Die Bewertung börsennotierter Aktien bei der Berechnung von Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüchen unter besonderer Berücksichtigung von Kursverlusten nach dem Bewertungsstichtag [1 ed.] 9783428544431, 9783428144433

Sowohl bei der Berechnung von Zugewinnausgleichsansprüchen als auch von Pflichtteilsansprüchen müssen börsennotierte Akt

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Die Bewertung börsennotierter Aktien bei der Berechnung von Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüchen unter besonderer Berücksichtigung von Kursverlusten nach dem Bewertungsstichtag [1 ed.]
 9783428544431, 9783428144433

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 447

Die Bewertung börsennotierter Aktien bei der Berechnung von Pflichtteilsund Zugewinnausgleichsansprüchen unter besonderer Berücksichtigung von Kursverlusten nach dem Bewertungsstichtag

Von

Anna Luise Hauschild

Duncker & Humblot · Berlin

ANNA LUISE HAUSCHILD

Die Bewertung börsennotierter Aktien bei der Berechnung von Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüchen unter besonderer Berücksichtigung von Kursverlusten nach dem Bewertungsstichtag

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 447

Die Bewertung börsennotierter Aktien bei der Berechnung von Pflichtteilsund Zugewinnausgleichsansprüchen unter besonderer Berücksichtigung von Kursverlusten nach dem Bewertungsstichtag

Von

Anna Luise Hauschild

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

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Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2014 vom Rechtswissenschaftlichen Fachbereich der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Mai 2014 abgeschlossen. Später veröffentlichte Literatur und Rechtsprechung habe ich nur punktuell nachgetragen. Mein Dank gebührt meiner Doktormutter, Prof. Dr. Dethloff, für ihre Unterstützung bei der Erstellung der Arbeit und für die Möglichkeit, promotionsbegleitend als wissenschaftliche Mitarbeiterin an ihrem Institut tätig zu sein, sowie Prof. Dr. Battes für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die wertvollen Anregungen. Ich danke auch Prof. Dr. Schermaier für die Mitwirkung an meiner Disputatio. Besonders danke ich Dr. Susanne Sachs für ihre unschätzbare Unterstützung bei der Suche nach einem geeigneten Dissertationsthema. Ihre entscheidende Anregung kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Schließlich danke ich dem gesamten Team des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht, insbesondere Christiane Stadie für ihr stets offenes Ohr. Gleiches gilt für meine Familie und meine Freunde, die durch ihre großzügige Unterstützung vor allem in schweren Zeiten wesentlich zum Entstehen meiner Arbeit beigetragen haben. Köln im August 2015

Luise Hauschild

Inhaltsverzeichnis Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Kapitel Grundlagen 

18

A. Die Berechnung von Ausgleichsansprüchen im Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 I. Grundsätze der Vermögensbewertung im Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . 18 1. Bewertungsstichtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Bewertungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3. Bewertungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 a) Aufteilung nach Quoten und maßgeblicher Nachlasswert  . . . . . 21 b) Bewertung von Vermögensgegenständen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Grundsätze der Vermögensbewertung im Recht des Zugewinnausgleichs. 23 1. Bewertungsstichtage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 a) Bewertungsstichtage für das Anfangs- und Endvermögen . . . . . . 24 b) Stichtag für das Endvermögen bei Zugewinnausgleich anlässlich der Ehescheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Bewertungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Bewertungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 a) Zu bewertendes Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 b) Bewertung von Vermögensgegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Die Bewertung börsennotierter Aktien bei Erbfall und Zugewinnausgleich . 28 I. Begriff der Aktie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Aktien als Wertpapiere  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Aktien als Beteiligung an der Aktiengesellschaft und Verbriefung des Mitgliedschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Arten von Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 b) Die Rechtsstellung des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Börsennotierte Aktien im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Die Veräußerung von Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Börsennotation und potentiell kursbeeinflussende Faktoren . . . . . . . 35 C. Die Problematik der Bewertung börsennotierter Aktien mit ihrem Kurswert am Stichtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Der Bewertungsgrundsatz für börsengehandelte Aktien . . . . . . . . . . . . . 37 II. Probleme für den Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

10 Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel

Die Bewertung von Aktien mit dem Börsenkurs bei Wertminderungen nach dem Stichtag im Pflichtteilsrecht 

41

A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs bei Kursverlusten nach dem Stichtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Mögliche Folgen von Kursverlusten nach dem Stichtag für den Erben . 41 1. Haftungsbeschränkung durch den Erben bei Kursverlusten . . . . . . . . 42 a) Vorläufige Haftungsbeschränkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Dauerhafte Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 aa) Anordnung der Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz.   44 bb) Pflicht zur Beantragung der Nachlassinsolvenz . . . . . . . . . . . 45 2. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 II. Beherrschbarkeit des Wertminderungsrisikos durch den Erben . . . . . . . 46 1. Die Möglichkeit der Veräußerung börsennotierter Aktien am Stichtag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Erbenstellung ex tunc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Subjektive Veräußerungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Objektive Veräußerungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 aa) Notwendiger Legitimationsnachweis gegenüber der depotführenden Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 bb) Anordnung der Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . 51 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Ausschlagung der Erbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Stundung des Pflichtteilsanspruchs gemäß § 2331a BGB . . . . . . . . . 54 a) „Unbillige Härte“ für den Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 b) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 c) Stundung aufgrund fallender Börsenkurse nach dem Stichtag . . . 57 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 III. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 B. Alternativen zur Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag . . . . . . . . . . . 59 I. Zulässigkeit abweichender Bewertungsmethoden nach § 2311 BGB . . . 59 II. Infrage kommende Bewertungsmethoden  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Bewertung mit dem „wahren inneren“ Wert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Bewertung mit dem tatsächlich erzielten Verkaufspreis . . . . . . . . . . . 66 3. Bewertung mit einem durchschnittlichen Börsenkurs . . . . . . . . . . . . 67 a) Abfindung für außenstehende Aktionäre im Aktienrecht . . . . . . . 68 aa) Anlass der Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 bb) Bewertungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 cc) Bewertungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 b) Übertragbarkeit auf das Pflichtteilsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 III. Zwischenfazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Inhaltsverzeichnis11 C. Auslegung des § 2311 BGB im Hinblick auf den Bewertungszeitpunkt . . . 72 I. Auslegung nach dem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 II. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 III. Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Schutz des Pflichtteilsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Einheitlichkeit der Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Berücksichtigung tatsächlicher Veräußerungshindernisse im ­Zusammenhang mit stark volatilen Vermögensgegenständen  . . . . . . 79 4. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 IV. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Überblick über die Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Gesetzliche Ausnahmen von dem Stichtagsprinzip . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 V. Erreichbarkeit des gesetzgeberischen Ziels bei Wertschwankungen börsennotierter Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 D. Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts über § 242 BGB . . . . . . . 91 I. Anwendbarkeit des § 242 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 II. Voraussetzungen des Leistungsverweigerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Mangelnde tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit bei Eintreten der Kursverluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) Begriff der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . 94 b) Kontrollüberlegung: Rechtmäßiges Alternativverhalten . . . . . . . . 96 2. Notwendigkeit zusätzlicher Voraussetzungen im Sinne einer ­Erheblichkeitsschwelle?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Prozentuale Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) Hintergrund der Entscheidung des FG Köln . . . . . . . . . . . . . . 99 bb) Anwendung der Billigkeitsvorschriften der Abgabenordnung durch das FG Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 cc) Schlussfolgerungen für das Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Unzumutbarkeit für den Erben angesichts seiner finanziellen Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Kriterien des BGH  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Übertragbarkeit auf Kursverluste nach dem Stichtag . . . . . . . 106 c) Erheblichkeit der Kursverluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 III. Umfang des Leistungsverweigerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 IV. Unzulässigkeit wegen Einschränkung der Position des Pflichtteils­ berechtigten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Bedenken hinsichtlich der Aufgabe des Pflichtteilsrechts?  . . . . . . . 113 2. Verfassungsrechtliche Bedenken? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 E. Lösung de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

12 Inhaltsverzeichnis I. Reformerwägungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 II. Eigene Reformerwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 F. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Kapitel

Die Bewertung von Aktien mit ihrem Börsenkurs bei Wertminderungen nach dem Stichtag im Zugewinnausgleichsrecht 

121

A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag . . . . . . . . . . . 121 I. Beherrschbarkeit des Risikos durch den Ausgleichspflichtigen . . . . . . . 123 1. Veräußerung der Aktien am Stichtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Beeinflussung des Stichtages durch Stellung des Scheidungsantrags . 124 3. Vorbeugende Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Mögliche Folgen für den Ausgleichspflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Anwendungsbereich des § 1384 BGB n. F.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Vorverlegung des Zeitpunkts für die Kappungsgrenze bei ­Scheidung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Schutz des Ausgleichsberechtigten vor illoyalen Vermögens­ minderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 c) Kursverluste nach dem Stichtag als illoyale Vermögensminderungen im Sinne des § 1375 II BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Notwendigkeit einer Einschränkung des Anwendungsbereichs durch teleologische Reduktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion . . . . . . . . . . . . . 133 b) Normzweck der §§ 1378 II 1, 1384 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 B. Möglichkeiten zur Modifikation der Ausgleichspflicht durch das Familiengericht oder den Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 I. Stundung der Ausgleichsforderung gemäß § 1382 BGB  . . . . . . . . . . . . 139 II. Übertragung von Vermögensgegenständen gemäß § 1383 BGB  . . . . . . 142 III. Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit gemäß § 1381 BGB  144 1. Eingreifen des § 1381 BGB bei kursbedingten Wertverlusten nach dem Stichtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Anwendbarkeit in zeitlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Vorliegen einer groben Unbilligkeit bei Kursverlusten  . . . . . . . . 147 aa) Begriff der groben Unbilligkeit im Sinne des § 1381 BGB . . 147 bb) Vorliegen einer systemimmanenten Unbilligkeit . . . . . . . . . . 148 cc) Grobe Unbilligkeit wegen finanzieller Überlastung des Ausgleichsschuldners? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 IV. Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts über § 242 BGB . . . . 154 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Inhaltsverzeichnis13 C. Wiedereinführung der Kappungsgrenze für unverschuldete Vermögens­ verluste de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I. Kompromisslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Wahrung der Rechtssicherheit durch klare Beweislastverteilung . . . . . . 160 III. Regelungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 4. Kapitel

Kritische Würdigung der Ergebnisse und Fazit 

163

A. Zusammenfassende Problemanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 B. Gegenüberstellung der Lösungsansätze  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I. Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 II. Zugewinnausgleichsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 III. Zusammenfassender Vergleich der Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Notwendigkeit eines Gleichlaufs zwischen Pflichtteilsrecht und Zugewinnausgleichsrecht im Rahmen des § 1371 BGB? . . . . . . . . . . 169 3. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 C. Übertragbarkeit der Ergebnisse auf ähnliche Problemkonstellationen . . . . . 172 I. Andere Wertpapiergattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 II. Andere Wertverluste nach dem Stichtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 D. Abschließende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Einleitung Im Familien- und im Erbrecht können Ausgleichspflichten gegenüber anderen Personen entstehen. Sie beruhen in erster Linie auf in Geld zu leistenden Ansprüchen der pflichtteilsberechtigten Angehörigen gegen den oder die letztwillig eingesetzten Erben und auf dem Anspruch des Ehegatten mit dem geringeren Zugewinn auf dessen Ausgleich bei Scheidung der Ehe gegen den anderen Ehegatten. Die Höhe dieser Ansprüche ist im Pflichtteilsrecht von der dem letztwillig nicht Bedachten nach dem Gesetz zustehenden Quote am Nachlasswert und im Zugewinnausgleich von der Differenz zwischen den Zugewinnen der Ehegatten abhängig. Bei der Berechnung von quotenmäßigen Geldansprüchen kommt es daher immer auf die Bewertung von Vermögensmassen und ihrer verschiedenen Bestandteile an. Über Vermögensauseinandersetzungen kann allerdings lange Zeit vergehen, während derer sich der Wert von Vermögensgegenständen verändern kann. Es muss daher ein bestimmter Zeitpunkt dafür maßgeblich sein, mit welchem Wert die Vermögensbestandteile in die Berechnung einzustellen sind, um die im Einzelfall maßgebliche „Relation zwischen Geld und Gut“1 genau bestimmen zu können: Der Bewertungsstichtag. Das Stichtagsprinzip hat grundsätzlich zur Folge, dass vor oder nach dem Bewertungsstichtag erfolgte Wertveränderungen bei der Berechnung des Anspruchs nicht berücksichtigt werden.2 Dies führt dazu, dass der Anspruchsinhaber nicht mehr an späteren Wertsteigerungen des Vermögens beteiligt wird, während der Anspruchsgegner das Risiko der Verschlechterung oder des Untergangs der Vermögensgegenstände allein trägt. Was aber muss geschehen, wenn die Erfüllung oder gar die Fälligkeit des Anspruchs nach dem Stichtag eintritt und das zu bewertende Vermögen sich seit diesem ohne Zutun des Anspruchsgegners vermindert hat? Besonders relevant ist diese Frage, wenn einzelne Vermögensgegenstände schon naturgemäß heftigen Wertschwankungen unterliegen: Börsennotierte Wertpapiere können innerhalb kurzer Zeit erheblich an Wert verlieren oder gewinnen, was von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist, auf die der Anleger in der Regel keinen Einfluss hat und die er häufig auch nicht voraussehen 1  Meincke,

S. 211. 7, 134, 138; BGH NJW 2001, 2713, 2714; AG Landsberg FamRZ 2006, 1841; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 36 Rn. 21; Staudinger/Herzog, § 2311 Rn. 5; Dieckmann, FS-Beitzke (1979), S. 402; Rittner, FamRZ 1961, 505, 514. 2  BGHZ

16 Einleitung

kann. Das betreffende Wertpapier kann beispielsweise am Bewertungsstichtag selbst außergewöhnlich hoch im Kurs stehen und danach auf einen niedrigeren Kurs fallen. Ebenso ist es möglich, dass ein am Stichtag durchschnittlich im Kurs stehendes Produkt kurze Zeit später dauerhaft mit einem sehr niedrigen Kurs notiert ist. Der Bewertung eines Wertpapiers mit seinem Verkehrswert am Stichtag wird daher zu Recht der Charakter einer „Fotoaufnahme“3 nachgesagt, denn sie stellt lediglich eine Momentaufnahme dar, was der Bewertung für den soeben geschilderten Fall jede Flexibilität nimmt. Erhebliche Kursverluste nach dem Stichtag führen dazu, dass der errechnete Ausgleichsanspruch nicht mehr der Quote entspricht, auf der er ursprünglich beruhte. Im schlimmsten Fall bedeutet dies, dass das verbleibende Vermögen des Anspruchsgegners nicht mehr zur Befriedigung des Anspruchs ausreicht. In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, dass er gewissermaßen einen doppelten Verlust erleidet, da er sich nicht nur dem nunmehr überhöht wirkenden Anspruch gegenübersieht, sondern selbst zuvor genau die Wertminderungen erlitten hat, auf denen dies erst beruht. Nicht umsonst wird daher Wertpapiervermögen von Praktikern als „ ‚GAU‘ des Familienrechts“4 bezeichnet, was ebenso für das Erbrecht gesagt werden könnte. Angesichts von derzeit jährlich etwa 190.000 Scheidungen5 und rund 850.000 Todesfällen6 in Deutschland wird klar, wie häufig dieses Problem auch in der Praxis Relevanz erlangen kann. Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 / 09 und die noch andauernde Währungskrise in der Europäischen Union hat sich das Risiko, das sich aus dem Stichtagsprinzip für den Anspruchsgegner ergeben kann, noch erhöht. Die Kurse börsennotierter Wertpapiere sind mehr denn je heftigen Schwankungen unterworfen, die immer häufiger auf politische Entscheidungen oder generelle Finanzmarkttendenzen und nicht auf den Wert des notierten Unternehmens zurückzuführen sind. Als Beispiel sei etwa die VW-Aktie genannt, die am 20. Oktober 2008 bei 210 Punkten, am 28. Oktober 2008 bei 900 Punkten und am 4. Oktober 2008 bei 400 Punkten stand.7 Wäre der Bewertungsstichtag für die Berechnung des Pflichtteils- oder Zugewinnausgleichsanspruchs auf den 28. Oktober gefallen, wäre die Aktie damit mit einem sehr hohen, nur knapp eine Woche früher jedoch mit einem sehr niedrigen Wert angesetzt worden. Nimmt man ein Stagnieren der Aktie nach dem 4. November bis zur Erfüllung des Anspruchs an, hielte der Anspruchsgegner Aktien, die weniger als 3  Kogel,

FF 2009, 390. FF 2009, 390; Schröder, FamRZ 2010, 421. 5  Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland (2013), S. 53. 6  Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland (2013), S. 39. 7  Beispiel aus Kogel, FF 2009, 390, 391. 4  Kogel,

Einleitung17

halb so viel wert sind, wie bei der Berechnung des zu erfüllenden Anspruchs, was allein auf der Zufälligkeit des Wertes am Bewertungsstichtag beruht. Angesichts dieser Entwicklungen erscheint es überraschend, dass das Problem bislang noch nicht vertieft behandelt wurde. Der Gesetzgeber hat ihm 2009 im Rahmen der jüngsten Reformen des Pflichtteils8- und des Zugewinnausgleichsrechts9 keine Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Im Jahr 2012 hat sich der BGH im Rahmen des Zugewinnausgleichsrechts zu dieser Frage geäußert, wobei allerdings wesentliche Punkte weiterhin offen bleiben. Aufgrund dessen ist jedoch eine Belebung der Diskussion zu erwarten und wünschenswert. Die nachfolgende Untersuchung befasst sich mit den Gründen und den Folgen der Bewertung börsennotierter Aktien im Rahmen der Berechnung von Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüchen. Im Vordergrund steht, welche Konsequenzen sich aus dem Stichtagsprinzip ergeben können und ob Möglichkeiten bestehen, diese im Rahmen des geltenden Rechts – etwa über die bestehenden Stundungs- oder Billigkeitsregelungen – abzufangen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Frage gerichtet, ob diese Folgen im Rahmen der gesetzlichen Ausgleichssysteme nach ihrer Grundkonzeption als ihnen innewohnende und daher hinzunehmende Unbilligkeiten anzusehen sind oder ob sie vielmehr die Erreichung des verfolgten Gesetzeszwecks konterkarieren. Ist letzteres der Fall, muss untersucht werden, ob de lege lata oder de lege ferenda durch andere Bewertungsmethoden oder -grundsätze ein Lösungsweg gefunden werden kann, der Problematik abzuhelfen. Obwohl Pflichtteilsrecht und Zugewinnausgleichsrecht sehr ähnlich ausgestaltet sind, entspringen sie unterschiedlichen Zielvorstellungen, Grundgedanken und letztlich auch unterschiedlichen Epochen. Daher ist es notwendig, die für beide Bereiche ähnliche Problematik separat zu betrachten. Da an den Finanzmärkten inzwischen eine unüberschaubare Vielzahl von unterschiedlichen Produkten gehandelt wird, beschränkt sich die Untersuchung auf börsengehandelte Aktien, wobei bei der kritischen Betrachtung der Ergebnisse im letzten Teil auch darauf einzugehen sein wird, ob diese grundsätzlich auf andere Arten von Finanzmarktprodukten übertragbar sind.

8  Gesetz zur Reform des Erb- und Verjährungsrechts vom 24.9.2009, BGBl. I S. 3142, in Kraft getreten zum 1.1.2010. 9  Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6.7.2009, BGBl. I S. 1696, in Kraft getreten zum 1.9.2009.

1. Kapitel

Grundlagen Bevor gezielt auf die Problematik von Wertschwankungen nach dem Stichtag eingegangen werden kann, sind zunächst die allgemeinen Grundsätze der Vermögensbewertung im Pflichtteils- und im Zugewinnausgleichsrecht darzustellen. Alsdann wird auf die spezifischen Eigenschaften börsennotierter Aktien einzugehen sein, um schließlich die in Literatur und Rechtsprechung herrschende, sowie in der Praxis allgemein angewandte Bewertungsmethode darzustellen und die sich daraus für den Anspruchsgegner ergebenden Probleme zu skizzieren. Dabei soll die nachfolgende Darstellung lediglich einen Überblick über die Grundlagen geben. Die angesprochenen Aspekte werden jeweils im Rahmen der Behandlung der entsprechenden Probleme vertieft erläutert werden.

A. Die Berechnung von Ausgleichsansprüchen  im Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsrecht Die Berechnung des Zugewinnausgleichs- und des Pflichtteilsanspruchs dient der Bezifferung einer Summe, die einen monetären Ausgleich in Form einer quotalen Beteiligung an einer Gesamtheit bestimmter Vermögenswerte bieten soll. Der Ausgleichsanspruch muss in einer bestimmten rechnerischen Relation zu derjenigen Rechnungsgröße stehen, aus der der Ausgleich gezahlt wird, so dass der Bezifferung des Geldanspruchs eine Vermögensbewertung vorauszugehen hat.

I. Grundsätze der Vermögensbewertung im Pflichtteilsrecht1 Der gesetzliche Pflichtteil steht den Eltern, den Abkömmlingen und dem Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner des Erblassers für den Fall zu, dass diese durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen 1  Der sprachlichen Klarheit halber werden im Folgenden die Begriffe „der Erbe“ und „der Pflichtteilsberechtigte“ verwendet, obwohl es sich auch um mehrere Erben in einer Erbengemeinschaft oder um mehrere Pflichtteilsberechtigte handeln kann.



A. Die Berechnung von Ausgleichsansprüchen 19

sind, § 2303 BGB, § 10 VI 1, 2 LPartG. Der Pflichtteilsanspruch entsteht gemäß § 2303 I 2 BGB in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils und begründet keine Erbenstellung, sondern lediglich einen schuldrechtlichen Geldsummenanspruch gegen den oder die Erben.2 Dem Pflichtteilsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches liegt der Gedanke zugrunde, den „Widersprüchen und unerquicklichen Streitfragen des gemeinen Rechts auszuweichen“3 sowie eine praktikable Lösung des Konfliktes zwischen Testierfreiheit und Familienerbrecht zu schaffen.4 Daher wurde es bewusst unterlassen, allzu detailreiche Regelungen für die Berechnung des Pflichtteils und die Bewertung des Nachlassvermögens in den Gesetzestext aufzunehmen.5 Diese Entscheidung führt dazu, dass die Anwendung und konkrete Ausgestaltung der wenigen vorhandenen Bewertungsregelungen für einzelne Vermögensgegenstände stark von Literatur und Rechtsprechung geprägt sind. 1. Bewertungsstichtag Schon in den Motiven zum BGB heißt es, die für die Wertbestimmung maßgebende Zeit erscheine zu wichtig, um nicht besonders erwähnt zu werden, zumal unter Umständen die Bewertung erst nach längerer Zeit erforderlich werden könne.6 Gemäß § 2311 I 1 BGB werden der Berechnung des Pflichtteils Wert und Bestand des Nachlasses zum Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls zugrunde gelegt. Bewertungsstichtag für im Nachlass vorhandene Aktiva und Passiva ist damit der Tag, an dem der Erblasser verstorben ist, § 1922 I BGB, was sogar dann gilt, wenn die tatsächliche Aufteilung des Nachlasses erst Jahre nach dem Stichtag erfolgt.7 Das Stichtagsprinzip soll in erster Linie sicherstellen, dass ein einheitlicher Bewertungszeitpunkt für alle Vermögensgegenstände besteht und Ansprüche so der Höhe nach exakt berechnet werden können. Es dient aber nicht zuletzt auch dem Schutz des Pflichtteilsberechtigten davor, dass der Erbe den Nachlass nach dem Tod des Erblassers zu seinem Nachteil verwaltet oder vermindert8 und dadurch seinen Anspruch faktisch aushöhlt. Folglich haben weder Wertminderungen noch Wertsteigerungen des Nachlassvermögens 2  Motive zum BGB (Erbrecht), S. 385, 391; BGHZ 7, 137, 138; Staudinger/ Herzog, § 2317 Rn. 28. 3  Nirk, NJW 1962, 2185. 4  Braga, AcP 153 (1954), 144, 145. 5  Motive zum BGB (Erbrecht), S. 385 ff. 6  Motive zum BGB (Erbrecht), S. 405. 7  BGH NJW 2001, 2713, 2714. 8  Meincke, FS-Wiedemann (2002), S. 105, 119.

20

1. Kap.: Grundlagen

nach dem Stichtag Einfluss auf die Höhe des Pflichtteilsanspruchs. Der Pflichtteilsberechtigte nimmt daran nicht teil.9 2. Bewertungsziel Der Pflichtteilsanspruch soll für seinen Inhaber die finanzielle Situation herstellen, in der er sich befunden hätte, wenn er zum Zeitpunkt des Versterbens des Erblassers mit der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils am Nachlass beteiligt gewesen wäre.10 Er soll folglich die Summe erhalten, die erlöst worden wäre, wenn der halbe Erbteil am Tag des Erbfalles vollständig in Geld umgesetzt worden wäre.11 Ziel der Bewertung ist damit eine „wertmäßige Beteiligung wie ein Erbe“ des Pflichtteilsberechtigten am Nachlass,12 womit das Pflichtteilsrecht auch Erbersatzfunktion13 besitzt, denn im Ergebnis soll der Berechtigte durch die Geldzahlung in die Lage versetzt werden, ähnliche Sachwerte wie die im Nachlass enthaltenen zu erwerben.14 Die Gleichstellung mit dem Erben soll jedoch nur in rein wirtschaftlicher, nicht dagegen in dinglicher Hinsicht erfolgen. Um das Bewertungsziel zu erreichen, muss der Nachlasswert möglichst genau beziffert werden, woraus wiederum die Notwendigkeit erwächst, jedem im Nachlass enthaltenen Vermögensgegenstand eine Wertangabe zuzuordnen.15 3. Bewertungsregeln Zur Berechnung des Pflichtteilsanspruchs ist zunächst eine Bewertung des Nachlasses in Form der Addition des Wertes aller vorhandenen Vermögensgegenstände notwendig. Im nächsten Schritt sind die ermittelten Passiva16 9  BGH NJW 2001, 2713, 2714 sowie Staudinger/Herzog § 2311 Rn. 5 m. w. N. aus Rechtsprechung und Literatur. 10  PWW/Deppenkemper, §  2311 Rn.  9; Staudinger/Herzog, § 2311 Rn. 82; BeckOK/Mayer, § 2311 Rn. 1. 11  BVerfG NJW 1988, 2723, 2724; BGH NJW 1954, 1764; NJW-RR 1991, 900, 901; OLG Düsseldorf ZEV 1994, 361; BeckOK/Mayer, § 2311 Rn. 13; MüKo/Lange, § 2311 Rn. 25; Schlichting, ZEV 2006, 197, Meincke, FS-Wiedemann (2002), S. 105, 120; Klingelhöffer, Rn. 324; Lange, Erbrecht, § 89 Rn. 99. 12  BeckOK/Mayer, § 2311 Rn. 15. 13  Motive zum BGB (Erbrecht), S. 388, 472; BeckOK/Mayer, § 2311 Rn. 13; MüKo/Lange, § 2311 Rn. 13; Braga, AcP 153 (1954), 144, 146. 14  Braga, AcP 153 (1954), 144, 156 f. 15  Staudinger/Herzog, § 2311 Rn. 21. 16  Ausführlich dazu, welche Verbindlichkeiten als Passiva anzusehen sind Staudinger/Herzog, § 2311 Rn. 54 ff.



A. Die Berechnung von Ausgleichsansprüchen 21

von den Aktiva abzuziehen,17 woraus sich der Nettowert des Nachlasses ergibt, aus dem sodann prozentual die Höhe des Pflichtteils errechnet wird. Das Gesetz selbst trifft in § 2312 BGB konkrete Aussagen lediglich zur Bewertung von Landgütern; für alle anderen Arten von Vermögensgegenständen gelten die allgemeinen Regeln der §§ 2311 ff. BGB. a) Aufteilung nach Quoten und maßgeblicher Nachlasswert Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs wird gemäß § 2310 S. 1 BGB dergestalt ermittelt, dass bei der Berechnung des Pflichtteils in prozentualer Hinsicht auch die gesetzlichen Quoten der erbunwürdigen, enterbten oder ausschlagenden gesetzlichen Erben berücksichtigt werden. Nicht einbezogen werden hingegen die gesetzlichen Erbteile verzichtender Erben, § 2310 S. 2 BGB. Diese Regelung hat zur Folge, dass nicht stets die Hälfte des Nachlasses derart von Pflichtteilsrechten belastet ist, dass sie der letztwilligen Verfügung des Erblassers faktisch entzogen ist,18 wodurch eine deutliche Abgrenzung zum Noterbrecht besteht. Die Berechnung der Quoten der gesetzlichen Erben hingegen erfolgt nach der sog. „modifizierten“ gesetzlichen Erbfolge, was dazu führt, dass die nicht mehr erbberechtigten Personen so behandelt werden, als seien sie vor dem Erblasser verstorben. Der quotalen Berechnung des Pflichtteils ist der Nachlasswert nach Abzug aller Verbindlichkeiten zugrunde zu legen, wobei jedoch Auflagen, testamentarische Vermächtnisse und der sog. Dreißigste außer Betracht bleiben.19 b) Bewertung von Vermögensgegenständen Gemäß § 2311 II BGB ist der jeweilige Wert der einzelnen Nachlassgegenstände, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln. Hat der Erblasser eine Wertbestimmung bezüglich der in seinem Nachlass vorhandenen Wertgegenstände getroffen, ist diese nicht maßgeblich. Diese Regelung dient in erster Linie dem Schutz des Pflichtteilsberechtigten davor, dass sein Pflichtteilsrecht durch unrealistische Bewertungen des Erblassers ausgehöhlt wird.20 Nicht erforderlich ist eine Schätzung den Motiven zum BGB zufolge dann, wenn es sich bei dem Bewertungsgegenstand um einen Barbestand oder ein „sicheres und zweifelloses Aktivum“21 handelt. 17  Staudinger/Herzog,

§ 2311 Rn. 2; MüKo/Lange, § 2311 Rn. 1. § 17 III 1 Rn. 520. 19  Motive zum BGB (Erbrecht), S. 406 (für Vermächtnisse); MüKo/Lange, § 2311 Rn. 20. 20  BeckOK/Mayer, § 2311 Rn. 12. 21  Motive zum BGB (Erbrecht), S. 407. 18  Michalski,

22

1. Kap.: Grundlagen

Wertgegenstände sind mit ihrem gemeinen Wert, also dem Wert in die Berechnung des Nachlasswertes einzustellen, den ein Gegenstand „allgemein in der Hand jedes Erben“22 hätte.23 Dies deckt sich mit dem Ziel, den Pflichtteilsberechtigten so zu stellen, als sei sein prozentualer Anteil am Erbe am Stichtag in Geld umgesetzt worden, da von diesem Zeitpunkt an in der Regel nur der Erbe zur Veräußerung in der Lage ist. Grundsätzlich entspricht dem gemeinen Wert der Erlös, der am Stichtag bei einem Verkauf des zu bewertenden Nachlassgegenstandes zu erzielen wäre24 (sog. Verkehrswert25). Außer Betracht bleibt der bloße „Liebhaberwert“ eines Nachlassgegenstandes,26 wohingegen bei der Bewertung von Gegenständen, die potentiell Erträge erwirtschaften, auch der Ertragswert mit in die Bewertung einfließen kann.27 Nicht anwendbar sind Bewertungsmethoden, denen ein anderer Maßstab zugrunde liegt, wie etwa Buchwerte oder steuerliche Einheitswerte.28 Ist am Stichtag kein oder nur ein ungewöhnlich niedriger Kaufpreis erzielbar, da eine Veräußerung nicht möglich ist, etwa weil es keinen Markt für den Nachlassgegenstand gibt oder weil an diesem „zum Stichtag außergewöhnliche Verhältnisse herrschten“29, bedient sich die Rechtsprechung der Denkfigur des „wahren inneren Wertes“30. Wird ein zu bewertender Vermögensgegenstand hingegen zeitnah veräußert, orientiert sie sich bei seiner Bewertung an dem tatsächlich erzielten Kaufpreis, sofern dieser nicht auf ungewöhnlichen Marktverhältnissen beruht und sich diese seit dem Stichtag auch nicht maßgeblich verändert haben.31 Diese Vorgehensweise beruht 22  BGH

NJW 1954, 1037.

23  Dauner-Lieb/Wartenburger/Leiß,

§ 2311 Rn. 31; MüKo/Lange, § 2311 Rn. 25; Soergel/Dieckmann, § 2311 Rn. 16; Staudinger/Herzog, § 2311 Rn. 84; Mayer, ZEV 1994, 331; Meincke, FS-Wiedemann (2002), S. 105, 113. 24  OLG Düsseldorf ZEV 1994, 361; Klingelhöffer, Rn. 324. 25  OLG Frankfurt ZEV 2003, 364; OLG Düsseldorf ZEV 1994, 361; BeckOK/ Mayer, § 2311 Rn. 13; Dauner-Lieb/Wartenburger/Leiß, § 2311 Rn. 33; MüKo/Lange, § 2311 Rn. 25; Soergel/Dieckmann, § 2311 Rn. 16; Mayer, ZEV 1994, 331; dazu auch Meincke, FS-Wiedemann (2002), S. 105, 109 ff.; Lange, Erbrecht, § 89 Rn. 99. 26  BGH NJW 1954, 1037; Dauner-Lieb/Wartenburger/Leiß, § 2311 Rn. 32; MüKo/Lange, § 2311 Rn. 25; Staudinger/Herzog, § 2311 Rn. 88 m. w. N.; zu den Abweichungen von diesem Grundsatz in der Praxis Mayer, ZEV 1994, 331. 27  Staudinger/Herzog, § 2311 Rn. 107; MüKo/Lange, § 2311 Rn. 31; Mayer, ZEV 1994, 331, 333. 28  Staudinger/Herzog, § 2311 Rn. 83 m. w. N. im Einzelnen. 29  Klingelhöffer, Rn. 325. 30  BGH NJW-RR 1991, 900, 901; NJW-RR 1992, 899; kritisch Klingelhöffer, Rn.  326 f. 31  BGH NJW 1982, 2497; NJW-RR 1990, 900; NJW-RR 1993, 131; DaunerLieb/Wartenburger/Leiß, § 2311 Rn. 37; Staudinger/Herzog, § 2311 Rn. 102 ff.



