Westermann FS Schnorr v. Carolsfeld S. 517, 523 f.; siehe dazu auch Paefgen Struktur S. 51. 86 Großmann Unternehmensziele S. 63 f. 87 Vgl. Großmann Unternehmensziele S. 64 f.; a.A. Paefgen Struktur S. 52 f. 88 Vgl. Großmann aaO. 84

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Unabhängig von dieser Frage ist jedoch ein zwingender Schluss auf eine gesetzliche Regelung der Gewinnerzielungsabsicht im Sinne einer Leitungsmaxime für den Vorstand aus den genannten gesetzlichen Vorschriften nicht zu ziehen. Zu eindeutig setzen diese erst bei der Gewinnverwendung an. Zudem greift beispielsweise § 58 AktG auch dann, wenn tatsächlich ein Gewinn erzielt wird, obwohl der Gesellschaftszweck ausnahmsweise ideeller Natur ist. 89 Die Gewinnerzielungsabsicht als Gegenstand des Gesellschaftszwecks ist damit nach richtiger Ansicht aus der Satzung zu ermitteln.90 (2) Maximaler oder „angemessener“ Gewinn? (a) Gewinnmaximierung als satzungsautonomer überindividueller Verbandszweck Heftig umstritten ist die Frage, ob Gewinnerzielung mit Gewinnmaximierung gleichzusetzen ist oder sich auf die Erzielung eines „angemessenen Gewinns“ bezieht. Nahezu zwangsläufig kommt man jedoch zum Prinzip der Gewinnmaximierung, wenn man, wie hier vertreten, den Gesellschaftszweck allein vom als Gruppeninteresse verstandenen Willen der Aktionäre ableitet.91 Im Ergebnis ist nämlich nicht einzusehen, warum Aktionäre freiwillig auf Gewinn verzichten sollten.92 Als Folgeproblem stellt sich dabei die Frage, inwieweit aufgrund der oben gegebenen Begründung der Gesellschaftszweck immer mit den individuellen Aktionärsinteressen gleichzusetzen ist. Relevant wird dies vor allem bei der Frage, ob der Gesellschaftszweck sich auch auf die (maximale) Gewinnausschüttung bezieht. 93 Im Rahmen der aktuellen Shareholder Value-Diskussion, deren Gegenstand die mögliche Pflicht des Vorstands ist, den Wohlstand der Aktionäre durch Marktwertoptimierung der Aktien im höchstmöglichen Maße zu mehren, kann die Übereinstimmung zwischen den individuellen Aktionärsinteressen und dem Gesellschaftszweck ebenfalls bedeutsam werden.94 ___________ 89

Vgl. KK-Lutter § 58 AktG Rn. 83. Vgl. Mülbert Aktiengesellschaft S. 156, der den Gesellschaftszweck aus einem „notwendigen Wahlakt“ der (Gründungs-)Aktionäre ableitet. 91 Vgl. Mülbert ZGR 1997, 129, 141. 92 Siehe aber Th. Raiser ZHR 144 (1980), 206, 215, der darauf verweist, dass der Mensch nicht immer als homo oeconomicus handelt, sondern sich auch in seiner Funktion als Anteilseigner manchmal von irrationalen Beweggründen leiten lässt. 93 Siehe dazu und zum Folgenden Mülbert Aktiengesellschaft S. 138 ff. mwN. 94 Vgl. Mülbert ZGR 1997, 129, 141, 156; Th. Raiser Kapitalgesellschaftsrecht § 14 Rn. 14; v. Werder ZGR 1998, 69, 74; anders Schilling BB 1997, 373 ff., nach dessen Ansicht auch der Shareholder Value nicht aktionärsbezogen, sondern unternehmensbezogen zu verstehen ist. 90

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Hier ist nach richtiger Ansicht bei der Satzungsauslegung im Zweifel von einem auf Festlegung eines überindividuellen Verbandszwecks gerichteten Aktionärswillen auszugehen.95 Die Interessen der einzelnen Aktionäre untereinander sind nämlich in der Regel selbst nicht gleichlaufend, da sie hinsichtlich des von ihnen eingesetzten Kapitals häufig unterschiedliche Anlageziele – etwa hinsichtlich des Zeitpunkts und der Art und Weise der Gewinnrealisierung – verfolgen. 96 Die Aktionäre haben aber ein Interesse an der Festlegung eines operablen Gesellschaftszwecks, der bei Interessenkollisionen zwischen den gegenwärtigen Aktionären untereinander oder mit den Verwaltungsorganen der Gesellschaft eine Schiedsrichterfunktion ausüben kann.97 Im Ergebnis ergibt daher die Satzungsauslegung in der Regel eine Zweckbindung des Vorstands an das Prinzip der Gewinnmaximierung auf Verbandsebene. Der Gesellschaftszweck ist zwar insoweit vom Aktionärswillen ableitbar, aber nicht zwingend identisch mit den Interessen der einzelnen Aktionäre. (b) Die Grenzen der Satzungsautonomie als Grundlage für Beschränkung auf den „angemessenen Gewinn“? In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass eine Festlegung des Vorstands auf das Prinzip der Gewinnmaximierung mit dem in § 76 AktG geregelten Vorstandsermessen gar nicht vereinbar sei.98 Der Vorstand unterliege auch anderen rechtlichen Bindungen insbesondere an Arbeitnehmerinteressen und an das Interesse der Öffentlichkeit. Aus der Pflicht zur eigenverantwortlichen unternehmerischen Tätigkeit aus § 76 AktG ergebe sich ein gesetzlicher Ermessensspielraum, der wegen § 23 Abs. 5 AktG durch die Satzung allenfalls ergänzt, aber nicht eingeschränkt werden dürfe.99 Erst recht muss dieser Einwand dann gelten, wenn das Ziel der Gewinnmaximierung gar nicht ausdrücklich normiert, sondern lediglich durch Auslegung des Unternehmensgegenstands zu ermitteln ist. Würde man diesem Argument folgen, ließe sich in dem Maße, in dem die Konkretisierung der Zweckbestimmung selbst im Ermessen des Vorstands läge, konsequenterweise auch keine Ermessensgrenze im Sinne der ARAG/GarmenbeckRechtsprechung annehmen. Das Gewinnmaximierungsziel wäre somit relativiert zu einer Verpflichtung auf die Erzielung eines – angesichts der anderweitigen Verpflichtungen des Vorstands von diesem selbst zu definierenden – „angemessenen“ Gewinns. ___________ 95

Vgl. Mülbert Aktiengesellschaft S. 139 f. Vgl. Th. Raiser ZHR 144 (1980) 206, 216 f. 97 Vgl. Mülbert Aktiengesellschaft S. 140. 98 Vgl. KK-Mertens § 82 AktG Rn. 12; KK-Mertens § 76 AktG Rn. 11. 99 Vgl. KK-Mertens vor § 76 Rn. 11. Siehe dazu auch Paefgen Struktur S. 64. 96

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Dogmatisch ließe sich dies bei einer nicht ausdrücklichen oder nicht eindeutigen Regelung des Gesellschaftszwecks durch eine gesetzeskonforme restriktive Auslegung der Satzung begründen.100 Schwieriger wäre nach dieser Ansicht die Lage bei einer darüber hinausgehenden eindeutigen Normierung des Gewinnmaximierungsprinzips in der Satzung. Diese wäre grundsätzlich nach § 23 Abs. 5 AktG in Verbindung mit dem Rechtsgedanken aus § 241 Nr. 3 AktG nichtig.101 Da aber ein vollständiger Wegfall des Gesellschaftszwecks mit dem verbandsrechtlichen Wesen der Aktiengesellschaft nicht vereinbar wäre, käme insoweit eine geltungserhaltende Reduktion des Gesellschaftszwecks hin zu einer Bindung an das Ziel zur angemessenen Gewinnerzielung in Betracht. Dies würde auch der Wertung von § 3 AktG entsprechen.102 Eine solche grundsätzliche Modifikation des satzungsautonomen Gewinnmaximierungsziels setzt aber voraus, dass die Bindung an das Ziel der Gewinnerzielung und die Verpflichtung zur Förderung des öffentlichen Interesses und der Arbeitnehmerinteressen mindestens gleichrangig sind. Anderenfalls könnten die anderen Interessen der Zulässigkeit von auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Satzungsbestimmungen nicht entgegenstehen. Die Förderung von gesellschaftsfremden Interessen im Rahmen des unternehmerischen Ermessens stünden dann unter dem Vorbehalt der Gewinnmaximierung. Deswegen soll im folgenden Teil geprüft werden, ob das satzungsautonome Gewinnmaximierungsziel durch andere gleich- oder höherrangige Pflichten überlagert wird. b) Überlagerung der satzungsautonom begründbaren Gewinnmaximierungspflicht durch höherrangiges Recht aa) Überlagerung des satzungsautonomen Gewinnmaximierungsziels durch § 70 AktG 1937? § 70 Abs. 1 AktG 1937, die Vorläuferregelung zum heutigen § 76 AktG, verpflichtete den Vorstand, die Gesellschaft so zu leiten, „wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern“. Die gesetzliche Bezugnahme auf das Wohl der Belegschaft sowie der Allgemeinheit relativierte somit den aus dem Aktionärswillen ableitbaren Gesellschaftszweck der Gewinnerzielung. Die Neufassung des Aktiengesetzes von 1965 hat diese Klausel dem Wortlaut nach jedoch nicht übernommen. ___________ 100

Vgl. Hüffer § 23 AktG Rn. 39. Vgl. Hüffer § 23 AktG Rn. 43. 102 Zur Heranziehung des § 3 AktG als gesetzliche Vermutung zugunsten einer erwerbswirtschaftlichen Zielsetzung der Aktiengesellschaft siehe Paefgen Struktur S. 52 f. mwN. 101

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Trotzdem wird in einem Teil des Schrifttums und in der älteren Rechtsprechung die Fortgeltung des § 70 Akt 1937 zum Teil noch angenommen.103 Dies wird zum einen durch die Gesetzgebungsgeschichte des AktG von 1965 begründet.104 In den Ausschüssen war nämlich beantragt worden, einen § 72a einzufügen, nach dem „die Gesellschaft das Unternehmen unter Berücksichtigung des Wohls seiner Arbeitnehmer, der Aktionäre und der Allgemeinheit zu betreiben [habe]“. 105 Dieser Antrag wurde zwar von den Rechts- und Wirtschaftsausschüssen mehrheitlich abgelehnt, allerdings wurde diese Ablehnung nicht mit einer Zurückweisung des materiellen Inhalts einer solchen Vorschrift begründet. Vielmehr wurde sie als überflüssig betrachtet, weil sie in einem sozialen Rechtsstaat und bei Berücksichtigung der zahlreichen Arbeitnehmerschutzvorschriften in anderen Spezialgesetzen selbstverständlich sei.106 Weiterhin wurde gegen eine solche neue, von der national-sozialistisch angehauchten Terminologie befreite Gemeinwohlklausel eingewandt, dass die Reihenfolge ihrer Aufzählung von der Rechtsprechung als Indiz für eine gesetzliche Hierarchisierung der drei erwähnten verschiedenen Interessen herangezogen werde. Darüber sollte aber keine gesetzliche Entscheidung getroffen werden. Godin-Wilhelmini begründen die Gemeinwohlbindung der Gesellschaft daneben mit dem Hinweis auf § 396 Abs. 1 AktG.107 Diese Ansicht wird durch die genannten Ausschussberatungen gestützt, da die Überflüssigkeit einer an § 70 AktG 1937 angelehnten Gemeinwohlklausel auch mit dieser Vorschrift begründet wurde.108 § 396 Abs. 1 AktG regelt die Möglichkeit der gerichtlichen Auflösung einer Aktiengesellschaft bei gesetzeswidrigem gemeinwohlschädlichen Verhalten ihrer Verwaltungsträger. Letztendlich können aber die oben genannte Argumente für eine Weitergeltung von § 70 Abs. 1 AktG 1965 nicht überzeugen. Die formale Weitergeltung des § 70 Abs. 1 AktG 1937 im Sinne einer ungeschriebenen Norm erscheint angesichts der Tatsache, dass sein Regelungsbereich durch § 76 Abs. 1 AktG 1965 abgedeckt wird, als äußerst fragwürdig. Der Gesetzestext selbst gibt keinen Hinweis auf eine ___________ 103 Vgl. OLG Hamburg AG 1964, 45 ff, 48; KK-Mertens § 76 AktG Rn. 16; Baumbach/Hueck § 76 AktG Rn. 1; Godin/Wilhelmini, § 76 AktG Anm. 1; Roth Unternehmerisches Ermessen S. 24. 104 Vgl. z.B. Baumbach/Hueck § 76 AktG Rn. 1; Roth Unternehmerisches Ermessen S. 24. 105 Vgl. Schriftlicher Bericht des Rechtssausschusses, BT-Drucks. IV/3296 v. 12.5.1965, zu § 73 S. 12; siehe auch Kropff Aktiengesetz S. 97. 106 Vgl. Wilhelmini Schriftlicher Bericht des Rechtssausschusses, BT-Drucks. IV/ 3296 S. 13. 107 Godin/Wilhelmini § 76 AktG Anm. 5. 108 Vgl. Wilhelmini Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. IV/ 3296 S. 13.

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vom Gesetzgeber gewollte Inkorporierung der alten Formulierung in die Neufassung des Aktiengesetzes. 109 Verweise auf die Gesetzgebungsgeschichte allein genügen nicht, um den Wortlaut des § 70 AktG 1937 ins geltende Aktienrecht zu übernehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben Meinungsäußerungen des Gesetzgebers keine Gesetzeskraft, „wenn sie nicht im Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden haben“. 110 Einen entsprechenden auf die Gemeinwohlbindung deutenden Hinweis enthält aber der heutige § 76 Abs. 1 AktG gerade nicht. Auch der zur Begründung für die Weitergeltung herangezogene § 396 AktG regelt nur die aktienrechtliche Sanktionierung von Gesetzesverstößen. Über die Frage, inwieweit eine sich gesetzestreu verhaltende Gesellschaft am Gemeinwohl orientieren sollte, trifft diese Regelung keine Aussage.111 Außerdem spricht das im Jahre 1994 reformierte Umwandlungsrecht gegen einen solchen aus der historischen Argumentation ermittelten Gesetzgeberwillen.112 Denn die von § 226 UmwG vorgesehene Möglichkeit, eine Aktiengesellschaft identitätswahrend in eine andere Gesellschaft umzuwandeln, lässt sich schwerlich mit einer allein im Aktienrecht geltenden Gemeinwohlklausel vereinbaren, da es z.B. im GmbHG keine entsprechende Regelung gibt. Die Bejahung einer ungeschriebenen Gemeinwohlklausel im Aktienrecht würde sonst bedeuten, dass der Vorstand durch „den einfachen Rechtsformwechsel etwa in eine GmbH [die für das Leitungsermessen geltenden Bindungen] an der Garderobe abgeben kann“.113 Dies kann aber nicht im Sinne des Gesetzgebers sein. bb) Überlagerung des erwerbswirtschaftlichen Gesellschaftszwecks durchdie verfassungsrechtliche Sozialbindung des Eigentums (1) Unzulässigkeit des Gewinnmaximierungsprinzips wegen der unmittelbaren Geltung von Art. 14 Abs. 2 GG? Nach Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG soll der Gebrauch des Eigentums auch dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Ansatzpunkt für die Sozialbindung wäre das Eigentum der Aktiengesellschaft oder das Eigentum der Aktionäre an den Anteilen der Aktiengesellschaft.114 Art. 14 Abs. 2 GG könnte die Grundlage für verfassungsunmittelbare Pflichten des Eigentümers sein und so gegebenenfalls ___________ 109

Vgl. Rittner FS Geßler S. 142 f. BVerfGE 11, 126 ff., 130; Baas Leitungsmacht S. 66. 111 Vgl. Baas Leitungsmacht S. 65; Rittner FS Geßler S. 143 f. 112 Siehe Mülbert ZGR 1997, 119, 148. 113 Mülbert ZGR 1997, 119, 149. 114 Diese beiden Ansatzpunkte werden zum Teil auch verbunden, vgl. Geßler/Hefermehl § 76 AktG Rn 21, der Art. 14 Abs. 2 GG auf das „in der Aktie verkörperte gesellschaftsrechtliche Eigentum“ bezieht. 110

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die Unzulässigkeit des Gewinnmaximierungsprinzips im Sinne einer (ausschließlichen) Verhaltensmaxime für Vorstandsmitglieder begründen. In der Literatur wird deshalb dieses verfassungsrechtliche Gebot häufig als Grundlage für die Überlagerung erwerbswirtschaftlicher Ziele herangezogen.115 Allerdings ist die Frage der unmittelbaren Geltung von Art. 14 Abs. 2 GG in der verfassungsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung umstritten. Für eine unmittelbare Geltung spricht, dass Art. 14 Abs. 2 GG neben Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, der ausdrücklich eine gesetzliche Schrankenregelung vorsieht, steht und somit nur als Grundlage für verfassungsunmittelbare Pflichten eigenständige Bedeutung erlangen könnte.116 Dem wird entgegengehalten, dass es sich bei Art. 14 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 GG um einen einheitlichen Gesetzesvorbehalt handele, der sich nur an die Legislative richte.117 Diese zweite Auffassung wird letztlich mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung begründet, da eine Bejahung der verfassungsunmittelbaren Sozialpflichtigkeit des Eigentums die Eigentumsgarantie in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG einem Richtervorbehalt unterwerfen würde.118 Dies widerspräche aber wiederum dem Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu entnehmenden Gedanken, dass nur das „durch die Gesetze ausgeformte Eigentum“ Gegenstand von Art. 14 GG sei und es damit dem Gesetzgeber obliege, die Eigentumsordnung festzulegen.119 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur unmittelbaren Geltung von Art. 14 Abs. 2 GG tendiert gerade in den neueren Urteilen eindeutig zur zweiten Auffassung, nach der der Gesetzgeber (alleiniger) Adressat von Art. 14 Abs. 2 GG ist.120 Teilweise wird zwar von den Befürwortern der Gemeinwohlbindung des Vorstands das sog. „Feldmühle-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts als unmittelbarer Beleg für die Bindung der Unternehmensleitung an das Gemeinwohl über Art. 14 Abs. 2 GG herangezogen. 121 Und tat___________ 115 Vgl. Geßler/Hefermehl § 76 AktG Rn. 21; Th. Raiser Kapitalgesellschaftsrecht § 14 Rn. 14; ders. ZHR 144 (1980), 206, 225; Kübler Gesellschaftsrecht § 14 III 2. e) (S. 169 f.); Rittner FS Geßler S. 139, 146 f. 116 Für die unmittelbare Geltung von Art. 14 Abs. 2 GG im Sinne einer Grundpflicht Badura Hdb. des Verfassungsrechts § 10 Rn. 24; Kimminich BK Art. 14 GG Rn. 154, 175; Bryde in M/K-Bryde Art. 14 GG Rn. 69 f.; einschränkend auf Extremfälle Gassner NVwZ 1982, 165, 167. 117 Vgl. MD-Papier Art. 14 GG Rn. 299; Jarass/Pieroth Art. 14 Rn. 1, Rn. 50. 118 Vgl. MD-Papier Art. 14 GG Rn. 299; dagegen BK-Kimminich Art. 14 GG Rn. 175. 119 Vgl. BVerfGE 24, 367, 396; MD-Papier Art. 14 GG Rn. 300. 120 Vgl. BVerfGE 56, 249, 250; BVerfGE 58, 300, 338; BVerfGE 89, 1, 5; BVerfGE 100, 226, 241; einschränkend aber noch BVerfGE 21, 73, 83 („nicht nur eine Anweisung für das konkrete Verhalten des Eigentümers, sondern in erster Linie Richtschnur für den Gesetzgeber“). 121 Geßler/Hefermehl § 76 Rn. 21.

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sächlich steht in diesem Urteil, dass Art. 14 Abs. 2 GG auch gegenüber der Unternehmensleitung (bzw. Konzernleitung) gilt.122 Allerdings war die unmittelbare Geltung von Art. 14 Abs. 2 GG im Verhältnis zwischen Vorstand und der Aktiengesellschaft nicht Gegenstand der Entscheidung, da es hier um die Vereinbarkeit einer einfachgesetzlichen gesellschaftsrechtlichen (genauer umwandlungsrechtlichen) Regelung mit dem Grundgesetz ging. Überdies hat die zitierte Passage nahezu keine Aussagekraft hinsichtlich einer aus Art. 14 Abs. 2 GG zu entnehmenden unmittelbaren Überlagerung des satzungsautonom festgelegten Gesellschaftszwecks, da das Bundesverfassungsgericht sich in dieser Entscheidung auf den zum Zeitpunkt der Entscheidung noch geltenden § 70 AktG 1937 beziehen konnte.123 Eine Modifizierung des satzungsautonom feststellbaren Gesellschaftszwecks lässt sich daher entgegen den oben genannten Stimmen in der Literatur im Ergebnis nicht unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 GG entnehmen.124 Dem Gesetzgeber bleibt es zwar unbenommen, aufgrund des Gesetzesvorbehalts eine gesellschaftsrechtliche Einschränkung der Eigentumsrechte vorzunehmen, wie er es z.B. durch das Mitbestimmungsgesetz getan hat. Eine unmittelbare Bindung des Vorstands an das Gemeinwohl, das den Gesellschaftszweck überlagern könnte, ist aber seit dem Wegfall von § 70 AktG 1937 im Aktiengesetz nicht mehr normiert. Eine verfassungsrechtliche Grundpflicht zur sozialgerechten Eigentumsnutzung und ein damit verbundener Richtervorbehalt lassen sich, wie oben dargestellt, vor allem nicht mit Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG in Einklang bringen. Auch im Hinblick auf die rechtliche Durchsetzung der in Art. 14 Abs. 2 GG enthaltenen Wertung besteht kein Bedarf für die Annahme einer unmittelbar wirkenden Grundpflicht, da Art. 14 Abs. 2 GG und die Rechte Dritter im Privat- und Gesellschaftsrecht im Wege der mittelbaren Drittwirkung zur Geltung kommen können. Zudem ist Art. 14 Abs. 2 GG aufgrund des in ihm enthaltenen Gebots an den Gesetzgeber auch bei der hier vertretenen Auslegung keineswegs überflüssig. (2) Unzulässigkeit des Gewinnmaximierungsziels aufgrund von Grundrechten Dritter? Die Sozialbindung des Eigentums könnte aber im Rahmen der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten Dritter zu berücksichtigen sein. Seit der LüthEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist es anerkannt, dass die Grund___________ 122

Vgl. BVerfGE 14, 263, 282. Vgl. BVerfGE 14, 263, 282; siehe dazu auch Vorderwühlbecke BB 1989, 505, 507 Fn. 35. 124 Vgl. Vorderwühlbecke BB 1989, 505, 507; Krämer Das Unternehmensinteresse S. 70. 123

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rechte eine „objektive Wertordnung“ darstellen, die sich im Privatrecht „durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften“ entfaltet. 125 Dafür bieten sich insbesondere privatrechtliche Generalklauseln als „Einbruchstellen“ an.126 Die §§ 76, 93 AktG bieten aufgrund ihres generalklauselhaften Charakters grundsätzlich Raum für eine solche verfassungskonforme Auslegung. Allerdings ergibt sich aus dem Grundgesetz keineswegs die generelle Unvereinbarkeit des Gewinnmaximierungsprinzips mit den Grundrechten. Zwar sind sowohl die Grundrechte der Vorstandsmitglieder als auch diejenigen Dritter bei der Ermessensausübung zu beachten. Das Grundgesetz ist aber wirtschaftspolitisch neutral und steht dem System der freien Marktwirtschaft und dem ihm zugrunde liegenden Streben nach Gewinnmaximierung nicht entgegen.127 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in Art. 14 Abs. 2, 20 GG enthaltenen Wertung. Auf verfassungsrechtlicher Ebene ergibt sich die Zulässigkeit eines auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Gesellschaftszweck aus der durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierten Privatautonomie und aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Allenfalls in den Einzelfällen, in denen die Grundrechte Dritter überwiegen, kommt eine Abweichung vom Gewinnmaximierungsziel in Betracht. Eine generelle Überlagerung dieser satzungsmäßigen Zielsetzung durch §§ 76, 93 AktG in Verbindung mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen lässt sich daraus nicht entnehmen.128 Hinsichtlich der hier zu untersuchenden Problematik ergibt sich aus den Grundrechten auch kein Anspruch Dritter auf Unternehmensspenden, den die Vorstandsmitglieder bei ihrer Ermessensausübung zu beachten hätten. 129 Ein anderes Ergebnis widerspräche schon der Definition der Unternehmensspenden als „freiwillige“ unentgeltliche Zuwendungen.

___________ 125

BVerfGE 7, 198, 205. Vgl. Pieroth/Schlink Staatsrecht II Rn. 180 ff. 127 Vgl. Mülbert ZGR 1997, 129, 149 f.; zur wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes vgl. MD-Scholz Art. 12 GG Rn. 77 ff. 128 A.A. Krämer Das Unternehmensinteresse S. 190 ff., der die von ihm angenommene Relativierung des am Gesellschaftszweck ausgerichteten Gesellschaftsinteresses mit dem Zusammenspiel von Art. 14 Abs. 2 GG und der „Einbruchsstelle“ § 76 Abs. 1 AktG begründet. 129 So aber ansatzweise Baas Leitungsmacht S. 167 ff., der zumindest eine Pflicht bejaht, eine Spende pro Jahr einer gemeinnützigen Einrichtung zukommen zu lassen. 126

C. Überprüfung von Spendenentscheidungen – deutsches Recht

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cc) Überlagerung des Gesellschaftszwecks durch das MitbestG? (1) Inhalt des MitbestG 1976 Die Diskussion um die Überlagerung einer aus dem Anteilseignerwillen abgeleiteten Verhaltensmaxime durch einen interessenpluralistischen Pflichtenmaßstab, der zumindest auch die Interessen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen hätte, erhielt durch die Normierung der quasi-paritätischen Mitbestimmung durch das Mitbestimmungsgesetz von 1976 neue Nahrung. 130 Da Unternehmensspenden in der Regel nicht allein durch Arbeitnehmerinteressen zu rechtfertigen sind, würde eine dadurch erreichte Modifikation der Zweckbindung des Vorstands wohl nur im Ausnahmefall unmittelbar Auswirkungen bei der Zulässigkeit von Unternehmensspenden haben. Mittelbar könnte sich allerdings die Aufgabe des Gewinnmaximierungsziels zugunsten von Arbeitnehmerinteressen auch auf die Zulässigkeit der Berücksichtigung von Allgemeinwohlinteressen auswirken. Das Mitbestimmungsgesetz von 1976 sieht die Repräsentation von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat der unter dieses Gesetz fallenden Kapitalgesellschaften vor.131 Das Gesetz enthält eine Reihe von organisationsrechtlichen Vorschriften, die die Mitwirkung der Arbeitnehmer bei der Unternehmensverwaltung sichern sollen. Danach setzt sich gemäß § 7 Abs. 1 MitbestG der mitbestimmte Aufsichtsrat jeweils zur Hälfte aus Vertretern der Arbeitnehmer- und der Anteilseignerseite zusammen. Nach § 27 Abs. 1 MitbestG werden der Aufsichtsratsvorsitzende und sein Stellvertreter mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt. Falls dies nicht gelingt, wird nach § 27 Abs. 2 S. 2 AktG der Aufsichtsratsvorsitzende von den Anteilseignervertretern und sein Stellvertreter von den Arbeitnehmervertretern mit jeweils einfacher Mehrheit gewählt. Der Aufsichtsratsvorsitzende hat nach § 29 Abs. 2 MitbestG ein Zweitstimmrecht, wenn wegen Stimmengleichheit im Aufsichtsrat eine zweite Abstimmung über einen Beschlussvorschlag notwendig wird. (2) Modifikation der Zweckbindung des Vorstands durch das MitbestG? Nicht ausdrücklich geregelt wird im MitbestG dagegen die materielle Zielvorgabe, nach der sich die Mitglieder der Verwaltungsorgane zu richten haben. 132 Allerdings wird von einem Teil der Literatur von den organisations___________ 130 Vgl. z.B. Ballerstedt ZGR 1977, 133 ff.; Großmann Unternehmensziele; Kunze ZHR 147 (1983), 16 ff.; Laske ZGR 1979, 173 ff.; Paefgen Struktur; Raiser FS Rob. Fischer S. 561 f.; 206 ff.; Reuter AcP 1979 (1979), 509 ff.; Schilling ZHR 144 (1980), 136 ff. 131 Vgl. zum Anwendungsbereich § 1 MitbestG. 132 Vgl. aber dagegen § 2 BetrVG 1972, in dem der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit „zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs“ geregelt ist.

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

rechtlichen Regelungen der Mitbestimmung auf materiell-rechtliche Zielvorgaben für die Verwaltungsorgane geschlossen, die zumindest auch die Arbeitnehmerinteressen zu reflektieren hätten.133 Dafür spricht nach den Vertretern dieser Ansicht der dem MitbestG zugrunde liegende Gesetzgebungswille, ein Mittel zur Durchsetzung der Sozialbindung des Eigentums zu schaffen.134 Zudem wird darauf verwiesen, dass von den Arbeitnehmervertretern die (einseitige) Wahrnehmung von Gesellschafterinteressen nicht verlangt werden könne.135 Dies habe aber auch Auswirkungen auf die für den Vorstand geltende Verhaltensmaxime, da es widersinnig wäre, dass dieser andere Zielvorgaben zu erfüllen hätte als der ihn überwachende Aufsichtsrat.136 Letzteres Argument wird aber von der Gegenauffassung aufgegriffen und umgedreht. Dabei wird auf die teilweisen Überlappungen von Hauptversammlungskompetenzen mit denjenigen der anderen Verwaltungsorgane in den §§ 111 Abs. 4 S. 3, S. 4, 119 Abs. 2 und § 173 AktG verwiesen und daraus der Schluss der teilweisen „funktionalen Austauschbarkeit“ von Organentscheidungen gezogen.137 Dies würde bedeuten, dass die Änderung der materiellen Zielkonzeption auch die Hauptversammlung betreffen würde und Anteilseigner somit in ihrem Stimmverhalten nicht ihre eigenen Interessen, sondern diejenigen der Arbeitnehmer zu verfolgen hätten. Ein solches Ergebnis wäre aber zumindest ebenso fragwürdig wie die Verfolgung von Anteilseignerinteressen durch Arbeitnehmervertreter. Weiterhin wird von den Gegnern einer solchen materiellen Auslegung des Mitbestimmungsgesetzes zu Recht das Argument vorgetragen, dass auch nach einer traditionell gesellschaftsrechtlichen Konzeption das Gesellschaftsinteresse und eben nicht das Gesellschafterinteresse maßgeblich sei.138 Tatsächlich erscheint unter diesem Blickwinkel eine entsprechende Pflichtenbindung der Arbeitnehmervertreter keineswegs unzumutbar. Dies gilt umso mehr, als (langfristig) verstandene Gewinnmaximierung keineswegs immer mit den Arbeitnehmerinteressen unvereinbar ist, da diese in einer auf Wettbewerb beruhenden Wirtschaftsordnung auch dem Erhalt von Arbeitsplätzen dienen kann. Zudem ergibt sich für die Fälle, bei denen das gesellschaftsrechtlich begründete Prinzip der Gewinnmaximierung mit den Arbeitnehmerinteressen tatsächlich ___________ 133 Vgl. Reuter AcP 179 (1979), 509, 510 f.; Ballerstedt ZGR 1977, 133, 136 ff.; Schilling ZHR 144 (1980), 136, 142 f. 134 Vgl. Reuter AcP 179 (1979), 509, 510; dagegen Mülbert ZGR 1997, 129, 151. 135 Vgl. Th. Raiser FS R. Schmidt S. 101, 114. 136 Vgl. Th. Raiser FS R. Schmidt S. 101, 114 f. 137 Vgl. Paefgen Struktur S. 118 ff., Mülbert ZGR 1997, 129, 151. 138 Vgl. Paefgen Struktur S. 120; siehe zum Verhältnis von Gesellschafts- und Gesellschafterinteresse oben 3. Kap. C. I. 2. a) bb).

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inkompatibel ist, aus den organisationsrechtlichen Regelungen des MitbestG die Wertung, dass im Zweifel die Interessen der Anteilseignerseite vorrangig sind.139 Denn die §§ 27 Abs. 2, 29 Abs. 2 MitbestG 1976 geben im Konfliktfall den Anteilseignern ein Übergewicht gegenüber den Arbeitnehmervertretern. Im Ergebnis überwiegen die Argumente gegen eine Überlagerung der gesellschaftsrechtlich aus der Satzung entnommenen Gewinnmaximierungsmaxime als Verhaltensmaßstab durch einen aus dem MitbestG abgeleiteten interessenpluralistischen Verhaltensmaßstab. Für eine andere Schlussfolgerung gibt der Wortlaut des MitbestG nicht genügend Anhaltspunkte. Im Übrigen zeigen die Wertungen der organisationsrechtlichen Regelungen im MitbestG, dass Arbeitnehmer zwar ein Mitspracherecht haben sollen, dass aber im Zweifel das Anteilseignerinteresse überwiegt. An diesem Befund kann angesichts der Ausgestaltung der §§ 27 Abs. 2, 29 Abs. 2 AktG auch der Hinweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs, die das Prinzip der Gleichberechtigung und Gleichrangigkeit der verschiedenen Interessen noch enthalten habe, nichts ändern. Ohnehin spricht einiges dafür, dass diese Klausel wegen der Sorge um die Verfassungsmäßigkeit des MitbestG im Gesetzgebungsverfahren weggefallen ist.140 Eine Unvereinbarkeit eines auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Gesellschaftszwecks mit den Wertungen des MitbestG ergibt sich daraus keineswegs. dd) Überlagerung der satzungsmäßigen Zweckbindung durch das sog. „Unternehmensinteresse“? (1) Unternehmenswohl und Unternehmensinteresse als Verhaltensmaximen für Vorstände in der Rechtsprechung Die Bindung an den Gesellschaftszweck und das darin enthaltene Ziel der Gewinnmaximierung im Sinne einer Ermessensgrenze könnte aber im Widerspruch zu der vom Bundesgerichtshof in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung verwendeten Terminologie des Unternehmenswohls stehen. Im Falle eines solchen Widerspruchs würde sich die Frage stellen, ob möglicherweise die sich aus Satzung und Gesetz ergebende Zweckbindung des Vorstands im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung modifiziert worden ist. Der in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung verwendete Begriff „Unternehmenswohl“ deutet an, dass der Bundesgerichtshof an eine ältere Rechtsprechung anknüpfen wollte, nach der das „Unternehmensinteresse“ maßgebliche Verhaltensmaxime für das Verhalten von Vorstandsmitgliedern sein sollte.141 ___________ 139

So auch Mülbert ZGR 1997, 129, 153. Vgl. Ballerstedt ZGR 1977, 133, 136. 141 Vgl. dazu Roth Unternehmerisches Ermessen S. 28, der von der Synonymität dieser Begriffe ausgeht. 140

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

In der Entscheidung BGHZ 64, 325 ff. stellte der Bundesgerichtshof das „Interesse des Unternehmens“ als maßgebliches Merkmal bei der Beurteilung des Umfangs der Schweigepflicht von Aufsichtsratsmitgliedern nach §§ 93 Abs. 1 S. 2, 116 AktG heraus.142 Auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt es Äußerungen, die auf das „Unternehmensinteresse“ Bezug nehmen. So begründete das Bundesverfassungsgericht in der Mitbestimmungsentscheidung die Vereinbarkeit der erweiterten Mitbestimmung mit dem sich aus Art. 9 Abs. 3 GG ergebenden Grundsatz der Unabhängigkeit der Tarifpartner damit, dass alle Mitglieder der Gesellschaftsorgane ihre Aufgaben „ungeachtet etwaiger persönlicher Konflikte oder Interessenkonflikte im Interesse des Unternehmens wahrzunehmen“ hätten.143 Die vorhandene Rechtsprechung führt aber nicht weiter aus, was die Bindung an das „Interesse des Unternehmens“ genau zu bedeuten und in welchem Verhältnis das „Unternehmensinteresse“ zum Gesellschaftszweck zu stehen hat.144 Außerdem ist nicht ganz klar, inwieweit tatsächlich aus dem Begriff des „Unternehmensinteresses“ normative Verhaltensmaßstäbe für das Vorstandsverhalten entnommen werden können. Dies ist umso mehr der Fall, als die vorhandene Rechtsprechung keine dogmatische Begründung für ein so verstandenes „Unternehmensinteresse“ abgibt. (2) Die rechtliche Unbestimmtheit des Begriffs Der pauschale Hinweis auf das „Unternehmensinteresse“ im Zusammenhang mit der Verwaltung von Aktiengesellschaften entspricht im Grundsatz der gängigen Praxis in der Literatur.145 Sehr umstritten ist allerdings in der Wissenschaft, was unter dem Unternehmensinteresse zu verstehen ist und welche Funktion es im Zusammenhang mit der Auslegung von §§ 93, 76 AktG einzunehmen hat.146 Keinen Ansatzpunkt hierfür bietet das Aktiengesetz selbst. Zwar ist in den §§ 308, 312 AktG indirekt vom Unternehmensinteresse die Rede.147 Allerdings handelt es sich dabei um spezifisch konzernrechtliche Regelungen, ___________ 142 Vgl. BGHZ 64, 325, 329: In dem zugrunde liegenden Verfahren wandten sich die Arbeitnehmervertreter in einem mitbestimmten Aufsichtsrat mit Erfolg gegen eine Geschäftsordnungsregelung, die die Schweigepflicht über das gesetzliche Maß hinaus verschärfte. Erwähnt wird der Begriff des Unternehmensinteresses weiterhin in den Entscheidungen BGHZ 62, 197, 199; BGHZ 83, 106, 120; BGHZ 83, 144, 149. 143 Vgl. BVerfGE 50, 290, 374. 144 Vgl. z.B. BGHZ 64, 325, 331; Rittner FS Hefermehl S. 365, 368 f. 145 Vgl. Th. Raiser Kapitalgesellschaftsrecht § 14 Rn. 13. 146 Siehe dazu Jürgenmeyer Unternehmensinteresse S. 43 ff. 147 Vgl. 308 Abs. 1 AktG: „Belangen des herrschenden Unternehmens“; § 312 AktG „Interesse dieser Unternehmen“.

