Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten: Unter besonderer Berücksichtigung von Factory Outlet Centern [1 ed.] 9783428506620, 9783428106622

Die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten wirft unter städtebaulichen und raumordnerischen Gesichtspunkten zahlreich

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Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten: Unter besonderer Berücksichtigung von Factory Outlet Centern [1 ed.]
 9783428506620, 9783428106622

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HANNES KOPF

Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 871

Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekcen Unter besonderer Berücksichtigung von Factory Outlet Centern

Von

Hannes Kopf

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Kopf, Hannes: Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten : unter besonderer Berücksichtigung von Factory Outlet Centern / Hannes Kopf. - Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 871) Zugl.: Mannheim, Univ., Diss., 2001 ISBN 3-428-10662-8

Alle Rechte vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-10662-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Für Sabine

Vorwort Die vorliegende Arbeit lag im Sommersemester 2001 der Fakultät für Rechtswissenschaften der Universität Mannheim als Dissertation vor. Die mündliche Doktorprüfung fand am 19. Juli 2001 statt. Die Dissertation wurde Ende Februar 2001 abgeschlossen, so dass später erschienene Literatur und Rechtsprechung nicht mehr berücksichtigt werden konnte. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Factory Outlet Centern wird noch lange Zeit eine Rolle in der rechtswissenschaftlichen Diskussion spielen. Dies zeigt das jüngste Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom 25. April 2001 zum Factory Outlet Center Zweibrücken (AZ: 8 A 11441/00). Nachdem das Gericht die Revision aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat, wird sich nun erstmals das Bundesverwaltungsgericht mit dieser Thematik zu beschäftigen haben. Ich möchte mich an dieser Stelle recht herzlich bei meinem verehrten „Doktorvater", Herrn Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke, bedanken, der mir bei der Erstellung der Dissertation durch seine konstruktiv-kritische Begleitung wichtige Impulse gegeben hat. Dank gebührt auch Herrn Prof. Dr. Thomas Puhl für die bereitwillige und zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Zu Dank verpflichtet bin ich auch meinen Eltern und der Friedrich-Ebert-Stiftung, die mir während meines Studiums und der Promotion sowohl immaterielle als auch materielle Unterstützung gewährt haben. Die Veröffentlichung dieser Arbeit wurde durch die großzügige Unterstützung der Karl-Fix-Stiftung (Landau) ermöglicht. Landau, im März 2001

Hannes Kopf

Inhaltsübersicht 1. Kapitel: Einleitung

27

2. Kapitel: Der Begriff des FOC

31

3. Kapitel: Die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten gemäß § 11 III BauNVO . 43 4. Kapitel: Die Verfassungsmäßigkeit des § 11 III BauNVO

117

5. Kapitel: Die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten nach den früheren Fassungen der BauNVO

119

ó.Kapitel: Die Zulässigkeit neuer Vertriebsformen

130

7. Kapitel: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

140

8. Kapitel: Besonderheiten im Βaugenehmigungsverfahren

181

9. Kapitel: Die Ausweisung eines Sondergebietes für Einzelhandelsgroßprojekte

191

10. Kapitel: Die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten in unbeplanten Gebieten . 296 11. Kapitel: Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten

317

12. Kapitel: Schlussbetrachtung

339

Literaturverzeichnis

342

S ach Wortverzeichnis

357

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel Einleitung

27

A. Problembeschreibung

27

B. Schwerpunkte und Gang der Untersuchung

28

Zweites Kapitel Der Begriff des FOC

31

Α. Allgemeines

31

Β. Wesentliche Merkmale eines FOC I. Zusammensetzung und Konzeption II. Kundenservice III. Architektonische Erscheinungsformen IV. Sortimentstruktur 1. Fabrikware als kennzeichnendes Merkmal 2. Abgrenzung FOC vom Value Center 3. Einzelhandelsbranchen 4. Sortimentsbreite und -tiefe V. Bestimmung einer Mindestverkaufsfläche für FOC VI. Produktattraktivität und Streuwirkung 1. Premiummarken 2. Ansiedlung „in the middle of nowhere" 3. Determinierung des Markenniveaus durch die Größe der Anlage 4. Einzugsgebiet VII. Abhängigkeit vom Individualverkehr VIII. Organisation und Centermanagement IX. FOC als Gewerbesteuerquelle X. Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

32 32 33 33 34 34 34 35 35 36 37 37 37 38 38 39 40 40 40

C. Zusammenfassung - ein Definitionsansatz

40

D. FOC in Deutschland - eine kurze Bestandsaufnahme

41

nsverzeichnis

12

Drittes Kapitel

Die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten gemäß § 11 I I I BauNVO

43

Erster Abschnitt Großflächige Einzelhandelsbetriebe gemäß § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO A. Der Begriff des Einzelhandels B. Der Begriff der Großflächigkeit I. Die eigenständige Bedeutung der Großflächigkeit II. Keine Relativität der Großflächigkeit III. Die Verkaufsfläche als maßgebliches Kriterium 1. Bestimmung des Begriffs der Verkaufsfläche 2. Die Relation Verkaufsfläche zur Geschossfläche IV. Die Höhe der Großflächigkeitsschwelle 1. Die früher herrschende Meinung a) § 11 III 3 BauNVO als Richtwert für die Großflächigkeit b) Keine Anlehnung an § 11 III 3 BauNVO 2. Die Grundsatzentscheidung des BVerwG a) Bestimmung der Mindestverkaufsfläche durch Abgrenzung großflächiger Einzelhandelsbetriebe von „Nachbarschaftsläden" b) Resonanz auf die Grundsatzentscheidung des BVerwG 3. Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nach der Grundsatzentscheidung des BVerwG 4. Stellungnahme: Mindestverkaufsfläche von über 700 qm a) Verschiebung der Großflächigkeitsschwelle b) Mindestverkaufsfläche von über 700 qm 5. Zusammenfassung V. Exkurs: Keine generelle Zusammenfassung der Begriffe Laden und Einzelhandelsbetrieb VI. Die Addition der Verkaufsflächen von nicht-großflächigen Betrieben 1. Summierende Betrachtung 2. Ablehnung der summierenden Betrachtung 3. Die Funktionseinheit zur Rechtfertigung einer Addition a) Gemeinsames Nutzungskonzept ausreichend? aa) Die Entscheidung des VGH BW bb) Die Entscheidung des OVG NW b) Der Streitstand in der Literatur c) Stellungnahme: Gemeinsames Nutzungskonzept nicht ausreichend

44 44 45 45 46 48 49 50 50 51 51 51 52 53 54 56 57 57 58 59 60 61 61 62 63 64 64 65 66 67

C. Nachteilige Auswirkungen im Sinne des § 11 I I I BauNVO

69

I. Wahrscheinlichkeit von negativen Auswirkungen II. Qualität und Intensität der Auswirkungen III. Die Anknüpfungskriterien des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO 1. Die Art des Betriebs 2. Die Lage des Betriebs 3. Der Umfang des Betriebs

69 70 71 71 72 72

nsverzeichnis 4. Die Raumordnungsklausel 5. Die städtebauliche Entwicklung und Ordnung IV. Die einzelnen Auswirkungen im Sinne des § 11 III 2 BauNVO 1. Umweltauswirkungen 2. Infrastrukturelle Ausstattung und Verkehr 3. Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich 4. Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche 5. Orts- und Landschaftsbild 6. Naturhaushalt V. Verhinderung von Auswirkungen im Genehmigungsverfahren

D. Die Regelvermutung gemäß §11 I I I 3 BauNVO I. II. III. IV.

Die typische Fallgestaltung nach § 11 III 3 BauNVO § 11 III 3 BauNVO als widerlegbare Regelvermutung Keine Umkehr der Regelvermutung Die Widerlegung der Regelvermutung nach § 11 III 4 BauNVO 1. Betriebliche Besonderheiten a) Die Sperrigkeit und Größe der angebotenen Waren b) Der Fachmarkt als atypische Fallgestaltung aa) Ausweitung des Warensortiments bei „klassischen" Fachmärkten . bb) Der Begriff des Randsortiments (1) Die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte (2) Stellungnahme: Anteil am Gesamtumsatz als entscheidendes Kriterium cc) Zentrenrelevanz der jeweiligen Warengruppe (1) Die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte (2) Stellungnahme: Vorrang der Einzelfallbetrachtung vor „traditioneller" Einstufung dd) Zusammenfassung 2. Städtebauliche Besonderheiten

73 73 74 74 74 75 77 77 78 78

78 79 80 81 81 83 84 85 85 87 87 88 90 91 92 94 94

Zweiter Abschnitt

Sonstige großflächige Handelsbetriebe gemäß § 11 III 1 Nr. 3 BauNVO

95

Dritter Abschnitt

Einkaufszentren gemäß § 11 I I I 1 Nr. 1 BauNVO

97

A. Konzeption und Zusammensetzung eines Einkaufszentrums

98

B. Mindestanzahl von Betrieben

99

C. Unterbringung in Gebäuden

100

D. Mindestgröße

100

I. Die früher herrschende Meinung II. Die heute herrschende Meinung 1. Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche von 700 qm? 2. Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche von unter 700 qm?

100 101 102 103

14

nsverzeichnis III. Die Relativität der erforderlichen Mindestgröße 104 1. Die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte 104 2. Kritik an der Rechtsprechung 105 3. Die Ablehnung der Relativität durch einen Teil der Literatur 106 4. Stellungnahme: Relative Bestimmung der erforderlichen Mindestgröße ... 106 IV. Zusammenfassung 107

E. Warenhausähnliches Sortiment 107 I. Der Streitstand in der Literatur 108 II. Stellungnahme: Warenhausähnliches Sortiment keine Anwendungsvoraussetzung 109 F. Die Agglomeration mehrerer Einzelhandelsbetriebe I. Die Entwicklung in der Rechtsprechung 1. Die Entscheidung des Bayerischen VGH 2. Die Entscheidung des BVerwG II. Der Streitstand in der Literatur 1. Der alternative Ansatz von Schenke 2. Kritik am alternativen Ansatz von Schenke 3. Stellungnahme: Planerische Absicht keine Anwendungsvoraussetzung III. Zusammenfassung

110 111 111 112 113 113 115 115 116

Viertes Kapitel Die Verfassungsmäßigkeit des § 11 I I I BauNVO

117

Fünftes Kapitel Die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten nach den früheren Fassungen der BauNVO

119

A. Zulässigkeit nach der BauNVO 1962 I. Die Entscheidung des BGH II. Zulässigkeit in Mischgebieten III. Stellungnahme: Zulässigkeit auch in Mischgebieten

120 120 121 122

B. Zulässigkeit nach der BauNVO 1968 I. Der Begriff des Verbrauchermarktes 1. Mindestverkaufsfläche 2. Warenhausähnliches Sortiment a) Der Streitstand in der Literatur b) Die Ansicht der Rechtsprechung c) Die Kritik an der Rechtsprechung II. Übergemeindliche Versorgung 1. Gemeindegebiet als Bezugspunkt 2. Zusammenfassung 3. Maßstab für das Überwiegen der übergemeindlichen Versorgung

122 123 123 123 123 124 124 125 125 126 126

C. Zulässigkeit nach der BauNVO 1977

127

nsverzeichnis D. Zulässigkeit nach der BauNVO 1986

128

E. Umstellung von Bebauungsplänen auf die BauNVO n. F

129

Sechstes Kapitel Die Zulässigkeit neuer Vertriebsformen

130

A. Die Anwendbarkeit des § 11 I I I 1 Nr. 1 BauNVO auf Urban Entertainment Center (UEC) und Multiplex-Kinos 130 I. UEC 130 II. Multiplex-Kinos 131 III. UEC und Multiplex-Kinos als integrierte Bestandteile eines Einkaufszentrums 131 B. Fabrikverkaufsläden (Factory Outlets) I. Bestimmende Merkmale der Vertriebsform II. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit

132 132 132

C. Anwendung des §11 I I I BauNVO auf FOC 134 I. FOC als Einzelhandel 134 II. Die Anwendbarkeit des § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO auf FOC 135 1. Stellungnahme: Einstufung von FOC als Einkaufszentrum 136 2. Umgehung des § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO 137 III. Die Anwendbarkeit des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO 138 1. Die Ansicht der Literatur 138 2. Stellungnahme: Einheitliches Center-Management als entscheidendes Kriterium 138 3. Widerlegung der Regelvermutung des § 11 III 3 BauNVO 139 IV. Zusammenfassung 139

Siebentes Kapitel Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

140

A. Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben nach den Baugebietsnormen der BauNVO 140 B. Der Bestimmtheitsgrundsatz bei Festsetzungen in Bauleitplänen

141

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung 142 I. Gliederung von Baugebieten 142 1. § 1 IV BauNVO 1990 142 2. Gliederung von Industrie- und Gewerbegebieten gemäß §§ 8 IV und 9 IV BauNVO 1962 und 1968 143 II. Der Ausschluss von Nutzungen gemäß § 1 V BauNVO 144 1. Auslegung des Begriffes „Art der Nutzung" 145 a) Die früher herrschende Meinung 145 b) Die heute herrschende Meinung 146 c) Stellungnahme: Ablehnung des „Nummerndogmas" 147 d) Der großflächige Einzelhandel als eigenständige Nutzungsart 147

16

nsverzeichnis 2. Wahrung der Zweckbestimmung a) Ausschluss aus Industrie- und Gewerbegebieten

147 148

b) Ausschluss aus Mischgebieten c) Stellungnahme: Ausschluss aus Mischgebieten grundsätzlich zulässig . d) Ausschluss aus Kemgebieten 3. Exkurs: Nachträglicher Ausschluss gemäß § 1 V BauNVO a) Die Anwendung des Planungsschadensrechts b) Die Gewährung erweiterten Bestandsschutzes gemäß § 1 X BauNVO .

148 149 150 151 151 152

III. Der Ausschluss von Nutzungen gemäß § 1 I X BauNVO 1. Die Umschreibung eines Anlagentyps 2. Festsetzung einer höchstzulässigen Verkaufsfläche a) Geeignetheit der Verkaufsfläche als Anknüpfungskriterium b) Bestimmtheit des Begriffes der Verkaufsfläche c) Die Umschreibung eines Anlagentyps durch die Verkaufsfläche d) Die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte e) Die Verkaufsfläche als ergänzender Zusatz 3. Gesamtobergrenze der Verkaufsfläche 4. Zusammenfassung 5. Ausschluss von Branchen und Sortimenten a) Ansicht der Literatur und der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung b) Grundsatzentscheidung des BVerwG 6. Kombination einer Größen- und Branchenfestsetzung 7. Wahrung der Zweckbestimmung IV. Städtebauliche Gründe für Festsetzungen nach § 1 V und IX BauNVO 1. Verhältnis des § 1 V zu IX BauNVO a) Die früher herrschende Meinung b) Die heute herrschende Meinung 2. Die Anforderungen an die städtebaulichen Gründe V. Die Rechtsprechung zur städtebaulichen Begründung von Einzelhandelsausschlüssen 1. Der Ausschluss aus Gewerbe-und Industriegebieten a) Ausschluss gemäß § 1IX BauNVO b) Ausschluss gemäß § 1 V BauNVO aa) Schutz von produzierendem und verarbeitendem Gewerbe und Handwerk bb) Schutz der innerstädtischen Einzelhandelsstruktur cc) Stellungnahme: Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . 2. Der Ausschluss aus Kem- und Mischgebieten VI. Beachtung allgemeiner Planungsgrundsätze 1. Die Erforderlichkeit der Planung gemäß §1 III BauGB 2. Stellungnahme: Flächenbedarf als wirtschaftlich reale Möglichkeit VII. Rechtsfolgen unzulässiger Festsetzungen 1. Nichtigkeit der Satzung 2. Schadensersatzansprüche bei rechtswidrigen Nutzungsbeschränkungen ...

152 153 154 154 155 156 157 158 158 159 159 159 160 161 162 163 163 163 164 165 166 166 166 167 168 168 169 171 173 173 175 176 176 176

nsverzeichnis Achtes Kapitel Besonderheiten im Baugenehmigungsverfahren

181

A. Unzulässigkeit gemäß § 15 BauNVO I. Widerspruch zur Eigenart des Baugebietes gemäß § 15 11 BauNVO II. Unzumutbare Belästigungen und Störungen gemäß § 15 12 BauNVO

181 181 182

B. Ansätze zur Umgehung des §11 I I I BauNVO I. Aufspaltung in mehrere Bauanträge II. Genehmigungsbedürftigkeit von Nutzungsänderungen 1. Der Vorhabenbegriff 2. Erweiterung der Verkaufsfläche 3. Sortimentsänderung 4. Umwandlung eines Großhandelsbetriebs 5. Zusammenlegung von Betrieben 6. Flächensplitting 7. Nutzungsänderungen bei FOC

184 184 185 185 186 187 188 189 189 190

Neuntes Kapitel Die Ausweisung eines Sondergebietes für Einzelhandelsgroßprojekte

191

Erster Abschnitt Beachtung der Vorschriften des BauGB

191

A. Erforderlichkeit gemäß § 1 I I I BauGB

191

B. Das Gebot der gerechten Abwägung gemäß § 1 V I BauGB I. Private Belange der Konkurrenten II. Öffentliche Belange 1. Die Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Bauleitplanung 2. Weitere zu berücksichtigende öffentliche Belange a) Umweltverträglichkeitsprüfung b) Raumordnungsverfahren (ROV) aa) Kein ROV bei Bestehen eines Genehmigungsanspruchs bb) ROV bei Einzelhandelsgroßprojekten

192 193 193 194 194 195 195 196 196

C. Die interkommunale Abstimmung I. Das formelle Abstimmungsgebot gemäß §411 BauGB II. Rechtsfolgen der Verletzung des formellen Abstimmungsgebotes III. Das interkommunale Abstimmungsgebot gemäß § 2 II BauGB 1. Gegenstand des interkommunalen Abstimmungsgebotes 2. Der Nachbarbegriff 3. AnwendungsVoraussetzungen des § 2 II BauGB 4. Konkrete Planungen 5. Unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art 6. Anknüpfungskriterien

197 198 199 199 200 201 202 202 203 204

2 Kopf

nsverzeichnis a) Die Bedeutung des § 11 III BauNVO 204 aa) Die Regelvermutung des § 11 III 3 BauNVO 205 bb) Die verbrauchemahe Versorgung 205 cc) Städtebauliche Relevanz wirtschaftlicher Auswirkungen 206 dd) Umschlagen wirtschaftlicher Auswirkungen 207 ee) Kein Schutz des interkommunalen Wettbewerbs 209 ff) Zusammenfassung 210 b) Ziele der Raumordnung 211 aa) Die Ausstrahlungswirkung der raumordnerischen Ziele 211 bb) Stellungnahme: Verfassungskonforme Auslegung des § 2 II BauGB 212 7. Die Unzumutbarkeit 213 a) Anpassungspflicht der Nachbargemeinden 214 b) Ermittlung der Unzumutbarkeitsschwelle 214 c) Der Kaufkraftabfluss als Indiz für unzumutbare Auswirkungen 215 aa) Geeignetheit des Kaufkraftabflusses als Indikator 215 bb) Stellungnahme: Kaufkraftabfluss als Indiz geeignet 216 d) Bezugsgröße zur Ermittlung des Kaufkraftabflusses 216 aa) Der Streitstand in der Literatur 217 bb) Stellungnahme: Weiterentwicklung der Ansicht des OVG RP 218 e) Unzumutbarkeitssch welle bezüglich des Kaufkraftabflusses 219 aa) Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte 219 bb) Der Streitstand in der Literatur 220 cc) Stellungnahme: Relativität der Zumutbarkeitsschwelle 220 f) Berücksichtigung positiver Auswirkungen 221 g) Ausgleich einer bestehenden Unterversorgung 222 h) Vorbelastung 222 i) Stellungnahme: Keine Honorierung widersprüchlichen Verhaltens 223 8. Die Ermittlung der abwägungserheblichen Belange 224 a) Die Ergänzung des Abwägungsprogramms durch §§ 2 II BauGB in Verbindung mit 11 III BauNVO 224 b) Ermittlung des Anpassungsaufwands 225 c) Stellungnahme: Regulative Einschränkung der Indizfunktion des Kaufkraftabflusses 226 9. Berücksichtigung der betrieblichen Besonderheiten von FOC 227 a) Der Nachbarbegriff bei FOC 227 b) Einwirkungsintensität 228 c) Berücksichtigung positiver Auswirkungen 228 d) Die Bedeutung von Marktgutachten 229 e) Gefahr der Mutation im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen? .. 230 10. Zusammenfassung: Die Zulässigkeit von FOC im Lichte der interkommunalen Abstimmung 231 a) FOC Zweibrücken 232 b) FOC Wustermark 233 c) Schlussfolgerungen: Verletzung des § 2 II BauGB bei der Ansiedlung von FOC grundsätzlich nicht ausgeschlossen 234 Rechtsfolgen der Verletzung des materiellen Abstimmungsgebotes 235 Exkurs: Ergänzendes Verfahren gemäß §215 a BauGB 236

nsverzeichnis

Anpassungspflicht gemäß § 1IV BauGB I. Ziele der Raumordnung II. Grundsätze der Raumordnung III. Handlungspflichten aus § 1IV BauGB 1. Planänderungspflicht 2. Rechtsfolgen bei Nichtbefolgung der Planänderungspflicht

237 238 239 239 240 241

a) Die Rechtsfigur der Funktionslosigkeit

241

b) Der Ansatz von Baumeister

243

c) Streitstand zu den Rechtsfolgen der Nichtbeachtung des § 1IV BauGB 246 d) Stellungnahme: Rechtswidrigwerden von Bauleitplänen 3. Erstplanungspflicht IV. Durchsetzung der Handlungspflichten durch die Kommunalaufsicht V. Keine Geltung der Ziele im Rahmen des § 34 BauGB VI. Das Zielabweichungsverfahren VII. Die Raumordnungspläne der Bundesländer VIII. Das zentralörtliche Gliederungssystem 1. Gliederung nach der zentralörtlichen Funktion

248 249 252 253 254 254 255 255

2. Funktionen des zentralörtlichen Gliederungssystems

256

3. Keine Verbotswirkung des zentralörtlichen Gliederungssystems

257

a) Βeeinträchtigungsverbot b) Kongruenzgebot IX. Konkretisierung der zentralörtlichen Gliederung durch Plansätze

257 257 258

X. Die Zulässigkeit von FOC nach dem Landesplanungsrecht in BW

259

1. Anwendbarkeit der landesplanerischen Festsetzungen auf FOC

259

2. Zielqualität des Plansatzes 2.2.3.4 des LEP BW 1983 a) Konkretisierung des Kongruenzgebotes

259 260

aa) Zielqualität von Sollbestimmungen

260

bb) Zwischenergebnis

263

b) Konkretisierung des Beeinträchtigungsverbotes

263

aa) Beachtung des Bestimmtheitsgrundsatzes

263

bb) Die Auffassung von Moench/Sandner

264

cc) Die Auffassung von Erbguth

264

dd) Stellungnahme: ΒindungsWirkung des Beeinträchtigungsverbotes

265

ee) Zwischenergebnis c) Exkurs: Das Integrationsgebot 3. Zusammenfassung XI. Die Zulässigkeit von FOC im Lichte des Landesplanungsrechtes

266 266 267 268

1. Die Entschließungen der Ministerkonferenzen

268

2. Rechtliche Würdigung der Entschließungen der Ministerkonferenzen

269

3. Zulässigkeit eines Kongruenzgebotes mit Zielqualität für FOC

270

a) Der Schutzbereich der kommunalen Planungshoheit

270

b) Eingriff in den Schutzbereich durch Raumordnungsziele

271

c) Verletzung der Planungshoheit

272

20

nsverzeichnis aa) Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bb) Sachliche Legitimation cc) Geeignetheit und Erforderlichkeit dd) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne 4. Zusammenfassung XII. Exkurs: Die Europäische Dimension der Raumordnung 1. Internationale Abstimmung gemäß § 16 ROG und §4a BauGB 2. Ansätze internationaler Abstimmung

273 273 273 274 275 276 276 277

Zweiter Abschnitt Festsetzung Sonstiger Sondergebiete gemäß § 11 I I BauNVO A. Wesentlicher Unterschied im Sinne des §111 BauNVO

278 279

B. Zweckbestimmungen in Bebauungsplänen 279 I. Ausschlusswirkung der Zweckbestimmung 281 II. Stellungnahme: Deckungsgleichheit der Betriebsformen nicht erforderlich ... 282 III. Zulässigkeit von FOC in Sondergebieten für Einzelhandelsgroßprojekte 283 C. Zweckbestimmungen in Flächennutzungsplänen

283

D. Die Festsetzung der Art der Nutzung I. „Einkaufszentrum" als Darstellung der Art der Nutzung II. Festsetzungen bezüglich der Verkaufsfläche 1. Kritik an der heute herrschenden Meinung 2. Stellungnahme: Eindeutige Wertung des Verordnungsgebers III. Festsetzung einer Gesamtverkaufsfläche 1. Die Entscheidung des VGH BW 2. Stellungnahme: Gesamtverkaufsfläche unzulässig IV. Festsetzung einer Mindestverkaufsfläche V. Festsetzung von Branchen und Sortimenten 1. Bestimmtheit der Branchenfestsetzungen 2. Die Entscheidung des OVG NW

284 285 285 286 287 288 288 288 289 290 290 291

E. Die Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung

291

F. Festsetzung eines Sondergebietes für FOC I. Kritik an der herrschenden Meinung II. Stellungnahme: Sondergebiet FOC zulässig

292 292 293

Zehntes Kapitel Die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten in unbeplanten Gebieten

296

Erster Abschnitt Zulässigkeit gemäß § 34 BauGB A. Die Eigenart der näheren Umgebung

296 296

nsverzeichnis I. Optische Wahrnehmbarkeit der prägenden Merkmale II. Kritik an der Rechtsprechung

297 298

B. Zulässigkeit gemäß §34 I I BauGB I. Die Anwendbarkeit des § 11 III BauNVO II. Faktisches Sondergebiet für Einzelhandelsgroßprojekte 1. Kritik an der herrschenden Meinung 2. Stellungnahme: § 11 III BauNVO anwendbar III. Zusammenfassung

298 299 299 300 301 302

C. Zulässigkeit gemäß § 341 BauGB I. „Femwirkungen" im Rahmen des § 341 BauGB II. Planungsbedürfnis kein entgegenstehender öffentlicher Belang III. Einfügen in den vorgegebenen Rahmen 1. Die Bedeutung der BauNVO im Rahmen des § 341 BauGB 2. Der großflächige Einzelhandel als maßstabsbildende Nutzungsart 3. Gleichwertige Nutzungen 4. Die Bedeutung der Βaugebietstypen der BauNVO 5. Schlussfolgerungen: partielle Analogie IV. Sukzessive Bildung eines Einkaufszentrums im diffusen Innenbereich V. Einfügen trotz Überschreitens des Rahmens VI. Bewältigungsbedürftige Spannungen VII. Negative Vorbildwirkung 1. Die Entwicklung der Rechtsprechung 2. Stellungnahme: Konkrete Möglichkeit weiterer Einzelhandelsgroßprojekte

302 303 304 304 305 305 306 307 307 308 310 310 311 312 312

D. Die Genehmigung von FOC nach § 34 BauGB

313

E. Ausschluss gemäß § 246 V I I BauGB I. Kein Ausschluss des §34 II BauGB II. Kein Ausschluss von Vorhaben ohne Femwirkungen III. Zusammenfassung

314 314 315 316

Zweiter Abschnitt Zulässigkeit gemäß § 35 BauGB

316

Elftes Kapitel Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten

317

A. Antragsbefugnis privater Konkurrenten gemäß §47 I I VwGO

317

B. Nachbarklage gemäß §42 I I VwGO I. Drittschützende Wirkung der Festsetzung der Art der Nutzung II. Keine Beschränkung auf den Schutz des Nutzungszwecks III. Ausschluss des Drittschutzes bei eigener „Rechtsuntreue" IV. Drittschutz im Rahmen des §34 II BauGB

317 318 319 320 320

22

nsverzeichnis

C. Rechtsschutzmöglichkeiten der Nachbarkommunen 320 I. Rechtsschutz gegen Bebauungspläne 320 1. Vorbeugende Unterlassungs- bzw. Feststellungsklage 320 2. Normenkontrollantrag gemäß §47 II VwGO 321 a) Kein Behördenprivileg der Nachbargemeinden 321 b) Antragsbefugnis gemäß §47 II 1, 1. Al VwGO 322 aa) Drittschutz aus §2 II BauGB 322 bb) Drittschutz aufgrund zentralörtlicher Funktionszuweisung 323 II. Rechtsschutz gegen Einzelgenehmigungen 325 1. Problembeschreibung 325 2. Anfechtungsklage gemäß §42 II VwGO 325 3. Vorläufiger Rechtsschutz gemäß §80 a VwGO 325 4. Grundlagen zur Geltendmachung von Abwehrrechten 326 a) Drittschutz aus § 2 II BauGB 326 b) Die Ansicht von Uechtritz 327 c) Stellungnahme: Drittschutz unmittelbar aus Art. 28 II GG 329 aa) Das Erfordernis der hinreichend konkreten Eigenplanung 330 bb) Die Bedeutung der Unzumutbarkeit im Sinne des § 2 II BauGB ... 331 cc) Verletzung der Planungshoheit durch einen Verstoß gegen objektivrechtliche Vorschriften 332 d) Drittschutz aus §11 III BauNVO 333 aa) Die Entscheidung des OVG MV 334 bb) Stellungnahme: Kein Drittschutz aus § 11 III BauNVO 334 e) Drittschutz aus §41 BauGB 335 5. Abwehrrechte der Nachbargemeinden bei Bestehen eines Genehmigungsanspruchs 335 a) Der Streitstand in der Literatur 336 b) Stellungnahme: Vorrang der Planungshoheit 337

Zwölftes

Kapitel

Schlussbetrachtung

339

Literaturverzeichnis

342

Sachwortverzeichnis

357

Abkürzungsverzeichnis a. Α. Abi. AblEG Abs. a. F. AG Alt. ARGEBAU Art. Az. Β BAG BauNVO BauGB BauR BauROG Bay. BayVBl. BB BBauBl. BBauG Bbg. Bd. BezG BGBl. BGH BGHZ BImSchG B1GBW BNatSchG BR BRS Buchholz BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE

anderer Ansicht Amtsblatt Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz alte Fassung Ausführungsgesetz Alternative Arbeitsgemeinschaft der für das Bauwesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder Artikel Aktenzeichen Beschluss Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels e. V. Baunutzungsverordnung Baugesetzbuch Baurecht Bau- und Raumordnungsgesetz Bayern, Bayerisch Bayerische Verwaltungsblätter Betriebs-Berater Bundesbaublatt Bundesbaugesetz Brandenburg Band Bezirksgericht Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Bundes-Immissionsschutzgesetz Blätter für Grundstücks-, Bau- und Wohnungswesen Bundesnaturschutzgesetz Bundesrat Baurechtssammlung Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des BVerwG Bundesverfassungsgericht Sammlung der Entscheidungen des BVerfG Bundesverwaltungsgericht Sammlung der Entscheidungen des BVerwG

24 BW BWGZ bzw. CDU CSU ders. DG d.h. Diss. DÖV DVBl. DVO EGV einstw. EWG f. ff. Fn. FOC FS GABI. gem. GemO GewArch GG GMA GMB1. GVBl. Hess. IBR IHK IzR JuS JZ km LEP Lkr. LKV LpIG LS MBl. Mitt. MKRO MV m. w. N. Nds. n.F.

Abkürzungsverzeichnis Β aden-Württemberg Die Gemeinde beziehungsweise Christlich-Demokratische Union Christlich-Soziale Union derselbe Durchführungsgesetz das heißt Dissertation Die öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft einstweilig Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgende fortfolgende Fußnote Factory Outlet Center Festschrift; Festgabe Gemeinsames Amtsblatt gemäß Gemeindeordnung Gewerbearchiv Grundgesetz Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung Gemeinsames Ministerialblatt Gesetz- und Verordnungsblatt Hessen Immobilien- und Baurecht Industrie- und Handelskammer Informationen zur Raumentwicklung Juristische Schulung Juristenzeitung Kilometer Landesentwicklungsplan Landkreis Landes- und Kommunalverwaltung Landesplanungsgesetz Leitsatz Ministerialblatt Mittelung(en) Ministerkonferenz für Raumordnung Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen Niedersachsen neue Fassung

Abkürzungsverzeichnis NJ NJW NK Nr. NuR η. v. NVwZ NVwZ-RR NW NWVB1. OVG PKW qm RdErl. Rn. ROG ROV RoVO RP RuR S Saar. SchlHA SH sog. StGB StK Thür. ThürVBl. U. UEC UPR UVP UVPG v. VB1BW VerfGH VersR VerwArch VerwRspr. VG VGH vgl. VR VwGO VwV WB

Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Normenkontrollverfahren Nummer Natur und Recht nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Oberverwaltungsgericht Personenkraftwagen Quadratmeter Runderlass Randnummer Raumordnungsgesetz Raumordnungsverfahren Raumordnungsverordnung Rheinland-Pfalz Raumforschung und Raumordnung Seite Saarland Schleswig-Holsteinische Anzeigen Schleswig-Holstein sogenannt Städte- und Gemeindebund (Zeitschrift) Staatskanzlei Thüringen Thüringische Verwaltungsblätter Urteil Urban Entertainment Center Umwelt- und Planungsrecht Umweltverträglichkeitsprüfung Gesetz zur Umweltverträglichkeitsprüfung vom Verwaltungsblätter Baden-Württemberg Verfassungsgerichtshof Versicherungsrecht Verwaltungsarchiv Verwaltungsrechtsprechung Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verwaltungsrundschau Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsvorschrift Warenverzeichnis für die Binnenhandelsstatistik

26 WB1. WiVerw WM WUR WZ z.B. ZfBR ZG zit.

Abkürzungsverzeichnis Wirtschaftsrechtliche Blätter Wirtschaft und Verwaltung Wertpapier-Mitteilungen Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrecht Systematik der Wirtschaftszweige zum Beispiel Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht Zeitschrift für Gesetzgebung zitiert

Erstes Kapitel

Einleitung A. Problembeschreibung Nicht nur in der politischen und handelswissenschaftlichen, sondern auch in der juristischen Diskussion, sorgte die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben seit jeher für Zündstoff. Die rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Themenbereich ist nicht statisch verlaufen, sondern muss als dynamischer Prozess verstanden werden. Der Grund für diese Dynamik war der stete Veränderungsprozess der Einzelhandelslandschaft - der sprichwörtliche ständige Wandel des Handels. Die Einzelhandelswirtschaft passt sich fortlaufend an die sich wandelnden Kundenbedürfnisse an, was ständig zur Entwicklung neuer Betriebs- und Vertriebsformen führt. Der deutsche Einzelhandel hat sich in der Nachkriegszeit rapide verändert. Die Entwicklung ging von „Tante-Emma-Läden" über Supermärkte, Fachmärkte und Einkaufszentren bis zu Urban Entertainment Center und den Shopping Mails amerikanischer Prägung - um nur einige Schlagworte aufzugreifen. Diese Entwicklung warf immer neue baurechtliche Fragestellungen auf. Der Gesetzgeber reagierte mit zahlreichen Änderungen der baurechtlichen Rechtsquellen wie der ΒaunutzungsVerordnung (BauNVO), des Baugesetzbuches (BauGB) und des Raumordnungsgesetzes (ROG)1. Die Gesetzesänderungen hatten meist zum Ziel, den Gemeinden als Träger der Bauleitplanung Instrumentarien an die Hand zu geben, die der Steuerung der Einzelhandelsansiedlung dienen. Der Gesetzgeber vermied es hierbei zu Recht jede Erscheinungsform des Einzelhandels zu normieren, sondern er beließ es weitgehend bei abstrakten Regelungen. Hiermit war es der juristischen Literatur und vor allem der Rechtsprechung möglich, neue Einzelhandelsformen den bestehenden Regelungen zuzuordnen. In jüngster Zeit ist eine Entwicklung zu beobachten, die die klassische Trennung von Groß- und Einzelhandel sowie Warenproduktion zunehmend in Frage stellt. Während noch vor 10 bis 20 Jahren der Warenvertrieb an den Endverbraucher grundsätzlich nur über den „herkömmlichen" Einzelhandel erfolgte, gehen die Warenhersteller verstärkt dazu über, den Einzelhandel zu umgehen und die Waren direkt abzusetzen. Begonnen hat diese Entwicklung mit den Fabrikverkaufsläden an 1

Vgl. Übersicht zur aktuellen Entwicklung: Güttler/Krautzberger, BBauBl. 1997, 706.

28

1. Kap.: Einleitung

den Produktionsstätten, die durch die legendären „Schnäppchenführer" einen richtiggehenden Boom erfuhren 2. Eine neue Dimension hat der Warendirektabsatz in Europa mit der Ansiedlung von Factory Outlet Center (FOC) erhalten. Die FOCWelle schwappt aus der USA kommend über die europäischen Nachbarländer nunmehr auch nach Deutschland. Im Jahr 2000 wurde in Wustermark bei Berlin das erste FOC in Deutschland eröffnet. Die geplante Ansiedlung von FOC an vielen weiteren Standorten in Deutschland hat zu zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Auseinandersetzungen geführt. Auslöser für diese Prozesslawine war die teilweise emotional geführte öffentliche politische Debatte zu den Auswirkungen von FOC. Besonders die kommunalen Spitzenverbände und die Einzelhandelsverbände stehen der Errichtung von FOC kritisch gegenüber. Die Gemeinden befürchten, dass nach US-amerikanischem Vorbild eine Verödung der Innenstädte eintritt und hierdurch ihre Bemühungen zur Innenstadtsanierung zu Nichte gemacht werden3. Zum Teil wird sogar gefordert, Gemeinden, die in ihrem Gemeindegebiet ein FOC ansiedeln, von der Städtebauförderung auszunehmen4. Einige Fachgeschäfte verlangen von ihren Markenlieferanten mittlerweile eine eindeutige Äußerung zu ihrer Haltung zu FOC5. Auch die Ministerkonferenz für Raumordnung (MIKRO) hat sich mehrfach mit dem Thema FOC auseinandergesetzt. Die Diskussion hat bislang in der Gesetzgebung keinen Niederschlag gefunden. Die baurechtliche Behandlung von FOC kann jedoch nicht lapidar als „neuer Wein in alten Schläuchen"6 tituliert werden. Es wird zu zeigen sein, dass die rechtliche Auseinandersetzung mit diesem Thema wichtige neue Impulse für die Überprüfung und Weiterentwicklung gefestigter Rechtsstandpunkte liefert.

B. Schwerpunkte und Gang der Untersuchung Gegenstand der Untersuchung ist die bauplanungsrechtliche Beurteilung von Einzelhandelsbetrieben im Allgemeinen und von Einzelhandelsgroßprojekten im Besonderen. Ein wesentlicher Schwerpunkt hierbei soll die baurechtliche Zulässigkeit der für Deutschland neuen Vertriebsform des FOC sein. Der Einstieg in die Un2 Vogels/Will - GMA-Grundlagenuntersuchung: Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC - erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, 1999, S.6. 3 Steinmetz, Stadt und Gemeinde 1999, 267; Beschluss des Hauptausschusses des Deutschen Städtetages vom 06.11.1997 - Pressemitteilung vom 24.11.1997; Thesenpapier des Deutschen Städtetages vom 17.06.1998. 4 Kiepe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999 - S. 99 (104); Runkel, UPR 1998, 241 (247); so auch Ziffer 44 des Berichts einer Arbeitsgruppe der ARGEBAU und der MKRO zu Hersteller-Direktverkaufszentren BBauBl 1998, 76ff. 5 Vgl. Pittroff, Dynamik im Handel 3/98, 64 (69). 6 So etwa: Bönker - Rechtsgutachten: FOC, 1997, S. 9.

Β. Schwerpunkte und Gang der Untersuchung

29

tersuchung wird durch eine Begriffseingrenzung des FOC (2. Kapitel) erleichtert. Diese Begriffsumschreibung bildet die Grundlage für die nachfolgende baurechtliche Bewertung von FOC. In der Untersuchung sollen jedoch auch wesentliche Grundsatzfragen zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten erörtert werden. Der Begriff des Einzelhandelsgroßprojektes kann als eine Zusammenfassung der mit § 11 III 1 Nr. 1 bis 3 BauNVO umschriebenen Betriebsformen bezeichnet werden. Die derzeit aktuelle Fassung des § 11 III BauNVO wirft vielfältige Rechtsfragen auf (3. Kapitel). Besondere Beachtung erfährt dabei die Frage, ob eine Addition der Verkaufsfläche mehrerer selbständiger Einzelhandelsbetriebe und damit eine Konstituierung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs gemäß § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO zulässig ist und unter welchen Voraussetzungen eine Agglomeration mehrerer Einzelhandelsbetriebe in räumlicher Nähe als Einkaufszentrum gemäß § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO angesehen werden kann. Darüber hinaus ergeben sich hinsichtlich der Widerlegung der Regelvermutung des § 11 III 3 BauNVO bei Fachmärkten interessante Rechtsprobleme, die einer Lösung zugeführt werden sollen. Nur kurz eingegangen werden soll auf verfassungsrechtliche Einwendungen gegen § 11 III BauNVO (4. Kapitel). Nach wie vor von Interesse in der Genehmigungspraxis ist die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten in Bebauungsplänen, die auf der Grundlage älterer Fassungen der BauNVO aufgestellt wurden (5. Kapitel). Auf der Grundlage der Ausführungen zu § 11 III BauNVO soll die rechtliche Zulässigkeit neuer Betriebsformen erörtert werden, die Mischformen zwischen Einzelhandel und Freizeiteinrichtung darstellen (6. Kapitel). Im Zentrum der Betrachtung steht jedoch die Zulässigkeit von FOC. Im nachfolgenden Kapitel wird der Frage nachgegangen, welche Möglichkeiten den Gemeinden bei der Festsetzung von Bebauungsplänen offen stehen, um die Ansiedlung von nicht-großflächigen Einzelhandelsbetrieben bzw. von großflächigen Einzelhandelsbetrieben ohne Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO zu steuern (7. Kapitel). Als Besonderheiten im Genehmigungsverfahren sollen neben der Unzulässigkeit gemäß § 15 BauNVO, die Genehmigungsbedürftigkeit von Nutzungsänderungen sowie die Umgehung des § 11 III BauNVO durch eine Aufspaltung in mehrere Bauanträge hinterfragt werden (8. Kapitel). Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die rechtlichen Aspekte, die bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes zu beachten sind, in dem ein Sondeigebiet für Einzelhandelsgroßprojekte ausgewiesen wird (9. Kapitel). Interessante Probleme ergeben sich dabei hinsichtlich der interkommunalen Abstimmung gemäß § 2 II BauGB, dem Anpassungsgebot des § 1IV BauGB und den landesplanerischen Fest-

30

1. Kap.: Einleitung

Setzungen zu Einzelhandelsgroßprojekten. In diesem Zusammenhang werden auch die Festsetzungsmöglichkeiten für sonstige Sondergebiete gemäß § 11 II BauNVO und insbesondere die Frage diskutiert, ob die Festsetzung eines Sondergebietes für FOC zulässig ist. Die bauplanungsrechtliche Untersuchung wird abgeschlossen mit der rechtlichen Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten im unbeplanten Innen- und Außenbereich (10. Kapitel). Letztlich werden die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter gegen die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten dargestellt (11. Kapitel). Die Untersuchung mündet in eine Zusammenfassung der Ergebnisse unter besonderer Berücksichtigung der rechtlichen Zulässigkeit von FOC (12. Kapitel).

Zweites Kapitel

Der Begriff des FOC FOC stellen einen Schwerpunkt dieser Arbeit dar, deshalb soll zunächst auf die besonderen Merkmale dieser in Deutschland neuen Form des großflächigen Einzelhandels eingegangen werden. Auf die typisierenden Merkmale wird in der nachfolgenden rechtlichen Beurteilung wiederholt zurückzukommen sein.

A. Allgemeines Hersteller-Direktverkaufs-Zentren oder FOC stellen eine besondere Vertriebsform des Einzelhandels dar, die in den USA entwickelt wurde. Das erste FOC eröffnete bereits im Jahre 1974 in Reading (Pennsylvania)1. Der Begriff des FOC ist in Deutschland gesetzlich nicht normiert. Auch eine genaue handelswissenschaftliche Begriffsbestimmung fehlt bislang. Die neueste Ausgabe der Begriffsdefinitionen beinhaltet zwar eine Definition des Fabrikladens2, nicht jedoch der spezielleren Vertriebsform des FOC3. In Literatur 4 und Rechtsprechung wurden jedoch die wesentlichen Merkmale eines FOC herausgearbeitet - ohne dass jedoch bereits von einer eindeutigen Definition gesprochen werden kann. Grundlegend zur Begriffseingrenzung ist eine Veröffentlichung der GMA 5 , die im Auftrag des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau im Rahmen einer Untersuchung die Merkmale und Auswirkungen von FOC untersucht hat. Da es bislang in Deutschland keine gesicherten Erfahrungswerte über FOC gibt, basiert die GMA-Grundlagenuntersuchung auf Strukturdaten und Kennziffern von FOC, die in anderen europäischen Ländern errichtet wurden 6. 1

Falk in: Falk: Das große Handbuch Shopping-Center, 1998 - S. 329 (331). Siehe 6. Kapitel, B.I. 3 Katalog E, Begriffsdefinitionen, 4. Ausgabe, 1995, S.45, Nr. 12. 4 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999; Jahn, GewArch 1997, 456 (457); Runkel, UPR 1998, 241 (242). 5 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999. 6 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 13. 2

32

2. Kap.: Der Begriff des FOC

Die Vertriebsform des FOC hat sich mittlerweile auch in Europa (z.B. in Großbritannien 7, Frankreich 8, Österreich, Spanien und in der Schweiz9) etabliert. In den USA gibt es derzeit über 300 FOC 10 . Die Verkaufsfläche der FOC in den USA geht dabei weit über die Größe der in Europa errichteten FOC hinaus11. Eines der größten FOC in den USA das „Beiz Outlet World" in Rorida weist eine Bruttoverkaufsfläche von 67.150qm auf 12 .

B. Wesentliche Merkmale eines FOC I. Zusammensetzung und Konzeption FOC stellen eine Sonderform des Einzelhandels dar, welche dem klassischen Fabrikverkauf 13 am nächsten kommt. Im Unterschied zum Fabrikverkauf sind in einem FOC eine Vielzahl von Ladengeschäften in einem einheitlichen Gebäudekomplex bzw. in mehreren in engem räumlichen Zusammenhang stehenden Gebäude vereinigt 14. Die FOC-Ladengeschäfte werden von Warenherstellern angemietet, die dort ihre Ware unter Umgehung des Groß- und Einzelhandels direkt an die Endverbraucher verkaufen. Im Vergleich zu herkömmlichen Einkaufszentren fehlen in FOC sogenannte Ankerbetriebe (anchors), worunter man großflächige Einzelhandelsbetriebe wie SBWarenhäuser versteht, die aufgrund ihres Bekanntheitsgrades als Kundenmagneten fungieren 15. Konsumnahe Dienstleistungen wie z.B. Schlüsseldienst, Schuhreparaturservice, Reinigung und Reisebüro fehlen in der Regel16. Die Verkaufsfläche wird durch Freizeitangebote, wie Restaurants (Food-Courts) und Spielplätze ergänzt, um so den Erlebniswert des Einkaufs zu steigern 17. 7

In Großbritannien gibt es derzeit über 20 FOC: vgl. Falk in: Falk: Das große Handbuch Shopping-Center, 1998 - S. 329 (334, Abbildung 1 ); Pittroff/Kolberg - FOC in Großbritannien und anderen europäischen Ländern, 1999; Runkel, UPR 1998, 241 (242); Textilwirtschaft 9/1995, 38. 8 Falk in: Falk: Das große Handbuch Shopping-Center, 1998 - S. 329 (336). 9 Falk in: Falk: Das große Handbuch Shopping-Center, 1998 - S. 329 (337). 10 Fuhrmann, Marketing Journal 6/1995, 430 (432); Lausberg-FOC als neue Angebotsform in Deutschland eine institutionenorientierte Analyse, 1999-S. 1 Abbildung 1; Ruda in: Schmude - FOC, 2000-S.31 (32, Tabelle 3.1). 11 Pabst/Brambach in: Tomczak - Alternative Vertriebswege, 1999-S. 164 (174), FOC in den USA weisen bis zu 200.000 qm Verkaufsfläche auf. 12 Hahn/Pudemat, IzR 1998, 99 (lOOf.); Pittroff, Dynamik im Handel 3/98, 64 (68). 13 Siehe 6. Kapitel, B.I. 14 Jahn - Stärkung der Innenstadt oder des ländlichen Raumes?, 1999- S. 13. 15 Hahn/Pudemat, IzR 1998, 99 (102); Schmude in: Schmude - FOC, 2000- S. 1 (2). 16 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 22; kritisch: Heinritz/Rauh, RuR 2000,47 (50), der Trend gehe eindeutig dahin, dass auch Dienstleistungsbetriebe in die FOC hereingenommen werden.

Β. Wesentliche Merkmale eines FOC

33

Zum Teil wird den Kunden in sogenannten Erlebniseinrichtungen ohne Verkauf die Möglichkeit geboten, Waren zu testen, Nutzungserfahrungen zu sammeln und Kenntnisse über Einsatzbereiche von Waren und Dienstleistungen zu erwerben. Durch derartige Erlebniseinrichtungen soll eine hohe Flächenproduktivität sichergestellt werden 18. Der Konzeption eines FOC liegt eine hohe Umsatzerwartung zugrunde 19.

II. Kundenservice Während der Kundenservice in FOC ursprünglich sehr eingeschränkt war, bieten FOC infolge einer trading-up-Entwicklung mittlerweile die gleichen Serviceleistungen wie der Facheinzelhandel an 20 . Dies betrifft die Beratung der Kunden, die Zahlungsmöglichkeiten, die Öffnungszeiten sowie sonstige Dienstleistungen21.

III. Architektonische Erscheinungsformen Bezüglich der räumlichen Anordnung der FOC-Ladengeschäfte können drei verschiedene Typen von FOC unterschieden werden 22. Das Strip-Center ist durch eine Ladenzeile in einer geraden Linie, in U-Form oder S-Form gekennzeichnet, während die FOC-Mall einen zwei- oder mehrgeschossigen ganzheitlichen Gebäudekomplex darstellt, in dem die Ladenzeilen mit einer gemeinsamen Überdachung miteinander verbunden sind. Im FOC-Village23 sind die FOC-Ladengeschäfte jeweils in Häuschen untergebracht, die rings um einen gemeinsamen Platz angeordnet sind und so einen dörflichen Charakter widerspiegeln sollen. 17 Falk in: Falk: Das große Handbuch Shopping-Center, 1998 - S. 329 (346); Jahn, GewArch 1997,456 (457); Moench/Sandner, NVwZ 1999,337 (338); Pittroff, Dynamik im Handel 3/98, 64 (65). 18 OVG RP, B. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (437) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); vgl. Ruda in: SchmudeFOC, 2000-S. 31 (36). 19 Jahn, GewArch 1997, 456 (457); Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 28 f. 20 Falk in: Falk: Das große Handbuch Shopping-Center, 1998 - S. 329 (350); Lausberg - FOC als neue Angebotsform in Deutschland eine institutionenorientierte Analyse, 1999-S. 14. 21 Pabst/Brambach in: Tomczak - Alternative Vertriebswege, 1999-S. 164 (176); Ruda in: Schmude - FOC, 2000-S.31 (35, Abbildung 3.1). 22 Falk in: Falk: Das große Handbuch Shopping-Center, 1998 - S. 329 (352); Lausberg - FOC als neue Angebotsform in Deutschland eine institutionenorientierte Analyse, 1999-S. 11; Pittroff, Dynamik im Handel 3/98, 64 (68); Pudemat/Hahn, BAG Handelsmagazin 3-4/1998, 55 (56); Rieger-FOC, 1998-S. 25 f. 23 Fuhrmann, Marketing Journal 6/1995, 430 (432).

3 Kopf

34

2. Kap.: Der Begriff des FOC

IV. Sortimentstruktur 1. Fabrikware

als kennzeichnendes Merkmal

Kennzeichnend für den Begriff des FOC ist, dass dort überwiegend Fabrikware wie in den deutschlandweit bereits bekannten Fabrikverkaufsläden angeboten wird. Unter dem Begriff der Fabrikware lassen sich 2. Wahl-Produkte mit kleineren Fehlern („irregulär" oder „factory seconds"), Produkte mit größeren Fehlern („damaged"), Restposten oder Auslaufmodelle („discontinued close-outs on items"), Modelle des Vorjahres bzw. der vorherigen Saison („past season"), Artikel aus Überschussproduktion („over run") und Waren zu Markttestzwecken („sample") zusammenfassen 24. Diese Waren werden zwischen 25 und 50 % unter dem regulären Ladenpreis verkauft. In diesem Zusammenhang lässt sich auch die Entstehung der FOC in den USA erklären. In den USA verpflichten sich die Hersteller dazu, Ware die im Einzelhandel nicht abgesetzt werden konnte, zurückzunehmen25. Deshalb gibt es im US-amerikanischen Einzelhandel keinen Winter- oder Sommerschlussverkauf. Die von den Herstellern zurückgenommene Kommissionsware wird dann in FOC mit Preisnachlässen direkt an den Endverbraucher verkauft 26. 2. Abgrenzung FOC vom Value Center In Anlagen, die als FOC bezeichnet werden, wird mitunter nicht ausschließlich Fabrikware 27, sondern auch Ware, die im herkömmlichen Einzelhandel geführt wird, angeboten. Die Einstufung derartiger Mischformen als FOC ist in der Literatur umstritten. Nach Runkel können Anlagen, in denen nicht nur Fabrikware angeboten wird, sondern die auch herkömmlichen Einzelhandel beinhalten, nicht als FOC bezeichnet werden. Für derartige Mischformen müsse der aus dem Amerikanischen kommende Begriff des „Value-Center" verwendet werden 28. 24 Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (121); Schmude in: Schmude - FOC, 2000 - S. 1 (9); Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999- S. 18; Raumordnerischer Entscheid der Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz - Abschlussentscheid des Raumordnungsverfahrens über die Errichtung eines Designer Outlet Zweibrücken, Juni 1997 - S. 31; ausgeklammert bleiben sollen hier exklusiv für den Fabrikverkauf hergestellte Produkte. 25 Pangels, BAG Handelsmagazin 11-12/1997, 24 (27). 26 Runkel, UPR 1998, 241 (242). 27 Unter dem Begriff Fabrikware sind 2. Wahl-Produkte, Restposten oder Auslaufmodelle, Modelle des Vorjahres bzw. der vorherigen Saison, Artikel aus Überschussproduktion und Waren zu Markttestzwecken zusammengefasst. 28 Runkel, UPR 1998, 241 (243).

Β. Wesentliche Merkmale eines FOC

35

Dem kann nur eingeschränkt zugestimmt werden. In den USA werden nur solche Anlagen als „Value-Center" bezeichnet, in denen weniger als 50% Fabrikware verkauft wird. Wenn der Anteil der Fabrikverkaufsgeschäfte über 50% liegt, kann von einem FOC gesprochen werden 29. 3. Einzelhandelsbranchen Das Gesamtangebot eines FOC besteht zu etwa 90% aus Sortimenten des mittelfristigen Bedarfs, wobei hiervon im Durchschnitt ca. 60 bis 70 % auf Bekleidungssortimente und ca. zu weiteren 10 bis 20% auf Schuhe und Lederwaren entfallen 30. Waren des kurzfristigen Bedarfs wie Genuss- und Lebensmittel - mit Ausnahme von Parfüm, Drogeriewaren und Delikatessen - werden in der Regel nicht angeboten31. 4. Sortimentsbreite

und -tiefe

Das Warensortiment eines FOC ist in der Regel sehr beschränkt, was bezüglich aller bestimmenden Merkmale der Ware wie Größe, Qualität, Ausstattung, Farben, Musterung usw. gilt 32 . Geht man von der Klassifizierung des Gesamtsortiments nach den Begriffspaaren tief-flach und breit-schmal aus, wonach die Sortimentstiefe vom Umfang der unterschiedlichen Preislagen, Muster und Ausführungen und die Sortimentsbreite davon abhängt, in welchem Umfang die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse abgedeckt werden können33, so ist die Warenauswahl im FOC grundsätzlich weder breit noch tief, sondern schmal und flach 34. Eine echte Grund- und Dauerversorgung durch FOC ist nicht gegeben, weil Zielkäufe meist nicht möglich sind. Der Kunde weiß beim Besuch des FOC auf29 Gabor - FOC, 2000 in: Studium & Praxis online www.geogr.uni-jena.de - Ziffer 2.1; Hahn/Pudemat, IzR 1998, 99; Heinritz/Rauh, RuR 2000, 47 (49); Pittroff/Kolberg - FOC in Großbritannien und anderen europäischen Ländern, 1999- Definition Vor A 1; Schmude in: Schmude - FOC, 2000-S. 1 (9); a. Α. Schmitz, BauR 1999, 1100 (1101), geht fälschlicherweise davon aus, dass die Bezeichnung als FOC in den USA davon abhängt, dass tatsächlich 50 % der Waren vor Ort produziert werden. 30 Lausberg - FOC als neue Angebotsform in Deutschland eine institutionenorientierte Analyse, 1999-S. 12. 31 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 46; Pittroff/Kolberg - FOC in Großbritannien und anderen europäischen Ländern, 1999 - A l l . 32 Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (121); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (338); Lausberg - FOC als neue Angebotsform in Deutschland eine institutionenorientierte Analyse, 1999-S. 13. 33 Vgl. Steger, BWGZ 1985, 110 (111); Traumann, GewArch 1984, 287 (288). 34 Erbguth, NVwZ 2000,969 (975); Güttler/Will, IzR 1998,107 (110); Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999- S. 18; a. A. Pabst/Brambach in: Tomczak - Alternative Vertriebswege, 1999 - S. 164 (175).

3*

36

2. Kap.: Der Begriff des FOC

grund des sich wandelnden Angebots zum Teil nicht, ob er die gesuchte Ware auch finden wird 35 . Allerdings werden in einem FOC mit steigender Verkaufsflächendimensionierung in zunehmendem Maße Zielkäufe möglich 36 , weil in der Gesamtanlage die gleichen Artikel - wenn auch nicht gleicher Marke - in mehreren FOC-Läden angeboten werden, so dass ein Substitutionseffekt eintritt 37 .

V. Bestimmung einer Mindestverkaufsfläche für FOC Die Bestimmung einer für die Bezeichnung als FOC konstitutiven Mindestverkaufsfläche gestaltet sich schwierig, weil die Angaben in der Literatur hierzu sehr unterschiedlich sind. Während die GMA-Grundlagenuntersuchung 38 eine Verkaufsfläche von meist über 3.000 qm nennt, gehen Vertreter in der Literatur von einer Fläche von 5.000qm 39 oder gar von 10.000qm40 aus. Nach der aktuellen handelswissenschaftlichen Definition von FOC in den USA stellt es ein wesentliches quantitatives Merkmal dieses Anlagentyps dar, dass die Verkaufsfläche mindestens 50.000 sqft (4.650 qm) umfasst und mindestens fünf Markenhersteller FOC-Ladengeschäfte besitzen oder unterhalten 41. Die in Europa bereits bestehenden FOC weisen eine Verkaufsfläche zwischen 5.000qm und 20.000qm auf. Eine Anzahl von 100 Ladeneinheiten kann in Europa als Obergrenze angesehen werden 42. Die durchschnittliche Verkaufsfläche der einzelnen Ladengeschäfte liegt demzufolge bei ca. 200 qm 43 . 35 Raumordnerischer Entscheid der Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz - Abschlussentscheid des Raumordnungsverfahrens über die Errichtung eines Designer Outlet Zweibrücken, Juni 1997-S. 31. 36 Vgl. Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999-S. 142. 37 Vgl. Lausberg - FOC als neue Angebotsform in Deutschland eine institutionenorientierte Analyse, 1999-S. 13; Reidt, NVwZ 1999, 45 (47). 38 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 12; im Anschluss daran: Birk in: Spannowsky - Flächennutzungsplanung im Umbruch, 1999 - S. 145; Schmude in: Schmude - FOC, 2000 - S. 1 (2). 39 Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (121); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (338). 40 Kniep, VB1BW 1998, 294; Schmitz, BauR 1999,1100 (1112). 41 Falk in: Falk: Das große Handbuch Shopping-Center, 1998-S. 329 (331); Gabor-FOC, 2000 in: Studium & Praxis online www.geogr.uni-jena.de - Ziffer 3.1; Hahn/Pudemat, IzR 1998, 99; Pittroff/Kolberg - FOC in Großbritannien und anderen europäischen Ländern, 1999- Definition, Vor A1; Pittroff, Dynamik im Handel 3/98, 64 (68); Pudemat/Hahn, BAG Handelsmagazin 3-4/1998, 55; Schmude in: Schmude-FOC, 2000-S. 1 (2). 42 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 21. 43 Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (338); Pittroff/Kolberg - FOC in Großbritannien und anderen europäischen Ländern, 1999- A 8, Tabelle 4; nach Kleine/Offermanns, RuR 2000,35 (42) zwischen 160 und 190qm in Deutschland.

Β. Wesentliche Merkmale eines FOC

37

Eine absolute Mindestverkaufsfläche, die für den Begriff des FOC konstitutiv ist, lässt sich nicht bestimmen. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung von FOC wird hier von einer Gesamtverkaufsfläche von mindestens 5.000 qm ausgegangen, weil dies der Begriffsdefinition in den USA am nächsten kommt und weil damit der Tatsache Rechnung getragen wird, dass die in Deutschland geplanten FOC mit einer Verkaufsfläche von durchschnittlich 15.000 qm 4 4 weit über dem in der GMAGrundlagenuntersuchung genannten Wert von 3.000 qm liegen.

VI. Produktattraktivität und Streuwirkung 1. Premiummarken In den FOC werden in der Regel hochwertige Markenartikel (Designerwaren), sogenannte Premiummarken 45 vertrieben, die im regulären Verkauf sehr hochpreisig sind. Je höher der Belegungsanteil mit Herstellern von Premiummarken ist, desto weiträumiger ist die Ausstrahlung und damit die Streuwirkung des Kaufkraftabflusses aus den Nachbargemeinden in unmittelbarer Nähe zum Ansiedlungsstandort 46. 2. Ansiedlung „in the middle of nowhere" Es kann sich mitunter als schwierig erweisen, ein FOC nahezu ausschließlich mit Herstellern aus dem Premium-Segment zu belegen47. Die Vermietung an Hersteller von Premiummarken ist umso problematischer je näher der Einzugsbereich eines FOC an ein Oberzentrum 48 heranreicht. Die Hersteller von Premium-Marken haben wenig Interesse daran, in direkten Konflikt mit dem Facheinzelhandel in größeren Städten zu geraten, der die jeweilige Premium-Marke auch in seinem Sortiment führt 49 . 44

Runkel, UPR 1998, 241 (243); a. A. Kleine/Offermanns, RuR 2000, 35 (41), die durchschnittliche Verkaufsfläche liege bei rund 12.700qm. 45 Erbguth, NVwZ 2000, 969 (975); Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (121); Krautzbeiger, Der Städtetag 1997, 473; Schmude in: Schmude - FOC, 2000 - S. 1 (8); Volgels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999-S. 18; kritisch hierzu: Schmitz, BauR 1999,1100 (1101)-spricht von einer Entwicklung zum „Off-Price-Center" zu denen auch Restpostenverwerter und Billiganbieter aller Art gehören. 46 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 S. 136. 47 Heinritz/Rauh, RuR 2000, 47 (49); Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 19. 48 Zum Begriff des Oberzentrums siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, D. VIII. 1. 49 Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (338); Pudemat/Hahn, BAG Handelsmagazin 3-4/1998, 55 (57); Runkel, UPR 1998, 241 (243 und 246); Raumordnerischer Entscheid der

38

2. Kap.: Der Begriff des FOC Der Ansiedlungsdruck von FOC bezieht sich deshalb nicht auf Standorte in der

Nähe von Oberzentren, sondern auf Standorte in der Nähe von Unter- und Mittelzentren i m weiteren Umfeld von Ballungsräumen ( „ i n the middle of nowhere") 5 0 . Diese Ansiedlungspräferenz widerspricht der Entschließung „ F O C " der Ministerkonferenz für Raumordnung ( M I K R O ) vom 03.06.1997, wonach die Ansiedlung von FOC nur in Großstädten bzw. Oberzentren an integrierten Standorten und in stadtverträglichen Größenordnungen zulässig sein soll 5 1 .

3. Determinierung

des Markenniveaus

durch die Größe der Anlage

Je größer ein FOC konzipiert ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich nicht nur Hersteller hochpreisiger Waren ansiedeln, sondern auch Betriebe mit mittlerer oder geringerer Qualitätsware, was zu einer Verringerung der Streuwirkung und damit zu einer Erhöhung der Konkurrenz für den innerstädtischen Einzelhandel der näheren Umgebung führt 5 2 .

4. Einzugsgebiet Aufgrund der hohen Kundenattraktivität eines FOC werden Anfahrtszeiten von 90 bis 120 PKW-Fahrminuten in Kauf genommen 53 . Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz - Abschlussentscheid des Raumordnungsverfahrens über die Errichtung eines Designer Outlet Zweibrücken, Juni 1997 - S. 32. 50 Falk in: Falk: Das große Handbuch Shopping-Center, 1998 - S. 329 (344); Gabor- FOC, 2000 in: Studium & Praxis online www.geogr.uni-jena.de - Ziffer 2.2; Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000, 376 (378); Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999,119 (122); Kleine/Offermanns, RuR 2000, 35 (36); Pabst/Brambach in: TomczakAltemative Vertriebswege, 1999-S. 164 (175); Pangels, BAG Handelsmagazin 11-12/1997, 24 (27); Schmitz - Das FOC vor den Toren der Stadt, Thesenpapier zum Vortrag auf der wissenschaftlichen Fachtagung am 20./21.03.2000 an der Uni Kaiserslautem; Schmude in: Schmude-FOC, 2000-S. 1 (8); Uechtritz, BauR 1999,572 (581); Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999- S. 23. 51 Ziffer 5 der Entschließung „FOC" in: Bielenberg/Runkel/Erbguth- Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, 1999-Band 1;B 320, Nr. 30; vgl. Vogels/ Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999- S. 138. 52 OVG RP, Β. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (438) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz). 53 Güttler/Krautzberger, BBauBl 1997, 706 (708); Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (122); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (338); Rieger-FOC, 1998-S. 86; Runkel, UPR 1998, 241 (242); Schmude in: Schmude-FOC, 2000- S. 1 (7); Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 26; Raumordnerischer Entscheid der Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz - Abschlussentscheid des Raumordnungsverfahrens über die Errichtung eines Designer Outlet Zweibrücken, Juni 1997 - S. 31; Textilwirtschaft 9/1995, 38 (39).

Β. Wesentliche Merkmale eines FOC

39

Deshalb gehen die Verwaltungsgerichte 54 zu Recht von einem Einzugsgebiet von bis zu 200 k m aus. Ein FOC mit einer Verkaufsfläche von 10.000 bis 20.000 qm spricht innerhalb einer PKW-Fahrdistanz von 60 Minuten ein Bevölkerungspotential von mindestens 3 Millionen Einwohnern an 5 5 . Die Betreiber von FOC siedeln diese gezielt in der Nähe von touristischen Attraktionen (z.B. Freizeitparks) an, um solche „einkaufstouristischen" Effekte weiter zu verstärken 56 . Reiseveranstalter haben diese „einkaufstouristischen Elemente" bereits als Marktlücke entdeckt und bieten gezielt Busfahrten zu FOC an 5 7 .

VII. Abhängigkeit vom Individualverkehr Etwa 90 bis 95 % der Besucher eines FOC reisen mit dem P K W an 5 8 . Daraus resultiert eine hohe Abhängigkeit vom Individualverkehr, was eine Verkehrsinduktion für das unmittelbare Standortumfeld mit sich bringt 5 9 . Somit sind eine sehr gute verkehrliche Erreichbarkeit (Autobahnanschluss) und eine ausreichende Pkw-Stellplatzfläche wichtige Ansiedlungsvoraussetzungen 60 . 54 VGPotsdam, B.v.07.05.1999-5L 950/98-BauR 1999, 1146 (1148) = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland); VG Potsdam, Β. v. 03.08.1998 - 5 L 247/98 - Mitteilungen StGB Bbg. 1998, 336 (339) (FOC Wustermark/ einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland); Bay. VGH, B. v. 25.06.1998 - 1 NE 98.1023 - UPR 1998, 467 (468) (FOC Ingolstadt/NK/vorläufiger Rechtsschutz), 150 bis 200 km; ähnlich: Brückner - Großflächiger Einzelhandel, 1998 - S . 8; Jahn, GewArch 1997, 456 (457). 55 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 27. 56 Falk in: Falk: Das große Handbuch Shopping-Center, 1998 - S. 329 (342); Gabor-FOC, 2000 in: Studium & Praxis online www.geogr.uni-jena.de - Ziffer 2.2; Kleine/Offermanns, RuR 2000,35 (40); Lausberg - FOC als neue Angebotsform in Deutschland eine institutionenorientierte Analyse, 1999-S. 10; Priebs in: Gans/Lukhaup - Einzelhandelsentwicklung - Innenstadt versus periphere Standorte, 1998 - S. 107 (109); Rieger - FOC, 1998 - S. 86; Ruda ili: Schmude - FOC, 2000 - S. 31 (45); Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 24. 57 Jahn, GewArch 1997, 456 (457); Pittroff/Kolberg - FOC in Großbritannien und anderen europäischen Ländern, 1999 - A 5; Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 25. 58 Schmude in: Schmude-FOC, 2000-S. 1 (7). 39 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 32. 60 Bönker-Rechtsgutachten: FOC, 1997-S.57; Falk in: Falk: Das große Handbuch Shopping-Center, 1998 - S. 329 (341 und 353); Gabor - FOC, 2000 in: Studium & Praxis online www.geogr.uni-jena.de - Ziffer 2.2; Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (122); Kleine/Offermanns, RuR 2000, 35 (39); Kniep, VB1BW 1998, 294; Krautzberger, Der Städtetag 1997,473; Moench/Sandner, NVwZ 1999,337 (338); Priebs in: Gans/Lukhaup - Einzelhandelsentwicklung - Innenstadt versus periphere Standorte, 1998 - S. 107 (109); Schmude in: Schmude - FOC, 2000 - S. 1 (7); Raumordnerischer Entscheid der Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz - Abschlussentscheid des Raumordnungsverfahrens über die Errichtung eines Designer Outlet Zweibrücken, Juni 1997 - S. 32.

40

2. Kap.: Der Begriff des FOC

VIII. Organisation und Centermanagement Die Errichtung eines FOC erfolgt in der Regel durch eine Betreibergesellschaft, die nicht nur die Verkaufsfläche zur Verfügung stellt, sondern auch die Koordination, Organisation und das Marketing für das jeweilige FOC sowie Verkaufsschulungen für die Angestellten übernimmt 61. Die Betreibergesellschaft erhält für die Bereitstellung der Verkaufsfläche und die weiteren Dienstleistungen eine Miete, die zum Teil aus einer prozentualen Umsatzbeteiligung bestehen kann 62 .

IX. FOC als Gewerbesteuerquelle Hauptargument für eine Gemeinde, ein FOC im Gemeindegebiet anzusiedeln, ist die Aussicht auf sprudelnde Gewerbesteuerquellen. Allerdings ist die Höhe der zu erwartenden Gewerbesteuereinnahmen der Ansiedlungsgemeinde von verschiedenen Faktoren abhängig. Durch eine Betriebsaufspaltung in eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft besteht die Möglichkeit, die Mieten als Erträge aus der Grundstücksverwaltung gemäß § 9 GewStG der Gewerbeertragsbesteuerung zu entziehen63. Außerdem folgt aus dem Zerlegungsgrundsatz des § 4 GewStG, dass der Standortgemeinde nur ein Teil der Gewerbesteuer zufließt.

X. Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt Es muss davon ausgegangen werden, dass FOC im Vergleich zum innerstädtischen Einzelhandel weniger qualifizierte Arbeitsplätze (Verhältnis ca. 1:2) und insbesondere wenige oder gar keine Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen64.

C. Zusammenfassung - ein Definitionsansatz 65 Ein FOC ist ein großflächiger Zusammenschluss vieler Hersteller mit einer Gesamtverkaufsfläche von meist über 5.000 qm in einem einheitlichen Gebäudekom61 Falk in: Falk: Das große Handbuch Shopping-Center, 1998 - S. 329 (348) m. w. N.; Pabst/ Brambach in: Tomczak - Alternative Vertriebswege, 1999 - S. 164 (174); Schmude in: Schmude-FOC, 2 0 0 0 - S . l (9). 62 Vgl. Textilwirtschaft 9/1995, 38 (39), in der Regel 15 % vom Netto-Umsatz. 63 Runkel, UPR 1998, 241 (247). 64 Kaune, BBauBl 1998, 10 (11); Krautzberger - FOC - Der Städtetag 1997, 473; Rieger-FOC, 1998-S. 66; Runkel, UPR 1998, 241 (243); Spannowsky, UPR 1999, 241 (242); Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 29 f. sowie S. 133.

D. FOC in Deutschland - Bestandsaufnahme

41

plex bzw. in mehreren eng beieinander liegenden Gebäuden, bei dem die Hersteller eigene Ladeneinheiten anmieten und selbst betreiben. Die Hersteller vertreiben ihre Ware unter Umgehung des Groß- und Einzelhandels direkt an die Endverbraucher. In FOC werden typischerweise innenstadtrelevante Sortimente schwerpunktmäßig Bekleidungsartikel, allerdings in der Regel keine Genuss- und Lebensmittel, angeboten. Dabei handelt es sich überwiegend um Fabrikware, also 2. Wahl-Produkte, Restposten oder Auslaufmodelle, Modelle des Vorjahres bzw. der vorherigen Saison, Artikel aus Überschussproduktion und Waren zu Markttestzwecken, die zwischen 25 und 50 % unter dem herkömmlichen Ladenpreis verkauft werden. Die Koordination, Organisation und das Marketing erfolgt durch ein einheitliches Center-Management. FOC werden meist mit Gastronomie- und Freizeiteinrichtungen verbunden.

D. FOC in Deutschland - eine kurze Bestandsaufnahme In Deutschland gibt es bereits seit einigen Jahren Anlagen, die als FOC bezeichnet werden und eine genutzte Verkaufsfläche von unter 5.000qm (z.B. in Aalen, Bodelshausen bei Tübingen, Darmstadt, Leipzig, Möhrfelden bei Frankfurt und Senden bei Ulm) aufweisen 66. Die derzeitige Diskussion fokussiert sich allerdings auf wesentlich größere Projekte, die - wie das FOC Zweibrücken 67 - eine geplante Gesamtverkaufsfläche von weit über 20.000 qm aufweisen. Gegenstand der Untersuchung sollen daher nicht die zuvor beschriebenen kleinen FOC, sondern FOC „neuen Typs" sein, die durch eine Gesamtverkaufsfläche von über 5.000qm gekennzeichnet sind. Die im Durchschnitt angestrebte Verkaufsfläche in Deutschland liegt bei 15.000qm, was einer durchschnittlichen Innenstadt-Verkaufsfläche einer Stadt mit etwa 30.000 Einwohnern entspricht 68. 65

In Anlehnung an: Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999- S. 13; Katalog E, Begriffsdefinitionen, 4. Ausgabe, 1995, S.45, Nr. 12 (Factory Outlet). 66 Güttler/Krautzberger, BBauBl 1997,706 (708), in den Jahren 1994/95 wurden sieben solcher „kleinen" FOC eröffnet; Lausberg - FOC als neue Angebotsform in Deutschland eine institutionenorientierte Analyse, 1999-S. 26; Pangels, BAG Handelsmagazin 11-12/1997, 24 (27); Pittroff, Dynamik im Handel 3/98,64 (66); Runkel, UPR 1998,241 (243); Schlautmann, Handelsjoumal 4/1999, 30. 67 Vgl. OVG RP, Β. v. 08.01.1999- 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (436) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz). 68 Krautzberger, Der Städtetag 1997, 473; Runkel, UPR 1998, 241 (243); a. A. Kleine/Offermanns, RuR 2000, 35 (41), die durchschnittliche Verkaufsfläche liege bei rund 12.700 qm; so auch: Lausberg - FOC als neue Angebotsform in Deutschland eine institutionenorientierte Analyse, 1999-S. 33.

42

2. Kap.: Der Begriff des FOC

Investoren sehen in Deutschland ein Potential von 20 bis 25 solcher FOC 69 . FOC werden in Deutschland, auch wenn von der derzeitigen restriktiven Genehmigungspraxis in Zukunft abgewichen wird, nur eine untergeordnete Rolle im Einzelhandel spielen. In den USA erreichen FOC in der wichtigsten Branche, dem Textileinzelhandel, einen Marktanteil von nur ca. 2% 7 0 . In Deutschland wird ein Marktanteil von maximal 2,5 % am gesamten Bekleidungskonsum erwartet 71. Das erste FOC neuen Typs wurde in Deutschland am 25. Mai 2000 in Wustermark bei Berlin eröffnet 72. Auf 10.600 qm Verkaufsfläche werden vor allem Textilien, Modeartikel und Schuhe internationaler Designermarken aus Überproduktionen und Vorjahreskollektionen angeboten. Das zweite große FOC in Deutschland wird voraussichtlich am 8. März 2001 in Zweibrücken eröffnet; Baubeginn war im November 199973. Die Klagen mehrerer Nachbargemeinden gegen die erste Teilbaugenehmigung über die Errichtung einer Anlage von 21.000 qm Verkaufsfläche sind ohne Erfolg geblieben74. Es liegen in Deutschland derzeit insgesamt etwa 30 Anfragen zur Errichtung eines FOC „neuen Typs" vor 75 . Standorte, an denen nach Betreiberangaben im Jahre 2001 die Fertigstellung eines FOC erfolgen soll, befinden sich in Eichstädt (bei Berlin) 7 6 , Kessin (bei Rostock) und Villingen-Schwenningen77. Ob es tatsächlich zu einer Realisierung der zuletzt genannten Anlagen kommen wird, ist jedoch noch unklar, weil - so weit ersichtlich - derzeit noch kein Baurecht besteht. 69 Pittroff, Dynamik im Handel 3/98, 64 (65); Schmude in: Schmude - FOC, 2000 - S. 1 (15); FOCUS - Kleider machen Beute -13/1997,222; a. A. Pabst/Brambach in: Tomczak - Alternative Vertriebswege, 1999 - S. 164 (180), lediglich 12-15 FOC. 70 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 44; vgl. Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppe der Wirtschafts-, Raumordnungs- und Bauministerkonferenz zu FOC in BBauBl. 1998, S.76, Ziffer 5. 71 Pabst/Brambach in: Tomczak - Alternative Vertriebswege, 1999-S. 164 (180). 72 DIE RHEINPFALZ vom 26. Mai 2000. 73 DIE RHEINPFALZ vom 10. März 2000. 74 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C.III.10. 75 Vgl. Vogels/Will - Grundlagenuntersuchung der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA), 1999-ständig aktualisiert in: www.bch.de (Stand 09/2000): BW: Heilbronn, Pforzheim, Rheinmünster-Söllingen (bei Karlsruhe), Villingen-Schwenningen, Wertheim, Bayern: Ingolstadt; Bbg.: Eichstädt (bei Berlin), Ludwigsfelde, Marquardt, Ragow; Hessen: Bad Soden/Salmünster; Beselich-Obertiefenbach (nördl. von Limburg); Limburg; MV: Kessin (bei Rostock), Rostock; Wittenburg; Nds.: Bakum, Gronau, Sandkrug, Soltau; NW: Bielefeld; Duisburg, Emmerich, Frechen; Grevenbroich, Hückelhoven; RP: Zweibrücken; Sachsen: Döbeln; SH: Raisdorf; vgl. auch Kaune, BBauBl. 1998, lOff.; Kleine/Offermanns, RuR 2000,35 (37, Tabelle 1); Kniep, VB1BW 1998, 294; Lausberg - FOC als neue Angebotsform in Deutschland eine institutionenorientierte Analyse, 1999 - S. 28 Abbildung 4; Pittroff/Kolberg - FOC in Großbritannien und anderen europäischen Ländern, 1999- A 19, Tabelle 11; Runkel, UPR 1998, 241 (242); Schmude in: Schmude-FOC, 2000-S. 1 (3, Karte 1.1); zur Sach- und Rechtslage in NW: Antwort der Landesregierung NW auf die Kleine Anfrage (1132) des Abgeordneten Laurenz Meyer (CDU), Drucksache 12/3333 - Landtag NW, Drucksache 12/3434 vom 28.10.1998. 76 Vgl. Zu weiteren geplanten Projekten in Berlin/Bbg.: Battis, LKV1999,347 (348) m.w. N. 77 Vgl. GMA in www.bch.de.

Drittes Kapitel

Die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten gemäß § 11 I I I BauNVO Die wichtigste Vorschrift, die die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten regelt, ist § 11 III BauNVO. Da die Vorschriften der §§ 4 bis 14 derjenigen Fassung der BauNVO, die zum Zeitpunkt des Verfahrens der Bürgerbeteiligung gemäß § 3 II BauGB anzuwenden war, gemäß § 1 III 2 BauNVO Bestandteil des Bebauungsplanes werden, hängt die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten maßgeblich davon ab, welche Fassung der BauNVO anzuwenden ist. Die Untersuchung der rechtlichen Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten 1 soll zunächst auf der Grundlage der aktuellsten Fassung der BauNVO aus dem Jahre 1990 erfolgen 2. § 11 III 1 BauNVO bestimmt, dass Einkaufszentren gemäß § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO (3. Abschnitt), großflächige Einzelhandelsbetriebe mit den in § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO genannten Auswirkungen (1. Abschnitt) sowie gemäß § 11 III 1 Nr. 3 BauNVO sonstige großflächige Handelsbetriebe (2. Abschnitt), deren Auswirkungen mit den in Nr. 2 bezeichneten Auswirkungen vergleichbar sind, außerhalb von Kerngebieten nur in Sondergebieten zulässig sind. Regelungszweck des § 11 III BauNVO ist die Beschränkung von Einzelhandelsgroßprojekten auf solche Standorte, die in einem Bauleitplanverfahren überprüft und dabei nach städtebaulichen und landesplanerischen Gesichtspunkten zur Ansiedlung von solchen Betrieben für geeignet befunden wurden 3.

1

Als Einzelhandelsgroßprojekte sollen zusammenfassend die in § 11 III BauNVO genannten Betriebsformen bezeichnet werden, also Einkaufszentren (Nr. 1), großflächige Einzelhandelsbetriebe (Nr. 2), sonstige Handelsbetriebe (Nr. 3) nach der BauNVO 1977,1986 und 1990, aber auch Verbrauchermärkte und Einkaufszentren gemäß § 11 III BauNVO 1968; in Anlehnung an: Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988 - S . l l . 2 Zur Zulässigkeit nach den früheren Fassungen der BauNVO siehe 5. Kapitel. 3 Bröll/Hannig, BayVBl. 1979, 353 (354); Söfker, BBauBl 1987, 203.

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3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

Erster Abschnitt

Großflächige Einzelhandelsbetriebe gemäß § 11 I I I 1 Nr. 2 BauNVO Der Anwendungsbereich des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO ist enger als der der Nr. 1, weil unter Nr. 2 nur Einzelhandelsbetriebe und keine anderen im Zusammenhang mit dem Einzelhandel stehenden Dienstleistungsbetriebe zu fassen sind. Von der Vorschrift nicht erfasst ist der funktionelle Großhandel.

A. Der Begriff des Einzelhandels Nach den Begriffsdefinitionen 4 liegt Einzelhandel im funktionellen Sinne dann vor, wenn Marktteilnehmer Güter, die sie in der Regel nicht selbst be- oder verarbeiten, von anderen Marktteilnehmern beschaffen und an private Haushalte absetzen. Die Begründung des Verordnungsentwurfs zur BauNVO 1977 geht vom Einzelhandelsbegriff des § 6 a I UWG 5 aus, wonach Einzelhändler derjenige ist, der überwiegend letzte Verbraucher beliefert 6. Im Rahmen des § 11 III BauNVO sind jedoch nur offene Verkaufsstellen von Relevanz, so dass beispielsweise der Versandhandel und der Genossenschaftshandel von vornherein ausscheiden, weil von ihnen in der Regel keine Auswirkungen im Sinne des § 11 III 2 BauNVO ausgehen können7. Hoppe!Beckmann* rekurrieren auf § 11 des Gesetzes über die Berufsausübung im Einzelhandel vom 05.08.19579. Nach dieser Regelung betreibt derjenige Einzelhandel, der „gewerbsmäßig Waren anschafft und sie unverändert oder nach im Einzelhandel üblicher Be- und Verarbeitung in einer oder mehreren offenen Verkaufsstellen zum Verkauf an jedermann feilhält". Eine bestimmte Ausprägung der Betriebsform, wie ein breites Warenangebot in jeweils großen Mengen oder eine große Flächenbeanspruchung bei einseitigem Sortiment, ist für die Annahme eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes nicht erforderlich 10. 4

Katalog E, Begriffsdefinitionen, 1995 - S. 41. Vgl. Nordemann, BB 1980, 71 m.w.N. 6 Bundesratsdrucksache 261/77, S. 36; Neuhausen, NJW 1978, 191 (195); BVerwG, U.v.03.02.1984-4C 25.82-BauR 1984, 373 (374) = UPR 1984, 231 = BVerwGEBVerwGE 68, Nr.55, S.360; VGHBW, U.v. 19.09.1984-3 S 1613/83-BWGZ 1985,130; Hüttenbrink, BauR 1982,412 (413); Rothe, DVB1. 1977, 882 (887). 7 Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 19. 8 Hoppe/Beckmann, DÖV 1989,290 (294); so auch: Leder-BauNVO, 1992- § 11, Rn.31. 9 BGB1.I S. 1121. 10 Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988 - S. 13 (32); a. A. Schlichter in: Birk - Stadt und Ortskeme ohne Geschäfte?, 1986 - S. 37 (40, Fn. 6). 5

Β. Der Begriff der Großflächigkeit

45

In den Anwendungsbereich des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO können demzufolge beispielsweise Verbrauchermärkte, Warenhäuser, Kaufhäuser, Selbstbedienungswarenhäuser, Supermärkte, Fachmärkte wie ζ. B. Möbelmärkte, Baumärkte, Textilmärkte, Teppichmärkte, Schuhmärkte, Spielzeugmärkte, Auto- und Garten-Center, Hobby- und Do-it-yourself-Center, aber auch Fabrikverkaufsmärkte und FOC-Ladengeschäfte fallen 11.

B. Der Begriff der Großflächigkeit Die Anwendbarkeit des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO hängt davon ab, dass der jeweilige Einzelhandelsbetrieb großflächig ist. Die Großflächigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der allerdings in Literatur und Rechtsprechung eine hinreichende Bestimmung erfahren hat. Nachfolgend soll auf die wichtigsten Merkmale der Großflächigkeit eingegangen werden.

I. Die eigenständige Bedeutung der Großflächigkeit Früher wurde zum Teil 12 die Auffassung vertreten, dass die Großflächigkeit keine eigenständige Bedeutung habe und daher ausschließlich von den Auswirkungen her zu bestimmen sei. Die überwiegende Meinung in Literatur 13 und Rechtsprechung14 vertritt demgegenüber zu Recht die Auffassung, dass dem Begriff der Großflächigkeit eine eigenständige Bedeutung zukommt. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 11 11 Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 19.91; weder unter den Begriff des Einkaufszentrums noch unter den des großflächigen Einzelhandelsbetriebs fällt ein Trödelmarkt: OVG NW, Β. v. 21.07.1995 - 10 Β 1978/95 - BauR 1995, 821 = NVwZ-RR 1996, 135. 12 VG Köln, U. v. 02.09.1980 - 2 Κ 3502/79 - η. ν. S. 9-11, zitiert nach Hoffmann - Auswirkungen der 1977 neugefassten BauNVO, Diss. 1984-S. 115, Fn. 171; Kniep, GewArch 1985, 89 (92), Schwerdtner, BauR 1986, 253 (256). 13 Jahn, LKV 1991, 258 (259); Jahn, NVwZ 1987, 1053 (1054); Junge, BauR 1987, 643 (646); Leder - Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einkaufszentren, 1987 - S. 25; Nachreiner - Verbrauchermärkte in der städtebaulichen Ordnung, Diss. 1986- S. 99; Schenke, UPR 1986, 281 (282); Schenke, WUR 1990, 61 (63); Steger, BWGZ 1985, 110 (121). 14 BVerwG, U.v.22.05.1987-4C 19.85-BauR 1987,528 (529) = DÖV 1987,1013 = BRS 47, Nr. 56, S. 149; bestätigt in BVerwG, v. 12.03.1990 - 4B 210/89 - JURIS, S.2; BVerwG U. v. 11.02.1993 - 4 C 15/92 - NVwZ 1994, 285 (287) = DÖV 1993, 914 = ZfBR 1993, 191 = DVBl. 1993, 659; OVG NW vom 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998, 309 (311) = Β RS 59, Nr. 70, S. 239; VGH BW, U. v. 20.03.1985 - 3 S 309/84 - VB1BW 1985, 297 (298); VGH BW, U. v. 20.03.1985 - 3 S 2075/84 - UPR 1986, 313 (314); VGH BW, U. v. 20.03.1985 - 3 S 2075/84 - UPR 1986, 313 (314); VG Karlsruhe, v. 06.10.1983 - 5 Κ 539/82 - zitiert nach Steger, BWGZ 1985, 110 (120).

46

3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

III 1 Nr. 2 BauNVO sowie aus der Entstehungsgeschichte15. Der Verordnungsgeber orientierte sich am Begriff des Verbrauchermarktes, der nach allgemeiner Auffassung eine Mindestverkaufsfläche erfordert 16, so dass für den großflächigen Einzelhandelsbetrieb auch eine Mindestverkaufsfläche zu fordern ist. Eine andere Auslegung widerspräche auch der Gesetzessystematik und dem Telos der Vorschrift. Ginge man nämlich davon aus, dass die Großflächigkeit von den Auswirkungen des Einzelhandelsbetriebs abhängt, so wäre es unverständlich, warum für zwei verschiedene Tatbestandsmerkmale derselbe Umstand relevant sein soll. Der Verordnungsgeber wollte mit der Etablierung der Großflächigkeit Großformen des Einzelhandels, die auf einen gebietsüberschreitenden Warenabsatz ausgerichtet sind, von den in der BauNVO bezeichneten „Läden" und „Einzelhandelsbetrieben" deutlich trennen. Dem entspricht die typisierende Betrachtungsweise, die der BauNVO als Systemgedanke immanent ist 17 .

II. Keine Relativität der Großflächigkeit Früher wurde zum Teil 18 die Ansicht vertreten, die Großflächigkeit stelle eine relative Größe dar, die jeweils in concreto in Abhängigkeit von der Einzelhandelsbranche, der Sortimentstiefe und -breite, der Größe der Ansiedlungsgemeinde sowie dem Standort in der Gemeinde bestimmt werden müsse. Die Rechtsprechung des BVerwG 19 zum Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung, bei der von einer Widerlegung der Regelvermutung des § 11 III 3 BauNVO auszugehen ist, wurde als Beleg dafür gesehen, dass die Großflächigkeit insgesamt keine absolute Größe darstelle 20. 15

Schenke, UPR 1986, 281 (282) weist darauf hin, dass der Verordnungsgeber bei der Formulierung der Vorschrift bewusst Vorschlägen nicht gefolgt ist, die eine Neufassung des § 11 III BauNVO ohne Größenkriterium vorsahen: vgl. Losch, IzR 1976,431 (442); Schneider, IzR 1976, 483 (488); im Anschluss hieran: Jahn, NVwZ 1987, 1053 (1054). 16 OVG Bremen - B. v. 16.07.1976 - I Β 12/76 - BauR 1976, 407; OVG MV, Β. v. 30.06.1999 - 3 M 144/98 - NVwZ-RR 2000, 559 = DÖV 2001, 134; Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 19.4; Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 6; Leder - Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einkaufszentren, 1987 - S. 34; Schenke, UPR 1986, 281 (288); vgl. Katalog E, Begriffsdefinitionen, 1975 - Nr. 32, S. 21 (Mindestverkaufsfläche von 1.000qm). 17 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 54.80 - BauR 1984, 380 (381) = BVerwG 68, Nr. 53, S. 342; vgl. Jahn, NVwZ 1987, 1053 (1054). 18 Bröll, ZfBR 1986, 271 (272); Bröll/Hannig, BayVBl. 1979, 353 (354); Grae-Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 38; Hartwig in: Maier - Einzelhandels-Großprojekte, 1984-99 (100); Kniep, GewArch 1985, 89 (92); Leder - Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einkaufszentren, 1987 - S. 25; Nachreiner - Verbrauchermärkte in der städtebaulichen Ordnung, Diss. 1986-S. 101; Steger, BWGZ 1985, 110 (121). 19 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 54.80 - BauR 1984, 380 (381) = BVerwGE 68, Nr. 53, S.342. 20 Steger, BWGZ 1985, 110 (121).

Β. Der Begriff der Großflächigkeit

47 21

Diese Auffassung wird von der herrschenden Meinung in der Literatur und dem BVerwG 22 mit überzeugender Begründung abgelehnt. Die BauNVO bedient sich bei der Definition von Baugebieten und von Nutzungsarten durchweg typisierender Merkmale, die einen von den jeweiligen örtlichen Verhältnissen unabhängigen Begriffsinhalt haben. Deshalb ist die Großflächigkeit auch nicht relativ zu bestimmen und daher unabhängig von den jeweiligen örtlichen Verhältnissen, also der Größe der Gemeinde, ihrer Ortsteile, dem Einzugsbereich des Einzelhandelsbetriebes oder dessen Branche. Gegen die Annahme einer Relativität spricht zudem der Wortlaut des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO, der für eine derartige Differenzierung zwischen verschiedenen Arten von Einzelhandelsbetrieben keine Anhaltspunkte bietet23. Die Größe der Ansiedlungsgemeinde sowie die Sortimentstiefe und -breite muss im Rahmen des § 11 III BauNVO durch die Ablehnung der Relativität jedoch nicht gänzlich außer Betracht bleiben, sie ist bei der Beurteilung der raumordnerischen, landesplanerischen und städtebaulichen Auswirkungen zu berücksichtigen. Die Annahme einer einheitlichen Großflächigkeitsschwelle ist aus Gründen der Praktikabilität sowie der Rechtssicherheit geboten und unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes vertretbar 24. Der VGH BW hat es in seiner Entscheidung vom 22.01.1996 25 ausdrücklich offengelassen, ob die für einen SB-Lebensmittelmarkt entwickelten Grundsätze und damit die Großflächigkeitsgrenze von 700 qm auch für einen Gebrauchtwagenhandel maßgebend sind. Diesbezüglich ist jedoch dem Trugschluss vorzubeugen, dass bei anderen - flächenintensiveren - Branchen die Großflächigkeitsschwelle höher anzusetzen ist. Es würde dann von der jeweiligen Branche abhängen, welche Fläche für die Großflächigkeit erforderlich ist. Folgte man dieser Auffassung, müsste eine Relativität der Großflächigkeit angenommen werden, was nach der hier vertretenen Ansicht abzulehnen ist.

21 Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 19.8; Jahn, LKV 1991, 258 (259); Jahn, NVwZ 1987, 1053 (1055); Junge, BauR 1987, 643 (646); Kniep, VB1BW 1985, 291 (292, Fn. 8); nunmehr auch Leder - BauNVO, 1992 - § 11, Rn. 15; Schenke, UPR 1986, 281 (282); Schenke, DÖV 1988, 233 (236); Schenke, WUR 1990, 61 (63). 22 BVerwG, U.v.22.05.1987-4C 19.85-BauR 1987,528 (529) = DÖV 1987,1013 = BRS 47, Nr. 56, S. 149. 23 Schenke, UPR 1986, 281 (282). 24 Junge, BauR 1987, 643 (646). 25 VGH BW, B.v. 22.01.1996-8 S 2964/95-DÖV 1996, 750 = UPR 1996, 314 = BRS 58, Nr. 201, S.515 = VB1BW 1996, 300.

48

3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

III. Die Verkaufsfläche als maßgebliches Kriterium Ein Teil der Literatur 26 vertritt die Auffassung, dass als Bezugsgröße zur Bestimmung der Großflächigkeit die Geschossfläche und nicht die Verkaufsfläche heranzuziehen sei. Nach Jahn ergibt sich dies aus der erkennbaren Objektivierungstendenz des Verordnungsgebers seit der BauNVO 1977. Während § 11 III BauNVO 1968 auf bestimmte Handelsformen, nämlich auf das Einkaufszentrum und den Verbrauchermarkt abstellte, seien nach § 11 III BauNVO 1977 die objektiven Kriterien der Großflächigkeit und der Auswirkungen maßgeblich 27 . Aufgrund der Verfahrensbeschleunigung und der Rechtssicherheit sei daher auf die Geschossfläche abzustellen, die im Gegensatz zur Verkaufsfläche in der BauNVO definiert ist. Die Tatsache, dass der Begriff der Verkaufsfläche vom Verordnungsgeber nicht definiert worden ist, führe zudem dazu, dass das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot nicht eingehalten werde 28. Diese Auffassung wird von der Rechtsprechung29 und der herrschenden Meinung in der Literatur 30 zu Recht abgelehnt, weil es weder von der Geschossfläche noch von der Grundfläche der betrieblichen Anlagen, sondern ausschließlich von der Verkaufsfläche abhängt, ob ein Betrieb den Nahbereich überschreitende städtebauliche Auswirkungen mit sich bringt. Der Verordnungsgeber hat sich für die Regelvermutung des § 11 III 3 BauNVO des Begriffes der Geschossfläche bedient, weil diese in § 16 II BauNVO beinhaltet ist. Gemäß § 20 III BauNVO ist die Geschossfläche nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln 31. Die Geschossfläche sagt über die tatsächliche Verkaufsfläche nichts aus, weil kein bestimmtes Verhältnis zwischen Geschossfläche und Verkaufsfläche besteht32. Der Verordnungsgeber hat den Begriff der Verkaufsfläche nicht normiert und es der 26

Grae-Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S.38; Jahn, LKV 1991,258 (259, Fn. 12); Jahn, NVwZ 1987,1053 (1055); Hauth, BauR 1988,513 (516); Leder-Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einkaufszentren, 1987 - S. 26; Steinröx, BBauBl. 1987,15 (16). 27 Jahn, NVwZ 1987, 1053 (1055) im Anschluss an Beig in: Maier - Einzelhandels-Großprojekte, 1984-S. 73 (84). 28 Jahn, NVwZ 1987,1053 (1055), spricht in diesem Zusammenhang die integrierte Lagerhaltung und die Nutzung von Freiflächen an. 29 BVerwG, U.v.22.05.1987-4C 19.85-BauR 1987,528 (529) = DÖV 1987,1013 = BRS 47, Nr. 56, S. 149; im Anschluss daran: BVerwG, U. v.27.04.1990-4C 36.87- NVwZ 1990, 1071 = GewArch 1991, 156; VGH BW, U. v. 20.03.1985 - 3 S 309/84 - VB1BW 1985, 297 (299); VGH BW, U.v.20.03.1985-3 S 2075/84-UPR 1986, 313 (314). 30 Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998- § 11, Rn. 19.2; Junge, BauR 1987, 643 (648); nunmehr auch Leder- BauNVO, 1992- § 11, Rn. 15; Schenke, UPR 1986, 281 (283); Schenke, DÖV 1988, 233 (236, Fn. 19); Schenke, WUR 1990, 61 (63). 31 Söfker in: EZB Κ - BauGB, Stand April 2000 - § 11, Rn. 79. 32 VGH BW, U. v. 20.03.1985 - 3 S 309/84 - VB1BW 1985, 297 (299); VGH BW, U. v. 20.03.1985 - 3 S 2075/84 - UPR 1986,313 (314), das Gericht weist daraufhin, dass zwar bei Verbrauchermärkten die Geschossfläche erfahrungsgemäß das 1,5-fache der Verkaufsfläche beträgt, dieses Verhältnis jedoch bei anderen Betriebsformen abweichen könnte.

Β. Der Begriff der Großflächigkeit

49

Rechtsprechung überlassen, dieses Merkmal selbst zu bestimmen. Dieser Aufgabe ist die Rechtsprechung durch die Herausbildung einer eindeutigen Definition nachgekommen33.

1. Bestimmung des Begriffs

der Verkaufsfläche

In der Rechtsprechung34 und Literatur 35 hat sich mittlerweile eine Definition des Begriffes der Verkaufsfläche herausgebildet. Der VGH BW 3 6 geht von den Begriffsdefinitionen 37 aus und versteht unter dem Begriff der Verkaufsfläche den Teil der betrieblich genutzten Räche (Geschäftsfläche), der dem Verkauf dient, einschließlich Gänge, Treppen, Standflächen für Einrichtungsgegenstände, Schaufenster und Freiflächen, soweit diese den Kunden zugänglich sind. Das OVG NW 3 8 konkretisierte diese Definition mit der Aussage, dass eine Freiverkaufsfläche der anzusetzenden Verkaufsfläche nur dann zuzuordnen ist, wenn diese nicht nur vorübergehend zum Verkauf genutzt wird. Das BVerwG 39 hat klargestellt, dass auch Rächen der integrierten Lagerhaltung, also solche, die sowohl zur Lagerung der Waren als auch zum Verkauf dienen und daher den Kunden zugänglich sind, der Verkaufsfläche zuzurechnen sind. Der Begriff der Verkaufsfläche kann nach Ansicht des BVerwG in Anlehnung an die Bekanntmachung des Bay. Ministeriums für Landesentwicklung40 bestimmt werden, wonach unter dem Begriff der Verkaufsfläche der Teil der Geschäftsfläche zu verstehen ist, auf dem üblicherweise die Verkäufe abgewickelt werden. Hierzu zählen die Kassenzone, Gänge, Schaufenster, Stellflächen für Einrichtungsgegenstände, die sich innerhalb der Verkaufsräume befindenden und diese verbindenden Treppen und Aufzüge, jedoch nicht die Verkehrsflächen außerhalb des absperrbaren Bereichs.

33

Vgl. Schenke, UPR 1986, 281 (283). BVerwG, U.v.27.04.1990 - 4 C 36.87- NVwZ 1990, 1071 =GewArch 1991, 156; OVG NW U. v. 03.11.1988 - 11 A 2310/86 - BRS 49, Nr. 72, 180 (184); VGH BW, U. v. 20.03.1985 - 3 S 309/84 - VB1BW 1985, 297 (299); VGH BW, U. v. 20.03.1985 - 3 S 2075/84-UPR 1986, 313 (314). 35 Vgl. Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 19.3. 36 VGH BW, U. v. 19.09.1984-3 S 1613/83 - BWGZ 1985,130 (131) = VB1BW 1985,288; VGH BW, U. v. 20.03.1985 - 3 S 309/84 - VB1BW 1985, 297 (298); VGH BW, U.v.20.03.1985-3 S 2075/84-UPR 1986, 313 (314); zustimmend: Schenke, UPR 1986,281 (283). 37 Katalog E, Begriffsdefinitionen, 1975, Nr. 46, S.24. 38 OVG NW U.v.03.11.1988- 11 A 2310/86-BRS 49, Nr.72, 180 (184). 39 BVerwG, U.v.27.04.1990-4C 36.87- NVwZ 1990, 1071 =GewArch 1991, 156. 40 Bekanntmachung vom 05.09.1075 - MAB1. S. 980. 34

4 Kopf

50

3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

2. Die Relation Verkaufsfläche

zur Geschossfläche

Die BauNVO beinhaltet keine Legaldefinition des Begriffes der Verkaufsfläche. Die Verkaufsfläche ist deutlich geringer als die Geschossfläche. Das BVerwG ging in ständiger Rechtsprechung41 davon aus, dass die Verkaufsfläche in der Regel 2/3 der Geschossfläche ausmacht, so dass eine Geschossfläche von mehr als 1.500 qm regelmäßig einer Verkaufsfläche von mehr als l.OOOqm entspricht 42. Dieser Ansatz wird jedoch dem derzeitigen Entwicklungsstand des Einzelhandels nicht gerecht 43. Der Rächenbedarf für Lagerhaltung ist aufgrund integrierter Lagerhaltung und just-in-time-Lieferung beständig gesunken. Das BVerwG hat es daher in seiner Entscheidung vom 27.04.199044 offen gelassen, ob die Relation 2: 3 noch dem heutigen Einzelhandel entspricht. Die jüngste verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung45 geht zu Recht davon aus, dass die Verkaufsfläche im Durchschnitt etwa 75 % der Geschossfläche umfasst 46. Von dieser Relation ging übrigens auch die Bundesregierung in ihrem Entwurf zur BauNVO 1977 aus47. Nach dem OVG Nds. entspricht eine Verkaufsfläche von 700 qm einer Geschossfläche von 930 bis 1050 qm 48 .

IV. Die Höhe der Großflächigkeitsschwelle Es entspricht der allgemeinen Auffassung, dass der Begriff der Großflächigkeit eine Mindestverkaufsfläche voraussetzt. Die maßgebliche Größe war jedoch lange Zeit streitig. 41

BVerwG, U.v. 03.02.1984-4C 54.80-BauR 1984, 380 (381) = BVerwGE 68, Nr.53, S. 342 (345); BVerwG, B. v.28.07.1989-4B 18/89 -NVwZ-RR 1990, 230 = BRS 49, Nr.70, S. 172 = Buchholz 406.12 § 11, Nr. 14, S.7; so noch OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 29.06.1993- 1K 6 / 9 2 - L K V 1994, 220 (222). 42 Bundesrats-Drucksache 541/86 vom 07.11.1986, S. 3 - eine Verkaufsfläche von 800 qm entspricht einer Geschossfläche von 1.200qm. 43 Kniep, GewArch 1995, 469 sieht daher zu Recht einen Anpassungsbedarf von Verwaltungsvorschriften. 44 BVerwG, U. v.27.04.1990 - 4 C 36.87- NVwZ 1990,1071 (1072) = GewArch 1991,156. 45 VG Gießen, v. 07.12.1998-1 G 2001/98-JURIS, S.5; OVG Nds., U.v. 17.03.1994-1Κ 368/92 - η. ν. zitiert nach OVG Nds., U.v. 26.02.1999-1 Κ 1539/97-BauR 1999,1436(1437, Fn. 8) = NVwZ-RR 2000, 562; OVG NW U. v. 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998, 309 (312) = BRS 59, Nr. 70, S. 239, mit dieser Tendenz bereits: OVG NW U. v. 03.11.1988 - 11 A 2310/86-BRS 49, Nr.72, 180 (185). 46 Ähnlich bereits: Schenke, UPR 1986, 281 (285); Junge, BauR 1987, 643 (644), ging bereits von einem Verkaufsflächenanteil bei SB-Centem und SB-Warenhäusern von rund 80 % aus. 47 Bundesrats-Drucksache 261/77 vom 31.05.1977, S.37-eine Geschossfläche entspricht einer Verkaufsfläche von 1.500qm. 48 OVG Nds., U.v. 17.03.1994-1 Κ 368/92 - η. ν. zitiert nach OVG Nds., U.v. 26.02.19991Κ 1539/97 - BauR 1999, 1436 (1437, Fn. 8) = NVwZ-RR 2000, 562.

Β. Der Begriff der Großflächigkeit

51

1. Die früher herrschende Meinung Nach der früher herrschenden Meinung in Literatur 4 9 und Rechtsprechung 50 setzt die Großflächigkeit eine Verkaufsfläche von mehr als 1.000 qm voraus. Z u m Teil wurde eine größere 51 bzw. eine kleinere 5 2 Fläche für erforderlich gehalten.

a) § 11 I I I 3 BauNVO als Richtwert für die Großflächigkeit Die Begründung für die Annahme einer Mindestverkaufsfläche von 1.000 qm war innerhalb der herrschenden Literaturmeinung uneinheitlich. Ein T e i l 5 3 sah die für die Regel Vermutung des § 11 I I I 3 BauNVO erforderliche Geschossfläche von 1.500qm als Richtwert zur Bestimmung der Großflächigkeitsgrenze an. Demzufolge sei i m Geltungsbereich der BauNVO 1977 eine Verkaufsfläche von l.OOOqm zugrunde zu legen, weil die Verkaufsfläche erfahrungsgemäß 2/3 der Geschossfläche ausmache.

b) Keine Anlehnung an § 11 I I I 3 BauNVO Ein anderer T e i l 5 4 wiederum lehnte diese Anlehnung an § 11 I I I 3 BauNVO zu recht ab, weil § 11 I I I 3 BauNVO sich nur auf die Auswirkungen bezieht und eine 49 Hüttenbrink, DVB1. 1983, 530 (531, Fn.21); Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 38 (1.500qm Geschossfläche); Schenke, UPR 1986, 281 (284). 50 OVG Nds., Β.v. 13.06.1986-6B 54/86-ZfBR 1986,294 (Betriebmit 900qm Verkaufsfläche kommt dem großflächigen Einzelhandelsbetrieb nur nahe); VGH BW, U. v. 20.03.1985 - 3 S 309/84 - VB1BW 1985, 297 (298); VGH BW, U. v. 20.03.1985 - 3 S 2075/84 - UPR 1986, 313 (314); VG Karlsruhe, v. 06.10.1983 - 5 Κ 539/82 - zitiert nach Steger, BWGZ 1985, 110 (120); VG Koblenz, U. v. 08.12.1981 - 7 Κ 60/81 - η. v., S. 10 (etwa 1000 qm), zitiert nach Hoffmann - Auswirkungen der 1977 neugefassten BauNVO, Diss. 1984 - S. 113, Fn. 170; VG Saarlouis, U. v. 21.01.1982 - 2 Κ 1905/80 - η. v. S. 10, zitiert nach Hoffmann - Auswirkungen der 1977 neugefassten BauNVO, Diss. 1984 - S. 113, Fn. 169; offengelassen von VGH B W - 5 S 1290/81-BauR 1982,149 = BRS 38,142, a.A.: VG Freiburg, U.v.28.06.1984-zitiertnach Steger, BWGZ 1985, 110 (120). 51 Maier in: Maier - Einzelhandels-Großprojekte, 1984-S. 1 (2), erstab 1.500qm Verkaufsfläche. 52 Förster- BauNVO, 1978 - § 11, S. 176 - 1.000 Geschäftsfläche = 700 qm Verkaufsfläche; Hartwig in: Maier - Einzelhandels-Großprojekte, 1984-99 (100)-500 qm Geschossfläche; Hotzan, IzR 1976, 461 (463) - 1.000 qm nutzbare Geschossfläche = 700 qm Verkaufsfläche; Leder - Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einkaufszentren, 1987 - S. 26 - l.OOOqm Geschossfläche; Schlichter in: Birk - Stadt und Ortskerne ohne Geschäfte?, S.40; Rn.6 (600 bis 700 qm Verkaufsfläche). 53 Bröll/Hannig, BayVBl. 1979,353 (354); Grae-Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981-S. 38. 54 VGH BW, U. v. 20.03.1985 - 3 S 2075/84 - UPR 1986, 313 (315); VGH BW, U.v.20.03.1985-3S 309/84- VB1BW 1985, 297 (299); VG Karlsruhe, v.06.10.1983-5K 539/82-zitiert nach Steger, BWGZ 1985, 110 (120); Hüttenbrink, BauR 1982, 412 (413); Jahn, NVwZ 1987, 1053 (1056).

4*

52

3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

derartige Ableitung der eigenständigen Bedeutung der Großflächigkeit widersprechen würde. § 11 III 3 BauNVO hat nur für die Frage der Auswirkungen Bedeutung, nicht aber für die Großflächigkeit. Weder die Entstehungsgeschichte noch der Wortlaut sprechen dafür, dass die Großflächigkeit aus § 11 III 3 BauNVO abgeleitet werden kann. Die Mindestverkaufsfläche von l.OOOqm ergibt sich nach dieser Auffassung aus der Entstehungsgeschichte des § 11 III BauNVO 1977. Der Verordnungsgeber verfolgte mit der Etablierung des Begriffs des großflächigen Einzelhandelsbetriebs das Ziel, auch andere Betriebsformen zu erfassen, die nicht unter den Begriff des Verbrauchermarktes gefasst werden konnten. Nach Schenke ist zu beachten, dass die Neufassung des § 11 I I I BauNVO 1977 auf Betreiben der Wirtschaft zu Stande kam und deshalb die Großflächigkeit nach dem in der Wirtschaft üblichen Sprachgebrauch zu bestimmen ist 55 . Nach den Begriffsdefinitionen 56 setzt ein Verbrauchermarkt eine Mindestverkaufsfläche von l.OOOqm voraus. Für großflächige Einzelhandelsbetriebe könne nichts anderes gelten57.

2. Die Grundsatzentscheidung

des BVerwG

Das BVerwG hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 22.05.1987 5% ausgeführt, dass gegen die Annahme einer Mindestverkaufsfläche von über 1.000 qm spreche, dass die Regel Vermutung des § 11 III 3 BauNVO 1977 bereits eine Geschossfläche von 1.500qm verlangt, was in der Regel l.OOOqm Verkaufsfläche entspricht. Das Gericht folgert aus einer systematisch-teleologischen Auslegung des § 11 III BauNVO, dass es nicht der Intention des Verordnungsgebers entspreche, die Anwendbarkeit des § 11 III BauNVO auf Einzelhandelsbetriebe unter l.OOOqm Verkaufsfläche auszuschließen. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber durch § 11 III BauNVO, neben den die Regelgrenze überschreitenden Einzelhandelsbetrieben, nur solche erfassen wollte, deren Geschossfläche zwar unter der Regelgrenze liegt, die jedoch in Abweichung vom Regelfall eine Verkaufsfläche von l.OOOqm aufweisen. 55

Schenke, UPR 1986, 281 (283). Katalog E, Begriffsdefinitionen, 1975 S.21, Nr. 32.; die neueste Veröffentlichung des Ausschusses für Begriffsdefinitionen aus der Handels- und Absatzwirtschaft, Katalog E, Begriffsdefinitionen, 4. Ausgabe, 1995, S.46, Nr. 17 weist differenzierend daraufhin, dass die Mindestverkaufsfläche für Verbrauchermärkte unterschiedlich definiert wird: nach der amtlichen Statistik mindestens l.OOOqm, nach der Abgrenzung des Europäischen Handelsinstituts bei 1.500 qm, nach internationalen Erhebungsverfahren von Panelinstituten bei 800 qm Verkaufsfläche. 57 A.A.: Nachreiner - Verbrauchermärkte in der städtebaulichen Ordnung, Diss. 1986 — S. 100f. geht zwar davon aus, dass für Verbrauchermärkte eine Mindestverkaufsfläche von 1.000qm erforderlich ist, aber großflächige Einzelhandelsbetriebe bereits mit mehr als 600qm Verkaufsfläche denkbar sind. « BVerwG, U.v. 22.05.1987-4C 19.85-BauR 1987,528 (529) = DÖV 1987,1013 = BRS 47, Nr. 56, S. 149. 56

Β. Der Begriff der Großflächigkeit

53

a) Bestimmung der Mindestverkaufsfläche durch Abgrenzung großflächiger Einzelhandelsbetriebe von „Nachbarschaftsläden" Nach dem BVerwG 59 spricht vieles dafür, dass die Verkaufsflächenobergrenze für Einzelhandelsbetriebe der wohnungsnahen Versorgung der Bevölkerung, also für nicht-großflächige Einzelhandelsbetriebe, nicht wesentlich unter 700 qm Verkaufsfläche, aber auch nicht wesentlich darüber liegt 60 . Das BVerwG ging in seiner Entscheidung davon aus, dass der Verordnungsgeber mit dem Begriff die zwei Gruppen von Einzelhandelsbetrieben der BauNVO voneinander abgrenzen wollte, nämlich zum einen die Einzelhandelsbetriebe, die wegen ihres angestrebten größeren Einzugsbereichs in Kern- oder Sondergebiete gehören und typischerweise dort auch zu finden sind und zum anderen die Einzelhandelsbetriebe und Läden, die der wohnungsnahen Versorgung der Bevölkerung dienen (Nachbarschaftsläden) und deshalb typischerweise in den ausschließlich, überwiegend oder zumindest auch dem Wohnen dienenden Gebieten angesiedelt sind. Die Großflächigkeit beginnt nach dem BVerwG dort, wo die Größe solcher Nachbarschaftsläden ihre Obergrenze findet. Das BVerwG bezog sich hierbei nicht auf oberverwaltungsgerichtliche Entscheidungen zu dieser Frage, sondern auf die Angabe des Oberbundesanwaltes (600-700 qm Verkaufsfläche). Das OVG Nds. 61 hatte jedoch zuvor die Zulässigkeit eines Einzelhandelsbetriebs in einem allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 II Nr. 2 BauNVO mit einer Verkaufsfläche von nahezu 700 qm als zulässig angesehen. In der Begründung heißt es hierzu, dass der Begriff des Ladens keineswegs statisch angelegt ist und demzufolge eine zeitgemäße Anpassung der zulässigen Größe unter Berücksichtigung der Entwicklung der Käuferansprüche vorzunehmen ist. Das BVerwG geht in ähnlicher Weise davon aus, dass sich die Verkaufsflächenobergrenze für Einzelhandelsbetriebe der wohnungsnahen Versorgung und damit die Untergrenze des großflächigen Einzelhandels durch einen Wandel des Einkaufsverhaltens der Bevölkerung verändern kann 62 . 59 BVerwG, U.V.22.05.1987-4C 19.85-BauR 1987,528 (529) = DÖV 1987,1013 = BRS 47, Nr. 56, S. 149; wiederholt in BVerwG, v. 12.03.1990-4B 210/89-JURIS, S. 1. 60 Diese Größe entspricht dem bereits von Förster- BauNVO, 1978 - § 11, S. 176 (1.000 Geschäftsfläche = 700qm Verkaufsfläche) und Hotzan, IzR 1976, 461 (463) (l.OOOqm nutzbare Geschossfläche = 700 qm Verkaufsfläche) angenommenen Wert. 61 OVG Nds., B. v. 08.01.1986- 6B 164/85 - BauR 1986,187; demgegenüber ging der VGH BW, U. v. 18.06.1986 - 8 S 1068/86 - VB1BW 1987, 106 noch davon aus, dass die Zulässigkeitsgrenze für Nachbarschaftsläden bei 400 bis 600 qm Verkaufsfläche liegt; der VGH BW, B.v. 25.11.1996-3 S 2913/96 - GewArch 1997, 165 hat einen Einzelhandelsbetrieb mit ca. 592 qm Gesamtgeschossfläche in einem allgemeinen Wohngebiet für unzulässig gehalten, weil dieser keinen funktionalen Zusammenhang zum Wohngebiet auf wies. 62 BVerwG, U.v.22.05.1987-4C 19.85-BauR 1987,528 (531) = DÖV 1987,1013 = BRS 47, Nr. 56, S. 149.

54

3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

Das BVerwG bejahte die Großflächigkeit bei Einzelhandelsbetrieben mit einer Verkaufsfläche von 991 qm und von 838 qm 63 sowie 951 qm 64 . b) Resonanz auf die Grundsatzentscheidung des BVerwG Die Entscheidung des BVerwG zur Großflächigkeit wurde in der Literatur überwiegend begrüßt 65. Nach Jahn spricht für die Auslegung des BVerwG insbesondere, dass das Gericht für die Bestimmung der Großflächigkeitsgrenze nicht auf die Regelvermutung zurückgreift. Seit Inkrafttreten des § 11 III BauNVO 1986 könne die Untergrenze von 1.000 qm Verkaufsfläche ohnehin nicht weiter aufrechterhalten werden, weil der Verordnungsgeber mit der Absenkung der Regelgrenze auf 1.200qm Geschossfläche, davon ausgeht, dass bereits ab 800 qm Verkaufsfläche ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb gegeben ist. Demzufolge könne auch unterhalb von 800 qm Verkaufsfläche die Großflächigkeit bejaht werden. Jahn verortet die Obergrenze für nicht-großflächige Einzelhandelsbetriebe bei 600 bis 700 qm Verkaufsfläche und leitet daraus die Untergrenze der Großflächigkeit mit 1000 qm Geschossfläche ab 66 . Nach Schenke verstärken sich mit dieser Ausweitung des Begriffs der Großflächigkeit die Bedenken, die gegen die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs „großflächig" unter dem Aspekt des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatzes geäußert werden 67. Die Entscheidung des BVerwG habe die Rechtsunsicherheit, die im Zusammenhang mit der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Großflächigkeit besteht, nicht beseitigt. Für den Bauantragsteller werde es auch in Zukunft nicht ersichtlich sein, von welcher Verkaufsfläche an die Anwendung des § 11 III BauNVO von vornherein ausscheidet, so dass er gezwungen sein werde, einen nicht unerheblichen Sicherheitsspielraum einzuhalten, um nicht das Risiko der Ablehnung seines Bauantrages einzugehen. Die von der herrschenden Meinung in der Literatur für erforderlich gehaltene Mindestverkaufsfläche von l.OOOqm führe auch nicht dazu, dass Einzelhandelsbetriebe unterhalb der von § 11 III 3 1977 vorgegebenen Regelgrenze nicht erfasst würden. Die Verkaufsfläche mache in der Praxis etwa 75% der Geschossfläche aus, so 63

BVerwG, U. v. 22.05.1987-4C 30.86-ZfBR 1987, 256 = Buchholz 406.12 § 11, Nr. 11,

S.6. 64

BVerwG, U. v.22.05.1987-4C 19.85-BauR 1987, 528 = DÖV 1987, 1013 = BRS 47, Nr. 56, S. 149. 65 Vgl. Birk, VB1BW 1988, 281 (284) = NWVB1. 1989, 73, der die klare Grenzziehung des BVerwG begrüßt; Jahn, NVwZ 1987,1053; Leder-BauNVO, 1992-§ 11, Rn. 18; Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 89. 66 So bereits: Leder - Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einkaufszentren, 1987 - S. 26. 67 Schenke, WUR 1990, 61 (64).

Β. Der Begriff der Großflächigkeit

55

dass demzufolge auch Betriebe erfasst würden, deren Geschossfläche unter der Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO 1977 liegt 68 . Aus der Herabsetzung der Regelvermutung in § 11 III 3 BauNVO 1986 könne kein Rückschluss auf die Bestimmung der erforderlichen Mindestverkaufsfläche im Geltungsbereich der BauNVO 1977 gezogen werden, weil andernfalls eine unzulässige Rückwirkung von Normen gegeben wäre 69. Nach Schenke spricht gegen die Annahme einer Mindestverkaufsfläche von 700 qm, dass die oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung einen Laden im Sinne des §4 I I Nr. 2 selbst bei einer Verkaufsfläche von 700 qm noch für möglich hält und es deshalb eine willkürliche Dezision darstellen würde, bei der gleichen Verkaufsfläche auch schon einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb anzunehmen70. Außerdem würden sich daraus gravierende Eingriffe in die Grundrechte der Art. 12 und 14 GG ergeben. Nach Schenke wird aufgrund der aus betriebswirtschaftlichen Gründen ständig gestiegenen Verkaufsflächenobergrenze von Läden, die der wohnungsnahen Versorgung dienen, die Untergrenze der Großflächigkeit jedenfalls über 700 qm liegen, wenn man die Prämissen des BVerwG akzeptiert. Fickert!Fieseier stimmen dem BVerwG zu, dass die Großflächigkeit nicht mit einer erheblichen Variationsweite gesehen werden kann und deshalb einen absoluten Wert darstellen muss71. Zu den Urteilen des BVerwG merken sie an, dass die Großflächigkeitsschwelle von etwa 700 qm Verkaufsfläche nur für einen Wirtschaftszweig, nämlich den der wohnungsnahen Versorgung dienenden Lebensmittelmarkt entwickelt und nicht die gesamte Breite des Einzelhandels dafür herangezogen worden sei. Dieser Wert lasse sich nicht verallgemeinernd auf sämtliche Branchen ausdehnen, weil er für vieleflächenintensive Branchen viel zu niedrig sei. Es müsse an der früher herrschenden Meinung festgehalten werden, wonach die Großflächigkeit erst bei l.OOOqm Verkaufsfläche beginnt72. Hüttenbrink: 73 und Hauth 74 kritisieren, dass die Untergrenze für die Großflächigkeit zu niedrig angesetzt sei. Sie gehen von einer Übertragbarkeit der Regelgrenze auf das Kriterium der Großflächigkeit aus und verorten die Mindestverkaufsfläche bei 800 qm.

68

Schenke, UPR 1986, 281 (285); Schenke, DÖV 1988, 233 (237). Schenke, DÖV 1988, 233 (237). 70 Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988-S. 13 (32); Schenke, DÖV 1988,233 (237); Schenke, UPR 1986,281 (284), verweist diesbezüglich auf OVG Nds., Β. v. 08.01.1986-6B 164/85-BauR 1986, 187. 71 Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 19.8. 72 Stüer- Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 1997 - Rn. 226. 73 Hüttenbrink, DVB1. 1987, 1045 (1047). 74 Hauth, BauR 1988, 513 (517), sieht hierin eine zu begrüßende Vereinfachung. 69

56

3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

3. Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nach der Grundsatzentscheidung des BVerwG Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte 75 hat sich der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen und die Großflächigkeit auch bei Vorhaben unter l.OOOqm Verkaufsfläche bejaht. Die Verwaltungsgerichte haben hierbei nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Untergrenze für die Großflächigkeit aufgrund einer Änderung der Kundenbedürfnisse und damit der Einzelhandelslandschaft wesentlich über 700 qm Verkaufsfläche liegt. Allerdings wurde in keinem Fall die Großflächigkeit unter 700 qm bejaht. So hat der VGH BW in seiner Entscheidung vom 17.10.1996 16 die Großflächigkeit eines Einzelhandelsbetriebes mit 654,52 qm Verkaufsfläche verneint. Das Gericht führte zur Begründung aus, dass der Betrieb wesentlich unter der maßgeblichen Grenze von 700 qm liegt. Das OVG NW 77 hat die Großflächigkeit bei einem Betrieb mit etwa 800 qm Verkaufsfläche bejaht, diesbezüglich jedoch betont, dass der zu entscheidende Fall keine Veranlassung zu einer Festlegung darüber bietet, wo exakt die Grossflächigkeitsgrenze liegt. Etwas aus dem Rahmen fällt lediglich die Entscheidung des VG Gießen vom 07.12.1998 78, in der das Gericht die Großflächigkeit eines Einzelhandelsbetriebes mit einer Verkaufsfläche von 722 qm verneint. Das Gericht hat sich der Rechtsprechung des BVerwG ausdrücklich angeschlossen, führt jedoch aus, dass das BVerwG keine starre Grenzziehung vorgenommen habe und damit bei einem atypischen Sortiment ausgehend vom Richtwert von 700 qm ein Toleranzrahmen von ca. 10% zulässig ist. Das Gericht hat folglich die Formulierung „nicht wesentlich" als Toleranzrahmen gewertet. 75 OVG Berlin, U. v. 21.06.1991 - 2 Β 7.89 - BRS 52, Nr. 51, S. 136 (139); OVG Nds., U. v. 26.02.1999 - 1 Κ 1539/97 - BauR 1999,1436(1438) = NVwZ-RR 2000,562 = IBR 2000, 95, geht von einer Verkaufsfläche von ca. 700qm aus, was einer Geschossfläche von 930qm bis 1050qm entspreche; OVG NW U. v. 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998, 309 (311) = BRS 59, Nr. 70, S. 239; OVG NW, v. 20.06.1991 - 11 A 728/88 - JURIS (900 qm); BVerwG, Β. v. 12.03.1990 - 4B 210.89 - S. 3 der Entscheidung = JURIS; OVG NW, U. v. 03.11.1988 - 1 1 A 2310/86 - NVwZ 1989, 676 (678) = BRS 49, Nr. 72, 180 (184); OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 29.06.1993 - 1 Κ 6/92 - LKV 1994, 220 (223); OVG Thür., B. v. 18.10.1996 1EO 262/96-BRS 58, Nr. 156, S.402 (404) = UPR 1997,156; Bay. VGH, U.v. 26.02.1991 - 2B 88.2596-GewArch 1991, 313; VGH BW, U.v. 17.10.1996-3S 193/96-VB1BW 1997, 309. 76

VGH BW, U.v. 17.10.1996-3S 193/96-VB1BW 1997, 309 (310). OVG NW, U. v. 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998, 309 (311) = BRS 59, Nr. 70, S. 239; es ist daher unverständlich, wenn Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn 19.9 davon ausgehen, das Gericht habe einen Schwellenwert von 800 qm Verkaufsfläche angenommen. 78 VG Gießen, v. 07.12.1998 - 1 G 2001/98 - JURIS, S. 5. 77

57

Β. Der Begriff der Großflächigkeit

Unklar bleibt jedoch, ob das Gericht diesen Toleranzrahmen nur für die Überschreitung der 700 qm Verkaufsfläche anlegen will oder auch bei einer Unterschreitung, so dass die Großflächigkeit bereits bei etwa 630 qm Verkaufsfläche bejaht werden könnte. 4. Stellungnahme: Mindestverkaufsfläche

von über 700 qm

Der Ansatz des BVerwG, dass die Großflächigkeit dort beginnt, wo die Größe von Nachbarschaftsläden ihre Obergrenze findet, verdient Zustimmung. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass diese Auffassung im Vergleich zur früher von der Literatur vertretenen fixen Untergrenze von l.OOOqm Verkaufsfläche einen Verlust an der so oft reklamierten Rechtssicherheit79 mit sich bringt. Dies ist aber im Hinblick darauf, dass mit dieser Auffassung dem Typisierungsgedanken der BauNVO besser entsprochen werden kann, in Kauf zu nehmen.

a) Verschiebung der Großflächigkeitsschwelle Es ist davon auszugehen, dass sich die Verkaufsflächenobergrenze für Einzelhandelsbetriebe der wohnungsnahen Versorgung seit der Grundsatzentscheidung des BVerwG im Jahre 1987 geändert hat, weil sich der Einzelhandel dem gewandelten Einkaufsverhalten der Bevölkerung anpassen musste. Der Trend im Einzelhandel geht eindeutig zu einer größeren Verkaufsfläche, weil die Kundenerwartungen an die Sortimentstiefe und -breite ständig steigen80. Die Verkaufsflächenobergrenze für Einzelhandelsbetriebe der wohnungsnahen Versorgung kann daher nicht mehr unter 700 qm liegen. Eine Großflächigkeit unterhalb von 700 qm Verkaufsfläche ist in Abweichung von der Entscheidung des BVerwG auszuschließen81. Die von Jahn 82 vertretene Untergrenze von l.OOOqm Geschossfläche ist nur dann noch zeitgemäß, wenn man von einer Geschoss-/Verkaufsflächenrelation von 4 : 3 ausgeht, weil andernfalls eine Verkaufsfläche unter 700 qm maßgeblich wäre.

79 Vgl. VGH BW, U. v. 20.03.1985 - 3 S 309/84 - VB1BW 1985, 297 (299); VGH BW, U.v.20.03.1985-3 S 2075/84-UPR 1986, 313 (315). 80 Vgl. Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998- § 11, Rn. 19.9; Hauth, BauR 1988, 513 (517); Jahn, NVwZ 1987,1053 (1056); Junge, BauR 1987,643 (650); Schenke, UPR 1986,281 (284), Scholtissek, GewArch 1989, 322 (326). 81 So auch Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO - 13 (31); Schenke, WUR 1990, 61 (64); ähnlich Jahn, NVwZ 1987, 1053 (1056), der von einer Verkaufs-/Geschossflächenrelation von 2 : 3 ausgeht und die Untergrenze der Großflächigkeit bei über lOOOqm Geschossfläche annimmt. 82 Jahn, NVwZ 1987, 1053 (1056).

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3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

b) Mindestverkaufsfläche von über 700 qm Die Großflächigkeitsschwelle ist aber auch nicht bei über 800 qm Verkaufsfläche anzusiedeln, weil diese Größe bereits der Regelvermutung in § 11 III 3 BauNVO entspricht, wenn man bei dieser systematisch-teleologischen Auslegung von der Annahme des Verordnungsgebers ausgeht, dass die Verkaufsfläche 2/3 der Geschossfläche beträgt 83. Bei der durchaus nachvollziehbaren historischen Auslegung der Literatur darf nicht übersehen werden, dass der Verordnungsgeber mit der Etablierung der Regelgrenze auch den Maßstab für eine Mindestverkaufsfläche nach unten verschoben hat. Diese Überlegung basiert nicht auf einer Ableitung der Untergrenze von der Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO, sondern auf der teleologischen Auslegung, wonach der Verordnungsgeber auch Betriebe erfassen wollte, die unter der Regelgrenze liegen. Aus diesem Grunde ist sowohl die Auffassung von Fickert/Fiese 1er 64 als auch von Hüttenbrink 85 und Hauth 86 abzulehnen. Die Auffassung von Fickert!Fieseier ist darüber hinaus deshalb unhaltbar, weil die Autoren zwar eingestehen, dass die Großflächigkeitsgrenze für Einzelhandelsbetriebe der Lebensmittelbranche eigentlich bei etwa 700 qm anzusetzen wäre, aber bei einer generellen Betrachtung 1.000 qm maßgeblich sein sollen. Es ist zwar zuzugestehen, dass bei anderen flächenintensiveren Branchen die Großflächigkeitsgrenze von über 700 qm Verkaufsfläche zu niedrig ist, es sprechen jedoch gute Gründe dafür, die Großflächigkeitsgrenze auf den „kleinsten Nenner" zu bringen. Folgte man der Auffassung von Fickert!Fieseier so wären Einzelhandelsbetriebe der Lebensmittelbranche mit etwa 700 qm Verkaufsfläche, die negative Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO mit sich bringen, nicht auf Kern- und Sondergebiete beschränkt, weil das Tatbestandsmerkmal der Großflächigkeit nicht vorliegen würde. Geht man von einer Großflächigkeitsschwelle von über 700 qm Verkaufsfläche aus, so kann sich bei flächenintensiven Branchen bei dieser Größe die Unanwendbarkeit des § 11 III BauNVO daraus ergeben, dass sie keine negativen Auswirkungen aufweisen. Es steht außer Frage, dass § 11 III BauNVO nur eine Kompromisslösung 87 sein kann, deshalb sollte gerade nicht der Fehler gemacht werden, den Anwendungsbe83

Bundesrats-Drucksache 541/86 vom 07.11.1986, S. 3; bei dieser Auslegung ist vom Standpunkt des Verordnungsgebers auszugehen und nicht von der vorzugswürdigeren 3:4 Relation. 84 Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 19.8. 85 Hüttenbrink, DVB1. 1987, 1045 (1047). 86 Hauth, BauR 1988, 513 (517). 87 Jahn, NVwZ 1987, 1053 (1056).