A. Die Berechnung von Ausgleichsansprüchen 23

darauf, dass Schätzungen des Wertes eines Vermögensgegenstandes in den meisten Fällen ungenau sind und daher der tatsächlich erzielte Kaufpreis im Zweifel eine sicherere Bewertungsgrundlage bildet.32

II. Grundsätze der Vermögensbewertung im Recht des Zugewinnausgleichs33 Die Zugewinngemeinschaft gilt als gesetzlicher Güterstand des BGB immer dann, wenn die Ehegatten keine anderslautende vertragliche Vereinbarung getroffen haben.34 Entgegen ihrer irreführenden Bezeichnung als „Gemeinschaft“, stellt sie eine Gütertrennung dar,35 die durch den bei ihrer Beendigung durchzuführenden Zugewinnausgleich gekennzeichnet ist.36 Zugewinn eines Ehegatten ist gemäß § 1373 BGB der Betrag, um den sein Endvermögen sein Anfangsvermögen übersteigt. Er ist demnach lediglich eine Rechnungsgröße und keine selbstständige Vermögensmasse.37 Die Ausgleichsforderung entsteht bei Beendigung des Güterstandes und ist ein schuldrechtlicher Anspruch38 in Höhe der Hälfte des Betrages, um den der Zugewinn des einen Ehegatten den des anderen übersteigt, § 1378 I, III 1 BGB. 1. Bewertungsstichtage Im Gegensatz zum Pflichtteilsrecht kennt das Recht des Zugewinnausgleichs mehrere Stichtage. Dies ist darauf zurückzuführen, dass zur Berechnung des Zugewinns der Ehegatten sowohl ihr jeweiliges Anfangs- als auch ihr Endvermögen bewertet werden müssen, um deren Differenz und damit die Höhe des jeweiligen Zugewinns zu ermitteln. Eine gesonderte StichtagsZErb 2011, 83; Mayer, ZEV 1994, 331, 332. Vordergrund der nachfolgenden Darstellung wird exemplarisch der Zugewinnausgleich im Scheidungsfall stehen, weswegen der reale und pauschalierte Zugewinnausgleich beim Tode eines Ehegatten sowie der vorzeitige Zugewinnausgleich nur am Rande behandelt werden. Die anzuwendenden Bewertungsmethoden sind in allen Fällen dieselben, so dass sich insofern keine Unterschiede ergeben. 34  Palandt/Brudermüller, Vorbem. v. § 1363 Rn. 1; Schwab, Familienrecht, Rn. 201. 35  Gernhuber/Coester-Waltjen, § 34 I Rn. 2; Johannsen/Henrich/Jaeger, Vorbem. zum gesetzlichen Güterrecht, Rn. 3; zu Fehlvorstellungen in der Bevölkerung Lange, DNotZ 2010, 749, 756. 36  Drs. zu BT-Drs. 2/3409, S. 8; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 34 I Rn. 1. 37  BT-Drs. 2/224, S. 42; Schröder, Rn.  7 m. w. N. 38  Bosch, FamRZ 1958, 289, 295; Dethloff, § 5 Rn. 91; Staudinger/Thiele, Vorbem. z. § 1371 Rn. 7; Johannsen/Henrich/Jaeger, Vorbem. zum gesetzlichen Güterrecht, Rn. 7. 32  BGH 33  Im

24

1. Kap.: Grundlagen

regelung für die Errechnung der Vermögenswerte für den Zugewinnausgleich im Scheidungsfall enthält § 1384 BGB. a) Bewertungsstichtage für das Anfangs- und Endvermögen Wertgegenstände des Anfangsvermögens werden gemäß § 1376 I BGB mit ihrem Wert bei Eintritt der Ehegatten in den Güterstand angesetzt. Davon ausgenommen ist privilegiertes Vermögen gemäß § 1374 II BGB, das mit seinem Wert zum Zeitpunkt des Erwerbs angesetzt wird. Zum Endvermögen gehörende Wertgegenstände müssen grundsätzlich mit ihrem Wert zum Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes in die Berechnung eingestellt werden, § 1376 II BGB. Der Güterstand endet mit dem Tod des einen Ehegatten, durch Rechtskraft der Scheidung, durch den vorzeitigen Zugewinnausgleich gemäß §§ 1385 – 1388 BGB oder durch einen nach Eingehung der Ehe geschlossenen Ehevertrag, im Rahmen dessen nachträglich ein anderer Güterstand vereinbart oder der Zugewinnausgleich ausgeschlossen wird.39 Illoyale Vermögensminderungen, die gemäß § 1375 II BGB dem Endvermögen hinzuzurechnen sind, werden mit ihrem Wert zum Zeitpunkt des Eintritts der Vermögensminderung40 angesetzt, um böswilligen Einflussnahmen des Ehegatten zum Nachteil des anderen entgegenzuwirken. Verstirbt ein Ehegatte während des laufenden Verfahrens und findet daher ein Zugewinnausgleich nach § 1371 BGB statt, bleibt es bei dem ursprünglichen Bewertungsstichtag, an dessen Stelle nicht etwa der Zeitpunkt des Todes des Erblassers tritt.41 b) Stichtag für das Endvermögen bei Zugewinnausgleich anlässlich der Ehescheidung Für den Fall des Zugewinnausgleichs anlässlich der Ehescheidung sieht § 1384 BGB einen abweichenden Stichtag für die Bewertung des Endvermögens vor. An die Stelle der Beendigung des Güterstandes tritt die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags, also der Zeitpunkt der Zustellung der Antragsschrift, § 124 S. 2 FamFG i. V. m. §§ 253, 261 I ZPO.42 Dadurch soll illoyalen Vermögensminderungen vorgebeugt43 und dem Umstand Rechnung 39  Palandt/Brudermüller,

§ 1372 Rn. 13. § 1376 Rn. 5. 41  BGH NJW 1987, 1764. 42  Näher dazu Schröder, Rn.  46 f. 43  BT-Drs. 2/3409 S 13; BGH NJW 1983, 2244; NJW 1987, 1764 f.; NJW 1988, 2369; Dörr, NJW 1989, 1953, 1954; BeckOK/Mayer, § 1384 Rn. 1; Jauernig/Berger/ Mansel, §  1384 Rn.  1; MüKo/Koch, § 1384 Rn. 1; Muscheler, Familienrecht, Rn. 369. 40  Palandt/Brudermüller,



A. Die Berechnung von Ausgleichsansprüchen 25

getragen werden, dass die Ehe mit der Stellung des Scheidungsantrags als gescheitert gilt, weswegen eine Beteiligung des anderen Ehegatten an weiterem Zugewinn nicht angezeigt ist.44 Der an der Schaffung der gesetzlichen Regelung des Zugewinnausgleichs beteiligte Ausschuss für Rechtswesen und Verfassungsrecht betonte in seinem Bericht, dass der Richter auch in Härtefällen nicht von den gesetzlichen Bewertungsregelungen abweichen dürfe. Die starre Stichtagsregelung solle Rechtssicherheit gewährleisten und für Klarheit sowie für eine leichte Handhabbarkeit des Güterstandes sorgen.45 Daher können nach dem Bewertungsstichtag erfolgte Wertsteigerungen oder Wertminderungen bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs auch im Zugewinnausgleich nicht mehr in Ansatz gebracht werden.46 2. Bewertungsziel Dem Zugewinnausgleich liegt der sog. Halbteilungsgrundsatz47 zugrunde, für den sich der Gesetzgeber letztlich entschieden hat, obwohl zunächst eine andere Lösung gewählt werden sollte. So sah der Regierungsentwurf für das Gleichberechtigungsgesetz noch vor, dass dem Ehegatten mit dem höheren Zugewinn ein Viertel des Differenzbetrages vorab gebühre,48 so dass der Ausgleichsberechtigte im Ergebnis lediglich drei Achtel der Differenz des Zugewinnbetrages anstatt, wie jetzt, die Hälfte erhalten hätte. Dadurch sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Ehegatten die Gefahr von Vermögensverlusten während der Ehe jeweils allein trügen, während der andere Ehegatte an Vermögenszuwächsen unabhängig von seinem tatsächlichen Beitrag zu deren Erwirtschaftung zu beteiligen sei. Das Vorabviertel sollte als Ausgleich für das Tragen dieses Risikos dienen.49 Der Ausschuss für Rechtswesen und Verfassungsrecht sprach sich jedoch gegen diese Regelung aus, da eine Halbteilung des während der Ehe erwirtschafteten Vermögenszuwachses „dem Wesen der ehelichen Lebensgemeinschaft am besten gerecht“50 werde. Die Regelung wurde demnach bewusst schematisch gestaltet, um Rechtssicherheit unabhängig davon zu gewähren, ob die Halbteilung mit den tatsächlichen Verhältnissen in Einklang steht.51 44  Palandt/Brudermüller,

§ 1384 Rn. 1; BeckOK/Mayer, § 1384 Rn. 1. BT-Drs. 2/3409, S. 11; Schröder, FamRZ 2003, 277; Johannsen/Henrich/Jaeger, Vorbem. zum gesetzlichen Güterrecht, Rn. 5. 46  Gernhuber/Coester-Waltjen, § 36 Rn. 21; AG Landsberg, FamRZ 2006, 1841. 47  BT-Drs. 16/10798, S. 10. 48  BT-Drs.  2/224, S. 7 (§ 1385 Abs. 1). 49  BT-Drs. 2/224, S. 45. 50  Drs. zu BT-Drs. 2/3409, S. 12. 51  BT-Drs. 2/224, S. 45, 48. 45  Drs. zu

26

1. Kap.: Grundlagen

Ziel war die Gleichstellung und Gleichberechtigung der Ehegatten. Diese zeichnet sich allerdings nicht etwa dadurch aus, dass beide Ehegatten im Scheidungsfall mit demselben Vermögen in das auf den Güterstand folgende Leben treten sollen. Vielmehr sollen infolge des ehelichen Güterstandes beide Ehegatten an der jeweiligen Vermögensmehrung gleichmäßig teilhaben und damit im Ergebnis so gestellt werden, als hätten sie während der Ehe der Höhe nach denselben Zugewinn erwirtschaftet. 3. Bewertungsregeln a) Zu bewertendes Vermögen Um die Höhe des Zugewinnausgleichsanspruchs zu errechnen, müssen zunächst das Anfangs- und das Endvermögen beider Ehegatten wertmäßig beziffert werden. Anfangsvermögen ist gemäß § 1374 I BGB das Vermögen, das einem Ehegatten beim Eintritt in den Güterstand nach Abzug der Verbindlichkeiten gehört. Endvermögen ist gemäß § 1376 I BGB das Vermögen, das ihm nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Beendigung des Güterstands gehört. Bei diesen beiden Rechnungsgrößen handelt es sich jeweils um den „in Geldeinheiten umgerechnete[n] Vermögensstatus zu einem bestimmten Zeitpunkt“52, unter Berücksichtigung aktiver und passiver Vermögenswerte. Entgegen der bis 2009 geltenden Rechtslage erlaubt seit der Reform des Rechts der Zugewinngemeinschaft § 1374 III BGB n. F. den Abzug von Verbindlichkeiten über die Höhe des Anfangsvermögens hinaus. Mittlerweile kann das Anfangsvermögen daher mit einem negativen Wert anzusetzen sein, da nach Ansicht des Gesetzgebers auch der Abbau von Schulden während der Ehe einen wirtschaftlichen Zugewinn darstellt, was aus Gerechtigkeitsgründen berücksichtigt werden muss.53 Auch das Endvermögen kann negativ sein, wenn der zu Beginn der Ehe verschuldete Ehegatte seine Schulden gar nicht oder nur teilweise tilgt.54 Um den Wert des Anfangs- und Endvermögens und damit den Zugewinnausgleichsanspruch errechnen zu können, muss eine Bewertung aller vorhandenen Vermögensgegenstände erfolgen, deren Wert sich in Geld abbilden lässt.55 Zu berücksichtigen sind damit „alle rechtlich geschützten Positionen von wirtschaftlichem Wert“56, also – so der BGH – „alle Sachen, die dem 52  Schröder,

Rn.  23 (m. w. N.). 16/10798, S. 1, 11. 54  Dethloff, § 5 Rn. 106. 55  BGH NJW 1981, 1038, 1039; Wellenhofer, Kap. 4, § 16 Rn. 6; Schröder, Rn. 24. 56  Dethloff, § 5 Rn. 106. 53  BT-Drs,



A. Die Berechnung von Ausgleichsansprüchen 27

Ehegatten gehören, und alle ihm zustehenden objektiv bewertbaren Rechte“57, die am Stichtag bereits entstanden sind. Vermögenspositionen, die Ansprüche auf zukünftige wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand haben, jedoch kein Arbeitseinkommen sind, fallen nicht in den güterrechtlichen Ausgleich, sondern werden im Versorgungsausgleich berücksichtigt. Haushaltsgegenstände unterfallen auch nach der Abschaffung der HausratsVO nur dann dem Zugewinnausgleich, wenn sie im Alleineigentum eines Ehegatten stehen, wohingegen im Miteigentum stehende Vermögensgegenstände Gegenstand der gerichtlichen oder einvernehmlichen Verteilung der Haushaltsgegenstände sind.58 b) Bewertung von Vermögensgegenständen Wie im Pflichtteilsrecht besteht eine konkrete gesetzliche Bewertungsregelung auch im Recht des Zugewinnausgleichs einzig für landwirtschaftliche Betriebe in § 1376 IV BGB. Für die Bewertung aller übrigen Arten von Vermögensgegenständen muss der Tatrichter eine geeignete, dem Sachverhalt angemessene Bewertungsmethode heranziehen,59 wobei Bewertungsregeln immer mit „Denkgesetzen und Erfahrungssätzen“ im Einklang stehen müssen und nicht auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruhen dürfen60. Es liegt damit nicht in der Hand des Richters, neue, willkürliche Bewertungsmethoden anzuwenden. Für die Bewertung von Vermögensgegenständen wird nach allgemeiner Meinung der „volle, wirkliche61“ oder „wahre innere62“ Wert für maßgeblich erachtet, der dann einzelfallbezogen ermittelt werden muss.63 Eine dem § 2311 BGB vergleichbare Regelung, welche die Schätzung des zu ermittelnden Vermögenswertes ausdrücklich vorsähe, existiert im Zugewinnausgleichsrecht indes nicht. Abzustellen ist aber auch hier in der Regel auf den Verkehrswert des zu bewertenden Vermögensgegenstandes.64 Dabei ist 57  BGH

NJW 1981, 1038, 1039. NJW 2011, 601; FuR 2011, 455; vgl. dazu auch BeckOK/Neumann, § 1568b Rn. 21 ff. 59  BGH NJW 2011, 601, 604; FPR 2003, 23, 24; NJW 1995, 2781, 2783; FamRZ 1991, 43, 44; MüKo/Koch, § 1376 Rn. 9 m. w. N. 60  BGH NJW 2011, 601, 604; NJW-RR 2005, 153, 154; NJW 2005, 3710, 3712; FamRZ 1991, 43, 44; FamRZ 1986, 776, 779; FamRZ 1986, 37, 39. 61  BVerfGE 67, 348, 367; BGH NJW 2011, 601, 604; NJW 1991, 1547, 1548; Staudinger/Thiele, § 1376 Rn. 10; Schwab, Handbuch Scheidungsrecht, VII Rn. 63; Rittner, FamRZ 1961, 505, 514. 62  BGH NJW-RR 1986, 226, 228; NK-BGB/Heiß, § 1376 Rn. 7. 63  Staudinger/Thiele, § 1376 Rn. 11. 64  Bosch, FamRZ 1958, 289, 295; Rauscher, Rn. 372; Schwab, Handbuch Scheidungsrecht, VII Rn. 65; MüKo/Koch, § 1376 Rn. 8; Muscheler, Familienrecht, Rn. 372. 58  BGH

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1. Kap.: Grundlagen

grundsätzlich vom Verkaufswert als der maßgeblichen Rechnungsgröße auszugehen.65 Der hypothetische Verkaufswert am Stichtag muss jedoch nicht regelmäßig mit dem „wahren inneren Wert“ übereinstimmen, denn ist ein Preisrückgang schon am Stichtag als vorübergehend erkennbar, muss dies bei der Bewertung berücksichtigt werden.66 Auch im Recht des Zugewinnausgleichs kann die Bewertung mit dem Veräußerungswert demnach grundsätzlich zu korrigieren sein,67 so dass unter Umständen auch der Erlös einer nach dem Stichtag tatsächlich stattfindenden Veräußerung Berücksichtigung finden kann.68 Obwohl sich Zugewinnausgleichs- und Pflichtteilsrecht bezüglich ihrer Systematik ähneln, wird eine analoge Anwendung der pflichtteilsrechtlichen Bewertungsregeln im Zugewinnausgleichsrecht mit der Begründung abgelehnt, die Auseinandersetzung einer Lebensgemeinschaft sei von anderer Qualität als die Mindestbeteiligung eines gesetzlichen Erben am Nachlass.69 Die zu § 2311 BGB von Literatur und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze können jedoch trotzdem für die Vermögensbewertung im Zugewinnausgleich herangezogen werden,70 so dass im Ergebnis auch hier eine Schätzung des Wertes zulässig ist.71 Besitzt ein Vermögensgegenstand keinen Veräußerungswert oder entspricht dieser nicht seinem inneren Wert, können und müssen auch andere Bewertungsmethoden herangezogen werden,72 wobei die spezifischen Eigenschaften des jeweiligen Vermögensgegenstandes zu berücksichtigen sind.73

B. Die Bewertung börsennotierter Aktien bei Erbfall und Zugewinnausgleich Der Wert börsennotierter Aktien am jeweils maßgeblichen Stichtag wird im Recht des Zugewinnausgleichs sowie im Pflichtteilsrecht für die Bewertung einer Vermögensmasse herangezogen, die als Grundlage der Berechnung von Ausgleichsansprüchen dient. Die Bewertung börsennotierter Aktien wird in beiden Rechtsgebieten nach den gleichen Kriterien vorgenommen 65  Staudinger/Thiele,

§ 1376 Rn. 12. Grundstücke BGH NJW 2011, 601, 604. 67  MüKo/Koch, § 1376 Rn. 8; Schwab, Handbuch Scheidungsrecht, VII Rn. 68. 68  BGH NJW 2011, 601. 69  Schröder, Rn. 88. 70  Schwab, Handbuch Scheidungsrecht, VII Rn. 63; Rittner, FamRZ 1961, 505, 514. 71  Staudinger/Thiele, § 1376 Rn. 13. 72  Vgl. dazu die Übersicht der Bewertungsmethoden bei Schröder, Rn.  91 ff. 73  Schwab, Handbuch Scheidungsrecht, VII Rn. 67. 66  Für



B. Die Bewertung börsennotierter Aktien29

und wird daher im Folgenden für beide Rechtsgebiete gemeinsam dargestellt. Zum besseren Verständnis wird ein kurzer Überblick über die Eigenschaften und den Inhalt des Begriffs der börsennotierten Aktie vorausgestellt.

I. Begriff der Aktie Aktien verbriefen die Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs an der Aktiengesellschaft, wobei auch seine Beteiligung am Grundkapital angegeben wird. Damit ist die Aktie in erster Linie ein Wertpapier, dessen Inhaber als Gesellschafter einer Aktiengesellschaft besondere Verwaltungs- und Vermögensrechte zustehen.74 Der Begriff der Aktie umfasst darüber hinaus aber auch das Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs selbst.75 Dieser tritt somit ge­ naugenommen in mehreren Rollen auf: Einerseits ist er Gesellschafter der Aktiengesellschaft, andererseits finanziert er sie durch den Kauf der Aktie und ist nicht zuletzt auch Spekulant am Kapitalmarkt, da Aktien vor allem als Geldanlage und Spekulationsgegenstand dienen. 1. Aktien als Wertpapiere Aktien gehören zur Gattung der Wertpapiere. Der allgemeine Wertpapierbegriff umfasst die sich im Einzelnen erheblich voneinander unterscheidenden Produkte, die auf dem Finanzmarkt gehandelt werden.76 Im Vordergrund steht dabei der Zusammenhang zwischen Recht und Papier.77 Während eine gesetzliche Definition des Wertpapiers nicht existiert, hat sich in der Literatur ein gängiger Wertpapierbegriff entwickelt, der das Wertpapier definiert als „eine Urkunde, die ein subjektives Recht derart verbrieft, dass es nur von dem Inhaber der Urkunde ausgeübt werden kann“78. Kumulative Vor74  Differenzierung nach Noack, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, S.  510, 512 ff. 75  Gursky, S. 124. 76  Lehmann, S. 9. 77  MüKo/Habersack, Vorbem. zu § 793 ff. Rn. 6. 78  So die h. M. MüKo/Habersack, Vorbem. zu § 793 ff. Rn. 7; Zöllner, S. 18; Lenenbach, Rn. 2.2; Richardi, S. 17; Hueck/Canaris, S. 4; Gursky, S. 2; anders die M.M.: „Wertpapiere sind Urkunden über vermögenswerte Rechte, bei denen die Verfügung über das verbriefte Recht durch die Verfügung über das Papier erfolgt“; Ulmer, S. 21; näher zu diesem Streit m. w. N. MüKo/Habersack, Vorbem. zu § 793 ff. Rn.  6 ff. und Lehmann, S. 12 f., der beide Begriffe vereinigt: „Das Wertpapier dient dazu, Rechte umlauffähig zu machen; die Umlauffähigkeit wird dadurch erreicht, dass die Innehabung der Urkunde genügt und erforderlich ist, um die Berechtigung nachzuweisen.“

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1. Kap.: Grundlagen

aussetzungen der Wertpapiereigenschaft sind die sog. Liberationsfunktion (die Leistung an den Inhaber befreit den Schuldner von dessen Leistungspflicht) und die sog. Legitimationsfunktion (grundsätzlich kann der Gläubiger sein Recht nur durch Vorlage des Papiers nachweisen).79 Kapitalmarktrechtliche Gesetze wie das Gesetz über den Wertpapierhandel (WpHG80), das Wertpapierprospektgesetz (WpPG81) und das Wertpapier­ erwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG82) setzen hingegen einen differenzierten Wertpapierbegriff voraus, was zu einem gespaltenen Wertpapierbegriff im deutschen Recht führt.83 Der sog. kapitalmarktrechtliche Wertpapierbegriff ist enger als der allgemeine Wertpapierbegriff, da er zusätzlich voraussetzt, dass die Wertpapiere fungibel, das heißt vertretbare Sachen gemäß § 91 BGB sind, die „gegenüber anderen der gleichen Art ausgeprägter Individualisierungsmerkmale entbehren“ und daher „ohne weiteres austauschbar sind“.84 Die Vertretbarkeit von Wertpapieren ergibt sich daraus, dass sie massenhaft mit identischem Inhalt und damit nicht individuell ausgestellt werden.85 Darüber hinaus müssen am Kapitalmarkt zu handelnde Wertpapiere zirkulationsfähig, also etwa gutgläubig zu erwerben sein, um im Rahmen des heutzutage über Computersysteme ablaufenden, stark anonymisierten Handels Rechtssicherheit für die Markteilnehmer zu gewährleisten, was durch die Verbriefung erreicht wird.86 Als verbrieftes und aufgrund massenhafter Ausstellung durch die Aktiengesellschaft als Emittenten fungibles Wertpapier unterfallen Aktien auch dem kapitalmarktrechtlichen Wertpapierbegriff. Sie werden in den Begriffsbestimmungen der § 2 II WpÜG, § 2 I 1 Nr. 1 WpHG und § 2 Nr. 1a WpPG auch ausdrücklich als Wertpapiere im Sinne dieser Gesetze genannt.

§ 10 Rn. 27; Lehmann, S.  11 f. über den Wertpapierhandel vom 9.9.1998, BGBl. I S. 2708. 81  Gesetz über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist vom 22.6.2005, BGBl. I S. 1698. 82  Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz vom 20.12.2001, BGBl. I S. 3822. 83  Lehmann, S. 14. 84  BGH NJW 1966, 2307; ähnlich MüKo/Holch, § 91 Rn. 1; Jauernig/Jauernig § 91 Rn. 1; Lenenbach, Rn. 2.4. 85  Lehmann, S. 14. 86  Grunewald/Schlitt, S. 8; Lenenbach, Rn. 2.4. 79  MüKo-AktG/Heider, 80  Gesetz



B. Die Bewertung börsennotierter Aktien31

2. Aktien als Beteiligung an der Aktiengesellschaft und Verbriefung des Mitgliedschaftsrechts a) Arten von Aktien Es wird zwischen verschiedenen Arten von Aktien differenziert: Stellt man auf das Kriterium der Art der Verbriefung ab, unterscheidet man zwischen Inhaber- und Namensaktien. Inhaberaktien sind in Deutschland tra­ ditionell verbreiteter.87 Namensaktien gewinnen jedoch jüngst wieder an Popularität.88 Die Unterscheidung zwischen Inhaber- und Namensaktien spielte vor allem bei der Übertragung der Aktien eine Rolle, wobei sie heute praktisch allerdings kaum noch relevant ist.89 Ferner wird danach differenziert, welche Rechte Aktien bei der Verteilung des Gewinns und des Gesellschaftsvermögens gewähren, wobei Aktien mit gleichen Rechten eine Gattung bilden, § 11 AktG. Es wird zwischen stimmrechtslosen Vorzugsaktien und Stammaktien unterschieden, wobei erstere in der Praxis die Ausnahme bilden.90 Wie der Name vermuten lässt, zeichnen sich die Vorzugsaktien gegenüber den Stammaktien durch eine Bevorzugung des Aktionärs bei der Ausschüttung des Gewinns aus. Der Inhaber einer Vorzugsaktie hat jedoch im Gegensatz zum Inhaber einer Stammaktie kein Stimmrecht in der Aktionärsversammlung.91 Schließlich findet eine Unterscheidung danach statt, ob die Aktien auf einen festen Betrag lauten, § 8 IV AktG, oder alternativ alle im gleichen Umfang am Grundkapital beteiligt sind, § 8 III AktG. Sie werden infolgedessen als Nennbetrags- beziehungsweise Stückaktien bezeichnet, wobei weder der Nennbetrag noch die Beteiligung am Grundkapital den Betrag von einem Euro unterschreiten darf. Die Gesellschaft ist frei in ihrer Entscheidung, ob das Grundkapital in Nennbetrags- oder Stückaktien zerlegt werden soll.92 Eine Teilung in Aktien beider Formen ist jedoch unzulässig, § 8 I AktG. b) Die Rechtsstellung des Aktionärs Der Aktionär ist Eigentümer der Aktie und Gesellschafter der Aktiengesellschaft. Obgleich er gemäß § 10 V AktG – vorbehaltlich anderslautender 87  MüKo-AktG/Heider,

§ 10 Rn. 16. AktG, § 24 Rn. 4; MüKo-AktG/Heider, § 10 Rn. 16. 89  Noack, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, S. 510, 530, 533. 90  Noack, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, S. 510, 519. 91  Gursky, S.  124 f. 92  Hölters/Solveen, § 8 Rn. 3. 88  Hölters/Solveen,

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1. Kap.: Grundlagen

Satzungsbestimmungen – nach herrschender Meinung ein Recht auf die Verbriefung seiner Mitgliedschaft hat,93 ist er auch dann bereits Gesellschafter, wenn er die Urkunde noch nicht im Besitz hat. Die Inhaberschaft der Aktienurkunde selbst begründet nicht das ihr innewohnende Recht, das vielmehr bereits durch die Handelsregistereintragung entsteht94 – die Aktie ist damit ein lediglich deklaratorisches Wertpapier.95 Dem Aktionär stehen mitgliedschaftliche Rechte zu, wobei zwischen Verwaltungs- und Vermögensrechten unterschieden wird.96 Als Verwaltungsrechte bezeichnet man etwa das Recht auf die Teilnahme an der Hauptversammlung gemäß § 118 I AktG, das Auskunftsrecht des Aktionärs gemäß §§ 131 f. AktG, Stimmrechte gemäß §§ 12 I, 133 ff. AktG und das Anfechtungsrecht bezüglich Hauptversammlungsbeschlüssen gemäß § 245 Nr. 1–3 AktG.97 Voraussetzung für die Ausübung der mitgliedschaftlichen Rechte durch den Aktionär ist entweder die Vorlage der Aktienurkunde selbst oder die Vorlage der Bescheinigung der Hinterlegung, vgl. § 123 III 2 AktG.98 Vermögensrechte stehen dem Aktionär jeweils in Gestalt des Dividendenrechts gemäß § 58 IV AktG, dem Recht zum Bezug junger Aktien gemäß § 186 AktG und dem Recht auf Abwicklungsüberschuss gemäß § 271 AktG zu.99

II. Börsennotierte Aktien im Rechtsverkehr 1. Die Veräußerung von Aktien Die grundsätzlich freie Übertragbarkeit von Aktien100 ist dinglich nur durch die Vinkulierung von Namensaktien gemäß §  68 II AktG einschränkbar,101 indem deren Veräußerung durch Satzung an die Zustim93  RGZ 94, 61, 64; MüKo/Habersack, Vorbem. zu § 793 ff. Rn. 23; Hüffer/Koch, § 10 Rn. 3 m. w. N.; davon geht erkennbar auch der Gesetzgeber aus, vgl. BT-Drs. 12/6721, S. 6 f.; 13/10038, S. 25; a. A. Schwennicke, AG 2001, 118, 119 ff., 124. 94  MüKo-AktG/Heider, § 10 Rn. 7, 25. 95  MüKo-AktG/Heider, § 10 Rn. 7, 25; Gursky, S. 13; Noack, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, S. 510, 514; Papiere, deren Verbriefung erst ein Recht begründet, sind hingegen z. B. Wechsel und Scheck (MüKo/Habersack, Vorbem. zu §§ 793 ff. Rn. 23). 96  Unterscheidung so bei Hüffer/Koch, § 11 Rn. 3 und Noack, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, S. 510, 512. 97  Aufzählung nach Hüffer/Koch, § 11 Rn. 3. 98  Gursky, S. 124. 99  Aufzählung nach Hüffer/Koch, § 11 Rn. 4. 100  BayObLG WM 1989, 138, 141. 101  Hüffer/Koch, § 68 Rn. 10; Gursky, S. 126.



B. Die Bewertung börsennotierter Aktien33

mung der Gesellschaft gebunden wird, was jedoch nicht für Fälle der Gesamtrechtsnachfolge gilt.102 Bezüglich der Übertragung des Eigentums an Aktien ist wiederum zwischen Inhaber- und Namensaktien zu unterscheiden. Das Eigentum an Inhaberaktien wird gemäß der §§ 929 ff. BGB übertragen, so dass Einigung und Übergabe beziehungsweise ein Übergabesurrogat zwischen Veräußerer und Erwerber erforderlich sind.103 Wie auf andere bewegliche Sachen sind hier die Vorschriften über den Gutglaubenserwerb und diesbezügliche handelsrechtliche Sondervorschriften anwendbar.104 Das gleiche gilt für Namensaktien mit der Besonderheit, dass darüber hinaus ein Indossament gemäß § 68 I 2 AktG oder die Zession des Mitgliedschaftsrechts erfolgen muss.105 Die Übergabe einer Namensaktie entsprechend den § 929 ff. BGB zusätzlich zu Abtretung oder Indossament wird in der Literatur nicht für notwendig erachtet,106 was von der Rechtsprechung jedoch anders gesehen wird107. Entsprechend dem Grundsatz „Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht an dem Papier“108 ist demnach grundsätzlich eine Übergabe oder deren Surrogat erforderlich. Aktien werden jedoch heute in der Regel nicht mehr als einzelne körperliche Urkunden ausgegeben sondern in sog. Globalurkunden verbrieft,109 die bei Wertpapiersammelbanken – in Deutschland nur die Clearstream Banking AG in Frankfurt – eingelagert werden.110 Bei den Globalurkunden handelt es sich um eine „äußerliche Zusammenfassung mehrerer Mitgliedschaftsrechte gleicher Art und gleicher Gattung […] in einer einzigen Aktienurkunde, die die rechtliche Selbstständigkeit der einzelnen Anteilsrechte unangetastet lässt“111. Der Erwerber einer Aktie erhält somit Miteigentum nach Bruchteilen an der Globalurkunde.112 102  Hüffer/Koch,

§ 68 Rn. 11. WM 1972, 297, 298; Zöllner, S. 24; Hueck/Canaris, S. 88; MüKo-AktG/ Heider, § 10 Rn. 37; Staudinger/Wiegand, § 929 Rn. 90 und Gursky, S. 11 unter Verweis darauf, dass im neueren Schrifttum mittlerweile überwiegend auch eine Abtretung des verbrieften Rechtes gemäß §§ 413, 398 BGB für möglich erachtet werde. 104  MüKo-AktG/Heider, § 10 Rn. 37. 105  Staudinger/Wiegand, § 929 Rn. 90. 106  MüKo-AktG/Bayer, § 68 Rn. 30; Hüffer/Koch, § 68 Rn. 3. 107  BGH NJW 1958, 302, 303; KG NZG 2003, 226. 108  Schulze/Schulze, § 398 Rn. 3. 109  Noack, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, S. 510, 516; MüKoAktG/Heider, § 10 Rn. 39; vgl. dazu auch § 9a DepotG. 110  Ausführlich zu Begriff, geschichtlicher Entwicklung und Modalitäten der Globalurkunden Lehmann, S. 29 ff. und zur Verwahrung durch die Clearstream Banking AG Schwennicke, AG 2001, 118, 122 f. (dort für kleine Aktiengesellschaften). 111  MüKo-AktG/Heider, § 10 Rn. 39; § 8 Rn. 96 m. w. N. 103  BFH

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1. Kap.: Grundlagen

Einzelne Aktien in Papierform gibt es heute infolgedessen kaum noch. Zur dinglichen Übertragung von Aktien ist der sog. Effektengiroverkehr entwickelt worden. Dieser sieht anstelle der tatsächlichen Bewegung der Papiere ein Verrechnungssystem vor.113 Aktien sind daher in der Praxis bei der Übertragung lediglich noch Buchungsposten auf Konten von sog. Finanzintermediären,114 also von Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten oder Zweigniederlassungen beziehungsweise Tochterunternehmen ausländischer Institute, die ersteren aktienrechtlich gemäß § 125 V AktG gleichgestellt sind.115 Wie sich der dingliche Erwerbsvorgang trotz der weiten Entfernung von der ursprünglichen Übertragungsweise in der Praxis noch nach den §§ 929 ff., 413, 398 BGB vollzieht ist – ebenso wie die genauen Besitzverhältnisse an den Globalurkunden – in der Literatur in sämtlichen Details umstritten.116 Obgleich der Gesetzgeber die geänderte Praxis durch die Einführung entsprechender Vorschriften gestärkt hat,117 wird eine völlige Abkehr von den wertpapierrechtlichen Prinzipien hin zu bloßen Wertrechten von ihm nicht angestrebt.118 112

Infolge der Wandlung des Wertpapierverkehrs können Verkaufsentscheidungen auch von Kleinaktionären selbst schnell und eigenständig umgesetzt werden. Zwar können Privatanleger keine Börsenzulassung erhalten und müssen daher Kreditinstitute einschalten, welche die gewünschten Geschäfte im eigenen Namen und für Rechnung des Kunden an der Börse abschließen (Kommissionsgeschäft).119 Viele Depotbanken bieten jedoch zur Depotverwaltung durch den Aktionär Online-Zugänge im Rahmen des OnlineBankings an, die den Gang zur oder schon den Anruf bei der Bank entbehrlich machen.120 112  Eder, NZG 2004, 107, 110; MüKo-AktG/Heider, § 10 Rn. 41 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts; vgl. auch § 6 I 1 DepotG. 113  Lehmann, S. 1, 25 ff. 114  Noack, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, S. 510, 539; s. auch Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, § 72 Rn. 71 f. 115  Noack, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, S. 510, 539 Fn. 111. 116  s. dazu im Überblick Eder, NZG 2004, 107 sowie ausführlich Lehmann, S.  388 ff. und Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201. 117  Z. B. die gesetzliche Anerkennung der Globalurkunde durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren vom 24.5.1972, BGBl. I S. 801. 118  BT-Drs. 13/10038, S. 25. 119  Lenenbach, Rn. 1.39, zur einzigen Ausnahme a.  a. O. Fn. 271; Schimansky/ Bunte/Lwowski/Klanten, § 72 Rn. 102. 120  s. dazu exemplarisch nur das Angebot der Kreissparkasse Köln unter https:// www.ksk-koeln.de/leistungen/wertpapiere/depot-und-brokerage/brokerage-aktien-on line-kaufen.aspx.



B. Die Bewertung börsennotierter Aktien35

2. Börsennotation und potentiell kursbeeinflussende Faktoren Das Aktiengesetz unterscheidet zwischen Aktien börsennotierter und nicht börsennotierter Gesellschaften. Gesellschaften sind gemäß § 3 II AktG dann börsennotiert, wenn sie zu einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum mittelbar oder unmittelbar zugänglich ist. Aktien als Wertpapiere können im kapitalmarktrechtlichen Sinne nur dann börsennotiert sein, wenn sie fungibel sind. Bei Inhaberaktien ist dies unproblematisch der Fall121; Namensaktien hingegen müssen mit einem sog. Blankoindossament versehen sein, da dieses ihre Umlauffähigkeit erst gewährleistet122. Der Börsenkurs einer Aktie gibt den Preis an, der zu einem bestimmten Zeitpunkt am Markt für die Beteiligung an der Aktiengesellschaft bezahlt wird. In Deutschland gibt es sieben Wertpapierbörsen: in Frankfurt a. M., Stuttgart, Düsseldorf, Berlin-Bremen, Hannover, München und Hamburg. Die 30 umsatzstärksten an der Frankfurter Wertpapierbörse notierten Unternehmen widerspiegelnd, ist der sog. DAX der wichtigste deutsche Aktienindex, der sich im In- und Ausland als deutscher Leitindex durchgesetzt hat. In erster Linie ist der aktuelle Preis einer Aktie von Angebot und Nachfrage am Börsenmarkt abhängig, so dass er sich nicht vornehmlich am Ertragswert des Unternehmens, sondern am Verhalten der Anleger orientiert. Die Kurswertermittlung beruht auf vielen tatsächlich getätigten Transaktionen.123 So kann durch extreme Nachfrage eine sog. Hausse, also ein nachhaltiger genereller oder marktsegmentsbezogener Kursanstieg entstehen. Ein zu großes Angebot an Wertpapieren eines bestimmten Bereichs an der Börse kann hingegen eine sog. Baisse, also erhebliche, anhaltende Kursrückgänge hervorrufen. Extreme Kursentwicklungen können vor allem dann auftreten, wenn das betreffende Wertpapier Gegenstand von Spekulationen ist, wobei durch Gegengeschäfte wiederum Einfluss auf den Kurs genommen werden kann.124 In extremen Fällen entstehen aus derartigem Verhalten sog. Spekulationsblasen, bei denen der Kurs einer Aktie allein deswegen lange Zeit erheblich steigt, weil die Anleger auf einen gewinnbringenden Weiterverkauf hoffen. Irgendwann muss diese Illusion enden, worauf ein extremer Kursabsturz folgt.125 Angebot und Nachfrage am Markt können selbst wiederum von vielen verschiedenen Faktoren abhängig sein, wobei eine vollständige Aufzählung 121  Lehmann,

S. 311. NZG 2004, 107, 110; Lehmann, S.  311 f. 123  Möllmann, BB 2010, 407, 408. 124  Oechsler, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, S. 150, 164 f. 125  Oechsler, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, S. 150, 165. 122  Eder,

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1. Kap.: Grundlagen

dieser Einflüsse kaum möglich ist. Im Folgenden sollen daher lediglich eine Reihe von bereits anerkannten Faktoren mit dem Ziel aufgeführt werden, die Beeinflussbarkeit und Unberechenbarkeit von Börsenkursen deutlich zu machen. In erster Linie sind Veränderungen des Börsenkurses von Aktien davon abhängig, ob sich die Unternehmenserträge oder die Erwartung bezüglich dieser verändern oder ob sich der Kapitalisierungsfaktor ändert, der den Dividenden zugrunde gelegt wird.126 Im Zusammenhang mit der aktienrechtlichen Rechtsprechung zur Abfindung von durch Umwandlung zum Ausscheiden gezwungenen Aktionären konstatierte etwa der BGH, der Börsenkurs müsse nicht zwangsläufig den wahren Wert der Aktien widerspiegeln. Vielmehr könne er auch höher oder niedriger sein, denn er sei abhängig von Angebot und Nachfrage, einer „Größe oder Enge des Marktes“, von Einflüssen durch Spekulationen am Markt und sogar vom Zufall sowie auch von „politischen Ereignissen, Gerüchten, Informationen, psychologischen Momenten oder einer allgemeinen Tendenz.“127 Der BGH kam auf Grundlage dieser Argumentation zu dem Ergebnis, dass der Börsenkurs der Berechnung einer angemessenen Abfindung deswegen nicht zugrunde zu legen sei, weil er „unberechenbaren Schwankungen und Entwicklungen“ unterläge.128 Auch das Bayerische Oberste Landesgericht zählte in seinem Beschluss vom 15. Juni 1956129 Faktoren auf, die den Börsenkurs einer Aktie beeinflussen können. So nannte es neben den oben bereits aufgeführten Einflüssen den „Umfang der bei dem betreffenden Unternehmen zu erwartenden tatsächlichen Gewinnausschüttung“, den „Zinssatz des Geldmarktes (Diskontsatz)“, die „allgemeine wirtschaftliche und politische Lage“, den „Umfang anderer gleich gut oder besser rentierlicher Geldanlagemöglichkeiten“ und das „Streben nach Sachwerten oder Sachwertbeteiligungen“. Die globale Vernetzung der Finanzmärkte und ihr internationales Zusammenwachsen führen dazu, dass Kursverluste an ausländischen Börsen auch kollektive Kursstürze an deutschen Börsen auslösen können. So fiel der DAX am 16. Oktober 1989 um 13 Prozent, bedingt durch einen von Finanzierungsproblemen beim Kauf eines amerikanischen Unternehmens ausgelösten Kurssturz an der Wall Street. Aber auch politische Ereignisse können den Börsenhandel beeinflussen: So verlor der DAX am 19. August 1991 126  Eube,

S. 149. NJW 1967, 1464. 128  Diese Rechtsprechung wurde nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27.4.1999 (NJW 1999, 3769) aufgegeben. Danach ist es nicht mit Art. 14 I GG vereinbar, den Börsenkurs bei der Bestimmung der Abfindung außer Betracht zu lassen. 129  BayOblGZ 1956, 207, 213. 127  BGH



C. Die Problematik der Bewertung börsennotierter Aktien37

aufgrund eines geplanten Putsches gegen Michail Gorbatschow etwa neun Prozent. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 und die folgende Angst vor Vergeltungsschlägen der Vereinigten Staaten von Amerika lösten an der Börse eine regelrechte Panik aus, in deren Folge der DAX erst um 8,5 am 11. September 2001 selbst und in den nächsten Tagen schließlich um weitere sechs Prozent fiel.130

C. Die Problematik der Bewertung börsennotierter Aktien mit ihrem Kurswert am Stichtag Auf Grundlage der eben dargestellten Grundsätze für die Vermögensbewertung sowie der speziellen Eigenschaften börsennotierter Aktien wird im Folgenden – zunächst lediglich deskriptiv und ohne eigene Stellungnahme zu ihrer grundsätzlichen Berechtigung – die in Literatur und Rechtsprechung herrschende und in der Praxis angewandte Bewertungsmethode erläutert. Sodann ist das Augenmerk darauf zu richten, welche Probleme sich aus dieser Bewertung für den Erben oder den ausgleichspflichtigen Ehegatten ergeben können, wenn es nach dem Stichtag zu Kursverlusten kommt.