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die aufgrund ihres Ausnahmecharakters bei der allgemeinen Diskussion um das Unternehmensinteresse nicht weiterhelfen.148 Die rechtliche Fassbarkeit dieses Begriffs wird zum einen dadurch erschwert, dass die in der Literatur darüber stattfindende Diskussion im Grenzbereich zwischen der Analyse des geltenden Rechts und rechtspolitischen Forderungen stattfindet.149 Zum anderen handelt es sich dabei um eine vielschichtige Diskussion, bei der es im Kern um die (teilweise) Überlagerung des – angeblich monistisch an Anteilseignerinteressen ausgerichteten – Gesellschaftsrechts durch ein vermeintlich „moderneres“ interessenpluralistisches Unternehmensrecht geht.150 In den letzten Jahren wird die Diskussion jedoch zunehmend unter umgekehrten Vorzeichen geführt, nämlich unter dem Blickwinkel des Shareholder Value.151 In diesem Sinne lässt sich die oben dargestellte Diskussion über die Überlagerung des aus der Satzung und damit dem Aktionärswillen zu entnehmenden Gesellschaftszwecks als ein Teil der Diskussion über das Unternehmensinteresse verstehen. Eine darüber hinausgehende vollständige Darstellung dieser nahezu uferlosen Debatte würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und ist im Hinblick auf die hier zu behandelnde Thematik auch nicht erforderlich.152 Von Interesse ist an dieser Stelle nur die Frage, ob die begriffliche Bezugnahme auf das „Unternehmensinteresse“ durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entgegen den oben genannten Argumenten eine Abkehr vom Gewinnmaximierungsprinzip zwingend voraussetzt, sodass möglicherweise eine Modifikation der Zweckbindung im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung in Betracht kommt. Diese Frage kann jedoch nur im Kontext des allgemeineren unternehmensrechtlichen Hintergrunds beurteilt werden. Aus diesem Grunde sollen die wichtigsten unternehmensrechtlichen Ansätze im Folgenden kurz dargestellt werden. (3) Das „Unternehmen“ als verselbstständigter Rechtsträger? Hoch umstritten ist die Frage, ob das Unternehmensinteresse sich auf Interesse eines verselbstständigten Unternehmens bezieht oder ob es eine „sprachliche Abkürzung“ für die Pflicht des Vorstands ist, die in einem Unternehmen zusammentreffenden Interessen angemessen zu berücksichtigen. 153 Letztere Ansicht ___________ 148

Vgl. Th. Raiser FS R. Schmidt S. 101, 102. Vgl. Schmidt-Leithoff Verantwortung S. 62 f. 150 Vgl. Schmidt-Leithoff Verantwortung S. 63. 151 Vgl. z.B. v. Werder ZGR 1997, 69 ff.; Mülbert ZGR 1997, 129 ff.; Schilling BB 1997, 373 ff. 152 Siehe dazu die umfassende Darstellung bei Krämer Das Unternehmensinteresse S. 27 ff. 153 Hüffer § 76 AktG Rn. 15. 149

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

entspricht eher der klassischen zivil- und handelsrechtlichen Konzeption, dass die Gesellschaft bzw. die juristische Person Trägerin eines Unternehmens sei.154 (a) Die Theorie vom „Unternehmen an sich“ Über die fehlende Subjektsqualität des Unternehmens tobt seit nunmehr fast 100 Jahren, vor allem aber seit den sechziger Jahren ein zum Teil heftig geführter Streit in der Rechtswissenschaft.155 Die Grundlagen zur versuchten Subjektivierung des Unternehmens lassen sich bis auf die von der Staatsrechtslehre im 19. Jahrhundert entwickelte Vorstellung zurückverfolgen, dass menschliche Verbände „soziale Organismen“ mit eigener Persönlichkeit seien, die sich in Form von „Gemeingeist, Gemeinwillen und Gemeinbewusstsein“ äußerten.156 Im Gesellschaftsrecht erfuhr dieser Ansatz seine extreme Ausprägung Anfang des 20. Jahrhunderts in der im Anschluss an eine Monographie von Walther Rathenau aus dem Jahre 1917 entwickelten „Theorie vom Unternehmen an sich“.157 Dieses wurde vor allem zur Begründung der Unabhängigkeit der Leitungsorgane von den Aktionärsinteressen herangezogen, indem es entsprechend den in der Staatsrechtslehre entwickelten Grundsätzen von einem Selbstinteresse des Unternehmens ausging, das als solches gegenüber den Interessen der Aktionäre schutzbedürftig sei.158 Kapital und Verwaltung hätten danach den Interessen des Unternehmens zu dienen.159 Gegenbild zu dieser Theorie war der überkommene reine „Kapitalverein“, in dem die „leitende Intelligenz und die schaffende Arbeit [...] besoldete Dienerinnen und allein das Kapital Herr“ gewesen seien.160

___________ 154

Vgl. Rittner Die werdende juristische Person S. 282. Siehe hierzu Th. Raiser FS Rob. Fischer S. 561 ff. 156 Vgl. v. Gierke Grundbegriffe S. 94; ders. Wesen, S. 13; Großmann Unternehmensziele S. 94. 157 Vgl. dazu Jürgenmeyer Unternehmensinteresse S. 52 f.: Rathenau selbst hat in seiner im Jahre 1917 erschienenen Monographie „Vom Aktienwesen“ weder den Begriff des „Unternehmens an sich“ gebraucht noch ging er von einem autonomen Konzept der Aktiengesellschaft aus. Allerdings wurde diese Theorie in Rathenaus Buch fälschlicherweise hineininterpretiert. Ironischerweise ist damit wohl die ihm in einem Teil der Literatur fälschlicherweise zugeschriebene Theorie letztendlich erst von ihren Kritikern selbst ins Leben gerufen worden. In erster Linie ist dabei die von Haussmann in seiner Schrift „Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht“ (1928) geäußerte Kritik zu nennen. Rathenau selbst ging es in seiner Schrift um den Schutz der Aktionärsmehrheit gegen „ungezügelten privatwirtschaftlichen Eigennutz von Minderheiten“. Siehe dazu auch Schilling FS Geßler S. 159, 160 ff. 158 Jürgenmeyer Unternehmensinteresse S. 54 f.; Haussmann Vom Aktienwesen S. 12. 159 Vgl. Netter FS Pinner S. 563, 564; Schilling FS Geßler S. 159, 161. 160 v. Gierke Genossenschaftsrecht S. 1029; vgl. Schilling FS Geßler S. 159, 160. 155

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Die Theorie vom Unternehmen an sich schlug sich zwar in der Begründung des Reichsjustizministeriums zu einem ersten Aktiengesetzentwurf von 1930 nieder, konnte sich aber letztendlich weder in der Gesetzgebung noch in der Rechtsprechung durchsetzen.161 Vorgeworfen wurde diesem Ansatz vor allem die mangelnde Berücksichtigung der Aktionärsinteressen.162 Die Theorie vom Unternehmen an sich und die eng damit verbundene Theorie vom Selbstinteresse des Unternehmens werden in dieser Form heute nicht mehr vertreten.163 (b) Die Sozialverbandstheorien Weniger weitgehend, aber in die gleiche Richtung zielend sind die im Anschluss an diese Lehre entwickelten Sozialverbandstheorien. Nach dieser ursprünglich von Fechner entwickelten Lehre setzt sich aus der heterogenen Gruppe „aller im Unternehmen stehenden Personen“ ein Personenverband zusammen.164 Dies begründet er mit dem rechtsethischen Argument, dass dem „[menschlichen] Bestand“ ein „Eigenwert“ zukomme und damit „zum mindesten einen Teil des Selbstzwecks des Unternehmens [verkörpere]“. 165 Dieser soziale Verband ist nach dieser Theorie dann zwar nicht mit dem Unternehmen selbst gleichzusetzen, sondern ist im Ergebnis Träger des Unternehmens.166 In dieser Funktion ersetzt der Sozialverband die juristische Person Aktiengesellschaft. Nach dem Krieg wurde Fechners Lehre in der Literatur und verschiedenen Kommissionen, die sich im weitesten Sinne mit der Mitbestimmungsproblematik befassten, wieder aufgenommen. Den Anfang machte ein von der Studienkommission des Juristentages verfasster Bericht, der sich mit der Entwicklung des Unternehmensrechts befasste. Wörtlich wird in diesem Bericht auf das „Unternehmen als die personale Gemeinschaft der im Dienste des Unternehmenszwecks miteinander arbeitenden Menschen“ Bezug genommen.167 Im sog. ___________ 161 Vgl. Jürgenmeyer Unternehmensinteresse S. 55; Flume FS Beitzke S. 43, 47. Die Entwurfsbegründung von 1930 sprach wörtlich von „der Ablösung der rein individualistischen Auffassung durch die Rechtsidee, dass das Unternehmen nicht nur der äußere Rahmen für die Verfolgung der Interessen der einzelnen beteiligten Staatsbürger, sondern als solches ein Rechtsgut besonderer Eigenart und eine Einrichtung mit besonderen Aufgaben sein, eine Einrichtung, der der Staat Schutz und Förderung auch insoweit nicht vorenthalten dürfe, als das Schutz- und Förderungsbedürfnis in Widerstreit mit den Sonderinteressen der Aktionäre gerate“ (Quelle: Jürgenmeyer Unternehmensinteresse S. 55). 162 Vgl. das Beispiel KK-Zöllner Einl. AktG, 1. Auflage, Rn. 130. 163 Vgl. Jürgenmeyer Unternehmensinteresse S. 56. 164 Vgl. Fechner Treubindungen S. 62 ff.; siehe dazu auch Schmidt-Leithoff Verantwortung S. 137 ff.; Rittner Die werdende juristische Person S. 290 ff. 165 Vgl. Fechner Treubindungen S. 65. 166 Vgl. Rittner Die werdende juristische Person S. 292. 167 Studienkommission Untersuchungen Teil I S. 18.

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

„Sechser-Bericht“ von 1968 gingen die Verfasser von dem Unternehmen als einem „interessenpluralistischen Herrschaftsverband“ aus.168 In eine ähnliche Richtung geht Raisers Ansatz vom „Unternehmen als Organisation“.169 Auch Raiser wählt die ökonomischen und besonders die soziologischen Gegebenheiten der Unternehmenswirklichkeit als Ausgangspunkt für seine Argumentation. 170 Nach seiner Auffassung folgt bereits aus der Unterschiedlichkeit der individuellen Anteilseignerziele, dass sich das Unternehmen „zum selbständigen, mit eigenen Zielen ausgestatteten und sich dadurch von seinen Eigentümern abhebenden sozialen Handlungssystem“ entwickelt hat.171 Daraus folgerte Raiser ursprünglich die rechtspolitische Forderung nach der Anerkennung des Unternehmens als Rechtssubjekt.172 Nach Erlass des BetrVG 1972 und des MitbestG 1976 geht Raiser in seinen neueren Publikationen aber von einer teilweise bereits erfolgten Verwirklichung eines eigenständigen Unternehmensrechts aus.173 (c) Die Lehre vom Aktienunternehmen Den Gegensatz zwischen der (Aktien-)Gesellschaft als Unternehmensträgerin und Rechtssubjekt auf der einen Seite und dem Unternehmen als rechtliches Objekt auf der anderen Seite versucht Flume dadurch aufzulösen, dass er von der Identität dieser beiden Institutionen ausgeht. Grundgedanke dafür ist Savignys Theorie vom „idealen Ganzen“.174 Nach diesem Ansatz bildet bei der Kapitalgesellschaft nicht der Mitgliederverband als solcher die juristische Person, sondern das Unternehmen als „ideales Ganzes“.175 Die Aktiengesellschaft ist somit ein „als juristische Person verfasstes Unternehmen“ und folglich Rechtssubjekt. 176 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Schilling, der ausgehend von den Mitbestimmungsgesetzen die Identität von Unternehmen und ___________ 168 Vgl. Boettcher/ Hax/ Kunze/ Nell-Breuning/ Ortlieb/ Preller Unternehmensverfassung S. 86. 169 Vgl. Th. Raiser Unternehmen S. 93 ff. 170 Vgl. Th. Raiser Unternehmen S. 95. 171 Vgl. Th. Raiser ZHR 144 (1980), 206, 217. 172 Vgl. Th. Raiser Unternehmen S. 166 ff.; ders. FS Rob. Fischer S. 561, 567. 173 Vgl. Th. Raiser Kapitalgesellschaftsrecht § 6 Rn. 7 („Die Entwicklung vom Gesellschaftsrecht zum Unternehmensrecht befindet sich im Fluss“); siehe aber Kunze ZHR 147 (1983), 16, 24, nach dem es auch nach Erlass der Mitbestimmungsregelungen „im geltenden Recht keine Vorschriften über ein Unternehmen als eigenständige Rechtsperson“ gebe. 174 Siehe dazu Flume FS Wieacker S. 340, 359. 175 Siehe dazu auch die zusammenfassende Darstellung bei Schmidt-Leithoff Verantwortung S. 148 ff. 176 Flume Allgemeiner Teil I/2 S. 48 ff.

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Gesellschaft aus der (teilweisen) Identität ihrer Organe folgert. 177 Die Lehre von Aktienunternehmen wird u.a. von Mertens vertreten.178 (d) Zwischenergebnis und Stellungnahme Insgesamt haben sich die Theorien, die von einem verselbstständigten Unternehmen im Sinne eines Rechtssubjekts ausgehen, (noch) nicht durchsetzen können, obwohl diese Konzeption im Grundsatz noch zahlreiche Anhänger hat.179 Es wäre auch zu weit gegriffen, im Zusammenhang mit der geltenden Rechtslage von einer vollständigen Überlagerung des Gesellschaftsrechts durch das Unternehmensrecht zu sprechen. Zwar ist das Mitbestimmungsrecht von unternehmensrechtlichen Theorien beeinflusst. Aber aus der gesellschaftsrechtlichen Perspektive wirkt es, wie oben bereits angedeutet, meist nur punktuell. (4) Das Unternehmensinteresse als interessenpluralistischer Verhaltensmaßstab? Entscheidend für die Beurteilung des Sorgfaltsmaßstabs für Unternehmensleiter im Zusammenhang mit Unternehmensspenden ist ohnehin die viel engere Frage, ob das Unternehmensinteresse als interessenpluralistischer Verhaltensmaßstab die Bindung des Vorstands an den Gesellschaftszweck überlagert.180 Für die Ermessensausübung des Vorstands würde dies bedeuten, dass diese in erster Linie in der „sachgerechte[n] Wahrnehmung der in der Gesellschaft und in ihrem Unternehmen zusammentreffenden Interessen“ (also den Interessen von Aktionären, Arbeitnehmern und Öffentlichkeit) läge.181 Dies würde neben der Abwägung der betreffenden Interessen auch eine Pflicht zum Interessenausgleich beinhalten. Die unmittelbare normative Geltung des Unternehmensinteresses als interessenpluralistisch ausgerichteter Verhaltensmaßstab für den Vorstand bedarf jedoch einer über die bloße deskriptive Funktion des Begriffs hinausgehenden rechtlichen Begründung. Ein großer Teil der Literatur versucht deswegen, die interessenpluralistische Pflichtenbindung mit der Fortgeltung von § 70 AktG ___________ 177

Vgl. Schilling ZHR 144 (1980), 136, 139 f. Vgl. KK-Mertens § 76 AktG Rn. 7. 179 Vgl. Th. Raiser Kapitalgesellschaftsrecht § 6 Rn. 10. 180 In der Literatur wird im Zusammenhang mit materiellen Verhaltensnormen auch der Begriff der „Unternehmensziele“ verwendet. Vgl. etwa Wiedemann ZGR 1975, 385, 412 ff.; Grossmann Unternehmensinteresse passim. Begründet wird dies zum Teil damit, dass dieser Begriff terminologisch und ideologisch relativ unbelastet ist und dass es sich dabei um einen in der betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorie bereits eingeführten Begriff handelt. Vgl. Grossmann Unternehmensziele S. 5. 181 Hüffer § 76 AktG Rn. 12; Kunze ZHR 144 (1980), 100, 117; Heermann ZIP 1998, 761, 764. 178

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

1937, der Gemeinwohlbindung aus Art. 14 Abs. 2 GG oder indirekt mit dem MitbestG 1976 zu begründen. Wie oben bereits dargestellt, sind diese rechtlichen Konstruktionen aber nicht dazu geeignet, die Bindung des Vorstands an das sich aus dem Gesellschaftszweck ergebende Ziel der Gewinnmaximierung zu relativieren.182 Damit bleibt der zweite in der Literatur eingeschlagene Weg, die normative Geltung des Unternehmensinteresses zu begründen. Dieser liegt in dem unmittelbaren Rückgriff auf die soziale und wirtschaftliche Wirklichkeit und die sich daraus ergebenden außergesellschaftsrechtlichen Theorien.183 Diese können aber nicht einfach die rechtlichen Bindungen für die Vorstände außer Kraft setzen. Allenfalls können sie die tatsächlichen Rahmenbedingungen für die Erfüllung dieser rechtlichen Aufgaben geben und sie als solche indirekt modifizieren. Der in der Literatur entwickelte Begriff des Unternehmensinteresses im Sinne eines Abwägungsgebots ist zudem als ermessensbegrenzende Kategorie nicht geeignet und steht damit im funktionalen Widerspruch zu der Verwendung des Begriffs „Unternehmenswohl“ in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung. Denn als bloße „Interessenausgleichsstelle“ wäre die Unternehmensverwaltung an keine verbindliche Zielvorgabe mehr gebunden.184 In seiner extremen Ausprägung würde dieser Gedanke, wie von den Vertretern des „Unternehmens an sich“ früher vorgeschlagen, zu einer unmittelbaren Gleichsetzung des Unternehmensinteresses mit dem Verwaltungsinteresse führen. Ein integratives Verständnis des Unternehmensinteresses im Sinne eines Abwägungsgebots entzieht sich einer generellen Beschreibung.185 Das Unternehmensinteresses als „komplexe multidimensionale und variable Größe, deren zahllose Komponenten nicht ohne weiteres auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind, sondern Raum für alternative Entscheidungen in der jeweils konkreten Situation zulassen“, hat den Charakter einer ermessensbegrenzenden Kategorie verloren. 186 Diese Formulierung dient vielmehr lediglich der Beschreibung des unternehmerischen Ermessens selbst.187 Die vom Bundesgerichtshof in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung gebrauchte Formulierung der Orientierung am Unternehmenswohl als eine dem unternehmerischen Ermessen vorgeschaltete und gerichtlich überprüfbare Kategorie würde bei einem solchen Verständnis des Unternehmensinteresses ins ___________ 182

Siehe oben 3. Kap. C. I. 2. b) aa)-cc). Vgl. Großmann Unternehmensziele S. 103. 184 Vgl. zu diesem Begriff Paefgen Struktur S. 77, 69. 185 Vgl. Kunze ZHR 144 (1980), 100, 116. 186 Th. Raiser MitbestG § 25 Rn. 110. 187 Vgl. Heermann ZIP 1998, 761, 764. 183

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Leere laufen. Noch deutlicher wäre der funktionale Widerspruch mit der Entscheidung BGHZ 64, 325 ff., die ausdrücklich das Unternehmensinteresse sogar zu einem materiellen Verhaltensmaßstab zu erheben scheint.188 Diese Rechtsprechung wäre mit dem in der Literatur entwickelten interessenpluralistischen und daher offenen und konturlosen Unternehmensinteressenbegriff nicht vereinbar.189 Die Rechtsprechung hat sich (bisher) auch nicht der in Teilen der Literatur vertretenen Ansicht angeschlossen, nach der das Unternehmensinteresse pauschal mit dem Erhaltungs- oder Rentabilitätsinteresse als größtem gemeinsamen Nenner der beteiligten Gruppeninteressen gleichzusetzen ist. 190 Dieser Versuch einer materiellen Definition des Unternehmensinteresses ist auch nicht dazu geeignet, die oben geäußerten Vorbehalte gegen die Heranziehung des Unternehmensinteresses als Ermessensgrenze zu entkräften. Schon die Bedeutung der Begriffe „Erhaltungs- und Rentabilitätsinteresse“ und das Verhältnis zwischen ihnen sind in der Literatur nicht eindeutig. Zum einen werden die beiden Begriff synonym verwendet.191 Zum anderen wird davon ausgegangen, dass die Rentabilität über die bloße Erhaltung hinaus eine „angemessene Verzinsung“ des eingesetzten Kapitals erfordere.192 Unabhängig von der genauen Einordnung dieser Begriffe bieten diese keine geeigneten Ansatzpunkte zur Begrenzung des Vorstandsermessens. 193 Wie Grossmann nachgewiesen hat, stellt das Kapitalerhaltungsziel aufgrund des langfristigen Zeitbezugs und unsicheren Risikobezugs schon begrifflich keine operable Verhaltensmaxime dar, sodass letztendlich auch hier die Konkretisierung dem Vorstand selbst überlassen wäre. 194 Noch weniger operabel wird der Begriff, wenn man zusätzlich den unbestimmten Begriff des „angemessenen Gewinns“ einbezieht. Als Maßstab für die richterliche Kontrolle von unternehmerischen Ermessensentscheidungen eignen sich die Kategorien deswegen nicht.

___________ 188 Gegenstand dieser Entscheidung war die Überprüfung einer Geschäftsordnungsregelung zu den Schweigepflichten der Aufsichtsratsmitglieder; siehe zu dieser Entscheidung oben 3. Kap. C. I. 2. b) dd) (1). 189 Paefgen Struktur S. 79. 190 Vgl. z.B. Th. Raiser FS R. Schmidt S. 101, 109; Raisch FS Hefermehl S. 347, 349 ff.; siehe dazu auch Paefgen Struktur S. 80. 191 Vgl. Raisch FS Hefermehl S. 347, 361. 192 Vgl. Junge FS Caemmerer S. 547, 554; vgl. dazu auch Großmann Unternehmensziele S. 109. 193 Vgl. dazu Krämer Das Unternehmensinteresse S. 99 ff. 194 Vgl. Grossmann Unternehmensziele S. 111.

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

(5) Die Vereinbarkeit der Gewinnmaximierungsmaxime mit dem Grundgedanken des Unternehmensinteresses Dennoch ist der dem Unternehmensinteresse zugrunde liegende Gedanke von der Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen und Interessen der Öffentlichkeit bei der rechtlichen Beurteilung von unternehmerischen Leitungsentscheidungen zu berücksichtigen. Denn unbestritten handelt es sich bei dem Unternehmen um eine „soziale Veranstaltung“.195 Das bedeutet, dass das Handeln der Aktiengesellschaft keineswegs nur die Interessen der Anteilseigner, sondern auch diejenigen der Arbeitnehmer sowie die Interessen der Öffentlichkeit berührt. Die Berücksichtigung dieser außergesellschaftlichen Interessen ist deswegen in der Regel notwendiges Zwischenziel bei der Befolgung der Gewinnmaximierungsmaxime.196 Insoweit ist Hüffers Bezeichnung des Unternehmensinteresses als „sprachliche Abkürzung“ für die Berücksichtigung der im Unternehmen zusammentreffenden Interessen zu folgen.197 Diese Sichtweise ist auch mit der im Deutschen Corporate Governance-Kodex gewählten Formulierung vereinbar, nach der der Vorstand „an das Unternehmensinteresse gebunden und der Steigerung des nachhaltigen Unternehmenswertes verpflichtet ist“. 198 Vorrangig bleibt aber das satzungsmäßige Ziel der Gewinnerzielung. (6) Zwischenergebnis Bei dem Unternehmensinteresse handelt es sich um einen vielschichtigen Begriff, dessen Grundgedanke in der Berücksichtigung gesellschafterfremder Interessen liegt. Dieses Prinzip ist bei einer entsprechenden Auslegung des Begriffs mit der aus der Satzung abgeleiteten Pflichtenbindung des Vorstands insoweit vereinbar, als man das Primat der Gewinnmaximierung berücksichtigt. In diesem Sinne widerspricht die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebrauchte Terminologie auch nicht der sich bereits aus Satzung und Gesetz ergebenden Pflichtenbindung des Vorstands, sodass die Frage nach einer möglichen Überlagerung dieser Pflichten durch Richterrecht verneint werden kann.

___________ 195

Vgl. Rittner FS Gessler S. 139, 158 („[soziale Veranstaltung] ersten Ranges“). Vgl. Westermann ZGR 1977, 219, 224 f.; im Ergebnis auch Wiedemann ZGR 1975, 385, 425. 197 Vgl. Hüffer § 76 AktG Rn. 15, 13 f. 198 Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex Ziff. 4.1.1. 196

C. Überprüfung von Spendenentscheidungen – deutsches Recht

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c) Vereinbarkeit des erwerbswirtschaftlichen Gesellschaftszwecks mit Unternehmensspenden aa) Langfristige Gewinnmaximierungsabsicht als Voraussetzung für die Zulässigkeit von Unternehmensspenden Aus den obigen Ausführungen ergibt sich als Voraussetzung für die Zulässigkeit von Unternehmensspenden, dass die Vorstandsmitglieder die Spendenentscheidung subjektiv mit Blick auf das Gewinnmaximierungsinteresse treffen. Unschädlich ist dabei, dass durch die Spende auch andere, insbesondere allgemeinwohlbezogene Zwischenziele verfolgt werden. Diese Grundsätze begrenzen zwar das Spendenermessen der Vorstandsmitglieder, allerdings schließt das Gewinnmaximierungsprinzip bei objektiver Betrachtungsweise in vielen Fällen keineswegs die Rechtfertigung von Unternehmensspenden aus. So kann eine Unternehmensspende etwa durch die Erwartung motiviert sein, dass sie den wirtschaftlichen Interessen der Aktiengesellschaft durch eine Verbesserung des Images und damit verbunden der Förderung der Absatzchancen der hergestellten Produkte dient und somit letztendlich eine Public Relations-Maßnahme darstellt.199 Ein weiteres Beispiel gewinnorientierter Erwägungen sind (erlaubte) politische Spenden, die als Maßnahmen der „politischen Landschaftspflege“ indirekt die Einflussnahme des Unternehmens auf politische Entscheidungen von wirtschaftlicher Bedeutung ermöglichen können. Ähnliches gilt grundsätzlich für Spenden an unternehmensnahe Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen sowie für Spenden, die den Angehörigen des Unternehmens zugute kommen. Bei vielen anderen Spenden ist allerdings der erwerbswirtschaftliche Bezug weniger offensichtlich. Daher stellt sich hier die Frage, welche Anforderungen sich aus dem allgemeinen Grundsatz der Gewinnmaximierung an die Vorstandsmitglieder im Einzelnen ergeben. bb) Anforderungen an das Beweisvorbringen des beklagten Vorstands Wie bereits oben angedeutet, ergibt sich aus § 93 Abs. 2 S. 2 AktG, dass Vorstände im Zweifel nachweisen müssten, ob sie von der Erwartung eines derartigen wirtschaftlichen Vorteils zur Vornahme der Spende motiviert worden sind. Bei der Spendenmotivation handelt es sich um eine innere Tatsache. Fraglich ist, ob allein durch die Behauptungen bzw. Aussagen der Vorstandsmitglieder nachgewiesen werden kann, dass die Entscheidung für die Spende im Hinblick auf das Ziel der Gewinnmaximierung getroffen wurde. ___________ 199 Vgl. Rittner FS Gessler S. 139, 154 f., insbesondere Fn. 70, in der ein Vorstandssprecher der Deutschen Bank eine Unternehmensspende als „billige Werbung“ rechtfertigt.

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

Diesen Beweis werden die Vorstandsmitglieder in der Regel durch Parteivernahme zu erbringen haben. Dabei wird nicht jede Aussage von beklagten Vorstandsmitgliedern von besonders hohem Beweiswert sein, da die Annahme von bloßen Schutzbehauptungen naheliegend ist.200 In der Praxis wird es von den Umständen des Einzelfalls abhängen, ob durch die bloßen Aussagen der Vorstandsmitglieder die nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderliche Überzeugung der Richter von der Wahrheit der Gewinnmaximierungsabsicht erreicht werden kann. Allerdings ist bei der freien Beweiswürdigung zu beachten, dass der Richter an Denk-, Erfahrungs- und Naturgesetze gebunden ist.201 Deswegen wird er die nach außen getretenen Umstände bei der Spendenentscheidung mit zu berücksichtigen haben. Solche Umstände erlauben auch unabhängig von Zeugenaussagen oder der Parteivernahme Rückschlüsse auf die Motivationslage der Vorstandsmitglieder.202 In der Regel kann man davon ausgehen, dass das beklagte Vorstandsmitglied durch seine eigene Aussage seine Gewinnmaximierungsabsicht zumindest in den Fällen nachweisen kann, in denen die Vereinbarkeit der Spende mit diesem Ziel objektiv aus der Ex ante-Sicht des Vorstands naheliegend war. Maßgeblich für die Überzeugungsbildung der Richter hinsichtlich der subjektiven Motivationslage der beklagten Vorstandsmitglieder wird in diesen Fällen damit auch die objektive Wahrscheinlichkeit sein, dass die von den Vorstandsmitgliedern gemachten Angaben mit dem Gewinnmaximierungsziel vereinbar sind.203 Die Beurteilung der subjektiven Spendenmotivation erfordert somit indirekt in vielen Fällen eine eingeschränkte inhaltlich-objektive Überprüfung der Spendenentscheidungen selbst. Die Reichweite der inhaltlichen Anforderungen an die Spendenentscheidung bei unternehmerischen Ermessensentscheidungen soll aber weiter unten zusammenhängend diskutiert werden. d) Rechtsvergleichende Zusammenfassung Die Orientierung am Unternehmenswohl bedeutet bei erwerbswirtschaftlichen Aktiengesellschaften in der Regel, dass Vorstandsentscheidungen auf das Ziel der Gewinnmaximierung ausgerichtet sein müssen, um als Ermessensentscheidung anerkannt zu werden. Die Bindung an das Gewinnmaximierungsziel ist aus dem satzungsmäßigen Gesellschaftszweck abzuleiten, der gegebenen___________ 200 Vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO Vor § 445 Rn. 7 „Vollkommen redliche Parteien sind trotz des Wahrheitszwangs schwerlich in der Mehrheit“. 201 Vgl. Rosenberg/Schwab § 113 II 1. 202 Vgl. Rosenberg/Schwab § 113 I 1. 203 Vgl. Schneider Beweis Rn. 798, der auf die „innere Wahrscheinlichkeit“ der Aussage abstellt.

C. Überprüfung von Spendenentscheidungen – deutsches Recht

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falls durch Auslegung des zwingend in der Satzung geregelten Unternehmensgegenstands zu ermitteln ist. Ein auf Gewinnmaximierung ausgerichteter Gesellschaftszweck wird zudem nicht durch widersprechende Regelungen im Grundgesetz, Aktiengesetz oder Mitbestimmungsgesetz „überlagert“. Auch die in der Rechtsprechung gewählten Begrifflichkeiten, die bei der Bestimmung des Verhaltensmaßstabs für Vorstände und Aufsichtsräte nicht von klassischgesellschaftsrechtlichen, sondern von interessenpluralistischen „unternehmensrechtlichen“ Theorien auszugehen scheinen, haben auf die sich aus den satzungs- und gesetzesmäßigen Pflichtenbindungen ergebenden Ermessensgrenzen grundsätzlich keinen modifizierenden Einfluss. Allerdings ist zu beachten, dass anteilseignerfremde Ziele durchaus als Zwischenziele zu verfolgen sind. Daraus ergibt sich, dass Unternehmensspenden dann zulässig sind, wenn sie zumindest langfristig von Gewinnmaximierungserwartungen motiviert sind. In der amerikanischen Literatur gibt es zwar ähnlich wie in Deutschland Stimmen für ein interessenpluralistisches Unternehmensverständnis. 204 Nach geltendem Recht sind die directors aber nach der alten Leitentscheidung Dodge v. Ford Motor Co. auch an die Gewinnmaximierungsmaxime gebunden. Dies gilt im amerikanischen Recht bei Spenden aber nur eingeschränkt. Zum einen steht der Bindung an die Gewinnmaximierungsmaxime die business judgment rule gegenüber. Danach beschränkt sich die Verfolgung des Gewinnmaximierungsziels auf eine subjektive Überprüfung der Spendenmotivation, wobei natürlich in erster Linie die Aussagen der directors maßgeblich sind. Angesichts der für directors günstigen Beweislastverteilung der business judgment rule wird an dieser Stelle ein Nachweis des Gegenteils nur schwerlich gelingen. Zum Teil ist im Bereich von Unternehmensspenden die subjektive Bindung an die Gewinnmaximierungsmaxime weitgehend durch ein objektives Angemessenheitserfordernis ersetzt worden. Rechtsvergleichend ergibt sich das vielleicht auf den ersten Blick überraschende Bild, dass das deutsche Gesellschaftsrecht im Bereich von Unternehmensspenden eine konsequentere Bindung der Vorstandsmitglieder an das Gewinnmaximierungsinteresse als das amerikanische Recht vorsieht. Dabei ist aber zu beachten, dass in beiden Rechtsordnungen die rechtliche Bedeutung der Gewinnmaximierungsmaxime durch die Anerkennung des unternehmerischen Ermessens hauptsächlich auf eine subjektive Überprüfung eingeschränkt ist. Offen bleiben muss an dieser Stelle, inwieweit das Fehlen einer gesellschaftsrechtlichen Spendenautorisierung im deutschen Recht tatsächlich zu anderen Ergebnissen führt. Während im amerikanischen Gesellschaftsrecht die subjektive Zweckbindung an das Gewinnmaximierungsziel bei Spendenentscheidungen innerhalb eines objektiv bestimmbaren „Angemessenheitsrahmens“ häufig nicht ___________ 204

Siehe dazu 2. Kap. B. III. 2. a).

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

gilt, können die objektiven Umstände der Spendenentscheidung im deutschen Recht bei der Beweiswürdigung hinsichtlich der Spendenmotivation der Vorstandsmitglieder eine entscheidende Rolle spielen. Da die objektive Überprüfung von Spendenentscheidungen im deutschen Recht erst nachfolgend im Zusammenhang behandelt werden soll, kann die Frage, ob sich aus dem Zusammenspiel von gesellschaftsrechtlicher Beweislastverteilung und zivilprozessualen Beweiswürdigungsregeln eine mit dem amerikanischen Recht vergleichbare „Ausnahme“ von der Gewinnmaximierungsmaxime ergibt, an dieser Stelle noch nicht geklärt werden.205 3. Die Verfolgung von Eigeninteressen bei Spendenentscheidungen a) Gesetzliche Regelungen zu In-sich-Geschäften und zur Mehrvertretung aa) Entschärfung von Interessenkonflikten durch aktienrechtliche Zuständigkeitsregelungen Die Orientierung einer Entscheidung am Unternehmenswohl setzt insbesondere voraus, dass mit ihr nicht Eigeninteressen der verantwortlichen Vorstandsmitglieder verfolgt werden. Da aber im deutschen Recht nicht alle Interessenkonflikte im Rahmen von § 93 Abs. 1, 2 AktG abgehandelt werden, ist der Anwendungsbereich dieser Ermessensgrenze zunächst durch eine kurze Darstellung der wichtigsten gesetzlich geregelten Sonderfälle näher zu bestimmen. Im deutschen Aktienrecht werden Interessenkollisionen zum Teil durch eine Zuständigkeitsverlagerung vom Vorstand auf den Aufsichtsrat bei bestimmten, typischerweise mit Interessenkonflikten verbundenen Transaktionen entschärft.206 So vertritt nach § 112 AktG der Aufsichtsrat die Aktiengesellschaft gegenüber dem Vorstand.207 Gesondert ist dieser Grundsatz noch einmal in den §§ 87 Abs. 1 und 89 Abs. 1 AktG geregelt, nachdem der Aufsichtsrat sowohl über die Vergütung als auch über die Vergabe von Krediten an Vorstandsmitglieder zu entscheiden hat. Im Zusammenhang mit Unternehmensspenden ist allerdings die Konstellation, dass ein Vorstandsmitglied persönlich Empfänger der Spende sein soll, praktisch nicht zu erwarten. Bei einer vom Vorstand bewilligten „freiwilligen unentgelt___________ 205

Siehe dazu 3. Kap. D. Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 312. 207 Auch bei In-sich-Geschäften mit Aufsichtsratsmitgliedern ist die Zuständigkeitsverteilung gesetzlich geregelt. So kann die Vergütung u.a. auch von der Hauptversammlung bewilligt werden (vgl. § 113 Abs. 1 AktG). Bei Verträgen mit Aufsichtsratsmitgliedern, die nicht ihre Tätigkeit in dieser Funktion regeln sowie bei der Kreditgewährung an Aufsichtsratsmitglieder ist grundsätzlich die Einwilligung des Aufsichtsrats erforderlich (vgl. §§ 114 f. AktG). 206

C. Überprüfung von Spendenentscheidungen – deutsches Recht

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lichen“ Zahlung der Aktiengesellschaft an einzelne Vorstandsmitglieder stünde gegebenenfalls ein Verstoß gegen § 87 Abs. 1 AktG im Raum. Realistischer sind Konstellationen, in denen ein Vorstandsmitglied gleichzeitig Organmitglied in der Spendenempfängerorganisation ist und somit auf beiden Seiten einer Spendentransaktion als Vertreter auftritt, also ein Fall der Mehrvertretung vorliegt. Dieser Fall ist im Aktiengesetz nicht geregelt. Insbesondere ist § 112 AktG, der die Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern regelt, in dieser Konstellation grundsätzlich nicht einschlägig.208 bb) Verbot von Mehrvertretung nach § 181 BGB Für die Fälle der Mehrfachvertretung ergibt sich in der Regel eine gesetzliche Lösung aus § 181 BGB.209 Zu beachten ist allerdings, dass diese Norm ähnlich wie § 112 AktG die Vertretungsmacht des Vorstands regelt und damit zunächst nur im Außenverhältnis relevant wird. Durch ein unter Verstoß gegen § 181 BGB abgeschlossenes Rechtsgeschäft würde die Aktiengesellschaft grundsätzlich keinen Schaden erleiden, sodass eine Innenhaftung nach § 93 Abs. 1, 2 AktG in diesen Fällen grundsätzlich nicht in Betracht kommt.210 Diese kann allerdings in den Fällen relevant werden, in denen die Aktiengesellschaft im Außenverhältnis etwa nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (vgl. § 311 Abs. 2 BGB) zu haften hat. Nach der Rechtsprechung greift § 181 BGB auch dann, wenn das auf beiden Seiten handelnde Vorstandsmitglied nur zur Gesamtvertretung berechtigt ist.211 Allerdings kann das Verbot der Mehrfachvertretung durch Ermächtigung der anderen Vorstandsmitglieder zur alleinigen oder gemeinschaftlichen Vertretung umgangen werden.212 Innerhalb des Anwendungsbereichs von § 181 BGB ist grundsätzlich nur die Zustimmung durch die spendende Aktiengesellschaft erforderlich, da nur diese durch die Spenden einen rechtlichen Nachteil erleidet. Die Zustimmung kann ___________ 208 Vgl. KK-Mertens § 112 AktG Rn. 14. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, wenn zwischen der Spendenorganisation und dem mehrfachvertretenden Vorstandsmitglied wirtschaftliche Identität besteht, wie dies etwas bei einer Einmann-Gesellschaft der Fall sein kann. 209 Vgl. KK-Mertens § 112 AktG Rn. 14; ders. § 78 AktG Rn. 69; vgl. MünchKomm-Schramm § 181 BGB Rn. 37. 210 Aus Sicht des betreffenden Vorstandsmitglieds könnte sich die Außenhaftung in diesen Fällen nach § 179 BGB richten. 211 Vgl. BGHZ 64, 72, 75 f.; vgl. auch KK-Mertens § 78 Rn. AktG 70; a.A. Geßler/Hefermehl § 78 Rn. 90. 212 Vgl. BGHZ 64, 72, 75 f.; zustimmend Petersen FS M. Luther S. 127, 140 ff.; a.A. KK-Mertens § 78 Rn. 70 wegen der immer noch bestehenden Gefahr der Interessenkollision.