Β. Der Begriff der Großflächigkeit

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reich bei den wichtigsten von § 11 III BauNVO erfassten Branchen, nämlich denen des kurzfristigen Bedarfs, zu verengen. Vollkommen verfehlt ist es daher, wenn der VGH BW in seiner jüngsten Entscheidung vom 08.12.1999 88 zur Zulässigkeit der Festsetzung einer Mindestverkaufsfläche von l.OOOqm gemäß § 11 I I BauNVO 89 quasi in einem obiter dictum Bezug auf die dargestellte Auffassung von Fickert!Fieseier nimmt und die gewählte Flächengrenze von l.OOOqm als durchaus plausibel bezeichnet, weil diese Grenze seit Jahren als Schwellenwert für den Begriff der Großflächigkeit eines Handelsbetriebes im Sinne des § 11 III BauNVO über alle Wirtschaftszweige hinweg angenommen wird. Die Entscheidungsbegründung verwundert umso mehr, als sich das Gericht in einer früheren Entscheidung90 ausdrücklich der Rechtsprechung des BVerwG angeschlossen und die Großflächigkeitsgrenze bei 700 qm Verkaufsfläche angenommen hat. Der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nach der Grundsatzentscheidung des BVerwG ist überwiegend zuzustimmen, weil diese die Großflächigkeit unter 700 qm in keinem Fall bejaht haben. Lediglich die Auffassung des VG Gießen ist abzulehnen, weil nach dem theoretischen Ansatz des Gerichtes eine Großflächigkeit bereits bei 630 qm Verkaufsfläche bejaht werden könnte.

5. Zusammenfassung Für die Anwendbarkeit des § 11 III Nr. 2 BauNVO ist eine Mindestverkaufsfläche von über 700 qm erforderlich. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass der Verordnungsgeber aufgrund der Marktdynamik bei einer weiteren Erhöhung der Obergrenze von Einzelhandelsbetrieben, die der wohnungsnahen Versorgung dienen, gefordert sein könnte, die Regelgrenze nach oben hin anzupassen, um ein Zusammenfallen der Großflächigkeitsgrenze mit der Regelgrenze zu verhindern und damit den ursprünglichen Typisierungsgedanken der BauNVO aufrecht erhalten zu können. Eine andere Alternative bestünde darin, dass der Verordnungsgeber eine absolute Mindestflächenzahl festlegt, wodurch jedoch die dynamische Anpassung an die Entwicklung des Einzelhandels91 entfiele, so dass der Verordnungsgeber gezwungen wäre, ständig nachzubessern. 88 VGH BW, B.v.08.12.1999-8 S 3017/98- VB1BW 2000, 279 (281) = IBR 2000, 455 JURIS, S. 8 (VB1BW 3/2000, Β 5 - VGHBW-LS 72/2000). 89 Siehe 9. Kapitel, 2. Abschnitt, D.IV. 90 VGH BW, U.v. 17.10.1996-3S 193/96-VB1BW 1997, 309 (310). 91 Vgl. Schenke, UPR 1986, 281 (284).

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3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

V. Exkurs: Keine generelle Zusammenfassung der Begriffe Laden und Einzelhandelsbetrieb Das BVerwG 92 hat zur Unterscheidung von großflächigen und nicht-großflächigen Einzelhandelsbetrieben nur zwei Begriffe verwendet, nämlich den des großflächigen Einzelhandelsbetriebs und den des „Nachbarschaftsladens". Als Nachbarschaftsladen wurden solche Einzelhandelsbetriebe bezeichnet, die der wohnungsnahen Versorgung dienen. Das Element der „wohnungsnahen Versorgung" als Unterscheidungsmerkmal hat das BVerwG im Hinblick darauf herausgestellt, dass die BauNVO Gebiete, die ausschließlich, vorwiegend oder zumindest auch dem Wohnen dienen oder die, wie Kerngebiete, Wohnstandorten räumlich oder verkehrlich zugeordnet sind, Einzelhandelsbetriebe ausdrücklich zugewiesen hat. Das Bundesverwaltungsgericht fasste aus diesem Grunde die in § 2 II Nr. 2 und § 4 II Nr. 2 BauNVO bezeichneten Läden, die der Versorgung des Gebietes dienen, Läden gemäß § 3 III BauNVO, die zur Deckung des täglichen Bedarfs dienen, Läden gemäß §4a BauNVO sowie Einzelhandelsbetriebe gemäß §§5 II. Nr. 5,6 II Nr. 3 und 7 II Nr. 2 BauNVO mit der Umschreibung der Einzelhandelsbetriebe, die der wohnungsnahen Versorgung dienen, zusammen. Im Gegensatz dazu stehen die großflächigen Einzelhandelsbetriebe, die wegen ihres angestrebten Einzugsbereiches durch die BauNVO den Kern- und Sondergebieten zugeordnet werden. Hauth folgert aus der zusammenfassenden Bezeichnung des Einzelhandelsbetriebs der wohnungsnahen Versorgung, dass kein planungsrechtlicher Grund erkennbar sei, weshalb man zwischen den kleinflächigen Läden und den großflächigen Einzelhandelsbetrieben noch eine Kategorie einfügen bzw. die nicht-großflächigen Läden noch einmal begrifflich unterteilen sollte93. Dem kann nicht gefolgt werden, weil zwischen Läden im Sinne der §§ 2 bis 4a BauNVO und den Einzelhandelsbetrieben im Sinne der §§5 bis 7 BauNVO aufgrund der zugewiesenen Versorgungsfunktionen wesentliche Unterschiede bestehen94. Außerdem ist der Begriff des Ladens weitergehender als der des Einzelhandelsbetriebes, weil der Ladenbegriff nicht auf den Handel verengt ist und hierunter beispielsweise auch Annahmestellen für Reinigungen, Wäschereien, Lotterien und Wetten fallen können95. Außerdem verfolgte das BVerwG mit seiner zusammenfassenden Betrachtung keine Gleichsetzung der Begriffe Laden und Einzelhandelsbetrieb. 92

BVerwG, U.v.22.05.1987-4C 19.85-BauR 1987,528 (530) = DÖV 1987,1013 = BRS 47, Nr. 56, S. 149. 93 Hauth, BauR 1988, 513 (515f.). 94 Bielenberg, B1GBW 1978, 81 (82); im Ergebnis auch: Schenke, DÖV 1988, 233 (237); Stock in: König - BauNVO, 1999 - § 4, Rn. 12ff.; der VGH BW, B. v. 25.11.1996 - 3 S 2913/96-GewArch 1997, 165. 95 Bielenberg, B1GBW 1978, 81.

Β. Der Begriff der Großflächigkeit

61

VI. Die Addition der Verkaufsflächen von nicht-großflächigen Betrieben Siedeln sich mehrere nicht-großflächige Einzelhandelsbetriebe in räumlicher Nähe zueinander an, so stellt sich die Frage, ob eine Addition der Verkaufsflächen dieser selbständigen Betriebe und damit eine Konstituierung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs zulässig ist. 1. Summierende Betrachtung Den Gemeinden ist die häufig zu beobachtende sukzessive Agglomeration mehrerer nicht-großflächiger Einzelhandelsbetriebe in Misch-, Gewerbe- und Industriegebieten ein Dorn im Auge. Da die einzelnen Vorhaben die Großflächigkeitsgrenze nicht überschreiten, wird in der Verwaltungspraxis versucht, die Unzulässigkeit von hinzutretenden Vorhaben mittels einer summierenden Betrachtungsweise zu begründen96. Hierbei wird die Verkaufsfläche der bereits vorhandenen Betriebe mit der Verkaufsfläche des geplanten Vorhabens addiert, was zu einer Konstituierung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes führt. Eine derartige Addition wird damit begründet, dass das hinzutretende Vorhaben mit den bereits vorhandenen und sich in räumlicher Nähe befindlichen Einzelhandelsbetrieben einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb bildet, der Auswirkungen gemäß § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO zur Folge hat. Die Zulässigkeit einer Addition wird nicht vom Vorliegen weitergehender Voraussetzungen abhängig gemacht. Als Argument für die Zulässigkeit einer solchen Addition wird die Begründung zur vierten Verordnung zur Änderung der BauNVO (1990) herangezogen97. Hierin heißt es, dass nach geltendem Recht bei der Errichtung mehrerer Betriebe auf einer Betriebsfläche (räumlicher Zusammenhang) und bei Vorliegen eines abgestimmten Warensortiments (funktionaler Zusammenhang) die Gesamtfläche zu berücksichtigen sei 98 .

96

Vgl. Hauth, BauR 1988, 513 (517). BR-Drucksache 354/89 vom 30.06.1989, S.28, 2. Absatz. 98 Kritisch hierzu: Schenke, WUR 1990,61 (64), der diese Formulierung als bedenklich bezeichnet. 97

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3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

2. Ablehnung der summierenden Betrachtung Die herrschende Meinung in der Literatur" und Rechtsprechung 100 lehnt eine summierende Betrachtung zu Recht ab. Fickert!Fieseier sprechen sehr anschaulich von einem „Windhundprinzip", welches vom Wortlaut des § 11 III Nr. 2 BauNVO nicht gedeckt ist. Die Konstituierung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes aufgrund einer summierenden Betrachtung ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen abzulehnen. § 11 III BauNVO ist nur dann als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums anzusehen, wenn bei selbständig geführten Unternehmen die Frage der baurechtlichen Zulässigkeit für jeden Einzelhandelsbetrieb gesondert beantwortet wird 101 . Eine Addition der Verkaufsflächen mehrerer nicht-großflächiger Einzelhandelsbetriebe ist zudem aus systematisch-teleologischen Gründen als unzulässig anzusehen. Wäre eine Addition der Verkaufsfläche möglich, so hätte es der Etablierung des § 11 III Nr. 1 BauNVO nicht bedurft. Es ist nicht anzunehmen, dass der Verordnungsgeber eine inhaltsleere Regelung statuieren wollte. Die Begründung zur Vierten Verordnung zur Änderung der BauNVO (1990) kann nicht zur Rechtfertigung einer summierenden Betrachtung dienen. In der Begründung wird explizit auf die Entscheidung des BVerwG vom 22.05.1987 m verwiesen. Das Gericht geht in seiner Entscheidung davon aus, dass eine Addition der Verkaufsflächen zweier großflächiger Einzelhandelsbetriebe vorzunehmen ist, wenn diese zwar räumlich voneinander getrennt sind, aber aufgrund eines von einem Grundstückseigentümer gestellten Bauantrages auf einem Grundstück gleichzeitig und mit aufeinander abgestimmten Sortimenten verwirklicht werden sollen 103 . Gegenstand der Entscheidung war demzufolge nicht die Frage, ob die Konstituierung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs durch mehrere nicht-großflächige 99 Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 32; Hauth, BauR 1988, 513 (517); Jahn, LKV 1991, 258 (259); Leder - BauNVO, 1992 - § 11, Rn. 19; Schenke in: Dichtl/Schenke-Einzelhandel undBauNVO, 1988 - 1 3 (36); Schenke, WUR 1990,61 (64); Schenke, DÖV 1988,233 (238). 100 BVerwG, U.v.04.05.1988-4C 34.86-UPR 1988,442 (444) = DVBl. 1988, 848; OVG NW, U.v.03.11.1988- 11 A 2310/86-NVwZ 1989, 676 (678) = BRS 49, Nr.72, 180; OVG NW, U. v. 04.05.2000 - 7 A 1744/97 - BauR 2000, 1453 (1454) = NVwZ 2000, 1066 = ZfBR 2000, 571 = IBR 2001, 86 = JURIS, S. 2; VGH BW, B. v. 18.06.1986 - 8 S 1068/86 - VB1BW 1987, 106(107). 101 Vgl. Schenke, DÖV 1988, 233 (238). 102 BVerwG, U. v. 22.05.1987 - 4 C 77.84 - NVwZ 1987, 1074 (1076) = BauR 1987, 524 = BRS 47, Nr. 58, S. 154 = ZfBR 1987, 251. 103 In einer solchen Fallkonstellation kann es nahe liegen, ein einheitliches Vorhaben im Sinne des §29 BauGB anzunehmen; siehe 8. Kapitel, B.I.

Β. Der Begriff der Großflächigkeit

63

Betriebe angenommen werden kann, sondern ob die Addition der Verkaufs- bzw. Geschossfläche mehrerer großflächiger Einzelhandelsbetriebe zulässig ist und in der Folge die Überschreitung der Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO angenommen werden kann 104 . 3. Die Funktionseinheit zur Rechtfertigung

einer Addition

Die Frage, ob eine Addition der Verkaufsfläche mehrerer selbständiger nichtgroßflächiger Einzelhandelsbetriebe zu einer Konstituierung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs führen kann, ist durch die Entscheidung des BVerwG vom 04.05.1988 105 und durch mehrere oberverwaltungsgerichtliche Entscheidungen106 erneut in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Auseinandersetzung gerückt. In der jüngsten Diskussion wird zwar eine summierende Betrachtungsweise unisono abgelehnt, eine Addition wird jedoch bei Vorliegen einer Funktionseinheit überwiegend als zulässig angesehen. Die Voraussetzungen einer Funktionseinheit sind jedoch streitig. Das BVerwG 107 hat ausgeführt, dass ein nicht-großflächiger Betrieb mit zwei anderen großflächigen Betrieben keinen großflächigen Einzelhandelsbetrieb bilden könne, weil eine solche summierende Betrachtung vom geltenden Recht nicht gedeckt sei. Eine einheitliche Betrachtung der vorhandenen Betriebe und des nichtgroßflächigen Einzelhandelsbetriebs als ein Vorhaben könne nur dann erfolgen, wenn eine Funktionseinheit gegeben sei. Welche Voraussetzungen eine derartige Funktionseinheit erfüllen muss, wurde vom BVerwG nicht erörtert. Das BVerwG hat sich in seiner Entscheidung vom 20.08.1992 108 nur zu der Frage geäußert, ob eine Funktionseinheit bereits aus der Unterbringung der Betriebe in einem Gebäude geschlossen werden könne. Das Gericht hat dies zu Recht abgelehnt, weil allein die Belegenheit mehrerer Betriebe in einem Gebäude für eine Zusammenrechnung der Betriebsflächen nicht ausreicht. Das OVG NW hat sich in seiner Entscheidung vom 03.11.1988 109 näher mit den Voraussetzungen einer Funktionseinheit auseinander gesetzt. Nach Ansicht des Ge104

Auf diese Differenzierung weisen auch Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 32

hin.

105

BVerwG, U.v.04.05.1988-4C 34.86-UPR 1988, 442 (444) = DVB1. 1988, 848. OVG NW, U. v. 04.05.2000 - 7 A 1744/97 - BauR 2000, 1453 = NVwZ 2000, 1066 = ZfBR 2000, 571 = IBR 2001, 86 = JURIS; OVG NW, U. v. 03.11.1988 - 11 A 2310/86 - NVwZ 1989, 676 = BRS 49, Nr. 72; VGH BW, B. v. 22.01.1996 - 8 S 2964/95 - VB1BW 1996, 300 = BRS 58, Nr. 201, S. 515 = DÖV 1996, 750 = UPR 1996, 314. 107 BVerwG, U.v.04.05.1988-4C 34.86-UPR 1988, 442 (444) = DVB1. 1988, 848. 108 BVerwG, U.V.20.08.1992-4C 57.89-DVB1. 1993,109 (110) = Buchholz406.11 §29, Nr. 47, das Gericht hat in diesem Fall das Vorliegen einer städtebaulich bedenklichen Ansammlung von Spielhallen in einem Gewerbegebiet abgelehnt. 109 OVG NW, U.v.03.11.1988- 11 A 2310/86-NVwZ 1989, 676 (678) = BRS 49, Nr.72; S. 180. 106

64

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roßflächige

ndelsbetriebe

richts bilden an sich selbständige Einzelhandelsbetriebe dann eine Funktionseinheit, wenn eine planmäßige, auf Dauer angelegte und gemeinschaftlich abgestimmte Teilnahme mehrerer Betriebe am Wettbewerb gegeben und in dieser Planmäßigkeit und Abgestimmtheit nachhaltig gewährleistet ist. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn eine gemeinschaftliche und rationalisierte Nutzung von Betriebseinrichtungen gegeben sei 110 . Eine Funktionseinheit wurde in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall bejaht, weil das Ansiedlungsgrundsttick nur über das Grundstück des schon bestehenden Einzelhandelsbetriebes zu erreichen war und demzufolge die Erschließung von dem in Anspruch zu nehmenden Grundstück abhing. Zudem sei eine gemeinsame Grundstücksnutzung dadurch gegeben, dass eine gemeinsame Ein- und Ausfahrt und ein gemeinsamer durchgreifender Parkplatz für beide Grundstücke vorgesehen war. Durch das wechselseitige Beteiligungsverhältnis der Betreiber der beiden Einzelhandelsbetriebe am jeweils anderen Unternehmenskapital sei außerdem eine optimale Abstimmung des Sortimentangebots und eine wechselseitige Nutzung von Lagerkapazitäten zu erwarten. Mit der Annahme einer Funktionseinheit soll eine Umgehung des § 11 III BauNVO verhindert werden, wobei es das Gericht offen lässt, ob eine Funktionseinheit zur Annahme eines Einkaufszentrums oder eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs führt 111 .

a) Gemeinsames Nutzungskonzept ausreichend? In der jüngsten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wird ein gemeinsames Nutzungskonzept selbständiger nicht-großflächiger Einzelhandelsbetriebe zur Rechtfertigung einer Addition der Verkaufsflächen für ausreichend gehalten.

aa) Die Entscheidung des VGH BW Der VGH BW führt in dem Leitsatz zu seiner Entscheidung vom 22.01.1996 m aus, dass die Behandlung mehrerer an sich selbständiger Einzelhandelsbetriebe als ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO voraussetzt, dass diese Betriebe durch ein gemeinsames Nutzungskonzept verbunden sind, aufgrund dessen sie wechselseitig voneinander profitieren und aufgrund des110

OVG ΝW U. v. 03.11.1988 - 1 1 A 2310/86 - BRS 49, Nr. 72, S. 180 ( 185) = NVwZ 1989, 676. »i OVG NW, U.v.03.11.1988- 11 A 2310/86-NVwZ 1989, 676 (678) = BRS 49, Nr.72; das Gericht tendiert eher zur Annahme eines Einkaufszentrums. 112 VGH BW, B.v.22.01.1996-8 S 2964/95-DÖV 1996,750 = UPR 1996, 314 = BRS 58, Nr. 201, S.515 = VB1BW 1996, 300; 2. Leitsatz.

Β. Der Begriff der Großflächigkeit

65

sen sie nicht als Konkurrenten, sondern als gemeinschaftlich verbundene Teilnehmer am Wettbewerb erscheinen. Der Entscheidung lag die Klage eines Betreibers eines Gebrauchtwagenhandels gegen die Untersagung der Nutzung einer Fläche in einem Gewerbegebiet gemäß §§ 34 II BauGB in Verbindung mit § 8 BauNVO zugrunde. In räumlicher Nähe des streitgegenständlichen Betriebes, welcher eine Verkaufsfläche von 905 qm aufwies, befanden sich weitere KfZ-Handelsbetriebe, die von anderen Personen betrieben werden. Die Beklagte machte geltend, dass der Betrieb des Klägers mit den anderen KfZ-Handelsbetrieben eine Funktionseinheit bilde und deshalb als großflächiger Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO in einem Gewerbegebiet nicht zulässig sei. Der VGH BW machte sich in seiner Entscheidungsbegründung an die Ausführungen des OVG N W 1 1 3 zu Eigen. Der VGH BW lehnte in seiner Entscheidung unter Zugrundelegung der durch das OVG NW entwickelten Kriterien eine Addition der Verkaufsflächen ab, weil ein bestimmtes gemeinsames Nutzungskonzept fehle. Für ein derartiges gemeinsames Nutzungskonzept reiche es nicht aus, dass sich die Einzelhandelsbetriebe auf einem Grundstück befinden, nur über eine gemeinsame Ein- und Ausfahrt zu erreichen sind und über gemeinsame Besucherparkplätze verfügen 114.

bb) Die Entscheidung des OVG NW Die zuvor dargestellte Argumentation des VGH BW wurde vom VG Gießen115 sowie vom OVG NW in seiner Entscheidung vom 04.05.2000 116 aufgegriffen. Das Gericht hat eine Funktionseinheit zweier von einander betrieblich autarker jeweils nicht-großflächiger Einzelhandelsbetriebe bejaht, deren Genehmigung von der gleichen Person aufgrund eines einheitlichen Antrags beantragt wurde. Die Einzelhandelsbetriebe sollten später an zwei miteinander wirtschaftlich nicht verbundene Betreiber vermietet werden, die jedoch aufeinander abgestimmte sich plan- und sinnvoll ergänzende Sortimente anbieten wollten (SB-Markt für Lebensmittel und Gebrauchsgüter aller Art und ein Getränkefachmarkt). Da aufgrund der Autarkie der Betriebe eine wechselseitige Nutzung betrieblicher Kapazitäten in diesem Fall als Indiz für eine Funktionseinheit nicht zum Tragen OVG NW, U. v. 03.11.1988 - 11 A 2310/86 - NVwZ 1989, 676 (678) = BRS 49, Nr. 72. VGH BW, B.v.22.01.1996-8 S 2964/95 - VBIBW 1996, 300 (301) = BRS 58, Nr.201, S. 515 = UPR 1996,314(315). 115 VG Gießen, v. 07.12.1998- 1 G 2001/98-JURIS, S.5. " 6 OVG NW, U. v. 04.05.2000 - 7 A 1744/97 - BauR 2000, 1453 = NVwZ 2000, 1066 = ZfBR 2000, 571 = IBR 2001, 86 = JURIS. 114

5 Kopf

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3. Kap., . Abschn.:

roßflächige

ndelsbetriebe

kommen konnte, stützte sich das Gericht maßgeblich auf das Bestehen eines einheitlichen Nutzungskonzepts117. Die Annahme einer Funktionseinheit wurde zusätzlich durch das Argument gestützt, dass eine Übernahme beider Betriebe durch einen Betreiber zu erwarten sei. Eine Abwicklung von Lebensmittel- und Getränkemärkten an einem Standort in bautechnisch voneinander getrennten Räumlichkeiten entspreche marktüblichen Gepflogenheiten 118. b) Der Streitstand in der Literatur Die Entscheidung des OVG NW vom 03.11.1988 ng zur Funktionseinheit ist in der Literatur 120 überwiegend auf Zustimmung gestoßen. Die jüngste Tendenz in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, bereits ein gemeinsames Nutzungskonzept für eine Addition ausreichen zu lassen, wurde in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung noch nicht eingehend hinterfragt, sondern vielmehr nur unwidersprochen zur Kenntnis genommen121. Allerdings hatte Kniep 122 bereits zuvor mit ähnlicher Argumentation wie das OVG N W 1 2 3 eine Addition der Verkaufsflächen von Fachmärkten bejaht, die zeitlich versetzt auf dem gleichen oder dem Nachbargrundstück errichtet werden. Eine Addition könne dann vorgenommen, wenn die jeweiligen Betreiber entweder aufgrund wirtschaftlicher bzw. rechtlicher Identität oder aufgrund wettbewerbs-einschränkender Absprachen untereinander nicht in „echtem Wettbewerb" stehen. Die Auffassung von Kniep wurde von Schenke als unzulässige Summierung abgelehnt124. Eine analoge Anwendung des § 11 III Nr. 2 BauNVO verbiete sich unter dem Aspekt des Gesetzes Vorbehalts125. Nach Schenke ist eine Addition der Ver117 Das Gericht nimmt hierbei ausdrücklich Bezug auf VGH BW, B. v. 22.01.1996 - 8 S 2964/95 - DÖV 1996, 750 = UPR 1996, 314 = BRS 58, Nr. 201, S. 515 = VB1BW 1996, 300. 118 Eine solche Überlegung nötigt nicht zu der quasi präventiven Maßnahme der Annahme einer Funktionseinheit. Eine Zusammenfassung mehrerer Betriebe durch einen Betreiber stellt in der Regel eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung dar; siehe 8. Kapitel, B.II.5. 119 OVG ΝW, U. v. 03.11.1988 - 1 1 A 2310/86 - NVwZ 1989,676 (678 f.) = BRS 49, Nr. 72. 120 Boeddinghaus/Dieckmann-BauNVO, 1990 —§ 11, Rn. 19; Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 32; Leder - BauNVO, 1992 - § 11, Rn. 19; Scholtissek, GewArch 1991, 93 (98); Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn.84 a. 121 Dolde/Menke, NJW 1999,2150 (2152); Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 32; Gronemeyer, IBR 2001, 86. 122 Kniep, BWGZ 1982, 438 (439); Kniep, GewArch 1985, 89 (90); Kniep, VB1BW 1985, 291 (292) mit Hinweis auf einen Rechtsgedanken des Immissionsschutzrechtes. 123 OVG NW, U. v. 04.05.2000 - 7 A 1744/97 - BauR 2000, 1453 = NVwZ 2000, 1066 = ZfBR 2000, 571 = IBR 2001, 86 = JURIS. 124 Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988-13 (36, Fn. 62). 125 Schenke, WUR 1990, 61 (64).

Β. Der Begriff der Großflächigkeit

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kaufsflächen auch dann abzulehnen, wenn die Betriebe im gleichen Gebäude untergebracht sind 126 . Eine Addition der Verkaufsflächen mehrerer nicht-großflächiger Betriebe sei nur dann zulässig, wenn bezüglich der räumlich integrierten Verkaufsstätten zwar nach außen hin der Eindruck mehrerer Einzelhandelsbetriebe erweckt wird, bezüglich der Verkaufsstätten jedoch tatsächlich nur ein Betreiber vorhanden ist. Nach Schenke muss dies selbst dann gelten, wenn die Betreiber zwar juristisch gesehen unterschiedliche Personen darstellen, wirtschaftlich betrachtet jedoch Identität vorliegt 127 . Fickert!Fieseier heben als entscheidendes Kriterium für die Annahme einer Funktionseinheit die Absicht eines irgendwie vorgesehenen Zusammenwirkens der einzelnen Einzelhandelsbetriebe hervor 128 . Büchner kritisiert die Entscheidung des VGH BW 1 2 9 , weil dieser zu hohe Anforderungen an die Merkmale der Funktionseinheit gleichartiger Handelsbetriebe stelle, wodurch die städtebaulichen Zielsetzungen durch geschicktes Verhalten unterlaufen werden könnten. So könnten die Betreiber von nicht-großflächigen Fachmärkten, die diese in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander ansiedeln, darauf achten die Voraussetzungen der Rechtsprechung für das Bestehen eines Einkaufszentrums bzw. einer Funktionseinheit nicht zu erfüllen, um so die gesetzlichen Folgen des § 11 III 1 BauNVO zu umgehen. Hierdurch könnten die unerwünschten städtebaulichen und raumordnerischen Auswirkungen ungehindert herbeigeführt werden. Die vom VGH BW zur Funktionseinheit aufgestellten Kriterien seien gerichtsverwertbar kaum nachzuweisen, es sei vielmehr angebracht, eine Umkehr der Beweislast für Vorhaben einzuführen, die an nicht integrierten Standorten errichtet werden sollen 130 . c) Stellungnahme: Gemeinsames Nutzungskonzept nicht ausreichend Zunächst ist festzustellen, dass die Diskussion über die Voraussetzungen einer Funktionseinheit klar von der Frage zu trennen ist, ob bei Personenidentität des Antragstellers die einzelnen Betriebe als einheitliches Vorhaben zu sehen sind 131 . Die Annahme einer Funktionseinheit bei mehreren bautechnisch selbständigen Gebäuden, die jedoch objektiv als Einheit zu beurteilen sind, obwohl der gleiche Betreiber 126 Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988- 13 (36); vom Grundsatz her bestätigt durch: BVerwG, U. v. 20.08.1992 - 4 C 57.89 - DVB1. 1993, 109 (110) = Buchholz 406.11 § 29, Nr. 47. 127 Schenke, WUR 1990, 61 (64). 128 Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 32. 129 VGH BW, B.v.22.01.1996-8 S 2964/95-DÖV 1996,750 = UPR 1996, 314 = BRS 58, Nr. 201, S.515 = VB1BW 1996, 300. 130 Büchner, NVwZ 1999, 345 (346). 131 Siehe 8. Kapitel, B.I.

5*

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ndelsbetriebe

eine Genehmigung in jeweils voneinander unabhängigen Anträgen verlangt, ist mit dem Vorhabensbegriff des § 29 BauGB ohne weiteres vereinbar. Die dargestellte Tendenz der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, zur Annahme einer Funktionseinheit bereits ein gemeinsames Nutzungskonzept ausreichen zu lassen, ist bedenklich. Gleiches gilt für die wenig konkrete Auffassung von Fickert!Fieseier, dass die Absicht eines irgendwie vorgesehenen Zusammenwirkens ausreiche. Im Gegensatz zur einheitlichen Betrachtung bei Personenidentität des Antragstellers stellt die Annahme einer Funktionseinheit von nicht-großflächigen Einzelhandelsbetrieben eine elementare Abweichung vom herkömmlichen Begriff des Vorhabens im Sinne des § 29 BauGB dar. Eine solche Abweichung ist im Hinblick auf Art. 14 GG nur gerechtfertigt, wenn eine wirtschaftliche Identität 132 der einzelnen Betreiber gegeben ist. Ein gemeinsames Nutzungskonzept wie es der VGH BW genügen lässt, ist keinesfalls ausreichend um eine dauerhafte wirtschaftliche Identität zu begründen und ist daher aus den gleichen Gründen abzulehnen wie eine summierende Betrachtungsweise. Für die Annahme einer wirtschaftlichen Identität bedarf es einer engeren rechtlichen Verbindung, wie sie beispielsweise bei einer wechselseitigen Beteiligung der Betreiber am jeweils anderen Unternehmenskapital 133 oder einer konzernrechtlichen Verbindung der einzelnen Betriebe gewährleistet ist. Der Auffassung von Büchner kann nicht gefolgt werden. Büchner übersieht, dass der streitgegenständliche Betrieb nach Auffassung des VGH B W 1 3 4 mit 905 qm Verkaufsfläche für sich gesehen bereits großflächig ist. Deshalb trifft die von ihm aufgezeigte Problembeschreibung der Umgehung durch eine Agglomeration von nichtgroßflächigen Einzelhandelsbetrieben auf diese Fallkonstellation gar nicht zu, obwohl sich das Gericht in seiner Leitsatzformulierung zu einer weitreichenden Generalisierung hat hinreißen lassen. Die von Büchner angesprochene Problematik lässt sich nicht durch eine erleichterte Annahme einer Funktionseinheit und damit der Addition von Verkaufsflächen bewerkstelligen. Andernfalls ergäbe sich nicht nur ein Widerspruch zum Wortlaut des § 11 III BauNVO, sondern auch zu dessen systematisch-teleologischen Auslegung. Der Schlüssel zur Lösung des Problems einer sukzessiven Agglomeration nichtgroßflächiger Betriebe besteht in der hier vertretenen Auffassung zur Annahme ei132

Im Anschluss an: Schenke, WUR 1990, 61 (64). So im Fall des OVG NW, U. v. 03.11.1988 - 11 A 2310/86 - NVwZ 1989, 676 (679) = BRS 49, Nr. 72. 134 qm-Angabe nur in: VGH BW, B. v. 22.01.1996 - 8 S 2964/95 - BRS 58, Nr. 201, S. 515 (517); VB1BW 1996, 300 (301). 133

C. Nachteilige Auswirkungen

69 135

nes Einkaufszentrums gemäß § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO . Unter bestimmten Voraussetzungen kann bei einem räumlich-funktionalen Zusammenhang von nicht einheitlich geplanten und nicht-großflächigen Fachmärkten 136 in Abweichung zur Rechtsprechung des BVerwG 137 ein Einkaufszentrum auch dann zu bejahen sein, wenn ein Mindestmaß an äußerlich in Erscheinung tretender gemeinsamer Organisation und Kooperation (z.B. durch gemeinsame Werbung oder verbindende Sammelbezeichnung) nicht gegeben ist 138 .

C. Nachteilige Auswirkungen im Sinne des § 11 I I I BauNVO Die Beschränkung der Zulässigkeit großflächiger Einzelhandelsbetriebe im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 und 3 BauNVO auf Kern- und Sondergebiete gilt nur dann, wenn sich das jeweilige Vorhaben gemäß § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken kann. Die Merkmale der Großflächigkeit und der Auswirkungen müssen demzufolge kumulativ vorliegen, damit die eingeschränkte Zulässigkeit des § 11 III 1 BauNVO zur Anwendung kommt.

I. Wahrscheinlichkeit von negativen Auswirkungen Nach allgemeiner Auffassung bedarf es für die Anwendung des § 11 III 1 Baunutzungsverordnung nicht des konkreten Nachweises, dass die Auswirkungen eintreten werden 139. Zum Teil 140 wird die bloße Möglichkeit des Eintretens von negativen Auswirkungen für ausreichend gehalten. Nach dieser Auffassung ist daher lediglich prognostisch zu ermitteln, ob der Eintritt der Auswirkungen ausgeschlossen werden kann. Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen, weil eine abstrakte Möglichkeit solcher Auswirkungen nicht ausreicht, um hiermit auch unwahrscheinliche Fälle auszuschließen. Für eine verfassungskonforme Auslegung muss daher vorausgesetzt 135

Siehe 3. Kapitel, 3. Abschnitt, F. II. 3. Unter der Prämisse, dass der Begriff des Einkaufszentrums kein warenhausähnliches Sortiment erfordert; siehe 3. Kapitel, 3. Abschnitt, E.II. 137 BVerwG, U. v. 27.04.1990 - 4 C 16/87 - NVwZ 1990, 1074 = GewArch 1990, 332. 138 So auch Stock in: König - BauNVO, 1999 - § 11, Rn. 77. 139 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 54.80 - BauR 1984, 380 (381) = BVerwG 68, Nr. 53, S. 342; Bröll, ZfBR 1986, 271 (272); Bröll/Hannig, BayVBl. 1979, 353 (354); Söfker in: EZB Κ - BauGB, Stand April 2000 - § 11, Rn. 59. 140 Hüttenbrink, BauR 1982, 412 (416); Knaup/Stange - BauNVO, 1983 - § 11, S. 100; Kniep, BWGZ 1982, 438 (439); Schlichter, UPR 1984, 209 (211); Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 96. 136

70

3. Kap., . Abschn.:

roßflächige

ndelsbetriebe

werden können, dass hinreichend konkrete sachliche Anhaltspunkte für den Eintritt negativer Auswirkungen gegeben sind 141 .

II. Qualität und Intensität der Auswirkungen Der Verordnungsgeber hat die Auswirkungen qualitativ nicht näher spezifiziert. Weil sich aus dem Wortlaut des § 11 III 1 BauNVO nicht klar ergibt, ob die Auswirkungen nachteilig sein müssen, erhebt Bosch gegen § 11 III 1 BauNVO verfassungsrechtliche Bedenken142. Diese Bedenken sind jedoch nicht begründet, weil sich bereits aus der Formulierung der „schädlichen Umweltauswirkungen" in § 11 III 2 BauNVO ergibt, dass es sich um nachteilige Auswirkungen handeln muss und der insoweit unvollständige Wortlaut des § 11 III 1 BauNVO durch Auslegung zu ergänzen ist. Diese Auffassung findet ihre Bestätigung in der Begründung zur Dritten Verordnung zur Änderung der BauNVO, in der der Verordnungsgeber selbst von „nachteiligen Auswirkungen" spricht 143 . Zur Annahme städtebaulicher Auswirkungen reicht es nicht aus, dass die Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs die Konkurrenzsituation von bereits bestehenden Einzelhandelsbetrieben verschärft 144. Es muss stets eine städtebauliche Relevanz gegeben sein 145 . Die Gemeinde hat keine Befugnis, eine Bedarfsprüfung vorzunehmen 146. Wirtschaftliche Auswirkungen können jedoch zu städtebaulichen Auswirkungen umschlagen147. Beachtlich sind nur solche Auswirkungen, die eine gewisse Gewichtigkeit und Intensität aufweisen 148. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO, wonach nur solche Auswirkungen zu berücksichtigen sind, die „nicht nur unwesentlich" sind. Nicht unwesentliche Auswirkungen sind insbesondere dann gegeben, wenn Belange berührt sein können, die die Erforderlichkeit einer Planung im Sinne des § 1 III BauGB rechtfertigen würden 149 . Nachteilige Auswirkungen kön141 Vgl. Boeddinghaus/Dieckmann - BauNVO, 1990 - § 11, Rn. 24; Fickert/Fieseler BauNVO, 1998- § 11, Rn. 21; Jahn, LKV 1991,258 (260); tendenziell auch: Hoffmann - Auswirkungen der 1977 neugefassten BauNVO, Diss. 1984 - S. 28 m. w. Ν.; Schenke, UPR 1986,

281 (286). 142

Bosch, BauR 1987, 247 (248). BR-Drucksache 541/86 vom 07.11.1986, S.3; Jahn, DVB1. 1988, 273 (274). 144 Hüttenbrink, BauR 1982,412 (416). 145 Stahl in: Falk - Einkaufszentren, 1982, S.220 (227 f.). 146 OVG Nds., U.v. 19.01.1981 - 1A 172/78 -GewArch 1981, 397 (398). 147 VGH BW, U. v. 09.12.1981 - 5 S 1290/81 - BauR 1982, 149 (150) = BRS 38, Nr. 60, S. 142, Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000- § 11, Rn. 57; siehe auch im Zusammenhang mit der interkommunalen Abstimmung im 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C. III. 6. dd. 148 Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 43. 149 Boeddinghaus/Dieckmann-BauNVO, 1990 - § 11, Rn.24; Schlichter, UPR 1984, 209 (211), „Bedürfnis nach Planung"; Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11, Rn. 58. 143

C. Nachteilige Auswirkungen

71

nen mit positiven Auswirkungen weder saldiert werden noch kann diesbezüglich eine Abwägung stattfinden 150. Schenke führt überzeugend aus, dass dem Tatbestandmerkmal der nachteiligen Auswirkungen in der Fassung des § 11 III 1 BauNVO 1977 eine andere Bedeutung beizumessen ist als der wortgleichen Regelung in der BauNVO 1986 151 . Der Begriff wird durch die Vermutungsregel des § 11 III 3 BauNVO näher konkretisiert. Deshalb hat der Begriff der nicht unwesentlichen Auswirkungen durch die Herabsetzung des Schwellenwertes von 1.500 qm Geschossfläche auf 1.200qm einen Bedeutungswandel erfahren, so dass für das Vorliegen nicht unwesentlicher Auswirkungen nach der BauNVO 1986 geringere Anforderungen zu stellen sind als nach der BauNVO 1977.

III. Die Anknüpfungskriterien des § 11 I I I 1 Nr. 2 BauNVO Die Anknüpfungskriterien des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO bilden solche betriebsspezifischen Eigenschaften ab, die im Hinblick auf die raumordnerischen und städtebaulichen Auswirkungen von Bedeutung sind. Es ist nicht erforderlich, dass die Auswirkungen kumulativ aufgrund der Merkmale Art, Lage oder Umfang gegeben sind. Die Auswirkungen müssen alternativ von einem dieser Merkmale ausgehen. 1. Die Art des Betriebs Hinsichtlich der Art der Betriebe sind die verschiedenen Betriebsformen und Betriebstypen zu beachten, sowie die damit in Verbindung stehende Breite des Sortiments und die Spezifität der jeweiligen Branche 152. Es liegt auf der Hand, dass sich die städtebaulichen Auswirkungen eines Verbrauchermarktes mit breitem Warensortiment wesentlich von denen eines gleichgroßen Möbelmarkts oder eines Baumarkts mit Baustoffhandel unterscheiden 153. Von besonderer Bedeutung ist die Frage, ob der betreffende großflächige Einzelhandelsbetrieb innenstadtrelevante Warengruppen führt. Die IHK Köln hat in Zusammenarbeit mit dem Regierungspräsidium eine Arbeitshilfe erstellt, die als Kölner Liste bekannt ist. In der Kölner Liste sind die wesentlichen innenstadtrelevanten Sortimente erfasst: „Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren, Wasch- und Putzmittel, Hygieneartikel, Körperpflegemittel, Textilien, Bekleidung, Pelzwaren, Schuhe, Leder- und Galantariewaren, Rundfunk, Femsehen, phonotechnische Geräte, elektrotechnische Geräte für den Haushalt, feinmechanische und optische Erzeugnisse, Uhren, Schmuck, Spielwaren, Musikinstrumente, 150

OVG NW vom 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998, 309 (312) = BRS 59, Nr. 70, S. 239; Bay. VGH, U. v. 26.02.1991 - 2 Β 88.2596 - GewArch 1991, 313 (314); Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 21.1; Jahn - Stärkung der Innenstadt oder des ländlichen Raumes?, 1999 - S. 30. 151 Schenke, WUR 1990, 61 (65), Schenke, DÖV 1988, 233 (237). 152 Vgl. Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000- § 11 BauNVO, Rn.95. 153 Vgl. Schenke, WUR 1990, 61 (65).

72

3. Kap., . Abschn.:

roßflächige

ndelsbetriebe

Antiquitäten, Holz-, Korb, Kork-, Flecht-, Schnitz- und Formstoffwaren, Kinderwaren, Papier, Papierwaren, Schreib- und Zeichenmaterial, Druckereierzeugnisse, Büroorganisationsmittel, Camping- und Sportartikel, Handelswaffen, Bastelsätze, Tafel-, Küchen- und ähnliche Haushaltsgeräte, Heiz- und Kochgeräte, Kühl- und Gefriermöbel, Wasch- und Geschirrspülmaschinen, Mopeds, Mofas, Fahrräder, Nähmaschinen, Arzneimittel und sonstige pharmazeutische Erzeugnisse, Heim- und Kleintierfutter, zoologische Artikel, lebende Tiere sowie Gebraucht waren".

Als Indikator für nicht unwesentliche Auswirkungen kann der Kaufkraftabzug, der durch die Ansiedlung des Betriebs verursacht wird, angesehen werden 154 . Es reicht jedoch nicht aus, Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung allein bei Feststellung eines nicht nur unwesentlichen Kaufkraftabzuges von vorhandenen Einzelhandelsbetrieben anzunehmen. Nur sofern solche zunächst wirtschaftlichen Auswirkungen in städtebauliche oder raumordnerische Auswirkungen umschlagen sind sie als Auswirkungen im Sinne des § 11 III zu beachten155.

2. Die Lage des Betriebs Die Lage des Betriebs ist maßgeblich für die Beurteilung raumordnerischer und städtebaulicher Auswirkungen, die insbesondere die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde und in anderen Gemeinden, die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der Betriebe und die schädlichen Umwelteinwirkungen betreffen 156. Ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb wird in einer kleineren, landesplanerisch nicht qualifizierten Gemeinde auch bei Überschreiten der Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO meist unzulässig sein, während er in einer größeren, als Mittel- oder Oberzentrum ausgewiesenen Gemeinde bedenkenlos sein kann 157 .

3. Der Umfang des Betriebs Bezüglich des Umfangs des Betriebs werden räumliche Aspekte überprüft. Relevant ist diesbezüglich daher nicht der Umfang des Warensortiments 158, sondern der Umfang der Baumasse oder der Verkaufs- und Geschossfläche. Einen planungsrechtlichen Bezug weist der Umfang des Kunden- und AnlieferungsVerkehrs auf. 154

Zur Bedeutung des Kaufkraftabzuges im Rahmen der interkommunalen Abstimmung siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C.III.7.c.bb. 155 Vgl. Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998-§ 11, Rn.21.2. 156 Vgl. Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11, Rn. 62. 157 Schenke, UPR 1986, 281 (283). 158 Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 21.3, Knaup/Stange - BauNVO, 1983 - § 11, S. 99; a. A. Söfker in EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11, Rn. 63; Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 95, die die Sortimentsbreite sowohl bei der Art als auch beim Umfang berücksichtigen.

C. Nachteilige Auswirkungen

73

4. Die Raumordnungsklausel Durch die Bezugnahme des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO auf die Ziele der Raumordnung und Landesplanung hat der Verordnungsgeber eine bindende Raumordnungsklausel in der BauNVO verankert, die neben § 1IV BauGB sicherstellt, dass die Ziele der Raumordnung und Landesplanung bei der gemeindlichen Bauleitplanung eingehalten werden. Hierdurch erlangen die Ziele Raumordnung der Landesplanung für den Bauantragsteller eine mittelbare rechtliche Relevanz159. In diesem Zusammenhang sind die zentralörtliche Gliederung 160, das Kongruenzgebot, das Beeinträchtigungsverbot und das Integrationsgebot zu beachten161. Da sich § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO nicht nur auf die raumordnerischen Ziele bezieht, sondern auch auf deren Verwirklichung, ist in diesem Zusammenhang die tatsächliche Entwicklung im Nahbereich und im regionalen Bereich eine relevante Beurteilungsgrundlage 162. 5. Die städtebauliche Entwicklung und Ordnung Der Begriff der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung ist an die Formulierung in § 1 III BauGB angelehnt. Ausdruck der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung sind die vorhandenen städtebaulichen Verhältnisse sowie die planerische Konzeption der Gemeinde163. Neben den in § 11 III 2 BauNVO beispielhaft aufgeführten Auswirkungen, die die städtebauliche Entwicklung und Ordnung tangieren können, sind auch Belange im Sinne des § 1 V BauGB oder Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung allgemeiner Art, wie die Gefährdung einer eingeleiteten Innenstadtsanierung oder die Erschwerung eines Ausbaus eines Stadtteils zu beachten164. Auswirkungen auf städtebauliche Ordnungsmaßnahmen können sich aus einer Gefährdung erhaltenswerter Bausubstanz durch Abbruch sowie die Erschwerung von Umlegungs- und Enteignungsmaßnahmen ergeben. Die geplante Ansiedlung eines Einzelhandelsgroßprojektes in einem Industrie- und Gewerbegebiet, welches zur Ansiedlung von Betrieben des produzierenden Gewerbes und damit zur Steigerung der Arbeitsmöglichkeiten in diesem Bereich dienen soll, kann negative Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung zur Folge haben165. 159 160

Vgl. Schenke, UPR 1986, 281 (286). BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 54.80 - BauR 1984, 380 (381) = BVerwG 68, Nr. 53,

S.342. 161

Siehe hierzu die Ausführungen zur Anpassungspflicht gemäß § 1IV BauGB im 9. Kapitel, 1. Abschnitt, D.VI. 162 Söfker in: EZB Κ - BauGB, Stand April 2000 - § 11, Rn. 65. 163 Vgl. Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11, Rn. 70. 164 OVG NW, U.v. 16.03.1979-XI A659/77-BRS 35, Nr.45, S. 108 (109) = BauR 1980, 148 Ziegler in: Brügelmann-BauGB, Stand Februar 2000- § 11 BauNVO, Rn.93. 165 Bay. VGH, U.v.26.02.1991-2B 88.2596-GewArch 1991, 313 (314).

74

3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

IV. Die einzelnen Auswirkungen im Sinne des § 11 I I I 2 BauNVO Nach § 11 III 2 BauNVO sind negative Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO insbesondere schädliche Umweltauswirkungen im Sinne des § 3 BImSchG, Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in § 11 III 1 BauNVO bezeichneten Betriebe, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden, auf das Orts- und Landschaftsbild, auf den Naturhaushalt. Die in Satz 2 aufgezählten Auswirkungen können sich sowohl auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung als auch auf raumordnerische Ziele beziehen. Diese enumerative Aufzählung möglicher Auswirkungen ist nicht abschließend166. 1. Umweltauswirkungen Mit dem Begriff der schädlichen Umweltauswirkungen wird eine einzelfallbezogene Wirkung beschrieben 167. Schädliche Umweltauswirkungen sind in erster Linie Luft- und Geräuschimmissionen. Immissionsquelle muss nicht unmittelbar der Betrieb selbst sein, sondern dies kann auch der Kundenverkehr sein 168 . Hierbei zu beachten sind Immissionen, die durch die Nutzung der Kundenstellplätze ausgehen169. Die relevanten Umweltauswirkungen müssen nicht die Voraussetzungen des § 3 BImSchG erfüllen, da der Verordnungsgeber diese Vorschrift nur beispielhaft angeführt hat 170 . 2. Infrastrukturelle

Ausstattung und Verkehr

Die infrastrukturelle Ausstattung umfasst alle Verkehrseinrichtungen und Verund Entsorgungseinrichtungen (Abwasser- und Abfallbeseitigung, Energie-, Wasser· und Wärmeversorgung) sowie sonstige Gemeinbedarfseinrichtungen (Feuerwehr und Rettungsdienst). Nachteilige Auswirkungen auf Infrastruktureinrichtungen können bei der Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes dadurch 166 Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998 - § 11, Rn.21.1; nach OVG NW, U.v. 16.03.1979-XI A 659/77 - BRS 35, Nr. 45, S. 108 = BauR 1980, 148 und Jahn - Stärkung der Innenstadt oder des ländlichen Raumes?, 1999- S. 30, können auch die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im Rahmen des § 11 III 2 BauNVO relevant sein. Es fragt sich jedoch, wie in diesem Fall der erforderliche städtebauliche Bezug hergestellt werden kann. 167 Bosch, BauR 1987, 247 (249). 168 Vgl. BVerwG, Β ν. 09.10.1990 - 4 Β 121.90 - BauR 1991, 49; BVerwG, Β. v. 04.06.1985-4B 102.85-ZfBR 1986,47. 169 OVG Nds., Β. v. 13.06.1986-6B 54/86-ZfBR 1986, 294 (295). 170 Ziegler in: Briigelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 97.

C. Nachteilige Auswirkungen

75

entstehen, dass die bestehende Infrastruktur für die Folgewirkungen der Ansiedlung nicht ausreicht und daher ausgebaut werden muss171. Die Auswirkungen auf den fließenden und ruhenden Verkehr sind weitgehend deckungsgleich mit den Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, weil die Verkehrsinfrastruktur einen tragenden Bestandteil der gemeindlichen Infrastruktur darstellt 172. Negative Auswirkungen können sich durch die Überlastung von Parkplätzen und der Verkehrswege einschließlich der Zubringerstraßen sowie der Verkehrsregelungseinrichtungen ergeben 173. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob die verkehrliche Erschließung im Sinne des § 30 I BauGB gesichert ist. Die Erschließung ist beispielsweise nicht gesichert, wenn das Vorhaben zwar an einer ausreichend dimensionierten und ausgebauten Straße liegt, das örtliche Straßennetz im weiteren Umfeld aber nicht in der Lage ist, die durch das Vorhaben ausgelösten Verkehrsvorgänge ordnungsgemäß abzuwickeln 174 . Auch wenn aufgrund der Realisierung des Vorhabens zeitweise Rückstauungen zu erwarten sind, so kann das Vorhaben dennoch im Rahmen der für eine Verkehrserschließung zu stellenden Mindestanforderungen liegen 175 . 3. Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich Wird den wohnungsnahen Einzelhandelsbetrieben durch die Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes soviel Kaufkraft entzogen, dass deren Existenz nicht mehr gesichert und damit eine Unterversorgung der nicht motorisierten Bevölkerung droht, so können negative Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich eines Betriebes vorliegen 176. Die Feststellung eines nicht nur unwesentlichen Kaufkraftabzuges von vorhandenen Einzelhandelsbetrieben reicht für die Annahme nachteiliger Auswirkungen 171

Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 98. Vgl. BVerwG, U.v.03.02.1984-4C 8/80-NJW 1984, 1773 = BauR 1984, 377 = UPR 1984, 234 = BVerwGE 68, Nr. 54, S. 352. 173 Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 41; Söfker in: E Z B K BauGB, Stand April 2000 - § 11, Rn. 74. 174 BVerwG, B.v. 20.04.2000-4B 25.00-Buchholz406.11 §34 Nr. 199, S. 17 (18) = BauR 2001,212; BVerwG, U.v. 03.02.1984-4C 17/82-BRS 42, Nr. 51, S. 133 (138) = NVwZ 1984, 583 = UPR 1984,229 = BauR 1984,369 = NJW 1984,1775; OVG NW, U.v. 15.01.1992-7 A 81/89-NWVB1 1993,25 (26); OVG NW, U.v. 08.05.1979-VII A 1848/77-BRS 35, Nr. 46, S. 110 (111); OVG NW, U.v. 16.03.1979-XIA659/77-BRS 35, Nr.45, S. 108 (109) = BauR 1980,148; a. A. Bosch, BauR 1984,350 (357), der diese Anforderungen als zu weitgehend bezeichnet. 175 VGH Hess., Β ν.09.11.1987-4 TG 1913/87-NVwZ-RR 1988, 3 (4). 176 Vgl. BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 25.82 - BauR 1984, 373 (375) = UPR 1984, 231 = BVerwGE 68, Nr. 55, S.360, Bay. VGH, U.v. 26.02.1991-2B 88.2596-GewArch 1991, 313 (314); Schenke, UPR 1986, 281 (286). 172

76

3. Kap., . Abschn.:

roßflächige

ndelsbetriebe

nicht aus, es muss vielmehr nachweisbar sein, dass städtebaulich bedeutsame Auswirkungen möglich sind 177 . Das OVG N W 1 7 8 hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass die Vorschrift des § 11 III nicht voraussetzt, dass die innerörtlichen Betriebe bedingt durch die Ansiedlung großflächiger Betriebe zeitnah in Konkurs gegen müssen, sondern dass mit dieser Regelung einer längerfristigen Entwicklung vorgebeugt werden soll. Besondere Bedeutung hat in diesem Kontext die Versorgung mit Waren des kurzfristigen Bedarfs, also die Lebensmittelbranche. Diesbezüglich sollte eine Versorgungsmöglichkeit innerhalb von zehn Gehminuten bestehen bleiben 179 . Bei der Zumutbarkeit der Entfernung zwischen der Wohnung des Einwohners und den Betrieben, die der verbrauchernahen Versorgung dienen sollen, ist die Fristigkeit des Bedarfs maßgeblich180. Das BVerwG 181 hat in einem Fall negative Auswirkungen auf die wohnungsnahe Versorgung der Bevölkerung angenommen, in dem durch die Ansiedlung eines Verbrauchermarktes mit einem Lebensmittelanteil am Gesamtwarensortiment von 75 % eine Verdrängung kleinerer Betriebe und damit eine Beeinträchtigung des für die bedarfsgerechte und flächendeckende Warenversorgung der Bevölkerung im Nahbereich notwendigen engmaschigen Netzes von Einzelhandelsbetrieben in der Stadt zu erwarten war. Das OVG N W 1 8 2 hat bei der geplanten Ansiedlung eines SB-Schuhmarktes negative Auswirkungen bejaht, weil mit dessen Ansiedlung die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung und die Funktion der Innenstadt als Zentrum für die Bedarfsdeckung beeinträchtigt werden können. Das Gericht hat als wesentlichen Indikator für diese städtebaulichen Auswirkungen einen Kaufkraftabfluss von 10% 183 im Bereich des Gesamtwarenangebots an Schuhen angesehen.

177

OVG Nds., U. v. 19.01.1981 - 1 A 172/78 - GewArch 1981, 397 (398); Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11, Rn. 75. 178 OVG NW, U. v. 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998,309 (312); im Anschluss daran: VG Potsdam, B. v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - BauR 1999,1146 (1148) = LKV 1999,377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin./. Lkr. Havelland). 179 Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 25.4. 180 Jahn, LKV 1991, 258 (260). 181 BVerwG, U.v.03.02.1984-4C 54.80-BauR 1984, 380 = BVerwG 68, Nr.53, S.342. 182 OVG NW, U. v. 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998, 309 (312) = BRS 59, Nr. 70, S.239. 183 Auf diesen Wert wird im Rahmen der interkommunalen Abstimmung zurückzukommen sein; siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C.III.6.a.dd.

C. Nachteilige Auswirkungen

77

4. Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche In engem Zusammenhang mit der wohnungsnahen Versorgung der Bevölkerung steht die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche. Negative Auswirkungen sind insbesondere dann gegeben, wenn das landesplanerische System der zentralen Orte gefährdet werden kann oder die Entwicklung bestimmter Zentren durch den Kaufkraftabfluss beeinträchtigt wird 184 , weil es zu einem trading-down-Effekt 185, also einem Absinken der Vielfalt und des Qualitätsniveaus des Angebots im innerstädtischen Einzelhandel kommt. Außerdem kann die Gefahr bestehen, dass eine bereits eingeleitete Innenstadtsanierung nicht erfolgreich fortgeführt werden kann 186 .

5. Orts- und Landschaftsbild Unter dem Begriff des Ortsbildes ist das bauliche Erscheinungsbild des Ortes zu verstehen. Auswirkungen auf das Ortsbild im Sinne des § 11 III 2 BauNVO stellen nur solche Auswirkungen dar, die bodenrechtlicher Natur sind 187 . Baugestalterische und bauordnungsrechtliche Aspekte können in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden 188. Der naturschutzrechtliche Begriff des Landschaftsbildes ist vom BVerwG noch nicht abschließend geklärt 189 . Es ist jedoch ständige Rechtsprechung, dass es beim Schutzgut Landschaftsbild um die Wirkungen der landschaftsprägenden Elemente (Vielfalt, Eigenart und Schönheit) auf den Menschen geht und damit maßgeblich durch die optischen Eindrücke für den Betrachter bestimmt wird 190 . Während § 35 III 1 Nr. 5 BauGB erst bei einer Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes greift, liegen negative Auswirkungen im Sinne des § 11 III 2 Baunutzungsverordnung bereits dann vor, wenn eine nicht nur unwesentliche Beeinträchtigung dieser Schutzgüter gegeben ist 191 . Auswirkungen auf das Landschaftsbild erfordern nicht, dass bereits ein naturschutzrechtlicher Eingriff im Sinne des § 8 I BNatSchG vorliegt.

184 185 186 187

Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 100. Katalog E, Begriffsdefinitionen, 4. Ausgabe, 1995, S.55, Nr. 38. VGH BW, U.v. 15.10.1993-3S 335/92-VB1BW 1994, 353. Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998-§11,Rn.25.6; vgl.Bröll/Hannig,BayVB1.1979,353

(355).

188 189

Vgl. zu dieser schwierigen Abgrenzung Manssen, NWVB1 1992, 381 m. w. N. Vgl. BVerwG, B.v.04.10.1994 - 4B 196.94-Buchholz406.401 §8 BNatSchG Nr. 14,

S.l. 190 BVerwG, U. v. 27.09.1990 - 4 C 44.87 - NuR 1991, 124 (127); OVG NW, U.v. 16.01.1997 - 7 A 310/95 - NuR 1997, 410 (411). 191 Stock in: König BauNVO, 1999 - § 11, Rn.72.

78

3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

6. Naturhaushalt Das Schutzgut des Naturhaushalts kann entsprechend § 1 I BNatSchG als das Wirkungsgefüge des Naturhaushalts, und seiner Bestandteile wie Boden, Wasser, Luft und Klima definiert werden. Bei der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten können sich Auswirkungen auf den Naturhaushalt insbesondere durch eine umfangreiche Flächenversiegelung, durch eine Veränderung des Grundwasserstandes oder des Kleinklimas ergeben 192.

V. Verhinderung von Auswirkungen im Genehmigungsverfahren Mögliche negative Auswirkungen eines Einzelhandelsgroßprojektes müssen nicht zur Unzulässigkeit außerhalb von Kern- und Sondergebieten führen, wenn die Auswirkungen durch Nebenbestimmungen oder andere Maßnahmen ausgeräumt werden können 193 . Auswirkungen auf die verbrauchernahe Versorgung lassen sich beispielsweise durch den Ausschluss zentrenrelevanter Sortimente in der Baugenehmigung verhindern 194 . Negative Auswirkungen auf den Verkehr können im Genehmigungsverfahren dadurch ausgeschlossen werden, dass sich der Bauantragsteller verpflichtet, für die Kosten der Installation von verkehrslenkenden Maßnahmen selbst aufzukommen 195 . Gegen solche quasi präventive Maßnahmen kann auch nicht der Einwand erhoben werden, sie implizierten eine verfassungswidrige Wirtschaftslenkung. Hierdurch werden vielmehr die Voraussetzungen für den Erlass einer Baugenehmigung in Fällen geschaffen, in denen eine Baugenehmigung aufgrund der negativen Auswirkungen nicht erteilt werden könnte 196 . Somit wird nicht nur dem Übermaßverbot, sondern auch dem Regelungszweck des § 11 III BauNVO Rechnung getragen.

D. Die Regelvermutung gemäß § 11 I I I 3 BauNVO § 11 III 3 BauNVO geht in einer typisierenden Betrachtungsweise davon aus, dass bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit einer Geschossfläche von mehr als 1.200qm Auswirkungen im Sinne des § 11 III 2 BauNVO anzunehmen sind. 192

Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 25.7; Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000- § 11, Rn. 78. 193 Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998 - § 11, Rn.27.3; Schenke, WiVerw 1990, 226 (236). 194 Zu den Vorsausetzungen eines solchen Ausschlusses siehe 7. Kapitel, C.III.5. 195 OVG Nds., U.v. 19.01.1981 - 1A 172/78-GewArch 1981, 397 (399). 196 Vgl. Schenke, WiVerw 1990, 226 (236).

D. Die Regelvermutung gemäß § 11 III 3 BauNVO

79

191

Das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 28.07.1989 klargestellt, dass die Regelvermutung des § 11 III 3 BauNVO auch bei einer nur geringfügigen Überschreitung der Regelgröße gelte, selbst wenn die Verkaufsfläche geringfügig unter l.OOOqm liegt. Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Einzelhandelsbetriebs mit 991 qm Verkaufsfläche und 1.519 qm Geschossfläche in einem als Industriegebiet festgesetzten Bebauungsplangebiet erteilt wurde, für welches die BauNVO 1977 zur Anwendung kam. Auch wenn die städtebaulichen Auswirkungen nicht unmittelbar von der Größe der Geschossfläche, sondern von der Verkaufsfläche abhängen, war der Verordnungsgeber nicht daran gehindert, die Regelvermutung allein am Überschreiten eines Grenzwertes für die Geschossfläche festzumachen.

I. Die typische Fallgestaltung nach § 11 I I I 3 BauNVO Nach dem BVerwG 198 liegt dem § 11 III BauNVO als Betriebstyp der großflächige Betrieb mit breitem Warenangebot für den privaten Bedarf der Allgemeinheit zugrunde. Durch die beschränkte Zulässigkeit von großflächigen Einzelhandelsbetrieben in Kern- und Sondergebieten soll die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben an Standorten verhindert werden, die innerhalb des städtischen Gesamtgefüges nicht auf das Einkaufen für die Allgemeinheit ausgerichtet sind, die für die Wohnbevölkerung verkehrlich schlecht oder nur mit dem Kraftfahrzeug zu erreichen sind und die vorhandene oder geplante, städtebaulich eingebundene Einzelhandelsstandorte gefährden. Nach dem Bay. VGH 1 9 9 muss für einen typischen Fall im Sinne des § 11 III BauNVO der streitgegenständliche Betrieb nicht schon für sich alleine solche Wirkungen hervorrufen können, sondern mit dieser Vorschrift soll einer längerfristigen Entwicklung vorgebeugt werden, bei der sich als Folge mehrerer Einzelfallentscheidungen das städtebauliche Gewicht von den zentralen Versorgungsbereichen zur Peripherie hin verlagert.

197 BVerwG, B.v. 28.07.1989-4B 18/89 - NVwZ-RR 1990, 230 (231) = BRS 49, Nr. 70, S. 172 = Buchholz 406.12 § 11, Nr. 14, S. 7. 198 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 54.80 - BauR 1984, 380 (381) = BVerwG 68, Nr. 53, S. 342 OVG NW, U. v. 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998, 309 (310); Bay. VGH, U. v. 13.10.1987 - Nr. 20B 87.01537 - BRS 47, Nr. 59, S. 161 (162). Bay. VGH, U.v. 13.10.1987-Nr.20Β 87.01537-BRS 47, Nr.59, S. 161 (16).

80

3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

II. § 11 I I I 3 BauNVO als widerlegbare Regelvermutung Das BVerwG 200 ging bereits vor Etablierung des § 11 III 4 BauNVO davon aus, dass bei Abweichungen von der typischen Fallgestaltung die Baugenehmigungsbehörde von Amts wegen zu prüfen hat, ob ein Betrieb, der die Regelgröße überschreitet, abweichend von der Regelvermutung keine Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO mit sich bringt. Auch wenn die Genehmigungsbehörde von Amts wegen Anhaltspunkte für eine atypische Fallgestaltung zu ermitteln hat, so kommt dem Antragsteller dennoch eine Darlegungslast für solche Anhaltspunkte zu, die für die Genehmigungsbehörde nicht erkennbar sind und daher in der Sphäre des Antragstellers liegen 201 . Das BVerwG geht demzufolge davon aus, dass die Regelvermutung widerlegt werden kann. Das Gericht hat damit den Streit in der Literatur 202 , ob § 11 III 3 BauNVO eine Fiktion 203 bzw. eine Umkehr der Beweislast204 zuungunsten des Bauantragstellers beinhaltet oder eine widerlegbare Vermutung 205 darstellt, im Sinne der zuletzt genannten Auffassung entschieden. Für die Auslegung des BVerwG spricht bereits der Wortlaut des § 11 III 3 Baunutzungsverordnung, wonach Auswirkungen bei Überschreitung einer Geschossfläche von 1.200 qm „in der Regel" anzunehmen sind 206 . § 11 III 3 BauNVO selbst enthält durch die Widerleglichkeit der Vermutung den Korrekturmaßstab für atypische Fallgestaltungen207.

200 BVerwG, U. v.03.02.1984-4C 54.80-BauR 1984, 380 (381) = BVerwGE 68, Nr.53, S.342; zustimmend: Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998-§ 11, Rn.27, Kniep, GewArch 1985, 89 (92). 201 Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 27; Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 45; Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 82. 202 Vgl. Schlichter, UPR 1984, 209 (211). 203 Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000- § 11 BauNVO, Rn. 104, hat seine gegenteilige Auffassung (Beweislastumkehr) nunmehr aufgegeben, ordnet die Regel Vermutung jedoch dem Begriff der Fiktion zu, vgl. Rn. 103. 204 Materielle Beweislastregel: Traumann, GewArch 1984, 287; der Autor zieht diesbezüglich Parallelen zu kartellrechtlichen Regelungen; Beweiswürdigungsregel: Boeddinghaus/ Dieckmann - BauNVO, 1990 - § 11, Rn. 26; Förster - BauNVO, 1978 - § 11, S. 178; Kniep, BWGZ 1982, 438 (439). 205 Förster - BauNVO, 1978 - § 11, S. 178; Hüttenbrink, BauR 1982, 412 (416); Knaup/ Stange - BauNVO, 1983 - § 11, S. 101; Söfker, B1GBW 1977, 226 (229); Söfker, Der Landkreis 1978,384 (385), gegen die Annahme einer Beweislastregel spricht, dass § 11 III BauNVO eine Zulässigkeitsregel trifft, die aus eigentumsrechtlicher Sicht in Art. 1412 GG einzuordnen ist und demzufolge städtebauliche Gründe vorliegen müssen. Formelle Gesichtspunkte wie die Beweislastverteilung können in diesem Zusammenhang nicht relevant sein. 206 Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 81. 207 Bosch, BauR 1987, 247 (249).

D. Die Regelvermutung gemäß § 11 III 3 BauNVO

81

III. Keine Umkehr der Regelvermutung Der VGH ΒW vertrat in seiner Entscheidung vom 09.12.1981 208 die Ansicht, dass die Regelvermutung auch für den umgekehrten Fall gelte. Demzufolge sei bei einem Betrieb, der die Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO unterschreitet grundsätzlich davon auszugehen, dass die in § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO bezeichneten Auswirkungen nicht oder nur in unwesentlichem Maße zu erwarten sind. Eine solche schematische Umkehr der Regelvermutung wird von der Literatur 209 zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass in jedem Einzelfall die Auswirkungen des jeweiligen Betriebes geprüft werden müssen. Gegen die Umkehr der Regelvermutung spricht insbesondere die Wertung des Verordnungsgebers. Dieser hat mit der Etablierung des Satzes 4 in § 11 III BauNVO 1986 klar zum Ausdruck gebracht, dass bereits bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben unterhalb von 1.200 qm Geschossfläche negative Auswirkungen gegeben sein können 210 . Bei einer Unterschreitung der Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO trägt die Genehmigungsbehörde die Darlegungslast dafür, dass Auswirkungen im Sinne des § 11 III 2 BauNVO dennoch eintreten können, sofern hierfür entsprechende Anhaltspunkte gegeben sind 211 . Die Unterschreitung der Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO bringt demzufolge lediglich eine Verschiebung der Darlegungslast vom Antragsteller auf die Genehmigungsbehörde mit sich.

IV. Die Widerlegung der Regelvermutung nach §11 I I I 4 BauNVO Nach § 11 III 4 BauNVO gilt die Regelvermutung nicht, wenn bei einem Vorhaben, welches eine Geschossfläche von über 1.200qm aufweist, Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 Satz 2 BauNVO nicht vorliegen und bei Vorhaben unterhalb der Regelgrenze, wenn Anhaltspunkte gegeben sind, dass die genannten Auswirkungen dennoch anzunehmen sind. 208 VGH BW, U.v.09.12.1981 - 5 S 1290/81 - BauR 1982, 149 (150) = BRS 38, 142; ähnlich: Hüttenbrink, BauR 1982, 412 (416); Knaup/Stange - BauNVO, 1983-§ 11, S. 101. 209 Boeddinghaus/Dieckmann- BauNVO, 1990- § 11, Rn.29; Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 46; Hoppenberg/Köttgen, NJW 1987, 1534 (1535); Jahn-Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988-S.73; Kniep, BWGZ 1982, 438 (439); kritisch auch: Schenke, UPR 1986, 281 (286). 210 Söfker in: EZBK-BauGB, Stand April 2000- § 11 BauNVO, Rn. 18 a und 81; siehe hierzu die nachfolgenden Ausführungen im 3. Kapitel, 1. Abschnitt, D.IV. 211 Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998 - § 11, Rn.27; Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 46; Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988 - S. 74; Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 82.

6 Kopf

82

3. Kap., . Abschn.:

roßflächige

ndelsbetriebe

Aus dem Wortlaut des § 11 III 4 BauNVO kann gefolgert werden, dass ein Nachweis dafür, dass Auswirkungen bei Unterschreiten der Regelgrenze vorliegen bzw. bei Überschreiten derselben nicht vorliegen, nicht verlangt werden kann, sondern eine Plausibilität hierfür ausreicht 212. Der Verordnungsgeber wollte mit der Etablierung des § 11 III 4 BauNVO der Tatsache Rechnung tragen, dass einerseits großflächige Einzelhandelsbetriebe bereits unterhalb der Regelgrenze vor allem in Ortsteilen von großen Städten und in kleinen Orten im ländlichen Raum je nach Warenangebot und Standort raumordnerische und besonders städtebauliche Auswirkungen haben können und andererseits Betriebe mit einemflächenintensiven Warenangebot (z.B. Möbelmärkte und Kraftfahrzeughandel) bei einer größeren Geschossfläche als 1.200 qm keine Auswirkungen haben213. Bei Satz 4 sind in Bezug auf die Auswirkungen insbesondere die Gliederung und Größe der Ansiedlungsgemeinde214 und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebes zu berücksichtigen. Der Verordnungsgeber hat das Merkmal der Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung, welches inhaltlich der Regelung des § 1 V 2 Nr. 8 BauGB entspricht 215, herausgestellt, weil ihr im Hinblick auf die Versorgung der Bevölkerung besonders mit Waren des kurzfristigen Bedarfs für eine abweichende Beurteilung eine entscheidende Bedeutung zukommt 216 . Die in Satz 4 für eine atypische Fallkonstellation genannten Merkmale sind nicht abschließend, so dass auch andere Gesichtspunkte herangezogen werden können, die für die städtebauliche Beurteilung von Einzelhandelsgroßprojekten relevant sind 217 . Mit der Etablierung des § 11 III 4 BauNVO hat der Verordnungsgeber die Rechtsprechung des BVerwG bestätigt; Satz 4 stellt demzufolge lediglich eine Klarstellung dar 218 . Die vom BVerwG 219 aufgestellten Grundsätze für das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung und damit für eine Abweichung von der Regelvermutung 212

Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 105. Vgl. Bundesrats-Drucksache 541/86 vom 07.11.1986 S.4. 214 Abzustellen ist hierbei auf die politische Gemeinde, vgl. Jahn, LKV 1991, 258 (260). 215 Vgl. Söfker, BBauBl 1987, 341. 2,6 Bundesrat-Drucksache 541/86 vom 07.11.86, S.5; Hoppenberg/Köttgen, NJW 1987, 1534 (1535); Söfker, BBauBl 1987, 203 (206). 217 Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 83. 218 Bundesrats-Drucksache 541/86 vom 07.11.1986, S.4; OVG NW, U.v.05.09.1997-7 A 2902/93 - BauR 1998,309 (310); kritisch zu dieser Klarstellungsfunktion: Bosch, BauR 1987, 247 (250), nach dessen Ansicht ist der Satz zweideutig. 2,9 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 54.80 - BauR 1984, 380 (381) = BVerwG 68, Nr. 53, S. 342, BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 25.82 - BauR 1984, 373 (375) = UPR 1984, 231 = BVerwGE 68, Nr.55, S.360; BVerwG, U. v. 03.02.1984-4C 8/80-BauR 1984, 377 (378) = UPR 1984, 234 (236) = BVerwGE 68, Nr. 54, S. 352 (359). 213

D. Die Regelvermutung gemäß § 11 III 3 BauNVO

83

können demzufolge auch für die Auslegung des § 11 III 4 BauNVO herangezogen werden 220. Eine Widerlegung der Regelvermutung ist nach der Entscheidung des BVerwG vom 03.02.1984 221 dann anzunehmen, wenn auf der Seite des Vorhabens oder auf der Seite der konkreten städtebaulichen Situation Besonderheiten vorliegèn, die vom zugrunde gelegten Regelfall abweichen. Derartige Abweichungen schließen die Anwendung des § 11 III BauNVO jedoch nicht generell aus. Nach der Rechtsprechung des BVerwG 222 kann für die Frage, ob im Einzelfall eine atypische Situation vorliegt, auch eine Rolle spielen, in welchem Maße ein Vorhaben die Größenordnung überschreitet, an die die Regelvermutung anknüpft. Daraus folgt, dass um so höhere Anforderungen an die Darlegung und den Nachweis einer atypischen Fallgestaltung zu stellen sind, je mehr im Einzelfall die Regelgröße überschritten wird 223 . 1. Betriebliche Besonderheiten Nach dem BVerwG 224 stellt es eine betriebliche Besonderheit dar, wenn der Betrieb auf ein schmales Warenangebot (z.B. Gartenbedarf) beschränkt ist oder der Betrieb Artikel führt, die üblicherweise in Verbindung mit handwerklichen Dienstleistungen (z.B. Kraftfahrzeughandel 225 mit Werkstatt) angeboten werden. Gleiches gilt, wenn das Warenangebot in gewisser Beziehung zu gewerblichen Nutzungen steht (z.B. Baustoffhandel und Büromöbelhandel). Das Gericht hat damit klar zum Ausdruck gebracht, dass eine betriebliche Besonderheit nur dann gegeben ist, wenn das Warenangebot typischerweise auf die zentralen Versorgungsbereiche keine negativen Auswirkungen haben kann. Der Bay. VGH 2 2 6 hat jedoch zu Recht klargestellt, dass eine solche Abweichung dann nicht anzunehmen ist, wenn ein Betrieb zwar auch handwerkliche Dienstleis220

Vgl. Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 81. BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 54.80 - BauR 1984, 380 (381) = BVerwG 68, Nr. 53, S. 342, BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 25.82 - BauR 1984, 373 (375) = UPR 1984, 231 = BVerwGE 68, Nr.55, S.360; BVerwG, U.v.03.02.1984-4C 8/80-BauR 1984, 377 (378) = UPR 1984, 234 (236) = BVerwGE 68, Nr. 54, S. 352 (359); OVG NW, U. v. 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998, 309. 222 BVerwG, U. v. 22.05.1987 - 4 C 77/84 - BauR 1987, 524 (527) = BRS 47, Nr. 58, S. 154 = NVwZ 1987, 1074 = ZfBR 1987, 251. 223 OVG SH, Β.v.25.04.1994- 1 M29/94-JURIS, S.3. 224 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 54.80 - BauR 1984, 380 (381) = BVerwG 68, Nr. 53, S. 342, BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 25.82 - BauR 1984, 373 (375) = UPR 1984, 231 =BVerwGE 68, Nr.55, S.360; BVerwG, U.v.03.02.1984-4C 8/80-BauR 1984, 377 (378) = UPR 1984, 234 (236) = BVerwGE 68, Nr. 54, S. 352 (359); OVG NW, U. v. 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998, 309. 225 So ausdrücklich in Bundesrats-Drucksache 541/86 vom 07.11.1986, S.4 und 5. 226 Bay. VGH, U.v. 13.10.1987-Nr.20Β 87.01537-BRS 47, Nr.59, S. 161 (163). 221

6*

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3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

tungen umfasst, darüber hinaus aber eine davon unabhängige Verkaufsnutzung beinhaltet, die für sich bereits die Regelgrenze überschreitet. Eine Abweichung vom Regelfall kann nach dem BVerwG 227 auch dann gegeben sein, wenn bei Zugrundelegung der BauNVO 1977 die Geschossfläche von 1.500qm überschritten und die Verkaufsfläche von l.OOOqm erheblich unterschritten wird. Nach dem OVG N W 2 2 8 kann die Raumleistungseffizienz, also der Umsatz je Flächeneinheit, nicht als Maßstab für das Vorliegen eines atypischen Falles zugrunde gelegt werden.

a) Die Sperrigkeit und Größe der angebotenen Waren Nach Schenke kann eine betriebliche Besonderheit auch an der Sperrigkeit oder Größe der angebotenen Waren, wie es beispielsweise bei Baustoffhandlungen, Gartencentern oder Möbelmärkten der Fall ist, festgemacht werden 229 . Schenke weist zutreffenderweise darauf hin, dass diese Warengruppen einen hohen Flächenbedarf und eine im Verhältnis zur Verkaufsfläche relativ geringe Umsatzerwartung aufweisen und daher aus Kostengründen eine Ansiedlung im zentralen Bereich einer Gemeinde meist ausscheidet. Bei diesen Branchen ist der Flächenbedarf und damit die Überschreitung der Regelgröße wenig aussagekräftig. Außerdem sind Güter dieser Art nur schwierig zu transportieren und müssen daher üblicherweise mit dem Kraftfahrzeug bewegt werden, so dass der Aspekt der verbrauchernahen und fußläufigen Versorgung keine Rolle spielt. Hiermit ist zugleich eine städtebauliche Besonderheit solcher Betriebe vorgezeichnet, weil diese aufgrund ihresflächenintensiven Sortiments und der mit ihnen verbundenen Erhöhung des Verkehrsaufkommens in den Innenstädten städtebaulich unerwünscht sind 230 . 227 BVerwG, U.v.03.02.1984-4C 54.80-BauR 1984, 380 (381) = BVerwG 68, Nr.53, S. 342, BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 25.82 - BauR 1984, 373 (375) = UPR 1984, 231 = BVerwGE 68, Nr.55, S.360; BVerwG, U.v.03.02.1984-4C 8/80-BauR 1984, 377 (378) = UPR 1984, 234 (236) = BVerwGE 68, Nr. 54, S. 352 (359); OVG NW, U. v. 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998, 309. 228 OVG NW, U. v. 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998, 309 (311). 229 Schenke, WiVerw 1990,226 (235); im Anschluss hieran: OVG NW, U. v. 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998, 309 (310); Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 27.1; Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (463, Fn.24); Söfker in: EZBK-BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 84; Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000-§11 BauNVO, Rn. 108. 230 So auch Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 27.23.

D. Die Regelvermutung gemäß § 11 III 3 BauNVO

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Diese Folgewirkungen der Sperrigkeit und Größe der angebotenen Güter werden von Bosch231 und Traumann 232 verkannt, wenn diese davon ausgehen, dass bei Bauund Möbelmärkten üblicherweise kaum ein Abweichen vom typischen Erscheinungsbild einer großflächigen Handelseinrichtung gegeben sei. b) Der Fachmarkt als atypische Fallgestaltung Die Oberverwaltungsgerichte und die Literatur haben sich in der jüngsten Zeit eingehend mit der Frage beschäftigt, ob ein atypischer Fall bereits dann gegeben ist, wenn das zu beurteilende Vorhaben ein Fachmarkt 233 darstellt, der sich auf eine Warengruppe spezialisiert hat. aa) Ausweitung des Warensortiments bei „ klassischen " Fachmärkten Die Betreiber von Einzelhandelsgroßprojekten versuchen zunehmend die Attraktivität „klassischer" Fachmärkte, wie beispielsweise die von Möbel- oder Bau- und Gartenmärkte, durch gezielte Sortimentsausweitungen zu steigern. Bei solchen Fallgestaltungen kann es fraglich sein, ob das Sortiment noch als atypisch schmal bezeichnet werden kann. Das OVG NW hat in seiner Entscheidung vom 01.03.1995234 ausgeführt, dass Fachmärkte mit einem auf eine bestimmte Branche zugeschnittenen Warenangebot die Voraussetzungen für eine atypische Fallgestaltung im Sinne des § 11 III 4 BauNVO allein wegen ihrer Fachmarkteigenschaft regelmäßig nicht erfüllen, dies aber bei Betrieben mit flächenintensiven sperrigen Gütern der Fall sein könne, sofern diese Betriebe kein ins Gewicht fallendes weitergehendes Warensortiment mit nicht sperrigen Gütern aufweisen. Betriebliche Besonderheiten kommen daher nach Auffassung des Gerichts bei Gartencentern oder sonstigen Betrieben der „do-it-yourself-Branche" in Frage. Das Gericht hat in dem konkreten Fall das Vorliegen betrieblicher Besonderheiten verneint. Beantragt worden war die Genehmigung zur Errichtung eines Geschäftshauses mit Gartencenter und Freifläche zum Verkauf von Bau-, Heimwerker- und Gartenartikeln mit einer Verkaufsfläche von 5.518,94qm in einem Gewerbegebiet. Das Gericht stützte sich bei seiner Entscheidung maßgeblich auf die Tatsache, dass das Kernsortiment Heimwerkerartikel umfasst, welche überwiegend kleinteilig sind. 231 Bosch, BauR 1987,247 (251); § 11 III BauNVO werde daher nicht den aktuellen Problemen wie die des Fachmarktes gerecht. 232 Traumann, GewArch 1984, 287 (288). 233 Zum Begriff des Fachmarktes: vgl. Katalog E, Begriffsdefinitionen, 4. Ausgabe, 1995 S. 43 Nr. 8; Bremme in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO - S. 101 (108). 234 OVG NW, U.v.01.03.1995-7 A 1895/91-NWVB1 1998, 151 (152).

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3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

Das Warenangebot des Betriebes könne deshalb insgesamt nicht als atypisch schmal bezeichnet werden. Die Angebotspalette sei so breit angelegt, um gleichsam „alles unter einem Dach" anbieten zu können235. Hierbei spielt es nach Auffassung des Gerichts keine Rolle, dass das Gesamtwarenangebot auch großteilige sperrige Güter umfasst, weil das Gesamtwarenangebot hierdurch nicht allein oder auch nur überwiegend geprägt wird. Die zuvor dargestellte Argumentation hat das OVG NW in seiner Entscheidung vom 22.06.1998 236 erneut aufgegriffen, in dem es die Atypik eines Einrichtungswarenhauses verneinte, weil nach dem Bebauungsplan eine breite Palette zentrenrelevanter Sortimente, wie Hausrat (Besteck, Geschirr), Textilien (Tisch-, Bett- und Badwäsche sowie Gardinen), Elektrogeräte (Klein- und Küchengeräte), Spielwaren, Lampen sowie Lebensmittel zulässig gewesen wären. Der Bay. VGH ist in seiner Entscheidung vom 13.10.1987 237 bei einem Einrichtungshaus, in welchem neben Möbeln und Teppichen auch Braune Ware angeboten werden sollte, ebenfalls nicht von einem atypisch schmalen Sortiment ausgegangen. Nach Ansicht des Gerichts ist ein atypischer Fall dann zu bejahen, wenn nur Möbel angeboten werden. Wird das Möbelangebot jedoch mit Brauner Ware (ζ. B. Radio- und Fernsehgeräte und Unterhaltungselektronik) kombiniert, so könne nicht von einem atypischen Fall ausgegangen werden. Braune Ware umfasse Waren des mittelfristigen Bedarfs der Bevölkerung, die zum typischen innerstädtischen Angebot gehören. Außerdem sei diese Warengruppe hinsichtlich des Flächenbedarfs mit Möbeln nicht zu vergleichen. Die Tatsache, dass sich Betriebe dieser Branche immer häufiger am Stadtrand ansiedeln, stelle eine wirtschaftliche Tendenz dar, die jedoch keinen Anhaltspunkt für eine atypische Fallgestaltung liefern könne. Außerdem sei aufgrund der Kombination der Warengruppen in dem geplanten Einrichtungshaus kein schmales, sondern ein breites Sortiment gegeben, was gegen die Annahme einer atypischen Fallgestaltung spreche. Ein atypischer Fall wäre lediglich dann zu bejahen, wenn es sich um einen Möbelmarkt mit einem im Einzelnen festgelegten Randsortiment handeln würde 238 . 235 OVG NW, U.v. 01.03.1995 - 7 A 1895/91 - NWVB1 1998, 151 (152); OVG NW, U.v.22.06.1998-7a D108/96-BauR 1998, 1198 (1204) = NVwZ 1999, 79 = NJ 1999, 47. 236 OVG NW, U. v. 22.06.1998 - 7a D 108/96 - BauR 1998, 1198 (1204) = NVwZ 1999, 79 = NJ 1999, 47; ähnlich: OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 28.07.1994 - 1Κ 7/93 - η. v., S. 10 der Entscheidung (Sondergebiet EinrichtungsWarenhaus). 237 Bay. VGH, U.v. 13.10.1987-Nr.20Β 87.01537-BRS 47, Nr.59, S. 161 (164); zustimmend: Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 84; OVG NW, U. v. 22.06.1998 - 7 a D 108/96 - BauR 1998, 1198 (1204) = NVwZ 1999, 79 = NJ 1999, 47; das Gericht lässt anklingen, dass für derartige Kombinationen eher der Begriff des Einrichtungswarenhauses angebracht wäre. 238 Bay. VGH, U.v. 13.10.1987-Nr.20Β 87.01537-BRS 47, Nr.59, S. 161 (165).

D. Die Regelvermutung gemäß § 11 III 3 BauNVO

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bb) Der Begriff des Randsortiments Die Begriffsbestimmung des Randsortiments ist bei der Beurteilung, ob eine atypische Fallgestaltung vorliegt, von besonderer Bedeutung. Wird in einem Fachmarkt neben dem eigentlichen Kernsortiment eine weitere Warengruppe geführt, so ist es für das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung maßgeblich, ob diese Warengruppe als Rand- oder als Teil des Kernsortiment einzustufen ist. Ist das weitergehende Warenangebot als Bestandteil des Kernsortiments einzustufen, so muss eine atypische Fallgestaltung ausgeschlossen werden, weil dann das Gesamtwarensortiment nicht mehr als atypisch schmal angesehen werden kann. Diese Differenzierung weist besonders deshalb eine hohe Praxisrelevanz auf, da die Betreiber von Fachmärkten zunehmend versuchen, das eigentliche (nicht-zentrenrelevante) Kernsortiment eines Fachmarktes zur Attraktivitätssteigerung durch zentrenrelevante Sortimente zu ergänzen, die sie als Randsortiment deklarieren 239. Hierdurch soll der Eindruck erweckt werden, dass die zentrenrelevanten Sortimente nicht ins Gewicht fallen und daher die Einstufung als atypische Fallgestaltung nicht in Frage gestellt wird. Dieses sogenannte Randsortiment ist häufig zumindest ein tragendes Standbein des Unternehmens, weil seine Bedeutung im Hinblick auf die Attraktivität des gesamten Geschäfts und auf den Umsatz meist so groß ist, dass sich das Geschäft nur durch den Verkauf des Kernsortiments gar nicht tragen würde 240 . Es ist allgemein anerkannt, dass die Genehmigung eines Kernsortiments grundsätzlich auch die jeweiligen Randsortimente umfasst 241. Eine eindeutige Definition des Begriffs des Randsortiments hat sich erst in der jüngsten Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte herausgebildet. (1) Die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte Der VGH Hess, ist in seiner Entscheidung vom 28.05.1986 2* 2 davon ausgegangen, dass Artikel der Wohnungs- und Haushaltseinrichtung, die bei einem Möbelmarkt ein Anteil von etwa 30 % an der Gesamtverkaufsfläche ausmachen, als Randsortiment angesehen werden können. Demgegenüber hat der Bay. VGH 2 4 3 einen Flächenanteil von über einem Drittel als bei weitem zu hoch bezeichnet. 239 240

Vgl. Bosch, BauR 1987, 247 (251); Bröll, ZfBR 1986, 271 (277). Gronemeyer - Praxishinweis zu OVG NW, B. v. 26.01.2000 - 7 Β 2023/99 - IBR 2000,

456.

241

Vgl. VGH BW, U.v. 02.10.1992-8 S 548/92-UPR 1993, 160 = ZfBR 1993,149; VGH BW, U.v. 13.12.1990-5 S 3215/89-η.v.S. 12. 242 VGH Hess. B.v.28.05.1986-III OE 176/82-ZfBR 1986, 250 = UPR 1986, 446. 243 Bay. VGH, 13.10.1987-Nr.20 Β87.01537-BRS 47, Nr.59,S.161 (165).

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3. Kap., . Abschn.:

roßflächige

ndelsbetriebe

Nach der Entscheidung des OVG NW vom 22.06.1998 244 besteht zwischen den Begriffen Kernsortiment und Randsortiment eine Wechselbezüglichkeit. Demzufolge tritt das Randsortiment zu einem spezifischen Kernsortiment lediglich hinzu und reichert dieses gleichsam ergänzend durch solche Waren an, die eine gewisse Beziehung und Verwandtschaft mit den Waren des Kernsortiments aufweisen. Nach Auffassung des Gerichts darf das Randsortiment nur solche Warengruppen umfassen, die dem Kernsortiment als Hauptsortiment sachlich zugeordnet und diesem hinsichtlich des Angebotsumfangs als Nebensortimente deutlich untergeordnet sind 245 . Das OVG NW hat in seiner Entscheidung vom 26.01.2000 2* 6 an die zuvor dargestellte Entscheidung angeknüpft. Der Entscheidung lag der Antrag auf Genehmigung eines Bettenfachmarktes mit insgesamt 450 qm Verkaufsfläche zugrunde, in dem auf 350 qm Verkaufsfläche „Schlafmöbel, Betten, Matratzen und Rahmen" und auf 80 qm Verkaufsfläche „Bettwäsche und Frottierwaren" als „Randsortiment" angeboten werden sollen. Nach Auffassung des Gerichts kann bei einem rechnerischen Anteil der Verkaufsfläche von 18 Prozent für die kleinteiligen Artikel des vorgesehenen „Randsortiments" im Verhältnis zu den großteiligen Artikeln des Kernsortiments nicht mehr davon gesprochen werden, dass das als Randsortiment bezeichnete Warenangebot dem Kernsortiment in seinem Umfang und seiner Gewichtigkeit deutlich untergeordnet ist. Das als Randsortiment bezeichnete Warenangebot stelle unter Umsatzgesichtspunkten ein wesentliches (mit)tragendes „Standbein" des Handelsbetriebes dar und sei daher nicht als Randsortiment einzustufen. (2) Stellungnahme: Anteil am Gesamtumsatz als entscheidendes Kriterium Die Tendenz der Entscheidungen des OVG N W 2 4 7 zur Eingrenzung des Begriffs des Randsortiments ist zu begrüßen, weil sie zur Rechtsklarheit beiträgt. Die Kernaussagen dieser Entscheidungen haben bereits Eingang in den Einzelhandelserlass des Landes Bbg. gefunden 248. Auch der Einzelhandelserlass des Lan244

OVG NW, U. v. 22.06.1998 - 7a D 108/96 - BauR 1998, 1198 (1200) = NVwZ 1999, 79 = NJ 1999, 47 = IBR 1998,498; 1999, 29; 1999, 84. 245 mit Verweis auf: BVerfG, B. v. 22.05.1996 - 1 BvR 744/88, 60/89, 1519/91 - BVerfGE 94, Nr. 12, S.372 (Werbeverbot für Apotheker). 246 OVG NW, Β. v. 26.01.2000 - 7 Β 2023/99 - BauR 2000, 1021 (1023) = IBR 2000, 456. 247 OVG NW, Β. v. 26.01.2000 - 7 Β 2023/99 - BauR 2000, 1021 (1023) = IBR 2000, 456; OVG NW, U. v. 22.06.1998 - 7 a D108/96 - BauR 1998, 1198 (1200) = NVwZ 1999, 79 = NJ 1999, 47 = IBR 1998, 498; 1999, 29; 1999, 84. 248 Einzelhandelserlass des Landes Brandenburg - Runderlass Nr. 23/2/1999 des Ministeriums für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr vom 15.08.1999 - Amtsblatt für Brandenburg Nr.41 vom 13.10.1999, S.977, Ziffer 2.2.8.

D. Die Regelvermutung gemäß § 11 III 3 BauNVO

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249

des RP sowie der Entwurf eines neuen Einzelhandelserlasses des Landes B W 2 5 0 gehen von einer untergeordneten Ergänzungsfunktion des Randsortiments aus. Gleichzeitig wird auf die Bedeutung des Randsortiments für den Gesamtumsatz des Betriebs hingewiesen. Allerdings ist einzuräumen, dass die dargestellten Kriterien nicht ausreichen, um alle Fallkonstellationen zufriedenstellend beurteilen zu können. Sicherlich ist es richtig, dass sich die ergänzende untergeordnete Funktion eines Randsortiments sowohl am Anteil der Gesamtfläche als auch am Anteil des Gesamtumsatz festmachen lässt. Diese beiden Anknüpfungspunkte sind jedoch nicht gleichrangig im Hinblick auf die Frage, ob eine atypische Fallgestaltung vorliegt. Eine maßgebliche Bedeutung für die Auswirkungen auf die Einzelhandelsstruktur der Innenstädte und damit für die verbrauchernahe Versorgung kommt lediglich dem Anteil am Gesamtumsatz zu, weil nur auf dieser Grundlage beurteilt werden kann, ob ein städtebaulich relevantes Umschlagen eines Kaufkraftabzuges zu erwarten ist. Es ist daher festzuhalten, dass das Randsortiment keine ins Gewicht fallende Bedeutung hinsichtlich der in Anspruch genommenen Verkaufsfläche und insbesondere bezüglich des Umsatzes haben darf. Eine allgemeingültige Bestimmung einer fixen Obergrenze für den Anteil an der Gesamtverkaufsfläche und dem Gesamtumsatz wird wohl kaum gelingen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch bei einer Überschreitung des vom OVG NW in seiner jüngsten Entscheidung als zu hoch eingestuften Anteils an der Gesamtverkaufsfläche von 18 % ein Randsortiment angenommen werden kann, sofern sich der Anteil dieser Warengruppe am Gesamtumsatz in Grenzen hält. Es kommt mit anderen Worten auch auf die Wertigkeit der angebotenen Güter an. Die Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte zur Zulässigkeit von Einrichtungswarenhäusern und Baumärkten, die zu Verbrauchermärkten mutiert sind 251 , sind in diesem Zusammenhang als zutreffend zu bezeichnen, weil die weitergehenden Sortimente nicht als Randsortimente eingestuft und damit das Gesamtsortiment nicht mehr als atypisch schmal bezeichnet werden kann. Besonders zu Tage tritt dies im vom Bay. VGH 2 5 2 entschiedenen Fall. Beim Angebot Brauner Ware fehlt es für die Einstufung als Randsortiment des Möbeleinzelhandels bereits an der sachlichen Zuordnung. 249 y w v d e r Staatskanzlei RP zur Errichtung und Erweiterung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben vom 09.07.1996 (StK 3-4019830-236-530/96) - MB1. 1996, Nr. 11, S. 371, Ziffer 6; es wird empfohlen, den Anteil des Umsatzes aus den Randsortimenten am Gesamtumsatz eines Betriebes auf beispielsweise ca. 10 Prozent im Bebauungsplan zu begrenzen. 250 Hinweise des Wirtschaftsministeriums zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten (Az.: 6-2500.4/7), Stand Juli 2000 - S.4, Ziffer 2.2.5. 251 So Hoppe/Schlarmann, DVB1 1999, 1078 (1081). 252 Bay. VGH, U. v. 13.10.1987 - Nr. 20 Β 87.01537 - BRS 47, Nr. 59, S. 161 (164).

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3. Kap., . Abschn.:

roßflächige

ndelsbetriebe

Als überholt zu bezeichnen ist in diesem Zusammenhang die Auffassung des OVG NW zur Begriffsbestimmung des Randsortiments in seiner Entscheidung vom 01.03.1995 253. Das Gericht hat bei der Frage, ob das Sortiment eines Baumarktes noch als atypisch schmal bezeichnet werden kann, obwohl ein weitergehendes Sortiment an Heimwerkerartikeln angeboten werden soll, maßgeblich darauf abgestellt, ob ein weitergehendes „ins Gewicht fallendes" Warensortiment angeboten wird. Das Gericht ist in diesem konkreten Fall davon ausgegangen, das das Angebot an Heimwerkerartikeln durchaus ins Gewicht fällt, weil das Gesamtwarenangebot zwar auch großteilige sperrige Güter umfasst, das Gesamtwarenangebot durch diese jedoch nicht allein oder auch nur überwiegend geprägt wird. Geht man von der zuvor dargestellten Begriffsbestimmung des Randsortiments aus, so stellt man fest, dass durch diese Begriffsbestimmung bereits sichergestellt wird, dass nur solche weitergehenden Sortimente als Randsortimente betrachtet werden, die „nicht ins Gewicht fallen". Andernfalls sind diese Sortimente als Kernsortimente anzusehen, womit bereits eine atypische Fallgestaltung ausgeschlossen ist, weil dann das Sortiment nicht mehr als atypisch schmal bezeichnet werden kann. Gleichzeitig wird dadurch diese Begriffsabgrenzung verhindert, dass das Gesamtwarenangebot seine Prägung durch das Kernsortiment verliert. In der Regel ist nach der hier vertretenen Auffassung das Sortiment eines Baumarktes, der auch Heimwerkerartikel führt, nur dann als atypisch schmal zu bezeichnen, sofern dieses weitergehende Sortiment als Randsortiment eingestuft werden kann.

cc) Zentrenrelevanz der jeweiligen Warengruppe Nach der Rechtsprechung des BVerwG 254 kommt es für eine atypische Fallgestaltung bei atypisch schmalem Sortiment zusätzlich darauf an, dass ein solcher Betrieb typischerweise auf die zentralen Versorgungsbereiche keine negativen Auswirkungen haben kann. Bei der Frage, ob das jeweilige Vorhaben typischerweise keine negativen Auswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche hat, kommt der Zentrenrelevanz der jeweiligen Warengruppe besondere Bedeutung zu. Dies ergibt sich 253 OVG NW, U.v. 01.03.1995-7 A 1895/91 - NWVB1 1998, 151 (152); ähnlich auch Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 27.2. 254 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 54.80 - BauR 1984, 380 (381) = BVerwG 68, Nr. 53, S. 342, BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 25.82 - BauR 1984, 373 (375) = UPR 1984, 231 = BVerwGE 68, Nr.55, S.360; BVerwG, U.v.03.02.1984-4C 8/80-BauR 1984, 377 (378) = UPR 1984, 234 (236) = BVerwGE 68, Nr. 54, S. 352 (359); OVG NW, U. v. 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998, 309.

D. Die Regelvermutung gemäß § 11 III 3 BauNVO

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bereits aus dem Wortlaut des § 11 III 4 BauNVO, in dem die verbrauchernahe Versorgung besonders hervorgehoben wird. (1) Die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte Das OVG Bdg. geht in seiner Entscheidung vom 12.07.1996 255 von der hier vertretenen Differenzierung aus. Nach Auffassung des Gerichts impliziert der Begriff des Fachmarkts nicht, dass dort lediglich sogenannte zentrenunschädliche Sortimente angeboten werden. Weitgehende Übereinstimmung besteht darüber, dass bei Fachmärkten, die sich auf flächenintensive Warengruppen spezialisiert haben (z.B. Baustoff- Garten- oder Möbelmärkte und Kraftfahrzeughandel), eine Zentrenrelevanz nicht gegeben und daher eine atypische Fallgestaltung zu bejahen ist 256 . Bei einer Spezialisierung auf kleinteilige Warengruppen ist eine nähere Überprüfung der Zentrenrelevanz erforderlich. Das OVG NW hat in seiner Entscheidung vom 05.09.1997 257 überzeugend ausgeführt, dass ein SB-Schuhmarkt nicht bereits durch die Spezialisierung auf eine Warengruppe einer atypischen Fallgestaltung entspricht. Auch ein schmales Sortiment kann dieselben städtebaulichen Auswirkungen haben wie ein nicht nach Warengruppen differenziertes Vorhaben. Negative Auswirkungen können insbesondere dann zu bejahen sein, wenn der Fachmarkt ein Sortiment führt, welches sich üblicherweise als zentrumstypisch erweist, weil dann die Befürchtung gerechtfertigt sein kann, dass durch den Betrieb Kaufkraft aus dem innerstädtischen Zentrum abgezogen und dadurch die zentrale Versorgungsfunktion beeinträchtigt wird. Diese Befürchtung ist nach Auffassung des Gerichts auch bei einem Schuhmarkt gerechtfertigt, weil dieser Waren des mittelfristigen Bedarfs der gesamten Bevölkerung anbietet. Hierbei kommt es nicht auf unternehmerische Zielsetzungen oder Marktstrategien eines Unternehmens an. Der Bay. VGH hat in seiner Entscheidung vom 29.01.1993 25* seine in der Entscheidung vom 13.10.1987259 vorgenommene Einstufung der Braunen Ware als zen255 OVG Bbg., Β. v. 12.07.1996 - 3 Β 144/95 - LKV 1997, 129 = NVwZ 1997, 600, als weitere Merkmale der idealtypischen Betriebsform des Fachmarktes nennt das Gericht die Dominanz des Selbstbedienungsprinzips, ebenerdige Geschäftsflächen und zentrale Kassenbereiche. 256 OVG RP, U. v. 15.07.1987 - 10 C 46/86 - NVwZ 1988, 379; OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 29.06.1993 - 1 Κ 6/92 - LKV 1994, 220 (223); Hoppe/Schlarmann, DVB1 1999, 1078 (1081); Hoppenberg/Köttgen, NJW 1987, 1534 (1535); Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000- § 11 BauNVO, Rn. 84; aA Traumann, GewArch 1984, 287 (288). 257 OVG NW, U. v. 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998,309 (310); so bereits Bay. VGH, U. v. 13.10.1987 - Nr. 20 Β 87.01537 - BRS 47, Nr. 59, S. 161 (163). 258 Bay. VGH, V.29.01.1993-26B 91.777-JURIS, S.6. 25 Bay. VGH, U.v. 13.10.1987-Nr.20 Β87.01537-BRS 47, Nr.59, S. 161 (164).

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3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

trenrelevante Warengruppe bestätigt. Das Gericht ging von der Unzulässigkeit eines Elektrofachmarktes („Medienmarkt") in einem Gewerbegebiet aus, der auf einer Verkaufsfläche von 1.836qm ausschließlich Braune Ware anbieten sollte. Das Gericht ging davon aus, dass auf der betrieblichen Seite keine Besonderheiten gegeben sind, weil Medienmärkte - insbesondere etwa im Vergleich mit Möbeloder Gartenmärkten - keinen Flächenbedarf haben, der in den zentralen Versorgungsbereichen wegen des dort nur begrenzten Flächenangebots und der entsprechend hohen Grundstückskosten nicht bzw. nicht ohne weiteres befriedigt werden kann. Außerdem sei die in einem Medienmarkt angebotene Braune Ware nach wie vor zum typischen innerstädtischen Angebot zu rechnen. (2) Stellungnahme: Vorrang der Einzelfallbetrachtung vor „traditioneller" Einstufung Es ist höchst fraglich, ob eine allgemeingültige Kategorisierung der Warengruppen nach zentrenrelevanten und nicht-zentrenrelevanten Warengruppen überhaupt vorgenommen werden kann. Die Zentrenrelevanz von Waren des kurzfristigen und wohl auch des mittelfristigen Bedarfs (ζ. B. Schuhe und Textilien) ist weitaus höher als bei Waren des längerfristigen Bedarfs, weil diese in besonderer Weise der verbrauchernahen Versorgung dienen 260 . In den Einzelhandelserlassen der Bundesländer 261, in der Literatur 262 und Praxis (Kölner Liste 263 ) gibt es detaillierte Kataloge über den Grad der Zentrenrelevanz der einzelnen Warengruppen. Allerdings wird eine derartige Kategorisierung der spezifischen städtebaulichen Situation dem jeweiligen Einzelfall nicht gerecht, so dass solche Kataloge lediglich einen groben Anhaltspunkt geben, jedoch nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben können. Fickert/Fieseler ist daher zuzustimmen, dass die Frage der potentiellen Zentrenschädlichkeit bestimmter Sortimente nur vor dem Hintergrund der örtlichen Gegebenheiten beantwortet werden kann. Dabei sind u. a. der Einzelhandelsbestand in den einzelnen Zentren sowie die planerische Konzeption der Gemeinde hinsichtlich der Zentren- und Einzelhandelsentwicklung zu berücksichtigen 264. 260 Vgl. OVG RP, B.v.08.01.1999-8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (438) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz). 261 Z.B. Anlage zum Einzelhandelserlass BW-Entwurf Stand Juni 2000 (Az.: 6-2500.4/7); VwV der Staatskanzlei RP zur Errichtung und Erweiterung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben vom 09.07.1996-MBl. RP 1996, 367 (370), Anlage Ziffer 5. 262 Vgl. Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998- § 11, Rn.27.22 m.w.N. 263 Siehe 3. Kapitel, 1. Abschnitt, C.III. 1. 264 Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998 - § 11, Rn.27.21.

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Deshalb muss auch bei Fachmärkten, die sich auf Waren des mittelfristigen Bedarfs spezialisiert haben, wie auf Braune Ware (Radio- und Fernsehgeräte, Unterhaltungselektronik usw.) und/oder Weiße Ware (Kühlschränke, Waschmaschinen usw.), die Frage erlaubt sein, ob allein aufgrund der „traditionellen" Einstufung als zentrenrelevante Warengruppen 265 das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung von vornherein auszuschließen ist 266 . Dem Bay. VGH 2 6 7 ist zwar insoweit zuzustimmen, dass der wirtschaftliche Trend zur Ansiedlung solcher Fachmärkte an der Peripherie allein keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer atypischen Fallgestaltung liefern kann. Diesbezüglich ist aber auch die Sperrigkeit und Größe der angebotenen Güter zu beachten. Es ist ganz offensichtlich, dass der Verbraucher bei der Deckung seines Bedarfs beispielsweise von HiFi-Anlagen, Fernsehgeräten oder Waschmaschinen nicht auf eine fußläufige Versorgung angewiesen ist, weil er diese Güter ohnehin mit dem Kraftfahrzeug transportieren muss. Aufgrund des dadurch induzierten Verkehrsaufkommens kann zudem nicht gerade davon gesprochen werden, dass solche Fachbetriebe keine Auswirkungen auf das innerstädtische Verkehrsaufkommen haben. Die verbrauchernahe Versorgung spielt bei diesen Warengruppen eine äußerst geringe Rolle. Die Argumentation des Bay. VGH 2 6 8 , Medienmärkte seien nicht wegen der Größe und Sperrigkeit der angebotenen Güter auf Standorte außerhalb der Innenstädte angewiesen, ist in dieser Pauschalisierung nicht stichhaltig. Zwar kann es durchaus sein, dass die Flächenintensität von Möbelmärkten größer ist als die von Medienmärkten, deshalb kann aber nicht außer Acht gelassen werden, dass Medienmärkte genauso wie Möbelmärkte für die verbrauchernahe fußläufige Versorgung nur von geringer Bedeutung sind. Demzufolge kann auch bei Fachmärkten, die sich auf das Angebot der Braunen und/oder der Weißen Ware spezialisiert haben (ζ. B. Mediamarkt und Promarkt), im Einzelfall von einer atypischen Fallgestaltung ausgegangen werden. Ein solcher Einzelfall ist insbesondere dann in Erwägung zu ziehen, wenn keine nicht-sperrigen Güter, wie beispielsweise CDs und kleinere Haushaltsgeräte angeboten werden oder das Gesamtwarenangebot durch die zuletzt genannten Warengruppen nicht maßgeblich bestimmt wird und diese daher als Randsortimente anzusehen sind. Gegen diese Auffassung kann nicht der Einwand erhoben werden, dass hierdurch den Fachmärkten für Unterhaltungselektronik quasi ein Freibrief zur Ansiedlung in Gewerbe- und Industriegebieten ausgestellt wird. Aus der Nichtanwendbarkeit der 265 So ζ. B. in: Anlage zum Einzelhandelserlass BW - Entwurf Stand Juni 2000 (Az.: 6-2500.4/7); VwV der Staatskanzlei RP zur Errichtung und Erweiterung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben vom 09.07.1996-MB1. RP 1996, 367 (370), Anlage Ziffer 5; OVG Sachsen, U. v. 26.05.1993 - 1S 68/93 - LKV 1994, 116(119) (Unterhaltungselektronik). 266 A.A. Hoppe/Schlarmann, DVB1 1999, 1078 (1081). 267 Bay. VGH, U.v. 13.10.1987-Nr.20 Β87.01537-BRS 47, Nr.59, S. 161 (164). 268 Bay. VGH, v.29.01.1993-26 Β91.777-JURIS, S.6.

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3. Kap., 1. Abschn.: Großflächige Einzelhandelsbetriebe

Vermutungsregel im Einzelfall folgt nur, dass die Zulässigkeit des Betriebes nach § 11 III 1 und 2 BauNVO zu prüfen ist 269 . dd) Zusammenfassung Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Bezeichnung eines Vorhabens als Fachmarkt nicht automatisch auf ein atypisch schmales und zentrenunschädliches Sortiment schließen lässt. Das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung kann nur auf dem Wege einer Einzelfallprüfung ermittelt werden. Bei der Beurteilung des Einzelfalls spielt nicht nur die Zentrenrelevanz und damit die Größe oder Sperrigkeit sowie die Fristigkeit der angebotenen Güter eine Rolle, sondern auch die Qualifizierung eines weitergehenden Warenangebots als Randsortiment. Eine Atypik liegt jedoch dann nicht vor, wenn Warengruppen, die isoliert betrachtet eine Widerlegung der Regelvermutung rechtfertigen, mit anderen als Hauptsortiment zu beurteilenden Warengruppen kombiniert werden, die diese Voraussetzung gerade nicht erfüllen. 2. Städtebauliche Besonderheiten Abweichungen auf der städtebaulichen Seite können beispielsweise darin bestehen, dass eine Unterversorgung im Einzugsbereich des Betriebes hinsichtlich des angebotenen Warenangebots besteht, dass zentrale Versorgungsbereiche an anderen Standorten im Einzugsgebiet des Betriebes nicht geplant sind oder der Betrieb an einem integrierten Standort, also in zentraler und für die Wohnbevölkerung allgemein gut erreichbarer Lage errichtet werden soll 270 . Nach dem Bay. VGH 2 7 1 liegt bei einer Unterversorgung mit Einkaufsmöglichkeiten, die das beantragte Vorhaben bieten kann, eine atypische Fallgestaltung dann nicht vor, wenn für fehlende Betriebe des großflächigen Einzelhandels bereits durch die gemeindliche Bauleitplanung andere Standorte festgesetzt wurden. Hinsichtlich der Gliederung und Größe einer Gemeinde im Sinne des § 11 III 4 BauNVO können städtebauliche Gesichtspunkte wie die Größe von abgegrenzten oder abgrenzbaren Gemeindeteilen sowie die Versorgung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche Berücksichtigung finden. Hiermit ist es nicht nur möglich 269

Vgl. Bröll, ZfBR 1986, 271 (277); Söfker in: EZBK-BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 80. 270 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 54.80 - BauR 1984, 380 (381) = BVerwG 68, Nr. 53, S. 342, BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 25.82 - BauR 1984, 373 (375) = UPR 1984, 231 = BVerwGE 68, Nr.55, S.360; BVerwG, U.v.03.02.1984-4C 8/80-BauR 1984, 377 (378) = UPR 1984, 234 (236) = BVerwGE 68, Nr. 54, S. 352 (359). 271 Bay. VGH, v.29.01.1993-26Β 91.777-JURIS, S.7.

D. Die Regelvermutung gemäß § 11 III 3 BauNVO

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der besonderen städtebaulichen Situation einer Gemeinde, sondern auch eines Gemeinde- oder Stadtteils Rechnung zu tragen 272. In der Literatur 273 wird überwiegend die Meinung vertreten, dass bei der Prüfung, ob bei der Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes unter 1.200 qm Geschossfläche eine atypische Fallgestaltung im Sinne des § 11 III 4 BauNVO gegeben ist, die Auswirkungen der bereits vorhandenen Einzelhandelsbetriebe zu beachten sind, die sich in räumlicher Nähe befinden. Voraussetzung für eine solche atypische städtebauliche Fallgestaltung ist es, dass mehrere im räumlichen und funktionalen Zusammenhang stehende Betriebe typischerweise in besonderer Weise geeignet sind, negative städtebauliche Auswirkungen zur Folge zu haben274. In einer Einzelbeurteilung sind demzufolge die Auswirkungen der bereits vorhandenen Einzelhandelsbetriebe zu berücksichtigen. Dies kann zur Unzulässigkeit eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes führen, wenn von den bereits vorhandenen oder zugelassenen Betrieben sowie von dem geplanten Betrieb einzeln nur unwesentliche Auswirkungen hervorgerufen werden, durch den neu hinzukommenden Betrieb die Schwelle zu nicht unwesentlichen Auswirkungen jedoch überschritten wird. Zweiter Abschnitt

Sonstige großflächige Handelsbetriebe gemäß § 11 I I I 1 Nr. 3 BauNVO Der Verordnungsgeber will mit § 11 III 1 Nr. 3 BauNVO Mischformen zwischen Einzel- und Großhandelsbetrieben erfassen und damit der Tatsache Rechnung tragen, dass eine Abgrenzung von Großhandel und Einzelhandel mitunter schwierig ist. Hinsichtlich des Kriteriums der Großflächigkeit gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO 275 . 272

Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 84c. Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 27.3; Schenke, DÖV 1988, 233 (238); Schwerdtner, BauR 1986, 253 (256); Söfker in: EZBK-BauGB, Stand April 2000- § 11 BauNVO, Rn.64 und 84a; Steger, BWGZ 1985, 110 (124) mit Hinweis auf den Ansatz des VGH BW, U.v.09.12.1981 - 5 S 1290/81 - BauR 1982, 149 (150) = BRS 38, 142; Stock in: König - BauNVO, 1999 - § 11, Rn. 85; Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 109; a. A. Bosch, BauR 1984, 350 (353), aus Gründen der Rechtssicherheit und der materiellen Klarheit könne nur eine auf das Antragsvorhaben begrenzte Überprüfung vorgenommen werden. 274 Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 84 a. 275 Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998-§ 11 Rn.20.2; Junge, BauR 1987, 643 (650); Schenke, UPR 1986, 281 (286). 273

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3. Kap., 2. Abschn.: Sonstige großflächige Handelsbetriebe

Von § 11 III 1 Nr. 3 BauNVO werden solche als Großhandel firmierende Betriebe erfasst, die tatsächlich auch an Endverbraucher für den privaten Bedarf verkaufen und dabei städtebauliche Auswirkungen haben können, die mit den Auswirkungen von großflächigen Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind 276 . Hierzu können grundsätzlich auch solche Betriebe gezählt werden, die Waren an Wiederverkäufer und gewerbliche Verbraucher zu deren persönlichem Privatgebrauch verkaufen 277. Nicht erfasst werden soll jedoch der funktionelle Großhandel, der Handelswaren an Wiederverkäufer, Weiterverarbeiter, gewerbliche Verwender oder Großverbraucher verkauft 278 . Die BGH-Rechtsprechung 279 zur wettbewerbsrechtlichen Abgrenzung von Großund Einzelhandel, wonach Großhandel nur insoweit anzunehmen ist, als der Einzelhandelsanteil am Gesamtumsatz eines Handelsbetriebes die Toleranzgrenze von 10% nicht überschreitet, kann nicht schematisch auf § 11 III 1 Nr. 3 BauNVO übertragen werden 280. Es widerspräche dem Telos des § 11 III BauNVO, wenn ein Einzelhandelsbetrieb, der eine Verkaufsfläche von über 700 qm aufweist, mit einem Handelsbetrieb vergleichbarer Größe und einem Einzelhandelsumsatzanteil am Gesamtumsatz von über 10% gleichgesetzt würde. Aus dem Wortlaut des § 11 III 1 Nr. 3 BauNVO geht klar hervor, dass die beschränkte Zulässigkeit nur für solche Handelsbetriebe gelten soll, die hinsichtlich der Auswirkungen mit Betrieben im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO vergleichbar sind 281 . In der zuvor dargestellten Fallkonstellation wird man nicht davon ausgehen können, dass ein solcher Handelsbetrieb vergleichbare Auswirkungen wie ein Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO zur Folge hat. Es muss vielmehr im Rahmen einer Einzelfallprüfung festgestellt werden, ob ein Großhandelsbetrieb mit Einzelhandelsanteilen vergleichbare Auswirkungen wie ein Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 III 1 Nr. 3 BauNVO aufweist. Vergleichbare Auswirkungen werden in der Regel erst dann anzunehmen sein, wenn der auf den Einzelhandel entfallende Anteil der Geschossfläche - sofern sich dieser abgrenzen lässt - mit dem großflächiger Einzelhandelsbetriebe vergleichbar ist 282 . 276

Söfker, B1GBW 1977, 226 (228). Jahn, LKV 1991, 258 (260); Schlichter, UPR 1984, 209 (211). 278 Bundesrats-Drucksache 261/77 vom 31.05.1977, S.36. 279 BGH, U. v. 30.11.1989 - 1 Z R 55/87 - NJW 1990,1294 (1297); BGH, U. v. 11.11.1977 IZR 179/75 - B G H Z 70, Nr.4, S. 18 (31) = NJW 1978, 267. 280 Ähnlich: Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 54. 281 Schenke, DÖV 1988, 233 (239). 282 Ähnlich: Stock in: König - BauNVO, 1999 - § 11, Rn. 88; Ziegler in: Brügelmann BauGB, Stand Februar 2000- § 11 BauNVO, Rn. 114. 277

3. Kap., 3. Abschn.: Einkaufszentren

97

Die in der Literatur 283 teilweise vertretene Ansicht, dass Cash-and-carry-Betriebe 284 grundsätzlich unter § 11 III 1 Nr. 3 BauNVO zu fassen sind, ist demzufolge in dieser Pauschalierung unzutreffend. Wichtige Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Betriebes im Sinne des § 11 III 1 Nr. 3 BauNVO und damit für die Erforderlichkeit einer näheren Prüfung im Einzelfall sind eine Sortimentbreite sowie eine Gestaltung und Größe der Verkaufsfläche, die der eines Einzelhandelsbetriebs entspricht, umfangreiche Kassenzonen und PKW-Stellplätze sowie eine für den Großhandel nicht ausreichende Anzahl von Laderampen 285. Dritter Abschnitt

Einkaufszentren gemäß § 11 I I I 1 Nr. 1 BauNVO Der Begriff des Einkaufszentrums, welches im allgemeinen Sprachgebrauch als Shopping-Center bezeichnet wird 286 , wurde vom Verordnungsgeber nicht definiert und stellt demzufolge einen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Das BVerwG hat sich in einer Grundsatzentscheidung vom 27.04.1990 m eingehend mit der Definition des Begriffs des Einkaufszentrums befasst. Die Diskussion über die Eingrenzung des Begriffs des Einkaufszentrums wurde damit jedoch nicht beendet. Das BVerwG betonte, es müsse offen bleiben, ob überhaupt eine abstrakte Begriffsbestimmung für das Einkaufszentrum gefunden werden kann. Den in der Literatur diskutierten Kriterien zur Begriffseingrenzung maß das BVerwG grundsätzlich nur indizielle Wirkung zu. Es besteht dennoch die Notwendigkeit zur Herausarbeitung von begriffsbestimmenden Kriterien, weil andernfalls der Begriff des Einkaufszentrums zu weit ausgelegt werden könnte und es dadurch unverständlich bliebe, warum Zusammenfassungen von Betrieben verschiedener Branchen und Größenordnungen außer in 283 Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 36f.; im Anschluss daran: Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988-S. 53 f., Jahn, LKV 1991, 258 (260); Nachreiner - Verbrauchermärkte in der städtebaulichen Ordnung, Diss. 1986-S.99; unklar: Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998 - § 11, Rn.20.2. 284 Zur Begriffsdefinition des Cash-and-carry-Betriebes, vgl. Katalog E, Begriffsdefinitionen, 4. Ausgabe, 1995, B.I. 8., S.37. 285 Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998- § 11, Rn.20.1, aus dem Vorliegen dieser Anhaltspunkte resultiere eine Vermutung, die der Antragsteller durch den Nachweis, dass und wie der Verkauf an letzte Verbraucher durch wirksame Kontrollen verhindert wird, widerlegen kann. 286 Vgl. Überblick zu den verschiedenen Definitionsansätzen zu den Begriffen ShoppingCenter und Einkaufszentrum: Mayr in: Heineberg - Einkaufszentren in Deutschland, 1980- S. 14ff. 287 BVerwG U.v.27.04.1990-4C 16/87-NVwZ 1990, 1074 = GewArch 1990, 332. 7 Kopf

3. Kap., 3. Abschn.: Einkaufszentren

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Kerngebieten nur in Sondergebieten zulässig sein sollten, während für großflächige Einzelhandelsbetriebe zumindest die Chance besteht, der Regelvermutung durch den Nachweis einer atypischen Situation zu entgehen288. Im Gegensatz zu großflächigen Einzelhandelsbetrieben gemäß § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO hängt die eingeschränkte Zulässigkeit von Einkaufszentren nicht von der Feststellung negativer Auswirkungen im Einzelfall ab. Ein Einkaufszentrum kann deshalb nur dann vorliegen, wenn sich aus dem Typus der jeweiligen Anlage bereits nachteilige städtebauliche Auswirkungen im Sinne des § 11 III 2 BauNVO ergeben.

A. Konzeption und Zusammensetzung eines Einkaufszentrums Die Bezeichnung einer Anlage durch den Betreiber ist für die Annahme eines Einkaufszentrums nicht maßgeblich289. Häufig wird die Bezeichnung als Einkaufszentrum nur aus Werbezwecken gewählt. Nach allgemeiner Auffassung 290 folgt aus der grammatischen Auslegung des Begriffes des Einkaufszentrums, dass Einzelhandelsbetriebe entweder von ihrer Anzahl, ihrer Größenordnung oder von ihrer Magnetwirkung her der Betriebskonzentration ihr Gepräge geben müssen. Damit ist kein Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben in einem Einkaufszentrum verbunden. Insbesondere sind solche Dienstleistungsbetriebe zulässig, die in einer Beziehung zum Einkaufen stehen. Durch die planungsrechtliche Festsetzung eines Einkaufszentrums wird die Zulässigkeit von Nutzungen nicht abschließend geregelt 291. Demzufolge sind in einem Einkaufszentrum - je nach Größe - beispielsweise Bank- und Sparkassenfilialen, Reisebüros, Reinigungen, Wettannahmebüros, Tankstellen mit Wasch- und Pflegehallen im Zusammenhang mit den Kundenstellplätzen und -garagen, bestimmte Vergnügungs- und Sportstätten wie Diskotheken, Kinos, Bäder und Saunen, sowie öffentliche Einrichtungen wie Post, Bücherhallen, Sozialeinrichtungen und Bürogemeinschaftseinrichtungen zulässig292. Die herrschende Meinung in Literatur 293 und Rechtsprechung 294 vertritt die Auffassung, dass ein Einkaufszentrum nicht notwendigerweise Betriebe des Handwerks oder des Dienstleistungsbereichs aufweisen muss. 288

So Hoppe/Beckmann, DÖV 1989, 290 (291); Scholtissek, GewArch 1989, 322 (327). Schenke, DÖV 1988, 233 (239); Söfker in: EZBK-BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn.49; Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 18.4; Hoppe/Beckmann, DÖV 1989,290(291); Ziegler in: Brügelmann-BauGB, Stand Februar 2000- § 11 BauNVO, Rn.45. 290 Vgl. Hoppe/Beckmann, DÖV 1989, 290 (292); Jahn, UPR 1989, 371 (375). 291 Stock in: König-BauNVO, 1999 - § 11 BauNVO, Rn.42. 292 Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998 - § 11 BauNVO, Rn. 18.2. 293 Jahn, UPR 1989, 371 (375); Hoppe/Beckmann, DÖV 1989, 290 (292); Schenke, NVwZ 1989, 632 (634); Schenke, WUR 1990, 61 (67); Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Februar 2000-§11 BauNVO, Rn.51. 294 BVerwG U. v.27.04.1990-4C 16/87-NVwZ 1990,1074 = GewArch 1990, 332; OVG NW B. v. 23.11.1987 - 11 Β 1448/87 - NVwZ 1988, 9(10) = DVB1 1988, 548 (549). 289

Β. Mindestanzahl von Betrieben

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Die zusammengeschlossenen Einzelhandelsbetriebe müssen keine bestimmte Mindestgröße aufweisen, um ein Einkaufszentrum zu bilden 295 . Bei einem Einkaufszentrum muss es sich um eine dauerhafte Einrichtung handeln, weil nur dann eine zumindest teilweise Versorgung der Bevölkerung in nennenswertem Umfang gegeben und damit die eingeschränkte Zulässigkeit zu rechtfertigen ist. Deshalb hat das OVG NW in seiner Entscheidung vom 21.07.1995 zu Recht die Anwendbarkeit des § 11 III 2 Nr. 1 BauNVO auf einen Trödelmarkt abgelehnt, weil das angebotene Sortiment aus Trödelwaren, gebrauchten Waren aller Art, Sammlerstücken sowie Jahrmarkt- und Wochenmarktartikel zur Bejahung eines Einkaufszentrums nicht umfangreich genug ist und die einmal wöchentlich stattfindende Veranstaltung die erforderliche Versorgungskontinuität nicht aufweist 296 .

B. Mindestanzahl von Betrieben Der Bay. VGH ging in seinem Urteil vom 30.12.1986 291 davon aus, dass bereits ein Betrieb ein Einkaufszentrum bilden könne. Nach Auffassung des Gerichts reicht eine räumliche Konzentration von Einzelhandelsbetrieben von insgesamt beachtlicher Größe für die Annahme eines Einkaufszentrums aus. Hinzukommen müsse der Eindruck eines Zentrums, um eine besondere Anziehungskraft für den Kunden zu generieren. Die Zentrumsqualität könne bereits durch das Vorhandensein eines überdurchschnittlich großen und anziehungskräftigen Einzelbetrieb gegeben sein. Diese Ansicht wird von der herrschenden Meinung abgelehnt. Die zum Teil vertretene Auffassung, bereits zwei Betriebe seien zur Annahme eines Einkaufszentrums ausreichend 298, wird von Schenke zu Recht abgelehnt. Aus dem allgemeinen Sprachgebrauch lässt sich folgern, dass zwei Betriebe allein noch kein Einkaufszentrum ergeben können, selbst wenn diese im gleichen Gebäude untergebracht sind 299 . Dies gilt auch dann, wenn von einem der beiden Betriebe aufgrund seiner besonderen Größe bzw. sonstiger Umstände eine besondere Magnetwirkung ausgeht.

295

Hoppe/Beckmann, DÖV 1989, 290 (292). OVG NW, B.v.21.07.1995- 10 Β 1978/95-BauR 1995, 821 = NVwZ-RR 1996, 135. 297 Bay. VGH, U.v.30.12.1986-20Β 86.01786-ZfBR 1988, 98; das Urteil wurde später vom BVerwG wieder aufgehoben - BVerwG U. v. 27.04.1990 - 4 C 16/87 - NVwZ 1990, 1074 = GewArch 1990, 332. 298 OVG NW, U. v. 03.11.1988 - 1 1 A 2310/86 - BRS 49, Nr. 72,180(185); Kniep, GewArch 1985, 89 (91). 299 Schenke, DÖV 1988, 233 (239), tendenziell auch: Jahn, UPR 1989, 371 (375); im Anschluss daran: OVG SH, v. 02.12.1993 - 1L 291/91 - JURIS, S.4. 296

7*

100

3. Kap., 3. Abschn.: Einkaufszentren

C. Unterbringung in Gebäuden Das OVG NW hatte sich in seiner Entscheidung vom 21.07.1995 mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Trödelmarkt, der einmal wöchentlich in einem Gewerbegebiet auf dem Gelände eines Autokinos (15.000qm) stattfinden sollte, zulässig ist oder als großflächiger Einzelhandelsbetrieb bzw. als Einkaufszentrum nur in einem Kernbzw. Sondergebiet zulässig ist 300 . Das Gericht hat überzeugend ausgeführt, dass ein Trödelmarkt aufgrund seiner Konzeption und Struktur nicht unter den Begriff des Einkaufszentrums gefasst werden kann. Der Begriff des Einkaufszentrums ist mit der Vorstellung verbunden, dass die Einzelhandelsbetriebe in einem bzw. mehren Gebäuden untergebracht sind. Das Gericht folgerte aus dem Wortlaut des § 11 III 3 BauNVO in Verbindung mit § 20 I I 1 BauNVO, in dem für das Vorliegen der Regelvermutung auf die Geschossfläche eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes abgestellt wird, dass der Verordnungsgeber das Vorhandensein eines Gebäudes vorausgesetzt hat. Dies müsse auch für das Einkaufszentrum gelten, selbst wenn es sich hierbei um eine andere „Organisationsform" handelt. Ein Trödelmarkt entspricht diesen Voraussetzungen offensichtlich nicht, weil es sich regelmäßig um „Open-Air-Veranstaltungen" handelt. Demgegenüber ist § 11 III BauNVO bei einem Containermarkt anwendbar 301.

D. Mindestgröße Nach wie vor umstritten ist die Frage, ob der Begriff des Einkaufszentrums eine Mindestgröße voraussetzt. Der Ausgangspunkt für die Überlegung, dass eine Mindestgröße erforderlich ist, besteht im Vergleich der Regelung des § 11 III 1 Nr. 1 ΒaunutzungsVerordnung mit § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO. Während bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben zur Anwendbarkeit der Nr. 2 nachteilige Auswirkungen festgestellt werden müssen, hat dies der Verordnungsgeber bei Einkaufszentren für entbehrlich gehalten. Der Verordnungsgeber geht bei Einkaufszentren demzufolge davon aus, dass diese typischerweise nachteilige Auswirkungen mit sich bringen 302.

I. Die früher herrschende Meinung In der Literatur wurde früher überwiegend die Auffassung vertreten, dass ein Einkaufszentrum eine Geschoss- bzw. Verkaufsfläche aufweisen muss, die weit über die nach § 11 III 3 BauNVO erforderliche Geschossfläche hinausgeht. 300 301 302

OVG NW, B. v. 21.07.1995 - 10 Β 1978/95 - BauR 1995, 821 = NVwZ-RR 1996, 135. Kniep, GewArch 1984, 80. Vgl. Schenke, UPR 1986, 281 (287).

D. Mindestgröße

101

m

Nach Hauth liegt ein Einkaufszentrum begrifflich erst dann vor, wenn eine Massierung mehrerer Einzelhandelsbetriebe vorhanden ist. Dies gelte unabhängig davon, ob sich die Einzelhandelsbetriebe auf einem oder mehreren Grundstücken befinden. Eine solche Massierung von Einzelhandelsbetrieben müsse nach ihrer Anzahl wie auch nach ihrer Gesamtfläche ein bestimmtes Gewicht und eine gewisse Bedeutung haben, und deshalb jedenfalls nicht wesentlich unter 10.000 qm Verkaufsfläche aufweisen. Leder geht davon aus, dass erst bei einer Geschossfläche von 10.000 qm die Größenordnung für ein Einkaufszentrum sicher erreicht sei 304 . Leder stützt sich hierbei insbesondere auf den allgemeinen Sprachgebrauch, wonach erst ab den zuvor genannten Größenordnungen eine Branchenvielfalt erreicht werden könne, die für ein Einkaufszentrum typisch sei. Hüttenbrink bringt in einer Art Erfahrungssatz zum Ausdruck, dass Einkaufszentren Großprojekte seien, deren Größenordnung regelmäßig eine Geschossflächenzahl von 1.500qm um ein Vielfaches übersteigt 305. Söfker folgert aus dem Vergleich mit den Vorschriften zu großflächigen Betrieben im Sinne des § 11 III 1 Nrn. 2 und 3 BauNVO, dass für Einkaufszentren eine Größe anzunehmen ist, die deutlich über 1.200qm Geschossfläche liegt und mehrere Tausend qm Geschossfläche umfasst 306.

II. Die heute herrschende Meinung Die heute herrschende Meinung in Rechtsprechung307 und Literatur 308 geht von wesentlich geringeren Größen aus als die früher herrschende Meinung. Schenke vertrat bezüglich der BauNVO 1977 die Auffassung, von einem Einkaufszentrum könne allenfalls gesprochen werden, wenn die Geschossfläche erheblich über 1.500qm bzw. die Verkaufsfläche über l.OOOqm liege 309 . Nach der Herabsetzung der Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO durch die BauNVO 1986 von 1.500 qm auf 1.200 qm Geschossfläche passte Schenke seine Auffassung entsprechend an. Für die Annahme eines Einkaufszentrums sei in der Regel eine Geschoss303 Hauth, BauR 1988,513 (517); ähnlich: Weiss in: Müller/Neuffer-BauNVO, 1991 - § 1 1 , S. 141. 304 Leder - BauNVO, 1992-§ 11 BauNVO, Rn. 10; so auch Weiss in: Müller/Neuffer BauNVO, 1991-§11. 305 Hüttenbrink, BauR 1982, 412. 306 Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 49. 307 OVG NW Β. v. 23.11.1987 - 11 Β 1448/87 - DVBl. 1988, 548 (549) = NVwZ 1988, 9

(10).