I. Der Bewertungsgrundsatz für börsengehandelte Aktien Weder im Pflichtteils- noch im Zugewinnausgleichsrecht ist eine konkrete Bewertungsmethode für Aktien gesetzlich vorgeschrieben. Es ist damit auch bei ihrer Bewertung anerkannten Bewertungsgrundsätzen zu folgen, die jedoch ihrerseits von aktuellen Wertanschauungen und betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen abhängig sind.131 Maßgeblich ist hierbei, wie für alle Vermögenswerte, grundsätzlich der Verkehrswert, also der am Stichtag voraussichtlich zu erzielende Verkaufspreis.132 Anders wird dies lediglich beurteilt, wenn Gegenstand der Bewertung sog. Aktienpakete sind, die ihrem Inhaber etwa bestimmte Stimmmehrheiten gewähren und dadurch in ihrer Gesamtheit einen höheren Wert haben. In diesen Fällen ist nach einhelliger Meinung ein Paketzuschlag zu machen.133 Der am Stichtag erziel130  s.

http://www.n-tv.de/archiv/Dax-Talfahrten-seit-1987-article245476.html. Rn. 89. 132  Für das Pflichtteilsrecht: BGH NJW 1954, 1764; NJW-RR 1990, 900; MüKo/ Lange, § 2311 Rn. 25; Palandt/Weidlich, § 2311 Rn. 6; BeckOK/Mayer, § 2311 Rn.  13; für das Zugewinnausgleichsrecht: Palandt/Brudermüller, § 1376 Rn. 2; MüKo/Koch, § 1376 Rn. 8; BeckOK/Mayer, § 1376 Rn. 3; Schwab, Handbuch Scheidungsrecht, VII Rn. 116. 133  Für das Pflichtteilsrecht: Jauernig/Stürner, §  2311 Rn. 3; BeckOK/Mayer, § 2311 Rn. 40; MüKo/Lange, § 2311 Rn. 45; Kerscher/Riedel/Lenz-Brendel, § 7 131  Schröder,

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1. Kap.: Grundlagen

bare Preis für eine einzelne Aktie entspricht nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich ihrem amtlich festgestellten Börsenkurs134 am Stichtag und nicht etwa dem Nennwert135 oder dem Bruchteil des Grundkapitals, den die Aktie repräsentiert. Sofern kein DAX-Wert existiert,136 wird dabei der mittlere Tageskurs137 des Börsenplatzes für maßgeblich erachtet, der dem letzten Wohnsitz des Erblassers138 beziehungsweise des Ehegatten, der Eigentümer der zu bewertenden Aktien ist139, am nächsten liegt140. Die Kursnotierung an der Börse erfolge zwar, um die Ermittlung des durchschnittlichen Verkaufspreises zu erleichtern und ließe den tatsächlichen Wert des Anteils, etwa den Bruchteil des Grundkapitals, den er repräsentiert, unberührt.141 Da der Börsenkurs sich aber langfristig an der Entwicklung des ausgebenden Unternehmens orientieren soll, wird angenommen, dass er im Regelfall auch den tatsächlichen Wert der Gesellschaft und vor allem den realisierbaren Verkaufspreis zu einem bestimmten Zeitpunkt widerspiegele.142 Auch wird angeführt, dass am Markt für Unternehmensbeteiligungen gezahlte Preise den Verkehrswert besser wiedergäben, als Zahlen bezüglich des Ertrags- oder Substanzwertes.143 Die Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag dürfte sich jedoch vor allem deswegen durchgesetzt haben, weil sie im erb- und familienrechtlichen Bewertungsverfahren eine einfache und schnelle Werterfassung ermöglicht und dadurch langwierige und teure Bewertungsverfahren vermeidet.144 Dieser Bewertungsgrundsatz wird nicht nur für börsennotierte Aktien, sondern für börsennotierte Wertpapiere jeglicher Art herangezogen. Im Rahmen der Abgeltungsteuer anfallende Steuerlasten werden bei der Bewertung als „latente Steuerlast“ wertmindernd berücksichtigt, wenn deren Rn. 93; Klingelhöffer, Rn. 406; RGRK/Johannsen, § 2311 Rn. 22; Lange/Kuchinke, § 37 VII 3 c; für das Zugewinnausgleichsrecht: BeckOK/Mayer, 1376 Rn. 34; MüKo/Koch, § 1376 Rn. 15; Bachmann, S. 168. 134  Erman/Gamillscheg § 1376 Rn. 16; Erman/Schlüter, § 2311 Rn. 5. 135  BGH FamRZ 2001, 413; NK-BGB/Heiß, § 1376 Rn. 31. 136  BeckOK/Mayer, §  2311 Rn.  40; Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz/Mayer, § 5 Rn. 161, Groll/Rösler, C VI Rn. 113. 137  Dauner-Lieb/Wartenburger/Leiß, § 2311 Rn. 64; Soergel/Dieckmann, § 2311 Rn. 18. 138  Staudinger/Herzog, § 2311 Rn. 155; Kerscher/Riedel/Lenz-Brendel, § 7 Rn. 93. 139  Staudinger/Thiele, § 1376 Rn. 36; Rittner, FamRZ 1961, 505, 515. 140  BeckOK/Mayer, §  2311 Rn.  40; Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz/Mayer, § 5 Rn. 161, Groll/Rösler, C VI Rn. 113. 141  Meincke, S. 200. 142  RGRK/Johannsen, § 2311 Rn. 22. 143  Piltz, S. 224. 144  Piltz, S. 226; Kogel, Rn. 532; Luttermann, ZIP 1999, 45, 52.



C. Die Problematik der Bewertung börsennotierter Aktien39

Veräußerung am Stichtag steuerpflichtig wäre, unabhängig davon, ob tatsächlich eine Veräußerungsabsicht gegeben ist.145 Dies ist darauf zurückzuführen, dass Steuern als nicht vermeidbare Veräußerungskosten146 und damit letztlich als unselbstständiges Bewertungsmerkmal147 angesehen werden.

II. Probleme für den Anspruchsgegner Die strikte Anwendung dieses Bewertungsgrundsatzes für börsennotierte Aktien kann im Einzelfall zu Ergebnissen führen, die den Anspruchgegner finanziell stark belasten: Fällt der Börsenkurs nach dem Stichtag, sinkt auch der Wert des Vermögens, auf dessen Grundlage der Anspruch errechnet wurde. Dieser selbst bleibt jedoch in der Höhe bestehen, in der er im Bezug auf den Stichtag errechnet wurde. Besteht das Vermögen zu einem hohen Anteil aus börsennotierten Aktien, deren Kurse nach dem Stichtag fallen, kann dies zu erheblichen Härten führen und eine völlige Aufzehrung des Vermögens durch die Erfüllung des nunmehr im Verhältnis überhöht wirkenden Anspruchs bedeuten. Auch können die Verluste so erheblich sein, dass der Anspruch das tatsächlich noch vorhandene Vermögen der Höhe nach übersteigt. Trotz dieser Gefahren hält die Mehrheit in der Literatur ohne Ausnahmen an der Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag fest.148 Ob­wohl die damit verbundenen möglichen Probleme im Zusammenhang mit Kurs­ schwankungen bekannt sind, werden der schematischen Natur der Ausgleichssysteme sowie der praktischen Anwendbarkeit dieser Bewertungsmethode Priorität eingeräumt. Dennoch haben sich sowohl im Pflichtteilsrecht als auch im Recht des Zugewinnausgleichs immer wieder kritische Stimmen zu Wort gemeldet, die entweder in Extremfällen eine Lösung über § 242 BGB149 145  BGH NJW 2011, 2572, 2575; Schlitt/Müller/Lohr/Prettl, § 4 Rn. 234, Henjes, C. Rn. 468; kritisch aber Piltz, NJW 2012, 1111, 1112 ff. (zum Zugewinnausgleich); dazu näher auch Klein, FPR 2012, 324, 328 f. 146  OLG Hamm FamRZ 1998, 235, 237. 147  Schröder, FPR 2012, 97, 99. 148  Schlichting, ZEV 2006, 197; Palandt/Weidlich, § 2311 Rn. 7; Mayer/Süß/ Tanck/Bittler/Wälzholz/Mayer, § 5 Rn. 161; PWW/Deppenkemper, § 2311 Rn. 15; Dauner-Lieb/Wartenburger/Leiß, § 2311 Rn. 64; Finger, FuR 2007, 462, 465; Mayer, ZEV 1994, 331, 332; BeckOK/Mayer, § 2311 Rn. 40; MüKo/Lange, § 2311 Rn. 36; Staudinger/Thiele, § 1376 Rn. 36; MüKo/Koch, § 1376 Rn. 15; BeckOK/ Mayer, § 1376 Rn. 34; AnwK-BGB/Limbach, § 1376 Rn. 32; NK-BGB/Heiß, § 1376 Rn. 31; Krenzler/Borth/Hauß, Kap. 9 Rn. 184; Kogel, Rn. 522; Haußleiter/Schulz, Kap. 1 Rn. 172 ff.; Hoppenz/Hoppenz, § 1376 Rn. 95. 149  Veith, NJW 1963, 1521; Staudinger/Herzog, § 2311 Rn. 7; Kerscher/Riedel/ Lenz-Brendel, § 7 Rn. 93; Soergel/Dieckmann, § 2311 Rn. 18; Groll/Rösler, C VI Rn. 113; Riedel, S. 74; Bachmann, S. 167.

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1. Kap.: Grundlagen

zulassen oder gar eine gänzlich abweichende Bewertung einführen150 wollen. Obwohl sich der Bewertungsgegenstand und die angewandte Bewertungsmethode im Pflichtteils- und im Zugewinnausgleichsrecht entsprechen, werden sie in der Literatur und Rechtsprechung zu Recht getrennt voneinander behandelt. Schon deswegen, weil das dem des Pflichtteilsrechts nachempfundene System des Zugewinnausgleichs große Parallelen zu diesem aufweist, wird im Rahmen der Diskussion der Problematik immer wieder auf die Handhabe in dem jeweils anderen Gebiet verwiesen. Jedoch werden im Vergleich auch erhebliche strukturelle Unterschiede der beiden Regelungsgebilde offenbar, die sich schon in dem bereits dargestellten Anlass beziehungsweise Ziel der Bewertung zeigen. So wird deutlich, dass nicht zwingend davon auszugehen ist, dass in beiden Bewertungssituationen auch gleich verfahren werden muss. Bei der Untersuchung der Folgen und der möglichen Lösungen ist daher strikt zwischen Pflichtteilsrecht und Zugewinnausgleichsrecht zu differenzieren und auf das jeweilige Bewertungsziel sowie die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen wie insbesondere Stundungs- oder Billigkeitsvorschriften abzustellen. Eine Gegenüberstellung und ein Vergleich zwischen Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsrecht erfolgen erst dann, wenn die Ergebnisse zu den einzelnen Regelungsbereichen vorliegen.

150  Coing, Gutachten für den 49. DJT, A 49 (de lege ferenda); Ott-Eulberg/ Schebesta/Bartsch, § 3 Rn. 221; RGRK/Johannsen, § 2311 Rn. 22; Klingelhöffer, Rn.  404 ff.; Nirk, NJW 1962, 2185; Schröder/Bergschneider, Rn. 4.355; Hoppenz, FamRZ 2010, 16; Schwab, FamRZ 2009, 1445; Piltz, S. 226; MüKo-AktG/Heider, § 6 Rn. 11 f.

2. Kapitel

Die Bewertung von Aktien mit dem Börsenkurs bei Wertminderungen nach dem Stichtag im Pflichtteilsrecht A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs bei Kursverlustennach dem Stichtag Bevor der Frage nachgegangen werden kann, ob und gegebenenfalls wie die soeben aufgezeigte Problematik de lege lata oder gar de lege ferenda aufzulösen ist, muss untersucht werden, welche Folgen sich durch nach dem Stichtag eintretende Kursverluste an der Börse für den Erben konkret ergeben können und welche Konsequenzen diese im Hinblick auf den Nachlass und sein Eigenvermögen haben. Sodann ist festzustellen, ob ihm Möglichkeiten offenstehen, das aus § 2311 BGB folgende Risiko im Zusammenhang mit börsennotierten Aktien zu beherrschen. Diesen Feststellungen muss eine kritische Auseinandersetzung mit der Frage folgen, ob sich dies mit dem Gesetzeszweck des pflichtteilsrechtlichen Stichtagsprinzips vereinbaren lässt.

I. Mögliche Folgen von Kursverlusten nach dem Stichtag für den Erben Je nach Anteil der börsennotierten Aktien am Nachlassvermögen und Erheblichkeit der Kursrückgänge können sich verschiedene Konstellationen ergeben, deren Folgen für den Erben unterschiedlich gravierend sind. Zunächst ist denkbar, dass das Nachlassvermögen zwar an Wert verliert, die auf den Stichtag berechneten Pflichtteilsansprüche jedoch den Nachlass nicht völlig aufzehren, so dass Vermögen bei dem Erben verbleibt. Infolgedessen kommen die so errechneten Pflichtteilsansprüche einer quotenmäßig höheren Beteiligung des Berechtigten am nunmehr noch vorhandenen Nachlasswert gleich, was zu einer Disproportionalität der beiden Rechnungsgrößen zueinander führt. Es kann aber auch die Situation eintreten, dass die Pflichtteilsansprüche den Nachlass vollkommen aufzehren oder sogar dazu führen, dass die Nachlassverbindlichkeiten den Nachlasswert übersteigen. Für den oder die Erben kann die Auszahlung von Pflichtteilsansprüchen auf diese Weise zu einer Bedrohung seiner wirtschaftlichen

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

Existenz1 werden, denn grundsätzlich haftet der Erbe für die Pflichtteilsansprüche als Erbfallschulden gemäß § 1976 BGB ab Annahme der Erbschaft sowohl mit dem Nachlass als auch mit seinem eigenen Vermögen2. Zu untersuchen ist daher, welche haftungsrechtlichen Folgen sich für den Erben ergeben können und welche Möglichkeiten das gesetzliche Haftungssystem bereitstellt, die Haftung einzuschränken. 1. Haftungsbeschränkung durch den Erben bei Kursverlusten Der Grundsatz der unbeschränkten Haftung des Erben dient dem Schutz der (Nachlass-)Gläubiger davor, dass sich sein Eigenvermögen und der Nachlass miteinander vermischen und somit nicht mehr feststellbar ist, welche Vermögensgegenstände aus welcher Vermögensmasse stammen,3 woraus sich Unsicherheiten bezüglich dessen ergeben, auf welche Werte zugegriffen werden kann. Das Gesetz sieht Möglichkeiten für den Erben vor, seine Haftung vorläufig oder endgültig zu beschränken. Diese greifen allerdings gemäß §§ 1994 I, 2013 I BGB dann nicht ein, wenn er innerhalb einer ihm dafür von dem Nachlassgericht auf Antrag eines Nachlassgläubigers gesetzten Frist kein Inventar des Nachlasses errichtet hat. Die gleiche Folge tritt gemäß § 2005 BGB ein, wenn er bei der Erstellung des Inventars unrichtige Angaben macht, welche zur Benachteiligung der Nachlassgläubiger führen können. Verweigert der Erbe es, das Inventar durch eine eidesstattliche Versicherung zu bekräftigen, entfällt die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung hingegen lediglich gegenüber dem antragstellenden Gläubiger.4 Zu untersuchen ist, ob die gesetzlich vorgesehenen Haftungsbeschränkungen konkret dazu geeignet sind, die sich für den Erben aus den Kursverlusten ergebenden negativen Konsequenzen abzumildern. a) Vorläufige Haftungsbeschränkung Zunächst kann der Erbe gemäß § 2014 BGB die sog. Schonungseinreden der §§ 2014, 2015 BGB geltend machen. Die Dreimonatseinrede des § 2014 BGB ist lediglich an die Voraussetzung geknüpft, dass das Inventar der Erb1  Thoma,

ZEV 2003, 278. Gesetz setzt seiner Systematik nach voraus, dass es sich um einen Alleinerben handelt; für die Vor- und Nacherbschaft sowie für Erbengemeinschaften sind in den §§ 2144 ff. BGB beziehungsweise den §§ 2058 ff. BGB Sondervorschriften vorgesehen. Zugunsten eines klaren Überblicks werden diese Besonderheiten in der folgenden Darstellung nicht berücksichtigt. 3  Lettmann, RNotZ 2002, 538, 540. 4  Joachim, ZEV 2005, 99, 101. 2  Das



A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs bei Kursverlusten 43

schaft noch nicht erstellt wurde, und erlaubt es dem Erben, die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten bis zum Ablauf von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Annahme der Erbschaft zu verweigern. Die Einrede des Aufgebotsverfahrens nach § 2015 BGB eröffnet ihm die Möglichkeit, bis zu dessen Ende die Erfüllung zu verweigern, sofern er innerhalb eines Jahres nach Annahme der Erbschaft einen Antrag auf Einleitung des Aufgebotsverfahrens der Nachlassgläubiger gestellt hat. Sie dient dem Schutz des Erben, der sich durch das Aufgebotsverfahren einen Überblick darüber verschaffen möchte, welche Verbindlichkeiten sich gegen den Nachlass richten.5 Der Erbe kann sich auf die Dreimonatseinrede zumindest in der Hoffnung berufen, dass sich nach dem Stichtag gefallene Börsenkurse während dieser Zeit wieder erholen. Diese Möglichkeit läuft jedoch dann leer, wenn der Pflichtteilsberechtigte erst mehrere Monate nach dem Tod des Erblassers ausfindig gemacht wird oder an den Erben herantritt. Ebenso verhält es sich mit dem Aufgebotsverfahren, das in der Praxis in der Regel zwischen sechs und neun Monaten dauert.6 Auch diese Einrede kann nicht geltend gemacht werden, wenn der Pflichtteilsberechtigte erst nach Ablauf eines Jahres seit Annahme der Erbschaft in Erscheinung tritt und in der Zwischenzeit kein Aufgebotsverfahren beantragt wurde. Die vorübergehende Natur der Haftungsbeschränkungen führt ferner dazu, dass der Erbe durch sie niemals dauerhaft in die Lage versetzt wird, die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zu verweigern. Ob eine Erholung der Börsenkurse innerhalb eines drei- bis neunmonatigen Zeitraums eintritt, ist vom Einzelfall abhängig. Obwohl der Erbe durch diese Einreden im Ergebnis Aufschub erlangen kann, sind sie nicht dazu geeignet, dauerhaft Abhilfe zu schaffen, wenn sich die Börsenkurse nicht kurzfristig erholen. b) Dauerhafte Haftungsbeschränkung Die Tatsache, dass Pflichtteilsberechtigte ihre Ansprüche nicht zwingend unmittelbar nach dem Erbfall geltend machen und auch andere zeitliche Unwägbarkeiten denkbar sind, welche die eben dargestellten Möglichkeiten der vorübergehenden Haftungsbeschränkung ins Leere laufen lassen, begründet die Notwendigkeit einer dauerhaften Haftungsbeschränkung für den Erben. Zu untersuchen ist, ob die gesetzlich vorgesehenen Beschränkungen in Form von Nachlassverwaltung und Nachlassinsolvenz für die hier untersuchten Fälle möglich sowie zielführend sind und welche Konsequenzen sich aus ihnen ergeben. 5  Joachim,

ZEV 2005, 99, 100.

6  http://www.amtsgericht-karlsruhe.de/pb/,Lde/1162751#a5.

44

2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

aa) Anordnung der Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz Eine dauerhafte Beschränkung der Haftung auf den Nachlass kann nur erreicht werden, indem die mit dem Erbfall miteinander verschmolzenen Vermögensmassen wieder getrennt werden.7 Die Trennung kann entweder im Wege der Anordnung der Nachlassverwaltung oder durch Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens erfolgen. Im ersteren Falle sollen die Nachlassgläubiger vollständig befriedigt werden, im letzteren hingegen wird darauf abgezielt, den dürftigen Nachlass gerecht unter ihnen zu verteilen.8 Wird dem Antrag auf Anordnung der Nachlassverwaltung entsprochen, verliert der Erbe gemäß § 1984 I 1 BGB die Verfügungsbefugnis über den Nachlass, welche nach § 1985 I BGB auf den Nachlassverwalter übergeht. Im Gegenzug können auch die Nachlassverbindlichkeiten nur noch diesem gegenüber geltend gemacht werden, § 1984 I 3 BGB. Die Nachlassverwaltung wird entweder durch das Nachlassgericht aufgehoben, weil eine den Kosten entsprechende Masse nicht vorhanden ist, § 1981 II BGB, oder endet dadurch, dass gemäß § 1988 I BGB das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wird, da der Nachlass nicht zur Befriedigung aller Nachlassgläubiger ausreicht. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass gemäß §§  315  ff. InsO setzt Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit voraus,9 wobei es gemäß §§ 16, 320 I 2 InsO ausreicht, wenn letztere droht. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei nicht der Eintritt des Erbfalls; vielmehr ist auch die spätere Überschuldung durch den Abfluss von Vermögen maßgeblich.10 Folglich ist die Nachlassinsolvenz auch dann denkbar, wenn nach dem Stichtag durch Wertverluste börsennotierter Aktien eine Überschuldung eintritt. Nach der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens geht die Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter über, § 80 I InsO.11 Sind Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse nicht angezeigt oder aufgehoben worden, kann der Erbe die Dürftigkeitseinrede des § 1990 BGB geltend machen, indem er die Befriedigung der Nachlassgläubiger insoweit verweigert, als der Nachlass dazu nicht ausreicht.12 Aus dieser kurzen DarInsO, § 315 Rn. 11; Frank/Helms, § 18 Rn. 2. § 18 Rn. 9. 9  Dies ist dann der Fall, wenn der Nachlass nicht genügend liquide Mittel umfasst, um die Verbindlichkeiten zu begleichen, vgl. Roth, ZInsO 2009, 2268 f. 10  Roth, ZInsO 2009, 2265. 11  s. dazu näher auch Joachim, ZEV 2005, 99, 100; ausführlich zu Nachlassinsolvenz und Nachlassverwaltung Rugullis, ZEV 2007, 117. 12  s. auch Frank/Helms, § 18 Rn. 23 sowie Rugullis, ZEV 2007, 156, 159. 7  Braun/Bauch, 8  Frank/Helms,



A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs bei Kursverlusten 45

stellung ergibt sich bereits, dass die Nachlassinsolvenz den Erben vor Einbußen hinsichtlich seines eigenen Vermögens bewahrt, jedoch auch die beschriebenen Nachteile mit sich bringt. bb) Pflicht zur Beantragung der Nachlassinsolvenz Besteht hinsichtlich des Nachlasses Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, ist der Erbe mit Kenntnisnahme verpflichtet, die Nachlassinsolvenz zu beantragen, § 1980 I 1 BGB. Verletzt er diese Pflicht, ist er gemäß § 1980 I 2 BGB den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden ersatzpflichtig. Strafrechtliche Konsequenzen drohen ihm indes nicht.13 Ausnahmen von der Antragspflicht bestehen nur, wenn die Unzulänglichkeit auf Vermächtnissen oder Auflagen beruht oder wenn der Erbe bereits unbeschränkbar haftet, § 2013 I 1 BGB. 2. Zwischenfazit Eine Betrachtung der dem Erben zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, seine Haftung vorübergehend zu beschränken und dadurch sein eigenes Vermögen davor zu schützen, indirekt durch die Wertminderungen des Nachlassvermögens in Mitleidenschaft gezogen zu werden, ergibt, dass diese im Fall von Kursverlusten an der Börse keine Abhilfe schaffen. Die vorübergehende Beschränkung der Erbenhaftung kann nur dann einen Ausweg darstellen, wenn sich die Kurse kurzfristig wieder erholen. Die Beantragung der Nachlassinsolvenz hingegen schützt zwar das Vermögen des Erben und beschränkt die Haftung dauerhaft auf den Nachlass, führt jedoch dazu, dass der Erbe seine Verfügungsbefugnis über den Nachlass verliert und bringt damit auch erhebliche Nachteile mit sich. Ist der Kursverlust daher einmal eingetreten, hat der Erbe keine Möglichkeit mehr, die Folgen durch eigenes Tätigwerden abzufangen. Vielmehr besteht die Pflicht, die Nachlassinsolvenz anzumelden und sich somit der Verfügungsbefugnis über den Nachlass zu begeben. In Fällen, in denen die Kursverluste noch nicht zur Überschuldung des Nachlasses führen, gibt es keine Möglichkeit, eine Beschränkung der Haftung herbeizuführen. Zu untersuchen ist daher weiter, ob dem Erben mit Eintritt des Erbfalls anderweitige Möglichkeiten zur Verfügung stehen, sich davor zu schützen, dass sich der Nachlasswert nach dem Erbfall durch Kursverluste dahingehend verschlechtert, dass die am Stichtag errechneten Pflichtteilsansprüche nicht mehr dem vorhandenen Nachlassvermögen entsprechen. 13  du

Carrois, RPfleger 2009, 197.

46

2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

II. Beherrschbarkeit des Wertminderungsrisikos durch den Erben Das oben beschriebene Bewertungsziel, den Pflichtteilsberechtigten so zu stellen, als sei die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils am Stichtag in Geld umgesetzt worden, birgt zugleich die Antwort auf die Frage, wie das Wertminderungsrisiko des Erben zu beherrschen wäre: Die einzige verlässliche Möglichkeit, genau den Wert zu erzielen, den ein Vermögensgegenstand am Stichtag hat, ist seine Veräußerung zu diesem Zeitpunkt. Der Bewertungsgrundsatz für börsennotierte Aktien beruht auf dem Prinzip, dass Vermögensgegenstände mit dem Preis bewertet werden, den der Erbe durch ihren Verkauf am Stichtag erzielt hätte.14 Tut er dies tatsächlich, besteht das Risiko des Wertverlustes von Aktien demnach nicht mehr fort, da der für sie anzusetzende Gegenwert nunmehr als Geldsumme im Vermögen vorhanden ist und zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs aufgewendet werden kann. Zu untersuchen ist daher zunächst, ob dies dem Erben in tatsächlicher Hinsicht überhaupt möglich ist. Ist dies nicht der Fall, stellt sich wiederum die Frage, welche Schlüsse daraus speziell für die Bewertung börsennotierter Aktien zu ziehen sind und ob etwa die Ausschlagung der Erbschaft oder die Erhebung der Stundungseinrede nach § 2331a BGB als angemessene Möglichkeiten des Erben anzusehen sind, dem in dieser Situation entstehenden Risiko zu begegnen. 1. Die Möglichkeit der Veräußerung börsennotierter Aktien am Stichtag Rechtliche Voraussetzung für die Veräußerung der Aktien am Stichtag ist die Verfügungsbefugnis des oder der Erben. Das Eigentum an den Nachlassgegenständen geht mit dem Tod des Erblassers gemäß § 1922 I BGB kraft Gesetzes auf den oder die Rechtsnachfolger über, so dass die damit verbundene Verfügungsbefugnis dem Erben oder der Erbengemeinschaft ab dem Moment des Todes des Erblassers zusteht. Rechtlich ist die Veräußerung der Aktien am Stichtag demnach möglich. Auch praktisch können börsennotierte Aktien – etwa mithilfe von Online-Zugängen – sofort veräußert werden. Praktisch bestehen jedoch Gründe, aus denen der Erbe an der sofortigen Veräußerung gehindert sein kann. Der Begriff des „Veräußerungshindernisses“, wie er im Folgenden verwendet wird, meint dabei tatsächliche Umstände, die eine Veräußerung hindern und ist daher nicht im engeren juristischen Sinne zu verstehen. Zu unterscheiden sind drei Gruppen von Gründen, die der Veräußerung entgegenstehen können: Dies sind die Fälle des Eintritts der Erbenstellung 14  Schlichting,

ZEV 2006, 197, 199.



A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs bei Kursverlusten 47

ex tunc, subjektive Veräußerungshindernisse, die in der Person des Erben begründet liegen, und schließlich objektive Veräußerungshindernisse, die aus nicht an die Person des Erben geknüpften Umständen erwachsen und durch ihn daher nicht beeinflussbar sind. a) Erbenstellung ex tunc Problematisch sind zunächst die Fälle, in denen der Erbe am Stichtag selbst schon deswegen nicht zur Veräußerung in der Lage ist, weil seine Erbenstellung erst später mit Rückwirkung auf den Stichtag eintritt. Das BGB sieht dies an mehreren Stellen vor: Gemäß § 1953 II BGB fällt die Erbschaft im Falle der Ausschlagung demjenigen an, der berufen gewesen wäre, wenn der Ausschlagende zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht gelebt hätte, wobei der Anfall mit dem Erbfall als erfolgt gilt. Genauso verhält es sich, wenn ein Erbe gemäß § 2344 I BGB für erbunwürdig erklärt wird. Wird schließlich die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung gemäß den §§ 2078 ff. BGB wirksam angefochten, erbt derjenige, der mangels ihrer Erbe geworden wäre. Die Anfechtung beseitigt die letztwillige Verfügung gemäß § 142 I BGB ex tunc, so dass die Erbenstellung auch hier rückwirkend zum Stichtag begründet wird.15 Die genannten Konstellationen haben gemein, dass immer derjenige berufen wird, der kraft Gesetzes Erbe geworden wäre, wenn der weggefallene Erbe nicht gelebt hätte. Damit sind grundsätzlich die gesetzlichen Erben betroffen, aus denen sich auch der Kreis der Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2303 BGB zusammensetzt. Ist der Erbteil, der aufgrund des Wegfalls eines gewillkürten Erben den Pflichtteilsberechtigten zufällt, geringer als der Pflichtteil, können diese von etwaigen anderen Erben gemäß § 2305 BGB den Zusatzpflichtteil in Höhe der Differenz verlangen. Weitere Pflichtteilsansprüche gegen sie selbst als später in die Erbenstellung eingerückte Erben bestehen dann jedoch nicht. Eine Rückwirkungsfiktion tritt aber auch dann ein, wenn der Erblasser gemäß § 2096 BGB einen gewillkürten Ersatzerben bestimmt hat. Fällt der ursprünglich eingesetzte Erbe vor oder nach dem Erbfall aus einem der eingangs genannten Gründe weg, erbt demnach der Ersatzerbe. Der Wegfall des ursprünglichen Erben nach dem Erbfall wirkt dann ebenfalls auf diesen zurück.16 Erlangt der Erbe seine Erbenstellung rückwirkend, hat er keine Möglichkeit mehr, sein Risiko durch die Veräußerung der Aktien am Stichtag zu begrenzen, denn am Stichtag selbst fehlte ihm die dazu notwendige Ver­ fügungsbefugnis. Diese gesetzliche Konstruktion – wenn nicht gar Fik­ 15  Lange/Kuchinke,

§ 36 II 2 b); Michalski, § 14 II 5 Rn. 398. § 2096 Rn. 2; BeckOK/Litzenburger, § 2096 Rn. 7.

16  MüKo/Schlichting,

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

tion17 – führt dazu, dass sich durch die Rückwirkung die rechtliche Stellung, nicht aber die tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt verändern.18 Sieht sich der Erbe nun nach Kursverlusten mit Pflichtteilsansprüchen konfrontiert, muss er diese aus einem Nachlassvermögen erfüllen, das dem ursprünglich errechneten Anspruch proportional nicht mehr entspricht, ohne jemals tatsächlich die Möglichkeit gehabt zu haben, das Risiko durch Veräußerung der Aktien abzuwenden. b) Subjektive Veräußerungshindernisse Der Möglichkeit die Aktien am Stichtag zu veräußern, können ferner Umstände entgegenstehen, die in der Person des Erben oder in seiner konkreten Situation begründet liegen. Diese können zahlreich und vielgestaltig sein. Es kommt etwa vor, dass der oder die Erben erst nach geraumer Zeit Kenntnis von dem Anfall der Erbschaft erlangen.19 Bei sehr bewegten Aktienkursen könnte es in Extremfällen schon ausreichen, dass der Erbe erst am Tag nach dem Stichtag von der Erbenstellung erfährt. In tatsächlicher Hinsicht ist außerdem zu bedenken, dass eine Sichtung des Nachlassvermögens innerhalb weniger Stunden noch am Stichtag regelmäßig aus praktischen Gründen nicht möglich sein wird. Auch moralische Vorstellungen und emotionales Befinden der Erben angesichts des Todes einer nahestehenden Person werden in der Regel dazu führen, dass eine Ermittlung der Vermögenswerte erst einige Zeit nach dem Stichtag stattfindet. Möglich ist auch, dass sich der Erbe zunächst das Ausschlagungsrecht vorbehalten möchte, bis er sich ein umfassendes Bild von Bestand und Umfang des Nachlasses gemacht hat. Eine Veräußerung der Aktien am Stichtag würde aber als schlüssiges Verhalten dazu führen, dass die Erbschaft als angenommen gilt,20 so dass sie schon aus rein taktischen Gründen nicht erfolgt. Ferner kann die zur Verfügung über Nachlassgegenstände notwendige Abstimmung innerhalb der Erbengemeinschaft fehlschlagen, so dass eine Veräußerung nicht in Frage kommt. Die Zustimmung einzelner Miterben muss in diesen Fällen im Klageweg unter Berufung auf die Mitwirkungspflicht aus § 2038 I BGB erzwungen werden. Bei der Veräußerung von Nachlassgegenständen wird dies nur gelingen, wenn sie zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung notwendig ist und darüber hinaus besondere Umstände zur Begründung der Mitwirkungspflicht vorliegen, wobei auf wirtschaftliche 17  Braga,

AcP 153 (1954), 144, 160. Ergebnis wohl auch Braga, AcP 153 (1954), 144, 163. 19  Braga, AcP 153 (1954), 144, 163 Fn. 35; Lange, Erbrecht, § 89 Rn. 88. 20  MüKo/Leipold, § 1943 Rn. 4 f. 18  Im



A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs bei Kursverlusten 49

Aspekte abgestellt wird.21 Darüber hinaus kann jeder Miterbe gemäß § 2042 BGB jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft fordern, sofern diese nicht nach §§ 2043 ff. aufgeschoben oder ausgeschlossen ist. c) Objektive Veräußerungshindernisse aa) Notwendiger Legitimationsnachweis gegenüber der depotführenden Bank Ein praktisch sehr relevantes Problem besteht darin, dass bei der Veräußerung von Nachlassgegenständen zum Nachweis der Legitimation des über sie Verfügenden im Rechtsverkehr Nachweise gefordert werden. Auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken enthalten Regelungen über zulässige Legitimationsnachweise für den Zugriff auf Konten und Depots des Erblassers. In der Vergangenheit wurde dort regelmäßig die Vorlage eines Erbscheins verlangt, was dazu führte, dass die Erben nur auf das im Nachlass enthaltene Aktiendepot zugreifen konnten, wenn sie dazu bevollmächtigt waren22 oder ihre Erbenstellung durch die Vorlage eines Erbscheins nachweisen konnten. Zwar war in den AGB vorgesehen, dass die Bank auf die Vorlage eines Erbscheins verzichten konnte, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift von Testament oder Erbvertrag sowie die Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt wurde. Dies war allerdings in den AGB nicht an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Umstritten war daher, ob die depotführenden Banken dazu berechtigt waren, trotz Vorhandenseins eines öffentlichen Testaments nebst Eröffnungsprotokoll auf der Vorlage eines Erbscheins zu bestehen. Dagegen schien zunächst das Urteil des BGH vom 7. Juni 2005 zu sprechen, worin er eine Pflicht des Erben, zum Nachweis seines Erbrechts einen Erbschein vorzulegen, ablehnte. Vielmehr sei es ausreichend, wenn ein eröffnetes notarielles Testament vorgelegt werden könne, da keine gesetzliche Grundlage für ein korrespondierendes Leistungsverweigerungsrecht der Bank bestehe.23 Dem Urteil lag jedoch ein atypischer Sachverhalt zugrunde, in dem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden waren.24 In der Literatur wurde das Bestehen auf der Vorlage eines Erbscheins verbreitet dann als unzulässig angesehen, wenn der Erbe ein eröffnetes notarielles Testament vorlegen konnte und keine 21  BGH

NJW 2006, 439, 440. ZFE 2006, 115. 23  BGH NJW 2005, 2779. 24  So auch Bunte, B. Rn. 100. 22  Bartsch,

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

Unsicherheiten bezüglich der Erbfolge ersichtlich waren.25 Dagegen ist allerdings einzuwenden, dass nur die Vorlage eines Erbscheins die Banken vollständig absichert, da nur durch sie der öffentliche Glaube der §§ 2366, 2367 BGB begründet wird.26 Es stellt demnach für die Bank regelmäßig die sicherste Variante dar, die Vorlage des Erbscheins zu fordern. Dies beruht auch darauf, dass bei der Eröffnung eines Testaments keine Wirksamkeitsprüfung wie im Erbscheinsverfahren27 erfolgt, so dass ein eröffnetes Testament durch das Auftauchen einer weiteren letztwilligen Verfügung später in Frage gestellt werden kann. Die Forderung der Vorlage eines Erbscheins sollte demnach nach einer Ansicht nur dann gerechtfertigt sein, wenn offensichtliche Unklarheiten bezüglich der Erbenstellung bestanden.28 Das wurde dann bejaht, wenn das schutzwürdige Interesse der Bank an dem Legitimationsnachweis gegenüber dem Interesse des Erben an dem sofortigen Zugriff auf das Depot deutlich überwog.29 Insbesondere bei drohendem Kursverfall wurde in der Literatur die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die Bank dem Erben den Zugriff auf das Wertpapierdepot auch ohne Vorlage eines Erbscheins erlauben musste.30 In diesem Zusammenhang stellt sich allerdigs die Frage, ab wann dies anzunehmen ist. Vor allem ist problematisch, dass drohende Kursverluste häufig gar nicht voraussehbar sind. Mit Urteil vom 8. Oktober 201331 hat der BGH entschieden, dass entsprechende AGB-Bestimmungen einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB nicht standhalten. Zwar habe die Bank ein Interesse daran, durch Leistung an den Erben gemäß §§ 2366, 2367 BGB von ihrer Leistungspflicht befreit zu werden. Dieses erachtete der BGH allerdings nicht als schutzwürdig. Vielmehr seien die Interessen des Erben an einer zügigen und möglichst kostengünstigen Nachlassabwicklung vorrangig.32 Auch die vorgesehene Möglichkeit der Bank, auf die Vorlage des Erbscheins zu verzichten, ändere daran nichts, da sie durch die AGB-Bestimmung an keinerlei Voraussetzungen gebunden sei und es allein in ihrem Ermessen stehe, ob im Einzelfall verzichtet werde oder nicht.33 25  LG Lüneburg ZEV 2009, 303, 304 mit zustimmender Anmerkung Gahle; Starke, NJW 2005, 3184; Keim, WM 2006, 753; Zimmermann, Rn. 20. 26  Schimansky/Bunte/Lwowski/Bunte, § 10 Rn. 14, 28 f. 27  Vgl. Bumiller/Harders, FamFG, § 348 Rn. 6. 28  Zimmermann, Rn. 20. 29  Hüffer/van Look, Aktuelle Rechtsfragen zum Bankkonto, Rn. 232. 30  Bartsch, ZFE 2006, 115; Keim, WM 2006, 753, 758. 31  BGH NJW 2013, 3716. 32  BGH NJW 2013, 3716, 3719. 33  BGH NJW 2013, 3716, 3717.



A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs bei Kursverlusten 51

In Folge der BGH-Entscheidung haben die Banken ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen angepasst, so dass nunmehr die Vorlage einer Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift eines eröffneten Testaments oder Erbvertrages als Legitimationsnachweis genügt.34 Die Problematik des Legitimationsnachweises für den Zugriff auf Aktiendepots bleibt jedoch im Kern bestehen. Geht es um die tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit am Stichtag, hat auch die Testamentseröffnung noch nicht stattgefunden, da auch dieser ein auf Antrag eingeleitetes Verfahren vorausgeht, das seinerseits einige Zeit in Anspruch nimmt.35 Festzuhalten bleibt daher, dass zur Veräußerung börsennotierter Aktien über die zwangsläufig zwischengeschalteten Banken regelmäßig ein Legitimationsnachweis notwendig ist, dessen Erlangung ein entsprechendes Verfahren voraussetzt und daher einige Zeit in Anspruch nimmt. Daraus folgt wiederum, dass eine Veräußerung am Stichtag in der Regel nicht möglich ist. bb) Anordnung der Testamentsvollstreckung Hat der Erblasser eine Testamentsvollstreckung für den gesamten Nachlass oder einzelne Nachlassgegenstände angeordnet, führt dies dazu, dass der Erbe nicht über das davon betroffene Vermögen verfügen kann, § 2211 I BGB. Die Verfügungsbefugnis steht dann gemäß § 2205 I BGB dem Testamentsvollstrecker zu, was diesen dazu berechtigt, zum Nachlass gehörende Aktien auch ohne die Zustimmung des Erben zu veräußern.36 Die Verfügungsbefugnis tritt mit der Annahme des Amtes gemäß § 2202 I BGB ein, die gemäß § 2202 II 2 Hs. 1 BGB erst nach dem Eintritt des Erbfalls erfolgen kann, so dass zwischen dem Stichtag und der Erklärung des Testamentsvollstreckers gegenüber dem Nachlassgericht Zeit verstreicht. Vorher getätigte Rechtsgeschäfte sind grundsätzlich unwirksam.37 Während dieses Zeitraums ist der Nachlass somit handlungsunfähig,38 da vor Beginn der Testamentsvollstreckung weder der Erbe39 noch der (zukünftige) Testamentsvollstrecker über die betroffenen Nachlassgegenstände verfügen kann. Ferner benötigt auch der Testamentsvollstrecker einen Legitimationsnachweis gegenüber der depotführenden Bank. Früher wurde hier von den Banken regelmäßig die Vorlage eines Testamentsvollstreckerzeugnisses gefor34  Vgl.