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

als Einwilligung durch die Satzung erfolgen.213 Die ebenfalls mögliche Genehmigung nach § 182 Abs. 1 BGB ist vom Vorstand selbst (ohne Mitwirkung der an der Mehrfachvertretung Beteiligten) oder analog § 112 AktG durch den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft zu erteilen.214 Darüber hinaus kann die Hauptversammlung die Vertretung ebenfalls genehmigen, wenn ihr die Entscheidung nach § 119 Abs. 2 AktG vorgelegt wird.215 Dies wird in der Literatur zwar mit dem Argument bestritten, dass die Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG nur über Geschäftsführungsmaßnahmen entscheiden, diese aber nicht selbst vornehmen kann.216 Diese Kritik läuft aber ins Leere, da die Hauptversammlung im Außenverhältnis bei der Gestattung des Rechtsgeschäfts gerade nicht in die Position des Vorstands tritt, sondern diesen lediglich von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. cc) Rechtsvergleichende Zusammenfassung Ein Vergleich der amerikanischen Rechtslage mit der deutschen zeigt in diesem Bereich weitgehende Übereinstimmung auf der Tatbestandsseite. Wie im amerikanischen, so ist auch im deutschen Recht ein Auftreten eines Vorstandsmitglieds auf beiden Seiten einer Transaktion, sei es als Einzelperson oder als Vertreter einer Empfängerorganisation, prinzipiell nicht zulässig. Allerdings kann eine Genehmigung durch „unabhängige“ Organmitglieder den Interessenkonflikt grundsätzlich entschärfen.217 Allerdings unterscheiden sich die deutschen und die amerikanischen Regelungen in den Rechtsfolgen. Verstöße gegen § 181 BGB, § 112 AktG führen primär nicht zur Organhaftung, sondern zur (zunächst schwebenden) Unwirksamkeit des fraglichen Rechtsgeschäfts. Das amerikanische Recht ging zwar ursprünglich von der Nichtigkeit eines unter Verstoß gegen die Self-Dealing Regeln abgeschlossenen Geschäfts aus. Die Formulierungen in den heute geltenden Statuten sprechen auch noch für diese Rechtsfolge. Allerdings zeigt insbesondere die Entscheidung Kahn v. Sullivan, dass ein Verstoß gegen die Loyalitätspflichten außerdem zu einer Organhaftung der Unternehmensleiter im Innenverhältnis führen kann, da dadurch der Schutz der business judgment rule ___________ 213

Vgl. Abeltshauser Leitungshaftung S. 337. Vgl. KK-Mertens § 78 Rn. 69, der die Zuständigkeit des Aufsichtsrats für die Genehmigung nur in den Fällen bejaht, wenn der Vorstand mangels Mitwirkung der an der Mehrfachvertretung beteiligten Vorstandsmitglieder nicht mehr vertretungsbefugt sein sollte; a.A. Ekkenga AG 1985, 40, 42, der wegen der drohenden Umgehung von § 181 BGB grundsätzlich den Aufsichtsrat für zuständig hält. 215 Vgl. Ekkenga AG 1985, 40, 42; Geßler/Hefermehl § 78 AktG Rn. 91. 216 Vgl. KK-Mertens § 78 Rn. 69. 217 Vgl. Abeltshauser Leitungshaftung S. 340 f. (für die GmbH). 214

C. Überprüfung von Spendenentscheidungen – deutsches Recht

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wegfällt. Im deutschen Recht kann ein solcher Interessenkonflikt aber im Rahmen von § 93 AktG ebenfalls relevant sein.218 b) Treuepflichten aa) Objektive Interessenlage als (weiterer) Maßstab für die Überprüfung von Treuepflichten? Die Bindung des Vorstands an Treuepflichten ist zwar nicht allgemein im Aktiengesetz geregelt, allerdings geht die Rechtsprechung grundsätzlich seit langem von ihrer Existenz aus.219 In der Literatur werden sie inzwischen ebenfalls allgemein anerkannt und mit der treuhänderischen Funktion und der besonderen Vertrauensstellung des Vorstands begründet.220 Wegen des Fehlens einer gesetzlichen Regelung wird dabei auch auf den Anstellungsvertrag zurückgegriffen.221 Allerdings ist die Rechtsprechung in diesem Bereich insgesamt lückenhaft und wenig deutlich.222 Allgemein verpflichten die Treuepflichten ihrem Inhalt nach die Vorstandsmitglieder ihrer Aktiengesellschaft loyal zu dienen.223 Dies beinhaltet das Verbot, die Organstellung für eigene Zwecke auszunutzen.224 Bezogen auf Unternehmensspenden bedeutet dies, dass die Spendenentscheidung nicht durch sachwidrige Präferenzen beeinflusst werden darf.225 Diese Formulierungen der Treuepflichten stellen in erster Linie auf die subjektive Motivationslage der Geschäftsleiter ab, die schwer zu beweisen ist.226 Maßgeblicher Bezugspunkt für die Überprüfung der Motivationslage ist der Gesellschaftszweck, sodass insoweit auf die oben gemachten Ausführungen zu verweisen ist.227 Da die Motivationslage des Vorstands im Prozess schwer festzustellen ist, bietet es sich an, bereits aus dem Vorliegen des Eigenvorteils selbst Rückschlüsse auf die Motivationslage des betreffenden Vorstandsmitglieds zu ziehen. In diesem Fall ist die objektive Interessenlage des Vorstands statt der sub___________ 218

Vgl. Abeltshauser Leitungshaftung S. 341 f. Vgl. BGHZ 13, 188, 192; BGHZ 20, 239, 246; BGHZ 49, 30, 31. 220 Vgl. KK-Mertens § 93 Rn. 57; Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 144; Geßler/Hefermehl § 76 Rn. 8; Hüffer § 93 AktG Rn. 5; ders. § 84 Rn. 9. 221 Vgl. Hüffer § 84 AktG Rn. 9. 222 Vgl. Hüffer § 84 AktG Rn. 9. 223 Vgl. KK-Mertens § 93 AktG Rn. 57 224 Vgl. KK-Mertens § 93 AktG Rn. 62; Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 176. 225 Vgl Fleischer AG 2001, 171, 178. 226 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 307. 227 Vgl. Wiedemann Treuepflichten S. 949, 951; siehe dazu die Diskussion oben 3. Kap. C. I. 2. 219

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

jektiven Motivationslage Ausgangspunkt für die Überprüfung von Vorstandsentscheidungen.228 Dieser Ansatz wird im deutschen Recht in anderen Fallgruppen noch weitgehender vertreten. Nach § 88 Abs. 1 AktG unterliegen Vorstandsmitglieder einem generellen Wettbewerbsverbot. Abgestellt wird nach dieser Regelung auf die objektive Interessenlage und nicht auf die Motivationslage des Vorstands. Ein weiteres Beispiel dafür bietet die Behandlung von Verstößen gegen das ursprünglich im US-amerikanischen Recht entwickelte Verbot, Geschäftschancen der Gesellschaft an sich zu ziehen (Corporate Opportunities Doctrine).229 Hier wird lediglich darauf abgestellt, dass die von dem betreffenden Vorstandsmitglied genutzte Geschäftschance der Gesellschaft zustand, ohne dass es darauf ankommt, ob Letztere das Geschäft wirklich selbst vorgenommen hätte. 230 Entscheidend ist danach bereits das Vorliegen eines objektiven Vorteils des Vorstands, ohne dass geprüft wird, ob der betreffende Geschäftsleiter sich subjektiv auf Kosten der Gesellschaft bereichern wollte. Noch weiter geht die in der Literatur vertretene Ansicht, die auch bei Verstößen gegen die insiderrechtliche Vorschrift des § 14 Abs. 1 WpHG Treuepflichtverletzungen annimmt.231 Das Ausnutzen von gesellschaftsinternen Informationen schadet dem Vertrauen der Öffentlichkeit in den Kapitalmarkt, kollidiert aber in der Regel nicht zwingend mit den Interessen der Aktiengesellschaft. Das Abstellen auf die objektive Interessenlage zur Prüfung der Orientierung am Unternehmenswohl entspricht den Grundsätzen des unternehmerischen Ermessens, da dies keine materielle Entscheidungskontrolle notwendig macht. Gleichzeitig ist eine Gesellschaft in den Fällen, in denen ein Vorstandsmitglied infolge einer Unternehmensspende selbst persönliche Vorteile erlangt, besonders schutzwürdig. Um allerdings den Aktionsradius der Aktiengesellschaft im Bereich von Unternehmensspenden nicht unnötig einzuschränken, ist eine genauere Bestimmung der persönlichen Vorteile notwendig, aus denen sich auf eine Treuepflichtverletzung schließen lässt.

___________ 228 Vgl. Lutter 50 Jahre BGH Bd. II S. 321, 334; Roth Unternehmerisches Ermessen S. 63; im Ansatz auch Fleischer AG 2001, 171, 178, wobei dieser entsprechend dem Rechtsgedanken von § 112 AktG unmittelbar zur Einschaltung des Aufsichtsrats kommt. 229 Vgl. BGH WM 1983, 498; BGH WM 1985, 1443 ff. (Erwerb eines von der OHG gemieteten Grundstücks durch die Ehefrau des Geschäftsführers); siehe dazu auch Weisser Corporate Opportunities. 230 Vgl. BGH GmbHR 1977, 129 f.; Hopt/Wiedemann § 93 Rn. 171; a.A. Merkt ZHR 159 (1995), 423, 443 für die Fälle, bei denen der Übernahme des Geschäfts durch die Gesellschaft unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen. 231 Vgl. Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 173.

C. Überprüfung von Spendenentscheidungen – deutsches Recht

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bb) Die Erheblichkeit des Eigenvorteils (1) Die Notwendigkeit des Erheblichkeitserfordernisses im Zusammenhang mit Unternehmensspenden Im amerikanischen Recht ist, wie oben dargestellt, grundsätzlich ein erheblicher finanzieller Eigenvorteil notwendig, um die business judgment rule auszuschließen.232 Der Vorteil muss danach geeignet sein, die unternehmerische Entscheidung zu beeinflussen. Auch in der deutschen Rechtsprechung scheint zumindest bei nicht-finanziellen Vorteilen eine Tendenz zur Prüfung der Erheblichkeit des Eigenvorteils zu bestehen. In der Poullain/West LB-Entscheidung befasste sich das OLG Düsseldorf mit der Frage, unter welchen Umständen eine Mitwirkung an einer Kreditentscheidung durch ein Vorstandsmitglied unter Verschweigen einer persönlichen Beziehung zu dem Antragssteller eine Pflichtverletzung darstellt. Das Gericht beschränkte sich hier auf „besonders schwerwiegende Fälle“.233 Allerdings ist die Rechtsprechung insgesamt in dieser Frage keineswegs eindeutig, da der Bundesgerichtshof auch schon Treuepflichtverletzungen aufgrund persönlicher Vorteile angenommen hat, ohne sich weiter mit dem Gewicht des Vorteils zu befassen.234 Im Zusammenhang mit Unternehmensspenden ist die Annahme eines Erheblichkeitserfordernisses jedoch geboten. Denn wie bereits im Zusammenhang mit der duty of loyalty im amerikanischen Recht dargestellt, ist nahezu jede Unternehmensspende mit Eigenvorteilen für die verantwortlichen Vorstandsmitglieder verbunden. 235 Gerade die mit gemeinnützigen Zuwendungen verbundenen psychologischen Vorteile wie moralische Befriedigung oder das gesteigerte Sozialprestige fließen bei Unternehmensspenden nicht nur der Aktiengesellschaft als solcher, sondern auch den natürlichen Personen zu, die die relevanten Spendenentscheidungen getroffen haben.236 Würde nun jeder Vorteil bereits eine Treuepflichtverletzung begründen und damit zu einer Überschreitung der Grenzen des unternehmerischen Ermessens führen, so wäre nahezu jede Spendenentscheidung davon betroffen. Die Grundsätze des unternehmerischen Ermessens, die gerade die Entscheidungsfreiheit des Vorstands schützen sollen, wären damit ad absurdum geführt. Das Erfordernis der Erheblichkeit eines haftungsbegründenden Eigenvorteils ergibt sich weiterhin aus dem Grundsatz, dass die Motivation am Gesell___________ 232

Siehe dazu oben 2. Kap. B. I. 1. b). Vgl. OLG Düsseldorf AG 1982, 225, 226 f. („Fall Poullain/West LB“). 234 Vgl. etwa BGH NJW-RR 1995, 669, 671. 235 Siehe dazu oben 2. Kap. B. I. 2. c). 236 Vgl. dazu auch Notheis Ansatzpunkte S. 51 ff., 114 ff. 233

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schaftsinteresse auszurichten ist. Denn auf eine anders gerichtete Motivation lässt sich nur im Falle erheblicher Eigenvorteile auf Seiten des betreffenden Vorstandsmitglieds schließen. (2) Die Erheblichkeit von finanziellen Vorteilen in der Rechtsprechung Die vorhandene Rechtsprechung zu den organschaftlichen Treuepflichten stützt sich größtenteils auf finanzielle Vorteile, die ein Unternehmensleiter sich selber oder Dritten verschafft hat. Relativ früh wurde bereits vom Reichsgericht ein pflichtwidriges Verhalten des Vorstands in einem Fall angenommen, in dem dieser versucht hatte, den Aufsichtsrat zu einer Festsetzung einer unverhältnismäßig hohen Vergütung zu bewegen.237 Anerkannt ist in der Rechtsprechung auch eine Haftung für den Fall, dass sich Vorstandsmitglieder von Geschäftspartnern ihrer Aktiengesellschaft bestechen lassen, indem sie z.B. Provisionen auf Kosten der Aktiengesellschaft annehmen. So hat bereits das Reichsgericht entschieden, dass Vorstandsmitglieder solche „Provisionen“ nach den Regeln des Auftragsrechts (§ 667 BGB) herauszugeben haben.238 In neueren Urteilen wird in ähnlichen Konstellationen eine organschaftliche Haftung bejaht.239 Ähnlich werden die Fälle behandelt, in denen Vorstandsmitglieder mit Geschäftspartnern der Aktiengesellschaft eigene Beraterverträge abschließen.240 Eine weitere Prüfung der Erheblichkeit dieser Eigenvorteile findet nicht statt, sodass bei finanziellen Eigenvorteilen grundsätzlich von einer Treuepflichtverletzung auszugehen ist. Bei Unternehmensspenden ist dies ebenfalls anzunehmen, da finanzielle Eigenvorteile aus Unternehmensspenden im Gegensatz zu den psychologischen Eigenvorteilen keinen Regelfall darstellen. Eine Ausnahme besteht allerdings für die Fälle, bei denen Vorstandsmitglieder infolge von Unternehmensspenden geldwerte Vorteile im Rahmen der Ausübung ihrer Funktion erhalten, wie etwa Einladungen zu von dem Unternehmen geförderten kulturellen Ereignissen. Letztendlich ist hier wie bei anderen Repräsentationskosten darauf abzustellen, ob diese Vorteile in einem eindeutigen Zusammenhang mit der Ausübung des Amtes selbst stehen.241 Nur wenn dies nicht der Fall ist, kann man von einem „persönlichen“ Eigenvorteil ausgehen. Der eindeutige Zusammenhang mit der Amtsaus___________ 237 Vgl. RG JW 1934, 2151 f. mit Anm. Schwinge; vgl. dazu auch KK-Mertens § 93 Rn. 67 f. 238 Vgl. RGZ 96, 53, 55. 239 Vgl. z.B. BGH WM 1983, 498 (Haftung nach § 43 GmbHG). 240 Vgl. OLG Düsseldorf AG 1982, 225, 226 („Poullain/West LB“) (Abberufung eines Vorstandsmitglieds aus wichtigem Grunde). 241 Vgl. KK-Mertens § 93 AktG Rn. 65.

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übung wird in diesen Fällen aber häufig gegeben sein, da solche Auftritte die mit der Unternehmensspende häufig bezweckte Imageverbesserung fördern. (3) Die Erheblichkeit nicht-finanzieller Eigenvorteile in der Rechtsprechung Schwieriger ist die Situation bei nicht-finanziellen Eigenvorteilen. Wie bereits oben dargestellt, sind im Zusammenhang mit Unternehmensspenden psychologische Eigenvorteile die Regel. Deswegen stellt sich die Frage nach der genaueren Eingrenzung der haftungsrelevanten Eigenvorteile gerade innerhalb dieser Untergruppe. (a) Vorteile für persönlich nahestehende Personen oder Organisationen Einen Sonderfall stellen die Fälle dar, bei denen die nicht-finanziellen Vorteile des Vorstandsmitglieds darin liegen, dass er persönlich nahestehenden Personen geldwerte Vorteile zukommen läßt.242 Diese werden von der Rechtsprechung eigenen finanziellen Vorteilen gleichgestellt. So nimmt beispielsweise der Bundesgerichtshof eine Pflichtverletzung dann an, wenn der Geschäftsführer einer GmbH einem Bekannten Sonderkonditionen einräumt und so auf einen für die Gesellschaft erzielbaren Gewinn verzichtet.243 Das OLG Düsseldorf hat in einem anderen Fall die Haftung des Geschäftsführers für die Gewährung eines Arbeitnehmerdarlehens an die eigene Ehefrau bejaht, wobei hier ausdrücklich auf den mittelbaren Vermögensvorteil zugunsten des Geschäftsführers abgestellt wurde.244 Im Zusammenhang mit Unternehmensspenden kann diese Rechtsprechung einschlägig sein, wenn das betreffende Vorstandsmitglied mit führenden Repräsentanten des Spendenempfängers persönlich verbunden ist. Ein vergleichbarer Fall wurde in der im Dezember 2001 ergangenen SSV-Reutlingen-Entscheidung des Ersten Strafsenats des Bundesgerichtshofs diskutiert.245 Diesem Urteil lag die Revision des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden K. der Südwestdeutschen Verkehrs AG („SWEG“), die ein öffentliches Verkehrsunternehmen in Südwestdeutschland betrieb, gegen eine Verurteilung wegen Untreue (266 StGB) zugrunde. Daneben befasste sich das Urteil mit der Revision des ehemaligen Verkehrsministers des Landes Baden-Württemberg und Aufsichtsratsvorsitzenden der SWEG S. wegen Anstiftung zur Untreue bzw. selbst begangener Untreue. Die Revisionen hatten keinen Erfolg. Gegenstand ___________ 242 Vgl. Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 182 mwN.; Roth Unternehmerisches Ermessen S. 62 f. 243 Vgl. BGH NJW-RR 1995, 669, 671. 244 Vgl. OLG Düsseldorf GmbHR 1995, 227, 228. 245 BGH StV 2002, 137 ff.

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der Verurteilung waren drei Spenden der SWEG an den SSV Reutlingen in Höhe von 20.000 DM, 15.000 DM und 10.000 DM im Zeitraum zwischen den Jahren 1995 und 1997. Die Gelder wurden vom Spendenempfänger zum Auffüllen finanzieller Löcher und zur Beeinflussung weiterer Mäzene verwendet. Alle drei Spenden veranlasste K. ohne Einbindung anderer Vorstandsmitglieder oder anderer Gesellschaftsorgane auf Bitten von S. Laut Feststellungen des Landgerichts wollte K. sich dem Angeklagten S. gewogen zeigen und ihm einen Gefallen erweisen. Für S. wiederum dienten die Spenden dazu, seine „Stellung [...] im Verein und im örtlichen Umfeld als Beschaffer von dringend benötigten Hilfen und damit als möglicher Retter des Vereins zu unterstreichen“.246 In den Entscheidungsgründen stellte der Bundesgerichtshof zunächst klar, dass nicht jedes persönliche Interesse eines Vorstandsmitglieds die Pflichtwidrigkeit der Spende begründe. So dürfe ein Unternehmensleiter auch „seiner eigenen politischen Überzeugung, privater Liebhaberei für Kunst und Wissenschaft oder seiner Begeisterung für eine bestimmte Sparte des Sports folgen“.247 Voraussetzung dafür sei eine ausreichend enge Verbindung zwischen dem Geförderten und dem Unternehmensgegenstand.248 Insgesamt dürfe ein Vorstandsmitglied aber privaten Präferenzen „keinen unangemessenen Raum geben“.249 Der Bundesgerichtshof hat aufgrund des oben dargestellten Sachverhalts eine nach gesellschaftsrechtlichen Maßstäben pflichtwidrige Zuwendung bei beiden Angeklagten bejaht, ohne die von K. erlangten Vorteile genauer zu charakterisieren.250 Dem Sachverhalt lässt sich aber entnehmen, dass K. mit fremden Geldern persönliche Beziehungen zu dem für sein berufliches Fortkommen potenziell wichtigen S. pflegte. Zudem hatte K. Kenntnis von der Privatnützigkeit der Spende zugunsten des Mitangeklagten S.251 Aus Sicht des K. wurde die Pflichtwidrigkeit der Spende damit im Ergebnis mit der bewussten „Förderung“ des ihm nahestehenden S. begründet.

___________ 246

Vgl. BGH StV 2002, 137, 140. Vgl. BGH StV 2002, 137, 139. 248 Siehe zur Problematik der Heranziehung des Unternehmensgegenstands in diesem Zusammenhang die Diskussion nachfolgend 3. Kap. D. I. 3. b). 249 Vgl. BGH StV 2002, 137, 139. 250 Der Erste Strafsenat nahm in dieser Entscheidung eine Zwei-Stufen-Prüfung vor. Zunächst prüfte er die gesellschaftsrechtlichen Pflichtverstöße, um dann zu untersuchen, ob diese Verstöße für die Annahme einer Strafbarkeit nach § 266 StGB gravierend genug waren. Vgl. dazu und zur gesellschaftsrechtlichen Bedeutung der Urteilsbegründung Gehrlein NZG 2002, 463, 464. 251 Vgl. BGH StV 2002, 137, 140. 247

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(b) Erhöhtes Sozialprestige als Grundlage für die Erheblichkeit des Eigenvorteils Auch die Verurteilung von S. gründete auf einem persönlichen Eigenvorteil, nämlich der Sicherung und Erhöhung seines persönlichen Sozialprestiges. Diese Begründung erscheint auf den ersten Blick als problematisch, da das mit Unternehmensspenden verbundene Sozialprestige häufig nicht nur dem Unternehmen, sondern auch den für die Entscheidung verantwortlichen Vorstandsmitgliedern zugute kommt, sodass daraus kaum auf eine Treuepflichtverletzung geschlossen werden kann. Allerdings handelt es sich vorliegend um einen qualifizierten Fall, da S. als Politiker ein besonderes Eigeninteresse an der Pflege seines öffentlichen Ansehens hatte, das wohl über bloße Eitelkeit hinausging. Die Begründung des Ersten Strafsenats weist in eine ähnliche Richtung. In dieser unterschied das Gericht zwischen der (bloßen) „Verfolgung privater Interessen“ einerseits und dem hier angenommenen „eigennützigen“ Verhalten seitens des S. andererseits.252 Das Urteil des ersten Strafsenats zeigt, dass eine bloße Erhöhung des eigenen Sozialprestiges grundsätzlich einen haftungsrelevanten Eigenvorteil auslösen kann. Dies entspricht auch dem Grundgedanken der Treuepflichten, nach dem sich Vorstandsmitglieder nicht von persönlichen Eigeninteressen leiten lassen dürfen.253 Unter die Fallgruppe des auf Kosten des Unternehmens erhöhten persönlichen Prestiges lässt sich auch die im Zusammenhang mit dem amerikanischen Recht besprochene Entscheidung Kahn v. Sullivan subsumieren. Hier hatte sich der beklagte director ein persönliches Denkmal vor allem dadurch gesetzt, dass das mit Unternehmensgeldern finanzierte Museum nach ihm persönlich benannt werden sollte.254 cc) Rechtsvergleichende Zusammenfassung und Stellungnahme Stellt man auf die objektive Interessenlage ab, lässt sich nur aus einem erheblichen Eigenvorteil auf einen Verstoß gegen die Treuepflichten schließen. Wie die Diskussion zum amerikanischen Recht gezeigt hat, werden dort Interessenkollisionen vor allem dann angenommen, wenn ein Entscheidungsverantwortlicher oder ein naher Angehöriger erhebliche finanzielle Eigenvorteile aus einer Unternehmensspende zieht. Die Tendenz in der deutschen Rechtsprechung weist in eine ähnliche Richtung. Bei finanziellen Eigenvorteilen, die ein Vorstandsmitglied für sich selbst oder ihm nahestehende Personen aus einer Unternehmensspende zie___________ 252

Vgl. BGH StV 2002, 137, 140. Vgl. KK-Mertens § 93 AktG Rn. 61 f. 254 Kahn v. Sullivan, 594 A.2d 48, 54 (Del. 1991); siehe dazu oben 2. Kap. B. I. 2. b). 253

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hen kann, bedarf es in der Regel keiner weiteren Überprüfung der Erheblichkeit. Dabei ist der Kreis der „nahestehenden“ Personen weitgefasst. Er umfasst nicht nur Familienangehörige, sondern auch persönliche Bekannte. Bei Letzteren ist aber bei der Annahme einer Treuepflichtverletzung Vorsicht geboten. Die bloße Bekanntschaft zu einem Repräsentanten einer Spendenempfängerin als solche kann nicht Grundlage für die Annahme einer Treuepflichtverletzung sein. Denn geschäftliche Kontakte und persönliche Bekanntschaften lassen sich in der Realität häufig nicht trennen. Daher muss die Pflege der persönlichen Beziehungen zu der betreffenden Person wertungsmäßig finanziellen Eigenvorteilen oder der Förderung von engen Angehörigen gleichstehen. Dies ist dann der Fall, wenn die maßgebliche Person für das persönliche berufliche Fortkommen des Vorstandsmitglieds oder eines nahen Angehörigen von besonderer Bedeutung ist, da hier mittelfristig finanzielle Vorteile im Raum stehen. Auch bei besonders engen freundschaftlichen Beziehungen ist ähnlich wie bei verwandtschaftlichen Beziehungen ein solcher Vorteil ausnahmsweise anzunehmen. Noch schwieriger ist die Abgrenzung, wenn man auf das erhöhte Sozialprestige zur Begründung der Treuepflichtverletzung abstellt. Grundsätzlich ist dies mit dem Ersten Strafsenat des Bundesgerichtshofs möglich, wobei hier aus Gründen der Rechtssicherheit Zurückhaltung geboten ist. Hier lassen sich die aus dem amerikanischen Recht ermittelten Grundsätze zumindest ansatzweise heranziehen.255 Ein eine Pflichtverletzung begründender Eigenvorteil aufgrund erhöhten Sozialprestiges ist im Ergebnis nur dann anzunehmen, wenn das betreffende Vorstandsmitglied in der Öffentlichkeit als der eigentliche Spender auftritt. Dies kann in erster Linie dadurch passieren, dass die mit Spendenmitteln finanzierten Einrichtungen nach dem betreffenden Vorstandsmitglied benannt werden oder in anderen Bereichen die dem Unternehmen in der Öffentlichkeit zukommende Mäzenstellung von den betreffenden Vorstandsmitgliedern persönlich eingenommen wird, ohne dass in der Öffentlichkeit ein ausreichender Unternehmensbezug dargestellt wird. Die Entscheidung des Ersten Strafsenats ist auch mit dieser Eingrenzung vereinbar, da S. gerade nach außen seine Stellung als Geldbeschaffer demonstrieren wollte. c) Parteispenden als Grundlage für Treuepflichtverletzungen? Wie die Diskussion in der amerikanischen Literatur gezeigt hat, können Geschäftsleiter bei politischen Spenden eigennützig handeln, wenn die Spende ausschließlich von den persönlichen politischen Präferenzen des verantwortlichen Geschäftsleiters motiviert wird. Dies wurde auch in der deutschen Lite___________ 255

Siehe dazu vor allem oben 2. Kap. B. I. 2. c).

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ratur bereits anerkannt.256 Da aus Sicht von Vorstandsmitgliedern die Förderung einer ihnen persönlich nahestehenden politischen Partei einen Vorteil darstellt, stellt sich in diesem Zusammenhang im deutschen Recht das Problem der Treuepflichtverletzungen. In diese Richtung weist eine auf Meilicke zurückgehende Auffassung, nach der Parteispenden aufgrund der angeblichen politischen Neutralität von Unternehmen generell unzulässig seien.257 Dogmatisch wurde das politische Neutralitätsgebot im Unternehmensgegenstand verankert. 258 Auf verfassungsrechtlicher Ebene verknüpfte Meilicke die Zulässigkeit von Parteispenden mit dem Wahlrecht des Spenders. Das Bundesverfassungsgericht ist dieser Argumentation allerdings nicht gefolgt und hat die Zulässigkeit politischer Spenden „als geläufige Form politischer Interessenwahrung“ juristischer Personen grundsätzlich anerkannt.259 Führt man diese Argumentation auf gesellschaftsrechtlicher Ebene weiter, ist festzuhalten, dass Parteispenden durchaus den wirtschaftlichen Zielen des Unternehmens dienen können und in der Regel mit dem wirtschaftlichen Tätigkeitsfeld nicht in Widerspruch stehen. Insoweit gelten für politische Spenden keine Besonderheiten im Vergleich zu anderen Spenden. Auch in der gesellschaftsrechtlichen Literatur wird mit Hinweis auf diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Lehre vom politischen Neutralitätsgebot mit Recht heute weitgehend abgelehnt.260 Stattdessen wird zum Teil ein Zurückhaltungsgebot von Aktiengesellschaften im politischen Bereich bejaht.261 Im Zusammenhang mit politischen Unternehmensspenden wird anerkannt, dass bei der Beurteilung von Vorstandsentscheidungen in diesem Bereich Menschenwürde, Gewissens- und Meinungsfreiheit der einzelnen Vorstandsmitglieder mit zu berücksichtigen sind.262 Dies gilt zwar nicht unbegrenzt, da § 93 AktG ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 GG darstellt und politische Meinungsäußerungen von Aktiengesellschaften in Form von Spenden auch die (negative) Meinungsfreiheit ihrer Anteilseigner berühren können. 263 Es wäre aber zu weitgehend, die Berücksichtigung der eigenen politischen Überzeugung ___________ 256 Vgl. Kulitz Unternehmerspenden S. 160; Rittner FS Knur S. 205, 229; KKMertens § 76 AktG Rn. 38. 257 Vgl. Meilicke NJW 1959, 409, 411. 258 Vgl. Meilicke NJW 1959, 409, 411. 259 Vgl. BVerfGE 85, 264, 315; BVerfGE 73, 40, 80; siehe aber Sondervotum Böckenförde BVerfGE 73, 103, 105. 260 Vgl. Fleischer AG 2001, 171, 179; KK-Mertens § 76 AktG Rn. 38; Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 121. 261 Vgl. KK-Mertens § 76 AktG Rn. 39. 262 Vgl. KK-Mertens § 76 AktG Rn. 32. 263 Vgl. Fleischer AG 2001, 171, 179.

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bei der Entscheidung über eine politische Spende dem Vorstand grundsätzlich zum Vorwurf zu machen.264 Zudem ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass der für Vorstandsmitglieder mit einer Unternehmensspende verbundene Eigenvorteil in Form eines politischen Einflusszuwachses in der Regel nicht unmittelbar zur Annahme einer Treuepflichtverletzung ausreicht. 265 Bei dem Machtzuwachs handelt es sich um einen immateriellen Eigenvorteil, der erst bei Erreichen der Erheblichkeitsgrenze relevant wird. Dies kommt aber erst dann in Betracht, wenn sich der persönliche Machtzuwachs der Vorstandsmitglieder nach außen in einer Art und Weise manifestiert, der nicht mehr im Zusammenhang mit der Amtsausübung selbst steht. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass nach dem gegenwärtigen Stand der Diskussion eine Treuepflichtverletzung bei politischen Spenden nicht ausgeschlossen ist. Allerdings zeigt die Ablehnung des politischen Neutralitätsgebots, dass Parteispenden grundsätzlich zulässig und mit der unternehmerischen Tätigkeit vereinbar sind, selbst wenn eigene politische Wertungen der entscheidungsverantwortlichen Vorstandsmitglieder in die Spendenentscheidung einfließen. Dies gilt umso mehr, als auch bei politischen Spenden die Vorstandsmitglieder vor Eingriffen in ihre eigenen Grundrechte, insbesondere in ihre Meinungs- und Gewissensfreiheit, geschützt sind. Trotz der bei solchen Spenden zu erwartenden Vermischung von Eigen- und unternehmensbezogenen Interessen können Treuepflichtverstöße angesichts dieser Wertungen nur im Ausnahmefall angenommen werden. d) Der Entlastungsbeweis durch das sich in einem Interessenkonflikt befindliche Vorstandsmitglied aa) Die grundsätzliche Beweislastverteilung Nach der allgemeinen Beweislastregel von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG müsste der Vorstand auch hinsichtlich des Nichtvorliegens eines Treuepflichtverstoßes die Beweislast tragen. Daran könnte man allerdings aufgrund des Wortlauts von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zweifeln, der sich auf Sorgfaltspflichtverletzungen und nicht auf Treuepflichtverletzungen bezieht. Allerdings werden Treuepflichtverletzungen letztendlich als Unterfall von pflichtwidrigem Verhalten im Sinne von § 93 Abs. 1, 2 AktG behandelt, sodass die Anwendung von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG auf Treuepflichtverletzungen konsequent ist.266 ___________ 264

Vgl. Rittner FS Gessler S. 139, 156. So auch BGH StV 2002, 137, 139. 266 Vgl. Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 144 ff.; KK-Mertens § 93 AktG Rn. 57 ff.; Hüffer AktG § 93 AktG Rn. 13. 265

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Da es sich bei dem Nicht-Vorliegen eines Eigeninteresses aus Sicht der betreffenden Vorstandsmitglieder um eine negative Tatsache handelt, muss zunächst verlangt werden, dass der Kläger das Vorliegen eines erheblichen Eigeninteresses substantiiert behauptet. Damit ist der Unterschied zur amerikanischen Regelung, nach der die klagende Gesellschaft bzw. die für sie klagenden Aktionäre das Vorliegen eines Interessenkonflikts beweisen müssen, von nicht allzu hoher praktischer Bedeutung. Denn die schlüssige und substantiierte Behauptung von einen Interessenkonflikt begründenden Tatsachen setzt bereits die Kenntnis von Unternehmensinterna voraus und stellt insoweit eine relativ hohe Hürde dar. bb) Entlastung durch Billigung der Spendenentscheidung durch den Aufsichtsrat (1) Widerlegung der durch einen Interessenkonflikt begründeten Vermutung für einen Treuepflichtverstoß Wie oben dargestellt, wurde in der Entscheidung Kahn v. Sullivan trotz des grundsätzlich bestehenden Eigeninteresses des CEO Armand Hammer eine Loyalitätspflichtverletzung verneint, weil ein voll informierter Sonderausschuss von directors, die sich nicht in einem Interessenkonflikt befanden, die Entscheidung gebilligt hatte.267 Für das deutsche Recht wurde eine ähnliche Lösung vorgeschlagen. Danach soll bei Vorliegen eines Interessenkonflikts eines Vorstandsmitglieds die Einschaltung des Aufsichtsrats zur Verneinung einer Pflichtverletzung führen.268 Dies bedeutet, dass ein Vorstandsmitglied den Entlastungsbeweis hinsichtlich eines Treuepflichtverstoßes durch den Nachweis der Zustimmung seitens des Aufsichtsrats führen kann. Diesem Vorschlag ist dem Grunde nach zuzustimmen. Die Regelungen in den §§ 87 Abs. l S. 1, 88 Abs. 1 S. 1, 89 Abs. 1 S. 1, 89 Abs. 3 S. 1 AktG zeigen, dass im deutschen Aktienrecht Interessenkonflikte nicht durch ein generelles Verbot der betreffenden Geschäfte, sondern durch Einschaltung des Aufsichtsrats gelöst werden.269 Zwar lässt sich aus § 111 Abs. 4 AktG entnehmen, dass die Spendenentscheidungen nicht einfach auf den Aufsichtsrat übertragbar sind. Allerdings bietet § 111 Abs. 4 S. 2 AktG die Möglichkeit der Einzelkontrolle von Geschäften durch den Aufsichtsrat. Fraglich ist allerdings, ob § 93 Abs. 4 S. 2 AktG einem Haftungsausschluss in diesem Fall entgegensteht. Denn nach dieser Vorschrift schließt die Billigung einer Handlung durch den Aufsichtsrat die Haftung gerade nicht aus. ___________ 267

Vgl. Kahn v. Sullivan, 594 A.2d 48, 61 (Del. 1991); vgl. oben 2. Kap. B. I. 2. b). Vgl. Fleischer AG 2001, 171, 178. 269 Vgl. Giesen Organhandeln und Interessenkonflikt S. 92 ff. 268

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Allerdings setzt § 93 Abs. 4 S. 2 AktG bereits das Vorliegen eines Pflichtverstoßes voraus, sodass diese Regel der hier vorgeschlagenen Lösung nicht entgegensteht. Denn bei bloßem Vorliegen eines Interessenkonflikts würde die Zustimmung des Aufsichtsrats nicht einen Treuepflichtverstoß als solchen „legitimieren“, sondern lediglich im Wege einer Beweislastumkehr zu einer Vermutung der Pflichtgemäßheit einer Vorstandsentscheidung trotz Bestehens eines Interessenkonflikts führen.270 Anders formuliert erleichtert es die Zustimmung dem Vorstand nur, den von ihm nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG geforderten Entlastungsbeweis zu führen. Daraus folgt, dass ein Pflichtverstoß trotz Einschaltung des Aufsichtsrats bei Nachweis der eigennützigen Motivation des Vorstandsmitglieds selbst bejaht werden kann. Der Nachweis der eigennützigen Motivation wird aber als subjektive Tatsache schwer zu führen sein. (2) Verfahrensmäßige Erfordernisse Die Entlastung durch Einschaltung des Aufsichtsrats kann nur greifen, wenn dieser selbst voll informiert und unter Wahrung der eigenen Sorgfaltspflichten nach § 116 Abs. 1 AktG entscheidet. Zunächst muss dafür der Interessenkonflikt als solcher dem Aufsichtsrat offengelegt werden.271 Dies entspricht im Ansatz auch der im Deutschen Corporate Governance Kodex vorgesehenen Regelung, die eine eigenständige Pflicht des Vorstands zur Offenlegung von Interessenkonflikten gegenüber dem Aufsichtsrat bejaht.272 Zusätzlich ist notwendig, dass die Vorstandsmitglieder bei Aufwendungen, deren dienstliche Veranlassung nicht eindeutig ist, eine entsprechende Überprüfung durch umfassende Information des Aufsichtsrats ermöglichen. 273 Hinsichtlich Unternehmensspenden, bei denen für ein Vorstandsmitglied ein Interessenkonflikt besteht, ist die Unternehmensbezogenheit in Frage gestellt. An diese sind zwar grundsätzlich entsprechend den obigen Ausführungen keine allzuhohe Anforderungen zu stellen. Allerdings müssen dem Aufsichtsrat genügend Informationen zur Verfügung gestellt werden, damit dieser über die fehlende Eigennützigkeit der Spende eine fundierte Entscheidung treffen kann.274 ___________ 270

Vgl. Abeltshauser Leitungshaftung S. 358. Vgl. Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 185; KK-Mertens § 93 AktG Rn. 72. 272 Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex Ziff. 4.3.4. Unklar ist derzeit noch, ob eine Verletzung der Offenlegungspflicht selbst eine Haftung des Vorstands nach § 93 AktG begründen kann; grundsätzlich bejahend Ulmer ZHR 166 (2002), 150, 166; Peltzer NZG 2002, 10, 11; zurückhaltend dagegen Hüffer, § 76 AktG Rn. 15c. 273 Vgl. OLG Karlsruhe GmbHR 1962, 135 (bei Bewirtungsspesen); KK-Mertens § 93 AktG Rn. 72; Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 186. 274 Vgl. dazu auch BGH StV 2002, 137 139, wonach die Anforderungen an die innergesellschaftliche Publizität mit zunehmender Entfernung des Spendenzwecks vom 271

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cc) Entlastung allein durch Involvierung des Gesamtvorstands? Fraglich ist, ob bei Vorliegen von persönlichen Eigenvorteilen für einzelne Vorstandsmitglieder die Einschaltung des Aufsichtsrats auch durch die bloße Billigung der Spendenentscheidung durch den Gesamtvorstand ersetzt werden kann. Diese Möglichkeit deutet der Erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs in der oben diskutierten SSV-Reutlingen-Entscheidung an.275 Bei Vorliegen von persönlichen Vorlieben oder Interessen kann das betreffende Vorstandsmitglied nach Ansicht des Bundesgerichtshofs die Spendenentscheidung selbst dann nicht alleine treffen, wenn es nach der internen Geschäftsverteilung für die Vergabe von Fördermitteln zuständig wäre.276 Daraus wurde in der Literatur jüngst gefolgert, dass der Bundesgerichtshof bei – aus Sicht des verantwortlichen Vorstandsmitglieds – eigennützigen Unternehmensspenden eine vorstandsinterne Kontrolle der Spendenentscheidungen für den Nachweis ihrer Pflichtgemäßheit ausreichen lassen würde.277 Eine allein auf vorstandsinterne Transparenz gestützte Rechtfertigung von aus Sicht des verantwortlichen Vorstandsmitglieds eigennützigen Unternehmensspenden ist jedoch abzulehnen. Der Erste Strafsenat selbst führt in der SSV Reutlingen-Entscheidung aus, dass der Vorstand aufgrund seiner Gesamtverantwortung und der Pflicht zur Selbstkontrolle gegenüber dem Aufsichtsrat zur Offenlegung von nach seiner Meinung eigennützigen Spenden verpflichtet sei.278 Damit geht das Gericht richtigerweise davon aus, dass die Kontrolle solcher Spendenentscheidungen letztendlich beim Aufsichtsrat liegen muss. Die gesetzgeberische Wertung der §§ 87 Abs. l S. 1, 88 Abs. 1 S. 1, 89 Abs. 1 S. 1, 89 Abs. 3 S. 1 AktG zeigt, dass die Involvierung des Aufsichtsrats bei erheblichen persönlichen Eigenvorteilen von Vorstandsmitgliedern grundsätzlich notwendig ist. Dies gilt besonders bei wirtschaftlichen Eigenvorteilen der betreffenden Vorstandsmitglieder aufgrund von Unternehmensspenden. Diese nähern sich in ihrer Wirkung einer zusätzlichen Vergütung für das betreffende Vorstandsmitglied an. Nach § 87 Abs. 1 AktG sind diese vom Aufsichtsrat (und nicht etwa vom Gesamtvorstand) festzusetzen. Gegen eine bloße Selbstkontrolle des Vorstands spricht weiterhin, dass die Gefahr einer Zustimmung zu privatnützigen Unternehmensspenden aus bloßer ___________ Unternehmensgegenstand steigen. Zur Frage der Heranziehbarkeit des Unternehmensgegenstands bei der Bestimmung des Spendenermessens siehe aber unten 3. Kap. D. I. 3. b). 275 Vgl. 3. Kap. C. I. 3. b) bb). 276 Vgl. BGH StV 2002, 137, 139. 277 Vgl. Laub AG 2002, 308, 312 („interne Transparenz im Gesamtvorstand“ als „Grenze der Vorstandskompetenz“). 278 Vgl. BGH StV 2002, 137, 140.