308

Vgl. Thies - Einzelhandelsgroßbetriebe im Städtebaurecht, 1992-Rn.24, S. 16. Schenke, UPR 1986,281 (287); andeutungsweise auch: Bröll, ZfBR 1986,271 (272) und Schlichter, UPR 1984, 209 (210). 309

102

3. Kap., 3. Abschn.: Einkaufszentren

fläche erforderlich, die erheblich über 1.200qm31° und in besonders gelagerten Fällen nicht wesentlich über 1.200qm 311 liegt. Nach Jahn setzt ein Einkaufszentrum stets eine Mindestgröße von 1.500qm Geschossfläche voraus. Er sieht im Gegensatz zu Schenke jedoch keinen Anlass, diese Mindestgröße, entsprechend der Absenkung des Schwellenwertes auf 1.200qm Geschossfläche, anzupassen. Der Einkaufszentrenbegriff sei bei der Änderung der BauNVO unberührt geblieben312. Des Weiteren spreche der TVpisierungsgedanke der BauNVO gegen die Annahme einer Mindestgröße unterhalb von 1.500 qm Geschossfläche. Die Schaffung eines eigenständigen Gebietstyps für großflächigen Einzelhandel durch § 11 III BauNVO 1977 impliziere bereits, dass es sich bei einem Einkaufszentrum im Unterschied zu den Ladengebieten des § 11 I I BauNVO um einen größenmäßig bedeutsamen Komplex handeln müsse. Hoppe/Beckmann folgern insbesondere aus dem Stufenverhältnis zwischen § 11 III 1 Nrn. 1 2 BauNVO, dass Einkaufszentren erheblich größer dimensioniert sein müssen als die großflächigen Einzelhandelsbetriebe im Sinne von § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO 313 . 1. Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche von 700qm? Eine Mindermeinung in der Literatur hält die Annahme eines Einkaufszentrums bereits bei einer Gesamtverkaufsfläche von 700 qm für denkbar 314. Ziegler begründet diese Ansicht damit, dass die Mindestgröße entsprechend dem Begriff der Großflächigkeit des § 11 III 1 Nrn. 2 und 3 BauNVO zu bestimmen sei 315 . Ziegler bezieht sich hinsichtlich der entsprechenden Anwendung der Mindestgröße im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO auf eine Entscheidung des OVG NW vom 03.11.1988 316. Das Gericht führte aus, an das Vorliegen eines Einkaufszentrums könnten hinsichtlich der Größenordnung der Verkaufsfläche keine grundsätzlich anderen Anforderungen gestellt werden, als an die großflächigen Einzelhandelsbetriebe. Bei § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO handele es sich um einen Auffangtatbestand. 310

Schenke, WUR 1990, 61 (68). Schenke, NVwZ 1989, 632 (634); ähnlich: Runkel, UPR 1998, 241 (244); Schlichter/ Friedrich, WiVerw 1988, 199 (254). 312 Jahn, UPR 1989, 371 (375); Jahn, JuS 1991, 468 (471). 313 Hoppe/Beckmann, DÖV 1989, 290 (297). 314 Kniep, GewArch 1985, 89 (91); Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000§11 BauNVO, Rn.47; Förster-BauNVO, 1978-5 11, 4.b. 315 Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 47; Förster - BauNVO, 1978 - § 11, 4. b. 316 OVG NW U. v.03.11.1988 - 11 A 2310/86-NVwZ 1989, 676 (678); BRS 49, Nr.72, S. 180. 311

D. Mindestgröße

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317

Die überwiegende Meinung in der Literatur lehnt die Annahme eines Einkaufszentrums bei einer Gesamtverkaufsfläche von 700 qm selbst für Anlagen im ländlichen Raum zu Recht ab. Schenke bezieht sich diesbezüglich auf das Ergebnis der systematischen Betrachtung des § 11 III Nr. 1 und Nrn. 2 und 3 BauNVO. Hiernach muss die Verkaufsfläche der einzelnen Geschäfte insgesamt mehr als die für einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb wesensnotwendige Fläche betragen. Aus der Tatsache, dass für ein Einkaufszentrum kein Nachweis nachteiliger Auswirkungen erforderlich ist, lässt sich folgern, dass die Verkaufsfläche eines Einkaufszentrums wesentlich größer sein muss, als die für die Annahme eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes. Anders ließe sich die Nichtstatuierung von Regelungen, im Sinne des § 11 III 2 BauNVO für Einkaufszentren nicht erklären 318. Ziegler wendet an diesem Punkt ein, der Anknüpfung an die unterste Grenze der Großflächigkeit stehe nicht entgegen, dass bei Einzelhandelsbetrieben unter 1.200 qm Geschossfläche die Auswirkungen nach Satz 1 und 2 nachgewiesen werden müssen. Die Zentrenwirkung müsse auch bei Einkaufszentren stets - und zwar unabhängig von der Größe - konkret nachgewiesen werden 319. Die Auffassung von Ziegler ist abzulehnen, weil er die Ergebnisse der zuvor dargestellten systematisch-teleologischen Auslegung nicht beachtet. Dem Verordnungsgeber ging es maßgeblich darum, dass Einkaufszentren eine gewisse Größe aufweisen und daher typischerweise Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO zur Folge haben.

2. Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche von unter 700 qm? Kniep vertritt die Ansicht, bereits eine Ansammlung von Läden, mit einer Gesamtverkaufsfläche von unter 700 qm könne ein Einkaufszentrum im Sinne des § 11 III Nr. 1 BauNVO darstellen 320. Kniep kritisierte in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des VGH BW vom 25.11.1996 321, in der das Gericht zutreffend ausführte, dass das genehmigte Geschäftshaus, welches fünf Läden (Drogerie, Schuhgeschäft, Computerladen, Friseur und Bäckereiverkaufsstelle) mit ca.592qm beinhalten sollte, keinesfalls als Einkaufszentrum qualifiziert werden kann. 317 Söfker in EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 49; Fickert/Fieseler BauNVO, 1998-§ 11, Rn. 18.3; Schenke, DÖV 1988, 233 (240); Schenke in: Dichtl/Schenke-Einzelhandel und BauNVO, 1988 - 13 (41). 318 Schenke, DÖV 1988, 233 (240). 319 Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 48. 320 Kniep, GewArch 1997, 166. 321 VGHBWB.v.25.11.1996-3 S 2913/96-GewArch 1997, 165.

104

3. Kap., 3. Abschn.: Einkaufszentren

Ein Einkaufszentrum mit weniger als für die Annahme eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs im Sinne des § 11 III Nr. 2 BauNVO erforderlichen Verkaufsfläche von über 700 qm ist bereits aus systematischen Gründen auszuschließen322. Eine Ansammlung von nicht-großflächigen Läden, die auch bei Addition ihrer Verkaufsflächen nicht die für einen Verbrauchermarkt bzw. großflächigen Einzelhandelsbetrieb benötigte Mindestverkaufsfläche aufweisen, kann von vornherein nicht als ein unzulässiges Einkaufszentrum qualifiziert werden, weil andernfalls gegen den Gleichheitssatzes verstoßen würde 323 .

III. Die Relativität der erforderlichen Mindestgröße Geht man davon aus, dass für die Annahme eines Einkaufszentrums eine Mindestgröße erforderlich ist, so stellt sich die Frage, ob diese absolut oder in Abhängigkeit beispielsweise von Gegebenheiten am Ansiedlungsstandort relativ zu bestimmen ist. 1. Die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte Der wohl überwiegende Teil der Literatur 324 geht davon aus, dass für das Vorliegen eines Einkaufszentrums keine fixe Mindestgröße angenommen werden könne, sondern die erforderliche Verkaufsfläche relativ zu bestimmen sei. Diese Auffassung hat in der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung 325 keine Zustimmung gefunden. Das OVG NW führte in seiner Entscheidung vom 23.11 J987 326 aus, der Vergleich mit den Regelungen für großflächige Einzelhandelsbetriebe ergebe, dass ein Einkaufszentrum im Sinne des § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO in der Regel über eine Geschossfläche von 1.200qm verfügen müsse. Deshalb spreche viel dafür, den Begriff des Einkaufszentrums als eine Zusammenfassung verschiedener Branchen des Einzelhandels mit einer Geschossfläche von mehr als 1200qm zu bestimmen. Die Aussage dieses Satzes ergänzte das OVG NW im Leitsatz dahingehend, dass ein Einkaufszentrum unter diesen Voraussetzungen vorliegen „kann". Es wandte sich aller322

Vgl. Stock in: König-BauNVO, 1999- § 11, Rn.46. Schenke, DÖV 1988, 233 (239); so auch Stock in: König - BauNVO, 1999 - § 11 BauNVO, Rn.45. 324 Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 18.8; Goebel, IzR 1976,471 (472); Hoppe/ Beckmann, DÖV 1989, 290 (295); Jahn, JuS 1991, 468 (471); Jahn, UPR 1989, 371 (374); Schenke, NVwZ 1989, 632 (633); Schenke, DÖV 1988, 233 (240), Schenke, UPR 1986, 281 (288); Scholtissek, GewArch 1989,322 (327); Stock in: König-BauNVO, 1999- § 11, Rn.47. 325 OVG Bremen U. v. 20.06.1989 - 1 BA 42/88 - BRS 49, Nr. 69, S. 171; OVG NW, B.v. 23.11.1987- 11 Β 1448/87 -DVB1. 1988, 548 (549) = NVwZ 1988, 9 (10). 326 OVG NW, B.v. 23.11.1987-11 Β 1448/87-DVB1. 1988, 548 (549) = NVwZ 1988, 9 323

(10).

D. Mindestgröße

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dings dagegen, mehr als 1500 qm Geschossfläche als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu fordern. An die zuvor dargestellte Entscheidung knüpfte das OVG Bremen in seiner Entscheidung vom 20.06.1989 327 an und lehnte ebenfalls eine Relativität der zu fordernden Mindestverkaufsfläche ab. Eine (aufeinander abgestimmte) Ansammlung von Einkaufseinrichtungen sei regelmäßig dann als Einkaufszentrum anzusehen, wenn die Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO deutlich überschritten werde. Eine Relativität der jeweils erforderlichen Geschossfläche lehnt das Gericht jedoch ab, weil eine Ableitung aus den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten dem Begriff des Einkaufszentrums die Mindestpraktikabilität nehme. 2. Kritik an der Rechtsprechung Die Entscheidung des OVG N W 3 2 8 wurde von Schenke zu Recht heftig kritisiert 329 . Schenke bemängelt, dass das Gericht die intendierte Rechtssicherheit nicht gefördert, sondern eher noch zur Verunsicherung beigetragen hat, weil es sich zur Frage, ob eine Mindestgeschossfläche erforderlich ist, widersprüchlich geäußert hat. Es ist nicht klar, ob das Gericht eine Mindestgeschossfläche von 1.200 qm fordere und ob bei einer Geschossfläche von 1.200qm und dem Vorliegen der weiteren geforderten Voraussetzungen stets ein Einkaufszentrum gegeben ist 330 . Das Gericht hat nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Annahme eines Einkaufszentrums nur dann gerechtfertigt ist, wenn die Zusammenfassung mehrerer Einzelhandelsbetriebe typischerweise Auswirkungen im Sinne der § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO hervorruft. Die herrschende Meinung gehe nicht von einer festen Mindestverkaufsfläche für das Vorliegen eines Einkaufszentrums aus, sondern fordere eine in der Regel über 1200qm liegende Geschossfläche nur, weil bei diesem Wert typischerweise von Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO auszugehen ist. Dieser Zusammenhang zwischen § 11 III 1 Nr. 2 und Nr. 1 BauNVO ergibt sich aus einer systematisch-teleologischen Auslegung331. Nach Schenke rechtfertigt die Überschreitung der Geschossfläche von 1200qm allein, auch wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind, noch nicht die Annahme eines Einkaufszentrums 332. Dies ist bereits aus der Tatsache zu folgern, dass ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO mit einer Geschossfläche von über 1.200qm bei einer atypischen Fallgestaltung auch au327 328

(10).

329

330 331 332

OVG Bremen U.v.20.06.1989- 1 BA42/88-BRS 49, Nr.69, S. 171. OVG NW, B.v. 23.11.1987 - 1 1 Β 1448/87-DVBl. 1988, 548 (549) = NVwZ 1988,9 Schenke, NVwZ 1989, 632 (633). Schenke, NVwZ 1989, 632 (633). So auch Leder-BauNVO, 1992- § 11, Rn. 12. So auch Hoppe/Beckmann, DÖV 1989, 290 (297).

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3. Kap., 3. Abschn.: Einkaufszentren

ßerhalb eines Sonder- und Kerngebiets zulässig sein kann. Dies muss erst Recht für mehrere räumlich verbundene Einzelhandelsbetriebe gelten. Andernfalls würde es zu absurden Ergebnissen kommen. So wäre eine Zusammenfassung mehrerer Einzelhandelsbetriebe in einem Baukomplex mit einer Gesamtgeschossfläche von mehr als 1.200 qm außerhalb eines Kern- oder Sondergebietes unzulässig, wohingegen ein einzelner großflächiger Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO mit dem gleichen Sortiment und der gleichen Gesamtgeschossfläche in diesem Gebiet zulässig wäre. Des Weiteren wären mehrere integrierte Einzelhandelsbetriebe mit einer Gesamtgeschossfläche von 1.200qm unzulässig, auch wenn die Gesamtverkaufsfläche noch nicht einmal die für die Annahme eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs erforderliche Verkaufsfläche von 700 qm betragen würde. Nach der herrschenden Literaturmeinung 333 hängt die für die Annahme eines Einkaufszentrums erforderliche Geschossfläche demzufolge vom Maß der nachteiligen Auswirkungen und damit vom jeweiligen Standort ab. 3. Die Ablehnung der Relativität durch einen Teil der Literatur Ein Teil der Literatur 334 lehnt eine relative Bestimmung der zu fordernden Verkaufsfläche ab. Thies führt als Beleg für diese Ansicht an, dass andernfalls nachteilige städtebauliche Auswirkungen ohne gesetzlichen Anhaltspunkt in den Begriff des Einkaufszentrums eingelesen würden und eine Privilegierung von Einkaufszentren gegenüber den Einzelhandelsbetrieben, wie z.B. Verbrauchermärkten entstünde335. Ziegler wendet gegen eine Relativierung ein, dass bei atypischen Fallgestaltungen eine Befreiung von der eingeschränkten Zulässigkeit in Kern- und Sondergebieten im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB erteilt werden könne 336 . 4. Stellungnahme: Relative Bestimmung der erforderlichen Mindestgröße Die herrschende Meinung in der Literatur, nach der die zu fordernde Mindestfläche relativ zu bestimmen ist, verdient Zustimmung. 333 Jahn, JuS 1991,468 (471); Jahn, UPR 1989, 371 (374); Schenke, DÖV 1988, 233 (240), Schenke, UPR 1986, 281 (288). 334 Thies - Einzelhandelsgroßbetriebe im Städtebaurecht, 1992 - Rn. 24, S. 17; Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 48. 335 Thies-Einzelhandelsgroßbetriebe im Städtebaurecht, 1992-Rn. 24, S. 17. 336 Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 48.

E. Warenhausähnliches Sortiment

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Der Auffassung von Ziegler ist mit Hoppe!Beckmann aufgrund der in der Baunutzungsverordnung etablierten Typisierung zu widersprechen 337. Für Einkaufszentren kann zwar grundsätzlich die Möglichkeit der Befreiung gemäß § 31 II BauBG in Frage kommen, dies kann jedoch nur für solche Anlagen gelten, die bereits als Einkaufszentrum qualifiziert werden konnten. Dies wiederum setzt voraus, dass diese unzweifelhaft typischerweise negative Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO mit sich bringen. Ziegler hält demzufolge die in der BauNVO allgemeine und insbesondere auch für § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO vorgesehene Abstufung zwischen allgemein zulässigen Nutzungen, Ausnahmen und Befreiungen nicht ein. Zudem spricht das verfassungsrechtliche Übermaßverbot und der Gleichheitssatz338 sowie die historische Auslegung gegen die Annahme einer absoluten Mindestverkaufsfläche. Der Verordnungsgeber hat bewusst darauf verzichtet für Einkaufszentren derartige Regelwerte zu etablieren, um eine Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen. Die zu fordernde Mindestverkaufsfläche ist demzufolge im Rahmen einer einzelfallbezogenen Betrachtung zu bestimmen und damit relativ. In concreto kann dies zur Folge haben, dass jedenfalls in großen Städten ein Einkaufszentrum in der Tat eine Verkaufsfläche von 10.000 qm oder mehr voraussetzt. In mittleren und kleineren Gemeinden kann allerdings diese Verkaufsfläche erheblich unterschritten werden 339.

IV. Zusammenfassung Einkaufszentren erfordern eine Mindestverkaufsfläche, die in der Regel weit über den Wert des § 11 III 3 BauNVO hinaus geht, im Einzelfall jedoch nicht wesentlich darüber liegen muss. Die Mindestverkaufsfläche hat jedoch nicht nur indizielle Bedeutung, sondern ist eine zwingende Folge der systematisch-teleologischen Auslegung des § 11 III BauNVO. Allerdings ist die Mindestverkaufsfläche nicht als starre Untergrenze, sondern relativ zu bestimmen.

E. Warenhausähnliches Sortiment Aus dem Wortlaut des § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO geht nicht ausdrücklich hervor, dass ein Einkaufszentrum ein warenhausähnliches Sortiment aufweisen muss. Gleichwohl wird das Vorliegen eines warenhausähnlichen Sortiments vom wohl überwiegenden Teil der Literatur 340 und teilweise von der Rechtsprechung341 gefordert. 337

Vgl. Hoppe/Beckmann, DÖV 1989, 290 (296). Vgl. Schenke, NVwZ 1989, 632 (634). 339 Bay. VGH, U.V.30.12.1986-20B 86.01786-ZfBR 1988,98; Schenke, UPR 1986,281 (288); Schenke, DÖV 1988, 233 (240); Schenke, NVwZ 1989, 632 (634). 340 Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 8; von der Tendenz her ebenfalls: Hoppe/Beckmann, DÖV 1989, 290 (294) Schenke, WUR 1990, 61 (68); a. A. Jahn, 338

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3. Kap., 3. Abschn.: Einkaufszentren

I. Der Streitstand in der Literatur Hoppe!Beckmann folgern aus der grammatischen Auslegung des Begriffes Einkaufszentrum, dass die Zentrenwirkung eine entscheidende Voraussetzung für die Annahme eines Einkaufszentrums darstelle 342. Diese bestünden in einer Sog- oder Magnetwirkung sowohl für die Verbraucher in dem entsprechenden Versorgungsbereich als auch für andere Unternehmen des Einzelhandels, die sich zur Ausnutzung der vorhandenen Magnetwirkung in räumlicher Nähe ansiedeln. Entscheidend für die Annahme eines Einkaufszentrums sei der Blickwinkel des Kunden, für den sich die Attraktivität eines Einkaufszentrums aus dem Umfang und der Qualität der angebotenen Waren und Dienstleistungen an einem Ort ergibt. Der Kunde suche das Einkaufszentrum auf, weil er am gleichen Ort verschiedene Einkaufs- und Dienstleistungsmöglichkeiten wahrnehmen kann und sich aufgrund der Konkurrenzsituation im Einkaufszentrum ein günstiges Preisniveau ergibt 343 . Diese Funktion könne von der Ansammlung einiger weniger Fachmärkte nicht erfüllt werden, weil hierzu das erforderliche Attraktivitätsniveau fehle. Deshalb sei ein warenhausähnliches Sortiment erforderlich 344. Hoppe!Beckmann schränken ihre Aussage jedoch dahin gehend ein, dass eine Einzelfallbetrachtung erforderlich sei und die notwendige Zentrenwirkung entscheidend von der Umgebung abhänge. Diesbezüglich sei insbesondere die Frage relevant, ob und inwieweit innerhalb des Versorgungsbereiches weitere Zentren bestehen und wie es um die Versorgungslage allgemein bestellt ist. Nach Grae kann das Einkaufszentrum am ehesten mit einem Gemeinschaftswarenhaus verglichen werden, dessen Konzeption ebenfalls ein warenhausähnliches Angebot als Ziel verfolge 345. Ein Gemeinschaftswarenhaus stellt nach den Begriffsdefinitionen ein räumlicher und organisatorischer Verbund von zumeist selbständigen Fachgeschäften und Dienstleistungsbetrieben verschiedener Art und Größe dar 346 . Schenke geht bei der Erörterung dieser Frage von der Regelung des § 11 III BauNVO 1968 aus 347 . § 11 III BauNVO 1968 sah vor, dass Einkaufszentren und Verbrauchermärkte, die außerhalb von Kerngebieten errichtet werden und die nach Lage, Umfang und Zweckbestimmung vorwiegend der übergemeindlichen VersorUPR 1989, 371 (375); Bröll, ZfBR 1986, 271 (277, Fn.5); Scholtissek, GewArch 1989, 322 (327). 341 Von der Tendenz her ebenfalls: OVG SH, v. 02.12.1993 - 1L 291/91 - JURIS, S. 4; Bay. VGH, U. v. 13.10.1987 - Nr. 20 Β 87.01537 - BRS 47, Nr. 59, S. 161 (162). 342 Hoppe/Beckmann, DÖV 1989, 290 (294). 343 In soweit auch: Ziegler in: Brügelmann-BauGB, Februar 2000- § 11 BauNVO, Rn.45. 344 Hoppe/Beckmann, DÖV 1989, 290 (294); a. A. Scholtissek, GewArch 1989, 322 (327). 345 Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 8. 346 Katalog E, Begriffsdefinitionen, 1975 S. 19 unter Nr. 20. 347 Schenke, DÖV 1988, 233 (239); Schenke, WUR 1990, 61 (68); Schenke in: Dichtl/ Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988 - S. 13 (40).

E. Warenhausähnliches Sortiment

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gung dienen sollen, als Sondergebiete darzustellen und festzusetzen sind. Nach allgemeiner Auffassung erfordert ein Verbrauchermarkt ein warenhausähnliches Sortiment, welches Nahrungs- und Genussmittel einschließt348. Hieraus folgert Schenke, dass es schwerlich einzusehen wäre, wenn eine Ansammlung von eng spezialisierten Fachmärkten, die bei ihrer Zusammenfassung in einem einzelnen Einzelhandelsbetrieb mangels Vorliegens eines Verbrauchermarktes gemäß § 11 III BauNVO zulässig wäre, als unzulässiges Einkaufszentrum bewertet würden. Während Schenke ein warenhausähnliches Sortiment zunächst nur für Vorhaben im Geltungsbereich der BauNVO 1968 verlangte 349, tendiert er nunmehr zu der Ansicht, dass ein warenhausähnliches Sortiment auch im Geltungsbereich der nachfolgend erlassenen BauVOen zu fordern ist 350 . Es sei sehr fraglich, ob einzelne Fachmärkte mit einem sehr beschränkten Warensortiment schon ein Einkaufszentrum konstituieren könnten, da es in der Regel an der für ein Einkaufszentrum typischen Magnetwirkung mangele. Nach Ziegler werden an das Sortiment keine rechtlichen Ansprüche gestellt. Es muss lediglich eine derartige Sortimentsmischung vorliegen, dass eine Magnetwirkung erzielt wird. Zwar lasse eine Warenvielfalt eine größere Magnetwirkung erwarten als ein knappes Sortiment, dies könne jedoch durch billige Angebote, die sich aus einer Konkurrenzsituation mehrerer Betriebe ergeben, ausgeglichen werden 351.

II. Stellungnahme: Warenhausähnliches Sortiment keine Anwendungsvoraussetzung Schenke ist in dieser Frage nur eingeschränkt zuzustimmen. Es war gerade die Intention des Verordnungsgebers durch die Ersetzung des Begriffes des Verbrauchermarktes durch den des großflächigen Einzelhandelsbetriebs auch andere Betriebsformen als Verbrauchermärkte mit breitem Warensortiment zu erfassen und damit der Entwicklung im Einzelhandel Rechnung zu tragen. Sicherlich ist im Geltungsbereich der BauNVO 1968 für Verbrauchermärkte ein warenhausähnliches Sortiment zu fordern, weil § 11 III 1 Nrn. 1 und 2 BauNVO 1968 in einem engen systematisch-teleologischen Zusammenhang stehen. 348

Crone-Erdmann, GewArch 1975, 319 (320); Hüttenbrink, BauR 1982,412 (413); Kniep, GewArch 1985, 89 (90), Schenke, UPR 1986, 281 (288); Schenke, DÖV 1988, 233 (235); Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988 - S. 13 (22f.); zustimmend: Frank, NVwZ 1987, 369, Fn. 1; siehe 5. Kapitel, B.I.2. 349 Schenke, DÖV 1988, 233 (239), mit dieser Einschränkung noch: Schenke, NVwZ 1989, 632 (634, Fn. 13). 350 Schenke, WUR 1990, 61 (68). 351 Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 51.

110

3. Kap., 3. Abschn.: Einkaufszentren

Durch die Neufassung der BauNVO 1977 hat auch der Begriff des Einkaufszentrums einen Bedeutungswandel erfahren, so dass das Vorliegen eines warenhausähnlichen Sortiments keine zwingende Anwendungsvoraussetzung sein kann 352 . Es ist aber zuzugestehen, dass bei einer Ansammlung von Einzelhandelsbetrieben mit warenhausähnlichem Sortiment die Annahme eines Einkaufszentrums naheliegender ist als bei einer vergleichbar großen Agglomeration mit eingeschränktem Sortiment. Es war gerade die Intention des Verordnungsgebers, die in der BauNVO etablierten Begriffe so wenig wie möglich zu spezifizieren, um eine dynamische Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung zu gewährleisten 353. Dass die hier vertretene Auffassung der jüngsten Entwicklung in der deutschen Einzelhandelswirtschaft besser gerecht wird, lässt sich anhand der in Deutschland neuen Vertriebsform des FOC exemplarisch darstellen. FOC führen zwar grundsätzlich keine Nahrungs- und Genussmittel für den täglichen Bedarf und verfügen demzufolge nicht über ein warenhausähnliches Vollsortiment, sie entfalten aber aufgrund ihrer Größe und ihres attraktiven Preisniveaus sehr wohl eine ausgeprägte Magnetwirkung. Insoweit ist den grundsätzlichen Überlegungen von Ziegler zuzustimmen. Zwar weisen FOC in der Regel ein schmales Sortiment auf, die diesbezügliche geminderte Magnetwirkung wird jedoch durch das höchst attraktive Preisniveau in der Regel wieder ausgeglichen. Der Unterschied zur Argumentation von Ziegler besteht lediglich darin, dass die Preisattraktivität bei FOC weniger durch die Konkurrenzsituation im Einkaufszentrum hervorgerufen wird, sondern vielmehr ein Bestandteil des Vertriebskonzeptes darstellt. Das Kriterium des warenhausähnlichen Sortiments kann mit Ausnahme des Geltungsbereiches der BauNVO 1968 lediglich ein wichtiges Indiz für die Annahme eines Einkaufszentrums darstellen, nicht jedoch ein begriffsnotwendiges Kriterium.

F. Die Agglomeration mehrerer Einzelhandelsbetriebe Es besteht in Rechtsprechung354 und Literatur 355 Übereinstimmung darüber, dass eine sukzessive Ansiedlung mehrerer Einzelhandelsbetriebe in räumlicher Nähe unter bestimmten Voraussetzungen als Einkaufszentrum zu werten sein kann. Keine 352

So auch Stock in: König - BauNVO, 1999 - § 11, Rn. 44. Schenke, WUR 1990,61 (66); Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988 - 36; Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - 3; Crone-Erdmann, GewArch 1975, 319 (320). 354 BVerwG U. v.27.04.1990-4C 16/87-NVwZ 1990, 1074 = GewArch 1990, 332; OVG ΝW U. v. 03.11.1988 - 11 A 2310/86 - BRS 49, Nr. 72, 180 (186). 355 Bröll, ZfBR 1986, 271 (272); Jahn, UPR 1989, 371 (375); Schenke, UPR 1986, 281 (287); Schenke, DÖV 1988, 233 (239); Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000- § 11 BauNVO, Rn.49; a. A. noch: Schlichter, UPR 1984, 209 (210); Schenke, UPR 1986, 281 (287); Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000- § 11 BauNVO, Rn.49; Katalog E, Begriffsdefinitionen, 4. Ausgabe, 1995, S.50, Nr.27. 353

F. Die Agglomeration mehrerer Einzelhandelsbetriebe

111

Übereinstimmung besteht jedoch hinsichtlich der dafür erforderlichen Voraussetzungen. Aus der Begründung zur BauNVO 1990, ergibt sich, dass auch der Verordnungsgeber von dieser Annahme ausging. Eine diesbezügliche Präzisierung des § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO wurde ausgeschlossen, weil ein Zusammenwachsen zu einem Einkaufszentrum bereits durch § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO erfasst werde 356 . Auch die Umschreibung des Einkaufszentrums in den Begriffsdefinitionen, die Grundlage der BauNVO 1977 war, kann zur Untermauerung dieser Ansicht herangezogen werden 357. Die Definition des Begriffes Einkaufszentrum lautete: „Einkaufszentrum (Shopping Center) ist die gewachsene oder auf Grund einer Planung entstandene räumliche Konzentration von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben verschiedener Art und Größe. Die geplanten Einkaufszentren sind entweder integriert (innerörtlich), d. h. in bestehende Siedlungen eingebettet (im Falle der Errichtung neuer Stadtteile oder bei Stadtsanierungen) oder nicht-integriert (außerörtlich), also ohne enge Verbindung zu Siedlungseinheiten, doch mit günstigen Verkehrsmöglichkeiten. Nicht-integrierte Einkaufszentren verfügen in der Regel in unmittelbarer Nähe über ausreichende Parkmöglichkeiten, die den integrierten, vor allem gewachsenen Zentren häufig fehlen. Gemeinsame Aufgaben der an einem geplanten Zentrum beteiligten Betriebe (Werbung, andere Dienste, ζ. B. Bewachung oder Reinigung) werden häufig durch eine zentrale Verwaltung des Zentrums wahrgenommen."

I. Die Entwicklung in der Rechtsprechung 1. Die Entscheidung des Bayerischen VGH Nach einer Entscheidung des Bay. VGH 358 reicht eine räumliche Konzentration von Einzelhandelsbetrieben von insgesamt beachtlicher Größe für die Annahme eines Einkaufszentrums aus. Hinzukommen müsse lediglich der Eindruck eines Zentrums, um eine besondere Anziehungskraft für den Kunden zu generieren. Hüttenbrink kritisiert, das Gericht lasse vollkommen außer Acht, dass der Verordnungsgeber bei Erlass der BauNVO 1977 die wirtschaftswissenschaftliche Definition des Begriffes Einkaufszentrum, wie sie in den Begriffsdefinitionen niedergelegt ist 359 , vor Augen gehabt hätte360. Die Auslegung des § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO durch den Bay. VGH entspreche nicht Sinn und Zweck dieser Regelung. Einem Bauherrn 356 357

Vgl. BR-Drucksache 354/89, A.II. l.d. (S.28). Katalog E - Begriffsdefinitionen aus der Handels- und Absatzwirtschaft, 1975 - IV S. 23;

Nr. 43. 358 359 360

Bay. VGH, U.v.30.12.1986-20Β 86.01786-ZfBR 1988, 98 = JURIS. Katalog E - Begriffsdefinitionen, 1975 - IV S. 23; Nr. 43. Hüttenbrink, DVBl 1989, 69 (76).

112

3. Kap., 3. Abschn.: Einkaufszentren

könne eine Genehmigung zur Errichtung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs ohne negative Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO nicht mit der Begründung versagt werden, sein Betrieb bilde zusammen mit einem anderen räumlich und organisatorisch vollkommen selbständigen Einzelhandelsbetrieb ein Einkaufszentrum und sei daher nur in Kerngebieten oder dafür ausgewiesenen Sondergebieten zulässig. Die Ansicht des Bay. VGH verstoße zudem gegen den Vorhabenbegriff des § 29 BauGB. 2. Die Entscheidung des BVerwG Das BVerwG hat die zuvor dargestellte Entscheidung des Bay. VGH 3 6 1 in seiner Grundsatzentscheidung vom 27.04.1990 362 mit der Begründung revidiert, dass der Bay. VGH für die Annahme eines Einkaufszentrums durch ein sukzessives Zusammenwachsen mehrerer selbständiger Betriebe zu geringe Anforderungen gestellt habe. Nach Ansicht des Gerichts setzt ein Einkaufszentrum im Sinne des § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO im Regelfall einen von vornherein einheitlich geplanten, finanzierten, gebauten und verwalteten Gebäudekomplex mit mehreren Einzelhandelsbetrieben verschiedener Art und Größe - zumeist verbunden mit verschiedenartigen Dienstleistungsbetrieben - voraus 363. Ein Einkaufszentrum könne zwar grundsätzlich auch durch ein sukzessives Zusammenwachsen mehrerer Einzelbetriebe entstehen, dafür müssten jedoch bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Falls eine einheitliche Planung fehlt, so ist außer der räumlichen Konzentration ein Mindestmaß an äußerlich in Erscheinung tretender gemeinsamer Organisation und Kooperation erforderlich, um die Ansammlung mehrerer Betriebe zu einem planvoll gewachsenen und aufeinander bezogenen Gesamtkomplex werden zu lassen364. Diese Gemeinsamkeiten können beispielsweise in gemeinsamer Werbung und einer verbindenden Sammelbezeichnung bestehen.

361

Bay. VGH, U.v.30.12.1986-20Β 86.01786-ZfBR 1988, 98 = JURIS. BVerwG U.v.27.04.1990-4C 16/87-NVwZ 1990,1074 = GewArch 1990,332; bestätigt in: BVerwG, B.v. 15.02.1995-4B 84.94-ZfBR 1995, 338; JURIS. 363 BVerwG, U.v. 27.04.1990-4C 16/87-NVwZ 1990,1074 = GewArch 1990,332; so bereits VGH Hess., U.v.06.04.1979-4 Ν7/77-BRS 35, Nr.4, S. 17. 364 BVerwG, U. v.27.04.1990 - 4C 16/87-NVwZ 1990, 1074 (1075) = GewArch 1990, 332. 362

F. Die Agglomeration mehrerer Einzelhandelsbetriebe

113

II. Der Streitstand in der Literatur Die oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung365 und die überwiegende Auffassung in der Literatur 366 sind der Entscheidung des BVerwG gefolgt. Ein Teil der Literatur lehnt die dargestellten Grundsätze des BVerwG zur sukzessiven Bildung eines Einkaufszentrums ab. Zu dieser Fragestellung wurde maßgeblich von Schenke ein alternativer Ansatz entwickelt. 1. Der alternative Ansatz von Schenke Schenke begrüßt die Entscheidung des BVerwG insoweit, als das Gericht für die Annahme eines Einkaufszentrums nicht voraussetzt, dass es sich um einen von vornherein einheitlich geplanten, finanzierten, gebauten und verwalteten Gebäudekomplex mit mehreren Einzelhandelsbetrieben handeln muss367. Andererseits kritisiert Schenke, dass das BVerwG ein Mindestmaß an äußerlich in Erscheinung tretender gemeinsamer Organisation und Kooperation voraussetzt. Hierbei werde übersehen, dass nachteilige Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO auch eintreten können, wenn sich ein Einzelhandelstreibender die Sogwirkung bereits bestehender Einzelhandelsbetriebe zu Nutze macht und sich in deren Nähe ansiedelt ohne eine Absprache mit den bereits bestehenden Betrieben zu treffen. Eine Ansammlung von Einzelhandelsbetrieben könne daher durch das Hinzutreten weiterer Einzelhandelsbetriebe in ein Einkaufszentrum umkippen 368 . Organisatorische oder betriebliche Gemeinsamkeiten seien als Abgrenzungskriterien ungeeignet, weil sie zu einer Umgehung des § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO einladen und nicht sachgerecht sind. Schenke führt aus, es sei geradezu befremdlich, dass das BVerwG annimmt, die nach außen hin erkennbare gemeinsame Werbung könne zur nachträglichen formellen und materiellen Illegalität einer Ansammlung von Einzelhandelsbetrieben führen. Eine schrittweise Bildung eines Einkaufszentrums setze gerade keine planvolle Vorgehensweise voraus, weil eine derartige planerische Absicht für den Begriff des Einkaufszentrums nicht konstitutiv sei. Schenke weist zudem darauf hin, dass die Vorbelastung eines Baugebietes durch andere Betriebe und deren Zurechnung keine rechtliche Besonderheit sei. Dies ergebe sich bereits aus der Regelung des § 15 BauNVO 369 . 365 Vgl. OVG SH, v.02.12.1993 -1L291/91 - JURIS, S.4; OVG MV, B.v.30.06.1999-3 M 144/98 - NVwZ-RR 2000, 559 (560) = DÖV 2001, 134. 366 Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 18.8; Jahn, GewArch 1997, 456 (458); Leder-BauNVO, 1992 - § 11, Rn. 10; Stock in: König - BauNVO, 1999 - § 11, Rn.49; Reidt, NVwZ 1999, 45 (46); Stüer - Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 1997 - Rn. 225. 367 Schenke, WUR 1990, 61 (67). 368 Schenke, WUR 1990, 61 (68). 369 Schenke, WUR 1990, 61 (69).

8 Kopf

114

3. Kap., 3. Abschn.: Einkaufszentren

Zustimmung hat Schenke bei Beckmann/Sonnemann gefunden, die dessen Kritik, die Annahme einer nachträglichen Illegalität der Ansammlung von Einzelhandelsbetrieben durch gemeinsame Werbung sei befremdlich, als berechtigt bezeichnen370. Beckmann!Sonnemann kritisieren, dass das BVerwG zwar zwischen gewachsenen und geplanten Einkaufszentren differenziere, für die Annahme eines gewachsenen Einkaufszentrums jedoch wiederum an eine planvolle Zusammenfassung mehrerer Betriebe anknüpfe 371. Als gewachsene Einkaufszentren könnten - der Ansicht des BVerwG folgend - nur solche Betriebsansammlungen angesehen werden, bei denen im nachhinein ein gemeinsames Konzept aus Sicht der Kunden durch Kooperation der verschiedenen Betriebe miteinander deutlich wird. Eine derartige nach außen hin erkennbare planerische Absicht als Voraussetzung zur Annahme eines Einkaufszentrums ist nach Beckmann!Sonnemann abzulehnen. Es müsse vielmehr auf die Auswirkungen auf die Versorgungsstruktur in der Gemeinde abgestellt werden. Beckmann!Sonnemann verweisen in diesem Zusammenhang auf Söfker 372, der die Maßgeblichkeit der raumordnerischen und städtebaulichen Bedeutung für die Annahme eines Einkaufszentrums betont. Beckmann/Sonnemann machen sich die Ansicht von Hoppe!Beckmann™ zu eigen, wonach das Vorliegen eines Einkaufszentrums im Rahmen einer Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der Wechselwirkung eines Vorhabens zu prüfen sei 374 . Es komme hierbei entscheidend auf die Zentrenwirkung an, die ein Vorhaben auslöst. Die Zentrenwirkung bestimme sich nach der Anzahl der Betriebe, der Verkaufsfläche, dem angebotenen Warensortiment, der Magnetwirkung einzelner Betriebe und nach der Umgebung des Vorhabens, also insbesondere der Versorgungsstruktur. Auch Ziegler lehnt den Versuch des BVerwG, allgemein gültige Kriterien zur Abgrenzung der Einkaufszentren von einer beliebigen Häufung von jeweils für sich planungsrechtlich zulässigen Läden aufzustellen, ab 375 . Die in der Entscheidung als maßgeblich bezeichneten nach außen erkennbaren Merkmale wie die gemeinsame Werbung seien zur Abgrenzung nicht geeignet. Dies zeige sich bereits daran, dass sich oftmals eine „beliebige Häufung" von Läden, die gerade nicht als Einkaufszentrum zu qualifizieren wären, zu einer Werbegemeinschaft zusammenschließt. Nach Kniep ist es für ein Zusammenwachsen mehrerer Einzelhandelsbetriebe zu einem Einkaufszentrum nicht konstitutiv, dass organisatorische oder betriebliche Gemeinsamkeiten (z.B. gemeinsame Werbung, gemeinsamer Parkplatz, Einkaufsgemeinschaft) vorliegen 376. 370

Beckmann/Sonnemann, UPR 1992, 221 (226). Beckmann/Sonnemann, UPR 1992, 221 (225). 372 Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Fn. 49. 373 Hoppe/Beckmann, DÖV 1989, 290 (298); zustimmend auch: Ziegler in: BrügelmannBauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 52. 374 So auch: Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 54. 375 Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 50. 376 Kniep, GewArch 1990, 316 (317). 371

F. Die Agglomeration mehrerer Einzelhandelsbetriebe

115

2. Kritik am alternativen Ansatz von Schenke Jahn folgt den Ausführungen von Schenke nicht, weil er hierin eine unzulässige Zurechnung von Auswirkungen im Sinne des § 11 III 2 BauNVO eines Drittbetriebes sieht, der gar nicht Gegenstand des Genehmigungsverfahrens sei 377 . Die Genehmigung des hinzutretenden Betriebes könne nicht mit der Begründung versagt werden, sein Vorhaben sei ein Einkaufszentrum und damit nach § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO unzulässig. Andernfalls käme es zu einem Wettlauf um die Baugenehmigung. Eine andere Beurteilung ergibt sich nach Jahn nur dann, wenn derselbe Unternehmer auf einem oder mehreren Betriebsgrundstücken in räumlichem und zeitlichem Zusammenhang sukzessive für sich betrachtet unbedenkliche Betriebe mit aufeinander abgestimmtem Sortiment etablieren will, um § 11 III 1 Nrn. 2 und 3 BauNVO zu umgehen378. Ähnlich begründen Fickert/Fieseler ihre Ablehnung der Auffassung von Schenke. Vom Wortlaut des § 11 III Nr. 1 BauNVO sei ein derartiges „Windhundprinzip", wonach das letzte Vorhaben, welches die magische Schwelle der Auswirkungen überschreitet, unzulässig ist und die anderen zulässig bleiben, nicht gedeckt379. Es könne keine Parallele zu § 15 BauNVO gezogen werden, weil sich im Gegensatz zu § 11 III 2 BauNVO die von § 15 BauNVO erfassten Auswirkungen nur auf das Baugebiet selbst oder dessen nähere Umgebung beziehen und Fernwirkungen etwa auf ein mehrere Kilometer entferntes Stadtzentrum nicht erfasst werden können 380 .

3. Stellungnahme: Planerische Absicht keine Anwendungsvoraussetzung Der Einwand von Fickert/Fieseler gegen die Auffassung von Schenke, dass dieser verkenne, dass im Rahmen des § 15 BauNVO keine Fernwirkungen im Sinne des § 11 III BauNVO beachtet werden können, ist nicht stichhaltig. Zunächst ist klarzustellen, dass Schenke diese Tatsache keineswegs verkennt 381. Schenke ging es offensichtlich nicht um eine Gleichsetzung, sondern lediglich um einen Vergleich der beiden Regelungen. Schenke ist jedoch auch aufgrund einer anderen Überlegung zuzustimmen. Im Rahmen des § 11 III 4 BauNVO kann auch eine „Vorbelastung" Berücksichtigung finden. In der Literatur 382 wird, übrigens auch von Fickert/Fiese377

Jahn, UPR 1989, 371 (375); Jahn, JuS 1991, 468 (471). Jahn, UPR 1989, 371 (376). 379 Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 18.6. 380 Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 18.6. 381 Schenke, UPR 1986, 281 (286). 382 Schenke, DÖV 1988, 233 (238); Schwerdtner BauR 1986, 253 (256); Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11, Rn. 84 a; Stock in: König - BauNVO, 1999 - § 11, Rn. 85; a. Α.: Bosch, BauR 1984, 350 (353). 378

8*

3. Kap., 3. Abschn.: Einkaufszentren

116 3 3

1er * , überwiegend die Meinung vertreten, dass bei der Prüfung, ob bei der Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes unter 1.200 qm Geschossfläche eine atypische Fallgestaltung im Sinne des § 11 III 4 BauNVO gegeben ist, die Auswirkungen der bereits vorhandenen Einzelhandelsbetriebe zu beachten sind, die sich in räumlicher Nähe befinden. Eine solche Vorbelastung kann auch dann zur Unzulässigkeit eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes führen, wenn von den bereits vorhandenen sowie vom hinzukommenden Betrieb isoliert betrachtet nur unwesentliche Auswirkungen hervorgerufen werden und durch den neu hinzukommenden Betrieb jedoch die Schwelle zu nicht unwesentlichen Auswirkungen überschritten wird 384 . Schenke und Beckmann/Sonnemann ist auch unter dem Aspekt der historischen und teleologischen Auslegung zuzustimmen. Die Begriffsdefinitionen gehen davon aus, dass ein Einkaufszentrum entweder ursprünglich geplant wird oder sukzessive zusammenwachsen kann. Von einer planerischen Absicht, die äußerlich erkennbar ist, ist gerade nicht die Rede. Das BVerwG fordert die für den Kunden erkennbare Zentrenqualität gerade deshalb, weil hierdurch die Magnetwirkung wesentlich beeinflusst wird. Eine Magnetwirkung kann aber gerade auch ohne nach außen hin erkennbare Merkmale gegeben sein, wenn die Ansammlung von Einzelhandelsbetrieben besonders attraktiv ist.

I I I . Zusammenfassung Die Annahme eines Einkaufszentrums gemäß § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO setzt nicht voraus, dass es sich um einen von vornherein einheitlich geplanten,finanzierten, gebauten und verwalteten Gebäudekomplex mit mehreren Einzelhandelsbetrieben handelt. Ein Einkaufszentrum kann auch durch ein sukzessives Zusammenwachsen mehrerer Einzelbetriebe entstehen. Dies setzt jedoch einen räumlichen und funktionalen Zusammenhang zwischen den Einzelhandelsbetrieben voraus. Ein funktionaler Zusammenhang ist gegeben, wenn die Agglomeration ein aufeinander abgestimmtes Warensortiment aufweist. Für das Abgestimmtsein des Warensortiments ist jedoch kein einvernehmliches Handeln der beteiligten Betriebe erforderlich. Hinzukommen muss eine Zentrenwirkung, die im Rahmen einer Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen des Vorhabens mit seiner Umgebung zu ermitteln ist. Ein Mindestmaß an äußerlich in Erscheinung tretender gemeinsamer Organisation und Kooperation ist nicht erforderlich.

383 384

Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 27.3. Siehe 3. Kapitel, 1. Abschnitt, D.IV.2.

Viertes Kapitel

Die Verfassungsmäßigkeit des § 11 I I I BauNVO In der Literatur 1 wurde in der Vergangenheit die Verfassungsmäßigkeit des § 11 III BauNVO heftig angezweifelt. Eine detaillierte Darstellung soll hier nicht erfolgen, die Ausführungen beschränken sich daher auf die wesentlichen Gesichtspunkte der hierzu ergangenen Grundsatzentscheidung des BVerwG. Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des § 11 III BauNVO als bodenrechtliche Vorschrift ist Art. 74 Nr. 18. Nach § 2 III BauGB wurde der Bundesbauminister ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates die in der BauNVO beinhalteten Regelungen zu erlassen2. Nach Auffassung des BVerwG 3 stellt § 11 III BauNVO eine Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 1412 GG dar, die dem rechtsstaatlichen Gebot ausreichender Bestimmtheit von Eingriffsnormen genügt. Das Gericht maß der Regelvermutung des Satzes 3 eine ausschlaggebende Bedeutung für die Bestimmtheit der in § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO genannten Auswirkungen zu. Der Verordnungsgeber bediene sich damit zulässigerweise einer typisierenden Betrachtungsweise. Durch die Widerlegbarkeit der Regelvermutung werde auch ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vermieden4. § 11 III BauNVO verstößt weder gegen die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 I GG noch gegen die Freiheit der Berufsausübung gemäß Art. 121 GG. Es liegt lediglich eine mittelbare Einflussnahme auf die Wettbewerbssituation und die Berufsausübung durch eine Standortbegrenzung für Gewerbebetriebe vor, wie sie jeder Planung innewohnt5. § 11 III BauNVO ver1

Vgl. Stock in: König - BauNVO, 1999- § 11, Rn. 33; Jahn, DVBl. 1988, 273 (274); Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988 - S. 211 ff. 2 Kniep, VB1BW 1981, 240, vertritt die Auffassung, dass §2 VIII BBauGB (§2 V BauGB) nicht als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des § 11 III 3 BauNVO ausreiche, weil auf dieser Grundlage keine bestimmten Größen festgesetzt werden dürften. 3 BVerwG U. v. 03.02.1984 - 4C 54.80 - BauR 1984,380 = BVerwGE 68, Nr. 53, S. 342; vgl. Berg, WiVerw 1990, 209 (213) m.w.N.; Schlichter, UPR 1984, 209 (210); zustimmend: Stock in: König - BauNVO, 1999 - § 11 Rn. 33; a. A. Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsprojekten, Diss. 1988 - 211 ff. 4 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 54.80 - BauR 1984, 380 (382) = BVerwG 68, Nr. 53, S. 342. 5 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 54.80 - BauR 1984, 380 (383) = BVerwG 68, Nr. 53, S. 342, vgl. Schlichter in: Birk - Stadt und Ortskerne ohne Geschäfte?, 1986 - S. 43; a. A. Jahn,

118

4. Kap.: Die Verfassungsmäßigkeit des § 11 III BauNVO

stößt auch nicht gegen das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden gemäß Art. 28 I I 1 GG, weil die planerische Entscheidung über zulässige Standorte für großflächige Einzelhandelsbetriebe bei den Gemeinden verbleibt. § 11 III ist darüber hinaus auch mit EU-Recht vereinbar, weil ausschließlich bundesinterne Sachverhalte geregelt werden6 Kritisch äußert sich Schlichter 7 zur Frage, ob eine beliebige Verringerung der Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO verfassungsgemäß wäre. Nach Schlichter gilt die Faustregel, dass eine Änderung des § 11 III BauNVO um so eher verfassungswidrig wird, je geringer die Regelgrenze ist und je weiter auf die bisher normierten städtebaulichen Auswirkungen verzichtet wird.

DVB1. 1988, 273 (275), der das Kriterium der Großflächigkeit als zu unbestimmt und daher § 11 III BauNVO als verfassungswidrig ansieht. 6 Vgl. Stock in: König - BauNVO, 1999 - § 11, Rn. 33. 7 Schlichter in: Birk - Stadt und Ortskerne ohne Geschäfte?, 1986-S.45; Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (252).

Fünftes Kapitel

Die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten nach den früheren Fassungen der BauNVO Die Zulässigkeit einer baulichen Anlage wird maßgeblich von der diesbezüglich anzuwendenden Fassung der BauNVO bestimmt1. Die jeweilige BauNVO gilt für alle Bebauungspläne, die unter der Gültigkeitsdauer dieser BauNVO ausgelegt wurden 2. Maßgeblich dafür, welche Fassung der BauNVO anzuwenden ist, ist nicht der Zeitpunkt zu dem der Bebauungsplan als Satzung in Kraft gesetzt wurde, sondern der des Verfahrens der Bürgerbeteiligung gemäß § 3 II BauGB. Die Vorschriften der §§ 4 bis 14 der jeweils anzuwendenden BauNVO werden gemäß § 1 III 2 BauNVO Bestandteil des Bebauungsplanes. Die jeweiligen Änderungsverordnungen zur BauNVO entfalten aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Rückwirkung3. Die BauNVO existiert in fünf verschiedenen Fassungen, nämlich als BauNVO 1962, BauNVO 1968, BauNVO 1977, BauNVO 1986 und als BauNVO 1990. Bis zum Inkrafttreten der BauNVO 1977 am 01.10.1977 gab es keine Regelung, die § 11 III BauNVO 1990 entspricht. Die BauNVO 1962 ist gemäß §25 BauNVO auf alle Bauleitpläne anwendbar, die in der Zeit vom 01.08.1962 bis zum 31.12.1968 ausgelegt bzw. rechts wirksam geworden sind. Entsprechendes gilt gemäß § 25 a BauNVO bezüglich der Baunutzungsverordnung 1968 für den Zeitraum zwischen dem 01.01.1969 und dem 30.09.1977, für die BauNVO 1977 gemäß § 25b BauNVO für den Zeitraum nach dem 01.10.1977 und vor dem 01.01.1987, für die BauNVO 1986 gemäß § 25 c für den Zeitraum nach dem 01.01.1987 und vor dem 27.01.1990 sowie für die Baunutzungsverordnung 1990 für den Zeitraum ab dem 27.01.1990. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Einzelhandelsgroßprojekten sind durch die Folge der etablierten BauNVOen ständig verschärft worden, um ein adäquates Instrumentarium der Stadtplanung zur Reaktion auf die Handelsentwicklung zu schaffen 4.

1 Auf die Rechtslage vor Etablierung der BauNVO und die Weitergeltung von Bebauungsplänen kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden; vgl. hierzu Nachreiner - Verbrauchermärkte in der städtebaulichen Ordnung, Diss. 1986 - S. 88 ff.; Crone-Erdmann, GewArch 1975,319(322). 2 Schenke, WUR 1990, 61; Hüttenbrink, DVB1. 1983, 530 (531). 3 Kniep, VB1BW 1981, 240 (242); Stich, DÖV 1978, 537 (543). 4 Zu den Hintergründen: Steinröx, BBauBl. 1987, 15.

120

5. Kap.: Zulässigkeit nach den früheren Fassungen der BauNVO

A. Zulässigkeit nach der BauNVO 19625 Die BauNVO 1962 basiert auf dem Leitprinzip der Funktionentrennung. Sie beinhaltet jedoch keine spezielle Regelung für Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe6. Nach der Rechtsprechung des BVerwG 7 sind großflächige Einzelhandelsbetriebe ohne Größenbeschränkung und ohne Rücksicht auf den Umfang ihres Einzugsbereiches als Gewerbebetriebe in Industrie- und Gewerbegebieten nach der BauNVO 1962 allgemein zulässig. Eine Unzulässigkeit in einem Gewerbe- bzw. Industriegebiet kann allenfalls nach § 15 I BauNVO8 gegeben sein oder dann, wenn das Vorhaben einer Gliederung gemäß § 8 IV bzw. § 9 IV BauNVO widerspricht 9.

I. Die Entscheidung des BGH Nach einer Entscheidung des BGH vom 28.05.1976 10 sind im Geltungsbereich der BauNVO 1962 Einkaufszentren und Verbrauchermärkte in Gewerbe- und Industriegebieten unzulässig, sofern sie sich wesentlich von den Gewerbe- und Industriegebieten unterscheiden. Der BGH sieht in diesen Fällen die Ausweisung eines Sondergebietes als erforderlich an. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Nutzung aller Baugrundstücke der vorgesehenen Fläche auf einen gemeinsamen Zweck abgestimmt sein soll. Fickert/Fieseler wenden hiergegen jedoch zu Recht ein, dass der explizite Ausschluss von Einkaufszentren und Verbrauchermärkten in Gewerbe- und Industriegebieten durch §§ 8 II Nr. 1 und 9 II Nr. 1 BauNVO 1968 widersinnig wäre, wenn der Verordnungsgeber nicht von der unumschränkten Zulässigkeit dieser Betriebsformen als Gewerbebetriebe aller Art in Gewerbe- und Industriegebieten ausgegangen wäre 11. 5

BauNVO 1962 vom 26.02.1962, BGB1.I, 429. Stich, DÖV 1978, 537 (538). 7 BVerwG, U. v. 03.02.1984-4C 8/80 - NJW 1984, 1773 (1774) = BauR 1984, 377 (379) = UPR 1984, 234 (236) = BVerwGE 68, Nr. 54, S. 352 (359). 8 OVG NW, U.v. 25.04.1991 - 11 A 1755/87-NVwZ-RR 1992,118 (119), VGH BW BRS 32, Nr.32; BVerwG, U. v.03.02.1984-4C 8/80-NJW 1984,1773 (1774) = BauR 1984, 377 (379) = UPR 1984,234 (236) = BVerwGE 68, Nr. 54, S. 352 (359); Gehrmann, GewArch 1976, 153 (155); Schenke, UPR 1986, 281 (290) m. w.N.; siehe 8. Kapitel, A. 9 Siehe 7. Kapitel, C.I.2. 10 BGH, U. v. 28.05.1976 - III ZR137/74 - BauR 1976, 336 (338) = NJW 1976, 1745; zustimmend: Gehrmann, GewArch 1983,79 (81); Nacken, Der Städtetag 1978,211 (212); Weiss in: Müller/Neuffer - BauNVO, 1991 - § 8, S. 122. 11 Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 12.1; kritisch auch: Förster - BauNVO, 1978, § 11,4. a., S. 175; kritisch auch: Bielenberg, B1GBW 1978, 81 (83). 6

Α. Zulässigkeit nach der BauNVO 1962

121

Auch das OVG Nds. hat in seiner Entscheidung vom 29.03.1996 n klargestellt, dass großflächige Einzelhandelsbetriebe nach §8 BauNVO 1962 in Gewerbegebieten uneingeschränkt zulässig sind und damit eine nachbarrechtliche Verträglichkeit mit anderen gewerblichen Nutzungen besteht. Einkaufszentren und Verbrauchermärkte, die vorwiegend der übergemeindlichen Versorgung dienen sollen, wurden in Gewerbe- und Industriegebieten durch die BauNVO 1968 nicht aufgrund einer nachbarrechtlichen Unverträglichkeit ausgeschlossen, sondern weil die Ansiedlung derartiger Betriebe außerhalb von Kerngebieten nachteilige städtebauliche Auswirkungen haben kann. Eine Verpflichtung der Gemeinden zur Ausweisung von Sondergebieten und damit eine Unzulässigkeit in Gewerbe- und Industriegebieten wie es der BGH vertritt, ist demzufolge abzulehnen.

II. Zulässigkeit in Mischgebieten Die überwiegende Auffassung 13 geht davon aus, dass Verbrauchermärkte und Einkaufszentren in Mischgebieten nach der BauNVO 1962 grundsätzlich zulässig sind. Eine Unzulässigkeit kann sich demnach nur dann ergeben, sofern diese im Einzelfall als störend im Sinne des § 6 I BauNVO einzustufen sind oder § 15 BauNVO einschlägig ist. Demgegenüber geht eine Mindermeinung 14 geht davon aus, dass die genannten Betriebe in Mischgebieten grundsätzlich als störende Gewerbebetriebe einzustufen und daher im Mischgebiet unzulässig sind. Der VGH BW hat in seiner Entscheidung vom 25.08.1977 15 einen Einzelhandelsbetrieb mit einer Verkaufsfläche von ca. 4.900 qm in einem Mischgebiet nach § 6 BauNVO 1962 als unzulässig angesehen. Dabei hat das Gericht den Betrieb als einen Verbrauchermarkt, der der übergemeindlichen Versorgung dienen soll, eingestuft, die Unzulässigkeit jedoch nicht auf § 11 III BauNVO 1968 gestützt, der in diesem Fall nicht zur Anwendung kam, sondern auf die zusätzliche Belastung des Gebietes durch den Zu- und Abfahrverkehr. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Einfügung des § 11 III BauNVO 1968 nicht darauf zurückzuführen sei, dass diese Betriebe nach der BauNVO 1962 in Mischgebieten typischerweise zulässig waren und sind. 12

OVG Nds., B.v.29.03.1996- 1 M 6354/95-NVwZ 1997, 1012 (1013). VGH BW, U.v. 11.04.1986-UPR 1986, 318; Fieseier, IzR 1976, 477 (478); Gräf/Henneke, ZfBR 1980, 218 (221); Jahn, UPR 1989, 371 (372); Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988 - S. 173; Knaup/Stange - BauNVO, 1983 - § 11, II.3.a; Leder - BauNVO, 1992- § 11, Rn.4 und 39; Schenke, DÖV 1988, 233 (234); Schenke, UPR 1986, 281 (289); Stock in: König - BauNVO, 1999 - § 11, Rn.34. 14 Schlichter in: Birk-Stadt und Ortskerne ohne Geschäfte?, S.40; Kniep, BWGZ 1982, 438; so offenbar auch: Büchner, NVwZ 1999, 345 (347). 15 VGH BW, Β. v. 25.08.1977 - VIII 791/77 - BRS 32, Nr. 32, S. 76. 13

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5. Kap.: Zulässigkeit nach den früheren Fassungen der BauNVO

Nach Ziegler ist davon auszugehen, dass auch der Verordnungsgeber Verbrauchermärkte und Einkaufszentren auf der Grundlage der BauNVO 1962 in Dorf- und Mischgebieten als unzulässig ansieht16. Dies zeige sich daran, dass es der Verordnungsgeber in der BauNVO 1968 lediglich bei Gewerbe- und Industriegebieten für notwendig erachtet hat, Verbrauchermärkte und Einkaufszentren durch die §§ 8 I I Nr. 1 und 9 II Nr. 1 BauNVO explizit auszuschließen und eine solche Klarstellung bei den Dorf- und Mischgebieten in den §§5 und 6 BauNVO für nicht notwendig erachtet habe.

III. Stellungnahme: Zulässigkeit auch in Mischgebieten Die zuletzt dargestellte Mindermeinung in der Literatur ist abzulehnen, weil sich für diese Auffassung keine Anhaltspunkte aus dem Wortlaut der §§5 und 6 BauNVO ableiten lassen. Es ist genauso wenig auszuschließen, dass der Verordnungsgeber bei den Dorfgebieten und den Mischgebieten einen geringeren Klarstellungsbedarf gesehen hat als bei Gewerbe- und Industriegebieten. Außerdem erfolgte der Ausschluss von Verbrauchermärkten und Einkaufszentren, die überwiegend der übergemeindlichen Versorgung dienen, in Gewerbe- und Industriegebieten nicht - wie bereits ausgeführt - , weil diese dort unverträglich waren, sondern aufgrund etwaiger städtebaulicher Auswirkungen in außerhalb liegender Gebieten. Auch bezüglich der Verträglichkeit dieser Betriebe in Mischgebieten kann nichts anderes gelten.

B. Zulässigkeit nach der BauNVO 196817 Der Begriff des Einkaufszentrums wurde mit der BauNVO 1968 erstmals etabliert. Eine Legaldefinition des Begriffes des Einkaufszentrums enthielt die BauNVO 1968 nicht. § 11 III BauNVO 1968 sieht vor, dass „Einkaufszentren und Verbrauchermärkte, die außerhalb von Kerngebieten errichtet werden sollen und die nach Lage, Umfang und Zweckbestimmung vorwiegend der übergemeindlichen Versorgung dienen sollen, als Sondergebiet darzustellen und festzusetzen sind". In der Literatur spricht man in diesem Zusammenhang von einer formellen Deklarationspflicht 18. Die Unzulässigkeit von Einkaufszentren und Verbrachermärkten, die vorwiegend der übergemeindlichen Versorgung dienen sollen, in Gewerbe- und Industriegebieten wurde in § 8 II Nr. 1 und § 9 II Nr. 1 BauNVO 1968 ausdrücklich festgeschrieben 19.

16 17 18 19

Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 121 und 124. BauNVO 1968 vom 26.11.1968, BGB1.I, 1233. Fieseier, IzR 1976,477; Fickert in: FS für Werner Hoppe, 2000 - S. 611 (615). Schöning, B1GBW 1969, 101 (102).

Β. Zulässigkeit nach der BauNVO 1968

123

I. Der Begriff des Verbrauchermarktes Nach der Begründung zur Änderungsverordnung 196820 stellt ein Verbrauchermarkt eine Einkaufsgelegenheit für Endverbraucher dar, wobei die Tendenz zum Verkauf in größeren Mengen bei preisgünstigem Angebot besteht; in der Regel werden die Waren im Selbstbedienungsprinzip angeboten. Diese Beschreibung reicht zur näheren Einschränkung jedoch keineswegs aus. 1. Mindestverkaufsfläche Der überwiegende Teil der Rechtsprechung21 und Literatur 22 vertritt die Auffassung, dass ein Verbrauchermarkt eine Verkaufsfläche von mindestens l.OOOqm aufweisen muss. Diese Auffassung stützt sich maßgeblich auf die Begriffsdefinitionen, die eine Mindestverkaufsfläche von l.OOOqm vorsehen. Die Begriffsdefinitionen beschreiben einen Verbrauchermarkt folgendermaßen 23: „Ein Verbrauchermarkt ist ein zumeist preispolitisch aggressiver, großflächiger Einzelhandelsbetrieb (mindestens 1 .OOOqm Verkaufsfläche), der vor allem Nahrungs- und Genussmittel, darunter auch Frischwaren (Obst, Gemüse, Südfrüchte, Fleisch u. ä.) anbietet und ergänzend als Randsortiment Waren anderer Branchen (Nonfood) führt, die für die Selbstbedienung geeignet sind und rasch umgeschlagen werden. Verbrauchermärkte befinden sich häufig in Stadtrandlagen und verfügen in der Regel über weiträumige Kundenparkplätze, verzichten jedoch auf kostspielige Kundendienstleistungen."

2. Warenhausähnliches Sortiment a) Der Streitstand in der Literatur Während ein Teil der Literatur 24 mit Hinweis auf die Entwicklung der Einzelhandelsstruktur, nach der es zu diesem Zeitpunkt einen Trend zu großflächigen Fachmärkten gab, auch Fachmärkte mit einem ausschließlich speziellen Sortiment unter den Begriff des Verbrauchermarktes fasst, vertritt der wohl überwiegende Teil der 20

Bundesratsdrucksache 402/68, S.5. OVG Bremen - B.v. 16.07.1976 - IB 12/76 - BauR 1976,407, von der Tendenz her ebenfalls: VGH BW, U.v.20.03.1985-3 S 2075/84-UPR 1986, 313 (315). 22 Battis, DÖV 1978, 113 (121); Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 1 1 , Rn. 19.4; Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 6; Leder - Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einkaufszentren, 1987 - S. 34; Nachreiner - Verbrauchermärkte in der städtebaulichen Ordnung, Diss. 1986-S.6; Schenke, UPR 1986,281 (288). 23 Katalog E, Begriffsdefinitionen, 1975 - Nr. 32, S. 21. 24 Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 6; Leder - Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einkaufszentren, 1987-S.35; Leder - BauNVO, 1992- § 11, Rn.28 und 29; Nachreiner - Verbrauchermärkte in der städtebaulichen Ordnung, Diss. 1986- S. 7. 21

124

5. Kap.: Zulässigkeit nach den früheren Fassungen der BauNVO 25

Literatur , ausgehend von den Begriffsdefinitionen, zu Recht die Auffassung, dass ein Verbrauchermarkt ein warenhausähnliches Sortiment, einschließlich Nahrungsund Genussmitteln, aufweisen müsse. Nach dieser Auffassung stellt der Verbrauchermarkt einen Unterfall des großflächigen Einzelhandelsbetriebs dar 26 . Auch in der Wirtschafts- sowie der Raumplanungswissenschaft geht man überwiegend davon aus, dass ein Verbrauchermarkt nur dann vorliegt, wenn zumindest auch Waren des kurzfristigen Bedarfs - insbesondere Lebensmittel - angeboten werden 27. b) Die Ansicht der Rechtsprechung Das OVG Bremen hat in seiner Entscheidung vom 16.07.1976 28 offengelassen, ob auch ein Betrieb mit einem hauptsächlich auf Lebensmittel und verwandte Waren ausgerichtetem Sortiment unter dem Begriff des Verbrauchermarktes zu fassen ist. Das BVerwG neigt in seiner Entscheidung vom 25.07.1986 29 der Auffassung zu, dass ein warenhausähnliches Sortiment für die Annahme eines Verbrauchermarktes nicht erforderlich ist, deshalb könne ein Möbelmarkt trotz seines beschränkten Sortiments ein Verbrauchermarkt sein. Der VGH Hess, ist in der Vorinstanz in seiner Entscheidung vom 28.05.1986 30 davon ausgegangen, dass ein Möbelmarkt mit einem Randsortiment als Verbrauchermarkt gemäß § 11 III BauNVO 1968 angesehen werden könne. Nach der Auffassung des Gerichts sprechen in diesem Fall objektive Merkmale für eine solche Auslegung, wie die weiträumige Verkaufsnutzfläche der Anlage von über 1 l.OOOqm, wovon etwa 30% ein nicht unerheblich aufgefächertes Randsortiment mit Artikeln der Wohnungs- und Haushaltseinrichtung einnehmen. Das BVerwG führte in seiner zuvor angeführten Entscheidung aus, dass Merkmale wie aggressive Preispolitik, die Tendenz zum Verkauf größerer Mengen sowie das Angebot von Lebensmitteln keine begrifflichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Verbrauchermarktes seien. c) Die Kritik an der Rechtsprechung Nach Schenke ist dem BVerwG hinsichtlich der Bewertung der Merkmale aggressiver Preispolitik sowie der Tendenz zum Verkauf größerer Mengen zuzustimmen, 25

Crone-Erdmann, GewArch 1975, 319 (320); Hoppenberg/Köttgen, NJW 1987, 1534; Hüttenbrink, BauR 1982,412 (413); Kniep, GewArch 1985, 89 (90), Schenke, UPR 1986,281 (288); Schenke, DÖV 1988, 233 (235); Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988 - S. 13 (22f.); zustimmend: Frank, NVwZ 1987, 369, Fn. 1. 26 Schenke, UPR 1986, 281 (288). 27 Vgl. Hatzfeld - Auswirkungen von Verbraucher- und Fachmärkten, Diss. 1987 - S. 55. 28 OVG Bremen, B.v. 16.07.1976-IB 12/76-BauR 1976,407. 29 BVerwG,B.v.25.07.1986-4B 144/86-NVwZ 1987,50(51) = ZfBR 1986,243; zustimmend: Thies - Einzelhandelsgroßbetriebe im Städtebaurecht, 1992- Rn. 26, S. 17. 30 VGH Hess., B.v.28.05.1986-III OE176/82-ZfBR 1986, 250 = UPR 1986, 446.

Β. Zulässigkeit nach der BauNVO 1968

125

da sich diese - insbesondere unter dem Aspekt der Rechtssicherheit - rechtlich nicht handhaben lassen31. Das BVerwG verkenne in seiner Entscheidung jedoch, dass der Begriff des Verbrauchermarktes ein warenhausähnliches Sortiment erfordere. Dies ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass anlässlich der Novellierungen der BauNVO 1977 und 1986 der Begriff des Verbrauchermarktes durch den Begriff des großflächigen Einzelhandelsbetriebes mit der Begründung ersetzt worden sei, dass hierdurch eine weitere Auslegung und damit die Erfassung aller Betriebsformen möglich sei 32 .

II. Übergemeindliche Versorgung In der Praxis ergaben sich hinsichtlich des Kriteriums der vorwiegenden übergemeindlichen Versorgung erhebliche Anwendungsprobleme.

1. Gemeindegebiet als Bezugspunkt Der wohl überwiegende Teil der Literatur vertritt die Auffassung, dass Bezugspunkt nicht der jeweilige Ortsteil einer Ansiedlungsgemeinde ist, sondern die politische Gemeinde33. Der VGH BW führt für diese Auslegung in seiner Entscheidung vom 11.04.1986 weiter an, dass ein Abstellen auf Teilorte zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen würde, zumal die Ansiedlungsgemeinde aufgrund ihrer Planungshoheit auch für Teilorte in ihrem Gemeindegebiet bauleitplanerische Vorkehrungen treffen kann, um unerwünschte Auswirkungen zu vermeiden 34. Diese Auslegung kann auch auf die Ausführungen des federführenden Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen gestützt werden, auf dessen Vorschlag hin der im Entwurf verwandte Begriff „überörtlich" durch „übergemeindlich'4 ersetzt wurde 35. Diesen Vorschlag begründete der Ausschuss damit, dass der Begriff „überörtlich" missverständlich sei und es darauf ankomme solche Anlagen zu erfassen, deren Einzugsbereich über die Gemeindegrenze hinausreicht. Nach Weiss ist ein Einzelhandelsbetrieb in einem Teilort unzulässig, wenn dieser in der ursprünglich selbständigen Gemeinde unzulässig war und nur aufgrund einer 31

Schenke, DÖV 1988, 233 (235, Fn. 10); Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988 - S. 13 (23, Fn. 24). 32 Söfker, Der Landkreis 1978, 384. 33 Schenke, UPR 1986, 281 (288); Goebel, IzR 1976, 471 (472). 34 VGH BW, U.v. 11.04.1986-5S 482/85-UPR 1986, 318; zustimmend: Birk, VB1BW 1988, 281 = NWVB1. 1989, 73. 35 Bundesratsdrucksache 402/1/68, S.4.

126

5. Kap.: Zulässigkeit nach den früheren Fassungen der BauNVO

Gemeindegebietsreform das Kriterium der Übergemeindlichkeit nicht mehr gegeben ist 36 . In einem solchen Fall müsse auf das Gebiet eines Teilortes abgestellt werden. Weiss begründet dies damit, dass andernfalls durch die Gebietsreform neues Ortsrecht geschaffen würde, was unzulässig sei. Diese Auffassung ist mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur abzulehnen, weil sie im Widerspruch zum Wortlaut und zur Entstehungsgeschichte des § 11 III BauNVO 1968 steht. Der Einwand von Weiss, dass andernfalls durch die Gebietsreform ein neues Ortsrecht geschaffen würde, ist nicht stichhaltig. Bestandteil eines Bebauungsplanes werden gemäß § 1 III 2 BauNVO nur die Bestimmungen der BauNVO. Das Gemeindegebiet stellt nur eine Bezugsgröße dar, es ist aber nicht Regelungsgegenstand des Bebauungsplanes. Der rechtliche Bestand der Festsetzungen eines Bebauungsplanes steht demzufolge grundsätzlich nicht in Abhängigkeit von der Kontinuität des Gemeindegebietes37.

2. Zusammenfassung Zur Beurteilung der Frage, ob ein Einzelhandelsbetrieb vorwiegend der übergemeindlichen Versorgung dient, ist nicht auf einen Teilort abzustellen, in der ein Vorhaben verwirklicht werden soll, sondern auf die übergeordnete politische Gemeinde. Ist im Einzelfall nicht feststellbar, dass ein Einzelhandelsgroßprojekt vorwiegend der übergemeindlichen Versorgung dienen soll, ergibt sich die Zulässigkeit nach der BauNVO 1968 nach der gleichen Maßgabe wie im Geltungsbereich der BauNVO 196238.

3. Maßstab für das Überwiegen der übergemeindlichen Versorgung Das Kriterium des Überwiegens der übergemeindlichen Versorgung ist nach allgemeiner Auffassung erfüllt, wenn mehr als die Hälfte des zu erwartenden Umsatzes von außerhalb der Standortgemeinde getätigt wird 39 . Zur Bestimmung des erwarteten Umsatzes muss eine Marktanalyse herangezogen werden. Maßgeblich sind diesbezüglich objektive Merkmale wie Lage, Umfang und Zweckbestimmung des Unternehmens (geographische Lage und Verkehrsverbindungen, Einwohnerzahlen, Kaufkraft und Umsatzerwartungen), nicht jedoch die subjektiven unternehmeri36

Weiss in: Müller/Neuffer - BauNVO, 1991 - §8, S. 122. Vgl. zum Rechtswidrigwerden von Normen bei Untergang des Normgebers: Baumeister - Rechtswidrigwerden, Diss. 1994-S. 325 f. 38 Jahn, UPR 1989, 371 (373). 39 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 17/82 - BRS 42, Nr. 51, 133 (136) = NVwZ 1984, 583 = UPR 1984,229 = BauR 1984, 369 = NJW 1984,1775; VGH BW, U. v. 11.04.1986- 5 S 482/85-UPR 1986, 318 (319). 37

. Zulässigkeit nach der BauNVO 19

127 40

sehen Zielsetzungen und Rentabilitätsvermutungen des Betreibers . Aus der Formulierung, dass diese Anlagen der übergemeindlichen Versorgung dienen „sollen" ist nach zutreffender Ansicht des BVerwG keine Subjektivierung abzuleiten. Eine Analyse der Marktverhältnisse kann weder durch eine Hilfsberechnung, die auf die Differenz zwischen dem für den rentablen Betrieb eines Verbrauchermarktes erforderlichen Umsatz und dem voraussichtlichen Umsatz aus der Standortgemeinde abstellt, noch durch Subtraktion des aus den Nachbargemeinden zu erzielenden Umsatzes von dem für die Rentabilität erforderlichen Gesamtumsatz, ersetzt werden.

C. Zulässigkeit nach der BauNVO 197741 Der Begriff des „Verbrauchermarktes" wurde durch den Begriff des großflächigen Handels- bzw. Einzelhandelsbetriebes ersetzt, so dass nunmehr gemäß § 11 III 1 Nr. 2 und 3 sowie Satz 2 BauNVO 1977 alle derartigen Betriebe, die potentiell nachteilige städtebauliche und raumordnerische Auswirkungen zur Folge haben können, erfasst werden. Die mit dieser Änderung verbundene Verschärfung der Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten wurde insbesondere mit der rasanten Strukturveränderung im Einzelhandelsgewerbe begründet 42. Durch die Neufassung des § 11 III BauNVO ist insbesondere gewährleistet, dass neue Vertriebsformen, die der Verordnungsgeber 1968 noch nicht berücksichtigen konnte, erfasst werden 43. In der Begründung zum ÄnderungsVerordnungsentwurf heißt es hierzu, dass es aufgrund von Gemeindegebietsänderungen zu Auslegungsschwierigkeiten bezüglich des Begriffes „übergemeindlich" gekommen war und durch § 11 III BauNVO 1968 den städtebaulichen Auswirkungen von Einkaufszentren und Verbrauchermärkten nicht mehr hinreichend Rechnung getragen werden kann44. Dies lag insbesondere daran, dass durch kommunale Gebietsreformen zu Beginn der siebziger Jahre und der daraus resultierenden größeren Gemeindegebiete der Anwendungsbereich des § 11 stark eingeschränkt wurde 45. 40

BVerwG, B.v.Ol.09.1989-4B 99.89-DÖV 1989, 1094 (1095) = NVwZ-RR 1990,229 (230); im Anschluss an: Schenke, UPR 1986, 281 (289); zustimmend: Jahn, UPR 1989, 371 (373); Büchner, NVwZ 1999, 345 (346). 41 BauNVO 1977 vom 15.09.1977, BGB1.I, 1763. 42 Stahl in: Falk - Einkaufszentren, 1982, S.220 (221 ff.); Losch, IzR 1976, 43 Iff. 43 Rothe, DVB1. 1977, 882 (887). 44 BR-Drucksache 261/77 vom 31.05.1977, S.35. 45 BR-Drucksache 261/77 vom 31.05.1977, S. 14; Leder - BauNVO, 1992- § 11, Rn. 8; Nachreiner - Verbrauchermärkte in der städtebaulichen Ordnung, Diss. 1986- S. 94; Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988,199 (250), weisen zu Recht daraufhin, dass die Regelung in Großstädten wie ζ. B. in Berlin ohnehin ins Leere ging; vgl. hierzu auch OVG Berlin, U. v.21.06.1991 - 2 B 7.89-BRS 52, Nr.51, S. 136 (137); Mayr in: Heineberg - Einkaufszentren in Deutschland, 1980 - S. 35.

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5. Kap.: Zulässigkeit nach den früheren Fassungen der BauNVO

Außerdem wurde mit Satz 3 eine Regelvermutung etabliert, wonach bei Betrieben mit mehr als 1.500 qm Geschossfläche 46 vermutet wird, dass diese nachteilige Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 zur Folge haben. Nach § 11 III BauNVO sind Einkaufszentren nur in Kern- oder Sondergebieten zulässig. Voraussetzung hierfür ist es in Abänderung der BauNVO 1968 nicht mehr, dass Einkaufszentren vorwiegend der übergemeindlichen Versorgung zu dienen bestimmt sein müssen. Sondergebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe sind seit der Änderungsverordnung 1977 Bestandteil des Beispielkatalogs und beziehen sich auf die in § 11 III geregelten Nutzungsarten.

D. Zulässigkeit nach der BauNVO 198647 Der Begriff des Einkaufszentrums wurde in der BauNVO 1986 nicht neu geregelt, so dass diesbezüglich § 11 III Nr. 1 BauNVO 1977 weiter zur Anwendung kommt. In § 11 III 3 BauNVO 1986 wurde die Regelgröße für großflächige Einzelhandelsbetriebe von 1.500qm auf 1.200qm Geschossfläche herabgesetzt und durch Satz 4 ergänzt, der klarstellende Ausführungen zu den Voraussetzungen einer abweichenden Beurteilung von der Vermutungsregel beinhaltet. Um eine möglichst einheitliche RechtsanWendung zu gewährleisten, bestimmt § 25 b II BauNVO, dass §11 III 4 BauNVO 1986 auch auf Bebauungspläne entsprechend anzuwenden ist, für die § 11 III BauNVO 1977 gilt 48 . Die Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO 1977 wurde hierdurch jedoch nicht rückwirkend auf 1.200 qm Verkaufsfläche herabgesetzt49.

46 Der Entwurf zur Änderungsverordnung enthielt noch die Regelgrenze von 2.000 qm Geschossfläche: Bundesratsdrucksache 261/77, S.37f. 47 BauNVO 1986 vom 19.12.1986, BGB1.I, 2665. 48 Vgl. OVG NW, U.v. 01.03.1995 - 7 A 1895/91 - NWVB1. 1998, 151; OVG NW, U. v. 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998, 309; Bay. VGH, U. v. 13.10.1987 - Nr. 20 Β 87.01537 - BRS 47, Nr. 59, S. 161. 49 Unzutreffend daher: Kniep, VB1BW 1987, 410 (411).

E. Umstellung von Bebauungsplänen auf die BauNVO n. F.

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E. Umstellung von Bebauungsplänen auf die BauNVO n.F. 5 0 Eine Gemeinde kann einen Bebauungsplan durch eine förmliche Änderung auf die Regelung einer späteren Fassung der BauNVO überleiten 51. Die Gemeinden haben insbesondere bei Bebauungsplänen, die im Geltungsbereich der BauNVO 1962 oder 1968 liegen, ein Interesse diese Bebauungspläne in die aktuellste Fassung der BauNVO überzuleiten, weil die BauNVO 1962 und 1968 nur geringfügige Restriktionen für Einzelhandelsgroßprojekte vorsehen52. Erfolgt die Überplanung eines Baugebietes älterer Ordnung mit dem Ziel, durch die Anpassung an die aktuelle Fassung der BauNVO die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten zu verhindern, so ist dies zur Ordnung der städtebaulichen Entwicklung im Sinne des § 1 III BauGB erforderlich 53. Die Befugnis der Gemeinde alte Bebauungspläne überzuleiten ergibt sich explizit aus § 25 c Satz 2 BauNVO 54 . Für eine solche Änderung des Bebauungsplanes genügt ein einfacher Umstellungsbeschluss nicht. Dies ergibt sich aus § 2 I V BauGB, wonach für die Änderung eines Bebauungsplanes die Vorschriften des BauGB zur Aufstellung von Bebauungsplänen gelten55. Folge einer Überleitung alter Bebauungspläne kann eine Entschädigungspflicht gemäß §§39 und 42 BauGB sein56.

50

Auf das Bestehen einer Überleitungspflicht soll in diesem Zusammenhang nicht eingegangen werden; vgl. hierzu: Crone-Erdmann, GewArch 1976, 258 (260); Crone-Erdmann, GewArch 1975, 319 (322); Halama in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 201; Hoppe in: FS zum 70. Geburtstag von Ch. von Unruh, 1983 - 555 (571); Runkel, UPR 1998, 241 (246); Schenke, WiVerw 1990, 226 (237); Einzelhandelserlass BW: Hinweise des Wirtschaftsministeriums zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten (Az.: 6-2500.4/7), Entwurf: Stand Juli 2000 - S. 19, Ziffer 4.3.1. 51 Stich, DÖV 1978, 537 (543). 52 Vgl. Bröll, ZfBR 1986, 271 (278). 53 Bosch, BauR 1984, 350 (358); Hüttenbrink, DVB1. 1983, 530. 54 Vgl. BVerwG, B. v. 24.01.1995 - 4 NB 3.95 - BRS 57, Nr. 26, S. 82 (83). 55 Boeddinghaus/Dieckmann - BauNVO, 1990 - § 11, Rn. 32. 56 Siehe 7. Kapitel, C.II.3.a. 9 Kopf

Sechstes Kapitel

Die Zulässigkeit neuer Vertriebsformen In diesem Kapitel soll auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit neuer Formen des großflächigen Einzelhandels eingegangen werden. Um die rechtliche Zulässigkeit einer neuen Vertriebsform beurteilen zu können, werden zunächst die diesbezüglichen Spezifika dargestellt.

A. Die Anwendbarkeit des § 11 I I I 1 Nr. 1 BauNVO auf Urban Entertainment Center (UEC) und Multiplex-Kinos I. UEC Ein UEC stellt eine Kombination aus Handel, Unterhaltung, Wellness, Gastronomie und Kommunikation in einem einheitlichen Gebäudekomplex in der Innenstadt bzw. in Innenstadtnähe dar 1. Die Freizeitangebote in UEC fungieren meist als Frequenzbringer für die Einzelhandelseinrichtungen. Obwohl in einem UEC typischerweise nur etwa ein Drittel der Gesamtfläche für den Einzelhandel reserviert ist, wird in diesem Bereich mehr als die Hälfte des Umsatzes erwirtschaftet 2. UEC liegen ganz im Trend des Erlebniseinkaufs, stellen als Innenstadteinrichtungen jedoch eine gegenläufige Entwicklung zur Einzelhandelsansiedlung auf der „Grünen Wiese" dar 3. Viele Städte integrieren UEC in ihr Konzept zur Förderung des Städtetourismus4.

1 Fischer, BauR 2000,225; Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - 459 (461); Vogelbacher in: Falk - Das große Handbuch Shopping-Center, 1998 - S. 317 (319); als UEC kann beispielsweise die „Walzmühle" in Ludwigshafen am Rhein bezeichnet werden, in der innenstadtnah Einzelhandelseinrichtungen, Restaurants und ein Kinozentrum (Village Cinemas) in einem Gebäudekomplex zusammengefasst wurden. 2 Vogelbacher in: Falk - Das große Handbuch Shopping-Center, 1998 - S. 317 (322). 3 Röck, IzR 1998, 123. 4 Röck, IzR 1998, 123 (128).

A. Urban Entertainment Center (UEC) und Multiplex-Kinos

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II. Multiplex-Kinos Ein Multiplex-Kino kann als ein zusammenhängend geplanter und verwalteter Kinokomplex mit ergänzenden gastronomischen und dienstleistungsbezogenen Nutzungen bezeichnet werden5. Die Größe variiert von 2.000 bis über 5.000 Sitzplätzen6. Werden Multiplex-Kinos unabhängig von Einzelhandelseinrichtungen errichtet, so sind diese nach dem engen Kulturbegriff der BauNVO nicht als „Anlagen für kulturelle Zwecke" sondern als kerngebietstypische Vergnügungsstätten im Sinne des Baurechts zu qualifizieren 7.

III. UEC und Multiplex-Kinos als integrierte Bestandteile eines Einkaufszentrums UEC und Multiplex-Kinos werden häufig mit Einzelhandelseinrichtungen kombiniert, um den Kunden ein umfassendes Einkaufserlebnis bieten zu können8. Liegt eine Integration der mit den Einzelhandelseinrichtungen kombinierten Nutzungen vor und stellen diese dann lediglich einen unselbständigen Annex zum Einzelhandel dar, so kann die Gesamtanlage als Einkaufszentrum im Sinne des § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO zu werten sein9. Als Anhaltspunkte für die Annahme einer solchen Integration können die Anordnung der Gebäude, deren räumliche Nähe sowie eine gemeinsame Grundstücksnutzung dienen10. Ist von einem Einkaufszentrum gemäß § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO auszugehen, so ergeben sich hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit keine besonderen Probleme.

5

Schmitz, LKV 1997, 345; Uechtritz, BauR 1999, 572 (583). Röck, IzR 1998, 123 (124). 7 VG Karlsruhe, U. v. 09.07.1999 - 2 Κ 874/97 - VB1BW 2000, 233; OVG Berlin, B.v. 17.03.1999-OVG 2S 6.98-GewArch 2000, 171 (172); offengelassen von Bay. VGH, Β. v. 25.10.1999 - 26 CS 99.2222 - BayVBl. 2000, 152 (153) = GewArch 2000, 174 = BauR 2000, 365; Jahn - Stärkung der Innenstadt oder des ländlichen Raumes?, 1999 - S. 35; Uechtritz, BauR 1999, 572 (583). 8 Heinritz/Rauh, RuR 2000, 47 (50); Schmitz, LKV 1997, 345 (346). 9 Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (463, Fn.21); Schmitz, LKV 1997, 345 (348). 10 Schmitz, LKV 1997, 345 (348). 6

9*

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6. Kap.: Die Zulässigkeit neuer Vertriebsformen

B. Fabrikverkaufsläden (Factory Outlets) I. Bestimmende Merkmale der Vertriebsform Von der für Europa neuen Handelsform des FOC ist der bei uns seit langem bekannte11 Fabrikverkauf zu unterscheiden. Die aktuelle Auflage der Begriffsdefinitionen 12 definiert den Begriff des Fabrikladens (Factory Outlet) wie folgt: „Der Fabrikladen (Factory Outlet) ist ein mittel- bis großflächiger Einzelhandelsbetrieb mit einfacher Ausstattung, über den ein Hersteller im Direktvertrieb insbesondere Waren zweiter Wahl, Überbestände und Retouren der Waren seines Produktionsprogramms oder seines Zukaufsortiments meist in Selbstbedienung an fabriknahen oder verkehrsorientierten Standorten absetzt."

Die ersten Factory Outlets entstanden bereits vor über 100 Jahren in den USA in der Form der „employee stores", in denen die Warenhersteller ihren Mitarbeitern Überschusswaren zum Kauf anboten13. Beim Fabrikverkauf befindet sich die Verkaufsstätte mit einer Verkaufsfläche von 50 bis l.OOOqm in der Regel am Standort der Produktionsstätte und stellt demzufolge einen Annex dar 14 . Die Verkaufsstellen dienen als Abflussventil für Überproduktionen, Warenretouren und Waren mit kleinen Fehlern 15.

II. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit Der Warenverkauf in Factory Outlets ist als Einzelhandel im bauplanungsrechtlichen Sinne zu beurteilen, so dass die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Factory Outlets grundsätzlich nach § 11 III BauNVO zu bestimmen ist. Demgegenüber vertritt Reidt die Ansicht, dass Factory Outlets aufgrund der engen Verbindung mit der Produktionsstätte nach den gleichen Kriterien zu beurteilen seien wie der jeweilige Produktionsbetrieb selbst16. Dies gelte jedoch nur dann, wenn der Fabrikverkauf eine untergeordnete Bedeutung zur Produktion hat. Die Grenzziehung zur Bejahung einer untergeordneten Be11 Vgl. Horbert, Dynamik im Handel 1/1995, 59; DER SPIEGEL- Mist gebaut- 38/1993, 136; Wirtschafts- Woche-Fataler Eindruck-27/1992, 152. 12 Katalog E, Begriffsdefinitionen, 4. Ausgabe, 1995, S.45, Nr. 12. 13 Falk in: Falk - Das große Handbuch Shopping-Center, 1998 - S. 329 (331); Ruda in: Schmude - FOC, 2000 - S. 31. 14 Vgl. Bauer/Hardock/Bartolitsch/Bluhm - Die Bedeutung von Factory Outlets aus der Sicht von Herstellern und Kunden, 1999 - S. 2; Schmude in: Schmude - FOC, 2000 - S. 1 (5); Als Paradebeispiel einer durch den Fabrikverkauf geprägten Stadt kann Metzingen bezeichnet werden; vgl. DER SPIEGEL - Pilger zum Goldenen Vlies - 2/2000, 60ff. 15 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S . l l . 16 Reidt, NVwZ 1999, 45.

Β. Fabrikverkaufsläden (Factory Outlets)

133

deutung sei in Anlehnung an die Rechtsprechung17 zur Abgrenzung zwischen Großund Einzelhandel bei 10% des Gesamtumsatzes vorzunehmen 18. Eine Grenzziehung sei beim Fabrikverkauf erforderlich, weil andernfalls die bauplanungsrechtlichen Vorgaben unterlaufen werden könnten. Die Errichtung einer Fabrikverkaufsstätte sei daher am Produktionsort, meist in einem Gewerbegebiet gemäß § 8 BauNVO, ohne besondere Schwierigkeiten möglich. Nur wenn der Umsatz durch Fabrikverkauf die 10%-Marke überschreitet, bestimme sich die Zulässigkeit eines Fabrikladens grundsätzlich nach § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO. Das Ergebnis der zuvor dargestellten Ansicht überzeugt zwar, nicht jedoch die Begründung. Eine schematische Übertragung der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung des BGH in das System des Bauplanungsrechtes verbietet sich aus dogmatischen Gründen 19. Folgte man dieser Ansicht, so würde dies wenig sachgerechte Ergebnisse zur Folge haben. Es ließe sich beispielsweise nicht erklären, warum ein Factory Outlet mit beispielsweise 800 qm Verkaufsfläche am Standort einer relativ kleinen Produktionsstätte und einem vergleichsweise geringen Gesamtumsatz nach § 11 III BauNVO zu beurteilen wäre, weil die 10%-Marke überschritten wird und im Vergleich dazu ein Factory Outlet vergleichbarer Größe am Standort einer Produktionsstätte mit einem Gesamtumsatz, der den der kleineren Produktionsstätte um ein mehrfaches übersteigt, sich nach § 8 BauNVO beurteilen soll, weil die 10%-Marke in diesem Fall verständlicherweise nicht überschritten wird. Durch die vorgeschlagene Übertragung der BGH-Rechtsprechung würde eine, dem System des Bauplanungsrechts fremde Ausnahmeregelung etabliert. Hinzukommt, dass sich die Zulässigkeit von Factory Outlets nach den Kriterien des § 11 III sachgerecht beurteilen lässt. Geht man von einer Maximalgröße eines Factory Outlets von knapp über l.OOOqm Verkaufsfläche aus, so wird sich bei einem Factory Outlet in der Regel die Regelvermutung des § 11 III 3 BauNVO widerlegen lassen. Auch negative Auswirkungen im Sinne des § 11 III 2 BauNVO werden regelmäßig nicht vorliegen, so dass ein Factory Outlet in einem Gewerbe- bzw. Industriegebiet zulässig ist. Die Widerlegung der Regelvermutung und die Annahme, dass regelmäßig keine negativen Auswirkungen festzustellen sein werden, ergeben sich aus der spezifischen Konzeption eines Factory Outlets. In Factory Outlets werden die gleichen Waren (Fabrikwaren) vertrieben wie in FOC, so dass bezüglich der Sortimentsstruktur, der Pro17

BGH, U. v. 30.11.1989 - 1 Z R 55/87 - NJW 1990, 1294 (1297); BGH, U.v. 11.11.1977IZR179/75 - BGHZ 70, S. 18 (31). 18 Reidt, NVwZ 1999,45 (46). 19 Siehe 3. Kapitel, 2. Abschnitt.

134

6. Kap.: Die Zulässigkeit neuer Vertriebsformen

duktattraktivität und Streuwirkung und der daraus resultierenden spezifischen Auswirkungen auf die grundsätzlichen Ausführungen zu FOC verwiesen werden kann 20 .

C. Anwendung des § 11 I I I BauNVO auf FOC I. FOC als Einzelhandel Der Warenverkauf in einem FOC ist baurechtlich als Einzelhandel einzustufen 21. Die Tatsache, dass bei FOC die Ware im Wege des Direktvertriebs vom Hersteller an den Endverbraucher verkauft wird, steht der Einstufung des Handels in FOC als Einzelhandel nicht entgegen. Die Beteiligung des Großhandels und des herkömmlichen Einzelhandels an der Warenvertriebskette ist für den Einzelhandelsbegriff nicht konstitutiv22. Der Warenabsatz über FOC stellt eine Ausnahme zum funktionellen Einzelhandelsbegriff dar, da die Ladengeschäfte im FOC von den Herstellern selbst betrieben werden. Nach den Begriffsdefinitionen 23 liegt Einzelhandel im funktionellen Sinne dann vor, wenn Marktteilnehmer Güter, die sie in der Regel nicht selbst be- oder verarbeiten, von anderen Marktteilnehmern beschaffen und an private Haushalte absetzen24.

II. Die Anwendbarkeit des § 11 I I I 1 Nr. 1 BauNVO auf FOC Nach der überwiegenden Meinung in Literatur 25 und Rechtsprechung26 sind FOC in der Regel bauplanungsrechtlich als Einkaufszentren gemäß § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO einzustufen. 20

Siehe 2. Kapitel, Β.IV. und VI. Bönker, BauR 1999,328 (329); Bönker-Rechtsgutachten: FOC, 1997-S.7; Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (462); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (338); Pangels, BAG Handelsmagazin 11-12/1997, 24 (30). 22 Lausberg - FOC als neue Angebotsform in Deutschland eine institutionenorientierte Analyse, 1999-S. 8. 23 Katalog E: Begriffsdefinitionen, 1995-S. 41. 24 Siehe 3. Kapitel, 1. Abschnitt, A. 25 Beck/Bennert in: Falk - Das große Handbuch Shopping-Center, 1998-815 (821); Bönker, BauR 1999, 328 (329); Bönker-Rechtsgutachten: FOC, 1997-S. 8; Dolde/Menke, NJW 1999, 2150 (2152); Falk in: Falk - Das große Handbuch Shopping-Center, 1998 - S. 329 (331 und 339); Jahn, GewArch 1997,456 (457); Kniep, VB1BW 1998,294; Reidt, NVwZ 1999,45 (46); Rieger - FOC, 1998 - S. 44; Runkel, UPR 1998, 241 (244); Schmude in: Schmude-FOC, 2000-S. 1 (11); Stüer/Rude, DVB1. 2000, 312 (317); Thomas, Städte- und Gemeinderat 1998, 192 (194); Uechtritz, BauR 1999, 572 (581); offengelassen: Birk in:-Spannowsky - Flächennutzungsplanung im Umbruch?, 1999 - S. 145 (146); Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999,119 (122); Lausberg - FOC als 21

C. Anwendung des § 11 III BauNVO auf FOC

135

Demgegenüber vertritt Moench die Auffassung, ein FOC stelle in der Regel kein Einkaufszentrum im Sinne des § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO dar 27 . Moench geht hierbei davon aus, dass der Begriff des Einkaufszentrums ein breites und tiefes Warensortiment sowie die Kombination unterschiedlicher Handelstypen und Dienstleistungsbetriebe voraussetzt und daher die Zusammenfassung verschiedener Fachmärkte nicht ausreicht 28. Ein FOC weiche von diesem normativen Begriff des Einkaufszentrums zu stark ab, was sich bereits an der Beschränkung auf wenige Warengruppen und an der geringen Sortimentsvielfalt zeige29. Hinzu komme, dass im FOC weder Waren des täglichen Bedarfs noch ergänzende Dienstleistungen zu finden sind 30 .

1. Stellungnahme: Einstufung von FOC als Einkaufszentrum FOC sind in der Regel als Einkaufszentrum gemäß § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO einzustufen. Moench ist insoweit zuzustimmen, als ein FOC in der Regel kein warenhausähnliches Sortiment aufweist, weil der Schwerpunkt eindeutig auf Textilien und Schuhen liegt und Nahrungs- und Genussmittel nicht geführt werden. Nach der hier vertretenen Definition des Einkaufszentrums ist eine Verbindung mit ergänzenden Dienstleistungsbetrieben jedoch ebenso wenig konstitutiv für die Annahme eines Einkaufszentrums wie ein warenhausähnliches Sortiment 31. Allerdings ist eine solche Einschränkung des Sortiments im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen, weil diese unstreitig die Zentrenwirkung eines Einzelhandelsgroßprojektes schmälert. In diesem Zusammenhang müssen jedoch auch die Faktoren, wie die Preisattraktivität der angebotenen Waren, die durchschnittlineue Angebotsform in Deutschland eine institutionenorientierte Analyse, 1999-S. 17 f.; Otting, DVBl. 1999, 595 (596). 26 OVG Bbg., Β. v. 16.12.1998 - 3 Β 116/98 - NVwZ 1999, 434 = BauR 1999, 613 = GewArch 1999, 437 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland); OVG MV, B. v. 30.06.1999 - 3 M 144/98 - NVwZ-RR 2000, 559 = DÖV 2001, 134; OVG RP, B. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (436) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz), VG Potsdam, Β. v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - BauR 1999,1146 (1149) = LKV 1999,377 (FOC Wustermark/ einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland); VG Potsdam, B. v. 03.08.1998 - 5 L 247/98 - Mitteilungen StGB Bbg. 1998, 336 (339) (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz- Stadt Potsdam./. Lkr. Havelland). 27 Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (462); so wohl auch: Spannowsky, UPR 1999, 241 (242). 28 Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (462). 29 Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (339). 30 Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - 459 (462, Fn.20). 31 Siehe 3. Kapitel, 3. Abschnitt, E.II.

136

6. Kap.: Die Zulässigkeit neuer Vertriebsformen

che Gesamtgröße der Anlagen und die Ansiedlungspräferenz der Betreiber beachtet werden. Wie bereits ausgeführt, weist ein FOC „neuen Typs" in der Regel eine Verkaufsfläche von über 5.000 qm auf - die in Deutschland durchschnittlich angestrebte Verkaufsfläche liegt bei 15.000qm32. Es ist davon auszugehen, dass das aus der Beschränktheit des Sortiments resultierende Attraktivitätsdefizit durch die sehr hohe Preisattraktivität wieder ausgeglichen wird 33 . Auch die Tatsache, dass das Sortiment eines FOC weder breit noch tief ist 34 , hindert nicht an der Einstufung als Einkaufszentrum. Die Größe des FOC bringt es mit sich, dass in der Gesamtanlage die gleichen Artikel - wenn auch nicht der gleichen Marke - in mehreren FOC-Läden angeboten werden, so dass ein Substitutionseffekt eintritt 35 . Deshalb werden in einem FOC mit steigender Verkaufsflächendimensionierung in zunehmendem Maße Zielkäufe möglich 36 . Ausgehend von einer Mindestgeschossfläche von nicht wesentlich mehr als 1.200qm bei herkömmlichen Einzelhandelsgroßprojekten, muss bei einem FOC zur Bejahung eines Einkaufszentrums aufgrund der FOC-typischen Streuwirkung die Geschossfläche weit über 1.200 qm liegen. Ausgehend von der Relativität der zu fordernden Mindestverkaufsfläche, ist die Lage des Ansiedlungsstandortes zu beachten. Bei einer Ansiedlung an einem integrierten Standort beispielsweise in einem Oberzentrum ist zur Bejahung eines Einkaufszentrums eine Verkaufsfläche von erheblich mehr als 10.000 qm erforderlich 37. Da sich die Ansiedlungspräferenz der FOC-Betreiber - wie bereits dargestellt - auf Standorte in Mittel- und Unterzentren „in the middle of nowhere" 38 bezieht, muss davon ausgegangen werden, dass eine FOC-Gesamtverkaufsfläche von mindestens 5.000 qm zur Bejahung der Einkaufszentreneigenschaft ausreicht. In diesem Fall sind in der Regel typischerweise Auswirkungen im Sinne von § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO gegeben. Liegt die Verkaufsfläche darunter, muss in einer Einzelfallbetrachtung geprüft werden, ob von einem Einkaufszentrum ausgegangen werden kann.

32

Siehe 2. Kapitel, B.V. Andeutungsweise: Reidt, NVwZ 1999,45 (46). 34 Siehe 2. Kapitel, IV. 4. 35 Siehe 2. Kapitel, IV. 4. 36 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 S. 142. 37 Schenke, NVwZ 1989, 632 (634), geht bei einer Ansiedlung eines herkömmlichen Einkaufszentrums in zentraler Lage von „mehr als 10.000 qm" Verkaufsfläche aus. 38 Siehe 2. Kapitel, Β. VI.2. 33

C. Anwendung des § 11 III BauNVO auf FOC

137

2. Umgehung des § 11 IUI Nr. 1 BauNVO Nach Reidt kann die Einstufung eines FOC als Einkaufszentrum gezielt dadurch umgangen werden, indem die Betriebsstätten in einem FOC weitestgehend organisatorisch und tatsächlich verselbständigt werden 39. Die Annahme eines Einkaufszentrums sei bereits dann auszuschließen, wenn keine einheitliche Werbung betrieben und eigenständige Stellplatzanlagen nebst Zufahrten geschaffen werden, so dass sich die Gesamtanlage aus Kundensicht nicht als ein zusammengehöriges, einheitliches Ganzes mit den damit verbundenen Bequemlichkeiten beim Einkauf darstellt. Eine derartige Umgehung des § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO kann nicht erfolgreich sein. Auch nach der Auffassung des BVerwG 40 wird bei einer solchen Vorgehensweise in der Regel ein Einkaufszentrum zu bejahen sein. Sollen die FOC-Ladengeschäfte zeitgleich, jedoch auf der Grundlage getrennter Bauanträge errichtet werden, so kann ein Einkaufszentrum dennoch angenommen werden, wenn der Gesamtanlage eine einheitliche Planung zugrunde liegt. Eine Umgehung des § 11 III Nr. 1 BauNVO wird unter Zugrundelegung der Ansicht des BVerwG 41 nur dann erfolgreich sein, wenn die FOC-Ladengeschäfte zeitlich versetzt errichtet werden und somit eine Agglomeration gegeben wäre. Nach der hier vertretenen Ansicht 42 ist in einem solchen Fall die Annahme eines Einkaufszentrums nicht ausgeschlossen, weil es auf äußerlich erkennbare Merkmale, wie einer gemeinsamen Werbung, nicht ankommt. Maßgeblich ist lediglich, dass die Sortimente der FOC-Ladengeschäfte tatsächlich aufeinander abgestimmt sind und daher eine Funktionseinheit zu bejahen ist. Ein gemeinsames Nutzungskonzept mit dem Ziel einer gemeinsamen Teilnahme am Wettbewerb kann in diesem Zusammenhang als ein bestätigender Anhaltspunkt zur Annahme eines Einkaufszentrums dienen.

III. Die Anwendbarkeit des § 11 I I I 1 Nr. 2 BauNVO Liegt die Gesamtverkaufsfläche eines FOC unter dem Wert von 5.000 qm, so kann im Einzelfall die Annahme eines Einkaufszentrums auszuschließen sein. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob das betreffende FOC als großflächiger Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO zu beurteilen ist. In diesem Zusammenhang ist problematisch, dass die Verkaufsfläche der FOCLadengeschäfte (durchschnittlich 200qm) einzeln betrachtet nicht ausreicht, um die 39

Reidt, NVwZ 1999, 45 (47). Vgl. hierzu insbesondere: BVerwG B. v. 15.02.1995 - 4 Β 84.94 - JURIS (ZfBR 1995, 338); BVerwG U.v.27.04.1990-4C 16/87-NVwZ 1990, 1074 = GewArch 1990, 332. 41 BVerwG U.v.27.04.1990-4C 16/87-NVwZ 1990, 1074 = GewArch 1990, 332. 42 Siehe 3. Kapitel, 3. Abschnitt, F. II. 3. 40

138

6. Kap.: Die Zulässigkeit neuer Vertriebsformen

Großflächigkeit zu bejahen. § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO ist deshalb nur dann anwendbar, wenn die Verkaufsfläche der FOC-Ladengeschäfte addiert werden kann. 1. Die Ansicht der Literatur In der Literatur 43 wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass die einheitliche Konzeption und Errichtung der einzelnen Ladengeschäfte (Outlet Stores) dazu führe, dass die im Center vorhandene Verkaufsfläche zusammenzufassen sei. Dies gelte selbst dann, wenn der Betrieb keinem einheitlichen Center-Management unterliege. 2. Stellungnahme: Einheitliches Center-Management als entscheidendes Kriterium Die Begründung der überwiegenden Literaturmeinung überzeugt nicht, weil damit de facto eine summierende Betrachtungsweise zugrunde gelegt würde. Nach der hier vertretenen Ansicht 44 ist eine solche summierende Betrachtung auch dann auszuschließen, wenn die FOC-Ladengeschäfte auf der Grundlage eines gemeinsamen Nutzungskonzepts zusammenarbeiten. Eine Addition der Verkaufsfläche der FOCLadengeschäfte kann allenfalls dann erfolgen, wenn eine wirtschaftliche oder rechtliche Identität der FOC-Ladenbetreiber anzunehmen ist. Eine rechtliche Identität liegt in der Regel bei FOC nicht vor, weil die FOC-Ladengeschäfte von verschiedenen gesellschaftsrechtlich voneinander unabhängigen Herstellern betrieben werden. Allerdings ist eine Addition der Verkaufsflächen unter dem Aspekt zu bejahen, dass der FOC-Konzeption eine starke wirtschaftliche Annäherung der FOC-Ladengeschäfte von gewisser Dauer immanent ist. Die Gesamtanlage wird von einem einheitlichen Center-Management geführt. Verstärkend kommt hinzu, dass das CenterManagement ein starkes wirtschaftliches Eigeninteresse am Erfolg der FOC-Ladengeschäfte hat, weil sich das Entgelt für die Überlassung der Verkaufsräume und der sonstigen Nebenleistungen durch das Center-Management in der Regel - zumindest teilweise - nach dem jeweiligen Umsatz der FOC-Läden richtet 45 . Im Gegensatz zur überwiegenden Ansicht in der Literatur kommt es demzufolge maßgeblich auf ein einheitliches Center-Management an, weil nur auf dieser Grundlage eine starke wirtschaftliche Annäherung gewährleistet ist.

43 Bönker-Rechtsgutachten: FOC, 1997-S. 10; Moench/Sandner, NVwZ 1999,337 (339); so wohl auch Uechtritz, BauR 1999, 572 (582). 44 Siehe 3. Kapitel, 1. Abschnitt, B. VI.3.C. 45 Siehe 2. Kapitel, Β. VIII.

C. Anwendung des § 11 III BauNVO auf FOC

3. Widerlegung

139

der Regelvermutung des §11 III 3 BauNVO

Ist eine Addition der Verkaufsflächen der FOC-Ladengeschäfte zu bejahen, so überschreitet die Geschossfläche in der Regel die Schwelle des § 11 III 3 BauNVO. Eine atypische Fallgestaltung, die eine Widerlegung der Regelvermutung rechtfertigt, könnte bei FOC allenfalls im Hinblick auf das beschränkte Warenangebot in Betracht zu ziehen sein46. Eine Widerlegung der Regelvermutung bei FOC wird nur im Ausnahmefall geführt werden können, weil die angebotenen Sortimente, wie Bekleidung und Schuhe 47 , eine hohe Zentrenrelevanz und damit eine große Bedeutung für die verbrauchernahe Versorgung aufweisen 48. Bei sehr kleinen FOC, die knapp über der Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO liegen, wird die Widerlegung der Regelvermutung im Einzelfall gelingen, wenn aufgrund der hohen Streuwirkung die Zentrenrelevanz der Sortimente zu vernachlässigen ist. In einem solchen Fall kann ein (kleines) FOC in einem Gewerbe- oder Industriegebiet zulässig sein. IV. Zusammenfassung FOC sind grundsätzlich als Einkaufszentrum zu qualifizieren und demzufolge nur in einem Kerngebiet gemäß § 7 BauNVO oder in einem Sondergebiet für Einzelhandelsgroßprojekte gemäß § 11 II BauNVO zulässig. Diesbezüglich sind die allgemeinen Regelungen zum großflächigen Einzelhandel zu beachten49.

46 In diesem Sinne: Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (122); Moench/Sandner, 337 (339). 47 Siehe 2. Kapitel, Β. IV. 3. 48 Vgl. Birk in:- Spannowsky - Flächennutzungsplanung im Umbruch?, 1999 - S. 145 (146); Bönker - Rechtsgutachten: FOC, 1997 - S. 37. 49 Siehe zur Ausschluss Wirkung der Zweckbestimmung eines Sondeigebiets im Hinblick auf FOC: 9. Kapitel, 2. Abschnitt, B.III.

Siebentes Kapitel

Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben A. Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben nach den Baugebietsnormen der BauNVO Nach den BauNVOen 1977, 1986 und 1990 sind großflächige Einzelhandelsbetriebe ohne Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO sowie nicht-großflächige Einzelhandelsbetriebe gemäß § 6 I I Nr. 3 BauNVO in Mischgebieten und gemäß § 7 II Nr. 2 BauNVO in Kerngebieten zulässig, sofern sie nicht gemäß § 15 BauNVO im Einzelfall unzulässig sind. In Gewerbe- und Industriegebieten sind Einzelhandelsbetriebe als Gewerbebetriebe aller Art gemäß §§ 8 II Nr. 1 und 9 I I Nr. 1 BauNVO grundsätzlich zulässig, weil sie im Einklang mit der von der BauNVO vorausgesetzten typischen Funktion dieser Gebiete stehen und nicht anderen Baugebieten ausdrücklich oder nach ihrer allgemeinen Zweckbestimmung zugewiesen sind1. Die Tatsache, dass Einzelhandelsbetriebe in der BauNVO als spezielle gewerbliche Nutzungsarten in bestimmten Gebieten explizit aufgeführt werden, führt nicht zu einer Ausschlusswirkung der Zulässigkeit in Gewerbe- und Industriegebieten als „Gewerbebetriebe aller Art". Die Aufführung spezieller gewerblicher Nutzungsarten bei den einzelnen Baugebieten hat den Sinn, den Charakter des Baugebietes zu kennzeichnen und durch die Aufführung als allgemein zulässige Nutzungsart festzulegen, dass diese der Zweckbestimmung des Baugebietes entsprechen2. Nach der BauNVO 1962 sind Einzelhandelsbetriebe in Misch-, Gewerbe- und Industriegebieten grundsätzlich zulässig. Gleiches gilt nach der BauNVO 1968 für Einzelhandelsbetriebe, die nicht unter § 11 III BauNVO 1968 zu fassen sind3. Die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben in den genannten Baugebieten kann jedoch der planerischen Konzeption einer Gemeinde widersprechen. Die Betreiber 1

Bielenberg, B1GBW 1978, 81 (83); Einzelhandelsgroßprojekte sind in Gewerbegebieten auch dann nicht zulässig, wenn dort bereits eine singuläre planwidrige Nutzung in Form eines Einzelhandelsgroßprojektes entstanden ist, weil hierdurch keine Funktionslosigkeit des Bebauungsplans eintritt: vgl. BVerwG, B. v. 21.12.1999 - 4 BN 48.99 - GewArch 2000, 258 = ZfBR 2000, 274. 2 Vgl. BVerwG, U. v.29.04.1992-4C 43.89-BRS 54, Nr.53, S. 151 (154). 3 Vgl. Hüttenbrink, DVBl. 1983, 530, Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (255).

Β. Der Bestimmtheitsgrundsatz bei Festsetzungen in Bauleitplänen

141

von Einzelhandelsbetrieben versuchen zudem, durch eine Beschränkung der Geschossfläche auf ein Maß, welches knapp unterhalb der Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO liegt, die Anwendung des § 11 III BauNVO auszuschließen4. Dieser Tatsache trug der Verordnungsgeber Rechnung, indem er dem Plangeber durch die Einführung der planerischen Feinsteuerungselemente des § 1 IV bis IX BauNVO die Möglichkeit einräumte, von den durch die BauNVO vorgegebenen Tfypisierungen der Baugebietsnormen abzuweichen5.

B. Der Bestimmtheitsgrundsatz bei Festsetzungen in Bauleitplänen Will eine Gemeinde Einzelhandelsbetriebe in Baugebieten ausschließen, in denen diese in der Regel zulässig sind, so bedarf es hierzu einer èxpliziten Festsetzung im Bebauungsplan. Festsetzungen in Bebauungsplänen verleihen dem Eigentum im Rahmen des Art. 1412 und II GG eine neue Qualität und müssen deshalb dem Gebot der Normenklarheit, also dem Bestimmtheitsgrundsatz gerecht werden6. Der Bestimmtheitsgrundsatz geht auf Art. 20 III GG zurück und beinhaltet, dass eine Rechtsnorm inhaltlich so bestimmt sein muss, dass ihre Anwendbarkeit hinreichend vorhersehbar ist. Das erforderliche Maß der Konkretisierung von Festsetzungen eines Bebauungsplanes als konkret-individuelle Regelungen richtet sich danach, was nach den Verhältnissen des Einzelfalls mit Blick auf die konkreten Planungsziele und örtlichen Verhältnisse für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung sowie dem Gebot der gerechten Abwägung entspricht 7. Solange die Festsetzungen in Bauleitplänen mittels der allgemeinen Auslegungsgrundsätze bestimmt werden können, ist eine hinreichende Bestimmtheit des Norminhalts gegeben und es liegt keine Nichtigkeit vor 8 . Zu diesen anerkannten Auslegungsmethoden, die gleichzeitig und nebeneinander angewandt werden können, zählen die Auslegung nach dem Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), 4

Vgl. zur Problembeschreibung: Birk, VB1BW 1988, 281 (283) = NWVB1. 1989, 73 m. w. N.; Bosch, BauR 1984, 350 (353); Gräf/Henneke, ZfBR 1980, 218 (219). 5 Fickert in: FS für Werner Hoppe, 2000 - S. 611 (615). 6 Vgl. BVerwG, U.v. 11.03.1988-4C 56.84-BRS 48, Nr.8, S.25 (27). 7 BVerwG, B. v. 24.01.1995 - 4 NB 3.95 - BRS 57, Nr. 26, S. 82; BVerwG, B.v. 20.01.1995 4NB43.93-BRS 57, Nr.22, S.68 (73); BVerwG, U.v. 11.03.1988-4C 56.84-BRS 48, Nr.8, S. 25 (28); BVerwG, U. v. 16.02.1973 - 4 C 66.69 - BRS 27, Nr. 5, S. 9 (10); OVG NW, U.v.22.06.1998-7a D 108/96-BauR 1998, 1198 (1200) = NVwZ 1999, 79 = NJ 1999, 47. 8 BVerwG, B.v. 14.12.1995-4 N2.95-BRS 57, Nr.57, S. 152 (155); im Anschluss daran: OVG NW, U. v. 02.02.2000 - 7a D 224/98 - BauR 2000, 1024 (1025); OVG NW, U.v.22.06.1998-7a D108/96-BauR 1998, 1198 (1201) = NVwZ 1999,79 = NJ 1999,47;); Bay. VGH, U. v. 23.05.1985 - 2 Ν 83 A.1490 - BayVBl. 1986, 114 (116) = BRS 44, Nr. 44, S. 104 = ZfBR 1985, 292; Dolde/Menke, NJW 1999, 1070 (1077).

142

7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

nach ihrem Zusammenhang (systematische Auslegung), nach ihrem Zweck (teleologische Auslegung) sowie nach den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung). Bei den textlichen Festsetzungen kann sich der Plangeber demzufolge unbestimmter Rechtsbegriffe bedienen, wenn sich ihr näherer Inhalt insbesondere unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und des erkennbaren Willens des Normgebers erschließen lässt9. Die Begründung zum Bebauungsplan gemäß § 9 VIII BauGB ist kein Bestandteil des normativen Teils des Bebauungsplans und kann deshalb die Festsetzungen eines Bebauungsplanes nicht eingrenzen 10. Die Begründung kann allerdings bei der Auslegung der Festsetzungen ergänzend herangezogen werden bzw. zu deren Verdeutlichung dienen11.

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung I. Gliederung von Baugebieten 1. § 1 Ν BauNVO 1990 § 1IV BauNVO 1990 entspricht der Regelung des § 1IV BauNVO 1977. Gemäß § 1 I V 1 BauNVO können die in den §§4 bis 9 BauNVO bezeichneten Baugebiete nach der Art der zulässigen Nutzung (Nr. 1) bzw. der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnisse und Eigenschaften (Nr. 2) räumlich gegliedert werden. Auf der Grundlage des § 1 I V können jedoch keine bestimmten Einzelnutzungen aus dem Gebiet gänzlich ausgeschlossen werden 12. § 1 IV Nr. 1 gibt dem Plangeber die Möglichkeit, artverwandte, sich ergänzende oder miteinander besonders verträgliche Nutzungen räumlich zuzuordnen13. Der Plangeber kann auf der Grundlage einer horizontalen Gliederung beispielsweise für einen Teilbereich eines Kerngebietes als Art der zulässigen Nutzung „großflächiger Einzelhandel" festsetzen ohne dass hierdurch der Gebietscharakter des Kerngebietes verändert würde 14. 9

BVerwG, B. v. 24.01.1995 - 4 NB 3.95 - BRS 57, Nr. 26, S. 82. BVerwG, U. v. 11.03.1988 - 4C 56.84- BRS 48, Nr. 8, S. 25 (29); zur Auslegung von Festsetzungen eines Flächennutzungsplanes: BVerwG, U.v. 18.02.1994-4C 4/92-NVwZ 1995, 267 (268) = BRS 56, Nr. 2, S.2. 11 BVerwG, B. v. 14.12.1995 - 4 Ν 2.95 - BRS 57, Nr. 57, S. 152 (155); BVerwG, B.v.20.01.1995-4 NB43.93-BRS 57, Nr.22, S.68 (70); BVerwG, U.v.30.06.1989-4C 15.86-BRS 49, Nr.29, S.63 (65); BVerwG, U.v. 18.02.1983-4C 18.81 - D V B l . 1983, 886 (887); BVerwG, U.v.30.06.1989-4C 15.86-BRS 49, Nr.29, S.63 (65). 12 Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (228). 13 Nach VGH BW, U.v.06.12.1989-3 S 1278/88-BRS 49, Nr.73, S. 187 = BWGZ 1990, 506; stellt eine Gliederung nach dem Störungsgrad eine Gliederung gemäß § 1 IV Nr. 1 dar; a.A. Dolde, DVBl. 1983, 732. 14 Hüttenbrink, DVBl. 1987, 1045 (1048); einschränkend: Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (256). 10

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

143

§ 1 I V 2 BauNVO erweitert die Gliederungsmöglichkeiten für Gewerbe- und Industriegebiete. Die Gemeinde kann mehrere solcher Gebiete im Verhältnis zueinander räumlich gliedern 15. Auf der Grundlage des § 1 I V BauNVO ist es der Gemeinde möglich, beispielsweise Einzelhandelsbetriebe, die in einem Gewerbegebiet grundsätzlich zulässig sind, gänzlich auszuschließen, sofern diese in einem anderen Gewerbegebiet der Gemeinde zulässig sind. Maßgeblich ist demzufolge eine „Gesamtbilanz"16. Im Rahmen des § 1 IV BauNVO muss die Zweckbestimmung gewahrt bleiben, auch wenn dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut hervorgeht 17. Die Pflicht zur Einhaltung der Zweckbestimmung lässt sich aus § 1 III BauNVO ableiten, wonach der Plangeber nur ein in § 1 II BauNVO bezeichnetes Baugebiet festsetzen kann. Daraus, dass der Verordnungsgeber die Pflicht zur Einhaltung der Zweckbestimmung in § 1 V BauNVO explizit festgeschrieben hat, ergibt sich im Umkehrschluss nicht, dass diese Pflicht in anderen Fallgruppen nicht gilt. Der Verordnungsgeber hat die Einhaltung der Zweckbestimmung vielmehr als selbstverständlich vorausgesetzt18. 2. Gliederung von Industrie- und Gewerbegebieten gemäß §§ 8IV und 9IV BauNVO 1962 und 1968 Bevor § 1 durch die BauNVO 1977 etabliert wurde, gab es in den BauNVOen 1962 und 1968 keine zentrale Vorschrift zur Abwandlung der Baugebietstypen. Die bereits durch die §§ 8 und 9 der BauNVOen 1962 und 1968 eröffnete Möglichkeit einer räumlichen (horizontalen) Gliederung von Gewerbe- und Industriegebieten wurde durch § 1IV BauNVO 1977 auf nahezu alle Baugebiete ausgedehnt. In der Begründung der 2. Änderungsverordnung zur BauNVO wird ausgeführt, dass durch § 1 BauNVO 1977 die Möglichkeit zur räumlichen Gliederung für alle in Betracht kommenden Gebiete im Interesse der Übersichtlichkeit einheitlich geregelt werden soll 19 . Für Bebauungspläne, die in den Geltungsbereich der BauNVO 1962 bzw. 1968 fallen 20 , sind die §§ 8 und 9 BauNVO 1962 bzw. 1968 weiterhin von Relevanz. Nach § 8 IV bzw. § 9 IV BauNVO 1962 können Gewerbegebiete bzw. Industriegebiete einer Gemeinde oder Teile eines Gewerbegebietes bzw. eines Industriegebietes im Bebauungsplan „in sich" nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnisse und Eigenschaften gegliedert werden. 15 16 17

Vgl. Grooterhorst, DVB1. 1985, 703 (705). Schlotterbeck, VB1BW 1986, 361 (366). VGH BW, U.v. 06.12.1989-3 S 1278/88-BRS 49, Nr. 73, S. 187 (188) = BWGZ 1990,

506. 18 19 20

BVerwG, B. v. 22.12.1989 - 4 NB 32.89 - BRS 49, Nr. 74, S. 190. BR-Drucksache 261/77 vom 31.05.77, S. 15. Siehe 5. Kapitel.

144

7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

Der Wortlaut der §§ 8 IV und 9 I V wurde in der BauNVO 1968 durch einen klarstellenden Passus ergänzt, wonach eine räumliche Gliederung nicht nur nach der Art der Betriebe und Anlagen, sondern auch nach „deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften" erfolgen kann. Das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 30.06.1989 21 klargestellt, dass nach § 8 IV BauNVO 1968 auch eine Gliederung der Gewerbegebiete in einer Gemeinde untereinander vorgenommen werden kann. Demzufolge können nach §8 IV BauNVO 1968 bestimmte Betriebe, wie z.B. Einzelhandelsbetriebe, in einzelnen Gewerbegebieten vollständig ausgeschlossen werden, sòlange diese Betriebe in anderen Gewerbegebieten der Gemeinde zulässig sind. Hierdurch ist es den Gemeinden möglich, die in Gewerbe- oder Industriegebieten zulässigen Anlagen auf verschiedene, voneinander getrennte Bereiche zu verteilen. Entsprechendes gilt demzufolge für § 9 I V BauNVO 1968 und §§ 8 I V und 9 IV BauNVO 1962. § 8 IV BauNVO 1968 beinhaltet folglich die gleichen Regelungsmöglichkeiten wie § 1IV Satz 1 und Satz 2 BauNVO 1977. Nach Auffassung des BVerwG stellt § 1 I V BauNVO lediglich eine Klarstellung der bereits geltenden Rechtslage dar. Das BVerwG hat hiermit einen Streit in Literatur und Rechtsprechung im Sinne der herrschenden Meinung 22 entschieden, die bereits vor Etablierung des § 1 IV BauNVO eine Gliederung unter den Gewerbegebieten als zulässig ansah. Die Mindermeinung 23 zur Auslegung der §§ 8 und 9 BauNVOen 1962 und 1968 begründete ihre ablehnende Haltung damit, dass eine derart extensive Auslegung des § 8 IV BauNVO keine Stütze im Wortlaut fände. Das OVG Bremen hat in seiner Entscheidung vom 16.07.1976 ausgeführt, dass eine derartige Gliederung allerdings nicht aus Gründen des Wettbewerbsschutzes, sondern lediglich aufgrund städtebaulicher Gesichtspunkte erfolgen darf 24 .

II. Der Ausschluss von Nutzungen gemäß § 1 V BauNVO Auf der Grundlage des § 1 V BauNVO kann der Plangeber bestimmte Arten von Nutzungen, die in den Baugebieten nach den §§2, 4 bis 9 und 13 BauNVO allgemein zulässig sind, ausschließen bzw. nur ausnahmsweise zulassen. Die Anwendung des § 1 V BauNVO liegt im Planermessen der Gemeinde25. 21 BVerwG, U. v. 30.06.1989 - 4 C 16.88 - UPR 1989, 436 = ZfBR 1990, 27 = BRS 49, Nr. 30, S. 69. 22 Vgl. Neuhausen, NJW 1978,191 (192); Scholtissek, GewArch 1991, 93 (98); OVG Bremen, B.v. 16.07.1976-IB 12/76-BauR 1976, 407 (408); VGH Hess., U.v. 12.10.1984-IV OE75/82-BRS 42, Nr.48, S. 121. 23 VG Köln, U. v. 23.07.1976 - 6K 668/76 - n. v., zitiert nach: Neuhausen, NJW 1978, 191 (192); Braun, BauR 1977, 160 (161); Fickert/Fieseler-BauNVO, 1985, § 1, Rn.74. 24 OVG Bremen, B.v. 16.07.1976-IB 12/76-BauR 1976, 407 (408). 25 Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 1, Rn. 101.

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

145

Die in Absatz 3 der jeweiligen Baugebietsnorm verankerten ausnahmsweise zulässigen Arten von Nutzungen können nicht gemäß § 1 V BauNVO, sondern nur gemäß § 1 V I BauNVO ausgeschlossen werden 26. 1. Auslegung des Begriffes

„Art der Nutzung "

a) Die früher herrschende Meinung Die früher herrschende Meinung in der Literatur 27 folgerte aus dem Wortlaut des § 1 V BauNVO, der sich auf bestimmte „Arten von Nutzungen" bezieht, dass dieser lediglich den Ausschluss aller in einer Nummer des Nutzungskatalogs der BauNVO zusammengefassten Nutzungsarten zulässt. Die Vertreter dieser als Nummerndogma 28 bezeichneten Auffassung gingen demzufolge davon aus, dass ein isolierter Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben auf der Grundlage des § 1 V BauNVO nicht möglich ist, weil stets die anderen unter der betreffenden Nummer zusammengefassten Nutzungsarten en bloc mitausgeschlossen werden müssten. Ein isolierter Ausschluss des Einzelhandels wäre nach dieser Auffassung nur bei Vorliegen besonderer städtebaulicher Gründe gemäß § 1IX BauNVO möglich 29 . Die unter einer Nummer zusammengefassten Nutzungen seien artverwandte und in ihren Wirkungen in etwa vergleichbare Nutzungen. Gestützt wird diese Auffassung durch einen Vergleich mit dem Wortlaut des § 1 VII BauNVO, der sich unstreitig auf einzelne Nutzungen innerhalb einer Nummer bezieht und im Gegensatz zu § 1 V BauNVO nicht von „bestimmten Arten von Nutzungen" sondern von den „in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen" spricht. Des Weiteren wird für diese Auffassung die Entstehungsgeschichte30 und der Mustererlass der ARGEBAU zur BauNVO 197731 angeführt. Einzelne Vertreter dieser Auffassung maßen § 1 V BauNVO in praxi nur geringe Bedeutung zu, weil der en bloc Ausschluss in der Regel gegen das Gebot der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit verstoßen würde 32. 26

Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 1, Rn. 100. Dolde/Schlarmann, BauR 1984,121 (129); Grooterhorst, DVB1.1985, 703 (706); Hauth, BauR 1986, 648 (649); Hüttenbrink, DVB1 1983, 530 (532); Hüttenbrink, DVB1. 1987, 1045 (1049); Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988-122; Jahn, BayVBl. 1988,40; Schenke, UPR 1986, 281 (292); Stober, WiVerw 1984, 129 (136); von der Tendenz her ebenfalls: OVG RP, U. v. 15.07.1987 - 1 0 C46/86 - NVwZ 1988, 379; a. A. Schlotterbeck, VB1BW 1986, 361 (365). 28 Vgl. Birk, VB1BW 1988, 281 (284) = NWVB1.1989, 73. 29 Die Vertreter dieser Auffassung verlangten hierfür Gründe von besonderem Gewicht; siehe 7. Kapitel, C.IV.l.a. 30 BR-Drucksache 261/77 vom 31.05.1977, S. 18. 31 Mustererlass der Arbeitsgemeinschaft der für das Bauwesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder als Grundlage für Runderlasse der Länder vom 15.09.1977; abgedruckt in: Fickert/Fieseler-BauNVO, 5. Auflage 1985-Anhang 8, S.931. 32 Hüttenbrink, DVB1. 1983, 530 (532) zustimmend: Stober, WiVerw 1984, 129 (136). 27

10 Kopf

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7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

b) Die heute herrschende Meinung Das BVerwG hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 22.05.1987 33 die Auffassung des OVG Nds. 34 im Vorlagebeschluss abgelehnt und ausgeführt, dass eine weitere Differenzierung innerhalb der unter einer Nummer aufgeführten Nutzungen im Rahmen des § 1 V BauNVO zulässig ist. Die Begründung zur Zweiten Änderungsverordnung zur BauNVO 35 sei nicht eindeutig, außerdem sei eine historische Auslegung nachrangig zur grammatischen und systematisch-teleologischen Auslegung. Aus dem Wortlaut „bestimmte Arten von Nutzungen" folgt nach Auffassung des Gerichts nicht, dass darunter nur die unter einer Nummer zusammengefassten Nutzungen zu verstehen sind. Der allgemeine Sprachgebrauch deute eher darauf hin, dass unter dem Begriff „bestimmte Arten von Nutzungen" einzelne mit einem typisierenden Begriff gekennzeichnete Nutzungen zu verstehen sind und nicht Zusammenfassungen (Gruppen) mehrerer artverwandter Nutzungen. Es wäre darüber hinaus unter dem Aspekt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit unvertretbar, wenn aus städtebaulichen Gründen ein Ausschluss lediglich einer Nutzungsart angezeigt wäre und sogleich alle unter einer Nummer stehenden Arten der Nutzung ausgeschlossen werden müssten. In der Praxis könnte der Ausschluss bestimmter Arten von Nutzungen unter dieser Voraussetzung kaum zum Tragen kommen, weil mit dem Erfordernis, alle anderen unter einer Nummer stehenden Arten der Nutzungen auszuschließen, die Zweckbestimmung des Baugebietes nicht mehr gewahrt wäre. Die Zusammenfassung einzelner Nutzungen unter einer Nummer aufgrund der Ähnlichkeit habe nur redaktionelle, keine materiell-rechtliche Bedeutung. Dies zeige sich daran, dass der Verordnungsgeber zum Teil einzelne Nutzungen in der BauNVO unterschiedlich miteinander kombiniert hat, so dass von einer „Artverwandtschaft" nicht die Rede sein kann36.