Nr. 5 der AGB-Banken vom 1.2.2014. § 20 Rn. 5; Siegmann, INF 1997, 178. 36  Frank, ZEV 2002, 394; Nieder/Kössinger, Rn. 145. 37  BeckOK/Mayer, § 2202 Rn. 13; zur Frage, ob mit Annahme des Testamentsvollstreckeramtes rückwirkend Wirksamkeit eintritt s. die Nachweise dort. 38  MüKo/Zimmermann, § 2202 Rn. 1. 39  MüKo/Zimmermann, § 2202 Rn. 4. 35  MAH-ErbR/Lorz,

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

dert, das auf Antrag vom Nachlassgericht ausgestellt wird.40 Nach der oben erwähnten Entscheidung des BGH und der dadurch bedingten Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken genügt nunmehr auch in diesem Zusammenhang die Vorlage einer Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift eines eröffneten Testaments oder Erbvertrages, aus der die Testamentsvollstreckerstellung hervorgeht. Unterliegen die börsennotierten Aktien einer Testamentsvollstreckung, ergeben sich hinsichtlich der Möglichkeit, die Aktien am Stichtag zu veräußern, ähnliche Probleme, wie ohne sie: Der Erbe ist nicht zur Verfügung berechtigt, während der Testamentsvollstrecker erst nach Annahme des Amtes und Eröffnung des Testaments tatsächlich verfügen kann.41 Fallen die Kurse der Aktien zu einem Zeitpunkt, zu dem der Testamentsvollstrecker bereits zu ihrer Veräußerung in der Lage ist, könnte man sich die Frage stellen, ob eine schnellstmögliche Veräußerung der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung entspricht und der Erbe – wird sie unterlassen – Schadensersatzansprüche gemäß § 2219 I BGB gegen den Testamentsvollstrecker geltend machen kann. Dann würden dem Erben durch die gegenüber dem Nachlasswert hohen Pflichtteilsansprüche im Ergebnis keine oder geringere wirtschaftliche Nachteile entstehen. Der Testamentsvollstrecker muss die Substanz des Nachlasses erhalten, sie nutzbar machen und Gewinn erzielen.42 In Rechtsprechung und Literatur wird ihm bei der Anlage von Nachlassvermögen ein weiter Spielraum zugestanden.43 Anders als der Vormund ist er nicht zur mündelsicheren Anlage44 oder generell dazu verpflichtet, das Vermögen möglichst sicher anzulegen45. Er darf Anlageentscheidungen vielmehr nach eigenem Ermessen treffen und dabei in gewissen Grenzen auch auf spekulative Anlageformen zurückgreifen.46 So hat der Testamentsvollstrecker zwar den Nachlass zu sichern und damit drohende Verluste abzuwenden, gleichzeitig muss er jedoch gemäß dem Leitbild eines „zwar umsichtigen und soliden, aber ‚dynamischen‘ Geschäftsführers“47 agieren. Eine Verpflichtung zum Verkauf von Aktien wird in der Literatur nur dann anerkannt, wenn dadurch von günstigen Aktienbezugsrechten Gebrauch gemacht werden kann.48 Eine Pflicht des auch Kemmerling/Delp, BB 2002, 655, 656. auch Werkmüller, ZEV 2000, 305, 307. 42  Coing, FS-Kaufmann (1972), S. 127, 132 f. 43  Vgl. nur Bengel/Reimann, Kap. 5 Rn. 555. 44  Bengel/Reimann, Kap. 5 Rn. 552. 45  BGH NJW 1987, 1070, 1071. 46  BGH NJW 1987, 1070, 1071; NK-BGB/Weidlich, § 2216 Rn. 6. 47  BGH NJW 1987, 1070, 1071. 48  Bengel/Reimann, Kap. 5 Rn. 572; NK-BGB/Weidlich, § 2216 Rn. 7. 40  Dazu 41  s.



A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs bei Kursverlusten 53

Testamentsvollstreckers, den Nachlass ohne entsprechende Indikation durch die schnellstmögliche Veräußerung börsennotierter Aktien vor Kursverlusten zu bewahren, kann der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Verwaltung hingegen nicht entnommen werden. Die Beurteilung, ob der Testamentsvollstrecker korrekt gehandelt hat, muss im Wege einer ex-ante-Betrachtung vorgenommen werden,49 so dass die mangelnde Vorhersehbarkeit von Kursverlusten auch in diesem Zusammenhang problematisch ist. Eine Abmilderung der negativen Folgen für den Erben durch Ersatzansprüche gegenüber dem Testamentsvollstrecker ist demnach ausgeschlossen. Die Situation bei Anordnung einer Testamentsvollstreckung stellt sich folglich im Wesentlichen ebenso dar wie ohne sie, wobei die Problematik der mangelnden tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit lediglich auf den für den Erben handelnden Testamentsvollstrecker verlagert wird. Zu bedenken ist zudem, dass selbst dann, wenn der Testamentsvollstrecker am Stichtag zur Veräußerung in der Lage wäre, keine Möglichkeit des Erben bestünde, das Risiko zu beherrschen. Er müsste sich vielmehr darauf verlassen, dass der Testamentsvollstrecker dies tut. d) Zwischenergebnis Es bleibt festzuhalten, dass der Veräußerung börsennotierter Aktien am Stichtag durch den Erben tatsächliche Hindernisse entgegenstehen können, die er nicht ausräumen kann. Er wird demnach häufig nicht dazu in der Lage sein, sich des Risikos von Wertschwankungen börsennotierter Aktien auf diese Weise zu entledigen. Zu untersuchen ist daher im Folgenden, welche Möglichkeiten bestehen, auf nach dem Stichtag eingetretene Kursverluste zu reagieren und die sich daraus ergebenden finanziellen Folgen im Zusammenhang mit Pflichtteilsansprüchen abzuwenden. Infrage kommen dabei die Ausschlagung der Erbschaft oder die Stundung des Pflichtteilsanspruchs. 2. Ausschlagung der Erbschaft Der Erbe hat grundsätzlich die Möglichkeit, von seinem Recht aus § 1942 I BGB Gebrauch zu machen und die Erbschaft auszuschlagen.50 Die Frist zur Ausschlagung beträgt in der Regel sechs Wochen und beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Erbe von dem Anfall der Erbschaft und dem Grund seiner Berufung als Erbe Kenntnis erlangt, § 1944 BGB. Ist der Erbe 49  Farkas-Richling, 50  Joachim,

ZEV 2007, 310; Erman/M. Schmidt, § 2216 Rn. 3. ZEV 2005, 99.

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

durch Verfügung von Todes wegen berufen, beginnt die Frist nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht. Nur wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland hatte oder sich der Erbe bei Fristbeginn im Ausland aufhält, sieht § 1944 III BGB eine längere Frist von sechs Monaten vor. Erfolgt die Ausschlagung fristgerecht, entfaltet sie Rückwirkung, so dass die Erbschaft gemäß § 1953 I BGB als dem Ausschlagenden nicht angefallen gilt. Gerade bei komplizierten Nachlässen ist es für den Erben häufig schwer, innerhalb der kurzen Regelausschlagungsfrist die in dem Nachlass enthaltenen Aktiva und Passiva vollständig zu übersehen.51 Auch besteht die Möglichkeit, dass die Börsenkurse erst dann fallen, wenn die Ausschlagungsfrist bereits abgelaufen ist. Vor allem aber stellt die Ausschlagung die ultima ratio dar. Der Erbe entgeht durch sie zwar der Haftung für die Pflichtteilsansprüche. Die Ausschlagung bedeutet aber auch, dass er nicht Eigentümer der Nachlassgegenstände, wie zum Beispiel persönlicher Gegenstände des Erblassers oder von Familienerbstücken wird. In vielen Fällen wird dieses Ergebnis nicht gewünscht sein. Unabhängig vom Fristablauf entfällt das Ausschlagungsrecht ferner schon dann, wenn der Erbe die Erbschaft ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten angenommen hat, § 1943 Hs. 1 BGB. Dies kann dann relevant werden, wenn die Börsenkurse zwar innerhalb der Ausschlagungsfrist fallen, der Erbe die Erbschaft durch schlüssiges Verhalten jedoch bereits angenommen hat. Die konkludente Annahme erfordert ein nach außen erkennbares Verhalten, das nach objektiver Betrachtung unter Würdigung der konkreten Einzelfallumstände darauf schließen lässt, dass der Erbe die Erbschaft endgültig behalten möchte,52 wobei jedoch kein tatsächlicher Annahmewille des Erben vorliegen muss53. So kann eine konkludente Annahme der Erbschaft zum Beispiel durch die Veräußerung eines Nachlassgegenstandes, aber auch bereits durch die bloße Abgabe von Verkaufsangeboten erfolgen.54 3. Stundung des Pflichtteilsanspruchs gemäß § 2331a BGB Gemäß § 2331a I 1 BGB kann der Erbe die Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs wegen der Art der Nachlassgegenstände für ihn eine unbillige Härte bedeuten würde. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn er anderenfalls zur Veräußerung des Familienheims oder eines Vermögensgegenstandes gezwungen würde, 51  Joachim,

ZEV 2005, 99. Erbrecht, Rn. 2913; ähnlich MüKo/Leipold, § 1943 Rn. 4. 53  BayObLG FamRZ 1983, 1061, 1063; 1999, 1172, 1173. 54  Muscheler, Erbrecht, Rn. 2915 m. w. N. 52  Muscheler,



A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs bei Kursverlusten 55

der für ihn und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Durch die Stundungsmöglichkeit soll die Zerschlagung des Nachlasses und seiner Vermögenswerte verhindert werden.55 Die praktische Bedeutung des § 2331a BGB war in der Vergangenheit gering, was vor allem auf seinen beschränkten persönlichen Anwendungsbereich und seine selbst im Vergleich zu der Stundungsvorschrift des Zugewinnausgleichsrechts (§ 1382 BGB) hohen Anforderungen zurückgeführt wird.56 Mit dem Gesetz zur Reform des Erb- und Verjährungsrechts wurde der Anwendungsbereich der Vorschrift dahingehend erweitert, dass nunmehr jeder Erbe, unabhängig von seiner eigenen Pflichtteilsberechtigung, die Stundung verlangen kann. Voraussetzung ist, dass es für den Erben eine „unbillige Härte“ darstellt, den Pflichtteilsanspruch sofort und vollständig begleichen zu müssen, wobei jedoch die Interessen des Pflichtteilsberechtigten angemessene Berücksichtigung finden müssen.57 a) „Unbillige Härte“ für den Erben Nach alter Rechtslage musste die sofortige Fälligkeit des Anspruchs den Erben „ungewöhnlich hart treffen“; nach neuer Rechtslage genügt eine „unbillige Härte“.58 Die Änderung sollte die hohen Anforderungen für die Stundung herabsetzen und damit die praktische Anwendbarkeit der Vorschrift erhöhen.59 Der genaue Grad der Unterscheidung bleibt jedoch unklar, da insbesondere die im Gesetz aufgeführten Beispiele keine Änderung erfahren haben.60 Jedenfalls reicht es nicht aus, dass die Pflicht zur sofortigen Zahlung für sich genommen für den Erben eine unbillige Härte darstellt, sondern sie muss aus der Art der Nachlassgegenstände folgen, die liquidiert werden müssten,61 wobei die Begleichung des Anspruchs ohne die Veräußerung der genannten Gegenstände nicht möglich sein darf.62 Der Erbe soll durch die Stundungsmöglichkeit nicht etwa generell davor 55  BeckOK/Mayer,

§ 2331a Rn. 1. § 2331a Rn. 2; Lange, DNotZ 2007, 84, 91; Otte, AcP 202 (2002), 317, 359 (unter Bezugnahme auf die „atypische und befremdliche“ Notwendigkeit der Anrufung des Gerichts durch den Schuldner). 57  BT-Drs. 16/8954, S.  21; MüKo/Lange, §  2331a Rn.  5; BeckOK/Mayer, § 2331a Rn. 5; Palandt/Weidlich, § 2331a Rn. 2 f. 58  Klinger/Mörtl, NJW-Spezial 2009, 503. 59  BT-Drs. 16/9854, S. 21. 60  BeckOK/Mayer, §  2331a Rn. 6; MüKo/Lange, § 2331a Rn. 6; Reich, FPR 2008, 555, 557. 61  Palandt/Weidlich, § 2331a Rn. 2; MüKo/Lange, § 2331a Rn. 7; BeckOK/Mayer, § 2331a Rn. 6; Reich, FPR 2008, 555, 558. 62  BeckOK/Mayer, § 2331a Rn. 6; Staudinger/Olshausen, § 2331a Rn. 15. 56  MüKo/Lange,

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

­ eschützt werden, zur Befriedigung der Pflichtteilsansprüche sein eigenes g Vermögen heranziehen, Kredite aufnehmen oder Vermögensgegenstände auch zu ungünstigen Konditionen beziehungsweise zur Unzeit veräußern zu müssen.63 Es soll lediglich der Gefahr „der Zerschlagung von Unternehmen oder dem Verlust des Eigenheims“ vorgebeugt werden,64 um Situationen zu vermeiden, die den Ausgleichspflichtigen in seiner wirtschaftlichen Existenz bedrohen.65 Ist absehbar, dass der Erbe auch durch den durch die Stundung erreichten Zeitaufschub nicht in die Lage versetzt würde, sich die finanziellen Mittel zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zu beschaffen, kommt eine Stundung hingegen nicht in Betracht.66 b) Interessenabwägung Steht fest, dass für den Erben eine unbillige Härte vorliegt, muss eine Abwägung gegen die Interessen des Pflichtteilsberechtigten an der sofortigen Auszahlung stattfinden. Diese ist notwendig, weil die Stundung einen Eingriff in dessen verfassungsrechtlich gewährleistete Rechtsposition darstellt.67 Die Stundung ist für den Pflichtteilsberechtigten jedenfalls dann unzumutbar, wenn der Erbe keine Sicherheit leisten kann.68 Das persön­ liche Verhalten des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erblasser oder sein Verhältnis zu ihm fließen hingegen nicht in die Abwägung ein,69 so dass etwa nicht berücksichtigt werden kann, zu wie viel Rücksichtnahme auf die Interessen des Erben der Pflichtteilsberechtigte tatsächlich bereit ist.70 Zu seinen Gunsten zu berücksichtigen sind sein Einkommen und sein Vermögen sowie gegebenenfalls bestehende Unterhaltspflichten.71 Im Rahmen der Interessenabwägung ist auch das Ergebnis möglich, dass lediglich eine teilweise Stundung oder Ratenzahlung gerechtfertigt ist.72

63  BT-Drs. 5/2370, S. 99; Palandt/Weidlich, § 2331a Rn. 1; MüKo/Lange, § 2331a Rn.  7 f.; Soergel/Dieckmann, § 2331a Rn. 7; Erman/Schlüter, § 2331a Rn. 4; BeckOK/ Mayer, § 2331a Rn. 7; Lange, DNotZ 2007, 84, 90; Reich, FPR 2008, 555, 557. 64  BT-Drs. 16/8954, S. 21. 65  Sachs, ZErb 2011, 156, 157. 66  Palandt/Weidlich, § 2331a Rn. 3. 67  BeckOK/Mayer, § 2331a Rn. 8. 68  BT-Drs. 16/8954, S. 21. 69  MüKo/Lange, § 2331a Rn. 10. 70  Lange, DNotZ 2007, 84, 91. 71  MüKo/Lange, § 2331a Rn. 11; BeckOK/Mayer, § 2331a Rn. 8. 72  BeckOK/Mayer, § 2331a Rn. 8.



A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs bei Kursverlusten 57

c) Stundung aufgrund fallender Börsenkurse nach dem Stichtag Nach ganz herrschender Meinung stellt ein niedriger und damit für den Erben ungünstiger Börsenkurs für sich allein genommen noch keinen Stundungsgrund dar,73 was angesichts der dargestellten Voraussetzungen nur folgerichtig ist. Vereinzelt wird vertreten, eine Ausnahme solle dann gemacht werden, wenn die Bewertung des Wertpapiers auf einem besonders hohen Kurs am Stichtag beruhte und später ein erheblicher Kursverfall zu verzeichnen sei.74 Kritik daran, dass die Vorschrift diesen Fall nicht umfasst,75 wurde bei der Neufassung des § 2331a BGB nicht berücksichtigt. Dies war sachgerecht, da nach der Konzeption der Vorschrift für derartige Ausnahmen kein Raum besteht. Vielmehr besitzt sie einen klaren Wortlaut, nach dem nicht auf Umstände außerhalb des Verlusts der dort genannten Vermögensgegenstände abgestellt werden kann. Die Aufnahme einer entsprechenden Änderung stünde somit im Widerspruch zu der Zielrichtung der Vorschrift und wäre systematisch verfehlt. Besteht der Nachlass zu einem Großteil aus börsengängigen, nach dem Stichtag im Kurs erheblich gesunkenen Aktien, ohne dass der Nachlass ein Familienheim oder einen Nachlassgegenstand enthält, auf dem die wirtschaftliche Existenz des Erben beruht, kommt eine Stundung mithin nicht in Betracht. Muss der Erbe jedoch die durch § 2331a BGB geschützten Vermögensgegenstände veräußern, weil die Börsenkurse nach dem Stichtag stark gesunken sind, ist § 2331a BGB anwendbar. Zu beachten ist, dass in diesem wie in jedem anderen Fall die Voraussetzungen der Anwendbarkeit insbesondere durch die angemessene Berücksichtigung der Interessen des Pflichtteilsberechtigten noch immer streng sind, so dass § 2331a BGB nach wie vor nur in eng umgrenzten Einzelfällen Anwendung finden wird. Für den hier untersuchten Fall selbst gewährt die Stundungsmöglichkeit damit keinen ausreichenden Schutz des Erben, den wirtschaftliche Härten auch unabhängig von Fami­ lienheim und Gefährung seiner Wirtschaftsgrundlage treffen können. Selbst wenn man die Anwendbarkeit der Vorschrift auf bloße Kursverluste bejahte, würde dies lediglich einen Zahlungsaufschub, nicht jedoch den Wegfall eines Teils der Verpflichtung bedeuten, so dass in vielen Fällen letzlich keine Abhilfe geschaffen würde.

73  BT-Drs. 5/2370, S. 99; Palandt/Weidlich, § 2331a Rn. 2; MüKo/Lange, § 2331a Rn. 7; Staudinger/Olshausen, §  2331a Rn.  16; BeckOK/Mayer, § 2331a Rn. 7; Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz/Tanck, § 14 Rn. 329; a.  A. Oechsler, AcP 200 (2000), 603, 617; Schlitt/Müller/Kasper, § 8 Rn. 68. 74  Soergel/Dieckmann, § 2331a Rn.7; Erman/Schlüter, § 2331a Rn. 4. 75  Muscheler, ZEV 2008, 105, 106.

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

4. Zwischenergebnis Gehören börsennotierte Aktien zum Nachlass, muss der Erbe rasch handeln, denn wie oben gezeigt, sind Aktienkurse von einer Vielzahl von Faktoren abhängig und können grundsätzlich jederzeit unerwartet steigen oder fallen. Je nachdem, wie variationsreich das Portfolio ist, können schon unabhängig von einer Krise am Finanzmarkt andere Gründe für einen erheblichen Wertverfall des Depots sorgen, der über Monate hinweg entstehen, sich aber auch schon innerhalb weniger Tage oder Stunden ereignen kann. Starke Wertschwankungen innerhalb kürzerer Zeiträume sind bei börsennotierten Aktien weder selten noch ungewöhnlich und in der Regel nicht kalkulierbar. Um sicherzugehen, dass die Schwankungen den Wert des Nachlasses nicht derart schmälern, dass er zu den auf den Stichtag berechneten Pflichtteilsansprüchen außer Verhältnis gerät, müsste der Erbe die Aktien demnach am Stichtag selbst veräußern, das heißt nach dem Tod des Erblassers so bald wie möglich Dispositionen treffen. Wie gezeigt gibt es jedoch verschiedendste Situationen, in denen eine Veräußerung der börsennotierten Aktien am Stichtag nicht stattfinden kann. Es ist daher in der Praxis in den wenigsten Fällen vorstellbar, dass der Veräußerung keines der erläuterten Hindernisse entgegensteht. Die tatsächliche Möglichkeit der Veräußerung der Aktien am Stichtag selbst ist damit in der weit überwiegenden Zahl der Fälle nicht gegeben. Die besondere Problematik im Hinblick auf nicht zu verhindernde Wertschwankungen des Nachlassvermögens ergibt sich aus dem Zusammenspiel dieses Umstands mit der extremen Volatilität börsennotierter Aktien, weswegen sie im Zusammenhang mit anderen Vermögensgegenständen weitaus seltener auftritt.76 Das daraus resultierende Risiko ist für den Erben nicht beherrschbar, was im Hinblick auf die Rechtfertigung der gesetzlichen Risikoverteilung Zweifel weckt, da das Stichtagsprinzip den Pflichtteilsberechtigten gerade vor (nachteiligen) Verfügungen des Erben schützen soll. Für den Erben kann das Stichtagsprinzip demnach bei Vorhandensein von Wertschwankungen unterliegenden Nachlassgegenständen zu erheblichen Härten führen,77 denn auch vor dem Stichtag hat er in der Regel keine Möglichkeit, das entstehende Risiko zu mindern: Weder kann er grundsätzlich auf das Anlageverhalten des Erblassers, noch auf das Datum des Stichtags Einfluss nehmen. Eine Stundung des Anspruchs kann in der Regel ebenfalls nicht helfen. Obwohl die Ausschlagung der Erbschaft eine Risikotragung und die damit verbundene Gefahr, das Eigenvermögen angreifen zu müssen, bannt, ist sie doch zu weitreichend um als Lösung des hier behandelten Problems gelten zu können, da der Erbe seine Erbenstellung komplett aufgibt. 76  So 77  So

auch Luttermann, ZIP 1999, 45. schon Strohal, S. 443 Fn. 2.



B. Alternativen zur Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag 59

III. Ausblick Angesichts dieser Situation ist zu fragen, wie sich die aus dieser Bewertung folgenden, für den Erben unabwendbaren Konsequenzen im Lichte des § 2311 BGB darstellen. Insbesondere muss dabei untersucht werden, ob es überhaupt sachgerecht ist, börsennotierte Aktien mit ihrem Kurswert am Stichtag zu bewerten. Zur Beantwortung dieser Frage ist eine Auslegung des § 2311 BGB im Hinblick auf zwei Aspekte notwendig: Zunächst ist zu untersuchen, ob der Wortlaut eine andere, ebenso geeignete Bewertungsmethode zulässt, deren Ergebnisse aber weniger zufällig und damit flexibler sind. Sodann muss der Bewertungszeitpunkt in den Blick genommen werden, wobei anhand der Auslegung des § 2311 BGB konkret festzustellen ist, ob das unter Heranziehung des Bewertungsgrundsatzes erzielte Ergebnis dessen Zielsetzung entspricht und ob de lege lata ein abweichender Bewertungszeitpunkt in Frage kommt.

B. Alternativen zur Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag I. Zulässigkeit abweichender Bewertungsmethoden nach § 2311 BGB Zunächst ist – unabhängig von dem Bewertungszeitpunkt – der Wertbegriff des § 2311 BGB daraufhin zu untersuchen, ob der Börenkurs für börsennotierte Aktien den einzig zulässigen Wertmesser darstellt. Ist dies nicht der Fall, sind andere Bewertungsmethoden heranzuziehen und auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen. Zunächst ist unbestreitbar, dass die Bewertung mit dem Börsenkurs gerade durch ihre Einfachheit und Klarheit im Bezug auf ihre Ergebnisse besticht. Das allein spricht jedoch noch nicht grundsätzlich dagegen, eine andere Bewertungsmethode für zulässig zu halten, ist diese Frage doch von der praktischen Geeignetheit der Methode zu unterscheiden, die für jede infrage kommende Bewertungsmethode individuell festzustellen ist. Insbesondere ist der Bewertungsgrundsatz für das Pflichtteilsrecht nicht gesetzlich geregelt. Der Wortlaut des § 2311 I BGB sagt lediglich aus, dass der Berechnung des Pflichtteils „Bestand und Wert“ zur Zeit des Erbfalls zugrundegelegt werden. Absatz 2 stellt klar, dass der Wert „soweit erforderlich“ durch Schätzung zu ermitteln sei. Auch die Motive lassen nicht erkennen, dass der Gesetzgeber die Bewertung börsennotierter Aktien mit ihrem Kurswert als zwingend und ausschließlich vorausgesetzt hätte. Dort wird die Schätzung des Wertes eines Nachlassgegenstandes als Grundsatz festgelegt, von dem nur dann Ausnahmen gemacht werden kön-

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

nen, wenn der Wert eines Vermögensgegenstandes zweifelsfrei feststellbar ist. Als Beispiele dafür werden Barvermögen oder sichere zweifellose Aktiva angeführt.78 Erst im übernächsten Satz wird auf Gegenstände eingegangen, die einen Kurswert haben. Es verstehe sich von selbst, dass dieser „in Betracht“ käme. Diese Formulierung lässt zwar erkennen, dass der Gesetzgeber die Bewertung börsennotierter Wertpapiere mit dem Börsenkurs als naheliegend und sachgerecht empfunden hat; sie schließt jedoch nicht zwingend aus, dass die Bewertung auch anders erfolgen könnte. Vielmehr impliziert die Feststellung, der Börsenkurs käme „in Betracht“ dass er nur eine – wenn auch wohl die nächstliegende – Möglichkeit der Bewertung darstellt. Die in den Motiven verwendete Formulierung legt daher den Schluss nahe, dass der Bewertungsgrundsatz für börsennotierte Aktien nicht nur bewusst nicht in den Gesetzestext aufgenommen wurde, sondern darüber hinaus auch nicht als absolut zwingend und damit als einzig in Frage kommender Wertmesser betrachtet wurde. Vielmehr ist die Schätzung des Wertes als Regelfall anzusehen, von der nur dann Ausnahmen gemacht werden dürfen, wenn der Wert eindeutig feststeht.79 Weder der Vorentwurf des Erbrechts des Redaktors von Schmitt noch die Protokolle über die Beratungen des Erbrechtsentwurfs thematisieren die Bewertung börsennotierter Wertpapiere, so dass auch aus der Dokumentation der Gesetzgebung in der Gesamtschau kein anderes Ergebnis folgt. Sehr wohl wird jedoch in § 2312 BGB für Landgüter mit dem Ertragswert ein von der Schätzung des Verkehrswertes abweichender Wert festgelegt. Die Auslegung des § 2311 BGB im Hinblick auf den Wertbegriff ergibt also, dass der Wert geschätzt werden muss, sofern kein verlässlicherer Wertmesser zur Verfügung steht. Die Bewertung mit dem Börsenkurs erfolgt deswegen, weil in ihm bereits eine Bewertung zum Ausdruck kommt, die eine Schätzung entbehrlich macht. Dies spricht jedoch nicht grundsätzlich dagegen, den Wert auf andere Weise festzustellen. Die Anwendung anderer Bewertungsmethoden ist demnach als zulässig anzusehen, sofern sie mit § 2311 BGB in Einklang steht. Daher kann eine Bewertungsmethode nur dann überzeugen, wenn durch sie auch der maßgebliche gemeine Wert oder Verkehrswert festgestellt werden kann. Zu berücksichtigen ist bei der Untersuchung anderer Bewertungsmethoden aber auch das häufig gegen die Bewertung mit einem anderen Wert vorgebrachte Argument, der Börsenkurs sei einfach festzustellen, so dass sein Ansatz zu einer schnellen, klaren und damit kostengünstigen Bewertung führe.80

78  Motive zum BGB (Erbrecht), S. 407; so sahen dies auch das Reichsgericht in JW 1910, 238 und Nirk, NJW 1963, 2185, 2188. 79  Nirk, NJW 1963, 2185, 2188. 80  So etwa Veith, NJW 1963, 1521.



B. Alternativen zur Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag 61

II. Infrage kommende Bewertungsmethoden Zunächst ist zu fragen, welche anderen Möglichkeiten infrage kommen, um börsennotierten Aktien einen stichtagsbezogenen Wert zuzuordnen. Dazu sind auch die in der Literatur gemachten Vorschläge zu berücksichtigen, durch die gänzlich von der Bewertung mit dem Börsenkurs abgewichen werden soll.81 Im Wesentlichen lassen sich drei verschiedene Ansätze herausarbeiten: Einerseits könnte auf den „wahren inneren Wert“ abgestellt werden (1.). Möglich wäre es aber auch, bei der Bewertung den tatsächlich erzielten Verkaufspreis zu berücksichtigen (2.) oder einen Durchschnittkurs zugrundezulegen (3.). 1. Bewertung mit dem „wahren inneren“ Wert Es erscheint zunächst naheliegend, börsennotierte Aktien mit dem Anteil am Betriebsvermögen, also dem Bruchteil des Unternehmenswertes, anzusetzen, den sie repräsentieren. Grundsätzlich widerspräche dies aber den zu § 2311 BGB entwickelten Grundsätzen, denn für die Bewertung eines Nachlassgegenstandes ist der ‚wirkliche‘ Wert maßgeblich, den er in der Hand eines jeden Erben gehabt hätte. Es wird daher zu Recht angenommen, dass dieser grundsätzlich dem Verkaufswert am Stichtag entspricht.82 Da die börsennotierte Aktie nur zu dem Preis erworben werden kann, der für sie zum Erwerbszeitpunkt notiert ist, kann genau der Anteil am Betriebsvermögen bei einer Veräußerung einer börsennotierten Aktie in der Regel nicht erzielt werden. Er entspricht demnach nicht dem Verkehrswert. Dies führt jedoch zu der Überlegung, ob börsennotierte Aktien einen sog. ‚wahren inneren Wert‘ besitzen, der anstelle des Börsenkurses am Stichtag als Wertmesser herangezogen werden könnte. Dabei handelt es sich um eine von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsfigur, über die ausnahmsweise von der Bewertung mit dem am Stichtag tatsächlich zu erzielenden Preis abgewichen werden kann. Es ist zu untersuchen, ob diese Konstruktion auf börsennotierte Aktien übertragbar ist. Die Rechtsprechung bedient sich des sog. „wahren inneren Wertes“ immer dann, wenn eine „Marktanomalie mit Ausnahmecharakter“83 vorliegt, denn dann kann es vorkommen, dass der am Stichtag erzielbare Kaufpreis 81  Coing, A 49 (de lege ferenda); Ott-Eulberg/Schebesta/Bartsch, § 3 Rn. 221; RGRK/Johannsen, § 2311 Rn. 22; Klingelhöffer, Rn.  404 ff.; Nirk, NJW 1962, 2185; Schröder/Bergschneider, Rn. 4.355; Hoppenz, FamRZ 2010, 16; Schwab, FamRZ 2009, 1445; Piltz, S. 226; MüKo-AktG/Heider, § 6 Rn. 11 f. 82  s. nur BGH NJW 1954, 1037. 83  NK-BGB/Bock, § 2311 Rn. 26.

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

für einen Nachlassgegenstand höher oder niedriger ausfällt, als dies bei normalen Marktverhältnissen der Fall gewesen wäre. Dieses Vorgehen wurde jedoch bislang ausschließlich dann gebilligt, wenn aufgrund völlig atypischer Marktverhältnisse eine Preisbildung nach den herkömmlichen Verhältnissen überhaupt nicht möglich war. So hat der BGH verschiedentlich entsprechende Korrekturen bei der Bewertung von Nachlassgegenständen vorgenommen. Dies geschah jeweils im Rahmen der Bewertung von Grundstücken in drei verschiedenen Situationen: 1954 hatte der BGH einen Fall zu entscheiden, bei dem der Bewertungsstichtag für ein bebautes Grundstück in einen Zeitraum fiel, zu dem sog. Stopppreise gegolten hatten. Diese beruhten auf dem Gesetz zur Durchführung des Vierteljahreplanes vom 29. Oktober 193684 sowie der darauf basierenden Verordnung über das Verbot von Preiserhöhungen vom 26. November 193685 und entstanden dadurch, dass rückwirkend zum 18. Oktober 1936 Preiserhöhungen für Güter und Leistungen jeder Art verboten wurden. Grund für diese Maßnahme war der Vierteljahresplan des nationalsozialistischen Regimes, der die Aufrüstung und die Vorbereitung der deutschen Wirtschaft auf den Krieg begünstigen sollte.86 Die Regelung führte dazu, dass sich die Preise nicht nach den gewöhnlichen Marktverhältnissen entwickeln konnten und bei einer Veräußerung entweder ein niedrigerer Preis als unter normalen Umständen erzielt worden wäre, oder aber gänzlich von einer Veräußerung abgesehen wurde.87 Wäre das Grundstück demnach am Stichtag veräußert worden, hätte kein Preis dafür erzielt werden können, der über dem Stopppreis lag. Der BGH hatte zu entscheiden, mit welchem Wert das Grundstück bei der Berechnung des Pflichtteils anzusetzen war und stellte nicht auf den tatsächlichen erzielbaren Preis am Stichtag sondern auf einen höheren „wahren inneren Wert“ ab. Dabei stellte er klar, dass die Wertminderung der Gegenstände aufgrund dieser besonderen Verhältnisse umso größer sei, je geringer die Wahrscheinlichkeit ihres baldigen Wegfalls sei.88 Im Jahre 1965 ging es um einen Erbfall, der am 10. März 1959 eingetreten war. Zu dieser Zeit war bereits ein erheblicher, atypischer Verfall der Berliner Grundstückspreise zu verzeichnen gewesen, der auf dem sog. Chruschtschow-Ultimatum vom 27. November 1958 beruhte. Der sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow hatte die Entmilitarisierung West84  RGBl.

I S. 927. I S. 955. 86  Dreier, in: Gosewinkel, Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktatur, S. 39, 68 f. 87  BGHZ 13, 45, 47. 88  BGHZ 13, 45, 47. 85  RGBl.



B. Alternativen zur Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag 63

Berlins bis zum Mai 1959 gefordert und sich darauf berufen, die USA, Frankreich und Großbritannien hätten das Potsdamer Abkommen verletzt. Infolge dieser Verschärfung des Kalten Krieges fielen die Berliner Grundstückspreise stark. Sieben Jahre später entschied der BGH, die besonderen politischen Ereignisse, die zu diesen Preisabstürzen geführt hatten, könnten zugunsten des inneren Wertes dann als nur vorübergehend bei der Bewertung außer Acht gelassen werden, wenn „die Auswirkungen der die Preise beeinflussenden Umstände bei nüchterner Beurteilung der Lage auf dem Grundstücksmarkt bereits im Zeitpunkt des Erbfalls als nur vorübergehend erkennbar waren.“89 Dies sei dann der Fall, wenn bei „vernünftiger, nüchterner Betrachtung für einen durchschnittlichen besonnenen Beurteiler der Wegfall der Preisbeeinflussung erkennbar war“.90 Ob dies für das Chruscht­ schow-Ultimatum der Fall war, ließ der BGH offen und verwies den Fall zurück an das Kammergericht Berlin. 1991 hatte der BGH einen Fall zu entscheiden, in dem die beiden Vorinstanzen ein verkauftes Grundstück mit seinem „wahren inneren Wert“ angesetzt hatten, der unter dem tatsächlich erzielten Verkaufspreis lag. Dies wurde auf den Umstand gestützt, dass eine Flughafenbaugesellschaft dringend auf den Erwerb des Landes angewiesen und daher auch bereit gewesen war, einen über dem tatsächlichen Wert liegenden Preis dafür zu bezahlen, was als außergewöhnlicher Umstand gewertet wurde, der die Bewertung nicht beeinflussen dürfe. Der BGH folgte dieser Ansicht nicht. Vielmehr stellte er fest, dass der tatsächliche Erlös hätte berücksichtigt werden müssen, da die besonderen Verhältnisse nicht außergewöhnlich genug gewesen seien, um eine Marktanomalie anzunehmen.91 Diese drei Entscheidungen zeigen, dass die Rechtsprechung davon ausgeht, der Verkaufspreis spiegele immer dann nicht den eigentlich zu erforschenden „wahren inneren Wert“ wider, wenn am Stichtag außergewöhnliche Verhältnisse herrschen.92 Sie nimmt also an, dass eine Korrektur des Verkehrswertes am Stichtag immer dann angezeigt ist, wenn aufgrund einschneidender Ereignisse keine normale Preisbildung am Markt möglich war.93 Diese Rechtsprechung wird von Teilen der Literatur sehr kritisch betrachtet, da sie Unklarheiten bezüglich der Modalitäten der Bewertung schaffe.94 Ferner stehe sie im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass der Pflichtteilsberechtigte so gestellt werden müsse, als sei er mit seinem halben 89  BGH

NJW 1965, 1589. NJW 1965, 1589, 1590. 91  BGH NJW-RR 1991, 900, 901. 92  BGH NJW 1965, 1589, 1590. 93  Dazu: Staudinger/Herzog, § 2311 Rn. 89. 94  Staudinger/Herzog, § 2311 Rn. 89. 90  BGH

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

gesetzlichen Erbteil am Nachlass beteiligt, da er auch dann nur einen dem Verkaufspreis entsprechenden Gegenwert erhalten hätte.95 In anderen Teilen der Literatur wird dagegen erwogen, diese Grundsätze auch für den Fall börsennotierter Aktien nutzbar zu machen.96 So könnte eine Bewertung dann nicht mit dem Börsenkurs am Stichtag erfolgen, wenn – entsprechend der Rechtsprechung des BGH zu Grundstücken – am Markt keine freie Preisbildung stattfinden und ein objektiver Beobachter diese außergewöhnlichen Marktverhältnisse bereits am Bewertungsstichtag als vorübergehend erkennen konnte. Dafür könnte sprechen, dass selbst in der höchstrichter­ lichen Rechtsprechung anerkannt ist, dass der wahre Wert einer Unternehmensbeteiligung bei deren Börsennotation in dem Kurswert häufig keinen Ausdruck findet.97 Bei näherer Betrachtung stellt sich dieser Ansatz jedoch als problematisch heraus. Angesichts der Tatsache, dass Börsenkurse naturgemäß erheblich schwanken können,98 wäre es schon schwer überhaupt festzulegen, wann die Verhältnisse noch „normal“ sind und ab wann eine Ausnahmesituation eingetreten ist. Es müsste daher definiert werden, ab wann ein Kurssturz als außergewöhnlich gilt, was sich gerade bei unruhigen Verhältnissen wie etwa im Rahmen der Währungskrise schwierig gestaltet. Ferner müsste nach der Rechtsprechung des BGH auch absehbar sein, dass sich die Kurse in Bälde wieder erholen werden. Im Rahmen einer Wirtschaftskrise oder eines kurzfristigen Kurssturzes eines einzelnen börsennotierten Unternehmens ist dies ebenfalls schwer vorstellbar. Der Börsenkurs einer Aktie beruht auf derart vielen verschiedenen Faktoren, dass es selbst für Spezialisten schwer sein kann, eine Prognose zu treffen. Und selbst wenn diese dazu in der Lage wären, hat der BGH doch eindeutig festgestellt, dass bei der Voraussehbarkeit auf eine verobjektivierte Betrachtung abzustellen ist und es daher nicht ausreicht, wenn eingehend mit der Materie befasste Experten am Stichtag von einer baldigen Normalisierung der Verhältnisse ausgehen.99 Unter die Definition einer Marktanomalie mit Ausnahmecharakter könnte allenfalls ein Ereignis wie der 11. September 2001 subsumiert werden, an dem die New Yorker Börse aufgrund der Terroranschläge auf das World Trade Center früher als sonst geschlossen wurde und die Stunden dauernde Unsicherheit über Grund und Urheber der Anschläge die Kurse weltweit zum Absturz brachten. Dass ein vergleichbares Ereignis zu einem extremen Ansteigen der Kurse führen könnte, ist je95  Klingelhöffer,

Rn. 330.

96  Ott-Eulberg/Schebesta/Bartsch,

§ 3 Rn. 221; Meincke, S. 215; Nirk, NJW 1962, 2185, 2187; Sudhoff/Scherer, § 17 Rn. 17 (Fn. 37); eingeschränkt auch Klingelhöffer, Rn. 407. 97  BGH NJW 1967, 1464; Groll/Rösler, C VI, Rn. 114. 98  Schlichting, ZEV 2006, 197. 99  BGH NJW 1954, 1589, 1590.