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Gefälligkeit gegenüber dem betreffenden Vorstandsmitglied nicht von der Hand zu weisen ist. Zwar dürfen und müssen alle Vorstandsmitglieder trotz der ihnen obliegenden Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit allen pflichtwidrigen Maßnahmen anderer Vorstandsmitglieder widersprechen.279 Allerdings besteht zwischen den einzelnen Vorstandsmitgliedern allein schon wegen des Grundsatzes der Gesamtverantwortung des Vorstands eine wechselseitige Abhängigkeit bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, die eine vollständige Unvoreingenommenheit bezüglich von persönlichen Eigeninteressen einzelner Vorstandsmitglieder zweifelhaft erscheinen lässt. Die Offenlegung des Interessenkonflikts innerhalb des Vorstands allein ist daher in der Regel nicht geeignet, das objektiv eigennützig handelnde Vorstandsmitglied von dem Vorwurf der Treuepflichtverletzung zu entlasten. Umgekehrt stellt aber das Verschweigen von Eigenvorteilen aus Unternehmensspenden gegenüber den übrigen Vorstandsmitgliedern ein weiteres Indiz für das Vorliegen einer eigennützigen Motivation des betreffenden Vorstandsmitglieds dar. dd) Entlastung durch Nachweis der materiellen Vereinbarkeit der Spende mit dem Prinzip der Gewinnmaximierung Wie bereits mehrfach erwähnt, führt im amerikanischen Recht das Vorliegen eines Interessenkonflikts und die damit verbundene Unanwendbarkeit der business judgment rule nicht unmittelbar zur Haftung der Board-Mitglieder. Vielmehr haben diese die Möglichkeit, sich durch den Beweis der full fairness der Transaktion von der Haftung zu entlasten. Im deutschen Recht ist, wie oben dargestellt, die Rechtsfolge bei Überschreiten der im ARAG/Garmenbeck-Urteil enthaltenen Ermessensgrenzen nicht ganz eindeutig. Zum Teil wird auch hier eine „full fairness“-Überprüfung vor Annahme einer Haftung nach § 93 Abs. 2, Abs. 1 AktG bejaht.280 Da der objektive Eigenvorteil als solcher noch nicht eine Pflichtverletzung darstellt, sondern lediglich Grundlage für die Annahme einer solchen Verletzung bietet, ist diesem Ansatz zumindest in diesem Zusammenhang zu folgen. In der Regel kann zwar aus dem Vorliegen eines erheblichen Eigenvorteils auf loyalitätswidriges Verhalten geschlossen werden. Allerdings folgt daraus alleine noch nicht die Haftung des Vorstands. Dafür ist nach § 93 Abs. 2 AktG vor allem zusätzlich ein Schaden notwendig. Diesen kann die Aktiengesellschaft zwar zunächst durch den Nachweis der durch die Spende erfolgten Vermögensminderung darlegen. Allerdings kann der Vorstand den Gegenbeweis der trotz des Eigenvorteils gegebenen Profitabilität der Spendeninvestition aus Sicht des Unternehmens ___________ 279 280

Vgl. Hopt /Wiedemann § 93 AktG Rn. 135. Vgl. Lutter Festgabe Wissenschaft 50 Jahre BGH Bd. II S. 321, 335.

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führen. Dieser Nachweis ist aber wegen der Unsicherheit und Langfristigkeit der mit der Spende verbundenen Eigenvorteile äußerst schwierig. 4. Rechtsvergleichende Zusammenfassung Die Behandlung von Interessenkonflikten im deutschen Recht unterscheidet sich teilweise von derjenigen im amerikanischen Recht, da im Aktiengesetz einige typische Konstellationen wie die Fälle der Mehrfachvertretungen durch Zuständigkeitsverlagerungen entschärft werden. Trotzdem stellt sich in beiden Rechtssystemen die Frage nach den Auswirkungen von mittelbar erlangten Eigenvorteilen zugunsten der an der Entscheidung beteiligten Vorstandsmitglieder. Die hohe Bedeutung, die in der amerikanischen Diskussion der Problematik von Eigenvorteilen zugemessen wird, ist auch im deutschen Recht anzuerkennen. Nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung kann bei der Beurteilung von Treuepflichtverletzungen wie im amerikanischen Recht primär auf die objektiv erlangten Eigenvorteile abgestellt werden. Ein haftungsrelevanter Interessenkonflikt entsteht allerdings erst bei Vorliegen eines erheblichen Eigenvorteils. Die Abgrenzung von erheblichen und unerheblichen Eigenvorteilen ist besonders dann schwierig, wenn es sich nicht um einen finanziellen Vorteil handelt. Anders als in Teilen der amerikanischen Literatur gefordert, ist bei der Annahme eines (letztlich) haftungsauslösenden Interessenkonflikts gerade im Zusammenhang mit Unternehmensspenden Zurückhaltung geboten. Da fast alle Unternehmensspenden den verantwortlichen Vorstandsmitgliedern psychologische Vorteile und gesteigertes Sozialprestige bringen, müssen besondere Umstände vorliegen, um eine Haftung zu begründen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der immaterielle Vorteil im Ergebnis einem finanziellen Vorteil gleichgestellt werden kann. Bei politischen Spenden ist dies dagegen in der Regel nicht der Fall. Die im amerikanischen Recht mögliche Vermeidung eines Interessenkonflikts durch Verlagerung der Entscheidung auf unabhängige Ausschüsse findet im deutschen Recht ihre Entsprechung in der Möglichkeit, die Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen, soweit der Interessenkonflikt nicht auf diesen durchschlägt. Dabei muss dieser allerdings über die Interessenkonflikte der Vorstandsmitglieder vollständig aufgeklärt werden. Nicht ausreichend ist dagegen die Offenlegung eines Interessenkonflikts gegenüber den anderen Vorstandsmitgliedern. II. Handeln auf ausreichender Informationsgrundlage 1. Ausreichende Selbstinformation als Voraussetzung für die Eröffnung des unternehmerischen Ermessensspielraums Der Bundesgerichtshof bezieht in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung die „sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen“ in die richterliche Über-

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prüfbarkeit von Vorstandsentscheidungen mit ein und macht sie damit zur Voraussetzung für die Berufung des Vorstandsmitglieds auf das unternehmerische Ermessen.281 Auch in der früheren Rechtsprechung war die Pflicht zur ausreichenden Selbstinformation grundsätzlich anerkannt, sodass die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung in diesem Punkt keine wesentliche Neuerung darstellt. 282 Grundlage für die Pflicht zur Selbstinformation ist nach § 93 Abs. 1, 2 AktG die Pflicht zum sorgfaltsgemäßen Verhalten.283 2. Die Reichweite der Informationspflicht bei Spendenentscheidungen a) Der strenge Maßstab: Ausschöpfen aller Erkenntnisquellen Sehr viel unklarer ist die Rechtslage hinsichtlich der Reichweite der Informationspflichten. 284 Ausdrücklich gesetzlich geregelt ist seit dem KonTraG von 1998 in § 91 Abs. 2 AktG die Pflicht des Vorstands zur Einrichtung eines Frühwarnsystems für bestandsgefährdende Risiken. Letzteres wird jedoch im Zusammenhang mit Unternehmensspenden nur im Ausnahmefall von Relevanz sein. Zum Teil finden sich der Literatur darüber hinaus sehr weitgehende Formulierungen. Häufig wird pauschal eine Pflicht des Vorstands angenommen, „alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen“. 285 Darüber hinaus muss er, falls nötig, zusätzliche Erkenntnisquellen schaffen.286 Auch in der Rechtsprechung finden sich Urteile, die uneingeschränkt in diese Richtung weisen. So hat der Bundesgerichtshof die Haftung des Geschäftsführers einer Innungskrankenkasse wegen der Anschaffung einer EDV-Anlage, die mangels geeigneter Software nicht funktionierte, bejaht. Der beklagte Geschäftsführer hatte, trotz seiner fehlenden eigenen Rechtskenntnisse, vor Unterzeichnung des komplizierten Vertragswerks keinen Rechtsrat eingeholt.287 Der Geschäftsführer einer GmbH hat nach einem anderen höchstrichterlichen Urteil die Pflicht, die wirtschaftliche Lage seines Unternehmens laufend zu beobachten und zu diesem Zweck für eine „Organisation [zu] sorgen, die ihm die dafür erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht“.288 ___________ 281

Vgl. BGHZ 135, 244, 253. Vgl. BGH AG 1985, 165; OLG Hamm ZIP 1995, 1263, 1269 („Harpener/Omni“); BGH WM 1981, 440, 441. 283 Vgl. KK-Mertens § 93 AktG Rn. 29. 284 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 278. 285 Vgl. KK-Mertens § 93 AktG Rn. 29; Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 84. 286 Vgl. Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 84. 287 Vgl. BGH AG 1985, 165. 288 Vgl. BGH NJW-RR 1995, 669 f. 282

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Allerdings wird besonders in jüngerer Zeit mit Recht vor übertriebenen Anforderungen an die Informationspflichten gewarnt. Oltmanns verweist auf die Gefahr, dass zu scharfe Informationspflichten indirekt zu der vom Gesetzgeber abgelehnten Erfolgshaftung führen könnten. 289 Jedenfalls würde dadurch der Gedanke des unternehmerischen Ermessens, der gerade auch Raum für Fehlentscheidungen lassen soll, ad absurdum geführt. Überdies würden im Hinblick auf die Verpflichtung des Vorstands auf das Gewinnmaximierungsinteresse zu weitgehende Informationspflichten mit der Pflicht kollidieren, die Kosten der Informationsbeschaffung zu berücksichtigen.290 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Informationsbeschaffung die Einholung von Beratungsleistungen Dritter erfordert.291 Weiterhin besteht bei zu strengen Anforderungen an die Informationspflichten die Gefahr einer Lähmung des unternehmerischen Entscheidungsprozesses selbst. Dies gilt insbesondere wegen der Beweislastverteilung nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG, die faktisch die Informationspflichten des Geschäftsleiters durch entsprechende Dokumentationspflichten ergänzt. b) Übertragung des erleichterten US-amerikanischen Maßstabs ins deutsche Recht? Im amerikanischen Recht wird, wie oben dargestellt, die Problematik der Informationspflichten häufig durch die Anwendung des Verschuldensmaßstabs der „gross negligence“ gelöst.292 Der Weg über einen erleichterten Verschuldensmaßstab ist aber im deutschen Recht wegen des entgegenstehenden Wortlauts von § 93 Abs. 1, 2 AktG versperrt, da dieser eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit vorsieht.293 Näherliegend ist ein weiterer im amerikanischen Recht zu findender Gedanke: Danach wird die Entscheidung über das Ausmaß der Informationsgewinnung selbst als Ermessensentscheidung behandelt, was wiederum zur Anwendung der business judgment rule auf das Ausmaß der Informationsgewinnung selbst

___________ 289

Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 280. Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 280. 291 Siehe dazu auch BGH BB 1995, 2180, 2181 (Haftung eines Geschäftsführers einer GbR für Abschluss eines Beratungsvertrages mit Dritten). 292 Vgl. Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 75; siehe auch Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d, 858, 873 (Del. 1985): „While the Delaware cases use a variety of terms to describe the applicable standard of care, our analysis satisfies us that under the business judgment rule director liability is predicated upon concepts of gross negligence“. Siehe dazu auch oben 2. Kap. B. II. 1. c). 293 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 281 f. 290

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

führt.294 Oltmanns schlägt entsprechend dem US-amerikanischen Vorgehen die Anwendung der Grundsätze des unternehmerischen Ermessens für die Bestimmung der Selbstinformationspflichten auch für das deutsche Recht vor.295 Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Roth. Dieser will einen Verstoß gegen die Informationspflichten nur annehmen, wenn der Vorstand aufgrund der Mängel des Entscheidungsprozesses nicht auf letzteren vertrauen konnte.296 Die Anwendung dieser Grundsätze soll aber weder nach der amerikanischen Rechtsprechung noch nach der von Oltmanns und Roth vorgeschlagenen Adaption ins deutsche Recht dahingehend verstanden werden, dass der allgemeine Prüfungsaufbau für Ermessensentscheidungen inzident noch einmal auf die Entscheidung über die Informationsgewinnung anzuwenden ist. Vielmehr läuft dieser Ansatz auf eine Evidenzkontrolle im Hinblick auf die Mindesterfordernisse eines ordnungsgemäßen Entscheidungsverfahrens hinaus, die im Ergebnis dem Maßstab der „gross negligence“ angenähert ist.297 Nach diesem Vorschlag wären nur „in extremen Fällen, in denen der Vorstand die Ermessensgrenzen überschritten und ungerechtfertigterweise völlig uninformiert gehandelt hat, oder in denen das Entscheidungsverfahren in anderer Weise ohne nachvollziehbare Gründe oberflächlich und unzureichend war“, die Ermessensgrenzen hinsichtlich des Entscheidungsverfahrens überschritten.298 Diese Beschränkung der Kontrolle des Entscheidungsverfahrens lässt sich im deutschen Recht auch auf Äußerungen in der Rechtsprechung stützen. So hat der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der Haftung des GmbH-Geschäftsführers für eine Kreditgewährung die Sorgfaltspflichtverletzung damit begründet, dass diese „ins Blaue hinein“ erfolgt sei und „die einfachsten Regeln der kaufmännischen Sorgfalt“ nicht befolgt worden seien.299 In der ARAG/GarmenbeckEntscheidung fordert der Bundesgerichtshof immerhin ein „[deutliches Überschreiten]“ der Sorgfaltspflichten bei der Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen.300

___________ 294 Vgl. Block/Barton/Radin The Business Judgment Rule S. 80; siehe dazu oben 2. Kap. B. II. 1. b). 295 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 282 ff. 296 Vgl. Roth Unternehmerisches Ermessen S. 85 f. 297 Siehe dazu für das amerikanische Recht oben 2. Kap. B. II. 1. b), c). 298 Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 283; vgl. auch Roth Unternehmerisches Ermessen S. 86. 299 Vgl. BGH WM 1981, 440, 441. 300 Vgl. BGHZ 135, 244, 253.

C. Überprüfung von Spendenentscheidungen – deutsches Recht

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c) Stellungnahme Eine pauschale Erleichterung des Sorgfaltsmaßstabs hinsichtlich der Informationspflichten widerspricht dem aus dem ARAG/Garmenbeck-Urteil zu entnehmenden Gedanken, dass im Rahmen von § 93 AktG die richterliche Zurückhaltung der Überprüfung des Entscheidungsergebnisses durch eine strengere Kontrolle des Entscheidungsverfahrens ausgeglichen wird.301 Eine weitgehende Reduzierung der richterlichen Kontrolle auf die Interessenbindung der Vorstandsmitglieder, wie von Oltmanns und Roth gefordert, würde dem gesetzlichen Begriff der „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ nicht gerecht, da dieser Maßstab im Ergebnis über eine Überprüfung der Treuepflichten nur wenig hinausgehen würde. Sorgfaltspflichten beinhalten zudem, wie bereits begrifflich indiziert, die Pflicht zum sorgfaltsgemäßen Verhalten.302 Das Ausmaß der Informationspflichten muss deswegen weiterhin grundsätzlich Gegenstand richterlicher Kontrolle bleiben, ohne dass diese auf eine reine Evidenzprüfung zu reduzieren ist. Oltmanns und Roth ist insoweit zuzustimmen, dass das unternehmerische Ermessen bei den Anforderungen an die Selbstinformation grundsätzlich zu berücksichtigen ist. Dem sich daraus ergebenden Postulat der richterlichen Zurückhaltung kann aber auch dadurch Rechnung getragen werden, dass die Pflicht zur Selbstinformation einzelfallbezogen zu bestimmen ist und eine Haftung entsprechend der im ARAG/GarmenbeckUrteil gebrauchten Formulierung nur bei einem deutlichen Unterschreiten dieser Anforderungen in Betracht kommt. d) Kriterien bei der einzelfallbezogenen Bestimmung der Informationspflichten aa) Die Höhe der Spende Zunächst sind die Anforderungen, die an die Selbstinformation im Vorfeld einer unternehmerischen Entscheidung zu stellen sind, umso höher anzusetzen, je einschneidender die Konsequenzen für das Unternehmen sind. 303 Konkret auf Unternehmensspenden bezogen heißt dies, dass die Anforderungen an die Selbstinformation mit der Höhe der Spenden steigen.304 Zudem ist bei der Festsetzung der Anforderungen an die Informationspflichten die wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu berücksichtigen.

___________ 301 Vgl. dazu Lutter ZGR 1979, 401, 407 (zur richterlichen Überprüfung eines Bezugsrechtsausschlusses). 302 Vgl. KK-Mertens AktG § 93 Rn. 45; Hopt/Wiedemann § 93 Rn. 106 ff. 303 Vgl. Heermann ZIP 1998, 761, 765. 304 Vgl. Heermann ZIP 1998, 761, 768.

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

bb) Die Dringlichkeit der Entscheidung Auch der Faktor Zeit kann bei der näheren Bestimmung der Informationspflichten eine Rolle spielen. „Je eiliger die Entscheidung ist, desto eher kann auf die Einholung zusätzlichen Rates oder auf sonstige Vorbereitungen verzichtet werden“.305 Bei Spenden wird Dringlichkeit selten gegeben sein. Allerdings können andererseits die positiven Imageeffekte einer Spende z.B. im Bereich der Katastrophenhilfe gerade durch rasches, „unbürokratisches“ Handeln seitens des Unternehmens erhöht werden. cc) Erhöhte Informationspflichten bei besonderen Risiken Nach der deutschen Rechtsprechung scheinen die Anforderungen an die Selbstinformation dann zu steigen, wenn Ansatzpunkte für ein besonderes Risiko für die Gesellschaft ersichtlich sind. Dazu gehören z.B. die Fälle, bei denen der Vorstand Gründe hat, an der Kreditwürdigkeit des Geschäftspartners zu zweifeln. In einer bereits oben erwähnten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof einen groben Pflichtenverstoß eines GmbH-Geschäftsführers angenommen, weil dieser Geschäftspartnern, die ihm „völlig unbekannt“ und für ihn „erstmalig auf einer Messeveranstaltung in Erscheinung“ getreten waren, ohne weitere Nachprüfung Kredit gewährte.306 Der Sachverhalt der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung lässt sich ebenfalls in diese Fallgruppe einordnen. Hier hatte der Finanzvorstand Kredite an eine in London gegründete Briefkastenfirma, deren geschäftsführender Direktor mehrfach vorbestraft war, ohne ausreichende Sicherheit gewährt.307 Im Zusammenhang mit Unternehmensspenden lässt sich daher aus der obigen Rechtsprechung der Gedanke entnehmen, dass die Informationspflichten dann steigen, wenn Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass die Spende das Unternehmen über die aufgewendete Summe hinaus belasten könnte. Dies könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn der geförderte Zweck in der Öffentlichkeit besonders kontrovers und aufgrund der Spende selbst ein Imageverlust zu befürchten ist. Naheliegend ist dies manchmal bei politischen Spenden. 308 Relevant werden könnte diese Problematik auch dann, wenn etwa Sportler trotz Dopingverdachts weiter unterstützt werden.309

___________ 305

Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 84. Vgl. BGH WM 1981, 440, 441. 307 Vgl. BGHZ 135, 244, 246 f. 308 Vgl. Kulitz Unternehmerspenden S. 167; dagegen Kind NZG 2000, 567, 568. 309 Siehe zu diesem Beispiel Heermann ZIP 1998, 761, 768. 306

C. Überprüfung von Spendenentscheidungen – deutsches Recht

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dd) Indirekte Verschärfung der Informationspflichten bei Einschaltung des Aufsichtsrats wegen Interessenkonflikten Nach den oben gemachten Ausführungen kann sich ein Vorstandsmitglied bei Vorliegen eines Interessenkonflikts vom Vorwurf der Treuepflichtverletzung entlasten, wenn die Entscheidung mit Zustimmung des Aufsichtsrats getroffen wurde.310 Allerdings bringt dieses Vorgehen eine indirekte Verschärfung der Informationspflichten durch das Erfordernis einer umfassenden Aufklärung des Aufsichtsrats mit sich. Um sich zu entlasten, muss der Vorstand darlegen, dass der zustimmende Aufsichtsrat vollständig über den Interessenkonflikt informiert war. Dies setzt voraus, dass dieser umfassend über die anderen Umstände der Spende informiert ist, da er sonst nicht ihre unternehmensbezogene Rechtfertigung beurteilen kann. Da dem Aufsichtsrat nicht die eigenständige Erforschung des Sachverhalts zuzumuten ist, müssen die notwendigen Informationen vom Vorstand selbst zur Verfügung gestellt werden. Dies erfordert wiederum eine entsprechende Selbstinformation durch den Vorstand. Ein Beispiel für die erhöhte Bedeutung der Informationspflichten bei Vorliegen eines Interessenkonflikts bietet im amerikanischen Recht der oben bereits mehrfach diskutierte Fall Kahn v. Sullivan. In dieser Entscheidung legte der Delaware Supreme Court erheblichen Wert auf die volle Information des Board-Ausschusses, dem die Entscheidung über die Museumsspende wegen des im Raum stehenden Interessenkonflikts übertragen worden war. Insbesondere achteten die Gerichte dabei auf eine unabhängige rechtliche Beratung des Ausschusses.311 3. Gegenstand der Informationspflichten bei Spendenentscheidungen a) Wirtschaftliche Auswirkungen auf das Spenderunternehmen Naheliegender und selbstverständlicher Bezugspunkt für die Informationspflichten bei Spendenentscheidungen sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der Spende auf das spendende Unternehmen selbst. Für das amerikanische Recht gibt wiederum die Entscheidung Kahn v. Sullivan einen Eindruck darüber, was dies beinhaltet. Dort wird in der Sachverhaltsdarstellung festgestellt, dass die steuerlichen Aspekte, die wirtschaftliche Lage des spendenden Unternehmens und die Auswirkungen der Spende auf den good will der corporation Gegenstand der im Vorfeld der Spendenentscheidung eingeholten Informationen waren.312

___________ 310

Siehe dazu oben 3. Kap. C. I. 3. d) bb). Vgl. Kahn v. Sullivan 594 A.2d 48, 60 (Del. 1991). 312 Siehe dazu oben 2. Kap. B. II. 2. b). 311

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

Dabei ist der Hauptschwerpunkt auf die durch die Spende verursachten Kosten zu lenken, die in Relation zur allgemeinen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens zu sehen sind.313 Denn zum einen sind die konkreten wirtschaftlichen Vorteile bei Spenden schwer vorherzusagen. Zum anderen soll nicht über den Umweg der Informationspflichten eine materielle Kontrolle der Spendenentscheidung eröffnet werden. Spenden stellen aufgrund ihres unentgeltlichen Charakters zunächst einen reinen Abfluss von Geldmitteln dar. Aus der Pflicht zum sorgfaltsgemäßen Verhalten des Vorstands folgt, dass dieser exakt darüber informiert sein muss, wie sich dies auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens auswirkt. b) Informationen über die Empfängerorganisationen aa) Vereinbarkeit des geförderten Zwecks mit den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens Grundsätzlich ergibt sich aus der Pflicht zur Selbstinformation über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Spende für die Gesellschaft mittelbar die Pflicht, sich insoweit über die Empfängerorganisation zu informieren, dass eine evidente Unvereinbarkeit der Spende mit den eigenen wirtschaftlichen Zielen ausgeschlossen werden kann. Daher müssen die mit der Spendenentscheidung befassten Vorstandsmitglieder über die grundlegende Tätigkeit der Empfängerorganisation, die dahinterstehenden Einzelpersonen etc. informiert sein. Entsprechend den oben im Zusammenhang mit der Reichweite der Informationspflicht gemachten Ausführungen hängt auch hier die Begrenzung der Informationsgegenstände vom Einzelfall ab. Je weniger über die Spendenempfängerin bekannt ist, desto umfassender muss sich der Vorstand über ihre Tätigkeit, Ziele und personelle Zusammensetzung informieren. Daneben erweitern „Verdachtsmomente“, wie etwa negative Presseberichte, den Anwendungsbereich der Informationspflichten. bb) Informationspflichten hinsichtlich der „sozialen Wertigkeit“ der Spende? Spendenorganisationen verfolgen eine Vielzahl von kulturellen und sozialen Zwecken. Zudem sind sie unterschiedlich bedürftig und in der Verwendung ihrer Mittel unterschiedlich effizient. Fraglich ist, inwieweit sich der Vorstand über diese Problemkreise auch insoweit zu informieren hat, als diese Unterschiede sich nicht mittelbar auf die Aktiengesellschaft selbst auswirken. Ausgehend von einem interessenpluralistischen Unternehmensinteresse, das den Vorstand neben der Förderung der wirtschaftlichen Belange der Aktiengesellschaft in gleicher Weise auf Arbeitnehmerinteressen und auf das öffentliche ___________ 313

Vgl. BGH StV 2002, 137, 140.

C. Überprüfung von Spendenentscheidungen – deutsches Recht

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Interesse verpflichtet, könnte man auf eine Pflicht des Vorstands schließen, sich über die sozialen Auswirkungen der Spende und damit auch über die relative Bedürftigkeit der in Frage kommenden Spendenorganisationen zu informieren. In diesem Fall käme dem Vorstand eines spendenden Unternehmens eine quasipolitische Funktion zu, da er „im öffentlichen Interesse“ Geldmittel zu verteilen hätte. In der amerikanischen Diskussion stellt gerade diese politische Funktion angesichts der fehlenden öffentlich-rechtlichen Legitimation von Managern ein wichtiges Argument gegen interessenpluralistische Unternehmenstheorien als solche dar.314 Auch nach der hier für das deutsche Recht vertretenen Auffassung braucht dieser Gedanke nicht weitergeführt zu werden, da danach die wirtschaftlichen Eigeninteressen der Aktiengesellschaft bei der Beurteilung von Vorstandsentscheidungen letztendlich allein maßgebend sind. Eine grundsätzliche Modifikation des Gewinnmaximierungsinteresses durch primäre Verpflichtungen auf gesellschaftsfremde Interessengruppen ist mit den oben genannten Argumenten abzulehnen.315 Daher braucht sich der Vorstand nicht darüber zu informieren, welche Förderzwecke dem „öffentlichen Interesse“ also solchem am meisten dienen. Naheliegender erscheint es in den Fällen, in denen der geförderte Zweck von mehreren Spendenorganisationen verfolgt wird, vergleichende Informationen über die Effizienz dieser Spendenorganisationen einzuholen. Aber auch dies ist nur insoweit notwendig, als eine höhere Effizienz des Spendenempfängers möglicherweise Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage des spendenden Unternehmens haben wird. 4. Rechtsvergleichende Zusammenfassung Anders als im amerikanischen Recht ist bei der Bestimmung der Informationspflichten im deutschen Recht nicht der Maßstab der groben Fahrlässigkeit anzuwenden. Außerdem ist die Entscheidung über den Umfang der Informationsgewinnung nicht unmittelbar von den Grundsätzen des unternehmerischen Ermessens geschützt. Allerdings ist die Reichweite der Informationspflichten im Einzelfall zu bestimmen. Aufgrund des unternehmerischen Ermessens ist in der Regel nur bei einem deutlichen Unterschreiten dieser Anforderungen ein Verstoß anzunehmen. Der Umfang der Informationspflichten hängt vor allem von der Höhe der Spende ab. Sie beziehen sich in erster Linie auf die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Aktiengesellschaft selbst unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Lage. Dabei sind wie im amerikanischen Recht insbesondere die ___________ 314 315

Vgl. Friedmann New York Times Magazine, Sept. 13, 1970, S. 32, 122. Siehe dazu oben 3. Kap. C. I. 2. b).

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

steuerlichen und rechtlichen Aspekte der Spende zu untersuchen. Über die Spendenempfänger sollte sich der Vorstand ebenfalls informieren. Dabei braucht er aber nicht zu prüfen, ob dem öffentlichen Interesse durch andere Spenden mehr gedient wäre. Maßstab bleibt alleine das unternehmensbezogene Gewinnmaximierungsziel. Die Informationspflicht beschränkt sich auf solche Informationen, die für das spendende Unternehmen wirtschaftlich von Bedeutung sind. Insgesamt können Informationspflichten nur so genau bestimmt werden, wie das Ziel des unternehmerischen Handelns verbindlich definiert ist.

D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen I. Grenzen des erlaubten Risikos 1. Die Unsicherheit über die Reichweite der materiellen Überprüfung von Ermessensentscheidungen im deutschen Recht a) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und die Kritik in der Literatur Nach der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung unterliegen Vorstandsentscheidungen trotz der grundsätzlichen Anerkennung des unternehmerischen Ermessens einer eingeschränkten inhaltlichen Überprüfung. Danach kommt eine Schadensersatzpflicht des Vorstands unter anderem dann in Betracht, wenn die „Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist“.316 Die damit dem Gericht vorbehaltene Beurteilung der „Verantwortlichkeit eines Risikos“ deutet im Gegensatz zum Maßstab der rationalen Nachvollziehbarkeit die Vornahme einer eigenen richterlichen Risikoabwägung an.317 Oltmanns kritisiert diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Verweis auf die zurückhaltendere Linie der amerikanischen Rechtsprechung, die sich bei der Überprüfung von Leitungsentscheidungen auf den großzügigeren Maßstab der rationalen Nachvollziehbarkeit beschränke.318 Anders als die USamerikanische business judgment rule würde das deutsche Aktienrecht in diesem Punkt wegen der stärkeren richterlichen Kontrolle und der damit verbundenen Rechtsunsicherheit Anreize zu einer wirtschaftlich häufig nicht sinnvollen Risikoaversion seitens der Vorstände geben.319 Auf den Aspekt der in der deutschen Rechtsprechung existierenden Unsicherheit bei der Überprüfung von ___________ 316

Vgl. BGHZ 135, 244, 253. Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 245 f. 318 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 246 und S. 267 ff. 319 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 267 f. 317

D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen

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Risikogeschäften weist indirekt auch Abeltshauser hin, indem er das Fehlen einer systematischen Kriterienbildung im deutschen Recht betont.320 Aus den von Oltmanns analysierten Entscheidungen, die sich größtenteils mit der Vergabe ungesicherter Kredite befassen, ergibt sich, dass in der deutschen Rechtsprechung bei der Beurteilung von Risikoentscheidungen keine ganz eindeutige Linie existiert.321 Allerdings wird bei näherer Betrachtung, wie Oltmanns selbst bereits nachgewiesen hat, in den meisten dieser Fälle die Sorgfaltspflichtverletzung nicht an der Überziehung der Risikobereitschaft als solcher, sondern an der fehlenden Information oder anderen Verfahrensfehlern im Vorfeld der Entscheidung festgemacht. 322 Insoweit passen sich diese Entscheidungen weitgehend nahtlos in das dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnis des unternehmerischen Ermessens ein. Eine inhaltliche Überprüfung der Risikobereitschaft lag dagegen in der Entscheidung BGHZ 69, 207 vor.323 In diesem Fall verklagte eine KG ein Mitglied ihres Verwaltungsrats wegen dessen Zustimmung zu der Beteiligung an einer weiteren KG („B-KG“). Im Vorfeld hatte die B-KG für den geplanten Erwerb einer Kaffeerösterei von mehreren Banken keinen Kredit erhalten. Trotzdem hatte sie die Kaffeerösterei zu einem Preis erworben, der weit oberhalb des ihr zur Verfügung stehenden (Eigen-)Kapitals lag und der innerhalb weniger Wochen in zwei Raten fällig sein sollte. Zusätzlich waren für den Fall des Zahlungsverzugs erhebliche Vertragsstrafen vereinbart worden. Der Verwaltungsrat stimmte schließlich in Kenntnis dieser Lage trotz vorher geäußerter „außerordentlich starke[r] Bedenken“ einer Beteiligung in Höhe von 2,5 Mio. Mark zu.324 Der Bundesgerichtshof hielt die auf die §§ 93, 116 AktG analog gestützte Verurteilung des Verwaltungsratsmitglieds durch das Kammergericht Berlin aufrecht. Das Gericht begründete die Sorgfaltspflichtverletzung damit, dass die Beteiligung angesichts der gegebenen Umstände „ungewöhnlich leichtfertig“ gewesen sei und dass „die möglichen Vorteile aus dem Geschäft in keinem ___________ 320

Vgl. Abeltshauser Leitungshaftung S. 169. Vgl. dazu auch die umfassende Darstellung bei Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 251 ff.; zur Fallgruppe der Risikogeschäfte in rechtsvergleichender Hinsicht siehe Abeltshauser Leitungshaftung S. 60 ff., 162 ff. 322 Vgl. BGH WM 1981, 440 (Kreditgewährung durch GmbH-Gesellschafter („ins Blaue hinein“); BGH AG 1985, 165 f. (Haftung eines Geschäftsführers eines Sozialversicherungsträgers wegen Kauf einer teuren EDV-Anlage ohne ausreichende Selbstinformation über den Inhalt der komplizierten Verträge); siehe dazu Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 251-254. 323 Siehe dazu auch Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 254 ff. 324 BGHZ 69, 207, 211. Nicht eingegangen ist der BGH auf einen tatsächlich vorhandenen Interessenkonflikt. Das beklagte Verwaltungsmitglied war nämlich persönlich an der B-KG beteiligt. Vgl. dazu Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 255 f. Fn. 592. 321

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

Verhältnis zu der Gefahr [gestanden hätten], dass das Geschäft mit Rücksicht auf das fehlende Eigen- und Fremdkapital scheitern und aus diesem Grunde zu umfangreichen Verlusten führen werde“.325 Im Gegensatz zu dem im Rahmen der amerikanischen business judgment rule geltenden Grundsatz, dass das Gericht sich nicht an die Stelle eines Unternehmensleiters stellen sollte, nahm das überprüfende Gericht hier eine eigene Risikoabwägung vor. Allerdings trägt sie dem unternehmerischen Ermessen durch die Hürde der „ungewöhnlichen Leichtfertigkeit“ doch Rechnung. Die Grenze zur bloßen Überprüfung der rationalen Nachvollziehbarkeit erscheint bei dieser Zurückhaltung deswegen fließend.326 Weniger eindeutig war die Begrenzung der Haftung auf Fälle der ungewöhnlichen Leichtfertigkeit in einer anderen, von Oltmanns referierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs.327 In dieser mussten zwei Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft haften, weil sie ihre Genossenschaft bei einem Grundstückskauf in Vorleistung hatten treten lassen, ohne für die Kaufpreiszahlung entsprechende Sicherheiten zu verlangen. Der Bundesgerichtshof ging auf die Problematik der Risikoabwägung nicht weiter ein und stellte lediglich fest, dass das Vermögen der Genossenschaft „in offenkundiger Weise“ gefährdet worden sei.328 Auch die Literatur spricht sich zum großen Teil für die Zulässigkeit einer eingeschränkten Risikoabwägung aus, ohne jedoch genaue Kriterien für die Berücksichtigung des unternehmerischen Ermessens geben zu können. Zum Teil geht sie sogar über den in der Rechtsprechung geltenden Maßstab hinaus und fordert eine allgemeine Pflicht des Vorstands zu risikominimierendem Verhalten oder ein Verbot der Eingehung außergewöhnlicher Risiken selbst bei großer Wahrscheinlichkeit eines für die Gesellschaft günstigen Ausgangs.329 b) Stellungnahme Der Kritik von Oltmanns ist insoweit zuzustimmen, als die in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung gewählte Formulierung die im deutschen Recht existierende Unsicherheit über die Zulässigkeit von unternehmerischen Risiken noch nicht ganz beseitigt hat. Dies gilt umso mehr, als es in der älteren deutschen ___________ 325

Vgl. BGHZ 69, 207, 214 f. Zur Unternehmensleiterhaftung für Risikogeschäfte im amerikanischen Recht siehe Abeltshauser Leitungshaftung S. 60-62. 327 Vgl. BGH WM 1966, 323; siehe dazu auch Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 251 f. 328 Vgl. BGH WM 1966, 323. 329 Vgl. etwa KK-Mertens § 93 AktG Rn. 48 f.; Clemm FS Ritter S. 675, 686; einschränkend Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 82 (bestandsgefährdende Risiken nur ausnahmsweise zulässig). 326

D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen

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Rechtsprechung Beispiele für die Vornahme eigener Risikoabwägungen durch die Gerichte gibt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass das unternehmerische Ermessen als solches bis vor wenigen Jahren in der deutschen Rechtsprechung nicht ausdrücklich allgemein anerkannt war, sodass die oben zitierten Urteile sich nicht unbedingt bewusst mit Ermessensgrenzen auseinandergesetzt haben. Im Zusammenhang mit dem hier zu untersuchenden Gegenstand wäre aber eine Konkretisierung dieser Ermessensgrenze wünschenswert. Die obige Diskussion des amerikanischen Rechts hat bereits gezeigt, dass bei der inhaltlichen Überprüfung von Ermessensentscheidungen, die Unternehmensspenden zum Gegenstand haben, möglicherweise ohnehin Besonderheiten gelten. Außerdem erscheint es auf den ersten Blick zweifelhaft, ob das unternehmerische Risiko im Zusammenhang mit der Überprüfung von Spendenentscheidungen überhaupt begrifflich eine passende Kategorie darstellt. Deswegen ist im Folgenden zu untersuchen, wie die vom Bundesgerichtshof formulierte Ermessensgrenze des unerlaubten Risikos im Hinblick auf Spendenentscheidungen angepasst und gegebenenfalls konkretisiert werden kann. 2. Die objektive Möglichkeit eines wirtschaftlichen Vorteils als Mindestvoraussetzung Bereits aus der subjektiven Pflichtenbindung der Vorstandsmitglieder ergibt sich, dass aus deren Ex ante-Perspektive objektiv die Erlangung eines wirtschaftlichen Eigenvorteils aufgrund der Unternehmensspende zumindest möglich sein muss. Denn anderenfalls wird es dem hinsichtlich der subjektiven Spendenmotivation beweispflichtigen Vorstandsmitglied nicht gelingen, das zur Überprüfung der Spendenentscheidung berufene Gericht von der inneren Tatsache zu überzeugen, dass mit der Spende langfristig das Ziel der Gewinnmaximierung verfolgt wurde.330 Das Erfordernis eines möglichen wirtschaftlichen Vorteils lässt sich bei Berücksichtigung der Pflichtenbindung des Vorstands daneben unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut begründen. Ein ordentlicher und gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter im Sinne von § 93 Abs. 1 S. 1 AktG kann seine Ermessensentscheidungen nicht willkürlich auf aus seiner Sicht von vorneherein ausgeschlossene Erwartungen stützen. Auch in der Rechtsprechung wurde die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Vorteils als Ermessensgrenze bereits vom Reichsgericht anerkannt.331 Diese Möglichkeit eines wirtschaftlichen Vorteils wird in der Regel bei den Spenden gegeben sein, die zu einem konkreten Imagegewinn des Unterneh___________ 330 331

Siehe dazu oben 3. Kap. C. I. 2. c) bb). Vgl. RGZ 129, 272, 275 f.