33

BVerwG, B. v. 22.05.1987 - 4 Ν 4.86 - ZfBR 1987, 249 (250); BVerwG, U. v. 22.051987 - 4 C 77.84-ZfBR 1987, 251 = BauR 1987, 524 = NVwZ 1987, 1074 = BRS 47, Nr. 58, S. 154; VGH BW, U. v. 06.12.1989 - 3 S 1278/88 - BRS 49, Nr. 73, S. 187 (188) = BWGZ 1990,506; VGH BW, U.v. 19.09.1984-3 S 1613/83-BWGZ 1985,130(131); VGH Hess., U. v. 08.07.1993 - 4 UE 1225/88 - BRS 55, Nr. 6, S. 6 (8); offengelassen: Bay. VGH, U.v. 12.06.1986-2B 83 A 2467-BRS 46, Nr. 20, S.49 (51); zustimmend: Birk, VB1BW 1988, 281 (284) = NWVB1. 1989,73; a. A. weiterhin: Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988 -122; Hüttenbrink, DVBl. 1987,1045 (1049), der die Auffassung des BVerwG als dirigistische Auslegungsvariante, die der systematischen-teleologischen Auslegung widerspricht, ablehnt. 34 OVG Nds., Vorlage-B. v. 07.10.1986 - 6 C 43/85 - UPR 1987,150(151) = ZfBR 1987,54. 35 BR-Drucksache 261/77 vom 31.05.1977, S. 18. 36 Vgl. Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (231).

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

147

c) Stellungnahme: Ablehnung des „Nummerndogmas" Der Auffassung des BVerwG 37 ist zuzustimmen, weil mit dieser Auslegung der allgemeinen Zweckbestimmung eines Baugebietes am ehesten entsprochen werden kann. Ausschlaggebend ist der systematische Zusammenhang des § 1 V mit IX BauNVO. Würde man von einem Nummerndogma ausgehen, könnte der Plangeber Einzelhandelsbetriebe nicht isoliert ausschließen.

d) Der großflächige Einzelhandel als eigenständige Nutzungsart Früher wurde die Auffassung 38 vertreten, dass der großflächige Einzelhandel eine Unterart des Einzelhandels darstellt und damit nur gemäß § 1 IX BauNVO ausgeschlossen werden kann. Nach der heute herrschenden Meinung in Rechtsprechung39 und Literatur 40 verkörpert der großflächige Einzelhandel eine eigenständige Nutzungsart. Das BVerwG 41 hat hierzu ausgeführt, dass § 11 III BauNVO den großflächigen Einzelhandel als besondere Nutzungsart kennzeichnet und diese als solche aus dem Kreis des sonstigen Einzelhandels, Großhandels und produzierenden Gewerbes ausscheidet. Qualifiziert man den großflächige Einzelhandel als eigenständige Nutzungsart, so kann dieser Gegenstand einer Festsetzung nach § 1 V BauNVO sein.

2. Wahrung der Zweckbestimmung Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Ausschlusses ist, dass die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebietes gewahrt bleibt. Es kommt diesbezüglich nicht auf die konkrete Eigenart eines bestimmten Baugebiets an, sondern auf die Beibe37

Vgl. BVerwG, B.v.22.05.1987-4 N4.86-ZfBR 1987, 249 (250). VGH BW, U.v.06.12.1989-3 S 1278/88 -BRS 49, Nr.73, S. 187 (189) = BWGZ 1990, 506; Gehrmann, GewArch 1983, 79. 39 BVerwG U.v. 11.02.1993 - 4 C 15/92-NVwZ 1994,285 (286) = DÖV 1993,914 = ZfBR 1993, 191 =DVB1. 1993, 659; BVerwG, B.v. 12.03.1990 - 4 B 210.89 - S. 6 der Entscheidung = JURIS; BVerwG, U. v. 22.05.1987 - 4 C 6 und 7.85 - BauR 87, 531 (532) = ZfBR 87, 257 = NVwZ 1987, 1078 = Buchholz406.12 § 11, Nr. 10, S.6; BVerwG, U. v.03.02.1984-4C 25.82 - BauR 1984, 373 (376) = UPR 1984, 231 = BVerwGE 68, Nr. 55, S. 360; OVG NW, U.v.25.04.1991 - 1 1 A 1755/87-ΝVwZ-RR 1992,118 (120); OVG Saar., v.25.02.1992-2 R 45/89-JURIS, S. 9; OVG SH, v. 18.11.1993 - 1 L 281/91 - JURIS, S.5, VGH Hess., B.v. 09.11.1987-4 TG 1913/87 - Ν VwZ-RR 1988, 3 (5). 40 Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 1, Rn. 79.2; Lemmel in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995-S. 353 (362); Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (261); Steger, BWGZ 1985, 110(115). 41 BVerwG U.v. 11.02.1993-4C 15/92-NVwZ 1994,285 (286) = DÖV 1993,914 = ZfBR 1993, 191 = DVB1. 1993,659. 38

to*

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7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

haltung des Gebietscharakters, wie er sich aus Absatz 1 der betreffenden Baugebietsnorm ergibt 42 . Daraus folgt, dass die Hauptnutzungen, die der allgemeinen Zweckbestimmung dienen, nicht ausgeschlossen werden dürfen 43. Mit diesem Erfordernis wird sichergestellt, dass die Gemeinde nicht ihre Kompetenzen überschreitet und neue Gebietstypen schafft 44. a) Ausschluss aus Industrie- und Gewerbegebieten Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung45 und Literatur 46 geht zutreffend davon aus, dass der Plangeber Einzelhandelsbetriebe aus einem Industrie- oder Gewerbegebiet ausschließen kann, ohne dass die Zweckbestimmung des Baugebiets in Frage gestellt wird. Dies gilt jedoch nur, wenn in diesen Gebieten andere gewerbliche Nutzungen zulässig bleiben. Die Einzelhandelsbetriebe bilden nur einen schmalen Ausschnitt aus der breiten Palette der als Hauptnutzungsart in diesen Gebieten zu bezeichnenden Nutzungen und Anlagen, so dass durch deren Ausschluss die Zweckbestimmung dieser Gebiete nicht berührt wird. Gerade § 11 III BauNVO zeigt, dass Einzelhandelsbetriebe nicht maßgeblich die Zweckbestimmung des Gewerbe- und Industriegebietes prägen 47. b) Ausschluss aus Mischgebieten Mischgebiete gemäß § 6 BauNVO dienen gleichrangig und gleichgewichtig dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben 48. Ein Teil der Literatur 49 42

BR-Drucksache 261/77 vom 31.05.1977, S. 18. OVG Nds., U. v. 26.02.1981 - 6 C 40/80- BRS 38, Nr. 38. 44 Vgl. BVerwG, B.v. 12.12.1990-4 NB 13.90-BRS 50, Nr. 16, S.43 (45); Hauth, BauR 1986, 648 (649). 45 BVerwG, B. v. 21.12.1999 - 4 BN 48.99 - GewArch 2000, 258 (259) = ZfBR 2000, 274; BVerwG, Β. v. 11.05.1999 - 4 BN 15.99 (Bay. VGH) - NVwZ 1999, 1338 = BayVBl. 2000, 23 = Der Landkreis 2000, 47; Bay. VGH, U. v. 23.12.1998 - 26 Ν 98.1675 - NVwZ-RR 2000, 79 (81); Bay. VGH, U. v. 23.05.1985-2N 83 A.1490-BRS 44, Nr. 44, S. 104 = BayVBl. 1986, 114 = ZfBR 1985, 292; VGH Hess.-BRS 44, Nr. 156, S.380; VGH Hess., U.v. 08.07.19934UE 1225/88-BRS 55, Nr.6, S.6 (10) zum Ausschluss gemäß § 1IX: OVG SH, U. v. 07.05.1998 - 1 L 66/96 - NVwZ-RR 2000,10 (Güter des täglichen Bedarfs); OVG SH, U. v. 29.06.1994 - 1 L 28/93 - SchlHA 1995, 240 (242) (isolierter Einzelhandel); VGH Hess., B. v. 01.08.1985 - 3 TH 1267/85-BRS 44, Nr. 156, S. 376 (380) = NVwZ 1986, 57 (isolierter Einzelhandel). 46 Schenke, DÖV 1988, 233 (242); Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (258); a. A. Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988-124. 47 Birk, VB1BW 1988, 281 (285) = NWVB1. 1989, 73. 48 Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (216). 49 Birk in: Birk - Stadt und Ortskerne ohne Geschäfte?, 1986- S. 51 (60); Stober, WiVerw 1984, 129(138). 43

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

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sieht den vollständigen Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben als zulässig an, sofern andere gewerbliche Nutzungen zulässig bleiben. Ein anderer Teil der Literatur 50 lehnt den Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben aus Mischgebieten als unzulässig ab, weil damit die Zweckbestimmung nicht gewahrt würde. Nach Hauth ist die Zweckbestimmung des Mischgebietes insbesondere dann nicht gewahrt, wenn mit dem Ausschluss von Läden ein Baugebiet besonderer Art mit überwiegender Wohnbebauung geschaffen werden soll 51 . Er verweist in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des OVG Nds. 52 . Außerdem habe das BVerwG 53 zurecht betont, dass die BauNVO den Mischgebieten Einzelhandelsbetriebe ausdrücklich zugewiesen hat. Da durch einen Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben das Mischgebiet seinen kennzeichnenden Charakter verlieren würde, sei dieser nur in ganz besonders gelagerten Einzelfällen im Hinblick auf spezielle Besonderheiten in städtebaulicher Hinsicht und wohl nur theoretisch zulässig54. c) Stellungnahme: Ausschluss aus Mischgebieten grundsätzlich zulässig Aus der zuvor genannten Entscheidung des OVG Nds. 55 kann nicht abgeleitet werden, dass ein Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben aus einem Mischgebiet grundsätzlich unzulässig ist. Das Gericht hatte einen Fall zu entscheiden, in dem der Plangeber die Nutzungen nach § 6 I I Nr. 3,4 und 7 BauNVO vollständig ausgeschlossen hatte, so dass die gewerbliche Nutzungen gänzlich unzulässig waren. Ein vollständiger Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben gemäß § 1 V BauNVO ist als zulässig anzusehen, weil dadurch die Bandbreite der in § 6 II BauNVO angeführten gewerblichen Nutzungen nur unwesentlich beeinträchtigt wird 56 . 50

Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 1, Rn. 102. Hauth, BauR 1988, 513 (518). 52 OVG Nds., U. v. 26.02.1981 - 6 C4/80-ZfBR 1981, 196 (197) = BRS 38, Nr. 38, S.86; ähnlich: VGH BW, B. v. 20.06.1995 - 8 S 237/95 - NVwZ-RR 1996, 139; VGH BW, U. v. 30.04.1981 - 8 S 864/80 - VerwRspr. 32, Nr. 209, S. 1003 (1005). 53 BVerwG, U.v.22.05.1987-4C 19.85-BauR 1987,528 (530) = DÖV 1987,1013 = BRS 47, Nr. 56, S. 149; BVerwG, U. v. 03.02.1984-4C 54.80-BauR 1984,380 (383) = BVerwG 68, Nr. 53, S. 342; der Einzelhandel steht nach Auffassung des Gerichts in einer gewissen funktionalen Beziehung zum Wohnen. 54 Hauth, BauR 1988, 513 (520). 55 OVG Nds., U.v.26.02.1981 - 6 C4/80-ZfBR 1981, 196 (197) = BRS 38, Nr.38, S.86; ähnlich: VGH BW, B. v. 20.06.1995 - 8 S 237/95 - NVwZ-RR 1996, 139; VGH BW, U. v. 30.04.1981 - 8 S 864/80 - VerwRspr. 32, Nr. 209, S. 1003 (1005). 56 Zur städtebaulichen Begründung des Ausschlusses aus Mischgebieten siehe 7. Kapitel, C.V. 2. 51

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7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

d) Ausschluss aus Kerngebieten Kerngebiete dienen gemäß § 7 I BauNVO vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie zentralen Einrichtungen von Wirtschaft und Verwaltung. Fickert/Fieseler 51 führen aus, dass das BVerwG einen umfassenden Ausschluss des Einzelhandels nicht nur aus Industrie-, Gewerbe-, Misch- und Dorfgebieten, sondern auch aus Kerngebieten grundsätzlich für zulässig erachte. Für diese Behauptung verweisen sie auf die Entscheidung des BVerwG vom 03.05.1993 58, in der das Gericht einen völligen Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben in einem Gewerbegebiet als zulässig angesehen hat. Nach Ansicht des Gerichts ist „ein Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben (vgl. §§5 II Nr. 5,6 I I Nr. 3,7 II Nr. 2 BauNVO) auf der Grundlage dieser Vorschrift (§ 1 V BauNVO: der Verfasser) möglich". Aus der zuvor genannten Entscheidung kann nicht geschlossen werden, dass das BVerwG den Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben aus Kerngebieten für grundsätzlich zulässig und damit mit der allgemeinen Zweckbestimmung der Baugebietsnorm für vereinbar hält 59 . Das BVerwG hat lediglich zum Ausdruck gebracht, dass Einzelhandelsbetriebe eine eigenständige Art der Nutzung sind und demzufolge Regelungsgegenstand des § 1 V BauNVO sein können60. Die Eigenständigkeit des Einzelhandels als Nutzungsart lässt sich auch anhand des § 7 I I Nr. 2 BauNVO belegen, der als zulässige Art der Nutzung in Kerngebieten Einzelhandelsbetriebe aufführt. Der vollständige Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben aus Kerngebieten ist in der Regel unzulässig, weil hiermit eine Hauptnutzung ausgeschlossen und damit die Zweckbestimmung in Frage gestellt würde. Hiervon geht auch die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte 61 und die überwiegende Meinung in der Literatur 62 57 Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998 - § 1, Rn. 102. 58 BVerwG, B. v. 03.05.1993 - 4 NB 13.93 - Buchholz 406.12 § 1, Nr. 16, S. 39. 59 Dies kann auch nicht aus BVerwG, B. v. 22.05.1987 - 4 Ν 4.86 - ZfBR 1987, 249 (250) gefolgert werden, weil das Gericht bei seiner hypothetischen Überlegung zu § 1 V BauNVO ausdrücklich die Wahrung der Eigenart voraussetzte, die als „Minus" die Zweckbestimmung mit beinhaltet. 60 In diesem Sinne nehmen auch Bezug auf die Entscheidung: BVerwG, Β. v. 11.05.1999 4BN 15.99 (Bay. VGH) - NVwZ 1999,1338 = Bay VB1.2000,23 = Der Landkreis 2000,47 sowie Bay. VGH, U.v.23.12.1998-26 Ν98.1675-NVwZ-RR 2000, 79 (81); zum Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben gemäß § 1 V BauNVO bereits: BVerwG, B.v. 18.12.19894 NB 26.89 - ZfBR 1990, 99 = NVwZ-RR 1990, 229. 61 So jüngst: OVG SH, U.v. 24.09.1998- 1Κ 15/96-SchlHA 1999, 291. 62 Vgl. Birk in: Birk-Stadt und Ortskerne ohne Geschäfte?, 1986-S. 51 (60); Schenke, DÖV 1988, 233 (242); Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (257); a. A. Rothe, DVBl. 1977, 882 (887).

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

151

aus. Zulässig wäre allenfalls der Ausschluss des großflächigen Einzelhandels gemäß § 1 V BauNVO 63 .

3. Exkurs: Nachträglicher Ausschluss gemäß § 1 V BauNVO Der Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben gemäß § 1 V bzw. von bestimmten Unterarten gemäß § 1 I X BauNVO kann auch nachträglich im Rahmen einer Änderung des Bebauungsplanes erfolgen 64.

a) Die Anwendung des Planungsschadensrechts Eine solche Planänderung hat zwar keinen Totalentzug des Eigentums zur Folge, es können sich jedoch eigentumsbeeinträchtigende Auswirkungen für die Grundstückseigentümer ergeben65. Diese können nach den Normen des Planungsschadensrechts gegen den Plangeber vorgehen. Dem Planbetroffenen stehen gemäß § 39 BauGB Entschädigungsansprüche gegen die Gemeinde für getätigte Aufwendungen zu, sofern die Planbetroffenen ein berechtigtes Vertrauen auf den Fortbestand des Bebauungsplanes hatten66. Darüber hinaus können aus einer Änderung oder Aufhebung einer zulässigen Nutzung Entschädigungsansprüche bestehen, wenn diese zu einer nicht nur unwesentlichen Wertminderung des Grundstücks gemäß § 42 BauGB geführt hat 67 und die Bebauungsplanänderung für die Wertminderung kausal war 68 . Wurde eine zulässige Nutzungsmöglichkeit vor der Änderung des Bebauungsplanes noch nicht verwirklicht, ist die Siebenjahresfrist des §42 I I BauGB zu beachten69.

63

Siehe 7. Kapitel, C.V.2. BVerwG, Β. v. 11.05.1999 - 4 BN 15.99 (Bay. VGH) - NVwZ 1999, 1338 = BayVBl. 2000, 23 = Der Landkreis 2000,47; Bay. VGH, U. v. 23.12.1998 - 26 N98.1675 - NVwZ-RR 2000, 79 (81). 65 Vgl. Erbguth/Wagner- Bauplanungsrecht, 1998 - Rn. 336: es handelt sich um einen Fall der Aufopferungsentschädigung. 66 Vgl. Hoppe in: H/G - Öffentliches Baurecht, 1995 - § 9, Rn. 3ff. m. w. N.; zum Teil wird eine analoge Anwendung des § 39 BauGB beim Ausschluss einer gemäß §§34 bzw. 35 BauGB bestehenden baulichen Nutzungsmöglichkeit durch einen Bebauungsplan befürwortet: Schenke, DÖV 1987, 45, Schenke, WiVerw 1990, 226 (247ff.); einschränkend: Battis in: BKL, 1999-§39, Rn.7. 67 Vgl. Hoppe in: H/G - Öffentliches Baurecht, 1995 - § 9, Rn. lOff. m. w. N. 68 BGH v.25.11.1993-III ZR16/93-UPR 1994, 101 (102). 69 Vgl. Schenke, UPR 1986, 281 (293). 64

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7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

b) Die Gewährung erweiterten Bestandsschutzes gemäß § 1 X BauNVO Bei einem nachträglichen Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben in Folge einer Bebauungsplanänderung ist der Plangeber verpflichtet, sich differenziert mit dem Verbleib von bereits vorhandenen Einzelhandelsbetrieben zu befassen. Es kann daher angezeigt sein, die bereits bestehenden Betriebe nicht nur auf den „herkömmlichen" Bestandsschutz zu setzen70, sondern ihnen einen erweiterten Bestandsschutz zu gewähren, so dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein oder ausnahmsweise zugelassen werden 71. Die BauNVO gibt der Gemeinde mit § 1 X das hierzu notwendige Instrumentarium an die Hand 72 . Satz 4 stellt klar, dass § 1 X BauNVO auch bei der Änderung oder Ergänzung bereits bestehender Bebauungspläne zur Anwendung kommt. Die Gewährung eines erweiterten Bestandsschutzes gemäß § 1 X BauNVO wirkt wie eine objektbezogene Befreiungsregelung, ohne dass die Gemeinde an die besonderen Voraussetzungen des § 31 II BauGB gebunden ist. Mit der möglichen Festsetzung gemäß § 1 X BauNVO kann die Gemeinde auch die in § 1 V 2 Nr. 4 BauGB genannten abwägungserheblichen Belange73 berücksichtigen 74.

III. Der Ausschluss von Nutzungen gemäß § 1IX BauNVO Die Gemeinde kann im Rahmen einer Feindifferenzierung auf der Grundlage des § 1 I X BauNVO bestimmte Unterarten, der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zugelassenen Nutzungen, ausschließen oder nur ausnahmsweise zulassen, sofern besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen 75. Mit § 1 IX BauNVO wollte der Verordnungsgeber den Gemeinden die Möglichkeit geben, durch konkrete Festsetzungen im Bebauungsplan Fehlnutzungen zu vermeiden und damit ein flexibles Vorgehen zu gewährleisten76.

70 Bay. VGH, U. v.08.11.1999- 14 Ν98.3623-BauR 2000, 699 (701), der herkömmliche Bestandsschutz ist auf die Fortführung der bisherigen Nutzung sowie auf Reparatur- und Erhaltungsmaßnahmen beschränkt. 71 BVerwG, B. v. 11.05.1999 - 4 BN 15.99 (Bay. VGH) - NVwZ 1999, 1338 (1340) = BayVBl. 2000, 23 = Der Landkreis 2000, 47; Bay. VGH, U. v. 23.12.1998 - 26 Ν 98.1675 - NVwZ-RR 2000, 79 (83). 72 Bundesrats-Drucksache 354/89 vom 30.06.1989, S.42. 73 Die Erhaltung, Erneuerung und Ortsentwicklung vorhandener Ortsteile sowie die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes. 74 Roeser in: König - BauNVO, 1999- § 1, Rn. 101. 75 Lauer, IBR 1998, 496. 76 BR-Drucksache 261/77 vom 31.05.1977, S. 18.

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

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1. Die Umschreibung eines Anlagentyps Die gemäß § 1 IX BauNVO auszuschließenden Unterarten müssen einen durch Rechtsvorschrift oder Verkehrsauffassung anerkannten Anlagentyp darstellen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG 77 kann die Gemeinde für die Umschreibung und Abgrenzung des Anlagentyps auf besondere in ihrem Bereich vorherrschende Verhältnisse abstellen. Dies darf jedoch nicht auf die Planung einzelner konkreter Projekte hinauslaufen. Das BVerwG hat damit klargestellt, dass die Gemeinden nicht die Befugnis besitzen neue Nutzungsarten zu erfinden, sondern lediglich auf solche Nutzungsarten zurückgreifen können, die es in der sozialen und ökonomischen Realität bereits gibt 78 . Ein bestimmter Anlagentyp kann sich aus Gattungsbezeichnungen, ähnlichen typisierenden Beschreibungen oder aus der Beschreibung von Ausstattungsmerkmalen ergeben. Reine Betriebsformen wie z.B. Fachmarkt, SB-Markt sind als Gattungsbezeichnungen und damit als Umschreibungen eines Anlagentyps nicht ausreichend, weil diese Begriffe zu ungenau sind 79 . Die Umschreibung des Anlagentyps muss dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz gerecht werden 80. Nach der ständigen Rechtsprechung81, kann gemäß § 1IX BauNVO der „isolierte Einzelhandel" im Bebauungsplangebiet ausgeschlossen werden. Durch diese Festsetzung kommt klar zum Ausdruck, dass Vorhaben unzulässig sind, die ausschließlich den Einzelhandel zum Gegenstand haben, und Mischformen zwischen Einzelhandel und sonstigen gewerblichen Nutzungsformen zulässig sind. Das OVG NW hat in seiner Entscheidung vom 22.04.1999 82 eine Festsetzung als zulässig erachtet, die die Zulassungsfähigkeit einzelner Unterarten von Einzelhandelsnutzungen im Ausnahmewege davon abhängig macht, dass von diesen „keine negativen städtebaulichen Auswirkungen zu erwarten sein dürfen". Nach Auffas77

BVerwG, U. v. 22.05.1987 - 4 C 77/84 - NVwZ 1987, 1074 (1075) = ZfBR 1987, 251 =BauR 1987,524 = BRS 47, Nr. 58, S. 154; BVerwG, B.v. 18.12.1989-4 NB 26.89-ZfBR 1990, 99 = NVwZ-RR 1990, 229. 78 BVerwG, B.v.27.07.1998-4 BN31.98-ZfBR 1998, 317 = NVwZ-RR 1999,9 = BauR 1998,1197 = IBR 1998,496; im Anschluss daran: OVG NW, B.v. 26.01.2000 - 7 Β 2023/99 BauR 2000,1021 (1023) = IBR 2000,456; Dolde/Menke, NJW 1999,1070 (1078); Gaentzsch, NVwZ 2000, 993 (994). 79 Vgl. Birk, VB1BW 1988, 281 (286) = NWVB1. 1989, 73; Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (258). 80 Siehe 7. Kapitel, B. 81 BVerwG, B.v.27.07.1998-4 BN31.98-ZfBR 1998, 317 = NVwZ-RR 1999,9 = BauR 1998,1197; BVerwG, B.v. 18.12.1989-4 NB 26.89-ZfBR 1990,99 (100) = NVwZ-RR 1990, 229; OVG SH, U. v. 29.06.1994 - 1 L 28/93 - SchlHA 1995, 240 (242); VGH Hess., Β. v.01.08.1985-3 TH 1267/85-BRS 44, Nr. 156, S.376 (379f.) = NVwZ 1986, 57. 82 OVG NW, v.22.04.1999- 10a D138/98-JURIS.

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7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

sung des Gerichts ist diese Festsetzung durch den Maßstab des § 11 III BauNVO hinreichend bestimmt. Nach der Entscheidung des OVG NW vom 01.10.1996 83 ist ein Ausschluss „zentrumstypischer Einzelhandelsbetriebe" unzulässig, weil durch diese Festsetzung dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht Rechnung getragen und hiermit keine typisierbare Unterart der Branche Einzelhandel beschrieben werde. Die Gemeinde könne sich bei der Festsetzung auch nicht auf amtliche Veröffentlichungen 84 beziehen, die den Begriff der „zentrumstypischen Einzelhandelsbetriebe" näher bestimmen85. Die zuvor genannte Entscheidung steht im Widerspruch zur Entscheidung des OVG RP vom 24.08.2000 86, in der das Gericht den Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben mit „innenstadtrelevanten Hauptsortimenten" als zulässig angesehen hat. Mit dieser Festsetzung werde eine hinreichend bestimmte Nutzungsart im Sinne der sogenannten Typenlehre umschrieben. 2. Festsetzung einer höchstzulässigen Verkaufsfläche In Bebauungsplänen wird häufig eine höchstzulässige Verkaufsfläche für Einzelhandelsbetriebe festgesetzt. Nachfolgend soll untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen hiermit ein Anlagentyp im Sinne des § 1 IX BauNVO umschrieben werden kann. a) Geeignetheit der Verkaufsfläche als Anknüpfungskriterium Birk vertritt die Auffassung, dass die Verkaufsfläche keine geeignete Größe sei, um eine bestimmte Anlagenart zu definieren 87. Er führt hierzu insbesondere an, dass die unterschiedlichen Branchen auch unterschiedliche Verkaufsflächengrößen benötigen um vergleichbare Umsätze oder Versorgungsleistungen erbringen zu können. Demzufolge habe eine Verkaufsflächenbeschränkung auch unterschiedliche Bedeutung für die jeweilige Branche. Eine Festsetzung der höchstzulässigen Verkaufsfläche werfe daher unüberwindbare Probleme im Rahmen der Zusammenstellung und Gewichtung des Abwägungsmaterials auf. 83

OVG NW, B.v. 01.10.1996- 10 a D102/96. NE-BRS 58, Nr. 33, S. 129. Siehe 9. Kapitel, 2. Abschnitt, D. V. 1. 85 OVG NW, B.v. 01.10.1996- 10a D102/96. N E - B R S 58, Nr. 33, S. 129 (130), das Gericht lässt es hierbei offen, ob der Einzelhandelserlass des Landes NW vom 07.05.1996 (MBl. NW 1996, 922), der den Begriff des „zentrumstypischen Einzelhandelsbetriebes" eingrenzt, grundsätzlich zur näheren Begriffsbestimmung heranzuziehen ist; der Einzelhandelserlass lag zum Zeitpunkt des Beschlusses des in Streit stehenden Bebauungsplanes noch nicht vor. 86 OVG RP, v. 24.08.2000- 1 C 11457/99-JURIS. 87 Birk, VB1BW 1988, 281 (285) = NWVB1. 1989, 73; ähnlich auch: Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 1 BauNVO, Rn. 220. 84

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

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Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Es trifft zwar zu, dass die Festsetzung einer höchstzulässigen Verkaufsfläche de facto zum Ausschluss bestimmter Einzelhandelsbranchen führen kann, hiermit ergeben sich jedoch keine unüberwindbaren Probleme bei der Abwägung. Der Plangeber muss auch beim Ausschluss bestimmter Sortimente die unterschiedliche Bedeutung für die jeweiligen Einzelhandelsbranchen berücksichtigen, was von Birk auch nicht zum Anlass genommen wird, den Ausschluss von Sortimenten für ungeeignet zu erklären. Es ist demzufolge davon auszugehen, dass die Verkaufsfläche durchaus geeignet ist, einen bestimmten Anlagentyp zu definieren.

b) Bestimmtheit des Begriffes der Verkaufsfläche Ein Teil der Literatur vertritt die Auffassung, dass der Begriff der Verkaufsfläche zu unbestimmt sei 88 . Birk führt hierfür an, dass der Begriff der Verkaufsfläche in der BauNVO nicht verankert sei und es auch keine verbindliche Definition gäbe89. Es sei allenfalls zulässig, neben der Geschossfläche die Verkaufsfläche festzusetzen. Diese Ansicht ist abzulehnen, weil sich in der Rechtsprechung eine eindeutige Definition des Begriffs der Verkaufsfläche herausgebildet hat 90 . Es ist klar erkennbar, was unter dem Begriff der Verkaufsfläche zu verstehen ist, deshalb kann durch die Festsetzung einer höchstzulässigen Verkaufsfläche grundsätzlich ein Anlagentyp umschrieben werden. Dem Plangeber kann auch nicht zugestanden werden, den Begriff der Verkaufsfläche in den Festsetzungen zum Bebauungsplan selbständig zu definieren, weil hierdurch mittelbar der Begriff des großflächigen Einzelhandelsbetriebes bestimmt werden könnte und damit die Gemeinden ihre Kompetenzen überschreiten würden 91. Als unbedenklich kann jedoch eine Bezugnahme im Bebauungsplan auf eine Begriffsdefinition im Einzelhandelserlass des jeweiligen Bundeslandes92 angesehen werden, weil hiermit lediglich eine Klarstellung, nicht jedoch eine eigenständige Definition intendiert wäre. 88

Birk, VB1BW 1988,281 (286, Fn.64) = NWVB1.1989,73; Jahn, DVB1.1988,273 (274). Birk, VB1BW 1988, 281 (286, Fn.64) = NWVB1. 1989, 73. 90 Siehe 3. Kapitel, 1. Abschnitt, B.III. 1. 91 Vgl. zur Kompetenzüberschreitung der Gemeinden: Schenke in: Dichtl/Schenke-Einzelhandel und BauNVO, 1988 - S. 13 (51). 92 Z.B. BW: Entwurf eines Einzelhandelserlasses (Az.: 6-2500.4/7), Stand Juli 2000-S. 4, Ziffer 2.2.4; Bayern: Gemäß Bekanntmachung vom 06.06.1992 - A11MB1., S. 645 ff., Ziffer 2.1.5; Brandenburg: RdErl vom 15.08.1999-ABl. Nr.41, vom 13.10.1999-S.974ff., Ziffer 2.2.6; Mecklenburg-Vorpommern: Erlass vom 04.07.1995 - ABl. S.607ff., Ziffer 2.2; NW: Gemäß RdErl vom 07.05.1996 - MBL. S. 922ff., Ziffer 2.2.4; Sachsen: VwV vom 08.01.1992-ABl. Nr. 3, S.92ff., Ziffer 2.2.5; Thüringen: Richtlinie vom 01.07.1992-AtAnz, S. 1401 ff., Ziffer 3.4. 89

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7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

c) Die Umschreibung eines Anlagentyps durch die Verkaufsfläche Nach der früher herrschenden Meinung in der Literatur 93 und Rechtsprechung94 war die Festsetzung einer höchstzulässigen Verkaufsfläche ohne Rücksicht darauf zulässig, ob hiermit ein bestimmter Anlagentyp umschrieben wird. Eine solche weitreichende Regelungskompetenz der Gemeinden wurde vom BVerwG in seiner Grundsatzentscheidung vom 22.05.1987 95 zu Recht abgelehnt. Nach Auffassung des Gerichts ist die Festsetzung einer höchstzulässigen Verkaufsfläche nur dann zulässig, wenn gerade durch solche Angaben bestimmte Arten von baulichen oder sonstigen Anlagen zutreffend gekennzeichnet werden. Betriebe, bei denen die Verkaufsfläche eine bestimmte Größe überschreitet, sind nicht schon allein deshalb bestimmte Arten von baulichen Anlagen. Die Begrenzung der höchstzulässigen Verkaufsfläche trägt die Umschreibung eines Typs von baulicher Anlage nicht gleichsam in sich selbst. Es bedarf hierzu einer Darlegung, warum Betriebe unter bzw. über einer bestimmten Größe generell oder doch jedenfalls unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse eine bestimmte Art von baulichen Anlagen darstellen 96. Nach Auffassung des Gerichts ist ein Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben über 700 qm im Rahmen des § 1 I X BauNVO zulässig, weil hiermit klar zum Ausdruck kommt, dass der Anlagentyp des großflächigen Einzelhandelsbetriebs ausgeschlossen werden soll 97 . Die im zur Entscheidung stehenden Fall festgelegten Grenzen von 500 qm und 250 qm Verkaufsfläche könnten nach Auffassung des Gerichts allenfalls dann einen Anlagentyp umschreiben, wenn aus einer besonderen Begründung hervorgehe, dass es sich hierbei beispielsweise um den Typ des „Nachbarschaftsladens" 98 handelt99. 93

Hauth, BauR 1986, 648 (649); Schenke, UPR 1986, 281 (293, Fn.62) zustimmend zu VGH BW, U.v. 19.09.1984-3 S 1613/83-BWGZ 1985, 130 (131); Schlotterbeck, VB1BW 1986, 361 (366); einschränkend: Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988 -128, der als absolute Untergrenze 800qm Verkaufsfläche annehmen will, weil dort derzeit die Untergrenze für den Begriff des Ladens anzunehmen sei. 94 VGH BW, U. v. 20.03.1985 - 3 S 309/84 - VB1BW 1985, 297 (298); VGH BW, U. v. 20.03.1985 - 3 S 2075/84 - UPR 1986, 313 (314); VGH BW, U. v. 19.09.1984 - 3 S 1613/83-BWGZ 1985, 130 (131); VGH Hess., B.v.01.08.1985-3 TH 1267/85-BRS 44, Nr. 156, S. 376 (379f.) = NVwZ 1986, 57. 95 BVerwG, U. v. 22.05.1987 - 4 C 77/84 - NVwZ 1987, 1074 (1076) = ZfBR 1987, 251 = BauR 1987, 524 = BRS 47, Nr. 58, S. 154. 96 Α. A. Hauth, BauR 1988, 513 (521), geht unter Verkennung der Rechtsprechung des BVerwG davon aus, dass eine Differenzierung von Einzelhandelsbetrieben unter 700 qm Verkaufsfläche grundsätzlich unzulässig ist. 97 So auch: OVG RP, v. 12.03.1993 - 10 C 12147/91 - JURIS, S. 3. 98 Vgl. zum Begriff des Nachbarschaftsladens: Hüttenbrink, DVBl. 1983, 530 (534); Birk, VB1BW 1988, 281 (287) = NWVB1. 1989, 73. 99 A.A. VGH BW, U.v. 19.09.1984-3 S 1613/83 - BWGZ 1985, 130 (131) in der Vorinstanz: nach Auffassung des Gerichts wird zumindest mit der Grenze von 500qm Verkaufsflä-

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

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d) Die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte Die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte 100 ist den Ausführungen des BVerwG in seiner Grundsatzentscheidung überwiegend gefolgt. Das OVG Nds. hat in seiner Entscheidung vom 26.02.1999 m einen Bebauungsplan für ein Gewerbegebiet mit zutreffender Begründung als nichtig angesehen, in dem Einzelhandelsbetriebe mit mehr als 1.200 qm Geschossfläche generell und in Teilbereichen solche mit mehr als 500 qm Geschossfläche ausgeschlossen wurden. Das Gericht sah in der Festsetzung der Geschossfläche von 1.200 qm eine weitere Zäsur im Anlagentyp der großflächigen Einzelhandelsbetriebe, die jedoch keine Unterart kennzeichnet und deren Festsetzung damit im Rahmen des § 1IX BauNVO nicht zulässig ist. Eine eigenständige Begründung, dass es sich nicht lediglich um eine Differenzierung nach der Flächengröße, sondern um eine Differenzierung nach Unterarten der großflächigen Einzelhandelsbetriebe handelt, fehlte. Mit Überschreiten der Geschossfläche von 1.200qm greift lediglich die widerlegbare Regelvermutung des § 11 III 3 BauNVO, hiermit wird jedoch kein bestimmten Typus des großflächigen Einzelhandelsbetriebs gekennzeichnet102. Das Gericht sah auch die Festsetzung einer höchstzulässigen Geschossfläche von 500 qm als unzulässig an. Die Planbegründung beinhaltete keine Darlegung, dass im Gemeindegebiet bereits ein eigenständiger Anlagentyp des „Nachbarschaftsladens" mit 500 qm Geschossfläche etabliert ist 103 . Kritisch zu würdigen ist im Gegensatz dazu die Entscheidung des OVG NW vom 25.04.1991 104. Das Gericht sah die Festsetzung einer höchstzulässigen Geschossfläche von 500 qm als zulässig an, ohne dass der Plangeber näher ausgeführt hat, dass ein solcher Typ des Nachbarschaftsladens den örtlichen Gegebenheiten entspricht. che ein Anlagentyp umschrieben, weil aus einem Gutachten hervorgeht, dass die Auswirkungen für den innerstädtischen Einzelhandel ab dieser Größenordnung bedenklich sind. 100 OVG Berlin, U.v. 19.12.1989-2 A7.87-BRS 50, Nr.20, S.59 (60) bezüglich einer ausnahmsweisen Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben bis zu einer Größe von 250 qm Verkaufsfläche, OVG Nds., U.v. 26.02.1999- 1 Κ 1539/97-BauR 1999,1436 = NVwZ-RR 2000, 562 = IBR 2000,95; OVG Nds., U.v. 17.03.1994-1Κ 68/92-Nds. MB1.1995,111, bezüglich einer Geschossflächenbegrenzung auf 800 qm; OVG RP, v. 12.03.1993 - 10 C 12147/91 JURIS, S. 3, Festsetzung 700qm Verkaufsfläche zulässig, VGH BW, U. v. 15.10.1993 - 3 S 335/92-VB1BW 1994, 353 (354f.). 101 OVG Nds., U. v. 26.02.1999 - 1 Κ 1539/97 - BauR 1999, 1436 = NVwZ-RR 2000, 562 = IBR 2000, 95; ähnlich: VGH BW, U. v. 15.10.1993 - 3 S 335/92 - VB1BW 1994, 353 (354 f.). 102 OVG Nds., U.v. 26.02.1999-1 Κ 1539/97-BauR 1999,1436(1437) = NVwZ-RR 2000, 562 = IBR 2000, 95. 103 OVG Nds., U.v. 26.02.1999-1 Κ 1539/97-BauR 1999,1436(1438) = NVwZ-RR 2000, 562 = IBR 2000,95; ähnlich: VGH BW, v. 30.11.1988 - 3 S 1099/88 - JURIS, bezüglich eines Ausschlusses von „Verbrauchermärkten" über 600 qm Geschossfläche. 104 OVG NW, U. v. 25.04.1991 - 11 A 1755/87 - NVwZ-RR 1992, 118 (119).

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7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

e) Die Verkaufsfläche als ergänzender Zusatz Von der Umschreibung eines Anlagentyps durch die Verkaufsfläche ist der Fall zu unterscheiden, dass eine Größenbegrenzung lediglich als ergänzender Zusatz eingesetzt wird, um Rechtsklarheit zu schaffen. Das BVerwG 105 hat es als zulässig angesehen, dass die Festsetzung einer ausnahmsweisen Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben, die in unmittelbarem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang mit Handwerks- oder produzierenden Gewerbebetrieben stehen, durch die Bestimmung ergänzt wird, dass diese Nebenanlagen nicht mehr als insgesamt 200 qm Verkaufsund Ausstellungsfläche aufweisen. Das Gericht sah in dieser Festsetzung eine zulässige Bestimmung, die den Missbrauch durch übergroße Nebeneinrichtungen ausschließt. Der Wille des Plangebers, dass es sich um solche Nebenanlagen handelt, muss jedoch nach der Rechtsprechung106 in den Festsetzungen oder in der Planbegründung klar zum Ausdruck kommen, andernfalls ist eine isolierte Verkaufsflächenangabe ohne nähere Begründung unzulässig. 3. Gesamtobergrenze der Verkaufsfläche In Rechtsprechung und Literatur 107 besteht Einigkeit darüber, dass § 1 IX BauNVO keine Grundlage für die Festsetzung einer Gesamtverkaufsfläche bzw. einer Kontingentierung von Einzelhandelsbetrieben bietet, weil mit einer derartigen Festsetzung kein allgemein anerkannter oder aus der örtlichen Situation bekannter Anlagentyp umschrieben wird 108 . Der VGH BW hat in seiner Entscheidung vom 15.10.1993 109 ausgeführt, dass die Festsetzung in einem Bebauungsplan für ein Kerngebiet unzulässig ist, wonach in diesem Gebiet maximal zwei Einzelhandelsbetriebe von jeweils 2.000 qm Verkaufsfläche errichtet werden können. Aus dieser Festsetzung, die zudem eine vertikale Gliederung gemäß § 1 VII BauNVO beinhaltete, hätte sich „indirekt" eine Gesamtverkaufsfläche für den Einzelhandel von höchstens 4.000 qm ergeben. Durch die Verkaufsflächenbeschränkung wird kein allgemein oder ortsüblich anerkannter Betriebstyp des großflächigen Einzelhandels gekennzeichnet, so dass die in diesem Fall vorgenommene Festsetzung nicht auf § 1 IX BauNVO gestützt werden kann. Die Größe der Verkaufsflächen je Geschoss ist vielmehr ausschließlich das Ergebnis eines Rechenprozesses 105 BVerwG, U. v. 30.06.1989-4C 16.88 - ZfBR 1990,27 (28) = UPR 1989,436 = BRS 49, Nr. 30, S.69. 106 OVG Berlin, U.v. 19.12.1989-2 A7.87-BRS 50, Nr.20, S.59 (61). 107 Birk, VB1BW 1988,281 (286) = NWVB1. 1989, 73, Birk in: Birk - Stadt und Ortskerne ohne Geschäfte?, 1986-51 (58); Schenke, DÖV 1988, 233 (243). 108 Eine Divergenz zur Zulässigkeit einer solchen Festsetzung zwischen Literatur und Rechtsprechung besteht im Rahmen des § 11 II BauNVO; siehe 9. Kapitel, 2. Abschnitt, D. III. 109 VGH BW, U.v. 15.10.1993 - 3 S 335/92-VB1BW 1994, 353 (355).

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

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mit dem Ziel, städtebaulich unerwünschte Einzelhandelsbetriebe mit mehr als 4.000 qm zu verhindern. Das OVG RP hat in seiner Entscheidung vom 12.03.1993 no die Festsetzung in einem Bebauungsplan für ein Gewerbegebiet als unwirksam angesehen, womit die Anzahl der Einzelhandelsbetriebe für Waren des täglichen Bedarfs auf zwei Stück mit je maximal 700 qm Verkaufsfläche begrenzt wird. Das Gericht begründete dies damit, dass auf der Grundlage des § 1 I X BauNVO zwar Einzelhandelsbetriebe für Waren des täglichen Bedarfs mit einer Verkaufsfläche von 700 qm ausgeschlossen werden können, eine Kontingentierung allgemein zulässiger baulicher Anlagen jedoch nicht möglich ist. 4. Zusammenfassung Grundsätzlich zulässig ist die Festsetzung einer höchstzulässigen Verkaufsfläche von 700 qm, weil hiermit die allgemein anerkannte Grenze zur Großflächigkeit im Sinne des § 11 III markiert wird 111 . Des Weiteren zulässig sind Festsetzungen, in der die Gemeinde ausdrücklich auf im Gemeindegebiet bereits etablierte besondere Anlagentypen, wie beispielsweise „Nachbarschaftsläden", Bezug nimmt 112 . Weder durch die Festsetzung einer Gesamtverkaufsfläche für ein Baugebiet noch durch die anzahlmäßige Beschränkung von Einzelhandelsbetrieben wird ein bestimmter Anlagentyp beschrieben, sodass derartige Festsetzungen von § 1 IX BauNVO nicht gedeckt sind. 5. Ausschluss von Branchen und Sortimenten a) Ansicht der Literatur und der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung Die überwiegende Auffassung in der Literatur 113 und die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte 114 geht zu Recht davon aus, dass im Rahmen der Feingliede110

OVG RP, v. 12.03.1993-10 C 12147/91 - JURIS. Vgl. BVerwG, U.v.22.05.1987-4C 77/84-NVwZ 1987, 1074 (1076) = ZfBR 1987, 251 = BauR 1987, 524 = BRS 47, Nr. 58, S. 154; OVG RP, v. 12.03.1993 - 10C 12147/91 JURIS. 112 Vgl. OVG Nds., U.v.26.02.1999- 1 Κ 1539/97-BauR 1999, 1436(1438) = NVwZ-RR 2000, 562 = IBR 2000, 95; BVerwG, U. v. 22.05.1987 - 4 C 77/84 - NVwZ 1987, 1074 (1076) = ZfBR 1987, 251 = BauR 1987, 524 = BRS 47, Nr. 58, S. 154. 113 Birk, VB1BW 1988, 281 (286) = NWVB1. 1989, 73; Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 1, Rn. 128 m. w. N.; Jahn, BayVBl. 1988, 40 (41); Kniep, GewArch 1985, 89 (91); Kniep, VB1BW 1985, 291 (292); Roeser in: König - BauNVO, 1999- § 1, Rn.97; Schenke, DÖV 1988, 233 (243); Ziegler in: Brügelmann-BauGB, Stand Februar2000- § 1 BauNVO, 111

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7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

rung gemäß § 1 IX BauNVO auch bestimmte Einzelhandelsbranchen bzw. Einzelhandelssortimente ausgeschlossen werden können; zu einer Branche gehören auch die jeweiligen Randsortimente 115. Der Plangeber kann hierbei entweder die zulässigen Branchen oder die unzulässigen Branchen festsetzen. Aus der Systematik der §§2 bis 9 BauNVO folgt, dass grundsätzlich positive und negative Festsetzungen als Gliederungsmöglichkeit im Rahmen des § 1 V und IX BauNVO zulässig sind 116 . In den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen, hatten die Gemeinden Einzelhandelsbranchen, die Güter des täglichen Bedarfs anbieten, wie Lebensmittel, Schuhe und Textilien, ausgeschlossen. Voraussetzung ist allerdings, dass mit dem Ausschluss bestimmter Sortimente ähnlich wie bei der Festsetzung einer höchstzulässigen Verkaufsfläche zugleich eine Bestimmung eines besonderen Anlagentyps verbunden ist 117 . Birk führt für die zuvor beschriebene Auffassung an, aus den Absätzen 2 und 3 der §§ 2 bis 9 BauNVO könne gefolgert werden, dass Branchen- und Warenbezeichnungen eine ausreichende Kennzeichnung von Anlagentypen darstellen 118. Eine solche Differenzierung sei dem Oberbegriff des Einzelhandels immanent, weil dieser alle Branchen und Waren umfasst. Deshalb bestimme auch nicht die Betriebs- oder Vertriebsform, sondern das Warenspektrum und damit die Branchenbreite den Gesamtbegriff des Einzelhandels. b) Grundsatzentscheidung des BVerwG Das BVerwG hat mit seiner Entscheidung vom 27.07.1998 119 die zuvor dargestellte Ansicht bestätigt. Der Entscheidung lag ein Bebauungsplan zugrunde, in dem Einzelhandelsbetriebe der Branchen Hauhaltswaren, Lebensmittel, Parfümerie- und Rn.221 und 299; a. A. Steger, BWGZ 1985,110 (125), sieht den Ausschluss von Sortimenten als unzulässig an, weil dieser nur auf eine Bedarfsprüfung gestützt werden könne, die keinen städtebaulichen Rechtfertigungsgrund darstellen könne. OVG NW, Β. v. 26.01.2000 - 7 Β 2023/99 - BauR 2000, 1021 (1023) (IBR 2000, 456); OVG NW, U.v. 10.11.1988 - 11 a NE4/87 - NVwZ 1989, 679; OVG RP, v. 12.03.1993 - 1 0 C 12147/91 - JURIS, S. 3; VGH BW, U. v. 02.10.1992 - 8 S 548/92 - UPR 1993, 160 = ZfBR 1993, 149; VGH BW, 13.12.1990-5 S 3215/89-S.9, soweit ersichtlich n.v.; VGH BW, U.v. 26.06.1987-5 S 1667/86-BWGZ 1989, 34; VGH Hess., U. v. 08.07.1993 - 4 UE 1225/88 - BRS 55, Nr. 6, S. 6 (10); VG Würzburg, U. v. 18.05.1995 - W6K 94/29 - NVwZ-RR 1996, 136(137). 115 VGH BW, U. v. 02.10.1992 - 8 S 548/92 - UPR 1993, 160 = ZfBR 1993, 149; zum Begriff des Randsortiments siehe 3. Kapitel, 1. Abschnitt, D.IV. l.dbb). 116 BVerwG, U.v. 11.03.1988 - 4C 56.84-BRS 48, Nr. 8, S.25 (30); vgl. Birk, VB1BW 1988, 281 (287) = NWVB1. 1989, 73 m.w.N. " 7 So bereits: Jahn, LKV 1991, 258 (262); Schenke, DÖV 1988, 233 (243). 1,8 Birk, VB1BW 1988, 281 (286) = NWVB1. 1989, 73. 119 BVerwG, B. v. 27.07.1998 - 4 BN 31.98 - ZfBR 1998, 317 (318) = NVwZ-RR 1999, 9 = BauR 1998, 1197 = IBR 1998,496.

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

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Drogeriewaren, Schuh- und Lederwaren, Sportartikel (außer Großteile wie Boote, Sportgeräte, etc.) und Textilien unabhängig von der Großflächigkeit der Betriebe ausgeschlossen wurden. Das Gericht führt aus, dass eine Differenzierung nach Hauptsortimenten, die sich auf Branchen beziehen, den Anforderungen der Typenlehre des BVerwG gerecht wird, weil hiermit auf Nutzungsarten abgestellt wird, die es in der Realität bereits gibt. 6. Kombination einer Größen- und Branchenfestsetzung Die Festsetzung einer höchstzulässigen Verkaufsfläche kann grundsätzlich mit einer Differenzierung nach Branchen kombiniert werden 120. Es stellt sich hierbei jedoch die Frage, ob durch eine derartige Kombination stets ein bestimmter Anlagentyp umschrieben wird. Das VG Neustadt/Weinstraße hat in seiner Entscheidung vom 29.06.2000 121 die Festsetzung in einem Bebauungsplan für ein Gewerbegebiet als zulässig angesehen, wonach nur Einzelhandelsbetriebe zulässig sind, die Güter bestimmter näher beschriebener Sortimente führen und höchstens eine Geschossfläche von 400 qm aufweisen. Der Bebauungsplan beinhaltet jedoch keinen Hinweis darauf, dass solche Einzelhandelsbetriebe einem örtlichen Anlagentyp des Nachbarschaftsladens entsprechen. Das Gericht geht davon aus, dass zwar allein die Betriebsgröße zur Spezifizierung eines besonderen Anlagentyps nicht ausreicht, allerdings könne durch das Hinzutreten weiterer Spezifizierungsmerkmale in Form von Branchen bzw. Warengruppen dem Bestimmtheitsgebot hinreichend Rechnung getragen werden 122. Den Ausführungen des VG Neustadt/Weinstraße kann nicht zugestimmt werden. Durch eine Kombination vom Branchen- und Größenfestsetzungen wird nur dann eine bestimmte Anlagenart umschrieben, wenn sowohl durch die Branchen- als auch durch die Größenfestsetzung selbst eine bestimmte Anlagenart gekennzeichnet werden könnte bzw. wenn die Festsetzung einem örtlich bekannten Anlagentyp entspricht. Andernfalls stünde es dem Plangeber frei, ausgehend von einer bestimmten Branche weitere Festsetzungen ohne Bindung an einen Anlagentyp zu treffen und damit neue Anlagentypen festzulegen. Das Gericht lässt die klarstellenden Ausführungen des BVerwG in seiner jüngsten Entscheidung123 außer acht, wonach eine Bindung an einen bestimmten Anlagentyp in erster Linie deshalb gefordert werden muss, um si120

Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998 - § 1, Rn. 128. VG Neustadt/Weinstraße, U.v.29.06.2000-2Κ 124/99-Urteilsabschrift (nicht rechtskräftig) = UPR 2000, 360. 122 VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 29.06.2000 - 2 Κ 124/99 - S. 8 des Urteils. 123 BVerwG, B.v.27.07.1998-4 BN31.98-ZfBR 1998, 317 = NVwZ-RR 1999,9 = BauR 1998, 1197 = IBR 1998, 496; im Anschluss daran: OVG NW, B. v. 26.01.2000 - 7 Β 2023/99 - BauR 2000, 1021 (1023) = IBR 2000, 456. 121

11 Kopf

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7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

cherzustellen, dass der Plangeber keine neuen Nutzungsarten erfindet, sondern auf solche Nutzungsarten zurückgreift, die es in der sozialen und ökonomischen Realität bereits gibt. Die Einhaltung des Bestimmtheitsgebotes ist in diesem Zusammenhang eher zweitrangig. Folgte man der Entscheidung des VG Neustadt/Weinstraße, so würden die Differenzierungsmöglichkeiten des § 1IX BauNVO denen des § 11 I I BauNVO gleichgesetzt. Dies würde der Intention des Verordnungsgebers, wie sie in § 1 III 3, 1. Halbsatz BauNVO zum Ausdruck kommt, widersprechen. 7. Wahrung der Zweckbestimmung Bei Festsetzungen gemäß § 1 IX BauNVO muss die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleiben. Aus dem Wortlaut des § 1 I X BauNVO, wonach Festsetzungen nach § 1IX BauNVO nur „bei Anwendung der Absätze 5 bis 8" erfolgen dürfen, geht klar hervor, dass die Anwendungsvoraussetzungen der Absätze 5 und 9 eng mit dieser Regelung verknüpft sind. Es ist daher unstreitig, dass die allgemeine Zweckbestimmung auch im Rahmen des § 1 I X zu wahren ist 124 . Bei der Anwendung des § 1IX BauNVO werden im Gegensatz zu § 1 V BauNVO nur bestimmte Unterarten von Einzelhandelsbetrieben ausgeschlossen, so dass die Zweckbestimmung von Misch-, Gewerbe- und Industriegebieten bei dessen Anwendung erst recht gewahrt wird 125 . Aus Kerngebieten kann der Einzelhandel zwar nicht vollständig ausgeschlossen werden 126 , mit der Zweckbestimmung vereinbar ist jedoch ein Ausschluss einzelner Einzelhandelsbranchen und eine Beschränkung der höchstzulässigen Verkaufsfläche 127 . Eine zulässige Beschränkung des Einzelhandels kann durch die Etablierung einer höchstzulässigen Verkaufsfläche von 700 qm erreicht werden 128. Eine darüber hinausgehende Beschränkung wäre nur dann zulässig, wenn die Gemeinde auf besondere örtliche Gegebenheiten zurückgreifen könnte, die einen Typ des „Nachbarschaftsladens" unter 700 qm Verkaufsfläche kennzeichnet129.

124 BVerwG, B. v. 06.05.1996 - 4 NB 16.96 - BRS 58, Nr. 23, S. 88; BVerwG, Β. v. 22.12.1989 - 4 NB 32.89 - BRS 49, Nr. 74, S. 190; Schenke, DÖV 1988, 233 (243). VG Würzburg, U.v. 18.05.1995 - W 6 K 94/29 - NVwZ-RR 1996, 136 (137). 126 Siehe 7. Kapitel C.II.2.d. 127 Birk in: Birk - Stadt und Ortskerne ohne Geschäfte?, 1986 - S. 51 (60), Fickert/ Fieseier-BauNVO, 1998- § 1, Rn. 102; zurückhaltend: Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (257). 128 Stüer - Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 1997 - Rn. 196; offenbar a. A. Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (257). 129 Vgl. Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (259).

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

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IV. Städtebauliche Gründe für Festsetzungen nach §1 V und IX BauNVO Aus dem Wortlaut des § 1IX BauNVO ergibt sich, dass Festsetzungen nach dieser Vorschrift nur aus „besonderen städtebaulichen Gründen" erfolgen dürfen. Für § 1 V BauNVO ergibt sich aus dessen Wortlaut keine entsprechende Anwendungsvoraussetzung. Jede Bauleitplanung muss jedoch städtebaulich gerechtfertigt sein, um den Anforderungen des Art. 14 I GG zu genügen. Dies ergibt sich grundsätzlich aus §§ 1 V und 9 VIII BauGB und für Festsetzungen nach § 1 V BauNVO insbesondere aus dem Verhältnis des § 1 V zu § 1 IX BauNVO 130 . Der Bergriff der „besonderen städtebaulichen Gründe" kann als unbestimmter Rechtsbegriff in vollem Umfang gerichtlich überprüft werden. 1. Verhältnis des §1V zu IX BauNVO Es war lange Zeit umstritten, ob zwischen § 1 V und IX BauNVO ein qualitativer Unterschied besteht und an die „besonderen städtebaulichen Gründe" des § 1 IX BauNVO höhere Anforderungen zu stellen sind als an die städtebaulichen Gründe des § 1 V BauNVO. a) Die früher herrschende Meinung Nach der früher herrschenden Meinung 131 liegen besondere städtebauliche Gründe nur vor, wenn Gründe mit einem besonderen Gewicht für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung der planenden Gemeinde und die Strukturpolitik angeführt werden können. Begründet wurde diese Auffassung damit, dass ein Ausschluss nach § 1 IX BauNVO detailliertere Regelungen als § 1 V BauNVO erlaubt, hiermit ein stärkerer Eingriff in das Eigentumsrecht verbunden sei und deshalb auch erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Die Wertung des Verordnungsgebers in § 11 III BauNVO sei auch bei der Entscheidung über das Vorliegen besonderer städtebaulicher Gründe zu beachten132. Mit Festsetzungen gemäß § 1IX BauNVO könne der Plangeber weit über die Regelung des § 11 III BauNVO hinausgehen, weil hiermit auch nicht-großflächige Ein130

BVerwG, U. v. 22.05.1987 - 4 Ν 4.86-ZfBR 1987, 249; vgl. Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (234); Birk, VB1BW 1988, 281 (285) = NWVB1. 1989, 73. 131 OVG Nds., Vorlage-B. v.07.10.1986-6 C43/85-UPR 1987, 150 (152) = ZfBR 1987, 54; Dolde, DVB1. 1983, 732 (734); Dolde/Schlarmann, BauR 1984, 121 (131); Grooterhorst, DVB1. 1985, 703 (706); Hüttenbrink, DVB1. 1983, 530 (533); Jahn, BayVBl. 1988, 40 (41); Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988- 126; Schenke, UPR 1986, 281 (293); Schlotterbeck, VB1BW 1986, 361 (366); Steger, BWGZ 1985, 110 (123). 132 Hüttenbrink, DVB1. 1983, 530 (533); Schenke, UPR 1986, 281 (293). 11

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7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

zelhandelsbetriebe ausgeschlossen werden können. Deshalb sei es nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt, weit unter der Regelgröße des § 11 III 3 BauNVO liegende Einzelhandelsbetriebe auszuschließen133. Besondere städtebauliche Gründe wurden verneint, wenn Kriterien angeführt wurden, wie Besonderheiten des Ortsbildes, die Erhaltung historischer Zusammenhänge und des Immissionsschutzes134. Wegen der Schärfe des Eingriffs durch § 1IX BauNVO wird gefordert, dass der Plangeber die besonderen städtebaulichen Gründe dezidiert darlegen und im Erläuterungsbericht begründen muss 135 .

b) Die heute herrschende Meinung Die heute herrschende Meinung in Rechtsprechung136 und Literatur 137 geht davon aus, dass zwischen den beiden Vorschriften kein qualitativer, sondern lediglich ein gradueller Unterschied besteht und demzufolge der Wortlaut des § 1IX BauNVO so zu verstehen sei, dass lediglich speziellere Gründe als bei den Festsetzungen nach § 1V BauNVO, nicht jedoch erschwerende Gründe gegeben sein müssen. Diese Auffassung wurde vom BVerwG in seiner Grundsatzentscheidung vom 22.05.1987 m bestätigt. Der VGH B W 1 3 9 führt für diese Auffassung weiter an, dass § 1 IX BauNVO als schonendes Planungsinstrument, welches den „groben Klotz" des Nutzungsausschlusses gemäß § 1 V BauNVO erübrigt, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung trägt und es daher dem Sinn des § 1IX BauNVO widersprechen würde, wenn für dessen Anwendung Gründe von quantitativ oder qualitativ höherem Gewicht erforderlich wären. 133 Nach Schenke, UPR 1986,281 (293) ist es prinzipiell unzulässig, wenn Gemeinden, die als Ober- oder Mittelzentren eingestuft sind, eine höchstzulässige Verkaufsfläche in Mischoder Gewerbegebieten festsetzen. 134 Nach VGH BW, U. v. 19.09.1984-3 S 1613/83 - BWGZ 1985, 130 (131) können daher nur Gründe, die einer Verödung der Innenstädte entgegenwirken, als besondere städtebauliche Gründe herangezogen werden. 135 Hüttenbrink, DVBl. 1983, 530 (534), Hauth, BauR 1986, 648 (653). 136 BVerwG, B.v.03.05.1993-4 NB 13.93-Buchholz406.12 § 1, Nr. 16, S.39 (40), VGH BW, U.v.06.12.1989-3 S 1278/88-BRS 49, Nr.73, S. 187 (189) = BWGZ 1990, 506; Bay. VGH, U.v. 12.06.1986 - 2 B 83 A 2467 - BRS 46, Nr. 20, S. 49 (52); VGH Hess., U. v. 08.07.1993 - 4 UE 1225/88 - BRS 55, Nr. 6, S. 6 (11). 137 Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (235); Ziegler in: Brügelmann- BauGB, Stand Februar 2000- § 1 BauNVO, Rn.207; kritisch: Hüttenbrink, DVB1. 1987, 1045 (1050), a. A. weiterhin: Weiss in: Müller/Neuffer-BauNVO, 1991 - § 1 zu IX, S.70. 138 BVerwG, U. v. 22.05.1987 - 4 C 77.84 - ZfBR 1987, 251 = BauR 1987, 524 = NVwZ 1987, 1074 = BRS 47, Nr.58,S.154. 139 VGH BW, U.v.06.12.1989-3 S 1278/88-BRS 49, Nr.73, S. 187 (189) = BWGZ 1990, 506; a. A. noch: VGH BW, U.v. 19.09.1984-3 S 1613/83-BWGZ 1985, 130 (131).

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

2. Die Anforderungen

165

an die städtebaulichen Gründe

Jede auf § 1 V bis IX BauNVO gestützte Planung muss mit Argumenten begründet werden, die sich aus der jeweiligen konkreten Planungssituation ergeben und die geeignet sind, die jeweiligen Abweichungen von den vorgegebenen Gebietstypen der BauNVO zu tragen 140. Die in § 11 III 2 BauNVO bezeichneten Auswirkungen können besondere städtebauliche Gründe darstellen 141. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Auswirkungen im Sinne des § 11 III BauNVO vorliegen müssen, um einen Ausschluss gemäß § 1 IX BauNVO begründen zu können. Das OVG SH 1 4 2 hat dem gemeindlichen Einzelhandelskonzept eine zentrale Bedeutung bei der Bestimmung besonderer städtebaulicher Gründe beigemessen. Dem ist zuzustimmen, sofern das Einzelhandelskonzept auf der Grundlage einer ausreichenden und zutreffenden Tatsachenermittlung entwickelt wurde. Die gemeindlichen Einzelhandelskonzepten spiegeln die planerische Konzeption der Gemeinde und die besonderen örtlichen Verhältnisse des Einzelhandels sowie der damit in Zusammenhang stehenden städtebaulichen Struktur wider, so dass auf dieser Grundlage eine Differenzierung nach § 1 V und IX BauNVO begründet werden kann. Städtebauliche Gründe sind nicht gegeben, wenn der Ausschluss ausschließlich aufgrund wirtschaftlicher oder wettbewerbspolitischer Gründe erfolgt 143 . Nicht ausreichend ist daher die Begründung, dass für Einzelhandelsbetriebe im jeweiligen Baugebiet kein Bedürfnis besteht; eine solche Regelung wäre auch im Lichte des Art. 12 GG als verfassungswidrig anzusehen144. Es muss stets ein städtebaulicher Bezug gegeben sein, weil Festsetzungen des Bebauungsplans als Bodennutzungsregelungen nur gerechtfertigt sind, wenn sie den Planungsleitlinien des § 1 V BauGB folgen. Ein Bauleitplan, der andere Funktionen als die der nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung und Ordnung erfüllen soll, ist keine Inhalts- und Schrankenbestim140

BVerwG, U. v. 22.05.1987 - 4 C 77/84 - NVwZ 1987, 1074 (1075) = ZfBR 1987, 251 = BauR 1987, 524 = BRS 47, Nr. 58, S. 154. 141 VGH BW, U. v. 20.03.1985 - 3 S 309/84 - VB1BW 1985, 297 (298); VGH BW, U.v.20.03.1985-3 S 2075/84-UPR 1986, 313 (314); Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (259); Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000- § 1 BauNVO, Rn.216. 142 OVG SH, U. v.07.05.1998 - 1L 66/96 - Ν VwZ-RR 2000, 10 (11). 143 Bundesrats-Drucksache 261/77 vom 31.05.1977, S.21; BVerwG, U. v.03.02.1984-4C 54.80-BauR 1984, 380 (383) = BVerwG 68, Nr.53, S.342; Dolde/Schlarmann, BauR 1984, 121 (131); Hauth, BauR 1986, 648 (652); Hüttenbrink, DVB1. 1983, 530 (533); Schenke, WiVerw 1990, 226 (232); Schenke, DÖV 1988, 233 (242). 144 OVG Nds., U.v. 19.01.1981 - 1 A 172/78-GewArch 1981,397 (398); Battis, DÖV 1978, 113 (122); Berg, WiVerw 1990, 209 (215); Schenke, WiVerw 1990, 226 (231); Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988 - 13 (52); unklar: Schwerdtner, BauR 1986, 253 (257).

166

7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

mung im Sinne es Art. 1412 GG 1 4 5 . Die in § 1 V BauGB genannten Belange stellen allgemeine städtebauliche Gründe dar. Bedenken wettbewerbspolitischer Art können jedoch dann als städtebauliche Gründe in Betracht kommen, wenn ein Umschlagen in städtebauliche Auswirkungen erfolgt ist und hierfür greifbare Anhaltspunkte gegeben sind 146 . Begründet der Plangeber die Einschränkung der Nutzung auch mit nicht tragfähigen Begründungselementen, wie etwa wettbewerbspolitischen Erwägungen, so ist dies unerheblich, sofern die Einschränkungen im übrigen durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt sind. Die städtebaulichen Gründe dürfen jedoch nicht vorgeschoben sein 147 . Eine den Anforderungen des § 1IX BauNVO genügende städtebauliche Begründung rechtfertigt erst recht den Ausschluss nach § 1 V BauNVO 148 .

V. Die Rechtsprechung zur städtebaulichen Begründung von Einzelhandelsausschlüssen Nachfolgend soll ein Überblick über die von der Rechtsprechung behandelten städtebaulichen Begründungen zum Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben bzw. -branchen nach § 1 V und IX BauNVO gegeben werden. In der Rechtsprechung wurde hierzu eine weitreichende Kasuistik entwickelt, deren Beachtung für die Rechtmäßigkeit von Nutzungsausschlüssen von entscheidender Bedeutung ist. 7. Der Ausschluss aus Gewerbe- und Industriegebieten a) Ausschluss gemäß § 1 I X BauNVO Der Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben, die Güter des täglichen Bedarfs anbieten, aus einem Gewerbegebiet ist zur Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung, insbesondere der nichtmotorisierten Käuferschichten mit Gütern des täglichen Bedarfs sowie zum Schutz der Ortskernsanierung 149 oder zur 145

Krautzberger in: BKL-BauGB, 1999- § 1, Rn.45. Hauth, BauR 1986, 648 (652). 147 BVerwG, B.v.29.07.1991 - 4 B 80.91 - D Ö V 1992, 30. "β BVerwG, B. v. 03.05.1993 - 4 NB 13.93 - Buchholz 406.12 § 1, Nr. 16, S. 39 (40). 149 BVerwG, B.v. 08.09.1999 - 4 BN 14.99 (VGH BW) - ZfBR 2000,275 (276); OVG NW, U. v. 10.11.1988 - 11 a NE4/87 - NVwZ 1989, 679 (680); OVG RP, U. v. 15.07.1987 - 10 C 46/86 - NVwZ 1988, 379; OVG SH, U. v. 07.05.1998 - 1L 66/96 - NVwZ-RR 2000,10 (11); VGH BW, U.v. 18.05.1990 - 8 S 909/89 - UPR 1991,160 = BRS 50, Nr. 102, S.243; VGH BW, U. v. 26.06.1987 - 5 S 1667/86 - BWGZ 1989, 34; VGH BW, U. v. 22.02.1989 - 3 S 1161/88 - VB1BW 1989, 305 (306) = BRS 49, Nr. 71; VGH Hess., U. v. 08.07.1993 - 4 UE 1225/88 - BRS 55, Nr. 6, S. 6 (11 ); VG Würzburg, U. v. 18.05.1995 - W6 Κ 94/29 - NVwZ-RR 1996, 136 (138); Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988- 13 (52). 146

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

167

Vermeidung von unnötigen Verkaufsströmen aus den Stadtteilen150 gerechtfertigt. Das BVerwG 151 hält für eine solche Festsetzung die städtebauliche Begründung für ausreichend, dass hiermit eine negative Beeinflussung des bisherigen Charakters eines Stadtteils verhindert wird. Nach der Entscheidung des VGH Hess, vom 08.07.1993 152 ist ein Ausschluss von Handelsbetrieben mit Verkauf von Lebensmitteln und/oder Getränken an Endverbraucher gerechtfertigt, um die im Bebauungsplan festgesetzten Rächen für Handwerksbetriebe und mittelständische Gewerbebetriebe vorzubehalten.

b) Ausschluss gemäß § 1 V BauNVO Schlotterbeck 153 vertritt die Auffassung, dass ein vollständiger Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben damit begründet werden kann, dass Einzelhandelsbetriebe einen gewissen funktionalen Bezug zum Wohnen haben und mit dem Ausschluss aus Industrie- oder Gewerbegebieten eine räumlich und verkehrliche Zuordnung zu den Wohnstandorten intendiert ist. Diese Auffassung ist entschieden abzulehnen. Schenke 154 führt hierzu aus, dass mit dieser Begründung keine besonderen Gesichtspunkte angeführt werden, die eine Abweichung von der Grundsatzentscheidung des Verordnungsgebers rechtfertigen. Der Verordnungsgeber hat es bewusst unterlassen, Einzelhandelsbetriebe aus Gewerbe· und Industriegebieten auszuschließen. Auch wenn man diese Entscheidung ähnlich wie das BVerwG als problematisch ansieht, so ist die Entscheidung des Verordnungsgebers dennoch zu respektieren 155. Dies schließt jedoch nicht aus, dass im Einzelfall konkrete städtebauliche Gründe angeführt werden können, die die Beschränkung der Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben in diesen Gebieten rechtfertigen.

150

OVG SH, U. v. 07.05.1998 - 1L 66/96 - NVwZ-RR 2000, 10(11). BVerwG, B. v. 27.07.1998 - 4 BN 31.98 - ZfBR 1998, 317 (318) = NVwZ-RR 1999, 9 = BauR 1998, 1197. 152 VGH Hess., U.v.08.07.1993-4 UE 1225/88 - BRS 55, Nr.6, S.6 (12). 153 Schlotterbeck, VB1BW 1986,361 (365), ähnlich: Gehrmann, GewArch 1985,249 (253). 154 Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988 - S. 13 (50). 155 Die Regierungsvorlage an den Bundesrat zur BauNVO 1962 - Drucksache 53/62 - sah noch vor, dass in Industriegebieten gemäß § 9 II Nr. 1 nur Einzelhandelsbetriebe zulässig sind, soweit sie der Versorgung der in dem Gebiet arbeitenden Personen dienen; zitiert nach Gehrmann, GewArch 1976, 153 (155); Bielenberg, B1GBW 1978, 81 (83). 151

168

7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

aa) Schutz von produzierendem und verarbeitendem Gewerbe und Handwerk In Literatur 156 und Rechtsprechung157 wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass der vollständige Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben gemäß § 1 V BauNVO städtebaulich gerechtfertigt ist, um das Plangebiet für Flächen des produzierenden und verarbeitenden Gewerbes und Handwerks zu sichern. Ein derartiger Ausschluss ist jedoch nicht nur dann gerechtfertigt, wenn ein aktueller Flächenbedarf gedeckt werden soll. Es reicht vielmehr aus, dass sich Einzelhandelsbetriebe in den Gewerbe- und Industriegebieten der Gemeinde bereits stark ausgedehnt haben und durch diesen Ausschluss erkennbaren Fehlentwicklungen begegnet werden soll 158 . Schenke spricht diesbezüglich von einer zulässigen städtebaulich gefilterten Bedürfnisprüfung 159. bb) Schutz der innerstädtischen Einzelhandelsstruktur Uneinheitlich ist die Rechtsprechung zur Frage, ob ein vollständiger Ausschluss des Einzelhandels zum Schutz der innerstädtischen Einzelhandelsstruktur bzw. der Ortskernsanierung zulässig ist. Der VGH BW hat in seiner Entscheidung vom 19.09.1984 m die Sicherung der Ortskernsanierung als ausreichenden städtebaulichen Grund für den vollständigen Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben gemäß § 1 V BauNVO aus einem Gewerbe156

Birk, VB1BW 1988, 281 (289) = NWVB1. 1989, 73; Hauth, BauR 1986, 648 (654); Schenke - in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988-13 (52); Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988,199 (259); nach Schlotterbeck, VB1BW1986,361 (365) kann dies nur eine ergänzende Begründung sein; Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 1 BauNVO, Rn. 217. 157 BVerwG, B. v. 08.09.1999 - 4 BN 14.99 (VGH BW) - ZfBR 2000, 275; BVerwG, Β. v. 11.05.1999 - 4 BN 15.99 (Bay. VGH) - NVwZ 1999, 1338 = BayVBl. 2000, 23 = Der Landkreis 2000, 47; BVerwG, B. v. 03.05.1993 - 4 NB 13.93 - Buchholz 406.12 § 1, Nr. 16, S.39; BVerwG, U. v.22.05.1987-4C 19/85-BRS 47, Nr.56 = DÖV 1987, 1013 = BauR 87, 528; OVG NW, U. v. 10.11.1988 - I I a NE4/87 - NVwZ 1989, 679 (680); Bay. VGH, U.v.23.12.1998-26 Ν98.1675-NVwZ-RR 2000, 79 (81); Bay. VGH, v. 16.07.1993-26 Ν 92.3315 - JURIS, S. 4; VGH Β W, Β. v. 04.05.1992 - 8 S 2914/91 - BWGZ 1992,651 = VB1B W 1992/8, VGHBW-Ls 283/1992; VGH BW, U.v. 06.12.1989-3 S 1278/88 - B W G Z 1990,506; VGH BW, U. v. 19.09.1984-3 S 1613/83 - BWGZ 1985, 130; zum Ausschluss nach § 1 IX BauNVO: OVG SH, U. v. 07.05.1998 - 1L 66/96 - NVwZ-RR 2000, 10 (11); VG Würzburg, U.v. 18.05.1995-W6K 94/29 - NVwZ-RR 1996, 136 (138). 158 BVerwG, Β. v. 11.05.1999 - 4 BN 15.99 (Bay. VGH) - NVwZ 1999, 1338 = BayVBl. 2000, 23 = Der Landkreis 2000, 47; in diesem Sinne auch: VGH BW, B. v. 04.05.1992 - 8 S 2914/91 - BWGZ 1992, 651 = VB1BW 1992/8, VGHBW-Ls 283/1992. 159 Schenke, WiVerw 1990, 226 (232). 160 VGH BW, U.v. 19.09.1984-3 S 1613/83-BWGZ 1985, 130 (132); vgl. Schlichter/ Friedrich, WiVerw 1988, 199 (259).

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

169

gebiet angesehen. Die Gemeinde kann nach der Rechtsprechung des Bay. VGH m auch Kriterien, wie die Verschlechterung der Verkehrssituation sowie die Befürchtung, dass sich eine Erweiterung der Zahl und Größe der vorhandenen großflächigen Einzelhandelsbetriebe ergibt, für einen derartigen Ausschluss zu Grunde legen. Diese beiden zuvor genannten Entscheidungen stehen in Kontrast zur Entscheidung des OVG RP vom 15.07.1987 162. Das OVG RP hat den Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben mit Ausnahme des KfZ-Zubehörhandels mit der Begründung, dass hiermit der Innenstadtbereich vor einer Verödung geschützt werden soll, wegen Verstoßes gegen das Übermaßverbot für unzulässig angesehen. Einzelhandelsbetriebe, die schon aufgrund des Platzbedarfs des Warensortiments, wie Bau- und Heimwerkermärkte, darauf angewiesen sind, in die Randlagen auszuweichen, können aufgrund ihres eingeschränkten Warensortiments eine Verödung der Innenstadt nicht bewirken. Nach Auffassung des Gerichts ist demzufolge ein genereller Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben aus Gewerbegebieten nicht zulässig163. cc) Stellungnahme: Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Die zuvor dargestellte Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines Ausschlusses gemäß § 1 V und IX BauNVO ist mit Rücksicht auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu bewerten. Der Plangeber ist aufgrund des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes verpflichtet, von einem umfassenden Ausschluss des Einzelhandels gemäß § 1 V BauNVO abzusehen und stattdessen entweder nur bestimmte Anlagentypen gemäß § 1 IX BauNVO auszuschließen164 oder Einzelhandelsbetriebe als nur ausnahmsweise zulassungsfähige Nutzungsarten festzusetzen 165, sofern hierdurch der städtebaulichen Zielsetzung genauso Rechnung getragen werden kann und die genannten Festsetzungsmöglichkeiten ein milderes Mittel darstellen. Geht man von dieser Grundlage aus, so ist der Beschränkung des Einzelhandels gemäß § 1 V und IX BauNVO mit der städtebaulichen Begründung, dass hierdurch Flächen für Gewerbebetriebe gesichert werden sollen, unbedenklich, weil es sich hierbei um ein zulässiges städtebauliches Ziel handelt. 161

Bay. VGH, U.v. 12.06.1986-2B 83 A 2467-BRS 46, Nr.20, S.49 (50). OVG RP, U.v. 15.07.1987-10 C46/86-NVwZ 1988, 379f. 163 Zustimmend: Hauth, BauR 1988, 513 (521); Hüttenbrink, DVB1. 1989, 69 (74); Schlez - BauNVO, 1994 - § 1, Rn. 13; kritisch: Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 1 BauNVO, Rn. 221. 164 Vgl. VGH BW, U. v. 16.12.1991 - 8 S 14/89 - NVwZ-RR 1993, 122 (125); Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998- § 1, Rn. 126; Hauth, BauR 1988,513 (522); Schenke, UPR 1986, 281 (293); Steger, BWGZ 1985, 110 (123). 165 Leder-BauNVO, 1992- § 1, Rn.21; Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 1, Rn. 102. 162

170

7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

Der vollständige Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben ist in diesem Zusammenhang nicht als Verstoß gegen das Übermaßverbot zu werten, weil durch einen nur beschränkten Ausschluss von bestimmten Einzelhandelsbranchen das verfolgte Ziel nicht genauso gut erreicht werden kann. Nicht zutreffend ist in diesem Zusammenhang der Einwand von Birk 166, dass kein spezieller städtebaulicher Grund denkbar sei, der einen branchenunabhängigen Ausschluss des Einzelhandels zu tragen vermag 167. Unproblematisch ist der Ausschluss gemäß § 1 IX BauNVO von Einzelhandelsbetrieben, die Güter des täglichen Bedarfs anbieten, um hierdurch die verbrauchernahe Versorgung im Ortszentrum zu sichern. Einer differenzierten Betrachtung bedürfen städtebauliche Begründungen, wonach durch den Einzelhandelsausschluss sowohl der Flächenbedarf bzw. die ungehinderte Nutzung von Gewerbebetrieben als auch die verbrauchernahe Versorgung sichergestellt werden soll. In diesem Kontext ist dem BVerwG beizupflichten, der in seiner Entscheidung vom 30.06.1989 m einen vollständigen Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben aus einem Gewerbegebiet als zulässig angesehen hat. Als tragende Begründung hat der Plangeber den Schutz vorhandener Gewerbebetriebe vor einer die typische Gewerbenutzung beeinträchtigenden Nutzung angegeben. Ergänzend wurde der Ausschluss mit dem Schutz vor einer Strukturveränderung und damit des zentrenorientierten Einzelhandels vor erheblichen Störungen begründet. Eine ähnliche Begründung lag der Entscheidung des BVerwG vom 08.09.1999 169 zugrunde. Auf den ersten Blick vergleichbar scheint auch die Sach- und Rechtslage zu sein, die Gegenstand der Entscheidung des OVG SH vom 29.06.1994 m war. Das Gericht sah die Klage eines Baumarktbetreibers als unbegründet an. Der Plangeber hatte im Bebauungsplan festgesetzt, dass nur Einzelhandelsbetriebe in Verbindung mit Herstellungs-, Wartungs-, Reparatur- und Kundendiensteinrichtungen zulässig sind. Dieser Ausschluss wurde nur mit der Begründung gerechtfertigt, dass hiermit zentrale Versorgungsbereiche gesichert werden sollen. Das Gericht geht davon aus, dass der Plangeber mit dieser Begründung bereits erkennen ließ, dass eine weitere Ausdehnung von Rächen für den allgemeinen Einzelhandel vermieden und damit zugleich verhindert werden soll, dass Rächen des Gewerbegebietes gerade nicht von Einzelhandelsbetrieben „besetzt" werden 171. 166

Birk, VB1BW 1988, 281 (288) = NWVB1. 1989, 73. So auch: Bay. VGH, U. v. 23.12.1998 - 26 Ν 98.1675 - NVwZ-RR 2000, 79 (82). 168 BVerwG, U. v. 30.06.1989 - 4C 16.88 - ZfBR 1990, 27 (28) = UPR 1989, 4360 = BRS 49, Nr. 30, S. 69. 169 BVerwG, B. v. 08.09.1999 - 4 BN 14.99 (VGH BW) - ZfBR 2000, 275; ähnlich: Bay. VGH, U.v. 18.06.1990- 15B 87.2142-BRS 50, Nr. 17, S.46 (47). 170 OVG SH, U. v. 29.06.1994 - I L 28/93 - SchlHA 1995, 240. 171 OVG SH, U.v. 29.06.1994- 1L 28/93 - SchlHA 1995, 240 (243). 167

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

171

Deshalb sei der Ausschluss gemäß § 1IX BauNVO mit der besonderen städtebaulichen Begründung gerechtfertigt, dass auch die Sicherung von Rächen des Baugebietes für andere Arten gewerblicher Nutzung intendiert ist. Die Auffassung des OVG SH ist abzulehnen. Der Schutz zentraler Versorgungsbereiche und die Sicherung von Gewerbeflächen für andere Arten gewerblicher Nutzung stellen zwei voneinander vollkommen unabhängige planerische Zielsetzungen der Gemeinde dar. Es kann daher nicht angehen, dass im Nachhinein städtebauliche Gründe für eine Planung als Interpretationsansatz für mögliche weitere städtebauliche Gründe dienen, die in den Planungsunterlagen noch nicht einmal Anklang gefunden haben. Es fehlt diesbezüglich insbesondere am konkreten städtebaulichen Bezug und damit an der „Besonderheit" des städtebaulichen Grundes. Folgte man der Ansicht des Gerichts, so würde das Begründungserfordernis sinnentlehrt und zur reinen Makulatur. Wird der vollständige Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben allein mit dem Schutz des zentrenorientierten Einzelhandels begründet, so liegt hierin ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Gleiches gilt für die Begründung, dass hiermit die Ortskernsanierung gesichert werden soll. Insoweit ist der Auffassung des OVG RP zuzustimmen. Zur Sicherung der Ortskernsanierung oder zum Schutz des Innenstadtzentrums vor einer Verödung, reicht es vollkommen aus, innenstadtrelevante Branchen und Sortimente auszuschließen. Nicht ausreichend kann es demgegenüber sein, nur großflächige Einzelhandelsbetriebe (ohne Auswirkungen im Sinne des § 11 III Nr. 2 BauNVO) auszuschließen, weil auch nicht-großflächige Einzelhandelsbetriebe negative Auswirkungen im Sinne des § 11 III Nr. 2 haben können172. Bei der Auswahl der auszuschließenden innenstadtrelevanten Sortimente sind an den Plangeber erhöhte Anforderungen gestellt. So kann der Ausschluss von Hobbymärkten mit einem relativ breiten innenstadtrelevanten Randsortiment im Gegensatz zum Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben wie Baumärkten, die Baustoffe, Baumaterialien, großteilige Werkzeuge und Maschinen führen, gerechtfertigt sein. 2. Der Ausschluss aus Kern- und Mischgebieten Fickert/Fieseler vertreten die Auffassung, dass sich eine Festsetzung wonach nur bestimmte Branchen oder Warengruppen in einem Kern- oder Mischgebiet zulässig bzw. ausgeschlossen werden, im Gegensatz zum Ausschluss in Industrie- und Gewerbegebieten in der Regel kaum städtebaulich begründen lasse173. Für diese Auffassung wird angeführt, dass eine solche Regelung schon einem Eingriff in den 172

Α. A. Hauth, BauR 1988, 513 (521), geht offenbar davon aus, dass ein Ausschluss von Nachbarschaftsläden zum Schutz vor einer Verödung der Innenstädte grundsätzlich unzulässig ist. 173 Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 1, Rn. 128.

172

7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

Wettbewerb nahe komme und die in § 11 III BauNVO aufgeführten städtebaulichen Gründe nur für den großflächigen Einzelhandel gelten und daher bei der Beurteilung des kleinflächigen Einzelhandels nicht in Betracht kämen. Die zuvor dargestellte Auffassung ist zumindest hinsichtlich der Zulässigkeit von Festsetzungen in Mischgebieten abzulehnen. Die Vertreter dieser Ansicht gehen offensichtlich davon aus, dass ein Ausschluss nach Branchen auch bei nicht-großflächigen Einzelhandelsbetrieben in Industrie- und Gewerbegebieten städtebaulich begründet werden kann, in Kern- und Mischgebieten dagegen nicht. Dies kann jedoch nicht überzeugen, weil auf die in § 11 III BauNVO aufgeführten Gründe weder beim Ausschluss nicht-großflächiger Einzelhandelsbetriebe aus Industrie- und Gewerbegebieten noch beim Ausschluss aus Mischgebieten unmittelbar zurückgegriffen werden muss. Die besondere städtebauliche Begründung etwa, dass mit dem Ausschluss bestimmter Anlagentypen des Einzelhandels die verbrauchernahe Versorgung im Ortskern geschützt werden soll, stellt ein Ziel im Sinne des § 1 V BauGB dar, so dass eine derartige Begründung nicht dem Ausschluss großflächiger Betriebe im Sinne des § 11 III BauNVO vorbehalten ist. Der VGH BW hat in seiner Entscheidung vom 13.12.1990 m daher konsequent den Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben u. a. der Lebensmittelbranche gemäß § 1 V in Verbindung mit IX BauNVO auch für nicht-großflächige Betriebe in einem Misch- und Gewerbegebiet als zulässig angesehen. Die städtebauliche Begründung, dass der Ausschluss innenstadtrelevanter Einzelhandelsbranchen gemäß § 1 IX BauNVO der Sicherung von Sanierungszielen und zur Erhaltung der Einkaufsfunktion des Ortsmittelpunktes dient, hat das Gericht als hinreichend angesehen175. Es ist demgegenüber wohl kaum vorstellbar, dass ein vollständiger Ausschluss des Einzelhandels in Kerngebieten durch städtebauliche Erwägungen begründet werden kann. Eine solche Festsetzung kann nicht mit dem Schutz der verbrauchernahen Versorgung begründet werden, weil die zentralen Versorgungsbereiche einer Gemeinde in der Regel als Kerngebiete ausgewiesen sind bzw. solchen entsprechen 176. Ein Ausschluss des großflächigen Einzelhandels bzw. von Einzelhandelsbranchen, die sich nicht auf Waren des täglichen Bedarfs beziehen, sowie eine Beschränkung der Verkaufsfläche ließe sich demgegenüber durch besondere städtebauliche Gründe rechtfertigen 177. Ein solch beschränkter Ausschluss kann in einer kleineren Stadt zur Sicherung eines vielfältigen Angebots von Geschäften, Dienstleistungen und zur Erhaltung der 174

VGH BW, U. v.13.12.1990-5 S 3215/89-S.2f., soweit ersichtlich n. v., im Anschluss daran: VGH BW, U.v.02.10.1992-8S 548/92-ZfBR 1993,149 = UPR 1993, 160. 175 VGH BW, U. v.13.12.1990-5 S 3215/89 - S. 11, soweit ersichtlich n.v. 176 Hauth, BauR 1986, 648 (653). 177 Birk in: Birk-Stadt und Ortskerne ohne Geschäfte?, 1986-S.51 (60).

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

173

Wohnnutzung auf dem bisherigen Niveau in der Ortsmitte gerechtfertigt sein 178 , wenn Anhaltspunkte bestehen, dass andere Branchen die zu schützenden Branchen verdrängen oder wenn durch zu große Einzelhandelsbetriebe, beispielsweise von Filialisten, die Branchenvielfalt im Ortszentrum nicht zu gewährleisten wäre.

VI. Beachtung allgemeiner Planungsgrundsätze Nimmt die Gemeinde Festsetzungen gemäß § 1 V und IX BauNVO vor, so muss sie hierbei die allgemeinen Planungsgrundsätze beachten. Der Plangeber hat insbesondere eine Ermittlung der abwägungserheblichen Belange vorzunehmen 179. Nur auf dieser Grundlage kann eine gerechte Abwägung erfolgen 180. Die Gemeinden sind grundsätzlich dazu befugt, ihre eigene „Städtebaupolitik"181 zu betreiben. Die Bauleitplanung darf jedoch nicht darauf abzielen, den Wettbewerb zu regeln 182 . Eine Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten gemäß § 1 V und IX BauNVO entfaltet jedoch stets mittelbare Auswirkungen auf den Wettbewerb. Allerdings überschreitet die Gemeinde ihre Befugnisse nicht, wenn die Planung auf der Grundlage einer städtebaulich gerechtfertigten Zielsetzung erfolgt 183 . 1. Die Erforderlichkeit

der Planung gemäß § 1 III BauGB

Aus § 1 III BauGB folgt, dass eine reine „Verhinderungs- oder Negativplanung" unzulässig ist 184 . An einem konkreten positiven Planungsziel scheitern auch soge178

Das BVerwG, B.v.29.07.1991 - 4 B 80.91 - D Ö V 1992,30 hat eine solche städtebauliche Begründung für ausreichend gehalten, um Vergnügungsstätten gemäß § 1 V BauNVO vollständig auszuschließen. 179 VGH BW, U. v. 19.09.1984 - 3 S 1613/83 - BWGZ 1985, 130; VGH Hess., U. v. 08.07.1993 - 4 UE 1225/88 - BRS 55, Nr. 6, S. 6 (11); Birk in: Birk - Stadt und Ortskerne ohne Geschäfte?, 1986-S.51 (64); Hauth, BauR 1986, 648 (653); Hüttenbrink, DVB1. 1983, 530 (534, Fn. 43); Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988 - 124; Schenke, UPR 1986,281 (293); Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988,199 (260); Steger, BWGZ 1985, 110(124). 180 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, B. 181 VGH BW, Β. v. 08.12.1999 - 8 S 3017/98 - VB1BW 2000, 279 (280) = IBR 2000, 455 = JURIS, 5 = VB1BW 3/2000, Β 5 - VGHBW-LS 72/2000. 182 Berg, WiVerw 1990, 209 (212). 183 OVG Bremen, U.v. 21.09.1999- 1A 186/99 - Ν VwZ-RR 2000, 567 (568) = UPR 2000, 74. 184 BVerwG, Β. v. 11.05.1999 - 4 BN 15.99 (Bay. VGH) - NVwZ 1999, 1338 = BayVBl. 2000, 23 = Der Landkreis 2000, 47; BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4C 25.82 - BauR 1984, 373 (374) = UPR 1984, 231 = BVerwGE 68, Nr. 55, S. 360; BVerwG, U. v. 14.07.1972 - IV C 8.70-BVerwGE 40, Nr. 44, 258 (261); Bay. VGH, v. 16.07.1993-26 Ν 92.3315-JURIS, S.4; Bay. VGH, U.v. 29.11.1991 - 1 Β 90.2688 - BRS 54, Nr. 9, S.22 (24); Grooterhorst, DVB1. 1985, 703 (707).

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7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

nannte Textbebauungspläne, die lediglich die undifferenzierte textliche Festsetzung beinhalten, dass Einzelhandelsbetriebe vollständig, bzw. branchen- oder verkaufsflächenbezogen im gesamten Gemeindegebiet ausgeschlossen sind 185 . Unzulässig ist auch ein Bebauungsplan, der aus Rechtsgründen der Vollzugsfähigkeit entbehrt, weil er die mit seinem Erlass gesetzte Aufgabe der verbindlichen Bauleitplanung nicht zu erfüllen vermag und deshalb gegen das in § 1 III BauGB enthaltene Gebot der Erforderlichkeit der Planung verstößt 186. Gleiches gilt, wenn mit der Planverwirklichung auf absehbare Zeit aus tatsächlichen Gründen nicht zu rechnen ist 187 . Bauplanerische Festsetzungen sind jedoch nicht erst dann zulässig, wenn sie zur Bewältigung einer bauplanungsrechtlichen Problemlage unentbehrlich oder gar zwingend geboten sind, sondern bereits dann, wenn diese vernünftigerweise geboten sind und einen Anknüpfungspunkt in der planerischen Konzeption der Gemeinde aufweisen 188. Die Gemeinde ist mit anderen Worten schon dann zur Planung befugt, wenn hierfür hinreichend gewichtige städtebauliche Allgemeinbelange angeführt werden können 189 . Eine Planungsbefugnis ist demzufolge bereits dann gegeben, wenn die Gemeinde Fehlentwicklungen, die der jeweiligen planerischen Konzeption der Gemeinde190 widersprechen, begegnen will. Das BVerwG hat in seinen Entscheidungen vom 11.05.1999 m und vom 08.09J999 192 klargestellt, dass eine Gemeinde Einzelhandelsbetriebe aus einem Gewerbegebiet zur Stärkung des produzierenden Gewerbes ausschließen kann, 185

Vgl. Hauth, BauR 1986, 648 (656) m.w.N.; Schenke, DÖV 1988, 233 (242), vgl. VGH BW, U.v. 16.12.1991 - 8 S 14/89-NVwZ-RR 1993, 122 (126); a.A.: Kniep, GewArch 1983, 149 (150). 186 BVerwG, B. v. 25.08.1997 - 4 NB 12.97 - Buchholz 406.11, § 6 BauGB Nr. 7, S. 1 (4); BVerwG, U. v. 22.01.1993- 8 C 46.91 - NVwZ 1993, 1102 (1104). 187 BVerwG, B. v. 08.09.1999 - 4 BN 14.99 (VGH BW) - ZfBR 2000, 275; Schenke, WiVerw 1990, 226 (232); Steiner in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 313 (322); Stüer/Rude, DVBl. 2000, 312 (313); a.A. wohl: Grooterhorst, DVBl. 1985, 703 (704), der von einer Vollzugsunabhängigkeit der Planung ausgeht. 188 BVerwG, U. v. 22.01.1993 - 8 C 46.91 - NVwZ 1993, 1102 (1103); BVerwG, U.v. 14.02.1991 - 4 C 20.88-NVwZ 1992, 477 (478); Bay. VGH, U.v.23.05.1985-2N 83 A.1490 - BayVBl. 1986, 114 (116) = BRS 44, Nr. 44, S. 104 = ZfBR 1985, 292; VGH Hess., U.v. 08.07.1993 - 4 UE 1225/88 - BRS 55, Nr. 6, S. 6 (11); Birk, VB1BW 1988, 281 (288) = NWVB1. 1989, 73. 189 BVerwG, U.v. 12.12.1969-IV C 105.66-BayVBl. 1970, 180(181). 190 BVerwG, B.v. 17.05.1995 - 4 NB 30.94 - BayVBl. 1995, 632 (633);); Bay. VGH, U. v. 23.05.1985 - 2N 83 A. 1490 - BayVBl. 1986,114(115) = BRS 44, Nr. 44, S. 104 = ZfBR 1985, 292, Bay. VGH, U.v.08.11.1999- 14 Ν98.3623-BauR 2000, 699 (700). 191 BVerwG, Β. v. 11.05.1999 - 4 BN 15.99 (Bay. VGH) - NVwZ 1999, 1338 = BayVBl. 2000, 23 = Der Landkreis 2000, 47; im Anschluss hieran: Bay. VGH, U. v. 08.11.1999 - 14 Ν 98.3623 - BauR 2000, 699 (700); Gaentzsch, NVwZ 2000, 993 (994); Stüer/Rude, DVBl. 2000,312(314). 192 BVerwG, B. v. 08.09.1999 - 4 BN 14.99 (VGH BW) - ZfBR 2000, 275.

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

175

ohne verpflichtet zu sein, zur Rechtfertigung dieses Ziels einen konkreten Nachweis zu erbringen, dass ohne diese Beschränkung andere Einzelhandelsstandorte gefährdet werden oder das Ortszentrum an Attraktivität verliert. Es bedarf auch keines Nachweises, dass aufgrund eines spürbaren Nachfragedrucks ein unabweisbares Bedürfnis für Flächen zur Nutzung durch das produzierende Gewerbe vorhanden ist. Im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses muss demzufolge kein aktueller Flächenbedarf von Betrieben des produzierenden Gewerbes bestehen. Es muss der Gemeinde vielmehr möglich sein, im Vorgriff auf künftige Entwicklungen bauplanerische Regelungen zu treffen, mit der sie einer Bedarfslage gerecht werden kann, die sich zwar noch nicht konkret abzeichnet, aber bei vorausschauender Betrachtung in einem absehbaren Zeitraum erwartet werden kann.

2. Stellungnahme: Flächenbedarf als wirtschaftlich reale Möglichkeit Den Ausführungen des BVerwG 193 ist grundsätzlich zuzustimmen. Allerdings muss betont werden, dass zumindest Anhaltspunkte für einen Bedarf an Gewerbeflächen vorliegen müssen, um eine gewerbliche Nutzung als eine wirtschaftlich reale Möglichkeit 194 erscheinen zu lassen. Um den Interessen der Planbetroffenen gerecht zu werden, ist der Ansatz des Bay. VGH 1 9 5 in der vorhergehenden Instanz aufzugreifen, der eine Planungspflicht 196 nach vier Jahren in Anlehnung an § 18 I BauGB in Betracht gezogen hat, sofern nach dieser Zeit die im Bebauungsplan festgesetzte Nutzung nicht realisiert werden konnte und das Festhalten an der Planung für den Grundstückseigentümer wie eine Veränderungssperre wirkt. Hiermit wäre ein wichtiges Korrektiv gegeben, mit dem sichergestellt werden könnte, dass die planerische Entscheidung der Gemeinde nach einem absehbaren Zeitraum überprüft wird 197 .

193 BVerwG, B. v. 08.09.1999 - 4 BN 14.99 (VGH BW) - ZfBR 2000, 275; BVerwG, Β. v. 11.05.1999 - 4 BN 15.99 (Bay. VGH) - NVwZ 1999, 1338 = BayVBl. 2000, 23 = Der Landkreis 2000, 47; im Anschluss daran: Bay. VGH, U. v. 08.11.1999 - 14 Ν 98.3623 - BauR 2000, 699 (700). 194 So bereits: Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988- 13 (52); Schenke, WiVerw 1990, 226 (232). 195 Bay. VGH, U. v. 23.12.1998 - 26 N98.1675 - NVwZ-RR 2000, 79 (82). 196 Vgl. zur Planungspflicht der Gemeinden: Stober, WiVerw 1984, 129 (132f.). 197 Zur Anpassungs- oder Abänderungspflicht aufgrund einer Widerlegung einer Prognoseentscheidung siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt D.III. 1.

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7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

VII. Rechtsfolgen unzulässiger Festsetzungen 1. Nichtigkeit der Satzung Die Nichtigkeit der Festsetzungen über Ausschlüsse gemäß § 1 V und IX BauNVO führen immer dann zur Nichtigkeit des Bebauungsplanes im Ganzen198, wenn die Festsetzungen in objektiver Hinsicht untrennbarer Bestandteil des Regelungsgefüges des Bebauungsplanes sind, die restlichen Festsetzungen ohne den nichtigen Teil keine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 BauGB bewirken können (Grundsatz der Teilbarkeit) und davon auszugehen ist, dass die Gemeinde den Plan nicht ohne die jeweilige Maßgabe beschlossen hätte (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers) 199. Um den diesbezüglichen Willen der Gemeinde festzustellen, ist maßgeblich auf die Planbegründung abzustellen200. Sind die nichtigen Ausschlüsse kein untrennbarer Teil des Bebauungsplanes, so ergibt sich eine Teilnichtigkeit. Von einer Gesamtnichtigkeit eines Bebauungsplanes ist insbesondere dann auszugehen, wenn eine Festsetzung nichtig ist, die die allgemeine Zulassung von Einzelhandelsbetrieben verhindern sollte, um eine Verödung der Innenstadt zu vermeiden 201.

2. Schadensersatzansprüche bei rechtswidrigen Nutzungsbeschränkungen Bei Nutzungsbeschränkungen durch rechtswidrige Bebauungsplanfestsetzungen bietet das Planungsschadensrecht und insbesondere § 42 BauGB keine Entschädigungsgrundlage, wohl aber das Institut des enteignungsgleichen Eingriffs und die Amtshaftung 202. In diesem Zusammenhang soll nachfolgend nur auf die Voraussetzungen der Amtshaftung eingegangen werden. Es ist nunmehr allgemein anerkannt, dass ein Amtshaftungsanspruch grundsätzlich auch bei normativem Unrecht, also bei rechtswidrigen untergesetzlichen 198 So in folgenden Fällen: BVerwG, B.v.29.03.1993-4 NB 10.91 - BRS 55 Nr.30, S.77; OVG Nds., U. v. 26.02.1999 - 1 Κ 1539/97 - BauR 1999, 1436 (1438) = NVwZ-RR 2000, 562 = IBR 2000, 95; OVG Berlin, U. v. 19.12.1989 - 2 A 7.87 - BRS 50, Nr. 20, S. 59 (61). 199 BVerwG, B. v. 04.01.1994 - 4 NB 30.93 - BRS 56. Nr. 33, S. 97 (100); BVerwG, Β. v. 18.12.1990 - 4 NB 19.90 - BRS 50, Nr. 19, S. 51 (57); BVerwG, B. v. 08.08.1989 - 4 NB 2.89 - BRS 49, Nr. 35, S. 87 (88); BVerwG, Β. v. 18.07.1989 - 4 Ν 3.87 - BRS 49, Nr. 34, S. 80 (84); VGH BW, B. v. 20.06.1995 - 8 S 237/95 - NVwZ-RR 1996, 139; VGH BW, U. v. 19.09.1984 - 3 S 1613/83 - BWGZ 1985, 130; VGH BW, U. v. 30.04.1981 - 8 S 864/80-VerwRspr. 32, Nr.209, S. 1003 (1005); Bay. VGH, U.v. 08.11.1999-14 Ν 98.3623BauR 2000, 699 (703). 200 OVG NW, B.v. 01.10.1996- 10 a D102/96. NE-BRS 58, Nr. 33, S. 129 (130). 2 °i BVerwG, B.v.29.03.1993-4 NB 10.91 - BRS 55 Nr.30, S.77 (81). 202 Hoppe in: H/G - Öffentliches Baurecht, 1995 - § 9, Rn. 12, S. 429.

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

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203

Rechtsnormen, eröffnet sein kann . Ein Schadensersatzanspruch des Planbetroffenen kann sich demzufolge aus Amtshaftung gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG ergeben 204. Die Planbetroffenen können Schadensersatzansprüche aus einer Amtspflichtverletzung für Schäden geltend machen, die aus der amtspflichtwidrig unterbundenen oder eingeschränkten Nutzung resultieren. Jedem Mitglied des Gemeinderates ist im Sinne des Art. 34 GG ein öffentliches Amt anvertraut. Bei der Beschlussfassung über die Bebauungsplansatzung handeln die Gemeinderatsmitglieder demzufolge als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne 205 . Die Gemeinderatsmitglieder tragen die Amtspflicht bei der Beschlussfassung die privaten und öffentlichen Belange im Sinne des § 1 V I BauGB gerecht abzuwägen 206 . Bei einer nichtigen Nutzungsbeschränkung kann die Amtspflichtverletzung demzufolge darin bestehen, dass der Gemeinderat bei der Verabschiedung des Bebauungsplanes die privaten Belange der Planbetroffenen nicht beachtet hat 207 . Hat die Gemeinde beispielsweise nicht hinreichend die abwägungserhebliche privaten Interessen mit dem ihnen zukommenden Gewicht und den daraus folgenden Konsequenzen ermittelt, weil kein Marktgutachten erstellt wurde, so leidet der Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis an einem Mangel. Zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Dritten muss eine besondere Beziehung bestehen. Ein solcher Drittbezug 208 ist bei einer rechtswidrigen Nutzungsbeschränkung durch eine Bebauungsplanfestsetzung gegeben, weil die durch einen verbindlichen Bauleitplan betroffenen Grundstückseigentümer oder sonst dinglich Berechtigten eine durch die räumlichen Grenzen des Planes und ihre rechtlichen Beziehungen zu den erfassten Grundstücken bestimmte Personengruppe darstellen, die alleiniger Adressat dieser untergesetzlichen Norm ist 209 . 203 Vgl. Maurer - Allgemeines Verwaltungsrecht, 1997-§25, Rn.51, S.643f.; weiterhin umstritten ist dagegen die Frage, ob die Amtshaftung auch legislatives Unrecht erfasst, vgl. hierzu: Schenke, DVBl. 1975, 121; Schenke - Rechtsschutz bei normativem Unrecht, 1979. 204 BGH, U.v.28.06.1984-III ZR35/83-NJW 1984, 2516 (2519); Schenke, DÖV 1988, 233 (243); Schenke, UPR 1986, 281 (293). 205 BGH, U. v. 28.06.1984 - III ZR 35/83 - NJW 1984, 2516 (2519); BGH, U. v. 24.06.1982-III ZR169/80-NJW 1983, 215 (216); BGH, v.30.01.1975-III ZR18/72-WM 1975, 630 (633); Ossenbühl - Staatshaftungsrecht, 1998 - S. 107. 206 Battis in: Β KL - BauGB, 1999 - § 39, Rn. 6; Teschner - Amtshaftung, Diss. 1990 - S. 78 ff.; auf die „Altlasten"-Rechtsprechung des BGH soll hier nicht eingegangen werden; vgl. hierzu: Kühn - Die Amtshaftung der Gemeinden wegen Überplanung von Altlasten, Diss. 1996. 207 BGH, U.v.28.06.1984-III ZR35/83-NJW 1984, 2516 (2519); Maurer-Allgemeines Verwaltungsrecht, 1997 - § 25, Rn. 53, S. 647; Ossenbühl - Staatshaftungsrecht, 1998 - S. 108. 208 A n einem Drittbezug mangelt es beispielsweise bei einem Verstoß gegen das Entwicklungsgebot gemäß § 8 II BauGB; vgl. BGH, v. 24.06.1982 - III ZR 169/80 - NJW 1983, 215 (217). 209 BGH, U. v. 28.06.1984-III ZR 35/83-NJW 1984,2516(2519); BGH, v. 24.06.1982-III ZR 169/80- NJW 1983,215 (216); BGH, v. 30.01.1975 - III ZR 18/72- W M 1975,630 (633), Detterbeck/Windthorst/Sproll - Staatshaftungsrecht, 2000 - 3. Teil, § 9; Rn. 70, S. 120 und

12 Kopf

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7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

Die genannten Personen gehören nach der Rechtsprechung des BGH 2 1 0 zu dem erkennbar abgegrenzten Kreis Dritter im Sinne des § 839 BGB, auf deren schutzwürdige Interessen bei der konkreten Planungsmaßnahme in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise Rücksicht zu nehmen ist. Ein Amtshaftungsanspruch wegen rechtswidriger Bebauungsplanfestsetzungen setzt ein Verschulden der Gemeinderatsmitglieder voraus. Hierbei gilt ein objektivierter Sorgfaltsmaßstab. Es kommt demnach nicht auf die konkreten Fähigkeiten eines Gemeinderatsmitglieds an, sondern es sind die Fähigkeiten eines „pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten" als Maßstab zugrunde zu legen.211 Im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen wegen Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten durch rechtswidrige Festsetzungen in einem Bebauungsplan ist insbesondere § 839 III BGB zu beachten. Nach § 839 III BGB sind Amtshaftungsansprüche ausgeschlossen, sofern es der Geschädigte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Diese Regelung stellt eine Ausprägung des ungeschriebenen Rechtsgrundsatzes des Vorrangs des Primärrechtsschutzes dar. Demzufolge steht dem von einem rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in sein Eigentum Betroffenen nicht die Wahl zu, ob er den Eingriff mit den vorgesehenen Rechtsbehelfen des öffentlichen Rechts abwehren oder ihn hinnehmen und statt dessen eine Entschädigung geltend machen will 2 1 2 . Nach der Rechtsprechung des BGH 2 1 3 sind Rechtsmittel im Sinne des § 839 III BGB alle Rechtsbehelfe, die sich gegen die eine Amtspflichtverletzung darstellende Handlung und Unterlassung richten und sowohl deren Beseitigung oder Berichtigung als auch die Abwendung des Schadens zum Ziel haben und herbeizuführen geeignet sind. Unter den Begriff des Rechtsmittels fallen demzufolge auch die förmlichen Rechtsbehelfe, insbesondere die verwaltungsgerichtlichen Klagen nach der VwGO 2 1 4 . Der Vorrang des Primärrechtsschutzes gilt jedoch nach ganz herrschender Meinung nicht unbeschränkt. Der Gebrauch eines Rechtsmittels kann vom GeschädigRn. 154, S. 155; Hoppe in: H/G - Öffentliches Baurecht, 1995- § 19, Rn.27, S.697; Maurer - Allgemeines Verwaltungsrecht, 1997-§25, Rn.53, S.646; Schenke, UPR 1986, 281 (293). 210 BGH, U. v. 28.06.1984 - III ZR 35/83 - NJW 1984, 2516 (2519); kritisch: Kühn - Die Amtshaftung der Gemeinden wegen Überplanung von Altlasten, Diss. 1996- S. 44ff. 211 Boujong, WiVerw 1991,59 (69); Kühn - Die Amtshaftung der Gemeinden wegen Überplanung von Altlasten, Diss. 1996-S. 89ff.; Teschner - Amtshaftung, Diss. 1990-S. 218 ff. 2,2 Vgl. BGH, U. v. 15.11.1990 - III ZR302/89 - BGHZ 113, Nr. 3, S. 17 (24). 213 BGH, B.v. 13.07.1984-III ZR6/84-VersR 1984, 947. 214 Detterbeck/Windthorst/Sproll-Staatshaftungsrecht, 2000-3. Teil, § 10, Rn.61, S. 192; Ossenbühl - Staatshaftungsrecht, 1998 - S. 94; dazu zählt aufgrund ihres Ausnahmecharakters allerdings nicht die Verfassungsbeschwerde: BGH, U.v. 23.03.1959-III ZR 207/57 - BGHZ 30, Nr. 3, S. 19 (28).

C. Die Instrumentarien der BauNVO zur Steuerung der Ansiedlung

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ten nur dann verlangt werden, wenn diese Vorgehensweise zumutbar ist . Hinsichtlich der Bestimmung der Zumutbarkeit sind nicht nur die Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des Eingriffs, die Zeitdauer und die Effizienz des Primärrechtsschutzes zu berücksichtigen, sondern auch das mit dem Rechtsmittel verbundene Kostenrisiko 216. Wurde die Errichtung eines Einzelhandelsbetriebes aufgrund einer rechtswidrigen Bebauungsplanfestsetzung versagt, so ist es nach der Ansicht des BGH 2 1 7 dem Bauantragsteller zumutbar, gegen diesen Bescheid Widerspruch einzulegen und eine verwaltungsgerichtliche Klage anzustrengen, in der eine inzidente Prüfung des Bebauungsplans auf seine Rechtmäßigkeit erfolgt. Schwieriger zu beantworten ist hingegen die Frage, welches Rechtsmittel ein Grundstückseigentümer einzulegen hat, der durch die Festsetzungen eines Bebauungsplanes zwar in der Nutzung seines Grundstücks eingeschränkt wird, dieser jedoch noch keinen Bauantrag bzw. Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides gestellt hat. Von einem Nutzungsberechtigten kann nicht verlangt werden, dass dieser eine Baugenehmigung beantragt 218, die den Festsetzungen des Bebauungsplanes offensichtlich widerspricht, um auf der Grundlage eines abschlägigen Bescheids eine inzidente Überprüfung des Bebauungsplanes im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Klage geltend machen zu können. In dieser Fallkonstellation könnte allenfalls ein Normenkontrollantrag gemäß §47 VwGO in Frage kommen. Der Normenkontrollantrag ist grundsätzlich als ein Rechtsmittel im Sinne des §839 III BGB zu qualifizieren 219. Damit ist jedoch nicht geklärt, ob die Einleitung eines Normenkotrollverfahrens für den Planbetroffenen zumutbar ist. Diese Rechtsfrage wurde in der Rechtsprechung - so weit ersichtlich - bislang noch nicht entschieden220. Boujong hat diesbezüglich zutreffend ausgeführt, dass die Frage, ob der Eigentümer gehalten ist, gegen einen Bebauungsplan nach § 47 VwGO vorzugehen, nicht generell, sondern nur einzelfallbezogen beantwortet werden kann 221 . Die Prüfungsund Anfechtungsobliegenheiten im Sinne des § 839 III BGB dürfen nicht über2,5

Detterbeck/Windthorst/Sproll-Staatshaftungsrecht, 2000-3. Teil, § 10, Rn.49, S. 188. BGH, U. v. 28.06.1984 - III ZR35/83 - NJW 1984,2516 (2519 f.); Maurer-Allgemeines Verwaltungsrecht, 1997 - § 26, Rn. 99, S. 714. 217 BGH, B.v.21.12.1990-III ZR280/89-BRS 53, Nr.27, S. 127f. 2,8 Vgl. BGH, U. v. 17.04.1980 - III ZR 167/78 - NJW 1980, 2576 (2577), nach der zutreffenden Ansicht des Gerichts kann die Beantragung eines Β au Vorbescheides nicht als Rechtsmittel im Sinne des § 839 III BGB angesehen werden; zustimmend: Ossenbühl - Staatshaftungsrecht, 1998-S. 94. 219 Ausdrücklich: Maurer - Allgemeines Verwaltungsrecht, 1997 - § 25, Rn. 51, S. 645. 220 Offengelassen: BGH, B.v.21.12.1990-111 ZR280/89-BRS 53, Nr.27, S. 127. 221 Boujong, WiVerw 1991, 59 (72). 216

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7. Kap.: Steuerung der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben

spannt werden 222. Eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Zumutbarkeit spielen nach Boujong die Art des zur Nichtigkeit des Plans führenden Fehlers und der Grad seiner Erkennbarkeit 223 für den Eigentümer. Wie die zuvor dargelegten Ausführungen 224 gezeigt haben, ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten 225 eines Normenkontrollantrags gegen einen Bebauungsplan, der einen vollständigen, einen nur branchenbezogenen oder verkaufsflächenbezogenen Ausschluss des Einzelhandels beinhaltet, nicht einfach. Außerdem müsste der Grundstückseigentümer ein hohes Prozess- und Kostenrisiko tragen. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Durchführung eines Normenkontrollverfahrens bei einer rechtswidrigen Einschränkung des Einzelhandels in der Regel nicht zumutbar ist. In diesem Zusammenhang ist auch daraufhinzuweisen, dass die Vorschaltung eines Normenkotrollverfahrens für die Entscheidung über die Begründetheit der Amtshaftungsklage keine prozessuale Notwendigkeit darstellt. Nach allgemeiner Auffassung 226 steht den Oberverwaltungsgerichten kein Verwerfungsmonopol zu. Die Zivilgerichte sind zur Inzidentprüfung von Bebauungsplänen berechtigt 227. Kommt man im Einzelfall dennoch zu dem Ergebnis, dass die Einleitung eines Normenkotrollverfahrens zumutbar ist, so steht dem Planbetroffenen ein Entschädigungsanspruch für Verzögerungsschäden zu, die während des Normenkontrollverfahrens entstanden sind 228 . In diesem Fall fehlt es an einer Kausalität zwischen dem Unterlassen des Normenkontrollantrages und dem eingetretenen Schaden.

222 in diesem Sinne auch: BGH, U.v. 15.11.1990 - III ZR 302/89 - BGHZ 113, Nr. 3, S. 17 (24); Maurer- Allgemeines Verwaltungsrecht, 1997 - § 26, Rn. 99, S. 715. 223 Vgl. zur Erkennbarkeit: BGH, U.v. 15.11.1990-III ZR 302/89-BGHZ 113, Nr. 3, S. 17 (24). 224 Siehe 7. Kapitel, C. II. bis VI. 225 Auch der BGH berücksichtigt im Rahmen der Zumutbarkeit die Erfolgsaussichten einer verwaltungsgerichtlichen Klage: BGH, U. v. 28.06.1984 - III ZR 35/83-NJW 1984, 2516 (2519); zustimmend: Papier in: Münchner Kommentar zum BGB, 1997 - § 839, Rn. 330. 226 Vgl. Boujong, WiVerw 1991, 59 (62). 227 BGH, U.v.28.05.1976-III ZR 137/74-BauR 1976, 336 = NJW 1976, 1745. 228 Boujong, WiVerw 1991, 59 (73).

Achtes Kapitel

Besonderheiten im Baugenehmigungsverfahren A. Unzulässigkeit gemäß § 15 BauNVO Eine bauliche Anlage im Sinne der §§ 2 bis 14 BauNVO, die in einem Gebiet grundsätzlich zulässig ist, kann im Einzelfall gemäß § 15 I BauNVO trotzdem unzulässig sein.

I. Widerspruch zur Eigenart des Baugebietes gemäß §15 I I BauNVO Die Eigenart des Baugebietes wird von der allgemeinen Zweckbestimmung des Absatzes 1 der jeweiligen Baugebietsvorschrift, durch sonstige Festsetzungen im Bebauungsplan, die jeweilige örtliche Situation und durch den Planungswillen der Gemeinde bestimmt1. Ein Einzelhandelsgroßprojekt kann demzufolge nach Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart eines Baugebietes widersprechen, wenn das Gebiet durch die örtliche Situation, in die es hineingeplant worden ist, und aufgrund eines entsprechenden Planungswillens der Gemeinde eine, die Zulässigkeit des konkreten Vorhabens ausschließende Prägung hat2. Ein derartiger Planungswille der Gemeinde muss sich allerdings in den Festsetzungen des Bebauungsplanes niedergeschlagen haben. In den Festsetzungen des Bebauungsplans kann eine, Einzelhandelsgroßprojekte ausschließende, Prägung eines Gewerbegebietes insbesondere durch eine für ein derartiges Vorhaben zu geringe Dimensionierung der örtlichen Verkehrsflächen zum Ausdruck kommen3. Eine Unzulässigkeit eines Einzelhandelsbetriebs in einem Gewerbegebiet kann gegeben sein, wenn der Plangeber dieses Gebiet ausgewiesen hat, um den Fehlbedarf an Grundstücken für innenstadtbezogene Gewerbebetriebe zu verringern 4. 1 Bröll, ZfBR 1986, 271 (278); Kniep, BWGZ 1981, 500; Roeser in: König - BauNVO, 1999- § 15, Rn. 11 f.; Bröll, ZfBR 1986, 271 (278). 2 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 17/82 - BRS 42, Nr. 51, S. 133 (137) = NVwZ 1984, 583 = UPR 1984, 229 = BauR 1984, 369 = NJW 1984, 1775; BVerwG, U. V.25.11.1983-4C 21/83-NJW 1984, 1574 (1575). 3 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4C 17/82 - BRS 42, Nr. 51, S. 133 (138) = NVwZ 1984, 583 = UPR 1984, 229 = BauR 1984, 369 = NJW 1984, 1775, Bosch, BauR 1984, 350 (354). 4 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4C 17/82 - BRS 42, Nr. 51, S. 133 (137) = NVwZ 1984, 583 = UPR 1984, 229 = BauR 1984, 369 = NJW 1984, 1775; Bröll, ZfBR 1986, 271 (278).

182

8. Kap.: Besonderheiten im Βaugenehmigungsverfahren

Ein Einzelhandelsbetrieb kann nach seiner Lage der Eigenart eines Gewerbeoder Industriegebietes widersprechen, wenn durch sein Hinzutreten eine Gliederung im Sinne des § 1IV BauNVO entstünde, weil sich ein herausgegliedertes Einzelhandelsgebiet bilden würde, obwohl eine solche Gliederung vom Plangeber nicht intendiert ist 5 . Eine Unzulässigkeit nach der Anzahl gemäß § 15 11 BauNVO besteht nach der Rechtsprechung des BVerwG 6 dann, wenn durch die geplante Ansiedlung eine Entwicklung hin zu einer anderen Gebietsart verstärkt würde 7. Der VGH BW hatte bereits zuvor in seiner Entscheidung vom 18.06.1986 s die Ansiedlung eines Einzelhandelsbetriebes in einem Mischgebiet gemäß § 15 11 BauNVO als unzulässig angesehen, weil durch die Ansiedlung in quantitativer Hinsicht die gewerbliche Nutzung mit 85 % der Grundstücksfläche ein erdrückendes Übergewicht gegenüber der Wohnnutzung mit 15 % gewinnen würde. Andernfalls würde eine Nutzung zugelassen, die der Eigenart des Gebietes widersprechen würde, wobei es für die Eigenart des Mischgebietes kennzeichnend ist, dass dieses gleichrangig und gleichgewichtig dem Wohnen und dem Gewerbe zu dienen hat. Das Gericht wendet sich damit auch gegen die von der Vorinstanz vertretene Auffassung, wonach eine Unzulässigkeit in diesem Sinne nur bei einem Übergewicht von ausnahmsweise zugelassenen Nutzungsarten anzunehmen ist. Der zuvor dargelegte Grundsatz der wechselseitigen Rücksichtnahme gelte auch für die allgemein zulässigen Nutzungsarten.

II. Unzumutbare Belästigungen und Störungen gemäß §15 12 BauNVO § 15 I BauNVO bezieht sich nur auf das Baugebiet selbst oder dessen nähere Umgebung. Fernwirkungen wie beispielsweise negative Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung in einem größeren Einzugsgebiet sind nach ganz herrschender Auffassung 9 nur im Rahmen des § 11 III BauNVO nicht jedoch gemäß § 15 I BauNVO beachtlich. Begründet wird dies damit, dass § 15 12 BauNVO als Ausdruck des Gebotes der Rücksichtnahme einen eingrenzbaren Bereich von Grundstü5

Schlotterbeck, VB1BW 1986, 361 (364). BVerwG, U. v.04.05.1988 - 4 C 34.86- UPR 1988, 442 = DVB1. 1988, 848. 7 So bereits Kniep, BWGZ 1981, 500; Schlotterbeck, VB1BW 1986, 361 (364). 8 VGHBW, U.v. 18.06.1986-8 S 1068/86-VB1BW 1987,106 (107); weitgehend bestätigt durch: BVerwG, U.v.04.05.1988-4C 34.86-UPR 1988, 442 = DVB1. 1988, 848; so auch: OVG Berlin, U. v.21.06.1991 - 2 B 7.89-BRS 52, Nr.51, S. 136 (138); Hauth, BauR 1988,513 (518). 9 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 17/82 - BRS 42, Nr. 51, S. 133 (137) = NVwZ 1984, 583 = UPR 1984,229 = BauR 1984,369 = NJW 1984,1775; OVG NW, U.v. 25.04.1991 - 1 1 A 1755/87 - NVwZ-RR 1992, 118 (119); Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 18.6; Schenke, UPR 1986, 281 (286 und 290); Schlotterbeck, VB1BW 1986, 361 (364); Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 ; Rn. 87. 6

Α. Unzulässigkeit gemäß § 15 BauNVO

183

cken erfordert, auf die Rücksicht zu nehmen ist. § 15 12 BauNVO stellt nicht auf städtebaulich-funktionale Bezüge ab, sondern auf unmittelbar die konkrete Nutzung von Grundstücken betreffende Beeinträchtigungen 10. Nur Kniep vertritt eine extensive Auslegung, wonach eine Unzulässigkeit einer Ansiedlung im „Cityrandgebiet" gemäß § 15 BauNVO anzunehmen sei, wenn die Bewahrung und Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit städtischer Zentren beeinträchtigt würde. Außerdem seien in diesem Zusammenhang auch planerische Gedanken eines Regionalplanes oder anderer Planungsvorhaben zu berücksichtigen 11. Die Auffassung von Kniep ist abzulehnen, weil § 15 12 BauNVO einen engen räumlichen Zusammenhang zwischen dem störenden Vorhaben und dem „gestörten" Bereich voraussetzt. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Unzumutbarkeit kennzeichnet nach Auffassung des BVerwG 12 solche Beeinträchtigungen, die einer enteignungsrechtlichen Bedeutung im Sinne des Art. 14 GG nahe kommen. In diesem Zusammenhang ist die tatsächliche oder plangegebene Vorbelastung des fraglichen Gebiets zu berücksichtigen13. Unzumutbare Belästigungen können bei Einzelhandelsgroßprojekten gegeben sein, wenn der aus der Ansiedlung resultierende Kundenverkehr eine für das Gebiet ungewöhnliche Belastung der öffentlichen Wege darstellt und dadurch die Nutzbarkeit anderer Grundstücke erheblich behindert oder Wohngrundstücke durch Immissionen stark beeinträchtigt werden 14. Auch eine zu erwartende Überlastung einer Erschließungsstraße in der Folge einer Ansiedlung kann demzufolge zur Unzulässigkeit eines Einzelhandelsgroßprojektes gemäß § 15 12 BauNVO führen 15. Nach der Rechtsprechung16 ist einem Betrieb jedoch nur der Verkehr auf einer öffentlichen Straße im Sinne der Kausalität zuzurechnen, der in einem räumlich überschaubaren Bereich entsteht und der noch nicht zum ununterscheidbaren Teil des allgemeinen Straßenverkehrs geworden ist. 10 BVerwG, U. v.03.02.1984-4C 17/82-BRS 42, Nr. 51, S. 133 (137) = NVwZ 1984, 583 = UPR 1984, 229 = BauR 1984, 369 = NJW 1984, 1775. 11 Kniep, GewArch 1981, 50 (51 f.); Kniep, BWGZ 1981, 500 (502). 12 BVerwG, U. v.25.02.1977-4C 22.75 - NJW 1978,62 (63); Bosch, BauR 1984,350 (354). 13 BVerwG, U. v. 21.05.1976 - 4 C 80.74 - NJW 1976, 1760 (1764); VGH Hess., B. v. 09.11.1987-4TG 1913/87-NVwZ-RR 1988, 3 (5). 14 BVerwG, U. v.03.02.1984-4C 17/82-BRS 42, Nr. 51, S. 133 (137) = NVwZ 1984, 583 = UPR 1984, 229 = BauR 1984, 369 = NJW 1984, 1775; OVG Berlin, 16.05.2000- 2 S 1.00-DVBl 2000, 1367; OVG Berlin, U.v.21.06.1991 - 2 B 7.89-BRS 52, Nr.51, S. 136 (138), auch Lärmimmissionen durch die Nutzung von Einkaufswagen in der Außenanlage können beachtlich sein; OVG NW, U.v. 25.04.1991-11 A 1755/87-NVwZ-RR 1992,118(120); Bosch, BauR 1984, 350 (353); Bröll, ZfBR 1986, 271 (278); Kniep, GewArch 1981, 50; Schenke, UPR 1986, 281 (290); Schlotterbeck, VB1BW 1986, 361 (364). 15 OVG Nds., B.v.29.03.1996-1 M 6354/95-NVwZ 1997, 1012 (1013). 16 VG Karlsruhe, U. v. 09.07.1999 - 2 Κ 874/97 - VB1BW 2000, 233 (238) m. w. N.; VGH Hess., Β. v. 09.11.1987 - 4 TG 1913/87 - NVwZ-RR 1988, 3 (5).

184

8. Kap. : Besonderheiten im Βaugenehmigungsverfahren

B. Ansätze zur Umgehung des § 11 I I I BauNVO Es sind verschiedene Konstellationen denkbar, wie die Anwendung des § 11 III BauNVO umgangen werden könnte. Hier soll auf den Versuch der Anlagenbetreiber eingegangen werden, die Anwendung des § 11 III BauNVO durch eine nachträgliche Änderung der Nutzung, insbesondere durch einen Wechsel des Sortiments, sowie die Aufspaltung des Bauantrages für ein Einzelhandelsgroßprojekt in mehrere Bauanträge zu umgehen.

I. Aufspaltung in mehrere Bauanträge Werden für die Errichtung eines Einzelhandelsgroßprojektes, welches der Regelung des § 11 III BauNVO unterfallen würde, von einem Bauantragsteller mehrere Bauanträge gestellt, die darauf abzielen das Vorhaben - unter Umständen zeitlich versetzt - in mehreren Teilbauabschnitten zu realisieren, so stellt sich die Frage, ob bei der Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit die einzelnen Bauabschnitte isoliert voneinander oder als Teil eines Gesamtvorhabens zu betrachten sind. Bei einer getrennten Prüfung der baurechtlichen Zulässigkeit der Einzelgebäude wäre § 11 III BauNVO nicht anwendbar, sofern die einzelnen Einheiten die Großflächigkeitsgrenze des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO nicht überschreiten. Es geht hier wohlgemerkt nicht um die Frage, ob eine Addition der Verkaufsflächen mehrerer nicht-großflächiger Einzelhandelsbetriebe zulässig ist oder unter welchen Voraussetzungen das Vorliegen eines Einkaufszentrums zu bejahen ist, sondern um die Eingrenzung des Vorhabenbegriffs gemäß § 29 I BauGB. Grundsätzlich hat es der Antragsteller in der Hand, die inhaltliche Umschreibung und Umgrenzung des Vorhabens vorzunehmen17. Dieser subjektiven Bestimmungsbefugnis des Antragstellers sind aber Grenzen gesetzt. Verfolgt ein Antragsteller offensichtlich eine einheitliche Konzeption, so ist bei der Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit ein einheitliches Vorhaben anzunehmen, auch wenn der Antragsteller eine Aufspaltung in mehrere Bauanträge vorgenommen hat 18 . Eine solche einheitliche Betrachtung ist jedoch nur dann vorzunehmen, wenn die Einzelgebäude in ihren Funktionen unterschiedlich und aufeinander bezogen sind, so dass bei Wegfall eines Gebäudes auch die anderen Gebäude in ihrer Funktion beeinträchtigt sind 19 . Nach Ziegler rechtfertigt eine in Umgehungsabsicht erfolgte Aufspaltung in 17 BVerwG, U. v. 29.04.1992 - 4 C 43.89 - BRS 54, Nr. 53, S. 151 (152); BVerwG, U. v. 04.07.1980 - 4 C 99.77 - B R S 36, Nr. 158, S.331 (332); OVG NW, U.v. 09.08.1978-VII A 981/76-VerwRspr. 30, Nr. 135, 577 (578); Krautzberger in: EZBK-BauGB, Stand April 2000 - § 29, Rn. 21 ; Lohr in Β KL - BauGB, 1999 - § 29, Rn. 6. 18 BVerwG, U. v.03.05.1974-4C 10.71 - BRS 28, Nr.42, S. 135 (137); Krautzberger in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 29, Rn. 21. 19 Lohr in: Β KL - BauGB, 1999 - § 29, Rn. 6, ähnlich OVG NW, U. v. 09.08.1978 - VII A 981/76 - VerwRspr. 30, Nr. 135,577 (578) für den umgekehrten Fall: eine objektive Teilbarkeit ist nur anzunehmen, wenn durch die Aufteilung ein minus und nicht ein aliud entsteht.

Β. Ansätze zur Umgehung des § 11 III BauNVO

185

mehrere Bauanträge die Zurückweisung der Anträge, weil etwas anderes beabsichtigt ist als beantragt wurde und demzufolge das Sachbescheidungsinteresse fehlt 20 . Ein einheitliches Konzept hat das BVerwG in seiner Entscheidung vom 21.08.1991 21 in einer zusammenfassenden Bezeichnung und dem Aufeinanderbezogensein der einzelnen Teilanlagen gesehen, obwohl der Antragsteller den Zusammenhang der Einzelvorhaben verbal in Abrede gestellt hat. Das BVerwG geht in seiner Entscheidung vom 15.02.1995 22 konsequent davon aus, dass es der Annahme eines Einkaufszentrums gemäß § 11 III 2 Nr. 1 BauNVO nicht entgegensteht, dass für die einzelnen Einheiten einer Agglomeration von Einzelhandelsgeschäften in räumlicher Nähe, mehrere selbständige Bauanträge gestellt wurden, obwohl dem Gesamtprojekt eine Gesamtplanung zugrunde liegt. Das Gericht führt weiter aus, dass das Entstehen eines Einkaufszentrums kaum noch zu verhindern wäre, wenn es nur auf den isoliert zu beurteilenden Bauantrag ankäme.