B. Alternativen zur Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag 65

doch nur schwer denkbar. Auch ein hoheitlicher Eingriff in den Börsenmarkt könnte ein Abweichen von dem notierten Kurs rechtfertigen. So ordnete das nationalsozialistische Regime 1942 einen Kursstopp an, der die Gesetze des Marktes für die Wertbildung völlig außer Kraft setzte.100 In einem demokratischen Staat ist eine solche Situation jedoch kaum vorstellbar. Die Annahme einer solchen Marktanomalie wäre allenfalls dann vorstellbar, wenn der Erbe aufgrund einer erheblichen Marktenge lange Zeit überhaupt nicht in der Lage gewesen ist, die Aktien zu verkaufen.101 Selbst wenn man demnach – entgegen der ausdrücklich geäußerten Ansicht des BGH102 – die Feststellung des „wahren inneren Wertes“ nicht nur zugunsten, sondern vielmehr auch zulasten des Pflichtteilsberechtigten zuließe, stellte sich das Problem der Festlegung der Bestimmung des „wahren inneren Wertes“ einer börsennotierten Aktie. Dass dieser ihrem Anteil am Unternehmenswert entspricht, ist aus den oben angeführten Gründen schon fraglich. Darüber hinaus ist die Bewertung einer Unternehmensbeteiligung unabhängig von ihrem durch den Börsenkurs bezifferten Verkehrswert sehr aufwändig, da zunächst der Wert des gesamten Unternehmens festgestellt und sodann auf den prozentualen Anteil der Beteiligung heruntergebrochen werden muss.103 Ferner stehen verschiedene Bewertungsmethoden zur Verfügung, deren Auswahl dem sachverständig beratenen Richter obliegt.104 Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass es sich bei im Nachlass enthaltenen Aktiendepots häufig um Portfolios mit Aktien vieler verschiedener Aktiengesellschaften handelt, wobei die prozentuale Beteiligung pro Unternehmen in der Regel gering sein wird, ist eine solche Vorgehensweise in erster Linie zu aufwändig und damit zu teuer.105 Um den wahren inneren Wert – unabhängig von den aktuellen Kurswerten – festzulegen, wäre daher ein Sachverständigengutachten erforderlich, wobei vergangene Kurswerte, Prognosen und die generelle wirtschaftliche Situation sowie insbesondere die Ertragskraft106 des ausgebenden Unternehmens berücksichtigt werden müssten. Die Erstellung eines derartigen Gutachtens würde aber viel Zeit in Anspruch nehmen und müsste, da die Wertfeststellung erst nach der Geltendmachung des Pflichtteils erfolgen würde, immer in Bezug auf in der Vergangenheit liegende Tatsachen erstellt werden. Es ist nur schwer vorstellbar, dass ein dazu Veith, NJW 1963, 1521, 1523. § 2311 Rn. 40; Lange/Kuchinke, § 37 VII 3 c). 102  BGH NJW 1987, 1260, 1262; NJW-RR 1991, 900, 901. 103  Müller/Rödder/Kohl, § 24 Rn. 4. 104  Vgl. dazu Klingelhöffer, Rn.  359 ff. 105  Ähnlich auch Kogel, FF 2009, 390, 391; zu den vielfältig auftretenden Problemen bei der Unternehmensbewertung z. B. auch Barthel, DStR 2010, 1198. 106  Müller/Rödder/Kohl, § 24 Rn. 2. 100  s.

101  BeckOK/Mayer,

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

solches Vorgehen in der Praxis zu praktikablen Lösungen führen würde.107 Problematisch ist auch die Frage, ob börsennotierte Aktien überhaupt einen von ihrem Börsenkurs abweichenden „wahren inneren Wert“ besitzen können, da die Preisbildung so sehr von Angebot und Nachfrage am Markt abhängt, dass eine isolierte Betrachtung schwerfällt.108 Auch kann der tatsächliche Wert höher sein, als der Kurswert am Stichtag, so dass eine derartige Bewertung für den Erben noch nachteiligere Folgen hätte, insbesondere da dieser Wert zu keinem Zeitpunkt tatsächlich erzielt werden kann. 2. Bewertung mit dem tatsächlich erzielten Verkaufspreis Von der Möglichkeit der Bewertung mit dem „wahren inneren Wert“ nicht ganz trennscharf abgegrenzt wird die Frage, ob es in Betracht käme, die börsennotierten Aktien mit dem tatsächlichen Verkaufserlös aus einer zeitnahen Veräußerung zu bewerten109. Von der Rechtsprechung zu § 2311 BGB wurde dies bereits für andere Vermögenswerte wie etwa für ein nach dem Erbfall von dem Erben weitergeführtes Unternehmen110 oder ein bereits veräußertes Grundstück111 befürwortet. Der BGH begründet seine Rechtsprechung damit, dass eine Rechtfertigung dafür fehle, „im erbrecht­ lichen Bewertungsrecht die (relativ) gesicherte Ebene tatsächlich erzielter Verkaufserlöse zu verlassen.“112 Es sei ferner kein Grund ersichtlich, weshalb der Pflichtteilsberechtigte von dem Vorteil ausgeschlossen werden solle, der dem Erben durch den höheren Kaufpreis tatsächlich zugefallen sei.113 Der Kaufpreis dürfe aber nicht die alleinige Grundlage der Bewertung bilden. Vielmehr sei auch die Preisentwicklung seit dem Stichtag zu berücksichtigen. Lag der Preis am Stichtag demnach erheblich unter dem tatsächlichen Verkaufspreis, sei ein entsprechender Abschlag zu machen.114 Wann eine Veräußerung als „zeitnah“ zu betrachten ist, wird davon abhängig gemacht, welche Art von Nachlassgegenständen betroffen ist.115 Bei Grundstücken wurde ein Zeitraum von bis zu fünf Jahren als zulässig angesehen, jedoch nicht als absolute Grenze deklariert.116 Für Aktien wird in der 107  Ebenso Veith, NJW 1963, 1521, 1525 und für das Familienrecht z. B. Kogel, FF 2009, 390, 391. 108  Veith, NJW 1963, 1521, 1522; a. A. Nirk, 1963, 2185, 2188. 109  Ott-Eulberg/Schebesta/Bartsch, § 3 Rn. 221. 110  BGH NJW 1982, 2497 (für einen Pflichtteilsergänzungsanspruch). 111  BGH NJW-RR 1993, 131. 112  BGH NJW-RR 1993, 131. 113  BGH NJW 1991, 900. 114  BGH NJW-RR 1993, 834. 115  Staudinger/Herzog, § 2311 Rn. 104. 116  BGH NJW-RR 1993, 131.



B. Alternativen zur Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag 67

Literatur ein Zeitraum von sechs Monaten vorgeschlagen.117 Hinsichtlich der Maßgeblichkeit bei der Bewertung soll unerheblich sein, ob der Veräußerungspreis über oder unter dem durch den Sachverständigen festgestellten Wert liegt.118 Eine Bewertung börsennotierter Aktien mit dem oder zumindest unter Berücksichtung des tatsächlich für sie an der Börse erzielten Preises hätte den Vorteil, dass der errechnete Pflichtteilsanspruch der Quote an dem vorhandenen Vermögens eher entspräche, weil ein tatsächlich realisierter Wert vorausgesetzt würde. Es ginge also nicht um Buchwerte, sondern um nunmehr tatsächlich vorhandenes Geld. Damit müsste der Erbe keinen Kurssturz fürchten, während dem Pflichtteilsberechtigten wiederum Wertsteigerungen zugute kämen, die zwischen dem Eintritt des Erbfalls und der tatsächlichen Veräußerung eintreten. Die Schwächen dieser Vorgehensweise liegen jedoch ebenfalls klar auf der Hand: Der Pflichtteilsberechtigte hat als bloßer Nachlassgläubiger keinen Einfluss darauf, ob, wann und wie die Vermögensgegenstände veräußert werden. Stellte man generell auf den tatsächlichen Zeitpunkt des Verkaufs ab, würde dem Erben die Möglichkeit eröffnet, die Veräußerung hinauszuzögern oder gar aus nicht billigenswerten Motiven eine Veräußerung zu einem geringen Preis herbeizuführen. Derartige Manipulationen sollen jedoch durch das Stichtagsprinzip gerade verhindert werden. Auch würde eine Bewertung mit dem Börsenkurs am tatsächlichen Verkaufstag zu Beweisschwierigkeiten und Streitigkeiten führen, wenn es etwa um die Frage geht, ob eine Veräußerung vernünftigerweise nicht schon vor oder umgekehrt erst nach deren tatsächlichem Zeitpunkt hätte erfolgen müssen. Dies stünde dem Ziel des Erbrechts des BGB entgegen, die Nachlassbewertung und -abwicklung nach dem Erbfall möglichst schnell und einfach zu gestalten. Gerade für börsennotierte Aktien, deren tatsächlicher Erlös zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Regel nicht vom Verhandlungsgeschick des Erben abhängt, böte die Berücksichtigung als Bewertungsmethode keine gangbare Alternative. 3. Bewertung mit einem durchschnittlichen Börsenkurs Denkbar wäre es ferner, zur angemessenen Berücksichtigung von Wertschwankungen einen Durchschnittswert über einen längeren Zeitraum hinweg zur Bewertungsgrundlage zu machen.119 Das hätte den Vorteil, dass die Bewertung nicht mehr für einen einzigen, letztlich willkürlichen Tag erfolgen würde und so ihren stichprobenartigen Charakter verlöre. Ein Vorbild 117  Ott-Eulberg/Schebesta/Bartsch,

§ 3 Rn. 221. ZEV 2011, 29. 119  So der Vorschlag von Klingelhöffer, Rn. 407. 118  BGH

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

findet diese Form der Bewertung im Aktienrecht. Dort kann es dann auf die Bewertung börsennotierter Aktien ankommen, wenn das Gesetz eine Ausgleichspflicht gegenüber einzelnen, „außenstehenden“ Aktionären vorsieht. Darunter werden Minderheitsaktionäre verstanden, die durch einen Ausgleich vor Nachteilen geschützt werden müssen, die ihnen etwa durch eine Konzernierungsmaßnahme entstehen, auf die sie keinen Einfluss hatten. Nach einem kurzen Überblick über die Bewertungssituation in diesen Fällen ist daher zu untersuchen, ob sich die dafür von der Rechtsprechung gefundene Lösung auf die Bewertung börsennotierter Aktien im Pflichtteilsrecht übertragen ließe. a) Abfindung für außenstehende Aktionäre im Aktienrecht aa) Anlass der Bewertung Ausgleichspflichten sind zunächst für den Fall vorgesehen, dass ein Unternehmen mit einem anderen Unternehmen einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag schließt. Gemäß § 291 I 1 AktG sind dies Verträge, durch die eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Ak­ tien die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellt (Beherrschungsvertrag) oder sich verpflichtet, ihren gesamten Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen (Gewinnabführungsvertrag). Den Aktionären dieses Unternehmens müssen gemäß § 304 I AktG die Nachteile ersetzt werden, die ihnen dadurch entstehen, dass die Gesellschaft, an der sie beteiligt sind, ihre gesellschaftsrechtliche Unabhängigkeit verliert. § 305 I AktG sieht schließlich vor, dass die Unternehmensverträge die Verpflichtung des herrschenden Unternehmens enthalten müssen, die Aktien dieser außenstehenden Aktionäre gegen eine angemessene, im Vertrag festgelegte Abfindung zu erwerben. Eine angemessene Abfindung für Aktien muss auch dann gewährt werden, wenn ein Unternehmen durch Mehrheitsbeschluss in einen Konzern eingegliedert wird. Gemäß § 320a I 1 AktG gehen mit der Eintragung der Eingliederung in das Handelsregister alle Aktien, die sich nicht ohnehin bereits in der Hand der Hauptgesellschaft befinden, auf diese über. Die dadurch ausgeschiedenen Aktionäre müssen nach § 320b AktG abgefunden werden. Auch wenn Minderheitsaktionäre aus einer Gesellschaft herausgedrängt werden (sog. squeeze-out), kann dies nur dann geschehen, wenn sie dafür eine angemessene Abfindung erhalten, § 327a I AktG.



B. Alternativen zur Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag 69

bb) Bewertungsziel Ziel der gesetzlichen Regelung ist es, den außenstehenden Aktionären eine angemessene Abfindung zu gewähren. Da die Aktien die Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs verbriefen, ist ihr Wert dafür maßgeblich. Dem Aktionär soll mit dem Abfindungsanspruch eine Rechtsposition eingeräumt werden, die als Ersatz für seine gesellschaftsrechtliche Stellung als Aktionär der Gesellschaft dient. Da er vor Vermögensverlusten geschützt werden soll, muss die Abfindungssumme dem Wert der Aktien möglichst genau entsprechen. Der Minderheitsaktionär darf nicht schlechter gestellt werden, als wenn er die Aktie freiwillig verkauft hätte. Bewertungsmaßstab ist damit auch in dieser Konstellation in erster Linie nicht der Börsenkurs selbst, sondern der Verkehrswert der Aktie. Es ist demnach im Zweifel der „wirkliche, wahre Wert“ der Beteiligung maßgeblich.120 Bis 1999 hatte die Berechnung der Abfindung stets auf Grundlage des „wahren Unternehmenswertes“ stattgefunden. In seinem Beschluss vom 27. April 1999121 stellte das Bundesverfassungsgericht jedoch fest, dass es mit Art. 14 I GG unvereinbar sei, bei der Bestimmung der Abfindung oder des Ausgleichs für außenstehende oder ausgeschiedene Aktionäre nach §§ 304, 305, 320b AktG den Börsenkurs der Aktien außer Betracht zu lassen. Dieser bilde grundsätzlich die Untergrenze der wirtschaftlich vollen Entschädigung aus Art. 14 I GG und damit der Bewertung.122 Allerdings gebe es auch verfassungsrechtlich unbedenkliche Gründe für eine Unterschreitung, die zum Beispiel möglich sei, wenn der Börsenkurs ausnahmsweise nicht den Verkehrswert der Aktien widerspiegelt, also wenn eine Veräußerung von Aktien an der Börse nicht möglich sei. Der BGH hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen.123 cc) Bewertungszeitpunkt In jeder der eingangs geschilderten Konstellationen müssen bei der Bezifferung der angemessenen Abfindung die „Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung über den Vertrag“ berücksichtigt werden. Die §§ 305 III 2, 320b I 5, 327b I 1 AktG werden in Literatur und Rechtsprechung als Stichtagsregelungen angesehen, weswegen spätere Entwicklungen grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt 120  Emmerich/Habersack/Emmerich, 121  BVerfG

NJW 1999, 3769. 122  BVerfG NJW 1999, 3769, 3771. 123  BGH NJW 2001, 2080.

§ 305 Rn. 37.

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

werden dürfen.124 Es ist anerkannt, dass die Bezugnahme auf die Verhältnisse am Tag des Hauptversammlungsbeschlusses nicht zwingend bedeutet, dass der Börsenkurs am Stichtag selbst maßgeblich ist.125 Die Zugrundelegung eines Durchschnittskurses wird im Aktienrecht daher allgemein für zulässig erachtet.126 Ursprünglich arbeitete der BGH mit einem Durchschnittskurs von drei Monaten vor dem Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung über den Vertrag, wobei aber außergewöhnliche Ausschläge einzelner Tage oder gar sprunghafte Entwicklungen außer Acht gelassen werden sollten.127 Diese Vorgehensweise wurde allerdings vehement kritisiert: Dieser Zeitraum sei nicht geeignet, da während seiner der Abschluss des Unternehmensvertrages bekannt werde; daraus ergäben sich Beeinflussungsmöglichkeiten für die eine oder andere Seite.128 So ist denkbar, dass der Börsenkurs während dieses Zeitraums herabgedrückt wird, um die Abfindungen niedrig zu halten. Dies könne nur verhindert werden, indem auf einen Dreimonatszeitraum vor Bekanntwerden des Abschlusses eines Unternehmensvertrags abgestellt werde.129 Der BGH hat daher seine Rechtsprechung geändert und sich der Literaturmeinung angeschlossen, so dass nunmehr der „einer angemessenen Abfindung zu Grunde zu legende Börsenwert der Aktie […] grundsätzlich auf Grund eines nach Umsatz gewichteten Durchschnittskurses innerhalb einer dreimonatigen Referenzperio­ de vor der Bekanntmachung einer Strukturmaßnahme zu ermitteln“130 ist. b) Übertragbarkeit auf das Pflichtteilsrecht Zu erwägen ist, ob es nach diesem Vorbild auch im Pflichtteilsrecht zulässig und sinnvoll wäre, einen Durchschnittskurs während eines Referenzzeitraums von drei Monaten vor dem Stichtag für die Bewertung anzusetzen. Zweifel ergeben sich allerdings bereits bei dem Vergleich des Wortlauts der pflichtteilsrechtlichen und der aktienrechtlichen Stichtagsvorschriften. Wäh124  Für § 305 III 2 AktG: MüKo-AktG/Paulsen, § 305 Rn. 145; Emmerich/Habersack/Emmerich, § 305 Rn. 56 m. w. N.; für § 320b I 5 AktG: OLG Düsseldorf, ZIP 2003, 1247; Wilm, NZG 2000, 1070, 1071; für § 327b I 1 AktG: Henssler/Strohn/ Wilsing, § 327b Rn. 4; Hüffer/Koch, § 327b Rn. 4. 125  BVerfG NZG 2007, 228, 229; BGH NJW 2010, 2657, 2658. 126  BVerfG NJW 1999, 3769, 3771 f; BGH NJW 2001, 2080. 127  BGH NJW 2001, 2080; diese Rechtsprechung wurde durch die 2. Kammer des Bundesverfassungsgerichts gebilligt, BVerfG NJW 2007, 828. 128  Vetter, DB 2001, 1347, 1348 f. 129  OLG Stuttgart AG 2007, 209, 211 f. m. w. N.; Hölters/Deilmann, § 305 Rn. 41 m. w. N. 130  BGH NJW 2010, 2657 (Leitsatz); zur Kritik in der Literatur bezüglich eines längeren Zeitraums näher Hölters/Deilmann, § 305 Rn. 42.



B. Alternativen zur Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag 71

rend zum Beispiel § 305 III 2 AktG konstatiert „die angemessene Barabfindung“ müsse „die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag berücksichtigen“, ist § 2311 I 1 BGB schärfer formuliert: „Der Berechnung des Pflichtteils wird der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrunde gelegt.“ Die Vorschrift spricht nicht lediglich von einer „Berücksichtigung“, sondern von einer „Zugrundelegung“, was grundsätzlich für eine strengere Handhabe des Stichtagsprinzips spricht. Unabhängig davon, ob § 2311 BGB überhaupt Ausnahmen zuließe – was erst später zu untersuchen ist131 –, wäre eine grundsätzliche Abweichung von einem bestimmten Bewertungszeitpunkt zugunsten einer dreimonatigen Bewertungsperiode zu weitgehend.132 Vor allem aber müsste diese nach Vorbild des Abfindungsrechts vor dem Stichtag erfolgen, was jedenfalls dem Wortlaut des § 2311 BGB „zur Zeit des Erbfalls“ widerspräche. Würde ein Zeitraum vor dem Stichtag für maßgeblich erachtet und fielen die Aktien erst danach, würde dies ferner das hier untersuchte Problem nicht lösen. Daran würde auch eine Verkürzung oder Verlängerung des Bewertungszeitraums gegenüber dem Aktienrecht nichts ändern. Eine Bewertung mit einem Durchschnittskurs während eines dreimonatigen Zeitraums nach dem Eintritt des Erbfalls würde der Problematik ebensowenig begegnen, da die Aktien auch nach Ende der Referenzperiode fallen oder während ihres Beginnes hoch im Kurs stehen könnten, um dann gegen Ende zu fallen. Dies würde die aus der Bewertung entstehende Härte damit allenfalls abmildern, nicht jedoch unbedingt verhindern. Auch wäre die Festlegung der Länge des für die Ermittlung des Durchschnittskurses erheblichen Zeitraums geradezu willkürlich, was wiederum zu Konflikten mit dem Stichtagsprinzip führen könnte. Zudem wird mit der Bewertung im Aktienrecht ein völlig anderes Bewertungsziel verfolgt: So soll nicht die Teilhabe an einer Vermögensmasse, sondern die Abfindung für eine verlorene, konkrete Rechtsposition an Aktien gewährt werden. Aufgrund der Tatsache, dass sich im Aktienrecht Minderheitsaktionäre und Mehrheitsaktionär gegenüberstehen, sind vielfältige Manipulationen zu befürchten, die sich im Pflichtteilsrecht selten oder nie ergeben.133 Nicht zuletzt sind daher die der Bewertung zugrundeliegenden Sachverhalte nicht miteinander vergleichbar. Eine Übertragung der Lösung auf das Pflichtteilsrecht wäre somit nach allem nicht sachgerecht und vor allem auch nicht praktikabel.

131  s. unten,

C. auch Schlichting, ZEV 2006, 197. 133  Zur praktischen Seltenheit der Manipulation von Börsenkursen in diesem Zusammenhang auch Veith, NJW 1963, 1521, 1522. 132  So

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

III. Zwischenfazit Wie gezeigt ist die Bewertung einer Aktie mit ihrem Börsenkurs im Lichte des § 2311 BGB nicht zwingend. Jedoch ist aufgrund der speziellen Eigenschaften börsennotierter Aktien keine andere Art der Wertfeststellung denkbar, die ebenso praktikabel aber zugleich flexibel hinsichtlich später erfolgender Wertschwankungen wäre. Während die Bewertung mit dem Anteil am Unternehmenswert nicht nur aufwändig, sondern auch nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig wäre, eröffnet eine Bewertung mit dem tatsächlichen Verkaufswert vielfältige Manipulationsmöglichkeiten, die für den Pflichtteilsberechtigten einen erheblichen Nachteil bedeuten würden. Die Bewertung mit einem Durchschnittswert nach dem Vorbild des aktienrechtlichen Abfindungsrechts könnte im Zweifel das Problem der Wertschwankungen nicht lösen und stünde zudem nicht im Einklang mit dem pflichtteilsrechtlichen Grundsatz, dass die Bewertung von Vermögensgegenständen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erfolgen hat. Es ist demnach festzuhalten, dass es im Ergebnis bei der Bewertung mit dem Börsenkurs als Wertmesser bleiben muss. Zu untersuchen ist aber im Folgenden, wie § 2311 BGB im Hinblick auf die hier untersuchte Problematik von Wertschwankungen börsennotierter Aktien nach dem Stichtag auszulegen ist und ob für diese Fälle schon de lege lata ein anderer Bewertungszeitpunkt herangezogen werden könnte. Ergeben sich aus dieser Auslegung Ungerechtigkeiten zuungunsten des Erben, ist zu fragen, wie sich dieser Konflikt auflösen ließe und ob dies bereits im Rahmen des geltenden Rechts oder erst durch eine Gesetzesänderung herbeigeführt werden könnte.

C. Auslegung des § 2311 BGB im Hinblick auf den Bewertungszeitpunkt Durch Auslegung des § 2311 BGB ist zu klären, welcher Gedanke dem Stichtagsprinzip zugrundeliegt und welchen konkreten Zweck die Regelung verfolgt. Ein besonderes Augenmerk ist dabei darauf zu richten, wie das Verhältnis zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten gesetzlich ausgestaltet ist. Im Vordergrund muss der Aspekt der hohen Volatilität börsennotierter Aktien stehen, die ihre prägende Eigenschaft als Bewertungsgegenstand ausmacht. Festzustellen ist, inwiefern die Regelung des § 2311 BGB dieser Besonderheit gerecht werden kann oder ob sie gar bei den Erwägungen des Gesetzgebers überhaupt nicht einbezogen wurde. Nach der Auslegung dem Wortlaut nach – auch bezüglich der Frage, wie streng das Stichtagsprinzip in diesem Zusammenhang tatsächlich zu handhaben ist – müssen daher die Hintergründe der Vorschrift untersucht werden, die sich aus der historischen Auslegung, sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift, nicht zuletzt aber



C. Auslegung des § 2311 BGB73

auch aus ihrer systematischen Stellung im Pflichtteilsrecht ergeben. Nur das Ergebnis einer umfassenden Auslegung kann Aufschluss darüber geben, ob sich aus den Folgen von Kursverlusten nach dem Stichtag dogmatische Diskrepanzen zwischen den Auswirkungen der Regelung und ihrer Intention ergeben. Ist letzteres der Fall, muss im Anschluss überlegt werden, ob und wie diese aufzulösen sind und ob es möglich wäre, die Problematik mithilfe einer Modifikation des Stichtagsprinzips aufzulösen.

I. Auslegung nach dem Wortlaut Gemäß § 2311 I 1 BGB wird der Berechnung des Pflichtteils der Bestand und Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrunde gelegt. Der Erbfall ist in § 1922 I BGB als der Tod einer Person legaldefiniert, so dass der Wortlaut hinsichtlich des Bewertungszeitpunktes eindeutig ist. Diese Bewertung des Nachlasses am Stichtag eröffnet dem Erben Chancen und Risiken hinsichtlich später erfolgender Wertveränderungen. Damit ergibt sich indirekt bereits aus dem Wortlaut des § 2311 I 1 BGB, dass sowohl zufällige Vermögenssteigerungen als auch solche, die dem Wirtschaften des Erben zu verdanken sind, den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten nicht mehr erhöhen. Neben dem dazu spiegelbildlichen Wertminderungsrisiko besteht für den Erben die Gefahr, dass die Veräußerung eines Wertgegenstandes unumgänglich ist, um einen Pflichtteilsanspruch zu erfüllen, wobei häufig nicht der Schätzwert erzielt wird.134 In der Literatur wird vereinzelt die Ansicht vertreten, der Wortlaut des § 2311 I 1 BGB ließe eine großzügige Handhabung des Stichtagsprinzips zu. Braga weist etwa darauf hin, dass das Gesetz lediglich von einem „Zugrundelegen“ des Bestands und Wertes des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls spreche und § 2311 I 1 BGB damit lediglich als „Ausgangs- und Anhaltspunkt“ der Berechnung des Nachlasswerts verstanden werden müsse.135 Dieses Argument vermag jedoch nicht zu überzeugen, da der Wortlaut keinen Anlass zu der Annahme gibt, dass er so zu verstehen sei. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, weswegen der Ausdruck „Zugrundelegen“ nahelegen soll, dass von dem Zeitpunkt der Bewertung abgewichen werden kann. Festzuhalten bleibt demnach, dass § 2311 BGB seinem Wortlaut nach eine eindeutige Regelung des Bewertungszeitpunktes trifft, die eine klare Risikoverteilung zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten zur Folge hat. 134  Motive

zum BGB (Erbrecht), S. 393. AcP 153 (1954), 144, 161; dazu (ablehnend) auch RG JW 1910, 238; Nirk hält die Kritik Bragas an den möglichen Folgen dieser gesetzlichen Regelung für gerechtfertigt, möchte seiner Ansicht aber nicht folgen, NJW 1962, 2185, 2187; grundsätzlich zustimmend wohl auch Steck, S.  88 f. 135  Braga,

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

II. Historische Auslegung Die Motive zum BGB enthalten keine Erwägungen zu dem Problem, dass das Stichtagsprinzip dann problematisch werden kann, wenn schwankende Börsenkurse zu Vermögensverlusten nach dem Stichtag führen. Es ist daher notwendig, zunächst die während des Gesetzgebungsverfahrens herrschende Ausgangslage und sodann die Entwicklungen darzustellen, die sich seitdem ergeben haben. Nur im Vergleich kann festgestellt werden, ob das Problem schwankender Wertpapierkurse schon damals in gleichem Maße wie heute bekannt gewesen sein muss. In der Literatur wird zum Teil angenommen, der Gesetzgeber habe die möglichen Folgen der Bewertung von Aktien mit dem mittleren Börsenkurs am Stichtag gesehen und in Kauf genommen. Veith136 wies etwa in seinem 1963 erschienenen Aufsatz darauf hin, der Gesetzgeber habe die Gefahr möglicher Kursschwankungen gekannt, da bereits in den 1870er Jahren erhebliche Unsicherheiten an den Wertpapierbörsen geherrscht hätten. Um sich den Hintergrund der Regelung vor Augen zu führen, bietet sich ein Blick in die Geschichte des Börsenhandels mit Aktien in Deutschland an. Dabei fällt vor allem auf, dass das Börsenwesen im Allgemeinen und der organisierte Handel mit Aktien im Besonderen zu Zeiten der Schaffung des BGB noch sehr jung waren. Ein nennenswerter Börsenhandel begann in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, wobei an der Frankfurter Börse, als damals wichtigstem Handelsplatz, erst ab 1816 ein regelmäßiger Effektenverkehr stattfand.137 Aktien wurden dort 1820 zum ersten Mal überhaupt gehandelt, wobei es aber bei einem schwerpunktmäßigen Handel mit Obligationen – also festverzinslichen Wertpapieren – blieb. So erlangten Aktien erst in der zweiten Hälfte des 19.  Jahrhunderts tatsächliche Bedeutung,138 als die Rechtsform der Aktiengesellschaft zunehmend populär wurde. Wenngleich Aktiengesellschaften in der Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund ihrer hohen Missbrauchsanfälligkeit noch skeptisch betrachtet wurden,139 wurde der bis dahin geltende staatliche Genehmigungsvorbehalt für ihre Gründung 1870 aufgehoben, worauf auch im Zusammenhang mit dem Eisenbahnbau ein wahrer Gründungsboom folgte.140 Nach der Reichsgründung 1871 entwickelte sich die Berliner Börse, an der schon 1805 Aktien gehandelt worden waren, zur wichtigsten Börse des Deutschen Reiches. Sie wandelte sich mit der wachsenden Popularität von Aktiengesell136  Veith,

NJW 1963, 1521. S. 135. 138  Pohl, S. 135. 139  Eube, S. 29; Pohl, S. 140. 140  Pohl, S. 151, 153; Eube, S. 28. 137  Pohl,



C. Auslegung des § 2311 BGB75

schaften ab 1870 zu einer spezialisierten Industrieaktienbörse.141 Schon damals waren erhebliche Kursschwankungen vor allem bei den vorherrschenden Eisenbahnaktien zu verzeichnen.142 So sank der Kurswert etwa zwischen 1872 und 1873 um durchschnittlich 46 Prozent,143 was darauf zurückzuführen war, dass die extrem hohen Dividendenausschüttungen der Aktiengesellschaften nach dem Boom nicht beibehalten werden konnten144. Dennoch war insgesamt ein stetiges Ansteigen der Indexwerte zwischen 1875 und 1900 zu verzeichnen.145 Die Investition in Aktien erlangte in Deutschland jedoch erst in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts tatsächliche Popularität in der breiten Bevölkerung, wo bis dahin diesbezüglich starke Zurückhaltung geherrscht hatte146: Die Privatisierung der Preussag AG (des Vorläufers des Touristikkonzerns TUI) und der Volkswagen AG lösten zum ersten Mal einen „Trend zur Volksaktie“ aus,147 in dessen Zuge 1961 die Anzahl der bei deutschen Banken unterhaltenen Depotkonten von 850 000 auf 2 Millionen stieg148. Ein erster Schritt in diese Richtung hatte 1948 mit der Senkung des Mindestnennbetrages von Nennbetragsaktien auf 100 Mark stattgefunden,149 der zuvor noch auf 1000 Mark festgelegt war, was ausdrücklich dem Zweck diente, weniger vermögende Personen von Spekulationen am Aktienmarkt abzuhalten.150 Trotz der im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts ansteigenden Popularität von Aktien als Anlagemöglichkeit und deren staatlicher Förderung wurde Deutschlands „fehlende Aktienkultur“ gegenüber der Praxis in anderen Staaten wie etwa den USA bis ins 21. Jahrhundert hinein kritisiert.151 Erst vor kurzer Zeit hat sich dies geändert, woran auch die Einführung der Telekomaktien einen maßgeblichen Anteil hatte.152 Vergleicht man den Anteil des Wertpapiervermögens an dem gesamten Anlagevermögen zwischen 1970 und 2006, lässt sich ein stetiges Ansteigen des prozentualen Anteils von 19,5 auf 35,1 feststellen.153 141  Eube,

S. 39. S. 138. 143  Henning, S. 211. 144  Pohl, S. 156; zu den Gründen der Krise im Überblick auch Henning, S.  210 f. 145  Eube, S. 152, Abb. 8. 146  Pohl, S. 299. 147  Noack, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, S. 510, 519; Pohl, S. 304. 148  Pohl, S. 305. 149  MüKo-AktG/Heider, § 8 Rn. 3. 150  MüKo-AktG/Heider, § 8 Rn. 2. 151  Loheide, II.4.1. (S. 85). 152  Loheide, II.4.1. (S. 85). 153  Bundeszentrale für politische Bildung: http://www.bpb.de/wissen/OJMYKX,0, 0,Struktur_des_Geldverm %F6gens.html. 142  Pohl,

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

Es ist zu vermuten, dass die starke Volatilität von Aktien dem historischen Gesetzgeber während der Schaffung des BGB von 1874 bis 1900 dem Grunde nach bekannt war. Jedoch ist dabei zu berücksichtigen, dass er die spätere Entwicklung und grundlegende Veränderung der Finanzmärkte nicht voraussehen konnte. Zwar waren im Devisengeschäft schon 1816 Termingeschäfte üblich, die spürbare Manipulationen des Börsenkurses zur Folge haben konnten,154 und zumindest im Rahmen des Handels mit Staatsanleihen war die internationale Vernetzung der Finanzmärkte bereits in den 1820er Jahren erkennbar.155 Der Handel mit internationalen Aktien wurde in Deutschland jedoch nur sehr zurückhaltend betrieben.156 Bereits 1850, zur Zeit des Ausbaus des Kommunikations- und Informationssystems setzte sich die Inhabergegen die Namensaktie durch,157 wodurch schon damals die Eigenschaft einer Aktie als Spekulationsobjekt wesentlich mehr im Vordergrund stand als das in ihr verbriefte Mitgliedschaftsrecht.158 Auch heutzutage ist Ziel der Investition nicht mehr die langfristige Bindung an ein Unternehmen, an dessen Kapitalisierung sich der Aktionär durch den Erwerb der Aktie beteiligt hat und die Beteiligung an dessen Gewinn durch die Ausschüttung von Dividenden. Vielmehr überwiegt der Spekulationsaspekt. Der Aktionär kauft und verkauft Wertpapiere als bloßen Vermögenswert, auf dessen Wertsteigerung oder -minderung er setzt,159 und damit als Kapitalanlage160. Obgleich dieser Trend bereits im 19. Jahrhundert begann, ist doch zu bemerken, dass zur damaligen Zeit deutlich weniger Rücklagen durch die Gesellschaften gebildet wurden, die ihre Gewinne stattdessen zu erheblich größeren Teilen als heute üblich an die Aktionäre ausschütteten.161 Durch die Globalisierung und die weltweite digitale Vernetzung der Finanzmärkte ist bis heute jedoch ein viel schnelllebigerer Markt entstanden, der mit dem Börsengeschäft des ausgehenden 19. Jahrhunderts kaum mehr vergleichbar ist. Im Jahr 2008 fanden an der Börse heftige Kursschwankungen statt, die sehr häufig für ein erhebliches Abfallen der Börsenkurse nach dem Todestag des jeweiligen Erblassers sorgten.162 Auch Technologieunternehmen, wie die am sog. Neuen Markt tätigen Gesellschaften, waren dem historischen Gesetzgeber nicht bekannt: Während der Blütezeit der Technologiebörsen lagen 154  Pohl,

S. 138. S. 137. 156  Pohl, S. 159. 157  Pohl, S. 150. 158  Pohl, S. 151. 159  Noack, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, S. 510, 544. 160  BVerfG NJW 1999, 3769, 3771; BGH NJW 1993, 400, 402. 161  Eube, S. 186. 162  Troll/Jülicher, § 12 Rn. 276 (im Zusammenhang mit dem Erbschaftsteuerrecht). 155  Pohl,



C. Auslegung des § 2311 BGB77

die Kurswerte extrem hoch, obgleich die betreffenden Unternehmen oftmals kaum Kapital oder Sachvermögen besaßen.163 Aus der historischen Betrachtung ergibt sich demnach, dass die Börsenkurse heute im Zuge der Globalisierung nicht nur neuen Faktoren unterworfen sind, die für größere Schwankungen sorgen, sondern dass der Anteil der Bevölkerung, der ein Aktienportfolio hält, sehr viel größer ist als noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Wahrscheinlichkeit, dass Fälle auftreten, in denen die hier behandelte Problematik Relevanz erlangt, ist demnach statistisch sehr viel höher als noch zur Zeit der Schaffung des Pflichtteilsrechts. Es liegt daher nahe, dass sich der Gesetzgeber zwar grundsätzlich der Möglichkeit kursbedingter Wertminderungen nach dem Stichtag bewusst war, die der Erbe vielleicht sogar nicht zu verhindern vermag. Er konnte dabei jedoch nicht voraussehen, welche Ausmaße diese Problematik annehmen würde.

III. Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift Schwerpunkt der Auslegung ist die Frage, welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Vorschrift verfolgt hat. Angesichts des Ergebnisses der historischen Auslegung stellt sich die Frage, ob die Ziele der Vorschrift in dem konkreten Fall von börsennotierten Aktien im Nachlass erreicht werden können. 1. Schutz des Pflichtteilsberechtigten Der historische Gesetzgeber legte dem Entwurf für das Pflichtteilsrecht in erster Linie den Gedanken zugrunde, dass der Erbe durch seine Erbenstellung gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten eine stärkere Stellung innehabe und sich daher in der erstrebenswerteren Position befinde.164 Das Pflichtteilsrecht wird in diesem Zusammenhang als „minderes obligatorisches Recht“ bezeichnet.165 Da mit dem Erbfall gemäß § 1922 I BGB ein gesetzlicher Eigentumserwerb des Erben – entsprechend seiner Erbquote – erfolgt, muss er keinen schuldrechtlichen Anspruch gegen einen Dritten geltend machen, sondern wird automatisch (Mit)Eigentümer des Nachlasses, sofern er nicht von seinem Ausschlagungsrecht nach § 1943 BGB Gebrauch macht. Gegen etwaige Erbschaftsbesitzer steht ihm daneben auch der besitzrecht­ 163  Troll/Jülicher,

recht).

164  Motive 165  Motive

§ 12 Rn. 277 (im Zusammenhang mit dem Erbschaftsteuer-

zum BGB (Erbrecht), S. 391. zum BGB (Erbrecht), S. 392.