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mens führen. Wie oben erwähnt, ist auch bei der Förderung von dem Unternehmen nahestehenden Einrichtungen oder Gruppen von einem möglichen wirtschaftlichen Vorteil für das Unternehmen auszugehen. Der Nachweis eines möglichen konkreten wirtschaftlichen Vorteils für das spendende Unternehmen wird aber bei anderen Spenden schwierig sein. Etwas anderes gilt jedoch, wenn man den im US-amerikanischen Recht in den letzten fünfzig Jahren entwickelten Gedanken aufnimmt, dass Spenden zur Erhaltung der sozialen und politischen Rahmenbedingungen für das gewinnorientierte Wirtschaften selbst beitragen, indem sie allgemein das Image des Unternehmens, der betreffenden Branche und vor allem auch der marktwirtschaftlichen Ordnung insgesamt verbessern.332 Gerade letzterer Aspekt wurde von den amerikanischen Gerichten herangezogen, um die allgemeine Zulässigkeit von Spenden zu begründen. Unabhängig von den Fragen, ob die kapitalistische Wirtschaftsordnung auf moralischer Ebene einer besonderen Rechtfertigung bedarf und ob Unternehmensspenden im Einzelfall dazu einen Beitrag liefern können, weist auch in Deutschland bereits die Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit von Unternehmensspenden darauf hin, dass sie gesamtgesellschaftlich erwartet werden.333 Das spendende Unternehmen kann durch Erfüllung dieser Erwartungen daher nicht nur von einem individuellen Imagegewinn, sondern auch von einer allgemeinen Sicherung der Akzeptanz der marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung profitieren. Allerdings ist nach deutschem Recht die bloße Möglichkeit eines wirtschaftlichen Vorteils noch nicht alleine ausreichend, um den vom Bundesgerichtshof in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung ausgedrückten Gedanken des (un)erlaubten Risikos zu erfassen. Der Risikobegriff setzt darüber hinaus das Vorliegen einer bestimmten Wahrscheinlichkeit voraus.334

___________ 332 Vgl. Theodora Holding Corp. v. Henderson, 257 A.2d 398, 404 f. (Del. Ch. 1969); A.P. Smith Mfg. Co. v. Barlow, 96 A.2d 581,586 (Supr. Ct. of N.J. 1953); vgl. dazu oben 2. Kap. B. III. 3. b). 333 Vgl. dazu auch Baas Leitungsmacht S. 165, der aus steuerrechtlichen Regelungen mittelbar sogar eine Pflicht des Vorstands zu gemeinnützig orientiertem Handeln entnimmt. Unmittelbarer Anknüpfungspunkt für die von ihm so bezeichnete „gestaltende Gemeinwohlbindung“ sind jedoch gleichgerichtete Übungen vergleichbarer Unternehmen, die sich auf dem Boden gesetzlicher Wertungen entwickelt haben. 334 Kritisch Roth Unternehmerisches Ermessen S. 110 f.

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3. Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Vorteils von Spendenentscheidungen a) Wahrscheinlichkeit des wirtschaftlichen Erfolgs als Gegenstand der inhaltlichen Überprüfung Da jede Spende dem Grunde nach den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens zu dienen hat, stellt sich rechtlich die Frage nach dem Risiko der Spende als Frage nach der Wahrscheinlichkeit eines wirtschaftlichen Eigenvorteils bzw. seines Ausbleibens. Hinsichtlich des Grades der unter Ermessensgesichtspunkten zulässigen Schadenswahrscheinlichkeit ist zunächst zu beachten, dass der Risikobegriff zwei Komponenten enthält: Neben der oben angesprochenen Schadenseintrittswahrscheinlichkeit steht auch die Höhe des „Schadens“. Daraus wird zu Recht aus der Literatur eine Leitlinie hinsichtlich der Grenzen der zulässigen Schadenseintrittswahrscheinlichkeit entnommen: „Je höher der aus einer unternehmerischen Entscheidung resultierende Schaden im Verhältnis zur Finanzkraft eines Unternehmens sein kann, desto geringer muss die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sein“.335 Problematisch ist aber die Frage, wie die „Schadenseintrittswahrscheinlichkeit“ bzw. die Wahrscheinlichkeit des Eigenvorteils bei Spendenentscheidungen zu bestimmen ist. Diese Prüfung erscheint zunächst deswegen schwierig, weil die durch Spenden verursachten wirtschaftlichen Eigenvorteile häufig kaum identifizierbar, geschweige denn messbar sein werden. Insoweit unterscheiden sich Spenden häufig von vielen anderen langfristigen Investitionen wie etwa der Neuentwicklung von Produkten, der Erweiterung von Kapazitäten oder der Beteiligung an anderen Unternehmen. Da es allerdings bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung nicht auf eine Ex post-Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung ankommt, sondern lediglich auf eine Ex ante-Kontrolle der Vertretbarkeit, stellt sich das Problem der fehlenden Nachweisbarkeit von wirtschaftlichen Vorteilen mit Anerkennung des unternehmerischen Ermessens nicht mehr. b) Die Nähe am Unternehmensgegenstand als Maßstab? aa) Die Heranziehung des Unternehmensgegenstands zur objektiven Überprüfung von Spendenentscheidungen in der Rechtsprechung des Ersten Strafsenats sowie in Teilen der Literatur Stellt man die Begrenzung des erlaubten Risikos in einen Zusammenhang mit der subjektiven Pflichtenbindung des Vorstands, so bietet es sich an, die Nähe zum Unternehmensgegenstand als Maßstab für die Wahrscheinlichkeit der Vereinbarkeit der Spende mit dem Gesellschaftszweck heranzuziehen. ___________ 335

Vgl. Heermann ZIP 1998, 761, 765.

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

Denn je enger die Spende mit dem erwerbswirtschaftlichen Tätigkeitsfeld des Unternehmens verbunden ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines daraus zu erzielenden wirtschaftlichen Vorteils. Ein Beispiel dafür ist der imagefördernde Aspekt von Spenden. Je mehr diese in eine absatzfördernde Strategie eingebunden sind, desto mehr nähern sie sich an grundsätzlich unproblematische Werbemaßnahmen an. Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur finden sich Beispiele für die Heranziehung des Unternehmensgegenstands als Maßstab zur objektiven Überprüfung von Spendenentscheidungen. In der bereits beschriebenen Entscheidung des Ersten Strafsenats, die sich mit der Verurteilung eines Vorstandsmitglieds für eine unzulässige Unternehmensspende an den SSV Reutlingen befasste, stellte der Senat ausdrücklich auf die Nähe zum Unternehmensgegenstand ab.336 Dabei ging das Gericht davon aus, dass bei dieser Spende eines regionalen Verkehrsunternehmens an einen Sportverein objektiv kein Bezug zum Unternehmensgegenstand erkennbar war.337 Das Gericht legte in seiner Prüfung relativ strenge Maßstäbe an. So reichte der offensichtliche regionale Bezug zur Spendenempfängerin nicht aus, um die erforderliche Nähe zum Unternehmensgegenstand herzustellen. Daneben sah das Gericht auch keine Rechtfertigung in dem vom Beklagten vorgetragenen Argument, die Spende hätte der „politischen Landschaftspflege“ gedient, obwohl die Spende indirekt dem Verkehrsminister des Landes zugute kam und dieser ausdrücklich das angeklagte Vorstandsmitglied K. zu der (ersten) Spende aufgefordert hatte.338 Das Gericht begründete die Ablehnung dieses Arguments damit, dass die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen eines öffentlichen Verkehrsunternehmens ohnehin zu den „ureigenen Aufgaben des Verkehrsministers“ gehöre.339 Der Erste Strafsenat konnte sich hinsichtlich der Heranziehung des Unternehmensgegenstands zur objektiven Kontrolle von Spendenentscheidungen auf Teile der gesellschaftsrechtlichen Literatur stützen. So hängt nach der von Fleischer vertretenen Auffassung die Reichweite des unternehmerischen Handlungsspielraums davon ab, wie eng die Spende mit dem Unternehmensgegen-

___________ 336

Vgl. BGH StV 2002, 137 ff. (2. Leitsatz und S. 139 f.). Vgl. BGH StV 2002, 140. 338 Vgl. BGH StV 2002, 140. 339 Dies allein war für den Senat schon entscheidend, wobei noch hinzukam, dass der Verkehrsminister zum Zeitpunkt des Tatgeschehens auch als zukünftiges Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft vorgesehen war. 337

D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen

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stand verbunden ist.340 Auch Rittner stellt bei der Zulässigkeit von Zuwendungen auf einen erkennbaren Bezug zum Unternehmensgegenstand ab.341 Im Ergebnis schreckte der Erste Strafsenat in der SSV-Reutlingen-Entscheidung aber davor zurück, die Sanktionierung der Spendenentscheidung alleine mit der fehlenden Nähe des Spendenzwecks zum Unternehmensgegenstand begründen. Nach dem Urteil wurde die Strafbarkeit wegen Untreue „jedenfalls dann“ bejaht, wenn neben der fehlenden Nähe zum Unternehmensgegenstand kumulativ andere Voraussetzungen erfüllt waren. Dabei handelte es sich um die Unangemessenheit der Spende im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage, die fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie das Vorliegen sachwidriger Motive, namentlich die Verfolgung rein persönlicher Präferenzen.342 bb) Stellungnahme (1) Der Unternehmensgegenstand als Maßstab zur Überprüfung von Vorstandshandeln? Problematisch an der Heranziehung des Unternehmensgegenstands zur Begrenzung des Spendenermessens ist zunächst, dass die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands grundsätzlich über den durch den Unternehmensgegenstand beschriebenen branchenspezifischen Tätigkeitsbereich weit hinausgeht.343 Bereits aus der Leitungsfunktion ergibt sich, dass etwa die Einstellung der Arbeitnehmer, die Organisation, Kapitalisierung und Finanzierung des Unternehmens etc. ebenfalls zum Aufgabenkreis des Vorstands gehören. Die sich aus dem Unternehmensgegenstand ergebende Grenze für zulässiges Vorstandshandeln liegt lediglich in der Erhaltung der Unternehmensidentität als Marktteilnehmer nach der Verkehrsauffassung.344 Grundsätzlich sind daher „Maßnahmen zum Zwecke der sozialen Integration des Unternehmens und dessen Einflussnahme auf die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen seiner Tätigkeit“ zulässig.345 Unter diese Maßnahmen fallen grundsätzlich auch Spenden. Diese stellen aber in der Regel keine branchenspezifische Tätigkeit dar und werden deswegen vom Wortlaut des Unternehmensgegenstands nicht unmittelbar erfasst. Geprüft werden kann deswegen nur die Nähe der Spende zur wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens im weiteren Sinne. Dabei handelt es sich aber um ein vages Merkmal, ___________ 340

Vgl. Fleischer AG 2001, 171, 178. Vgl. Rittner FS Gessler S. 139, 156. 342 Vgl. BGH StV 2002, 137 (2. Leitsatz). 343 Vgl. KK-Mertens, § 82 AktG Rn. 15. 344 Vgl. Hüffer § 82 AktG Rn. 9. 345 KK-Mertens § 82 AktG Rn. 15. 341

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

das das in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung formulierte Verbot der unvertretbaren Risikoübernahme nur wenig konkretisiert. (2) Die Gefahr der Rechtsunsicherheit Überdies handelt es sich bei der Nähe zum Unternehmensgegenstand um eine stark wertungsabhängige Kategorie, was zu Rechtsunsicherheit führen kann. Dies zeigt bereits die frühe amerikanische Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der Ultra vires-Doktrin auf Unternehmensspenden. Wie oben dargestellt, versuchten die Gerichte im Rahmen der Direct benefit-Doktrin auf einen unmittelbaren Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens abzustellen. Daraus ergab sich aber eine weitgehend uneinheitliche Rechtsprechung, nach der in erster Linie nur Spenden, die den Lebensgrundlagen der eigenen Arbeitnehmer dienten, zulässig waren.346 Bei anderen Spenden etwa an Bildungs- und Kultureinrichtungen war die Rechtslage dagegen unklar. Dies galt sogar für die Förderung kultureller Veranstaltungen, von denen die spendenden Unternehmen durch erhöhten Umsatz selbst profitierten. Der Aspekt der allgemeinen Imageförderung wurde in dieser alten Rechtsprechung überhaupt nicht beachtet. Selbst wenn man berücksichtigt, dass einigen dieser Urteile ein im Vergleich zum heutigen deutschen Recht relativ enges Verständnis des Unternehmensgegenstands zugrunde lag, würde auch hier die Beurteilung der Zulässigkeit von Unternehmensspenden in hohem Maße von richterlichen Wertungen im Einzelfall abhängen. Die mit der Überprüfung von Spenden anhand der Nähe zum Unternehmensgegenstand verbundene Rechtsunsicherheit würde im Vergleich zu anderen unternehmerischen Entscheidungen zwar keine Besonderheit darstellen, da sie letztendlich aus der in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung gewählten Formulierung zur Risikoüberprüfung folgt.347 Unter Berücksichtigung der von Oltmanns vorgetragenen Kritik bringt diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber erhebliche Nachteile mit sich, sodass in dem hier zu untersuchenden Bereich eine Modifikation der Inhaltskontrolle zumindest bedenkenswert ist. (3) Die Gefahr des Beweisnotstands Ein weiterer, sich aus der Konzentration auf den Unternehmensgegenstand ergebender Nachteil liegt darin, dass diese im Einzelfall schwer mit der Bedeutung der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das unternehmerische Handeln vereinbar ist. Dies wurde, wie oben bereits mehrfach darge___________ 346 347

Vgl. 2. Kap. A. I. 3. Siehe dazu oben 3. Kap. B. II. 1. a).

D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen

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stellt, in der modernen amerikanischen Rechtsprechung seit den fünfziger Jahren anerkannt.348 Unternehmen profitieren nicht nur von den individuellen Werbeeffekten der Spenden. Vielmehr dienen karitative Ausgaben auch dazu, allgemein den Ruf des Unternehmens, der jeweiligen Branche und der marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung als solcher zu verbessern. Diese Auswirkungen werden durch unternehmensgegenstandsbezogene Zweckmäßigkeitserwägungen nicht erfasst, will man den Begriff des Unternehmensgegenstands nicht so weit ausdehnen, dass er neben dem Gesellschaftszweck keine eigenständige Bedeutung mehr hätte. Zumindest die Sicherung der sozialen marktwirtschaftlichen Ordnung steht in keinem ausreichenden Zusammenhang mehr zu dem im Unternehmensgegenstand branchenspezifisch definierten Tätigkeitsbereich. Angesichts der nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG geltenden Beweislastverteilung würden zudem beklagte Vorstandsmitglieder die Beweislast dafür tragen, dass aus der Imageverbesserung erwachsende, individuelle wirtschaftliche Vorteile für das Unternehmen im ausreichenden Maße wahrscheinlich sind. Je allgemeiner und weiter gestreut die Imageverbesserungen jedoch sind, desto schwieriger und spekulativer sind die diesbezüglichen Prognosen und desto weniger sind die diesen zugrunde liegenden Tatsachen einer Beweisführung zugänglich.349 Diese Beweisschwierigkeiten würden aber einen Widerspruch mit dem Grundgedanken des unternehmerischen Ermessens darstellen. Selbst ein sorgfältig handelnder Vorstand, der subjektiv mit einer Spende das Gewinnmaximierungsziel verfolgt und wegen der allgemeinen Akzeptanzsicherung auch von ihrer wirtschaftlichen Vernünftigkeit ausgehen kann, müsste in diesen Fällen für Unternehmensspenden trotzdem eine Haftung befürchten, weil die sich aus der Spende ergebenden wirtschaftlichen Vorteile einer Beweisführung objektiv nicht zugänglich sind. (4) Zwischenergebnis: Nähe zum Unternehmensgegenstand nicht als zwingender Rechtfertigungsgrund Als Zwischenergebnis lässt sich daher zur Heranziehung des Unternehmensgegenstands bei der Risikoüberprüfung von Spendenentscheidungen folgendes feststellen: Grundsätzlich spiegelt die Überprüfung der Nähe der Spende zum Unternehmensgegenstand den von der deutschen Rechtsprechung vertretenen ___________ 348 Vgl. A.P. Smith Mfg. Co. v. Barlow, 96 A.2d 581, 585 f. (N.J. 1953); Union Pacific Railroad Co. v. Trustees, Inc., 329 P.2d 398, 401 f. (Utah 1958); vgl oben 2. Kap. A. I. 5. 349 Aus zivilprozessualer Sicht befindet man sich hier ohnehin im Grenzbereich zwischen beweisbaren Tatsachen und Erfahrungssätzen aus der allgemeinen Lebenserfahrung, die als solche nicht von den Parteien zu beweisen sind. Vgl. dazu Leipold in SteinJonas § 284 ZPO Rn. 16 f.

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

Ansatz der (eingeschränkten) Risikoüberprüfung von Unternehmensspenden wider. Daraus ergibt sich bereits der erste Nachteil dieses Ansatzes, nämlich die erhöhte Rechtsunsicherheit bei Spendenentscheidungen. Darüber hinaus würde aber eine zwingende Nähe der Spende zum Unternehmensgegenstand dazu führen, dass dem Vorstand die Berufung auf die allgemeinen Imageverbesserungen wegen der objektiven Beweislastverteilung erschwert würde und damit das Spendenermessen erheblich eingeschränkt wäre. 4. Die Angemessenheit der Spende a) Die Angemessenheit der Spende als alternativer Rechtfertigungsgrund Aufgrund der mit der Heranziehung des Unternehmensgegenstands verbundenen Nachteile erscheint es notwendig, den sozialen Erwartungen der Allgemeinheit, soweit sie mit dem Gewinnmaximierungsziel vereinbar sind, dadurch Rechnung zu tragen, dass Vorstandsmitgliedern neben der Nähe zum Unternehmensgegenstand eine weitere Möglichkeit gegeben wird, Unternehmensspenden zu rechtfertigen. Entsprechend den im amerikanischen Recht geltenden Grundsätzen sowie einer in der deutschen Literatur verbreiteten Auffassung bietet es sich an, bei der materiellen Überprüfung von Unternehmensspenden auch auf ihre „Angemessenheit“ abzustellen.350 Entscheidend bei dieser Rechtfertigung der Spende ist damit nicht die Nähe zum Unternehmensgegenstand, sondern der in der Spende liegende Beitrag zur allgemeinen Sicherung der langfristigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens. Dieser Bezug zu den wirtschaftlichen Zielen ist Ausdruck des in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung formulierten Risikogedankens. Allerdings wird hier auf eine konkrete Wahrscheinlichkeitsprognose hinsichtlich der zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteile wegen der oben genannten Nachteile verzichtet. Stattdessen wird von der Vermutung ausgegangen, dass in Erfüllung der an das Unternehmen gestellten sozialen Erwartungen ein Beitrag zur langfristigen Sicherung der Grundlagen für die gewinnmaximierende Tätigkeit geleistet wird. Dies gilt aber nicht unbegrenzt. Maßstab für die Reichweite der Vermutung muss das Ausmaß der allgemeinen Erwartungen sein, die an die Spendentätigkeit einer erwerbswirtschaftlich orientierten Aktiengesellschaft in unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung gestellt werden. Der Begriff der „Angemessenheit“ ist als Kurzformel für diese Grenze zu verstehen. Fraglich ist, wie dieser Begriff in rechtlich handhabbarer Weise auszufüllen ist. ___________ 350 Vgl. KK-Mertens § 76 Rn. 33, Kulitz Unternehmerspenden S. 158; Rittner FS Geßler S. 139, 154 f.; Schneider AG 1983, 205, 213.

D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen

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b) Vergleich mit anderen Unternehmen? Ein Teil der Literatur stellt bei der Bestimmung der Angemessenheit auf die Spendentätigkeit anderer, nach Art und Größe vergleichbarer Unternehmen ab.351 Einen Schritt weiter geht dabei Baas, der sogar Vorstandspflichten aus der „gleichgerichteten Übung von nach Gegenstand und Größe vergleichbaren Unternehmen“ ableitet.352 Dogmatisch kann sich dieser Vergleich auf die objektivierende Formulierung des § 93 Abs. 1 AktG, der auf die „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ abstellt, stützen.353 Ein weiterer Vorteil dieser Ansicht liegt darin, dass sie dem unternehmerischen Ermessen dadurch Rechnung trägt, dass die richterliche Beurteilung an empirisch feststellbare Daten gebunden wird und somit weniger von individuellen richterlichen Wertungen abhängt. Daher dient dieser Weg auch dem Ziel, die Ausübung des unternehmerischen Ermessens durch die Verringerung von Rechtsunsicherheit zu erleichtern. Allerdings ist bei der Heranziehung von vergleichbaren Unternehmen angesichts des unternehmerischen Ermessens Vorsicht geboten. Zum einen wird es schwierig sein, im Einzelfall ein vergleichbares Unternehmen zu finden, da die Kriterien für die Vergleichbarkeit schwer fassbar sind. Sie könnten sich u.a. auf die wirtschaftliche Lage, die wirtschaftlichen Aussichten, auf die Branche oder die Stellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit beziehen. Zusätzlich ist fraglich, welche zeitlichen Grenzen für die Heranziehung vergleichbarer Spenden als Präzedenzfällen gesetzt werden. Eine hinreichend große Vergleichsgruppe wird sich bei strenger Anwendung der Kriterien kaum finden lassen. Zudem würde Unsicherheit über die Definition der Vergleichsgruppe zu erhöhter Rechtsunsicherheit führen. Darüber hinaus ist dieser Ansatz im Hinblick auf andere Vorstandspflichten und auf das wirtschaftliche Ermessen selbst problematisch, da es die Gefahr zu starrer, nicht auf das jeweilige Unternehmen zugeschnittener Grenzen birgt. Denn durch die Bindung des Vorstands an die Spendenpraxis „vergleichbarer“ Unternehmen wird sein individueller Handlungsspielraum erheblich eingeschränkt. So kann es im Einzelfall nach unternehmerischen Gesichtspunkten geboten sein, durch ungewöhnliche Spenden die Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit zu verbessern. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Ruf des Unternehmens oder von Teilen der Wirtschaft im Allgemeinen durch Umweltskandale gelitten hat. Die analysierten amerikanischen Entscheidungen sehen von einer detaillierten Prüfung vergleichbarer Spenden ebenfalls ab, obwohl dieses Kriterium von ___________ 351

Vgl. Rittner FS Gessler S. 139, 153. Vgl. Baas Leitungsmacht S. 165. 353 Vgl. Rittner FS Gessler S. 139, 153. 352

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

den ALI Principles of Corporate Governance im Zusammenhang mit der Überprüfung der „reasonableness“ von Unternehmensspenden erwähnt wird.354 Für das deutsche Recht ist die Vergleichbarkeit mit der Spendentätigkeit anderer Unternehmen ein mögliches Kriterium bei der näheren Bestimmung der Angemessenheit. Allerdings ist bei seiner Anwendung angesichts der dargestellten praktischen Schwierigkeiten erhebliche Zurückhaltung geboten. c) Die Verhältnismäßigkeitsprüfung als Ausdruck der Angemessenheit aa) Die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Spendenentscheidungen in der deutschen Literatur Häufig wird aus der Angemessenheitsgrenze unmittelbar eine Verhältnismäßigkeitsprüfung in Bezug auf die Unternehmensspende abgeleitet, wenn auch zum Teil unter Vermeidung des Begriffs selbst. Ausdrücklich auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung von Spendenentscheidungen bezieht sich Abeltshauser. 355 Vorsichtiger äußert sich Schneider, der prüfen will, ob im Einzelfall „eine Maßnahme im Hinblick auf Grenzen des unternehmerischen Ermessens noch vertretbar ist“.356 Kulitz deutet eine Verhältnismäßigkeitsprüfung an, indem er aus § 93 AktG die Pflicht des Vorstands ableitet, darauf zu „achten, dass Spenden nur in einem ausgewogenen Verhältnis zu den sonstigen, der erwerbswirtschaftlichen Zielsetzung des Unternehmens dienenden Maßnahmen gegeben werden“.357 Schmidt-Leithoff will die nach seiner Ansicht aus Art. 14 Abs. 2 GG abzuleitende Richtlinienbestimmung mit der Substanzerhaltung und Ertragserzielung in ein „angemessenes Verhältnis“ führen.358 Nach Roth können die Belange der Allgemeinheit bei Sozialaufwendungen berücksichtigt werden, solange diese nicht „grob unverhältnismäßig“ sind.359 bb) Bedeutung und Ausgestaltung der Verhältnismäßigkeitsprüfung im öffentlichen Recht Das Verhältnismäßigkeitsprinzip hat seit den 50er Jahren im öffentlichen Recht insbesondere als Schranke für die Beschränkung der Grundrechte zentrale Bedeutung erlangt.360 Als Kontrollmaßstab für staatliches Handeln wurde ___________ 354 Vgl. ALI Principles § 2.01 Reporter’s Note 2; vgl. zum amerikanischen Fallrecht oben 2. Kap. C. II. 4. 355 Vgl. Abeltshauser Leitungshaftung S. 79, 200. 356 Vgl. Schneider AG 1983, 205, 213. 357 Vgl. Kulitz Unternehmerspenden S. 160. 358 Vgl. Schmidt-Leithoff Verantwortung S. 400. 359 Vgl. Roth Unternehmerisches Ermessen S. 111 f. 360 Vgl. Stern Staatsrecht Bd. III/2 S. 762.

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es bereits positiv-rechtlich Ende des 18. Jahrhunderts in § 10 II 17 ALR im Polizeirecht normiert.361 Aber seine Wurzeln reichen bis ins römische Recht zurück. 362 Inzwischen spielt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz neben dem Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht im Arbeitsrecht eine bedeutende Rolle. 363 Er gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz nicht nur in der deutschen Rechtsordnung, sondern auch in der internationalen Rechtsordnung sowie in anderen Staaten.364 Inhaltlich lässt sich nach der für das öffentliche Recht entwickelten Lehre das Verhältnismäßigkeitsprinzip in drei Teilelemente aufgliedern:365 1. Geeignetheit des eingesetzten Mittels, 2. Notwendigkeit des eingesetzten Mittels, 3. „Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne“ bzw. „Zumutbarkeit“ oder „Proportionalität“ der von der Maßnahme oder dem Mittel betroffenen Rechtsgüter oder Interessen. Zusätzlich wird häufig die Zulässigkeit des vom Staat verfolgten Zwecks geprüft, sodass sich damit insgesamt ein vierstufiger Aufbau der Verhältnismäßigkeitsprüfung ergibt.366 Im Rahmen dieser Prüfung wird im öffentlichen Recht eine eigenständige Abwägung nicht nur der betroffenen Rechte, sondern auch der jeweils einschlägigen privaten Güter und Interessen von den Gerichten vorgenommen.367 Diese ist zwar keinesfalls mit einer Zweckmäßigkeitskontrolle gleichzusetzen. Aber bei der Gewichtung der betroffenen Rechtspositionen und ihrer gegenseitigen Abwägung behalten sich die Gerichte ungeachtet der Ermessensgrundsätze eine eigenständige Wertung vor. cc) Die Ungeeignetheit dieser Grundsätze bei der Überprüfung von unternehmerischen Ermessensentscheidungen Auf den ersten Blick scheinen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit tatsächlich einen geeigneten Ansatzpunkt für die Überprüfung von Vorstandsentscheidungen zu bieten, da bei ihrer Entwicklung dem Grundsatz der staatlichen ___________ 361 Vgl. Stern Staatsrecht Bd. III/2 S. 766 (Beschränkung der Polizeibefugnisse auf die „nöthigen Anstalten“). 362 Vgl. Wieacker FS Rob. Fischer S. 867, 874 ff. 363 Vgl. Stern Staatsrecht Bd III/2 S. 767. 364 Vgl. Stern Staatsrecht Bd III/2 S. 768. 365 Vgl. Stern Staatsrecht Bd III/2 S. 775. 366 Vgl. Pieroth/Schlink Staatsrecht II Rn. 279 (zusätzliches Prüfungselement ist danach, ob das vom Staat eingesetzte Mittel als solches eingesetzt werden darf; da aber Spenden grundsätzlich erlaubt sind, ist dieses Prüfungsmerkmal hier ohnehin unerheblich). 367 Vgl. Pieroth/Schlink Staatsrecht II Rn. 291.

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

Gewaltenteilung und damit auch dem Ermessensspielraum der neben der Rechtsprechung stehenden staatlichen Gewalten Rechnung zu tragen war. Insoweit liegt eine Parallelität zu den Grundsätzen des unternehmerischen Ermessens nahe. Auf etwas abstrakterer Ebene spiegelt die Verhältnismäßigkeitsprüfung das Korrelat von Macht und Verantwortung wider, was angesichts der herausragenden Machtposition vieler Vorstandsmitglieder als allgemeiner Grundsatz von Bedeutung sein könnte. Trotzdem ist die pauschale Heranziehung der im öffentlichen Recht entwickelten Grundsätze zur Verhältnismäßigkeitskontrolle für die Überprüfung von Spendenentscheidungen im Aktiengesellschaftsrecht abzulehnen. Wie oben dargestellt, ist bei der Überprüfung von Vorstandsentscheidungen zu berücksichtigen, dass das Ziel unternehmerischen Handelns letztendlich durch den Gesellschaftszweck vorgegeben ist und daher in der Gewinnmaximierung zu liegen hat. Für eine Abwägung dieses Gewinnmaximierungsziels mit gegenläufigen Interessen besteht kein Raum, da dieses nicht relativiert werden kann. Der eigentlich durch die Spende geförderte Zweck stellt lediglich ein untergeordnetes Zwischenziel dar, das neben dem Gewinnmaximierungsziel keine eigenständige Bedeutung erlangt.368 Dies wird zwar von den meisten Befürwortern einer Verhältnismäßigkeitsprüfung in der Literatur bestritten, da diese auch in der Förderung des Gemeinwohls einen zulässigen Zweck per se sehen. 369 So müssen nach SchmidtLeithoff die sich aus Art. 14 Abs. 2 GG ergebenden sozialbezogenen Pflichten mit erwerbswirtschaftlichen Interessen in „ein angemessenes Verhältnis“ gebracht werden. 370 Abeltshauser lehnt eine Beurteilung von Spendenentscheidungen „eindimensional nach den Gewinnmaximierungsvorstellungen der Gesellschafter eines Unternehmens“ ebenso ab und will bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch auf die „Berücksichtigung gegenläufiger Interessen“ abstellen.371 Die Anhänger der Lehre vom Unternehmensinteresse als verbindlicher Verhaltensmaßstab gehen ebenfalls von der Notwendigkeit der Abwägung zwischen den sozialen Zielen einerseits und den erwerbswirtschaftlichen Zielen andererseits aus.372 ___________ 368 Weniger weitgehend Kulitz Unternehmerspenden S. 160, nach dem der Vorstand „die Vorrangigkeit des erwerbswirtschaftlichen Prinzips nicht aus den Augen verlieren“ darf. 369 Vgl. Baas Leitungsmacht S. 164 ff.; Kulitz Unternehmerspenden S. 159 f. (allerdings unter Anerkennung der „Vorrangigkeit des erwerbswirtschaftlichen Prinzips“); Rittner FS Gessler S. 139, 152 f.; Schmidt-Leithoff Verantwortung S. 399 ff. 370 Vgl. Schmidt-Leithoff Verantwortung S. 400. 371 Abeltshauser Leitungshaftung S. 200. 372 Vgl z.B. Hüffer AktG § 76 Rn. 15, 12 ff. Siehe zum Unternehmensinteresse oben 3. Kap. C. I. 2. b) dd).

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Allerdings wurde bereits oben dargestellt, dass diese Ansicht nach dem geltenden Recht dogmatisch nicht gerechtfertigt ist.373 Auch der Hinweis auf die Tatsache, dass das öffentliche Recht keineswegs immer von der Gleichrangigkeit der in die Abwägung eingehenden Rechtsgüter und Interessen ausgeht, ändert nichts an dessen fehlender Anwendbarkeit auf die Überprüfung des unternehmerischen Ermessens im Rahmen von § 93 AktG. Vorstände sind nur ihrer Aktiengesellschaft gegenüber besonders verpflichtet und deswegen mit Hoheitsträgern nicht zu vergleichen, die allein schon wegen Art. 1 Abs. 3 GG an die Rechte aller Grundsrechtsträger unmittelbar gebunden sind. Anders als etwa im Arbeitsrecht fehlen im deutschen Gesellschaftsrecht Regelungen, die allgemein eine Verpflichtung zur Abwägung unternehmensfremder Interessen begründen.374 Zudem wäre die Anwendung der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Hinblick auf das unternehmerische Ermessen selbst problematisch. Die Gewichtung und Abwägung der betroffenen Rechtspositionen hängt bereits im öffentlichen Recht in hohem Maße von subjektiven richterlichen Wertungen ab.375 Auf das Gesellschaftsrecht übertragen würde dies bedeuten, dass Richter im Hinblick auf die Gewichtung und Abwägung der unmittelbaren Spendenzwecke selbst unternehmerische Entscheidungen treffen müssten. Da diese nur ein Zwischenziel im Hinblick auf die Gewinnmaximierung darstellen, wäre eine Trennung einer Interessenabwägung von einer mit Ermessensgesichtspunkten unvereinbaren Zweckmäßigkeitskontrolle kaum möglich. Dies entspricht im Ergebnis der amerikanischen Rechtslage. Zwar wird dort eine Abwägung zwischen den aufgewendeten Mitteln und der „sozialen Wertigkeit“ teilweise angedeutet. So begründete das Gericht in der Entscheidung Theodora v. Henderson die Zulässigkeit der angegriffenen Spende auch damit, dass die Vorteile für die Empfänger der Spende bei weitem die dadurch verursachten Einkommensverluste der Aktionäre ausgleichen würden.376 Allerdings fügte das Gericht in einem Nachsatz sofort an, dass diese Vorteile wiederum durch den oben beschriebenen Rechtfertigungseffekt langfristig der Gesellschaft und ihren Aktionären gedient hätten.

___________ 373

Siehe dazu oben 3. Kap. C. I. 2. b). Vgl. im Arbeitsrecht etwa § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG. 375 Vgl. Pieroth/Schlink Staatsrecht II Rn. 293. 376 Vgl. Theodora Holding Corp. v. Henderson, 257 A.2d 398, 405 (Del. Ch. 1969) („It is accordingly obvious, in my opinion, that the relatively small loss of immediate income otherwise payable to plaintiff and the corporate defendant’s other stockholders, had it not been for the gift in question, is far out-weighed by the overall benefits flowing from the placing of such gift in channels where it serves to benefit those in need of philanthropic or educational support”). 374

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

d) Steuerrechtliche Wertungen als Grundlage für die Bestimmung der Angemessenheit aa) Das Steuerrecht als Leitlinie für die Konkretisierung der Angemessenheit Wie oben dargestellt, ist Grundlage für die Rechtfertigung der Angemessenheit der Spende, dass diese langfristig den Gewinninteressen dadurch dient, dass sie durch Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Erwartungen zur sozialen Akzeptanz nicht nur des Unternehmens selbst, sondern auch der marktwirtschaftlichen Ordnung insgesamt beiträgt. Daher bietet es sich an, bei der näheren Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs unmittelbar auf den Umfang der gesamtgesellschaftlichen Erwartungen zurückzugreifen. Da der gesamtgesellschaftliche „Wille“ selbst nicht zu ermitteln ist, stellt sich hier die Frage nach der Heranziehbarkeit außerhalb des Gesellschaftsrechts liegender gesetzlicher Wertungen. Detaillierte Regelungen zu Unternehmensspenden finden sich vor allem im Steuerrecht. In den Regelungen zur steuerrechtlichen Absetzbarkeit von Unternehmensspenden privilegiert der demokratisch legitimierte Gesetzgeber freiwillige gemeinnützige Zuwendungen u.a. auch von Kapitalgesellschaften. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG stellen Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser und wissenschaftlicher Zwecke und als besonders förderungswürdig anerkannter gemeinnütziger Zwecke bis zur Höhe von 5% des Einkommens oder zwei Promille des Gesamtumsatzes und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter abziehbare Aufwendungen dar. Die Absetzbarkeit erhöht sich bei Spenden für wissenschaftliche, mildtätige und als besonders förderungswürdig anerkannte kulturelle Zwecke um weitere 5% des Einkommens. Die möglichen Spendenzwecke werden in den §§ 51-68 AO konkretisiert.377 Die besonders förderungswürdigen Zwecke ergeben sich aus Anlage 1 zur EStDV, auf die § 48 Abs. 2 EStDV verweist. § 48 Abs. 3 EStDV regelt die möglichen Spendenempfänger. Nicht mehr umfasst von der (körperschaft-)steuerrechtlichen Privilegierung sind infolge der Entscheidung des BVerfG vom 9.4.1992 Parteispenden, wie dies bis 1993 nach § 9 Nr. 3b KStG a.F. noch der Fall war. Gleiches gilt für Spenden an Wählervereinigungen. Aus den steuerrechtlichen Wertungen ergibt sich der Wille der Gesetzgebers, Zuwendungen an qualifizierte Einrichtungen bis zu einer Höhe von 5 bzw. 10% des Einkommens oder bis zu zwei Promille des Gesamtumsatzes und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter zu fördern. Es ist nahelie___________ 377 Die Maßgeblichkeit der §§ 51-68 AO ergeben sich aus der Verweisungsnorm § 48 Abs. 1 EStDV, der auf Grundlage von § 51 Abs. 1 Nr. 2c) EStG erlassen wurde. Nach § 8 Abs. 1 KStG sind die Regelungen des EStG auch auf Unternehmensspenden anwendbar, soweit sich im KStG keine Sonderregelungen finden.