II. Genehmigungsbedürftigkeit von Nutzungsänderungen Vielfältige Rechtsfragen ergeben sich bei einer Nutzungsänderung einer baulichen Anlage, die zu Einzelhandelszwecken genutzt wird bzw. genutzt werden soll. In diesem Abschnitt soll auf die Genehmigungsbedürftigkeit von derartigen Nutzungsänderungen eingegangen werden, die nicht mit wesentlichen baulichen Änderungen verbunden sind. Vorschriften des Bauordnungsrechtes 23 bleiben außer Betracht. 1. Der Vorhabenbegriff Zentrale Vorschrift im Bauplanungsrecht zur Genehmigungsbedürftigkeit einer Nutzungsänderung von baulichen Anlagen ist § 291 BauGB. Aus dem Wortlaut des § 29 I BauGB ergibt sich bereits, dass nicht nur die Änderung der baulichen Substanz ein genehmigungsbedürftiger Vorgang im Sinne des § 291 BauGB ist, sondern auch jede Änderung der Nutzungsweise einer baulichen Anlage, die die Genehmigungsfrage in bodenrechtlicher Hinsicht neu aufwirft 24 . 20

Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 90. BVerwG, B. v. 21.08.1991 - BVerwG 4B 20.91 - Buchholz 406.11 § 21, Nr. 23, S. 6 (7); im Anschluss hieran: BVerwG, U. v. 29.04.1992-4C 43.89-BRS 54, Nr. 53, S. 151 (153); ähnlich bereits: BVerwG, U. v. 04.05.1988 - 4 C 34.86 - UPR 1988, 442 (444) = DVBl. 1988, 848. 22 BVerwG B.v. 15.02.1995-4B 84.94-ZfBR 1995, 338; Gründe nur in: JURIS. 23 Vgl. Nachreiner - Verbrauchermärkte in der städtebaulichen Ordnung, Diss. 1986S.73ff.; Bay. VGH, U. v.09.07.1985-Nr. 1 Β84 A.2138-BayVBl. 1986, 275. 24 Vgl. BVerwG, U. v.03.02.1984-4C 17/82-BRS 42, Nr.51, 133 (134) = NVwZ 1984, 583 = UPR 1984,229 = BauR 1984,369 = NJW 1984,1775; Krautzberger in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 29, Rn. 41. 21

186

8. Kap.: Besonderheiten im Βaugenehmigungsverfahren

In diesem Zusammenhang ist zunächst zu erörtern, was unter dem Begriff des Vorhabens im Sinne des § 291 BauGB zu verstehen ist. Nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung25 und Literatur 26 ist unter dem Begriff des Vorhabens gemäß § 29 I BauGB die Einheit aus Geändertem und Unverändertem zu verstehen. Gegenstand der bauplanungsrechtlichen Prüfung ist das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt. Das BVerwG 27 führt hierzu überzeugend aus, dass bei einer Nutzungsänderung auch der bereits vorhandene Teil einer erweiterten Anlage zur Disposition steht, sofern er in der neuen Gesamtanlage aufgeht. Immer dann, wenn eine Erweiterung zugleich den Bestand der vorhandenen baulichen Anlage verändert, ist eine isolierte Beurteilung der Erweiterung nicht möglich. Dies gilt insbesondere dann, wenn durch eine Erweiterung der bestehenden Anlage eine Qualitätsänderung des Bestandes erfolgt. 2. Erweiterung

der Verkaufsfläche

Nach allgemeiner Auffassung 28 ist eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung bei einer Veränderung der Verkaufsfläche anzunehmen. Dies gilt beispielsweise dann, wenn zur Steigerung der Betriebsführungseffizienz eine ursprünglich nur zur Lagerhaltung genehmigte Fläche den Kunden zugänglich gemacht werden soll, um die Waren dort gleichzeitig zum Verkauf anzubieten. Veränderungen der für Verkaufszwecke zur Verfügung stehenden Räche eines Einzelhandelsbetriebes sind dazu geeignet, städtebauliche Belange neu zu berühren und die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem Aspekt erneut aufzuwerfen. Das BVerwG 29 verweist in diesem Zusammenhang auf die Regelung des § 1 V Nr. 8 BauGB. Hieraus kann gefolgert werden, dass die Größe der Verkaufsfläche 25 BVerwG, B. v. 14.04.2000 - 4 Β 28/00 - NVwZ-RR 2000, 758; BVerwG, Β. v. 04.02.2000 - 4 Β 106.99 - DÖV 2000, 641 = NVwZ 2000, 1047; BVerwG, U.v. 17.06.1993 - 4C 17.91 - N V w Z 1994, 294 = BauR 1994, 81 = Buchholz 406.11 §34, Nr. 158, S. 97; OVG RP, B. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (436) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); VG Gießen, v. 07.12.1998 - 1 G 2001/98 - JURIS, S. 3. 26 Bröll/Hannig, BayVBl. 1979,353 (357); Büchner, NVwZ 1999,345 (350); Krautzberger in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 29, Rn. 42; Lohr in: Β KL - BauGB, 1999 - § 29, Rn. 20; Mampel, ZfBR 2000, 10 m. w. N.; Nachreiner - Verbrauchermärkte in der städtebaulichen Ordnung, Diss. 1986 - S. 80; Stüer - Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 1997-Rn. 1224. 27 BVerwG, B. v. 04.02.2000 - 4B 106.99 - DÖV 2000,641 = NVwZ 2000,1047; BVerwG, U.v. 17.06.1993-4C 17.91 - N V w Z 1994, 294 (295) = BauR 1994, 81 =Buchholz 406.11 §34, Nr. 158, S. 97. 28 BVerwG vom 27.04.1990-4C 36/87-NVwZ 1990,1071 (1072) = GewArch 1991,156; Büchner, NVwZ 1999, 345 (349); Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988 - S. 161; Nachreiner - Verbrauchermärkte in der städtebaulichen Ordnung, Diss. 1986-S. 83. 29 BVerwG vom 27.04.1990-4C 36/87-NVwZ 1990,1071 (1072) = GewArch 1991,156.

Β. Ansätze zur Umgehung des § 11 III BauNVO

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sich auf die geordnete städtebauliche Entwicklung, insbesondere auf die Struktur des Handels und der Versorgung in dem betreffenden Gebiet auswirkt, da sie für die Kapazität, Wettbewerbskraft und Attraktivität eines Handelsbetriebs entscheidend ist. Die städtebauliche Erheblichkeit der Verkaufsfläche ergibt sich auch aus § 11 III 1 BauNVO, wonach die eingeschränkte Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten maßgeblich von der Verkaufsfläche abhängt. Eine Qualitätsänderung eines bestehenden Einzelhandelsbetriebes liegt vor, wenn durch eine Erweiterung der Verkaufsfläche die Grenze zur Großflächigkeit überschritten wird. Durch die Genehmigungsbedürftigkeit von schrittweisen Verkaufsflächenerweiterungen wird eine Umgehung des § 11 III BauNVO verhindert.

3. Sortimentsänderung Nach der überwiegenden Auffassung in Literatur 30 und Rechtsprechung31 stellt eine Änderung oder Ergänzung des Sortiments eines Einzelhandelsbetriebes in der Regel eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung dar. Eine bodenrechtliche Relevanz der Sortimentsänderung besteht jedoch nur dann, wenn das geplante Sortiment von dem in der ursprünglichen Baugenehmigung festgeschriebenen Sortiment und der hierfür vorgesehenen Verkaufsfläche abweicht und die Sortimentsänderung zu einer im Sinne des § 11 III BauNVO relevanten Änderung der Betriebsform oder zu weitergehenden Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO führt. Eine Nutzungsänderung setzt keine Nutzungsartänderung voraus. Die Genehmigungsbedürftigkeit einer Sortimentsänderung ist auch hinsichtlich des Art. 14 GG unproblematisch, weil die Nutzung nur in der ursprünglichen Weise genehmigt worden war und daher ein Bestandsschutz nicht besteht32. Durch die Genehmigungsbedürftigkeit einer Sortimentsänderung wird eine Umgehung des § 11 III BauNVO ausgeschlossen. Bei der Prüfung, ob eine Sortimentsänderung die Genehmigungsfrage in bodenrechtlicher Hinsicht neu aufwirft, kann die Bedarfsperiodizität des jeweiligen Sortiments maßgeblich sein33, weil hiervon im Einzelfall die Intensität der städtebaulichen Auswirkungen auf den innerstädtischen Einzelhandel abhängt. Eine Genehmigung einer Sortimentsänderung muss versagt bleiben, sofern das geplante Sortiment 30

Bröll/Hannig, BayVBl. 1979, 353 (358); Büchner, NVwZ 1999, 345 (349); Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998 - § 11, Rn.20.2; Jahn, LKV 1991,258 (262); Jahn-Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988 - S. 168; Nachreiner- Verbrauchermärkte in der städtebaulichen Ordnung, Diss. 1986- S. 84; Schenke, WUR 1990,61 (65); Schmitz, BauR 1999, 1100 (1110); Söfker in EZBK - BauGB, Stand April 2000- § 11, Rn.61; Stüer/Rude, DVBl. 2000,312(315). 31 OVG NW, 29.03.1999 - 10 Β 417/99 - JURIS, VGH Hess., B. v. 12.10.1989 - 3 TG 2633/89-ZfBR 1990,211, OVG Saar.,B.v. 12.11.1986-2 W984/86-BRS 46, Nr. 135, S.305. 32 Vgl. Schenke, WUR 1990, 61 (65). 33 Nachreiner - Verbrauchermärkte in der städtebaulichen Ordnung, Diss. 1986- S. 84.

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8. Kap.: Besonderheiten im Βaugenehmigungsverfahren

eine höhere Innenstadtrelevanz und damit weitreichendere Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO aufweist. Dieser Überlegung folgte auch das OVG MV in seiner Entscheidung vom 29.07.1998 34. Das Gericht verneinte eine Genehmigungsbedürftigkeit in einem Fall, in dem die Zweckbestimmung eines Vorhabens von einem zunächst geplanten und genehmigten Elektronikfachmarkt („Fachmarkt mit Büroverwaltung für Fotoartikel, Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte") in einen Möbelmarkt geändert wurde. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass sich die Umnutzung zu einem Möbelhaus innerhalb der Variationsbreite des Begriffs „großflächiger Einzelhandelsbetrieb" halte. Zudem sei ein Fachmarkt genehmigt worden, so dass die beabsichtigte Nutzung, die ebenfalls einen Fachmarkt vorsieht, damit übereinstimme. Das Ergebnis der Entscheidung überzeugt zwar, die Begründung hingegen nicht. Ein Möbelmarkt hat aufgrund der Größe und Sperrigkeit der angebotenen Güter keine weiterreichenden Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO als ein Elektronikfachmarkt, so dass bei einer solchen Sortimentsänderung die Genehmigungsfrage nicht erneut aufgeworfen wird. Es ist jedoch vollkommen verfehlt, wenn die bodenrechtliche Relevanz grundsätzlich deshalb verneint wird, weil sowohl die genehmigte als auch die beabsichtigte Nutzung einen Fachmarkt zum Gegenstand hat. Bei einer solchen pauschalierten Aussage wird die Tatsache außer Acht gelassen, dass auch bei Fachmärkten die Innenstadtrelevanz und damit die Intensität der Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO wesentlich vom angebotenen Sortiment abhängt35. So stellt beispielsweise die Umnutzung eines Möbelfachmarktes in einen Schuhfachmarkt durchaus eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung dar. 4. Umwandlung eines Großhandelsbetriebs Wird eine als Großhandelsbetrieb genehmigte Anlage in einen Einzelhandelsbetrieb umgewandelt, so liegt eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung vor 36 . Das BVerwG 37 hat die Genehmigungsbedürftigkeit damit begründet, dass die BauNVO Einzelhandel und Großhandel unterschiedlichen Regelungen unterwirft und daher die Genehmigungsfrage in bodenrechtlicher Hinsicht neu aufgeworfen wird. 34

OVG MV, v.29.07.1998 - 3 L 193/97-JURIS. Siehe 3. Kapitel, 1. Abschnitt, D.IV. l.cc). 36 BVerwG, U.v. 03.02.1984-4C 17/82-BRS 42, Nr. 51, S. 133 (134) = NVwZ 1984, 583 = UPR 1984,229 = BauR 1984,369 = NJW 1984,1775; Bay. VGH, U. v. 18.05.1982-1Β 179/79-BayVB1.1983,656 (658); VGH Hess., U.v.25.04.1991 - 1 1 A 1755/87-NVwZ-RR 1992, 118; Krautzberger in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 29, Rn. 42; Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988 - S. 165; Nacken, Der Städtetag 1978, 211. 37 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 17/82 - BRS 42, Nr. 51, S. 133 (134) = NVwZ 1984, 583 = UPR 1984, 229 = BauR 1984, 369 = NJW 1984, 1775; BVerwG, U. v.03.02.1984-4C 25.82 - BauR 1984, 373 = UPR 1984, 231 = BVerwGE 68, Nr. 55, S. 360. 35

Β. Ansätze zur Umgehung des § 11 III BauNVO

189

Eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung liegt nach der Entscheidung des OVG NW vom 11.02.1997 38 bereits dann vor, wenn in einer als Lagergebäude für den Großhandel bauaufsichtlich genehmigten Halle, Lagerverkäufe an Endverbraucher zwar nur als Sonderaktionen veranstaltet werden sollen, dies jedoch mit gewisser Regelmäßigkeit wiederholt werden soll. Eine Nutzungsänderung stellt es auch dar, wenn ein Betrieb lediglich den Einzelhandelsanteil erhöht 39. Deshalb ist eine Untervermietung von Teilflächen durch einen genehmigten Betrieb, welcher keinen Einzelhandel betreibt, an einen Einzelhandelsbetrieb als genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung anzusehen40.

5. Zusammenlegung von Betrieben Nach Schenke 41 ist von einer genehmigungsbedürftigen Nutzungsänderung bereits dann auszugehen, wenn mehrere Einzelhandelsbetriebe zu einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb zusammengelegt werden. Dies müsse auch dann gelten, wenn mit der Zusammenlegung keine Sortimentsänderung verbunden ist. Er begründet dies zu Recht damit, dass durch die Zusammenlegung eine stärkere Rationalisierung und damit eine intensivere Nutzung einhergeht und dadurch in der Regel eine höhere städtebauliche Relevanz erzeugt wird als bei einem Verkauf in mehreren Einzelhandelsbetrieben. Die Rechtsprechung in dieser Frage ist uneinheitlich. Wahrend das OVG Saar, in seiner Entscheidung vom 12.11 J986* 2 eine Nutzungsänderung in einem solchen Fall mit ähnlicher Begründung wie Schenke bejaht hat, geht das OVG NW in seiner Entscheidung vom 04.05.2000 43 davon aus, dass eine Genehmigung für zwei Einzelhandelsbetriebe, die an zwei wirtschaftlich unabhängige Betreiber vermietet werden sollen, auch dann weitergelte, wenn die beiden Läden später von einem Betreiber übernommen werden.

6. Flächensplitting Der umgekehrte Fall, also eine Aufteilung der Verkaufsflächen unter selbständigen Einzelhandelsbetrieben beispielsweise durch eine Untervermietung von Teilflächen eines bestehenden Einzelhandelsbetriebes an andere Einzelhandelsbetriebe, 38

OVG NW, B.v. 11.02.1997- 10 Β 3206/96-BRS 59, Nr. 146, S.470 (471). Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 20.2. 40 Jahn, UPR 1989, 371 (376). 41 Schenke, WUR 1990, 61 (65). 42 OVG Saar., B.v. 12.11.1986-2 W984/86-BRS 46, Nr. 135. S.305 (306). 43 OVG NW, U. v. 04.05.2000 - 7 A 1744/97 - BauR 2000, 1453 (1455) = NVwZ 2000, 1066 = ZfBR 2000, 571 = IBR 2001, 86 = JURIS S.4. 39

190

8. Kap. : Besonderheiten im Β augenehmigungsverfahren

das sogenannte Splitting, ist nicht genehmigungsbedürftig, sofern hiermit keine Sortimentsänderung verbunden ist 44 . Dies ergibt sich aus der Überlegung, dass die Konzentration von Wirtschaftsmacht in einem Einzelhandelsbetrieb unter städtebaulichen sowie unter raumordnerischen und landesplanerischen Gesichtspunkten weit bedenklicher ist als bei ihrer personellen und organisatorischen Aufteilung in mehrere Betriebe. Die Genehmigungsfreiheit des Flächensplittings ist demzufolge eine zwingende Konsequenz des Gleichheitssatzes45. Eine Genehmigungsbedürftigkeit ist nur dann anzunehmen, wenn eine in der Baugenehmigung festgelegte Gewichtung der angebotenen Sortimente verändert wird. Dies gilt selbst dann, wenn die neu gebildeten Betriebe für sich gesehen nicht großflächig sind 46 . 7. Nutzungsänderungen bei FOC Von einer genehmigungsbedürftigen Nutzungsänderung ist dann auszugehen, wenn der Bebauungsplan und darauf gestützt eine Nebenbestimmung in der Baugenehmigung zur Errichtung eines FOC nur den Handel mit Fabrikware zulässt47 und in Abweichung davon ein FOC-Ladengeschäft für den Handel mit regulärer Ware umgenutzt werden soll. Jede Umwandlung eines FOC-Ladengeschäfts in einen herkömmlichen Einzelhandel wäre demzufolge genehmigungsbedürftig. Dies gilt selbst dann, wenn das angebotene Sortiment unverändert bleibt. Im Rahmen der behördlichen Überprüfung kann auch dezidiert auf den durch die Nutzungsänderung verursachten Kaufkraftabfluss eingegangen werden. Durch eine derartige restriktive Handhabung kann es beispielsweise vermieden werden, das sich in einem FOC Sortimente „einschleichen", die Waren des täglichen Bedarfs umfassen, was bereits auf einer recht kleinen Verkaufsfläche zu einer relevanten Steigerung der Kaufkraftabflüsse führen kann. Die Gefahr einer „Mutation" eines FOC kann durch detaillierte Bebauungsplanfestsetzungen und einer Nebenbestimmung gebannt werden. Die Befürchtung, dass nach der baurechtlichen Genehmigung eines FOC Sortimentsbereiche ständig erweitert werden könnten, nicht genügend Markenproduzenten als Mieter gefunden werden und daher die Ladengeschäfte an herkömmliche Einzelhandelsbetriebe, die auch Produkte des täglichen Bedarfs anbieten, vermietet werden, so dass sich die ursprünglich als FOC genehmigte Anlage in ein herkömmliches Einkaufszentrum verwandele48, ist daher nicht begründet. 44

Jahn, UPR 1989, 371 (376); Schenke, WUR 1990, 61 (65). Schenke, DÖV 1988, 233 (239). 46 Schenke, WUR 1990, 61 (66). 47 Siehe 9. Kapitel, 2. Abschnitt, F.II. 48 Heinritz/Rauh, RuR 2000, 47 (48); Krautzberger, Der Städtetag 1997, 473; Schmitz, BauR 1999, 1100(1108). 45

Neuntes Kapitel

Die Ausweisung eines Sondergebietes für Einzelhandelsgroßprojekte Besteht für die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten kein Baurecht, so kann eine Gemeinde durch die Aufstellung eines Bebauungsplanes oder eines Vorhaben- und Erschließungsplanes gemäß § 12 BauGB die Voraussetzungen für die Genehmigung solcher Vorhaben schaffen. Die juristischen Fragestellungen, die sich bei der Aufstellung eines Vorhaben- und Erschließungsplanes1 ergeben, können hier nicht vertieft werden. Die Darstellung beschränkt sich daher auf die Aufstellung eines Bebauungsplanes. Nachfolgend werden zunächst die Fragestellungen erörtert, die sich im Zusammenhang mit der Anwendung der Vorschriften des BauGB (1. Abschnitt) ergeben. Sodann erfolgt eine Darstellung der Festsetzungsmöglichkeiten bei der Ausweisung eines sonstigen Sondergebietes nach der Vorschrift des § 11 I I BauNVO (2. Abschnitt). Erster Abschnitt

Beachtung der Vorschriften des BauGB Im Hinblick auf die Aufstellung eines Bebauungsplanes zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten sind die Vorschriften des BauGB zur Erforderlichkeit gemäß § 1 III BauGB, zur gerechten Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gemäß § 1 V und VI BauGB, zur Beteiligung der Nachbargemeinden und deren Berücksichtigung in der Abwägung gemäß §§ 41 und 2 II BauGB sowie zur Anpassung an die Ziele der Raumordnung gemäß § 1IV BauGB von besonderer Relevanz.

A. Erforderlichkeit gemäß § 1 I I I BauGB Die Aufstellung eines Bebauungsplanes entspricht dem Gebot der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 III BauGB, wenn die Ansiedlung der planerischen Konzeption der Gemeinde entspricht. Der Erforderlichkeit der Planung steht nicht entgegen, 1 Vgl. hierzu: Battis, ZfBR 1999, 240; Erbguth, VerwArch 1998, 189; Thurow, UPR 2000, 16; OVG Berlin, U.v. 31.08.1999-2B 13.99-UPR 2000, 317; OVG Bbg., U.v. 26.08.19993 D 10/97 - NVwZ-RR 2000, 563.

192

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

dass die Ansiedlungsabsicht eines Betreibers von Einzelhandelsgroßprojekten Anlass der gemeindlichen Planung war 2.

B. Das Gebot der gerechten Abwägung gemäß § 1 V I BauGB Gemäß § 1 V I BauGB sind bei der Aufstellung von Bauleitplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dabei muss sowohl der Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis dem Gebot der gerechten Abwägung entsprechen. Der Begriff Belang ist mit Interesse gleichzusetzen und sowohl bei den privaten als auch bei den öffentlichen Belangen weit zu fassen3. Eine Verletzung des Abwägungsgebotes liegt vor, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt wird oder wenn der Ausgleich zwischen den durch die Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit der einzelnen Belange außer Verhältnis steht4. Auf der ersten Stufe der Abwägung hat die Gemeinde das Abwägungsmaterial zusammenzustellen, das alle von der Planung berührten Belange umfassen muss5. Nur auf dieser Grundlage kann die eigentliche Abwägung erfolgen. § 11 III BauNVO stellt eine Ergänzung des Abwägungsprogramms 6 dar, weil die in § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO genannten negativen Auswirkungen auch im Rahmen der Abwägung zu ermitteln und im Abwägungsprozess zu berücksichtigen sind.

2

OVG NW, U. v. 22.06.1998 - 7a D 108/96 - BauR 1998, 1198 (1199) = NVwZ 1999, 79 = NJ 1999, 47. 3 Hoppe in: H/G - Öffentliches Baurecht, 1995 - § 7, Rn. 2. 4 BVerwG, B. v. 20.08.1992 - 4 NB 20/91 - NVwZ 1993, 167; Krautzberger in: BKL BauGB, 1999- § 1, Rn.93. 5 Krautzberger in: BKL - BauGB, 1999 - § 1, Rn. 96; OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 29.06.1993-1 Κ 6/92-LKV 1994, 220 (221). 6 OVG NW, U. v. 22.06.1998 - 7a D 108/96 - BauR 1998, 1198 (1204) = NVwZ 1999, 79 = NJ 1999, 47 = IBR 1998, 498; 1999, 29; 1999, 84; OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 29.06.1993 - 1 Κ 6/92 - LKV 1994, 220 (222); VG Potsdam, B. v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 -BauR 1999, 1146 (1147) = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin./. Lkr. Havelland); VG Potsdam, B. v. 03.08.1998 - 5 L 247/98 - Mitteilungen StGB Bbg. 1998, 336 (337) (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland).

Β. Das Gebot der gerechten Abwägung gemäß § 1 VI BauGB

193

I. Private Belange der Konkurrenten Private Belange stellen dingliche Rechte wie das Grundeigentum, obligatorische Rechte wie Miete und Pacht, das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Ein bodenrechtlicher Bezug muss nicht gegeben sein7. Gemäß § 1 V 2 Nr. 8 BauGB sind im Rahmen der Bauleitplanung die Belange der Wirtschaft im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung zu berücksichtigen. Aus dem Wortlaut der Regelung ergibt sich bereits, dass die Gemeinde die Bauleitplanung nicht zweckentfremden und Wirtschaftslenkung oder Konkurrenzschutz betreiben darf, es geht vielmehr um die Erhaltung einer ausgewogenen Versorgungsstruktur 8. Nach der ständigen Rechtsprechung9 hat ein Gewerbetreibender grundsätzlich keinen Anspruch, dass sein privates Interesse an der Beibehaltung der für ihn vorteilhaften Situation bei der Abwägung Berücksichtigung findet. Ein Gewerbetreibender hat keinen Anspruch darauf, dass eine vorhandene Wettbewerbssituation nicht verschlechtert wird, weil er stets mit neuer Konkurrenz rechnen muss10. Eine Berücksichtigung privater Interessen eines Einzelhandelsbetriebes ist nur aufgrund besonderer Umstände geboten, etwa dann, wenn der Bebauungsplan eine besondere Rechtsstellung nehmen würde, welche der betreffende Betrieb zuvor erlangt hatte11.

II. Öffentliche Belange Die zu berücksichtigenden öffentlichen Belange ergeben sich insbesondere aus den Zielen der Bauleitplanung im Sinne des § 1 V 1 BauGB 12 . Erfasst werden hierbei die Ziele, die der Gestaltung der städtebaulichen Ordnung und Entwicklung dienen 13 . Insbesondere die mit einer Anlage einhergehende Verkehrsbelastung durch den Zu- und Abfahrtsverkehr kann ein öffentlicher Belang sein. 7

Hoppe in: H/G - Öffentliches Baurecht, 1995 - § 7, Rn. 3. Grooterhorst/Lascho, UPR 1995,332(337); Jahn, LKV 1991,258 (261); Schenke, WiVerw 1990, 226 (231); Söfker in: EZBK-BauGB, Stand April 2000- § 11 BauNVO, Rn. 101a. 9 BVerwG, B. v. 14.02.1991 - 4 NB 25.89 - BRS 52 Nr. 39, S. 113 (116); BVerwG, Β. v. 16.01.1990 - 4 NB 1/90 - NVwZ 1990, 555 = DÖV 1990, 479; OVG NW, Β. v. 03.05.1994 - 10a D 170/93 - BRS 56, Nr. 37, S. 106 (109); OVG NW, B.v.22.07.1977- 10a ND1/77-NJW 1978,1021 (1022); VG Potsdam, B.v.03.08.1998-5L 247/98 - Mitteilungen StGB Bbg. 1998, 336 (337) (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam./. Lkr. Havelland). 10 Vgl. Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 11.22; Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (471, Fn.68); Moench/Sandner, NVwZ 1999,337 (343); Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 101 a; Ziegler in: Brügelmann BauGB, Stand Februar 2000- § 11 BauNVO, Rn.68. 11 BVerwG, B. v. 20.12.1988 - 7 NB 3.88 - BVerwGE 81, Nr. 18, S. 139 (146); kritisch: Büchner, NVwZ 1999, 345 (349); Grooterhorst/Lascho, UPR 1995, 332 (336), die Rechtsprechung spiegele ein prozessuales „Schlupfloch" vor, das tatsächlich nicht bestehe. 12 Hoppe in: H/G - Öffentliches Baurecht, 1995 - § 7, Rn. 26. 13 Krautzberger in: BKL-BauGB, 1999-§ 1, Rn. 103. 8

13 Kopf

194

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

1. Die Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Bauleitplanung Der Gesetzgeber hat im BauGB an mehreren Stellen die Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Bauleitplanung verankert 14. In § 1 V 1 BauGB ist nunmehr der Grundsatz der Nachhaltigkeit als Planungsleitlinie verankert. Nach § 1 V 2 Nr. 7 in Verbindung mit § 1 a II BauGB sind bei der Abwägung die Darstellungen der Landschaftspläne, Eingriffe in Natur und Landschaft und die damit in Verbindung stehenden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu berücksichtigen 15. Umstritten ist, ob der neu in das ROG eingefügte § 1 II ROG im Rahmen der Abwägung gemäß § 1 V 1 BauGB zu berücksichtigen ist. § 1 II ROG schreibt als zentrale Leitvorstellung der Raumordnung das Nachhaltigkeitsprinzip fest. Um dem Nachhaltigkeitsprinzip Rechnung zu tragen, sind soziale und wirtschaftliche Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang zu bringen. Auf die Frage der Operationalisierbarkeit des Nachhaltigkeitsprinzips soll hier nicht näher eingegangen werden 16.

2. Weitere zu berücksichtigende

öffentliche

Belange

Die Belange der Nachbarkommunen sind bei der Abwägung zu berücksichtigen, weil das interkommunale Abstimmungsgebot gemäß § 2 II BauGB 17 ein Unterfall der Abwägung nach § 1 VI BauGB darstellt. Mit § 2 II BauGB soll lediglich ein Mindestschutz sichergestellt werden, so dass der Umfang der Abwägung gemäß § 1 VI BauGB weit darüber hinaus gehen kann18. Die planende Gemeinde muss in die Abwägung nach § 1 V I BauGB das Ergebnis eines Raumordnungsverfahrens als sonstiges Erfordernis der Raumordnung im Sinne des § 4 II ROG sowie das Ergebnis einer Umweltverträglichkeitsprüfung einstellen19.

14

Vgl. Krautzberger, BBauBl. 2000, 17. Vgl. zu diesem Themenbereich: Schink, BauR 1998, 1163. 16 Vgl. hierzu: MKRO-Entschließung vom 03.06.1997; Battis, LKV 1999, 347 (349); Erbguth, DVB1 1999, 1082; Krautzberger in: Spannowsky - Flächennutzungsplanung im Umbruch?, 1999-S. 1; Mitschang, DÖV 2000, 14, Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (340). 17 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C.III. 18 Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (473). 19 Runkel, UPR 1998, 241 (244). 15

Β. Das Gebot der gerechten Abwägung gemäß § 1 VI BauGB

195

a) Umweltverträglichkeitsprüfung Eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist nach Nr. 18 der Anlage zu § 3 UVPG 20 bei Handelsbetrieben ab einer Geschossfläche von 5000 qm (Projekt-UVP) vorgesehen 21 . Bei FOC ist demzufolge in der Regel eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. b) Raumordnungsverfahren (ROV) Ein Instrument zur Sicherung und Durchsetzung der Ziele der Raumordnung ist das Raumordnungsverfahren (ROV) gemäß § 15 ROG 22 . Gemäß § 15 I ROG ist bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen mit überörtlicher Bedeutung eine Abstimmung mit anderen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sowie mit den Erfordernissen der Raumordnung, also auch mit den raumordnerischen Zielen und Grundsätzen im Sinne des § 3 Nr. 2 und 3 ROG, im Rahmen eines Raumordnungsverfahrens vorzunehmen. Die Raumbedeutsamkeit und die Überörtlichkeit hängen von der Größe, dem Einzugsbereich und dem Warensortiment eines Einzelhandelsgroßprojektes ab 23 . Das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens wird in einer landesplanerischen Beurteilung festgehalten, welches jedoch grundsätzlich keine ΒindungsWirkung im Sinne des § 1 IV BauGB für die planende Gemeinde entfaltet 24. Allerdings ist das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens als sonstiges Erfordernis der Raumordnung im Sinne des § 3 Nr. 4 ROG in Verbindung mit § 4 II ROG als Belang gemäß § 1 V und V I BauGB in die Abwägung einzustellen25. Diese Berücksichtigungspflicht ergibt sich auch aus § 13 VIII1 LplG BW. Nach der Rechtsprechung kann dem Ergebnis eines Raumordnungsverfahrens jedoch dann eine Β indungs Wirkung zukommen, sofern darin ein Vollzug der Ziele der Raumordnung zu sehen ist, deren Beachtung § 1IV BauGB vorschreibt 26. 20

Das UVPG geht auf eine EU-Richtlinie zurück: UVP-Richtlinie 85/337/EWG vom 27.06.1985 - AblEG Nr. L 175, S. 40, geändert durch die Richtlinie 97/11/EG vom 03.03.1997-AblEG Nr.L73 Nr.5. 21 OVG MV, B.v. 30.06.1999 - 3 M144/98 - NVwZ-RR 2000,559 (562) = DÖV 2001,134; Bönker, BauR 1999, 328 (337); Jahn, BayVBl. 2000,267; Spannowsky, UPR 1999,241 (243). 22 Vgl. Erbguth/Schoeneberg - Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 1992-S. 163, Rn. 114. 23 Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - 459 (464). 24 Battis - Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, 1999 - 2 IV 5, S. 46; Finkelnburg/Ortloff- Öffentliches Baurecht Band 1,1998 - § 25, S. 298; Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (464); Stich, BauR 1999, 957 (959); auch die landesplanerische Stellungnahme gemäß § 20 I 2 LplG RP hat keine Β indungs Wirkung: vgl. VG Koblenz, B.v. 15.11.1995-7 Κ 3176/94. KO-NuR 1998, 53 (54). 25 Finkelnburg/Ortloff- Öffentliches Baurecht Band I, 1998 - § 25, S. 298; Grotefels in: H/G - Öffentliches Baurecht, 1995 - § 4, Rn. 15; Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (465, Fn.31); Runkel, ZfBR 1999, 3 (7); Runkel, UPR 1998, 241 (244). 26 VG Dessau, B.v.01.11.1999- 1Β 496/99-NVwZ-RR 2000, 207 (208). 13*

196

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

Das Raumordnungsverfahren kann unmittelbar durch die zuständige Landesplanungsbehörde, durch die Nachbarkommune sowie durch den Bauantragsteller (Investor) in Gang gesetzt werden 27. Die Entscheidung, ob eine Notwendigkeit zur Durchführung eines Raumordnungsverfahrens besteht, muss die zuständige Behörde gemäß § 15 VII 1 ROG innerhalb einer Frist von vier Wochen treffen. Die Frist beginnt zu laufen, wenn die hierfür erforderlichen Unterlagen vorliegen. § 15 V I I 2 ROG bestimmt, dass das Raumordnungsverfahren nach Vorliegen der vollständigen Unterlagen innerhalb einer Frist von höchstens sechs Monaten abzuschließen ist. aa) Kein ROV bei Bestehen eines Genehmigungsanspruchs Ein Raumordnungsverfahren ist nicht durchzuführen, sofern bereits ein Rechtsanspruch auf Genehmigung gemäß §§ 30 und 34 BauGB besteht28. Deshalb ist § 15 II ROG teleologisch zu reduzieren und daher restriktiv auszulegen. Das eingeräumte Ermessen ist so auszuüben, dass von einem Raumordnungsverfahren abzusehen ist, wenn ein Genehmigungsanspruch besteht. Da die landesplanerische Stellungnahme keine Außenwirkung entfaltet, kann sie einem Genehmigungsanspruch auch nicht entgegenstehen. bb) ROV bei Einzelhandelsgroßprojekten Die Bundesregierung hat mit dem Erlass der Raumordnungsverordnung (RoVO) 29 ihre in § 17 II ROG eingeräumte Befugnis ausgeübt, mit Zustimmung des Bundesrates Planungen und Maßnahmen zu bestimmen, für die ein Raumordnungsverfahren durchzuführen ist. Soll durch einen Bebauungsplan erst die planungsrechtliche Grundlage für die Errichtung eines Einzelhandelsgroßprojektes im Sinne des § 11 I I I BauNVO geschaffen werden, so ist nach § 1 Nr. 19 RoVO ein Raumordnungsverfahren durchzuführen, sofern das Vorhaben raumbedeutsam und von überörtlicher Bedeutung ist 30 . Das in § 15 II ROG eingeräumte Ermessen zur Durchführung eines Raumordnungsverfahrens ist durch § 1 Nr. 19 RoVO sowie durch Vorschriften in den Landesplanungsgesetzen gebunden. Nach § 13 I LPIG BW ist bei Einzelhandelsgroßpro27

Vgl. Jahn, GewArch 1997, 456 (459). Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (123); Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988 - S. 99; Moench/Sandner, NVwZ 1999, 37 (340); Schroeder, UPR 2000, 52 (56). 29 RoVO vom 13.12.1990 (BGBl. I S. 2766) zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Änderung des BauGB und des ROG vom 18.08.1997 (BGBl. I S. 2081). 30 Vgl. OVG MV, Β. v. 30.06.1999 - 3 M144/98 - NVwZ-RR 2000,559 (562) = DÖV 2001, 134; Finkelnburg/Ortloff- Öffentliches Baurecht Band I, 1998 - § 25, S. 297; Jahn, BayVBl. 2000,267; Spannowsky, UPR 1999,241 (244); Stock in: König-BauNVO, 1999- § 11 Rn.31. 28

C. Die interkommunale Abstimmung

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jekten im Sinne des § 11 III BauNVO mit mehr als 5.000 qm Verkaufsfläche ein Raumordnungsverfahren mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen 31. Entsprechendes gilt gemäß § 18 LP1G RP, wobei nach Ziffer 2.5.1 des Einzelhandelserlasses RP 32 ab einer Geschossfläche von 6.000 qm ein Raumordnungsverfahren durchzuführen ist. Der Aufstellung eines Bebauungsplans als Grundlage zur Errichtung eines FOC ist demzufolge in der Regel ein Raumordnungsverfahren vorgeschaltet33.

C. Die interkommunale Abstimmung Zwar beschränkt sich die Planungshoheit der Gemeinden auf das Gemeindegebiet, die gemeindliche Planung kann jedoch eine Reihe faktischer Auswirkungen auf die Nachbargemeinden nach sich ziehen. Um Nutzungskonflikte zu vermeiden, hat der Gesetzgeber im BauGB mehrere Vorschriften etabliert, die einen sachgerechten Ausgleich zwischen den Nutzungsrechten der planenden Gemeinde an ihrem Gemeindegebiet und den Abwehrrechten der durch Auswirkungen betroffenen Nachbargemeinden zum Ziel haben34. Das BauGB beinhaltet insbesondere Planungsalternativen, die den Gemeinden eine sachgerechte zwischengemeindliche Zusammenarbeit ermöglichen sollen35. Nach § 204 BauGB besteht die Möglichkeit gemeinsame Flächennutzungspläne aufzustellen und gemäß § 205 BauGB können die Gemeinden Planungsverbände bilden oder gar gemäß § 203 BauGB die Planungshoheit auf sonstige Verbände oder auf eine Gebietskörperschaft übertragen. Allerdings wird von diesen Formen der konsensualen Planung in praxi nur selten Gebrauch gemacht. Besondere praktische Bedeutung hat jedoch die schwächste Ausprägung des zwischengemeindlichen Nachbarschaftsverhältnisses in der Form des interkommunalen Abstimmungsgebotes gemäß § 2 II BauGB erlangt. 31 Vgl. Entwurf des Einzelhandelserlasses BW: Hinweise des Wirtschaftsministeriums zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten (Az.: 6-2500.4/7), Stand Juli 2000-S. 13, Ziffer 3.7 und 4.2.8; Jahn - Stärkung der Innenstadt oder des ländlichen Raumes?, 1999- S. 34, Fn. 42; Moench/Sandner, NVwZ 1999, 37 (340). 32 Verwaltungsvorschrift der Staatskanzlei sowie des Finanz- und Wirtschaftsministeriums RP zur „Errichtung und Erweiterung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben" vom 9. Juli 1996-StK 3-4019830-236-530/96-MB1. S.367 (368). 33 Jahn, GewArch 1997, 456 (459); Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 67. 34 Pappermann, JuS 1973, 689 (690). 35 BVerwG, U.v. 15.12.1989-4C 36.86-NVwZ 1990, 464 (465) = BVerwGE 84, Nr.28, S.209 = DÖV 1990, 479; vgl. Funke/Schroer, ZG 1986, 256 (268); Güttler/Rosenkranz, IzR 1998, 81 (86); Hatzfeld/Janning, StGB 1990, 109 (122); Kilian/Müllers, VerwArch 1998, 25 (43 f.); Schmidt-Eichstaedt, NVwZ 1997, 846; Temmen - Interkommunale Zusammenarbeit und großflächiger Einzelhandel, 1990, jeweils m. w. N.

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

Die Notwendigkeit der Abstimmung von Bauleitplänen benachbarter Gemeinden hat eine formelle und eine materielle Seite. §41 BauGB bezieht sich auf das formelle Verfahren der Abstimmung und § 2 II BauGB auf das materielle Abgestimmtsein der Bauleitplanung als Zustand36.

I. Das formelle Abstimmungsgebot gemäß § 4 11 BauGB Eine formelle Abstimmungspflicht besteht gemäß §411 BauGB. Eine Nachbargemeinde ist bei der Bauleitplanung37 als Trägerin öffentlicher Belange zu beteiligen, sofern die Möglichkeit besteht, dass diese von der Planung zumindest „berührt werden" kann 38 . Die Abstimmungspflicht umfasst die Verpflichtung der Ansiedlungskommune, die Nachbargemeinden frühzeitig über eine Planung zu informieren und ihr innerhalb einer Frist von einem Monat Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahme der Nachbargemeinde muss gemäß § 4 III BauGB von der planenden Gemeinde im Rahmen der interkommunalen Abstimmung gemäß § 2 II BauGB beachtet werden, insofern dies abwägungserhebliche Belange betrifft. Die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange stellt das Pendant zur Bürgerbeteiligung gemäß § 3 BauGB dar. Da die Belange der Nachbargemeinden in gleicher Weise wie die Belange Privater durch das formelle Beteiligungsverfahren gewahrt werden soll, ist es gerechtfertigt, die Grundsätze zur Bürgerbeteiligung auf die Beteiligung der Nachbargemeinden zu übertragen. Gibt eine Nachbargemeinde keine Stellungnahme ab oder ist diese lückenhaft, weil wesentliche Belange nicht oder nicht hinreichend substantiiert angeführt werden, so wird die planende Gemeinde nicht von der Verpflichtung entbunden, sich selbst Gewissheit über die abwägungserheblichen Belange zu verschaffen, sofern sich diese geradezu aufdrängen mussten39. 36 BVerwG U. v. 08.09.1972-4C 17.71 - BauR 1972, 352 (353); BRS 25 Nr. 14, S.44; BVerwG, v. 02.06.1992 - 4 NB 8/92 - JURIS, S. 1; OVG Sachsen, B. v. 26.08.1992 - 1 S 150/92-LKV 1993, 97. 37 Auf die formelle Nachbarbeteiligung im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens soll hier nicht eingegangen werden. 38 OVG Bbg., Β. v. 08.05.1998 - 3 Β 84/97 - LKV 1998, 359; Battis in: BKL - BauGB, 1999 - § 4, Rn. 2; Bielenberg in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 2 Rn. 71; Funke/ Schroer, ZG 1986,256 (267); Hoppe in: FS zum 70. Geburtstag von Ch. von Unruh, 1983 - 555 (569); Jahn, BayVBl. 2000,267 (268); Kilian/Müllers, VerwArch 1998,25 (37); W. Schrödter in: Schrödter-BauGB, 1998- §2, Rn.41; Uechtritz, BauR 1999, 572 (573). 39 BVerwG, U.v. 13.09.1985-4C 64.80-BauR 1986,59 (60), BVerwG, B.v.09.11,.19794 Ν 1.78, 4 Ν 2-4.79 - BVerwGE 59, Nr. 14, S. 87 (104) = NJW 1980, 1061; OVG Thür., U.v. 17.06.1998-1 KO 1040/97-ThürVBl. 1998, 280 (282) = LKV 1999, 194; VGH BW, B.V.29.04.1998-3S 313/98-n.v., S. 3 der Entscheidung; Bay. VGH, U.v. 15.04.1994-2N 93.3940 - BayVBl. 1994, 495 (496) = GewArch 1995, 434; vgl. Battis in: BKL-BauGB, 1999 - § 4, Rn. 7; aA Reidt, LKV 1994, 93 (95).

C. Die interkommunale Abstimmung

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§ 4 III 2, 2. Halbsatz 3. Alternative BauGB stellt klar, dass ein verspätetes Vorbringen von Belangen nicht präkludiert ist, sofern diese Belange „für die Rechtmäßigkeit der Abwägung von Bedeutung sind", sich nach der Rechtsprechung also aufdrängen mussten. Derartige Belange können demzufolge noch im Prozess geltend gemacht werden 40.

II. Rechtsfolgen der Verletzung des formellen Abstimmungsgebotes Die Missachtung des formellen Abstimmungsgebotes führt grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit des Bauleitplanes, weil § 4 BauGB eine reine Ordnungsvorschrift darstellt 41. Aus § 214 I Nr. 1 2. Halbsatz BauGB folgt, dass ein Verstoß gegen § 4 BauGB unbeachtlich ist, wenn einzelne berührte Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt wurden. Wird eine Nachbargemeinde nicht formell bei der Bauleitplanung beteiligt, so kann dies zur Nichtigkeit des Bebauungsplanes führen, sofern damit gleichzeitig eine Verletzung des materiellen Abstimmungsgebotes und damit des interkommunalen Abwägungsgebotes verbunden ist 42 .

III. Das interkommunale Abstimmungsgebot gemäß §211 BauGB Die planende Gemeinde ist aufgrund des materiellen Abstimmungsgebotes gemäß § 2 II BauGB verpflichtet, Bauleitpläne, also Flächennutzungs- als auch Bebauungspläne, im Rahmen der Abwägung mit den Belangen benachbarter Gemeinden abzustimmen. Das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 I I BauGB dient dem 40

Siehe hierzu auch: 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C.III.8.b. OVG NW, Β. v. 09.02.1988 - 11 Β 2505/87 - NVwZ-RR 1988, 11(12) = DÖV 1988, 843 = NWVB1. 1988, 235; OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 15.10.1993 - 1 M14/93 - η. v., S. 14; VGH BW, U.v.27.02.87-5 S 2472/86- VB1BW 1987, 461 (463) = NVwZ 1987,1088; VG Potsdam, Β. v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - BauR 1999, 1146 (1150) = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland); VG Potsdam, B. v. 03.08.1998 - 5 L 247/98 - Mitteilungen StGB Bbg. 1998,336 (339) (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland); Kriener, BayVBl. 1984, 97 (98); Rauch, BayVBl. 1980, 612 (615); Uechtritz, BauR 1999, 572 (573); a. Α.: Bönker, BauR 1999, 328 (336); Bönker - Rechtsgutachten: FOC, 1997- S. 47, ein Abwehrrecht könne bereits dann gegeben sein, wenn die Nachbargemeinde nicht hinreichend informiert wurde; so wohl auch: Schmitz, BauR 1999, 1100 (1102). 42 OVG Bbg., Β. v. 08.05.1998 - 3 Β 84/97 - LKV 1998, 359 (360); OVG Nds. U. v. 23.11.1982 - 6 C 7/79 - BauR 1983, 220; OVG NW, B. v. 09.02.1988 - 11 Β 2505/87 - NVwZ-RR 1988, 11 (12) = DÖV 1988, 843 = NWVB1. 1988, 235; BezG Dresden, B.v. 15.01.1992- 1 BDK 29/91 - LKV 1992, 338 (340); VG Potsdam, B.v.07.05.1999-5 L 950/98 -BauR 1999, 1146 (1150) = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin./. Lkr. Havelland). 41

200

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

Schutz der in § 2 11 BauGB verankerten gemeindlichen Planungshoheit der Nachbargemeinden. Das Gebot der interkommunalen Abstimmung ist demnach eine gesetzliche Ausformung der durch Art. 28 I I 1 G G gewährleisteten gemeindlichen Planungshoheit 43 . § 2 I I BauGB stellt nicht nur eine bloße Ordnungsvorschrift dar, sondern gibt der Nachbargemeinde einen subjektiv-rechtlichen Anspruch, dass ihre Interessen bei der Planung inhaltlich berücksichtigt werden 44 .

1. Gegenstand des interkommunalen

Abstimmungsgebotes

§ 2 I I BauGB ist eine besondere Ausprägung des Abwägungsgebotes gemäß § 1 V I BauGB, man spricht daher auch von einem interkommunalen Abwägungsgebot 4 5 . Daraus ergibt sich eine materielle Verpflichtung der planenden Gemeinde zur Abstimmung ihrer Bauleitpläne mit den Nachbargemeinden 46 . Ziel des interkommunalen Abstimmungsgebotes ist eine gerechte Abwägung der gegenläufigen Belange der Nachbargemeinde 47 . I m Bereich von Gemeindegrenzen findet demzufolge 43 BVerwG, U.v.08.09.1972-4C 17.71 -BauR 1972, 352 (354) = BRS 25 Nr. 14, S.44; OVG NW, Β. v. 31.01.2000 - 10B 959/99 - DÖV 2000,644; RP, U. v. 01.03.1983 - 1 0 C24/82 (Stadt Landau/Pfalz ./. Ortsgemeinde Bornheim) - BRS 40, Nr. 33, S. 80 (81) = BauR 1983, 551; VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 (262) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); VG Potsdam, B.v.07.05.1999-5L 950/98-BauR 1999,1146 = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland); BezG Dresden, 15.01.1992 - 1 BDK 29/91 - LKV 1992, 338 (339); Battis in: BKL-BauGB, 1999- §2, Rn.4; Bielenberg in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 2 Rn. 65; W. Schrödter in: Schrödter - BauGB, 1998-§2, Rn.42. 44 BVerwG U. v.08.09.1972-4C 17.71-BauR 1972, 352 (354) = BRS 25 Nr. 14, S.44; BVerwG, U. v. 15.12.1989 - 4 C 36.86 - NVwZ 1990, 464 (465) = BVerwGE 84, Nr. 28, S. 209 = DÖV 1990, 479; Pappermann, JuS 1973, 689 (697). 45 OVG RP, Β. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (437) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); OVG RP, U.v. 24.06.1992- 10 C 12780/90-BRS 54, Nr. 13, S.40 (41) = DÖV 1993,209; VG Potsdam, B.v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - BauR 1999,1146 (1147) = LKV 1999,377 (FOC Wustermark/ einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland); Bay. VGH, U. v. 04.09.1984 - 1Β 82 A 439 - BayVBl. 1985, 83 (85) = NVwZ 1985, 837; Bielenberg in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 2 Rn. 66; Funke/Schroer, ZG 1986, 256 (265); Hoppe in: FS für Wolff zum 75. Geburtstag, 1973-307 (318); Hoppe in: H/G - Öffentliches Baurecht, 1995-§7, Rn.177, hat den Begriff des interkommunalen Abwägungsgebotes geprägt; Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (470); a.A.: Brohm, DÖV 1989,429 (437); Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999- § 16, Rn. 19, vertritt die Ansicht, das interkommunale Abstimmungsgebot gebe nur eine äußere Ermessensgrenze vor. 46 Bay. VGH, U.v.03.05.1999- 1 Ν98.1021 -BauR 1999, 1140 (1141) = BayVBl. 2000, 273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999, 432 = IBR 1999, 384 (FOC Ingolstadt); Jahn, BayVBl. 2000, 267 (268). 47 BVerwG, B. v. 09.05.1994 - 4 NB 18.94 - BRS 56, Nr. 36, S. 104 (105) = BauR 1994, 492 = NVwZ 1995,266 = IBR 1995,26; BVerwG, U.v. 15.12.1989-4C 36.86-NVwZ 1990, 464(466) = BVerwGE 84, Nr.28, S.209 = DÖV 1990, 479; OVG Saar., U. v.21.03.1995 - 2N 3/93 - BRS 57, Nr. 47, S. 134 (135); Bay. VGH, U.v. 14.01.1991 - 2 B 89.785 - GewArch 1991,

C. Die interkommunale Abstimmung

201

eine Lastenkommunikation statt. Abwägungsbeachtlich sind allerdings nicht nur Planungsabsichten der Nachbargemeinden, sondern auch realisierte Planungen, weil der Schutzzweck des § 2 I I BauGB sowohl die planerische Verwirklichung als auch deren Fortbestand umfasst 48 . Aus der Abwägung kann sich ergeben, dass die Belange der Nachbargemeinde hinter die Belange der planenden Gemeinde zurückzustellen sind 4 9 . I m Regelfall dürfte jedoch ein Ausgleich der beiderseitigen Interessen in Betracht kommen 5 0 . Eine weitergehende Ansicht 5 1 , wonach aus § 2 I I BauGB zudem die Förderung der städtebaulichen Entwicklung der Nachbargemeinde als ein verpflichtendes Planungsziel abzuleiten sei, hat sich bislang nicht durchsetzen können.

2. Der Nachbarbegriff Der Nachbarbegriff i m planungsrechtlichen Sinne des § 2 I I BauGB setzt nicht voraus, dass die Gemeinde, die sich auf § 2 I I BauGB beruft, unmittelbar an die planende Gemeinde angrenzt 52 . Vielmehr ist der Bereich der planungsrechtlichen Auswirkungen i m Einzugsgebiet eines Vorhabens maßgeblich. Eine Gemeinde kann 314 (315); BezG Dresden, 15.01.1992-1 BDK 29/91 - L K V 1992, 338 (340); VG Neustadt/ Weinstraße, B.v.29.09.1998-2L2138/98-NVwZ 1999,101 (103f.) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); Birk in: Spannowsky - Flächennutzungsplanung im Umbruch?, 1999-S. 145 (148); Otting, DVB1. 1999, 595 (596). 48 BVerwG, U.v. 15.12.1989-4C 36.86-NVwZ 1990, 464 (466) = BVerwGE 84, Nr.28, S. 209 = DÖV 1990, 479; OVG NW, B. v. 09.02.1988 - 11 Β 2505/87 - NVwZ-RR 1988, 11 = DÖV 1988, 843 = NWVB1. 1988, 235. 49 OVG MV, U. v. 15.04.1999 - 3 Κ 36/97 - NVwZ 2000, 826 (828); Bay. VGH, Β. v. 26.10.1976 - 130 I 76 - BayVBl. 1977, 303 (306); VG Neustadt/Weinstraße, B.v. 29.09.1998 - 2 L 2138/98 - NVwZ 1999,101 (103) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/ einstw. Rechtsschutz); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (342); Spannowsky, UPR 1999, 241 (243). 50 Wagner, ZfBR 2000, 21 (22). 51 Bielenberg in: EBZK-BauGB, Stand: 1. April 2000- §2, Rn.65; Brosche, DVB1. 1980, 213 (218); Halstenberg, Der Städtetag 1960, 625; Kilian/Müllers, VerwArch 1998, 25 (41). 52 BVerwG, B. v. 09.01.1995 - 4 NB 42.94 - BRS 57, Nr. 5, S. 20 = NVwZ 1995,694 = BauR 1995, 354 = GewArch 1995, 210 = IBR 1995, 396; OVG Thür., B. v. 23.04.1997 - 1 EO 241/97 - LKV 1997, 372 = DÖV 1997, 791 = ThürVBl. 1997, 279; Bay. VGH, U.v. 03.05.1999-1 N98.1021 - BauR 1999,1140 (1141) = BayVBl. 2000,273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999, 432 = IBR 1999, 384; VG Neustadt/Weinstraße, B. v. 29.09.1998 - 2 L 2138/98 - NVwZ 1999,101 (103) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); VG Potsdam, B.v. 07.05.1999-5L 950/98-BauR 1999,1146 (1147) = LKV 1999,377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland); Bönker, BauR 1999, 328 (335); Brosche, DVB1. 1980, 213 (216); Hüttenbrink, BauR 1982,412 (420); Kniep, VB1BW 1985,291 (292); Kriener, BayVBl. 1984,97 (98); Otting, DVB11999,595 (597); Pappermann, JuS 1973, 689 (695); Stühler, VB1BW 1999, 206 (208); Wagner, ZfBR 2000, 21 = BWGZ 1999, 62.

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

demzufolge auch dann als Nachbargemeinde anzusehen sein, wenn sie in einem anderen Bundesland liegt 5 3 .

3. Anwendungsvoraussetzungen

des §2 II BauGB

Die Nachbargemeinde hat aufgrund ihrer Planungshoheit kein Abwehrrecht gegen faktische Auswirkungen, die durch die Planung einer anderen Gemeinde hervorgerufen werden und als Reflex das örtliche Abwägungsmaterial beeinflussen, weil damit nur die Situationsgebundenheit der Planungshoheit zum Ausdruck k o m m t 5 4 . Deshalb wird die Anwendbarkeit des § 2 I I BauGB davon abhängig gemacht, dass Auswirkungen gegeben sind, die über einen bloßen Reflex hinausgehen.

4. Konkrete Planungen Die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung 55 und Literatur 5 6 geht davon aus, dass eine interkommunale Abstimmung gemäß § 2 I I BauGB nicht erst dann zu 53 Jahn, BayVBl. 2000, 267 (268); Jahn, GewArch 1997, 456 (459); Jahn, LKV 1991, 258 (261). 54 OVG MV, U.v. 15.04.1999-3K 36/97-NVwZ 2000, 826; OVG RP, U.v. 24.06.199210C 12780/90-BRS 54, Nr. 13, S.40 (42) = DÖV 1993,209; Bay. VGH, U.v. 03.05.1999-1Ν 98.1021 - BauR 1999, 1140 (1142) = BayVBl. 2000, 273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999, 432 = IBR 1999, 384 (FOC Ingolstadt); Bay. VGH, U. v. 04.09.1984 - 1 Β 82 A439-BayVBl. 1985, 83 (85); Funke/Schroer, ZG 1986, 256 (265); Halstenberg, Der Städtetag 1960, 625; Jahn, BayVBl. 2000, 267 (268); Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - 459(469). 55 BVerwG, B. v. 09.05.1994 - 4 NB 18.94 - BRS 56, Nr. 36, S. 104 (105) = BauR 1994, 492 = NVwZ 1995, 266 = IBR 1995, 26; BVerwG, v. 02.06.1992 - 4 NB 8/92 - JURIS, S. 1; BVerwG, U.v.08.09.1972-4C 17.71 -BauR 1972, 352 (354) = BRS 25 Nr. 14, S.44; OVG Bbg., B.v. 16.12.1998-3B 116/98-S. 13 der Entscheidung = GewArch 1999,437 (439) (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland); OVG Bbg., Β. v. 08.05.1998 - 3 Β 84/97 - LKV 1998, 359 (360); OVG MV, U. v. 15.04.1999 - 3 Κ 36/97 - NVwZ 2000, 826; OVG NW, B. v. 03.05.1994- 10 a D170/93 - BRS 56, Nr. 37, S. 106 (112); OVG Saar., U.v.21.03.1995-2N 3/93-BRS 57, Nr.47, S. 134 (135); OVG SachsenAnhalt, Β. v. 15.10.1993 - 1 M 14/93 - η. v., S. 13; VGH BW, U. v. 15.10.93 - 3 S 335/92-VB1BW 1994, 353; Bay. VGH, U.v. 14.01.1991 - 2 B 89.785 - GewArch 1991, 314 (315) Bay. VGH, U.v.03.05.1999-1 Ν98.1021 -BauR 1999,1140 (1142) = BayVBl. 2000, 273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999,432 = IBR 1999, 384 (FOC Ingolstadt); Bay. VGH, B.v.26.10.1976- 130 176-BayVBl. 1977, 303 (304); Bay. VGH, B.v.24.11.1975-217 I 75 - BayVBl. 1976, 112 (114); VG Neustadt/Weinstraße, B. v. 29.09.1998 - 2 L 2138/98 - NVwZ 1999,101 (103) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); einschränkend: BezG Dresden, 15.01.1992- 1 BDK 29/91 - L K V 1992, 338 (340), das Vorliegen konkreter Planungen sei jedenfalls für die Antragsbefugnis erforderlich; aA OVG NW, B.v. 09.02.1988- 11 Β 2505/87 - NVwZ-RR 1988, 11 = DÖV 1988, 843 = NWVB1. 1988, 235; OVG RP, U.v. 24.06.1992-10 C 12780/90-BRS 54, Nr. 13, S.40 (42) = DÖV 1993,209; VGH BW, U.v.27.02.87-5 S 2472/86- VBIBW 1987,461 (463) = NVwZ 1987,1088; VGH BW, B.v.25.08.1977-III 1234/76-BRS 32, Nr.22, S.58 (59); Bay. VGH v.4.9.1984-1Β 82 A439-BayVBl. 1985, 83 (85).

C. Die interkommunale Abstimmung

203

erfolgen hat, wenn die Nachbargemeinde eine Beeinträchtigung bereits konkreter Planungen oder Bauleitpläne geltend machen kann. Die Schutzwürdigkeit der Planungshoheit der Nachbargemeinden steigert sich zwar, wenn die Gemeinde durch den Erlass von Bauleitplänen ihre Planungshoheit ausgeübt hat, grundsätzlich hängt ihre Schutzwürdigkeit davon jedoch nicht ab 57 . Das BVerwG 58 begründet diese Auffassung zu Recht damit, dass den Nachbargemeinden gegen Planungen einer anderen Gemeinde weitergehende Abwehrrechte zustehen als gegen Fachplanungen59, weil die Nachbargemeinde der planenden Gemeinde mit ihrer Planungsbefugnis im Verhältnis der Gleichordnung gegenübersteht. Maßgeblich sind daher auch die tatsächlichen Verhältnisse auf dem benachbarten Gemeindegebiet60. 5. Unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art Das interkommunale Abstimmungsgebot ist auf die Rücksichtnahme und Vermeidung unzumutbarer Auswirkungen für die Nachbargemeinde gerichtet. Eine interkommunale Abstimmung hat immer dann zu erfolgen, wenn als Folge eines Bauleitplanes unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung der Nachbargemeinde in Betracht kommen61. 56 Bönker, BauR 1999,328 (336); Dürr, NVwZ 1996,105 (108); Hoppe in: FS zum 70. Geburtstag von Ch. von Unruh, 1983 - S. 555 (583); Kopp/Schenke - VwGO, 2000 - § 47, Rn. 79; Kriener, BayVBl. 1984, 97 (98); Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (468); Otting, DVB1. 1999, 595 (597); Pappermann, JuS 1973, 689 (695); Rauch, BayVBl. 1980,612 (613); Schmitz, LKV 1997, 345 (348); Stühler, VB1BW 1999,206 (208); Uechtritz, BauR 1999,572 (574); Wagner, ZfBR 2000,21 (22) = BWGZ 1999,62 (63); a. A. Brohm- Öffentliches Baurecht, 1999- § 12, Rn.20; Jahn, LKV 1991, 258 (261). 57 OVG Sachsen, U. v. 08.12.1993 - 1 S 81/93 - LKV 1995, 84 (86); OVG Sachsen, U.v.26.05.1993- 1S 68/93-LKV 1994,116 (117); Funke/Schroer, ZG 1986, 256 (266); Kilian/Müllers, VerwArch 1998, 25 (38). 58 BVerwG B.v. 09.01.1995 - 4 NB 42.94 - BRS 57, Nr. 5, S. 20 = NVwZ 1995,694 = BauR 1995, 354 = GewArch 1995, 210 = IBR 1995, 396; BVerwG, v. 02.06.1992 - 4 NB 8/92 JURIS, S.2; BVerwG, U.v. 15.12.1989-4C 36.86-NVwZ 1990,464 (465) = BVerwGE 84, Nr. 28, S. 209 = DÖV 1990,479. 59 Vgl. BVerwG, U. v. 21.03.1996 - 4 C 26/94 - NVwZ 1997, 169 (170); BVerwG, U. v. 27.03.1992 - 7 C 18/91 - NVwZ 1993, 364 (365); VGH BW, B. v. 24.05.1995 - 10 S 240/95 - NVwZ 1995, 1017 (1018); VGH BW, U.v. 26.10.1989-10 S 2177/88-NVwZ 1990, 487; Stühler, JuS 1999, 234 (235). 60 Runkel, UPR 1998, 241 (245). 61 BVerwG, B. v. 09.01.1995 - 4 NB 42.94 - BRS 57, Nr. 5, S. 20 (21) = NVwZ 1995, 694 = BauR 1995,354 = GewArch 1995,210 = IBR 1995,396; BVerwG, U.v. 15.12.1989-4C 36.86 - NVwZ 1990, 464 (465) = BVerwGE 84, Nr. 28, S. 209 = DÖV 1990, 479; BVerwG U. v.08.09.1972-4C 17.71 -BauR 1972, 352 (354) = BRS 25 Nr. 14, S.44(„KrabbenkampEntscheidung"); OVG Bbg., B. v.08.05.1998-3Β 84/97-LKV 1998, 359 (360); OVG Nds. U. v. 23.11.1982 - 6 C7/79 - BauR 1983,220; OVG NW, Β. v. 31.01.2000 - 10B 959/99 - DÖV 2000, 644; OVG Thür., B. v. 23.04.1997 - 1 EO 241/97 - LKV 1997, 372 (373) = DÖV 1997, 791 =ThürVBl. 1997,279; VGH BW, U.v. 15.10.1993 - 3 S 335/92-VB1BW 1994,353; VGH BW, Β. v. 21.12.1976 - III 415/76 - NJW 1977, 1465 (1467) = BRS 30, Nr. 24, S. 55 = BauR 1977, 184; Bay. VGH, B. v. 25.10.1999 - 26 CS 99.2222 - BayVBl. 2000, 152 = GewArch

204

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB 6. Anknüpfungskriterien

Von den Auswirkungen der Planung müssen Rechte der Nachbargemeinde betroffen sein, die Beeinträchtigung von Erwartungen und Hoffnungen reicht nicht aus. Beachtlich sind demzufolge Auswirkungen auf die gemeindliche Planungshoheit. In diesem Zusammenhang sind nur solche Auswirkungen auf die Nachbaigemeinde zu berücksichtigen, die für den Gehalt und die Zielrichtung der städtebaulichen Leitzielbestimmungen des § 1 V BauGB oder für andere Vorschriften, die die in den Leitzielbestimmungen verankerten Belange konkretisieren, maßgeblich sind 6 2 .

a) Die Bedeutung des § 11 I I I BauNVO I m Rahmen der interkommunalen Abstimmung spielen auch die Vorschriften der BauNVO eine Rolle, weil die städtebaulichen Zielvorgaben durch die BauNVO sachverständig konkretisiert werden 6 3 . Besondere Bedeutung in diesem Zusammenhang kommt § 11 I I I BauNVO zu, weil hiermit die in § 1 V BauGB verankerten Leitzielbestimmungen der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung sowie der in Satz 2 Nr. 8 genannten verbrauchernahen Versorgung präzisiert und konkretisiert werden 6 4 . Gewichtige Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung und ins2000,174 = BauR2000,365; Bay. VGH, U.v. 15.04.1994-2N 93.3940-BayVBl. 1994,495 (496) = GewArch 1995,434; Bay. VGH, U.v. 14.01.1991 - 2 B 89.785 - GewArch 1991, 314 (315); Bay. VGH, B. v. 26.10.1976 - 130 I 76 - BayVBl. 1977, 303 (304); Bay. VGH, B.v.24.11.1975-217 175-BayVBl. 1976, 112 (114); VG Koblenz, B.v.24.07.2000- 1 L 1756/00 KO-BauR 2000, 1714 (1715); VG Neustadt/Weinstraße, U. v.06.04.2000- 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 (262) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); VG Neustadt/Weinstraße, B. v. 29.09.1998 - 2 L 2138/98-NVwZ 1999, 101 (103) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz) VG Potsdam, B.v.07.05.1999-5L 950/98-BauR 1999,1146 = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin./. Lkr. Havelland); Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000,376 (378); Jahn, BayVBl. 2000, 267 (269); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (343); Uechtritz, BauR 1999,572 (574); a.A. Rauch, BayVBl. 1980,612 (614), vertritt die Auffassung, dass keine gewichtigen Auswirkungen vorliegen müssen. 62 BVerwG, U. v. 15.12.1989 - 4 C 36.86 - BVerwGE 84, Nr. 28, S. 209 = NVwZ 1990, 464 = DÖV 1990,479 BVerwG U.v.08.09.1972-4C 17.71-BauR 1972,352 (354) = BRS 25 Nr. 14, S.44; OVG Nds., U.v. 17.11.1970-1 A 97/69-DVBl. 1971, 322 (323); OVG NW, B.v. 09.02.1988-11 Β 2505/87- NVwZ-RR 1988,11 (12) = DÖV 1988,843 = NWVB1.1988, 235; VGH BW, U. v. 15.10.1993 - 3 S 335/92 - VB1BW 1994, 353; Bay. VGH, U.v. 14.01.1991 - 2 B 89.785 - GewArch 1991, 314 (315), Hoppe in: H/G - Öffentliches Baurecht, 1995 - § 7, Rn. 178; Pappermann, JuS 1973, 689 (696). 63 Bay. VGH, U. v. 15.04.1994 - 2 Ν 93.3940 - BayVBl. 1994,495 (496) = GewArch 1995, 434. 64 Bay. VGH, U.v.03.05.1999- 1 Ν98.1021 -BauR 1999, 1140 (1142) = BayVBl. 2000, 273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999,432 = IBR 1999, 384 (FOC Ingolstadt); Bay. VGH, U.v. 15.04.1994-2N 93.3940-BayVBl. 1994, 495 (496) = GewArch 1995, 434; VG Neustadt/Weinstraße, U.v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000,261 (262) = UPR 2000,320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); Bielenberg in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 2 Rn. 72; Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 11.21 ; Hatzfeld/Janning, StGB

C. Die interkommunale Abstimmung

205

besondere auf den Verkehr sind beispielsweise dann gegeben, wenn durch die Ansiedlung eines Einzelhandelsgroßprojektes der Straßenverkehr in einer Nachbargemeinde überlastet wird und dies Folgeaufwendungen nach sich zieht 65 .

aa) Die Regelvermutung des §11 III 3 BauNVO Allein dadurch, dass ein geplantes Einzelhandelsgroßprojekt die Regelvermutung des § 11 III 3 BauNVO überschreitet, ist die Annahme unmittelbarer Auswirkungen gewichtiger Art oder die Befürchtung erheblicher Auswirkungen auf die städtebaulichen Entwicklungs- und Planungsbefugnisse der Nachbargemeinde nicht gerechtfertigt 66 . Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn das geplante Einzelhandelgroßprojekt an einem Standort in der Nähe der daran unmittelbar angrenzenden Nachbargemeinde realisiert werden soll und somit dessen Einzugsbereich sich zu einem ganz erheblichen Teil auf dem Gebiet der Nachbargemeinde befindet 67.

bb) Die verbrauchernahe

Versorgung

Bei der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten sind Auswirkungen auf die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im Sinne des § 1 V 2 Nr. 8 BauGB von besonderer Bedeutung68. Grundlagen der verbrauchernahen Versorgung sind insbesondere das Angebot an Waren des kurzfristigen Bedarfs, also von Nahrungs- und Genussmitteln, aber auch des mittelfristigen Bedarfs (z.B. Schuhe und Textilien). 1990, 109 (122); Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (125); Jahn, BayVBl. 2000, 267 (270). 65 Vgl. OVG NW, Β. v. 31.01.2000 - 10B 959/99 - DÖV 2000, 644 (645); VG Potsdam, Β. v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - BauR 1999,1146 (1147) = LKV 1999,377 (FOC Wustermark/ einstw. Rechtsschutz - Land Berlin./. Lkr. Havelland); Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - 459 (469, Fn. 56). 66 BVerwG, v. 02.06.1992 - 4 NB 8/92 - JURIS, S. 2; VG Neustadt/Weinstraße, Β. v. 29.09.1998 - 2 L 2138/98 - NVwZ 1999, 101 (103) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/ einstw. Rechtsschutz); unklar: OVG RP, B.v.08.01.1999-8 Β 12650/98-NVwZ 1999, 435 (437) = BauR 1999,367 = NJW 1999,1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz), das Gericht weist darauf hin, dass die Regelvermutung zu berücksichtigen sei; a. A. OVG RP, U. v. 01.03.1983 - 10 C 24/82 (Stadt Landau/Pfalz ./. Ortsgemeinde Bornheim) - BRS 40, Nr.33, S.80 (83) = BauR 1983, 551; Bay. VGH, U.v.03.05.1999- 1 Ν98.1021 -BauR 1999, 1140 (1142) = BayVBl. 2000,273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999,432 = IBR 1999,384 (FOC Ingolstadt); Jahn, BayVBl. 2000, 267 (270); Wagner, ZfBR 2000, 21 (22). 67 OVG Thür., U. v. 17.06.1998 - 1 KO 1040/97 - ThürVBl. 1998, 280 (282) = LKV 1999, 194; OVG Thür., B. v. 23.04.1997 - 1 EO 241/97 - LKV 1997, 372 (373) = DÖV 1997, 791 = ThürVBl. 1997, 279; Bay. VGH, U.v. 14.01.1991 - 2B 89.785 - GewArch 1991, 314 (316). 68 OVG Bbg., Β. v. 12.07.1996 - 3 Β 144/95 - LKV 1997, 129 (130) = NVwZ 1997, 600; Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (474).

206

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

Bei der interkommunalen Abstimmung ist daher wie i m Rahmen des § 11 I I I 2 BauNVO die Innenstadtrelevanz des Warensortiments 69 der geplanten Ansiedlungen maßgeblich. Aber auch die räumliche Nähe zur Nachbargemeinde 70 ist in diesem Zusammenhang zu beachten. Eine Planung kann bereits deshalb als rücksichtslos zu beurteilen sein, wenn dadurch die Ansiedlung eines Einzelhandelsgroßprojektes am Rande einer Gemeinde in nächster Nähe zur Nachbargemeinde ermöglicht werden soll, um hiermit gezielt Kaufkraft der Nachbargemeinde „anzuzapfen" 7 1 .

cc) Städtebauliche Relevanz wirtschaftlicher

Auswirkungen

Die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten kann einen Kaufkraftabfluss des innenstadtrelevanten Einzelhandels in der Nachbargemeinde zur Folge haben. Derartige wirtschaftliche Auswirkungen sind i m Rahmen des § 2 I I BauGB grundsätzlich unbeachtlich, weil das Bauplanungsrecht wettbewerbsneutral ist und daher derartige Belange nur in die Abwägung einzustellen sind, sofern diese eine städtebauliche Relevanz aufweisen 72 . 6 9 BVerwG B. v. 09.01.1995 - 4 NB 42.94 - BRS 57, Nr. 5, S. 20 (22) = NVwZ 1995, 694 = BauR 1995,354 = GewArch 1995,210 = IBR 1995,396; OVG Nds. U.V.23.11.1982-6C 7/79 - BauR 1983, 220; OVG Sachsen, U. v. 26.05.1993 - 1S 68/93 - LKV 1994, 116 (119); OVG Thür., B. v. 23.04.1997 - 1 EO 241/97 - LKV 1997, 372 (373) = DÖV 1997, 791 =ThürVBl. 1997, 279; Bay. VGH, U.v. 15.04.1994-2N 93.3940 - BayVBl. 1994, 495 (496) = GewArch 1995,434. 70 OVG Sachsen, U. v. 26.05.1993 - 1 S 68/93 - LKV 1994, 116 (119); OVG Thür., U. v. 17.06.1998 - 1 KO 1040/97 - ThürVBl. 1998, 280 (282) = LKV 1999, 194; OVG Thür., B.v.23.04.1997- 1 EO241/97-LKV 1997, 372 (373) = DÖV 1997, 791 = ThürVBl. 1997, 279; VGH BW B. v. 29.04.1998 - 3 S 313/98 - η. v., Seite 3 der Entscheidung; VGH BW, B.v.25.08.1977-III 1234/76-BRS 32, Nr.22, S.58 (59); Bay. VGH, U.v. 14.01.1991 - 2 B 89.785-GewArch 1991, 314 (316); Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998-§ 11, Rn. 11.22. 71 OVG MV, B.v. 30.06.1999 - 3 M144/98 - NVwZ-RR 2000,559 (561) = DÖV 2001,134; VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 (263) = UPR 2000,320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); Kopp/Schenke - VwGO, 2000- § 42, Rn. 138; Reidt, NVwZ 1999,45 (47); Uechtritz, BauR 1999, 572 (580). 72 BVerwG, B. v. 16.01.1990-4 NB 1/90-NVwZ 1990, 555 = DÖV 1990, 479; so bereits: OVG Bremen, B.v. 16.07.1976-IB 12/76-BauR 1976,407 (408); im Anschluss daran: OVG Bbg., Β. v. 08.05.1998 - 3 Β 84/97 - LKV 1998, 359 (361); OVG MV, U. v. 15.04.1999 - 3 Κ 36/97 - NVwZ 2000, 826; OVG MV, B. v. 30.06.1999 - 3 M 144/98 - NVwZ-RR 2000, 559 (561) = DÖV 2001, 134; OVG Thür., B. v. 23.04.1997 - 1 EO 241/97 - LKV 1997, 372 (373) = DÖV 1997,791 = ThürVBl. 1997,279; VGH BW, B.v.21.12.1976-III 415/76-NJW 1977, 1465 (1468) = BRS 30, Nr. 24, S. 55 = BauR 1977, 184; VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 (262) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); VG Neustadt/Weinstraße, B. v. 29.09.1998 - 2 L 2138/98 NVwZ 1999, 101 (103) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); VG Potsdam, Β. v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - BauR 1999, 1146 (1148) = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland); Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 11.23; Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - 459 (469); Uechtritz, BauR 1999, 572 (579).

C. Die interkommunale Abstimmung

207

Dieser Grundsatz gilt gleichermaßen im Rahmen der interkommunalen Abstimmung 7 3 . Eine Gemeinde kann auch nicht als Fürsprecher oder Sachwalter der Einzelhändler fungieren 74 , weil für die Gemeinden nicht die gleiche „grundrechtstypische Gefährdungslage" besteht 75 . Die Nachbargemeinde kann daher keinen „Denkmalschutz für den innerstädtischen Einzelhandel" 7 6 geltend machen.

dd) Umschlagen wirtschaftlicher

Auswirkungen

Wirtschaftliche Auswirkungen sind jedoch dann abwägungserheblich, wenn diese in städtebaulich relevante Auswirkungen umschlagen. Ein derartiges Umschlagen ist gegeben, wenn aufgrund von Kaufkraftabflüssen Einzelhandelsbetriebe in der Nachbargemeinde in beträchtlichem Umfang ihr Angebot einschränken oder gar schließen müssen und hiermit eine Verödung der Innenstadt einhergeht 77 . Dies kann eine städtebaulich relevante Gefährdung der Innenstadtsanierung bzw. der verbrauchernahen Versorgung zur Folge haben 78 . 73 BVerwG, B. v. 09.05.1994 - 4 NB 18.94 - BRS 56, Nr. 36, S. 104 (105) = BauR 1994, 492 = NVwZ 1995, 266 = IBR 1995, 26. 74 OVG MV, U. v. 15.04.1999 - 3 Κ 36/97 - NVwZ 2000, 826 (827); Bay. VGH, U. v. 03.05.1999- 1 N98.1021 -BauR 1999,1140 (1143) = BayVBl. 2000,273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999, 432 = IBR 1999, 384 (FOC Ingolstadt); VG Magdeburg, Β. v. 09.08.1995 - 4 Β 61/95 - LKV 1996, 340 (341); VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 (262) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); Hoppe, DVB1. 2000, 293 (300); Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (125); Jahn - Stärkung der Innenstadt oder des ländlichen Raumes?, 1999 - S. 38; Jahn, GewArch 1999,432 (436) (FOC Ingolstadt); Kopp/Schenke - VwGO, 2000 - § 42, Rn. 137; vgl. Schenke - Bergbau contra Oberflächeneigentum und kommunale Selbstverwaltung, 1994 - S. 91; Uechtritz, BauR 1999, 572 (579). 75 Vgl. BVerfG, B.v.08.07.1982-2 BvR 1187/80-NJW 1982, 2173 (2174). 76 Kniep, VB1BW 1998, 294. 77 BVerwG, B. v. 09.05.1994 - 4 NB 18.94 - BRS 56, Nr. 36, S. 104 (106) = BauR 1994, 492 = NVwZ 1995,266 = IBR 1995,26; OVG MV, B.v. 30.06.1999 - 3 M144/98 - NVwZ-RR 2000,559 (561 ) = DÖV 2001, 134; OVG MV, U. v. 15.04.1999 - 3 Κ 36/97 - NVwZ 2000, 826 (827); OVG RP, B. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (437) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); OVG Thür., B.v.23.04.1997- 1 E0 241/97-LKV 1997, 372 (373) = DÖV 1997, 791 =ThürVBl. 1997, 279; VGH BW, B. v. 25.08.1977 - III 1234/76 - BRS 32, Nr. 22, S. 58 (59); VGH BW, B.v.21.12.1976-III 415/76-NJW 1977, 1465 (1467) = BRS 30, Nr.24, S.55 = BauR 1977, 184; VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 (262) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); VG Potsdam, B. v.07.05.1999-5L 950/98-BauR 1999, 1146 (1148) = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/ einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland); VG Potsdam, B. v. 03.08.1998 - 5 L 247/98 - Mitteilungen StGB Bbg. 1998, 336 (338) (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland); Bielenberg in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 2 Rn. 72; Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (128); Jahn, BayVBl. 2000, 267 (270); Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (471); Otting, DVB1. 1999, 595 (597); Uechtritz, BauR 1999, 572 (579). 78 Dürr, NVwZ 1996, 105 (108); Frank, NVwZ 1987, 369 (371); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (344).

208

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

Die Nachbargemeinde muss einen städtebaulich relevanten Umschlag wirtschaftlicher Auswirkungen näher spezifizieren; ein lapidarer Hinweis, dass ein Kaufkraftabfluss negative Auswirkungen haben wird, reicht dafür nicht aus79. Das OVG Bbg. 80 hob in seiner Entscheidung zum FOC Wustermark hervor, dass pauschale Bewertungen oder politische Vorstellungen die rechtlich gebotene, einzelfallbezogene Betrachtungsweise nicht zu ersetzen vermögen. Die Frage, wann unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art vorliegen, kann nur im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung beurteilt werden. Allerdings kommt nach der Literatur 81 und Rechtsprechung82 dem Umfang des zu erwartenden Kaufkraftabflusses hohe indizielle Bedeutung hinsichtlich der Auswirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche sowie auf die mittelständische Struktur der Wirtschaft im Sinne des § 1 V 2 Nr. 8 BauGB und damit auf die verbrauchernahe Versorgung zu. Bei der Bestimmung des Schwellenwertes ab dem von unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art in der Regel auszugehen ist, kann die Rechtsprechung zum Vorliegen negativer Auswirkungen im Sinne des § 11 III 2 BauNVO herangezogen werden. In der Rechtsprechung ist eine Tendenz erkennbar, wonach bei einem Kaufkraftabfluss von 10% unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art anzunehmen 79 OVG Thür., B. v. 23.04.1997 - 1 EO 241/97 - LKV 1997, 372 (373) = DÖV 1997, 791 =ThürVBl. 1997, 279; Bay. VGH, U.v. 15.04.1994-2N 93.3940 - BayVBl. 1994, 495 (496) = GewArch 1995, 434; Büchner, NVwZ 1999, 345 (349); Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998-§ 11, Rn. 11.22. 80 OVG Bbg., Β. v. 16.12.1998 - 3 Β 116/98 - NVwZ 1999, 434 = BauR 1999, 613 = GewArch 1999, 437 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland), das Gericht sprach dem Bericht einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der Wirtschafts-, Raumordnungs- und Bauministerkonferenz zu Hersteller-Direktverkaufszentren vom 20.05.1998 (BBauBl. 1998, S.76ff.) eine Einzelfallbezogenheit ab. In Ziffer 27 des Berichts wird ausgeführt, dass es bei FOC in einem Radius von 20 bis 25 Autominuten zu Umsatzeinbußen bis zu 25 % in den Bereichen Textil/Bekleidung kommen kann. 81 Acocella/Fürst/Seimetz, IzR 1998, 89 (92); Birk in: Spannowsky - Flächennutzungsplanung im Umbruch?, 1999-S. 145 (149); Bönker, BauR 1999,328 (335); Jahn, BayVBl. 2000, 267 (270); Jahn, GewArch 1999,432 (437); Stühler, VB1BW 1999,206 (208); Wagner, ZfBR

2000, 21 (22).

«2 OvVG Bbg., Β. v. 16.12.1998 - 3 Β 116/98 - NVwZ 1999, 434 (435) = BauR 1999, 613 = GewArch 1999, 437 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland); OVG MV, B. v. 30.06.1999 - 3 M 144/98 - NVwZ-RR 2000, 559 (561) = DÖV 2001, 134, ein städtebaulicher Umschlag wirtschaftlicher Auswirkungen ist nach Auffassung des Gerichts bei einem Kaufkraftabfluss von 10 % bis 30 % des innerstädtischen Einzelhandels gegeben; OVG Thür., B. v. 23.04.1997 - 1 EO 241/97 - LKV 1997, 372 (374) = DÖV 1997, 791 = ThürVBl. 1997, 279, nach Auffassung des Gerichts liegen bei einem Kaufkraftabfluss von 1,4% keine gewichtigen Auswirkungen vor; VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.20002 Κ 3571/98 - GewArch 2000,261 (262) = UPR 2000,320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); VG Neustadt/Weinstraße, B. v. 29.09.1998 - 2 L 2138/98-NVwZ 1999, 101 (103) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); VG Potsdam, Β. v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - BauR 1999,1146 (1148) = LKV 1999,377 (FOC Wustermark/ einstw. Rechtsschutz - Land Berlin./. Lkr. Havelland).

C. Die interkommunale Abstimmung

209

sind 83 . Das OVG RP 84 geht davon aus, dass unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art bei einem Kaufkraftabfluss von 10% bezogen auf den gesamten innenstadtrelevanten Einzelhandel bzw. auf wesentliche innerstädtische Leitsortimente 85 zu erwarten sind. Das Gericht stützt sich dabei auf eine Entscheidung des OVG NW 8 6 , in dem ein Kaufkraftabfluss von 10% bezogen auf ein wesentliches innerstädtisches Leitsortiment als wesentliches Indiz für negative Auswirkungen im Sinne des § 11 III 2 BauNVO auf die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung gewertet wurde.

ee) Kein Schutz des interkommunalen Wettbewerbs Zum Teil wird die Auffassung 87 vertreten, dass die Wettbewerbsneutralität des Bauplanungsrechtes im Hinblick auf §2 II BauGB einzuschränken sei. Nach dieser Ansicht hat die planende Gemeinde im Rahmen der interkommunalen Abstimmung gemäß § 2 I I BauGB bereits konkrete Planungen einer Nachbargemeinde zu berücksichtigen, die der Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben zur überörtlichen Versorgung dienen sollen. Demzufolge stünde einem nicht zentralen Ort, der auf der Grundlage eines Bebauungsplanes die Errichtung eines Einzelhandelsgroßprojektes genehmigt hat, ein Abwehrrecht gemäß § 2 II BauGB gegen entsprechende Planungen zentraler Orte im Einzugsgebiet dieses Betriebes zu. Begründet wird dies damit, dass der nicht zentrale Ort durch die Aufstellung des Bebauungsplanes seine Planungshoheit manifestiert habe und dessen Planung daher im Verhältnis zur Planung der Nachbargemeinde Priorität genieße88. 83 OVG Bbg., Β. v. 16.12.1998 - 3 Β 116/98 - NVwZ 1999, 434 (435) = BauR 1999, 613 = GewArch 1999, 437 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland); OVG RP, B. v. 08.01.1999- 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999,435 (438) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 (264) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); VG Potsdam, B. v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - BauR 1999, 1146 (1148) = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland); Dolde/Menke, NJW 1999, 1070 (1076); Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999,119 (125); Kopp/Schenke - VwGO, 2000- §42, Rn. 138; Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - 459 (469, Fn. 56); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (344); Uechtritz, BauR 1999, 572 (579); Wagner, IBR 1999, 392 (393). 84

OVG RP, B.v. 08.01.1999-8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (438) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz). 85 Siehe zur Frage der Bezugsgröße 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C.III.7.d. 86 OVG NW, U. v. 05.09.1997 - 7 A 2902/93 - BauR 1998, 309 (312) = BRS 59, Nr. 70, S.239. 87 Reidt, LKV 1994, 93 (94); Voß, ZfBR 1994, 111 (113); unklar: OVG Sachsen, U.v.08.12.1993- 1 S 81/93-LKV 1995, 84 (85) (Kasernengelände Schönau); Grooterhorst/ Lascho, UPR 1995, 332 (337). 88 Voß, ZfBR 1994, 111 (113). 14 Kopf

210

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

Ein derartiger Schutz des interkommunalen Wettbewerbs ist mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung89 und Literatur 90 abzulehnen, weil die Nachbargemeinden nach § 2 II BauGB nicht vor Veränderungen ihrer eigenen wirtschaftlichen und finanziellen Situation bauplanungsrechtlich geschützt werden. Zudem könnten die Nachbargemeinden andernfalls mittelbar als Sachwalter der ansiedlungswilligen Einzelhandelsbetriebe fungieren. Ein Schutz des interkommunalen Wettbewerbs würde auch dem Grundsatz der kompetenziellen Rücksichtnahme widersprechen. § 2 I I BauGB dient dem Schutz der Planungshoheit der Nachbargemeinden nur insoweit, als diese eines Schutzes bedarf. Intendiert eine Nachbargemeinde durch die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben, die auf eine überörtliche Versorgung abzielen, gerade faktische Auswirkungen auf andere Gemeinden und überschreitet sie so ihren Wirkungsbereich, so ist diese grundsätzlich nicht schutzwürdig 91. Die dargestellte Auffassung würde zudem das zentralörtliche System ins Gegenteil verkehren, weil sich hiernach nicht-zentrale Orte bzw. Orte niedrigerer Zentralitätsstufe auf einen Prioritätsgrundsatz berufen könnten, der das Prinzip der zentralen Orte aushebeln würde 92.

ff) Zusammenfassung Im Rahmen des § 2 I I BauGB sind von vornherein rein wirtschaftliche Interessen außer Acht zu lassen. Dies betrifft das Interesse der Ansiedlungsgemeinde aber auch der Nachbargemeinde, wenn diese in der Hoffnung auf Gewerbesteuern, die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie die Förderung des Tourismus eine Vorrangstellung im interkommunalen Wettbewerb anstrebt und auf der anderen Seite die Interessen des örtlichen Einzelhandels am Erhalt des status quo.

89 OVG MV, U. v. 15.04.1999 - 3 Κ 36/97 - NVwZ 2000, 826 (827); OVG RP, U. v. 24.06.1992 - 1 0 C 12780/90 - BRS 54, Nr. 13, S. 40 (42) = DÖV 1993, 209; OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 15.10.1993 - 1 M 14/93 η. v., S. 17; VG Magdeburg, Β. v. 09.08.1995 - 4 B 61/95 - LKV 1996, 340 (341); VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 (262) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); andeutungsweise: VG Neustadt/Weinstraße, Β. v. 29.09.1998 - 2 L 2138/98 NVwZ 1999, 101 (104) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz). 90 Jahn, BayVBl. 2000, 267 (270); Otting, DVB1. 1999, 595 (597); Stühler, VB1BW 1999, 206 (207); Uechtritz, BauR 1999, 572 (579). 91 Vgl. zur Schutzwürdigkeit von Interessen: OVG NW, B. v. 03.05.1994 - 10a D170/93 - BRS 56, Nr. 37, S. 106 (107). 92 So auch: Stühler, VB1BW 1999,206 (207); Uechtritz, BauR 1999,572 (581, Fn.59); Bielenberg in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 2 Rn. 66.

C. Die interkommunale Abstimmung

211

b) Ziele der Raumordnung Nach überwiegender Auffassung reicht ein Verstoß gegen die Ziele der Raumordnung und insbesondere das Zentrale-Orte-Prinzip nicht aus, um ein selbständiges Abwehrrecht einer Nachbargemeinde zu begründen93. Die Einhaltung von Zielen der Raumordnung kann grundsätzlich auch nicht im Rahmen der interkommunalen Abstimmung von der Nachbargemeinde geltend gemacht werden, weil Belange, die Gegenstand überörtlicher Fachplanungen sind, nicht der gemeindlichen Planungshoheit zugeordnet werden können94. aa) Die Ausstrahlungswirkung

der raumordnerischen

Ziele

Nach der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung verleihen die raumordnerischen Ziele den Nachbargemeinden zwar keine subjektiven Rechte95, sie entwickeln jedoch eine gewisse Ausstrahlungswirkung auf deren Belange und sind deshalb mittelbar über § 2 II BauGB als Bestandteil des Abwägungsprogramms zu berücksichtigen 96. Deshalb kommt der zentralörtlichen Gliederung im Rahmen der interkommunalen Abstimmung bei der Gewichtung der Belange der Nachbargemeinde und damit auch bei der Bestimmung der Unzumutbarkeitsschwelle eine bedeutsame Rolle zu 97 . Eine mittelbare Berücksichtigung der zentralörtlichen Glie93

Siehe 11. Kapitel, C.I.2.b.bb. OVG RP, U. v. 19.10.1988 - 10 C 27/87 - NVwZ 1989, 983(984); Bay. VGH U. v. 04.09.1984- 1Β 82 A439-BayVBl. 1985, 83 (87); Kilian/Müllers, VerwArch 1998,25 (40). 95 OVG RP, Β. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (437) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); OVG RP, U.v.24.06.1992- 10C 12780/90-BRS 54, Nr. 13, S.40 (43) = DÖV 1993,209; a.A. OVG RP, U.v. 19.10.1988-10 C27/87-NVwZ 1989,983 (984); OVG RP, U.v.01.03.1983- 10C24/82 (Stadt Landau/Pfalz ./. Ortsgemeinde Bomheim) - BRS 40, Nr. 33, S. 80 (82) = BauR 1983, 551; W. Schrödter in: Schrödter-BauGB, 1998- §2, Rn.46a. 96 BVerwG, B. v. 09.01.1995 - 4 NB 42.94 - BRS 57, Nr. 5, S. 20 (22) = NVwZ 1995, 694 = BauR 1995, 354 = GewArch 1995, 210 = IBR 1995, 396; OVG Nds., U. v. 23.11.19826 C 7/79 - BauR 1983, 220 (221); OVG Thür., B. v. 23.04.1997 - 1 E 0 2 4 1 / 9 7 - L K V 1997, 372 = DÖV 1997,791 = ThürVBl. 1997,279; VG Neustadt/Weinstraße, B.v.29.09.1998 - 2 L 2138/98 - NVwZ 1999,101 (102) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); Battis, LKV 1999, 347 (349); Bönker, BauR 1999, 328 (340); Halama in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 201 (226); Jahn, BayVBl. 2000, 267 (270); Wagner, ZfBR 2000, 21 (22); einschränkend: OVG Sachsen, U. v. 08.12.1993 - 1 S 81/93 - LKV 1995, 84 94

(86).

97 OVG Bbg., Β. v. 08.05.1998 - 3 Β 84/97 - LKV 1998, 359 (361); OVG NW, B.v. 09.02.1988 - 1 1 Β 2505/87 - NVwZ-RR 1988,11 (12) = DÖV 1988,843 = NWVB1.1988, 235; OVG RP, B. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (437) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); Bay. VGH, U. v. 14.01.1991 - 2 B 89.785-GewArch 1991,314(317); Birk in: Spannowsky - Flächennutzungsplanung im Umbruch?, 1999- S. 145 (149); Hoppe in: Ziekow-Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999,119 (128); Runkel, UPR 1998,241 (245); Spannowsky, UPR 1999, 241 (243); Uechtritz, BauR 1999, 572 (578 und 580f.); a.A. wohl Otting, DVBl 1999, 595

1*

212

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

derung ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Nachbargemeinde gemeinsam mit der planenden Gemeinde die zentralörtliche Funktion wahrzunehmen hat 98 . bb) Stellungnahme: Verfassungskonforme

Auslegung des §2 II BauGB

Was in der Literatur wie zuvor beschrieben als Ausstrahlungswirkung der raumordnerischen Ziele beschrieben wird, ist aus rechtsdogmatischer Sicht die zwingende Folge einer verfassungskonformen Auslegung des § 2 I I BauGB. Nach der hier vertretenen Auffassung kann sich eine Nachbargemeinde gegen die Genehmigung eines Einzelvorhabens mit Berufung auf die in Art. 28 II 1 GG verankerte Planungshoheit zur Wehr setzten99. Eine Nachbargemeinde hat gegen eine Einzelgenehmigung auch dann ein Abwehrrecht, wenn die Genehmigung gegen objektiv-rechtliche Normen verstößt. Zu diesen objektiv-rechtlichen Normen zählen auch die Ziele der Raumordnung 100. Eines direkten Rückgriffs auf Art. 28 II 1 GG bedarf es im Zusammenhang mit der Aufstellung eines Bebauungsplanes nicht. Dies muss insbesondere im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des einfachen Rechts gelten 101 . Jedoch ist §2 I I BauGB verfassungskonform auszulegen, so dass die raumordnerischen Ziele im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sind. Hinsichtlich der Aufstellung eines Bebauungsplanes für Einzelhandelsgroßprojekte kommt lediglich dem Beeinträchtigungsverbot die Funktion eines bindenden raumordnerischen Ziels zu 102 . Es ist davon auszugehen, dass die zentralörtliche Funktion einer Nachbargemeinde erst bei einem Kaufkraftabfluss von über 20% beeinträchtigt wird 103 . Nach dem Entwurf eines neuen Einzelhandelserlasses B W 1 0 4 ist bei einem Umsatzverlust bei innenstadtrelevanten Waren von ca. 10% und bei nicht innenstadtrelevanten Waren von ca. 20 % in der Regel von einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des zentralörtlichen Versorgungskerns (Stadt- und Ortskern) und der verbrauchernahen Versorgung im Einzugsbereich eines Einzelhandelsgroßprojektes (596), nach dem der zentralörtliche Status im Rahmen einer interkommunalen Abwehrklage von vornherein unbeachtlich sei. 98 Bay. VGH, U.v. 15.04.1994-2N 93.3940-BayVBl. 1994,495 (496) = GewArch 1995, 434 (zentrale Mehrfachorte); Stühler, VB1BW 1999, 206 (208). "Siehe 11. Kapitel, C.II.4.C. 100 Siehe 11. Kapitel, C.II.4.c.cc. 101 Siehe 11. Kapitel, C.II.4.C. 102 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, D. VIII. 3. a. und 9. Kapitel, 1. Abschnitt, D.X.2.b.dd. 103 Vgl. Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (128); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (345). 104 Hinweise des Wirtschaftsministeriums zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten (Az.: 6-2500.4/7), Stand Juli 2000- S. 12, Ziffer 3.2.2.3.

C. Die interkommunale Abstimmung

213

auszugehen. Allerdings entfaltet ein Einzelhandelserlass keine Bindungswirkung, er dient lediglich als Auslegungshilfe für die planende Gemeinde105.

7. Die Unzumutbarkeit Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung106 und Literatur 107 , führen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art nicht automatisch zu einer Verletzung des § 2 I I BauGB und damit zur Nichtigkeit des Bebauungsplanes. Die Pflicht zur interkommunalen Abstimmung ist vielmehr erst dann verletzt, wenn die planende Gemeinde bei der Abwägung ihren eigenen Belangen den Vorrang einräumt, dadurch die Belange der Nachbargemeinde unverhältnismäßig zurückdrängt und damit die Grenze der Zumutbarkeit überschreitet. Die Frage, ob das interkommunale Abstimmungsgebot verletzt ist, lässt sich demzufolge nur im Wege einer zweistufigen Prüfung beantworten. Zunächst ist zu ermitteln, ob unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art vorliegen und damit eine materielle Abstimmungspflicht besteht und sodann im zweiten Schritt, ob die Zumutbarkeitsschwelle überschritten wird. Diese strikte Differenzierung zwischen unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art auf der einen und der Unzumutbarkeit auf der anderen Seite kommt allerdings in der Rechtsprechung nicht immer klar zum Ausdruck. So führte das OVG RP in seiner Entscheidung zum FOC Zweibrücken 108 aus, § 2 II BauGB schütze die Nachbargemeinde vor „zu vermeidenden" unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art. Allerdings fügte das Gericht diesbezüglich hinzu, dass diese Auswirkungen nur aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden nachbarlichen Belange zu ermitteln sind.

105

Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, D.IX. BVerwG U. v.08.09.1972-4C 17.71 - BauR 1972, 352 (355) = BRS 25 Nr. 14, S.44; OVG NW, Β. v. 09.02.1988 - 11 Β 2505/87 - NVwZ-RR 1988, 11 (12) = DÖV 1988, 843 = NWVB1.1988,235; OVG Sachsen, U. v. 26.05.1993 - 1 S 68/93 - LKV 1994,116(118); VGH BW v. 21.12.76 - III 415/76 - NJW 1977, 1465 (1467) = BRS 30, Nr. 24, S. 55 = BauR 1977, 184; VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 (263) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); VG Neustadt/Weinstraße, Β. v. 29.09.1998 - 2 L 2138/98 - NVwZ 1999, 101 (103) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz). 107 Bönker, BauR 1999,328 (340); Jahn, BayVBl. 2000,267 (269); Jahn - Stärkung der Innenstadt oder des ländlichen Raumes?, 1999 - S. 40; Jahn, GewArch 1999,432 (436); Kilian/ Müllers, VerwArch 1998, 25 (39); Kriener, BayVBl. 1984, 97 (98); Otting, DVBl. 1999, 595 (597); Schmitz, BauR 1999, 1100 (1102); Stühler, VB1BW 1999, 206 (209); Uechtritz, BauR 1999, 572 (575, 580); Wagner, ZfBR 2000, 21 (22). 108 OVG RP, Β. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (437) = BauR 1999, 367 = NJW 1999,1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); ähnlich unklar: W. Schrödter in: Schrödter - BauGB, 1998 - § 2, Rn. 42. 106

214

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

a) Anpassungspflicht der Nachbargemeinden Da sich im Rahmen der Abwägung ergeben kann, dass die Belange der Nachbargemeinde hinter die der planenden Gemeinde zurückzustellen sind, kann von der Nachbargemeinde demzufolge auch verlangt werden, planerische Maßnahmen etwa zur Erhaltung und Belebung der Anziehungskraft der Ortskerne zu treffen, um sich so an die geänderte Situation anzupassen109. Das VG Neustadt/Weinstraße unterstreicht diesen Grundsatz in seiner Hauptsacheentscheidung zum FOC Zweibrücken 110 , indem es ausführt, dass jede Nachbargemeinde zunächst einmal für die Erhaltung bzw. Steigerung ihrer eigenen Attraktivität aus städtebaulicher Sicht auf der Grundlage ihres Selbstverwaltungsrechts selbst verantwortlich ist. b) Ermittlung der Unzumutbarkeitsschwelle Eine allgemeine Regel darüber, wann die Zumutbarkeitsgrenze überschritten wird, kann nicht aufgestellt werden. Die Rechtsprechung111 lässt sich bei der Festlegung der Zumutbarkeitsgrenze von einer Formel leiten, die in der Literatur 112 auch als Gebot der kompetenziellen Rücksichtnahme bezeichnet wird. Nach dem Gebot der kompetenziellen Rücksichtnahme muss die planende Gemeinde umso weniger bei ihrer Planung zurückstehen, je gewichtiger die dem eigenen Wirkungskreis entwachsenen Bedürfnisse sind, die zur Planung drängen. Im Umkehrschluss muss die planende Gemeinde um so eher Einschränkungen hinnehmen, je weiter sie ihren Wirkungskreis verlässt und je nachhaltiger sie in den Wirkungskreis der Nachbarkommune eindringt. Als Anhaltspunkt zur Bestimmung des Wirkungskreises kann die Aufgabenzuweisung in den Raumordnungsplänen herangezogen werden 113. Unzumutbar sind beispielsweise Folgelasten, die der Nachbargemeinde durch eine 109 OVG RP, Β. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (437) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); VGH BW, B.v.21.12.1976-3S415/76-NJW 1977,1465 (1469) = BRS 30, Nr.24, S.55 = BauR 1977, 184; VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 (263) = UPR 2000,320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); Jahn - Stärkung der Innenstadt oder des ländlichen Raumes?, 1999- S. 40; Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (472); Otting, DVB1. 1999, 595 (597). 110 VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 (263) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (344). 1,1 OVG NW, B.v. 09.02.1988- 11 Β 2505/87 - NVwZ-RR 1988, 11 (12) = DÖV 1988, 843 = NWVB1. 1988,235. 112 Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999 - § 9, Rn. 16 und § 12, Rn. 21 : Herstellung praktischer Konkordanz nach dem Optimalprinzip; Jahn, BayVBl. 2000, 267 (270); Kilian/Müllers, VerwArch 1998, 25 (39); Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (470); Uechtritz, BauR 1999, 572 (575). 113 OVG NW, B.v. 09.02.1988- 11 Β 2505/87 - NVwZ-RR 1988, 11 (12) = DÖV 1988, 843 = NWVB1. 1988, 235, das Gericht spricht von einer Funktionsgerechtigkeit; OVG Sachsen, U. v. 26.05.1993 - 1 S 68/93 - LKV 1994, 116 (118).

C. Die interkommunale Abstimmung

215

Wohnbebauung an der Gemeindegrenze entstehen können und deren Abdeckung von der planenden Gemeinde nicht bereits in der Planung vorgesehen ist 114 . c) Der Kaufkraftabfluss als Indiz für unzumutbare Auswirkungen Die Tendenz in der jüngsten Rechtsprechung geht eindeutig dahin, dem durch eine Planung voraussichtlich bewirkten Kaufkraftabfluss eine besondere indizielle Bedeutung für das Vorliegen unmittelbarer Auswirkungen gewichtiger Art 1 1 5 , aber auch für die Unzumutbarkeit der Auswirkungen 116 beizumessen. Während der Kaufkraftabfluss in früheren oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen lediglich als bestätigender Anhaltspunkt diente 117 , wird er zunehmend als wesentlicher Indikator für unzumutbare Auswirkungen angesehen. aa) Geeignetheit des Kaufkraftabflusses

als Indikator

Fickert/Fieseler halten die Heranziehung des Kaufkraftabflusses als Abwägungsgrundlage für bedenklich118. Die Kaufkraft könne nur hilfsweise zur Erkennung möglicher Auswirkungen, nicht dagegen als rechterhebliche Entscheidungsgrundlage dienen. Schmitz kritisiert den Bedeutungszuwachs des Kaufkraftabflusses in der Rechtsprechung, weil hierdurch dem Kaufkraftabfluss eine Art letztentscheidende Bedeutung zukomme, wodurch eine differenzierte Einzelfallbetrachtung ausgeschlossen werde 119 . Es sei insbesondere unklar, welche Bezugsgrößen, welches Sortimentsspektrum sowie welche Einkaufslagen bei der Beurteilung des Kaufkraftabflusses herangezogen werden 120. 114 BVerwG U. v. 08.09.1972 - 4C 17.71 - BauR 1972, 352 (354) = BRS 25 Nr. 14, S. 44 („Krabbenkamp-Entscheidung"). 115 OVG Bbg., Β. v. 16.12.1998 - 3 Β 116/98 - NVwZ 1999, 434 (435) = BauR 1999, 613 = GewArch 1999, 437 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland); OVG Thür., B.v. 23.04.1997- 1 E0241/97-LKV 1997, 372 (374) = DÖV 1997, 791 = ThürVBl. 1997, 279; VG Neustadt/Weinstraße, B. v. 29.09.1998 - 2 L 2138/98 - NVwZ 1999, 101 (103) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); VG Potsdam, B.v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - BauR 1999,1146 (1148) = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/ einstw. Rechtsschutz - Land Berlin./. Lkr. Havelland). 116 OVG Sachsen, U.v.08.12.1993- 1S 81/93-LKV 1995, 84 (86). 1,7 VGH BW, B.v. 25.08.1977-III 1234/76 - BRS 32, Nr. 22, S. 58 (59); Bay. VGH, U.v. 14.01.1991 - 2 B 89.785 - GewArch 1991, 314 (316); das Gericht ging bereits aufgrund anderer Anhaltspunkte von einer Unzumutbarkeit aus. 118 Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 23.1. 119 Schmitz, BauR 1999,1100 (1104); Schmitz- Das FOC vor den Toren der Stadt, Thesenpapier zum Vortrag auf der wissenschaftlichen Fachtagung am 20./21.03.2000 an der Uni Kaiserslautem = Krämer/Hofmeister - Bericht zur Fachtagung - ZfBR 2000, 355 (356). 120 Schmitz, BauR 1999, 1100 (1106f.).

216

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

Gegen diese Auffassung wendet Moench ein, dass die Auswirkungen auf die Kaufkraft sowie die Abschöpfungsquoten objektive Parameter darstellen, die das Abwägungsmaterial strukturieren 121. Hiermit lasse sich jenseits planerischer Subjektivität und Beliebigkeit nach den Gesetzen der Marktlogik feststellen, wann mit nachvollziehbaren Auswirkungen zu rechnen ist. bb) Stellungnahme: Kaufkraftabfluss

als Indiz geeignet

Die Einwendungen von Fickert/Fieseler sind durchaus nachvollziehbar, da sie die Bedeutung des Kaufkraftabflusses für ein Umschlagen dieser zunächst rein wirtschaftlichen Auswirkungen in städtebaulich relevante Auswirkungen nicht gänzlich ablehnen. Die Fundamentalkritik von Schmitz an der Tendenz in der Rechtsprechung hinsichtlich des Kaufkraftabflusses ist - wie von Moench zutreffend ausgeführt - nicht berechtigt, weil der Kaufkraftabfluss tatsächlich entscheidend für ein Umschlagen wirtschaftlicher Auswirkungen in städtebaulich relevante Beeinträchtigungen ist. Die Rechtsprechung hat zudem stets betont, dass der Kaufkraftabfluss nur einer von vielen bei der Abwägung zu berücksichtigenden Faktoren darstellt. Der zu erwartende Kaufkraftabfluss erleichtert den Einstieg in eine Einzelfallprüfung und gibt so eine grobe Marschrichtung vor. Von einer letztentscheidenden Bedeutung des Kaufkraftabflusses - wie von Schmitz befürchtet - kann nicht die Rede sein, weil es grundsätzlich einer Einzelfallprüfung vorbehalten bleibt, die Unzumutbarkeit der Auswirkungen festzustellen 122. Auch die von Schmitz aufgeworfenen Fragen hinsichtlich der Ermittlung und Bewertung des Kaufkraftabflusses bringen, wie noch zu zeigen sein wird, keine unlösbaren Probleme mit sich. d) Bezugsgröße zur Ermittlung des Kaufkraftabflusses Bevor die Frage erörtert werden kann, wie hoch der Kaufkraftabfluss sein muss, um von einer Unzumutbarkeit der Auswirkungen ausgehen zu können, ist zunächst zu hinterfragen, welche Bezugsgröße zur Ermittlung des Kaufkraftabflusses heranzuziehen ist. Die oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hierzu ist uneinheitlich. Das OVG Sachsen bezog sich in seiner Entscheidung vom 08.12.1993 m zur Berechnung des Kaufkraftabflusses auf die Einzelhandelssortimente, die auch in dem geplanten Einzelhandelsgroßprojekt angeboten werden sollten. Das Gericht legte 121

Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (475, Fn. 87). So ausdrücklich auch: VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 GewArch 2000, 261 (264) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung). 123 OVG Sachsen, U.v.08.12.1993- 1S 81/93-LKV 1995, 84 (86). 122

C. Die interkommunale Abstimmung

217

dabei nicht die gesamte Kaufkraft der Nachbargemeinde, sondern nur die eines Stadtteils der Nachbargemeinde (Leipzig-Grünau) zugrunde. Auch das VG Potsdam rekurrierte auf den Kaufkraftabfluss in einem Stadtteil (Berlin-Spandau), wobei sich das Gericht nicht eindeutig festlegte, ob hierbei der gesamte innenstadtrelevante oder nur der innerstädtische Einzelhandel124 maßgeblich sein soll. Das OVG RP ging in seiner Entscheidung vom 08.01.1999 125 vom gesamten innenstadtrelevanten Einzelhandel als Berechnungsgrundlage aus. Eine Einzelbetrachtung von Leitsortimenten (z.B. Bekleidungseinzelhandel), die den Charakter der Innenstadt maßgeblich mitbestimmen, ist nach Auffassung des Gerichts nur dann erforderlich, wenn der Kaufkraftabfluss in diesem Bereich so hoch ist, dass ein weitgehender Wegfall dieser Leitsortimente zu befürchten steht. Unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art liegen demzufolge dann nicht vor, wenn der Kaufkraftabfluss bezüglich einzelner Branchen, die nicht als Leitsortimente zu qualifizieren sind, größer als 10% ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn diese Überschreitung zur Folge hat, dass der Kaufkraftabfluss bezogen auf den gesamten innenstadtrelevanten Einzelhandel die 10%-Marke übersteigt. aa) Der Streitstand in der Literatur Der überwiegende Teil der Literatur 126 stimmt den Ausführungen des OVG RP zu. Birk betont, dass unter dem gesamten innenstadtrelevanten Einzelhandel der Gesamteinzelhandel einer Gemeinde zu verstehen ist 127 . Schmitz lehnt die Auffassung des OVG RP ab, weil mit dem Bezug auf sämtliche in der Innenstadt angebotenen Sortimente der Kaufkraftabzug zu einer rein rechnerischen Größe degradiert werde 128 . Auch der Ansatz des OVG Sachsen sei verfehlt, weil es nicht möglich sei, eine Abgrenzung der Innenstadt einer Gemeinde vom übrigen Gemeindegebiet vorzunehmen. Außerdem sei es fraglich, ob bei größeren Städten zur Innenstadt nur das Hauptzentrum zu rechnen sei oder ob hierzu die Ne124 VGPotsdam,B.v.07.05.1999-5L950/98-BauR 1999, 1146 = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland; mit Bezug auf den innerstädtischen Einzelhandel: OVG MV, B. v. 30.06.1999 - 3 M 144/98 - NVwZ-RR 2000, 559 (561) = DÖV 2001, 134. 125 OVG RP, Β. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - S. 16 der Entscheidung (NVwZ 1999, 435 (438) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495) (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); so wohl auch: OVG Thür., B. v. 23.04.1997 - 1 EO 241/97 - LKV 1997, 372 (374) = DÖV 1997, 791 = ThürVBl. 1997, 279; Bay. VGH, U.v. 14.01.1991 - 2B 89.785 - GewArch 1991, 314 (316). 126 Birk in: Spannowsky - Flächennutzungsplanung im Umbruch?, 1999 - S. 145 (150); Kopp/Schenke-VwGO, 2000- §42, Rn. 138; Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-459 (472, Fn.73); Otting, DVBl. 1999, 595 (597) Uechtritz, BauR 1999, 572 (583). 127 Birk in: Spannowsky - Flächennutzungsplanung im Umbruch?, 1999 - S. 145 (150). 128 Schmitz, BauR 1999, 1100 (1107).

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

benzentren bzw. weitere Hauptzentren addiert werden müssten. Nach Schmitz muss die Bezugsgröße in Abhängigkeit zu dem im streitgegenständlichen Ansiedlungsobjekt vorgesehenen Sortiment gewählt werden. Deshalb seien bei FOC, in denen regelmäßig innenstadtrelevante hochpreisige Leitsortimente geführt werden, als Bezugsgröße lediglich die innerstädtischen Toplagen heranzuziehen 129. bb) Stellungnahme: Weiterentwicklung

der Ansicht des OVG RP

Das OVG RP geht zu Recht von der Kaufkraft des gesamten innenstadtrelevanten Einzelhandels aus 130 . Der Ansatz des Gerichts degradiert den Kaufkraftabfluss nicht zur rechnerischen Größe, weil durch die differenzierte Berücksichtigung der Leitsortimente qualitative Aspekte dieser Branchen beachtet werden 131. Das OVG RP trägt damit der Tatsache Rechnung, dass Branchen, die den innerstädtischen Einzelhandel nicht prägen, aufgrund von Synergieeffekten an solche Leitsortimente gekoppelt sind und diese bei Wegfall der Leitsortimente ebenfalls gefährdet werden. Der innerstädtische Einzelhandel kann nicht als Bezugsgröße herangezogen werden, weil dies zu Lasten der planenden Gemeinde ginge. Eine Schwächung des innerstädtischen Einzelhandels, der zuvor durch eine Binnenverlagerung von innenstadtrelevantem Einzelhandel, in außerhalb der Innenstadt liegende Bereiche hervorgerufen wurde, könnte ausgehend von dieser Betrachtungsweise nicht berücksichtigt werden, obwohl diese vorhergehende Schwächung des innerstädtischen Einzelhandels die Nachbargemeinde selbst zu verantworten hat. Innerstädtische Top-Lagen können nicht als Bezugsgröße herangezogen werden, weil hierbei auch die bereits angesprochenen Binnenverlagerungen zu Lasten der planenden Gemeinde gingen. Zudem ist nicht klar, wie diese Top-Lagen vom übrigen Gemeindegebiet abgegrenzt werden können. Allerdings müssen die vom OVG RP entwickelten Grundsätze um einen wesentlichen Aspekt erweitert werden. Der gesamte innenstadtrelevante Einzelhandel als Gesamteinzelhandel kann bei sehr großen Städten, wie beispielsweise Berlin, nicht als taugliche Bezugsgröße zur Ermittlung der städtebaulichen Auswirkungen auf die verbrauchernahe Versorgung herangezogen werden. Eine solche Betrachtung ließe die flächenmäßige Ausdehnung der Gemeinde und damit einen wesentlichen Faktor der verbrauchernahen Versorgung, nämlich den der Erreichbarkeit, außer Betracht. Verfügt eine Gemeinde über mehrere Hauptzentren, so ist es sachgerecht, wenn die städtebaulich relevanten Auswirkungen eines Einzelhandelsgroßprojektes nur bezüglich eines Hauptzentrums ermittelt werden. Das VG Potsdam legte seiner 129

Schmitz, BauR 1999, 1100 (1107). So auch: VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000,261 (264) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung). 131 Vgl. Acocella/Fürst/Seimetz, IzR 1998, 89 (93). 130

C. Die interkommunale Abstimmung

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rechtlichen Beurteilung daher zu Recht den Einzelhandel von Berlin-Spandau zugrunde. Eine isolierte Betrachtung der Auswirkungen kann jedoch nicht für Nebenzentren gelten, weil diesen in der Regel nur eine untergeordnete Ergänzungsfunktion zukommt. Außerdem würden durch eine solche isolierte Betrachtung Gemeinden bessergestellt, die ein umsatzschwaches bzw. durch geduldete Binnenverlagerungen geschwächtes Hauptzentrum und mehrere umsatzstarke Nebenzentren aufweisen. Bei diesen würde eine Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle bezogen auf das getrennt von den starken Nebenzentren betrachtete umsatzschwache Hauptzentrum eher überschritten als bei einer Gemeinde, die über ein starkes Hauptzentrum verfügt. Die Kaufkraft der Nebenzentren ist daher dem Hauptzentrum zuzurechnen. Auch wenn die Aussage des OVG RP insoweit zu ergänzen ist, ist die Entscheidung dennoch zutreffend, weil die klagende Nachbargemeinde im zugrundeliegenden Fall als Mittelzentrum 132 mit ca. 45.000 Einwohnern nur ein Hauptzentrum hat, welches der verbrauchernahen Versorgung dient. e) Unzumutbarkeitsschwelle bezüglich des Kaufkraftabflusses aa) Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte Eine eindeutige Tendenz, ab welchem Wert eine Unzumutbarkeit und damit eine Verletzung des § 2 II BauGB gegeben ist, kann aus der Rechtsprechung nicht abgeleitet werden. Das OVG Sachsen133 sah einen Bebauungsplan als nichtig an, weil das auf dieser Grundlage zulässige Einzelhandelsgroßprojekt darauf ausgerichtet war, 25 % der Kaufkraft der Bevölkerung eines Stadtteils der Nachbargemeinde in den jeweiligen Sortimentsbereichen abzuziehen. Der Bay. VGH maß einem Kaufkraftabfluss von 45 % eine bestätigende Indizfunktion für eine Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze bei 134 . Das VG Neustadt/Weinstraße legte sich in seiner Hauptsacheentscheidung zum FOC Zweibrücken vom 06.04.2000 135 bei der Bestimmung einer Zumutbarkeitsgrenze nicht auf einen bestimmten Prozentsatz fest. Allerdings sei mit Erreichen der 10%-Marke, die als maßgeblich für das Vorliegen unmittelbarer Auswirkungen gewichtiger Art angesehen wird, nicht zugleich ein Überschreiten der Zumutbarkeits132 OVG RP, Β. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - S. 2 der Entscheidung (NVwZ 1999, 435 (438) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495) (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz). 133 OVG Sachsen, U.v.08.12.1993- 1S 81/93-LKV 1995, 84 (86). 134 Bay. VGH, U.v. 14.01.1991 - 2 B 89.785 - GewArch 1991, 314 (316). 135 VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 (264) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung).

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

schwelle verbunden. Das Gericht schloss sich mit dieser Feststellung ausdrücklich der von Otting vertretenen Auffassung an 136 . bb) Der Streitstand in der Literatur Schmitz lehnt die Festlegung einer Unzumutbarkeitsschwelle als zu unbestimmt und als wissenschaftlich nicht fundiert grundsätzlich ab 137 . Demgegenüber geht der überwiegende Teil der Literatur 138 von einer Unzumutbarkeit bei einem Kaufkraftabfluss von über 20 % aus. Nach Moench ist das Maß des als zumutbar anzusehenden Kaufkraftabflusses von der Innenstadt-Relevanz der jeweiligen Branche abhängig139. Ein Wert von 20% könne für innenstadtrelevante Sortimente des mittelfristigen Bedarfs, wie Textilien und Schuhe, herangezogen werden. Bei nicht innenstadtrelevanten Branchen wie bei Baumärkten oder Möbeln sei von wesentlich höheren Prozentsätzen (20 bis 30%) auszugehen. Ein über 10% liegender Anteil bei Gütern des täglichen Bedarfs, wie beispielsweise von Lebensmitteln, könne durchaus ein im Wege der Abwägung nicht zu überwindender Belang sein, wenn er die fußläufige Versorgung von Wohngebieten in Frage stellt. Die angegebenen Werte könnten jedoch nur Anhaltspunkte liefern, die eine situativ angemessene Prüfung nicht zu ersetzen vermögen 140. cc) Stellungnahme: Relativität der Zumutbarkeitsschwelle Den Ausführungen von Moench ist grundsätzlich zuzustimmen. Eine Zumutbarkeitsgrenze kann nicht absolut bestimmt werden, weil eine solche Vorgehensweise den Besonderheiten des Einzelfalls nicht gerecht würde. Allerdings ist eine Unzumutbarkeit unterhalb eines Kaufkraftabflusses von 10% bezogen auf den gesamten innenstadtrelevanten Einzelhandel - wie das VG Neustadt/Weinstraße zutreffend ausgeführt hat- wohl kaum denkbar. Bei der relativen Bestimmung der Zumutbarkeitsschwelle spielt nicht nur die Innenstadtrelevanz der jeweiligen Branche eine Rolle, sondern auch die Größe der Ansiedlungsgemeinde sowie die Eigenattraktivität 141 und die Anpassungsfähigkeit der Nachbargemeinde. 136

Otting, DVBl. 1999, 595 (597). Schmitz, BauR 1999, 1100 (1109). 138 Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (128); Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - S. 459 (472); Uechtritz, BauR 1999,572 (583), möglicherweise in die Nähe des Wertes von 25 %. 139 Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000- S. 459 (475). 140 Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000- S.459 (472 und 476). 141 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999- S. 97 f. 137

C. Die interkommunale Abstimmung

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Ein Kaufkraftabfluss von ca. 20 %, bezogen auf innenstadtrelevante Waren des mittelfristigen Bedarfs, kann daher lediglich als Anhaltswert dienen. Diese Annahme entbehrt - entgegen den Ausführungen von Schmitz - auch nicht einer wissenschaftlichen Grundlage. Die GMA-Grundlagenuntersuchung zu den Auswirkungen von FOC geht bei einer Umsatzumverteilung von mehr als 20 %, bezogen auf innenstadtrelevante Sortimente (30% bei nicht innenstadtrelevanten Sortimenten), von einer „Unverträglichkeit" aus 142 . Es spricht nichts dagegen die „Unverträglichkeit" mit dem planungsrechtlichen Begriff der Unzumutbarkeit gleichzusetzen. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass bereits bei einem Kaufkraftabfluss unterhalb dieses Wertes eine Unzumutbarkeit gegeben sein kann. Ein Kaufkraftabfluss von unter 20%, bezogen auf innenstadtrelevante Branchen des mittelfristigen Bedarfs, kann beispielsweise in einer Gemeinde mit umsatzschwachem Einzelhandel bereits eine Kettenreaktion verursachen und infolge dessen die verbrauchemahe Versorgung in unzumutbarer Weise beeinträchtigen 143. Ein solcher Umsatzrückgang könnte Betriebe, die wichtige innerstädtische Leitbranchen beispielsweise des mittelfristigen Bedarfs führen, gänzlich zur Aufgabe zwingen, wodurch wiederum Betriebe, die Waren des kurzfristigen Bedarfs anbieten, eine starke Einschränkung erfahren würden, weil diese aufgrund von Synergieeffekten eng an die verdrängten Leitbranchen gekoppelt waren 144. f) Berücksichtigung positiver Auswirkungen Während im Rahmen des § 11 III Nr. 2 BauNVO positive Auswirkungen keine Berücksichtigung finden dürfen 145 , spricht bei der Frage der Unzumutbarkeit für die Nachbargemeinde nichts dagegen, auch positive Auswirkungen bei der Abwägung der Belange mit einzubeziehen146. Positive Auswirkungen können demzufolge dazu beitragen negative Auswirkungen abzumildern. Bei Einzelhandelsgroßprojekten, die sich durch eine besonders hohe Attraktivität auszeichnen, wird es infolge eines regelrechten Einkaufstourismus, insbesondere bei Nachbarkommunen mit attraktivem Einzelhandelsangebot, zu Kundenzuführeffekten kommen. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine enge Kooperation und Vernetzung beispielsweise durch 142 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 -S.86 (Tabelle 8). 143 Acocella/Fürst/Seimetz, IzR 1998, 89 (93). 144 Α. A. Otting, DVB1. 1999, 595, (598), der in seinen Schlussfolgerungen zur Unzumutbarkeitsgrenze diese Synergieeffekte verkennt. 145 Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 21.1. 146 VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 (263) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); VG Neustadt/Weinstraße, B.v. 29.09.1998-2 L 2138/98-NVwZ 1999, 101 (105) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); im Ansatz bereits: OVG Nds. U. v. 23.11.1982 - 6 C 7/79 - BauR 1983, 220 (221); Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - S. 459 (471).

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

gemeinsame Tourismuskonzepte 147. Diese positiven Auswirkungen auf die Nachbargemeinden sind daher auch im Rahmen von Marktgutachten zu untersuchen. g) Ausgleich einer bestehenden Unterversorgung In Anlehnung an das kompetenzielle Rücksichtnahmegebot wird es in der Literatur 1 4 8 als zulässig angesehen, wenn eine Gemeinde eine bestehende Unterversorgung durch die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben auszugleichen versucht. Dies wird damit begründet, dass die Ansiedlungsgemeinde ihren eigenen Wirkungskreis nicht verlässt, weil den Nachbargemeinden zwar Kaufkraft entzogen wird, diese jedoch der eigenen Bevölkerung zuzuordnen ist. Dieser Ansicht ist zuzustimmen. In diesem Zusammenhang ergibt sich eine ähnliche Beurteilung wie bei der Widerlegung der Regelvermutung des § 11 III 3 BauNVO. Eine bestehende Unterversorgung im Einzugsbereich eines Einzelhandelsgroßprojektes wird als atypische städtebauliche Fallgestaltung gewertet, wodurch die Regelvermutung im Sinne des § 11 III 3 BauNVO widerlegt werden kann 149 . h) Vorbelastung Das OVG Bbg. hat in seiner Entscheidung zum FOC Wustermark 150 ausgeführt, dass zwischen der Planung und den Auswirkungen auf die städtebauliche Situation ein hinreichend konkreter Zusammenhang bestehen muss. Deshalb können negative Auswirkungen, die von anderen Einzelhandelsgroßprojekten mit innenstadtrelevanten Sortimenten ausgehen und von der Nachbargemeinde an Standorten außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche zugelassen wurden, nicht zum Nachteil der planenden Gemeinde in die planungsrechtliche Beurteilung mit einbezogen werden 151. Eine Nachbargemeinde, die ihren Einzelhandel selbst durch die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben geschädigt hat, kann für die negativen Auss i e h e 2. Kapitel, Β. VI.4. 148 Birk in: Spannowsky - Flächennutzungsplanung im Umbruch?, 1999 - S. 145 (150); Uechtritz, BauR 99, 572 (580). 149 Siehe 3. Kapitel, 1. Abschnitt, D.IV.2. 150 OVG Bbg., Β. v. 16.12.1998 - 3 Β 116/98 - NVwZ 1999, 434 (435) = BauR 1999, 613 = GewArch 1999, 437 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland); im Anschluss daran: VG Potsdam, B.v.07.05.1999 - 5 L 950/98-BauR 1999, 1146 (1149) = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin./. Lkr. Havelland). 151 OVG Bbg., Β. v. 16.12.1998 - 3 Β 116/98 - S. 9 der Entscheidung (FOC Wustermark/ einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam./. Lkr. Havelland), das Gericht bezog sich auf das zuvor von der Nachbargemeinde genehmigte „Potsdam-Center" in der Nähe des Bahnhofs; VG Potsdam, Β. v.07.05.1999-5L 950/98-BauR 1999, 1146 (1147) = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin./. Lkr. Havelland), das Gericht bezog sich insbesondere auf die zuvor genehmigten „Spandau-Arcaden".

C. Die interkommunale Abstimmung

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Wirkungen auf die verbrauchernahe Versorgung nicht die Nachbargemeinde zur Verantwortung heranziehen. Dieser Ansicht haben sich der VGH BW in seiner Entscheidung vom 06.07.2000 152 und das VG Neustadt/Weinstraße in seiner Hauptsacheentscheidung zum FOC Zweibrücken 153 angeschlossen. Auch in der Literatur 154 wurde die Entscheidung des OVG Bbg. mit der Anmerkung begrüßt, dass es im Rahmen der interkommunalen Abstimmung gemäß § 2 I I BauGB um die Frage der Unzumutbarkeit gegenüber der Planungshoheit der Gemeinde und nicht des Einzelhandels der Nachbargemeinde gehe. Allerdings lehnt Schmitz ein solches Ausblenden von Fremdfaktoren ab, weil eine derartige Annahme einer „ungestörten Einzelhandelslandschaft" zu einer zu starken Theoretisierung führe, die der Realität nicht gerecht werde 155. i) Stellungnahme: Keine Honorierung widersprüchlichen Verhaltens Der Auffassung des OVG Bdg. ist zuzustimmen, weil andernfalls ein widersprüchliches Verhalten der Nachbargemeinde honoriert würde. Die Nachbargemeinde könnte Einzelhandelsgroßprojekte mit innenstadtrelevanten Sortimenten auf der grünen Wiese ansiedeln und den anderen Gemeinden die Ansiedlung solcher Projekte mit Verweis auf die dadurch bewirkte Schwächung des eigenen Einzelhandels streitig machen. Diese Fallkonstellation ist in etwa mit der vergleichbar, in der der Eigentümer eines Grundstücks im Geltungsbereich eines Bebauungsplans die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen seiner Nutzungsmöglichkeiten nicht beachtet, er jedoch von seinem Grundstücksnachbarn die Einhaltung dieser Beschränkungen fordert 156 . Folgt man den Ausführungen des OVG RP in seiner Entscheidung zum FOC Zweibrücken, wonach als Bezugsgröße zur Ermittlung eines Kaufkraftabflusses nicht der innerstädtische, sondern der gesamte innenstadtrelevante Einzelhandel der Nachbargemeinde heranzuziehen ist 157 , so bleiben derartige Binnenverlagerungen von vornherein außer Betracht.

152

VGH BW, U. v. 06.07.2000 - 8 S 2437/99 - VB1BW 10/2000, VGHBW-Ls 215/2000 (Leitsatz Nr. 2). 153 VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 (263) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung). 154 Battis, LKV 1999, 347 (348); Jahn - Stärkung der Innenstadt oder des ländlichen Raumes?, 1999-S. 40; Otting, DVB1. 1999, 595 (597); Uechtritz, BauR 1999, 572 (580). 155 Schmitz, BauR 1999 - 1100 (1109). 156 Siehe 11. Kapitel, B.III. 157 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C.III.7.d.

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

8. Die Ermittlung der abwägungserheblichen Belange Da das Gebot der interkommunalen Abstimmung ein Unterfall des Abwägungsgebotes gemäß § 1 VI BauGB darstellt, gelten die bezüglich des § 1 V I BauGB entwickelten Grundsätze hinsichtlich Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis auch im Rahmen des § 2 II BauGB 158 . Auf der ersten Stufe der Abwägung hat die Zusammenstellung der abwägungserheblichen Belange zu erfolgen. Dazu gehören nicht nur die von einer Planung vorgefundenen Probleme, sondern auch die Probleme, die von ihr selbst hervorgerufen werden 159.

a) Die Ergänzung des Abwägungsprogramms durch §§ 2 I I BauGB in Verbindung mit 11 III BauNVO Bei der Ermittlung der abwägungserheblichen Belange muss die planende Gemeinde auch die zu erwartenden Auswirkungen auf die Nachbargemeinden eruieren, die durch die Planung voraussichtlich hervorgerufen werden 160 . § 2 II BauGB in Verbindung mit § 11 III BauNVO 161 hat in diesem Zusammenhang eine Ergänzung des Abwägungsprogramms zur Folge, weil die in § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO genannten negativen Auswirkungen auch im Hinblick auf die Nachbargemeinden162 zu ermitteln und im Abwägungsprozess zu berücksichtigen sind 163 . Die Erstellung eines detaillierten Marktgutachtens zur Ermittlung des Kaufkraftabflusses in den Nachbargemeinden ist mittlerweile eines der wichtigsten Abwägungsmaterialien geworden. Eine Verletzung des § 2 I I BauGB kann demzufolge schon dann gegeben sein, wenn die Ansiedlungsgemeinde die Auswirkungen 158 Bay. VGH, B. v. 26.10.1976 - 130 I 76 - BayVBl. 1977, 303 (304); Bielenberg in: EZBK - BauGB, Stand: April 2000 - § 2, Rn. 65; Hoppe in: FS zum 70. Geburtstag von Ch. von Unruh, 1983-555 (569); Kilian/Müllers, VerwArch 1998, 25 (39); Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - 459 (470); Uechtritz, BauR 1999, 572 (574). 159 VGH BW, U. v. 20.02.1992 - 5 S 2064/91 - NVwZ 1993, 595 (596); Bay. VGH, U.v. 03.05.1999-1 N98.1021 - BauR 1999,1140 (1144) = BayVBl. 2000,273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999,432 = IBR 1999, 384 (FOC Ingolstadt). 160 OVG Sachsen-Anhalt, U, v. 29.06.1993 - 1Κ 6/92 - LKV 1994, 220 (221); Bay. VGH, U.v. 03.05.1999-1 Ν 98.1021 - BauR 1999,1140 (1143) = BayVBl. 2000,273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999, 432 = IBR 1999, 384 (FOC Ingolstadt). 161 Zur Ermittlung der Auswirkungen gem. § 11 III BauNVO siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, B. 162 VG Potsdam, B. v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - BauR 1999,1146 (1147) = LKV 1999,377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland); Bönker, BauR 1999, 328 (335); Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (127); Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - 459 (470); Vogels/WillRaumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 68. 163 Zu den Besonderheiten bei FOC siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C.III.9.

C. Die interkommunale Abstimmung

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auf die Nachbargemeinde nicht ermittelt hat 164 oder sich bei ihrer Abwägungsentscheidung auf ein nur unzureichendes Marktgutachten stützt 165 .

b) Ermittlung des Anpassungsaufwands Das OVG RP hat in seiner Entscheidung zum FOC Zweibrücken 166 darauf hingewiesen, dass die planende Gemeinde verpflichtet ist, eine Ermittlung über Art, Umfang und Kosten möglicher Anpassungsmaßnahmen in den Nachbargemeinden, wie beispielsweise eine verstärkte Wohnnutzung, vorzunehmen, die aufgrund der städtebaulich relevanten Auswirkungen der Planung erforderlich werden. Nur auf dieser Grundlage könnten die gegenläufigen Interessen der Standortgemeinde und der Nachbargemeinden sachgerecht abgewogen und die durch die Planung bewirkten Beeinträchtigungen zutreffend gewichtet werden. Während diese Auffassung in der Literatur zum Teil 1 6 7 Zustimmung erfahren hat, wurde daran auch heftige Kritik geäußert. Otting wendet gegen diese Auffassung ein, diese sei nicht mit der Planungshoheit der betroffenen Gemeinde vereinbar, der es selbst überlassen bleiben müsse, welche Ausgleichsmaßnahmen sie ergreift 168. Es könne von der planenden Gemeinde lediglich erwartet werden, dass diese die aus der Planung resultierenden Auswirkungen ermittelt und in die Abwägung einstellt. Birk bezweifelt die rechtliche Haltbarkeit der vom OVG RP aufgestellten Kriterien, weil diese dem §4 III BauGB 1998 widersprechen würden 169 . Hiernach sei der Vortrag von Belangen eine „Bringschuld" der Nachbargemeinde, so dass Belange nicht zu berücksichtigen sind, die erst nach Ablauf der Frist des §4 I I 1 BauGB vorgetragen werden. Der Anpassungsaufwand sei der planenden Gemeinde nicht bekannt und müsse dieser auch nicht bekannt sein, so dass ein verspätetes Vorbringen auch nicht gemäß §4 III 2, 2. Halbsatz, 1. und 2. Alternative BauGB zu berücksichtigen sei.

164 Bay. VGH, U.v.03.05.1999- 1 Ν98.1021 -BauR 1999, 1140 (1143) = BayVBl. 2000, 273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999,432 = IBR 1999, 384 (FOC Ingolstadt). 165 VGH BW, B.v. 29.04.1998-3 S 313/98-η. v., S. 3 der Entscheidung; zustimmend: Stühler, VB1BW 1999, 206 (208). 166 OVG RP, Β. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (438) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz). 167 Wagner, ZfBR 2000, 21 (22). 168 Otting, DVB1. 1999, 595 (597). 169 Birk in: Spannowsky - Flächennutzungsplanung im Umbruch?, 1999 - S. 145 (150).

15 Kopf

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

c) Stellungnahme: Regulative Einschränkung der Indizfunktion des Kaufkraftabflusses Der Auffassung des OVG RP ist zuzustimmen, weil nur bei Berücksichtigung des Anpassungsaufwands eine sachgerechte Abwägung der Belange der Nachbargemeinden erfolgen kann. Auf diesem Wege kann der Tatsache hinreichend Rechnung getragen werden, dass die Intensität der Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung, die aus dem Kaufkraftabfluss resultieren, stark davon abhängt, ob die Gemeinde über einen intakten umsatzstarken Einzelhandel verfügt oder nicht 170 . Durch das Erfordernis der Ermittlung des Anpassungsaufwands wird die hier vertretene indizielle Bedeutung des Kaufkraftabflusses nicht in Frage gestellt, dieses Kriterium erfährt lediglich eine wichtige regulative Einschränkung. Der Einwand von Otting ist nicht nachvollziehbar, weil die Ermittlung des Anpassungsaufwands durch die planende Gemeinde keinerlei Bindungswirkung für die Nachbargemeinde entfaltet und daher die Planungshoheit der Nachbargemeinde nicht tangiert werden kann. Entgegen der Auffassung von Birk scheidet eine Präklusion gemäß § 4 III 2 BauGB, der von der Nachbargemeinde nach Ablauf der Frist des §4 I I 1 BauGB verspätet bzw. nicht vorgetragenen Belange aus, weil der Anpassungsaufwand als Grundlage für eine gerechte Abwägung unentbehrlich und daher gemäß § 4 III 2, 2. Halbsatz, 3. Alternative BauGB für die Rechtmäßigkeit der Abwägung von Bedeutung ist. Der Gesetzgeber hat §4 III BauGB zur Verdeutlichung eingefügt, wobei §4 I I I 2, 2. Halbsatz, 3. Alternative BauGB eine Warnfunktion zukommt 171 . Das zuletzt genannte Tatbestandsmerkmal verdeutlicht zudem den Vorrang der Anforderungen des rechtsstaatlichen Abwägungsgebotes vor Beschleunigungsinteressen172. Die Rechtsprechung 173, wonach Belange, die sich geradezu aufdrängen mussten, auch 170 Darauf weisen auch hin: Schmitz, BauR 1999 - 1100 (1109); Uechtritz, BauR 1999,572 (580); OVG MV, B. v. 30.06.1999 - 3 M144/98 - NVwZ-RR 2000, 559 (561) = DÖV 2001, 134; a.A. wohl: VG Neustadt/Weinstraße, U.v.06.04.2000-2 Κ 3571/98-GewArch 2000, 261 (264) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung), das Gericht führt aus, eine Nachbargemeinde könne aufgrund der geltenden Marktordnung nicht mit dem Argument gehört werden: „ein kranker Patient darf nicht kranker gemacht werden". 171 Bundestags-Drucksache 13/6392 vom 04.12.1996 Gesetzentwurf (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 - BauROG), S. 46; die Bundesregierung ist der Anregung des Bundesrates in seiner Stellungnahme (Anlage 2, S. 100, Nr. 13 b), die 3. Alternative zu streichen, weil diese Ergänzung jeder Praktikabilität entbehre, nicht gefolgt. Andernfalls wäre eine wichtige Warnfunktion des Gesetzes für die Gemeinde entfallen (Anlage 3 - Gegenäußerung der Bundesregierung, 131 zu Nr. 13 (Art. 1 Nr.5 - §4 III2 BauGB)). 172 Battis in: BKL-BauGB, 1999-§4, Rn.8. 173 BVerwG, U.v. 13.09.1985-4C64.80-BauR 1986,59 (60),BVerwG, B.v.09.11.19794 Ν 1.78, 4 Ν 2-4.79 - BVerwGE 59, Nr. 14, S. 87 (104) = NJW 1980, 1061; OVG Thür.,

C. Die interkommunale Abstimmung

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dann von der planenden Gemeinde berücksichtigt werden müssen, wenn die Nachbargemeinde hinsichtlich dieser Belange nicht oder nur unzureichend Stellung genommen hat, kann deshalb weiterhin zur Anwendung kommen.

9. Berücksichtigung der betrieblichen Besonderheiten von FOC Grundsätzlich können die allgemeinen Grundsätze der interkommunalen Abstimmung bei Einzelhandelsgroßprojekten auf FOC übertragen werden. Die Rechtsprechung zur interkommunalen Abstimmung bei FOC wurde daher bereits in der vorgehenden Darstellung der interkommunalen Abstimmung berücksichtigt. Nachfolgend soll auf die im Rahmen der Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit gemäß § 2 II BauGB zu beachtenden betrieblichen Besonderheiten eines FOC eingegangen werden. a) Der Nachbarbegriff bei FOC Aufgrund der hohen Kundenattraktivität von FOC weisen diese eine große Ausstrahlungswirkung und damit einen großen Einzugsbereich auf 174 . Die Kunden eines FOC nehmen Anfahrtszeiten von 90 bis 120 PKW-Fahrminuten in Kauf 175 , so dass bei der Ansiedlung von FOC der Nachbarbegriff extensiv zu handhaben ist 176 . Demzufolge sind Gemeinden als Nachbargemeinden gemäß §41 BauGB anzuhören, die unter Umständen über 100 km von der Ansiedlungsgemeinde entfernt sind 177 . Entsprechendes gilt für das materielle Abstimmungsgebot gemäß §2 II BauGB. Der Bay. VGH ist davon ausgegangen, dass ein FOC planungsrechtliche Auswirkungen im Sinne des § 2 II BauGB in einem Einzugsradius von 150 bis 200 km mit sich bringen kann 178 . Diese Einschätzung trifft jedoch nur auf diesen konkreten Einzelfall zu, weil der Einzugsbereich entscheidend von der Größe und dem Sortiment der jeweiligen Anlage abhängt.

U. v. 17.06.1998 - 1 KO 1040/97 - ThürVBl. 1998, 280 (282) = LKV 1999, 194; VGH BW, B. v.29.04.1998 - 3S 313/98-n. v., S. 3 der Entscheidung; Bay. VGH, U.v. 15.04.1994-2N 93.3940 - BayVBl. 1994, 495 (496) = GewArch 1995, 434. 174 Vgl. VG Potsdam, B.v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - BauR 1999,1146 (1149) = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland). 175 Siehe 2. Kapitel, Β. VI.4. 176 Jahn, GewArch 1997, 456 (459); Kniep, VB1BW 1998, 294; Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (342, Fn.49). 177 Birk in: Spannowsky - Flächennutzungsplanung im Umbruch?, 1999 - S. 145 (151); Uechtritz, BauR 1999, 572 (582); Wagner, ZfBR 2000, 21. 178 Bay. VGH, B. v. 25.06.1998 - 1 NE98.1023 - UPR 1998,467 (468) (FOC Ingolstadt/NK/ vorläufiger Rechtsschutz); Wagner, IBR 1999, 392 (393). 15*

228

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB b) Einwirkungsintensität

Ein FOC weist eine höhere Streuwirkung als ein herkömmliches Einkaufszentrum vergleichbarer Größe auf 1 7 9 . Daraus folgt, dass auch die Einwirkungsintensität auf die Nachbargemeinden in der unmittelbaren Umgebung der Anlage entsprechend abgeschwächt w i r d 1 8 0 . Hinzukommt, dass FOC in der Regel keine Waren des kurzfristigen Bedarfs, wie Genuss- und Lebensmittel, anbieten und dadurch die Besucher eines FOC i m Gegensatz zu einem herkömmlichen Einkaufszentrum ihre Versorgungsbedürfnisse nicht umfassend befriedigen können 1 8 1 .

c) Berücksichtigung positiver Auswirkungen Bei FOC können Kundenzuführeffekte zu positiven Auswirkungen auf die Nachbargemeinden führen. Ein FOC dient aufgrund der hohen Preisattraktivität sowie des großen Einzugsbereiches weniger der örtlichen Bedarfsdeckung, sondern vielmehr der überörtlichen Bedarfsweckung 182 . Kundenzuführeffekte in den Nachbargemeinden ergeben sich jedoch nur dann, wenn die jeweilige Nachbargemeinde eine gewisse Eigenattraktivität aufweist und die Ansiedlungsgemeinde durch ein gemeinsames Standortmarketingkonzept die Voraussetzungen für eine enge Kooperation und Vernetzung schafft 1 8 3 . Der städtische Facheinzelhandel kann von der An179

Siehe 2. Kapitel, Β. VI. VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - S. 24 des Urteils (GewArch 2000, 261 = UPR 2000, 320) (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); Jahn - Stärkung der Innenstadt oder des ländlichen Raumes?, 1999- S. 41; Moench/Sandner, NVwZ 1999,337 (343); Uechtritz, BauR 1999, 572 (582); a.A. Heinritz/Rauh, RuR 2000, 47 (52), die Einwirkungsintensität sei mit der eines herkömmlichen Einkaufszentrums vergleichbar. 181 Vgl. VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 (263) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung). 182 Bauer/Hardock/Bartolitsch/Bluhm - Die Bedeutung von Factory Outlets aus der Sicht von Herstellern und Kunden, 1999 - S. 29; Erbguth, NVwZ 2000,969 (975) Güttler/Will, IzR 1998,107ff.; Hahn/Pudemat, IzR 1998, 99 (103), zeigen positive Beispiele in England (Great Western Designer Outlet Center in Swindon; FOC Bicester Village) und in den USA auf; Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (127); Moench/ Sandner, NVwZ 1999, 337 (343, Fn.64); offengelassen: Lausberg-FOC als neue Angebotsform in Deutschland eine institutionenorientierte Analyse, 1999-S.34; a.A. Pangels, BAG Handelsmagazin 11-12/1997, 24 (27); Schmitz, BauR 1999, 1100 (1108). 183 Auch die Bundesregierung geht in ihrer Antwort (vom 26. Juni 2000: BundestagsDrucksache 14/3634) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU Fraktion (vom 16. Mai 2000: Bundestags-Drucksache 14/3326) davon aus, dass unter den genannten Voraussetzungen positive Auswirkungen zumindest bezüglich der Ansiedlungsgemeinde eintreten können, vgl. DIE RHEINPFALZ vom 26. Juli 2000; Gabor - FOC, 2000 in: Studium & Praxis online www.geogr.uni-jena.de-Ziffer 2.2; Kafka in: Schmude-FOC, 2000-S. 47 (55); Pabst/Brambach in: Tomczak - Alternative Vertriebswege, 1999-S. 164 (181); Rauh in: Schmude-FOC, 2000 - 16 (30); Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 140; kritisch: Kleine/Offermanns, RuR 2000, 35 (40), an einer Einbindung in Einzelhandelskonzepte mangele es bei den in Deutschland geplanten FOC. 180

C. Die interkommunale Abstimmung

229

Siedlung eines FOC profitieren, wenn eine enge Vernetzung durch eine gute Wegebeziehung zur Innenstadt gegeben ist 184 . Auf diese positiven Auswirkungen auf die Nachbargemeinden gehen die Gerichte bislang nur unzureichend ein 185 .

d) Die Bedeutung von Marktgutachten Bei der Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit eines FOC spielen Marktgutachten mit detaillierten Angaben zu den zu erwartenden Kaufkraftabflüssen in den Nachbargemeinden eine entscheidende Rolle. Nur auf dieser Grundlage können die erforderlichen Schlussfolgerungen für eine interkommunale Abstimmung getroffen werden. Da es in Deutschland bislang noch keine gesicherten Erfahrungswerte über die Auswirkungen von großdimensionierten FOC gibt, kann die planende Gemeinde bei ihrer Abwägungsentscheidung auf Erkenntnisse aus den USA und dem europäischen Ausland zurückgreifen 186. Bei der Erstellung derartiger Marktgutachten muss berücksichtigt werden, dass Verkaufsfläche und Kaufkraftabzug nach Erkenntnissen der Einzelhandelsforschung nicht in einem reziproken Verhältnis zueinander stehen187. Deshalb wurde in der Literatur 188 zu Recht die Entscheidung des OVG RP zum FOC Zweibrücken kritisiert, in der das Gericht den Kaufkraftabfluss des 1. Teilabschnitts des FOC mit einer Gesamtverkaufsfläche von 2l.OOOqm auf der Grundlage eines Marktgutachtens bezüglich der geplanten Gesamtanlage mit 48.000qm Verkaufsfläche arithmetisch ermittelt hatte 189 .

184 Vògels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 S. 138. 185 So ausdrücklich nur: VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 GewArch 2000, 261 (263) = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); vgl. Otting, DVB1.1999,595 (598). 186 VG Neustadt/Weinstraße, B. v. 29.09.1998 - 2 L 2138/98 - NVwZ 1999, 101 (104) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - S. 459 (472). 187 VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - S. 23 des Urteils (GewArch 2000, 261 = UPR 2000, 320) (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); Schmitz, BauR 1999, 1100(1108). 188 Schmitz, BauR 1999, 1100 (1108). 189 OVG RP, B. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (438) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); Ist bei einer Gesamtverkaufsfläche von 48.000qm ein Kaufkraftabfluss von 17 % gegeben, so ist nach Auffassung des Gerichts bei einer Verkaufsfläche von 2l.OOOqm von einem Kaufkraftabfluss von 8 % auszugehen.

230

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

e) Gefahr der Mutation im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen? Bei der Frage, ob durch einen Bebauungsplan, der die Grundlage für die Ansiedlung eines FOC schaffen soll, unzumutbare Auswirkungen auf die Belange der Nachbargemeinden hervorgerufen werden, wird häufig die Befürchtung geäußert, dass die Gefahr einer „Mutation" des FOC bestehe. Es sei zu erwarten, dass nach der baurechtlichen Genehmigung Sortimentsbereiche ständig erweitert werden, nicht genügend Markenproduzenten als Mieter gefunden werden und daher die Ladengeschäfte an Betreiber herkömmlicher Einzelhandelsbetriebe, die auch Produkte des täglichen Bedarfs anbieten, vermietet werden. Daher bestehe die Gefahr, dass sich eine ursprünglich als FOC genehmigte Anlage in ein herkömmliches Einkaufszentrum verwandelt und somit der Kaufkraftabfluss in den Nachbargemeinden in der unmittelbaren Umgebung des Ansiedlungsstandortes zunimmt, weil die Streuwirkung einer solchen „mutierten" Anlage wesentlich höher ist als bei einem FOC 190 . Es stellt sich nun die Frage, ob die planende Gemeinde eine solche Mutation eines FOC und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Nachbargemeinden bereits im Rahmen ihrer Abwägung zu berücksichtigen hat. Eine Antwort auf diese Frage ist der Entscheidung des Bay. VGH zum FOC Ingolstadt191 zu entnehmen. Das Gericht führt zu Recht aus, dass die planende Gemeinde bereits im Planaufstellungsverfahren die Auswirkungen auf die Nachbargemeinden zu ermitteln hat und dies nicht erst im Einzelgenehmigungsverfahren erfolgen kann, weil andernfalls die von der Planung ausgelösten Konflikte nicht hinreichend bewältigt werden können und die Gemeinde daher dem Grundsatz der Konfliktbewältigung 192 nicht Rechnung tragen würde. Entscheidet sich die planende Gemeinde für einen geringen Konkretisierungsgrad der Planung (Sondergebiet für Einzelhandelsgroßprojekte), um sich beim Planvollzug viele Möglichkeiten offen zu halten, so muss sie im Rahmen der Abwägung die gesamte Bandbreite der auf dieser Grundlage möglichen Nutzungen in Betracht ziehen und dementsprechend das Abwägungsmaterial zusammenstellen193. Hat die planende Gemeinde im Bebauungsplan Festsetzungen getroffen, die die FOC-typischen Merkmale hinreichend konkret umschreiben und damit eine Mutation praktisch ausschließen194, so kann die Gemeinde die Ermittlung der Auswir190 Heinritz/Rauh, RuR 2000, 47 (48); Krautzbeiger, Der Städtetag 1997, 473; Schmitz, BauR 1999, 1100(1102, 1108). 191 Bay. VGH, U.v.03.05.1999- 1 Ν98.1021 -BauR 1999, 1140 (1143) = BayVBl. 2000, 273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999,432 = IBR 1999, 384 (FOC Ingolstadt). 192 Vgl. zum Grundsatz der Konfliktbewältigung: Hoppe/Henke, DVBl. 1997,1407 (1412). 193 Bay. VGH, U.v.03.05.1999- 1 Ν98.1021 -BauR 1999, 1140 (1144) = BayVBl. 2000, 273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999,432 = IBR 1999, 384 (FOC Ingolstadt). 194 Siehe 9. Kapitel, 2. Abschnitt, F.II.

C. Die interkommunale Abstimmung

231

kungen auf die Nachbargemeinden unter Zugrundelegung der FOC-typischen Streu Wirkung vornehmen 195. Die Einhaltung der im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen kann mittels einer Nebenbestimmung in der Baugenehmigung sichergestellt werden. Jede von der ursprünglichen Genehmigung abweichende Nutzung bedarf dann als Nutzungsänderung einer erneuten Genehmigung196. Sind derartige Festsetzungen allerdings nicht vorhanden, so muss die Ansiedlungsgemeinde eine Mutation des FOC in ein herkömmliches Einkaufszentrum quasi als „worst-case-Szenario" im Rahmen der Abwägung berücksichtigen 197. Bei der rechtlichen Beurteilung kann es auf Beteuerungen der Betreibergesellschaft, keinen herkömmlichen Einzelhandel zulassen zu wollen, nicht ankommen198. 10. Zusammenfassung: Die Zulässigkeit von FOC im Lichte der interkommunalen Abstimmung Sowohl die Entscheidung des OVG M V 1 9 9 als auch die des Bay. VGH zum FOC Ingolstadt200 können nicht in eine zusammenfassende Betrachtung der planungsrechtlichen Zulässigkeit von FOC im Hinblick auf § 2 I I BauGB einbezogen werden. Der Erfolg der Klagen der Nachbargemeinden gegen die Genehmigung eines FOC (OVG MV) bzw. gegen die Ausweisung eines Sondergebietes (Bay. VGH) beruhte nicht auf einer festgestellten Verletzung der interkommunalen Abstimmung gemäß § 2 II BauGB. Die Gerichte hielten in den zugrundeliegenden Fällen § 2 II BauGB entweder nicht für anwendbar (OVG M V 2 0 1 ) oder der Erfolg der Klage stand bereits aus anderen Gründen fest, so dass § 2 II BauGB gar nicht mehr geprüft werden musste. Der Bay. VGH hat ausdrücklich klargestellt, dass die Nichtigkeit des Bebauungsplanes „Gewerbepark Nord-Ost/Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel" bereits aus einem Ermittlungsdefizit resultierte und daher weitergehende Ausführungen bezüglich der Besonderheiten eines FOC entbehrlich waren 202. Eine zusammenfassende Betrachtung zur Zulässigkeit von FOC im Lichte der interkommunalen Abstimmung kann nur auf der Grundlage der Entscheidungen des 195 Ähnlich bereits: Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999-S. 68. 196 Siehe 8. Kapitel, B.II. 197 OVG MV, B.v. 30.06.1999 - 3 M144/98 - NVwZ-RR 2000,559 (561) = DÖV 2001,134; Bay. VGH, U. v. 03.05.1999 - 1 Ν 98.1021 - BauR 1999, 1140 (1141) = BayVBl. 2000, 273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999,432 = IBR 1999, 384; Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999,119 (127); Schmitz, BauR 1999,1100 (1110). 198 Uechtritz, BauR 1999, 572 (582). 199 OVG MV, Β. v. 30.06.1999 - 3 M 144/98 - NVwZ-RR 2000, 559 = DÖV 2001, 134. 200 Bay. VGH, U.v.03.05.1999- 1 Ν98.1021 -BauR 1999, 1140 (1145) = BayVBl. 2000, 273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999,432 = IBR 1999, 384 (FOC Ingolstadt). 201 Das Gericht wendet § 11 III BauNVO als Schutznorm an, siehe 11. Kapitel, C.II.4.d. 202 Bay. VGH, U. v.03.05.1999- 1 N98.1021-BauR 1999, 1140 (1145) = BayVBl. 2000, 273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999, 432 = IBR 1999, 384 (FOC Ingolstadt); so auch: Jahn, GewArch 1999, 432 (437).

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

VG Neustadt/Weinstraße203 und des OVG RP 204 zum FOC Zweibrücken sowie der Entscheidungen des VG Potsdam205 und des OVG Bbg. 206 zum FOC Wustermark erfolgen. Ausschlaggebend dafür, ob von einem FOC unzumutbare Auswirkungen ausgehen, ist der Umfang des zu erwartenden Kaufkraftabflusses. Weder die Klagen der Nachbargemeinden gegen die geplante Ansiedlung des FOC Zweibrücken noch gegen das FOC Wustermark waren erfolgreich. In beiden Fällen konnte kein Kaufkraftabfluss von über 10% nachgewiesen werden, so dass die Gerichte weder vom Vorliegen unmittelbarer Auswirkungen gewichtiger Art noch von einer Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle ausgingen.

a) FOC Zweibrücken Gegenstand der Entscheidungen des VG Neustadt/Weinstraße und des OVG RP war die Klage bzw. der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Nachbargemeinde gegen eine Baugenehmigung der Stadt Zweibrücken (Mittelzentrum mit 35.000 Einwohner) gemäß § 33 BauGB zur Errichtung des ersten Bauabschnitts eines FOC. Der erste Bauabschnitt207 des FOC sieht eine Verkaufsfläche von 21.000 qm vor, wobei die geplante Gesamtverkaufsfläche 48.000 qm beträgt. Hiervon sind 10.000 qm Verkaufsfläche für „Interactive Stores" vorgesehen, in denen den Kunden die Möglichkeit gegeben wird, die Waren an Ort und Stelle zu testen 208 . Die Festsetzungen des zugrundeliegenden Bebauungsplans umschreiben die FOC-typischen Merkmale sehr detailliert, so dass eine Mutation zu einem herkömmlichen Einkaufszentrum praktisch ausgeschlossen ist. Der Ansiedlungsstandort des FOC ist eine militärische Konversionsfläche, auf der außerdem ein Multimedia-Komplex, ein Freizeit- und Erlebniskomplex sowie ein Flugplatz (Vier-Säulen203

VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); VG Neustadt/Weinstraße, Β. v. 29.09.1998 - 2 L 2138/98 - NVwZ 1999,101 (102) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/ einstw. Rechtsschutz). 204 OVG RP, Β. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (436) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz). 205 VG Potsdam, B. v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - BauR 1999, 1146 = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland); VG Potsdam, B. v. 03.08.1998 - 5 L 247/98 - Mitteilungen StGB Bbg. 1998, 336 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland). 206 OVG Bbg., Β. v. 16.12.1998 - 3 Β 116/98 - NVwZ 1999, 434 = BauR 1999, 613 = GewArch 1999, 437 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland). 207 Die stufenweise Realisierung war eine Maßgabe des raumordnerischen Entscheids der Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz - Abschlussentscheid des Raumordnungsverfahrens über die Errichtung eines Designer Outlet Zweibrücken, Juni 1997 - S. 2, Ziffer A.3. 208 Acocella/Fürst/Seimetz, IzR 1998, 89 (90).

C. Die interkommunale Abstimmung

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Konzept) betrieben werden sollen 209 . Dem VG Neustadt/Weinstraße lagen in seiner Hauptsacheentscheidung210 zwei voneinander unabhängige Marktgutachten vor. Aus dem einen Gutachten (GWH), welches sich lediglich auf den innerstädtischen Einzelhandel bezog, schloss das Gericht auf einen Kaufkraftabfluss von 8,9 % 2 1 1 . Das andere Gutachten (AGENDA) bezog sich auf den gesamten innenstadtrelevanten Einzelhandel, wobei sich für die Leitbranchen Bekleidung und Schuhe/Lederwaren ein Kaufkraftabfluss von 4,1 % bzw. 4,4 % ergab 212. Lediglich im Sortimentsbereich Glas/Porzellan/Keramik prognostizierten die Gutachter eine geringfügig über die 10%-Marke hinausgehende Umsatzumverteilung. Da es sich hierbei nicht um eine Leitbranche handelt, maß das Gericht dem zuletzt genannten Wert keine Bedeutung bei. b) FOC Wustermark Auch im Falle des FOC Wustermark griff eine Nachbargemeinde (VG Potsdam: Land Berlin/OVG Bbg.: Stadt Potsdam213) eine Baugenehmigung zur Errichtung eines FOC an. Beide Anträge wurden mit der Begründung abgewiesen, dass eine hinreichende Darlegung eines zur Unzumutbarkeit führenden Kaufkraftabflusses nicht erbracht wurde. Die Anlage wurde am 25. Mai 2000 als erstes FOC „neuen Typs" in Deutschland eröffnet. Auf 10.600 qm Verkaufsfläche werden vor allem Textilien, Modeartikel und Schuhe internationaler Designermarken aus Überproduktionen und Vorjahreskollektionen angeboten214. Dem VG Potsdam215 lag ein Marktgutachten vor, wonach der Kaufkraftabfluss in den FOC-relevanten Bereichen etwa 5 % der gesamten (Berlin-)Spandauer Kaufkraft beträgt. Bezogen auf das Hauptzentrum Altstadt-Spandau weist das Gutachten 209 Rieger - FOC, 1998 - S. 70 f. ; Weick in: Gans/Lukhaup - Einzelhandelsentwicklung - Innenstadt versus periphere Standorte, 1998 - S. 117 (118 f.). 210 VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - S. 23 ff. des Urteils (GewArch 2000, 261 = UPR 2000, 320) (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); auf die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für den 1. Teilbauabschnitt ermittelten Werte soll hier nicht weiter eingegangen werden, weil diese wissenschaftlich nicht fundiert waren; siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C.III.9.d. 211 VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - S. 25 des Urteils (GewArch 2000, 261 = UPR 2000, 320) (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung). 212 VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - S. 26 des Urteils (GewArch 2000, 261 = UPR 2000, 320) (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung). 213 Auf die vorinstanzliche Entscheidung des VG Potsdam, B. v. 03.08.1998 - 5 L 247/98 - Mitteilungen StGB Bbg. 1998, 336 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam./. Lkr. Havelland) ist in diesem Zusammenhang nicht einzugehen, weil sich das OVG Bbg. die Argumentation des VG Potsdam weitgehend zu Eigen gemacht hat. 214 DIE RHEINPFALZ vom 26. Mai 2000. 215 VG Potsdam, B.v. 07.05.1999-5L 950/98-BauR 1999,1146 (1149) = LKV 1999,377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland).

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

in der Leitbranche Bekleidung einen Kaufkraftabfluss von knapp 12 % aus. Das Gericht legte in seiner Entscheidung zu Recht dar, dass durch dieses Marktgutachten eine Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle von 10% nicht belegt werden konnte 216 , weil das Gutachten auf der Annahme eines Einzugsbereichs von lediglich maximal 40 km Radius basierte. Nach Auffassung des Gerichts widerspricht dies den zu FOC erschienenen Veröffentlichungen, die von einem Einzugsbereich von mehr als 100 km ausgehen. Nach dem OVG Bbg. 217 bewegten sich die zu erwartenden Umsatzeinbußen auch nicht nur annähernd in der Größenordnung von 10%. Das Gericht konnte sich bei dieser Annahme jedoch nur auf eine Basisstudie stützen, die keine genauen Angaben zum Kaufkraftabfluss beinhaltete.

c) Schlussfolgerungen: Verletzung des § 2 I I BauGB bei der Ansiedlung von FOC grundsätzlich nicht ausgeschlossen Otting folgert aus den zuvor dargestellten Entscheidungen, dass Nachbargemeinden regelmäßig nicht unter Berufung auf das interkommunale Abstimmungsgebot die Erteilung von Baugenehmigungen für ein FOC verhindern könnten, weil eine Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenzè bei FOC aufgrund der betriebstypischen Streuwirkung eher unwahrscheinlich sei 218 . Dieser Schlussfolgerung von Otting muss entschieden widersprochen werden, weil diese Rechtsfrage keiner derartigen Pauschalierung zugänglich ist 219 . Zutreffend ist sicherlich, dass bei FOC aufgrund der Streuwirkung die Auswirkungen auf die Nachbargemeinden in der unmittelbaren Umgebung eines FOC weitaus geringer sind als bei herkömmlichen Einkaufszentren vergleichbarer Größe und daher erst bei einer weitaus größeren Verkaufsfläche unzumutbare Auswirkungen zu erwarten sind 220 . Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, Nachbarklagen gegen FOC könnten in der Regel nicht erfolgreich sein. Nach der GMA-Grundlagenuntersuchung zu FOC ist bei einer Verkaufsflächendimensionierung von ca. 20.000 qm (ca. 70 bis 120 Ladeneinheiten) aus Sicht des Städtebaus und der Raumordnung ein oberer Grenzwert zu ziehen221. Es muss dem216 VG Potsdam, B.v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - BauR 1999,1146 (1148) = LKV 1999,377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland). OVG Bbg., Β. v. 16.12.1998 - 3 Β 116/98 - NVwZ 1999, 434 (435) = BauR 1999, 613 = GewArch 1999, 437 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland). 218 Otting, DVBl. 1999, 595 (596). 219 Vgl. Uechtritz, BauR 1999, 572 (583, Fn.77); Wagner, IBR 1999, 392 (394). 220 Ähnlich: Jahn - Stärkung der Innenstadt oder des ländlichen Raumes?, 1999 - S. 41. 221 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999-S. 142.

C. Die interkommunale Abstimmung

235

zufolge davon ausgegangen werden, dass bei FOC mit einer Verkaufsfläche von weit über 20.000 qm durchaus unzumutbare Beeinträchtigungen der Nachbargemeinden eintreten können. Dies gilt umso mehr, wenn die betreffende Nachbargemeinde keinen intakten und umsatzstarken Einzelhandel aufweist 222, weil sich dann bereits bei einem Kaufkraftabfluss von unter 20% aufgrund des Wegfalls von Synergieeffekten eine Gefährdung der verbrauchernahen Versorgung einstellen kann 223 .

IV. Rechtsfolgen der Verletzung des materiellen Abstimmungsgebotes Verkennt die Gemeinde ihre Pflicht zur materiellen Abstimmung und stellt sie daher die Belange der Nachbargemeinde nicht oder nicht hinreichend in das Abwägungsmaterial ein, so ist ein Abwägungsdefizit gegeben224. Gleiches gilt, wenn die planende Gemeinde die Auswirkungen auf die Nachbargemeinden nicht ermittelt, obwohl diese Feststellungen notwendige Materialien der Abwägung darstellen würden. Die Gemeinde kann sich ohne diese Feststellungen keine Klarheit darüber verschaffen, welche Konflikte im Rahmen der Planung zu bewältigen sind. Logische Konsequenz eines derartigen Ermittlungsdefizits ist ein Defizit der Abwägung 225 . Eine Abwägungsfehleinschätzung liegt vor, wenn die Gemeinde ihre Pflicht zur interkommunalen Abstimmung erkennt, aber deren Reichweite falsch einschätzt und daher keine ausreichende Abwägung ihrer eigenen und der Belange der Nachbargemeinde durchführt 226. Sowohl das Abwägungsdefizit als auch die Abwägungsfehleinschätzung führen zu einem Verstoß gegen das interkommunale Abstimmungsgebot und damit zugleich zur Verletzung des Abwägungsgebotes227. Zwar sind Mängel im AbwägungsVorgang gemäß § 214 III 2 BauGB nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Jedoch wird eine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebotes in der Regel die Nichtigkeit des Bebauungsplanes zur Folge haben, weil zumindest die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel im Abwägungsvorgang die 222 Vgl. Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 99, die Autoren weisen auf ein hohes Gefährdungspotential für solche Nachbaigemeinden hin. 223 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C.III.7.e.cc. 224 BezG Dresden, 15.01.1992- 1 Β DK 29/91 - L K V 1992, 338 (340). 225 Bay. VGH, U.v.03.05.1999- 1 N98.1021-BauR 1999, 1140 (1144) = BayVBl. 2000, 273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999,432 = IBR 1999, 384 (FOC Ingolstadt). 226 OVG Sachsen vom 08.12.1993 - 1S 81/93 - LKV 1995, 84 (86); OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 28.07.1994 - 1Κ 7/93 - η. v., S. 11 der Entscheidung. 227 OVG Sachsen, U. v. 26.05.1993 - 1 S 68/93 - LKV 1994, 116 (118); Bay. VGH, U.v. 03.05.1999-1 N98.1021 - BauR 1999,1140 (1141) = BayVBl. 2000,273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999, 432 = IBR 1999, 384; Bönker - Rechtsgutachten: FOC, 1997 - S. 46; Hoppe in: FS für Wolff zum 75. Geburtstag, 1973 - 307 (320).

236

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

Planung anders ausgefallen wäre 228 . Dies gilt selbst dann, wenn die Festsetzungen des Bebauungsplanes eine vertretbare Abwägungsentscheidung darstellen 229. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Mängel der Abwägung gemäß § 2151, 1. Halbsatz, Nr. 2 BauGB unbeachtlich werden, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren seit Bekanntmachung des Bebauungsplanes schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht werden 230.

V. Exkurs: Ergänzendes Verfahren gemäß § 215 a BauGB Nach § 215 a I BauGB können sowohl formalrechtliche als auch materielle Mängel einer baurechtlichen Satzung durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden. Mit dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber den Grundsatz der Planerhaltung fortentwickeln 231 . Die planende Gemeinde kann durch ein ergänzendes Verfahren Bebauungspläne mit Rückwirkung erneut in Kraft setzten, sofern der Fehler nicht so schwer wiegt, dass er den Kern der Abwägungsentscheidung betrifft und damit die Planung als Ganzes von vornherein in Frage stellt oder die Grundzüge der Planung berührt 232. Das ergänzende Verfahren kann daher nur dann zur Anwendung kommen, wenn es um punktuelle Nachbesserungen geht und die Gesamtplanung ansonsten intakt ist 233 . Der Bay. VGH hat in seiner Entscheidung zum FOC Ingolstadt 234 klargestellt, dass ein ergänzendes Verfahren ausscheidet, wenn die planende Gemeinde die Festsetzungen eines Sondergebietes für großflächigen Einzelhandel aufgrund eines Ermittlungsdefizits ohne Berücksichtigung der möglichen planerischen Betroffenheit der Nachbargemeinden getroffen hat und der Bebauungsplan infolgedessen mangelbehaftet ist. Das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 06.03.2000 235 diese Rechtsauffassung bestätigt, weil der festgestellte Fehler den Kern der Abwägungsentscheidung betrifft und damit im Hinblick auf die gebotene 228 OVG Bbg., Β. v. 08.05.1998 - 3 Β 84/97 - LKV 1998, 359 (360), OVG MV, U. v. 15.04.1999 - 3 Κ 36/97 - NVwZ 2000, 826 (827); VGH BW B. v. 29.04.1998 - 3 S 313/98-η. v., S.4 der Entscheidung; Bay. VGH, U.v. 03.05.1999-1 Ν 98.1021 -BauR 1999, 1140 (1144) = BayVBl. 2000,273 = NVwZ 2000,822 = GewArch 1999,432 = IBR 1999,384; BezG Dresden, B.v. 15.01.1992-1 BDK 29/91 - L K V 1992, 338 (340); Stüer/Rude, DVBl. 2000, 312 (317); Stühler, VB1BW 1999, 206 (208). 229 Vgl. Uechtritz, BauR 1999, 572 (574). 230 Battis in: BKL-BauGB, 1999- §215, Rn.7. 231 Battis in: BKL - BauGB, 1 9 9 9 - § 215 a, Rn. 1; Hoppe/Henke, DVBl. 1997, 1407 (1409f.); Kopp/Schenke-VwGO, 2000- §47, Rn. 133. 232 BVerwG, B. v. 10.11.1998 - 4 BN 45.98 - BauR 1999, 361 (362); BVerwG, U. v. 08.10.1998 - 4 CN 7.97 - BauR 1999, 359 (360); OVG NW, U. v. 22.06.1998 - 7a D108/96 - BauR 1998, 1198 (1206) = NVwZ 1999, 79 = NJ 1999, 47. 233 Dolde/Menke, NJW 1999, 1070 (1081); Hoppe/Henke, DVBl. 1997, 1407 (1412). 234 Bay. VGH, U.v.03.05.1999- 1 Ν98.1021 -BauR 1999, 1140 (1145) = BayVBl. 2000, 273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999,432 = IBR 1999, 384 (FOC Ingolstadt). 23 * BVerwG, B. v. 06.03.2000 - 4 BN 31.99 - ZfBR 2000, 341 = GewArch 2000, 259; a. A. Stüer - Stellungnahme vom 26. Juli zum Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren - Bay. VGH 1 Ν 98.1021-S.4f.

D. Anpassungspflicht gemäß § 1IV BauGB

237

Einheitlichkeit der Entscheidung die Planung von vornherein als Ganzes in Frage stellt. Die Befürchtung der planenden Gemeinde, aufgrund der Nichtigkeit der Planung bereits gewährte zweckgebundene Städtebaufördermittel zurückzahlen zu müssen, begründet kein selbständiges rechtliches Interesse 236. Der planenden Gemeinde ist es jedoch nicht verwehrt, den Bebauungsplan mit selbem Planinhalt für die Zukunft in Kraft zu setzen, sofern die Nachbargemeinden an der Planung beteiligt und deren Belange, nach vorhergehender Ermittlung der Auswirkungen, in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden. Es besteht diesbezüglich kein Verbot der Normwiederholung 237.

D. Anpassungspflicht gemäß § 1 I V BauGB Nach § 1 IV BauGB sind Bauleitpläne, also Flächennutzungs- und Bebauungspläne, den Zielen der Raumordnung anzupassen. § 1 I V BauGB stellt im Vergleich zu § 4 11 ROG bzw. § 6 III 2 LplG BW, wonach öffentliche Stellen die Ziele der Raumordnung bei ihren raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu beachten haben, bezüglich der Bauleitplanung ein lex specialis dar 238 . Die Ziele der Raumordnung haben zwar keine unmittelbare Außenwirkung, § 1 IV BauGB begründet jedoch eine Anpassungspflicht der planenden Gemeinde und schränkt so die gemeindliche Planungshoheit ein 239 . Ziele der Raumordnung berechtigen grundsätzlich nicht zum planungsrechtlichen Durchgriff auf Private, so dass es zur Verwirklichung überörtlicher Ziele der Raumordnung gegenüber dem Bürger einer Umsetzung in einem Bebauungsplan bedarf 240. § 1IV BauGB ist Ausdruck des Gebots materieller planerischer Konkordanz zwischen überörtlicher und örtlicher Gesamtplanung241. Verstößt eine Gemeinde gegen das Anpassungsgebot, so ist der Bebauungsplan rechtsfehlerhaft. 242 236

BVerwG, B.v.06.03.2000-4 BN31.99-ZfBR 2000, 341 (343). BVerwG, B.v.06.03.2000-4 BN31.99-ZfBR 2000, 341 (342); Klindt, IBR 1999, 29 238 Bielenberg, DÖV 1969, 376 (378); Erbguth, RuR 1997, 270 (271); Erbguth/Schoeneberg - Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 1992-S. 233, Rn. 171; Spoerr in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000- S. 343 (346). 239 BVerwG, B. v. 20.08.1992 - 4 NB 20/91 - NVwZ 1993, 167 (168); OVG Nds., U. v. 15.02.1991 - 6 Κ 8/89 - ZfBR 1992, 93 (94); OVG Nds., U. v. 16.06.1982 - 1 A 194/80 - ZfBR 1983, 41 = BRS 39, Nr. 58, S. 118 = BauR 1982, 557; Bay. VGH, U. v. 23.05.1985 - 2 Ν 83 Α. 1490 - BayVBl. 1986,114(115) = BRS 44, Nr. 44, S. 104 = ZfBR 1985, 292; VG Ansbach, U.v.02.11.1983-Nr. AN9 Κ83 A.Ol 14-BayVBl. 1984, 602; VG Dessau, B. v. 01.11.1999 - 1 Β 496/99 - NVwZ-RR 2000, 207 (208); Halama in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 201; Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000, 376 (377); Hoppe in: FS zum 70. Geburtstag von Ch. von Unruh, 1983 - 555 (571); Kilian/Müllers, VerwArch 1998, 25 (56); Leder - Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einkaufszentren, 1987 - S. 70; Rutkowski - Einfluss der Regionalplanung auf die gemeindliche Bauleitplanung, Diss. 1974-S. 104; Schenke, WUR 1990, 61 (62). 240 Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999 - § 37, Rn. 4; Schroeder, UPR 2000, 52 (55). 237

238

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

Die Bindung der Gemeinden an die Ziele der Raumordnung ist nur dann gegeben, wenn die Ziele unter Beachtung der gemeindlichen Mitwirkungsrechte festgelegt worden sind 2 4 3 . Die Beteiligung der Gemeinden ist nunmehr in §7 V ROG festgeschrieben worden.

I. Ziele der Raumordnung Gemäß § 3 Nr. 2 ROG stellen Ziele der Raumordnung verbindliche Vorgaben in Raumordnungsplänen dar, die in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren textlichen oder zeichnerischen Festlegungen getroffen werden können 2 4 4 . Ziele der Raumordnung sind in den Landesentwicklungsprogrammen und den Regionalplänen verankert. Die Ziele der Raumordnung sind als landesplanerische Letztentscheidungen zwar je nach Grad ihrer Aussageschärfe konkretisierungsfähig, sie können aber nicht i m Wege der Abwägung gemäß § 1 V I BauGB überwunden werden, sondern setzen dieser einen verbindlichen Rahmen; sie sind gleichsam vor die Klammer des Abwägungsprozesses gezogen und üben so eine Sperrwirkung aus 2 4 5 . 241 Erbguth, RuR 1997, 270 (273); Erbguth/Schoenebeig - Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 1992 - S. 104, Rn. 79; Finkelnburg/Ortloff - Öffentliches Baurecht Band I, 1998 - § 5, III. 2., S. 30; Hoppe in: FS zum 70. Geburtstag von Ch. von Unruh, 1983 - 555 (571); Runkel in: EZBK - BauGB, Stand April 2 0 0 0 - § 1, Rn. 67; Schmidt-Aßmann, VerwArch 1980, 117 (134). 242 OVG NW, U.v. 11.01.1999-7 A 2377/96-BauR 2000, 62 (67); Bönker, BauR 1999, 328 (331); Stühler, VB1BW 1999, 206 (209); Erbguth, RuR 1997, 270 (275); Runkel, ZfBR 1999, 3 (8); Schroeder, UPR 2000, 52 (57). 243 BVerwG, B.v.20.08.1992-4 NB20/91 - NVwZ 1993, 167 (168); bezüglich des Landesplanungsbeirates gemäß § 11 I LpIG RP: BVerwG, U.v. 18.02.1994-4C 4 / 9 2 - N V w Z 1995,267 (268); OVG RP, U.v. 24.06.1992-10 C 12780/90-BRS 54, Nr. 13, S.40 (44) = DÖV 1993,209; Erbguth, NVwZ 2000,969 (972); Erbguth, RuR 1997,270 (271); Finkelnburg/Ortloff- Öffentliches Baurecht Band 1,1998 - § 5, S. 29; Halama in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 201 (215); Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000,376 (377); Ronellenfitsch in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-355 (365); Schroeder, UPR 2000, 52 (53). 244 Vgl. Runkel, WiVerw 1997, 267 (279). 245 BVerwG, B. v. 01.06.1994 - 4 NB 21/94 - JURIS; BVerwG, B. v. 20.08.1992 4NB20/91 - N V w Z 1993,167; OVG Nds. 29.08.1995- I L 894/94-NVwZ 1996,271; OVG NW, U.v. 11.01.1999-7 A 2377/96-BauR 2000, 62 (66); OVG NW, U.v.22.06.1998-7a D 108/96 - BauR 1998, 1198 (1202) = NVwZ 1999, 79 = NJ 1999, 47; OVG RP, U.v.24.06.1992- 10C 12780/90-BRS 54, Nr. 13, S.40 (41) = DÖV 1993,209; OVG Sachsen, U. v. 26.05.1993 - 1 S 68/93 - LKV 1994, 116 (118); VGH BW, v. 15.12.1999 - 3 S 3244/98 - JURIS, S. 11; VGH BW, U. v. 18.05.1999 - 10 S 1443/97 - ZfBR 2000, 63 (64) = UPR 2000,79; VGH BW, U.v.28.03.1980- VIII1272/79-BRS 36, Nr. 1, S. 1 (4); Bielenberg, DÖV 1969,376 (379); Bönker-Rechtsgutachten: FOC, 1997- S. 17; Erbguth, NVwZ 2000,969 (972); Goppel, BayVBl. 1998,289 (290); Grotefels in: H/G-Öffentliches Baurecht, 1995 - § 3, Rn. 16; Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000,376 (377); Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999,119 (123); Hoppe, NWVB1. 1998,461 (462); Hoppe/Scheipers in: FS für Stem zum 65. Geburtstag, 1997 - S. 1117 (1118); Moench/Sandner, NVwZ 1999,337 (339); Stühler, VB1BW 1999,206; Weidemann, DVBl. 1982,977 (980).

D. Anpassungspflicht gemäß § 1IV BauGB

239

Die Raumordnungsziele sind aus normtheoretischer Sicht als „Regeln" zu qualifizieren 246. Der Kennzeichnung eines Plansatzes als Ziel im Sinne des § 7 13 ROG kommt keine konstitutive rechtliche Wirkung zu, so dass für die Β indungs Wirkung eines Plansatzes nicht die Bezeichnung, sondern allein dessen materieller Gehalt entscheidend ist 247 . Über Ziele, die aus Rechtsgründen die ihnen zugedachte Bindungswirkung nicht zu entfalten vermögen, darf sich die Gemeinde hinwegsetzen248. II. Grundsätze der Raumordnung Keine Β indungs Wirkung entfalten im Gegensatz zu den Zielen die Grundsätze der Raumordnung gemäß § 3 Nr. 3 ROG. Grundsätze sind nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 3 ROG allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes in oder auf Grund von § 2 ROG als Vorgaben für Abwägungs- und Ermessensentscheidungen. Aus dem Wortlaut des § 3 Nr. 3 ROG ergibt sich bereits, dass Grundsätze der Raumordnung keine landesplanerische Letztentscheidungen sind und daher nur Abwägungsdirektiven vorgeben können249. Grundsätze statuieren demzufolge keine verbindlichen Vorgaben, sondern können im Rahmen der Abwägung zugunsten anderer gewichtigerer Belange überwunden werden 250. Die Grundsätze der Raumordnung sind gemäß § 4 II ROG jedoch bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen im Sinne des § 4 I ROG in der Abwägung oder der Ermessensausübung zu berücksichtigen. I I I . Handlungspflichten aus § 1 I V BauGB Aus § 1IV BauGB ergibt sich nach allgemeiner Auffassung 251 eine Verpflichtung der Gemeinden, bei der erstmaligen Aufstellung sowie bei der Änderung und Erwei246

Hoppe, DVB1. 1993, 681 (685). OVG NW, U. v. 11.01.1999 - 7 A 2377/96 - BauR 2000, 62 (70); Erbguth, NVwZ 2000, 969 (972), eine Kennzeichnung nach § 713 ROG hat lediglich eine indizielle Bedeutung; Hoppe, DVB1. 2001, 81 (86f.); Hoppe, DVB1.1999,1457(1459f.); Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - S. 459 (465, Fn. 35); Schräge - Zielabweichungsverfahren bei Raumordnungsplänen, Diss. 1998-S.9; Spoerr in : FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000- S. 343 (347). 248 Battis, LKV 1999,347 (349); Brohm- Öffentliches Baurecht, 1999- § 12, Rn. 11 ; Halama in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995-S.201 (202); Hoppe, DVB1.1999,1457(1461). 249 Erbguth, NVwZ 2000, 969 (970); Hoppe, NWVB1. 1998, 461 (462); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (340). 250 Battis - Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, 1999-2 IV 4, S. 43; Hoppe, DVB1. 1999, 1457(1458); Spannowsky, UPR 1999, 241 (244). 251 Brocke, DVB1.1979,184 (185); Brohm, DVB1.1980,653 (655); Goppel, BayVBl. 1984, 229 (231); Runkel in: EZBK-BauGB, Stand April 2000- § 1, Rn.67 und 65 a; Schiarmann, DVB1. 1980, 275 (278); VGH BW, U.v.28.03.1980-VIII 1272/79-BRS 36, Nr. 1, S. 1 (2). 247

240

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

terung eines Bebauungsplanes die Ziele der Raumordnung positiv umzusetzen. Wird das Anpassungsgebot aus Anlass einer konkreten Bauleitplanung nicht beachtet, so ist der betreffende Bebauungsplan als nichtig anzusehen 252 . Ob § 1 I V BauGB darüber hinausgehende Handlungspflichten i m Sinne einer selbständigen Planänderungspflicht und/oder einer Erstplanungspflicht beinhaltet, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Unklarheit besteht weiterhin darüber, welche Rechtsfolgen eine Nichtbeachtung der zuletzt genannten Pflichten mit sich bringt.

1. Planänderungspflicht Die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung 253 und Literatur 2 5 4 geht davon aus, dass sich aus § 1 I V BauGB eine Planänderungspflicht ergibt. Danach muss die Gemeinde bestehende Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung anpassen, wenn diese erst nach Beschlussfassung über den Bauleitplan rechtswirksam geworden sind. Das „Anpassen" i m Sinne des § 1 I V BauGB ist folglich nicht als einmaliger Prozess zu verstehen. Die Gemeinden müssen vielmehr ständig ihre Bauleitpläne auf 252

Battis in: BKL-BauGB, 1999- § 1, Rn.42; Erbguth, RuR 1997, 270 (275); Runkel in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 1, Rn. 69; Schmidt-Aßmann - Grundfragen, 1972 - S. 159; VGH BW, v. 15.12.1999 - 3 S 3244/98 - JURIS, S. 10; VGH BW, U.v.28.03.1980- VIII 1272/79-BRS 36, Nr. 1, S. 1 (3). 253 OVG NW, U.v. 11.01.1999 - 7 A 2377/96 - B a u R 2000, 62 (67); OVG Nds., U. v. 09.06.1976 - I A 10/76 - BRS 30, Nr. 10, S. 28; offen gelassen: VGH BW, U.v.28.03.1980-VIII 1272/79-BRS 36, Nr. 1, S. 1 (3). 254 Battis in: BKL - BauGB, 1999 - § 1, Rn. 32; Baumeister, GewArch 1996, 318 (326); Bielenberg, DÖV 1969, 376 (378); Bönker - Rechtsgutachten: FOC, 1997-S.40; Brocke, DVBl. 1979, 184 (185); Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999- § 12, Rn. 8; Brohm, DVBl. 1980, 653 (655); Crone-Erdmann, GewArch 1976, 258 (260); Crone-Erdmann, GewArch 1975, 319 (322); Erbguth, NVwZ 2000, 969 (971); Erbguth, RuR 1997, 270 (274); Erbguth/ Wagner - Bauplanungsrecht, 1998 - S. 103, Rn. 194; Erbguth/Schoeneberg - Raumordnungsund Landesplanungsrecht, 1992 - S. 234, Rn. 171; Finkelnburg/Ortloff - Öffentliches Baurecht Band I, 1998 - § 5, III. 2., S. 30; Goppel, BayVBl. 1998, 289 (290); Goppel, BayVBl. 1984, 229 (231); Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 -S.61; Grooterhorst - Geltungsverlust, Diss. 1988 - S. 178; Halama in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 201 ; Hoppe in: FS zum 70. Geburtstag von Ch. von Unruh, 1983 - S. 555 (571); Leder - Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einkaufszentren, 1987 - S. 70; Nachreiner - Verbrauchermärkte in der städtebaulichen Ordnung, Diss. 1986-S. 127; Runkel, ZfBR 1999, 3 (8); Runkel, UPR 1998, 241 (246); Rutkowski - Einfluss der Regionalplanung auf die gemeindliche Bauleitplanung, Diss. 1974-S.63; Schiarmann, DVBl. 1980, 275 (278); Steiner in: Steiner - Besonderes Verwaltungsrecht, 1995 - VI, S. 736, Rn. 47; Weidemann - Staatsaufsicht, 1982-S. 116; einschränkend: Schmidt-Aßmann, VerwArch 1980,117 (135), keine „automatische" Anpassungspflicht; Runkel in: EZBK-BauGB, Stand April 2000- § 1, Rn.67 und 65 b, die aus § 1 IV BauGB resultierenden Handlungspflichten stehen unter einem materiellen Erforderlichkeitsvorbehalt; a.A. W. Schrödter in: Schrödter - BauGB, 1998- § 1, Rn. 62.

D. Anpassungspflicht gemäß § 1IV BauGB

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ihre Vereinbarkeit mit den Zielen der Raumordnung überprüfen und diese erforderlichenfalls wiederholt zielkonform fortschreiben 255. Der herrschenden Meinung ist grundsätzlich zuzustimmen, weil nur durch die Annahme einer Planänderungspflicht dem Gebot materieller planerischer Konkordanz zwischen überörtlicher und örtlicher Gesamtplanung256 Rechnung getragen werden kann. 2. Rechtsfolgen bei Nichtbefolgung der Planänderungspflicht Uneinheitlich beantwortet wird in Rechtsprechung und Literatur die Frage, welche Auswirkungen der Erlass von Zielen der Raumordnung nach Beschlussfassung über einen Bebauungsplan auf dessen Wirksamkeit hat, wenn der Bebauungsplan Festsetzungen beinhaltet, die den Zielen widersprechen und eine Planänderung trotz Bestehen einer Planänderungspflicht nicht erfolgt ist. a) Die Rechtsfigur der Funktionslosigkeit Ein dogmatischer Ansatzpunkt für die Klärung der Frage, welche Rechtsfolgen eine Nichtbefolgung der Planänderungspflicht nach sich zieht, könnte in der Rechtsfigur der Funktionslosigkeit zu suchen sein. Das BVerwG geht seit seiner Grundsatzentscheidung vom 29.04.1977 251 in ständiger Rechtsprechung258 davon aus, dass eine bauplanerische Festsetzung wegen Funktionslosigkeit außer Kraft tritt, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzungen auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt. Das BVerwG wich mit dieser Entscheidung von seiner bisherigen Ansicht 259 ab, dass ein Geltungsverlust von Bebauungsplänen nur unter den Voraussetzungen des 255

Rutkowski - Einfluss der Regionalplanung auf die gemeindliche Bauleitplanung, Diss. 1974-S. 64. 256 Erbguth, RuR 1997,270 (273); Erbguth/Schoenebeig - Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 1992-S. 104, Rn. 79; Hoppe in: FS zum 70. Geburtstag von Ch. von Unruh, 1983 -S.555 (571); Runkel in: EZBK-BauGB, Stand April 2000- § 1, Rn.67; Schmidt-Aßmann, VerwArch 1980, 117 (134). 257 BVerwG, U.v.29.04.1977-4C 39.75-BauR 1977, 248. 258 BVerwG, B. v. 21.12.1999 - 4 BN 48.99 - GewArch 2000, 258 = ZfBR 2000, 274; BVerwG, U. v. 03.12.1998 - 4 CN 3/97 - NVwZ 1999, 986 (987) = BRS 60, Nr. 43, S. 159; BVerwG, B. v. 25.02.1997 - 4 NB 40.96 - UPR 1997, 323 (325). 259 BVerwG, U. v. 10.03.1967 - IV C 87.65 - BVerwGE 26, Nr. 52, S. 282 (284), vgl. Degenhart, BayVBl. 1990, 71 (75); Gronemeyer, DVB1. 1977, 756 (757); Lohr in: BKL-BauGB, 1999-§10, Rn.9. 16 Kopf

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

derogierenden Gewohnheitsrechts gegeben sein kann. Das Gericht stellt an das Vorliegen einer Funktionseinheit geringere Anforderungen als an das derogierende Gewohnheitsrecht. Damit sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Bebauungspläne anfälliger dafür sind, durch tatsächliche Entwicklungen in ihrer Funktion gestört und dadurch in ihrer Geltung in Frage gestellt zu werden, weil sie im Vergleich zu herkömmlichen abstrakt-allgemeinen Rechtssätzen weniger auf Geltung als auf konkrete Erfüllung angelegt sind 260 . Die Entscheidung über die Gültigkeit eines Bebauungsplanes im Hinblick auf die Frage eines Außerkrafttretens kann nach Ansicht des BVerwG Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens sein 261 . Dabei hat es das Gericht offen gelassen, ob die Antragsfrist von zwei Jahren gemäß § 47 II VwGO auch für die Entscheidung über die Funktionslosigkeit gilt 2 6 2 . Die Entscheidung des BVerwG ist in der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung 263 und Literatur 264 überwiegend auf Zustimmung gestoßen. Legt man die Grundsätze der Rechtsprechung zur Funktionslosigkeit zugrunde, so wird nur in seltenen Ausnahmefällen anzunehmen sein, dass ein Bebauungsplan aufgrund einer Tatsachenveränderung außer Kraft tritt 265 . Die Gründe für die Verwirklichungsunfähigkeit der Festsetzungen des Bebauungsplanes können zwar sowohl faktischer als auch rechtlicher Art sein, sie müssen aber immer aus einer tatsächlichen Entwicklung resultieren 266. Ausgehend von den zuvor dargestellten Voraussetzungen der Funktionslosigkeit, führt die Nichtbefolgung der Planänderungspflicht gemäß § 1 I V BauGB nicht zum 260

BVerwG, U.v.29.04.1977-4C 39.75-BauR 1977, 248 (249). ' BVerwG, U. v. 03.12.1998 - 4 CN3/97 - NVwZ 1999,986 (987) = BRS 60, Nr. 43, S. 159; dafür bereits: OVG Berlin, U. v. 31.03.1992-2 A9.88-UPR 1992, 357 (358); Steiner in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 313 (327), die Normenkontrolle als „Rechtswirksamkeitskontrolle" . 262 Gegen das Bestehen einer Antragsfrist bei rechtswidrig gewordenen Normen bzw. funktionslosen Bebauungsplänen: Kopp/Schenke - VwGO, 2000 - § 47, Rn. 85. 263 OVG Berlin, U. v. 31.03.1992 - 2 A 9.88 - UPR 1992, 357 (358); VGH BW, B.v.29.08.1989- UPR 1990, 308; Bay. VGH, U.v.30.03.1982-Nr.20. N-909/79 und Nr.20. Ν 81 A.2146 - BayVBl. 1982,726; vgl. Baumeister-Rechtswidrigwerden, Diss. 1994-S.342, Fn. 231 m. w. N. aus der Rechtsprechung. 264 Battis in: BKL - BauGB, 1999 - § 2, Rn. 9; Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999 - § 8, Rn. 19; Degenhart, BayVBl. 1990, 71 (72f.); Erbguth/Wagner - Bauplanungsrecht, 1998 - S. 101, Rn. 191; Finkelnburg/Ortloff - Öffentliches Baurecht Band I, 1998 - § 6, V., S.60; Gronemeyer, DVB1.1977,756 (758); Hoppe in: H/G-Öffentliches Baurecht, 1995- §5, Rn. 113; Schmidt-Aßmann in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 3 (16); Steiner in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 313 (314); kritisch: Zeiler, BayVBl. 1978, 626. 265 Degenhart, BayVBl. 1990, 71 (73); Steiner in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995-S. 313 (316). 266 Steiner in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 313 (320). 26

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Außerkrafttreten aufgrund einer Funktionslosigkeit267. Die Festsetzungen eines zielwidersprechenden Bebauungsplanes können immer noch nach den tatsächlichen Verhältnissen verwirklicht werden. Der Erlass raumordnerischer Ziele stellt keine Tatsachenveränderung dar, sondern vielmehr eine Änderung höherrangigen Rechts. Dieses Beispiel zeigt bereits, dass der Ansatz des BVerwG nicht zu überzeugen vermag, weil hiermit wichtige Fallkonstellationen einer Lösung nicht zugeführt werden können. b) Der Ansatz von Baumeister Die Etablierung der Rechtsfigur der Funktionslosigkeit greift nicht nur - wie bereits dargelegt - zu kurz, sie vermag auch unter rechtsdogmatischen Gesichtspunkten nicht zu überzeugen. Daher ist eine andere dogmatische Begründung erforderlich. Baumeister hat gegen die Rechtsprechung des BVerwG zu Recht den Einwand erhoben, dass das Gericht auf „dunkle Formulierungen" ausweicht und eine Sonderdogmatik etabliert, obwohl sich diese Probleme durch die bekannten dogmatischen Instrumente, wie der Prinzipien des Rechts- oder Verfassungswidrigwerdens, lösen lassen268. Baumeister 269 wendet sich explizit gegen die Ansicht von Steiner 210, dass zwischen der Rechtswidrigkeit und der Funktionslosigkeit differenziert werden müsse271. Die Grundthese von Baumeister, wonach Bebauungspläne auch rechtswidrig werden können und deshalb außer Kraft treten, basiert auf der Überlegung, dass die Voraussetzungen, die an den Inhalt jeder rechtlichen Regelung durch höherrangiges Recht gestellt werden, auch nach Erlass der Norm fortgelten. Mit der Aufstellung von Bebauungsplänen wird eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentumsgrundrechtes des Art. 14 12 GG etabliert. Der Plangeber hat hierbei jedoch keine unbegrenzte Bestimmungsbefugnis, da er den Erfordernissen der Eigentumsgewährleistung Rechnung tragen muss. Da mit der Aufstellung eines Bebauungsplanes in die subjektiven Rechte der Grundstückseigentümer im Plangebiet eingegriffen wird, hat der Plangeber zudem das Übermaßverbot zu beachten. 267

Im Ergebnis auch: OVG Nds., U. v. 16.06.1982 - 1 A 194/80 - BRS 39, Nr. 58, S. 118 (122) = ZfBR 1983, 41 = BauR 1982, 557; W. Schrödter in: Schrödter- BauGB, 1998 - § 1, Rn. 64; Steiner in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 313 (321). 268 Baumeister-Rechts widrigwerden, Diss. 1994-S. 347; Baumeister, GewArch 1996,318 (320); zustimmend: Kopp/Schenke - VwGO, 2000- §47, Rn. 139. 269 Baumeister, GewArch 1996, 318 (319). 270 Steiner in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 313 (325), nach dieser Ansicht ist das Rechtswidrigwerden von Bebauungsplänen jedoch grundsätzlich möglich. 271 Ausdrücklich offengelassen: BVerwG, U.v.03.12.1998-4 CN3/97-NVwZ 1999, 986 (987) = BRS 60, Nr. 43, S. 159; Kühn - Die Amtshaftung der Gemeinden wegen Überplanung von Altlasten, Diss. 1996-S. 180, Fn.39. 16*

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

Ein Bebauungsplan darf gegen das Übermaßverbot auch nicht nach dessen Erlass bzw. Bekanntmachung verstoßen; die Erfordernisse des Übermaßverbotes enthalten demzufolge eine dynamische, die Anforderungen an einen fortdauernden Eingriff in subjektive Rechte in zeitlicher Hinsicht erweiternde Komponente272. Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot kann sich auch aufgrund von tatsächlichen Veränderungen ergeben 273. Einen weiteren Ansatzpunkt für das Rechtswidrigwerden von Bebauungsplänen sieht Baumeister in den Grundsätzen der Prognosekontrolle. Danach muss der Plangeber Prognoseentscheidungen, die er zur Grundlage der Abwägung gemäß § 1 VI BauGB gemacht hat, auch nach Erlass eines Bebauungsplans daraufhin untersuchen, ob diese nicht durch die tatsächliche Entwicklung widerlegt wurden. Zwar ist nach ganz herrschender Auffassung 274 das Ergebnis von Prognosen nicht kontrollierbar. Allerdings kann im Falle einer Widerlegung einer ursprünglichen Prognose durch die tatsächliche Entwicklung eine Pflicht zur Anpassung oder Abänderung des Bebauungsplans in Betracht kommen 275 . Das Bestehen einer Anpassungspflicht bei Widerlegung einer Prognose wurde auch vom Bay. VGH in seiner Entscheidung vom 23.12.1998 276 - wenn auch mit anderer Begründung - in Erwägung gezogen. Besteht eine Aufhebungs- und Änderungspflicht, so tritt eine Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung 277 der jeweiligen Festsetzung im Bebauungsplan ein. Hiervon ist jedoch die Frage zu trennen, ob hierdurch auch der Bebauungsplan ganz oder gegebenenfalls teilweise rechtswidrig geworden ist. Nach der Rechtsprechung des BVerfG 278 wird eine Norm bei Bestehen einer Anpassungs- oder Nachbesserungspflicht erst nach unterlassener Nachbesserung in einem zumutbaren Zeitraum rechtswidrig 279. Hiergegen wendet Baumeister zu Recht 272 Baumeister, GewArch 1996, 318 (321 und 324); Baumeister - Rechts widrigwerden, Diss. 1994 - S. 359 f.; ähnlich auch: Grooterhorst - Geltungsverlust, Diss. 1988 - S. 257, allerdings differenziert sie zwischen Funktionslosigkeit und Rechtswidrigwerden. 273 BVerfG, B.v. 12.06.1979 (Kleingartenpachtgesetz)- 1 BvL 19/76-BVerfGE 52, Nr. 1, S. 1 (30). 274 Kopp/Schenke - VwGO, 2000 - § 114, Rn. 37 a. 275 Hoppe in: H/G - Öffentliches Baurecht, 1995 - § 7, Rn. 112; bezüglich Verwaltungsakten: Kopp/Schenke - VwGO, 2000 - § 114, Rn. 37 c; a. A. Gronemeyer, DVB1.1977,756 (758). 276 Bay. VGH, U. v. 23.12.1998 - 26 Ν98.1675 - NVwZ-RR 2000,79 (82); siehe hierzu die Ausführungen im 7. Kapitel C. VI. 2. 277 Vgl. hierzu die grundlegenden Erörterungen zur Rechtswidrigkeit als Pflichtwidrigkeit: Baumeister - Rechtswidrigwerden, Diss. 1994 - S. 76 f. 278 Ζ. Β. BVerfG, U. v. 28.05.1993 (Schwangerschaftsabbruch - Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens) - 2 BvF 2/90 und 4,5/92- BVerfGE 88, Nr. 21, S.203 (309f.). 279 Baumeister - Rechts widrigwerden, Diss. 1994- S. 62, betont in diesem Zusammenhang, dass das BVerfG schon sehr früh das Rechts- bzw. Verfassungswidrigwerden von Normen grundsätzlich anerkannt hat (Nachweise aus der Rechtsprechung auf S.62, Fn. 2).

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ein, dass dem berechtigten Anliegen der Befürworter der Anpassungsfrist auf andere Weise Rechnung getragen werden kann 281 . Im Rahmen des Bauplanungsrechtes stehen dem Plangeber mit dem Erlass einer Veränderungssperre oder durch die Zurückstellung von Baugesuchen gemäß §§ 14 und 15 BauGB Sicherungsmittel zur Verfügung, um sich ausreichend Zeit zur Planänderung zu verschaffen 282. Demzufolge muss dem Plangeber keine Frist zur Planänderung eingeräumt werden. Kommt der Plangeber seiner Aufhebungs- und Änderungspflicht nicht nach, so führt dies unmittelbar zum Rechts widrig werden des Bebauungsplanes283. Durch die Annahme eines Rechtswidrigwerdens eines Bebauungsplanes wird weder die Rechtssicherheit noch der Vertrauensschutz der vom Rechtswidrigwerden Betroffenen in verfassungswidrigerweise eingeschränkt. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass es nach allgemeiner Auffassung - abgesehen von einem zeitlich begrenzten Anspruch in besonderen Einzelfällen 284 - keinen Anspruch auf den Fortbestand einer Planung gibt 285 und zum anderen aus der Tatsache, dass ein Nutzungsberechtigter, der durch das Rechtswidrigwerden eines Bebauungsplanes in seiner Nutzungsmöglichkeit beschränkt wird, unter Umständen Entschädigungsansprüche nach dem Planungsschadensrecht gemäß §§ 39 ff. BauGB 286 oder unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung 287 geltend machen kann. Auch der Aspekt der Rechtsklarheit spricht nicht gegen die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Bebauungsplänen. Ebenso wie bei von Anfang an rechtwidrigen Bebauungsplänen kann die Rechtswidrigkeit und Rechtsklarheit erst im Normenkontrollverfahren festgestellt werden 288. Auch § 214 III 1 BauGB kann weder die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Bebauungsplänen noch die prozessuale Geltendmachung im Normenkontrollverfahren ausschließen. § 214 III 1 BauGB bezieht sich nur auf den Abwägungsvorgang, nicht aber auf das Abwägungsergebnis 289. 280

Begründet wird das Erfordernis einer Anpassungsfrist unter anderem mit dem Gebot der Zurückhaltung des Verfassungsgerichts vor dem Parlament und der Rechtssicherheit; vgl. Baumeister - Rechtswidrigwerden, Diss. 1994 - S. 239 m. w. Ν. 281 Baumeister-Rechtswidrigwerden, Diss. 1994-S. 240. 282 Baumeister, GewArch 1996, 318 (322), verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Möglichkeit der Befreiung gemäß §31 II BauGB; hierdurch lässt sich die Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit unter Umständen verhindern. 283 Baumeister, GewArch 1996, 318 (324). 284 Baumeister, GewArch 1996, 318 (323) m.w.N. 285 Schenke, WiVerw 1990, 226 (241 f.). 286 Siehe 7. Kapitel, C.II.3.a. 287 Siehe 7. Kapitel, C.VII.2. 288 Baumeister, GewArch 1996, 318 (323). 289 Baumeister-Rechts widrigwerden, Diss. 1994-S. 365 m.w.N.; Kopp/Schenke - VwGO, 2001-§47, Rn. 139.

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

Bereits aus der Rechtsprechung des BVerwG zur Funktionslosigkeit ergibt sich, dass die Siebenjahresfrist des § 2151 Nr. 2 BauGB auf nachträgliche Veränderungen keine Anwendung findet 290. Die Voraussetzungen, die das BVerwG für das Vorliegen einer Funktionslosigkeit als erforderlich ansieht, sind zur Bestimmung des Rechtswidrigwerdens einer Norm nicht geeignet. Baumeister legt dieser Bestimmung deshalb nur die baurechtlichen Vorschriften zum Bebauungsplan, die Grundrechte sowie höherrangige Gemeinwohlinteressen als Maßstab zu Grunde 291. Eine Festsetzung eines Bebauungsplanes ist dann als rechtswidrig geworden anzusehen, wenn erstens die jeweilige Festsetzung im Zeitpunkt der Kontrolle nach dem materiellen Recht nicht mehr begründbar erlassen werden kann und zweitens auch eine entsprechende Änderung oder Aufhebung der Festsetzung durch den Satzungsgeber zulässig wäre 292 . Ein Rechtswidrigwerden liegt demnach auch dann vor, wenn eine zulässige Aufhebung von Festsetzungen entschädigungspflichtig im Sinne der §§ 39 ff. BauGB wäre. c) Streitstand zu den Rechtsfolgen der Nichtbeachtung des § 1 IV BauGB Die Frage, welche Rechtsfolge die Nichtbeachtung der Planänderungspflicht aus § 1 I V BauGB nach sich zieht, wird in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich beurteilt. Eine Mindermeinung 293 in der Literatur folgt einer Entscheidung des OVG Nds. vom 09.06.1976 294. Das Gericht führte darin aus, dass ein Bebauungsplan unter Umständen ungültig werden kann, wenn dieser nicht an nachträglich erlassene Ziele der Raumordnung angepasst wird. Eine rechtsdogmatische Begründung für dieses Ergebnis lässt das Gericht jedoch vermissen. Die ganz herrschende Meinung in der Literatur 295 vertritt dagegen die Ansicht, dass § 1IV BauGB zwar eine Pflicht begründe, innerhalb einer angemessen Frist be290

Baumeister - Rechtswidrigwerden, Diss. 1994 - S. 367. Baumeister-Rechtswidrigwerden, Diss. 1994-S. 369. 292 Baumeister, GewArch 1996, 318 (324); Kopp/Schenke - VwGO, 2000- §47, Rn. 139. 293 Battis in: BKL - BauGB, 1999 - § 1, Rn. 42; Erbguth/Schoeneberg - Raumordnungsund Landesplanungsrecht, 1992-S.234, Rn. 171. 294 OVG Nds., U. v. 09.06.1976 - 1 A10/76 - BRS 30, Nr. 10, S. 28. 295 Brocke, DVBl. 1979,184(187); Goppel,BayVBl. 1984,229 (231); Leder-Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einkaufszentren, 1987 - S. 71 ; Runkel in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 1, Rn. 69; Schroeder, UPR 2000, 52 (56); Steiner in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995-S. 313 (321); Steiner in: Steiner - Besonderes Verwaltungsrecht, 1995-VI, S.737, Rn.47; Weidemann - Staatsaufsicht, 1982-S. 155; auf der gleichen grundsätzlichen Überlegung basiert wohl auch die Ansicht von Grooterhorst - Geltungsverlust, Diss. 1988-S. 177. 291

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stehende Bauleitpläne zielkonform fortzuschreiben, hieraus ergäbe sich jedoch keine ipso-iure-Nichtigkeit des zu ändernden Bauleitplanes. In der Zeit bis zur Anpassung des Bauleitplanes gelte dieser unverändert fort, so dass auf dieser Grundlage auch Genehmigungen erteilt werden können296. Zur Begründung dieser Ansicht werden unterschiedliche Argumente angeführt. Nach Steiner folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip, dass eine Nachbesserungspflicht die Fortgeltung der Norm voraussetzt, auch wenn diese rechtswidrig ist 297 . Erbguth folgert aus der Wahl des Wortes „anpassen", dass dem Anpassungsgebot die Prämisse immanent sei, nach der dem Satzungsgeber noch etwas zu regeln verbleiben muss298. Deshalb könne nicht davon ausgegangen werden, ein Bauleitplan trete ipso iure außer Kraft. Leder setzt den nachträglich eingetretenen Widerspruch eines Bebauungsplanes mit den Zielen der Raumordnung mit dem Widerspruch zu einem später erlassenen Flächennutzungsplan gleich 299 . Die zuletzt dargestellte Ansicht spiegelt sich auch in den Entscheidungen des Bay. VGH vom 16.11.1993300 und des OVG Nds. vom 16.06.1982 301 wider. Der Bay. VGH stellte aufgrund der Grobmaschigkeit der Regionalpläne in Abrede, dass diese im Verhältnis zu Bebauungsplänen ein höherrangiges Recht darstellen. Zudem könne es kaum dem Sinn des planungsrechtlichen Instrumentariums entsprechen, durch den automatischen Wegfall gemeindlicher Bauleitpläne ein „Planungsvakuum" zu hinterlassen 302. Einen vermittelnden Standpunkt nimmt Schmidt-Aßmann ein, der auch an den Begriff des Anpassens anknüpft. Der Begriff drücke eine zeitlich nachfolgende, gegenüber dem Zeitpunkt der Verbindlichkeit der Ziele abgesetzte Tätigkeit aus 303 . Allerdings schränkt er diese Aussage dahin gehend ein, dass der Bebauungsplan nur für eine Übergangszeit seine Wirksamkeit behalte. Diese Übergangszeit müsse in einem angemessenen Verhältnis zum arbeitstechnischen Umfang der notwendigen Planänderungen stehen. Die Gemeinde müsse zudem auf die allgemeinen Sicherungsmittel, wie die Veränderungssperre, zurückgreifen. 296 So auch: W. Schrödter in: Schrödter- BauGB, 1998 - § 1, Rn. 64, der jedoch auch das Bestehen einer Planänderungspflicht ablehnt. 297 Steiner in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 313 (326). 298 Erbguth, RuR 1997, 270 (275); so bereits: Bay. VGH, U.v. 16.11.1993 - 8 Β 92.3559-GewArch 1994, 210 = BRS 55, Nr.45, S. 129. 299 Leder - Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einkaufszentren, 1987 - S. 71. 300 Bay. VGH, U. v. 16.11.1993 - 8 Β 92.3559 - GewArch 1994, 210 = BRS 55, Nr. 45, S. 129. 301 OVG Nds., U.v. 16.06.1982 - 1A 194/80-BRS 39, Nr.58, S. 118 (121) = ZfBR 1983, 41 = BauR 1982, 557; unter ausdrücklicher Aufgabe des bisherigen Rechtsstandpunktes. 302 Bay. VGH, U. v. 16.11.1993 - 8 Β 92.3559 - GewArch 1994, 210f. = BRS 55, Nr. 45, S. 129. 303 Schmidt-Aßmann-Grundfragen, 1972-S. 159.

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d) Stellungnahme: Rechtswidrigwerden von Bauleitplänen Bauleitpläne treten durch den Erlass raumordnerischer Ziele nicht im Wege der Derogation 304 außer Kraft 305 . Raumordnungspläne geben lediglich Rahmenbedingungen vor und entfalten keine bodenrechtliche Funktion 306 . Auch im Hinblick auf diese Rahmenfunktion, kann kein Zweifel daran bestehen, dass Raumordnungspläne im Vergleich zu den Bebauungsplänen höherrangige Rechtsnormen darstellen. Der von Leder angestellte Vergleich mit Flächennutzungsplänen geht daher fehl. Hinsichtlich der Ziele der Raumordnung ist es - wie bereits dargestellt - unstreitig, dass Bebauungspläne nach dem Grundsatz der materiellen Konkordanz zielkonform fortzuschreiben sind. Geht man von der von Baumeister vertretenen Ansicht aus, so werden die Festsetzungen des Bebauungsplanes, die den Zielen der Raumordnung widersprechen rechtwidrig 307 . Die jeweilige, den Zielen der Raumordnung widersprechende, Festsetzung dürfte im Zeitpunkt der Kontrolle nach dem materiellen Recht erstens nicht mehr begründbar erlassen werden und zweitens wäre auch eine entsprechende Änderung oder Aufhebung der Festsetzung durch den Satzungsgeber zulässig. Die Ansicht der herrschenden Meinung, das Bestehen einer Anpassungspflicht sei vom rechtswirksamen Fortbestand einer Satzung abhängig, basiert auf einer rechtsdogmatisch nicht begründbaren naturalistischen Betrachtungsweise 308. Auch die im Ansatz zutreffende Ansicht von Schmidt-Aßmann, ist in diesem Punkte abzulehnen, weil hiernach nicht klar ist, nach welchen Kriterien eine Übergangszeit zu bemessen ist. Auch der Hinweis auf den arbeitstechnischen Umfang der notwendigen Planänderung vermag hierbei keine Klarstellung zu erbringen. Folgte man dieser Ansicht, so hätte es die Gemeinde in der Hand die Ziele der Raumordnung ins Leere laufen zu lassen. Die Umsetzung der Planänderungspflicht darf auch nicht von der kommunalaufsichtlichen Durchsetzung 309 abhängig gemacht werden. Hinzu kommt, dass die Gemeinde kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand eines Raumordnungsplanes hat. Die Ziele der Raumordnung vermögen nur dann eine Β indungsWirkung für die Gemeinden im Geltungsbereich des jeweiligen Raumordnungsplanes zu entfalten, wenn diese im Aufstellungsverfahren im Sinne des § 7 V ROG an der Planung beteiligt, also über die geplanten 304 Vgl. Baumeister-Rechtswidrigwerden, Diss. 1994-S. 273 ff. m.w.N.; Reich, BadenWürttembergisches Verwaltungsblatt 1973, 165 f. 305 Baumeister, GewArch 1996, 318 (326, Fn.84). 306 Vgl. BVerwG, B.v.20.08.1992-4 NB20/91 - NVwZ 1993, 167 (168). 307 Vgl. zum Rechts widrigwerden bei Nichtbeachtung der Planänderungspflicht: Baumeister, GewArch 1996, 318 (326, Fn.84). 308 Schenke - Rechtsschutz bei normativem Unrecht, 1979 - S. 79f.; im Anschluss daran: Baumeister-Rechtswidrigwerden, Diss. 1994-S. 363; Baumeister, GewArch 1996,318 (326, Fn. 84); eine dogmatische Vertiefung dieser Frage kann im Rahmen dieser Arbeit nicht erbracht werden. 309 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, D.IV.

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Festsetzungen informiert und hierzu angehört wurden. Die Gemeinden werden daher schon vor der Rechtswirksamkeit der raumordnerischen Ziele über die konkrete Ausgestaltung der Raumordnungspläne in Kenntnis gesetzt, so dass sich diese bereits frühzeitig auf die zukünftige Rechtslage einstellen können. Nach dem allgemein anerkannten Grundsatz der ipso-iure-Nichtigkeit rechtswidriger Normen 310 folgt aus dem Rechtswidrigwerden von Bebauungsplanfestzungen deren Nichtigkeit. Dies muss jedoch nicht zur Nichtigkeit des gesamten Bebauungsplanes führen. Infrage kommt eine Teilnichtigkeit des Bebauungsplanes, sofern die hierfür erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind 311 . Die Gemeinden haben es jedoch in der Hand, den Eintritt der Nichtigkeit von Bebauungsplanfestsetzungen durch einen Beschluss zur zielkonformen Änderung des Bauleitplanes und einer Veränderungssperre gemäß § 14 BauGB oder der Zurückstellung von Baugesuchen gemäß § 15 BauGB zu verhindern. Auf diese Weise lässt sich der Eintritt eines vom Bay. VGH befürchteten „Planungsvakuums" ausschließen. Auch im Rahmen eines Normenkotrollverfahrens, muss das Rechts widrig werden eines Bebauungsplanes nicht automatisch zur Nichtigerklärung gemäß § 47 V 2 VwGO führen. Kann die erforderliche zielkonforme Fortschreibung des Bebauungsplanes im ergänzenden Verfahren 312 erfolgen, so erklärt das Oberverwaltungsgericht gemäß § 47 V 4 VwGO den Bebauungsplan bis zur Behebung der Mängel im ergänzenden Verfahren gemäß § 215 a BauGB für nicht wirksam 313 . 3. Erstplanungspflicht Die Frage, ob aus dem Anpassungsgebot des § 1 IV BauGB eine Erstplanungspflicht erwächst, wonach eine Gemeinde verpflichtet ist, erstmals einen Bauleitplan aufzustellen, sofern die Genehmigungsfähigkeit von Vorhaben nach den §§34 und 35 BauGB den Zielen der Raumordnung widersprechen würde, ist in Rechtsprechung und Literatur heftig umstritten. Die früher wohl herrschende Meinung in der Literatur 314 lehnte eine Erstplanungspflicht ab. Demgegenüber geht eine heute im Vordringen befindliche Ansicht in der Literatur 315 vom Bestehen einer Erstplanungspflicht aus. 310

Vgl. Baumeister - Rechtswidrigwerden, Diss. 1994- S. 55 und 269 ff. mit Hinweisen auf Ausnahmen von diesem Grundsatz. 311 Siehe 7. Kapitel, C.VII.l. 312 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C.V. 313 Baumeister, GewArch 1996,318 (323), weist zu Recht daraufhin, dass der Grundsatz der Planerhaltung nicht gegen die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens spricht. 314 Battis in: BKL - BauGB, 1999 - § 1, Rn. 32; Erbguth, RuR 1997, 270 (274); Erbguth/ Wagner - Bauplanungsrecht, 1998 - S. 103, Rn. 194; Erbguth/Schoeneberg - Raumordnungsund Landesplanungsrecht, 1992-S. 105, Rn.79; Goppel, BayVBl. 1998,289 (290); Runkel in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 1, Rn. 67; Weidemann - Staatsaufsicht, 1982 - S. 120.

250

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

Während das BVerwG 316 die Entscheidung dieser Frage bislang offengelassen hat, schloss sich das OVG RP in seiner Entscheidung vom 20.01.1998™ ausdrücklich der Ansicht an, dass § 1 I V BauGB eine Erstplanungspflicht beinhaltet. Die Gegner einer Erstplanungspflicht stützen sich insbesondere auf den Wortlaut des § 1 IV BauGB. Das Tatbestandsmerkmal des „Anpassens" lasse nicht den Schluss auf eine Erstplanungspflicht zu. § 1 IV BauGB komme vielmehr eine Abwehrfunktion zu, die verhindern solle, dass die Gemeinden auf örtlicher Ebene Tatbestände schaffen, die überörtlichen raumstrukturellen Gesichtspunkten widersprechen 318 . Zudem sehe § 1 IV BauGB eine Anpassungspflicht für Bauleitpläne und nicht für die Bauleitplanung vor, so dass eine Anpassungspflicht die Existenz von Bauleitplänen voraussetze319. Nach Schiarmann lässt die Entstehungsgeschichte des § 1 I I I und IV BBauG keinen anderen Schluss zu. Der Bundestag sei anlässlich der Novelle zum BBauG 1976 dem Vorschlag des Bundesrates, § 1 III BBauG durch eine gemeindliche Planungspflicht zu ergänzen, bewusst nicht gefolgt, weil dies dem Ziel der Stärkung der gemeindlichen Planungshoheit nicht zuträglich gewesen wäre 320 . Wollte man § 1 IV BauGB infolge einer teleologischen Auslegung eine Erstplanungspflicht beimessen, so widerspräche dies dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Nach Brohm würde eine Erstplanungspflicht einen besonders schweren Eingriff in die gemeindliche Planungshoheit mit sich bringen, weil dann den Gemeinden nicht nur die inhaltliche Bestimmung, sondern auch das Initiativrecht zur Bauleitplanung genommen würde 321 . Außerdem läge regelmäßig ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vor, da nicht jede Festsetzung in überörtlichen Plänen als erforderlich angesehen werden könne. Brohm schränkt seine grundsätzliche Ablehnung der Erstplanungspflicht jedoch insoweit ein, als eine Erstplanungspflicht jedenfalls dann anzunehmen sei, wenn dies der Grundsatz der Gemeindetreue im Einzelfall gebiete, weil andernfalls die überörtliche Konzeption zum Scheitern verurteilt wäre 322 . 315 Finkelnburg/Ortloff - Öffentliches Baurecht Band 1,1998 - § 5, III. 2., S. 30; Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 62; Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988-S. 106; Schiarmann, DVBl. 1980, 275 (278); Schroeder, UPR 2000,52 (57); W. Schrödter in: Schrödter-BauGB, 1998- § 1, Rn.65; Steiner in: Steiner-Besonderes Verwaltungsrecht, 1995-VI, S.737, Rn.48. 316 BVerwG, B. v. 01.06.1994 - 4 NB 21/94 - JURIS; BVerwG U. v. 11.02.1993 - 4 C 15/92-NVwZ 1994,285 (287) = DÖV 1993,914 = ZfBR 1993,191 = DVBl. 1993,659; ähnlich auch: VGH BW, U.v.28.03.1980-VIII 1272/79-BRS 36, Nr. 1, S. 1 (3); Halama in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 201 (211). 317 OVG RP, v. 20.01.1998- 1 Β 10056/98-JURIS, S.8. 318 Schiarmann, DVBl. 1980, 275 (278). 319 Brocke, DVBl. 1979, 184 (186); Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999-§ 12, Rn.9; Brohm, DVBl. 1980, 653 (655); Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981-S. 62. 320 Schiarmann, DVBl. 1980, 275 (279). 321 Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999 - § 12, Rn. 9. 322 Brohm, DVBl. 1980,653 (655), er lehnt sich hierbei an den Begriff der Bundestreue an.

D. Anpassungspflicht gemäß § 1IV BauGB

251

In der Literatur wird zum Teil 323 die Auffassung vertreten, dass sich unmittelbar aus § 1IV BauGB zwar keine Erstplanungspflicht ergäbe, allerdings könne die Aufstellung von Zielen der Raumordnung dazu führen, dass eine Gemeinde zur erstmaligen Aufstellung eines Bauleitplanes gemäß § 1 III BauGB verpflichtet ist. Die Aufstellung eines Bauleitplanes ist danach erforderlich im Sinne des § 1 III BauGB, wenn andernfalls die Ziele der Raumordnung vereitelt würden. Schiarmann lehnt die zuvor dargestellte Ansicht mit der Begründung ab, § 1 III BauGB ziele auf die Erforderlichkeit im Hinblick auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung ab, so dass eine Planungspflicht durch die Ziele der Raumordnung nicht begründet werden könne, weil diese sich auf überörtliche und nicht auf städtebauliche Gesichtspunkte bezögen324. Die Vertreter der nunmehr wohl herrschenden Meinung in der Literatur, nach der aus § 1IV BauGB eine Erstplanungspflicht abzuleiten ist, messen der teleologischen Auslegung des § 1 IV BauGB eine ausschlaggebende Bedeutung zu. Es sei nicht einzusehen, warum es den Gemeinden gestattet sein soll, durch passives Verhalten die Ziele der Raumordnung leer laufen zu lassen325. Weidemann wendet gegen die Ansicht, aus dem Begriff „Bauleitpläne" ergäbe sich zwingend, dass § 1IV BauGB die Existenz von Bauleitplänen voraussetze, ein, dass die beiden Begriffe der „Bauleitplanung" und der „Bauleitpläne" in den §§ 1 und 2 BauGB nicht klar und eindeutig unterschieden und dementsprechend mit festliegendem Inhalt verwendet werden 326. Deshalb werde die Pflicht zur interkommunalen Abstimmung im Sinne des § 2 I I BauGB auch nicht davon abhängig gemacht, dass die Nachbargemeinde bereits Bauleitpläne oder bestimmte planerische Vorstellungen geltend machen kann, obwohl in § 2 II BauGB auch der Begriff „Bauleitpläne" gebraucht wird 327 . Die Argumentation von Schiarmann widerlegt Weidemann mit dem Hinweis darauf, dass die Ablehnung der Erweiterung des § 1 III BBauG durch eine Planungspflicht auch darin begründet sein könne, dass aus rechtspolitischen Gründen eine Vermischung der unterschiedlichen Planungstatbestände des § 1 III und IV BBauGB nicht erwünscht war 328 . Laut Runkel ging der Gesetzgeber bei Verabschiedung des BauROG 1998 davon aus, dass § 1IV BauGB eine Erstplanungspflicht beinhaltet329. Zwar konnte sich die 323 Gaentzsch, WiVerw 1985,235 (246); Rutkowski - Einfluss der Regionalplanung auf die gemeindliche Bauleitplanung, Diss. 1974-S. 63; Schmidt-Aßmann - Grundfragen, 1972S. 158. 324 Schiarmann, DVB1. 1980, 275 (279); ähnlich bereits: Brocke, DVB1. 1979, 184 (186). 325 Goppel, BayVBl. 1998,289 (290); Rutkowski - Einfluss der Regionalplanung auf die gemeindliche Bauleitplanung, Diss. 1974-S.62. 326 Weidemann-Staatsaufsicht, 1982-S. 120f. 327 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C.III.4. 328 Weidemann - Staatsaufsicht, 1982 - S. 122. 329 Runkel in: EZBK - BauGB, Stand April 2000- § 1, Rn.71 m. w.N.; ähnlich Erbguth/ Wagner-Bauplanungsrecht, 1998 - S. 103, Rn. 194; Erbguth, RuR 1997,270 (274), bereits aus

252

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

in § 13 II ROG des Entwurfs zum BauROG 1998 330 explizit vorgesehene Erstplanungspflicht im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen 331. Dies lag aber nicht daran, dass der Gesetzgeber das Bestehen der Erstplanungspflicht negieren wollte. Nach Goppel ist die vorgesehene Regelung am berechtigten Widerstand der Bundesländer gescheitert, weil der Bund das Erstplanungsgebot an einschränkende materielle Voraussetzungen knüpfen wollte 332 . Allein die zuletzt dargestellte Ansicht vermag zu überzeugen, weil diese der systematisch-teleologischen Auslegung des § 1IV BauGB gerecht wird. Zudem wurde von Weidemann überzeugend dargelegt, dass die Auslegung des Wortlautes nicht gegen diese Ansicht angeführt werden kann. Allerdings muss an dieser Stelle betont werden, dass die Genehmigung eines Einzelvorhabens auf der Grundlage des § 34 BauGB nicht mit der Begründung versagt werden kann, das Vorhaben widerspräche den Zielen der Raumordnung bzw. der Erstplanungspflicht 333. Unabhängig vom Bestehen einer Erstplanungspflicht gemäß § 1IV BauGB, kann sich eine Erstplanungspflicht aus landesrechtlichen Vorschriften ergeben. In den Landesplanungsgesetzen einiger Bundesländer - wie beispielsweise in § 15 a LplG BW - ist eine Erstplanungspflicht ausdrücklich normiert worden 334 . Auf die zum Teil erhobenen verfassungsrechtlichen Einwände gegen den Erlass eines landesplanerischen Planungsgebotes soll hier nicht eingegangen werden 335.

IV. Durchsetzung der Handlungspflichten durch die Kommunalaufsicht Die Umsetzung der aus § 1 IV BauGB resultierenden Handlungspflichten, also der Planänderungs- und Erstplanungspflicht, kann im Wege der Kommunalaufsicht den Materialien zum BauGB 1986 gehe hervor, dass der Gesetzgeber von einer Erstplanungspflicht ausging. 330 Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BauROG 1998 vom 04.12.1996-BundestagsDrucksache 13/6392-S.86. 331 Vgl. Battis-Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, 1 9 9 9 - 2 I V 7 , S.47; Goppel, BayVBl. 1998, 289 (290); Güttler/Rosenkranz, IzR 1998, 81 (86); Stich, BauR 1999,957 (963). 332 Goppel, BayVBl. 1998, 289 (290); a. A. Schroeder, UPR 2000, 52 (57). 333 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, D. V. 334 Dörr - Raumordnungs- und Landesplanungsrecht - in: Achterberg/Püttner - Besonderes Verwaltungsrecht Band 1,1990- Rn. 161; ein weiter reichendes Erstplanungsgebot gilt in RP: § 241LP1G RP; vgl. Grotefels in: H/G - Öffentliches Baurecht, 1995 - § 4, Rn. 19, m. w. N.; zur Rechtslage in NW: Battis - Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, 1999-2. IV. 7., S.48. 335 Vgl. Hoppe in: FS zum 70. Geburtstag von Ch. von Unruh, 1983 - 555 (572) m. w. N.; Spannowsky - Verwirklichung von Raumordnungsplänen durch vertragliche Vereinbarungen, 1999 - S. 55, schlägt zur Sicherung einer Erstplanungspflicht den Abschluss eines raumordnerischen Vertrages vor.

D. Anpassungspflicht gemäß § 1IV BauGB

253

336

durchgesetzt werden . Werden durch landesrechtliche Vorschriften in den Landesplanungsgesetzen besondere Zuständigkeiten der Landesplanungsbehörden zur Konkretisierung der gemeindlichen Handlungspflichten geschaffen, so obliegt der Kommunalaufsicht nach dem Grundsatz der Einheit der Kommunalaufsicht die Funktion einer Vollzugshilfe. Die Planungsbehörden sind demzufolge nur zur konkretisierenden und aktualisierenden Anordnung gemeindlicher Planungspflichten zuständig, nicht jedoch für deren Durchsetzung 337. Dem Prinzip der Einheit der Kommunalaufsicht folgt auch § 15 a LpIG BW. In Absatz 1 wird dem Verband der Region Stuttgart die Kompetenz dafür eingeräumt, die Träger der Bauleitplanung dazu zu verpflichten, die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Nach Absatz 2 verbleibt es jedoch in der Kompetenz der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde im Falle einer Weigerung der Träger der Bauleitplanung, die zur Durchsetzung des Planungsgebotes erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Eine Rechtsgrundlage für die Durchsetzung der gemeindlichen Handlungspflichten aus § 1 I V BauGB bieten in BW die §§ 118 ff. GemO BW 3 3 8 . Auch das OVG RP ging in seiner Entscheidung vom 20.01.1998 339 davon aus, dass eine Erstplanungspflicht im Wege der Kommunalaufsicht durchgesetzt werden kann. Allerdings räumte das Gericht ein, dass die Durchsetzung einer Erstplanungspflicht mit kommunalaufsichtlichen Mitteln einen extremen Sonderfall darstellt. In der Regel könne unterhalb der Schwelle einer kommunalaufsichtlichen Anordnung mit den Möglichkeiten der kommunalaufsichtlichen Beratung eine Lösung von Problemen gefunden werden.

V. Keine Geltung der Ziele im Rahmen des § 34 BauGB Die Ziele der Raumordnung können nach allgemeiner Auffassung 340 einer Genehmigung nach § 341 BauGB nicht entgegenstehen. Nach § 341 BauGB ist lediglich zu prüfen, ob sich ein Vorhaben in die nähere Umgebung einfügt. Bezüglich des § 341 336 Battis in: BKL-BauGB, 1999- § 1, Rn.43; Brohm-Öffentliches Baurecht, 1999- § 12, Rn. 8; Erbguth/Schoeneberg - Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 1992 - S. 235, Rn. 173; Finkelnburg/Ortloff - Öffentliches Baurecht Band I, 1998 - § 5, III. 2., S. 30; Gaentzsch, WiVerw 1985, 235 (246); Schiarmann, DVBl. 1980, 275 (278); WeidemannStaatsaufsicht, 1982-S. 103 ff. 337 Weidemann-Staatsaufsicht, 1982-S. 106 f. 338 Siehe 11. Kapitel, C.II.5.b. 339 OVG RP, v. 20.01.1998- 1 Β 10056/98-JURIS, S.9. 340 BVerwG U. v. 11.02.1993 - 4 C 15/92 - NVwZ 1994, 285 (286f.) = DÖV 1993, 914 = ZfBR 1993, 191 = DVBl. 1993, 659; so bereits OVG Nds., U. v. 16.06.1982 - 1 A 194/80-ZfBR 1983, 41 (43) = BRS 39, Nr. 58, 118 = BauR 1982, 557; VG München, U.v. 14.09.1978-M 82 VII 76 - zitiert nach Bröll/Hannig, BayVBl. 1979, 353 (358, Fn.45); Busse, BayVBl. 1998, 293 (300); Jahn, BayVBl. 1989, 294 (296); Runkel, ZfBR 1999, 3 (8); Schenke, UPR 1986, 281 (292); a.A.: Gräf/Henneke, ZfBR 1980, 218 (222); Grooterhorst, DÖV 1986,420 (421 f.); Reidt, LKV 1994, 93 (96); Schroeder, UPR 2000, 52 (57).

254

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

BauGB bildet nur die nähere Umgebung den maßgeblichen kleinräumlichen Bezugsrahmen, so dass die Zuordnung von Nutzungen in einem größeren städtebaulich-funktionalen Zusammenhang außer Betracht bleiben muss. Fernwirkungen im Sinne der Raumordnung sind in diesem Zusammenhang unbeachtlich, weil im Rahmen des § 34 BauGB nur Grundstückseigenschaften relevant sind, die in optisch wahrnehmbaren Gegebenheiten ihren Niederschlag gefunden haben341. Die Unanwendbarkeit der raumordnerischen Zielvorgaben ergibt sich nach dem BVerwG 342 auch aus dem Umkehrschluss der Regelung des § 35 III 2 und 3 BauGB. Hierin hat der Gesetzgeber explizit zum Ausdruck gebracht, dass die Ziele der Raumordnung bei der Beurteilung von Vorhaben im Außenbereich auch im Außenrechtsverhältnis verbindlich sind. Eine Erstreckung einer solchen Zielbindungswirkung auf den unbeplanten Innenbereich im Sinne des § 34 BauGB wurde gerade nicht normiert. Eine Β indungs Wirkung an die raumordnerischen Ziele folgt auch nicht aus § 1IV BauGB, weil § 34 BauGB keine Ersatzplanung, sondern vielmehr ein Planersatz darstellt. Die Anwendbarkeit der Ziele der Raumordnung scheitert bereits daran, dass diese regelmäßig viel zu unbestimmt sind, um bauliche Nutzungsbefugnisse im unbeplanten Innenbereich beschränken oder gar beseitigen zu können 343 .

VI. Das Zielabweichungsverfahren Um den Gemeinden bei ihrer Planung mehr Flexibilität zu ermöglichen, kann von der Einhaltung der Ziele im Zuge eines Zielabweichungsverfahrens gemäß § 11 Satz 1 ROG abgewichen werden, wenn die Abweichung unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist und die Grundzüge der Planung nicht berührt werden 344 . Nähere Bestimmungen über das Verfahren einer Abweichung von Zielen des Landesentwicklungsprogramms und der Regionalpläne sind in den Landesplanungsgesetzen (LplG) der Bundesländer beinhaltet. In BW wird dies in § 6 I V LplG für die im Landesentwicklungsplan etablierten Ziele und in § 10 III LplG für die Ziele der Regionalplanung geregelt. In RP gilt entsprechendes nach § 11 IV 3 und §13 V I 2 LplG 3 4 5 .

VII. Die Raumordnungspläne der Bundesländer Die Bundesländer werden gemäß § 6 ROG dazu ermächtigt eigene Raumordnungspläne zu erstellen, in denen die Ziele der Landesplanung gemäß § 8 I ROG in 341

Siehe 10. Kapitel, 1. Abschnitt, A.I. BVerwG U. v. 11.02.1993 - 4C 15/92 - NVwZ 1994,285 (287) = DÖV 1993,914 = ZfBR 1993, 191 = DVB1. 1993, 659. 343 BGH, U.v.30.06.1983-III ZR73/82-BauR 1984,49 (51). 344 Erbguth, RuR 1997, 270 (275); Erbguth/Wagner - Bauplanungsrecht, 1998 - S. 103, Rn. 195; Güttler/Krautzberger, BBauBl 1997,706 (708); Schräge-Zielabweichungsverfahren bei Raumordnungsplänen, Diss. 1998- 18 ff. m.w.N. 345 Zur Rechtslage in RP: Brückner- Großflächiger Einzelhandel, 1998 - S. 10 (15). 342

D. Anpassungspflicht gemäß § 1 IV BauGB

255

einem zusammenfassenden und übergeordneten Plan (Landesentwicklungsprogramm) darzustellen sind. § 9 11 ROG gibt vor, dass in den Ländern, deren Gebiet mehrere Zentrale Orte oberster Stufe umfasst, Regionalpläne aufzustellen sind 346 . Nach § 9 II ROG sind die Regionalpläne aus dem Landesentwicklungsprogramm zu entwickeln. In BW gibt es gemäß § 22 I und II LpIG BW 12 Regionalverbände als Träger der Regionalplanung, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts weitgehend verselbständigt sind 347 .

VIII. Das zentralörtliche Gliederungssystem Nachfolgend soll auf die zentralörtliche Gliederung, als dem bestimmenden Grundprinzip der Raumordnung, und auf die wesentlichen Fragestellungen in Bezug auf die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßeinrichtungen eingegangen werden. Schwerpunkt der Betrachtung ist das Landesplanungsrecht von Baden-Württemberg. 1. Gliederung nach der zentralörtlichen

Funktion

In den Landesgesetzen und dem untergesetzlichen Landesplanungsrecht der Bundesländer ist ein zentralörtliches Gliederungssystem etabliert, welches an § 2 II ROG angeknüpft. Nach dem zentralörtlichen Gliederungssystem werden die Gemeinden eines Bundeslandes in nicht-zentrale Orte und in zentrale Orte verschiedener Zentralitätsstufen untergliedert 348. Für BW gibt § 3 II Nr. 2 LpIG BW vor, dass im Landesentwicklungsplan Oberzentren, Mittelzentren und gemäß § 8 II Nr. 1 LpIG in den Regionalplänen Unterzentren und Kleinzentren auszuweisen sind 349 . Die Oberzentren sind in Teil 1 und die Mittelzentren in Teil 3 des Landesentwicklungsplans (LEP) BW 1983 aufgeführt 350. 346

Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999 - § 37, Rn. 1; Busse, BayVBl. 1998, 293 (295); Goppel, BayVBl. 1984,229 (231); Runkel, WiVerw 1997,267 (284); Schroeder, UPR 2000,52 (53). 347 Vgl. Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999 - § 37, Rn. 19; Dörr - Raumordnungs- und Landesplanungsrecht-in: Achterberg/Püttner- Besonderes Verwaltungsrecht Band 1, 1990Rn.96 und 126. 348 Battis, LKV 1999, 347 (348); Hoppe, DVBl. 1997, 234; Rutkowski - Einfluss der Regionalplanung auf die gemeindliche Bauleitplanung, Diss. 1974-S. 83; Stühler, VB1BW 1999,

206.

349 Dörr - Raumordnungs- und Landesplanungsrecht - in: Achterberg/Püttner - Besonderes Verwaltungsrecht Band 1, 1990-Rn. 128; entsprechendes gilt in RP gemäß § 10 12 Nr. 1 und gemäß §12 12 Nr. 2 LpIG RP. 350 Verordnung der Landesregierung zur Verbindlicherklärung des Landesentwicklungsplans vom 12.12.1983-GBl. vom 10.12.1984-S. 37 (41) (der Landesentwicklungsplan BW wird derzeit fortgeschrieben).

256

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vrschriften des BauGB

2. Funktionen des zentralörtlichen

Gliederungssystems

Das zentralörtliche Gliederungssystem stellt ein normatives Planungsmodell dar, dessen Hauptfunktion in der Sicherstellung einer gleichmäßigen Mindestbedienung (Versorgung) der Bevölkerung in allen Gebieten in einer zumutbaren Entfernung liegt 351 . Um eine Mindestausstattung der zentralen Orte gewährleisten zu können, weisen die Landesentwicklungspläne diesen einen Verflechtungsbereich zu, für den sie die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (zentralörtliche Einrichtungen) sicherstellen sollen 352 . Ein zentraler Ort nimmt nicht nur Versorgungsfunktionen für die eigenen Einwohner wahr, sondern auch für die der umliegenden Gemeinden im Einzugsbereich 353. Nach Ziffer 1.5.4 des LEP BW 1983 sollen die zentralen Orte so ausgestattet sein, dass sie den überörtlichen Bedarf ihres Verflechtungsbereiches decken und zugleich die Verflechtungsbereiche nachgeordneter zentraler Orte mit Leistungen versorgen können, die letztere nicht erbringen können354. Oberzentren sollen als Zentrale Orte mit in der Regel großstädtischer Prägung ein großes Gebiet von mehreren hunderttausend Einwohnern (Oberbereich) auch mit hochqualifizierten Leistungen versorgen können (Ziffer 1.5.41). Mittelzentren sollen so ausgestattet sein, dass sie auch den gehobenen und spezialisierten Bedarf des Mittelbereichs decken können (Ziffer 1.5.42). Unterzentren dienen der Deckung des qualifizierten, häufig wiederkehrenden überörtlichen Bedarfs eines Verflechtungsbereichs der Grundversorgung mit in der Regel mehr als 10.000 Einwohnern (Ziffer 1.5.43). Kleinzentren sollen so ausgestattet sein, dass sie den häufig wiederkehrenden überörtlichen Bedarf des Verflechtungsbereichs der Grundversorgung mit in der Regel 8.000 Einwohnern (mindestens 3.500 Einwohnern) decken können.

" ι OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 15.10.1993 - 1 M 14/93 η. v., S. 12; OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 29.06.1993 - 1 Κ 6/92 - LKV 1994,220 (223); Brohm-Öffentliches Baurecht, 1999-§37, Rn.9; Erbguth/Schoeneberg-Raumordnungs-und Landesplanungsrecht, 1992-S. 10, Rn. 13; Gräf/Henneke, ZfBR 1980,218 (219); Hoppe/Bunse, WiVerw 1984,151 (154); Hoppe in: Hoppe/Menke - Das Recht der Raumordnung und Landesplanung, 1986- § 6, Rn. 108; Jahn, BayVBl. 1989,294 (295); Mayer/Helbig, BayVBl. 1975,163 (165); kritisch: Klindt, IBR 1999, 84, bezeichnet das zentralörtliche Gliederungssystem als nicht mehr zeitgemäß. 352 Bay. VGH, U.v.23.05.1985-2N 83 A. 1490-BayVBl. 1986, 114 (115) = ZfBR 1985, 292 = BRS 44, Nr. 44, S. 104; Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999 - § 37, Rn. 9; Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 1 1 , Rn. 22.1 ; Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 68; Hoppe in: Hoppe/Menke - Das Recht der Raumordnung und Landesplanung, 1986- §6, Rn.91; Jahn, BayVBl. 1989, 294 (295). 353 OVG Sachsen-Anhalt, U, v. 29.06.1993 - 1 Κ 6/92 - LKV 1994, 220 (223); Erbguth/ Schoeneberg - Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 1992- S. 12, Rn. 15; Hoppe/Bunse, WiVerw 1984, 151; Jahn, BayVBl. 1989, 294 (295). 354 Verordnung der Landesregierung zur Verbindlicherklärung des Landesentwicklungsplans vom 12.12.1983-GBl. vom 10.12.1984-S.37 (40).

D. Anpassungspflicht gemäß § 1IV BauGB

3. Keine Verbotswirkung

des zentralörtlichen

257

Gliederungssystems

a) Beeinträchtigungsverbot Durch das zentralörtliche Gliederungssystem soll eine Mindestausstattung der zentralen Orte und damit deren Leistungsfähigkeit gesichert werden 355. Demzufolge dürfen Gemeinden niedrigerer Zentralität durch ihre Planung Gemeinden höherer Zentralität nicht in der Erfüllung ihrer landesplanerisch zugewiesenen Aufgaben beeinträchtigen 356. Aus diesem Beeinträchtigungsverbot ergibt sich in Bezug auf die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, dass Orte niedriger Zentralität durch die Schaffung der planungsrechtlichen Grundlagen für die Errichtung von Einzelhandelsgroßprojekten nicht die ausgeglichene Versorgung in Orten höherer Zentralität beeinträchtigen dürfen 357. Durch das Beeinträchtigungsverbot wird demzufolge die Planungshoheit und damit die Eigenentwicklung der Gemeinden inhaltlich beschränkt 358. b) Kongruenzgebot Aus der zentralörtlichen Gliederung ergibt sich jedoch nach ganz herrschender Meinung 359 kein Prinzip der Verbotswirkung, wonach es einer Gemeinde ohne zen355

OVG RP, Β. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (437) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); VGH BW, Β. v. 21.12.1976 - 3 S 415/76 - NJW 1977,1465 (1467) = BRS 30, Nr. 24, S. 55 = BauR 1977, 184; Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999 - § 16, Rn. 18; Erbguth/Schoeneberg - Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 1992 - S. 14, Rn. 16; Hoppe/Bunse, WiVerw 1984, 151 (157); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (341). 356 OVG RP, U. v. 19.10.1988 - 10 C 27/87 - NVwZ 1989, 983 (984); OVG RP, U. v. 01.03.1983 - 10 C 24/82 (Stadt Landau/Pfalz ./. Ortsgemeinde Bornheim) - BRS 40, Nr. 33, S. 80 (82) = BauR 1983,551; OVG Sachsen-Anhalt, U, v. 29.06.1993 - 1Κ 6/92 - LKV 1994,220 (223); VGHBW,B.v.21.12.1976-3S415/76-NJW 1977,1465 (1467) = BRS 30, Nr.24, S.55 = BauR 1977, 184; Bay. VGH, U.v. 15.04.1994-2N 93.3940-BayVBl. 1994, 495 (496) = GewArch 1995,434; Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - S. 459 (466); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (341). 357 Bay. VGH, U.v. 14.01.1991 - 2 B 89.785 - GewArch 1991, 314 (317); Erbguth/Schoeneberg - Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 1992-S. 13, Rn. 16; Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000, 376; Hoppe, DVBl. 2000, 293 (296); Schroeder, UPR 2000, 52 (58), spricht von einem „Vereitelungsverbot"; Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2 0 0 0 - § 11 BauNVO, Rn. 67. 358 OVG RP, U. v. 19.10.1988 - 10 C 27/87 - NVwZ 1989,983 (984); Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999-§16, Rn.18. 359 OVG Thür., B. v. 23.04.1997 - 1 EO 241/97 - LKV 1997, 372 = DÖV 1997, 791 = ThürVBl. 1997, 279; Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999- § 12, Rn. 15, § 16, Rn. 18; Brohm, DÖV 1989,429 (440); Erbguth/Schoeneberg - Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 1992- S. 14, Rn. 16; Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 73; Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000, 376; Hoppe, DVBl. 2000, 293 (295); Hoppe, NWVB1. 1998, 461 (467); Hoppe/Bunse, WiVerw 1984, 151 (155); Jahn, BayVBl. 1989, 294 (296); 17 Kopf

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

tralörtliche Funktion versagt ist, in ihrem Gemeindegebiet ein Einzelhandelsgroßprojekt anzusiedeln. Gleiches gilt, wenn ein Einzelhandelsgroßprojekt in einem zentralen Ort angesiedelt werden soll, dessen Einzugsbereich aber über den Verflechtungsbereich des Ansiedlungsstandortes wesentlich hinausgeht. Die zentralörtliche Gliederung setzt demzufolge keine starren „Obergrenzen", wonach der Einzugsbereich einer zentralen Einrichtung mit dem Verflechtungsbereich des jeweiligen Zentralen Ortes kongruent sein muss360. Durch landesplanerische Funktionszuweisungen sollen nicht die bereits vorhandenen oder noch zu erwartenden Einzelhandelsbetriebe, sondern die Versorgung der Bevölkerung geschützt werden 361 .

IX. Konkretisierung der zentralörtlichen Gliederung durch Plansätze Die Landesentwicklungsprogramme der meisten Bundesländer beinhalten eine Zuordnung bestimmter raumbedeutsamer Aufgaben zu Orten bestimmter Zentralitätsstufe. Besonders eingehende Regelungen beinhalten die Landesentwicklungsprogramme zur Zuordnung von Einzelhandelsgroßprojekten 362. Zur Auslegung der raumordnerischen Plansätze haben die meisten Bundesländer Einzelhandelserlasse 363 statuiert, die wichtige Richtlinien für die Anwendungspraxis beinhalten364. Die Einzelhandelserlasse entfalten jedoch für die Gemeinden grundsätzlich keine Bindungswirkung, da sich diese auf ihre in Art. 28 II 1 GG verankerte Planungshoheit stützen können 365 .

Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988 - S. 88; Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - S . 459 (467); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (341); a. Α.: Bönker, BauR 1999, 328 (332) zur Rechtslage in NW; Gräf/Henneke, ZfBR 1980, 218 (219); Leder - Rechtsfragen bei der Ansiedlung von Einkaufszentren, 1987 - S. 74; Spannowsky - Gutachten für das Land Niedersachsen zur Zulässigkeit des FOC Soltau-Fallingbostel vom31.08.1999-S.24. 360 VGH BW, Β. v. 21.12.1976 - 3 S 415/76 - NJW 1977, 1465 (1467) = BRS 30, Nr. 24, S. 55 = BauR 1977, 184. 361 Vgl. Erbguth/Schoeneberg - Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 1992-S. 15, Rn. 16; Kleine/Offermanns, RuR 2000, 35 (44). 362 OVG Sachsen, U. v. 26.05.1993 - 1 S 68/93 - LKV 1994, 116 (117); OVG Sachsen, B.v. 26.08.1992-1S 150/92-LKV 1993,97 (99); Jahn, BayVBl. 1989,294 (296), zur Rechtslage in Bayern. 363 BW: Gemeinsame VerwaltungsVorschrift des Innenministeriums und des Wirtschaftsministeriums zu Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen Handelsbetrieben vom 15.01.1988-GAB1. 1988,167; der Einzelhandelserlass BW wird derzeit überarbeitet: vgl. Hinweise des Wirtschaftsministeriums zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten (Az.: 6-2500.4/7), Stand Juli 2000; RP: Verwaltungsvorschrift der Staatskanzlei sowie des Finanz- und Wirtschaftsministeriums RP zur „Errichtung und Erweiterung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben" vom 9. Juli 1996 - StK 3-4019830-236-530/96 - MB1. S.367. 364 Jahn, BayVBl. 1989, 294. 365 A.A. Bönker, BauR 1999, 328 (332).

D. Anpassungspflicht gemäß § 1IV BauGB

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X. Die Zulässigkeit von FOC nach dem Landesplanungsrecht in BW Nachfolgend soll auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten und insbesondere von FOC nach dem Landesplanungsrecht in BW eingegangen werden. 1. Anwendbarkeit der landesplanerischen Festsetzungen auf FOC Die Raumordnungspläne und -programme der Länder beinhalten - so weit ersichtlich - keine spezifischen Ziele und Grundsätze bezüglich FOC, so dass die raumordnerischen Ziele und Grundsätze anzuwenden sind, die auch für herkömmliche Einzelhandelsgroßprojekte gelten366. Dies ergibt sich auch aus Ziffer 2.4 des Einzelhandelserlasses RP 367 , wonach neuere Entwicklungen im Einzelhandelsbereich wie ζ. B. Factory Outlet Center (Fabrikverkauf unabgängig vom Produktionsstandort) entsprechend wie großflächige Einzelhandelsbetriebe zu prüfen sind. In BW kommt hierbei dem Plansatz 2.2.3.4 des LEP 1983 B W 3 6 8 als Konkretisierung des zentralörtlichen Gliederungssystems besondere Bedeutung zu. Der Plansatz bestimmt für die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten folgendes: „Großflächige Einzelhandelsbetriebe für Endverbraucher und sonstige großflächige Handelsbetriebe für Endverbraucher sollen nur an solchen Standorten ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden, wo sie sich nach Größe und Einzugsbereich in das zentralörtliche Versorgungssystem einfügen; sie dürfen weder durch ihre Lage oder Größe noch durch ihre Folgewirkungen das städtebauliche Gefüge, die Funktionsfähigkeit des zentralörtlichen Versorgungskerns oder die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im Einzugsgebiet beeinträchtigen." 2. Zielqualität des Plansatzes 2.2.3.4 des LEP BW 1983 Der Plansatz 2.2.3.4 des LEP BW 1983 kann nur dann eine ΒindungsWirkung im Sinne des § 1IV BauGB entfalten, wenn dieser als Ziel im Sinne des § 3 Nr. 2 ROG zu qualifizieren wäre. Der Plansatz 2.2.3.4 des LEP BW 1983 enthält hinsichtlich 366 Gabor - FOC, 2000 in: Studium & Praxis online www.geogr.uni-jena.de - Ziffer 2.2; Hoppe, DVBl. 2000, 293 (294); Jahn, GewArch 1997,456 (458 und 459). 367 Verwaltungsvorschrift der Staatskanzlei sowie des Finanz- und Wirtschaftsministeriums RP zur „Errichtung und Erweiterung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben" vom 9. Juli 1996-StK 3-4019830-236-530/96-MBl. S.367 (368). 368 Verordnung der Landesregierung zur Verbindlicherklärung (vgl. § 6 LpIG BW) des Landesentwicklungsplans vom 12.12.1983 - G B l . vom 10.12.1984 - S. 37 (49), vgl. Stühler, VB1BW 1999, 206; vgl. zur Festsetzung im Landesplanungsrecht RP: LEP III 1995 RP vom 13. Juni 1995 - GVBl. RP Nr. 15 vom 04.08.1995 - S. 225 (255) Ziffer 3.4.1.3.

1*

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

des 1. Teilsatzes eine Konkretisierung des Kongruenzgebotes369 im Sinne der zentralörtlichen Gliederung und hinsichtlich des 2. Teilsatzes eine Konkretisierung des Beeinträchtigungs Verbotes. a) Konkretisierung des Kongruenzgebotes Würde dem 1. Teilsatz des Plansatzes 2.2.3.4 des LEP BW 1983 eine Zielqualität zukommen, so ergäbe sich für die Gemeinden gemäß § 1IV BauGB eine Bindungswirkung, wonach der Einzugsbereich von Einzelhandelsgroßprojekten nicht wesentlich über den Verflechtungsbereich der Ansiedlungsgemeinde hinausgehen darf. aa) Zielqualität von Sollbestimmungen Da der 1. Teilsatz des Plansatzes 2.2.3.4 des LEP BW 1983 eine Sollbestimmung zum Gegenstand hat, ist zunächst zu hinterfragen, ob solche Bestimmungen grundsätzlich den Anforderung an die Ausgestaltung von Zielen der Raumordnung gerecht werden. Ein Teil der Rechtsprechung370 und Literatur 371 vertritt die Auffassung, dass auch Sollbestimmungen ein bindendes Zieles der Raumordnung darstellen können. Das OVG NW begründet in seiner Entscheidung vom 11.01.1999312 seine Tendenz dazu, eine S oll-Vorschrift als ein bindendes Ziel zu qualifizieren, damit, dass nach 369 Die Konkretisierung des Kongruenzgebotes wird in RP als Konzentrationsgebot bezeichnet: LEP III 1995 RP vom 13. Juni 1995 - GVB1. RP Nr. 15 vom 04.08.1995-S. 225 (255) Ziffer 3.4.1.3. 370 OVG Nds., U. v. 16.06.1982 - 1 A 194/80 - ZfBR 1983, 41 = BRS 39, Nr. 58, S. 118 = BauR 1982, 557; OVG Sachsen, U. v. 26.05.1993 - 1 S 68/93 - LKV 1994,116 (117), das Gericht bezieht sich hierbei ausdrücklich auf 2.2.1 der diesbezüglichen VwV vom 08.01.1992-ABl. Nr. 3, S.92; ebenso: OVG Sachsen-Anhalt, U.v.28.07.1994-1Κ 7/93-n. v., S. 9 der Entscheidung bezüglich der inhaltsgleichen Bestimmung des Landesentwicklungsprogramms für Sachsen-Anhalt (Art. II des Vorschaltgesetzes zur Raumordnung und Landesentwicklung vom 02.06.1992 - GVB1. LSA 1992, 390); Bay. VGH, U.v. 14.01.1991 - 2 Β 89.785 - GewArch 1991, 314 (317); VG Ansbach, U. v. 02.11.1983 - Nr. AN 9 Κ 83 A.Ol 14 - BayVBl. 1984, 602 (603). 371 Bönker, BauR 1999,328 (332); Bönker-Rechtsgutachten: FOC, 1997-S. 34, bezüglich §24 III LEPRO NW; Goppel, BayVBl. 1998, 289 (291); Runkel, ZfBR 1999, 3 (7, Fn.40); Runkel, UPR 1998,241 (246); Schmitz- Das FOC vor den Toren der Stadt, Thesenpapier zum Vortrag auf der wissenschaftlichen Fachtagung am 20./21.03.2000 an der Uni Kaiserslautern = Krämer/Hofmeister - Bericht zur Fachtagung - ZfBR 2000,355 (356); Stühler, VB1BW 1999, 206; unklar: Rutkowski - Einfluss der Regionalplanung auf die gemeindliche Bauleitplanung, Diss. 1974-S. 59. 372 OVG NW, U.v. 11.01.1999 - 7 A 2377/96 - BauR 2000, 62 (70); OVG NW, U. v.22.06.1998-7a D108/96-BauR 1998,1198 (1202) = NVwZ 1999,79 = NJ 1999,47, in dieser Entscheidung hat das Gericht die Zielqualität ohne nähere Begründung apodiktisch festgestellt; andeutungsweise bereits in: OVG NW, B. v. 09.02.1988 - 11 Β 2505/87 - NVwZ-RR 1988, 11 (12) = DÖV 1988, 843 = NWVB1. 1988,235.

D. Anpassungspflicht gemäß § 1IV BauGB

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373

der Rechtsprechung des BVerwG eine Zielvorgabe als tendenziell auf weitere Konkretisierung angelegte Rahmenbedingung auf der nachgeordneten Planungsstufe der Bauleitplanung noch einer Verfeinerung und Ausdifferenzierung zugänglich ist. Goppel verweist darauf, dass im öffentlichen Recht eine „Soll"-Vorschrift als „Muss"-Vorschrift zu lesen und danach eine Abweichung lediglich in atypischen Einzelfällen zulässig sei, die vom Normgeber nicht vorhergesehen werden konnten 374 . Dieser Auffassung könne auch nicht entgegengehalten werden, dass das ROG für eine Abweichung von einem Ziel das Zielabweichungsverfahren vorsieht und daher ein Plansatz, der der zuständigen Behörde einen Ermessensspielraum einräumt, nicht als Ziel qualifiziert werden könne 375 . Die Frage, in welcher Art und Weise die Stringenz eines Zieles eingeschränkt werden kann, sei nicht rechtlicher sondern rechtspolitischer Natur. Auch der Entwurf eines neuen Einzelhandelserlasses B W 3 7 6 geht offenbar von einer Bindungswirkung der Sollbestimmung des Plansatzes 2.2.3.4 LEP BW 1983 aus. In Ziffer 3.2.1.2 des Einzelhandelserlasses heißt es, dass für die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten ausnahmsweise auch Standorte in Kleinzentren und Gemeinden ohne zentralörtliche Funktion in Betracht kommen, wenn dies nach den raumstrukturellen Gegebenheiten zur Sicherung der Grundversorgung, insbesondere mit Lebensmitteln, begründet ist oder diese im Verdichtungsraum liegen und mit Siedlungsbereichen benachbarter Ober- Mittel- und Unterzentren zusammengewachsen sind. Von einer Verletzung des Kongruenzgebotes ist nach Ziffer 3.2.1.4 auszugehen, wenn mehr als 30% des Umsatzes aus Räumen außerhalb des Verflechtungsbereiches erzielt werden soll. Die zuvor dargestellte Auffassung ist mit der wohl überwiegenden Meinung in der Literatur 377 abzulehnen. Sollbestimmungen können grundsätzlich nicht als bindende Ziele der Raumordnung, sondern lediglich als Abwägungsdirektiven qualifiziert werden. 373

BVerwG, B.v.20.08.1992-4 NB20/91 - N V w Z 1993, 167 (168). Goppel, BayVBl. 1998, 289 (292); so bereits: Jahn, BayVBl. 1989,294 (296); VG Ansbach, U.v.02.11.1983-Nr. AN9 K83 A.Ol 14-BayVBl. 1984, 602 (603). 375 Davon geht auch der Einzelhandelserlass des Landes Sachsen - VwV (Großflächige Einzelhandelseinrichtungen) vom 03.12. 1996-ABl. 1997, S.9 aus. Nach Ziffer 3.2.1 werden solche Bestimmungen als „Soll-Ziele" bezeichnet, die eine zwingend verbindliche Planaussage darstellen, aber selbst ein sogenanntes „Rasterermessen" vorgeben, nach dem in atypischen Fällen ohne Zielabweichungsverfahren von dieser Planaussage abgewichen werden darf; kritisch gegenüber solchen „Soll-Zielen": Hoppe, DVBl. 2001, 81 (83). 376 Hinweise des Wirtschaftsministeriums zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten (Az.: 6-2500.4/7), Stand Juli 2000- S. 11. 377 Hoppe, DVBl. 2001, 81 (88 f.); Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000, 376; Hoppe, DVBl. 1999, 1457(1460); Hoppe, NWVB1. 1998, 461; Jahn, BayVBl. 1989, 294 (296); Klindt, IBR 1999, 84; Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (342, Fn.54); Schroeder, UPR 2000, 52 (54); Spoerr in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-343 (351). 374

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

Die Annahme einer Bindungswirkung von Sollbestimmungen widerspricht der Wertung des Gesetzgebers. Dieser hatte bei der Formulierung der Legaldefinition des Ziels der Raumordnung gemäß § 3 Nr. 2 ROG die Grundsatzentscheidung des BVerwG vom 20.08.1992 378 vor Augen 379 . Das Gericht betont in seiner Entscheidung, dass landesplanerische Ziele nicht mit städtebaulichen Zielen auf eine Stufe gestellt werden können, die ihren Niederschlag in den Optimierungsgeboten des § 1 V 1, 3 BauGB gefunden haben, wonach u. a. mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden „soll" 3 8 0 . Nach dem BVerwG kommt nur solchen Plansätzen Bindungswirkung zu, aus deren Formulierung klar hervorgeht, dass es sich um eine gesetzliche Anpassungspflicht begründende Handlungsanweisung mit Letztentscheidungscharakter und nicht um eine bloße Anregung oder eine Abwägungsdirektive handelt, die einer weiteren abwägenden Konkretisierung und Ausformung durch die untere Planungsebene zugänglich ist 381 . Nach Hoppe nimmt eine Soll-Formulierung der landesplanerischen Festlegung den Charakter einer - der gemeindlichen Abwägung vorgelagerten - strikt bindenden, abschließend abgewogenen, konfliktbereinigten landesplanerischen Letztentscheidung und verlagert die Entscheidung unter dem Aspekt der Optimierung in die gemeindliche Abwägung 382 . Der Einwand des OVG NW 3 8 3 , die Zulässigkeit der Konkretisierung lasse darauf schließen, dass auch Soll-Vorschriften die Bindungswirkung eines Zieles nach sich ziehen können, greift zu kurz. Sollbestimmungen eröffnen nicht nur einen Konkretisierungsspielraum, der eine Verfeinerung und Ausdifferenzierung der landesplanerischen Vorgabe ermöglicht, sondern ermächtigen vielmehr zu einer Abwägung 384 . Die Bestimmbarkeit einer landesplanerischen Festsetzung, mit der ein Kongruenzgebot mit Bindungswirkung erreicht werden soll, ergibt sich auch nicht aus dem zentralörtlichen Gliederungssystem. Aus diesem kann kein normatives Finalprogramm abgeleitet werden, welches sich durch ergänzende landesplanerische Bestimmungen zu einem bindenden raumordnerischen Ziel verdichten lässt 385 . 378

BVerwG, B.v.20.08.1992-4 NB20/91 - NVwZ 1993, 167. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BauROG 1998 vom 04.12.1996-BundestagsDrucksache 13/6392 - S. 81. 380 BVerwG, B.v.20.08.1992-4 NB20/91 - N V w Z 1993,167; Goppel, BayVBl. 1998,289 (292), bezeichnet diese Ausführungen zu unrecht als missverständlich. 381 BVerwG, B.v.20.08.1992-4 NB20/91 - NVwZ 1993,167 (169). 382 Hoppe, NWVB1. 1998, 461 (465). 383 OVG NW, U. v. 11.01.1999 - 7 A 2377/96 - BauR 2000, 62 (70). 384 Hoppe, DVBl. 1999, 1457(1460); Hoppe, NWVB1. 1998,461 (464). 385 So aber Spannowsky - Gutachten für das Land Niedersachsen zur Zulässigkeit des FOC Soltau-Fallingbostel vom 31.08.1999 - S. 24 zum Plansatz C 1.6 04 des Landes-Raumordnungsprogramms Niedersachsen Teil II; Spannowsky geht davon aus, dass der genannte Plansatz alleine zu unbestimmt ist (S. 13), sich jedoch in Verbindung mit dem zentralörtlichen Gliederungssystem, das er als normatives Finalprogramm (S.22) bezeichnet, ein bindendes Kongruenzgebot ergibt. Diese Auffassung wurde von Hoppe, DVBl. 2000,293 (298 f.) zu Recht als zirkelschlüssig abgelehnt, weil das zentralörtliche Gliederungssystem ein solches normatives 379

D. Anpassungspflicht gemäß § 1IV BauGB

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bb) Zwischenergebnis Der 1. Teilsatz des Plansatzes 2.2.3.4 des LEP BW 1983 gibt keine verbindliche Handlungsanweisung vor, so dass sich daraus der für ein Ziel erforderliche unbedingte Geltungs- und Bindungsanspruch nicht ableiten lässt. Die Bestimmung ist deshalb nicht als Ziel, sondern als Abwägungsdirektive zu qualifizieren 386. b) Konkretisierung des Beeinträchtigungsverbotes Aus der Formulierung des 2. Teilsatzes „dürfen... weder... noch... beeinträchtigen" ergibt sich im Gegensatz zur Soll-Formulierung des 1. Teilsatzes eine verbindliche Handlungsanweisung, weil hiermit keine Abwägungsspielräume eröffnet werden 387. aa) Beachtung des Bestimmtheitsgrundsatzes Es stellt sich nun die Frage, ob der 2. Teilsatz des Plansatzes 2.2.3.4. LEP BW 1983 dem Bestimmtheitsgrundsatz - wie von § 3 Nr. 2 ROG gefordert - gerecht wird, weil er mit den Folgewirkungen auf die Funktionsfähigkeit des zentralörtlichen Versorgungskerns sowie auf die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im Einzugsgebiet auf Kriterien abstellt, die dem zentralörtlichen Gliederungssystem immanent sind. Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Beeinträchtigung ergeben sich demzufolge nicht unmittelbar aus dem Plansatz selbst. Zudem bleibt offen, ab welcher Intensität der Folgewirkungen eine Beeinträchtigung anzunehmen ist. Raumordnungspläne geben in der Regel zwar lediglich einen Rahmen für die gemeindliche Planung vor, daraus ergibt sich jedoch nicht, dass das Erfordernis der rechtstaatlichen Bestimmtheit nicht bzw. nicht in vollem Maße zum Tragen kommt 388 . Durch die Ziele der Raumordnung wird die Planungshoheit der Gemeinden eingeschränkt, so dass diese dem verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheitsgrundsatz gerecht werden müssen. Den Zielen der Raumordnung muss demFinalprogramm gerade nicht enthält und daher auch keiner derartigen Verdichtung zugänglich ist; Hoppe, DVB1. 1999, 1457(1462, Fn.22); so auch: Spoerr in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - 343 (347, Fn. 32); OVG Nds., U. v. 30.03.2000 - 1 Κ 2491/98 - S. 22f. des Amtlichen Umdrucks, zitiert nach Hoppe, DVB1. 2001, 81 (85). 386 Α. A. wohl: Stühler, VB1BW 1999,206 zu Ziffer 2.2.3.4 des LEP BW 1983 mit Verweis auf Ziffer 2. c. aa des Einzelhandelserlasses BW - Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums und des Wirtschaftsministeriums zu Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen Handelsbetrieben vom 15.01.1988-GABI. 1988, 167 (169). 387 Vgl. Erbguth, NVwZ 2000, 969 (972) zu einer ähnlich formulierten landesplanerischen Festsetzung. 388 Erbguth, NVwZ 2000, 969 (973); Erbguth/Wagner - Bauplanungsrecht, 1998-S. 101, Rn. 188; Erbguth, RuR 1997,270 (273); Hoppe/Scheipers in: FS für Stern zum 65. Geburtstag, 1997-1117 (1121); Kilian/Müllers, VerwArch 1998, 25 (57); Spoerr in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - S. 343 (348).