D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen

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gend, dass dieses steuerrechtliche Angebot des Gesetzgebers zusätzlich ein Indiz für damit korrespondierende Erwartungen der Öffentlichkeit an Kapitalgesellschaften bildet. Entsprechend der im amerikanischen Recht dargestellten Vorgehensweise erscheint es deswegen auch für das deutsche Recht naheliegend, aus diesen Wertungen eine Vermutung zugunsten der Angemessenheit der Spende zu entnehmen. bb) Der Vorschlag von Baas und die Kritik in der Literatur Einen ähnlichen Standpunkt für das deutsche Recht hat bereits vor über 25 Jahren Baas vertreten.378 Dieser leitete aus den im Steuerrecht enthaltenen Absetzbarkeitsregeln in zweifacher Hinsicht äußere Ermessensgrenzen für Spendenentscheidungen ab. Nach seiner Ansicht bilden die steuerrechtlichen Wertungen den Boden für „gleichgerichtete Übungen“ von Wirtschaftsunternehmen, die im Rahmen der von ihm so genannten „gestaltenden Gemeinwohlbindung“ die Unternehmen zu sozial motiviertem Verhalten verpflichten.379 Daneben verkörpern diese Regelungen für ihn abstrakt den Ausgleich zwischen den divergierenden Interessen, die seiner Auffassung nach bei der Leitung des Unternehmens zu beachten seien.380 Durch die Bindung des Vorstands an diese Regelungen sei die Aktiengesellschaft außerdem vor einer einseitigen Interessenverfolgung des Vorstands zugunsten der Allgemeinheit geschützt. Baas Thesen werden aber in großen Teilen der Literatur abgelehnt.381 Das insbesondere von Großmann vorgebrachte Gegenargument stützt sich vor allem auf die unterschiedlichen Zielrichtungen der Steuergesetzgebung und des Aktiengesellschaftsrechts. Die gesetzgeberische Motivation für steuerrechtliche Regelungen hänge auch von gänzlich gesellschaftsrechtsfremden Erwägungen ab, wie etwa der Haushaltslage der öffentlichen Hand oder der Frage, inwieweit eine staatliche Subventionierung von Spendenzahlungen Einzelner der Gesamtheit der Steuerzahler aufgebürdet werden könne.382 Maßgeblich für das Steuerrecht seien in erster Linie nicht die im Gesellschaftsrecht zu berücksichtigenden Interessen, sondern die staatlichen Bedürfnisse.383 Steuerrechtliche Wertungen könnten danach keine Grundlagen für gesellschaftsrechtliche Ermessensgrenzen bilden.384 ___________ 378

Vgl. dazu Baas Leitungsmacht S. 173 ff. Vgl. Baas Leitungsmacht S. 165-167. 380 Vgl. Baas Leitungsmacht S. 174. 381 Vgl. z.B. Krämer Das Unternehmensinteresse S. 161; KK-Mertens § 76 Rn. 33; Schneider AG 1983, 205, 213; Vorderwühlbecke BB 1989, 505, 507. 382 Vgl. Großmann Unternehmensziele S. 123. 383 So auch Kulitz Unternehmerspenden S. 160; zustimmend KK-Mertens, § 76 Rn. 33. 384 A.A. Philips AG 2000, 62, 65, für den die steuerlichen Abzugsfähigkeit jedenfalls die absolute Obergrenze für die Angemessenheit freiwilliger Zuwendung darstellt. 379

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

cc) Die Heranziehbarkeit von steuerrechtlichen Wertungen im Zusammenhang mit Spendenentscheidungen Der Hinweis auf die unterschiedliche Zielrichtung des Gesellschaftsrechts und des Steuerrechts greift aber zu kurz. Sicherlich ist es richtig, dass allgemein steuerrechtliche Wertungen aufgrund der grundsätzlich unterschiedlichen Zielrichtung nicht unmittelbar für das Gesellschaftsrecht bindend sein können. Darum geht es hier aber nicht. Anders als Baas, der durchaus dem Steuerrecht bindende Wertungen für das Gesellschaftsrecht entnimmt, sollen nach dem hier vertretenen Ansatz die steuerrechtlichen Absetzbarkeitsregelungen nur als ein Indiz für einen sozialadäquaten Umfang von Unternehmensspenden herangezogen werden.385 Im Rahmen der dem Vorstand nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG obliegenden Beweislast soll einem beklagten Vorstandsmitglied durch Hinweis auf die steuerrechtliche Absetzbarkeit der Spende der Nachweis der Angemessenheit der Spende ermöglicht werden. Die fehlende steuerliche Absetzbarkeit der Spende versperrt dem Vorstand andererseits aber auch nicht zwingend die Berufung auf die Angemessenheit der Spende, wenn diese etwa durch den Hinweis auf vergleichbare andere Spenden möglich ist. Aus Sicht des Vorstands einer Aktiengesellschaft können die steuerrechtlichen Absetzbarkeitsregelungen durchaus eine Leitlinie für das Ausmaß der gesamtgesellschaftlichen Erwartungen an die Spendentätigkeit des Unternehmens bieten. Steuerrechtliche Regelungen haben nicht nur eine fiskalische, sondern auch eine Lenkungsfunktion (vgl. § 3 Abs. 1 S. 1 2. HS AO).386 Die steuerrechtlichen Absetzbarkeitsregelungen zielen darauf ab, privaten Altruismus zu stimulieren.387 Dies ändert zwar nichts an der Freiwilligkeit der Unternehmensspenden. Tatsächlich ist es aber naheliegend, dass die steuerrechtlichen Privilegierungen auch ein Indiz dafür darstellen, in welchem Umfang von der Allgemeinheit Unternehmensspenden erwartet werden. Vor allem spricht für die Heranziehung der steuerrechtlichen Regelungen der Praktikabilitäts- und – eng damit verbunden – der Rechtssicherheitsgedanke. Erwartungen der Allgemeinheit und das Ansehen der marktwirtschaftlichen Ordnung sind weder für die Gerichte noch für spendende Aktiengesellschaften messbar. Gleichzeitig unterliegt eine Überprüfung der Spende anhand der Nähe zum Unternehmensgegenstand in hohem Maße den subjektiven Wertungen des Gerichts und birgt damit die Gefahr der Rechtsunsicherheit, die noch durch die Beweislastverteilung in § 93 Abs. 2 S. 2 AktG verschärft wird. Die Berufung auf steuerrechtliche Wertungen dient dazu, die Ausübung des unternehmeri___________ 385

Vgl. im Ansatz auch Roth Unternehmerisches Ermessen S. 112. Siehe dazu Tipke/Lang Steuerrecht § 3 Rn. 11. 387 Vgl. Tipke/Lang Steuerrecht § 21 Rn. 7. 386

D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen

195

schen Ermessens in dem Bereich von vielen Spenden, die sich nicht als Sponsoring-Maßnahmen einordnen lassen, zu ermöglichen.388 Durch diese Lösung wird daher entsprechend dem im US-amerikanischen Recht eingeschlagenen Weg das Spannungsverhältnis zwischen der Gewinnmaximierungsmaxime und dem unternehmerischen Ermessen zugunsten des Letzteren aufgelöst. Diese Wertung wird zum einen durch die quantitative Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeitsregeln gerechtfertigt. Zum anderen wird dem Gewinnmaximierungsprinzip dadurch Rechnung getragen, dass, wie oben dargestellt, objektiv ein wirtschaftlicher Eigenvorteil der Spende zugunsten der Aktiengesellschaft möglich sein muss sowie die anderen, richterlich voll überprüfbaren verfahrensbezogenen Voraussetzungen für Ermessensentscheidungen gegeben sein müssen. dd) Das Problem der Parteispenden (1) Das verfassungsrechtliche Verbot der steuerrechtlichen Privilegierung von Parteispenden Wie bereits oben angedeutet, werden nach der heute geltenden Gesetzeslage Parteispenden und Spenden an Wählervereinigungen nach dem KStG nicht mehr steuerrechtlich privilegiert.389 Diese seit 1994 geltende Gesetzeslage ist auf eine am 9.4.1992 ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurückzuführen, die eine steuerrechtliche Begünstigung von politischen Spenden durch Körperschaften verbot.390 Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Verbot mit dem Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien (Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) begründet. Der Staat verfälsche durch die steuerliche Begünstigung von Spenden an politische Parteien deren vorgefundene Wettbewerbslage, wenn dadurch Parteien bevorzugt werden, die eine größere Anziehungskraft auf Steuerpflichtige mit hohen Einkünften oder auf unternehmerisch tätige Bevölkerungskreise ausüben als andere Parteien.391 Dabei sei auch zu beachten, dass ___________ 388 Die steuerlichen Regelungen werden zwar auch wegen ihrer eigenen Komplexität in der Literatur kritisiert; vgl. Thiel DB 2000, 392, 396. Allerdings muss der Vorstand die steuerliche Absetzbarkeit der Spende allein schon wegen seiner Informationspflichten ermitteln. 389 Anders verhält es sich für einkommenssteuerpflichtige natürliche Personen, denen nach § 10 b) Abs. 2 EStG einen Sonderausgabenabzug von 1.650,– Euro (bei zusammen veranlagten Ehegatten 3.300,– Euro) für politische Spenden zusteht. 390 Vgl. BVerfGE 85, 264, 315. 391 Vgl. BVerfGE 85, 264, 313 f.; siehe zu dieser Argumentation auch BVerfGE 8, 51, 65 ff.; BVerfGE 24, 300, 357 ff.; BVerfGE 52, 63, 88 ff.; BVerfGE 73, 40, 89.

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

Bezieher überdurchschnittlicher Einkommen im Falle der Beteiligung an einer Körperschaft durch die Kombination von § 9 Nr. 3b KStG a.F. und § 10b EStG die steuerliche Vergünstigung in einem höheren Maße in Anspruch nehmen könnten als durchschnittliche Einkommensbezieher. Damit würde ihnen vom Staat eine zusätzliche Möglichkeit verschafft, auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen, die anderen Bürgern vorenthalten bleibe.392 Das Bundesverfassungsgericht wich dabei von seiner früheren Rechtsprechung ab. In der Entscheidung BVerfGE 73, 40 ff. hatte das Gericht zwar die gleichen grundsätzlichen Bedenken geäußert, hatte aber die relativ hohen Absetzbarkeitsgrenzen im EStG und im KStG wegen der Möglichkeit des im Parteiengesetz geregelten Chancenausgleichs (vgl. § 22a PartG) aufrechterhalten. Diese Rechtfertigung ließ das BVerfG in der neueren Entscheidung nicht mehr gelten und setzte damit den (vorläufigen) Schlusspunkt zu einer langen Kette von verfassungsgerichtlichen Entscheidungen.393 (2) Rechtfertigung von Parteispenden im Aktiengesellschaftsrecht Führt man den dieser Arbeit zugrunde gelegten Ansatz konsequent weiter, steht Unternehmensleitern bei Parteispenden nicht die Möglichkeit offen, ihre Angemessenheit durch Hinweis auf die steuerrechtlichen Wertungen darzulegen. Dieses Ergebnis entspricht auch der in der deutschen Literatur vertretenen Auffassung, dass Parteispenden gerade nicht durch Erwartungen der Allgemeinheit gerechtfertigt werden können.394 Naheliegender ist vielmehr das Gegenteil: Unternehmensspenden an politische Parteien wecken das Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber Machtkonzentrationen, die sich aus der Verflechtung von wirtschaftlicher und politischer Macht ergeben. Parteispenden sind daher nicht geeignet, das öffentliche Ansehen einzelner Unternehmen oder der marktwirtschaftlichen Ordnung als solcher zu fördern. Daraus folgt aber nicht, dass Parteispenden gesellschaftsrechtlich unzulässig sind. Vielmehr steht Vorstandsmitgliedern der oben beschriebene Weg offen, die Vertretbarkeit des mit der Parteispende eingegangenen wirtschaftlichen Risikos durch die Nähe des Spendenzwecks mit dem Unternehmensgegenstand darzulegen. Dieser Nachweis wird sogar häufig leicht zu führen sein, da die Pflege guter Beziehungen zu politischen Entscheidungsträgern aus wirtschaftlicher Sicht durchaus Vorteile verspricht.395 Etwas anderes gilt selbstver___________ 392

Vgl. BVerfGE 85, 264, 315. Siehe zu den früheren Parteispendenurteilen des BVerfG Kulitz Unternehmerspenden S. 125-132. 394 Vgl. Kulitz Unternehmerspenden S. 166 f.; a.A. Kind NZG 2000, 567, 568. 395 Siehe aber BGH StV 2002, 137, 140. 393

D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen

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ständlich, wenn dabei öffentlich-rechtliche (oder strafrechtliche) Verbotsnormen verletzt werden. Innerhalb des von der übrigen Rechtsordnung gezogenen Rahmens ist eine solche erwerbswirtschaftliche Rechtfertigung von Parteispenden gesellschaftsrechtlich zulässig, wenn auch im Hinblick auf die oben dargestellte Argumentation des Bundesverfassungsgerichts und der grundsätzlichen Problematik der politischen Einflussnahme durch Wirtschaftsunternehmen häufig moralisch fragwürdig. Allerdings dient gerade der gesellschaftsrechtliche Zwang zur Vornahme solcher Erwägungen der (zumindest innerbetrieblichen) Transparenz des mit Spenden verbundenen Versuchs der politischen Einflussnahme und hat daher eher eine missbrauchsvorbeugende Funktion. Zudem trägt die im Vergleich zu anderen Spenden erhöhte Darlegungslast dem Umstand Rechnung, dass bei Parteispenden die Verfolgung von (politischen) Eigeninteressen durch Vorstandsmitglieder relativ naheliegend ist. Da die Verfolgung politischer Präferenzen alleine mangels Erheblichkeit des Eigenvorteils in der Regel noch keine Treuepflichtverletzung darstellt, entspricht eine zusätzliche Kontrolle der Spende anhand des Unternehmensgegenstands der Schutzbedürftigkeit der Aktiengesellschaft und ihrer Aktionäre.396 5. Zwischenergebnis: Zweistufige Rechtfertigung Auch unter Heranziehung der Grundsätze des unternehmerischen Ermessens findet eine eingeschränkte materielle Überprüfung von Spendenentscheidungen statt. Der hier für das deutsche Recht vorgeschlagene Weg nähert sich sehr der amerikanischen Rechtsprechung an. In beiden Rechtsordnungen sind in erster Linie steuerrechtliche Wertungen maßgeblich. Kann der Vorstand darlegen, dass die Unternehmensspende steuerlich absetzbar ist, so stellt dies ein starkes Indiz dafür dar, dass die Spende einen angemessenen Beitrag zur Erfüllung allgemeiner sozialer Erwartungen und damit zur Sicherung der politischen Grundlagen für die weitere erwerbswirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens darstellt. Die Wahrscheinlichkeit eines konkreten wirtschaftlichen Vorteils braucht hier nicht weiter konkretisiert werden. Befindet sich die Spende außerhalb der Angemessenheitsgrenzen oder handelt es sich um eine Parteispende, muss der Vorstand nachweisen, dass ein durch die Spende verursachter konkreter wirtschaftlicher Vorteil im vertretbaren Maße wahrscheinlich ist. Dafür ist der Nachweis einer ausreichenden Nähe der Spende zum Unternehmensgegenstand erforderlich. Die Grenze des vertretbaren Risikos stellt zwar keine unüberwindbare Hürde dar, sie ist aber mit ei___________ 396

Siehe dazu oben 3. Kap. C. I. 3. c).

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

nem erheblichen Maß an Rechtsunsicherheit verbunden, da es sich hier um subjektive Wertungsfragen handelt. Gerade bei einem Überschreiten der steuerrechtlichen Absetzbarkeitsgrenzen ist die Annahme eines unvertretbar hohen Risikos relativ naheliegend. II. Gesetzliche Verbote 1. Sorgfaltspflicht zur Einhaltung der Gesetze Die grundsätzliche Bindung des Vorstands an Verbotsnormen ergibt sich schon indirekt aus § 82 Abs. 2 AktG. Weniger naheliegend ist allerdings die Frage, ob jeder Gesetzesverstoß durch den Vorstand eine Sorgfaltspflichtverletzung im Sinne von § 93 Abs.1, 2 AktG bedeutet oder ob § 93 AktG nur dann relevant sein soll, wenn die betreffenden Gesetze auch den Schutz der Aktiengesellschaft oder ihrer Aktionäre bezwecken. Eine solche Einschränkung wird in der deutschen Kommentarliteratur allgemein abgelehnt. So bejaht Mertens eine Pflicht des Vorstands, „für ein gesetzmäßiges Verhalten der Gesellschaft nach außen zu sorgen“.397 Falls eine Rechtsverletzung einen Schaden für eine Gesellschaft begründet, haftet danach der Vorstand selbst dann, wenn er mit der Normverletzung die Interessen der Gesellschaft fördern wollte und der Gesetzesverstoß bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unter Abwägung der Sanktionsrisiken aus Gesellschaftssicht objektiv vernünftig oder gar zur Erhaltung des Aktienunternehmens objektiv notwendig war.398 Daraus ergibt sich, dass Vorstände grundsätzlich für jeden schuldhaften, nach außen gerichteten Gesetzesverstoß der Gesellschaft haften, soweit dieser einen Schaden für die Aktiengesellschaft verursacht (etwa durch Schadensersatzansprüche geschädigter Dritter oder durch Bußgelder).399 2. Gesetzliche Spendenverbote Selbstverständlich gibt es im deutschen Recht kein allgemeines Spendenverbot. Allerdings sanktionieren einige allgemeine Verbotsnormen indirekt auch Spendenzahlungen. Eine umfassende Darstellung aller möglicher Konstellationen, bei denen Unternehmensspenden eine Verletzung öffentlich-rechtlicher oder strafrechtlicher Normen darstellen könnten, ist aber nicht Gegenstand dieser Untersuchung, da es hier um die rein gesellschaftsrechtliche Problematik ___________ 397 Vgl. KK-Mertens § 93 Rn. 34; vgl. auch Scholz-Schneider § 43 GmbHG Rn. 51, Rowedder/Koppensteiner § 43 GmbHG Rn. 8. 398 Vgl. KK-Mertens § 93 Rn. 34; Scholz-Schneider § 43 Rn. 52. 399 Vgl. Scholz-Schneider § 43 Rn. 52; einschränkend Roth Unternehmerisches Ermessen S. 131 (Ermessensüberschreitung nur bei „vorsätzlichen Verstößen gegen Strafbarkeitsnormen und für das Gemeinwesen ähnlich bedeutsame Normen“).

D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen

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von Unternehmensspenden geht. 400 Zur Illustration der Problematik greifen allerdings die folgenden Ausführungen exemplarisch drei Bereiche heraus, bei denen Spenden mit Verbotsnormen kollidieren können. Zum einen handelt es sich dabei um den Bereich der (verdeckten) Schmiergeldzahlungen, zum anderen um Spenden an bestimmte, strafrechtlich verbotene Organisationen und zum Dritten um Parteispenden. a) Schmiergeldzahlungen Schmiergeldzahlungen können zumindest nach außen als Spendenzahlungen getarnt sein und als solche durch die §§ 108b, 335 StGB sanktioniert werden. Da es bei Spenden materiell am Merkmal der Unentgeltlichkeit fehlt, sind solche Zahlungen eigentlich nicht vom Spendenbegriff umfasst. Allerdings können in der rechtstatsächlichen Wirklichkeit die Grenzen zwischen Schmiergeldzahlungen und Spenden verwischt werden.401 Direkte oder indirekte Zuwendungen an Amtsträger sind jedenfalls dann strafrechtlich relevant, wenn zwischen den Beteiligten Einigkeit besteht, dass die Vorteile für eine bestimmte oder bestimmbare Amtshandlung des Empfängers gewährt werden. Unter diesem Gesichtspunkt würde eine „Spende“ an den in § 333 StGB bezeichneten Personenkreis (also in erster Linie an Amtsträger) auf jeden Fall eine Sorgfaltspflichtverletzung begründen. Umstritten ist dies jedoch bei Schmiergeldzahlungen an ausländische Amtsträger. Maßgeblich ist bei Fällen mit Auslandsberührung das nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts (bzw. gegebenenfalls des öffentlichen Kollisionsrechts) anwendbare Recht.402 In diesen Fällen müssen aber dann Einschränkungen gemacht werden, wenn das nach dem einschlägigen Recht geltende Verbot tatsächlich nicht durchgesetzt wird. 403 Getarnte Spenden können weiterhin bei Steuerhinterziehungsdelikten eine Rolle spielen. b) Spenden an verbotene Organisationen Spenden an kriminelle Vereinigungen stellen eine Unterstützungshandlung im Sinne von § 129 Abs. 1 StGB und somit eine Sorgfaltspflichtverletzung im Sinne von § 93 AktG dar. Gleiches gilt für Spenden an terroristische Vereinigungen, die nach §§ 129a Abs.1, 3 StGB strafbar sind.404 Darüber hinaus können Spenden im Einzelfall als Beihilfehandlungen für andere Straftaten gegen ___________ 400 Vgl. allgemein zur persönlichen Verantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern für Gesetzesverstöße im Rahmen ihrer Organtätigkeit Thümmel DB 1994, 1021 ff. 401 Vgl. Schneider AG 1983, 205, 206. 402 Vgl. Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 103. 403 Vgl. Hopt/Wiedemann § 93 AktG Rn. 105. 404 Vgl. Schneider AG 1983, 205, 213.

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3. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen Aktiengesellschaftsrecht

die öffentliche Ordnung (wie z.B. §§ 130 ff. StGB) gewertet werden und somit eine Haftung nach § 93 AktG begründen. c) Parteispenden Parteispenden sind nach § 25 Abs. 1 S. 1 ParteiG grundsätzlich zulässig.405 Allerdings werden sie nach §§ 25 Abs. 2, 25 Abs. 3 ParteiG reguliert. Insbesondere müssen sie bei einem Übersteigen ihres Gesamtwerts von 10.000,– Euro innerhalb eines Kalenderjahres im Rechenschaftsbericht verzeichnet werden. Spenden, die im Einzelfall die Höchtsgrenze von 50.000,– Euro überschreiten, sind dem Bundestagspräsidenten unverzüglich anzuzeigen. Sonderregelungen für Spenden von Aktiengesellschaften sind im ParteiG nicht zu finden. Entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen wird ein Verstoß gegen das ParteiG dann eine Sorgfaltspflichtverletzung des Vorstands darstellen, wenn dieser nicht allein auf ein Fehlverhalten in der Sphäre der Spendenempfängerin zurückzuführen ist. Gerade im Zusammenhang mit Parteispenden waren in der Vergangenheit Verstöße gegen steuerrechtliche Bestimmungen häufig Gegenstand der strafrechtlichen Rechtsprechung. Dabei ging es insbesondere um die Umgehung der für Parteispenden geltenden eingeschränkten Absetzbarkeitsregeln durch die Zwischenschaltung von politischen Vereinen als unmittelbare Spendenempfänger (verdeckte Parteispenden). 406 Entsprechend der oben dargestellten Grundsätze löst auch ein Steuervergehen eine Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft aus. 3. Rechtsvergleichende Zusammenfassung Wie im amerikanischen Recht wird auch im deutschen Recht das unternehmerische Ermessen durch außerhalb des Gesellschaftsrechts liegende Verbotsnormen begrenzt. Dabei kommt es auf den Schutzzweck dieser Verbotsnormen nicht an. In beiden Rechtsordnungen kommen Gesetzesverstöße besonders bei politischen Spenden in Betracht, wobei in Deutschland ein Schwerpunkt der Judikatur auf Verstößen gegen steuerrechtliche Strafbestimmungen liegt.

___________ 405 Siehe auch BVerfGE 85, 264, 315 zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Parteispenden durch juristische Personen. 406 Vgl. z.B. BGH wistra 1987, 140 ff.; BGH wistra 1991, 138 ff.

Viertes Kapitel

Unternehmerisches Ermessen der Geschäftsführer bei der Vergabe von Unternehmensspenden im deutschen GmbH-Recht A. Die Entscheidungszuständigkeit des GmbH-Geschäftsführers für Unternehmensspenden I. Keine Alleinzuständigkeit des GmbH-Geschäftsführers für Unternehmensspenden Da die Entscheidungszuständigkeit Voraussetzung für die Eröffnung des unternehmerischen Ermessens ist, stellt sich – entsprechend zur Vorgehensweise im Aktiengesellschaftsrecht – auch für das GmbH-Recht zunächst die Frage, ob die GmbH-Geschäftsführer für die Vergabe von Unternehmensspenden zuständig sind. Auf den ersten Blick lässt sich die Entscheidungszuständigkeit für die Vergabe von Unternehmensspenden entsprechend den im Aktiengesellschaftsrecht geltenden Prinzipien aus der grundsätzlich bestehenden Zuständigkeit der Geschäftsführer für den gesamten Bereich der Geschäftsführung ableiten.1 Allerdings ist die Stellung des GmbH-Geschäftsführers zu derjenigen des Vorstands im Aktiengesellschaftsrecht nicht vollständig vergleichbar, sodass sich im GmbH-Recht Besonderheiten bei der Zuständigkeitsverteilung ergeben könnten. Im GmbH-Recht fehlt eine § 76 Abs. 1 AktG entsprechende Norm, die den Geschäftsführern der GmbH die Geschäftsleitung in eigener Verantwortung zuweist. Vielmehr wird die Geschäftsführungsbefugnis in den §§ 37 Abs. 1, 45 Abs. 1 GmbHG eingeschränkt, nach denen die Geschäftsführer im Innenverhältnis nicht nur an die Beschränkungen aus dem Gesellschaftsvertrag, sondern auch an als Gesellschafterbeschlüsse ergangene Weisungen gebunden sind.2 Daraus folgt, dass die Gesellschafterversammlung, soweit im Gesellschaftsvertrag nicht anders geregelt, grundsätzlich jede Angelegenheit an sich ziehen und für die Geschäftsführer im Innenverhältnis bindend entscheiden kann. 3 Diese „Allzuständigkeit“ der Gesellschafterversammlung ist Ausdruck der im ___________ 1 Vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner § 37 GmbHG Rn. 2; siehe zum Aktiengesellschaftsrecht 3. Kap. A. II. 1. 2 Vgl. Kort ZIP 1991, 1274, 1275. 3 Vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner § 46 GmbHG Rn. 60.

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4. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen GmbH-Recht

GmbH-Recht geltenden hierarchischen Überordnung der Gesellschafterversammlung gegenüber den Geschäftsleitern.4 Ausgenommen von der Allzuständigkeit der Gesellschafter sind nur die wenigen Maßnahmen, die gesetzlich den Geschäftsführern zugewiesen werden. Dabei handelt es sich neben der Vertretung nach außen vor allem um die Erfüllung öffentlicher Pflichten, wie die Buchführungspflichten (§§ 41, 42 GmbHG), steuerbezogene Pflichten (§ 34 AO), Anmeldungs- und Einreichungspflichten vor dem Handelsregister (§§ 40, 78 GmbHG) und die Insolvenzantragsspflicht (§ 64 GmbHG).5 Für die Vergabe von Unternehmensspenden fehlt eine entsprechende gesetzliche Spezialregelung. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht fällt darüber hinaus – teilweise im Hinblick auf eine effektive Durchsetzung des MitbestG – das laufende Tagesgeschäft in den zwingend den Geschäftsführern zugewiesenen Kernbereich. 6 Diese Ansicht ist aber angesichts der Wertungen von §§ 37, 46 GmbHG, die durch das MitbestG nicht grundsätzlich geändert wurden, abzulehnen.7 Überdies wären Spenden häufig aufgrund ihres nur indirekten Bezugs zur eigentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens schwerlich dem „laufenden Tagesgeschäft“ zuzuordnen. Als Zwischenergebnis lässt sich damit zunächst festhalten, dass die Vergabe von Unternehmensspenden nach dem gesetzlichen Regelungsplan jedenfalls nicht in die Alleinzuständigkeit der GmbH-Geschäftsführer fällt. Aufgrund der mit der Vergabe von Unternehmensspenden verbundenen Besonderheiten könnten sich jedoch im GmbH-Recht weitere Einschränkungen der Entscheidungszuständigkeit der Geschäftsführer ergeben.

___________ 4 Vgl. Vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner § 46 GmbHG Rn. 60 (zum Begriff der „Allzuständigkeit“); Lutter/Hommelhoff § 37 GmbHG Rn. 1. 5 Vgl. dazu Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner § 37 GmbHG Rn. 2; Lutter/ Hommelhoff § 37 GmbHG Rn. 5. 6 Vgl. Giesecke GmbHR 1996, 486, 490 f.; Säcker DB 1977, 1845 Fn. 4; weniger weitgehend Baumbach/Hueck-Zöllner § 37 GmbHG Rn. 9, § 46 GmbHG Rn. 60; Hommelhoff ZGR 1978, 127, 138; Zöllner ZGR 1977, 319, 325; zur Anwendbarkeit des MitbestG auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung siehe nachfolgend 4. Kap. C. I. 1. a). 7 Lutter/Hommelhoff, § 37 GmbHG Rn. 12; Wank GmbHR 1980, 121, 123; ScholzSchneider § 37 Rn. 38; einschränkend Hachenburg-Mertens § 37 GmbHG Rn. 16.

A. Entscheidungszuständigkeit des GmbH-Geschäftsführers

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II. Gesetzliche Alleinzuständigkeit der Gesellschafter für Unternehmensspenden? 1. Gesetzliche Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung aufgrund § 46 Nr. 1 GmbHG? Nach § 46 Nr. 1 GmbHG ist die Gesellschafterversammlung – mangels anderweitiger Satzungsregelung – für die Gewinnverwendung zuständig.8 Diese Vorschrift korrespondiert mit § 29 Abs. 1 GmbHG, die den Anspruch der Gesellschafter auf den erwirtschafteten Jahresüberschuss normiert. Diese beiden Vorschriften entsprechen § 58 Abs. 3 S. 1 und S. 2 AktG.9 Allerdings ergibt sich aus § 46 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 GmbHG keine Zuständigkeitsverweisung bezüglich der Entscheidung über Unternehmensspenden. Zwar wird in der Literatur zum GmbH-Recht zum Teil eine Zuständigkeitsverlagerung auf die Gesellschafterversammlung mit dem Hinweis angenommen, dass der dafür getätigte Aufwand das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter „berührt“. 10 Wie sich aus der obigen Diskussion zu § 58 Abs. 3 AktG ergibt, sind Spenden aber Geschäftsführungsmaßnahmen, die der Feststellung des Jahresüberschusses und der Entscheidung über die Gewinnverwendung vorgeschaltet sind.11 Auch § 29 Abs. 1 GmbHG gibt lediglich einen Anspruch auf Gewinn auf Grundlage des festgestellten Jahresabschlusses. 12 Wie § 58 Abs. 3 S. 2 AktG gibt diese Vorschrift aber keinen Anspruch auf das Erwirtschaften eines bestimmten Gewinns.

___________ 8 Zur Dispositivität von § 46 Nr. 1 GmbHG vgl. Raiser Kapitalgesellschaftsrecht § 33 Rn. 2, 4; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner § 46 Rn. 1; MichalskiRömermann § 46 GmbHG Rn. 87 ff.; a.A. Hachenburg-Hüffer § 46 GmbHG Rn. 23, der im Hinblick auf das mitgliedschaftliche Recht der Gesellschafter auf Gewinnteilhabe die Übertragung der Zuständigkeit hinsichtlich der Ergebnisverwendung auf gesellschaftsfremde Dritte oder die Geschäftsführer ablehnt. 9 Vgl. Schneider AG 1983, 205, 212. 10 Vgl. Lutter/Hommelhoff § 43 GmbHG Rn. 13 für solche Spenden, „deren Werbeeffekt für die [Gesellschafter] ungewiss ist und/oder deren Ausmaß das ÜblichVernünftige [...] übersteigt“; weitergehend Feine Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung S. 365, der aus § 29 GmbHG und dem Unternehmenszweck bei erwerbswirtschaftlich tätigen Gesellschaften mit beschränkter Haftung ein generelles Spendenverbot ableitet. 11 Vgl. oben. 3. Kap. A. II. 2.; so im Bezug auf die GmbH auch Schneider AG 1983, 205, 212. 12 Vgl. Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich § 29 Rn. 9.

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4. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen GmbH-Recht

2. Spenden als im Zuständigkeitsbereich der Gesellschafter liegende „ungewöhnliche Maßnahmen“? Allerdings könnten die Gesellschafter bei Entscheidungen über Unternehmensspenden gesetzlich zuständig sein, wenn und soweit es sich bei diesen um „ungewöhnliche Maßnahmen“ handelt. Mit dieser Begründung wird in der Literatur zum GmbH-Recht zumindest für einige Spenden die Zuständigkeit der Geschäftsführer verneint.13 a) „Ungewöhnliche Maßnahmen“ im GmbH-Recht Die Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen hat in § 49 Abs. 2 GmbHG einen gesetzlichen Ansatzpunkt.14 Nach dieser Vorschrift müssen die Geschäftsführer eine Gesellschafterversammlung einberufen, wenn dies „im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint“. Der Begriff der Erforderlichkeit wird dabei im Gesetz nicht definiert.15 Eine andere, in der Literatur vertretene Auffassung möchte bei ungewöhnlichen Maßnahmen auf die für § 116 HGB geltenden Grundsätze zurückgreifen.16 Nach § 116 Abs. 1 und Abs. 2 HGB bedürfen Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes hinausgehen, eines Gesellschafterbeschlusses. 17 Die unmittelbare Heranziehung von § 116 HGB ist aber aufgrund der strukturellen Unterschiede zwischen der GmbH und den Personengesellschaften fragwürdig. Insbesondere spricht dagegen, dass das Personengesellschaftsrecht im Gegensatz zum GmbH-Recht vom Grundsatz der Eigengeschäftsführung ausgeht.18 Für die begriffliche Konkretisierung vorlagepflichtiger ungewöhnlicher Maßnahmen werden in Literatur und Rechtsprechung Fallgruppen gebildet.19 Zum einen wird darauf abgestellt, ob die Maßnahmen außerhalb des in der Satzung definierten Unternehmensgegenstands liegen oder der festgesetzten

___________ 13 Vgl. Schneider AG 1983, 205, 212 (jedenfalls für eine „Spende in Höhe des gesamten Jahresgewinns an einen Fußballverein“); gegen eine Einordnung des § 49 Abs. 2 GmbHG als Zuständigkeitsregel Zitzmann Vorlagepflicht S. 88. 14 Vgl. Michalski-Lenz § 37 GmbHG Rn. 15; Zitzmann Vorlagepflichten S. 31 f. 15 Vgl. Zitzmann Vorlagepflicht S. 32. 16 Vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner § 37 GmbHG Rn. 11; Altmeppen/ Roth § 37 GmbHG Rn. 19. 17 Für die Anwendung von § 116 Abs. 2 HGB auf politische Spenden Rittner FS Knur 205, 227. 18 Vgl. Hachenburg-Mertens § 37 GmbHG Rn. 11; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner § 37 GmbHG Rn. 11. 19 Vgl. dazu Zitzmann Vorlagepflicht S. 86 f.

A. Entscheidungszuständigkeit des GmbH-Geschäftsführers

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Geschäftspolitik widersprechen.20 Daneben wird eine Vorlagepflicht für solche Maßnahmen angenommen, die wegen der mit ihnen verbundenen Risiken Ausnahmecharakter haben.21 Eine dritte Fallgruppe bilden Geschäfte, die dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Gesellschafterwillen widersprechen.22 b) Das Spannungsverhältnis zwischen den Vorlagepflichten und dem unternehmerischen Ermessen Die Rechtsfigur der „ungewöhnlichen Geschäfte“ als Begründung für eine Vorlagepflicht an die GmbH-Gesellschafter ist in der Literatur grundsätzlich umstritten. 23 So wird der Notwendigkeit der Mitsprache von GmbH-Gesellschaftern entgegengehalten, dass diese im Widerspruch zu den gesetzlichen Regelungen über die Kompetenzverteilung stehen und infolge von Abgrenzungsschwierigkeiten zu unnötiger Rechtsunsicherheit führen würde. 24 Eng damit zusammenhängend ist der Einwand, dass die allgemeine Zustimmungspflicht für ungewöhnliche Geschäfte schwerlich mit der Anerkennung des unternehmerischen Ermessens bei GmbH-Geschäftsführern im Rahmen von § 43 GmbHG vereinbar sei.25 Andererseits wird auch von den Kritikern der Rechtsfigur der „ungewöhnlichen Maßnahmen“ eingeräumt, dass die Geschäftsführer über Maßnahmen, die den oben genannten Fallgruppen zuzuordnen sind, nicht uneingeschränkt entscheiden dürfen. Nur sei dies unmittelbar aus dem Unternehmensgegenstand, den Gesellschafterweisungen und den den Geschäftsführern obliegenden Treuepflichten abzuleiten.26 Diese Argumentation weist darauf hin, dass es sich bei den ungewöhnlichen Geschäften in erster Linie um ein Problem der Reichweite des unternehmerischen Ermessens und nicht um ein Zuständigkeitsproblem handeln könnte.27

___________ 20 Vgl. BGH GmbHR 1991, 197 („Maßnahmen, die den Rahmen des bisherigen Geschäftsbetriebs sprengen“); Lutter/Hommelhoff § 37 GmbHG Rn. 11 mwN; Baumbach/ Hueck-Zöllner § 37 Rn. 6b f.; Michalski-Lenz § 37 GmbHG Rn. 15; Scholz-Schneider § 37 GmbHG Rn. 13 f. 21 Vgl. BGH DB 1984, 661; Scholz-Schneider § 37 GmbHG Rn. 15; Lutter/Hommelhoff § 37 GmbHG Rn. 11; Michalski-Lenz § 37 GmbHG Rn. 15. 22 Vgl. BGH NJW 1984, 1462; Lutter-Hommelhoff § 37 Rn. 11; Scholz-Schneider § 37 Rn. 16. 23 Vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner § 37 Rn. 6a ff.; Kort ZIP 1991, 1274 ff. 24 Vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner § 37 GmbHG Rn. 6a. 25 Vgl. Kort ZIP 1991, 1274, 1277 f. 26 Vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner § 37 GmbHG Rn. 6b ff. 27 So im Ansatz auch Zitzmann Vorlagepflicht S. 86.

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4. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen GmbH-Recht

c) Stellungnahme Den oben genannten Stimmen in der Literatur ist zunächst insoweit zu folgen, als die Grenzen des unternehmerischen Ermessens bei der Bestimmung der ungewöhnlichen Geschäfte zu berücksichtigen sind. Unmittelbar sichern die Vorlagepflichten im GmbH-Recht zwar die Geschäftsführungsbefugnis der Gesellschafterversammlung ab. Sie beschränken sich damit nicht auf den im Aktiengesellschaftsrecht durch die Holzmüller-Rechtsprechung bezweckten Schutz der Gesellschafter vor tiefen Eingriffen in ihre Mitgliedsrechte durch den grundsätzlich für die Geschäftsführung allein zuständigen Vorstand.28 Der sich aus dieser Zielrichtung ergebende potenziell viel weitere Kreis von vorlagepflichtigen Maßnahmen muss aber mit den Grenzen des unternehmerischen Ermessens, soweit dieses dem GmbH-Geschäftsführer zusteht, abgestimmt werden. Materiell betrachtet dreht sich die Diskussion über die Vorlagepflichten dementsprechend auch um die Frage, inwieweit die Mitwirkungspflichten der Gesellschafter die Befugnis des Geschäftsführers, eigene Ermessensentscheidungen zu treffen, begrenzen. Das Spannungsverhältnis zwischen dem unternehmerischen Ermessen und den Vorlagepflichten bei ungewöhnlichen Maßnahmen lässt sich daher erst abschließend beurteilen, wenn die Voraussetzungen und die Grenzen des unternehmerischen Ermessens bei Spendenentscheidungen untersucht worden sind. Deswegen kann die Frage nach der Begrenzung der Entscheidungszuständigkeit des GmbH-Geschäftsführers bei ungewöhnlichen Maßnahmen an dieser Stelle noch nicht abschließend geklärt werden. III. Zusammenfassung Unternehmensspenden fallen grundsätzlich als Geschäftsführungsmaßnahmen in den Zuständigkeitsbereich von GmbH-Geschäftsführern. Allerdings steht ihre Entscheidungszuständigkeit unter dem Vorbehalt widersprechender Entscheidungen durch die grundsätzlich ebenfalls zuständige Gesellschafterversammlung. Nicht abschließend geklärt werden kann an dieser Stelle die Frage, inwieweit nach den gesetzlichen Regelungen die Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung von sich aus an Entscheidungen über Unternehmensspenden beteiligen müssen. Denn die Beantwortung dieser Frage hängt von der Existenz und der Reichweite des unternehmerischen Ermessens von GmbHGeschäftsführern ab, die den Gegenstand der folgenden Diskussion bilden.

___________ 28 Vgl. dazu Baumbach/Hueck-Zöllner § 46 Rn. 60a; siehe zur Auslegung von § 119 Abs. 2 AktG im Rahmen der Holzmüller-Rechtsprechung oben 3. Kap. A. II. 4.