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

nach ein sachlich und räumlich hinreichend konkreter Aussagegehalt zu entnehmen sein, wobei zur Bestimmung des Aussagegehalts die allgemeinen Auslegungsregeln angewendet werden können 389 . bb) Die Auffassung von Moench!Sandner Nach Moench!Sandner wird ein Plansatz, der auf ausfüllungsbedürftige Voraussetzungen wie der Aufrechterhaltung der zentralörtlichen Funktionsfähigkeit und/ oder der wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung abstellt, dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht gerecht, weil die Frage, ab welchem Grad des Kaufkraftabzuges eine Beeinträchtigung gegeben ist, ohne Rückgriff auf außerhalb des jeweiligen Raumordnungsplanes formulierte Maßstäbe und ohne Abwägung der betroffenen Belange nicht beantwortet werden kann 390 . Nach Moench!Sandner können solche Plansätze auch wenn diese als Ziele bezeichnet sind, lediglich als Grundsätze in der Abwägung Berücksichtigung finden 391. cc) Die Auffassung von Erbguth Demgegenüber kann nach Erbguth einer landesplanerischen Festsetzung, die das Beeinträchtigungsverbot konkretisiert und dabei auf die Zentrenverträglichkeit abstellt, durchaus die Β indungs Wirkung eines Ziels der Raumordnung beigemessen werden 392. Zudem stünden Konkretisierungsbedürfnisse der Bestimmtheit ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass die Feststellung der Zentrenverträglichkeit einen Erhebungsbedarf nicht unbeträchtlichen Ausmaßes nach sich zieht 393 . Nach Erbguth können zur Bestimmung von Schwellen- und Grenzwerten auch Erfahrungswerte herangezogen werden, die außerhalb der Raumordnungspläne fixiert sind 394 . Zudem sei eine konkretere landesplanerische Ausweisung nicht mög389

Vgl. VGH BW, U. v. 18.05.1999 - 10 S 1443/97 - ZfBR 2000, 63 (64) = UPR 2000, 79; Hoppe, DVB1. 1999, 1457(1458); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (342); Schroeder, UPR 2000, 52 (53); einschränkend: Spoerr in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - S. 343 (350), bei Raumordnungszielen gelte das Gebot zurückhaltender Normauslegung. 390 Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (342); so wohl auch: Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999,119 (124), der betont, dass ausgeglichene Versorgungsstrukturen in allen Orten verschiedener Zentralität nur im Rahmen einer Abwägung sichergestellt werden können, in der die Vor- und Nachteile der Auswirkungen des Vorhabens in eine zentralörtliche Gesamtbilanz eingestellt werden. 391 Vgl. zu diesem Umschlag von fehlerhaften Zielen in Grundsätze der Raumordnung: Hoppe, DVB1. 2001, 81 (87 f.) m. w.N. 392 Erbguth, NVwZ 2000, 969 (973). 393 Erbguth, NVwZ 2000, 969 (977). 394 Erbguth, NVwZ 2000,969 (974), spricht von verdichteten Erfahrungen in den einzelnen Bundesländern (Bayern) und meint damit offenbar die „Handlungsanleitung für die künftige landesplanerische Überprüfung von Einzelhandelsgroßprojekten" des Bay. Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen vom 26.10.1995 (Az.: 5635-4/42-51605, Nr.4.2.3),

D. Anpassungspflicht gemäß § 1IV BauGB

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lieh, weil damit den einzelfallabhängigen Imponderabilien nicht Rechnung getragen werden könnte und die Ausnahmefähigkeit des Kongruenzgebotes in Frage gestellt würde 395 . dd) Stellungnahme: Bindungswirkung

des Beeinträchtigungsverbotes

Der Auffassung von Erbguth ist zuzustimmen, weil der Aussagegehalt einer derartigen Festsetzung mittels der allgemeinen Auslegungsgrundsätze bestimmt werden kann. Unter dem Begriff der Zentrenverträglichkeit, der der Betrachtung von Erbguth zugrunde lag, können auch die im Plansatz 2.2.3.4 LEP BW 1983 genannten Folgewirkungen auf die Funktionsfähigkeit des zentralörtlichen Versorgungskerns 396 sowie auf die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung zusammengefasst werden. Eine Auslegungshilfe ab welcher Auswirkungsintensität von einer Beeinträchtigung auszugehen ist, wird in Zukunft Ziffer 3.2.2.3 des in Aufstellung befindlichen Einzelhandelserlasses B W 3 9 7 geben. Danach sind die Funktionsfähigkeit des zentralörtlichen Versorgungskerns (Stadt- und Ortskern) und die verbrauchernahe Versorgung im Einzugsbereich in der Regel beeinträchtigt, wenn dort aufgrund des Vorhabens und des zu erwartenden Kaufkraftabflusses Geschäftsaufgaben drohen. Anhaltswert für eine derartige Annahme ist ein Umsatzverlust bei innenstadtrelevanten Waren von ca. 10% und bei nicht innenstadtrelevanten Waren von ca. 20 %. Ähnliche Obergrenzen der Kaufkraftabschöpfung wie der Einzelhandelserlass BW gibt die „Handlungsanleitung für die künftige landesplanerische Überprüfung von Einzelhandelsgroßprojekten" des Bay. Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen vor. 398 Der Bay. VGH hat es in seiner Entscheidung vom 07.06.2000 399 als zulässig angesehen, die in der zuvor genannten Richtlinie festgelegten Erfahrungswerte der Prüfung der Frage, ob ein Vorhaben eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit zentraler Orte sowie der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung erwarten lässt, wonach ein Kaufkraftabfluss von 15 % bis 25 % im Non-Food Bereich relevant ist - zitiert nach Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (345, Fn.80). 395 Erbguth, NVwZ 2000, 969 (974). 396 So auch zu einer ähnlichen Zielbestimmung in Bayern: Bay. VGH, U. v. 15.04.1994 - 2Ν 93.3940 - BayVBl. 1994,495 (496) = GewArch 1995,434; Bay. VGH, U. v. 23.05.1985 - 2 Ν 83 Α. 1490-BayVBl. 1986, 114 (115) = ZfBR 1985, 292 = BRS 44, Nr.44, S. 104. 397 Hinweise des Wirtschaftsministeriums zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten (Az.: 6-2500.4/7), Stand Juli 2000- S. 12. 398 Richtlinie vom 25.10.1995 (Az.: 5635-4/42-51605, Nr. 4.2.3), wonach ein Kaufkraftabfluss von 15% bis 25% im Non-Food Bereich relevant ist-zitiert nach Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (345, Fn.80). 399 Bay. VGH, U.v. 07.06.2000- 26 Ν 99.2961/26 Ν 99.3207 und 26 Ν 99.3265 - NVwZ-RR 2001, 88 = JURIS; a.A. wohl Hoppe, DVBl. 2001, 81 (88, Fn.53).

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

zugrunde zu legen. Das Gericht bezeichnete diese Erfahrungswerte als sachgerechte Orientierungswerte. Der zukünftige Einzelhandelserlass BW kann allerdings nur als eine Auslegungshilfe angesehen werden. Aufgrund der „Zirka-Angabe" muss eine Beeinträchtigung nicht zwingend bei einem über 10% liegenden Umsatzverlust bezogen auf innenstadtrelevante Waren angenommen werden. Hierbei können vielmehr die von Erbguth angesprochenen einzelfallabhängigen Imponderabilien berücksichtigt werden, so dass bei Einzelhandelsgroßprojekten, die keine Lebens- und Genussmittel anbieten, der Umsatzverlust bei weit über 10% liegen kann 400 . Die Bindungswirkung des Beeinträchtigungsverbots führt auch nicht zu unkontrollierbaren Einwirkungsmöglichkeiten auf die kommunale Planungshoheit, wie dies in der Literatur 401 im Hinblick auf die Frage der Zielqualität einer landesplanerischen Konkretisierung des Kongruenzgebotes402 befürchtet wird. Die Planungshoheit der Gemeinden wird durch ein Beeinträchtigungsverbot mit Bindungswirkung nach der hier vertretenen Auffassung nicht stärker eingeschränkt als durch das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 II BauGB 403 . ee) Zwischenergebnis Der 2. Teilsatz des Plansatzes 2.2.3.4 des LEP BW 1983 ist als Ziel der Raumordnung zu qualifizieren, so dass dem Beeinträchtigungsverbot eine Bindungswirkung zukommt. c) Exkurs: Das Integrationsgebot Das Landesplanungsrecht BW beinhaltet im Gegensatz zu den meisten anderen Raumordnungsplänen der Länder keine Festsetzung, wonach Einzelhandelsgroßprojekte vorrangig an Standorten angesiedelt werden sollen, die räumlich und funktional Siedlungsschwerpunkten zugeordnet sind. Mit einer solchen Bestimmung, die allgemein als Integrationsgebot 404 bezeichnet wird, soll der Innenentwicklung Vorrang eingeräumt werden. In Ziffer 3.4.1.3. des LEP III 1995 des Landes Rhein400 Vorzugswürdig wäre deshalb auch eine Festlegung wie in der „Handlungsanleitung für die künftige landesplanerische Überprüfung von Einzelhandelsgroßprojekten" - Schreiben des Bay. Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen an die Höheren Landesplanungsbehörden vom 26.10.1995 (Az.: 5635-4/42-51605, Nr. 4.2.3) - zitiert nach Moench/ Sandner, NVwZ 1999, 337 (345, Fn. 80), nach der im Non-Food Bereich Werte von 15 % bis 25 % als relevant bezeichnet werden. 401 Vgl. Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000, 376 (378); Hoppe, NWVB1. 1998, 461 (462). 402 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, D.XI.3. 403 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C.III.7.e. 404 Nach Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (124) kann dem Integrationsgebot grundsätzlich nur die Funktion einer Abwägungsdirektive zukommen; diese Frage soll hier nicht vertieft werden.

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land-Pfalz 405 wird zum „städtebaulichen Integrationsgebot" als spezielle Ausprägung folgendes ausgeführt: Großflächige Einzelhandelsbetriebe sind in der Regel in engem räumlichen und funktionalen Zusammenhang (städtebauliches Integrations gebot) mit den zentralen Einkaufsbereichen der Standortgemeinde zu errichten.

Das städtebauliche Integrationsgebot des LEP III RP ist jedoch nicht als Ziel, sondern als Grundsatz der Raumordnung zu qualifizieren 406. 3. Zusammenfassung Da FOC als Einzelhandelsgroßprojekte zu qualifizieren sind, müssen diese nicht nur dem zentralörtlichen Gliederungssystem, sondern auch dessen Konkretisierung in Plansatz 2.2.3.4 des LEP BW 1983 gerecht werden. Da FOC einen großen Einzugsbereich und demzufolge eine hohe Streuwirkung 407 aufweisen und diese daher nicht von der Kaufkraft der Ansiedlungsgemeinde und der Nachbargemeinden in deren Verflechtungsbereich „leben" müssen, ist davon auszugehen, dass bei einer Ansiedlung in Klein-, Unter- und Mittelzentren in der Regel mehr als 30% des Umsatzes aus Räumen außerhalb des Verflechtungsbereiches der Ansiedlungsgemeinde erzielt werden 408 und damit eine Verletzung des Kongruenzgebotes anzunehmen ist 409 . Da das Kongruenzgebot kein Ziel der Raumordnung ist, muss die planende Gemeinde das Kongruenzgebot als Grundsatz im Rahmen ihrer planerischen Abwägung berücksichtigen, sie kann sich darüber aber hinwegsetzen. Eine Anpassungspflicht besteht hingegen bezüglich des Beeinträchtigungsverbotes. Um die Bestimmungen des Beeinträchtigungsverbotes einhalten zu können, muss die planende Gemeinde zunächst die Folgewirkungen auf die Funktionsfähigkeit des zentralörtlichen Versorgungskerns sowie auf die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im Einzugsgebiet, mit anderen Worten den Kaufkraftabfluss, ermitteln. Diesbezüglich sind die FOC-typischen Besonderheiten wie die bereits angesprochene hohe Streu Wirkung zu berücksichtigen. Legt man die tatsächlichen Gegebenheiten und die Feststellungen zu den Auswirkungen von FOC in den hierzu ergangenen Entscheidungen410 zugrunde - auch 405

Vom 13. Juni 1995-GVBl. RP Nr. 15 vom 04.08.1995-S.225 (255). Hoppe, DVBl. 2001, 81 (87). 407 Siehe 2. Kapitel, Β. VI. 408 Vgl. Hinweise des Wirtschaftsministeriums zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten (Az.: 6-2500.4/7), Stand Juli 2000- S. 11, Ziffer 3.2.1.4. 409 Moench, in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - 459 (467); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (338); zur Rechtslage in Berlin!Brandenburg (§ 16 VI LEPro Berlin-Brandenburg): Battis, LKV 1999,347 (349); zur Rechtslage in NW: Bönker, BauR 1999,328 (333). 410 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C.III.10. 406

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wenn diese im Zusammenhang mit § 2 II BauGB getroffen wurden - so wird eine Verletzung des Beeinträchtigungsverbotes bei einer geplanten Ansiedlung eines FOC von unter 20.000qm Verkaufsfläche in einem Mittelzentrum in der Regel nicht gegeben sein 411 . Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass in der als FOC bezeichneten Anlage ausschließlich Fabrikware und keine Genuss- und Lebensmittel angeboten werden. Die Aussage in Ziffer 3.2.1.3 des Entwurfs für einen Einzelhandelserlass BW, wonach FOC grundsätzlich nur in Oberzentren zulässig sind, wobei insbesondere bei einer Geschossfläche von weniger als 5.000 qm auch Standorte in Mittelzentren in Betracht kommen, ist daher nicht zutreffend.

XI. Die Zulässigkeit von FOC im Lichte des Landesplanungsrechtes Nachdem zuvor auf die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten und insbesondere von FOC nach dem Landesplanungsrecht in BW eingegangen wurde, soll nun ein Überblick über Rechtslage in Deutschland gegeben werden. Die Darstellung geht nicht nur auf die bestehende Rechtslage, sondern auch auf die rechtliche Zulässigkeit von landesplanerischen Festsetzungen ein, die auf die Beschränkung von FOC abzielen. 1. Die Entschließungen der Ministerkonferenzen Die Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) vom 03.06.1997 fordert in ihrer Entschließung „FOC" 4 1 2 , dass „für die raumordnerische Steuerung dieser Center ... klare Ziele vorzugeben" sind. In Ziffer 5. des Beschlusses wird festgestellt, dass FOC entsprechend der Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung nur in Großstädten, also Oberzentren an integrierten Standorten und in stadtverträglichen Größenordnungen zulässig seien. Ausgangspunkt dieses Beschlusses war eine gemeinsame Entschließung „Innenstädte als Einzelhandelsstandorte erhalten" der MKRO sowie der Konferenz der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder vom 29. März/21. Juni 1996 413 . In dieser Entschließung wird in Ziffer 2 gefordert: „In den Raumordnungsplänen der Länder sollte daher entsprechend den regionalen Siedlungsstrukturen möglichst konkret festgelegt werden, welche Zentralen Orte geeignete Standorte für Einzelhandelsgroßprojekte sind". 4,1

Von der Tendenz her ebenfalls: Erbguth, NVwZ 2000, 969 (975). Bielenberg/Erbguth/Runkel - Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Stand 1999 - Band 1, Β 320; Nr. 30; ähnlich: Kleine/Offermanns, RuR 2000, 35 (44), für die Ansiedlung von FOC seien Oberzentren am besten geeignet. 413 Bielenberg/Erbguth/Runkel - Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Stand 1999-Band 1, Β 320; Nr.29. 412

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Lediglich das Land RP hat sich gegen diese Aussage der Entschließung gewandt, weil zu diesem Zeitpunkt sich bereits ein politischer Konsens zur Ansiedlung des Designer-Outlet-Centers in Zweibrücken abzeichnete414, dessen Standort nicht in einem Oberzentrum sondern in einem Mittelzentrum liegt. Auch andere kommunale Spitzenverbände haben davon abweichende Stellungnahmen abgegeben415. Eine gemeinsame Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Wirtschaftsministerkonferenz 416, der MKRO und der Arbeitsgemeinschaft der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder legte am 20.05.1998 einen Bericht 417 zur Ansiedlung von Hersteller-Direktverkaufszentren für die Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder vor. Die MKRO nahm am 04.06.1998 den Bericht zur Kenntnis und hielt in Ziffer 2. ihres Beschlusses zu „Hersteller-Direktverkaufszentren" fest, dass die Ansiedlung von Hersteller-Direktverkaufszentren unter der Ausschöpfung der bestehenden rechtlichen Möglichkeiten so restriktiv wie möglich gehandhabt werden soll 418 . Dieser Passus findet sich auch in einem Beschluss des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten der Länder zur Ansiedlung von Hersteller-Direktverkaufszentren vom 09.07.1998419 wieder, der auf der Grundlage des zuvor genannten Berichtes erging. In Ziffer 44 des Berichtes heißt es, dass einer Gemeinde, die ein Hersteller-Direktverkaufszentrum ansiedelt und dadurch seine Innenstadt gefährdet, zukünftig keine neuen Städtebaufördermittel erhält bzw. entsprechende Mittel zurückgezogen werden. Das Land RP gab zu Protokoll, es lege Wert auf die Klarstellung, dass durch den gemeinsamen Beschluss der Ziffer 44 des genannten Berichtes keine Verpflichtungswirkung beigemessen wird. 2. Rechtliche Würdigung der Entschließungen der Ministerkonferenzen Den zuvor dargestellten Beschlüssen der Ministerkonferenz für Raumordnung und der gemeinsamen Konferenz des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten 414 DER SPIEGEL-Politur der Bilanz-50/1995, 18; vgl. nachfolgende Genehmigung einer Zielabweichung durch das Innenministerium RP (oberste Landesplanungsbehörde) - Schreiben des Innenministeriums RP vom 12.06.1997 an die Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz. 415 Gegen die Beschränkung auf Oberzentren, für die Zulässigkeit auch an integrierten Standorten in Mittelzentren: Beschluss des NWStGB-Präsidiums vom 27.05.1998 in Städteund Gemeinderat 1998, 195. 416 Bereits am 14./15.05.1998 hatte die Wirtschaftsministerkonferenz den Bericht zur wirtschaftspolitischen Beurteilung von FOC zur Kenntnis genommen - GewArch 1998, 283. 417 BBauBl. 1998, 76 ff. 418 Beschluss der Ministerkonferenz für Raumordnung „Zu Hersteller - Direktverkaufszentren" vom 04.06.1998 - GewArch 1998, 332 = Bielenberg/Erbguth/Runkel - Raumordnungsund Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Stand 1999 - Band 1, Nr. 33. 419 Kaune, BBauBl 1998, lOff.

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vom 09.07.1998 zum Thema FOC kommt keine rechtliche Bindungswirkung zu, sie beinhalten lediglich Empfehlungen und politische Absichtserklärungen 420. Nachfolgend soll untersucht werden, ob eine landesplanerische Zielbestimmung, wonach FOC nur in Oberzentren - wie von der MKRO gefordert 421 - zulässig sind, etabliert werden kann. Die rechtliche Beurteilung kann auf die in der Literatur bereits zur Frage der Zulässigkeit eines bindenden Kongruenzgebotes entwickelten Grundsätze gestützt werden. 3. Zulässigkeit eines Kongruenzgebotes mit Zielqualität für FOC Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob eine landesplanerische Zielbestimmung, nach der Einzelhandelsgroßprojekte an Orte bestimmter Zentralität gebunden werden, mit der gemeindlichen Planungshoheit422 zu vereinbaren ist. a) Der Schutzbereich der kommunalen Planungshoheit Unter dem Begriff der Planungshoheit ist die Befugnis der Gemeinden zu verstehen, ohne durchgängige und strikte Bindung an staatliche Vorgaben aufgrund eigenen politischen Gestaltungs- und Entscheidungsspielraums über die Nutzung des Grund- und Bodens des Gemeindegebietes im Rahmen der Bauleitplanung zu disponieren und die zur Verwirklichung des eigenverantwortlich wahrnehmbaren Gestaltungspotentials erforderlichen planerischen Leitlinien ohne imperative staatliche Beeinflussung zu entwickeln 423 . Die Planungshoheit ist nach der allgemeinen Auffassung 424 als Teil des verfassungsrechtlich gesicherten Selbstverwaltungsbereichs gemäß Art. 28 I I GG ge420 OVG Bbg., Β. v. 16.12.1998 - 3 Β 116/98 - NVwZ 1999, 434 = BauR 1999, 613 = GewArch 1999, 437 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland); Battis, LKV 1999,347 (349); Erbguth, NVwZ 2000,969 (974, Fn.70); Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000, 376, Fn. 10; Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999,119 (120); Jahn, BayVBl. 2000,267 (271); Jahn- Stärkung der Innenstadt oder des ländlichen Raumes?, 1999 - S. 33; Jahn, GewArch 1997, 456 (459 und 461); Kniep, VB1BW 1998,294; Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - S. 459 (466, Fn. 39); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (340, Fn. 39). 421 Ziffer 5 der Entschließung „FOC" der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) vom 03.06.1997 - Bielenberg/Erbguth/Runkel - Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Stand 1999-Band 1, Β 320; Nr. 30. 422 Auf die Beeinträchtigung von Grundrechten eines Unternehmers (Art. 12 und 2 GG) soll hier nicht eingegangen werden; vgl. Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000, 376 (378); Jahn, BayVBl. 1989, 294 (296); Schenke, WUR 1990, 61 (63); Spannowsky - Gutachten für das Land Niedersachsen zur Zulässigkeit des FOC Soltau-Fallingbostel vom 31.08.1999-S. 66f. 423 Grotefels in: H/G - Öffentliches Baurecht, 1995 - § 2, Rn. 27; Oebbecke in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000- S. 239; Stober - Kommunalrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1996- § 7 II2e, S. 85. 424 BVerfG, B. v. 07.10.1980 - 2 BvR 584, 598, 599, 604/76 - BVerfGE 56, Nr. 19, S. 298 (319) (Memmingen-Beschluss); Funke/Schroer, ZG 1986, 256 (260); Oebbecke in: FS für

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schützt. Die Bebauungsplanung ist mit der herrschenden Meinung in der Literatur 425 dem Kernbereich der Selbstverwaltungshoheit zuzurechnen, weil sie als Instrument zur parzellenscharfen und unmittelbar verbindlichen Regelung der Bodennutzung zum typischen und charakteristischen Erscheinungsbild der Selbstverwaltung gehört. Demzufolge erlaubt es der Vorbehalt des „Rahmens der Gesetze" dem Gesetzgeber nicht, die kommunale Selbstverwaltung bzw. die Planungshoheit völlig zu beseitigen oder derart auszuhöhlen, dass den Gemeinden kein ausreichender Spielraum zu ihrer Ausübung mehr bleibt 426 . Das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden und damit die Planungshoheit darf durch landesplanerische Zielvorgaben daher nicht in seinem Kerngehalt beeinträchtigt werden 427. b) Eingriff in den Schutzbereich durch Raumordnungsziele Spannowsky geht davon aus, dass in der Festsetzung von Zielen zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten kein aufgabenentziehender Zugriff auf die den Gemeinden als Selbstverwaltungsaufgabe zugewiesene Bauleitplanung liegen könne 428 . Eine landesplanerische Standortentscheidung für Einzelhandelsgroßprojekte sei dem überörtlichen und nicht dem örtlichen Aufgabengebiet zuzuordnen, so dass damit gar nicht in den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie eingegriffen werde 429 . Die Zuordnung zum überörtlichen Aufgabengebiet macht er an den überörtlichen Auswirkungen eines Einzelhandelsgroßprojektes und insbesondere eines FOC fest. Diese Auffassung ist abzulehnen, weil die Gemeinden gemäß § 1 IV BauGB an Ziele der Raumordnung bei ihren planerischen Entscheidungen gebunden sind und damit in die verfassungsrechtlich geschützte Planungshoheit der Gemeinden eingeHoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - S. 239 (240); Schenke - Bergbau contra Oberflächeneigentum und kommunale Selbstverwaltung?, 1994 - S. 70. 425 Brohm-Öffentliches Baurecht, 1999- §9, Rn.4; Brohm, DÖV 1989, 429 (431); Erbguth - Bauplanungsrecht, 1998 - S. 8, Rn. 13; Finkelnburg/Ortloff - Öffentliches Baurecht Band I, 1998 - § 5,1., S. 27; Funke/Schroer, ZG 1986, 256 (262); Hoppe in: FS zum 70. Geburtstag von Ch. von Unruh, 1983 - S. 555 (568); Grotefels in: H/G - Öffentliches Baurecht, 1995- §2, Rn.35; offengelassen: BVerfG, B.v.23.06.1987-2 BvR 826/83-NVwZ 1988,47 (49); BVerfG, B.v.07.10.1980-2 BvR 584, 598, 599, 604/76-BVerfGE 56, Nr. 19, S.298 (312) (Memmingen-Beschluss); VerfGHNW, U.v. 15.12.1989-5/88-DVBl. 1990,417 (418). 426 BVerfG, B.v.23.11.1988-2BvR 1619/83,1628/83-NVwZ 1989, 347 (348) (RastedeEntscheidung); BVerfG, B.v. 07.10.1980-2 BvR 584,598,599,604/76 - BVerfGE 56, Nr. 19, S. 298 (312) (Memmingen-Beschluss); Oebbecke in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-S. 239 (243). 427 Brosche, DVBl. 1980, 213 (214). 428 Spannowsky - Gutachten für das Land Niedersachsen zur Zulässigkeit des FOC SoltauFallingbostel vom 31.08.1999-S.63, so auch: Stich, BauR 1999, 957. 429 Spannowsky - Gutachten für das Land Niedersachsen zur Zulässigkeit des FOC SoltauFallingbostel vom 31.08.1999- S. 64.

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9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

griffen wird 430 . Da sich die örtliche und überörtliche Planung auf dieselbe Räche bezieht, steht der Raum, den die überörtliche Planung für sich in Anspruch nimmt, für die örtliche Gestaltung nicht mehr zur Verfügung 431. Hoppe/Otting führen hierzu zutreffend aus, dass der örtliche Charakter kommunaler Planung in ihrem Bezug zum Gemeindegebiet liegt und dies nicht von der Art des jeweiligen Vorhabens abhängig ist 432 . Die Anknüpfung an die überörtliche Bedeutung zur Bestimmung des Aufgabengebietes würde zu einer Ausgrenzung gemeindlicher Mitgestaltungsrechte führen, die weitreichender wäre als bei Fachplanungen überörtlicher Bedeutung. Dies hätte de facto eine Ausschaltung der kommunalen Planungshoheit zur Folge 433 . c) Verletzung der Planungshoheit Während in der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung434 und zum Teil in der Literatur 435 eine Zielbestimmung, die ein Kongruenzgebot mit Verbotswirkung vorsieht, als zulässig erachtet wird, lehnt dies die überwiegende Auffassung in der Literatur 436 zu Recht mit der Begründung ab, dass eine solche Regelung die Planungshoheit der Gemeinden verletzt.

430 BVerwG, Β. v. 20.08.1992 - 4 NB 20/91 - NVwZ 1993, 167 (168); VerfGH NW, U. v. 15.12.1989 - 5/88 - DVB1. 1990, 417 (418); OVG Nds., U. v. 16.06.1982 - 1 A 194/80 - ZfBR 1983, 41 = BRS 39, Nr. 58, S. 118 = BauR 1982, 557; Bay. VGH, U. v. 23.05.1985 - 2N 83 A.1490 - BayVBl. 1986, 114(115) = BRS 44, Nr. 44, S. 104 = ZfBR 1985, 292; VG Dessau, B.v.01.11.1999- 1Β 496/99-NVwZ-RR 2000, 207 (208); Erbguth, RuR 1997, 270 (272); Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998- § 11, Rn.23.1; Halama in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 201; Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000, 376 (377); Schenke, WUR 1990, 61 (62); Schroeder, UPR 2000, 52 (57). 431 Brohm, DÖV 1989,429 (439); Brohm, DVB1. 1980, 653 (657). 432 Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000, 376 (378). 433 Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000, 376 (378). 434 OVG Sachsen, B. v. 26.08.1992 - 1 S 150/92 - LKV 1993, 97 (99); Bay. VGH, U. v.23.05.1985-2 Ν83 Α. 1490-BayVBl. 1986, 114 (115) = ZfBR 1985, 292 = BRS 44, Nr. 44, S. 104; offengelassen: VGH BW, B. v. 21.12.1976 - 3 S 415/76 - NJW 1977, 1465 (1467) = BRS 30, Nr. 24, S. 55 = BauR 1977,184. 435 Krautzberger, Der Städtetag 1997,473 (474); zum Teil wird es als vertretbar angesehen, wenn großflächige Einzelhandelsbetriebe an die Zentralen Orte mit Ausnahme der Kleinzentren gebunden werden: Busse, BayVBl. 1998, 293 (295); Söfker in: EZBK-BauGB, Stand April 2000- § 11, Rn. 67; Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 22.2. 436 Berg, WiVerw 1990,209 (220); Erbguth, NVwZ 2000,969 (974); Hoppe, NWVB1.1998, 461 (468); Hoppe/Bunse, WiVerw 1984,151 (165); Jahn, BayVBl. 1989,294 (296); Jahn-Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988 - S. 89; Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-S.459 (468); Moench/Sandner, NVwZ 1999,337 (341); Ronellenfitsch in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-355 (365); Schenke, WUR 1990,61 (63); Schroeder, UPR 2000, 52 (58).

D. Anpassungspflicht gemäß § 1IV BauGB

273

aa) Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Die Zielbindung der gemeindlichen Planung steht mit der kommunalen Planungshoheit in Einklang, sofern hierbei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet wird und die Wesensgehaltsgarantie der Selbstverwaltungshoheit unangetastet bleibt 437 . Selbst wenn man entgegen der herrschenden Meinung in der Literatur davon ausginge, dass die Planungshoheit nicht dem Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie zuzuordnen ist, so müssen Eingriffe in den Schutzbereich der Planungshoheit dennoch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht werden 438. bb) Sachliche Legitimation Die Einschränkung der gemeindlichen Planungshoheit durch Ziele der Raumordnung darf grundsätzlich nur aus überörtlichen Gründen erfolgen 439. Ein überörtlicher Charakter einer Planung ist zu bejahen, wenn hiermit Aufgaben wahrgenommen werden sollen, die über das Gebiet einer Gemeinde hinausgehen. Bei der Einschränkung von Einzelhandelsgroßprojekten ist es nicht auszuschließen, dass der Eingriff aus überörtlichen Gründen, wie der Gewährleistung einer gleichmäßigen Mindestversorgung der gesamten Bevölkerung gerechtfertigt werden kann 440 . cc) Geeignetheit und Erforderlichkeit Jedoch ist ein derartiger Eingriff in die Planungshoheit weder geeignet noch erforderlich 441 . Kämen aufgrund einer landesplanerischen Zielbestimmung nur noch wenige Zentrale Orte für die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten bzw. FOC in Frage, so könnte der Bedarf der Bevölkerung an derartigen Versorgungseinrichtungen unter Umständen nicht mehr gedeckt werden. 437

VerfGH NW, U. v. 15.12.1989-5/88 - DVBl. 1990, 417 (419); Brohm, DÖV 1989,429 (438); Erbguth, RuR 1997, 270 (273); Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000, 376 (378); Schroeder, UPR 2000, 52 (57). 438 BVerfG, B. v. 23.06.1987 - 2 BvR 826/83 - NVwZ 1988, 47 (49); VerfGH NW, U. v. 15.12.1989 - 5/88 - DVBl. 1990, 417 (418); Ehlers, DVBl. 2000, 1301 (1307f.); Dörr-Raumordnungs- und Landesplanungsrecht-in: Achterberg/Püttner - Besonderes Verwaltungsrecht Band 1,1990-Rn. 178; Hoppe/Scheipers in: FS für Stem zum 65. Geburtstag, 1997 -1117 (1122); Oebbecke in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000- S. 239 (251); Weidemann, DVBl. 1982, 977 (979); einschränkend: Frenz, Die Verwaltung 1995, 33 (63). 439 BVerfG, B. v. 23.06.1987 - BvR 826/83 - NVwZ 1988, 47 (49); VerfGH NW, U.v. 15.12.1989-5/88-DVBl. 1990, 417 (418); Busse, BayVBl. 1998, 293; Erbguth, RuR 1997,270 (273); Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000,376 (378); Hoppe/Bunse, WiVerw 1984, 151 (165); Kilian/Müllers, VerwArch 1998, 25 (66); Rutkowski - Einfluss der Regionalplanung auf die gemeindliche Bauleitplanung, Diss. 1974- S. 130. 440 Berg, WiVerw 1990, 209 (220). 441 Hoppe, NWVB1. 1998, 461 (468). 18 Kopf

274

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

In Oberzentren werden nur sehr selten die für FOC maßgeblichen Standortanforderungen, wie große Grundstücksflächen, eine sehr gute verkehrliche Erschließung sowie ein ausreichendes Stellplatzangebot442, erfüllt werden können. Aufgrund dessen gestaltet sich die städtebauliche Integration in bestehende Siedlungs- und Versorgungszentren oftmals schwierig, so dass häufig nur „Entlastungsstandorte", also Orte niedriger Zentralität als Ansiedlungsstandorte in Betracht kommen. Eine Beschränkung der Zulässigkeit beispielsweise auf Oberzentren kann im Hinblick auf die Versorgung mit privaten Dienstleistungseinrichtungen mitunter kontraproduktiv sein 443 . Bei FOC kommt hinzu, dass beispielsweise die Beschränkung auf Oberzentren der Konzeption und den Standortanforderungen dieser Vertriebsart grundlegend widerspricht 444 und damit die Zulässigkeit von FOC sehr stark einschränken würde. Die Hersteller von Premium-Marken, die als Mieter von FOC-Ladengeschäften gewonnen werden sollen, haben wenig Interesse daran, in direkten Konflikt mit dem Facheinzelhandel in größeren Städten zu geraten, der die jeweilige Premium-Marke auch in seinem Sortiment führt 445 . Der Ansiedlungsdruck von FOC bezieht sich deshalb nicht auf Standorte in der Nähe von Oberzentren, sondern auf Standorte in der Nähe von Unter- und Mittelzentren im weiteren Umfeld von Ballungsräumen („in the middle of nowhere"). Der Eingriff wäre auch nicht erforderlich, weil die strikte Zielbindung der Planung das schärfste Mittel landesplanerischer Koordinierung darstellt und mit der gerechten Abwägung gemäß § 1 V I BauGB ein weniger einschneidendes und genauso wirksames Mittel zur Verfügung steht446. dd) Verhältnismäßigkeit

im engeren Sinne

Das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden darf im Hinblick auf die Überörtlichkeit nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinne nur so weit eingeschränkt werden, wie es zur Erfüllung dieser überörtlichen Aufgaben unbedingt notwendig ist 447 . Ein bindendes Kongruenzgebot mit Verbotswirkung wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinne nicht gerecht 448. 442

Siehe 2. Kapitel, Β. VII. Vgl. Grae - Einkaufszentrum und Verbrauchermarkt, Diss. 1981 - S. 73; Hoppe/Bunse, WiVerw 1984, 151 (163); Jahn, BayVBl. 1989, 294 (297). 444 Weick in: Gans/Lukhaup - Einzelhandelsentwicklung - Innenstadt versus periphere Standorte, 1998-S. 117 (122). 445 Siehe 2. Kapitel, B. VI. 2. 446 Berg, WiVerw 1990, 209 (220); Hoppe, NWVB1. 1998, 461 (468); Hoppe/Bunse, WiVerw 1984,151 (166); Moench/Sandner, NVwZ 1999,337 (341, Fn.47); vgl. grundsätzlich zur Erforderlichkeit landesplanerischer Festsetzungen: Rutkowski - Einfluss der Regionalplanung auf die gemeindliche Bauleitplanung, Diss. 1974-S. 58. 447 Brosche, DVB1. 1980, 213 (214). 448 Jahn, BayVBl. 1989, 294 (296). 443

D. Anpassungspflicht gemäß § 1IV BauGB

275

Zum einen fehlt es bei einem solchen strikten Ziel an der für die Standortwahl für Einzelhandelsgroßeinrichtungen notwendigen Flexibilität und zum anderen kann eine ausgeglichene Versorgungsstruktur durch das Beeinträchtigungsverbot sowie durch das interkommunale Abstimmungsgebot gemäß § 2 II BauGB hinreichend sichergestellt werden 449. Landesplanerische Zielbestimmungen, die ein absolutes Verbot von Einzelhandelsgroßprojekten in Orten bestimmter Zentralität festlegen, müssen daher als unwirksam angesehen450 bzw. verfassungskonform als Grundsätze interpretiert 451 werden. 4. Zusammenfassung Derzeit gibt es keine Ziele der Raumordnung, wonach FOC grundsätzlich nur in Oberzentren zulässig sind 452 . Eine strikte Standortbindung von FOC an Oberzentren würde die Planungshoheit der Gemeinden verletzen, so dass eine derartige landesplanerische Festsetzung unwirksam wäre. Die Vereinbarkeit der Ansiedlung eines FOC mit den landesplanerischen Festsetzungen muss daher in einer Einzelfallprüfung eruiert werden. Hierbei kommt dem Beeinträchtigungsverbot besondere Bedeutung zu. Widerspricht die Ansiedlung eines FOC den Zielen der Raumordnung, so resultiert daraus kein unüberwindbares Genehmigungshindernis. Im Wege eines Zielabweichungsverfahrens 453 kann wie im Falle des FOC Zweibrücken eine Abweichung von der Β indungsWirkung raumordnerischer Zielbestimmungen genehmigt werden 454 . 449 Berg, WiVerw 1990, 209 (220); Hoppe/Otting, Der Landkreis 2000, 376 (378); Hoppe/ Bunse, WiVerw 1984, 151 (167); Jahn, BayVBl. 1989, 294 (297); Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-S. 459 (468); Schroeder, UPR 2000, 52 (58). 450 Busse, BayVBl. 1998, 293 (299); Hoppe in: Ziekow-Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, 119 (124); Hoppe/Bunse, WiVerw 1984, 151 (168). 451 Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999 - § 37, Rn. 37. 452 Battis, LKV 1999, 347 (349); Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999, S. 119 (123); Jahn - Stärkung der Innenstadt oder des ländlichen Raumes?, 1999-S. 33; Kniep, VB1BW 1998, 294; Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (341); Rieger- FOC, 1998 - S. 87; Wagner, IBR 1999, 392 (393). 453 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, D. VI. 454 Eine Zielabweichung wurde vom Innenministerium RP (oberste Landesplanungsbehörde) im Falle des FOC Zweibrücken zugelassen, vgl. Schreiben des Innenministeriums RP vom 12.06.1997 an die Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz (Hoppe, DVBl. 2001, 81 (87) weist jedoch zu Recht darauf hin, dass weder das Kongruenzgebot noch das städtebauliche Kongruenzgebot des LEP RP - trotz entsprechender Kennzeichnung - als Ziel qualifiziert werden kann); a. Α. Bönker - Rechtsgutachten: FOC, 1997 - S. 72, lehnt eine Zielabweichung im Falle des geplanten FOC Grevenbroich ab, weil hierdurch die Grundzüge der Planung tangiert würden; Schmitz - Das FOC vor den Toren der Stadt, Thesenpapier zum Vortrag auf der wissenschaftlichen Fachtagung am 20./21.03.2000 an der Uni Kaiserslautem = Krämer/Hofmeis-

18*

276

9. Kap., 1. Abschn.: Beachtung der Vorschriften des BauGB

XII. Exkurs: Die Europäische Dimension der Raumordnung Mit der Schaffung des Europäischen Binnenmarktes und der Etablierung der Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 30 EGV in der Europäischen Union ist der Trend zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten in Grenznähe zu EU-Nachbarstaaten gewachsen455. Um die Gemeinden in Grenznähe von der Notwendigkeit zur Schaffung der baurechtlichen Voraussetzungen zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten zu „überzeugen", verweisen die Betreiber solcher Anlagen darauf, dass eine Ansiedlung unter angeblich wesentlich leichteren Voraussetzungen auch im benachbarten Ausland erfolgen könne 456 . Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch in der Regel heraus, dass die Vorschriften zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten im europäischen Ausland entweder genauso „streng" oder gar noch restriktiver als in Deutschland sind 457 . 1. Internationale Abstimmung gemäß §16 ROG und §4a BauGB Um raumplanerische Konflikte zwischen den Nachbarstaaten zu vermeiden, sieht § 16 ROG vor, dass raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen, die erhebliche Auswirkungen auf Nachbarstaaten haben können, mit den betroffenen Nachbarstaaten nach den Grundsätzen der Gegenseitigkeit und Gleichwertigkeit abzustimmen sind. Die Forderung nach einer grenzüberschreitenden Abstimmung gemäß § 16 ROG gewinnt immer dann an Aktualität, wenn großflächige Einzelhandelsbetriebe in Grenznähe errichtet werden sollen, um die Kaufkraft aus dem Nachbarland abzuschöpfen 458. Nach § 4a BauGB sind die Gemeinden und Träger öffentlicher Belange eines Nachbarstaates bei Bauleitplänen, die erhebliche Auswirkungen auf Nachbarstaaten haben können, nicht nur zu unterrichten (Absatz 1), es können auch Konsultationen stattfinden (Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2). § 4 a BauGB schafft so eine bundesrechtliche Ermächtigung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit 459. Mit ter - Bericht zur Fachtagung - ZfBR 2000, 355 (356), eine Zielabweichung würde dem Nachhaltigkeitsprinzip widersprechen. 455 Vgl. Runkel, UPR 1998, 241 (243). 456 Vgl. Blatt/Raczeck - Wirtschaftsstandort Innenstadt und „Grüne Wiese", 1998 - S. 15; Schmude in: Schmude - FOC, 2000 - S. 1 (15). 457 Überblick über die Rechtslage in allen Staaten der EU in: Blatt/Raczeck - Wirtschaftsstandort Innenstadt und „Grüne Wiese", 1998, mit einem Vergleich der Steuerungsinstrumente auf S. 188 ff. Belgien: Brückner-Großflächiger Einzelhandel, 1998-S.30; Frankreich: Bröll/ Hannig, BayVBl. 1979, 353; Clev - Großflächige Einzelhandelsprojekte in Frankreich, 2000; Krautzberger, Der Städtetag 1997, 473; Großbritannien: Pittroff/Kolberg - FOC in Großbritannien, 1999; Rauh in: Schmude-FOC, 2000-16 (18f.); Niederlande: Brückner-Großflächiger Einzelhandel, 1998-S. 23; Österreich: Aichlreiter, wbl 1998,53 und 101; G M A - D i e neue Einkaufszentrenverordnung in Österreich - GMA Informationen 7/1998. 458 Güttler/Krautzberger, BBauBl 1997, 706 (709); Krautzberger, Der Städtetag 1997, 473 (475), sprechen von der Gefahr einer Dumping-Politik. 459 Battis in: BKL - BauGB, 1999- §4a, Rn. 1.

D. Anpassungspflicht gemäß § 1IV BauGB

277

dem Gebot der Gleichwertigkeit soll eine nur einseitige Verpflichtung nach deutschem Recht verhindert und eine Vergleichbarkeit des Zeitpunktes der Information und des Aussageumfangs und der Aussagegenauigkeit sichergestellt werden 460. Auf eine förmliche Beteiligungsbefugnis als Zwischenschritt zwischen Unterrichtung und Konsultation wurde bewusst verzichtet, um das grenzüberschreitende Abstimmungsverfahren nicht zu überfrachten 461. Dieser Regelung kommt eine ähnliche Funktion zu, wie § 2 I I BauGB für den nationalen Bereich. Erhebliche Auswirkungen im Sinne des § 4a BauGB setzen eine Intensität der Auswirkungen voraus, die der Intensität der unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art im Sinne des § 2 II BauGB entspricht 462. Voraussetzung für eine Unterrichtungspflicht ist nicht, dass ein Bauleitplan erhebliche Auswirkungen auf den Staat insgesamt, sondern nur auf Teilflächen hat. 2. Ansätze internationaler

Abstimmung

Die grenzüberschreitende Abstimmung hat bislang nur eine geringe praktische Bedeutung erfahren 463. Im Rahmen einer Gemeinschaftsinitiative der Europäischen Union (INTERREG II C 4 6 4 ) wurde das Projekt TRADE zur besseren Abstimmung und Koordination der grenzüberschreitenden Raumordnung initiiert. Teilnehmer dieses Projektes sind die belgischen Regionen Randern und Wallonien, die niederländische Provinz Limburg, das Bundesbauministerium und das Land Nordrhein-Westfalen 465. Im Rahmen dieses Projektes soll erreicht werden, dass die Stellungnahme des Nachbarlandes bei der Entscheidung über die Ansiedlung von FOC und vergleichbaren Einzelhandelsgroßprojekten mit grenzüberschreitenden Auswirkungen stärker berücksichtigt wird. Die Länder Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Bayern haben im April 1998 in einer gemeinsamen Entschließung vereinbart, bei der landesplanerischen Beurteilung zur Ansiedlung von FOC im grenznahen Bereich eine Abstimmung mit dem betroffenen Nachbarland herbeizuführen 466. 460 Gesetzentwurf der Bundesregierung - Bundestags-Drucksache 13/6392 vom 04.12.1996-S.46. 461 Gesetzentwurf der Bundesregierung - Bundestags-Drucksache 13/6392 vom 04.12.1996-S.47. 462 Battis in: BKL - BauGB, 1999 - § 4a, Rn. 3. 463 Vgl. Hoppe - Gemeinsame grenzüberschreitende Regionalplanung, 1993 - S. 80; Spannowsky - Verwirklichung von Raumordnungsplänen durch vertragliche Vereinbarungen, 1999-S. 17 m.w.N. 464 Blatt/Raczeck - Wirtschaftsstandort Innenstadt und „Grüne Wiese", 1998 - S. 222. 465 Nach Auskunft des Bundestagsabgeordneten Heinz Schmitt (Südpfalz) sollte das Projekt bis Mitte 2000 laufen. 466 Vgl. Runkel, UPR 1998,241 (247); Schmude in: Schmude-FOC, 2000-S. 1 (12); Mitteilung der Bayerischen Staatskanzlei vom 16. April 1998.

278

9. Kap., 2. Abschn.: Festsetzung Sonstiger Sondergebiete

Eine derartige grenzüberschreitende Abstimmung bezüglich der Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben und FOC im deutsch-französischen Grenzbereich 467 soll im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft PAMINA (Südpfalz/Mittlerer Oberrhein/Nord-Elsass) laut Beschluss der Arbeitsgemeinschaft vom 7. April 2000 (in Landau/Pfalz) erreicht werden. Zweiter Abschnitt

Festsetzung Sonstiger Sondergebiete gemäß § 11 I I BauNVO Einzelhandelsgroßprojekte im Sinne des § 11 III BauNVO sind nur in Kern- und in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Nachfolgend soll erläutert werden, welche Voraussetzungen bei der Ausweisung eines solchen Sondergebietes zu beachten sind und welche Festsetzungsmöglichkeiten einer Gemeinde hierbei eröffnet sind. Nach Auffassung des BVerwG 468 schafft § 11 III BauNVO neben den in §§ 2 bis 9 aufgeführten Baugebieten ein Baugebiet besonderer Art, das „Gebiet für großflächigen Einzelhandel", wobei der Verordnungsgeber mit den möglichen Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 und des Satzes 2 die allgemeine Zweckbestimmung des Gebietes umschreibt. Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Vorhabens durch die Baugenehmigungsbehörde ist Satz 3 in Verbindung mit den Nrn. 1 bis 3 des Satzes 1 maßgeblich. Die genannten Vorschriften sind die Grundlage der allgemeinen Zulässigkeit469. § 11 III BauNVO ist jedoch keine Baugebietsnorm, sondern eine Zulässigkeitsvorschrift 470 . § 11 II BauNVO gibt den Gemeinden die Möglichkeit, planerische Konzeptionen umzusetzen, die von der Baugebietstypik der §§ 2 bis 10 BauNVO nicht erfasst werden. Durch § 11 III BauNVO hat der Verordnungsgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Gemeinden Sondergebiete für Einkaufszentren, großflächi467 Im badisch-elsässischen Grenzbereich sind mehrere FOC-Standorte im Gespräch; auf elsässischer Seite: Scheibenhard (DIE RHEINPFALZ vom 31.01.2000, Nr.25/Kreis Germersheim), Roppenheim, Lauterburg, Straßburg-Enzheim, Hagenau (Badisches Tageblatt vom 01.02.2000). Auf der deutschen Seite: Söllingen auf dem Baden-Airpark, dort soll ein 20.000qm großes FOC entstehen (DIE RHEINPFALZ vom 21.01.2000, Nr. 17/Kreis Germersheim) und Pforzheim. 468 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 54.80 - BauR 1984, 380 (382) = BVerwG 68, Nr. 53, S. 342; OVG Sachsen-Anhalt, U, v. 29.06.1993 - 1Κ 6/92 - LKV 1994, 220 (220); Schlichter, UPR 1984, 209 (210). 469 Schlotterbeck, VB1BW 1986, 361 (363), hat daraus eine „Muster-Festsetzung" für Gebiete für großflächigen Einzelhandel formuliert. 470 Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 39; Stock in: König - BauNVO, 1999 - § 11, Rn. 31.

Β. Zweckbestimmungen in Bebauungsplänen

279

ge Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe ausweisen können. Festsetzungen gemäß § 11 I I BauNVO bedürfen wie alle bauplanerischen Regelungen einer städtebaulichen Begründung 471.

A. Wesentlicher Unterschied im Sinne des § 111 BauNVO Der Systematik des Typenzwangs der BauNVO folgend, legt § 111 BauNVO fest, dass als Sondergebiet nur ein Gebiet dargestellt und festgesetzt werden darf, das sich von den anderen Baugebieten der BauNVO wesentlich unterscheidet. Für das Vorliegen eines wesentlichen Unterschieds kommt es nicht darauf an, welche faktischen Unterschiede in einem als Sondergebiet ausgewiesenen Gebiet vorhanden sind. Ein wesentlicher Unterschied liegt dann vor, wenn ein Festsetzungsgehalt gewollt ist, der sich keinem der in den §§ 2 bis 10 BauNVO geregelten Gebietstypen zuordnen und der sich deshalb sachgerecht auch mit einer auf sie gestützten Festsetzung nicht erreichen lässt472. Nach der Entscheidung des BVerwG vom 07.07.1997 473 ist anhand der normierten allgemeinen Zweckbestimmung des Baugebietstyps „abstrakt" zu beurteilen, ob die Gemeinde durch die Festsetzung eines Sondergebiets von den Baugebiets typen der §§ 2 bis 10 BauNVO wesentlich abweicht. Nicht entscheidend ist hingegen, in welcher Weise die Gemeinde einen in den §§2ff. BauNVO vorgegebenen Gebietstyp nach § 1 Vff. BauNVO verändern kann. Aus der Vorschrift des § 11 II 1 BauNVO ergibt sich, dass für sonstige Sondergebiete die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung kumulativ festzusetzen sind 474 .

B. Zweckbestimmungen in Bebauungsplänen Die in § 11112 BauNVO aufgeführten Festsetzungsmöglichkeiten sind nicht abschließend; dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach als Sondergebiete „insbesondere" die beispielhaft aufgeführten Gebiete in Betracht kommen 475 . 471

BVerwG, U.v. 27.04.1990-4C 36.87-NVwZ 1990,1071 (1073) = GewArch 1991,156. BVerwG, B. v. 18.12.1990 - 4 NB 19.90 - BRS 50, Nr. 19, S. 51 (58); BVerwG, U. v. 29.09.1978 - 4 C 30.76 - BauR 1978, 449 (451); VGH BW, B. v. 18.07.1997 - 8 S 2891/96 - ZfBR 1998,48 (49); Stock, in König - BauNVO, 1999 - § 11, Rn. 4. 473 BVerwG, B.v.07.07.1997 - 4 BN 11.97 - UPR 1998, 62 (63). 474 BVerwG, B.v. 18.12.1990-4 NB 19.90-BRS 50, Nr. 19, S.51 (55). 475 BVerwG, U. v. 18.08.1989 - 4 C 12/86 - NVwZ 1990, 362 (363); Bay. VGH, U. v. 29.11.1991 - 1Β 90.2688 - BRS 54, Nr. 9, S. 22 (23). 472

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9. Kap., 2. Abschn.: Festsetzung Sonstiger Sondergebiete

Es besteht demzufolge kein numerus clausus möglicher Sondergebiete476. Die beispielhafte Aufzählung des § 11 II 2 hat dennoch eine rechtliche Bedeutung, als die dort genannten Gebiete stets die Voraussetzungen des § 11 I BauNVO erfüllen 477 . Sondergebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe sind seit der BauNVO 1977 Bestandteil des Beispielkatalogs. Hiermit wird explizit Bezug genommen auf die in § 11 III BauNVO geregelten Nutzungsarten. Eine Konkretisierung der Zweckbestimmung ist unerlässlich, um dem Grundsatz der Erforderlichkeit gemäß § 1 III BauGB und dem Abwägungsgebot im Sinne des § 1 V I BauGB Genüge zu tun 478 . Aus der Zweckbestimmung ergeben sich die Maßstäbe und Grenzen für die Anwendbarkeit des § 15 BauNVO und für die Zulässigkeit von Nebenanlagen sowie von Ausnahmen und Befreiungen. Deshalb erfüllt ein Bebauungsplan, der ein Sondergebiet ohne eindeutige Zweckbestimmung festsetzt, nicht die notwendigen Voraussetzungen, um eine geordnete städtebauliche Entwicklung im Sinne des § 1 V BauGB zu gewährleisten 479. Eine uneindeutige Zweckbestimmung stellt einen Verstoß gegen den verfassungsmäßigen Bestimmtheitsgrundsatz 480 dar und führt zur Nichtigkeit der Satzung 481 . In Ausnahmefällen kann sich die Zweckbestimmung aber auch aus dem Gesamtzusammenhang der Festsetzungen ergeben, wobei auch die Begründung des Bebauungsplanes herangezogen werden kann 482 . Im Bebauungsplan kann ein Gebiet für „Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe", für „Einkaufszentren", „großflächige Einzelhandelsbetriebe" festgesetzt werden. Diese Festsetzung kann auch mit dem Zusatz von bestimmten Branchen, wie beispielsweise „Möbel" 4 8 3 oder „Baumarkt", oder in Kombination mit anderen Arten der Nutzung, ζ. B. „Freizeitpark mit Einkaufszentrum", erfolgen 484. Das OVG MV hat in seiner Entscheidung vom 30.06.1999 4* 5 die Zweckbestimmung „Verbrauchermarkt" als rechtlich eindeutig angesehen. Dagegen wird in der Literatur die Auffassung 486 vertreten, dass die Festsetzung reiner Betriebsformen wie „Fachmarkt", „SB-Markt", aber auch „Verbraucher476

Schenke, WUR 1990,61 (62); Neuhausen, NJW 1978,191 (194). Dies gilt auch für Sondergebiete im Geltungsbereich der BauNVO 1968: BVerwG, B. v. 25.07.1986 - 4 Β 144/86 - NVwZ 1987, 50 (51) = ZfBR 1986, 243, („Einkauf- Möbel"). 477 Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 6. 478 VGH BW, U. v. 28.04.1983 - 5 S 39/83 - BRS 40, Nr. 9, S. 17 (18) = BauR 1983, 433; Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 9.1. 479 BVerwG, U.v. 18.02.1983-4C 18.81 -DVB1. 1983, 886 (887). 480 Zum Bestimmtheitsgrundsatz bei Bebauungsplänen siehe 7. Kapitel, B. 481 Schenke, WUR 1990, 61 (62). 482 BVerwG, B.v. 18.12.1990-4 NB 19.90-BRS 50, Nr. 19, S.51 (55). 483 OVG Nds., U. v. 23.11.1982 - 6 C 7/79 - BauR 1983, 220. 484 Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 10.1. 485 OVG MV, Β. v. 30.06.1999 - 3 M 144/98 - NVwZ-RR 2000, 559 = DÖV 2001, 134. 486 Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998 - 8 1 1 , Rn. 10.1.

Β. Zweckbestimmungen in Bebauungsplänen

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markt" als Zweckbestimmung unzureichend sei, weil diese Betriebsformen stets variabel seien und sich in graduellen Unterschieden verwischten. Dem OVG MV ist hinsichtlich der Zweckbestimmung „Verbrauchermarkt" zuzustimmen, weil dieser Begriff bis zur Änderung der BauNVO 1977 selbst in § 11 III BauNVO beinhaltet war und sich in Rechtsprechung und Literatur eine eindeutige Definition dieses unbestimmten Rechtsbegriffes herausgebildet hat 487 . Geht man davon aus, dass die Zweckbestimmung „großflächiger Einzelhandel" ausreichend ist, so muss dies erst recht für die Festsetzung „Verbrauchermarkt" gelten. Nach der hier vertretenen Auffassung ist der Begriff des Verbrauchermarktes enger als der des großflächigen Einzelhandels, was zur Folge hat, dass die Variationsbreite der unter der Zweckbestimmung des Verbrauchermarktes als zulässig anzusehenden Nutzungsarten geringer und damit die Festsetzung sogar genauer ist.

I. Ausschlusswirkung der Zweckbestimmung Bislang nicht hinreichend geklärt ist die Frage, ob ein Einkaufszentrum nach § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO in einem Sondergebiet, das nicht wie in der beispielhaften Aufzählung des § 11 II BauNVO die Zweckbestimmung „großflächige Einzelhandelsbetriebe und Einkaufszentren", sondern „großflächige Einzelhandelsbetriebe" bzw. „großflächige Handelsbetriebe" oder „Verbrauchermarkt" beinhaltet, zulässig ist. Grundsätzlich ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplanes gemäß § 30 I BauGB zulässig, wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Die Festsetzung der Zweckbestimmung eines Sondergebietes hat nach der Rechtsprechung des BVerwG 488 auch eine negative Wirkung, so dass solche „sonstige" Nutzungen ausgeschlossen sind, die die Verwirklichung des Bebauungsplanes verhindern oder wesentlich erschweren und dem Gebietscharakter widersprechen. Deshalb ergibt sich beispielsweise aus der Festsetzung „Einkauf - Möbel" eine Ausschlusswirkung für sonstigen Einzelhandel489. Das OVG MV hat in seiner Entscheidung vom 30.06.1999 m die Errichtung eines Einkaufszentrums in einem Sondergebiet „Verbrauchermarkt" als unzulässig ange487

Siehe 5. Kapitel, B.I. BVerwG, U.v. 28.04.1978-4C 59.75-DVBl. 1979,149 (150), nach Auffassung des Gerichts ist daher eine Spedition in einem Sondeigebiet „Wassersport" unzulässig; BVerwG, U. v. 02.03.1973 - 4C 40.71 - BRS 27, Nr. 4, S. 5 (7); Lohr in: BKL - BauGB, 1999 - § 29, Rn. 2 und § 30, Rn. 10, Negativ- oder Stop-Funktion. 489 BVerwG, B.v.25.07.1986-4B 144/86-NVwZ 1987, 50 (51) = ZfBR 1986, 243. 490 OVG MV, Β. v. 30.06.1999 - 3 M 144/98 - NVwZ-RR 2000, 559 = DÖV 2001, 134; so wohl auch: Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 69; ähnlich: Reidt, NVwZ 1999, 45 (47), der einen Sonderpostenmarkt mit häufig wechselnden und unterschiedlichen Sortimenten in einem Sondergebiet „Fachmarkt" als unzulässig ansieht, 488

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9. Kap., 2. Abschn.: Festsetzung Sonstiger Sondergebiete

sehen, weil in den Festsetzungen zur Art der zulässigen Nutzung die Errichtung von Einkaufszentren nicht explizit aufgeführt war. Nach Auffassung des Gerichts können die Festsetzungen auch nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass Einkaufszentren zulässig sind, weil der Begriff des Verbrauchermarktes nicht deckungsgleich mit dem des Einkaufszentrums sei und sich dadurch ein Widerspruch zwischen der Zweckbestimmung und der Festsetzung der Art der Nutzung eigäbe.

II. Stellungnahme: Deckungsgleichheit der Betriebsformen nicht erforderlich Die Ansicht des OVG M V 4 9 1 , wonach die Zulässigkeit eines Vorhabens maßgeblich von der Deckungsgleichheit der Begriffsbestimmung des geplanten Vorhabens mit der der in der Zweckbestimmung genannten Nutzungsart abhängt, ist abzulehnen. Das BVerwG 492 misst den Baugebietsfestsetzungen zwar auch eine negative ausschließende Wirkung bei, hieraus ergibt sich jedoch keine pauschale Ausschlusswirkung, die spiegelbildlich zur positiven Wirkung der Festsetzung ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob die typischen Auswirkungen des geplanten Vorhabens in einem eindeutig zu erkennenden Widerspruch zum Gebietscharakter des Sondergebiets stehen493. Deshalb müssen Vorhaben, die sich im Rahmen der Variationsbreite der Einzelhandelsgroßprojekte im Sinne des § 11 III 1 Nr. 1 bis 3 BauNVO halten, auch in solchen Sondergebieten als zulässig angesehen werden, deren Zweckbestimmung eine andere Anlagenart gemäß § 11 III 1 Nr. 1 bis 3 BauNVO festschreibt und in den Festsetzungen zur Art der Nutzung die betreffende Nutzungsart nicht ausdrücklich aufgeführt ist. Etwas anderes ergibt sich nur dann, wenn in den Festsetzungen zur Art der Nutzung bestimmte Einzelhandelsgroßprojekte ausgeschlossen werden oder sich ein derartiger Ausschluss bereits aus einem eindeutigen Zusatz in der Zweckbestimmung ergibt 494 . Ein Einkaufszentrum hat die gleichen typischen Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 Satz 2 BauNVO wie Verbrauchermärkte oder großflächige Einzelhandelsbetriebe, so dass in soweit kein Widerspruch zum Gebietscharakter möglich ist 495 . weil sich ein Fachmarkt durch ein tiefgehendes Sortiment artverwandter Warengruppen auszeichne, welches dauerhaft geführt wird. 491 OVG MV, Β. v. 30.06.1999 - 3 M 144/98 - NVwZ-RR 2000, 559 = DÖV 2001, 134. 492 BVerwG, U. v. 02.03.1973 - 4C 40.71 - BRS 27, Nr. 4, S. 5 (7). 493 BVerwG, U.v. 28.04.1978-4C 59.75-DVB1.1979,149(150); vgl. Hoppein: H/G-Öffentliches Baurecht, 1995 - § 8, Rn. 11. 494 Vgl. BVerwG, B.v.25.07.1986-4B 144/86-NVwZ 1987, 50 (51) = ZfBR 1986, 243. 495 Im Ergebnis ebenso: Runkel, UPR 1998,241 (245), zur Zulässigkeit eines Einkaufszentrums (FOC) in einem „Sondergebiet großflächiger Einzelhandel".

C. Zweckbestimmungen in Flächennutzungsplänen

283

III. Zulässigkeit von FOC in Sondergebieten für Einzelhandelsgroßprojekte Während es der Bay. VGH in seiner Entscheidung zum FOC Ingolstadt496 ausdrücklich offengelassen hat, ob ein FOC auch in einem Gebiet zulässig ist, für den der Bebauungsplan ein Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel ausweist, tendiert Birk offenbar dazu, dass die Zulässigkeit von FOC in den Festsetzungen des Bebauungsplans explizit aufgeführt sein muss497. Anders wären dessen Ausführungen, wonach ein Sondergebiet für FOC nur dann aus einem Flächennutzungsplan nach § 8 II BauGB entwickelt ist, wenn die dortige Darstellung dies ausdrücklich darstellt 498 , nicht zu erklären. Die Ansicht von Birk ist abzulehnen, weil sich FOC eindeutig den Einzelhandelsgroßprojekten im Sinne des § 11 III BauNVO zuordnen lassen und daher auch in einem Sondergebiet zulässig sind, dessen Zweckbestimmung in der Variationsbreite der Einzelhandelsgroßprojekte im Sinne des § 11 III BauNVO liegt 499 . Einer gesonderten Zulassung im Bebauungsplan bedarf es daher nicht 500 . Da ein Bebauungsplan einen objektiven Rechtssatz darstellt, gilt dies auch dann, wenn der Satzungsgeber zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses den besonderen Vertriebstyp des FOC nicht kannte 501 .

C. Zweckbestimmungen in Flächennutzungsplänen Während ein Teil der Literatur auch bei Flächennutzungsplänen die Pflicht zur Angabe der Zweckbestimmung aufgrund des Wortlauts des § 11 II 1 BauNVO annimmt 502 , lehnt dies ein anderer Teil 503 ab und lässt die Angabe der Nutzungsart genügen. 496

Bay. VGH, U.v.03.05.1999- 1 N98.1021 -BauR 1999, 1140 (1145) = BayVBl. 2000, 273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999, 432 = IBR 1999, 384 (FOC Ingolstadt). 497 Birk in: Spannowsky - Flächennutzungsplanung im Umbruch?, 1999-S. 145 (148); so wohl auch: Reidt, NVwZ 1999, 45 (47). 498 Birk in: Spannowsky-Flächennutzungsplanung im Umbruch?, 1999-S. 145 (148); a.A. Bönker - Rechtsgutachten: FOC, 1997 - S. 53, demnach wird dem Entwicklungsgebot Genüge getan, wenn der Standort für ein FOC im Flächennutzungsplan als Sonderbaufläche dargestellt wurde. 499 Zur Zulässigkeit in einem Sondergebiet „großflächiger Einzelhandel": Runkel, UPR 1998,241 (245); Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999-S. 66. 500 Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (339). 501 Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (339). 502 Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998-§ 11,Rn. 10; Stock, in König-BauNVO, 1999-§11, Rn. 11; Knaup/Stange - BauNVO, 1983 - § 11, Rn. 18. 503 Ziegler in: Brügelmann- BauGB, Stand Februar 2000- § 11 BauNVO, Rn. 22; Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11, Rn. 29; Boeddinghaus/Dieckmann - BauNVO, 1990- § 11, Rn.5.

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9. Kap., 2. Abschn.: Festsetzung Sonstiger Sondergebiete

Das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 18.02.1994 504 zutreffend ausgeführt, dass eine Pflicht zur Angabe der Zweckbestimmung auch für die Festsetzung einer Sonderbaufläche im Flächennutzungsplan besteht. Diese Pflicht basiert aber nicht auf § 11 I I 1 BauNVO, weil sich diese Vorschrift nur auf Sonderbaugebiete gemäß § 1 II Nr. 10 BauNVO und nicht auf Sonderbauflächen im Sinne des § 1 I Nr. 4 BauNVO bezieht, sondern aus der Funktion eines Flächennutzungsplanes. Die Darstellungen eines Flächennutzungsplanes nach § 5 Absatz 1 BauGB müssen so bestimmt und eindeutig sein, dass sie einen ausreichenden Rahmen für Konkretisierungen in einem Bebauungsplan bilden können. Dies ist bei der Darstellung einer Sonderbaufläche ohne nähere Zweckbestimmung nicht der Fall, weil die Variationsbreite der daraus möglichen Nutzungsarten sehr breit ist.

D. Die Festsetzung der Art der Nutzung Die Darstellung der Art der Nutzung ist bei Flächennutzungsplänen hinter der Darstellung der Zweckbestimmung eher zweitrangig, so dass ihre Darstellung nicht unbedingt erforderlich, aber auch nicht ausgeschlossen ist 505 . Im Gegensatz dazu ist gemäß § 11 I I 1 BauNVO die Darstellung der Art der Nutzung im Bebauungsplan eine zwingende Voraussetzung. Aus der Darstellung der Art der Nutzung müssen sich die allgemein zulässigen Anlagen sowie eventuell die Ausnahmen und andere Zulässigkeitsmerkmale ergeben; dies kann auch durch negative Beschreibungen geschehen506. Innerhalb des von § 1 II und III 1 BauNVO gezogenen Rahmens unterliegt die Ausweisung von Sondergebieten der planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde 507 . Die Gemeinde ist bei den Festsetzungen weder an die von der BauNVO vorgegebenen Nutzungsarten und Nutzungsbegriffe 508 noch an die planerischen Differenzierungsmöglichkeiten im Sinne des § 1 I V bis IX BauNVO gebunden509. 504

BVerwG, U.v. 18.02.1994-4C 4/92-NVwZ 1995, 267 (268). Nach Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 10.2 können Darstellungen zur Art der Nutzung insbesondere im Erläuterungsbericht verankert werden. 506 BVerwG, U.v. 14.04.1989-4C 52.87-Buchholz 406.12 § 11, Nr. 12, S.7 = UPR 1989, 352 (354); BVerwG, U.v. 18.08.1989-4C 12/86-NVwZ 1990, 362 (363). 507 BVerwG, B.v. 18.12.1990-4 NB 19.90-BRS 50, Nr. 19, S.51 (58). 508 BVerwG,B.v.08.05.1989-4B 78.89-ZfBR 1989.225 = NVwZ 1989,1060 = Buchholz 406.12 § 11, Nr. 13, S. 7; VGH Hess., B. v. 28.05.1986 - III OE 176/82 - UPR 1986, 446 (447) = ZfBR 1986, 250. 509 BVerwG, B. v. 07.09.1984 - 4 Ν 3/84 - NVwZ 1985, 338 (339); BVerwG, U.v. 18.08.1989-4C 12/86-NVwZ 1990, 362 (363); BVerwG NVwZ 1989,1060; BVerwG, U.v.27.04.1990-4C 36.87- NVwZ 1990, 1071 (1073) = GewArch 1991, 156; vgl. Dolde/ Menke, NJW 1999,1070(1078); Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998-§ 11,Rn.9.32; Moench/ Sandner, NVwZ 1999, 337 (343). 505

D. Die Festsetzung der Art der Nutzung

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Der Verordnungsgeber hat in § 1 III 3 BauNVO 1990 die Klarstellung eingefügt, dass bei der Festsetzung von Sondergebieten die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach § 1 IV bis X BauNVO keine Anwendung finden. Die Gemeinde kann auch Begriffe aus dem Katalog der Nutzungsarten der BauNVO anhand der besonderen Zweckbestimmung des Sondergebietes abwandeln510. Die Angabe der Art der Nutzung darf nicht auf eine individuelle Nutzung hinauslaufen, sondern muss ein gewisses Maß an Generalisierung einhalten511.

I. „Einkaufszentrum" als Darstellung der Art der Nutzung In der Literatur ist umstritten, ob die bloße Festsetzung „Einkaufszentrum" als Art der Nutzung dem Bestimmtheitsgrundsatz gerecht wird. Fickert/Fieseler vertreten die Auffassung, dass eine solche Festsetzung zu ungenau sei, weil der Begriff des Einkaufszentrums ein Sammelbegriff verschiedener Nutzungen ist 5 1 2 und somit nicht klar sei, welche Nutzungen zulässig sein sollen 513 . So sei die Zulässigkeit von Nutzungsarten, die nicht typischerweise in einem Einkaufszentrum vorhanden sind, wie Tankstellen, Räume für freie Berufe oder Wohnungen für Betriebspersonal davon abhängig, dass diese in den Festsetzungen explizit als zulässig bzw. als ausnahmsweise zulässig aufgeführt werden. Ziegler vertritt demgegenüber zu Recht die Meinung, dass der Bestimmtheitsgrundsatz hiermit gewahrt wird 514 . Mit der Festsetzung „Einkaufszentrum" wird zum Ausdruck gebracht, dass alle unter diese Sammelbezeichnung fallenden Nutzungen zulässig sein sollen, sofern sie dem Zweck des Einkaufszentrums nicht widersprechen.

II. Festsetzungen bezüglich der Verkaufsfläche Der VGH BW ging in seiner Entscheidung vom 22.02.1989 515 noch davon aus, dass bei der Darstellung der Art der Nutzung in einem Sondeigebiet die Voraussetzungen des § 1 IX BauNVO gegeben sein müssen. Deshalb müsse die Gemeinde 510 BVerwG, U. 08.05.1989-4B 78.89-ZfBR 1989,225 = NVwZ 1989,1060 = Buchholz 406.12 § 11, Nr. 13, S.7; BVerwG, U.v. 14.04.1989-4C 52.87-Buchholz406.12 § 11, Nr. 12, S. 7 = UPR 1989, 352 (354). 511 BVerwG, B. v. 07.09.1984 - 4 Ν 3/84 - NVwZ 1985, 338 (340); Bay. VGH, U.v. 29.11.1991 - 1B 90.2688-BRS 54, Nr.9, S.22 (23). 512 Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 18.2; siehe 3. Kapitel, 3. Abschnitt. 513 Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 10.2; zustimmend: Hoppe/Beckmann, DÖV 1989, 290 (292). 514 Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 69; zustimmend: Stock in: König - BauNVO, 1999- § 11, Rn. 29; ähnlich auch Söfker in: E Z B K BauGB, Stand April 2000, § 11, Rn. 37. 515 VGH BW, U. v. 22.02.1989 - 3 S 1161/88 - VB1BW 1989, 305 (307) = BRS 49, Nr. 71.

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9. Kap., 2. Abschn.: Festsetzung Sonstiger Sondergebiete

darlegen, warum Betriebe unter bzw. über einer bestimmten Größe generell oder doch jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse eine bestimmte Art baulicher Anlagen darstellen, warum also Quantität in Qualität umschlägt. Diese Auffassung wird von der heute herrschenden Meinung in Rechtsprechung 516 und Literatur 517 zu Recht abgelehnt. Es wird nunmehr übereinstimmend die Auffassung vertreten, dass bezüglich der Art der baulichen Nutzung in einem Sondergebiet gemäß § 11 II 1 BauNVO auch eine höchstzulässige Verkaufsfläche ohne Bindung an vorgegebene Anlagentypen festgesetzt werden kann. Das BVerwG hat sich in seiner Grundsatzentscheidung vom 27.04.1990 518 eingehend mit dieser Frage auseinandergesetzt und in seiner Entscheidung die vorinstanzliche Entscheidung des Bay. VGH 5 1 9 bestätigt. Das BVerwG führt in seiner Entscheidungsbegründung aus, dass die Festsetzung der höchstzulässigen Verkaufsfläche keine Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung, sondern eine Vorschrift über die Art der baulichen Nutzung darstellt. Durch die Festsetzung der höchstzulässigen Verkaufsfläche werde die durch den Verordnungsgeber besondere Nutzungsart des großflächigen Einzelhandels nur weiter aufgefächert. Die Größe der Verkaufsfläche ist nach dieser Rechtsprechung eine Determinante der Art der Nutzung. Die Verkaufsflächenbeschränkung muss allerdings städtebaulich begründet sein. 1. Kritik an der heute herrschenden Meinung Nach Schenke sind bei der Festsetzung von Verkaufsflächen die gleichen Voraussetzungen zu beachten wie im Rahmen des § 1 I X 5 2 0 . Schenke beruft sich hierbei auf die zuvor dargestellte Entscheidung des VGH BW 5 2 1 . Er begründet seine Auffassung damit, dass der Anlagentypus nicht notwendigerweise von der Verkaufsfläche abhänge, es bedürfe vielmehr eines Nachweises, dass ein Zusammenhang zwischen der Verkaufsfläche und dem Anlagentyp bestehe. Eine Beschränkung der Verkaufs516

BVerwG, U. v.27.04.1990-4C 36.87- NVwZ 1990, 1071 = GewArch 1991, 156; OVG Nds., U.v. 26.02.1999-1 Κ 1539/97-BauR 1999,1436 (1438) = NVwZ-RR 2000,562; VGH BW, U.v. 15.10.1993 —3S 335/92-VB1BW 1994,353 (355); Bay. VGH, V.30.12.1986-20B 86.02811 - JURIS; Bay. VGH, U.v.30.12.1986-20 CS86.02271 - ZfBR 1988, 97. 517 Battis, LKV 1999, 347 (349); Berg, WiVerw 1990, 209 (222); Bröll, ZfBR 1986, 271 (277); Büchner, NVwZ 1999, 345 (348); Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 11.11; Kniep, GewArch 1991, 158; Rodewoldt, IBR 2000, 95; Scholtissek, GewArch 1991, 93 (99); Söfker in: EZBK-BauGB, Stand April 2000- § 11, Rn. 105; Stüer- Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 1997 - Rn. 236; Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000-§11 BauNVO, Rn.72. 518 BVerwG, U.v.27.04.1990-4C 36.87- NVwZ 1990, 1071 = GewArch 1991, 156. 519 Bay. VGH, v. 30.12.1986 - 20 Β 86.02811 - JURIS; Bay. VGH, U. v. 30.12.1986 - 20 CS 86.02271 - ZfBR 1988,97. 5 *> Schenke, WUR 1990, 61 (62). 521 VGH BW, U. v. 22.02.1989 - 3 S 1161/88 - VB1BW 1989, 305 (307) = BRS 49, Nr. 71.

D. Die Festsetzung der Art der Nutzung

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fläche könne auch nicht gemäß § 16 BauNVO vorgenommen werden, weil diesbezüglich allenfalls Geschossflächenbeschränkungen möglich seien, die mit der Verkaufsfläche nicht inhaltsgleich sind. Schenke folgert aus der systematischen Stellung des § 11 BauNVO im Rahmen der Bestimmungen der §§ 1 bis 15 BauNVO über die Art der baulichen Nutzung, dass Bestimmungen über die Verkaufsfläche nicht auf der Grundlage des § 11 II BauNVO erlassen werden könnten. Eine Beschränkung der Verkaufsfläche sei mit dem vorliegenden Instrumentarium nicht möglich, so dass eine Änderung der BauNVO erforderlich sei 522 . 2. Stellungnahme: Eindeutige Wertung des Verordnungsgebers Der Verordnungsgeber hat mit der Etablierung des Satzes 3 in § 1 III BauNVO 1990 die Auffassung des BVerwG 523 bestätigt. Nach der Begründung zur Vierten Änderungsverordnung 524 soll der neue Satz 3 in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht klarstellen, dass besondere Festsetzungen, wie sie für die Baugebiete nach den §§ 2 bis 9 BauNVO in § 1 IV bis 10 BauNVO gelten, in Sondergebieten aufgrund der §§ 10 und 11 BauNVO erfolgen. Es ist davon auszugehen, dass dem Verordnungsgeber bei Erlass der BauNVO 1990 die Rechtsprechung des BVerwG 525 zur eingeschränkten Zulässigkeit einer Verkaufsflächenbeschränkung im Rahmen des § 1 I X BauNVO bekannt war. Mit der Klarstellung des Satzes 3 ist demzufolge im Umkehrschluss auch die Aussage verbunden, dass die Möglichkeiten von Festsetzungen bei der Ausweisung von Sondergebieten weitreichender sind als bei Festsetzungen gemäß § 1 I X BauNVO 526 . Demzufolge ist davon auszugehen, dass Verkaufsflächenbeschränkungen im Rahmen des § 11 II BauNVO ohne Bindung an die vorgegebenen Anlagentypen erfolgen können. Die von Schenke zur Begründung seiner Auffassung in Anspruch genommene Entscheidung des VGH B W 5 2 7 kann auch nicht zu einer anderen Schlussfolgerung führen, zumal der VGH BW seine Ansicht in seiner Entscheidung vom 15.10.1993 528 ausdrücklich geändert hat.

522

Schenke, WUR 1990, 61 (62). BVerwG, U.V.27.04.1990-4C 36.87- NVwZ 1990,1071 (1073) = GewArch 1991,156; BVerwG, U. v. 18.08.1989 - 4C12/86 - NVwZ 1990,362 (363); BVerwG, Β. ν. 07.09.1984 - 4Ν 3/84- NVwZ 1985, 338 (339); BVerwG NVwZ 1989,1060; vgl. Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998-§ 11, Rn.9.32. 524 BR-Drucksache 354/89 vom 30.06.1989, Seite 40. ^ BVerwG, U. v. 22.05.1987 - 4C 77/84 - NVwZ 1987, 1074 = ZfBR 1987, 251 = BauR 1987, 524 = BRS 47, Nr. 58, S. 154. 526 Ähnlich auch: Söfker in: EZBK-BauGB, Stand April 2000- § 11 BauNVO, Rn. 18 b, der von einer damit verbundenen (mittelbaren) Klarstellung spricht. 527 VGH BW, U. v. 22.02.1989 - 3 S 1161/88 - VB1BW 1989, 305 (307) = BRS 49, Nr. 71. 528 VGH BW, U.v. 15.10.1993-3S 335/92-VB1BW 1994, 353 (355). 523

288

9. Kap., 2. Abschn.: Festsetzung Sonstiger Sondergebiete

III. Festsetzung einer Gesamtverkaufsfläche Die Rechtsprechung sieht die Festsetzung einer Gesamtverkaufsfläche als zulässig an, weil der Verordnungsgeber bei der Festsetzung gemäß § 11 I I BauNVO im Gegensatz zu Differenzierungen nach § 1IX BauNVO nicht an bestimmte Anlagentypen gebunden ist. 1. Die Entscheidung des VGH BW Nach der Entscheidung des VGH BW vom 15.10.1993 529 kann eine Gesamtverkaufsfläche zwar nicht gemäß § 1 I X BauNVO festgesetzt werden, wohl aber nach § 11 II BauNVO, weil der Plangeber dort nicht an Typisierungsgebote gebunden ist. Von diesem Grundsatz ging der VGH BW offensichtlich auch in seiner Entscheidung vom 08.12.1999 530 aus. Im zugrunde liegenden Fall hatte das Gericht eine Festsetzung gemäß § 11 II BauNVO unbeanstandet gelassen, wonach die gesamte Verkaufsfläche im Bebauungsplangebiet maximal 5.000qm betragen darf. Der Entwurf des Einzelhandelserlasses B W 5 3 1 weist in gleicher Weise daraufhin, dass in Sondergebieten die höchstzulässige Verkaufsfläche als Gesamtverkaufsfläche ohne Bindung an vorgegebene Anlagentypen festgesetzt werden kann, wenn sich aus einer entsprechenden Begründung das städtebauliche Erfordernis ergibt. 2. Stellungnahme: Gesamtverkaufsfläche

unzulässig

Die aufgezeigte Tendenz in der Rechtsprechung ist bedenklich, weil hierbei allgemeingültige Planungsgrundsätze außer Acht gelassen werden. Die von Birk 532 und Schenke 533 entwickelte Argumentation gegen die Zulässigkeit einer Gesamtverkaufsfläche bezieht sich zwar auf eine Festsetzung gemäß § 1 IX BauNVO, die angeführte Begründung spricht jedoch ebenfalls gegen eine Zulässigkeit einer derartigen Festsetzung nach § 11 II BauNVO. Kern dieser Überlegungen ist nämlich nicht der Verstoß gegen die im Rahmen des § 1IX BauNVO zu beachtenden Typisierungsgebote der BauNVO, sondern die Ein529

VGH BW, U.v. 15.10.1993-3S 335/92-VB1BW 1994, 353 (355). VGH BW, Β. v. 08.12.1999 - 8 S 3017/98 - ersichtlich nur in JURIS, S. 1 (VB1BW 2000, 279 = VB1BW 3/2000, Β 5 - VGHBW-LS 72/2000 = IBR 2000,455); so wohl auch: OVG RP, U. v. 24.06.1992 - 10 C 12780/90 - BRS 54, Nr. 13, S. 40 = DÖV 1993, 209; OVG MV, Β. v. 30.06.1999 - 3 M 144/98 - NVwZ-RR 2000, 559 = DÖV 2001, 134; Bay. VGH, U. v. 03.05.1999 - 1 Ν 98.1021 - BauR 1999, 1140 = BayVBl. 2000, 273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999,432 = IBR 1999, 384 (FOC Ingolstadt). 531 Hinweise des Wirtschaftsministeriums zur Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten (Az.: 6-2500.4/7), Stand Juli 2000, S. 17, Ziffer 4.2.3.2. 532 Birk, VB1BW 1988, 281 (286) = NWVB1. 1989,73; Birk in: Birk- Stadt und Ortskerne ohne Geschäfte?, 1986-S. 51 (58 f.). 533 Schenke, DÖV 1988, 233 (243). 530

D. Die Festsetzung der Art der Nutzung

289

haltung des Bestimmtheitsgrundsatzes und allgemeiner Planungsgrundsätze, die auch bei Festsetzungen gemäß § 11 II BauNVO einzuhalten sind. Wurde im Bebauungsplan eine Gesamtverkaufsfläche festgesetzt, so beurteilt sich die Frage, ob ein Vorhaben zulässig bzw. in welchem Umfang zulässig ist, nicht allein nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes, sondern in erster Linie nach der schon vorhandenen Umgebungsnutzung. Ein Einzelhandelsbetrieb ist in einem Baugebiet mit einer Gesamtverkaufsfläche nur dann zulässig, wenn die höchstzulässige Gesamtverkaufsfläche nicht bereits durch vorangegange Ansiedlungen von Einzelhandelsbetrieben ausgeschöpft wurde. Ein derartiges Subtraktionsverfahren 534 ist für Festsetzungen von Bebauungsplänen nicht nur ungewöhnlich, es würde zudem ein Prioritätsprinzip etabliert. Die darüber hinaus angeführten Probleme bei der Abwägung 535 , die aus der Festsetzung einer Gesamtverkaufsfläche resultieren, fallen dabei kaum mehr ins Gewicht. Da sich die Zulässigkeit eines Vorhabens nicht unmittelbar aus dem Bebauungsplan selbst ergeben würde, liegt ein Verstoß gegen den in der Bauleitplanung zu beachtenden Bestimmtheitsgrundsatz vor. Eine Festsetzung einer Gesamtverkaufsfläche ist demzufolge wegen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz als nichtig anzusehen.

IV. Festsetzung einer Mindestverkaufsfläche Der VGH BW hat es in seiner Entscheidung vom 08.12.1999 536 als zulässig angesehen, wenn der Plangeber eine Mindestverkaufsfläche festsetzt. Im zugrunde liegenden Fall war eine Mindestverkaufsfläche von l.OOOqm für die jeweils im einzelnen festgelegten Fachmärkte festgesetzt worden. Das Gericht vertritt die Ansicht, eine Gemeinde könne eine derartige Festsetzung mit der städtebaulichen Begründung vornehmen, dass hierdurch der Gefahr eines Attraktivitätsverlustes des Einzelhandelsstandorts Innenstadt vorgebeugt wird. Der Plangeber ging im zugrundeliegenden Fall von der Überlegung aus, dass mit der Größe des jeweiligen Fachmarktes auch die Wahrscheinlichkeit eines discountorientierten Warenangebots wachse, wodurch die Gefährdung des Innenstadteinzelhandels zusätzlich begrenzt werde. Nach Auffassung des Gerichts ist ein derartiger Ansatz nicht willkürlich, weil hiermit eine Funktionsteilung537 des Einzelhandels zwischen höherwertigem Sortiment in der Innenstadt und discountorientierten Angeboten am Stadtrand intendiert ist. Wagner lässt zu Recht anklingen, dass man sich wohl über den Sinn einer Festsetzung von Mindestverkaufsflächen streiten könne, das Gericht habe jedoch das 534

Birk in: Birk - Stadt und Ortskerne ohne Geschäfte?, 1986-S.51 (58). Birk, VB1BW 1988, 281 (286) = NWVB1. 1989, 73; Schenke, DÖV 1988, 233 (243). 536 VGH BW, Β. v. 08.12.1999 - 8 S 3017/98 - VB1BW 2000, 279 = VB1BW 3/2000, Β 5 - VGHBW-LS 72/2000 = IBR 2000,455 = JURIS. 537 Bosch, BauR 1984, 350 (352) hebt die positiven Aspekte einer solchen Funktionsteilung hervor. 535

19 Kopf

290

9. Kap., 2. Abschn.: Festsetzung Sonstiger Sondergebiete

planerische Ermessen der Gemeinde in den Vordergrund gerückt 538 . Verkaufsflächenbegrenzungen seien, sowohl als Ober- als auch als Untergrenzen, ein zulässiges planerisches Instrument zur Durchsetzung einer kommunalen „Städtebaupolitik".

V. Festsetzung von Branchen und Sortimenten Der Plangeber kann nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung 539 und Literatur 540 bei der Konkretisierung der zulässigen Nutzungen auf einzelne Einzelhandelsbranchen abstellen. 1. Bestimmtheit der Branchenfestsetzungen Wichtige Anhaltspunkte für die Typisierung der einzelnen Branchen und Sortimente geben die jeweiligen Bezeichnungen in amtlichen Veröffentlichungen, in denen eine Definition der Branchen und Sortimente beinhaltet ist 541 . Derartige amtliche Veröffentlichungen stellen hinsichtlich der Branchen die „Systematik der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen (WZ 1979)" 542 sowie die „Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen, Ausgabe 1993" 543 und hinsichtlich der Sortimente das „Warenverzeichnis für die Binnenhandelsstatistik, (WB 1978)" 544 dar, die vom Statistischen Bundesamt herausgegeben werden. Zu einer Branche gehören auch die jeweiligen Randsortimente 545. Werden die Festsetzungen nach diesen amtlichen Veröffentlichungen vorgenommen, so ist sichergestellt, dass der verfassungsmäßige Bestimmtheitsgrundsatz gewahrt wird 546 . 538

Wagner, IBR 2000, 455. BVerwG, B. v. 25.07.1986 - 4 Β 144.86 - ZfBR 1986, 243 = NVwZ 1987, 50 (Einkauf-Möbel); OVG Nds. U.v.23.11.1982-6 C7/79-BauR 1983, 220 (Möbelmarkt); Bay. VGH, U.v. 23.05.1985 - 2 N 83 A. 1490 - BayVBl. 1986, 114 (115) = BRS 44, Nr. 44, S. 104 = ZfBR 1985, 292 (Möbel und Inneneinrichtungsgegenstände); VGH BW, Β. v. 08.12.1999 - 8 S 3017/98 - JURIS, S. 7 = VB1BW 2000, 279 = VB1BW 3/2000, Β 5 - VGHBW-LS 72/2000 = IBR 2000, 455 (Fachmärkte für Spielwaren, Sport- und Campingartikel, Elektrotechnische Erzeugnisse usw.); VGH Hess., B. v. 28.05.1986 - III OE 176/82 - UPR 1986,446 (447) = ZfBR 1986, 250 (Möbelmarkt). 540 Bröll, ZfBR 1986,271 (277); Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 10.3; Schenke, WUR 1990,61 (62) Söfker in: EZBK-BauGB, Stand April 2000- § 11, Rn. 105; Weiss in: Müller/Neuffer- BauNVO, 1991 - § 11, S. 139 und 144. 541 Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 10.3. 542 Systematik der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen, Ausgabe 1979; Unterabteilung 43 = Einzelhandel, S. 241 - die Differenzierung der Untergruppen, Gruppen, Untergruppen und Klassen erfolgt durch die jeweils zugewiesene Nummerierung. 543 Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen, Ausgabe 1993 - Abschnitt G, S. 333, ab Gliederungsnummer 52.1 (Einzelhandel mit Waren verschiedener Art (in Verkaufsräumen)); vgl. OVG NW, B. v.Ol.10.1996- 10a D102/96. N E - B R S 58, Nr. 33, S. 129. 544 Warenverzeichnis für die Binnenhandelsstatistik, Ausgabe 1978. 545 VGH BW, U.v.02.10.1992-8S 548/92-UPR 1993, 160 = ZfBR 1993, 149. 546 Vgl. Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998- § 11, Rn. 10.3. 539

E. Die Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung

291

2. Die Entscheidung des OVG NW Das OVG NW hat sich in seiner Entscheidung vom 22.06.1998 541 mit den Anforderungen an die Bestimmtheit der Festsetzungen für ein Sondergebiet befasst. Der Entscheidung lag ein Bebauungsplan zugrunde, der ein Sondeigebiet als „Einrichtungswarenhaus" festsetzt. Nach der textlichen Festsetzung darf in diesem Gebiet ein „EinrichtungsWarenhaus" mit 16.000 qm Verkaufsfläche errichtet werden, von denen 70% auf das Kernsortiment und maximal 30% auf Randsortimente entfallen dürfen. Nach Auffassung des Gerichts muss der Plan selbst sicherstellen, dass die konkret zulässigen Vorhaben hinreichend bestimmbar feststellbar sind, sofern die Gemeinde bei den Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung nicht die aus der BauNVO resultierenden generellen Zulässigkeitskriterien für die jeweiligen Baugebietstypen zugrunde legen will 5 4 8 . Da die Gemeinde nicht gemäß § 11 II BauNVO generell großflächigen Einzelhandel, sondern nur ein „Einrichtungswarenhaus" im Sondergebiet als zulässig festgesetzt hat, musste in diesem Fall eine Prüfung der Bestimmtheit vorgenommen werden. Das Gericht verneinte mit überzeugender Begründung die Bestimmtheit der Festsetzungen. Die bloße Branchenfestsetzung „Einrichtungswarenhaus" ist im Handelswesen nicht näher konturiert und die Festsetzungen beinhalten keine nähere Spezifizierung, mit welchen Waren am vorgesehenen Standort gehandelt werden darf 549 .

E. Die Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung Die Gemeinde kann im Bebauungsplan das Maß der baulichen Nutzung nach § 16 Absatz 2 BauNVO festsetzen. Diese Festsetzungsmöglichkeit ist auch bei Sondergebieten gegeben550. Hierbei kann sie die Grundflächenzahl, die Geschossflächenzahl, die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen festsetzen. Bei der Ausweisung von Sondergebieten ist hierbei jedoch auch § 17 BauNVO zu beachten. § 171 BauNVO ordnet den einzelnen Baugebietstypen bestimmte höchstzulässige Nutzungsmaße zu, von denen unter den Voraussetzungen des § 17 II BauNVO abgewichen werden kann. § 17 I BauNVO bringt zum Ausdruck, dass das Maß der 547 OVG NW, U. v. 22.06.1998 - 7 a D108/96 - BauR 1998, 1198 = NVwZ 1999, 79 = NJ 1999, 47; Klindt, IBR 1998, 498; 1999, 29; 1999, 84. 548 Vgl. Dolde/Menke, NJW 1999, 1070 (1077). 549 OVG NW, U. v.22.06.1998-7a D 108/96-BauR 1998, 1198 (1201) = NVwZ 1999, 79 = NJ 1999,47 verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass weder im WZ 1979 noch in der „Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen, Ausgabe 1993" eine Begriffsbestimmung des „Einrichtungswarenhauses" beinhaltet ist. 550 VGH BW, U.v.22.02.1989-3 S 1161/88-VB1BW 1989, 305 (307) = BRS 49, Nr.71.

19*

292

9. Kap., 2. Abschn.: Festsetzung Sonstiger Sondergebiete

Nutzung von der jeweiligen Zweckbestimmung des Baugebietes und der Art der dort zulässigen Nutzungen abhängig ist 551 .

F. Festsetzung eines Sondergebietes für FOC Nach der wohl herrschenden Meinung in Rechtsprechung552 und Literatur 553 kann auf der Grundlage des § 11 II BauNVO ein Sondergebiet ausgewiesen werden, in welchem die FOC-typischen Merkmale festgesetzt sind. Die GMA-Grundlagenuntersuchung beinhaltet eine beispielhafte Darstellung für eine mögliche textliche Fassung der Festsetzungen für ein Sondergebiet „FOC" 554 . Darin werden nicht nur die FOC-typischen Merkmale umschrieben, sondern es werden auch bestimmte Sortimente festgesetzt. Das OVG RP hat in seiner Entscheidung vom 08.01.1999 555 die Festsetzung der Zweckbestimmung „Factory Outlet Center" 556 und eine entsprechende Umschreibung der Art der Nutzung als zulässig angesehen. Die betrieblichen Besonderheiten eines FOC ergaben sich nach Ansicht des Gerichts aus der textlichen Festsetzung des Bebauungsplanes, der bestimmte bzw. bestimmbare Kriterien zugrundelegt, die auch in der Fachliteratur gebräuchlich sind. I. Kritik an der herrschenden Meinung Nach Batiis ist es nicht möglich, gemäß § 11 II BauNVO die für FOC typische Vertriebsform, nämlich die Ausschaltung von Zwischen- und Großhändlern bzw. der Verkauf durch den Hersteller oder auch die spezifische Preisbildung festzusetzen 557 . Es könne nur die Einzelhandelsform, wie Fachmarkt oder Fachgeschäft festgesetzt werden. Weitergehende Einschränkungen seien nur durch den Abschluss flankierender städtebaulicher Verträge möglich. 551

Vgl. BVerwG, U.v. 18.08.1989-4C 12/86-NVwZ 1990, 362 (363). OVG RP, Β. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (436) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); VG Neustadt/Weinstraße, 29.09.1998-2 L 2138/98-NVwZ 1999, 101 (103). 553 Bönker - Rechtsgutachten: FOC, 1997 - S. 39; Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999,119 (129); Moench in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000-S. 459 (474, Fn.80); Moench/Sandner, NVwZ 1999,337 (343, Fn.66); Uechtritz, BauR 1999, 572 (582). 554 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 S. 69, Tabelle 5. 555 OVG RP, Β. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (436) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz). 556 Diese Festsetzung war eine Maßgabe des raumordnerischen Entscheids der Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz - Abschlussentscheid des Raumordnungsverfahrens über die Errichtung eines Designer-Outlet Zweibrücken, Juni 1997 - S. 2, Ziffer A.2. 557 Battis, LKV 1999, 347 (349); ähnlich: Rieger-FOC, 1998-S.50. 552

F. Festsetzung eines Sondergebietes für FOC

293

II. Stellungnahme: Sondergebiet FOC zulässig Die Festsetzung eines Sondergebietes mit der Zweckbestimmung „FOC" und eine Umschreibung der FOC-typischen Merkmale im Rahmen der Festsetzung der Art der Nutzung auf Grundlage des § 11 II BauNVO ist als zulässig anzusehen, weil sich ein solches Baugebiet von den übrigen Baugebietstypen der BauNVO wesentlich unterscheidet und es keinen numerus clausus der Sondergebiete gibt. Da der Begriff des FOC nicht normiert ist, er im Handelswesen noch keine hinreichende Konturierung erfahren hat und in der Fachliteratur unter dem Begriff des FOC verschiedene Mischformen des Einzelhandels mit einzelhandelsnahen Einrichtungen in unterschiedlichen Variationen zusammengefasst werden 558 , ist eine detaillierte Umschreibung der FOC-typischen Merkmale unumgänglich559. Allein eine Festsetzung der Zweckbestimmung „FOC" würde dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht gerecht, weil hiermit beispielsweise noch nicht geklärt wäre, ob ausschließlich oder nur überwiegend Fabrikwaren (2. Wahl-Produkte, Restposten oder Auslaufmodelle, Modelle des Vorjahres bzw. der vorherigen Saison, Artikel aus Überschussproduktion und Waren zu Markttestzwecken) angeboten werden dürfen 560 . Der Bebauungsplan könnte allein aufgrund der Festsetzung „FOC" nicht sicherstellen, dass die konkret zulässigen Vorhaben hinreichend bestimmbar feststellbar sind und daher nicht klar wäre, mit welchen Waren am vorgesehenen Standort gehandelt werden darf 561 . Um „offene Tatbestände" zu vermeiden 562, empfiehlt es sich, Waren des kurzfristigen Bedarfs, wie Lebensmittel, auszuschließen. Außerdem sollten in solchen Gebieten herkömmliche großflächige Einzelhandelsbetriebe, Fachmärkte und Einkaufszentren explizit ausgeschlossen werden 563. Nach einer Muster-Formulierung für eine textliche Fassung für einen Bebauungsplan „FOC" in der GMA-Grundlagenuntersuchung müssen mindestens 85 % der Waren Fabrikware (2. Wahl-Produkte, Restposten oder Auslaufmodelle, Modelle des Vorjahres bzw. der vorherigen Saison, Artikel aus Überschussproduktion und Waren zu Markttestzwecken) sein 564 . 558

Siehe 2. Kapitel, Β. IV. 2. Vgl. Heinritz/Rauh, RuR 2000,47 (49). 560 Siehe hierzu die Ausführungen zur Abgrenzung des Begriffs FOC von dem des Value Center, 2. Kapitel, Β. IV. 2. 561 Vgl. OVG NW, U. v. 22.06.1998 - 7a D 108/96 - BauR 1998, 1198 = NVwZ 1999, 79 = NJ 1999, 47; Klindt, IBR 1998,498; 1999, 29; 1999, 84. 562 Klindt, IBR 1998, 498. 563 Vgl. VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - S. 3 des Urteils (GewArch 2000, 261 = UPR 2000, 320) (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung). 564 Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 S.70. 559

294

9. Kap., 2. Abschn.: Festsetzung Sonstiger Sondergebiete

Aus Gründen der Rechtsklarheit ist jedoch eine Festsetzung vorzugswürdig, wonach ausschließlich Fabrikware zugelassen wird 565 . Bei einer nur prozentualen Beschränkung auf Fabrikware lässt sich die Einhaltung dieser Festsetzung nicht so effektiv kontrollieren wie bei einer absoluten Beschränkung. Außerdem stellt sich hierbei die Frage, ob eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung 566 erst ab einer wesentlichen prozentualen Abweichung vorliegt. Auch lassen sich die Auswirkungen eines „reinen" FOC besser prognostizieren als bei einer Mischform. Die Regelungstiefe einer derartigen Festsetzung kann nicht mit dem Argument in Frage gestellt werden, dass hiermit eine unzulässige Wettbewerbssteuerung 567 intendiert sei. Durch eine solche detaillierte Festsetzung wird eine Beschränkung auf die FOC-typischen Auswirkungen sichergestellt, was auch im Interesse des FOCBetreibers ist. FOC verfügen typischerweise über einen sehr großen Einzugsbereich und einer daraus resultierenden breiten Streuwirkung 568. Aufgrund dieser hohen Streuwirkung sind nicht nur die negativen Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO auf die Innenstadt der Ansiedlungsgemeinde, sondern auch auf die Nachbargemeinden geringer als bei herkömmlichen Einkaufszentren vergleichbarer Größe. Eine Nachbargemeinde wird daher einen Bebauungsplan, der die Art der zulässigen Nutzung auf die FOC-typischen Merkmale beschränkt, schwerer wegen des Verstoßes gegen das interkommunale Abstimmungsgebot im Sinne des § 2 I I BauGB zu Fall bringen können, als wenn dieser die komplette Variationsbreite der in einem herkömmlichen Einkaufszentrum zulässigen Nutzungen ermöglichen würde 569 . Es liegt daher im Interesse der Ansiedlungsgemeinde und des FOC-Betreibers, im Bebauungsplan eine genaue Umschreibung der typisierenden Merkmale eines FOC zu verankern. Battis wendet zwar zu Recht ein, dass im Bebauungsplan nicht die Preisgestaltung und der Ausschluss von Groß- und Zwischenhandel festgesetzt werden können 570 . Allerdings ist durch die Beschränkung auf Fabrikware die Preisgestaltung bereits vorgezeichnet. Des Weiteren wird es wohl kaum im Interesse der Hersteller liegen, für den Vertrieb der Fabrikware Einzelhändler zwischenzuschalten, weil da565 So im Falle des FOC Zweibrücken: vgl. VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - S. 3 des Urteils (GewArch 2000, 261 = UPR 2000,320) (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung) sowie bezüglich des FOC Soltau: vgl. Kleine/Offermanns, RuR 2000, 35 (42). 566 Siehe 8. Kapitel, B.II. 567 Vgl. grundsätzlich zur „Gefahr" der Wettbewerbssteuerung durch zu detaillierte Festsetzungen: Bröll, ZfBR 1986, 271 (277); Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998-§ 11, Rn. 11.2. 568 Vgl. VG Potsdam, B.V.07.05.1999-5L 950/98-BauR 1999,1146 (1149) = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland); Vogels/ Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 135. 569 570

Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C.III.lO.c. Battis, LKV 1999, 347 (349).

F. Festsetzung eines Sondergebietes für FOC

295

durch die Gewinnmarge der Hersteller minimiert würde. Außerdem würden die Hersteller ihren Einfluss auf das Niveau der Produktvermarktung weitgehend aus der Hand geben, was dem Erhalt des Markenimages abträglich sein kann 5 7 1 . I m Bebauungsplan kann auch nicht die Markenqualität der entsprechenden Sortimente festgesetzt werden, weil eine solche Regelung dem Bestimmtheitsgrundsatz wohl kaum gerecht würde. Eine Beschränkung auf sogenannte Premiummarken, die Preisgestaltung sowie die Ausschaltung von Zwischen- und Großhändlern kann daher nur in einem flankierenden städtebaulichen Vertrag getroffen werden 5 7 2 . Darin kann zudem die Einhaltung der i m Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen sowie deren Kontrolle vereinbart werden 5 7 3 .

571

Vgl. Pabst/Brambach in: Tomczak - Alternative Vertriebswege, 1999 - S. 164 (178). Battis, LKV 1999, 347 (349); Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 137; ein derartiger flankierender städtebaulicher Vertrag wurde für das FOC Zweibrücken geschlossen: vgl. OVG RP, B. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - S. 4 der Entscheidung (NVwZ 1999,435 (436) = BauR 1999,367 = NJW 1999,1495) (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz). Die Sicherstellung der konzepttreuen Umsetzung durch rechtsverbindliche Vereinbarungen war eine Maßgabe des raumordnerischen Entscheids der Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz - Abschlussentscheid des Raumordnungsverfahrens über die Errichtung eines Designer-Outlet Zweibrücken, Juni 1997 - S. 2, Ziffer A.2. 573 Hoppe in: Ziekow - Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen, 1999-S. 119 (129); Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (343); kritisch: Kleine/Offermanns, RuR 2000, 35 (42), eine Kontrolle sei kaum möglich; so auch Heinritz/Rauh, RuR 2000, 47 (52), Priebs in: Gans/Lukhaup - Einzelhandelsentwicklung - Innenstadt versus periphere Standorte, 1998 - S . 107 (112). 572

Zehntes Kapitel

Die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten in unbeplanten Gebieten Besteht für ein Gebiet kein Bebauungsplan, so hat dies nicht automatisch zur Folge, dass die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten unzulässig ist. In diesem Kapitel wird auf die rechtliche Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten im unbeplanten Innen- (1. Abschnitt) und Außenbereich (2. Abschnitt) eingegangen. Ausgeklammert bleibt die rechtliche Zulässigkeit eines solchen Vorhabens in einem Gebiet, welches im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplanes liegt 1 . Erster Abschnitt

Zulässigkeit gemäß § 34 BauGB Bei der Prüfung der baurechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles2 kommt § 34 BauGB zur Anwendung. Ein Vorhaben ist gemäß § 34 BauGB zulässig, wenn es sich in die nähere Umgebung einfügt.

Λ. Die Eigenart der näheren Umgebung Wie weit der Bereich reicht, der als nähere Umgebung der Prüfung zugrunde zu legen ist, richtet sich nach der wechselseitigen Prägung, also zum einen nach dem Einwirkungsbereich des Vorhabens auf seine Umgebung und zum anderen, in wie weit die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstückes prägt und beeinflusst 3. 1

Vgl. hierzu: Krautzberger in: BKL - BauGB, 1999 - § 34, Rn. lOf. Vgl. zu diesen Begriffen: Krautzberger in BKL - BauGB, 1999 - § 34, Rn. 1. 3 BVerwG, U. v. 25.11.1983 - 4 C 64.79 - BRS 40, Nr. 45, S. 113 (114); BVerwG, U. v. 26.05.1978-4C 9.77-BVerwGE 55, Nr. 47, S.369 (380); OVG NW, U.v. 25.04.1991 - 1 1 A 1755/87-NVwZ-RR 1992,118 (120); OVG NW U.v.03.11.1988-11 A 2310/86-NVwZ 1989,676 (678); BRS 49, Nr. 72, S. 180; VG Gießen, v. 07.12.1998-1 G 2001/98-JURIS, S.4. 2

Α. Die Eigenart der näheren Umgebung

297

Dabei muss die Betrachtung auf das Wesentliche zurückgeführt und alles außer Acht gelassen werden, was die vorhandene Bebauung bzw. die Umgebung nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint. Fremdkörper sind nur solche Anlagen, die nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen 4. Bei der Ermittlung der näheren Umgebung im Sinne des § 34 BauGB ist nur die bisher vorhandene und nicht die möglicherweise demnächst entstehende Bebauung zu berücksichtigen5. Diesbezüglich sind auch solche Nutzungen als maßstabsbildend anzusehen, die zwar (noch) nicht genehmigt sind, mit deren Vorhandensein sich die Bauaufsichtsbehörde aber abgefunden hat6.

I. Optische Wahrnehmbarkeit der prägenden Merkmale Der Begriff der Bebauung erfordert bauliche Anlagen, die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend sind. Es ist ständige Rechtsprechung des BVerwG 7, dass sich die Eigenart der näheren Umgebung nur in Merkmalen äußert, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter prägen können8. Die räumliche Ausdehnung der für das Einfügen maßgeblichen Umgebung steht zwar in Abhängigkeit von der Größe des Vorhabens, die Bestimmung der näheren Umgebung im Sinne des § 34 BauGB wird jedoch nicht von den städtebaulichen und landesplanerischen „Fernwirkungen" im Sinnes des § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO beeinflusst 9.

4 BVerwG, U. v. 26.05.1978 - 4C 9.77 - BVerwGE 55, Nr. 47, S. 369 (380); Bay. VGH, v. 24.06. 1994 - 26 Β 93.993 - JURIS, S. 6, das Gericht führt aus, dass ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb kein Fremdkörper in einer gewerblich-industriellen Nachbarschaft darstellt. 5 BVerwG, B.v. 04.06.1985 - 4B 102.85 - ZfBR 1986,47; BVerwG, U. v. 26.05.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, Nr. 47, S. 369 (381). 6 BVerwG, U.v. 06.11.1968-4C 31.66 - BayVBl. 1969, 134 (135); Bay. VGH, v. 24.06. 1994-26 Β 93.993-JURIS, S.8; vgl. Stüer/Rude, DVB1. 2000, 390 (392). 7 BVerwG, U. v. 17.06.1993 - 4C 17.91 - NVwZ 1994, 294 = BauR 1994, 81 = Buchholz 406.11 § 34, Nr. 158, S. 97; BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 - NVwZ 1991, 879 (880) = NJW 1992, 328. 8 Lemmel in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 353 (363); Stüer/Rude, DVB1. 2000, 390 (392). 9 BVerwG, B. v. 20.04.2000 - 4B 25.00 - Buchholz 406.11 § 34 Nr. 199, S. 17 (19) = BauR 2001, 212; BVerwG U. v. 11.02.1993 - 4C 15/92 - NVwZ 1994, 285 (287) = DÖV 1993, 914 = ZfBR 1993, 191 = DVB1. 1993,659; BVerwG U.v.22.05.1987-4C 6 und 7.85-BauR 87, 531 (532) = NVwZ 1987, 1078 = ZfBR 87, 257 = Buchholz 406.12 § 11 Nr. 10, S. 6; OVG NW, U.v.03.11.1988-11 A 2310/86-NVwZ 1989,676 (677) = BRS 49, Nr.72,180; Krautzberger in: BKL - BauGB, 1999 - § 34, Rn. 41.

298

10. Kap., 1. Abschn.: Zulässigkeit gemäß § 34 BauGB

II. Kritik an der Rechtsprechung Hiergegen wird seitens der Literatur 10 eingewandt, dass die Auffassung der Rechtsprechung in ihrer Allgemeinheit nicht zutreffend sei, weil eine Differenzierung der die Umgebung prägenden Nutzungsarten auch von Merkmalen abhängen könne, die optisch nicht wahrnehmbar sind. Nach dieser Auffassung sind nicht nur der Grad der Immissionen der Anlagen 11, sondern bei Einzelhandelsbetrieben neben der Großflächigkeit auch die städtebaulichen und raumordnerischen Auswirkungen im Sinne des § 11 III BauNVO als die Eigenart der Umgebung prägenden Merkmale zu berücksichtigen 12. Die zuvor dargestellte Auffassung ist abzulehnen, weil § 34 BauGB keine Ersatzplanung, sondern ein Planersatz darstellt und damit konsequenterweise nur auf tatsächlich wahrnehmbare Merkmale der vorhandenen Bebauung abgestellt werden kann. Optisch nicht wahrnehmbare Merkmale können nur durch Festsetzungen in einem Bebauungsplan zum Tragen kommen. Die von der Literatur angeführten Merkmale müssen im Rahmen des § 34 BauGB jedoch nicht gänzlich außer Betracht bleiben. Die genannten Merkmale sind im Rahmen des § 34 II BauGB zwar nicht für die Bestimmung der näheren Umgebung, wohl jedoch bei der Ermittlung des Gebietscharakters dieser näheren Umgebung auf der Tatbestandsseite des § 34 II zu beachten.

B. Zulässigkeit gemäß § 34 I I BauGB Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung eines Ansiedlungsstandortes faktisch einem der Baugebietstypen der BauNVO, so bestimmt sich die Zulässigkeit der Art der baulichen Nutzung nach § 34 II BauGB in Verbindung mit der jeweiligen Bestimmung der BauNVO (faktisches Baugebiet). Die baurechtliche Zulässigkeit beurteilt sich nach den Vorschriften der BauNVO, so dass es auf ein Einfügen gemäß § 34 I BauGB anders als bei § 34 I BBauG nicht mehr ankommt13. § 34 I I BauGB stellt demzufolge unter dem Blickwinkel der Art der baulichen Nutzung die faktischen Baugebiete den im Wege der Bauleitplanung festgesetzten Baugebieten gleich 14 . Weist das Baugebiet Merkmale zweier oder mehrerer Baugebiete auf, so ist § 34 II BauGB nicht anwendbar 15. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung muss sich das Vorhaben gemäß § 341 einfügen. 10

Büchner, NVwZ 1999, 345 (347); Söfker in: EZBK-BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 96. 11 Büchner, NVwZ 1999, 345 (347). 12 Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 96. 13 Schenke, DÖV 1988, 233 (240). 14 BVerwG U.v. 11.02.1993-4C 15/92-NVwZ 1994,285 (288) = DÖV 1993,914 = ZfBR 1993, 191= DVBl. 1993, 659.

Β. Zulässigkeit gemäß § 34 II BauGB

299

§ 34 I I BauGB beinhaltet eine dynamische Verweisung, wonach immer von der zum Zeitpunkt der Entscheidung jeweils gültigen Fassung der BauNVO auszugehen ist 16 . Es spielt demzufolge auch keine Rolle welche Fassung der BauNVO zum Zeitpunkt der Aufstellung eines Flächennutzungsplanes für das nach § 34 BauGB zu beurteilende Gebiet anzuwenden war.

I. Die Anwendbarkeit des § 11 I I I BauNVO Nach allgemeiner Auffassung 17 ist § 11 III BauNVO im Rahmen des § 34 II BauGB unmittelbar anwendbar. Die städtebaulichen und landesplanerischen Fernwirkungen gemäß § 11 III BauNVO kommen zwar nicht bei der Ermittlung der näheren Umgebung, wohl aber auf der Rechtsfolgenseite zum Tragen, so dass beispielsweise ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb mit negativen Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO in einem Gebiet, in dem die vorhandene Bebauung dem eines Industriegebiets gemäß § 9 BauNVO entspricht, unzulässig ist 18 .

II. Faktisches Sondergebiet für Einzelhandelsgroßprojekte Nach der Rechtsprechung19 und der überwiegenden Auffassung in der Literatur 20 ist ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb zulässig, wenn die Eigenart der näheren Umgebung von Bauwerken geprägt wird, deren Zulässigkeit sich in einem Bebauungsplangebiet nach § 7 BauNVO oder nach einem Sondergebiet für Einzelhandelsgroßprojekte im Sinne des § 11 II BauNVO bestimmen würde. 15

BVerwG, B. v. 02.07.1991 - 4 B 1/91 - N V w Z 1991, 982 (983) = BRS 52, Nr.64, S. 159; im Anschluss daran: OVG Berlin, B. v. 17.03.1999 - OVG 2 S 6.98 - GewArch 2000, 171 (172); Hüttenbrink, BauR 1982, 412 (415). 16 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 54.80 - BauR 1984, 380 (383) = BVerwG 68, Nr. 53, S. 342; OVG Saar., U. v. 13.05.1980 - H R 172/79 - BRS 36, Nr. 72, S. 155 (156) = GewArch 1981,394. 17 BVerwG U.v. 11.02.1993-4C 15/92-NVwZ 1994,285 (288) = DÖV 1993,914 = ZfBR 1993, 191 = DVB1. 1993, 659; Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 30.4; Schenke, DÖV 1988, 233 (240); Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (262); Söfker-EZBK, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 99. 18 BVerwG, U.v.03.02.1984-4C 54.80-BauR 1984, 380 = BVerwGE 68, Nr.53, S.342; Steger, BWGZ 1985, 110 (116). 19 BVerwG U.v. 11.02.1993-4C 15/92-NVwZ 1994,285 (288) = DÖV 1993,914 = ZfBR 1993,191 =DVB1.1993,659; OVG NWU.v.03.11.1988-11 A2310/86-BRS49,Nr.72,180 (182); OVG NW, B. v. 09.02.1988 - 11 Β 2505/87 - NVwZ-RR 1988, 11(12) = DÖV 1988, 843 = NWVB1. 1988, 235. 20 Bönker-Rechtsgutachten: FOC, 1997-S.62; Büchner, NVwZ 1999,345 (347); Dürr in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 34, Rn. 36; Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 30.5; Grooterhorst, DÖV 1986, 420 (421); Krautzberger in: BKL - BauGB, 1999- § 34, Rn.49; Reidt, NVwZ 1999,45 (47); Runkel, UPR 1998, 241 (245); Stock in: König - BauNVO, 1999 - § 11, Rn. 38; Schenke, WUR 1990,61 (63); Schlichter, UPR 1984,209 (211); Söfker-EZBK, Stand April 2000- § 11 BauNVO, Rn.99a; Voß, ZfBR 1994, 111.

300

10. Kap., 1. Abschn.: Zulässigkeit gemäß § 34 BauGB

Nach dieser Auffassung kann gemäß § 34 I I BauGB nicht nur ein faktisches Kerngebiet, sondern auch ein faktisches Sondergebiet angenommen werden. § 34 II BauGB stellt jedoch nicht darauf ab, ob ein solches Gebiet im Wege der Planung hätte geschaffen werden dürfen 21. Das Vorliegen eines Kerngebietes ist jedoch nicht mit dem innerstädtischen Bereich der Kernstadt gleichzusetzen22. Es ist vielmehr genau zu prüfen, ob die Eigenart der näheren Umgebung § 7 I BauNVO entspricht. 1. Kritik an der herrschenden Meinung Nach Traumann 23 ist § 11 III BauNVO zwar anwendbar, hieraus ergebe sich jedoch, dass Einzelhandelsgroßprojekte im unbeplanten Innenbereich gänzlich unzulässig seien. Aus dem Wortlaut des § 11 III BauNVO, wonach die in den Ziffern 1 bis 3 genannten Betriebe außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig sind, müsse der Schluss gezogen werden, dass in faktischen Sondergebieten weitere Einzelhandelsgroßprojekte nicht zulässig sind, sondern es hierfür einer Aufstellung eines Bebauungsplanes bedarf. Borges vertritt die Auffassung, die von der herrschenden Meinung als „faktische Sondergebiete" bezeichneten Fallgestaltungen seien nach § 341 BauGB zu beurteilen, weil § 34 II BauGB nicht auf § 11 BauNVO verweise 24. Würde man § 34 II BauGB in Verbindung mit § 11 BauNVO auf praktisch relevante Fälle anwenden, so ergäben sich andere Ergebnisse als bei der Anwendung des § 34 I BauGB. Nach Borges würde ein Gebiet, welches ausschließlich durch großflächige Einzelhandelsbetriebe einer bestimmten Branche geprägt wird, gemäß § 34 II BauGB in Verbindung mit § 11 BauNVO ein faktisches Sondergebiet einer bestimmten Einzelhandelsbranche darstellen. Ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb, der eine hiervon abweichende Warengruppe führt, wäre in diesem Gebiet unzulässig. Dagegen wäre dieser großflächige Einzelhandelsbetrieb gemäß § 34 I BauGB zulässig, weil bei der Frage des Einfügens nur relevant ist, ob bereits ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb - gleich welcher Branche - vorhanden ist. Die Anwendbarkeit des § 11 BauNVO könne nicht aus dem Wortlaut des § 34 I I BauGB abgeleitet werden, weil § 34 II BauGB auf die in der BauNVO „bezeichne21

BVerwG U.v. 11.02.1993-4C 15/92-NVwZ 1994,285 (288) = DÖV 1993,914 = ZfBR 1993, 191 = DVBl. 1993, 659; a.A. Borges, DVBl. 1998, 626 (629), der die Annahme eines faktischen Sondergebiets u. a. deswegen ablehnt, weil die Beachtung der raumordnerischen Ziele der gemeindlichen Bauleitplanung vorbehalten sei. 22 Schenke, WUR 1990, 61 (63). 23 Traumann, GewArch 1985, 255 (256). 24 Borges, DVBl. 1998, 626 (628); zustimmend: Dolde/Menke, NJW 1999, 2150 (2154).

Β. Zulässigkeit gemäß § 34 II BauGB

301

ten" Baugebiete verweise und hiermit nur die präzise bezeichneten Baugebiete der BauNVO gekennzeichnet würden. Diese gehe zudem aus dem Wortlaut des § 34112. Teilsatz BauGB hervor, in dem auf die ausnahmsweise Zulässigkeit im Sinne der BauNVO Bezug genommen wird. Demzufolge verweise § 34 I I BauGB nicht auf § 11 BauNVO, weil dieser einen offenen Tatbestand darstelle nach dem eine unbegrenzte Vielzahl unterschiedlicher Baugebiete festgesetzt werden kann. Auch die Rechtsprechung des BVerwG 25 zu § 4a BauNVO mache deutlich, dass § 34 II BauGB nicht auf alle in §§ 2 bis 11 BauNVO genannten Baugebietstypen verweise. 2. Stellungnahme: §11 III BauNVO anwendbar Die von Traumann vertretene Auffassung widerspricht der systematisch-teleologischen Auslegung des § 34 BauGB. Wenn der Gesetzgeber über die Verweisung des § 34 I I BauGB auf § 11 I I I BauNVO mittelbar die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten im unbeplanten Innenbereich hätte ausschließen wollen, so wäre es unverständlich, warum die Zulässigkeit solcher Betriebe nach § 341 BauGB nicht ausgeschlossen wurde. Die Etablierung des §246 VII BauGB 26 stützt diese Auslegung. Der Regelungszweck des § 246 VII BauGB besteht gerade darin, die Bundesländer zum Ausschluss von Einzelhandelsgroßprojekten in diffusen Gebieten zu ermächtigen27. Borges lässt zum einen den eindeutigen Wortlaut des § 34 II BauGB außer Acht, der ohne Einschränkung auf die BauNVO verweist und zum anderen verkennt er die Rechtsprechung des BVerwG zur Funktion des § 11 III BauNVO. Borges ist zwar insoweit zuzustimmen, dass § 34 II nicht global auf ein faktisches „sonstiges Sondergebiet" im Sinne des § 11 I I BauNVO verweist, weil die Bandbreite der daraus abzuleitenden Sondergebiete zu groß und damit zu unbestimmt ist. Mit einer solchen Auslegung könnte auch dem Regelungszweck des § 34 II BauGB, durch die Anwendbarkeit der BauNVO mehr Klarheit zu schaffen, nicht entsprochen werden. Gegenstand der Verweisung kann jedoch ein Sondergebiet für Einzelhandelsgroßprojekte gemäß § 11 I I BauNVO sein. § 11 I I BauNVO enthält zwar lediglich eine Rahmenvorschrift für den Planungsträger, nach der die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung eines Sondergebietes für Einzelhandelsgroßprojekte vorzunehmen ist 28 , jedoch geht das BVerwG 29 davon aus, dass § 11 III BauNVO neben den in 25

BVerwG, B.v. 11.12.1992 4B 209/92-NVwZ 1993, 1100. Siehe 10. Kapitel, E. 27 Vgl. Krautzberger in: BKL-BauGB, 1999- §247, Rn. 10. 28 Siehe 9. Kapitel, 2. Abschnitt. 29 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 54.80 - BauR 1984, 380 (382) = BVerwG 68, Nr. 53, S. 342; OVG Sachsen-Anhalt, U, v. 29.06.1993 - 1 Κ 6/92 - LKV 1994, 220 (220); vgl. Schlichter, UPR 1984, 209 (210). 26

302

10. Kap., 1. Abschn.: Zulässigkeit gemäß § 34 BauGB

§§ 2 bis 9 BauNVO aufgeführten Baugebieten ein Baugebiet besonderer Art, nämlich das des „großflächigen Einzelhandels" schafft. Nach dem Gericht hat der Verordnungsgeber mit den möglichen Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 und Satz 2 die allgemeine Zweckbestimmung des Gebietes und mit Satz 3 in Verbindung mit den Nrn. 1 bis 3 des Satzes 1 die allgemeine Zulässigkeit umschrieben. Aus der Rechtsprechung des BVerwG 30 zu §4a BauNVO kann der Schluss gezogen werden, dass besondere planerische Absichten der Gemeinde, der vorhandenen Umgebungsbebauung nicht entnommen werden können31. Deshalb kann ein faktisches Sondergebiet mit näheren Differenzierungen, wie etwa Branchenausschlüssen und Verkaufsflächenbegrenzungen, nicht zu Grunde gelegt werden, weil derartige Differenzierungen Ausfluss einer besonderen planerischen Absicht darstellen würden. § 34 II BauGB kann daher nur auf ein Sondergebiet für Einzelhandelsgroßprojekte verweisen, in dem alle Betriebe zulässig sind, die sich in der Variationsbreite des § 11 III BauNVO bewegen. Ein großflächiger Gartenmarkt ist daher auch in einem faktischen Sondergebiet zulässig, welches ausschließlich durch großflächige Möbelmärkte geprägt ist. Eine Diskrepanz zwischen dem Maßstab des § 34 I I BauGB in Verbindung mit § 11 II BauNVO und dem des § 34 I BauGB ist entgegen der Darstellung von Borges nicht gegeben.

III. Zusammenfassung § 34 II BauGB verweist auch auf § 11 II BauNVO. Einzelhandelsgroßprojekte im Sinne des § 11 III BauNVO sind in einem faktischen Kern- bzw. Sondergebiet zulässig. Ein großflächiger Handelsbetrieb ist auch in einem faktischen Misch-, Gewerbe- oder Industriegebiet zulässig, sofern das jeweilige Vorhaben keine städtebaulichen und landesplanerischen Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO mit sich bringt.

C. Zulässigkeit gemäß § 34 I BauGB Entspricht die Eigenart der Umgebung nicht einem Baugebietstyp der BauNVO, so ist ein sogenanntes diffuses Gebiet gegeben. Die baurechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens beurteilt sich dann nach § 341 BauGB. Ein Einzelhandelsgroßprojekt ist zulässig, wenn sich das Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche 32, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. 30

BVerwG, B.v. 11.12.1992 4B 209/92-NVwZ 1993, 1100. Lemmel in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 353 (359). 32 BVerwG, B.v. 15.04.1987-4B 60/87-NVwZ 1987,1080, es kann auch auf die konkrete Größe der Grundfläche der baulichen Anlage im Sinne einer absoluten Zahl ankommen. 31

C. Zulässigkeit gemäß § 341 BauGB

303

I. „Fernwirkungen" im Rahmen des § 341 BauGB Die frühere Rechtsprechung33 und Literatur 34 ging zum Teil davon aus, dass im Rahmen des § 341 BauGB Fernwirkungen, also negative Auswirkungen gemäß § 11 III BauNVO sowie die Ziele der Raumordnung und Landesplanung35 als öffentliche Belange zu berücksichtigen sind. Diese Auffassung ist mit der heute herrschenden Meinung in Rechtsprechung36 und Literatur 37 abzulehnen. Die in § 34 I BauGB genannten Kriterien sind grundsätzlich keiner Anreicherung um Elemente zugänglich, die sich als zusätzliche Zulässigkeitshürden erweisen. Die Ziele der Raumordnung und Landesplanung sind nach dieser Auffassung weder über die Raumordnungsklausel des § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO noch direkt auf § 341 BauGB anwendbar38. Das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 11.02.1993 39 ausgeführt, dass das in § 2 I I BauGB verankerte interkommunale Abstimmungsgebot für die Genehmigung von Einzelvorhaben in unbeplanten Gebieten gemäß § 34 BauGB nicht zur Anwendung kommt. Das Gericht begründet dies damit, dass § 2 II BauGB grundsätzlich nur bei der Aufstellung von Bauleitplänen zu berücksichtigen sei. Bei der Erteilung einer Einzelgenehmigung auf der Grundlage des § 34 BauGB kommt dieser Vorschrift die Funktion eines Planersatzes und nicht eines Ersatzplanes zu, so dass § 34 BauGB keinen Bezug zur gemeindlichen Bauleitplanung aufweist. 33

OVG Nds., U. v. 19.01.1981 - 1 A 172/78 - GewArch 1981, 397 (398); OVG Nds., U. v. 22.11.1979 - 1 A139/78 - BRS 35, Nr. 47, S. 111 (112) = VR 1980, 277. 34 Gehrmann, GewArch 1985, 249 (252); Knaup/Stange - BauNVO, 1983 - § 11, S. 102. 35 VG München, U. v. 14.09.1978 - M 82 VII 76 - zitiert nach Bröll/Hannig, BayVBl. 1979, 353 (358, Fn. 45); Dohle, NJW 1977, 1372 (1374); Gräf/Henneke, ZfBR 1980, 218 (222); Grooterhorst, DÖV 1986, 420 (421 f.); Hartwig, NVwZ 1985, 8 (13). 36 BVerwG, B. v. 20.04.2000 - 4B 25.00 - Buchholz 406.11 § 34 Nr. 199, S. 17 (19) = BauR 2001, 212; BVerwG U. v. 11.02.1993 - 4 C 15/92 - NVwZ 1994, 285 (286) = DÖV 1993, 914 = ZfBR 1993, 191 = DVBl. 1993, 659; BVerwG, B.v. 12.03.1990-4B 210.89-S.6 der Entscheidung = JURIS; BVerwG U. v. 22.05.1987 - 4 C 6 und 7.85 - BauR 87, 531 (532) = NVwZ 1987, 1078 = ZfBR 87, 257 = Buchholz 406.12 § 11 Nr. 10, S. 6; BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 8/80 - NJW 1984, 1773 (1774) = BauR 1984, 377 = UPR 1984, 234 = BVerwGE 68, Nr.54, S.352; BVerwG, U.v.03.02.1984-4C 25.82-BauR 1984, 373 (376) = UPR 1984, 231 = BVerwGE 68, Nr. 55, S. 360, BGH, U. v. 30.06.1983 - III ZR73/82-BauR 1984,49 (51), OVG NW U.v.03.11.1988- 11 A 2310/86-BRS 49, Nr.72, 180 (183), OVG Nds., U.v. 16.06.1982-1 A 194/80-ZfBR 1983, 41 (43) = BRS 39, Nr.58, S. 118 = BauR 1982, 557. 37 Hüttenbrink, DVBl. 1987,1045 (1048); Schenke, UPR 1986,281 (292); Schlichter, UPR 1984, 209 (212); Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988, 199 (261); Steger, BWGZ 1985, 110 (115); Weidemann - Staatsaufsicht, 1982 - S. 247 f. 38 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, D. V. 39 BVerwG U. v. 11.02.1993-4C 15/92-NVwZ 1994,285 (288) = ZfBR 1993,191 =DVB1. 1993, 659 = DÖV 1993, 914; im Anschluss daran: OVG NW, B. v. 03.05.1994 - 10a D 170/93 - BRS 56, Nr. 37, S. 106 (112); ähnlich bereits: OVG NW, B. v. 09.02.1988 - 11 Β 2505/87 - NVwZ-RR 1988,11(13) = DÖV 1988, 843 = NWVB1. 1988, 235; a. A. Reidt, LKV 1994, 93 (96); siehe hierzu die Ausführungen im 11. Kapitel, C.II.5.

304

10. Kap., 1. Abschn.: Zulässigkeit gemäß § 34 BauGB

II. Planungsbedürfnis kein entgegenstehender öffentlicher Belang Eine früher weit verbreitete Auffassung in Rechtsprechung40 und Literatur 41 ging davon aus, dass eine Genehmigung eines Vorhabens, welches sich nach § 34 BauGB einfügt, mit der Begründung versagt werden kann, dass aus weitreichenden mittelbaren und unmittelbaren planerisch relevanten Folgewirkungen ein Bedürfnis nach koordinierter gemeindlicher Planung hervorgerufen wird und damit ein öffentlicher Belang im Sinne des § 341 BBauG bzw. BauGB entgegensteht. Diese Auffassung wurde vom BVerwG in seiner Entscheidung vom 03.02.1984 42 zu Recht abgelehnt. Nach dem BVerwG hat der Gesetzgeber für den im Zusammenhang bebauten Ortsteil die, einer verbindlichen Bauleitplanung gleichstehende, Entscheidung getroffen, dass ein Vorhaben zulässig ist, wenn sich dieses im Sinne des § 341 BauGB einfügt. Demnach kann ein etwaiges Planungsbedürfnis zwar als Indiz zu werten sein 43 , einer Genehmigung jedoch allein nicht entgegenstehen. Eine Genehmigung gemäß § 341 BauGB kann auch nicht mit der Begründung versagt werden, dass ein Planungsbedarf aufgrund eines Gebots zur Erstplanung gemäß § 1 I V BauGB besteht44, weil der Genehmigungsanspruch den Zielen der Raumordnung widerspricht 45.

III. Einfügen in den vorgegebenen Rahmen Ein Vorhaben, das sich innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, fügt sich in der Regel ein 46 . Daran ändert sich im Grundsatz auch dann nichts, wenn die vorhandene Orts- bzw. Bebauungsstruktur das Ergebnis der Verwirklichung eines nichtigen Bebauungsplanes ist 47 . 40 OVG NW, U. v. 28.11.1978 - Χ A 245/78 - BRS 33, Nr. 54, S. 119; OVG NW, U. v. 16.03.1979 - XI A 659/77 - BRS 35, Nr. 45, S. 108 = BauR 1980, 148; OVG NW, U. v. 08.05.1979 - VII A 1848/77-BRS 35, Nr. 46, S. 110; OVG Nds., U.v. 16.06.1982- 1A 194/80-ZfBR 1983,41 (44) = BRS 39, Nr.58, S. 118 = BauR 1982, 557. 41 Hüttenbrink, BauR 1982,412 (418), allerdings nur in krassen Ausnahmefällen. 42 BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 8/80 - NJW 1984, 1773 (1774) = BauR 1984, 377 (379) = UPR 1984, 234 (236) = BVerwGE 68, Nr. 54, S. 352 (359); so auch BVerwG, U.v.03.02.1984-4C 25.82-BauR 1984, 373(376) = UPR 1984, 231 = BVerwGE 68, Nr.55, S. 360; BVerwG, U. v. 18.02.1983 - 4 C 18.81 - DVB1. 1983, 886 (889); BVerwG, U.V.24.10.1980-4C 3.78-BRS 36, Nr. 169, S.341 (345); zustimmend: Bay. VGH, v.24.06. 1994- 26B 93.993 - JURIS, S. 10; Bosch, BauR 1984,350 (355); Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 30.31; Schenke, UPR 1986, 281 (292); Steger, BWGZ 1985,110 (116). 43 BVerwG, U.v. 19.09.1986-4C 15.84-BVerwGE 75, Nr.5, S.34 (43). 44 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, D. V. 45 BVerwG U. v. 11.02.1993 - 4C 15/92 - NVwZ 1994,285 (288) = DÖV 1993,914 = ZfBR 1993,191 =DVB1. 1993, 659. 46 BVerwG, U. v. 04.07.1980 - 4 C 99.77 - BRS 36, Nr. 158, S. 331 (334); BVerwG, U. v. 26.05.1978 - 4C 9.77 - BVerwGE 55, Nr. 47, S. 369 (385). 47 BVerwG, B.v. 10.01.1994-4B 158.93-Buchholz 406.11 §34, Nr.l63,S.l.

C. Zulässigkeit gemäß § 341 BauGB

305

1. Die Bedeutung der BauNVO im Rahmen des §341 BauGB Bei der Frage, ob ein Vorhaben nach der Art der Nutzung den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreitet, ist nach der Rechtsprechung des BVerwG 48 von der Typisierung der Nutzungen im Sinne der BauNVO als einer insoweit sachverständigen Konkretisierung allgemeiner städtebaulicher Grundsätze auszugehen. Demzufolge kann die BauNVO bei der Anwendung des § 34 I BauGB als Hilfsmittel herangezogen werden 49. 2. Der großflächige Einzelhandel als maßstabsbildende Nutzungsart Nach der Rechtsprechung50 kennzeichnet § 11 III BauNVO den großflächigen Einzelhandel als besondere Nutzungsart und scheidet diese als solche aus dem Kreis des sonstigen Einzelhandels, Großhandels und produzierenden Gewerbes aus. Daraus wird gefolgert, dass bereits ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb in der näheren Umgebung vorhanden sein muss, damit sich das Vorhaben in den vorgegebenen Rahmen einfügt 51. In der Umgebung vorhandene produzierende Betriebe, aber auch Großhandelsbetriebe, begründen nach dieser Ansicht daher nicht die Annahme, ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb entspreche dem vorgegebenen Rahmen und füge sich ein. Eine weitergehende Differenzierung innerhalb der typisierten Nutzungsart je nach unterschiedlichen konkreten Merkmalen der Ausgestaltung oder der Betriebsstruktur ist nicht angezeigt, da Feinkorrekturen im Detail über das Gebot der Rück48 BVerwG, B. v. 20.04.2000- 4B 25.00 - Buchholz 406.11 § 34 Nr. 199, S. 17 (18) = BauR 2001,212; BVerwG, V.12.03.1990-4B 210/89-JURIS, S.2; BVerwG U. v. 22.05.1987-4C 6 und 7.85 - BauR 87, 531 (532) = ZfBR 87, 257 = Buchholz 406.12 § 11 Nr. 10, S. 6; BVerwG, U. v. 03.04.1987 - 4 C 41/84 - NVwZ 1987, 884 (885); BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 25.82 - BauR 1984, 373 (376) = UPR 1984, 231 = BVerwGE 68, Nr. 55, S. 360. 49 Dürr in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000 - § 34, Rn. 30; Jäde, UPR 1992, 251 (255), der Autor misst der BauNVO in Bezug auf § 341 BauGB die Qualität einer Verwaltungsvorschrift bei; Lemmel in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 353 (356). 50 BVerwG, B. v. 20.04.2000 - 4B 25.00 - Buchholz 406.11 § 34 Nr. 199, S. 17 (18) = BauR 2001, 212; BVerwG U. v. 11.02.1993 - 4 C 15/92 - NVwZ 1994, 285 (286) = DÖV 1993, 914 = ZfBR 1993, 191 = DVB1. 1993, 659; BVerwG, B.v. 12.03.1990-4B 210.89-S.6 der Entscheidung = JURIS; BVerwG, U. v. 22.05.1987 - 4 C 6 und 7.85 - BauR 87, 531 (532) = ZfBR 87, 257 = NVwZ 1987, 1078 = Buchholz 406.12 § 11, Nr. 10, S. 6; BVerwG, U. v.03.02.1984-4C 25.82-BauR 1984, 373 (376) = UPR 1984,231 = BVerwGE 68, Nr.55, S.360; OVG NW, U.v.25.04.1991 - 11 A 1755/87-NVwZ-RR 1992,118 (120); OVG Saar., v.25.02.1992-2 R45/89- JURIS, S.9; OVG SH, v. 18.11.1993 - 1 L 281/91 - JURIS, S.5; Bay. VGH, v.24.06. 1994-26B 93.993-JURIS, S.9; VGH Hess., Β ν.09.11.1987-4 TG 1913/87-NVwZ-RR 1988, 3 (5). 51 Vgl. Lemmel in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 353 (362); Moench/ Sandner, NVwZ 1999,337 (339); Schlichter/Friedrich, WiVerw 1988,199 (261); Schmaltz in: Schrödter-BauGB, 1998- §34, Rn.41; Steger, BWGZ 1985, 110 (115).

20 Kopf

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10. Kap., 1. Abschn.: Zulässigkeit gemäß § 34 BauGB

sichtnahme erfolgen können52. In der Konsequenz der Rechtsprechung des BVerwG kann ein Einfügen eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs nicht mit der Begründung versagt werden, das Vorhaben sei einer anderen Einzelhandelsbranche zuzuordnen als die bereits vorhandenen großflächigen Einzelhandelsbetriebe53. 3. Gleichwertige Nutzungen Eine in der Literatur 54 weit verbreitete Ansicht lehnt die Auffassung des BVerwG ab, weil hierdurch der relevante Maßstab zu stark verkürzt würde und in der Folge Einzelhandelsgroßprojekte im unbeplanten Innenbereich fast nie errichtet werden könnten. Eine Überschreitung des vorgefundenen Rahmens ist nach dieser Ansicht nicht bereits dann gegeben, wenn in der näheren Umgebung keine großflächigen Einzelhandelsbetriebe vorhanden sind. Ein Einfügen ist vielmehr auch dann zu bejahen, wenn in der näheren Umgebung sonstige Gewerbebetriebe vorhanden sind. Zur Begründung dieser Auffassung wird vorgetragen, dass die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßbetrieben aufgrund ihres eindeutigen Gewerbecharakters auch anhand vorgefundener etwa gleich großer sonstiger Geschäfts- und Gewerbebetriebe zu beurteilen ist 55 . Außerdem wird auf die planungsrechtliche Gleichwertigkeit der unter einer Nummer der im Baugebietskatalog der BauNVO zusammengefassten Nutzungen verwiesen 56. Das BVerwG verkenne die Bedeutung der mit der Koppelung zum Ausdruck gebrachten Gleichwertigkeit der Nutzungen, die nur unter dem Blickwinkel des jeweiligen Baugebietscharakters beurteilt werden kann. Die dargestellte Auffassung der Literatur überzeugt nicht, weil eine Gleichwertigkeit der unter einer Nummer im Rahmen der Baugebiete der BauNVO zusammengefassten Nutzungen nach der hier vertretenen Ansicht nicht gegeben ist und diese daher auch gemäß § 1 V BauNVO isoliert ausgeschlossen werden können57.

52 BVerwG, U. v. 03.04.1987-4C 41/84-NVwZ 1987,884(885), das Gericht hat es jedoch offengelassen, ob eine Differenzierung nach einzelnen Unterarten der Nutzung möglich ist, siehe NVwZ 1987, 884 (886); vgl. hierzu: Lemmel in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995-S. 353 (361). 53 A. A. VG Karlsruhe, U. v. 05.11.1985 - 1 1 Κ 47/85 - zitiert nach Schenke, UPR 1986,281 (291, Fn.52). 54 Fickert/Fieseler-BauNVO, 1998-§ 11, Rn.30.2; Hüttenbrink, BauR 1982, 412(415); Schenke, DÖV 1988,233 (241); Schenke, UPR 1986,281 (290); a. A. Bosch, BauR 1984, 350 (356). 55 Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 30.2. 56 Schenke, DÖV 1988, 233 (241). 57 Siehe 7. Kapitel, C.II. I.e.

C. Zulässigkeit gemäß § 341 BauGB

307

4. Die Bedeutung der Baugebietstypen der BauNVO Das BVerwG hat es in seiner Entscheidung vom 03.04.1987 s* kategorisch abgelehnt, auch aus der Entsprechung der vorgefundenen Bebauung mit mehreren Baugebietstypen im Sinne der BauNVO Rückschlüsse auf die in einem nach § 34 I BauGB zu beurteilenden Gebiet zulässigen Nutzungsarten zu ziehen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass alle Arten von baulichen Nutzungen gemäß § 341 BauGB zulässig sind, die in den nach der Eigenart der näheren Umgebung jeweils in Betracht kommenden Baugebieten nach der BauNVO zulässig wären. Das BVerwG ist von dieser pauschalen Einschätzung begrüßenswerter Weise in der jüngsten Zeit abgerückt. Weist die nähere Umgebung Merkmale zweier Baugebiete der BauNVO auf, so ist zwar die Anwendung des § 34 II BauGB ausgeschlossen59. Nach der Entscheidung des BVerwG vom 27.02.1992 60 kann in einem solchen Fall jedoch die Typisierung der Nutzungsart, wie sie in der BauNVO zur Abgrenzung der Baugebiete vorgenommen wird, auch - nicht allerdings ausschließlich wie im Falle der Anwendung des § 34 I I BauGB - zur Bestimmung des Rahmens herangezogen werden, in den sich das Vorhaben nach § 341 BauGB einfügen muss. Nach dieser Rechtsprechung sind die Zulässigkeitskriterien der vorgefundenen Baugebietstypen als sachverständige Konkretisierung moderner Planungsgrundsätze bei der Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens gemäß § 34 I BauGB heranzuziehen61. Demzufolge fügt sich ein hinzukommendes Vorhaben nach § 341 BauGB ein, wenn dieses seiner Art nach in beiden Baugebieten im Sinne der BauNVO zulässig wäre 62. 5. Schlussfolgerungen: partielle Analogie Aus der jüngsten Rechtsprechung des BVerwG 63 ist zu folgern, dass sich ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 I BauGB auch dann einfügt, wenn zwar in der näheren Umgebung zwar noch kein großflächiger Einzelhandelsbetrieb vorhanden ist, die Eigenart der näheren Umgebung aber Merkmale zweier Baugebietstypen der BauNVO aufweist, in denen der großflächige Einzelhandelsbetrieb zulässig wäre. Dies gilt, sofern es sich hierbei um Merkmale eines Industrie-, Gewerbe-, Misch-, Kern- oder Sondergebietes für Einzelhandelsgroßprojekte handelt. Ein solches Vorhaben wäre in diesen Gebieten nach den Vorschriften der BauNVO auf jeden Fall dann zulässig, wenn dieses keine ne58

BVerwG, U.v.03.04.1987-4C 41/84-NVwZ 1987, 884 (885). BVerwG,B.v.02.07.1991-4B 1/91 - N V w Z 1991,982(983) = BRS52,Nr.64, S. 159; im Anschluss daran: OVG Berlin, B.v. 17.03.1999-OVG 2S 6.98-GewArch 2000, 171 (172). 60 BVerwG, U. v.27.02.1992-4C 50.89-ZfBR 1992, 184. 61 Krautzberger in: BKL - BauGB, 1999 - § 34, Rn. 47 „hilfsweise". 62 Lemmel in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 353 (363). 63 BVerwG, U. v.27.02.1992-4C 50.89-ZfBR 1992, 184. 59

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10. Kap., 1. Abschn.: Zulässigkeit gemäß § 34 BauGB

gativen städtebaulichen oder landesplanerischen Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO mit sich bringen würde. Da Fernwirkungen gemäß § 34 I BauGB grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind, ist ein Einzelhandelsgroßprojekt in einem Gebiet, welches beispielsweise Elemente eines Gewerbe- und eines Industriegebietes aufweist, selbst dann zulässig, wenn es Auswirkungen gemäß § 11 III BauNVO mit sich bringt. Das auf der Grundlage der jüngsten Rechtsprechung des BVerwG gefundene Ergebnis überzeugt jedoch nicht restlos. So stellt sich insbesondere die Frage, warum ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb, der Auswirkungen gemäß § 11 I I I BauNVO mit sich bringt, in einem Gebiet, welches Elemente eines Gewerbe- und Industriegebietes aufweist, nach § 34 I BauGB zulässig sein soll, wenn dies nach § 34 I I BauGB nicht der Fall wäre. Die dargestellte Fragestellung macht deutlich, dass die partielle Übertragung der Baugebietstypik der BauNVO auf § 34 I BauGB zwar grundsätzlich sinnvoll ist, die Beschränkung auf das Vorliegen von lediglich zwei Baugebietstypen als Anwendungsvoraussetzung jedoch zu unlogischen Ergebnissen führen kann. Diese Beschränkung widerspricht auch den Ausführungen des BVerwG in einer früheren Entscheidung64. Nach Auffassung des Gerichts reicht der Rahmen hinsichtlich der Art der Bebauung „vom Mischgebiet bis zum Industriegebiet", sofern in der als Maßstab beachtlichen Umgebung Wohngebäude, Gewerbebetriebe ohne erhebliche Nachteile für die Umgebung, aber auch Gewerbebetriebe von stärker emittierender Art vorhanden sind. Den dargestellten Bedenken trägt die von Schenke hierzu entwickelte Auffassung am besten Rechnung. Schenke führt aus, dass die Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes es geradezu erfordert, eine partielle Analogie zu § 34 I I BauGB in Verbindung mit § 11 III BauNVO anzunehmen65.

IV. Sukzessive Bildung eines Einkaufszentrums im diffusen Innenbereich Bislang ungeklärt ist die Frage, ob ein Einzelhandelsbetrieb gemäß § 341 BauGB zulässig ist, wenn er mit bereits vorhandenen Einzelhandelsbetrieben ein Einkaufszentrum bilden würde und darüber hinaus in der näheren Umgebung keine anderen Einzelhandelsbetriebe bzw. Einzelhandelsgroßprojekte vorhanden sind 66 . Hierbei sind drei Fallgestaltungen zu unterscheiden. In der ersten Fallgestaltung sind die bereits vorhandenen Einzelhandelsbetriebe alle nicht-großflächig, in der 64

BVerwG, U. v. 26.05.1978 - 4C 9.77 - BVerwGE 55, Nr. 47, S. 369 (384). Schenke, WUR 1990, 61 (69); Schenke, DÖV 1988, 233 (242); anders noch: Schenke, UPR 1986, 281 (292). 66 Vgl. Schenke, WUR 1990, 61 (69). 65

C. Zulässigkeit gemäß § 341 BauGB

309

zweiten Fallgestaltung ist mindestens ein vorhandener Betrieb als großflächiger Einzelhandelsbetrieb zu qualifizieren und in der dritten verfügt mindestens ein vorhandener großflächiger Einzelhandelsbetrieb über eine Geschossfläche, die über die Regelgrenze des § 11 ΠΙ BauNVO hinausgeht. Bei der Beurteilung der baurechtlichen Zulässigkeit ist von den Vorschriften der BauNVO als sachverständige Konkretisierung allgemeiner planerischer Grundsätze auszugehen, wobei gemäß § 341 BauGB nur auf die optisch wahrnehmbaren Merkmale abgestellt werden kann. Die Relativität der für die Annahme eines Einkaufszentrums erforderlichen Mindestverkaufsfläche kann in diesem Zusammenhang keine Berücksichtigung finden, weil die Relativität in Abhängigkeit von den optisch nicht wahrnehmbaren Auswirkungen gemäß § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO steht. Nach der überwiegenden Auffassung in der Literatur 67 kann die für die Annahme eines Einkaufszentrums erforderliche Mindestverkaufsfläche im Einzelfall bereits dann vorliegen, wenn das Vorhaben die Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO nicht wesentlich überschreitet. Damit sich ein Einkaufszentrum gemäß § 34 I BauGB einfügt, ist es demzufolge nicht erforderlich, dass in der näheren Umgebung bereits ein Einkaufszentrum vorhanden ist, sondern es reicht ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb, der die Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO überschreitet. Daraus kann bereits der Schluss gezogen werden, dass in der ersten und zweiten Fallgestaltung ein Überschreiten des vorgegebenen Rahmens festzustellen ist. Eine partielle Analogie wie bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben ist nicht in Erwägung zu ziehen, da Einkaufszentren stets Auswirkungen gemäß § 11 III BauNVO aufweisen und daher auf Kern- und Sondergebiete beschränkt sind, so dass für eine Analogie auch nicht der Gleichheitsgrundsatz herangezogen werden kann. In der dritten Fallgestaltung ist ein Einfügen zu bejahen, selbst wenn in der näheren Umgebung neben dem entstehenden Einkaufszentrum weder ein weiteres Einkaufszentrum noch ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb, der die Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO überschreitet, vorhanden sind. Die Konstituierung des Einkaufszentrums ist in diesem Fall wie eine Erweiterung des bereits bestehenden großflächigen Einzelhandelsbetriebes, der die Regelgrenze des § 11 III 3 BauNVO überschreitet, zu behandeln. Wobei der vorhandene Betrieb den durch die vorhandene Bebauung in der näheren Umgebung gebildeten Rahmen mitprägt. Nach der Entscheidung des BVerwG vom 17.06.1993 68 gehört bei einer Erweiterung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs, der zu erweiternde bereits vorhandene großflächige Einzelhandelsbetrieb zur vorhandenen Bebauung im Sinne des § 34 BauGB, die den Maßstab für die weitere Bebauung bildet. 67

Siehe 3. Kapitel, 3. Abschnitt, D.II. BVerwG, U.v. 17.06.1993-4C 17.91 - NVwZ 1994,294 (295) = BauR 1994,81 = Buchholz 406.11 §34, Nr. 158, S.97; so auch: OVG SH, v. 18.11.1993 - 1L 281/91 - JURIS, S.5. 68

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10. Kap., 1. Abschn.: Zulässigkeit gemäß § 34 BauGB

Etwas anderes ergibt sich nur dann, wenn der bereits vorhandene großflächige Einzelhandelsbetrieb als unbeachtlicher Fremdkörper zu beurteilen ist und demzufolge den Charakter des Baugebietes nicht bestimmt. Eine Erweiterung eines bereits vorhandenen Einzelhandelsgroßprojekts kann folglich in der Regel nicht daran scheitern, dass durch das Vorhaben der vorgegebene Rahmen überschritten wird.

V. Einfügen trotz Überschreitens des Rahmens Nach der Rechtsprechung des BVerwG 69 kann ein Betrieb trotz Überschreitung des Rahmens zulässig sein, wenn durch dessen Ansiedlung in der näheren Umgebung keine bewältigungsbedürftigen Spannungen erzeugt oder bereits vorhandene Spannungen nicht verstärkt werden. Hierbei geht es nicht um eine Einheitlichkeit, sondern vielmehr um eine Harmonie mit der vorhandenen Bebauung70. Diese Grundsätze gelten nicht nur für eine Überschreitung des vorgegebenen Rahmens hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, sondern auch für ein Überschreiten des Maßes der baulichen Nutzung71.

VI. Bewältigungsbedürftige Spannungen72 Das Einfügen eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs ist abzulehnen, wenn durch den Kundenverkehr eine verstärkte Immissionsbelastung73 der benachbarten Wohnbebauung zu erwarten ist und dadurch beachtliche Spannungen erzeugt werden 74 . Ein Einfügen ist jedoch nicht bereits deshalb abzulehnen, weil die Verkehrs69 BVerwG, U. v. 22.05.1987 - 4C 6 und 7.85 - BauR 87,531 (532) = ZfBR 87,257 = Buchholz 406.12 § 11 Nr. 10, S. 6; BVerwG, B. v. 04.06.1985 - 4 Β 102.85 - ZfBR 1986, 47; BVerwG, U.v.03.02.1984-4C 25.82-BauR 1984, 373 (376) = UPR 1984, 231 = BVerwGE 68, Nr.55, S.360; BVerwG, U.v. 18.02.1983-4C 18.81 -DVB1. 1983, 886 (889). 70 BVerwG, Β. ν. 04.02.1986 - 4B 7-9/86 - NVwZ 1986,740; BVerwG, B.v. 04.06.1985 - 4B 102.85- ZfBR 1986, 47; BVerwG, U. v.26.05.1978-4C 9.77-BVerwGE 55, Nr.47, S.369 (386). 7 ' BVerwG, U. v. 17.06.1993 - 4 C 17.91 - NVwZ 1994,294 (295) = BauR 1994,81 = Buchholz 406.11 §34, Nr. 158, S. 97. 72 Auf das Gebot der Rücksichtnahme kann in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden; vgl. BVerwG, U.v.03.02.1984-4C 8/80-NJW 1984, 1773 (1774) = BauR 1984, 377 = UPR 1984, 234 = BVerwGE 68, Nr. 54, S. 352; OVG NW U. v. 03.11.1988 - 11 A 2310/86 - BRS 49, Nr. 72,180 (185) = NVwZ 1989,676; VGH Hess., Β ν. 09.11.1987 - 4 TG 1913/87 - NVwZ-RR 1988, 3 (5), Krautzberger in: BKL - BauGB, 1999 - § 34, Rn. 42. 73 Zur Ermittlung des zusätzlichen Verkehrsaufkommens vgl. Hüttenbrink, DVB1.1989,69 (72) mit Verweis auf OVG NW, U. v. 27.01.1988 - 11A 367/86 - η. v. 74 BVerwG, B.v. 20.04.2000 - 4B 25.00 - Buchholz 406.11 § 34 Nr. 199, S. 17 (19) = BauR 2001, 212; BVerwG U. v. 22.05.1987 - 4 C 6 und 7.85 - BauR 87, 531 (533) = ZfBR 87, 257 = Buchholz406.12 § 11 Nr. 10, S.6; BVerwG, B. v.04.06.1985-4B 102.85-ZfBR 1986, 47; BVerwG, U. v. 03.02.1984 - 4 C 25.82 - BauR 1984, 373 (376) = UPR 1984,

C. Zulässigkeit gemäß § 341 BauGB

311

Infrastruktur aufgrund der Folgewirkungen des Vorhabens ausgebaut werden muss. Dies ist allenfalls für die Frage relevant, ob die Erschließung gesichert ist 75 . Nach Schlichter wird ein Betrieb im Sinne des § 11 III BauNVO nur in den seltensten Fällen in einem diffusen Gebiet zulässig sein, weil in der Regel aufgrund des Verkehrs, der Immissionen, der Auswirkungen auf das Stadtbild usw. ausgleichsbedürftige Spannungen gegeben seien76.

VII. Negative Vorbildwirkung Das BVerwG 77 lehnt in ständiger Rechtsprechung ein Einfügen ab, wenn das Vorhaben selbst zwar nicht zu einer Verschlechterung der gegenwärtigen Situation führt, sondern aufgrund seiner Vorbildwirkung eine solche Verschlechterung nach sich ziehen kann. Eine zur Unzulässigkeit eines Vorhabens führende Vorbildwirkung kann demzufolge nur dann angenommen werden, wenn zu erwarten ist, dass das Vorhaben Konflikte mit künftigen Nutzungen auslösen kann. Die Rechtsprechung des BVerwG zur Frage wie wahrscheinlich der Eintritt einer solchen Verschlechterung sein muss, ist uneinheitlich. Während das BVerwG in seiner Entscheidung vom 18.03.1983 78 ausgeführt hat, dass die bodenrechtlichen Spannungen aus den konkreten Wirkungen des Vorhabens in der konkreten Umgebung resultieren müssen und für den Eintritt solcher Konflikte nicht nur eine abstrakte, entfernt gegebene Möglichkeit bestehen darf, hat es in seiner Entscheidung vom 04.06.1985 79 die Erwartung einer Verschlechterung in naheliegender Zukunft für ausreichend gehalten. Die Literatur 80 hat die Ausführungen des BVerwG in der zuletzt genannten Entscheidung zu Recht kritisiert, weil danach die abstrakte oder nur entfernte Möglichkeit von zukünftigen Nutzungskonflikten für eine Ablehnung ausreichen würde.

231 = BVerwGE 68, Nr. 55, S. 360; OVG NW, U. v. 25.04.1991 - 11 A 1755/87 - NVwZ-RR 1992, 118(120). 75 BVerwG, B.v. 20.04.2000 - 4B 25.00 - Buchholz 406.11 § 34 Nr. 199, S. 17 (19) = BauR 2001, 212; BVerwG, U.v.03.02.1984-4C 8/80-NJW 1984, 1773 (1774) = BauR 1984, 377 = UPR 1984, 234 = BVerwGE 68, Nr. 54, S. 352; zustimmend: Bosch, BauR 1984, 350 (356); zu den Anforderungen der Erschließung siehe 3. Kapitel, 1. Abschnitt, C.IV.2. 76 Schlichter, UPR 1984, 209 (212). 77 BVerwG, v. 19.09.1986 - 4 C 15.84 - BVerwGE 75, Nr. 5, S. 34 (43); BVerwG, U.v.04.07.1980-4C 99.77-BRS 36, Nr. 158, S.331 (335). 78 BVerwG, U.v. 18.02.1983-4C 18.81 - DVBl. 1983, 886 (889) = ZfBR 1983, 193; so auch: Dolde, NJW 1984, 1713 (1724); Krautzbeiger in: BKL-BauGB, 1999-§34, Rn. 18; BVerwG, B.v. 12.03.1990-4B 210.89-S. 8 der Entscheidung = JURIS, S.3. 79 BVerwG, B.v.04.06.1985-4B 102.85-ZfBR 1986,47. 80 Jahn - Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten, Diss. 1988 - S. 187.

312

10. Kap., 1. Abschn.: Zulässigkeit gemäß § 34 BauGB

1. Die Entwicklung der Rechtsprechung Nach der Entscheidung des BVerwG vom 12.03.1990 81 liegt eine Vorbildwirkung vor, wenn in der näheren Umgebung unbebaute Rächen vorhanden sind, die nach einer Zulassung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes die konkrete Möglichkeit bieten, diese mit weiteren großflächigen Einzelhandelsbetrieben zu bebauen. Hierbei stellt das Gericht unter anderem darauf ab, dass das betreffende Gebiet in unmittelbarer Nachbarschaft umfänglicher Wohngebiete liegt und daher für die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe von besonderem Interesse ist. Das OVG NW hat in seiner Entscheidung vom 25.04.1997 82 für eine Vorbildwirkung ausreichen lassen, dass sich in der näheren Umgebung nicht oder anderweitig genutzte Gewerbegrundstücke befinden, die sich für eine Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe anbieten. Das OVG Saar, hat in seiner Entscheidung vom 25.02.1992 83 eine zur Unzulässigkeit des Vorhabens führende Vorbildwirkung bejaht, weil sich durch die Genehmigung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs der zentrale Einkaufs- und Geschäftsbereich der Gemeinde weiter ausdehnen könnte und dort den noch in keiner Weise in Richtung auf ein Kern- oder Sondergebiet für großflächige Einzelhandelsbetriebe vorbestimmten bodenrechtlichen Charakter der näheren Umgebung in dieser Hinsicht festlegen würde. Das Gericht hat keine konkreten Anhaltspunkte für eine derartige zukünftige Entwicklung festgestellt, sondern es ausreichen lassen, dass sich die weitere bauliche Entwicklung in diesem Bereich nicht verlässlich abschätzen lasse. 2. Stellungnahme: Konkrete Möglichkeit weiterer Einzelhandelsgroßprojekte Dieser kurze Überblick über die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Vorbildwirkung zeigt eindeutig, dass die Rechtsprechung immer stärker dazu tendiert, die abstrakte Möglichkeit von zukünftigen Nutzungskonflikten für eine Ablehnung von Einzelhandelsgroßprojekten im unbeplanten Innenbereich ausreichen zu lassen. Während die Argumentation des BVerwG 84, aufgrund noch unbebauter Grundstücke bestünde die konkrete Möglichkeit zur Ansiedlung weiterer Einzelhandelsgroßprojekte, noch nachvollziehbar erscheint, geht der Ansatz des OVG N W 8 5 entschieden zu weit. In einem diffusen Gebiet gemäß § 341 BauGB wird es in der überwie81 82 83 84 85

BVerwG, B.v. 12.03.1990-4B 210.89-S. 8 der Entscheidung = JURIS, S.3. OVG NW, U.v.25.04.1991 - 1 1 A 1755/87-NVwZ-RR 1992, 118 (121). OVG Saar., v. 25.02.1992 - 2 R45/89 - JURIS, S. 10. BVerwG, B.v. 12.03.1990 - 4B 210.89-S. 8 der Entscheidung = JURIS, S.3. OVG NW, U.v.25.04.1991 - 11 A 1755/87-NVwZ-RR 1992, 118 (121).

D. Die Genehmigung von FOC nach § 34 BauGB

313

genden Zahl der Fälle bereits bestehende Gewerbeansiedlungen geben, die potentiell für ein Einzelhandelsgroßprojekt umgenutzt werden könnten. Auch die Ausführungen des OVG Saar.86 sind abzulehnen, weil der für die Annahme einer Vorbildwirkung erforderliche Konkretisierungsgrad allein aufgrund der Unklarheit über die zukünftige Entwicklung eines Gebietes nicht erreicht werden kann. Folgte man den Grundsätzen der beiden zuletzt genannten Entscheidungen, so käme dies einem faktischen Ausschluss von Einzelhandelsgroßprojekten im unbeplanten Bereich, in dem noch kein Einzelhandelsprojekt verwirklicht wurde, gleich. Zur Annahme einer Vorbildwirkung reicht eine abstrakte, entfernt gegebene Möglichkeit zukünftiger Nutzungskonflikte nicht aus. Darüber hinaus ist zu beachten, dass es bei der Frage, ob die konkrete Möglichkeit der Ansiedlung weiterer großflächiger Einzelhandelsbetriebe besteht, auch darauf ankommt, in welchem Umfang die nähere Umgebung die durch das geplante Vorhaben hinausgehende Immissionsbelastung tragen kann 87 . Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang die Erschließung weiterer großflächiger Einzelhandelsbetriebe zu hinterfragen.

D. Die Genehmigung von FOC nach § 34 BauGB Die Genehmigung von FOC im unbeplanten Innenbereich wirft im Vergleich zur Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten grundsätzlich keine besonderen Probleme auf. Ein FOC ist gemäß § 34 I BauGB nicht nur dann zu genehmigen, wenn die Eigenart der näheren Umgebung bereits von FOC oder FOC-ähnlichen Nutzungen geprägt wird 88 . Ein FOC lässt sich der Nutzungsart der Einzelhandelsgroßprojekte gemäß § 11 III BauNVO zuordnen, so dass ein FOC zumindest dann zulässig ist, wenn in der näheren Umgebung bereits ein Einzelhandelsgroßprojekt vorhanden ist 89 . Eine weitergehende Differenzierung innerhalb dieser typisierten Nutzungsart etwa danach, ob die bereits vorhandenen Anlagen die FOC-typischen Merkmale aufweisen, verbietet sich daher genauso wie eine Differenzierung nach Einzelhandelsbranchen90. Die Genehmigung eines FOC gemäß § 34 BauGB muss in praxi auch nicht aufgrund des immensen Rächenbedarf s scheitern 91. Im unbeplanten Innenbereich ste86

OVG Saar., v. 25.02.1992-2 R45/89-JURIS, S. 10. Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988 - S. 13 (46). 88 Unklar: Bönker, BauR 1999, 328 (330). 89 Moench/Sandner, NVwZ 1999, 337 (339); Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999 - S. 66. 90 Vgl. hierzu grundsätzlich: BVerwG, U. v.03.04.1987 - 4 C 4 1 / 8 4 - N V w Z 1987, 884 (885), Lemmel in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 353 (361); a. A. VG Karlsruhe, U. v. 05.11.1985 - 11 Κ 47/85 - zitiert nach Schenke, UPR 1986, 281 (291, Fn. 52). 91 So aber: Jahn, GewArch 1997,456 (460). 87

314

10. Kap., 1. Abschn.: Zulässigkeit gemäß § 34 BauGB

hen häufig aufgrund militärischer oder industrieller Konversion große innerstädtische Flächen zur Umnutzung an.

E. Ausschluss gemäß § 246 V I I BauGB § 246 VII BauGB ermächtigt die Bundesländer eine Regelung zu treffen, wonach eine Genehmigung von Einzelhandelsgroßprojekten gemäß § 3411 BauGB bis zum 31.12.2004 ausgeschlossen wird 92 . § 246 VII 2 BauGB beinhaltet eine Überleitungsvorschrift, wonach § 238 BauGB entsprechend anwendbar ist und damit der Ausschluss eine Entschädigungspflicht nach den Vorschriften des Planungsschadensrechts93 gemäß §§ 42,431, II, IV und V sowie der §§ 4412, III und IV BauGB zur Folge hat. Von der Ermächtigung haben bislang die Länder Berlin 94 , Brandenburg 95 und Schleswig-Holstein96 Gebrauch gemacht. Im Saarland war eine derartige Regelung Gegenstand der politischen Diskussion97.

I. Kein Ausschluss des § 34 I I BauGB Aus dem eindeutigen Wortlaut des § 246 VII BauGB ergibt sich, dass nur die Anwendung des § 34 11 BauGB und nicht des § 34 II BauGB ausgeschlossen werden kann, es liegt demzufolge kein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers vor 98 . Für diese Auslegung spricht der Regelungszweck der Ermächtigung. Der Gesetzgeber will mit der Ermächtigung gemäß § 246 V I I BauGB der Tatsache Rechnung tragen, dass in diffusen Gebieten Einzelhandelsgroßprojekte zu genehmigen sind, sofern sie sich gemäß § 341 BauGB einfügen, ohne dass in diesem Zusammenhang die Fernwirkungen als städtebauliche und raumordnerische Auswirkungen berücksichtigt werden können99. § 34 II ist in § 246 VII BauGB deshalb nicht berücksichtigt worden, weil es der Gesetzgeber für ausreichend gehalten hat, dass über § 11 III BauNVO die Fern Wirkungen auf der Rechtsfolgenseite zu berücksichtigen sind 100 . 92 Bönker, BauR 1999, 328 (330); Güttler/Rosenkranz, IzR 1998, 81 (83); Kniep, VB1BW 1998, 294. 93 Siehe 7. Kapitel, C.II.3.a. 94 AGBauGB in der Fassung vom 07.11.1999 (GVB1. S.578); zu §21 a AGBauGB Berlin in der Fassung vom 25.06.1998 (GVB1. S. 180): Hoppe/Schlarmann, DVB1. 1999, 1078. 95 § 3 des Brandenburgischen BauGBDG vom 10.06.1998 (GVB1.I S. 126). 96 Art. 1 II des AGBauGB Schleswig-Holstein vom 21.10.1998 (GVOB1. S.303). 97 Runkel, UPR 1998, 241 (245). 98 Hoppe/Schlarmann, DVB1. 1999, 1078 (1080). 99 Schmaltz in: Schrödter-BauGB, 1998-§34, Rn.41; Schlichter-BauGB, 1998-§246, Rn. 8. 100 Hoppe/Schlarmann, DVB1. 1999, 1078 (1080).

E. Ausschluss gemäß § 246 VII BauGB

315

II. Kein Ausschluss von Vorhaben ohne Fernwirkungen Nach dem Wortlaut des § 246 VII BauGB könnte gefolgert werden, dass die Länder ermächtigt sind, die Anwendung des § 34 I BauGB auch für großflächige Handelsbetriebe auszuschließen, die keine städtebaulichen oder landesplanerischen Fernwirkungen im Sinne des § 11 III BauNVO mit sich bringen. Wie bereits ausgeführt, besteht der Regelungszweck des § 246 V I I BauGB gerade darin, Fern Wirkungen, die gemäß § 34 I BauGB nicht berücksichtigt werden können, auszuschließen. Durch einen Ausschluss der Anwendung des §341 BauGB für Betriebe gemäß § 11 III 1 Nr. 2 und 3 BauNVO, die keine Fernwirkungen mit sich bringen, würde nicht nur Ungleiches gleich behandelt, sondern dies ginge über den Regelungszweck des § 246 V I I BauGB hinaus. Diese Betriebe wären demnach de facto im diffusen Innenbereich gemäß § 341 BauGB ausgeschlossen während sie gemäß § 34 II BauGB in faktischen Gewerbe- und Industriegebieten oder gar in faktischen Mischgebieten zulässig wären. Für diese Auslegung kann auch die Entstehungsgeschichte des § 246 VII BauGB herangezogen werden. Der Bundesrat schlug in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung 101 eine Neufassung des § 341 BauGB vor, wonach die Anwendung des § 341 BauGB auf Einzelhandelsgroßprojekte im Sinne des § 11 III BauNVO generell ausgeschlossen werden sollte. Dieser Vorschlag wurde von der Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf vom 04.12.1996 abgelehnt102. Die Bundesregierung begründete dies in ihrer Gegenäußerung 103 damit, dass ein genereller Anwendungsausschluss des § 34 I BauGB nicht praxisgerecht wäre, weil er alle Gemeinden zwingen würde, auch für die bislang zulässigen und innenbereichsverträglichen Vorhaben künftig in jedem Fall einen Bebauungsplan aufzustellen. Außerdem würde die generelle Verdrängung der Einzelhandelsgroßbetriebe aus dem unbeplanten Innenbereich zu einer verstärkten Ansiedlung auf der sogenannten „grünen Wiese" führen, wodurch eine Stärkung des Innenbereichs erschwert würde. § 246 VII BauGB spiegelt den im Vermittlungsausschuss104 gefundenen Kompromiss wider. Deshalb ist § 246 VII BauGB teleologisch zu reduzieren, so dass gemäß § 246 VII BauGB nur großflächige Handelsbetriebe ausgeschlossen werden können, die negative Fern Wirkungen mit sich bringen 105. 101

Stellungnahme des Bundesrates vom 08.11.1996 Bundesrats-Drucksache 635/96 (Beschluss). 102 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 04.12.1996 - Bundestags-Drucksache 13/6392, S. 10, Ziffer 27. 103 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 04.12.1996 - Bundestags-Drucksache 13/6392, S. 134, Gegenäußerung zu Nr. 32 (Art. 1 Nr. 27 aO) - neu - § 341 BauGB). 104 Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 25.06.1997 - BundestagsDrucksache 13/8019, Ziffer 22d). 105 Hoppe/Schlarmann, DVBl. 1999,1078 (1082), Schlichter-BauGB, 1998-§246, Rn.9.

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10. Kap., . Abschn.: Zulässigkeit gemäß § 3 BauGB

III. Zusammenfassung Die Bundesländer werden gemäß § 246 VII BauGB dazu ermächtigt, die Anwendbarkeit des § 3411 BauGB auf Einzelhandelsgroßprojekte, die negative städtebauliche und landesplanerische Auswirkungen zur Folge haben, im unbeplanten Innenbereich auszuschließen. Die Zulässigkeit im Innenbereich kann in diesem Fall dann nur durch die Aufstellung eines Bebauungsplanes erreicht werden 106.

Zweiter Abschnitt

Zulässigkeit gemäß § 35 BauGB Großflächige Einzelhandelsbetriebe sind im Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB, also außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Gebietes grundsätzlich nicht zulässig. Es liegt in der Regel keine Privilegierung gemäß § 351 BauGB vor, so dass großflächige Einzelhandelsbetriebe als sonstige Vorhaben gemäß § 35 I I BauGB zu qualifizieren sind 107 . Durch derartige Vorhaben werden regelmäßig zahlreiche öffentliche Belange beeinträchtigt. Außerdem wird ein Widerspruch gegen die Ziele der Raumordnung gemäß § 35 III 2, 1. Halbsatz BauGB vorliegen 108. Deshalb sind auch FOC im unbeplanten Außenbereich regelmäßig unzulässig109.

106

Schlichter - BauGB, 1998 - § 246, Rn. 9. Bröll, ZfBR 1986, 271 (278). 108 Runkel, UPR 1998, 241 (245). 109 Jahn, GewArch 1997, 456 (460); Vogels/Will - Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von FOC, 1999-S. 67; Wagner, IBR 1999, 392. 107

Elftes Kapitel

Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten Nachdem die Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten unter verschiedenen rechtlichen Aspekten bereits beleuchtet wurde, soll nun auf die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter gegen die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten eingegangen werden.

A. Antragsbefugnis privater Konkurrenten gemäß § 47 I I VwGO Gewerbetreibende, die sich gegen Bebauungspläne wenden, in denen großflächige Einzelhandelsbetriebe zugelassen werden, sind im Sinne des § 47 I I 1 VwGO grundsätzlich nicht antragsbefugt 1. Zur Bejahung der Antragsbefugnis reicht die Befürchtung, dass eine Veränderung der für sie wirtschaftlich vorteilhaften Wettbewerbssituation eintreten wird, nicht aus2. § 1 V Nr. 8 BauGB beinhaltet zwar eine konkrete Planungsleitlinie, diese ist jedoch ebenso wie § 11 III BauNVO keiner Subjektivierung zugänglich3.

B. Nachbarklage gemäß §42 I I VwGO Nachfolgend soll auf die Klagebefugnis privater Nachbarn gemäß §42 I I VwGO gegen die Genehmigung von Einzelhandelsgroßprojekten im beplanten Innenbereich eingegangen werden. Die Betrachtung beschränkt sich allerdings auf die drittschützende Wirkung der Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung. Auf die 1 BVerwG, B. v. 26.02.1997 - 4 NB 5/97 - NVwZ 1997, 683; BVerwG, B. v. 16.01.1990 - 4 NB 1/90- NVwZ 1990,555 = DÖV 1990,479; OVG MV, U. v. 15.04.1999 - 3 Κ 36/97 - NVwZ 2000, 826 (827); OVG NW, B. v. 03.05.1994 - 10a D170/93 - BRS 56, Nr. 37, S. 106 (109); OVG NW, Β. v. 22.07.1977 - 10a ND1/77 - NJW 1978, 1021 (1022); Beckmann, VR 1990, 152 (155); Bönker, BauR 1999, 328 (339); Kopp/Schenke - VwGO, 2000- §47, Rn.74; Wagner, IBR 1999, 392 (394); a. Α.: Büchner, NVwZ 1999, 345 (349); Frank, NVwZ 1987, 369 (373); Ziekow, NVwZ 1991, 345 (346). 2 Vgl. Dürr, NVwZ 1996, 105 (108); Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 11.22. 3 Berg, WiVerw 1990, 209 (225); Bönker - Rechtsgutachten: FOC, 1997 - S. 56; Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999 - § 16, Rn. 16; Grooterhorst/Lascho, UPR 1995, 332 (337); Schenke, WiVerw 1990,226 (230f.); Schenke, WUR 1990,61 (69); Schenke in: Dichtl/ Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988 - S. 13 (64).

318

11. Kap.: Rechtsschutzmöglichkeiten

Frage der Abwehrrechte privater Nachbarn gegen die Genehmigung von Einzelhandelsgroßprojekten im unbeplanten Innen- und Außenbereich4 sowie auf deren Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Bebauungspläne soll hier nicht eingegangen werden. Private Nachbarn sind gemäß § 42 II VwGO klagebefugt, wenn nach der Möglichkeitstheorie nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie durch die Erteilung einer Baugenehmigung in ihren Nachbarrechten verletzt sind5.

I. Drittschützende Wirkung der Festsetzung der Art der Nutzung Nach der überwiegenden Auffassung in Literatur 6 und Rechtsprechung7 können sich private Nachbarn im Wege der Anfechtungsklage gemäß § 42 II VwGO gegen die Genehmigung eines Einzelhandelsgroßprojektes im beplanten Innenbereich mit der Begründung zur Wehr setzen, dass dieses der Art der zulässigen Nutzung des Baugebietes widerspricht. Nach dieser Ansicht sind die Festsetzungen in Bebauungsplänen über die Art der baulichen Nutzung generell nachbarschützend. Der Eigentümer eines Grundstücks im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes muss zwar die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen seiner Nutzungsmöglichkeiten hinnehmen, weil die bauliche Nutzung des Grundstücks dem Zweck des Baugebietes untergeordnet wird, als Korrelat dieser Verpflichtung erwächst dem Grundstückseigentümer aber der Vorteil, dass andere Nutzungsberechtigte den gleichen Beschränkungen unterworfen sind8. Aus dieser wechselseitigen Abhängigkeit folgt, dass der Nachbar aufgrund seines Eigentums gegen Vorhaben vorgehen kann, die den rechtlichen Vorteil beeinträchtigen. Ein allgemeiner Planbefolgungsanspruch besteht jedoch nicht9. Auf diesen 4 Vgl. hierzu: Beckmann, VR 1990, 152 (159); Kopp/Schenke - VwGO, 2000 - § 42, Rn. 100; Muckel, JuS 2000, 132 (134); Schenke, NuR 1983, 81. 5 Muckel, JuS 2000, 132 (137). 6 Beckmann, VR 1990, 152 (157); Kopp/Schenke - VwGO, 2000 - § 42, Rn. 99; Kraft, VerwArch 1998, 264 (281); Mampel, BauR 1998, 697 (704); Muckel, JuS 2000, 132 (133); Niere, DVBl. 1997, 65; Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988 - 13 (62); Schmaltz in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 583 (591); Schmidt-Preuß, DVBl. 1994, 288 (289). 7 BVerwG, U. v. 24.02.2000 - 4 C 23.98 - BauR 2000, 1306 (1307); BVerwG, B.v. 02.02.2000-4B 87.99-BauR 2000, 1019 (1020); BVerwG, U. v. 23.08.1996 - 4 C 13.94- DVBl. 1997,61 (63 f.); BVerwG, U.v. 16.09.1993 - 4 C 28/91 - ZfBR 1994,97 = DVBl. 1994,284; OVG Berlin, U. v.21.06.1991 - 2 B 7.89-BRS 52, Nr.51, S. 136 (140); OVG Thür., B.v. 18.10.1996- 1 E0262/96-BRS 58, Nr. 156, S.402 (403) = UPR 1997, 156. 8 BVerwG, U. v. 24.02.2000 - 4 C 23.98 - BauR 2000, 1306 (1307); OVG Thür., B.v. 18.10.1996- 1 E0262/96-BRS 58, Nr. 156, S.402 (403) = UPR 1997, 156. 9 OVG Thür., B.v. 18.10.1996- 1 E 0 262/96-BRS 58, Nr. 156, S.402 (403) = UPR 1997, 156.

Β. Nachbarklage gemäß § 42 II VwGO

319

Drittschutz können sich nicht nur die Grundstückseigentümer im Bebauungsplangebiet berufen, sondern hierdurch werden auch die individuellen Interessen der Nachbarn in angrenzenden Baugebieten geschützt10.

II. Keine Beschränkung auf den Schutz des Nutzungszwecks Nach einer Entscheidung des OVG Nds. vom 29.03.1996 n verleiht die Festsetzung eines Gewerbegebietes einem Grundstückseigentümer keinen Nachbarschutz gegen die Genehmigung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes, der gemäß § 11 III 1 Nr. 2 BauNVO in diesem Gebiet unzulässig ist. Das Gericht begründet dies damit, dass den Festsetzungen der Art der zulässigen Nutzung nur dann eine nachbarschützende Funktion zukomme, wenn es um die Abwehr von Nutzungen gehe, die den Nutzungszweck des Baugebietes in Frage stellen. Durch die Genehmigung eines an sich unzulässigen großflächigen Einzelhandelsbetriebs werde die gewerbliche Nutzbarkeit der benachbarten Grundstücke nicht eingeschränkt, weil hieraus keine Unzulässigkeit nach § 15 BauNVO von gemäß § 8 BauNVO zulässigen Nutzungen resultieren könne. Die nachbarrechtliche Verträglichkeit von Einzelhandelsgroßprojekten mit anderen gewerblichen Nutzungen zeige sich auch daran, dass die Beschränkung großflächiger Einzelhandelsbetriebe auf Kern- und Sondergebiete durch die BauNVO 1977 ausschließlich aus städtebaulichen Gründen erfolgt sei. Die zuvor dargestellte Auffassung des OVG Nds. wird in der Literatur 12 zu Recht abgelehnt, weil hiermit der Schutz des Eigentumsrechts auf der horizontalen Ebene der privaten Grundstücksnutzer zu stark eingeschränkt würde. Folgte man der Auffassung des Gerichts, so könnte ein Grundstückseigentümer einen Trend zur Veränderung des Gebietscharakters nicht verhindern, der letztendlich zu einem Verlust der Gebietsidentität führen könnte13. Auch nach der Rechtsprechung des BVerwG 14 soll jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung verhindern können; auf eine unzumutbare Beeinträchtigung kommt es hierbei nicht an.

10

Das OVG Berlin, U. v. 21.06.1991 - 2 Β 7.89 - BRS 52, Nr. 51, S. 136 (140) hat eine Rechtsverletzung der Grundstücksnachbarn in einem allgemeinen Wohngebiet durch die Genehmigung eines Verbrauchermarktes in einem Mischgebiet bejaht. 11 OVG Nds., Β. v. 29.03.1996 - 1 M 6354/95 - NVwZ 1997, 1012 (1013); ähnlich: Schmaltz in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995 - S. 583 (592). 12 Kopp/Schenke - VwGO, 2000 - § 42, Rn. 99; Kraft, VerwArch 1998, 264 (284, Fn. 107); Mampel, BauR 1998, 697 (705). 13 Mampel, BauR 1998, 697 (706). 14 BVerwG, B.v.02.02.2000 - 4 B 87.99-BauR 2000, 1019 (1020).

320

11. Kap. : Rechtsschutzmöglichkeiten

III. Ausschluss des Drittschutzes bei eigener „Rechtsuntreue" Ein Drittschutz auf der Grundlage des wechselseitigen Austauschverhältnisses ist nach der Rechtsprechung15 ausgeschlossen, wenn der Nachbar, der sich darauf beruft, selbst die mit der jeweiligen Gebietsfestsetzung verbundenen Beschränkungen nicht einhält, also nicht an diesem Austauschverhältnis teil hat und damit rechtsmissbräuchlich handelt.

IV. Drittschutz im Rahmen des § 34 I I BauGB Ein Drittschutz aufgrund des Gebietscharakters ist auch in einem unbeplanten Gebiet im Sinne des § 34 II BauGB gegeben, das einem Gebiet der BauNVO entspricht. Aus der Gleichstellung geplanter und faktischer Baugebiete im Sinne der BauNVO hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung durch § 34 I I BauGB ergibt sich, dass insofern ein identischer Nachbarschutz schon vom Bundesgesetzgeber festgelegt worden ist 16 .

C. Rechtsschutzmöglichkeiten der Nachbarkommunen I. Rechtsschutz gegen Bebauungspläne 1. Vorbeugende Unterlassungs- bzw. Feststellungsklage Eine Nachbargemeinde kann gegen die Fortführung der Planung mit der vorbeugenden Feststellungsklage und gegen die Vornahme bestimmter Festsetzungen mit der vorbeugenden Unterlassungsklage vorgehen 17. 15 BVerwG, U. v. 24.02.2000 - 4 C 23.98 - BauR 2000, 1306 (1308); OVG Thür., B.v. 18.10.1996- 1 E0262/96-BRS 58, Nr. 156, S.402 (404) = UPR 1997,156; Stüer/Rude, DVBl. 2000, 390 (398). 16 BVerwG, U. v. 16.09.1993 - 4 C 28/91 -ZfBR 1994,97 (98) = DVBl. 1994,284; OVG SH, B.v.25.04.1994- 1 M29/94-JURIS, S.2; OVG Thür., B.v. 18.10.1996- 1 E0262/96-BRS 58, Nr. 156, S.402 (403) = UPR 1997, 156; Kraft, VerwArch 1998, 264 (282); Muckel, JuS 2000, 132 (133); Stüer/Rude, DVBl. 2000, 390 (397); so bereits: Schenke in: Dichtl/Schenke-Einzelhandel und BauNVO, 1988 - 1 3 (64); Schenke, NuR 1983,81 (85); einschränkend: Schmidt-Preuß, DVBl. 1994, 288 (291). 17 BVerwG U. v.08.09.1972-4C 17.71 -BauR 1972,352; BRS 25 Nr. 14, S.44; Bay. VGH U. v. 04.09.1984 - 1 Β 82 A.439 - BayVBl. 1985, 83 (84) = NVwZ 1985, 837; Bay. VGH, B.v. 26.10.1976- 130 176-BayVBl. 1977, 303 (304); Bay. VGH, B. v. 24.11.1975 - 217 175-BayVBl. 1976, 112 (113); Bönker, BauR 1999, 328 (339); Bönker - Rechtsgutachten: FOC, 1997-S. 46; Brosche, DVBl. 1980,213 (217); Dolde/Menke, NJW 1999,1070 (1076); Hatzfeld/Janning, StGB 1990,109(122); Hoppe in: H/G-Öffentliches Baurecht, 1995-§16, Rn. 7; Hoppe in: FS für Wolff zum 75. Geburtstag, 1973 - 307 (323); Pappermann, JuS 1973, 689 (694); Reidt, LKV 1994, 93 (95); kritisch: Schenke - Verwaltungsprozessrecht, 1998 - § 26, Rn. 1090; Wagner, ZfBR 2000, 21 (23) = BWGZ 1999, 62 (64), weist auf ein er-

C. Rechtsschutzmöglichkeiten der Nachbarkommunen

321

Das der Feststellungsklage zugrundezulegende Rechtsverhältnis ergibt sich aus dem interkommunalen Abstimmungsgebot gemäß §2 I I BauGB, das im Verhältnis der planenden Gemeinde und der Nachbargemeinde Pflichten und Ansprüche begründet 18. Eine vorbeugende Unterlassungsklage empfiehlt sich erst dann, wenn die Festsetzungen des Bebauungsplanes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststehen, weil andernfalls die Möglichkeit besteht, dass das Rechtsschutzinteresse verneint wird 19 . Das für die Inanspruchnahme des vorbeugenden Rechtsschutzes erforderliche qualifizierte Rechtsschutzinteresse besteht darin, dass eine Gefahr des faktischen Planungsvollzuges und damit der Rechtsvereitelung besteht20. Der Planvollzug kann durch die Erteilung von Genehmigungen auf der Grundlage des § 33 BauGB bereits während des Aufstellungsverfahrens einsetzen21. 2. Normenkontrollantrag

gemäß §47 II VwGO

Gegen den Bebauungsplan kann eine Nachbargemeinde im Wege des Normenkontrollantrags gemäß § 47 I I VwGO vorgehen. In Frage kommt auch ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß §47 V I VwGO gegen das Inkrafttreten eines Bebauungsplanes22. a) Kein Behördenprivileg der Nachbargemeinden Macht eine Gemeinde eine Verletzung ihrer Planungshoheit geltend, so ergibt sich ihre Antragsbefugnis nicht aus §47 I I 1, 2. Alt. VwGO, weil sie in diesem Fall keine Behörde im Sinne dieser Vorschrift ist. Eine Behörde ist nur ein solcher Träger öffentlicher Verwaltung, der mit der Ausführung der angegriffenen Norm befasst ist. Die Nachbargemeinde ist gerade nicht mit der Vollziehung des streitigen Bebauungsplanes befasst, sondern sie wird als Gebietskörperschaft und Trägerin der Planungshoheit tätig, so dass ihr insoweit die Behördeneigenschaft fehlt. Eine „Behörden-Popularklage" ist demnach unzulässig23. hebliches Prozessrisiko hin; a. A. Kriener, BayVBl. 1984, 97 (101 f.); im Anschluss daran: Uechtritz, BauR 1999, 572 (586). 18 OVG Nds., U.v. 17.11.1970-1A 97/69-DVB1.1971,322 (323); Rauch, BayVBl. 1980,

612 (616). 19

Vgl. Uechtritz, BauR 1999, 572 (587). Rauch, BayVBl. 1980, 612 (616). 21 Bay. VGH U.v. 04.09.1984- 1Β 82 A.439 - Bay VB1. 1985, 83 (84) = NVwZ 1985, 837. 22 Vgl. Kopp/Schenke - VwGO, 2000 - § 47, Rn. 148 ff. 23 OVG RP, U.v.24.06.1992-10 C 12780/90-BRS 54, Nr. 13, S.40 (41) = DÖV 1993,209; VGH BW, U. v. 27.02.87 - 5 S 2472/86 - VB1BW 1987,461 (462) = NVwZ 1987,1088; VGH BW, B.v.25.08.1977-III 1234/76-BRS 32, Nr.22, S.58; VGH BW, B.v. 10.12.1976-III 1149/76-BauR 1977, 182 (184) (Regional verband); Battis in: BKL-BauGB, 1999-§2, 20

21 Kopf

322

11. Kap.: Rechtsschutzmöglichkeiten b) Antragsbefugnis gemäß §47 I I 1, 1. A l V w G O

Die Antragsbefugnis einer Gemeinde bestimmt sich nach §47 I I 1,1. A l t . V w G O . Die Gemeinde muss nach dem Wortlaut des § 47 I I 1 V w G O n. F. eine Rechtsverletzung geltend machen können. In diesem Zusammenhang soll nicht auf die Unterschiede zwischen der Rechtslage vor und nach Inkrafttreten der Änderung der V w G O zum 01.01.1997 eingegangen werden, weil sich die Änderung der V w G O auf die Antragsbefugnis einer Nachbargemeinde - wie zu zeigen sein wird - nicht ausgewirkt hat 2 4 .

aa) Drittschutz

aus §2 II BauGB

Eine Nachbargemeinde ist gemäß §47 I I 1, 1. Alt. V w G O antragsbefugt, wenn eine Verletzung des Rechtes auf interkommunale Abstimmung nach § 2 I I BauGB i m Sinne der Möglichkeitstheorie 2 5 zumindest nicht als von vornherein ausgeschlossen erscheint 26 . § 2 I I BauGB gibt der Nachbargemeinde klagefähige Rechte, so dass die Gemeinde rechtswidrige Eingriffe in ihre Planungshoheit nicht zu dulden braucht 2 7 . Die Gemeinde kann sich hierdurch faktischer Beeinträchtigungen ihrer Planungshoheit erwehren. Rn. 8; Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999 - § 16, Rn. 16; Wagner, ZfBR 2000,21 (23); a. A. Wagner, BWGZ 1999, 62 (64). 24 Büchner NVwZ 1999, 345 (349); Stühler VB1BW 1999,206 (209); zur Antragsbefugnis bei einer möglichen Verletzung des Art. 28 II GG: Schenke, VerwArch 1999, 301 (310). 25 Vgl. zur Anwendbarkeit der Möglichkeitstheorie im Rahmen des §47 II 1,1. Alt. VwGO n.F.: Schenke, VerwArch 1999, 301 (307). 26 BVerwG v. 11.02.1993 - 4C 15/92-NVwZ 1994,285ff.; BVerwG U.v. 15.12.1989-4C 36.86 - BVerwGE 84, Nr. 28, 209 (215) = NVwZ 1990,464; OVG MV, U. v. 15.04.1999 - 3 Κ 36/97 - NVwZ 2000, 826; OVG NW, B.v. 31.01.2000- 10B 959/99-DÖV 2000, 644; OVG Sachsen, U. v. 08.12.1993 - 1 S 81/93 - LKV 1995, 84; OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 28.07.1994 - 1 Κ 7/93 - η. v., S. 8 der Entscheidung; OVG Saar., U. v. 21.03.1995 - 2 Ν 3/93-BRS 57, Nr.47, S. 134 (135); VGH BW, U.v. 15.10.1993-3S 335/92-VB1BW 1994, 353; Bay. VGH, U.v.03.05.1999- 1 Ν98.1021 -BauR 1999, 1140 (1141) = BayVBl. 2000, 273 = NVwZ 2000, 822 = GewArch 1999, 432 = IBR 1999, 384; Bay. VGH, U. v. 15.04.1994 - 2 Ν 93.3940 - BayVBl. 1994, 495 = GewArch 1995, 434; Bay. VGH, U.v. 04.09.1984- 1Β 82 A 439- BayVBl. 1985,83 (84); Battis in: BKL-BauGB, 1999- §2, Rn. 8; Brohm- Öffentliches Baurecht, 1999- § 16, Rn. 16; Dürr, NVwZ 1996,105 (108); Kopp/ Schenke - VwGO, 2000 - § 47, Rn. 79; Reidt, LKV 1994,93 (95); Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 104; Stock in: König - BauNVO, 1999 - § 11, Rn. 90; Stüer- Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 1997- S. 800, Rn.2008. 27 OVG Nds., U.v. 17.11.1970- 1 A 97/69-DVB1. 1971, 322 (323); Fickert/FieselerBauNVO, 1998 - § 11, Rn. 11.21; Bönker - Rechtsgutachten: FOC, 1997 - S.46; Grotefels in: H/G - Öffentliches Baurecht, 1995 - § 2, Rn. 39; Hoppe in: FS zum 70. Geburtstag von Ch. von Unruh, 1983 - 555 (578); Jahn, GewArch 1999,432 (436); Kilian/Müllers, VerwArch 1998,25 (42); Kriener, BayVBl. 1984,97 (98); Rauch, BayVBl. 1980,612 (615); Uechtritz, BauR 1999, 572 (585).

C. Rechtsschutzmöglichkeiten der Nachbarkommunen

323

Es entspricht der nunmehr herrschenden Meinung, dass eine interkommunale Abstimmung auch dann erfolgen muss, wenn die Nachbargemeinde nicht die Verletzung eigener konkreter Planungen geltend machen kann28. Daher ist es umso unverständlicher, wenn in der Rechtsprechung zum Teil 29 das Vorliegen konkreter Planungen zwar nicht für die interkommunale Abstimmung gefordert wird, wohl aber für die Antragsbefugnis gemäß §47 II VwGO. Folgte man dieser Auffassung, so würde der Rechtsschutz der Gemeinden unzulässig verkürzt. Eine Nachbargemeinde hätte bei Vorliegen unmittelbarer Auswirkungen gewichtiger Art einen subjektiv-rechtlichen Anspruch, dass ihre Belange bei der Planung inhaltlich berücksichtigt werden 30 ; dieser Anspruch wäre gerichtlich jedoch nicht durchsetzbar. Deshalb kann die Antragsbefugnis nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Nachbargemeinde über die künftige städtebauliche Ordnung und Entwicklung des von der Planung betroffenen Bereiches hinreichend konkrete planerische Vorstellungen hat 31 . Lässt der Bebauungsplan ein Einzelhandelsgroßprojekt zu, dessen Geschossfläche über die der Vermutungsregelung gemäß § 11 III 3 BauNVO hinausgeht, so reicht dies für die Begründetheit des Antrags zwar nicht aus32, die Nachbargemeinde ist jedoch antragsbefugt, weil zumindest die Möglichkeit unmittelbarer Auswirkungen gewichtiger Art im Sinne des § 2 II BauGB besteht33. bb) Drittschutz aufgrund zentralörtlicher

Funktionszuweisung

Eine in der Literatur zum Teil vertretene Auffassung 34 sowie ein Teil der früheren Rechtsprechung35 gehen davon aus, dass durch die Zuweisung einer zentralörtlichen 28

Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C.III.4. BezG Dresden, 15.01.1992- 1 BDK 29/91 - L K V 1992, 338. 30 BVerwG U.v.08.09.1972-4C 17.71 - BauR 1972, 352 (354) = BRS 25 Nr. 14, S.44; BVerwG, U. v. 15.12.1989 - 4 C 36.86 - NVwZ 1990, 464 (465) = BVerwGE 84, Nr. 28, S.209 = DÖV 1990,479; BezG Dresden, 15.01.1992-1 BDK 29/91-LKV 1992, 338 (339), nach Auffassung des Gerichts dient §2 II BauGB zugleich dem Schutz der Nachbargemeinden; Pappermann, JuS 1973, 689 (697). 31 Ausdrücklich zur Antragsbefugnis: BVerwG B.v. 09.01.95 - 4 NB 42.94 - BRS 57, Nr. 5, S. 20 (21) = NVwZ 1995,694 = BauR 1995, 354 = GewArch 1995,210 = IBR 1995,396; OVG Saar., U. v. 21.03.1995 - 2 Ν 3/93 - BRS 57, Nr. 47, S. 134 (135); Kopp/Schenke - VwGO, 2000- §47, Rn. 79; Stühler, VB1BW 1999, 206 (209). 32 BVerwG, v. 02.06.1992 - 4 NB 8/92 - JURIS, S. 2. 33 OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 28.07.1994 - 1 Κ 7/93 - η. v., S. 8 der Entscheidung; VGH BW, U. v. 15.10.1993 - 3 S 335/92 - VB1BW 1994, 353; BezG Magdeburg, B. v. 16.09.1991 - M13/91 - LKV 1992, 308. 34 Fickert/Fieseler- BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 11.22; Pappermann, JuS 1973,689 (695); W. Schrödter in: Schrödter-BauGB, 1998-§2, Rn. 46 und 48; Söfker in: EZBK-BauGB, Stand April 2000 - § 11 BauNVO, Rn. 104; Ziegler in: Brügelmann - BauGB, Stand Februar 2000-§11 BauNVO, Rn.65. 35 OVG RP, U.v. 19.10.1988- 10C27/87-NVwZ 1989,983; OVG RP, U.v.01.03.1983-10 C 24/82 (Stadt Landau/Pfalz./. Ortsgemeinde Bomheim) - BRS 40, Nr. 33, S. 80 (82) = BauR 1983,551; VGHBW, B.v. 18.06.1976-III 680/76-BRS 30, Nr. 145, S.263 = BauR 1976,341. 29

21*

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11. Kap.: Rechtsschutzmöglichkeiten

Funktion durch einen Landesentwicklungsplan die Antragsbefugnis einer Gemeinde begründet werden kann. Für diese Ansicht wird angeführt, dass ein Verstoß gegen solche, dem Schutz bestimmter Gemeinden dienenden Ziele, zugleich eine Verletzung der materiellen Abstimmungspflicht gemäß § 2 I I BauGB zur Folge habe. Die planungsrechtliche Nachbarschaft von Gemeinden sei insgesamt den Zielen des § 1 IV BauGB verpflichtet. Deshalb müsse einer Gemeinde als Partner dieses Verbandes ein Recht zugebilligt werden, schwerwiegende und unzumutbare Verstöße gegen das System zentraler Orte zu verhindern 36. Diese Auffassung ist mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung37 und Literatur 38 abzulehnen, weil die Ziele der Raumordnung und Landesplanung nicht die planerischen Belange der Gemeinden zum Gegenstand haben, sondern hiermit die Interessen des Landes fixiert werden. Die zentralörtliche Funktion einer Gemeinde ist nicht Ausdruck der gemeindlichen Planungshoheit, sondern diese wurde ihr aufgrund der Landesplanung zugewiesen und dient daher ausschließlich übergeordneten Planungsinteressen. Auch die Träger der Regionalplanung können ihre Antragsbefugnis nicht aus den Zielen der Raumordnung ableiten39. Ist die Antragsbefugnis auf der Grundlage einer (anderen) drittschützenden Norm zu bejahen, so erfolgt im Rahmen der Normenkontrolle eine Prüfung, ob der Bebau36

W. Schrödter in: Schrödter-BauGB, 1998- §2, Rn.46a. BVerwG, B. v. 09.01.1995 - 4 NB 42.94 - BRS 57, Nr. 5, S. 20 (22) = NVwZ 1995, 694 = BauR 1995, 354 = GewArch 1995, 210 = IBR 1995, 396; OVG Bbg., Β. v. 16.12.1998 - 3 Β 116/98 - S. 13 der Entscheidung (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland); OVG Nds., U. v. 23.11.1982 - 6 C 7/79 - BauR 1983, 220 (221); OVG Nds., U.v. 17.11.1970- 1A 97/69-DVB1. 1971, 322 (324); OVG RP, Β. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (437) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); OVG Sachsen, B. v. 26.08.1992 - 1 S 150/92-LKV 1993,97 (98); OVG Sachsen-Anhalt, U.v.28.07.1994-1Κ 7/93-n. v., S.7 der Entscheidung; OVG Thür., B. v. 23.04.1997 - 1 EO 241/97 - LKV 1997, 372 = DÖV 1997, 791 = ThürVBl. 1997, 279; VGH BW, U. v. 27.02.87 - 5 S 2472/86 - VB1BW 1987, 461 (464) = NVwZ 1987,1088; Bay. VGH, B. v. 25.10.1999 - 26 CS 99.2222 - BayVBl. 2000, 152 = GewArch 2000, 174 = BauR 2000, 365; BezG Dresden, B. v. 15.01.1992 - 1 BDK 29/91 - L K V 1992, 338; VG Koblenz, B.v.24.07.2000-1 L 1756/00 KO-BauR 2000,1714; VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - S. 23 des Urteils (GewArch 2000, 261 = UPR 2000, 320) (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); VG Neustadt/Weinstraße, Β. v. 29.09.1998 - 2 L 2138/98 - NVwZ 1999, 101 (102) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); VG Potsdam, B. v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - BauR 1999, 1146 (1150) = LKV 1999,377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin./. Lkr. Havelland); VG Potsdam, B. v. 03.08.1998 - 5 L 247/98 - Mitteilungen StGB Bbg. 1998, 336 (340) (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland). 37

38 Brohm - Öffentliches Baurecht, 1999- § 16, Rn. 16; Dolde/Menke, NJW 1999, 2150 (2160); Bönker, BauR 1999, 328 (340); Büchner, NVwZ 1999, 345 (350); Halama in: FS für Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995-S. 201 (225); Jahn, BayVBl. 2000, 267 (270); JahnStärkung der Innenstadt oder des ländlichen Raumes?, 1999- S. 42; Kopp/Schenke - VwGO, 2000- §47, Rn.79; Otting, DVB1.1999,595 (596); Rauch, BayVBl. 1980,612 (615); Schenke in: Dichtl/Schenke-Einzelhandel und BauNVO, 1988-S. 13 (60); Stüer-Handbuch des Β auund Fachplanungsrechts, 1997-S. 800, Rn.2009; Uechtritz, BauR 1999, 572 (578). 3 * VGH BW, Β. v. 19.06.1998 - 8 S 1093/98 - DÖV 1998,476 = VB1BW 1998, 461.

C. Rechtsschutzmöglichkeiten der Nachbarkommunen

325

ungsplan objektiv rechtswidrig ist. Eine Rechtswidrigkeit kann sich dabei auch aus einem Verstoß gegen bindende raumordnerische Ziele ergeben40.

II. Rechtsschutz gegen Einzelgenehmigungen 1. Problembeschreibung Nachbargemeinden können in gravierendem Maße durch Genehmigungen von Einzelhandelsgroßprojekten tangiert sein, die auf der Grundlage des § 34 BauGB erteilt wurden. In einem aktuellen Fall hat die Stadt Viernheim dem Betreiber des Rhein-Neckar-Zentrums 41 eine Genehmigung auf der Grundlage des § 34 BauGB zur Erweiterung der Verkaufsfläche von 51.000 qm auf 60.500 qm erteilt 42 . Da in solchen Fällen der Genehmigung kein Bebauungsplan zugrunde liegt, muss weder eine formelle Beteiligung der Nachbargemeinden als Träger öffentlicher Belange gemäß § 4 1 BauGB durchgeführt werden, noch ist die Vorschrift des § 2 I I BauGB zur interkommunalen Abstimmung unmittelbar anwendbar. Nachfolgend soll auf die Frage eingegangen werden, auf welcher Grundlage eine Nachbargemeinde ein Abwehrrecht in einer solchen Fallkonstellation geltend machen kann. 2. Anfechtungsklage gemäß §42 II VwGO Gegen die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Einzelhandelsgroßprojektes kann die Gemeinde im Wege der Anfechtungsklage gemäß § 42 II VwGO vorgehen. Im Rahmen der Anfechtungsklage wird der Bebauungsplan Inzident mitüberprüft 43. Gegenstand einer Klage kann auch die Genehmigung einer Nutzungsänderung sein44. 3. Vorläufiger

Rechtsschutz gemäß §80a VwGO

Eine Nachbargemeinde kann gegen die Erteilung einer Baugenehmigung Widerspruch einlegen, wobei dieser Widerspruch gemäß § 212 a BauGB keine aufschiebende Wirkung entfaltet, weil die Gemeinde auch „Dritter" im Sinne dieser Vorschrift ist 45 . 40

Büchner, NVwZ 1999, 345 (349); Uechtritz, BauR 1999, 572 (585). Zur Entwicklung dieses interkommunalen Streitfalls: Gleisberg in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988 - 75 (80). 42 Rhein-Neckar Info v. 26.06.2000 - Organ des Raumordnungsverbandes Rhein-Neckar S. 16. 43 Kriener, BayVBl. 1984, 97 (99). 44 OVG NW, B. v. 09.02.1988 - 11 Β 2505/87 - NVwZ-RR 1988, 11 = DÖV 1988, 843 = NWVB1. 1988, 235. 45 Battis in: BKL-BauGB, 1999- § 212 a, Rn. 1; Stüer/Rude, DVBl. 2000, 390 (398). 41

326

11. Kap.: Rechtsschutzmöglichkeiten

Die Nachbargemeinde muss hinsichtlich der Einlegung des Widerspruchs beachten, dass sie ihre Abwehrrechte verwirken kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten 46 . Da der Rechtsbehelf der Nachbargemeinde kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung entfaltet, kann die Nachbargemeinde gemäß §§ 80a I I I 2, 80 V 1 V w G O die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragen 47 . Ein solcher Antrag hat Erfolg, wenn die vorzunehmende Abwägung zwischen Suspensivinteresse der Nachbargemeinde einerseits und dem öffentlichen Interesse sowie dem Interesse des Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der erteilten Baugenehmigung andererseits zugunsten der Nachbargemeinde ausfällt.

4. Grundlagen zur Geltendmachung von Abwehrrechten a) Drittschutz aus § 2 I I BauGB Es ist gefestigte Rechtsprechung 48 , dass § 2 I I BauGB der Nachbargemeinde auch ein direktes Abwehrrecht gegen eine Baugenehmigung vermittelt, die auf einer Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebotes beruht. 46 Vgl. VG Potsdam, B. v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - LKV 1999, 377 = S. 5 f. der Entscheidung, (BauR 1999, 1146) (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland), nach Auffassung des Gerichts besteht die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Baugenehmigung bereits zum Zeitpunkt einer entsprechenden Presseveröffentlichung. 47 OVG MV, B.v.30.06.1999-3 M144/98-NVwZ-RR2000,559 = DÖV2001,134; OVG RP, B.v.08.01.1999-8 Β 12650/98-NVwZ 1999,435 (436) = BauR 1999,367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); VG Neustadt/Weinstraße, B.v. 29.09.1998 - 2 L 2138/98 - NVwZ 1999, 101 (102) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); VG Potsdam, B.v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - LKV 1999,377 (378) = S. 9 der Entscheidung, (BauR 1999, 1146) (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin ./. Lkr. Havelland); Kopp/Schenke - VwGO, 2000 - § 80a, Rn. 17; Uechtritz, BauR 1999, 572 (587). 48 BVerwG v. 11.02.1993 - 4 C 15/92 - NVwZ 1994, 285 (288); BVerwG, U.v. 15.12.1989-4C 36.86-NVwZ 1990,464 (465) = DÖV 1990,480 = BVerwGE 84, Nr.28, 209; OVG Bbg., B. v. 12.07.1996 - 3 Β 144/95 - LKV 1997, 129 (130) = NVwZ 1997, 600; OVG MV, Β. v. 30.06.1999 - 3 M144/98 - NVwZ-RR 2000,559 (560) = DÖV 2001,134; OVG NW, B.v. 31.01.2000- 10 Β 959/99-DÖV 2000, 644; OVG NW, B. v. 09.02.1988 - 11 Β 2505/87 - NVwZ-RR 1988, 11(12) = DÖV 1988, 843 = NWVB1. 1988, 235; OVG RP, Β. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (438) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz); OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 15.10.1993-1 M 14/93 η. v., S. 13; OVG Thür., U. v. 17.06.1998 - 1 KO 1040/97 - ThürVBl. 1998, 280 (281) = LKV 1999, 194; OVG Thür., B. v. 23.04.1997 - 1 EO 241/97 - LKV 1997, 372 (373) = DÖV 1997, 791 = ThürVBl. 1997, 279; Bay. VGH, B. v. 25.10.1999 - 26 CS 99.2222 - BayVBl. 2000, 152 (153) = GewArch 2000,174 = BauR 2000, 365; Bay. VGH, U. v. 14.1.1991 - 2 B 89.785 - GewArch 1991, 314 (315); VG Neustadt/Weinstraße, B. v. 29.09.1998 - 2 L 2138/98 - NVwZ 1999,101 (103) = UPR 1999, 80 (FOC Zweibrücken/ einstw. Rechtsschutz); VG Potsdam, B. v. 07.05.1999 - 5 L 950/98 - BauR 1999,1146 = LKV 1999,377 (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Land Berlin./. Lkr. Havelland); VG Potsdam, B. v. 03.08.1998 - 5 L 247/98 - Mitteilungen StGB Bbg. 1998, 336 (FOC Wustermark/

C. Rechtsschutzmöglichkeiten der Nachbarkommunen

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Das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 15.12.1989 49 einen direkten Abwehranspruch aus § 2 I I BauGB in einem Fall bejaht, in dem die Einzelgenehmigung auf einem nicht hinreichend abgestimmten Flächennutzungsplan und damit zusammenhängend auf der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens beruhte, bei dem die Belange der Nachbargemeinde nicht berücksichtigt wurden. Diese Rechtsauffassung bestätigte das Gericht in seiner Entscheidung vom 11.02.1993 50. Das Gericht führte hierzu ergänzend aus, dass ein direkter Abwehranspruch der Nachbargemeinde aus § 2 I I BauGB gegen eine Baugenehmigung immer dann bestehe, wenn die Gemeinde dem Bauinteressenten unter Missachtung des §2 I I BauGB einen Zulassungsanspruch verschafft hat. Dies setze voraus, dass die Gemeinde durch einen nicht abgestimmten Bauleitplan oder im Falle des Fehlens eines solchen Plans auf andere Weise die Weichen in Richtung Zulassungsentscheidung gestellt hat. Ob das interkommunale Abstimmungsgebot auf die Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung durchschlägt, lasse sich nicht losgelöst von den Zulassungsregeln der §§29ff. BauGB beurteilen. Nach der Entscheidung des Bay. VGH vom 25.10.1999 51 besteht ein direkter Abwehranspruch der Nachbargemeinde aus § 2 II BauGB auch dann, wenn die Einzelgenehmigung auf einer mitwirkungspflichtigen Ermessensentscheidung der Gemeinde beruhen müsste, bei der die Belange der Nachbaigemeinde berücksichtigt werden können, diese Mitwirkung der Gemeinde aber unterblieben ist. b) Die Ansicht von Uechtritz In der Literatur wird der Rechtsprechung zu § 2 I I BauGB überwiegend zugestimmt 52 , wobei zum Teil Kritik an der dogmatischen Herleitung des direkten Abwehranspruchs der Nachbargemeinde geäußert wird. Die Kritiker 53 dieser Rechtsprechung leiten die Klagebefugnis nicht aus § 2 II BauGB, sondern unmittelbar aus Art. 28 I I GG ab. einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland); a. A. noch: VGH BW, B. v. 18.06.1976-III 680/76-BRS 30, Nr. 145, S.263 (264) = BauR 1976, 341. 49 BVerwG, U.v. 15.12.1989-4C 36.86-NVwZ 1990, 464 (466) = BVerwGE 84, Nr.28, 209. 50 BVerwG v. 11.02.1993-4C 15/92-NVwZ 1994, 285 (288). 51 Bay. VGH, B. v. 25.10.1999 - 26 CS 99.2222 - BayVBl. 2000, 152 = GewArch 2000, 174 = BauR 2000, 365. 52 Battis in: BKL - BauGB, 1999 - § 2, Rn. 8; Bielenberg in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - §2 Rn. 67; Büchner, NVwZ 1999, 345 (350); Dolde/Menke, NJW 1999, 1070 (1077); Fickert/Fieseler - BauNVO, 1998 - § 11, Rn. 11.21; Klindt, IBR 1999, 384; Kopp/Schenke-VwGO, 2000- §42, Rn. 138; Reidt, LKV 1994,93 (96); Schmitz, LKV 1997, 345 (348); Söfker in: EZBK-BauGB, Stand April 2000- § 11 BauNVO, Rn. 104; Stüer/Rude, DVB1. 2000, 312 (317); Wagner, BWGZ 1999,62 (65) a. A. noch: Hatzfeld/Janning, StGB 1990,109

(122). 53

Vgl. Uechtritz, BauR 1999, 572 (576); andeutungsweise auch: Jahn, BayVBl. 2000, 267 (269, Fn. 18); Jahn - Stärkung der Innenstadt oder des ländlichen Raumes?, 1999- S. 39.

328

11. Kap.: Rechtsschutzmöglichkeiten

Nach Uechtritz geht es nicht um die Verwerflichkeit des Umgehungsaktes oder der Weichenstellung, sondern um die Rechtsverletzung durch die Zulassungsentscheidung54. Eine Rechtsverletzung könne sich nicht aus § 2 I I BauGB, sondern vielmehr unmittelbar aus Art. 28 II GG ergeben. Zur Untermauerung bedient sich Uechtritz eines Vergleichs mit der Konstellation, in der sich ein Privatrechtssubjekt gegen einen Bebauungsplan und eine Einzelgenehmigung wendet. Nach der Schutznormtheorie hat eine Klage gegen die Baugenehmigung nicht bereits dann Erfolg, wenn die Nichtigkeit des Bebauungsplans feststeht, sondern hierzu bedarf es - wie § 113 I VwGO klarstellt - zusätzlich einer subjektiven Rechtsverletzung des Klägers. Da demzufolge ein Verstoß gegen § 1 V I BauGB nicht auf die Einzelgenehmigung durchschlägt, könne ein solches Durchschlagen auch nicht mit einem Verstoß gegen § 2 II BauGB, der für die Abstimmung der interkommunalen Belange die gleiche Funktion wie das Abstimmungsgebot hat, begründet werden. Die Einvernehmenserteilung ohne Berücksichtigung der Belange der Nachbaigemeinde könne als behördeninterner Akt für die subjektive Rechtsverletzung der Nachbargemeinde nicht entscheidend sein. Das Einvernehmen diene dem Schutz der Planungshoheit der Ansiedlungsgemeinde und nicht dem Schutz der Nachbargemeinde, so dass bei fehlendem Einvernehmen keine Verletzung des § 2 II BauGB vorliegen könne55. Nach Uechtritz kann eine Klage einer Nachbargemeinde aber nur dann erfolgreich sein, wenn die angegriffene Genehmigung auch nach den Zulassungsregelungen der §§ 29 ff. BauGB rechtswidrig ist 56 . Ist die Baugenehmigung nach den objektiv-rechtlichen Vorschriften rechtswidrig, so müsse weiter geprüft werden, ob die Nachbargemeinde in ihrer subjektiv-rechtlichen gemäß Art. 28 I I GG garantierten Rechtsstellung verletzt ist. Bei dieser Prüfung seien die Maßstäbe heranzuziehen, die zur Auslegung des § 2 II BauGB entwickelt worden sind. Eine Klage habe demnach Erfolg, wenn die von der genehmigten Anlage ausgehenden Auswirkungen unzumutbar sind 57 . Das VG Neustadt/Weinstraße hat sich in seiner Hauptsacheentscheidung zum FOC Zweibrücken vom 06.04.2000 5* der Auffassung von Uechtritz angeschlossen. Das Gericht betont in seiner Entscheidung, dass das in §2 I I BauGB geregelte nachbargemeindliche Abstimmungsgebot kein eigenes, von der gemeindlichen Planungshoheit losgelöstes Abwehrrecht enthält.

54

Uechtritz-Die Gemeinde als Nachbar-BauR 1999, 572 (577). Uechtritz - Die Gemeinde als Nachbar-BauR 1999, 572 (577); a. A. Bay. VGH, B.v. 25.10.1999 - 26 CS 99.2222 - BayVBl. 2000, 152 = GewArch 2000, 174 = BauR 2000, 365. 56 Siehe 11. Kapitel, C.II.5. 57 Uechtritz, BauR 1999, 572 (578). 58 VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - GewArch 2000, 261 = UPR 2000, 320 (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); so wohl auch: VG Koblenz, B.v. 24.07.2000-1 L 1756/00 KO-BauR 2000, 1714. 55

C. Rechtsschutzmöglichkeiten der Nachbarkommunen

329

c) Stellungnahme: Drittschutz unmittelbar aus Art. 28 II GG Uechtritz ist insoweit zuzustimmen, als sich ein Abwehrrecht einer Nachbargemeinde gegen eine faktische Einflussnahme aufgrund einer Baugenehmigung nicht aus § 2 I I BauGB, sondern unmittelbar aus Art. 28 II 1 GG ergibt. Die eingeschränkte Bezugnahme der Rechtsprechung auf § 2 I I BauGB lässt Rechtsschutzlücken offen, die mit der hier vertretenen Ansicht vermieden werden. Uechtritz hat zu Recht ausgeführt, dass gegen einen Rückgriff auf Art. 28 II 1 GG nicht der Einwand erhoben werden kann, hiermit werde der Anwendungsvorrang des einfachen Rechts verkannt 59. Der Gesetzgeber hat eine einfachgesetzliche Normierung zur Konstituierung eines Abwehrrechtes der Nachbargemeinden gegen faktische Auswirkungen durch Einzelgenehmigungen gerade nicht vorgenommen, so dass der Rückgriff auf Art. 28 II 1 GG nicht verwehrt bleiben muss60. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung61, dass den Gemeinden unmittelbar aus Art. 28 II 1 GG ein Abwehrrecht gegen faktische Beeinträchtigungen ihrer Planungshoheit als Teil der verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsgarantie zusteht. Art. 28 II GG ist deshalb nicht nur als ein entscheidender Maßstab für die Entscheidung von Zweifelsfragen bei der Beurteilung der Reichweite der einfachgesetzlich in § 2 I BauGB normierten gemeindlichen Planungshoheit heranzuziehen 62 , sondern hieraus ergeben sich auch Abwehrrechte einer Nachbaigemeinde gegen Einzelgenehmigungen. Schon Fingerhut hatte darauf hingewiesen, dass bei einer Umgehung der Abstimmungsverpflichtung des § 2 I I BauGB unmittelbar auf Art. 28 II GG zurückgegriffen werden müsse, weil sich die Abstimmungsverpflichtung auf die Selbstverwaltungsgarantie zurückführen lässt63.

59

Uechtritz, BauR 1999, 572 (578, Fn.41). So bereits Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988 - 13 (60). 61 BVerwG, U. v. 21.03.1996 - 4 C 26/94 - NVwZ 1997, 169 (170); BVerwG, U. v. 27.03.1992 - 7 C 18/91 - NVwZ 1993, 364 (365); BVerwG, U. v. 14.02.1969 - 4 C 82.66-BRS 22, Nr.29,60; OVG Bbg.-24.03.1999-3 A60/97-NuR 1999,587 (588); VGH BW, Β. v. 07.04.1997 - 8 S 2550/96 - VB1BW 1997, 387 (388); VGH BW, B.v.24.05.1995- 10S 240/95-NVwZ 1995,1017 (1018); VGH BW, U.v.26.10.1989- 10 S 2177/88- NVwZ 1990,487; VGH Hess., B.v.07.02.1991 - 7 TH 3215/89-NVwZ-RR 1991, 537 (538); VGH Hess., 28.08.1986-5 TH 3071/84-NVwZ 1987, 987 (988); VGH Hess., Β.v.28.04.1978-V TH4/78-NJW 1979, 178 (179); Hoppe in: FS zum 70. Geburtstag von Ch. von Unruh, 1983 - S. 555 (556); Schenke - Bergbau contra Oberflächeneigentum und kommunale Selbstverwaltung, 1994-S. 71; Steinberg, DVBl. 1982, 13 (17). 62 Vgl. Hoppe in: FS zum 70. Geburtstag von Ch. von Unruh, 1983 - 555 (580). 63 Fingerhut - Die planungsrechtliche Gemeindenachbarklage, 1976 - S. 11; auf diesem Umgehungsgedanken basieren auch: OVG Nds., B.v.25.01.1979-7a ND6/78-BauR 1979, 208 (210) = BRS 35, Nr. 32,86; OVG NW, B. v. 09.02.1988 - 1 1 Β 2505/87 - NVwZ-RR 1988, 11(12) = DÖV 1988, 843 = NWVB1. 1988, 235. 60

330

aa) Das Erfordernis

11. Kap.: Rechtsschutzmöglichkeiten

der hinreichend konkreten Eigenplanung

Die Klagebefugnis einer Nachbargemeinde ist gegeben, wenn diese einen Eingriff in ihre Planungshoheit geltend machen kann. Ein Eingriff in die gemeindliche Planungshoheit hängt - entgegen einer weit verbreiteten Ansicht in der Rechtsprechung 64 und Literatur 65 - nicht davon ab, dass bestehende Planungen oder hinreichend konkrete planerische Vorstellungen der Nachbargemeinde nachhaltig beeinträchtigt werden. Der Schutz der Planungshoheit umfasst das Recht der Gemeinde, das örtliche Gepräge und die örtlichen Strukturen jedenfalls im Kernbereich selbst zu bestimmen und grundlegende Veränderungen abzuwehren66. Hiermit ergibt sich unmittelbar aus der Planungshoheit ein Schutz vor schwerwiegenden Beeinträchtigungen künftiger Planungsmöglichkeiten67. Um den Schutz künftiger Planungsmöglichkeiten zu gewährleisten, muss ein Eingriff in die Planungshoheit der Nachbargemeinde bereits dann angenommen werden, wenn durch die Genehmigung unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art für die Nachbargemeinde hervorgerufen werden 68. Die Entbehrlichkeit einer hinreichenden Eigenplanung ergibt sich auch daraus, dass die Nachbargemeinde - anders als bei einer Klage gegen Fachplanungen69 - der planenden Gemeinde im Verhältnis der Gleichordnung gegenübersteht. Es spricht nichts dagegen, dem Ansatz von Uechtritz 70 zu folgen und zur Bestimmung unmittelbarer Auswirkungen gewichtiger Art auf die zu § 2 II BauGB entwickelten Grundsätze zurückzugreifen. 64

OVG Bbg., Β. v. 12.07.1996 - 3 Β 144/95 - LKV 1997, 129 (130) = NVwZ 1997, 600; OVG Thür., Β. v. 23.04.1997 - 1 EO 241/97 - LKV 1997, 372 (373) = DÖV 1997, 791 = ThürVBl. 1997, 279, Bay. VGH, U.v. 15.04.1994-2N 93.3940 - BayVBl. 1994, 495 (497) = GewArch 1995,434. 65 Jahn, GewArch 1997, 456 (459); so noch: Schenke, WUR 1990, 61 (69); Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988 - S. 13 (60). 66 Kopp/Schenke - VwGO, 2000 - § 42, Rn. 138. 67 BVerwG, U.v. 14.12.1994- 11 C18/93-NJW 1995, 1690 (1692) (Militärische Tiefflüge); OVG Bbg. - 24.03.1999 - 3 A 60/97 - NuR 1999,587 (588); Hendler, JZ 1987,553 (554); Kopp/Schenke - VwGO, 2000 - § 42, Rn. 138; Schenke - Bergbau contra Oberflächeneigentum und kommunale Selbstverwaltung, 1994 - S. 80 m. w. N.; eines Rückgriffs auf das zum Teil propagierte Selbstgestaltungsrecht bedarf es hierzu nicht; so auch: Kilian/Müllers, VerwArch 1998, 25 (65). 68 Kopp/Schenke - VwGO, 2000 - § 42, Rn. 138; Schenke - Bergbau contra Oberflächeneigentum und kommunale Selbstverwaltung, 1994 - S. 79. 69 Vgl. BVerwG, U. v. 21.03.1996 - 4 C 26/94 - NVwZ 1997, 169 (170); BVerwG, U. v. 27.03.1992 - 7 C 18/91 - NVwZ 1993, 364 (365); VGH BW, B. v. 07.04.1997 - 8 S 2550/96-VB1BW 1997, 387 (388); VGH BW, B.v. 24.05.1995- 10 S 240/95-NVwZ 1995, 1017 (1018); VGH Hess., B. v. 07.02.1991 - 7 TH 3215/89 - NVwZ-RR 1991, 537 (538); Steinberg, DVB1. 1982, 13 (19).

C. Rechtsschutzmöglichkeiten der Nachbarkommunen

331

Der Einwand von Oebbecke, mit dem Verzicht auf das Erfordernis einer hinreichend konkreten Eigenplanung der Nachbargemeinde ergäbe sich ein Schutz gegen jede planungsrelevante Änderung der bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Ausgangslage71, verfängt nicht, weil einer Gemeinde nach der hier vertretenen Auffassung eine Klagebefugnis nur dann zugestanden wird, wenn unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art nicht ausgeschlossen werden können.

bb) Die Bedeutung der Unzumutbarkeit im Sinne des §2 II BauGB Die Auffassung von Uechtritz, dass bei einer Unzumutbarkeit im Sinne des § 2 II BauGB zugleich eine Verletzung der Planungshoheit und damit die Begründetheit einer Nachbarklage anzunehmen ist 72 , überzeugt nicht. Durch die Annahme eines Eingriffs in die Planungshoheit bei Vorliegen unmittelbarer Auswirkungen gewichtiger Art im Sinne des § 2 I I BauGB ergibt sich nicht automatisch, dass bei einer Unzumutbarkeit im Sinne des § 2 II BauGB eine Verletzung der Planungshoheit anzunehmen ist. Zwar wurzelt das durch § 2 II BauGB geschützte Interesse einer Nachbargemeinde, vor unzumutbaren Auswirkungen verschont zu bleiben, in der gemeindlichen Planungshoheit, damit hat der Gesetzgeber jedoch nicht zum Ausdruck gebracht, dass eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 2 II BauGB mit der Verletzung der Planungshoheit gleichzusetzen ist. Gegen eine solche Gleichsetzung spricht eine teleologische Auslegung des § 2 I I BauGB. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass durch Art. 28 I I GG die Planungshoheit in gleichem Umfange geschützt wird wie mit der interkommunalen Abstimmung gemäß § 2 I I BauGB, so hätte es der Etablierung des § 2 I I BauGB nicht bedurft. Es spricht daher vieles dafür, dass der Schutz der einfach-gesetzlichen Ausprägung der Planungshoheit in der Form des § 2 II BauGB weitgehender ist, als der der Planungshoheit selbst73. Es kann folglich nicht davon ausgegangen werden, dass bereits bei einem über 20% liegenden Kaufkraftabfluss, der für die Annahme einer Unzumutbarkeit im Sinne des § 2 II BauGB in der Regel ausreicht 74, eine Verletzung der Planungshoheit der Nachbargemeinde gegeben ist. Dazu bedarf es vielmehr einer stärkeren Beeinträchtigungsintensität75. 70 Vgl. Uechtritz, BauR 1999, 572 (578); ansatzweise bereits: Schenke in: Dichtl/Schenke-Einzelhandel und BauNVO, 1988-13 (61); so wohl auch: Oebbecke in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - S. 239 (250). 71 Oebbecke in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - S. 239 (247). 72 So wohl auch Oebbecke in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - S. 239 (252). 73 Andeutungsweise: Oebbecke in: FS für Hoppe zum 70. Geburtstag, 2000 - S. 239 (248), jedoch in anderem Zusammenhang. 74 Siehe 9. Kapitel, 1. Abschnitt, C. III. 7. e. bb. 75 Siehe die Ausführungen zur Verletzung der Planungshoheit bei Bestehen eines Genehmigungsanspruchs 11. Kapitel, C.II.5.

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11. Kap.: Rechtsschutzmöglichkeiten

Nachfolgend wird zu zeigen sein, dass die Unzumutbarkeit im Sinne des § 2 II BauGB jedoch nicht unberücksichtigt bleiben muss. cc) Verletzung der Planungshoheit durch einen Verstoß gegen objektiv-rechtliche Vorschriften Nach der hier vertretenen Ansicht ist einer in der Literatur 76 entwickelten Auffassung zu folgen, wonach das Selbstverwaltungsrecht vor allen Eingriffen schützt, die formell und/oder materiell rechtswidrig sind. Werden durch die Genehmigung eines Einzelhandelsgroßprojektes unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art hervorgerufen und liegt damit ein Eingriff in die Planungshoheit der Nachbargemeinde vor, so ergibt sich eine mittelbare Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechtes, wenn durch die Genehmigung objektiv-rechtliche Bestimmungen verletzt werden. Die Planungshoheit ist demnach auch dann verletzt, wenn die Genehmigung unter Missachtung der interkommunalen Abstimmung des § 2 II BauGB erteilt wurde. Basiert eine Baugenehmigung auf einem Bebauungsplan, der im Sinne des § 2 I I BauGB nicht abgestimmt ist, weil die hiernach zulässige Nutzung unzumutbare Auswirkungen auf die jeweilige Nachbargemeinde zur Folge hat, so ist die Klage dieser Nachbargemeinde begründet. Die Grundsätze die zur Bestimmung der Zumutbarkeit im Sinne des § 2 I I BauGB entwickelt wurden, bleiben nach der hier vertretenen Ansicht folglich nicht unberücksichtigt, so dass von einer Einschränkung des nachbargemeindlichen Rechtsschutzes nicht die Rede sein kann. Das Ergebnis entspricht zwar insoweit dem der zuvor dargestellten Rechtsprechung77, jedoch wird mit der hier vertretenen dogmatischen Herleitung der Rechtsschutz der Nachbargemeinden nicht zu deren Nachteil verengt. Eine Verletzung der Planungshoheit liegt nach der hier vertretenen Auffassung auch dann vor, wenn durch die genehmigte Anlage zwar nur unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art hervorgerufen werden, darüber hinaus die Genehmigung jedoch entgegen der Vorschrift des § 11 III BauNVO erteilt wurde und demnach ein 76

Bethge, DVB1. 1981, 914; Hoppe/Rengeling - Rechtsschutz bei der kommunalen Gebietsreform, 1973 - S. 83; Kopp/Schenke - VwGO, 2000 - § 42, Rn. 138; Schenke, VerwArch 1999, 301 (310); Schenke - Verwaltungsprozessrecht, 1998- § 14, Rn.498a; Schenke-Bergbau contra Oberflächeneigentum und kommunale Selbstverwaltung, 1994- S. 97; Schenke, WUR 1990, 61 (70, Fn. 46); Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988 - 13 (61), überträgt die Grundsätze der „Elfes-Entscheidung" (BVerfG, U. v. 16.01.1957 - BVerfGE 6,32 ff.) auf faktische Beeinträchtigungen der Planungshoheit; eine nähere dogmatische Durchdringung dieser Frage kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. 77 Vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1989-4C 36.86-NVwZ 1990, 464 (466) = BVerwGE 84, Nr. 28, 209; BVerwG v. 11.02.1993 - 4 C 15/92 - NVwZ 1994, 285 (288); Bay. VGH, Β. v. 25.10.1999 - 26 CS 99.2222 - BayVBl. 2000, 152 = GewArch 2000, 174 = BauR 2000, 365.

C. Rechtsschutzmöglichkeiten der Nachbarkommunen

333

Verstoß gegen objektiv-rechtliche Vorschriften gegeben ist 78 . Gleiches gilt, wenn eine Genehmigung zur Errichtung eines Einzelhandelsgroßprojektes entgegen den Zielen der Raumordnung und Landesplanung erteilt wird, sofern auf das Vorhaben § 11 III BauNVO 1977 oder eine darauffolgende Fassung Anwendung findet 79. Die Vorzüge der hier vertretenen Auffassung lassen sich anhand der Entscheidung des OVG MV vom 30.06.1999 80 belegen. Das Gericht hatte einen Fall zu entscheiden, in dem die angegriffene Genehmigung nicht von der Gemeinde selbst, sondern von der Baurechtsbehörde erteilt wurde. Die Baurechtsbehörde genehmigte ein Einzelhandelsgroßprojekt auf der Grundlage eines im Sinne des § 2 II BauGB abgestimmten Bebauungsplans der (kreisangehörigen) Gemeinde, obwohl das Vorhaben nach Ansicht des Gerichts den Festsetzungen des Bebauungsplans widersprach. Das Gericht verneinte - der Rechtsauffassung des BVerwG folgend - im zugrunde liegenden Fall einen Abwehranspruch aus § 2 I I BauGB, weil die Gemeinde selbst die Weichen in Richtung der Zulassungsentscheidung nicht gestellt hatte81. Folgte man der Auffassung von Uechtritz, so wäre die Klage der Nachbargemeinde unbegründet, weil die Festsetzungen des Bebauungsplanes keine subjektiv-rechtliche Schutzwirkung zu Gunsten der Nachbargemeinde entfalten. Nach der hier vertretenen Auffassung wäre ein Abwehranspruch der Nachbargemeinde in der der Entscheidung des OVG MV zugrunde liegenden Fallkonstellation gegeben, wenn unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art vorlägen. Der Verstoß gegen die Festsetzungen des Bebauungsplanes als objektiv-rechtliche Vorschriften wäre dann für die Begründetheit der Nachbarklage ausreichend, d) Drittschutz aus § 11 III BauNVO Da § 11 III 2 BauNVO auf städtebaulich nachteilige Auswirkungen im Gebiet anderer Gemeinden abstellt, geht der Bay. VGH in seiner Entscheidung vom 14.Ol.1991s2 davon aus, dass § 11 III BauNVO grundsätzlich der Charakter einer Schutzvorschrift zukommt. Das Gericht zieht es in diesem Zusammenhang zwar in Erwägung, einen eigenständigen Abwehranspruch der Nachbargemeinde auf der Grundlage des § 11 III BauNVO anzunehmen, lässt die Entscheidung dieser Frage im Ergebnis jedoch offen.

78

Schenke, WUR 1990,61 (69); Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988-13 (61). 79 Kopp/Schenke-VwGO, 2000- §42, Rn. 138; Schenke in: Dichtl/Schenke-Einzelhandel und BauNVO, 1988 - 13 (62). 80 OVG MV, Β. v. 30.06.1999 - 3 M144/98 - NVwZ-RR 2000,559 (560) = DÖV 2001,134. 81 Das Gericht nahm infolgedessen einen direkten Abwehranspruch aus § 11 III BauNVO an; siehe 11. Kapitel, C.II.4.d. 82 Bay. VGH, U.v. 14.01.1991 - 2B 89.785 - GewArch 1991, 314 (317); vgl. Söfker in: EZBK - BauGB, Stand April 2000- § 11 BauNVO, Rn. 104.

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11. Kap.: Rechtsschutzmöglichkeiten

aa) Die Entscheidung des OVG MV Die zuvor dargestellte Argumentation des Bay. VGH 8 3 wurde vom OVG MV in seiner Entscheidung vom 30.06.1999 u aufgegriffen. Das Gericht ging von einem eigenständigen Abwehrrecht der Nachbargemeinde gemäß § 11 III BauNVO gegen eine nach Auffassung des Gerichts planungsrechtlich unzulässigen Genehmigung aus. Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich aus § 11 III BauNVO ein eigenständiger Abwehranspruch, weil dieser den Schutz bestimmter Bereiche anderer Gemeinden normiert und damit einer Individualisierung und Abgrenzung von der Allgemeinheit zugänglich ist. § 11 III BauNVO sei nicht generell nachbarschützend, ein Abwehranspruch sei vielmehr nur dann gegeben, wenn der betreffende Einzelhandelsbetrieb negative Auswirkungen im Sinne des § 11 III 2 BauNVO auf zentrale Versorgungsbereiche der Nachbargemeinde hat 85 . bb) Stellungnahme: Kein Drittschutz aus §11 III BauNVO Ein direkter Abwehranspruch aus § 11 III BauNVO ist auszuschließen, weil § 11 III BauNVO einer solchen Subjektivierung nicht zugänglich ist 86 . Weder aus dem Wortlaut des § 11 III BauNVO noch aus dem Regelungszweck lassen sich Anhaltspunkte für eine drittschützende Funktion ableiten. Sinn und Zweck der Vorschrift besteht in der Vermeidung städtebaulicher Auswirkungen. § 11 III BauNVO dient demzufolge nicht dem Schutz einzelner (privater) Nachbarn 87 oder dem Schutz von Nachbargemeinden. Nach der hier vertretenen Ansicht stünde der Nachbargemeinde im Fall des OVG MV auf der Grundlage des Art. 28 II GG ein Abwehrrecht zu 88 , wenn davon auszugehen wäre, dass die Genehmigung gegen objektiv-rechtliche Vorschriften verstößt und durch die Anlage unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art hervorgerufen werden 89.

83

Bay. VGH, U.v. 14.01.1991 - 2 B 89.785 - GewArch 1991, 314 (317). OVG MV, B.v. 30.06.1999 - 3 M144/98 - NVwZ-RR 2000,559 (560) = DÖV 2001,134. 85 OVG MV, Β. v. 30.06.1999 - 3 M144/98 - NVwZ-RR 2000,559 (561) = DÖV 2001,134. 86 So bereits: Schenke, WUR 1990,61 (69); Schenke in: Dichtl/Schenke - Einzelhandel und BauNVO, 1988-13(60). 87 So ausdrücklich: Beckmann, VR 1990, 152 (158). 88 Siehe 11. Kapitel, C.II.4.C. 89 Im konkreten Fall liegt nach der hier vertretenen Auffassung jedoch kein Verstoß gegen die Festsetzungen des Bebauungsplanes vor, weil ein Einkaufszentrum der Sondeigebietsfestsetzung „Verbrauchermarkt" nicht widerspricht, so dass weiter zu prüfen wäre, ob eine Verletzung der Planungshoheit zu bejahen ist; siehe 9. Kapitel, 2. Abschnitt, B.II. 84

C. Rechtsschutzmöglichkeiten der Nachbarkommunen

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e) Drittschutz aus § 4 1 BauGB Beruht eine Einzelgenehmigung auf einem formell nicht abgestimmten Bebauungsplan, so ergibt sich aus § 4 I BauGB kein selbständiges Abwehrrecht, da § 4 I BauGB lediglich eine Ordnungsvorschrift darstellt. Würde man der Nachbargemeinde auf der Grundlage des formellen Abstimmungsgebotes ein selbständiges Abwehrrecht zubilligen, so wäre die planende Gemeinde einer zusätzlichen Angriffsmöglichkeit ausgesetzt und daher im Vergleich zu einer Gemeinde, die eine Einzelgenehmigung nicht auf der Grundlage eines Bebauungsplanes erteilt hat, schlechter gestellt90. 5. Abwehrrechte der Nachbargemeinden bei Bestehen eines Genehmigungsanspruchs Ist ein Vorhaben nach den objektiv-rechtlichen Vorschriften gemäß §§ 29 ff. BauGB zulässig, so kann eine Nachbargemeinde nach der ständigen Rechtsprechung91 die Verletzung ihrer Planungshoheit nicht geltend machen, weil diese nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet ist. Steht ein Vorhaben im Einklang mit den bauplanungsrechtlichen Vorschriften, so muss die Nachbargemeinde demzufolge die daraus resultierenden nachteiligen Auswirkungen auf ihre Planungshoheit hinnehmen. Für diese Auffassung wird angeführt, der Nachbargemeinde könnten keine Rechte zustehen, die weiter reichen als die Befugnisse, die ihr zustünden, wenn sich das Vorhaben auf ihrem eigenen Gemeindegebiet befände 92. Nach dieser Ansicht steht einer Nachbargemeinde ein Abwehrrecht gegen eine nach § 34 BauGB gewährte Baugenehmigung nur dann zu, wenn die erteilte Genehmigung bereits aufgrund objektiv-rechtlicher Vorschriften rechtswidrig ist. Gleiches gilt, wenn eine Genehmigung auf einem nicht abgestimmten und daher nichtigen Bebauungsplan basiert und das Vorhaben als sonstiges Vorhaben nach § 35 II 90 OVG Bbg., Β. v. 08.05.1998 - 3 Β 84/97 - LKV 1998, 359 (360); OVG Bbg., B.v. 16.12.1998 - 3B 116/98 - S. 13 der Entscheidung = GewArch 1999,437 (439) (FOC Wustermark/einstw. Rechtsschutz - Stadt Potsdam ./. Lkr. Havelland); VG Potsdam, B. v. 07.05.1999-5L 950/98-BauR 1999, 1146 (1150) = LKV 1999, 377 (FOC Wustermark/ einstw. Rechtsschutz - Land Berlin./. Lkr. Havelland). 91 BVerwG U.v. 11.02.1993-4C 15/92-NVwZ 1994,285 (288) = ZfBR 1993,191 = DVB1. 1993, 659 = DÖV 1993, 914; BVerwG, 14.02.1969-4C 82.66-BRS 22, Nr.29, S.60 (61); OVG NW, Β. v. 09.02.1988 - 11 Β 2505/87 - NVwZ-RR 1988, 11(13) = DÖV 1988, 843 = NWVB1.1988,235; VG Koblenz, B.v. 24.07.2000-1 L 1756/00 KO-BauR 2000,1714 (1715); VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 06.04.2000 - 2 Κ 3571/98 - S. 23 des Urteils (GewArch 2000, 261 = UPR 2000, 320) (FOC Zweibrücken/Hauptsacheentscheidung); a.A. OVG Nds., Β. v.25.01.1979-7a ND6/78-BauR 1979, 208 (210) = BRS 35, Nr.32, 86. 92 OVG NW, Β. v. 09.02.1988 - 11 Β 2505/87 - NVwZ-RR 1988, 11(13) = DÖV 1988, 843 = NWVB1. 1988,235.

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11. Kap.: Rechtsschutzmöglichkeiten

BauGB zu beurteilen wäre. Gemäß § 35 III BauGB ist das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 II BauGB als öffentlicher Belang zu berücksichtigen 93. a) Der Streitstand in der Literatur Die zuvor dargestellte Rechtsprechung ist in der Literatur 94 auf Zustimmung gestoßen. Der Nachbargemeinde könne kein „Durchgriff' in die städtebaurechtliche Zulässigkeit zu Lasten des Bauwilligen zugebilligt werden. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass bei schwerwiegenden Beeinträchtigungen ein Planungserfordernis nach § 1 III BauGB begründet sein kann, aus dem sich zwar kein unmittelbarer Anspruch der Nachbargemeinde gegen eine andere Gemeinde ergibt, die Nachbargemeinde könne jedoch die Rechtsaufsichtsbehörde auffordern, der genehmigenden Gemeinde eine aufsichtliche Weisung zu erteilen, wonach diese einen Bebauungsplan aufzustellen hat 95 . Auf diesem Wege könne die Nachbargemeinde die Genehmigung solcher unzumutbarer Anlagen verhindern. Dieser uneingeschränkte Vorrang des Genehmigungsanspruchs aufgrund der objektiv-rechtlichen Vorschriften des Baurechts wird in der Literatur zum Teil abgelehnt. Nach Reidt ist eine Anreicherung der bauplanungsrechtlichen Zulassungsvorschrift des § 34 BauGB im Hinblick auf das Erfordernis einer interkommunalen Abstimmung gemäß § 2 I I BauGB geboten96. Aus der Notwendigkeit zur interkommunalen Abstimmung ergäbe sich daher die Grenze der planungsrechtlichen Genehmigungsfähigkeit. Schenke vertritt die Auffassung, dass in Ausnahmefällen auch bei Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften die Planungshoheit und damit das Selbstverwaltungsrecht einer Nachbargemeinde verletzt sein kann, so dass dann dem Bauantragsteller kein Rechtsanspruch auf Genehmigung zustehen könne97. Bei einem Konflikt zwischen der Planungshoheit der Gemeinde und dem Bauplanungsrecht müsse der verfassungsrechtlichen Garantie des Art. 28 II GG Vorrang eingeräumt werden.

93 OVG Bbg., Β. v. 08.05.1998 - 3 Β 84/97 - LKV 1998, 359 (360); OVG RP, Β. v. 08.01.1999 - 8 Β 12650/98 - NVwZ 1999, 435 (438) = BauR 1999, 367 = NJW 1999, 1495 (FOC Zweibrücken/einstw. Rechtsschutz). 94 Bielenberg in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 2 Rn. 67; Fickert/Fieseler BauNVO, 1998- § 11, Rn. 11.21; Uechtritz, BauR 1999, 572 (578). 95 Bielenberg in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 2 Rn. 67; Uechtritz, BauR 1999,572 (588); vgl. zur aufsichtlichen Durchsetzung der Planungspflicht: Krautzberger in: BKL - BauGB, 1999 - § 1, Rn. 27; OVG RP, v. 20.01.1998 - 1 Β 10056/98 - JURIS, S. 13. 96 Reidt, LKV 1994, 93 (96). 97 Schenke, WUR 1990, 61 (70); so bereits: Fingerhut - Die planungsrechtliche Gemeindenachbarklage, 1976 - S. 11; im Ergebnis auch: OVG Nds., B. v. 25.01.1979 - 7a ND 6/78 - BauR 1979, 208 (210) = BRS 35, Nr. 32, 86.

C. Rechtsschutzmöglichkeiten der Nachbarkommunen

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b) Stellungnahme: Vorrang der Planungshoheit Der vom BVerwG 98 vertretene uneingeschränkte Vorrang des Genehmigungsanspruchs ist abzulehnen. Das Gericht berücksichtigt hierbei nicht hinreichend, dass im Einzelfall durch eine Genehmigung gemäß § 34 BauGB der Kernbereich der nachbargemeindlichen Selbstverwaltungshoheit angetastet werden kann. Auch durch die von der Literatur 99 als Lösungsweg zur Vermeidung von Rechtsschutzlücken aufgezeigte Möglichkeit, die Kommunalaufsicht einzuschalten, kann die Nachbargemeinde keinen effektiven Schutz ihrer Rechte erlangen. Das Einschreiten der Rechtsaufsichtsbehörde ist nach den meisten Gemeindeordnungen nach dem Opportunitätsprinzip eine Ermessensentscheidung100. Der Nachbargemeinde steht zwar ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung zu, sie hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass die Rechtsaufsicht von ihrem Anordnungsrecht Gebrauch macht 101 . Deshalb ist mit Schenke davon auszugehen, dass in Ausnahmefällen der Nachbargemeinde bei Verletzung der Planungshoheit auch dann ein Abwehrrecht zusteht, wenn bei der Genehmigung die objektiv-rechtlichen Vorschriften des Bauplanungsrechtes eingehalten wurden. Dies kann jedoch nur für krasse Ausnahmefälle gelten. Bei der Genehmigung von Einzelhandelsgroßprojekten können die durch die Ansiedlung der Anlage hervorgerufenen negativen Auswirkungen auf die Nachbargemeinde zu einer grob rücksichtslosen Beeinträchtigung ihrer Planungshoheit führen. Derartige grob rücksichtslose Beeinträchtigungen sind jedoch nicht bereits dann anzunehmen, wenn - wie von Reidt vertreten - lediglich unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art hervorgerufen werden und damit die Notwendigkeit zur materiellen Abstimmung gemäß § 2 II BauGB bestünde. Nach der hier vertretenen Auffassung liegt eine grobe Rücksichtslosigkeit erst dann vor, wenn durch die Genehmigung die Grenze der Zumutbarkeit im Sinne des § 2 I I BauGB bei weitem überschritten wird 102 . Aus Art. 28 II GG ergibt sich kein positiver Planungsanspruch der Nachbargemeinde, sondern ein unmittelbares Abwehrrecht, so dass es auf einen Bezug zur Bauleitplanung wie bei § 2 II BauGB nicht ankommt. 98 BVerwG U. v. 11.02.1993-4C 15.92-NVwZ 1994,285 (288) = ZfBR 1993,191 =DVB1. 1993, 659 = DÖV 1993,914. 99 Bielenberg in: EZBK - BauGB, Stand April 2000 - § 2 Rn. 67; Uechtritz, BauR 1999,572 (588). 100 BW: § 1181 in Verbindung mit § 122 GemO BW; RP: § 117 S. 1 in Verbindung mit § 122 GemO RP; Gem - Kommunalrecht BW, 1996 - Rn. 444; Stober - Kommunalrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 1996 - §9 III. I.e. 101 Gem - Kommunalrecht BW, 1996 - Rn. 435. 102 Zum Verhältnis des Schutzumfangs gemäß 2 II BauGB und Art. 28 II GG, siehe 11. Kapitel, C.II. 4. c.bb.

22 Kopf

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11. Kap.: Rechtsschutzmöglichkeiten

Einer Nachbargemeinde muss beispielsweise dann ein Abwehrrecht gegen eine Genehmigung eines Einzelhandelsgroßprojektes gemäß § 34 BauGB zustehen, wenn der Nachbargemeinde durch die geplante Ansiedlung der Anlage die überwiegende Kaufkraft bezogen auf die innenstadtrelevanten Sortimente entzogen wird und der Nachbargemeinde damit die Möglichkeit genommen wäre, die verbrauchernahe Versorgung im Sinne des § 1 V 2 Nr. 8 BauGB auf ihrem Gemeindegebiet sicherzustellen.

Zwölftes Kapitel

Schlussbetrachtung Bei der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten ist ein enges Geflecht stark ausdifferenzierter Regelungen des Bauplanungs- und Landesplanungsrechtes zu beachten. Die zentrale Vorschrift in diesem Zusammenhang ist § 11 III BauNVO. Die Diskussion in der Rechtswissenschaft zur Anwendung des § 11 III BauNVO ist auch nach nunmehr jahrzehntelanger Auseinandersetzung mit dem Thema Einzelhandelsgroßprojekte noch lange nicht abgeschlossen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung konzentriert sich dabei nicht nur auf die rechtliche Beurteilung neuer Formen des Einzelhandels. Durch die Rechtsprechung werden immer wieder grundsätzliche Fragestellungen zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Einzelhandelsgroßprojekten aufgeworfen. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die jüngste Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Addition der Verkaufsflächen mehrerer selbständiger nicht-großflächiger Einzelhandelsbetriebe zulässig ist, zu richten. Nach der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte reicht für eine solche Addition das Bestehen eines gemeinsamen Nutzungskonzeptes aus. Dieser Ansicht muss entschieden widersprochen werden, weil hiermit eine Neuauflage der summierenden Betrachtungsweise Einzug halten würde. Für die Annahme einer Funktionseinheit bedarf es vielmehr einer rechtlichen oder wirtschaftlichen Identität. Auch eine starke wirtschaftliche Annäherung, wie sie beispielsweise in einem FOC gegeben ist, kann im Einzelfall die Annahme einer Funktionseinheit rechtfertigen. Die Voraussetzungen für die Annahme einer Funktionseinheit dürfen nicht zu niedrig angesetzt werden, weil andernfalls ein Widerspruch zur systematisch-teleologischen Auslegung des § 11 III 1 BauNVO entstünde. Mit anderen Worten: Durch die Funktionseinheit darf nicht § 11 III 1 Nr. 1 substituiert werden. Die Rechtsprechung des BVerwG zum Vorliegen eines Einkaufszentrums bei einer Agglomeration mehrerer Einzelhandelsbetriebe überzeugt nicht. Wird die Annahme eines Einkaufszentrums von äußerlich erkennbaren Merkmalen abhängig gemacht, so muss darin quasi eine Einladung zur Umgehung des § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO gesehen werden. In der Literatur sind immer wieder Hinweise zu finden wie auf der Grundlage der Rechtsprechung des BVerwG die Anwendung des § 11 III 1 Nr. 1 BauNVO durch eine gezielte organisatorische Verselbständigung der Einzelhandelsbetriebe vermieden werden kann. Um dieser Umgehungsmöglichkeit ei22*

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12. Kap.: Schlussbetrachtung

nen Riegel vorzuschieben, darf der Begriff des Einkaufszentrums nicht von äußerlich erkennbaren Merkmalen abhängig gemacht werden. Die BauNVO gibt den Gemeinden geeignete Instrumentarien an die Hand, mit denen die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten gesteuert werden kann. Diese Steuerungsmöglichkeiten werden durch den Bestimmtheitsgrundsatz sowie das Übermaßverbot eingeschränkt. Zudem muss die Einschränkung der Zulässigkeit von Einzelhandelsnutzungen stets durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt werden können. Durch diese verfassungsrechtlich verankerten Leitlinien der Bauleitplanung werden Überreglementierungen und unbestimmte Festsetzungen, wie beispielsweise eine Gesamtverkaufsfläche, ausgeschlossen. Allerdings sind detaillierte Festsetzungen in Bebauungsplänen nicht grundsätzlich als unzulässig anzusehen. Vielmehr können durch solche Regelungen Auswirkungen im Sinne des § 11 III 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO ausgeschlossen oder minimiert werden. Auf diesem Wege können die AnsiedlungsVoraussetzungen für Einzelhandelsgroßprojekte geschaffen werden. Die Einzelhandelslandschaft hat durch neue Formen des Einzelhandels, wie beispielsweise Fabrikverkaufsläden, FOC und UEC, eine dynamische Weiterentwicklung erfahren, die die klassische Trennung zwischen Produktion und Einzelhandel zunehmend in Frage stellt. Das Aufkommen dieser neuen Vertriebsformen ist in Literatur und Rechtsprechung nicht ohne Resonanz geblieben. Zur Beurteilung dieser Vertriebsformen bedarf es einer genauen Kenntnis der charakteristischen Betriebsmerkmale. FOC können in der Regel als Einkaufszentrum beurteilt werden. Die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von FOC hat neue Aspekte zur interkommunalen Abstimmung gemäß § 2 II BauGB erbracht. So wurde die Operationalisierbarkeit der Kriterien der unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art sowie der Unzumutbarkeit durch die Herausstellung der Indizfunktion des Kaufkraftabflusses gesteigert. Die in Literatur und Rechtsprechung nunmehr gefestigte Ansicht, dass bei einem Kaufkraftabfluss von 10%, bezogen auf die innenstadtrelevanten Sortimente, unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art anzunehmen sind, ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings kann das Vorliegen eines bestimmten Kaufkraftabflusses eine Einzelfallprüfung nicht ersetzen. Dies gilt insbesondere für die Ermittlung der Unzumutbarkeitsschwelle. Für die Unzumutbarkeit kann kein absoluter Wert angenommen werden. Einzelhandelsgroßprojekte und insbesondere FOC unterliegen darüber hinaus, den landesplanerischen Festsetzungen. Allerdings kann auf der Grundlage der derzeit gültigen Landesraumordnungsprogramme kein Verbot von FOC außerhalb von Oberzentren abgeleitet werden. Eine solche Bestimmung wäre zudem unzulässig, weil hiermit die Planungshoheit der Gemeinden verletzt würde. FOC bieten weder Anlass zu Euphorie noch zu Hysterie. Die Auswirkungen von FOC auf die verbrauchernahe Versorgung sind geringer als die „herkömmlicher" Einkaufszentren. Dies gilt allerdings nur dann, wenn in als FOC bezeichneten Anlagen ausschließlich Fa-

12. Kap.: Schlussbetrachtung

brikware verkauft wird. Eine solche Beschränkung kann durch detaillierte Festsetzungen im Bebauungsplan erreicht werden. Die Nachbargemeinden können sich nicht nur gegen die Aufstellung von Bebauungsplänen, sondern auch gegen die Erteilung von Baugenehmigungen zur Wehr setzen. Grundlage für die Geltendmachung eines Abwehrrechtes gegen Einzelgenehmigungen ist dabei nicht § 2 II BauGB sondern die in Art. 28 I I GG verankerte Planungshoheit. Die Vertriebsform des FOC hat folglich neue Aspekte in die rechtswissenschaftliche Diskussion gebracht. Das planungsrechtliche Problem des FOC stellt folglich keinen „neuen Wein in alten Schläuchen" dar. Die derzeit gültigen Regelungen der BauNVO und des BauGB reichen aus, um die neuen Formen des Einzelhandels beurteilen zu können. Ein aktueller Handlungsbedarf zur Änderung der BauNVO durch eine explizite Regelung von FOC besteht demzufolge nicht. Eine derartige Änderung könnte zudem kontraproduktiv sein, weil der Begriff des FOC bislang keine hinreichende Konturierung erfahren hat und damit mögliche Mischformen durch eine neue Regelung nicht besser erfasst werden könnten. Außerdem würde durch eine solche Neuregelung von dem bislang verfolgten und bewährten Grundsatz des Verordnungsgebers, möglichst abstrakte Regelungen zu etablieren, um eine Anpassung an die Änderung der Einzelhandelsstruktur gewährleisten zu können, abgewichen.

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arverzeichnis Abstimmungsgebot, formelles 198 f., 335 Abwägungsfehler 235 f. Abwägungsgebot 177, 192 ff. Agglomeration von Einzelhandelsbetrieben 61 ff., llOff., 185, 308ff. Amtshaftung 176 ff. Anlagentypen 15 3 ff. Anpassungspflicht 237 ff. Ansiedlungssteuerung 140 ff. Art der baulichen Nutzung 144 ff., 15 3 f., 182, 284ff., 318 f. Auslegungsgrundsätze 141 f. Außenbereich, unbeplanter 316, 335 f. Ausübung eines öffentlichen Amtes 177 Bauantrag 184 f. Baugenehmigung 325 ff. Beeinträchtigungsverbot 212, 257, 263 ff. Belange 192 ff. Bestandsschutz 152, 187 Bestimmtheitsgrundsatz 141 f., 153 f., 155, 263 f., 290f. Cash-and-Carry-Market 97 Centermanagement 40, 138 f. Darlegungslast 81,83 Drittbezogenheit 177 Einkaufszentrum 69, 97 ff., 131, 135 f., 285, 309 Einvernehmen der Gemeinde 327 f. Einzelhandel 44f., 132, 134 Einzelhandelsgroßprojekte 43, 196f., 283, 299ff. Einzelhandelskonzept 165, 174 f. Ermittlung des Abwägungsmaterials 154f., 192, 224f., 229 Erschließung 311

Erstplanungspflicht 249ff., 304 Fabrikware 34, 132 f. Fachmarkt 85 ff., 188 Factory Outlet 132 f. Factory Outlet Center 31 ff., 110, 134ff., 190, 227ff., 259ff., 283, 292f., 313f., 316 faktische Baugebiete 298 ff., 320 Feindifferenzierung 152 Fernwirkungen 182,297,303,315 Feststellungsklage, vorbeugende 320 f. Flächennutzungsplan 283 f., 327 Funktionseinheit 63 ff., 138 f. Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen 241 ff. Gebot der Rücksichtnahme 182 f., 214, 222, 305 f. Gemeindenachbarklage 320 ff. Gesamtverkaufsfläche 158 f., 288 f. Gewerbebetriebe 140, 168, 306 Gewerbegebiet 120,140,143 f., 148,162, 166 ff., 181,307 Gliederung von Baugebieten 142 ff., 182 Großflächige Einzelhandelsbetriebe 44ff., 138 f., 147, 156, 305 ff. Großflächigkeit 45 ff., 187 Großhandel 96, 133, 188f. Grundsätze der Raumordnung 239 Heilung durch Fehlerbehebung 236f., 249 Industriegebiet 120,140,143 f., 148,162, 166ff., 182, 299, 307 Innenbereich, unbeplanter 253 f. Integrationsgebot 266 f.

358

arverzeichnis

interkommunale Abstimmung 194, 197 ff., 303, 322f., 326ff., 336 Kaufkraftabfluss 72, 76, 208 f., 212, 215 ff. Kemgebiet 43, 140, 150, 162, 171 ff., 300, 307 Kommunalaufsicht 252f., 336f. Kongruenzgebot 257 f., 260 ff., 270ff. Laden 60 Maß der baulichen Nutzung 291 f. Mindestverkaufsfläche 289 f. Mischgebiet 121 f., 140, 148 f., 162, 171 ff., 182, 307 Multiplex-Kino 131 f. Mutation eines FOC 190,230f. Nachbar 194, 201 f., 227 Nachbarschaftsladen 53, 60, 156f., 162 Nachbarschutz 317 ff. Negative Auswirkungen 69 ff., 153 f., 303 Nichtigkeit des Bebauungsplanes 176, 199, 249 Normenkontrollantrag 179f., 317, 321 ff. Nummerndogma 145 ff., 306 Nutzungsänderung 152, 185 ff. öffentliche Belange 193 ff., 304, 336 Ortsteil 94f., 125 f. Planänderungspflicht 240 f. Planersatz 298,303 Planrechtfertigung 173ff., 191 f., 336 Planungsgrundsätze 173 ff., 307, 309 Planungshoheit 212, 270ff., 324, 327ff., 336 ff. Planungsleitlinien 73, 152, 165 f., 186 f., 193,204,317 Planungspflichten 175, 239ff. Planungsschadensrecht 129, 151, 176, 314 Planverwirklichung 174 Präklusion 199, 225 f. Premiummarken 37 Prognoseentscheidung 244

Randsortiment 87ff., 160 Raumordnungspläne 254 ff. Raumordnungsklausel 73, 303 Raumordnungsverfahren 194 ff. Raumordnungsverordnung 196 Rechtsmissbrauch 222 f., 320 Rechtswidrigwerden von Bebauungsplänen 243 ff. Regelvermutung 51 f., 78 ff., 139, 205, 309, 323 Regionalplanung 255, 324 Schutzwürdigkeit von Belangen 210 Selbstverwaltungsgarantie 118, 270ff., 327 ff., 336ff. Sich-Einfügen 296, 302 ff. Siebenjahresfrist 151 Sondergebiete 43,191,278ff.,299ff., 307 Sortimente 35 f., 71 f., 76, 85 ff., 90ff., 107ff., 123ff., 159, 187, 290f. Sonstige großflächige Handelsbetriebe 95 ff. städtebauliche Entwicklung 73, 163, 204 f. städtebauliche Gründe 163 ff. Streuwirkung 37 f., 134, 136, 228 summierende Β etrachtung 61 ff., 138 Teilnichtigkeit 176 Träger öffentlicher Β elange 199 f. übergemeindliche Versorgung 125 ff. Überleitung von Bebauungsplänen 129 Umweltverträglichkeitsprüfung 194 f. Unbeachtlichkeit von Fehlem 199,235 unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art 203 ff., 323, 330f. Unterlassungsklage 320 f. Unzumutbarkeit 182f., 213ff., 319, 331 f. Urban Entertainment Center 130 f. Value Center 34 Veränderungssperre 249 Verbrauchermarkt 123 f., 280ff. verbrauchemahe Versorgung 72, 75 ff., 82ff., 166f., 172, 204f., 338 Vergnügungsstätten 131

S ach Wortverzeichnis

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 78, 117, 164, 169 f. Verkaufsfläche 36f., 48 ff., 88f., lOOff., 123, 154ff., 186f., 285 ff. Verwirkung 326 vorbeugender Rechtsschutz 320 f. Vorhaben 184ff. vorläufiger Rechtsschutz 321, 325 f. Vorrang des Primärrechtsschutzes 178 ff.

359

zentralörtliches Gliederungssystem 77, 209f., 255ff., 323ff. Zentrenrelevanz 71 f., 78,90ff., 154,171, 188 Zielabweichungsverfahren 254 Ziele der Raumordnung 195, 21 Iff., 238ff., 316, 324f. Zurückstellung von Baugesuchen 249 Zweckbestimmung 143,147 ff., 162,181, 279 ff.