B. Ermessen und innergesellschaftliche GmbH-Geschäftsführerhaftung

207

B. Die Bedeutung des unternehmerischen Ermessens bei der innergesellschaftlichen GmbH-Geschäftsführerhaftung I. Die Anerkennung des unternehmerischen Ermessens der Geschäftsführer im GmbH-Recht Nach § 43 Abs. 1 GmbHG haben die Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG haften Geschäftsführer für die durch Verletzung ihrer Obliegenheiten entstandenen Schäden. Diese Vorschriften entsprechen ihrem Wortlaut nach weitgehend den §§ 93 Abs.1 S. 1, Abs. 2 S. 1 AktG. Fraglich ist zunächst, ob und inwieweit die im Aktienrecht dargestellten Grundsätze des unternehmerischen Ermessens auch im GmbH-Recht einschlägig sind. Die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung bezieht sich ihrem Wortlaut nach nur auf die Rechtsverhältnisse in der Aktiengesellschaft.29 Zudem fehlt es im GmbHG an einer § 76 Abs. 1 AktG vergleichbaren gesetzlichen Stütze.30 Trotzdem wird die Existenz des unternehmerischen Ermessens von der Literatur im GmbH-Recht anerkannt.31 Dies gilt auch für die Rechtsprechung, die sich allerdings bisher nicht ausdrücklich auf das ARAG/Garmenbeck-Urteil bezieht. Nach einer Entscheidung des OLG Zweibrücken hat der Geschäftsführer bei seiner Tätigkeit „einen weiten Ermessensspielraum“, der seine „Entscheidungsfreiheit in den gesetzlichen Grenzen [definiert]“.32 Nach der Rechtsprechung des OLG Jena steht dem Geschäftsführer ein unternehmerischer Spielraum zu, der ihn ermächtigt, bestimmte Risiken einzugehen.33 Begründet wird dies auch im GmbH-Recht damit, dass die unternehmerische Freiheit durch eine zu weitgehende gerichtliche Nachprüfbarkeit von Geschäftsführerentscheidungen nicht beeinträchtigt werden solle. 34 Zudem wird darauf verwiesen, dass es unbillig wäre, das mit der unternehmerischen Tätigkeit zwangsläufig verbundene unternehmerische Risiko im Wege des § 43 GmbHG auf die GmbH-Geschäftsführer zu übertragen.35

___________ 29

Vgl. BGHZ 135, 244 ff. Vgl. zur Heranziehung von § 76 Abs. 1 AktG für die Begründung des unternehmerischen Ermessens im Aktiengesellschaftsrecht oben 3. Kap. B. I. 31 Vgl. Lutter/Hommelhoff § 43 GmbHG Rn. 6; Scholz-Schneider § 43 GmbHG Rn. 45a ff.; Michalski-Haas § 43 GmbHG Rn. 67; Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 356; Heermann ZIP 1998, 761, 762; v. Gerkan ZHR 154 (1990), 39, 55 f. 32 Vgl. OLG Zweibrücken NZG 1999, 506, 507. 33 Vgl. OLG Jena NZG 2001, 86, 87. 34 Vgl. OLG Zweibrücken NZG 1999, 506, 507. 35 Vgl. Michalski-Haas § 43 GmbHG Rn. 46. 30

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4. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen GmbH-Recht

Zu Recht wird aber in der Literatur das unternehmerische Ermessen der GmbHGeschäftsführer auf die Bereiche beschränkt, in denen sie nicht durch Weisungen der Gesellschafter gebunden sind.36 Denn ein Verstoß gegen Weisungen führt unmittelbar zur Pflichtwidrigkeit der Entscheidung. 37 Umgekehrt führt ihre Befolgung grundsätzlich zur Haftungsfreistellung der Geschäftsführer.38 Selbst wenn zunächst keine Gesellschafterweisung besteht, haben die Geschäftsführer bei ungewöhnlichen Maßnahmen die Mitwirkungsrechte der Gesellschafter zu beachten und für solche Maßnahmen deren Zustimmung einzuholen.39 Sieht man von diesen Einschränkungen ab, ist der Anerkennung eines dem Vorstandsermessen im Aktiengesellschaftsrecht vergleichbaren unternehmerischen Ermessens bei GmbH-Geschäftsführern zuzustimmen. Dies ergibt sich aus der § 93 Abs. 2, Abs. 1 AktG vergleichbaren weiten Formulierung von § 43 Abs. 2, Abs. 1 GmbHG. Zudem ist die Stellung des GmbH-Geschäftsführers bei nicht weisungsgebundenen Entscheidungen der des eigenverantwortlich handelnden Vorstands ähnlich. In diesem Bereich lässt sich aufgrund des Fehlens einer normativen Bindung durch Gesellschafterbeschluss faktisch ein unternehmerischer Handlungsspielraum der Geschäftsführer begründen, der grundsätzlich den gleichen rechtlichen Grenzen aus Satzung und Gesetz unterliegt wie der Handlungsfreiraum des Vorstands einer AG. Dies ist auch aufgrund der im Hinblick auf das unternehmerische Tagesgeschäft regelmäßig gegebenen größeren Sachnähe der Geschäftsführer interessengerecht.40 II. Die Heranziehbarkeit der ARAG/Garmenbeck-Grundsätze Soweit dem GmbH-Geschäftsführer ein unternehmerisches Ermessen zusteht, sind die im ARAG/Garmenbeck-Fall für die Überprüfung von Geschäftsleiterentscheidungen entwickelten Leitlinien daher für GmbH-Geschäftsführerentscheidungen grundsätzlich heranzuziehen. 41 Es spricht nichts dagegen, auch im GmbH-Recht dem unternehmerischen Ermessen durch eine weitgehende Beschränkung der materiellen Entscheidungskontrolle und einer Verla___________ 36

Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 354. Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 354. 38 Vgl. Lutter/Hommelhoff § 43 GmbHG Rn. 22; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner § 43 Rn. 28; etwas anderes gilt im Anwendungsbereich von § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG sowie bei nichtigen und existenzbedrohenden Weisungen, vgl. Lutter-Hommelhoff aaO.; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner§ 43 GmbHG 32 ff. 39 Vgl. oben 4. Kap. A. II. 2. und nachfolgend 4. Kap. D. III. 40 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 353. 41 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 354; Scholz-Schneider § 43 GmbHG Rn. 46a; Lutter/Hommelhoff § 43 rn. 6; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner § 43 GmbHG Rn. 7; Hachenburg-Mertens § 43 GmbHG Rn. 16 (die beiden Letztgenannten für einen Gleichlauf des Sorgfaltsmaßstabs in § 43 GmbHG und § 93 AktG). 37

B. Ermessen und innergesellschaftliche GmbH-Geschäftsführerhaftung

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gerung der richterlichen Überprüfung auf das Entscheidungsverfahren Rechnung zu tragen. Eine Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Unternehmensspenden kommt daher grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn er sich bei der Entscheidung (1) am Unternehmenswohl orientiert hat, also mit der Spende einen zulässigen Zweck verfolgt und nicht unzulässigerweise Eigeninteressen verfolgt hat, (2) auf einer ausreichender Informationsgrundlage gehandelt hat, (3) nicht die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat und (4) keine gesetzlichen Verbote überschritten hat.42 Dies kann allerdings nur insoweit gelten, als dadurch die Mitwirkungsrechte der Gesellschafter an der Geschäftsführung nicht beeinträchtigt werden. Wegen der zwischen der Aktiengesellschaft und der GmbH bestehenden strukturellen Unterschiede, insbesondere der in höherem Maße möglichen Beteiligung der GmbH-Gesellschafter an der Geschäftsführung, sind Abweichungen bei der weiteren Ausgestaltung dieser Ermessensgrenzen jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen. Deswegen soll im folgenden Teil untersucht werden, inwieweit die oben zum Aktiengesellschaftsrecht gefundenen Konkretisierungen im Zusammenhang mit der Vergabe von Unternehmensspenden auf das deutsche GmbH-Recht anwendbar sind.43 III. Die Beweislastverteilung Ein erster Unterschied zwischen dem Aktiengesellschaftsrecht und dem GmbH-Recht könnte in der Beweislastverteilung liegen. Im GmbH-Gesetz fehlt eine § 93 Abs. 2 S. 2 AktG entsprechende Regelung, die dem Geschäftsleiter die Beweislast für die objektive und subjektive Sorgfaltsgemäßheit des Verhaltens und damit für die Einhaltung der ARAG/Garmenbeck-Grundsätze auferlegt.44 In der Literatur und in der Rechtsprechung wird die analoge Anwendbarkeit von § 93 Abs. 2 S. 2 AktG bejaht.45 Dieser Auffassung ist zu folgen, da die Voraussetzungen für eine Analogie gegeben sind. Zum einen deutet der Umstand, dass § 43 GmbHG seit dem In-Kraft-Treten des GmbHG im Jahre 1892 unverändert geblieben und § 93 Abs. 2 S. 2 AktG erst im Jahre 1932 in das Aktiengesetz eingeführt worden ist, darauf hin, dass insoweit im GmbHG eine ___________ 42 Vgl. dazu oben 3. Kap. B. II. 1. c), C. I. 1.; siehe dazu auch BGHZ 135, 244, 253; Scholz-Schneider § 43 GmbHG Rn. 46a; Lutter/Hommelhoff § 43 GmbHG Rn. 6. 43 So im Grundsatz auch Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 357. 44 Vgl. zur Beweislastverteilung im Aktiengesetz oben 3. Kap. B. II. 2. 45 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 360 f.; v. Gerkan ZHR 154 (1990), 39, 55; Lutter/Hommelhoff § 43 Rn. 26; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner § 43 GmbHG Rn. 36.

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4. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen GmbH-Recht

planwidrige Regelungslücke besteht.46 Zum anderen sind die Interessenlagen im GmbH-Recht und im Aktienrecht vergleichbar. Aufgrund der größeren Sachnähe kann der Geschäftsführer wie der Vorstand sehr viel leichter die Umstände einer schadensverursachenden Entscheidung darlegen als die Gesellschaft.47 Wie im Aktiengesellschaftsrecht werden aber im GmbH-Recht in der neueren Literatur zu Recht Beweislasterleichterungen zugunsten der Geschäftsleiter angenommen, um dem unternehmerischen Ermessen Rechnung zu tragen.48 Daher setzt die Beweislast des Geschäftsführers hinsichtlich der Pflichtgemäßheit seines Verhaltens voraus, dass die geschädigte Gesellschaft selbst zunächst Tatsachen substantiiert darlegt, die eine Pflichtverletzung der Geschäftsführer begründen. Fraglich ist auch im GmbH-Recht, welche Anforderungen an das Beweisvorbringen des Geschäftsführers hinsichtlich der Zulässigkeit seiner Spende zu erbringen sind und ob sich insoweit Unterschiede zum Aktiengesellschaftsrecht ergeben.49 Da diese Beweislastfrage nicht gänzlich von materiell-rechtlichen Problemen getrennt betrachtet werden kann, soll sie im folgenden Teil anhand der einzelnen Rechtfertigungsebenen, die sich aus dem Grundsatz des unternehmerischen Handlungsspielraum ergeben, diskutiert werden.

C. Verfahrensmäßige Überprüfung von Spendenentscheidungen im GmbH-Recht I. Orientierung am Unternehmenswohl 1. Zulässiger Zweck der Unternehmensspende a) Die Bindung der Geschäftsführer an das Gewinnmaximierungsprinzip im GmbH-Recht Mangels abweichender Regelungen ergibt sich im GmbH-Recht aus dem erwerbswirtschaftlichen Gesellschaftszweck die Bindung der Geschäftsführung an das Prinzip der langfristigen Gewinnmaximierung. 50 Wie im Aktiengesellschaftsrecht wird dies auch im GmbH-Recht mit dem Verweis auf Überlagerungen durch höherrangiges Recht in Zweifel gezogen und stattdessen oft ein ___________ 46

Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 360. Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 360 f. 48 Vgl. dazu oben 3. Kap. B. II. 2. c); Heermann ZIP 1998, 761, 768; Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 361; Lutter/Hommelhoff § 43 GmbHG Rn. 26 (mwN). 49 Vgl. dazu zum Vorstand einer AG oben 3. Kap. B. II. 2. c), C. I. 2. c) bb), 3. d), D. I. 3. b), 4. d). 50 Vgl. dazu die Ausführungen zum Aktiengesellschaftsrecht oben 3. Kap. C. I. 2. a). 47

C. Überprüfung von Spendenentscheidungen im GmbH-Recht

211

multipolar verstandenes „Unternehmensinteresse“ als maßgeblicher Verhaltensmaßstab herangezogen.51 Eine solche Überlagerung des aus der Satzung abzuleitenden Gewinnmaximierungsprinzips durch höherrangiges Recht kann aber, wie die Diskussion zum Aktiengesellschaftsrecht gezeigt hat, dogmatisch weder aus gesetzgeberischen noch aus richterrechtlichen Entscheidungen begründet werden. Zudem ist aus einer multipolaren Zweckbindung für Geschäftsleitungsentscheidungen kein operabler Verhaltensmaßstab ableitbar.52 Im GmbH-Recht gibt es keine Anhaltspunkte für eine im Vergleich zum Aktiengesellschaftsrecht abweichende Stärkung von Arbeitnehmer- oder Allgemeinwohlinteressen. Im Gegenteil bietet es vergleichsweise weniger Begründungsansätze für eine Relativierung des Gewinnmaximierungsprinzips. So würde ihre Rechtfertigung durch einen Rückgriff auf die angebliche Weitergeltung des § 70 AktG 1937 zusätzlich daran scheitern, dass diese Regelung im GmbH-Recht nie unmittelbar anwendbar war. 53 Angesichts der den GmbH-Gesellschaftern nach §§ 37, 46 GmbHG im Gegensatz zu den Aktionären gegebenen Möglichkeit, Geschäftsführungsentscheidungen an sich zu reißen, ist es höchst zweifelhaft, dass die sich aus § 70 AktG 1937 ergebende eingeschränkte Maßgeblichkeit der Gesellschafterinteressen für die Geschäftsleitungstätigkeit im Rahmen eines Analogieschlusses begründbar wäre. Der Rückgriff auf das MitbestG ist im GmbH-Recht von vornherein ebenfalls nur sehr begrenzt möglich. Nach § 1 Abs. 1 MitbestG ist das Mitbestimmungsgesetz zwar auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung anwendbar, die in der Regel mehr als 2.000 Mitarbeiter beschäftigen.54 Für diese ist nach § 6 Abs. 1 MitbestG die Bildung eines Aufsichtsrats verpflichtend, der nach § 7 MitbestG paritätisch zu besetzen ist.55 In der Praxis fallen aber nur relativ wenige Gesellschaften mit beschränkter Haftung (ca. 300) unter die in § 1 Abs. 1 MitbestG definierten Voraussetzungen. 56 Für die meisten Gesellschaften mit beschränkter Haftung lässt sich damit allein schon wegen der fehlenden Anwendbarkeit des MitbestG keine Gesetzgeberentscheidung für die Überlagerung des Gesellschaftszwecks ___________ 51 Vgl. v. Gerkan ZHR 154 (1990), 39, 56; einschränkend Scholz-Schneider § 43 GmbHG Rn. 60 ff.; siehe dazu auch Michalski-Haas § 43 GmbHG Rn. 77 f.; Raiser Kapitalgesellschaftsrecht § 32 Rn. 85, § 14 Rn. 13 ff. 52 Vgl. dazu oben 3. Kap. C. I. 2. b). 53 Siehe dazu oben 3. Kap. C. I. 2. b) aa). 54 Diese Grenze gilt grundsätzlich auch für Aktiengesellschaften. Herkömmlicherweise ist bei diesen jedoch von der Erfüllung dieser Grenzen in der Praxis eher auszugehen. 55 Siehe zu den Stimmverhältnissen im paritätisch besetzten Aufsichtsrat oben 3. Kap. C. I. 2. b) cc). 56 Vgl. Lutter/Hommelhoff Einl. GmbHG Rn. 15.

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4. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen GmbH-Recht

entnehmen. Auch der Rückgriff auf die §§ 76, 77 BetrVG 52 stellt eine im Vergleich zu den Rechtsverhältnissen in der Aktiengesellschaft schwächere Begründung für die Überlagerung der satzungsmäßigen Bindung an das Gewinnmaximierungsprinzip dar. Zwar betrifft diese Regelung in der Praxis weit mehr Gesellschaften mit beschränkter Haftung (ca. 7.000).57 Allerdings ergibt sich aus diesen Vorschriften lediglich eine Drittel-Mitbestimmung, sodass der Vorrang der Anteilseignerinteressen nach den organisatorischen Regelungen im Vergleich zu den paritätisch mitbestimmten Kapitalgesellschaften eher gestärkt ist. Im Ergebnis ergeben sich aber aus diesen Abweichungen keine Unterschiede zur Aktiengesellschaft: Maßgeblich für die Geschäftsleitungstätigkeit ist bei erwerbswirtschaftlich tätigen Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der Regel allein das Gewinnmaximierungsziel. Gleichzeitig ist aber auch bei diesen anzuerkennen, dass die Verfolgung von Arbeitnehmer- oder Allgemeinwohlinteressen als Zwischenziele im Hinblick auf die Befolgung des Gewinnmaximierungsprinzips zulässig ist.58 b) Die Vereinbarkeit von Spenden mit dem Gewinnmaximierungsprinzip im GmbH-Recht GmbH-Geschäftsführer dürfen deswegen im Rahmen ihres unternehmerischen Ermessens durch Spenden Allgemeinwohlinteressen fördern, soweit dahinter eine erwerbswirtschaftlich orientierte Motivation steht. Gesellschaften mit beschränkter Haftung unterliegen dabei in der Praxis grundsätzlich den gleichen gesellschaftlichen Realitäten wie Aktiengesellschaften. Deswegen können GmbH-Geschäftsführer Spenden grundsätzlich etwa als Public Relations-Maßnahmen sowie als Beitrag zur Kontaktpflege mit für das Unternehmen aus erwerbswirtschaftlicher Sicht wichtigen Personen rechtfertigen. 59 Diese erwerbswirtschaftliche Motivation muss der Geschäftsführer im Prozess darlegen. Wie im Aktiengesellschaftsrecht wird ihm dies nach den zivilprozessualen Beweisgrundsätzen nur gelingen, wenn die objektive Wahrscheinlichkeit, dass die Spenden tatsächlich erwerbswirtschaftlichen Zwecken dienen, ausreichend hoch ist.60 Da es sich jedoch bei dieser Frage um ein Problem der materiellen Überprüfung von Spendenentscheidungen handelt, wird sie nachfolgend in diesem Zusammenhang näher diskutiert.61

___________ 57

Vgl. Lutter/Hommelhoff Einl. GmbHG Rn. 15. So im Ergebnis auch Scholz-Schneider § 43 GmbHG Rn. 63. 59 Vgl. dazu 3. Kap. C. I. 2. c). 60 Vgl. 3. Kap. C. I. 2. c). 61 Siehe dazu nachfolgend 4. Kap. D. I. 2. 58

C. Überprüfung von Spendenentscheidungen im GmbH-Recht

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2. Verfolgung von Eigeninteressen bei Spendenentscheidungen a) Gleichlauf mit aktiengesellschaftsrechtlichen Grundsätzen Die Verpflichtung auf das Unternehmenswohl enthält zudem das an die GmbH-Geschäftsführer gerichtete Verbot, unzulässigerweise durch Unternehmensspenden Eigeninteressen zu fördern. 62 Unternehmensspenden an Organisationen, die über ihre Organe gleichzeitig von den verantwortlichen Geschäftsführern vertreten werden, unterliegen wie im Aktiengesellschaftsrecht § 181 Abs. 1 BGB. 63 Soweit der Geschäftsführer in der Satzung nicht vom Selbstkontrahierungsverbot befreit ist, bedürfen diese Geschäfte in der Regel der Zustimmung der Gesellschafter.64 Von größerer praktischer Relevanz sind allerdings die Treuepflichten. Auch hier wird im Aktien- und im GmbH-Gesellschaftsrecht in der Literatur ein „weitgehender Gleichlauf“ angenommen.65 Dieser Beurteilung ist zu folgen, da sowohl die AG-Vorstandsmitglieder als auch die GmbH-Geschäftsführer die Vermögensinteressen der Gesellschaftseigentümer wahrnehmen und somit eine besondere Vertrauensstellung einnehmen.66 Danach steht im GmbH-Recht eine Treuepflichtverletzung bei Spenden im Raum, wenn sich die Geschäftsführer dabei von Eigeninteressen leiten lassen.67 Dies ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn die Spenden zu einem erheblichen Eigenvorteil des Geschäftsführers führen.68 Bei finanziellen Eigenvorteilen ist dies in der Regel der Fall.69 b) Haftungsbefreiender Gesellschafterbeschluss bei Vorliegen eines Eigeninteresses Bei Vorliegen eines treuepflichtbegründenden Eigeninteresses hat der GmbH-Geschäftsführer aber die Möglichkeit, sich durch Einholung der Zustimmung der Gesellschafter auch bei Vorliegen eines objektiven Interessen___________ 62

Vgl. dazu oben 3. Kap. C. I. 1., 3. Vgl. Lutter/Hommelhoff § 35 GmbHG Rn. 18; vgl. dazu auch oben 3. Kap. C. I. 3. a). 64 Vgl. Lutter/Hommelhoff § 35 GmbHG Rn. 19, 22; Besonderheiten ergeben sich wegen § 35 Abs. 4 GmbHG bei Einmann-Gesellschaften. Hier ist grundsätzlich eine gesellschaftsvertragliche Regelung notwendig, vgl. Lutter/Hommelhoff § 24 GmbHG Rn. 20. 65 Vgl. Oltmanns Geschäftsleiterhaftung S. 357; Raiser Kapitalgesellschaftsrecht § 32 Rn. 87. 66 Siehe dazu oben 3. Kap. C. I. 3. b) aa); vgl. auch Michalski-Haas § 43 GmbHG Rn. 86; Baumbach/Hueck-Zöllner § 35 GmbHG Rn. 19. 67 Vgl. Michalski-Haas § 43 GmbHG Rn. 83; Scholz-Schneider § 43 GmbHG Rn. 67. 68 Vgl. oben 3. Kap. C. I. 3. b). 69 Vgl. oben 3. Kap. C. I. 3. b). 63

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4. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen GmbH-Recht

konflikts vom Haftungsrisiko nach § 43 GmbHG zu befreien.70 Aufgrund von Rechtssicherheitsgesichtspunkten und der Gewährleistung von Mitwirkungsrechten von Minderheitsgesellschaftern ist dafür nach vorzugswürdiger Ansicht ein Gesellschafterbeschluss notwendig. Die einfache Zustimmung eines Mehrheitsgesellschafters ist danach nicht ausreichend.71 Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der GmbH-Geschäftsführer die Gesellschafter ausreichend über den Entscheidungsgegenstand und sein persönliches Eigeninteresse unterrichtet und nicht pflichtwidrig auf die Willensbildung der Gesellschaft eingewirkt hat.72 Daneben kann sich der Geschäftsführer bei der Spendenvergabe nicht auf nichtige Gesellschafterbeschlüsse berufen. 73 Die Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen steht im Zusammenhang mit Unternehmensspenden insbesondere dann im Raum, wenn die Spende gegen im öffentlichen Interesse erlassene Verbotsnormen verstößt.74 Daneben kann sich der Geschäftsführer nicht auf existenzgefährdende Beschlüsse berufen und damit insbesondere keine Spendengelder auszahlen, wenn dies zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führt.75 Auf anfechtbare Beschlüsse kann sich der GmbHGeschäftsführer dann stützen, wenn eine erfolgreiche Anfechtung tatsächlich nicht erfolgt.76

___________ 70 Vgl. BGH NJW-RR 1991, 483, 484; Baumbach/Hueck-Zöllner § 43 GmbHG Rn. 28; Michalski-Haas § 43 GmbHG § 43 Rn. 185; Scholz-Schneider § 43 GmbHG Rn. 96; Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner § 43 GmbHG Rn. 31; Fleck GmbHR 1974 224, 226; im Aktiengesellschaftsrecht führt die Zustimmung des Aufsichtsrats nach der hier vertretenen Ansicht dagegen nicht unmittelbar zur Haftungsbefreiung, sondern erleichtert dem betreffenden Vorstandsmitglied die Führung des Entlastungsbeweises; siehe dazu oben 3. Kap. C. I. 3. d). 71 Vgl. OLG Jena NZG 1999, 121, 122; Baumbach/Hueck-Zöllner § 43 GmbHG Rn. 28; Lutter/Hommelhoff § 43 GmbHG Rn. 22 (für die Weisung); a.A. MichalskiHaas § 43 GmbHG Rn. 185. 72 Vgl. OLG Jena NZG 1999, 121, 122; Michalski-Haas § 43 GmbHG Rn. 185, 183. 73 Vgl. Michalski-Haas § 43 GmbHG Rn. 60; Scholz-Schneider § 43 GmbHG Rn. 98. 74 Vgl. Scholz-Schneider § 43 GmbHG Rn. 98; siehe dazu unten 4. Kap. D. II.; Verstöße gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften, die grundsätzlich ebenfalls die Nichtigkeit des Beschlusses begründen, sind dagegen nur in den seltenen Ausnahmefällen denkbar, in denen ein Gesellschafter gleichzeitig Spendenempfänger ist. 75 Vgl. Scholz-Schneider § 43 GmbHG Rn. 98. 76 Vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner § 37 GmbHG Rn. 12; Scholz-Schneider § 43 GmbHG Rn. 101 ff.; zum Teil wird bei noch nicht erfolgter Anfechtung bis zum Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit ein Ermessensspielraum des Geschäftsführers angenommen, im Rahmen dessen er die Wahrscheinlichkeit der Anfechtung mit den Vorteilen einer sofortigen Ausführung des Gesellschafterbeschlusses abzuwägen hat; vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner § 43 GmbHG Rn. 35; Michalski-Haas § 43 GmbHG Rn. 62.

C. Überprüfung von Spendenentscheidungen im GmbH-Recht

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Die Möglichkeit einer haftungsbefreienden Zustimmung ist aber im GmbHRecht nicht zwingend auf die Gesellschafterversammlung beschränkt. Bei entsprechender Satzungsregelung kann dieses Recht auch einem gegebenenfalls vorhandenen Aufsichtsrat oder Beirat zustehen.77 Für die Anforderungen an deren haftungsbefreiende Zustimmung gelten die vorstehend zur Zustimmung der Gesellschafterversammlung gemachten Ausführungen entsprechend. II. Handeln auf ausreichender Informationsgrundlage Die Berufung auf das unternehmerische Ermessen setzt weiterhin voraus, dass der Geschäftsführer die betreffende Spendenentscheidung durch ausreichende Selbstinformation vorbereitet.78 Dabei gelten bei der Bestimmung der Informationspflichten grundsätzlich die gleichen Maßstäbe wie im Aktiengesellschaftsrecht. 79 Maßgeblich für Reichweite und Gegenstand der Selbstinformationspflichten sind daher die Höhe der Spende und die Dringlichkeit der Entscheidung. 80 Eine Verschärfung der Selbstinformationspflichten ist daneben dann möglich, wenn sich der GmbH-Geschäftsführer etwa bei Vorliegen eines treuepflichtbegründenden Eigeninteresses auf einen Beschluss der Gesellschafterversammlung stützen möchte.81 In diesem Fall muss er sicherstellen, dass diese vollständig informiert ist, was unter Umständen ein erhöhtes Maß an Selbstinformation erfordert.82 III. Zwischenergebnis Die zum Aktiengesellschaftsrecht gefundenen Erkenntnisse zur verfahrensmäßigen Überprüfung von Unternehmensspenden sind auf Spendenentscheidungen von Geschäftsführern im GmbH-Recht weitgehend übertragbar. Insbesondere sind auch GmbH-Geschäftsführer mangels entgegenstehender Weisungen oder Satzungsbestimmungen an das Gewinnmaximierungsinteresse gebunden. Eine Treuepflichtverletzung wegen der unzulässigen Verfolgung von Eigeninteressen wird in der Regel dann angenommen, wenn der Geschäftsführer durch die Spende einen erheblichen Eigenvorteil erlangt. Allerdings besteht im GmbH-Recht die Möglichkeit, die Geschäftsführer durch Beschluss der Gesellschafterversammlung oder eines anderen, in der Satzung dazu ermächtigten ___________ 77

Vgl. Michalski-Haas § 43 GmbHG Rn. 185, 58; Konzen NJW 1989, 2977, 2978. Vgl. dazu oben 3. Kap. C. II.; siehe zum GmbH-Recht z.B. Michalski-Haas § 43 GmbHG Rn. 74. 79 Vgl. dazu oben 3. Kap. C. II. 2., 3. 80 Vgl. dazu auch Michalski-Haas § 43 GmbHG Rn. 74 f. 81 Vgl. zur parallelen Problematik der Einschaltung des Aufsichtsrats durch den Vorstand bei Interessenkonflikten oben 3. Kap. C. II. 2. d) dd). 82 Vgl. Michalski-Haas § 43 GmbHG Rn. 185; siehe dazu auch oben 4. Kap. C. I. 2. b). 78

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4. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen GmbH-Recht

Gesellschaftsorgans von der Haftung freizustellen. Entsprechend zum Aktiengesellschaftsrecht wird im GmbH-Recht dafür eine ausreichende Information durch die Geschäftsführer vorausgesetzt.

D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen im GmbH-Recht I. Die Grenzen des erlaubten Risikos 1. Die Unsicherheit bei der Bestimmung der objektiven Risikogrenzen im GmbH-Recht Wie im Aktienrecht ist im GmbH-Recht anerkannt, dass das unternehmerische Ermessen grundsätzlich die Eingehung von Risiken erlaubt, soweit dadurch nicht die Grenzen der wirtschaftlichen Vertretbarkeit überschritten werden.83 Rechtsprechung und Literatur im GmbH-Recht ist es auch hier bisher nicht gelungen, die Grenzen des erlaubten Risikos durch generalisierungsfähige Kriterien zu konkretisieren.84 Maßgeblich für die Rechtsprechung bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines eingegangenen Risikos sind die Umstände des Einzelfalls.85 In der Literatur zum GmbH-Recht wird deswegen versucht, die Grenzen durch die Bildung von Fallgruppen zu konkretisieren. Hierzu gehören insbesondere die Vergabe ungesicherter Großkredite und die Übernahme von Unternehmensbeteiligungen mit zweifelhafter Finanzierung, unübersehbaren Risiken und ohne Aussicht auf Erträge.86 Da aber hinsichtlich der objektiven Grenzen bei der Vergabe von Unternehmensspenden im GmbH-Recht keine Rechtsprechung vorhanden ist, besteht in diesem Bereich ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit.87 Dies spiegelt sich in Teilen der Kommentarliteratur in vergleichsweise zurückhaltenden Formulierungen hinsichtlich der Zulässigkeit von Unternehmensspenden wider.88

___________ 83 Vgl. OLG Jena NZG 2001, 86, 87; Baumbach/Hueck-Zöllner § 43 GmbHG Rn. 21; Lutter-Hommelhoff § 43 GmbHG Rn. 12; Scholz-Schneider § 43 Rn. 77a; siehe zu den Grenzen des erlaubten Risikos im Aktiengesellschaftsrecht BGHZ 135, 244, 253 („ARAG/Garmenbeck“) und die Diskussion oben 3. Kap. D. I. 1. 84 Vgl. Lutter/Hommelhoff § 43 GmbHG Rn. 12; Baumbach/Hueck-Zöllner § 43 GmbHG Rn. 21. 85 Vgl. OLG Jena NZG 2001, 86, 87. 86 Vgl. Scholz-Schneider § 43 Rn. 77a; siehe dazu auch die Diskussion oben 3. Kap. D. I. 87 Vgl. dazu die Diskussion oben 3. Kap. D. I. 1; zum GmbH-Recht siehe Rowedder/ Schmidt-Leithoff-Koppensteiner § 43 GmbHG Rn. 18; Baumbach/Hueck-Zöllner § 43 GmbHG Rn. 21. 88 Vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff-Koppensteiner § 43 Rn. 16 („Unentgeltliche Zuwendungen aus dem Gesellschaftsvermögen sind häufig, aber nicht stets unzulässig“).

D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen im GmbH-Recht

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2. Nähe zum Unternehmensgegenstand und Angemessenheit als Rechtfertigungsgründe Wie im Aktiengesellschaftsrecht liegt das mit einer Spende verbundene Risiko darin, dass die dafür aufgewendeten Mittel aus Sicht der GmbH die sich aus der Spende ergebenden wirtschaftlichen Eigenvorteile übersteigen, wobei für die Beurteilung der unternehmerischen Entscheidung neben der Schadenshöhe die Schadenswahrscheinlichkeit maßgeblich ist. 89 Bei der Bestimmung der Schadenswahrscheinlichkeit ist in erster Linie auf die Nähe des Spendenzwecks zum Unternehmensgegenstand abzustellen.90 Wie die Diskussion zum Aktiengesellschaftsrecht aber gezeigt hat, beinhaltet diese Lösung angesichts der dem Geschäftsführer obliegenden Beweislast ein erhebliches Haftungsrisiko für diesen. Denn die Nähe zum Unternehmensgegenstand stellt einen relativ vagen Prüfungsmaßstab dar, der zudem nicht immer die Gesamtheit der aus der Spendentätigkeit einer GmbH zuwachsenden möglichen wirtschaftlichen Vorteile erfasst. Letzteres gilt insbesondere für solche Vorteile, die sich aus der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung von Unternehmensspenden ergeben können.91 Deswegen ist entsprechend zu dem im Aktiengesellschaftsrecht gemachten Vorschlag dem GmbH-Geschäftsführer zusätzlich die Möglichkeit zu geben, bei der Rechtfertigung einer Spende allein auf ihre Angemessenheit abzustellen.92 Fraglich ist, ob der Nachweis der Angemessenheit auch im GmbH-Recht mit Hinweisen auf vergleichbare Spenden anderer Unternehmen und auf die steuerliche Absetzbarkeit der Spende ermöglicht werden soll.93 Hinsichtlich der Heranziehung steuerrechtlicher Grundsätze bei der unternehmensgegenstandsunabhängigen Rechtfertigung von Unternehmensspenden ist dies der Fall. Dafür spricht vor allem, dass – entsprechend den oben zur Aktiengesellschaft gemachten Ausführungen zur Absetzbarkeit von Unternehmensspenden – auch für die GmbH der Grundsatz gilt, dass Spenden in der Regel einen Beitrag zur Sicherung der langfristigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens darstellen.94 Unternehmensspenden von Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Nr. 1 KStG steu-

___________ 89

Vgl. dazu und zum Folgenden oben 3. Kap. D. I. 3. Vgl. oben 3. Kap. D. I. 3. b); BGH StV 2002, 137, 140 (für die Aktiengesellschaft); vgl. für die GmbH im Ergebnis auch Scholz-Schneider § 43 GmbHG Rn. 66; Rittner FS Knur 205, 233. 91 Vgl. oben 3. Kap. D. I. 3. b). 92 Vgl. dazu oben 3. Kap. D. I. 4. a). 93 Vgl. oben 3. Kap. D. I. 4. d). 94 Vgl. oben 3. Kap. D. I. 4. a); so im Ansatz auch Michalski-Haas § 43 GmbHG Rn. 82. 90

218

4. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen GmbH-Recht

erlich absetzbar.95 Aus der Einhaltung dieser steuerlichen Absetzbarkeitsgrenzen kann analog zu dem für die Aktiengesellschaft entwickelten Gedanken auf eine Vermutung zugunsten der objektiven Zulässigkeit von Unternehmensspenden geschlossen werden. Denn solche Spenden bewegen sich im Rahmen der an das Unternehmen gerichteten gesamtgesellschaftlichen Erwartungen.96 Schwieriger ist dagegen im GmbH-Recht die Heranziehung vergleichbarer Unternehmen. Im Grundsatz können auch vergleichbare Spenden anderer Unternehmen Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Spende im Hinblick auf die an das Unternehmen gerichteten gesamtgesellschaftlichen Erwartungen bieten. Zudem gibt es im Vergleich zur Aktiengesellschaft vielmehr Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die grundsätzlich als Vergleichsobjekt dienen könnten. Da die GmbH in ihrer Ausgestaltung viel flexibler ist, wird die Vergleichbarkeit zweier Gesellschaften im Einzelfall aber noch schwieriger zu begründen sein, als dies im Aktiengesellschaftsrecht der Fall ist.97 II. Gesetzliche Verbotsregelungen als objektive Grenze für die Zulässigkeit von Unternehmensspenden im GmbH-Recht Wie im Aktiengesellschaftsrecht begründet im GmbH-Recht der Verstoß gegen Verbotsgesetze die Pflichtwidrigkeit einer Unternehmensspende. 98 Der Geschäftsführer hat dafür zu sorgen, dass sich die GmbH im Außenverhältnis entsprechend ihren gesetzlichen Pflichten verhält.99 Bei Unternehmensspenden kommen hier insbesondere Schmiergeldzahlungen, Spenden an verbotene Gesetze, Verstöße gegen die Steuergesetze und Verstöße gegen das Parteispendengesetz in Betracht.100

___________ 95 Siehe zu den sich aus der steuerlichen Nicht-Absetzbarkeit von Unternehmensspenden an politische Parteien ergebenden Konsequenzen oben 3. Kap. D. I. 4. d) dd). 96 Vgl. 3. Kap. D. I. 4. d); für die Heranziehung der steuerlichen Absetzbarkeit bei Rechtfertigung von Unternehmensspenden auch Scholz-Schneider § 43 GmbHG Rn. 67, der daneben aber auch eine Grenze von 2% des Bilanzgewinns heranzieht, ohne diesen Wert näher zu begründen. 97 Vgl. zu dieser Problematik im Aktiengesellschaftsrecht oben 3. Kap. D. I. 4. b). 98 Vgl. dazu oben 3. Kap. D. II. 99 Vgl. Michalski-Haas § 43 GmbHG Rn. 46; Scholz-Schneider § 43 GmbHG Rn. 52; Lutter GmbHR 2000, 301, 302 f. 100 Vgl. dazu oben 3. Kap. D. II. 2.

D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen im GmbH-Recht

219

III. Das Mitspracherecht der Gesellschafter bei ungewöhnlichen Geschäften als objektive Grenze 1. Unternehmerisches Ermessen bei ungewöhnlichen Maßnahmen Wie bereits oben dargestellt, ergeben sich aus den gesetzlichen und satzungsmäßigen Mitwirkungsrechten der GmbH-Gesellschafter Modifikationen hinsichtlich der Reichweite des unternehmerischen Ermessens.101 Im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit Satzungsbestimmungen und Gesellschafterweisungen sind Spendenentscheidungen auch materiell voll überprüfbar.102 Bei ungewöhnlichen Maßnahmen wird darüber hinaus die alleinige Entscheidungszuständigkeit des Geschäftsführers grundsätzlich verneint und eine Vorlagepflicht begründet. Diese Vorlagepflichten wirken materiell als Ermessensgrenzen.103 Gleichzeitig sind die Grundsätze des unternehmerischen Ermessens bei der Eingrenzung der ungewöhnlichen Geschäfte zu berücksichtigen. 104 Wie dieses Zusammenspiel von Gesellschafterrechten und unternehmerischem Ermessen bei Spendenentscheidungen genau funktioniert, ist anhand der einzelnen Fallgruppen von ungewöhnlichen Maßnahmen zu klären.105 2. Abgrenzungskriterien für vorlagepflichtige ungewöhnliche Maßnahmen a) Vorlagepflicht bei erhöhter Schadenswahrscheinlichkeit? Die erste Fallgruppe von ungewöhnlichen Maßnahmen besteht aus Entscheidungen, die mit einem besonderen Risiko verbunden sind. Deswegen ist zunächst zu klären, inwieweit das mit einer Spende verbundene wirtschaftliche Risiko eine Vorlagepflicht auslösen kann. Entsprechend den oben gemachten Ausführungen ist dies jedenfalls dann bei Spenden der Fall, wenn diese nicht wirtschaftlich vertretbar sind.106 Denn in diesem Fall stellt die Spende nach den ARAG/Garmenbeck-Grundsätzen ein ___________ 101

Vgl. oben 4. Kap. A. I., B. II. Vgl. oben 4. Kap. B. I. 103 Vgl. oben 4. Kap. A. II. 2. b). 104 Vgl. oben 4. Kap. A. II. 2. b). 105 Vgl. zu den in Literatur und Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen oben 4. Kap. A. II. 2. a); nicht berücksichtigt wird die in diesem Zusammenhang häufig genannte Fallgruppe von Maßnahmen, die nicht durch die Satzung gedeckt sind. Diese werden ohnehin nicht vom unternehmerischen Ermessen umfasst; vgl. dazu oben 4. Kap. B. I.; so auch Kort ZIP 1991, 1274, 1278; Scholz-Schneider § 37 Rn. 113 Fn. 10. 106 Vgl. in Bezug auf die Unternehmensbezogenheit der Spende als Abgrenzungskriterium Rittner FS Knur 205, 233. 102

220

4. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen GmbH-Recht

unvertretbares Risiko dar, sodass sich der Geschäftsführer nicht mehr auf sein unternehmerisches Ermessen berufen kann.107 Fraglich ist, ob die Rechtsfigur der ungewöhnlichen Geschäfte darüber hinaus eine zusätzlich verschärfte Risikoüberprüfung notwendig macht. Dies könnte bedeuten, dass die Bindung der Spende an den Unternehmensgegenstand und die Angemessenheitsprüfung im GmbH-Recht strengeren Maßstäben zu unterliegen hätten als im Aktiengesellschaftsrecht. Dagegen spricht aber, dass das unternehmerische Ermessen gerade die Eingehung unternehmerischer Risiken durch den Geschäftsführer absichern soll.108 Eine Aushöhlung des unternehmerischen Ermessens bei risikoreichen Entscheidungen liegt auch nicht im Interesse der Gesellschafter. Anders als im Personengesellschaftsrecht wird im GmbH-Recht den Gesellschaftern durch die Zulassung der Fremdgeschäftsführung die Möglichkeit gegeben, sich aus dem unternehmerischen Alltagsgeschäft herauszuhalten. Soweit eine risikoreiche Tätigkeit nicht mit unvertretbaren Risiken verbunden ist, besteht kein Grund, GmbH-Gesellschafter ohne ihren Willen in die Geschäftsführungstätigkeit einzubinden. Daher wird durch diese Fallgruppe der ungewöhnlichen Maßnahmen die materielle Risikoüberprüfung von Unternehmensspenden im Vergleich zu den im Aktiengesellschaftsrecht geltenden Grundsätzen nicht modifiziert. b) Vorlagepflicht bei Änderung der Geschäftspolitik Aus den obigen Ausführungen zu den ungewöhnlichen Geschäften ergibt sich, dass Spendenentscheidungen auch dann vorlagepflichtig sind, wenn sie eine Änderung der Geschäftspolitik darstellen. 109 Nach der Rechtsprechung kommt dies in Betracht bei „Maßnahmen und Entscheidungen, die den Rahmen des bisherigen Geschäftsbetriebs sprengen“.110 Naheliegend ist dies insbesondere bei erstmaligen Spenden, bei denen kein ausreichend enger Bezug zum Unternehmensgegenstand erkennbar ist. 111 Ähnliches gilt für Spenden, deren Zielrichtung und Höhe von bisherigen Spendenentscheidungen abweichen. Damit bedürfen im GmbH-Recht teilweise Spenden, die im Aktienrecht als angemessene Beiträge zur Erhaltung und Pflege der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen gerechtfertigt werden könnten, unter Umständen eines Gesellschafterbeschlusses.112 ___________ 107

Vgl. dazu auch Kort ZIP 1991, 1274, 1277. Vgl. Kort ZIP 1991, 1274, 1278. 109 Siehe dazu oben 4. Kap. A. II. 2. a). 110 Vgl. BGH GmbHR 1991, 197. 111 Vgl. im Ergebnis auch Rittner FS Knur 205, 233. 112 Siehe dazu oben 3. Kap. D. I. 4. 108

D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen im GmbH-Recht

221

c) Vorlagepflicht bei Spenden gegen den (mutmaßlichen) Willen der Gesellschafter Weiterhin dürfen Geschäftsführer über Unternehmensspenden nicht eigenmächtig entscheiden, die dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen der Gesellschafter widersprechen. 113 Dieser Grundsatz wird nicht durch das unternehmerische Ermessen eingeschränkt, sondern stellt eine zusätzliche Ermessensgrenze dar. Zweck des unternehmerischen Ermessens bei der GmbH ist es nämlich, die Handlungsfähigkeit der GmbH zu gewährleisten und den mit der unternehmerischen Tätigkeit zwangsläufig verbundenen Risiken Rechnung zu tragen. Dagegen soll dadurch nicht die vom Gesetz vorgegebene Hierarchie der Organe, die die Gesellschafterversammlung als oberstes Organ sieht, ausgehebelt werden. Diese Gefahr besteht dann, wenn ein GmbH-Geschäftsführer nicht mit der Zustimmung der GmbH-Gesellschafter rechnen kann. Bei der Ermittlung des tatsächlichen und mutmaßlichen Gesellschafterwillens ist auf die Formulierung der Satzung, frühere Weisungen und sonstige Äußerungen der Gesellschafter zurückzugreifen. Für die Annahme einer vorlagepflichtigen Maßnahme kann es bereits ausreichen, dass mit Sicherheit von dem Veto auch nur eines Gesellschafters ausgegangen werden kann.114 d) Beweislastverteilung hinsichtlich der Vereinbarkeit der Spende mit der bisherigen Geschäftspolitik und dem Gesellschafterwillen aa) Anwendbarkeit von § 93 Abs. 2 S. 2 AktG analog Soweit die Grenzen des den Geschäftsführern zustehenden unternehmerischen Ermessens durch die erhöhten Gesellschafter-Mitwirkungsrechte materiell modifiziert werden, stellt sich die Frage, inwieweit sich diese Modifikationen auf die Beweislastverteilung bei der Überprüfung von Geschäftsführerentscheidungen auswirken. Wie sich aus den obigen Erwägungen zur Beweislastverteilung ergibt, trägt der Geschäftsführer grundsätzlich nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG analog die Beweislast für die Pflichtgemäßheit seines Verhaltens.115 Allerdings muss die klagende Gesellschaft Anhaltspunkte dafür darlegen, dass es sich bei der betreffenden Spende um ein ungewöhnliches Geschäft handelt, weil sie der bisherigen Geschäftspolitik oder dem (mutmaßlichen) Gesellschafterwillen widerspricht.

___________ 113 Vgl. BGH NJW 1984, 1462; OLG Frankfurt GmbHR 1989, 254, 255; Lutter/ Hommelhoff § 37 GmbHG Rn. 11; Altmeppen/Roth § 37 GmbHG Rn. 6. 114 Vgl. OLG Frankfurt/M. GmbHR 1989, 254, 255; Michalski-Haas § 37 GmbHG Rn. 15. 115 Vgl. oben 4. Kap. B. III.

222

4. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen GmbH-Recht

Der GmbH-Geschäftsführer kann sich bei der Führung seines Entlastungsbeweises grundsätzlich auf frühere vergleichbare Spendenentscheidungen seiner GmbH stützen. Daneben kann er sich auf Äußerungen der Gesellschafterversammlung berufen, aus denen sich die Vereinbarkeit der Spende mit dem (mutmaßlichen) Gesellschafterwillen entnehmen lässt. bb) Beweiserleichterung bei wirtschaftlich vertretbaren Spenden? Schwieriger ist die Verteilung der Beweislast, wenn zum Zeitpunkt der Spendenentscheidung keine vorherigen positiven oder negativen Entscheidungen bzw. Willensäußerungen der Gesellschafter hinsichtlich der Zulässigkeit von Unternehmensspenden vorliegen. Hier stellt sich die Frage, ob sich bereits aus der Vertretbarkeit des mit der Spende verbundenen wirtschaftlichen Risikos eine Vermutung hinsichtlich der Vereinbarkeit der Entscheidung mit der Geschäftspolitik der GmbH und dem Gesellschafterwillen entnehmen lässt. Soweit die steuerliche Absetzbarkeit der Spende eine Vermutung hinsichtlich ihrer Angemessenheit begründet, würde dies auf eine Erstreckung dieser Vermutungswirkung auf die Nicht-Verletzung von zwingenden Vorlagepflichten hinauslaufen. Dagegen lässt sich anführen, dass sich aus der wirtschaftlichen Vertretbarkeit unmittelbar keine Aussage über eine Präferenz der Gesellschafter für die betreffende Spende entnehmen lässt. Dies gilt besonders dann, wenn die wirtschaftliche Vertretbarkeit nicht mit der Nähe zum Unternehmensgegenstand begründet werden kann, sodass für ihre Rechtfertigung weitgehend auf die steuerliche Absetzbarkeit zurückgegriffen werden muss. Denn die bei steuerlich absetzbaren Spenden vermuteten wirtschaftlichen Vorteile liegen in der Sicherung und Verbesserung der gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen für das Unternehmen und sind daher tatsächlich allein langfristig und damit schwer messbar. Trotzdem sprechen die gewichtigeren Gründe für eine Vermutung gegen das Vorliegen einer ungewöhnlichen Maßnahme bei wirtschaftlich vertretbaren Spenden. Zunächst sind solche Spenden in der Regel aus unternehmensstrategischer Sicht von geringer Bedeutung. Gerade steuerlich absetzbare Spenden stellen angesichts der für die Absetzbarkeit geltenden numerischen Grenzen keine Entscheidungen von erheblicher wirtschaftlicher Relevanz für ein Unternehmen dar. Ebenso wenig lassen sich aus Spenden strategische Neuorientierungen hinsichtlich der Ausfüllung des vom Unternehmensgegenstand vorgegebenen unternehmerischen Tätigkeitsfelds entnehmen. Ein gesteigertes Schutzbedürfnis der GmbH-Gesellschafter ist deswegen bei Unternehmensspenden in der Regel nicht erkennbar. Für die Vermutung gegen eine Vorlagepflicht bei wirtschaftlich vertretbaren Spenden im GmbH-Recht sprechen zudem der Schutz des unternehmerischen Ermessens und Rechtssicherheitsgesichtspunkte. Die aufgrund der Beweiserleichterungen erreichte Sicherung des unternehmerischen Ermessens von Ge-

D. Materielle Grenzen für Spendenentscheidungen im GmbH-Recht

223

schäftsführern bei Spendenentscheidungen würde unterlaufen werden, wenn man die sich aus der steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden ergebende Vermutungswirkung nicht auf die Entscheidungsbefugnis des Geschäftsführers erstrecken würde. cc) Begrenzung des Anwendungsbereichs für die Beweiserleichterung Zudem bedeutet die Erstreckung der Beweiserleichterungen auf die Vereinbarkeit der Spende mit der Geschäftspolitik und dem Gesellschafterwillen nicht eine komplette Überlagerung der ungeschriebenen Vorlagepflichten durch die Grundsätze des unternehmerischen Ermessens. Denn eine Vorlagepflicht besteht jedenfalls dann, wenn sich aus der bisherigen Geschäftspolitik und aus Gesellschafteräußerungen positiv eine Ablehnung von Unternehmensspenden entnehmen lässt.116 Eine solche Äußerung muss zwar von der GmbH im Prozess dargelegt werden. Dafür ist es aber ausreichend, dass Satzung und Gesellschafterweisungen die Entscheidungsbefugnis des Geschäftsführers allgemein so eng begrenzen, dass Zweifel bestehen, ob der den GmbH-Geschäftsführern eingeräumte Raum für eigenverantwortliches Handeln auch solche Randbereiche unternehmerischer Tätigkeit wie die Vergabe von Unternehmensspenden umfasst. IV. Zusammenfassung Die materielle Überprüfung von Spendenentscheidungen im GmbH-Recht hinsichtlich der Grenzen des erlaubten Risikos und der Einhaltung zwingender öffentlicher Normen erfolgt entsprechend den im 3. Kapitel für die Aktiengesellschaft konkretisierten Maßstäben. Eine Spende ist zulässig, wenn entweder der Spendenzweck mit dem Unternehmensgegenstand ausreichend eng verbunden oder die Spende angemessen ist. Der beweispflichtige Geschäftsführer kann den Nachweis der Angemessenheit durch den Verweis auf vergleichbare Unternehmensspenden oder auf die steuerliche Absetzbarkeit der Spende führen.117 Allerdings erstreckt sich die Kontrolle von Unternehmensspenden zusätzlich darauf, ob es sich bei der Spende um eine vorlagepflichtige ungewöhnliche Maßnahme handelt. Daher ist im GmbH-Recht zusätzlich die Vereinbarkeit der Spende mit der bisherigen Geschäftspolitik der GmbH und dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen der GmbH-Gesellschafter Gegenstand der richterli___________ 116

Vgl. oben 4. Kap. D. III. 2. c). Da Unternehmensspenden an politische Parteien nicht steuerlich absetzbar sind, können diese unter Anwendung dieser Grundsätze nur mit ihrer ausreichenden Nähe zum Unternehmensgegenstand oder durch den Hinweis auf vergleichbare Spenden gerechtfertigt werden. Siehe dazu oben 3. Kap. D. I. 4. d) dd). 117

224

4. Kapitel: Unternehmensspenden im deutschen GmbH-Recht

chen Prüfung von Spendenentscheidungen. Für eine Nicht-Verletzung der Vorlagepflichten trägt der Geschäftsführer grundsätzlich die Beweislast. Bei wirtschaftlicher Vertretbarkeit der Spende ist allerdings nach der hier vertretenen Ansicht davon auszugehen, dass diese keine ungewöhnliche Maßnahme darstellt. Allerdings gilt dies nicht, wenn frühere Äußerungen oder Maßnahmen der Gesellschafter Anhaltspunkte dafür bieten, dass sich die Entscheidungsbefugnis der Geschäftsführer nicht auf Unternehmensspenden erstrecken soll.

Fünftes Kapitel

Ergebnisse und Thesen A. I.

Die innergesellschaftliche Zuständigkeit für die Spendenvergabe Nach amerikanischem Recht liegt die Entscheidungszuständigkeit für Unternehmensspenden grundsätzlich beim board of directors. In der modernen amerikanischen Praxis entscheiden in der Regel die festangestellten executive officers über die Spenden.1 II. Im deutschen Aktiengesellschaftsrecht fallen Unternehmensspenden in den Zuständigkeitsbereich des Vorstands.2 III. Im GmbH-Recht sind die Geschäftsführer grundsätzlich für die Vergabe von Unternehmensspenden zuständig, soweit keine Satzungsregelung entgegensteht. Allerdings kann nach dem gesetzlichen Regelungsplan auch die Gesellschafterversammlung Spendenentscheidungen an sich ziehen.3 Die Frage, inwieweit Unternehmensspenden darüber hinaus als „ungewöhnliche Maßnahmen“ der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen, berührt zwar die Zuständigkeitsverteilung im GmbH-Recht. Im Rahmen von § 43 GmbHG handelt es sich aber in erster Linie um eine Ermessensproblem.4 B.

Die Berücksichtigung des unternehmerischen Ermessens bei der Prüfung von innergesellschaftlichen Haftungsansprüchen gegen die Geschäftsleiter Bei der Überprüfung von Unternehmensspenden im Rahmen von § 93 AktG und § 43 GmbHG ist das unternehmerische Ermessen der Vorstandsmitglieder sowie der GmbH-Geschäftsführer zu berücksichtigen. 5 Unter Zugrundelegung der in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung aufgestellten Kriterien ist hinsichtlich des Entscheidungsverfahrens zu prüfen, ob die Spendenentscheidung (1) subjektiv am Gesellschaftsinteresse orientiert war, (2) ob sich die verantwortlichen Vorstandsmitglieder in einem Interessenkonflikt befanden, aus dem auf eine Treuepflichtverletzung zu schließen ist, und ob sie (3) auf einer ausreichenden Informations-

I.

___________ 1

Vgl. 2. Kap. A. II. Vgl. 3. Kap. A. 3 Vgl. 4. Kap. A. 4 Vgl. 4. Kap. A. II. 2. 5 Vgl. 3. Kap. B. II. 1., 4. Kap. B. I., II. 2

5. Kapitel: Ergebnisse und Thesen

226

grundlage getroffen wurde.6 Materiell ist zu prüfen, ob die Entscheidung ein unvertretbares Risiko darstellt und ob durch die Spende Verbotsgesetze verletzt wurden.7 Im Ergebnis ergibt sich damit insoweit ein Prüfungsschema, das der amerikanischen business judgment rule sehr ähnelt.8 II. Im GmbH-Recht ist bei Geschäftsführerentscheidungen über Unternehmensspenden nach der hier vertretenen Ansicht darüber hinaus zu prüfen, ob die Spendenentscheidung eine ungewöhnliche Maßnahme darstellt und somit der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf.9 III. Für die Erfüllung dieser Voraussetzungen tragen im deutschen Aktiengesellschaftsrecht, anders als nach der im amerikanischen Recht geltenden business judgment rule, die Vorstandsmitglieder grundsätzlich die Beweislast. Gelingt ihnen der notwendige Nachweis, findet keine weitere Überprüfung der (materiellen) Pflichtwidrigkeit der Entscheidung statt.10 Gelingt er ihnen nicht, ist im deutschen Recht in der Regel von einer Sorgfaltspflichtverletzung auszugehen. IV. Im deutschen GmbH-Recht ist im Zusammenhang mit der Geschäftsführerhaftung § 93 Abs. 2 S. 2 AktG analog anwendbar. Deswegen gelten die zum deutschen Aktiengesellschaftsrecht entwickelten Beweislastregeln hier entsprechend.11 V. Während im amerikanischen Recht bei Nichtanwendbarkeit der business judgment rule die unternehmerische Entscheidung zunächst auf ihre fairness überprüft werden muss, ist nach deutschem Recht vor allem das Vorliegen eines Schadens weitere Voraussetzung für die Haftung des Vorstands oder der GmbH-Geschäftsführer.12 Dieser liegt bei Unternehmensspenden in der durch die Spende verursachten Vermögensminderung, die von der klagenden Gesellschaft zu beweisen ist.13 C.

Die Bindung an das Gewinnmaximierungsprinzip bei der Vergabe von Unternehmensspenden Geschäftsleiter sind aufgrund ihrer Verpflichtung auf das Unternehmenswohl sowohl im amerikanischen als auch im deutschen Gesellschaftsrecht grundsätzlich an das Ziel der Gewinnmaximierung gebunden.14 Für das deutsche Recht ist entgegen der herrschenden Lehre eine grundsätzliche Relativierung des aus dem Gesellschaftszweck ableitbaren Gewinnmaxi-

I.

___________ 6

Vgl. 3. Kap. B. II. 1., C. I. 1. Vgl. 3. Kap. B. II. 1., D. 8 Vgl. 3. Kap. B. III. 1. 9 Vgl. 4. Kap. B. II., D. III. 10 Vgl. 3. Kap. B. II. 2.; 2. Kap. A. III. 3. b). 11 Vgl. 4. Kap. B. III. 12 Vgl. 3. Kap. B. II. 1. c). 13 Vgl. 3. Kap. B. II. 2. 14 Vgl. 3. Kap. C. I. 2., 4. Kap. C. I. 1. a), 2. Kap. B. III. 7

5. Kapitel: Ergebnisse und Thesen

227

mierungsziels durch die Bindung an entgegenstehende Interessen der Arbeitnehmer oder der Öffentlichkeit abzulehnen. II. Speziell für den Bereich der Unternehmensspenden lässt sich jedoch im amerikanischen Recht aus den Spendenstatuten eine Ausnahme zu diesem Prinzip entnehmen, da hier ausdrücklich gemeinnützige Spenden für zulässig erklärt werden. 15 Im deutschen Aktiengesellschafts- und GmbHRecht dagegen müssen auch Spenden mangels entgegenstehender satzungsmäßiger Bestimmungen langfristig am Ziel der Gewinnmaximierung ausgerichtet sein.16 III. Im amerikanischen Fallrecht wie im deutschen Recht wird das zwischen der Bindung an das Prinzip der Gewinnmaximierung und dem unternehmerischen Ermessen bestehende Spannungsverhältnis zugunsten des Ermessens aufgelöst, da die Vereinbarkeit der Spende mit dem Gewinnmaximierungsziel nicht Gegenstand der richterlichen Überprüfung ist. Ausreichend ist, dass die verantwortlichen Geschäftsleiter subjektiv mit der Spende Gewinninteressen verfolgt haben.17 Anders als im amerikanischen Recht obliegt die Beweislast dafür im Aktiengesellschafts- und GmbHRecht aber dem beklagten Geschäftsleiter. Daher muss dieser im deutschen Recht beweisen, dass die angegriffene Spende zumindest möglicherweise den Gewinninteressen der Gesellschaft gedient hat.18 IV. Für das deutsche Aktiengesellschaftsrecht wird jedoch der im amerikanischen Fallrecht entwickelte Grundsatz übernommen, dass Spenden nicht unbedingt auf einen konkreten unternehmensbezogenen Vorteil abzuzielen haben, sondern dass sie auch als Beitrag zur Erhaltung der marktwirtschaftlichen Ordnung zu rechtfertigen sind. Begründen lässt sich dies mit den an die „Wirtschaft“ als solche gerichteten sozialen Erwartungen.19 Im Ergebnis sind deswegen die Anforderungen an das Beweisvorbringen der Vorstandsmitglieder im deutschen Recht sehr niedrig. Diese Beweiserleichterung ist aus denselben Gründen auf das deutsche GmbH-Recht übertragbar.20 D. I.

Interessenkonflikte bei der Vergabe von Unternehmensspenden Ähnlich wie im amerikanischen Recht sind die Grundsätze des unternehmerischen Ermessens im deutschen Recht häufig nicht anwendbar, wenn sich die verantwortlichen Geschäftsleiter in Interessenkonflikten befinden. Da im deutschen Recht für die Fälle der Mehrfachvertretungen und für Insich-Geschäfte gesetzliche Sonderregelungen gelten, ist insbesondere die

___________ 15

Vgl. 2. Kap. B. III. 3. Vgl; 3. Kap. C. I. 2., 2. Kap. B. III. 17 Vgl. 3. Kap. C. I. 2. c)-d), 2. Kap. B. III. 3. b). 18 Vgl. 3. Kap. C. I. 2. c) bb), D. I. 2., 4. Kap. C. I. 1. b). 19 Vgl. 3. Kap. D. I. 2., 2. Kap. B. III. 3. b). 20 Vgl. 4. Kap. D. I. 2. 16

5. Kapitel: Ergebnisse und Thesen

228

Fallgruppe der mittelbaren Vorteile für Geschäftsleiter aus Unternehmensspenden aus rechtsvergleichender Sicht von Interesse.21 Nach amerikanischem Recht sind grundsätzlich nur erhebliche finanzielle Vorteile geeignet, die Anwendbarkeit der business judgment rule auszuschließen. Allerdings gibt es im Fallrecht und vor allem in der Literatur Ansätze, haftungsrelevante Interessenkonflikte auch bei nicht-finanziellen Vorteilen anzunehmen.22 II. Im deutschen Recht müssen nach der hier vertretenen Auffassung die mittelbar erlangten Vorteile die Grenze der Erheblichkeit überschritten haben, um aus ihnen auf eine Treuepflichtverletzung schließen zu können.23 Dies ist bei finanziellen Vorteilen in der Regel der Fall. Bei nicht-finanziellen Vorteilen – wie etwa Gewinn an Sozialprestige oder der Förderung von dem betreffenden Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer nahestehenden Personen – sind strengere Maßstäbe anzusetzen, weil die meisten Unternehmensspenden mit psychologischen Vorteilen für die verantwortlichen Geschäftsleiter verbunden sind. Im Ergebnis müssen die erlangten immateriellen Vorteile mit finanziellen Vorteilen vergleichbar sein.24 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Vorstandsmitglied oder GmbHGeschäftsführer nach außen als der eigentliche Spender auftritt. III. Im Aktiengesellschaftsrecht kann bei Vorliegen eines erheblichen Eigenvorteils für Vorstandsmitglieder die Zustimmung des vollständig über den Interessenkonflikt aufgeklärten Aufsichtsrats die Vermutung für eine Treuepflichtverletzung widerlegen.25 Nicht ausreichend ist dagegen nach der hier vertretenen Auffassung die Offenlegung von Eigenvorteilen für einzelne Vorstandsmitglieder gegenüber dem Gesamtvorstand.26 IV. Im GmbH-Recht hat die Zustimmung der Gesellschafterversammlung oder eines anderen, in der Satzung dazu ermächtigten Organs eine haftungsbefreiende Wirkung für den GmbH-Geschäftsführer, wenn sie auf einer ausreichenden Informationsgrundlage ergeht.27 E. I.

Die Pflicht zur ausreichenden Selbstinformation Bei der Pflicht zur Selbstinformation stellt das amerikanische Recht niedrige Anforderungen. Zum Teil wird hier der Maßstab der groben Fahrlässigkeit herangezogen, zum Teil wird die Entscheidung über den Umfang der notwendigen Selbstinformation als richterlich nur eingeschränkt über-

___________ 21

Vgl. 3. Kap. C. I. 3. a), b), 2. Kap. B. I. Vgl. 2. Kap. B. I. 23 Vgl. 3. Kap. C. I. 3. b), 4. Kap. C. I. 2. a). 24 Vgl. 3. Kap. C. I. 3. b) bb). 25 Vgl. 3. Kap. C. I. 3. d) bb). 26 Vgl. 3. Kap. C. I. 3. d) cc). 27 Vgl. 4. Kap. C. I. 2. b). 22

5. Kapitel: Ergebnisse und Thesen

229

prüfbare Ermessensentscheidung behandelt.28 Auf das deutsche Aktiengesellschaftsrecht ist dieser Ansatz nicht ohne weiteres übertragbar, da hier von einem einfachen Fahrlässigkeitsmaßstab ausgegangen wird und die Verfahrenskontrolle angesichts der relativ strengen Formulierung von § 93 AktG als Ausgleich für den teilweisen Verzicht auf eine materielle Entscheidungskontrolle dient.29 II. Allerdings gilt hier die Pflicht zur Selbstinformation ebenfalls nicht unbegrenzt und ist entsprechend der Bedeutung und der Umstände der Entscheidung im Einzelfall zu bestimmen.30 Hinsichtlich der Gegenstände der Informationspflichten bei Spendenentscheidungen bietet das amerikanische Fallrecht Anschauungsmaterial, das auch für die nähere Bestimmung der Informationspflichten im deutschen Recht Anhaltspunkte bietet. 31 Entscheidend ist, dass sich die betreffenden Geschäftsleiter ausreichend über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Spende auf die Gesellschaft selbst informieren. III. Im GmbH-Recht gelten die gleichen Grundsätze hinsichtlich Reichweite und Gegenstand der Informationspflichten bei der Vergabe von Unternehmensspenden wie im Aktiengesellschaftsrecht.32 F. I.

Die wirtschaftliche Vertretbarkeit von Unternehmensspenden Hinsichtlich der materiellen Kontrolle von Spendenentscheidungen ist nur nach deutschem Aktiengesellschaftsrecht zu prüfen, ob das mit einer Spende eingegangene wirtschaftliche Risiko vertretbar war. Gegenstand der Risikoüberprüfung ist die ausreichende Wahrscheinlichkeit eines mit der Spende verbundenen wirtschaftlichen Vorteils zugunsten der Gesellschaft.33 Bei der Bestimmung dieser Wahrscheinlichkeit ist grundsätzlich auf die Nähe des Spendenzwecks zum Unternehmensgegenstand abzustellen. Wie das alte amerikanische Fallrecht zur Anwendbarkeit der Ultra vires-Doktrin auf Unternehmensspenden zeigt, lässt diese Prüfung viel Raum für individuelle richterliche Wertungen und birgt daher die Gefahr der Rechtsunsicherheit.34 Deswegen wird hier – entsprechend der im amerikanischen Recht geltenden Grundsätze – vorgeschlagen, bei der materiellen Überprüfung von Spendenentscheidungen bereits die Angemessenheit der Spende im Hinblick auf ihre objektive Rechtmäßigkeit genügen zu lassen. Dies lässt sich mit der im

II.

___________ 28

Vgl. 2. Kap. B. II. 1. Vgl. 3. Kap. C. II. 2. a)-c). 30 Vgl. 3. Kap. C. II. 2. d). 31 Vgl. 3. Kap. C. II. 3., 2. Kap. B. II. 2. 32 Vgl. 4. Kap. C. II. 33 Vgl. 3. Kap. D. I. 3.; siehe zum Erfordernis der Möglichkeit des Eigenvorteils oben 5. Kap. C. III. 34 Vgl. 3. Kap. D. I. 3. b), 2. Kap. A. I. 29

5. Kapitel: Ergebnisse und Thesen

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Falle der Angemessenheit geltenden Vermutung begründen, dass die Spende langfristig die Erhaltung der Rahmenbedingungen für gewinnmaximierende Unternehmenstätigkeit sichert. Diese Rechtfertigung bietet eine Art „safe harbor“ für Spendenentscheidungen. Außerhalb dieses Bereichs bleibt im deutschen Aktiengesellschaftsrecht die Überprüfung des mit der Spende verbundenen wirtschaftlichen Risikos anhand der Nähe des Spendenzwecks zum Unternehmensgegenstand maßgebliches Kriterium für die materielle Überprüfung von Spendenentscheidungen.35 III. Neben vergleichbaren Spenden anderer Unternehmen dienen die steuerrechtlichen Absetzbarkeitsregelungen der näheren Bestimmung der Angemessenheit. Ähnlich wie im amerikanischen Recht sollen die steuerrechtlichen Regelungen aber nicht bindend sein, sondern lediglich eine Vermutung für eine angemessene Spende begründen.36 Zur Begründung lässt sich für das deutsche Recht anführen, dass steuerrechtliche Regelungen ein Indiz für das Ausmaß der von der Allgemeinheit an Unternehmen gerichteten Erwartungen hinsichtlich ihrer Spendentätigkeit bieten.37 IV. Die Überprüfung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit von Spendenentscheidungen im Rahmen von § 43 GmbHG unterscheidet sich nach dem hier vertretenen Ansatz grundsätzlich nicht von den für das Aktiengesellschaftsrecht entwickelten Leitlinien. Die Berufung auf vergleichbare Spendentätigkeit anderer Unternehmen im Rahmen der Angemessenheitsprüfung ist jedoch für Geschäftsführer erschwert, weil das flexiblere GmbH-Recht weniger Raum für die Vergleichbarkeit verschiedener Gesellschaften mit beschränkter Haftung lässt.38 G.

Außergesellschaftsrechtliche Verbotsgesetze als materielle Grenze für Spendenentscheidungen

Im deutschen wie im amerikanischen Recht stellen außerhalb des Gesellschaftsrechts stehende Verbotsgesetze äußere Ermessensgrenzen dar. Relevant werden können diese in der Praxis insbesondere im Zusammenhang mit politischen Spenden.39 H.

Vorlagebedürftigkeit von „ungewöhnlichen“ Spendenentscheidungen im GmbH-Recht GmbH-Geschäftsführer dürfen über Spenden nicht ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung entscheiden, wenn diese „ungewöhnliche Maßnahmen“ darstellen. Insoweit ist ihr unternehmerisches Ermessen im Vergleich zum Vorstand einer Aktiengesellschaft zusätzlich begrenzt. Gleich-

I.

___________ 35

Vgl. 3. Kap. D. I. 4., 5., 2. Kap. A. I. 5., C. II. Vgl. 3. Kap. D. I. 5., 2. Kap. C. II. 4. 37 Vgl. 3. Kap. D. I. 4. d). 38 Vgl. 4. Kap. D. I. 39 Vgl. 3. Kap. D. II., 4. Kap. D. II., 2. Kap. C. III. 36

5. Kapitel: Ergebnisse und Thesen

231

zeitig ist das unternehmerische Ermessen aber bei der Eingrenzung der unter die Vorlagepflicht fallenden Spenden zu berücksichtigen.40 II. Nach der hier vertretenen Auffassung ist daher zusätzlich nur zu prüfen, ob die Spende eine Änderung der Geschäftspolitik darstellt oder dem (mutmaßlichen) Gesellschafterwillen widerspricht.41 III. Im Rahmen dieser Prüfung begründet die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Spende eine Vermutung gegen das Vorliegen einer ungewöhnlichen Maßnahme. Die für die Angemessenheitsprüfung vorgeschlagenen Beweiserleichterungen (siehe dazu oben F.) werden daher im GmbH-Recht ausgeweitet. Dies gilt allerdings nur, soweit sich aus vor der Spende erfolgten Äußerungen oder Handlungen der Gesellschafter nicht etwas anderes ergibt. Insbesondere kann im Einzelfall aus satzungsmäßigen Beschränkungen von Geschäftsführerbefugnissen mittelbar auf einen gegen die Spende gerichteten Willen der Gesellschafter geschlossen werden.42 I.

Keine Besonderheiten bei der gesellschaftsrechtlichen Behandlung von Parteispenden

Für Parteispenden gelten aus gesellschaftsrechtlicher Sicht grundsätzlich keine Besonderheiten. Bei der Förderung von dem betreffenden Geschäftsleiter persönlich nahestehenden Parteien ist eine Treuepflichtverletzung nur bei Vorliegen besonderer Umstände zu bejahen. 43 Da Parteispenden steuerrechtlich nicht absetzbar sind, müssen sie materiell im Hinblick auf ihre Nähe zum Unternehmensgegenstand geprüft werden. 44 Zudem sind bei ihrer gesellschaftsrechtlichen Überprüfung öffentlich-rechtliche und strafrechtliche Verbotsnormen zu beachten.45 J. I.

Zusammenfassendes Prüfungsschema Für das deutsche Aktiengesellschaftsrecht lassen sich aus diesen Erkenntnissen folgende Leitlinien für die Überprüfung von Spendenentscheidungen entnehmen: 1. Die verantwortlichen Vorstandsmitglieder dürfen nicht einem haftungsrelevanten Interessenkonflikt unterliegen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die betreffenden Vorstandsmitglieder einen erheblichen Eigenvorteil aus der Spende ziehen. Bei Vorliegen eines solchen Eigenvorteils können Vorstandsmitglieder aber durch Nachweis der Zu-

___________ 40

4. Kap. A. II. 2. b), c), D. III. 1. 4. Kap. D. III. 2. 42 Vgl. 4. Kap. D. III. 2. d). 43 Vgl. 3. Kap. C. I. 3. c). 44 Vgl. 3. Kap. D. I. 4. d) dd). 45 Vgl. 3. Kap. D. II. 2. 41

232

II.

K. I.

5. Kapitel: Ergebnisse und Thesen

stimmung des voll informierten Aufsichtsrats die Vermutung für eine Treuepflichtverletzung widerlegen. 2. Die Entscheidung muss auf einer ausreichenden Informationsgrundlage beruhen. Der Umfang der Informationspflichten ist einzelfallabhängig und richtet sich in erster Linie nach Höhe und wirtschaftlicher Bedeutung der Spende für das Unternehmen. 3. Die Vorstandsmitglieder müssen mit der Spende langfristig das Ziel der Gewinnmaximierung verfolgen. Die objektive Vereinbarkeit der Spende mit diesem Ziel unterliegt aber nicht der richterlichen Überprüfung. 4. Vorstandsmitglieder müssen darlegen, dass die Spende möglicherweise mit dem Ziel der Gewinnmaximierung vereinbar und die Wahrscheinlichkeit des wirtschaftlichen Vorteils nicht in einem unvertretbaren Maße gering ist. Hinsichtlich der Beurteilung der vertretbaren Wahrscheinlichkeit eines wirtschaftlichen Vorteils ist auf die ausreichende Nähe des Spendenzwecks zum Unternehmensgegenstand abzustellen. Alternativ können sich Vorstandsmitglieder auf die Angemessenheit der Spende berufen. Für Letztere bietet die steuerrechtliche Absetzbarkeit der Spende ein starkes Indiz. 5. Vorstände haften, wenn die Spendenentscheidung gegen außergesellschaftsrechtliche Verbotsgesetze verstößt und ein schuldhaftes Handeln seitens des Vorstands vorliegt. Bei der Überprüfung von Spendenentscheidungen von GmbH-Geschäftsführern gilt das unter I. aufgestellte Prüfungsschema entsprechend. Allerdings gibt es zwei Modifikationen: 1. GmbH-Geschäftsführer können sich bei Überschreiten einer Ermessensgrenze gegebenenfalls auf die haftungsbefreiende Zustimmung der Gesellschafterversammlung bzw. eines anderen, in der Satzung dazu ermächtigten Gesellschaftsorgans berufen. 2. Materiell ist zusätzlich zu prüfen, ob die Spende auf einer Änderung der Geschäftspolitik beruht oder dem (mutmaßlichen) Gesellschafterwillen widerspricht. Falls sich aus der Satzung und sonstigen Gesellschafteräußerungen keine entgegenstehenden Anhaltspunkte ergeben, können sich die beweisbelasteten Geschäftsführer dabei auf die sich aus der wirtschaftlichen Vertretbarkeit ergebende Vermutungswirkung berufen. Abschließende Bewertung der erreichten Ergebnisse Der hier gemachte Lösungsvorschlag für die aktiengesellschaftsrechtliche Behandlung von Unternehmensspenden orientiert sich innerhalb des vom deutschen Recht gezogenen Rahmens an der im amerikanischen Recht geltenden großzügigen Linie bei der Beurteilung von Unternehmensspenden. Begründen lässt sich dies mit der hohen Bedeutung des unternehmerischen Ermessens für eine dynamische, flexible und nicht übermäßig risi-

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233

kofeindliche Unternehmensführung. Zudem sind die mit Unternehmensspenden verbundenen Risiken für die Existenz des Unternehmens angesichts der wirtschaftlichen Realität nach dem hier gemachten Lösungsvorschlag gering. Dies gilt zumindest für die kurzfristigen Auswirkungen großzügiger Spendentätigkeit. II. Mittelfristig kann im Aktiengesellschaftsrecht ein effektiver Schutz einer Aktiengesellschaft und der wirtschaftlichen Interessen der Aktionäre außerdem durch die Möglichkeit der Abberufung des Vorstands gewährleistet werden. Darauf haben zwar die Aktionäre grundsätzlich keinen Einfluss. Allerdings bleibt ihnen häufig die Möglichkeit, die Aktien zu verkaufen, was indirekt zu einer Marktkontrolle der anderen Entscheidungsgremien führt. Um diese Kontrolle allerdings effektiv zu gewährleisten, sollte der Frage nach einer verbesserten handelsrechtlichen Transparenz von Unternehmensspenden, die nicht Gegenstand dieser Arbeit war, in Zukunft vermehrte Aufmerksamkeit gewidmet werden.46 III. Die für das deutsche GmbH-Recht gefundene Lösung nähert sich weitgehend dem deutschen Aktiengesellschaftsrecht und damit mittelbar auch dem amerikanischen Recht an. Hier wird durch die Einschränkung des unternehmerischen Ermessens bei ungewöhnlichen Maßnahmen die Sicherung von Gesellschafterrechten zusätzlich sichergestellt, da im Rahmen dieser Prüfung die bisherige Geschäftspolitik und der (mutmaßliche) Gesellschafterwille zu berücksichtigen ist. Angesichts der sich daraus ergebenden rechtlichen Unsicherheiten ist im GmbH-Recht eine satzungsmäßige Regelung von Zuständigkeit und inhaltlichen Leitlinien für die Spendenvergabe empfehlenswert.

___________ 46

So auch für das deutsche Recht Fleischer AG 2001, 171, 179.

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Sachregister A.P. Smith v. Barlow 44, 45, 60, 66, 87 Armstrong Cork Co. v. H.A. Meldrum Co. 40, 44 Aronson v. Lewis 71

independent board committees 58 In-Sich-Geschäft 150–153

betriebliche Ausgabe 99 Bilanzgewinn 107, 108, 126 Brinson Railway Co. v. Exchange Bank of Springfield 34

KonTraG von 1998 168

Cede v. Technicolor 56 Charitable Award-Programme 67 Close Corporation 28 Corporate Opportunities Doctrine 154 Cramer v. General Tel. & Electronic Corp. 92 D & O Versicherung 23 Davis v. Old Colony Railroad Company 33 Deutscher Corporate Governance Kodex 146, 164 Dodge v. Ford Motor Co. 81, 82, 83, 84, 90, 149 fairness test 52 – fair dealing 52 – fair price 52 Federal Election Campaign Act von 1971 (FECA) – Bipartisan Campaign Reform Act 103 Feldmühle-Urteil 132 full fairness 166 Gemeinwohlklausel 130 Godbold v. Branch Bank 51 Hanson Trust PLC v. ML SCM Acquisition 71 Herstatt-Entscheidung 111 Hodges v. New England Screw Co. 51 Holzmüller-Entscheidung 109, 207

Jahresüberschuss 204

Lewis v. Vogelstein 97 Limited Liability Company (LLC) 28 Lüth-Entscheidung 134 Mäzenatentum 27 McCrory v.Chambers 36 Memorial Hospital Association of Stanislaus County v. Pacific Grape Products Co. 44, 87 Military Interstate Association v. Savannah, Thunderbolt and Isle of Hope R. R. 34, 35 Miller v. American Telephon and Telegraph Co. (AT&T) 103, 104 Neutralitätsgebot 161 Nexus of Contracts-Lehre 78 North Todd Gentry v. Long-Bell Lumber Co. 39 other constituencies statutes 85 outside directors 58, 73 Pacific Grape Products Co. 102 Parteispenden 65, 160 – Neutralitätsgebot 162 – politische Spende 162 – Spendenverbot 199 – steuerliche Abwägbarkeit 193 People et rel. Moloney v. Pullman’s Palace Car Co 38 People ex rel. Metropolitan Life Ins. Co. v. Hotchkiss 37 Percy v. Millaudon 51

Sachregister pet charity 64–65 – Begriff 59 – nicht-finanzielle Vorteile 64 – Theodora Holding Corp. v. Henderson 59 politische Spende 167 Poullain/West LB-Entscheidung 155 Principal/Agent-Modell 77, 101 Public Relations-Maßnahmen 213

Sorenson v. Chicago, B. & Q.R.R. 40 Sozialbindung 131 Sponsoring 27 SSV-Reutlingen-Entscheidung 157, 165, 183 State ex rel. Sheets v. Pittsburg C.C. & St. L. Ry. 36 Steinway v. Steinway & Sons 38 Team Production Model 79

Richelieu Hotel Company v. International Military Encampment Company 35 R.M.B.C.A. (Revised Model Business Corporation Act) 56 Satzungsstrenge 124 Schaden – Beweislastverteilung 119 – Höhe 181 – Wahrscheinlichkeit 181 Schmiergeldzahlungen 199, 219 Schwartz v. Romnes 104 Shlensky v. Wrigley 83, 94 Siemens/Nold-Entscheidung 112 Sinclair v. Levien 56 Smith v. Van Gorkom 69, 74

245

Union Pacific Railroad Co. 102 Union Pacific Railroad Co. v. Trustees 45, 75, 87 Unocal v. Mesa Petroleum 95 Unternehmensinteresse 137–146 Vermögensbetreuungspflicht 112 Vorlagepflicht 221 – des GmbH-Geschäftsführers 220 – des Vorstands 109 War Revenue Act 42 Weinberger v. UOP, Inc. 52 Worthington v. Worthington 40