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

liche Herausgabeanspruch aus § 2018 BGB zu. Der Erbe hat so die Möglichkeit, seinen Erbteil – bei Vorhandensein einer Erbengemeinschaft in Abstimmung mit den übrigen Erben – selbständig und eigenverantwortlich in Geld umzusetzen. Er ist dabei nicht verpflichtet, die erworbenen Vermögensgegenstände zu einem bestimmten Zeitpunkt, wie etwa dem Stichtag, zu verkaufen, sondern kann Veräußerungsentscheidungen grundsätzlich selbst treffen.166 Der Pflichtteilsberechtigte soll zur Erreichung des Bewertungsziels rein rechnerisch hälftig „wie ein Erbe“ am Nachlass beteiligt, dem Erben jedoch nicht gleichgestellt werden. Daher ist er auf einen einfachen schuldrechtlichen Anspruch auf eine bestimmte Summe beschränkt, der den Charakter einer Geldabfindung besitzt.167 Ein automatischer Eigentumsübergang an Gegenständen oder einer festen Geldsumme erfolgt nicht. Der Anspruch muss vielmehr von dem Berechtigten geltend gemacht werden und verjährt innerhalb der gesetzlichen Regelverjährung von drei Jahren mit Ablauf des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte von seinem Anspruch Kenntnis erlangt hat oder mangels grober Fahrlässigkeit Kenntnis hätte erlangen müssen, §§ 195, 199 I BGB, ansonsten gemäß § 199 III Nr. 3a BGB in 30 Jah­ ren.168 Die schwächere Stellung des Pflichtteilsberechtigten ergibt sich folglich daraus, dass das Pflichtteilsrecht keine dingliche Position gewährt.169 Er ist bei der Berechnung der Höhe seines Anspruchs ferner – soweit erforderlich – auf die Schätzung des Nachlasswertes und die diesbezügliche Auskunft des Erben angewiesen, wobei Gegenstände, die aktuell gar keinen Wert besitzen, ohne entsprechenden Ausgleich dem Erben zufallen.170 Diese schwächere Stellung soll durch die mit dem Stichtagsprinzip einhergehende Risikoverteilung ausgeglichen werden. Sie dient der Sicherung des Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten der Höhe nach und damit dessen Schutz vor benachteiligenden Verfügungen oder willkürlichen Akten des oder der verfügungsberechtigten Erben.171 Die mit § 2311 I 1 BGB einhergehende Zäsur stellt auf diese Weise sicher, dass das pflichtteilsrechtliche Bewertungsziel erreicht wird: Der Pflichtteilsberechtigte wird so gestellt, als sei der ihm am Nachlass zustehende Anteil zum Zeitpunkt des Erbfalls in Geld umgesetzt worden, da spätere Wertentwicklungen des Nachlassvermögens nicht berücksichtigt werden. Es wird aber auch deutlich, dass der 166  Motive

zum BGB (Erbrecht), S. 392. zum BGB (Erbrecht), S. 387. 168  Frank/Helms, § 20 Rn. 15. 169  Motive zum BGB (Erbrecht), S. 386. 170  Motive zum BGB (Erbrecht), S. 386. 171  Braga, AcP 153 (1954), 144, 160; Meincke, FS-Wiedemann (2002), S. 105, 119. 167  Motive



C. Auslegung des § 2311 BGB79

Pflichtteilsberechtigte nicht „wie ein Erbe“ am Nachlass beteiligt wird. Denn wäre er Erbe geworden, trüge auch er die Risiken von Wertschwankungen und hätte denselben Verlust erlitten.172 2. Einheitlichkeit der Bewertung Darüber hinaus ist das Stichtagsprinzip notwendig, um im Zusammenspiel mit anderen Faktoren eine einheitliche und klare Bewertung des Nachlasses zu ermöglichen. Aufgrund der kontinuierlichen Veränderungen, denen das Vermögen etwa durch den Anfall von Zinsen, dem Ziehen von Früchten sowie Untergang, Verbrauch oder eben Wertschwankungen der Nachlassgegenstände unterliegt, ist es notwendig, einen einheitlichen Bewertungszeitpunkt festzulegen. Dies wird besonders anschaulich, wenn man bedenkt, dass die Berechnung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs mitunter erst lange Zeit nach dem Erbfall notwendig werden kann,173 wenn etwa ein bislang unbekannter Abkömmling des Erblassers erst einige Zeit später in Erscheinung tritt. Nur wenn ein bestimmter Bewertungszeitpunkt feststeht, kann der Wert eines Gegenstandes, also die „Relation zwischen Geld und Gut“174, zumindest für diesen Zeitpunkt, genau festgehalten werden. Demnach stellt das Stichtagsprinzip keinen Selbstzweck dar, sondern soll vielmehr sicherstellen, dass das pflichtteilsrechtliche Bewertungsziel verwirklicht werden kann.175 Die Einheitlichkeit des Bewertungszeitpunkts dient ferner auch der inneren Schlüssigkeit der Bewertungsrechnung.176 3. Berücksichtigung tatsächlicher Veräußerungshindernisse im Zusammenhang mit stark volatilen Vermögensgegenständen Angesichts der vorstehend dargestellten Ziele der Vorschrift ist fraglich, ob die zugrundgelegte Interessenabwägung die Problematik börsennotierter Aktien ausreichend berücksichtigt. Insbesondere sind dabei die praktisch eingeschränkten Veräußerungsmöglichkeiten am Stichtag sowie die starke Schwankungsanfälligkeit zu bedenken. Die Motive zum BGB geben nicht unmittelbar Aufschluss darüber, ob der Gesetzgeber die Möglichkeit berücksichtigt hat, dass der Veräußerung der Papiere am oder unmittelbar nach dem Stichtag Hindernisse tatsächlicher Art entgegenstehen können und welche erhebliche Auswirkungen dies bei Vorhandensein börsennotierter 172  Damrau/Riedel,

§ 2311 Rn. 3. zum BGB (Erbrecht), S. 405 f. 174  Meincke, S. 211. 175  So auch Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wärzholz/Mayer, 1. Auflage 2003, § 5 Rn. 6. 176  Meincke, S. 212. 173  Motive

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

Aktien im Nachlass haben kann. Es wird zwar die Frage diskutiert, ob der Pflichtteilsberechtigte Nutzungsersatz von dem Erben für die Zeit zwischen Entstehung und Auszahlung des Pflichtteilsanspruchs fordern dürfe. Dies wird aber mit der Begründung verneint, dem Erben sei die „Beziehung von Nutzungen, welche dem Kapitalwerthe entsprechen, nicht von dem Eintritte des Erbfalles an gesichert“.177 Der Gesetzgeber hat demnach zumindest in anderem Zusammenhang erkannt, dass der Erbe aufgrund tatsächlicher Umstände nicht vom Tag des Eintrittes des Erbfalles an die Möglichkeit hat, mit dem Ererbten zu wirtschaften. Ein Wirtschaften mit dem ererbten Vermögen kann auch darin bestehen, dass Vermögenswerte veräußert werden. Dieser Umstand wird in den Motiven jedoch im Zusammenhang mit dem Bewertungszeitpunkt nicht problematisiert. Das Gesetz lässt dem Erben allerdings nur deshalb bei Wertminderungen nach dem Stichtag keinen Schutz zukommen, weil der Erbe diesen nach der erkennbar zugrunde gelegten gesetzgeberischen Auffassung dank seiner unmittelbar eintretenden Verfügungsbefugnis am Stichtag gar nicht benötigt. Der Vorstellung des Gesetzgebers nach kann der Erbe diese Wertminderungen durch entsprechende Verfügungen verhindern. Wie oben ausgeführt, ist dies jedoch häufig gar nicht der Fall. Dann trägt allerdings auch das Argument nicht mehr, die gesetzliche Risikoverteilung beruhe auf den mangelnden Einflussmöglichkeiten des Pflichtteilsberechtigten auf den Nachlass, denn auch der dinglich berechtigte Erbe hätte keine tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit gehabt.178 4. Schlussfolgerung Die Auslegung nach Sinn und Zweck zeigt, dass das Stichtagsprinzip in erster Linie eine Schutzfunktion besitzt,179 denn vermindert sich nach dem Tod des Erblassers das Nachlassvermögen – sei es durch böswillige Handlungen oder durch schlechtes Wirtschaften des Erben –, ändert dies nichts an der Höhe des Pflichtteilsanspruchs. Würde auf einen Bewertungszeitpunkt ausgewichen, zu dem der Erbe bereits die Möglichkeit hatte, Dispositionen zu treffen, würde der Pflichtteilsberechtigte völlig schutzlos gestellt. In diesem Falle könnte der Erbe missbräuchlich wirtschaften und damit den Nachlass zuungunsten des Pflichtteilsberechtigten verringern, wodurch eine Aushöhlung des Pflichtteilsrechts zu befürchten wäre, da die Anspruchshöhe praktisch zur Disposition des Erben stünde. Ein solches Ergebnis würde dem Charakter des gesetzlichen Pflichtteilsrechts zuwider177  Motive

zum BGB (Erbrecht), S. 417. im Zusammenhang mit nach dem Stichtag gestohlenen und nicht auffindbaren Nachlassgegenständen auch Braga, AcP 153 (1954), 144, 160. 179  Meincke, FS-Wiedemann (2002), S. 105, 119. 178  So



C. Auslegung des § 2311 BGB81

laufen und wäre damit inakzeptabel. Ist die Vermögensminderung jedoch unabhängig von Handlungen oder Unterlassungen des Erben eingetreten, wird der Schutzzweck der Vorschrift nicht berührt. Ein Grund, den Pflichtteilsberechtigten zulasten des Erben vor Zufälligkeiten zu schützen, ist nicht ersichtlich. Bei der Schaffung der Vorschrift wurde jedoch erkennbar nicht berücksichtigt, dass dieser umfassende Schutz des Pflichtteilsberechtigten dann zulasten des Erben wirkt, wenn sich stark volatile Vermögensgegenstände wie börsennotierte Aktien im Nachlass befinden, die an und kurz nach dem Stichtag aus tatsächlichen Gründen nicht zu veräußern sind. Hier besteht für den Pflichtteilsberechtigten nicht das Risiko der Benachteiligung sondern vielmehr ein stark erhöhtes Verlustrisiko für den Erben, das sich auch in der Disproportionalität von noch vorhandenem Vermögen und Höhe der Pflichtteilsansprüche niederschlagen kann. Für den Bereich risikoreicher Vermögenswerte, auf jeden Fall aber für börsennotierte Ak­ tien, ist der Gesetzgeber daher hinsichtlich des Schutzzwecks „über das Ziel hinausgeschossen“, indem er dem Erben ein Risiko für einen Zeitraum auferlegt hat, während dessen für den Pflichtteilsberechtigten kein Benachteiligungsrisiko besteht.

IV. Systematische Auslegung Im Wege der systematischen Auslegung sind schließlich andere Vorschriften des Pflichtteilsrechts unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, ob anhand ihrer Aussagen darüber getroffen werden können, wie der Inhalt des § 2311 I BGB zu verstehen ist. Anschließend an die eben getroffene Feststellung, dass der Schutzzweck für die hier behandelten Fälle überdehnt erscheint, sind zunächst die übrigen Vorschriften zu betrachten, die das gesetzliche Verhältnis zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten regeln. Sodann sind insbesondere die Vorschriften zu untersuchen, die gesetzliche Ausnahmen von dem Stichtagsprinzip vorsehen. 1. Überblick über die Gesetzessystematik Das Verhältnis zwischen dem oder den Erben auf der einen und dem oder den Pflichtteilsberechtigten auf der anderen Seite ist im BGB durch die folgenden Grundsätze geprägt: Der Pflichtteilsberechtigte erhält immer die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils. Während ihn das Stichtagsprinzip aus § 2311 I 1 BGB vor nachteiligen Verfügungen durch den Erben schützt, bewahren ihn andere Vorschriften davor, dass sein Anteil am Nachlass vor dem Erbfall durch Handlungen des Erblassers wertmäßig ausgehöhlt wird. So sieht § 2305 S. 1

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

BGB vor, dass ein pflichtteilsberechtigter Erbe, der auf einen Erbteil eingesetzt wurde, der geringer als der Pflichtteil ist, die Differenz von den Miterben verlangen kann. Ferner sind gemäß § 2311 II 2 BGB Wertbestimmungen des Erblassers nicht maßgeblich, so dass dieser den Pflichtteil auch nicht faktisch dadurch mindern kann, dass er die Bewertung manipuliert. Ist der Nachlass durch lebzeitige Schenkungen des Erblassers vermindert worden, kann der Pflichtteilsberechtigte gemäß § 2325 I BGB den Betrag als Ergänzung verlangen, um den der Pflichtteil erhöht gewesen wäre, wenn der betreffende Vermögensgegenstand nicht verschenkt worden wäre. Die Mindestbeteiligung des Pflichtteilsberechtigten am Nachlass ist damit zumindest bezüglich ihrer Relation zum Nachlasswert gesetzlich in jeder Hinsicht davor geschützt, unterschritten zu werden. Auch der Erbe, der selbst pflichtteilsberechtigt wäre, darf grundsätzlich nicht weniger als das erhalten, was ihm dann zugestanden hätte, wenn er nicht zum Erben eingesetzt worden wäre. Der Gesetzgeber hat demnach für pflichtteilsberechtigte Erben eine Untergrenze festgelegt, die deren Pflichtteil entspricht. Dies gewährleisten verschiedene Vorschriften: Wie in seiner ursprünglichen Fassung sieht § 2306 BGB auch in seiner Neufassung eine Regelung zugunsten des pflichtteilsberechtigten Erben vor, dessen Erbteil mit Beschränkungen und Beschwerungen belastet ist. Während diese vor dem 1. Januar 2010 nur dann eingriff, wenn das Zugewandte die Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils unterschritt, kann der Ausschlagende seinen Pflichtteil nunmehr unabhängig von dem ihm zugewandten Betrag ver­ langen.180 Er kann den Erbteil also entweder so annehmen, wie er ihm zugewandt wurde oder das Erbe ausschlagen, wobei er ausnahmsweise den Pflichtteil verlangen darf.181 Dadurch soll der pflichtteilsberechtigte Erbe davor geschützt werden, dass im Ergebnis seine eigene durch das Pflichtteilsrecht bestimmte Mindestbeteiligung am Nachlass unterschritten wird.182 § 2305 BGB gewährt dem pflichtteilsberechtigten Erben einen Anspruch gegen seine Miterben auf den Betrag, um den der ihm hinterlassene Erbteil hinter dem ihm zustehenden Pflichtteil zurückbleibt. Eine ähnliche Regelung trifft auch § 2316 II BGB. Ist der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt, kann er die Befriedigung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gemäß § 2328 BGB insoweit verweigern, als ihm sein eigener Pflichtteil mit Einschluss dessen verbleibt, was ihm zur Ergänzung des Pflichtteils gebühren würde. Diese Regelung gilt nur für den Ergänzungsanspruch, nicht jedoch für den ordentlichen Pflichtteil183 und führt zu einer Bevorzugung des zum Erben 180  De

Leve, ZEV 2010, 184; Klinger/Mörtl, NJW-Spezial 2009, 503. § 2306 Rn. 1. 182  MüKo/Lange, § 2306 Rn. 1. 183  Staudinger/Olshausen, § 2328 Rn. 2, 9. 181  MüKo/Lange,



C. Auslegung des § 2311 BGB83

eingesetzten Pflichtteilsberechtigten gegenüber den anderen, die sich bezüglich des Ergänzungsbetrages an den Beschenkten wenden müssen.184 Kollidieren diese beiden Grundsätze miteinander, wird der Pflichtteilsanspruch nicht etwa gekürzt. Vielmehr kann der Erbe ein Leistungsverweigerungsrecht geltend machen, so dass die Pflichtteilslast von den Miterben (§ 2319 BGB), den Vermächtnisnehmern und durch Auflagen Begünstigten (§ 2318 BGB) oder den Beschenkten (§ 2328 BGB) mitgetragen werden muss. Es findet demnach eine Entlastung des Erben statt, ohne dass der Pflichtteilsberechtigte seine Mindestbeteiligung am Nachlass dadurch verlöre. Der Erbe wird auf diese Weise davor geschützt, die Pflichtteilansprüche erfüllen und dann Ersatz bei den Beschenkten beziehungsweise Bedachten geltend machen zu müssen.185 Unabhängig davon, ob er selbst pflichtteilsberechtigt wäre, soll der Erbe grundsätzlich nur das leisten müssen, was ihm tatsächlich zur Verfügung steht. § 2318 BGB regelt den Fall, dass der Nachlass mit Vermächtnissen oder Auflagen beschwert ist. Da diese bei der Ermittlung des für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs maßgeblichen Nachlasswertes nicht wertmindernd berücksichtigt werden,186 steht dem Erben dieser niemals vollständig zur Verfügung.187 Als Ausgleich dafür sieht § 2318 BGB vor, dass die Vermächtnisnehmer und durch die Auflagen Begünstigten die Pflichtteilslast anteilig mittragen müssen.188 Im Verhältnis zu dem Pflichtteilsberechtigten bleibt jedoch der Erbe Anspruchsgegner. Er kann lediglich im Verhältnis zu den Genannten die an sie zu zahlenden Beträge entsprechend kürzen.189 Es bleibt festzuhalten, dass der Erbe (im Innenverhältnis) im Hinblick auf den Pflichtteil grundsätzlich nicht mehr auszahlen soll, als ihm auch tatsächlich zur Verfügung steht. Ist er selbst pflichtteilsberechtigt, soll er ferner nie weniger als das wertmäßige Äquivalent seines Pflichtteils erhalten. Das Gesetz sieht nicht vor, dass die Innehabung der Erbenstellung zwingend ­ ­eine wertmäßig höhere Beteiligung am Nachlass bedeuten muss. Da es den Pflichtteilsberechtigten schützt, ist eine Kürzung des Pflichtteilsanspruchs zugunsten des ebenfalls pflichtteilsberechtigten Erben im Gesetz nicht angelegt. Deutlich wird jedoch auch, dass das pflichtteilsrechtliche System überhaupt keine Regelung für den Fall enthält, in dem nach dem Stichtag aufgrund nicht beeinflussbarer Umstände Wertminderungen am Nachlass eintreten, die zu einer deutlichen Disproportionalität von Nachlasswert und Pflicht184  Staudinger/Olshausen,

§ 2328 Rn. 3. NJW 1983, 1485, 1487. 186  Schulze/Hoeren, § 2311 Rn. 8. 187  Schulze/Hoeren, § 2318 Rn. 1. 188  MüKo/Lange, § 2318 Rn. 1; Staudinger/Herzog, § 2318 Rn. 5. 189  BeckOK/Mayer, § 2318 Rn. 2. 185  BGH

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

teilsansprüchen führen. Es ist bezüglich der Bewertung zum Stichtag bewusst unflexibel gestaltet und nimmt daher eine faktische, anteilige Ausweitung der Mindestbeteiligung des Pflichtteilsberechtigten am Nachlass durch Wertminderungen nach dem Erbfall in Kauf, indem es sie an keiner Stelle gesondert berücksichtigt. Das Festhalten an „risikosicherer Berechnung und schneidiger Durchsetzung der Pflichtteilsansprüche“ beruht auf dem Gedanken, dass dies notwendig sei, um eine Kompensation der Enterbung der Pflichtteilsberechtigten sicherzustellen.190 So kann dies – je nach Gestaltung des Testaments durch den Erblasser und außerdem abhängig von dessen Familienverhältnissen – eine erhebliche faktische Bevorzugung des Pflichtteilsberechtigten vor dem Erben bedeuten, da letzterer alle Nachlassverbindlichkeiten erfüllen muss.191 Daher kann von einem großen Nachlass faktisch wenig oder gar nichts für den Erben übrig bleiben, nachdem er alle Auflagen erfüllt und Vermächtnisse ausgezahlt hat, während der Pflichtteilsberechtigte durch diese Regelung unter günstigen Umständen sogar einen größeren Anteil am Nachlass erhalten kann, als ihm als gesetzlicher Erbe zugestanden hätte.192 2. Gesetzliche Ausnahmen von dem Stichtagsprinzip Das BGB sieht Ausnahmen von dem Stichtagsprinzip vor. Gemäß § 2315 II 2 BGB ist im Rahmen der Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil für deren Bewertung abweichend der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die Zuwendung erfolgte. Die Vorschrift stellt eine echte Ausnahme von dem Stichtagsprinzip dar und soll verhindern, dass der Pflichtteilsberechtigte doppelt am Nachlass teilhat und somit mehr als nur die vorgesehene Mindestbeteiligung erhält.193 Hier wird deutlich, dass das Risiko von Wertminderungen nur derjenige tragen soll, der dinglich und tatsächlich über den betreffenden Vermögensgegenstand verfügen kann: Dem Erben soll es auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn der Pflichtteilsberechtigte, dem der Gegenstand zugewendet wurde, Wertminderungen herbeiführt.194 Ähnlich ausgestaltet ist die Regelung des § 2325 II 2 BGB, welche den Zeitpunkt der Bewertung einer nicht verbrauchbaren geschenkten Sache regelt, wenn diese im Rahmen eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs dem Nachlassvermögen hinzugerechnet wird. In diesen Fällen ist für die Bewertung grundsätzlich der Tag des Erbfalls maßgeblich. Eine Ausnahme wird gemacht, wenn das Geschenk am Tag der Schenkung einen niedrigeren Wert 190  Oechsler,

AcP 200 (2000), 603. § 17 III 2 Rn. 523. 192  Michalski, § 17 III 2 Rn. 523. 193  Staudinger/Herzog, § 2315 Rn. 1. 194  OLG Nürnberg ZEV 2006, 361, 363. 191  Michalski,



C. Auslegung des § 2311 BGB85

besaß, als am Tag des Erbfalls (Niederstwertprinzip195). Dann ist ersterer maßgeblich. Die Regelung beruht auf dem Gedanken, dass den Pflichtteilsschuldner diejenigen negativen Wertschwankungen nicht treffen sollen, die zwischen der Schenkung und dem Erbfall eintreten, da der Pflichtteilsberechtigte nur dadurch geschädigt würde, dass der Wert, den der Gegenstand beim Tod des Erblassers hat, nicht mehr vorhanden ist.196 Demnach trägt der Pflichtteilsberechtigte hier das Risiko von negativen Wertschwankungen, während ihm Werterhöhungen nicht zugute kommen.197 Besonders hervorzuheben ist im Hinblick auf die systematische Auslegung des § 2311 BGB der § 2313 BGB, dessen Rechtsgedanke nach Ansicht des BGH auch zur Auslegung von § 2311 I 1 BGB herangezogen werden kann.198 § 2313 I 1, II 1 BGB sieht vor, dass bei der Berechnung des Nachlasswertes solche Rechte und Verbindlichkeiten außer Betracht bleiben müssen, die bedingt, unsicher oder ungewiss sind. Tritt die Bedingung ein, sind die Verbindlichkeiten also sicher entstanden, muss ein Ausgleich geleistet werden, der die Beteiligten so stellt, als seien die betreffenden Rechte und Verbindlichkeiten von vornherein in die Nachlassbewertung einbezogen worden. Umgekehrt werden auflösend bedingte Rechte und Verbindlichkeiten gemäß § 2313 I 2 BGB so behandelt, als seien sie unbedingt, wobei bei Eintritt der auflösenden Bedingung wiederum eine umgekehrte Ausgleichspflicht entsteht. Unter ungewissen Rechten und Verbindlichkeiten versteht man solche, bei denen unklar ist, ob der Anspruch überhaupt besteht, beziehungsweise wer der Gläubiger ist.199 Unsichere Rechte sind solche, deren wirtschaftliche oder tatsächliche Verwertbarkeit unklar ist.200 Der Gesetzgeber hat sich für die vielkritisierte201 Vorschrift des § 2313 BGB und damit für die sich daraus ergebenden Unsicherheiten aufgrund eventueller, später entstehender Ausgleichs- oder Rückzahlungspflichten entschieden, weil er erkannte, dass die Schätzung als Instrument der Wertfeststellung regelmäßig keine brauchbaren Ergebnisse liefert, wenn der Bestand des Nachlasses von künftigen, ungewissen Ereignissen abhängt.202 Würde man hier dennoch auf die Schätzungsmöglichkeit am Stichtag ver195  Staudinger/Olshausen,

§ 2325 Rn. 95; BeckOK/Mayer, § 2325 Rn. 19. zum BGB (Erbrecht), S. 583 f. 197  MüKo/Lange, § 2325 Rn. 49; Schlitt/Müller, § 6 Rn. 18. 198  So auch BGH NJW 1973, 509, 511. 199  BGH NJW 1952, 138, 139; BeckOK/Mayer, § 2313 Rn. 10; Staudinger/Herzog, § 2313 Rn. 11. 200  MüKo/Lange, § 2313 Rn. 10; Staudinger/Herzog, § 2313 Rn. 14. 201  So besonders ausführlich etwa Meincke, S.  225  ff.; ferner MüKo/Lange, § 2313 Rn. 2. 202  Motive zum BGB (Erbrecht), S. 407; das räumt sogar die den § 2313 BGB heftig kritisierende Literatur ein, vgl. MüKo/Lange, § 2313 Rn. 2. 196  Protokolle

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

weisen, nähme man das Risiko willkürlicher Ergebnisse in Kauf, die nicht mit der realen Entwicklung im Einklang stehen und je nach ihrer Richtung entweder den Erben oder den Pflichtteilsberechtigten benachteiligen. In Literatur und Rechtsprechung besteht Uneinigkeit darüber, ob § 2313 BGB tatsächlich als echte Ausnahme zu § 2311 I 1 BGB zu sehen ist. Strittig ist dabei insbesondere, welcher Zeitpunkt für die Bewertung der erst nachträglich sicher entstandenen Rechte und Verbindlichkeiten maßgeblich ist: Auf der einen Seite wird vertreten, § 2313 BGB regele lediglich eine nachträgliche Abfindung, wolle aber seinem Wortlaut nach keinen abweichenden Bewertungszeitpunkt festlegen, so dass § 2311 I 1 BGB auch für die Bewertung der von § 2313 BGB erfassten Rechte und Verbindlichkeiten gelte; insbesondere solle der zeitliche Bezug zwischen Erbfall und wertbildenden Faktoren nicht verloren gehen.203 Dem wird jedoch entgegen gehalten, dass nicht ersichtlich sei, wie genau der Wert vergangenheitsbezogen überhaupt zu errechnen sei, wenn es sich zum Beispiel um den Wert eines Grundstückes handele, das der zuständige Sachverständige nur in seinem aktuellen Zustand besichtigen könne. Zudem stelle der Wortlaut des § 2313 I 3 BGB bei der Ausgleichung auf die „veränderte Rechtslage“ ab, was auf die Maßgeblichkeit solcher Ereignisse hindeute, die nach dem Erbfall eingetreten seien.204 Zudem würde die Bewertung mit dem Wert zum Todeszeitpunkt des Erblassers bedeuten, dass der Erbe im Falle eines erheblichen Wertverlusts den gesamten Wert des betreffenden Rechts preisgeben müsse und nicht nur den Teil, der dem Pflichtteilsberechtigten zustehe.205 Auch spreche für ein Begreifen des § 2313 BGB als echte Ausnahme von dem Stichtagsprinzip, dass eine Zurückrechnung des Wertes auf den Zeitpunkt aus § 2311 I 1 BGB in § 2313 BGB hätte angeordnet werden müssen, was jedoch unterblieben ist,206 denn in der Tat ist dem Wortlaut keine klare Entscheidung zu entnehmen. Auch die Motive zum BGB enthalten keine Hinweise darauf, zu welchem Zeitpunkt die Bewertung erfolgen soll. Stellt man aber zum einen auf die Praktikabilität des einen oder anderen Bewertungszeitpunkts und zum anderen auf das sich ergebende Risiko einer Wertminderung ab, liegt es nahe, mit der letztgenannten Ansicht eine Bewertung zum Zeitpunkt des Bedingungseintritts anzunehmen.207 Dies ist auch insbe203  BGH NJW 1993, 2176, 2177; OLG Köln NJW 1998, 240, 241; Staudinger/ Herzog, § 2313 Rn. 37; BeckOK/Mayer, § 2313 Rn. 1, 3 ff.; Palandt/Weidlich, § 2313 Rn. 1. 204  MüKo/Lange, § 2313 Rn. 4; Pentz, MDR 1999, 144. 205  MüKo/Lange, § 2313 Rn. 4. 206  Pentz, MDR 1999, 144, 145. 207  Diese Auffassung setzt auch Dressler, NJW 1993, 2519 voraus; Meincke diskutiert diesen Streit nicht, fasst aber § 2313 BGB eindeutig als echte Ausnahme auf, S. 227.



C. Auslegung des § 2311 BGB87

sondere im Hinblick darauf zu bejahen, dass befristete Rechte und Verbindlichkeiten nicht unter § 2313 BGB fallen, aber auch bei ihrer Bewertung nach dem Erbfall erfolgende Änderungen (Früchte, Zinsen) mit in die Wertschätzung einbezogen werden müssen.208 Geht man somit folgerichtig davon aus, dass § 2313 BGB tatsächlich einen von § 2311 I 1 BGB abweichenden Stichtag vorsieht, kann daraus der Schluss gezogen werden, dass das BGB auch im Falle von mit dem Stichtagsprinzip verbundenen Risiken und Unsicherheiten zugunsten der Erfüllung des Gesetzeszwecks Ausnahmen macht. Ziel der Sonderregelung des § 2313 BGB ist die Vermeidung von Unsicherheiten, die sich aus der Schätzung schwer schätzbarer Positionen bei der Vermögensbewertung ergeben können. Im Hinblick auf die oben genannten Definitionen ist offenkundig, dass es sich bei Aktien nicht um bedingte, unsichere oder ungewisse Rechte im Sinne des § 2313 BGB handelt, so dass eine direkte (oder analoge) Anwendung der Vorschrift für die hier untersuchten Fälle nicht in Frage kommt. Der Aktienmarkt beruht jedoch auf Spekulationen und ist darüber hinaus von einer Vielzahl unwägbarer Faktoren abhängig. So ist zwar nicht die Rechtsposition des Aktieninhabers unsicher oder ungewiss und auch der Wert der Aktie am Stichtag kann mit dem Börsenkurs eindeutig beziffert werden. Wohl aber besteht in der Regel Unsicherheit darüber, ob und in welche Richtung sich die Kurse entwickeln, so dass eine verlässliche Schätzung des Wertes, die weder den Pflichtteilsberechtigten noch den Erben potentiell benachteiligt, kaum möglich ist. Es ist zwar nicht zu leugnen, dass für den Stichtag selbst eine verlässliche Wertfeststellung möglich ist. Diese ist jedoch bei börsennotierten Aktien derart willkürlich, dass sie schon am nächsten Tag oder nur wenige Stunden später völlig obsolet sein kann. Eine derart zufällige Momentaufnahme birgt daher erhebliche Unsicherheiten in sich, die – genau wie bei § 2313 BGB – zu Nachteilen für die eine oder die andere Seite führen können. So könnte ohne die Regelung des § 2313 BGB der Fall eintreten, dass der Pflichtteilsberechtigte aufgrund der mit den bedingten, unsicheren und ungewissen Rechten und Verbindlichkeiten verbundenen Unwägbarkeiten bei der stichtagsbezogenen Bewertung schließlich wesentlich mehr oder aber wesentlich weniger erhielte als die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils bei einer Bewertung, die nicht starr am Stichtag orientiert ist.209 § 2313 BGB dient also der Bewältigung eines dem der schwankenden Börsenkurse verwandten Problems: Am Stichtag kann keine sichere Prognose getroffen werden, so dass jeder Versuch, eine zukünftige Entwicklung zu antizipieren, seinerseits auf Spekulation beruhen würde. Dadurch zeigt sich, 208  Pentz,

MDR 1999, 144, 146. zum BGB (Erbrecht), S. 407.

209  Motive

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

dass das Gesetz in Fällen, in denen sich aus Unsicherheiten bei der Bewertung Ungerechtigkeiten bezüglich der Proportionalität des Anspruchs zur Höhe des Nachlassvermögens ergeben können, Abweichungen in Form einer Berücksichtigung späterer Entwicklungen zulässt. Ferner geht § 2313 BGB davon aus, dass bestimmte Verbindlichkeiten am Stichtag keinen Gegenwert erzielen können und berücksichtigt diesen Umstand bei der Bewertung. Dies könnte dafür sprechen, dass im Hinblick auf das Bewertungsziel auch berücksichtigt werden muss, dass dem Erben eine Veräußerung börsennotierter Aktien am Stichtag gar nicht möglich ist und dass ihr anzusetzender Wert sehr stark von dem Bewertungszeitpunkt abhängig ist. 3. Schlussfolgerung Insgesamt ergibt die systematische Auslegung ebenfalls, dass § 2311 BGB in erster Linie dem Schutz des Pflichtteilsberechtigten dient. Im Falle bestehender Unklarheiten sieht § 2313 BGB jedoch vor, dass diese erst später berücksichtigt werden und daher auch nicht zulasten des Erben gehen sollen. Aus § 2325 BGB ergibt sich, dass nur derjenige das Risiko von Wertschwankungen tragen soll, der es auch beherrschen kann. Diese grundsätzlichen Wertungen des pflichtteilsrechtlichen Regelungssystems müssen auch im Rahmen der Anwendung des § 2311 BGB gelten, so dass auch in systematischer Hinsicht ein Widerspruch zwischen dem Ziel der Vorschrift und den sich daraus im Falle börsennotierter Aktien ergebenden Folgen besteht.

V. Erreichbarkeit des gesetzgeberischen Ziels bei Wertschwankungen börsennotierter Aktien Wie gezeigt, entsprechen die negativen Folgen für den Erben grundsätzlich den gesetzgeberischen Wertungen des Pflichtteilsrechts, da es dem Pflichtteilsberechtigten über die bewertungsrechtlichen Vorschriften besonderen Schutz zukommen lässt.210 Es wird jedoch auch deutlich, dass dieses pflichtteilsrechtliche Bewertungssystem nicht dafür geeignet ist, erheblichen Wertschwankungen durch gefallene Börsenkurse gerecht zu werden. Dem Gesetz ist eine klare Zielvorstellung zu entnehmen, nach der der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Erben nicht unangemessen benachteiligt werden darf, der Erbe ihm aber nicht mehr schuldet, als er zur Verfügung hat. Auch hier wird jedoch das Vermögen nur so in den Blick genommen, wie es am Stichtag vorhanden war. Dies beruht ebenfalls darauf, dass zu diesem Zeitpunkt die tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit des Erben be210  Schlüter,

FS-BGH (2000), S. 1047, 1063.



C. Auslegung des § 2311 BGB89

reits unterstellt wird. Besaß er diese jedoch nicht, hat er gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten nicht die überlegene Stellung inne, die der Gesetzgeber erkennbar vorausgesetzt hat. Für diesen Fall ist das pflichtteilsrechtliche System damit eindeutig nicht ausgelegt. Der Erbe wird vielmehr durch die Notwendigkeit der Erfüllung der gleichbleibend hohen Pflichtteilsansprüche trotz kursbedingter Vermögensverluste nach dem Stichtag faktisch schlechter gestellt als der Pflichtteilsberechtigte, obwohl seine dingliche Berechtigung am Stichtag zwar vorhanden, aber zur Abwendung des konkreten Risikos negativer Wertschwankungen nicht auszuüben war. Dies widerspricht dem Bewertungsziel, den Pflichtteilsberechtigten so zu stellen, als sei er mit der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils am Nachlass beteiligt.211 Zwar soll er nicht genauso wie der Erbe sondern so behandelt werden, als sei die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils am Stichtag liquidiert worden. Ist es aber am Stichtag dem Erben als dinglich Berechtigtem überhaupt nicht möglich, die Nachlassgegenstände in Geld umzusetzen, muss die Unveräußerlichkeit am Stichtag aus Gleichbehandlungsgründen bei der Bewertung berücksichtigt werden, da dieser Fall von dem der Regelung zugrundeliegenden Gedanken gerade nicht umfasst ist. Die historische Betrachtung legt nahe, dass dem Gesetzgeber des BGB nicht bewusst war, welche Relevanz das Zusammenspiel aus der Volatilität börsennotierter Aktien mit der tatsächlich nicht vorhandenen Möglichkeit der Veräußerung am Stichtag erlangen kann. Unabhängig davon wird er dies jedoch schon deswegen nicht berücksichtigt haben, weil er vorausgesetzt hat, dass dieses Risiko sich gar nicht realisieren muss, da die Veräußerungsmöglichkeit durch den Erben am Stichtag besteht. Es ergibt sich auch aus der systematischen Auslegung insbesondere des § 2313 BGB, dass der Gesetzgeber in ihm bekannten Fällen durchaus gewillt war, sich aus Unwägbarkeiten ergebenden unbilligen Ergebnissen dadurch vorzubeugen, dass eine Bewertung erst dann erfolgt, wenn diesen Unsicherheiten wirksam begegnet werden kann. In der Gesamtschau ergibt sich aber auch, dass ein Abweichen von der gesetzlichen Stichtagsregelung aufgrund des klaren Wortlauts nicht möglich ist. Es wird jedoch deutlich, dass zwischen den Vorstellungen und Zielen des Gesetzgebers und den tatsächlichen Auswirkungen der Regelungen dann eine Diskrepanz besteht, wenn börsennotierte Aktien im Nachlass vorhanden sind, die von dem Erben am Stichtag nicht veräußert werden können. Deren Volatilität führt zu einer Erhöhung des Risikos, dem aufgrund der mangelnden Veräußerungsmöglichkeit am Stichtag nicht abgeholfen werden kann. Die Anwendungsfolgen im Zusammenhang mit börsennotierten Ak­tien stehen daher nicht mehr im Einklang mit den Grundgedanken des § 2311 BGB, so 211  So

auch Braga, AcP 153 (1954), 144, 160.

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

dass die Notwendigkeit besteht, das so zustandegekommene Bewertungsergebnis zu korrigieren. Da die genannten Schwierigkeiten bereits im Rahmen des Bewertungssystem selbst auftreten, kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass dem Erben die Möglichkeit der Beantragung der Nachlassinsolvenz zur Verfügung steht, um sein eigenes Vermögen zu schützen und damit eine Inanspruchnahme über das Ererbte hinaus zu verhindern. Eine ähnliche Auffassung vertrat Braga, der der Meinung war, dass die Höhe des Pflichtteilsanspruchs dem „ökonomischen Wertverhältnis zwischen dem Erbteil und dem Pflichtteil“ genau entsprechen müsse.212 Als Bestandteil dieses „ökonomischen Wertverhältnisses“ sei nicht nur das korrekte prozentuale Verhältnis zwischen Nachlass und Pflichtteil anzusehen; vielmehr müsse auch die Möglichkeit des Erben einbezogen werden, durch Veräußerung von Nachlassgegenständen eine sichere finanzielle Sachlage für sich zu schaffen.213 Sei diese Möglichkeit nicht gegeben und ergebe sich dadurch ein Ungleichgewicht zwischen dem Nachlasswert und dem auszuzahlenden Pflichtteilsanspruch, dürfe die materielle Gerechtigkeit nicht der starren Anwendung des Stichtagsprinzips aus § 2311 I 1 BGB zum Opfer fallen.214 Solange nämlich die Einwirkungsmöglichkeiten des Erben und des Pflichtteilsberechtigten gleichsam für den konkreten Fall praktisch nicht bestünden, dürfe das Risiko nicht einseitig dem Erben auferlegt werden, weil daraus eine ungerechtfertigte Besserstellung des Pflichtteilsberechtigten folgen würde.215 Auch dürfe § 2311 I 1 BGB nicht isoliert von den Grundprinzipien des Pflichtteilsrechts betrachtet werden.216 Vielmehr sei die gerechte Beteiligung des Pflichtteilsberechtigten am Nachlass das primäre Ziel, dem die „Fiktion“ der lückenlosen Gesamtrechtsnachfolge unterzuordnen sei. Gerade aus letzterer ergebe sich aber häufig schon die Diskrepanz zwischen der Risikotragung und der Möglichkeit der Beherrschung des Risikos. Dem ist insofern zuzustimmen als, erlegt man dem Erben ein Risiko mit der Begründung auf, er sei aufgrund seiner rechtlichen Stellung selbst in der Lage, diesem zu begegnen, dies dann nicht gelten kann, wenn er dazu unverschuldet nicht in der Lage ist. Dies muss vor allem dann der Fall sein, wenn das betreffende Risiko aufgrund der Eigenarten des Bewertungsgegenstandes besonders hoch ist. An dieser Stelle ist freilich zu bemerken, dass eine tatsächliche Veräußerung der meisten Nachlassgegenstände am Stichtag selbst aus tatsächlichen Gründen nicht möglich sein wird. So müssen stets Käufer gefunden oder Verhandlungen geführt werden. Gerade die Veräuße212  Braga,

AcP AcP 214  Braga, AcP 215  Braga, AcP 216  Braga, AcP 213  Braga,

153 153 153 153 153

(1954), (1954), (1954), (1954), (1954),

144, 144, 144, 144, 144,

161. 162. 162. 163. 162.



D. Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts91

rung von Grundstücken kann sich aufgrund der notariellen Beurkundungspflicht des Kaufvertrags hinziehen. Wohingegen jeder tatsächliche Verkaufspreis aber gerade auch auf Verhandlungen beruht, wird börsennotierten Aktien durch den festgestellten Kurs ein ganz genauer Wert zu einem bestimmten Zeitpunkt beigemessen, von dem bei einer Veräußerung an der Börse nicht abgewichen werden kann. Die hohe Anfälligkeit für Schwankungen sorgt dafür, dass die mangelnde Veräußerungsmöglichkeit stärker ins Gewicht fällt und auch keine Orientierung am tatsächlichen Verkaufspreis stattfinden kann, wie es bei Grundstücken anerkannt ist. Es würde der gedanklichen Konzeption des Pflichtteilsrechts daher besser entsprechen, wenn die Bewertung der börsennotierten Aktien erst zu dem Zeitpunkt stattfände, in dem der Erbe tatsächlich die Möglichkeit hat, das Wertminderungsrisiko dadurch zu beherrschen, dass er sie veräußert. Im Folgenden ist zu untersuchen, ob dieser Wertungswiderspruch aufgelöst werden kann und ob dies im Rahmen des geltenden Rechts oder aber durch die Schaffung einer entsprechenden gesetzlichen Regelung möglich ist. Da ein Abweichen von der Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag de lege lata nicht möglich ist, bleibt ein Vorgehen über die Billigkeitsvorschrift des § 242 BGB, die letztlich eine Ergebniskorrektur darstellt.

D. Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts über § 242 BGB Der „das gesamte Rechtsleben beherrschende Grundsatz“217 des § 242 BGB wird dann herangezogen, wenn eine konkrete Entscheidung nicht mehr auf Wortlaut oder genauen Sinngehalt der einschlägigen Normen gestützt werden kann.218 Durch die Anwendung von Generalklauseln kann das Recht an die Lebensverhältnisse angepasst und im Einzelfall eine gerechte Entscheidung herbeigeführt werden.219 Teile der Literatur wollen Ausnahmen von dem Grundsatz der Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag über § 242 BGB erlauben, wenn ein „extremer Einzelfall“ vorliegt.220 Unter welchen Umständen dieser gegeben ist, wird allerdings nicht weiter konkretisiert. Auch wird nicht genauer dargelegt, wie eine Korrektur über § 242 BGB tatsächlich aussehen könnte. Ausgehend von der Kasuistik zu § 242 BGB ist dem Erben richtigerweise ein Leistungsverweigerungsrecht einzu217  BGH

NJW 1983, 109, 110. § 242 Rn. 23. 219  Westermann/Bydlinski/Weber, Rn. 4/1. 220  Groll/Rösler, C VI Rn. 114 (unter beispielhafter Nennung der Manipulation des Börsenkurses); MüKo-AktG/Heider, § 6 Rn. 11; Veith, NJW 1963, 1521, 1525; BGH NJW 2001, 2713, 2714; ausdrücklich dagegen Schlitt/Müller/Blum, § 3 Rn. 74. 218  MüKo/Roth,

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

räumen, wodurch über § 242 BGB eine Korrektur der oben festgestellten Schwäche des Systems gerade für die Fallgruppe von Kursverlusten börsennotierter Aktien erfolgen könnte, ohne seine grundsätzliche Berechtigung in Frage zu stellen. Über die im Rahmen des § 242 BGB notwendige Interessenabwägung221 fände schließlich auch die Position des Pflichtteilsberechtigten Berücksichtigung. Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob § 242 BGB auf diese Fälle anwendbar ist, beziehungsweise an welche Voraussetzungen das Leistungsverweigerungsrecht geknüpft werden muss.

I. Anwendbarkeit des § 242 BGB Das Eingreifen des § 242 BGB setzt eine „rechtliche Sonderverbindung“ zweier Personen voraus, die entweder in einem vertraglichen oder einem gesetzlichen Schuldverhältnis bestehen kann.222 Erbe und Pflichtteilsberechtigter sind in einem gesetzlichen Schuldverhältnis miteinander verbunden, auf das vorbehaltlich erbrechtlicher Sonderregelungen das allgemeine Schuldrecht Anwendung findet.223 Seinem Wortlaut nach erlegt § 242 BGB zwar lediglich dem Schuldner die Verpflichtung auf, die Leistung so zu erbringen, wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. Die Vorschrift schafft aber nicht nur Verhaltensgebote für ihn, sondern dient allgemein dazu, die Leistungspflicht zu konkretisieren.224 Dem Gebot von Treu und Glauben sind damit beide Parteien des Schuldverhältnisses verpflichtet,225 so dass sich aus § 242 BGB auch eine Schrankenfunktion ergibt226. Um diese herzuleiten, muss nicht über den Wortlaut des § 242 BGB hinausgegangen werden. Vielmehr ergibt sie sich „reflexartig“ aus der Konkretisierung der Leistung,227 denn „jede Verkürzung der Leistungspflicht des Schuldners führt […] zugleich zu einer entsprechenden Anspruchsverminderung beim Gläubiger“.228 Die Verpflichtung, die Leistung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu erbringen, kann mithin auch bewirken, dass der Gläubiger eine geringere oder spätere Leistung hinnehmen muss. Er unterliegt damit Rücksichtnahmepflichten und Beschränkungen bezüglich des Inhalts seiner Berechtigung.229 Die Anwend221  MüKo/Roth,

§ 242 Rn. 49 m. w. N. § 242 Rn. 14. 223  Staudinger/Otte, § 2303 Rn. 45. 224  BeckOK/Sutschet, § 242 Rn. 30. 225  Weber, JuS 1992, 631, 634 f. 226  Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 201 ff. 227  Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 200. 228  Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 199 m. w. N. 229  Jauernig/Mansel, § 242 Rn. 18. 222  BeckOK/Sutschet,



D. Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts93

barkeit des § 242 BGB auf das Verhältnis zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten ist daher gegeben, was auch in Literatur230 und Rechtsprechung231 anerkannt ist.

II. Voraussetzungen des Leistungsverweigerungsrechts 1. Mangelnde tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit bei Eintreten der Kursverluste Um den nach Auslegung des § 2311 BGB festgestellten Widerspruch über § 242 BGB aufzulösen, müsste das Leistungsverweigerungsrecht – ausgehend von dem Normzweck – dem Erben in einer Höhe gewährt werden, über die diejenigen Verluste aufgefangen würden, zu deren Verhinderung er nicht im Stande war. So ist darauf abzustellen, wann der Kursverlust eingetreten ist und ob der Erbe tatsächlich die Möglichkeit gehabt hätte, dies durch Umschichtung oder vollständige Veräußerung des Depots zu verhindern. Es wäre freilich müßig, tatsächlich getroffene Anlageentscheidungen zu betrachten und dabei zu hinterfragen, ob diese in Anbetracht der Sachlage am Markt vernünftig waren, denn das hochspekulative Börsengeschäft beruht gerade darauf, dass die Konsequenzen einer Anlageentscheidung häufig nicht oder nur schwer voraussehbar sind. Daher darf § 242 BGB konsequenterweise nur dann angewendet werden, wenn gerade das Vorliegen eines tatsächlichen Veräußerungshindernisses wie oben beschrieben dazu führt, dass der Erbe nicht dazu in der Lage ist, die Wertminderung des Nachlassvermögens durch die Kursrückgänge an der Börse zu verhindern, denn nur dann besteht auch der herausgearbeitete Widerspruch. Der Grund für die Wertschwankungen liegt damit außerhalb der Sphäre des Erben, der keinerlei Einfluss auf die Entwicklungen hatte, so dass der Pflichtteilsberechtigte auch in den sehr seltenen Fällen der Kursmanipulation durch den Erben geschützt bleibt. Insgesamt wird damit einerseits verhindert, dass Nachlässigkeiten des Erben durch das Eingreifen von Billigkeitsmaßnahmen honoriert werden. Andererseits kann es auch nicht zu einer wissentlichen Manipulation zulasten des Pflichtteilsberechtigten kommen. Der Schutzzweck des Stichtagsprinzips bleibt damit gewahrt. Die Gewährung eines Leistungsverweigerungsrechts wäre davon abhängig, wann der Erbe tatsächlich dazu in der Lage war, die börsennotierten Aktien zu veräußern, und ob dieser Zeitpunkt vor oder nach dem Kurssturz an der Börse lag. Dieser Zeitpunkt soll hier als „Eintritt der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit“ bezeichnet werden, der im Folgenden näher erarbeitet wird. 230  MüKo/Lange, 231  BGH

§ 2311 Rn. 35; Staudinger/Herzog, § 2311 Rn. 6 f. NJW 2001, 2713, 2714.

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

a) Begriff der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit Ausgehend von der oben getroffenen Feststellung, dass der Veräußerung der Nachlassgegenstände Hindernisse entgegenstehen können, ist die tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit negativ zu definieren. So ist in diesem Zusammenhang zu fragen, wann diese gerade noch nicht vorliegt und sodann im Umkehrschluss von dem Eintritt der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit in dem Moment auszugehen, in dem die Veräußerungshindernisse wegfallen. Wie im Ergebnis der Auslegung des § 2311 BGB erkennbar, stellt das Stichtagsprinzip sicher, dass den Erben die Vor- und Nachteile der Eigentümerstellung in dem Moment treffen, in dem er sie einnimmt. Das Eigentumsrecht zeichnet sich gemäß § 903 S. 1 BGB dadurch aus, dass sein Inhaber mit der betreffenden Sache nach Belieben verfahren und andere von der Einwirkung ausschließen kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Der Eigentümer einer Sache ist damit grundsätzlich verfügungsberechtigt. Betrachtet man die Situation des Erben, fällt auf, dass er zwar gemäß § 1922 BGB mit dem Erbfall Eigentümer wird und ihm die Verfügungsberechtigung daher vollumfänglich zusteht. In rechtlicher Hinsicht kann er mit den börsennotierten Aktien so verfahren, wie es ihm beliebt. Dieses Recht kann er jedoch aufgrund rein tatsächlicher Umstände de facto insbesondere dann nicht ausüben, wenn er seine Legitimation gegenüber der depotführenden Bank nicht nachweisen und daher im Ergebnis keine Verfügungen tätigen kann. Genau genommen nimmt er damit noch nicht die exakte Rechtsstellung des Erblassers ein.232 Ebenso problematisch ist es, wenn der Erbe am Stichtag nur deswegen Eigentümer war, weil die Erben- und damit die Eigentümerstellung ex tunc eintritt und er in die Position einrückt, die zuvor eine andere Person innehatte. In diesen Fällen war es ihm rein tatsächlich nicht möglich, zum Bewertungszeitpunkt „nach Belieben“ mit der Sache zu verfahren, so dass er seine erst nachträglich rückwirkend eingetretene Verfügungsbefugnis nicht auszuüben vermochte. Ebenso verhält es sich, wenn der Erbe erst einige Zeit nach dem Erbfall von diesem oder von seiner Erbenstellung erfährt. Tatsächlich ist es einem Erben, der keine Kenntnis von der Existenz des Aktiendepots hat, am Stichtag ebenfalls nicht möglich, Verfügungen darüber zu treffen, um sich vor den mit dieser Form der Kapitalanlage verbundenen Risiken zu schützen. Es muss daher zwischen der aus dem Eigentumsrecht folgenden zivilrechtlichen Verfügungsbefugnis und der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit unterschieden werden. Abstufungen zwischen dem vollen Eigentumsrecht und der realen Verfügungsmöglichkeit sind dem Recht nicht fremd: 232  So

auch Landsittel, ZEV 2003, 221, 224.



D. Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts95

Etwa im Steuerrecht findet sich der Begriff der „tatsächlichen Verfügungsbefugnis“: Gemäß § 39 II Nr. 1 S. 1 AO ist wirtschaftlicher Eigentümer, wer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann.233 Es wird demnach darauf abgestellt, wer tatsächlich über das Wirtschaftsgut verfügen kann. Fallen das wirtschaftliche und das zivilrechtliche Eigentum auf diese Weise auseinander, wird der Vermögensgegenstand nach der Abgabenordnung dem wirtschaftlichen Eigentümer zugerechnet.234 Dies zeigt, dass durchaus rechtlich anerkannt ist, dass die zivilrechtliche Eigentümerstellung nicht zwangsläufig zur Folge haben muss, dass der Eigentümer auch tatsächlich nach Belieben über den Vermögensgegenstand verfügen kann, so dass die an diese tatsächliche Verfügungsmöglichkeit geknüpften Folgen für ihn nicht eintreten. Im Falle der tatsächlichen Unmöglichkeit, die Aktien zu veräußern, ist es daher sachgerecht, begrifflich auf die Veräußerungsmöglichkeit abzustellen, denn nur aufgrund der tatsächlichen Umstände kann weder ein Verpflichtungs- noch ein Verfügungsgeschäft abgeschlossen werden. Es geht auch nicht um die Wirksamkeit derselben, sondern um die rein tatsächliche Möglichkeit, zu einem bestimmten Zeitpunkt einen schuldrechtlichen oder dinglichen Vertrag abzuschließen, etwa weil die als Finanzintermediär notwendig zwischengeschaltete Bank keinen Zugriff auf die Vermögenswerte erlaubt. Insofern unterscheidet sich die mangelnde tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit von dem steuerrechtlichen Begriff der tatsächlichen Verfügungsmöglichkeit und stellt keinen formaljuristischen Begriff, sondern lediglich die Beschreibung einer durch tatsächliche Umstände herbeigeführten Einschränkung der rechtlich bestehenden Möglichkeiten des Eigentümers dar. Diese Konkretisierung des Begriffes verdeutlicht auch, dass ein beacht­ licher Mangel der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit im Rahmen des § 242 BGB nicht bei jedem Veräußerungshindernis angenommen werden darf. Betrachtet man die oben angeführten Veräußerungshindernisse, wird deutlich, dass subjektive Kriterien schwer beweisbar sind, da sie in der Sphäre des Erben angesiedelt sind: Unkenntnis von dem Erbfall am Stichtag kann auf vielen Gründen beruhen und wird so häufig sein, dass der Gesetzgeber sich dem nicht verschlossen haben kann. Weiß der Erbe nichts von der Existenz des Wertpapierdepots, muss er sich einen Überblick über die vorhandenen Nachlassgegenstände verschaffen, während die Ausschlagungsfrist läuft. Findet er keinen Käufer für einen Nachlassgegenstand, kann das auf seinem Verkaufsgeschick oder auf aktuellen Marktverhältnissen beruhen. 233  BFH

WM 1972, 297, 299. Kap. E Rn. 920.

234  Winnefeld,

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

Diese subjektiven Kriterien sind wenig trennscharf und würden daher zu Unsicherheiten führen. Insbesondere sind sie nicht typisch für die hier problematisierten Fälle, die lediglich auf dem Zusammenspiel der Volatilität der Aktien und der gesetzlichen Risikoverteilung beruhen. Ausschlaggebend ist schließlich das pflichtteilsrechtliche Bewertungsziel: Vermögensgegenstände sollen mit dem Wert angesetzt werden, den sie am Stichtag in der Hand eines jeden Erben gehabt hätten. Daher dürfen auch bei einer Hilfskonstruktion wie der hier vorgeschlagenen tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit nur Hindernisse berücksichtigt werden, die auch jeden Erben betroffen hätten. Rein in der Person und den persönlichen Umständen des Erben begründet liegende Kriterien müssen daher außen vor gelassen werden. Dies gilt nicht zuletzt deswegen, weil es sich häufig nicht lediglich um einen einzelnen Erben, sondern um ganze Erbengemeinschaften handelt, deren Mitglieder zu unterschiedlichen Zeitpunkten von dem Erbfall Kenntnis erlangen. Der Begriff der mangelnden tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit, wie er im Folgenden verstanden werden soll, umfasst demnach nur die Fälle, in denen der Erbe am Stichtag tatsächlich nicht in der Lage ist, über das Wertpapierdepot zu verfügen und dies aufgrund der Umstände des Erbfalls auch für jede andere Person in seiner Position gelten würde. Dies ist dann der Fall, wenn der Legitimationsnachweis nicht erbracht werden kann oder die Erbenstellung rückwirkend eintritt. b) Kontrollüberlegung: Rechtmäßiges Alternativverhalten Als Kontrollüberlegung soll der in der pflichtteilsrechtlichen Literatur gemachte Vorschlag herangezogen werden, dem Erben zu erlauben, sich auf eine Art „rechtmäßiges Alternativverhalten“ zu berufen235. Dem liegen im Wesentlichen die gleichen Gedanken wie dem hier entwickelten Ansatz zugrunde: So wird darauf abgestellt, dass der Pflichtteilsberechtigte, wäre er Erbe geworden, genauso von dem Kursverlust betroffen gewesen wäre. Auch er hätte nicht anders handeln und die Verluste damit nicht verhindern können. Dafür spricht, dass immer der Wert anzusetzen ist, den der Nachlassgegenstand in der Hand jedes Erben gehabt hätte.236 Die Rechtsfigur des „rechtmäßigen Alternativverhaltens“ stammt aus dem Schadensersatzrecht und wird vor allem im Arzthaftungsrecht im Zusammenhang mit hypothetischen Einwilligungen und Kausalverläufen herangezogen. Im Rahmen der hypothetischen Kausalität ist vom Schutzzweck der Norm auszugehen. Es 235  Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wärzholz/Riedel,

§ 5 Rn. 12. NJW 1954, 1037; Dauner-Lieb/Wartenburger/Leiß, § 2311 Rn. 31; MüKo/Lange, § 2311 Rn. 25; Soergel/Dieckmann, § 2311 Rn. 16; Staudinger/Herzog, § 2311 Rn. 84; Mayer, ZEV 1994, 331; Meincke, FS-Wiedemann (2002), S. 105, 113. 236  BGH



D. Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts97

muss demnach darauf abgestellt werden, ob sie genau das verletzte Rechtsgut schützt237 und die Rechtsgutsverletzung auch dann eingetreten wäre, wenn der Schädiger sich rechtmäßig verhalten hätte.238 Übertrüge man diese Rechtsfigur auf den Fall, dass die Börsenkurse der im Nachlass enthaltenen Aktien ohne Zutun oder Verhinderungsmöglichkeiten des Erben fallen und so ein erheblicher Wertverlust eintritt, müsste auf den oben erläuterten Schutzzweck des Stichtagsprinzips aus § 2311 I 1 BGB und darauf abgestellt werden, ob die Wertminderung in dieser Situation durch jeden Erben hätte abgewendet werden können, oder eben nicht. Der Konstruktion liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Verhalten dann nicht sanktioniert werden beziehungsweise schadensersatzpflichtig machen kann, wenn der Schaden auch dann eingetreten wäre, wenn die Handlung oder Unterlassung erlaubt gewesen wäre. Für das Pflichtteilsrecht würde dies bedeuten, dass der Erbe sich darauf berufen kann, dass sein Verhalten nicht kausal dafür ist, dass die Wertminderung eingetreten ist, weil es ihm nicht möglich war, diese durch ein ideales Anlageverhalten zu verhindern. Ein „rechtmäßiges Alternativverhalten“ gibt es in diesem Fall genaugenommen so nicht, da der Erbe sich mangels tatsächlicher Veräußerungsmöglichkeit gar nicht anders verhalten konnte. Obwohl es daher in der hier behandelten Konstellation per se auch nicht um ein „unrechtmäßiges Verhalten“ geht, spricht für die Berücksichtigung dieser Rechtsfigur, dass auf den Schutzbereich der Norm abgestellt wird und die mangelnde Kausalität des Verhaltens des Erben für den Wertverfall so angemessen berücksichtigt werden kann. Wie oben ausgeführt, schützt das Stichtagsprinzip den Pflichtteilsberechtigten vor illoyalen oder ungeschickten Verfügungen des Erben, die zu Wertminderungen führen. Diese treten hier aber gerade zu einem Zeitpunkt ein, zu dem der Erbe faktisch gar nicht zur Veräußerung im Stande ist. Verluste nach dem Stichtag hätten den Pflichtteilsberechtigten demnach – wäre er selbst Erbe gewesen – genauso getroffen wie den Erben, weil eine Verfügung über die Aktien aus objektiven Gründen niemandem möglich war. Die Überlegungen zum rechtmäßigen Alternativverhalten machen die hier angestellten Überlegungen noch einmal in anderem Gewand deutlich: So ist vergleichend zu betrachten, was der Pflichtteilsberechtigte oder jeder andere in der Lage des Erben hätte tun können, um die durch den Kursverlust bedingte Schmälerung des Nachlassvermögens zu verhindern. Wäre er in der Position des Erben genauso wenig in der Lage gewesen, den Nachlasswert durch geeignetes Verhalten zu erhalten, ist klar, dass es kein „rechtmäßiges“ oder in diesem Falle „werterhaltendes“ Alternativverhalten gibt. Dies ent237  Jauernig/Teichmann, Vorbem. zu §§ 249–253 Rn. 48; MüKo/Oetker, § 249 Rn. 221. 238  MüKo/Oetker, § 249 Rn. 217.

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

spricht der oben getroffenen Feststellung dazu, wann vom Fehlen einer tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit auszugehen ist, da nur objektive Gesichtspunkte berücksichtigt werden dürfen, die für den Pflichtteilsberechtigten ebenso gegolten hätten, wenn er am Stichtag selbst Erbe gewesen wäre. Der Ansatz des „rechtmäßigen Alternativverhaltens“ zeigt, dass nur die oben angestellten Überlegungen zu einer sachgerechten Auflösung des Wertungswiderspruches führen. Der hier entwickelte Ansatz ist gleichwohl geeigneter, den Besonderheiten des Erbrechts und den grundlegenden Unterschieden zum Schadensersatzrecht gerecht zu werden, denn der Umweg über das rechtmäßige Alternativverhalten betont zwar die Notwendigkeit der vorrangigen Berücksichtigung des Normzwecks, passt aber aufgrund des Rechtsmäßigkeitsaspekts dogmatisch nicht in das pflichtteilsrechtliche System. 2. Notwendigkeit zusätzlicher Voraussetzungen im Sinne einer Erheblichkeitsschwelle? Beließe man es bei der Voraussetzung, dass der Erbe zum Zeitpunkt des Kursverlustes noch nicht tatsächlich dazu in der Lage war, das Verlustrisiko durch Veräußerung abzuwenden, würde das bedeuten, dass vorbehaltlich der Beweisbarkeit durch den Erben bei jedem noch so geringen Kursverlust die Möglichkeit eines Vorgehens über § 242 BGB bestünde, womit in der Praxis nicht zuletzt eine erhebliche Belastung der Gerichte verbunden wäre. Mit Teilen der Literatur239, die ein Leistungsverweigerungsrecht lediglich im „extremen Einzelfall“ zugestehen möchten, ist daher zu erwägen, dem Erben nur dann zu erlauben, sich auf § 242 BGB zu berufen, wenn eine bestimmte Erheblichkeitsschwelle erreicht ist, ab der die Nichtberücksichtigung von Kursverlusten nicht mehr als hinnehmbar angesehen werden kann. Der von der Literatur vorgeschlagene Begriff des „besonders extremen Einzelfalles“, in dem das aus der Bewertung nach dem Kurssturz folgende Ergebnis gegen Treu und Glauben verstoßen soll, erscheint begrifflich nahe­ liegend. Bevor sich die Frage beantworten lässt, ob ein zusätzliches Kriterium zur Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts notwendig ist, muss jedoch zunächst untersucht werden, wie ein solches überhaupt aussehen könnte. Angesichts der Tatsache, dass im Vordergrund die finanzielle Belastung des Erben steht, muss dafür auf die Auswirkungen abgestellt werden, die die Auszahlung des vollen Anspruchs auf dessen verbliebenes Vermögen hat. Entscheidend wäre dann, ab wann diese Einschränkungen als nicht mehr hinnehmbar angesehen werden müssen. Dies wird sich letztlich 239  Kerscher/Riedel/Lenz-Brendel, § 7 Rn. 93; Soergel/Dieckmann, § 2311 Rn. 18; Groll/Rösler, C VI Rn. 113; Riedel, S. 74.



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nur anhand objektiver Kriterien bezogen auf den konkreten Einzelfall beurteilen lassen. Dazu kommen verschiedene Ansätze in Betracht. Zunächst könnte über eine prozentuale Grenze nachgedacht werden (a). Ferner wäre es möglich, die Unzumutbarkeit anhand der finanziellen Situation des Erben festzustellen (b) oder auf die Erheblichkeit der Kursverluste abzustellen (c). a) Prozentuale Grenze Das FG Köln hat in einer Entscheidung zum Erbschaftsteuerrecht eine feste prozentuale Grenze festgelegt, ab der das Eingreifen steuerrechtlicher Billigkeitsvorschriften in Frage kommen soll, wenn der Erbe keine Möglichkeit hatte, die Aktien vor dem Eintritt der Kursverluste zu veräußern. Da es sich hierbei um eine der pflichtteilsrechtlichen vergleichbare Problemkonstellation handelt,240 liegt es nahe, die Kriterien, die ein Eingreifen der steuerlichen Billigkeitsvorschriften rechtfertigen sollen, auch zur Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 242 BGB heranzuziehen. Im Folgenden wird daher anhand der finanzgerichtlichen Entscheidung die Möglichkeit der Festlegung einer prozentualen Grenze im Pflichtteilsrecht untersucht. aa) Hintergrund der Entscheidung des FG Köln Auch das Erbschaftsteuerrecht bedient sich zur Berechnung der festzusetzenden Steuer eines Bewertungsstichtages, wobei hier ebenfalls der Tag des Erbfalls maßgeblich ist, § 11 i. V. m. § 9 I Nr. 1 ErbStG, an dem die Steuerplicht auch entsteht. Die Bewertung börsennotierter Aktien folgt im Wesentlichen den gleichen Grundsätzen wie im Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsrecht, weswegen sich erhebliche Kursverluste nach dem Stichtag für den Erben auch bei der Bemessung der Erbschaftsteuer äußerst nachteilig auswirken können.241 Die steuerrechtliche Bewertung börsennotierter Wertpapiere und Anteile ist ausdrücklich in § 11 I des Bewertungsgesetzes242 vorgeschrieben, das für alle bundesrechtlich geregelten öffentlich-rechtlichen Abgaben gilt, soweit sie durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Demnach sind börsennotierte Aktien im Rahmen der Steuerfestsetzung mit dem niedrigsten für sie am Stichtag im geregelten Markt notierten Kurs anzusetzen. Liegt eine Notierung für den Stichtag nicht vor, so ist der letzte innerhalb von dreißig Tagen vor dem Stichtag notierte Kurs dazu Möllmann, BB 2010, 407, 408. hierzu Kemmerling/Delp, BB 2002, 655; Naujok, ZEV 2003, 94 f.; Koblenzer, ErbStB 2005, 132; Schuhmann, UVR 2000, 450. 242  Bewertungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1.2.1991, BGBl. I S. 230. 240  s. 241  s.

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

maßgeblich. Die Regelung unterscheidet sich von der Bewertung im Pflichtteilsrecht, im Rahmen derer nicht der niedrigste, sondern der Durchschnittswert am Stichtag maßgeblich ist. § 9 I BewG regelt, dass für Bewertungen von Vermögensbestandteilen der gemeine Wert anzusetzen ist, soweit nichts anderes vorgesehen ist. § 11 I BewG stellt somit eine Sonderausprägung des steuerlichen Bewertungsgrundsatzes aus § 9 II BewG243 dar, nach dem der gemeine Wert durch den Preis bestimmt wird, der nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts im allgemeinen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Soweit ein Börsenkurs für den betreffenden Zeitraum vorliegt, sind demgegenüber alle anderen infrage kommenden Bewertungsmethoden subsidiär,244 da er als der für das Papier am Stichtag erzielbare Wert angesehen wird.245 § 11 III BewG regelt allerdings, dass Paketzuschläge zu machen sind, wenn der Wert einer Mehrheit von Aktien die durch die bloße Addition der Börsenwerte errechnete Summe übersteigt.246 Nach dem Stichtag auftretende Wertveränderungen sind bei der Steuerfestsetzung nicht mehr zu berücksichtigten;247 das Stichtagsprinzip wird streng gehandhabt.248 Ausnahmen werden in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung auch dann nicht gemacht, wenn die Verfügung über die Wertpapiere am Stichtag nicht möglich war und seither ein Wertverlust eingetreten ist.249 Weder der Zeitpunkt der Bewertung noch der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld werden modifiziert.250 bb) Anwendung der Billigkeitsvorschriften der Abgabenordnung durch das FG Köln Für Härtefälle sieht die Abgabenordnung vor, dass aus Billigkeitsgründen entweder eine abweichende Steuerfestsetzung, § 163 AO, oder ein völliger oder teilweiser Erlass der Steuern, § 227 AO, erfolgen kann. Unbilligkeit wird in diesem Zusammenhang als „ein aus der allgemeinen Anwendung 243  Rössler/Troll/Eisele,

§ 11 Rn. 11. DStR 2009, 1829, 1830. 245  Hessisches Finanzgericht, U. v. 3.4.2007 – 1 K 1809/04, Rn. 23; Rössler/ Troll/Eisele, § 11 Rn. 11. 246  Einzelheiten bei von Oertzen, BB 2004, 1135, 1136 und Piltz, DStR 2009, 1829, 1832 f. 247  Hessisches Finanzgericht, U. v. 3.4.2007 – 1 K 1809/04, Rn. 22; Troll/Jülicher, § 11 Rn. 17 m. w. N. aus der Rechtsprechung. 248  BFH BStBl. II 1977, 425; BFH/NV 2002, 319; kritisch Troll/Gebel, § 11 Rn. 15. 249  BFH BFH/NV 1991, 243; bestätigt durch BFH BFH/NV 2000, 320; kritisch Kapp, StuW 1993, 67, 68. 250  Zu dieser Differenzierung Klein-Blenkers, DStR 1991, 1549 f. 244  Piltz,



D. Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts101

eines Gesetzes im Einzelfall folgendes Ergebnis, wenn es von allen billig und gerecht Denkenden als unzumutbare Härte empfunden wird“251 definiert. Bei starken Kursverlusten eines Aktiendepots nach dem Stichtag sieht es die Rechtsprechung seitens der Behörden als grundsätzlich ermessenfehlerfrei an, eine sachliche Unbilligkeit zu verneinen und damit keinen Gebrauch von der Möglichkeit der §§ 163, 227 AO zu machen; dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers, der in der Einführung des Stichtagsprinzips deutlich zum Ausdruck gekommen sei.252 Unbilligkeiten, die sich allein aus dem erbschaftsteuerrechtlichen Bewertungssystem ergeben, würden nicht über die Billigkeitsvorschriften ausgeglichen, weil der Gesetzgeber sie bei der Ausgestaltung der Bewertung bewusst in Kauf genommen habe.253 Eine sachliche Unbilligkeit wird demnach nur bejaht, wenn das aus der korrekten Anwendung der gesetzlichen Vorschriften folgende Ergebnis dem von dem Gesetzgeber intendierten Sinn widerspricht.254 So sieht dies auch die Finanzverwaltung,255 die Einzelfallentscheidungen nach den Billigkeitsregelungen generell nur sehr restriktiv vornimmt.256 Das FG Köln hat jedoch entschieden, dass grundsätzlich eine persönliche, also in der Person des Steuerpflichtigen liegende Unbilligkeit anzunehmen sein kann. Eine solche liegt nach dem BFH dann vor, wenn der Steuerpflichtige durch das Begleichen der Steuer in voller Höhe in eine wirtschaftliche Notlage geriete und ausweislich seines Vorverhaltens auch erlasswürdig ist,257 seine wirtschaftliche Belastung also nicht selbst zu vertreten hat. Im Falle negativer Wertschwankungen börsennotierter Wertpapiere nach dem Stichtag nimmt das FG Köln eine persönliche Unbilligkeit daher dann an, wenn der Steuerpflichtige bei einem Kursverfall keine Möglichkeit hatte, die Aktien zu veräußern oder den Wertverlust anderweitig zu verhindern und er durch die Höhe der festgesetzten Steuer übermäßig belastet würde.258 Auch das Bundesverfassungsgericht legte den Finanzgerichten nahe, in derart gelagerten Fällen die Billigkeitsregelungen zur Anwendung zu bringen.259 251  Schuhmann,

UVR 2000, 450, 452. Finanzgericht, U. v. 3.4.2007 – 1 K 1809/04, Rn. 30; FG München, U. v. 14.2.2001 – 4 K 153/98. 253  FG Nürnberg, NJW 1992, 263, 264; Troll/Gebel, § 11 Rn. 25; Schuhmacher, UVR 2000, 450, 451. 254  BFH DStRE 1998, 487 f., kritisch dazu Meincke, DStR 2004, 573, 574. 255  Z. B. OFD Hannover UVR 2003, 248. 256  Meincke, DStR 2004, 573, 579. 257  BFH BStBl. II 1991, 864. 258  FG Köln DStRE 1998, 974. 259  BVerfG NJW 1995, 2624. 252  Hessisches

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Das FG Köln hatte zu entscheiden, ab wann die Verluste durch den Kurssturz beträchtlich genug waren, um eine solche erhebliche Belastung zu begründen. Nach Auffassung des Gerichts muss zu diesem Zweck ein Vergleich zwischen dem Betrag gezogen werden, der dem Erben nach dem Willen des Gesetzgebers verbleiben soll und demjenigen, der dem Erben nun dauerhaft tatsächlich verbleibt.260 Verglichen wird demnach die finanzielle Situation des Erben, die nach Abzug der Erbschaftsteuer durch den Kurssturz entstanden ist, mit der, die ohne den Kurssturz bestanden hätte. Verbleibt ihm weniger als die Hälfte dessen, was er ohne den Kursverlust nach dem Abzug der Erbschaftsteuern noch gehabt hätte, und vermochte er den Wertverlust nicht durch Veräußerung oder Umschichtung des Depots abzuwenden, können nach Ansicht des FG Köln Billigkeitsmaßnahmen in Erwägung gezogen werden.261 Erforderlich ist sodann eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörden im Einzelfall, wobei zu prüfen ist, ob das Übermaßverbot und die Erbrechtsgarantie aus Art. 14 GG verletzt sind.262 In der Literatur wird zu diesem Problem hingegen einerseits vertreten, eine Billigkeitsentscheidung käme dann in Betracht, wenn die nach dem Kursverfall in Anbetracht der Wertminderung des Nachlasses faktische Besteuerungsquote den Höchststeuersatz der Steuerklasse oder den Steuersatz der nächsthöheren Steuerklasse übersteige;263 andererseits soll es – weniger konkret – genügen, wenn die Steuerlast „erdrosselnde Wirkung“ habe.264 Auch könne eine Härte angenommen werden, wenn der Erbe gezwungen sei, Nachlassgegenstände zu verkaufen, um die Steuer begleichen zu können, so dass sich die Kursrückgänge nunmehr nicht mehr lediglich als Buchverluste sondern vielmehr unmittelbar auswirkten.265 Im Zuge der Finanzkrise wird die strenge Handhabung des Stichtagsprinzips mittlerweile in der Literatur stellenweise als nicht mehr verfassungsgemäß kritisiert.266

260  FG Köln U. v. 23.10.1997 – 9 K 3954/89; wohl zustimmend Schuhmacher, UVR 2000, 450, 453. 261  FG Köln U. v. 23.10.1997 – 9 K 3954/89. 262  BVerfG NJW 1995, 2624. 263  Moench/Weinmann, § 11 Rn. 12; Meincke, § 11 Rn. 6; Michel, UVR 2000, 49, 56; so wohl auch Schuhmann, ErbR 2011, 290, 294. 264  Troll/Gebel, § 11 Rn. 27. 265  Meincke, § 11 Rn. 6. 266  Möllmann, BB 2010, 407, 409, 413 (unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts, ZEV 2007, 76).



D. Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts103

cc) Schlussfolgerungen für das Pflichtteilsrecht Angesichts der zivilrechtlichen Prägung267 der erbschaftsteuerrechtlichen Bewertungsvorschriften und ihrer daraus folgenden Parallelität zu der Bewertungspraxis im Pflichtteilsrecht, erstaunt es nicht, dass das Problem fallender Aktienkurse nach dem Stichtag im Erbschaftsteuerrecht ebenfalls auftritt. Dort wird darauf hingewiesen, dass eine Bewertung zum Stichtag mit dem sog. Bereicherungsprinzip des Steuerrechts in Konflikt stünde, wenn der Erbe erst einige Zeit nach dem Erbfall tatsächlich auf das ererbte Vermögen zugreifen könne. Nach dem Bereicherungsprinzip soll jedoch nur das versteuert werden, was der Erbe auch tatsächlich zur Verfügung hat.268 Im Erbrecht geht es um eine Beteiligung des Pflichtteilsberechtigten an dem dem Erben zugefallenen Nachlass. Auch hier stellt sich die Frage, ob dieser einen Anspruch in einer Höhe erfüllen muss, die er im Veräußerungsfall für diesen Anteil am Nachlass faktisch nie erzielen konnte. Zu untersuchen ist daher, ob die vom FG Köln entwickelte, letztlich prozentuale Grenze auch zur Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen eines von § 242 BGB zu erfassenden Einzelfalls herangezogen werden kann. Der Ansatz des FG Köln bietet eine konkrete Möglichkeit, die Grenze festzusetzen, ab der das Ergebnis der Bewertung über die Billigkeitsvorschriften korrigiert werden muss. Parallel dazu könnte auch im Pflichtteilsrecht das nach Auszahlung des oder der Pflichtteilsansprüche tatsächlich noch verbleibende Vermögen mit demjenigen verglichen werden, das dem Erben danach ohne Eintritt der Kursverluste verblieben wäre. Die Grenze könnte nach dem Vorbild der Entscheidung des FG Köln dort gezogen werden, wo dem Erben weniger als die Hälfte dessen verbleibt, was er ohne den Kurssturz nach Auszahlung des Pflichtteils übrig gehabt hätte. Eine derartige Billigkeitsgrenze könnte eine Erheblichkeitsschwelle bilden, so dass nicht jeder Kursverlust an der Börse zwangsläufig zu einem Eingreifen des § 242 BGB führen müsste. Die Schwächen einer starren prozentualen Grenze liegen jedoch klar auf der Hand: Ein einziger Euro oder gar Centbeträge können dafür maßgeblich sein, ob eine Billigkeitsregelung eingreift oder nicht. Die einzig denkbare Möglichkeit, diesen Wertungswiderspruch zu vermeiden, bestünde darin, dem Erben als Rechtsfolge des Eingreifens des § 242 BGB grundsätzlich immer die Hälfte dessen zu erhalten, was er nach der Auszahlung noch übrig behalten hätte, wenn die Börsenkurse nicht gefallen wären. Das würde aber wiederum bedeuten, dass der Erbe sein eigenes Vermögen niemals angreifen müsste, sondern grundsätzlich Vermögen übrig behalten würde. So kann das Leistungsverweigerungsrecht über 267  Schuhmann, 268  Michel,

UVR 2000, 450, 451. UVR 2000, 49, 50; Möllmann, BB 2010, 407, 408 f.

104

2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

diese Lösung aufgrund der starren Erhaltung einer bestimmten Summe zugunsten des Erben so hoch sein, dass der Pflichtteilsberechtigte gar nichts mehr erhält. Dies würde den durch Auslegung des § 2311 BGB herausgearbeiteten Grundsätzen des Pflichtteilsrechts widersprechen, die nicht vorsehen, dass der Erbe per se etwas übrig behalten muss – schon gar nicht in einer bestimmten Höhe. Ein dem Erbschaftsteuerrecht vergleichbares Bereicherungsprinzip sieht das Erbrecht eben gerade nicht vor. Insbesondere soll der durch die gesetzlichen Regelungen umfassend geschützte Anspruch des Pflichtteilsberechtigten dahinter nicht zurücktreten müssen. Nicht zuletzt würde der Erbe auch dann in den Genuss des § 242 BGB kommen, wenn er durch die Auszahlung des Pflichtteilsanspruchs gar nicht unbedingt in finanzielle Schwierigkeiten geriete, weil sich die Berechnung stets vollständig im positiven Bereich befände und damit – entgegen der Konzeption des Gesetzes – grundsätzlich dafür sorgen würde, dass dem Erben im Bezug auf die Pflichtteilsansprüche ein gewisses Barvermögen verbleibt. Die Grenze dafür, ab wann ein erheblicher Abfall der Börsenkurse vorliegt – und damit die Schwelle für das Eingreifen des § 242 BGB – läge damit denkbar niedrig. Gegenüber dem Fiskus mag eine niedrige Grenze, ab der dieser auf einen Teil der berechneten Summe verzichten muss, unbedenklich und im Lichte der Erbrechtgarantie des Art. 14 GG sogar geboten sein. Gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten hingegen, der seinerseits einen grundgesetzlich verbürgten Anspruch gegen den Erben hat, ist dies in dieser Form nicht gerechtfertigt. Es empfiehlt sich demnach nicht, die vom FG Köln festgesetzte Grenze zu übernehmen, da sie willkürliche Ergebnisse nach sich zieht und der hier untersuchten Problematik nicht auf präzise Weise begegnet werden kann. Es bleibt demnach festzuhalten, dass eine feste prozentuale Grenze unter zwei Gesichtspunkten ungeeignet ist, als zusätzliche Voraussetzung für ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 242 BGB zu dienen. Erstens könnte sie den Gegebenheiten des Einzelfalles nicht ausreichend gerecht werden und würde sich stets strikt auf die nominell vorhandenen Nachlasswerte beziehen, so dass sie sich als unflexibel und im Ergebnis völlig willkürlich erweist. Zweitens widerspräche die Erhaltung eines bestimmten Vermögenswertes dem erbrechtlichen Regelungsgefüge und würde den Pflichtteilsberechtigten umso mehr benachteiligen, je erheblicher der Kurssturz war. Für sich genommen ist sie daher gerade als zusätzliche Voraussetzung mit der Folge eines geringeren Leistungsverweigerungsrechts des Erben nicht sachgerecht.



D. Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts105

b) Unzumutbarkeit für den Erben angesichts seiner finanziellen Situation Eine weitere Möglichkeit der Gestaltung einer Erheblichkeitsgrenze wäre das Abstellen auf die konkrete finanzielle Situation des Erben. Dies hätte den Vorteil, dass die Kehrseite des Leistungsverweigerungsrechts, also die faktische Kürzung des Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten, nur dann erfolgen würde, wenn die Auszahlung des vollen Anspruchs für den Erben eine so starke finanzielle Belastung darstellt, dass sie für ihn eine unzumutbare Härte begründen würde. aa) Kriterien des BGH Anhaltspunkte dafür, unter welchen Voraussetzungen eine solche Unzumutbarkeit angenommen werden kann, bietet die bereits im Zusammenhang mit dem „wahren inneren Wert“ besprochene Entscheidung des BGH vom 25. März 1954, welche ebenfalls die Bewertung von Vermögensgegenständen anlässlich der Bezifferung eines Pflichtteilsanspruchs und die sich daraus möglicherweise ergebenden Nachteile für den Erben betraf. Der BGH gestand dem Erben darin im Falle mangelnder Liquidität ein Leistungsverweigerungsrecht über § 242 BGB zu, wenn zugunsten des Pflichtteilsberechtigten ein über dem Stopppreis liegender innerer Wert des betreffenden Grundstücks angesetzt wurde. In diesem Falle dürfe der Erbe die Zahlung unter bestimmten Umständen in Höhe des Differenzbetrags zwischen Verkehrs- und innerem Wert verweigern. Dies sollte dann in Betracht kommen, „wenn der Erbe den Pflichtteilsanspruch nicht aus seinem Barvermögen befriedigen und wenn es ihm auch nicht zugemutet werden kann, zur Befriedigung des Pflichtteilsanspruchs sich die nötigen Mittel durch Veräußerung anderer, nicht preisgebundener Gegenstände zu beschaffen, so daß er das Nachlassgrundstück zum Stoppreis veräußern müsste.“269 Auch der BGH erkennt an, dass sich die Bewertung eines Nachlassgegenstandes auf den Stichtag im Einzelfall so auswirken kann, dass der Erbe auch durch Veräußerung des betreffenden Gegenstandes nicht in der Lage wäre, die Summe aufzubringen, die im Rahmen der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs angesetzt wurde. Dies nahm er zwar als Ergebnis der Bewertung hin, wies aber ausdrücklich – und obwohl der Sachverhalt des Falles dazu keinen konkreten Anlass gab – darauf hin, dass unter den oben genannten Voraussetzungen ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 242 BGB bestünde. Weicht der BGH also von dem am Stichtag tatsächlich erzielbaren Wert eines Nachlassgegenstandes ab und setzt einen auf den Stichtag bezogenen, 269  BGHZ

13, 45, 48.

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

geradezu fiktiven270 „wahren inneren Wert“ an, gleicht er die daraus für den Erben entstehenden Nachteile dadurch aus, dass er ihn durch die Zubilligung eines Leistungsverweigerungsrechts vor wirtschaftlicher Überforderung und vor der Notwendigkeit der Veräußerung bestimmter Vermögensgegenstände schützt. Zwar handelt es sich hier gerade um einen Ausgleich dafür, dass bei der Bewertung zugunsten des Pflichtteilsberechtigten von der gesetzlichen Bewertungsregel abgewichen wird, da anstatt des Verkehrswertes der wahre Wert berücksichtigt wird. Die vom BGH genannten Voraussetzungen könnten sich jedoch genauso dazu eignen, die Nachteile abzumildern, die sich für den Erben aus der Anwendung der gesetzlichen Bewertungsregeln ergeben. bb) Übertragbarkeit auf Kursverluste nach dem Stichtag Aus der Entscheidung des BGH geht hervor, dass eine Billigkeitsmaßnahme über § 242 BGB dann in Betracht kommt, wenn der Erbe nicht ohne weiteres dazu in der Lage ist, den Pflichtteilsanspruch in voller Höhe zu befriedigen, wenn also Liquiditätsprobleme bestehen. Gleiches könnte auch als maßgebliches Erheblichkeitskriterium bei Wertverlusten nach dem Stichtag herangezogen werden,271 so dass ein Eingreifen des § 242 BGB jedenfalls dann ausgeschlossen wäre, wenn der im Nachlass vorhandene Barbestand zur Befriedigung der Pflichtteilsansprüche noch ausreicht. Als nächstes ist zu fragen, wie zu verfahren ist, wenn der Nachlass zwar wertmäßig ausreicht, zur Begleichung der Pflichtteilsansprüche jedoch die Veräußerung von Nachlassgegenständen notwendig würde. Bezüglich der Frage der Unzumutbarkeit der Veräußerung könnten hier die in § 2331a BGB zum Ausdruck kommenden Grundsätze herangezogen werden. Demnach ist die Unzumutbarkeit gegeben, wenn es sich bei den betreffenden Nachlassgegenständen um das Familienheim oder einen Betrieb handelt, der die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Erben bildet.272 Problematischer ist die Konstellation, in der der Nachlass auch wertmäßig nicht ausreicht und der Erbe deswegen auf sein eigenes Vermögen zurückgreifen müsste, wie es bei stark gefallenen, beinahe wertlosen Aktien der Fall sein kann. Auch hier sind unterschiedliche Szenarien denkbar: Im besten Falle kann der Erbe die Pflichtteilsansprüche aus seinem übrigen Barvermögen begleichen. Er könnte jedoch auch gezwungen sein, eigene Vermögenswerte zu veräußern oder aber völlig mittellos und damit nicht einmal durch die Liquidierung von Vermögensgegenständen in der Lage sein, die Ansprüche zu auch Kogel, FF 2009, 390, 391. auch Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz/Mayer, 1. Auflage 2003, § 5 Rn. 6. 272  s. dazu ausführlich bereits unter Kap. 2 A. II. 3.

270  So 271  So



D. Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts107

befriedigen. Es stellt sich also die Frage, ob für die Feststellung einer übermäßigen Belastung des Erben allein das Nachlassvermögen oder auch das Eigenvermögen betrachtet werden muss. Der BGH hat in seiner Entscheidung keine näheren Vorgaben dazu gemacht, wann die Veräußerung eines Vermögensgegenstandes für den Erben unzumutbar sein soll. Er spricht von „Vermögensgegenständen“, nimmt aber zuvor Bezug auf den mit dem „wahren Wert“ bewerteten Nachlassgegenstand. Soll demnach auf die Zumutbarkeit der Liquidation der Nachlassgegenstände oder auch auf solche des Eigenvermögens des Erben abgestellt werden? Letzteres würde bedeuten, dass für § 242 BGB eine höhere Eingriffsschwelle bestünde, da er nur dann eingreifen könnte, wenn der Erbe auch unter Hinzunahme seines eigenen Vermögens nicht in der Lage oder es für ihn nicht zumutbar ist, den Pflichtteilsanspruch zu erfüllen. Dies erscheint zunächst sachgerecht, da der Erbe grundsätzlich unbeschränkt für die Nachlassverbindlichkeiten haftet. In diesem Zusammenhang erweist sich jedoch gerade das Zusammenspiel mit den gesetzlichen Haftungsregelungen als problematisch, da der Bereich der Nachlassinsolvenz berührt wird: Reichen die Aktiva des Nachlasses nicht mehr aus, um die Passiva – unter anderem also auch die Pflichtteilsansprüche – abzulösen, kommt es auch ohne drohende oder tatsächliche Zahlungsunfähigkeit bereits zu einer Überschuldung des Nachlasses,273 die wiederum die Insolvenzantragspflicht des Erben nach § 1980 I 1 BGB auslöst. Gemäß § 1980 II 1 BGB ist dieser ab Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis dann zur Einleitung des Nachlassinsolvenzverfahrens verpflichtet. Auch für die Beurteilung, ob der Nachlass überschuldet ist, wird als Wertmesser für börsennotierte Aktien ihr Kurswert herangezogen,274 so dass unmittelbar mit dem Kursverlust auch die Überschuldung eintreten kann. Würde man die Anwendbarkeit des § 242 BGB daher davon abhängig machen, ob der Erbe persönlich solvent genug ist, um den Anspruch aus seinem Eigenvermögen zu erfüllen, ergäben sich zahlreiche Folgeprobleme. Zunächst müsste innerhalb von gemäß § 2058 BGB grundsätzlich gesamtschuldnerisch haftenden Erbengemeinschaften jeweils die individuelle Leistungsfähigkeit jedes Erben beurteilt werden. Dies würde zu komplizierten Bewertungs- und Beweisverfahren führen. Auch müsste dabei berücksichtigt werden, dass die Mitglieder der Erbengemeinschaft vor deren Auseinandersetzung gemäß § 2059 S. 1 BGB überhaupt noch nicht mit ihrem Eigenvermögen für Nachlassverbindlichkeiten haften, sofern nicht ohnehin die unbeschränkte Haftung eingetreten ist. Eine weitere negative Konsequenz eines solchen Vorgehens bestünde darin, dass es eine Ungleichbehandlung zwischen dem Erben bedeuten würde, der eigenes Vermögen besitzt und dem273  du

Carrois, RPfleger 2009, 197; vgl. auch § 19 II 1 InsO. ZinsO 2009, 2265, 2266.

274  Roth,

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

jenigen, der unabhängig von dem Ererbten mittellos ist. Nur für letzteren bestünde ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 242 BGB, während dem solventen Erben nur noch die Nachlassinsolvenz bliebe. Es ist allerdings nicht ersichtlich, weshalb zwei Erben, deren nachlassbezogene Vermögensverluste jeweils auf für sie faktisch nicht abwendbaren Kursverlusten beruhen, insoweit aufgrund ihrer davon grundsätzlich unabhängigen, sonstigen Vermögenssituation ungleich behandelt werden sollten. Aber auch für die betroffenen Pflichtteilsberechtigten ergäben sich Unterschiede: So hinge die Höhe des durchsetzbaren Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten bei identischem Nachlasswert und identischer Nachlasszusammensetzung von der finanziellen Situation des Erben ab. Bildet man ein hypothetisches Beispiel, in dem der Wert beider Nachlässe gleich hoch ist, wird deutlich, dass hier auch die Pflichtteilsberechtigten eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung erfahren, da ihnen kraft Gesetzes der Pflichtteil in gleicher Höhe zustünde. Angesichts dieser Diskrepanzen dürfte bezüglich des Eingreifens des § 242 BGB nur auf das Nachlassvermögen und damit darauf abgestellt werden, ob dem Erben die Veräußerung einzelner Nachlassgegenstände zumutbar wäre. Dies würde jedoch wiederum bedeuten, dass seine Haftung im Hinblick auf die entstandenen Pflichtteilsansprüche über § 242 BGB faktisch auf den Nachlass beschränkt würde, ohne dass die gesetzlich vorgesehenen Verfahren der Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz zur Anwendung kämen. In diesem Zusammenhang bedarf es eines kurzen Blickes auf die in diesen Fällen maßgeblichen Grundsätze der Nachlassinsolvenz: Stellt sich nach deren Eröffnung heraus, dass die Masse nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, wird dieses gemäß §§ 215 I i. V. m. § 207 I InsO beendet. Gleiches gilt gemäß § 215 I i. V. m. § 211 I InsO auch dann, wenn sich nach Verteilung der Insolvenzmasse herausstellt, dass diese nicht ausreicht, um alle Gläubiger zu befriedigen. Zeigt der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit an, ist er berechtigt, die Insolvenzgläubiger gemäß § 209 InsO – auch anteilig – zu befriedigen.275 Der Pflichtteilsanspruch kann nur dann Insolvenzforderung sein, wenn das Nachlassinsolvenzverfahren erst nach dem Stichtag zur Eröffnung kommt.276 Dies ergibt sich schon daraus, dass bei einer Überschuldung des Nachlasses am Stichtag selbst gar keine Pflichtteilsansprüche entstehen, weil es keine positive Masse gibt, an der der Berechtigte mit seiner Mindestbeteiligung partizipiert.277 Im Nachlassinsolvenzverfahren sind Pflichtteilsansprüche gemäß § 327 I Nr. 1 InsO sogenannte nachrangige Verbindlichkeiten nach den nachrangigen Gläubi275  Andres/Leithaus/Andres,

§ 211 Rn. 2. ZInsO 2007, 484, 486. 277  Schindler, ZInsO 2007, 484, 487; MüKo-InsO/Siegmann, § 327 Rn. 5. 276  Schindler,



D. Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts109

gern aus § 39 InsO. Das bedeutet, dass sie erst dann befriedigt werden, wenn alle „normalen“ Insolvenzforderungen bereits beglichen wurden, das heißt dass sie nur aus Überschüssen des Nachlasses erfüllt werden.278 Reicht der Nachlass nicht aus, um mehrere Verbindlichkeiten innerhalb des gleichen Ranges zu erfüllen, werden diese anteilig befriedigt.279 Die Verbindlichkeiten gegenüber Pflichtteilsberechtigten und Vermächtnisnehmern sind nach den anderen nachrangigen Verbindlichkeiten einzuordnen, denn deren Gläubiger sollen laut Aussage des Gesetzgebers „insoweit nicht besser stehen als der Erbe selbst“280. Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens mangels Masse erlangt der Erbe seine Verfügungsbefugnis zurück, kann sich aber gegenüber nicht befriedigten Gläubigern darauf berufen, dass der Nachlass dürftig ist und eine Befriedigung aus seinem eigenen Vermögen gemäß den §§ 1990, 1991 BGB verweigern.281 Wird der Pflichtteilsberechtigte aufgrund seiner nachrangigen Stellung nicht oder nur teilweise befriedigt, hat er keine Möglichkeit mehr, den Pflichtteil noch zu erlangen und geht damit unter Umständen vollkommen „leer aus“. Für den Pflichtteilsberechtigten ergäben sich gegenüber der Nachlassinsolvenz damit bei Gewährung eines Leistungsverweigerungsrechts nicht zwingend Nachteile. Auch die übrigen Nachlassgläubiger, die über § 327 InsO geschützt werden sollen,282 würden nicht benachteiligt, da ihre Ansprüche den Nachlasswert als Passiva mindern. Der Wert, auf dessen Grundlage die Pflichtteilsansprüche errechnet würden, würde ihre Ansprüche daher von vornherein berücksichtigen und gegenüber einer Befriedigung in der Nachlassinsolvenz keine schlechtere Position bewirken. Stellte man demnach nur auf die Höhe des Nachlassvermögens ab, würde lediglich verhindert, dass sich der Erbe verschulden, beziehungsweise die Nachlassinsolvenz beantragen müsste. Einer erheblichen Disproportionalität zwischen Nachlasswert und Pflichtteilsansprüchen könnte auf diese Weise allerdings nicht begegnet werden. Gegenüber der Einleitung des Nachlassinsolvenzverfahrens ergäben sich für den Erben keine Vorteile, da unter Umständen der gesamte Nachlass aufgezehrt würde. Es würde demnach lediglich auf anderem Wege erreicht, was auch durch die Nachlassinsolvenz bereits möglich wäre. Durch diese Überlegungen wird deutlich, dass die finanzielle Belastung des Erben letztendlich kein geeignetes Kriterium ist. Die Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts erschiene stets willkürlich und wäre so sehr von Einzelfall und Tatrichter abhängig, dass eine schematisierte Beur278  MüKo-InsO/Siegmann,

§ 327 Rn. 1. § 327 Rn.1. 280  BT-Drs. 12/2443, S. 232. 281  Firsching/Graf/Graf, Teil 4 Rn. 4.866. 282  Nerlich/Römermann/Riering, § 327 Rn. 2. 279  Braun/Bauch,

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

teilung und damit die Erarbeitung objektiver Kriterien so gut wie unmöglich wären. Auch müssten die Aktien nicht nur am Bewertungsstichtag und am Tag des Eintritts der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit, sondern zusätzlich auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Eingreifen des § 242 BGB bewertet werden, da sich die Leistungsfähigkeit des Schuldners auch nach ihrem gegenwärtigen Verkaufswert beurteilt. Eine derart gestaltete Erheblichkeitsschwelle würde demnach gerade der Rechtsklarheit und Rechtsicherheit entbehren, die im Zusammenhang mit Bewertungsvorgängen immer wieder als notwendig in den Vordergrund gestellt wird. Ferner würde sie durch eine sehr hohe Erheblichkeitsschwelle nicht den Fällen Rechnung tragen, in denen der Erbe durch die mangelnde tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit am Stichtag starke Verluste erleidet, der Nachlass jedoch nicht vollständig aufgezehrt wird. Dadurch würde das eigentliche Ziel der Einräumung des Leistungsverweigerungsrechts – die Auflösung des sich aus § 2311 BGB ergebenden Wertungswiderspruchs – nicht erreicht. Vielmehr würde lediglich auf die wirtschaftlichen Folgen des Wertverlustes abgestellt, so dass es im Ergebnis an einem präzisen Umgang mit der konkreten Problematik fehlen würde. c) Erheblichkeit der Kursverluste Es wäre schließlich denkbar, auf den Umfang der nach dem Stichtag erlittenen Kursverluste abzustellen und etwa in diesem Zusammenhang eine prozentuale Grenze aufzustellen, ab deren Erreichung dem Erben ein Leistungsverweigerungsrecht zugestanden wird. Dies ist jedoch im Wesentlichen unter Verweis auf die oben getroffenen Feststellungen zu einer prozentualen Grenze des verbleibenden Nachlassvermögens abzulehnen, da es sich auch hier um eine willkürliche, unflexible Grenze handeln würde, die im Zweifel zu einer Bevorzugung des Erben eines anderweitig werthaltigen Nachlasses vor dem Pflichtteilsberechtigten führen würde. Auch hätte dies nicht unbedingt die Wirkung einer Erheblichkeitsschwelle, da in den Fällen, in denen börsennotierte Aktien nur einen geringen Anteil des Nachlasses darstellen, ein Leistungsverweigerungsrecht bezüglich geringer Beträge geltend gemacht werden könnte. 3. Zwischenergebnis Es bleibt festzuhalten, dass die grundsätzliche Möglichkeit, jede noch so geringe negative Wertveränderung zwischen Stichtag und Eintritt der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit im Rahmen des § 242 BGB geltend zu machen, zwar grundsätzlich Zweifel daran aufkommen lässt, ob dies noch dem Charakter des § 242 BGB als Einzelfallkorrektiv entspricht. Wie eben



D. Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts111

gezeigt, fällt es jedoch schwer, geeignete objektive Kriterien zu finden, die eine Erheblichkeitsschwelle unabhängig von dem konkreten Einzelfall und im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften begründen können. Wann sie erreicht ist, kann allenfalls im Einzelfall und in Anbetracht des Nachlasswertes und des prozentualen Anteils der börsennotierten Aktien am Gesamtnachlass entschieden werden, wobei die eben erwähnten Kriterien in einer Gesamtschau abgewogen werden oder zumindest Anhaltspunkte bieten können. Das gewichtigste Argument für eine Erheblichkeitsgrenze ist jedenfalls der Gedanke, dass nur dann von der gesetzlichen Regelung abgewichen werden soll, wenn dies aus tatsächlichen Gründen, wie einer finanziellen Überforderung des Erben, auch wirklich erforderlich ist. Zu bedenken ist allerdings, dass § 242 BGB zwar dazu dient, Unbilligkeiten im Einzelfall zu vermeiden. Jedoch wird eine Unbilligkeit nicht weniger eklatant, weil sie nicht nur in seltenen Einzelfällen, sondern aufgrund tatsächlicher Gegebenheiten sehr häufig, wenn nicht sogar regelmäßig auftritt. Genau das ist jedoch der Fall, wenn der Erbe Kursschwankungen nach dem Erbfall hinnehmen muss, ohne dass dies Einfluss auf die Höhe der zu begleichenden Pflichtteilsansprüche hat. Es muss daher dabei bleiben, dass ein Leistungsverweigerungsrecht dem Grunde nach schon geltend gemacht werden kann, wenn der Erbe nachweisen kann, dass die Kursverluste zu einem Zeitpunkt erfolgt sind, zu dem er noch nicht in der Lage war, ihrem Risiko durch die Veräußerung der Papiere zu begegnen. Es wäre jedoch denkbar, diesen weiten Anwendungsbereich durch eine Beschränkung des Leistungsverweigerungsrechts dem Umfang nach zu begrenzen.

III. Umfang des Leistungsverweigerungsrechts Gesteht man dem Erben ein Leistungsverweigerungsrecht über § 242 BGB zu, stellt sich die Frage, in welcher Höhe dieses zu gewähren ist. Konsequent angesichts der oben gemachten Ausführungen wäre es, den zum Stichtag errechneten Pflichtteilsanspruch demjenigen gegenüberzustellen, der sich dann ergäbe, wenn er auf der Grundlage desjenigen Nachlasswertes errechnet würde, der sich nach Abzug der Wertverluste der börsennotierten Aktien zum Zeitpunkt des Eintritts der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit ergibt. Das Leistungsverweigerungsrecht könnte so in Höhe der Differenz gewährt werden, die zwischen dem tatsächlich auf Grundlage von § 2311 BGB errechneten und dem hypothetischen Anspruch besteht. Rechnerisch käme dies im Ergebnis der Bewertung der börsennotierten Aktien, nicht aber des vollständigen Nachlasses, auf den Tag des Eintritts der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit gleich. Der Wertungswiderspruch wäre damit vollständig aufgehoben, da eine Bewertung genau dann stattfindet, wenn die dem § 2311 BGB durch den Gesetzgeber zugrundegelegte Situa-

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

tion tatsächlich eingetreten ist. Umgekehrt würde dies jedoch dazu führen, dass der Pflichtteilsberechtigte in vollem Umfang das Risiko von Wertminderungen nach dem Stichtag mitträgt, da sich sein Pflichtteilsanspruch in Höhe seiner prozentualen Beteiligung am Nachlass entsprechend den Kursverlusten vermindert. Ausgehend von dem Grundgedanken des Stichtagsprinzips und damit dem Ziel, den Pflichtteilsberechtigten „wie einen Erben“ zu behandeln, muss aber verhindert werden, dass dem Pflichtteilsberechtigten aus der Risikotragung eine Stellung erwächst, die ihn gegenüber dem Erben benachteiligt. Vielmehr wäre es sachgerecht, wenn Erbe und Pflichtteilsberechtigter das Risiko von Wertminderungen zwischen Erbfall und Eintritt der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit zu gleichen Teilen trügen. Dies kann erreicht werden, indem das Leistungsverweigerungsrecht lediglich in dem Umfang gewährt wird, dass der Erbe die Auszahlung des Pflichtteils in Höhe der Hälfte der Differenz zwischen dem Kurswert am Stichtag und dem Kurswert am Tag des Eintritts der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit verweigern darf. Dies würde für den Erben eine erhebliche finanzielle Erleichterung bedeuten, ihn jedoch nicht davor schützen, sein eigenes Vermögen anzugreifen oder Nachlassgegenstände veräußern zu müssen. Dieser Umstand würde dem Grundgedanken des Pflichtteilsrechts im Allgemeinen und des Stichtagsprinzips im Besonderen ebenso entsprechen, wie die gemeinsame Risikotragung zwischen dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers und demjenigen, an dem der Erbe die gesetzlich vorausgesetzte stärkere Stellung im Bezug auf die Aktien tatsächlich erhält. Somit würde im Ergebnis auch keine Verschiebung des Bewertungsstichtags erfolgen, was dem Ausnahmecharakter des § 242 BGB entspräche. Im Gegensatz zu einer letztlich immer willkürlichen Erheblichkeitsschwelle beruht diese Einschränkung des Leistungsverweigerungsrechts auf klaren, nachvollziehbaren Kriterien. Missbräuche, die zu einer ungerechtfertigten hälftigen Risikotragung des Pflichtteilsberechtigten führen würden, würde dadurch vorgebeugt, dass dem Erben die volle Beweislast nicht nur dafür obliegt, dass er den finanziellen Folgen des Kursverlustes für den Nachlass nicht durch vorsorgliche rechtzeitige Veräußerung der börsennotierten Aktien vorbeugen konnte, sondern dass er ebenfalls nachweisen muss, dass er rechtzeitig alles Notwendige getan hat, um die tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit so schnell wie möglich zu erlangen.

IV. Unzulässigkeit wegen Einschränkung der Position des Pflichtteilsberechtigten? Die Tatsache, dass die Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts des Erben zu einer faktischen Kürzung des Pflichtteilsanspruchs des Berechtigten führt, wirft schließlich die Frage auf, ob dies trotz des grundsätzlich



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bestehenden Einklangs mit den Grundgedanken des § 2311 BGB zu einer unangemessenen Benachteiligung des Pflichtteilsberechtigten führen würde. Bei der Anwendung der Generalklausel des § 242 BGB muss doch stets auch die Position des Anspruchsgläubigers, hier des Pflichtteilsberechtigten, betrachtet werden. Die Berücksichtigung des Börsenkurses der Aktien zum Zeitpunkt des Eintritts der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit führt für diesen dazu, dass er weniger als das erhält, was er bei einer Bewertung auf den Stichtag erhalten hätte. Zu überlegen ist, ob dies in unzulässiger Weise in seine Rechte eingreift. Es ist daher zu klären, ob die Aufgabe des Pflichtteilsrechts eine derartige Einschränkung grundsätzlich verbietet (1.) oder ob ihr gar verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen (2.). 1. Bedenken hinsichtlich der Aufgabe des Pflichtteilsrechts? Das Pflichtteilsrecht sichert den letztwillig nicht bedachten nächsten Verwandten und dem Ehegatten des Erblassers mit einem schuldrechtlichen Anspruch auf die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils eine wirtschaftliche Mindestbeteiligung am Nachlass.283 Diese wird unabhängig davon gewährt, ob der Pflichtteilsberechtigte tatsächlich bedürftig ist und ist ihm auch nicht entziehbar, sofern nicht einer der in § 2333 BGB abschließend normierten Pflichtteilsentziehungsgründe eingreift.284 Der Erblasser, der grundsätzlich frei darüber bestimmen kann, was nach seinem Tod mit seinem Eigentum geschehen soll, wird durch das Pflichtteilsrecht in seiner Testierfreiheit eingeschränkt.285 Es stellt demnach einen Kompromiss zwischen dieser und der Familienbindung des Erbrechts286 und damit zwischen der gesetzlichen und der gewillkürten Erbfolge dar.287 Die Einzelheiten der Rechtfertigung des Pflichtteilsrechts sind nicht nur umstritten, sondern auch dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen. Gemein ist ihnen jedoch der Grundgedanke, dass die nähere Familie aufgrund ihres engen Verwandtschaftsgrades oder der mit dem Erblasser bestehenden Ehe und der damit einhergehenden, wirtschaftlichen oder sozialen Nähebeziehung am Nachlass des Verstorbenen – auch gegen seinen Willen – teilhaben soll (sog. Familiensolidarität).288 Das Pflichtteilsrecht schlägt mithin eine Brücke zwischen den widerstreiten283  Michalski, §  17 I Rn.  504; Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz/Mayer, § 1 Rn. 1; NK-BGB/Bock, § 2303 Rn. 1; MüKo/Lange, § 2303 Rn. 1; Bauer, S.  228 ff.; Olzen, Rn. 1022; Erman/Schlüter, Vor § 2303 Rn. 1. 284  BVerfG NJW 2005, 1561, 1562. 285  Frank/Helms, § 3 Rn. 6; Haas, ZEV 2000, 249. 286  Coing, A 45; MüKo/Lange, § 2303 Rn. 1 m. w. N. 287  Erman/Schlüter, Vor § 2303 Rn. 1. 288  BVerfG NJW 2005, 1561, 1564; Mayer/Süß/Tanck/Wälzholz,/Mayer; § 1 Rn. 2.

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

den Interessen des Erblassers an seiner Testierfreiheit und denen der nahen Angehörigen an einer Partizipation am „Familienvermögen“. Da der ursprünglich zur Rechtfertigung herangezogene Versorgungsgedanke289 und die Idee der gemeinsamen Erwirtschaftung des Familienvermögens290 angesichts der modernen Alters- und Familienstrukturen291 und dem Bestehen sozialstaatlicher Einrichtungen292 für das Pflichtteilsrecht heutzutage keine große Rolle mehr spielen, bietet die konkrete Rechtfertigung des Pflichtteilsrechts keine hinreichend bestimmten Kriterien, an denen sich die hier erarbeiteten Ergebnisse messen lassen müssen. Insbesondere besteht kein Anlass zu der Auffassung, dass ein teilweises Leistungsverweigerungsrecht des Erben die dem Pflichtteilsrecht zugrundeliegenden Prinzipien überhaupt berühren könnte. Festzuhalten bleibt aber, dass das Pflichtteilsrecht als unentziehbare und bedarfsunabhängige Mindestbeteiligung am Nachlass der nächsten Familienangehörigen aufgrund der Familiensolidarität ausgestaltet ist. Zu prüfen ist demnach, ob verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein Leistungsverweigerungsrecht bestehen. 2. Verfassungsrechtliche Bedenken? Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. April 2005 ist nunmehr grundsätzlich anerkannt, dass das Pflichtteilsrecht als Mindestbeteiligung am Nachlass von dem grundgesetzlichen Schutz der Art. 14 I i. V. m. Art. 6 I GG umfasst ist.293 In der Literatur wird daraus vereinzelt der Schluss gezogen, dass dem Pflichtteilsberechtigten das mangelnde Verschulden des Erben auch in Form einer Einrede über § 242 BGB nicht entgegengesetzt werden dürfe.294 Von anderen wird die Verkürzung des Anspruchs über § 242 BGB hingegen ohne weitere Erläuterung dieser Frage als zulässig angesehen.295 Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich entschieden, dass eine Mindestbeteiligung gewährleistet werden muss. Die Ausgestaltung derselben bezüglich Höhe und Anteil sei allerdings nicht von dem Grundrechtsschutz umfasst und obliege dem einfachen Gesetzgeber, der dem durch eine sachgerechte Zuweisungsregelung Rechnung tragen 289  Motive

256.

290  BVerfG

zum BGB (Erbrecht), S. 382; Olzen, Rn. 1023; Haas, ZEV 2000, 249,

NJW 2005, 1561, 1562. FS-BGH (2000), S. 1047, 1049. 292  Schröder, DNotZ 2001, 465, 469. 293  BVerfGE 112, 332; Nachweise zu dem früher geführten Meinungsstreit bei Frank, FS-Wahl (2011), S. 303, 305 (Fn. 10 f.). 294  Schlitt/Müller/Blum, § 3 Rn. 74. 295  Veith, NJW 1963, 1521; Kerscher/Riedel/Lenz-Brendel, § 7 Rn. 93; Soergel/ Dieckmann, § 2311 Rn. 18; Groll/Rösler, C VI Rn. 113; Riedel, S. 74. 291  Schlüter,



D. Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts115

müsse.296 Der Pflichtteil muss lediglich angemessen sein.297 Freilich bedeutet dies mitnichten, dass die Quote de lege lata beliebig verändert werden dürfte. Dies geschieht aber durch die hier vorgeschlagene Lösung gerade nicht: Nach wie vor wird der Pflichtteilsberechtigte in Höhe der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils am Nachlass beteiligt. Es ist lediglich für einzelne Nachlassgegenstände letztlich ein anderer Bewertungszeitpunkt maßgeblich, da diese am Tag des Erbfalls noch nicht tatsächlich veräußerbar waren, was im Ergebnis durch den Umfang des Leistungsverweigerungsrechts jedoch wiederum eingeschränkt wird. Durch die flexiblere Bewertung wird der grundsätzlich unveränderten Berechnung des Pflichtteilsanspruchs lediglich ein zahlenmäßig anderer Nachlasswert zugrunde gelegt, aus dem sich ein Leistungsverweigerungsrecht des Erben ergibt. Das pflichtteilsrechtliche Bewertungsziel wird besser erreicht, da im Ergebnis der Wert angesetzt wird, den die börsennotierten Aktien „in der Hand eines jeden Erben“ gehabt hätten. Strenggenommen hält sich die Lösung demnach im Rahmen der einfachgesetzlichen Bewertungsvorschriften zur Errechnung des Pflichtteilsanspruchs, denn § 2311 I 1 BGB sieht nur vor, dass der Berechnung Bestand und Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls zugrunde gelegt werden müssen. Es wird lediglich aus Billigkeitsgründen darauf abgestellt, dass ein Wert erst später überhaupt zu erzielen war. Die Lösung über den einfachgesetzlichen, für das gesamte Zivilrecht geltenden § 242 BGB ist damit auch verfassungsrechtlich unbedenklich.

V. Ergebnis Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts zugunsten des Erben eine Möglichkeit darstellt, die sich aus dem Zusammenspiel der extremen Wertschwankungsanfälligkeit börsennotierter Aktien mit der mangelnden Flexibilität des pflichtteilsrechtlichen Bewertungssystems ergebenden Widersprüche zu korrigieren. Daraus folgt weder ein Widerspruch zu den Grundgedanken des Pflichtteilsrechts, noch wird der Pflichtteilsberechtigte in seinen verfassungsrechtlich garantierten Rechten verletzt oder unangemessen benachteiligt. Die Begrenzung des Umfangs des Leistungsverweigerungsrechts auf die Hälfte der Wertdifferenz der Aktien am Stichtag und am Tag des Eintrittes der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit trägt schließlich der Tatsache Rechnung, dass Erbe und Pflichtteilsberechtigter während der von keiner Seite zu verantwortenden Schwebezeit gleichberechtigt bleiben und somit das Risiko hinsichtlich der Höhe des konkreten Pflichtteilsanspruchs zu gleichen Teilen tragen müssen. 296  BVerfGE

105, 313, 356. Art.  14 Rn.  302 m. w. N.

297  Maunz/Dürig/Papier,

116

2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

Diese Lösung bietet den Vorteil, dass sie eine aufwändige Erfassung der finanziellen Gesamtsituation des Erben vermeidet und sich nicht auf schwer ausfüllbare unbestimmte Rechtsbegriffe verlässt. Vielmehr trägt sie der schematischen Natur der pflichtteilsrechtlichen Bewertung Rechnung und führt zu einem klaren Ergebnis, das bereits im geltenden Recht erreicht werden kann. Nach den allgemeinen Regeln der Beweislast hat der Erbe nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für das Leistungsverweigerungsrecht vorliegen, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob die tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit zu einem früheren Zeitpunkt hätte herbeigeführt werden können. Problematisch ist dabei in erster Linie, dass nicht immer zweifelsfrei feststeht, ab welchem Zeitpunkt der Erbe die Aktien tatsächlich veräußern konnte. Kann er beispielsweise erst nach Vorlage eines eröffneten Testaments auf das Depot zugreifen, stellt sich die Frage, ob die tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit nicht früher hätte eintreten können, wenn etwa früher auf die Eröffnung des Testaments hingewirkt worden wäre. Für die Dauer eines solchen Verfahrens gibt es nur Schätz- und Durchschnittswerte, so dass es nicht möglich ist, eine entsprechende Zeitspanne losgelöst von dem konkreten Einzelfall festzustellen. Bei der Beurteilung, ob die Eröffnung zu spät beantragt wurde, dürfen daher keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Vielmehr könnte man die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB von sechs Wochen nach Kenntnis von Anfall und Grund der Berufung heranziehen. Hat der Erbe demnach nicht innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis die Testamentseröffnung beantragt, gilt dies als verspätet.

E. Lösung de lege ferenda Schließlich ist zu klären, ob die hier untersuchte Problematik sich durch eine punktuelle Änderung der pflichtteilsrechtlichen Vorschriften vermeiden ließe. Dazu ist zunächst ein kurzer Überblick über die in der Literatur bereits gemachten Vorschläge zu geben, nach dem eigene Vorschläge entwickelt werden sollen.

I. Reformerwägungen in der Literatur In der Vergangenheit wurden verschiedene Erwägungen angestellt, das pflichtteilsrechtliche Regelungsgeflecht flexibler zu gestalten und Bewertungsprobleme damit zu vermeiden. Bereits die in den dreißiger Jahren durch die nationalsozialistische Regierung eingesetzte Akademie für deutsches Recht erwog den Gedanken, den sich aus dem Schematismus der gesetzlichen Bewertungsvorschriften ergebenden Unbilligkeiten durch eine



E. Lösung de lege ferenda117

Härteklausel zu begegnen. Eine Veränderung des Stichtages lehnte sie jedoch ab. Stattdessen wurde vorgeschlagen, „bei wesentlicher Wertveränderung bis zur Befriedigung des Pflichtteilsrechtes, deren Nichtberücksichtigung für einen der Beteiligten unbillig hart wäre“ eine „Abänderung der Wertfestsetzung“ zuzulassen.298 Befürwortet man, anders als hier vertreten, die Notwendigkeit einer Erheblichkeitsgrenze, könnte man diese gesetzlich verankern, so dass die gesetzliche Risikoverteilung nur dann verändert würde, wenn den Pflichtteilsschuldner anderenfalls eine besondere Härte träfe. Die notwendigerweise weite Formulierung einer solchen Vorschrift kann jedoch problematisch werden, führt sie doch zu einer Notwendigkeit, den darin verwendeten Begriff der „besonderen Härte“ auszulegen und zu definieren. Wie oben gesehen, können keine objektiven, auf alle Fälle anwendbaren Kriterien gefunden werden, die der Orientierung dienen. Vielmehr müsste immer unmittelbar auf den konkreten Fall abgestellt werden. In der Literatur zum Pflichtteilsrecht wurden aber auch immer wieder Stimmen laut, die eine flexiblere Bewertung forderten. So schlug Steffen vor, „die bisherige Geldsummenforderung“ solle „durch eine Regelung wertbeständiger gemacht werden, die bei erheblichen Veränderungen der Wert- und Währungsverhältnisse zwischen Erbfall und Erfüllung eine Neubewertung des Pflichtteils nach diesen veränderten Verhältnissen, jedoch auf der Grundlage des Nachlassbestandes zur Zeit des Erbfalls ermögliche.“299 Dieser Einschätzung folgte jedoch kein Vorschlag, wie dies zu bewerkstelligen sein könne. Auch der 49. Deutsche Juristentag beschäftigte sich 1972 mit dem Pflichtteilsrecht. In seinem Gutachten kritisierte Coing die starre Vorschrift des § 2311 BGB, die weder einer raschen Inflation noch den Besonderheiten bei der Bewertung von Unternehmen und Wertpapieren gerecht werden könne.300 Seiner Ansicht nach müsste § 2311 BGB dahingehend modifiziert werden, dass für börsennotierte Aktien eine Bewertung auf Grundlage des Durchschnittskurses der letzten drei Jahre möglich wäre. Dies würde der Tatsache besser Rechnung tragen, dass der mit dem Pflichtteilsrecht bezweckte Ausgleich eine Beteiligung an einem „auf die Dauer berechneten“ Vermögen verschaffen solle.301 In diesem Zusammenhang räumte er jedoch auch ein, dass die im Rahmen einer solchen Bewertung erforderlichen Ermittlungen eine finanzielle Belastung für den Erben darstellen könnten. Diese Aussage war jedoch nicht konkret auf börsennotierte Aktien bezogen, sondern betraf vor allem die Unternehmensbewertung, die 298  Lange, Die Ordnung der gesetzlichen Erbfolge, S. 229; ähnlich ders. auch in AcP 144 (1938), 188, 196. 299  Steffen, DRiZ 1972, 263, 267. 300  Coing, A 49. 301  Coing, A 50.

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2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

nach Coing basierend auf den Ertragsergebnissen mehrerer Jahre erfolgen sollte. Die Ermittlung amtlich notierter Börsenkurse ist jedoch erkennbar nicht mit erheblichem finanziellem Aufwand verbunden. Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine solche Lösung der wertmäßigen Dynamik des Nachlassvermögens besser gerecht wird. Aber auch die Zugrundelegung von Durchschnittskursen führt – wie oben festgestellt302 – nicht immer zu sachgerechten Ergebnissen, sondern kann ihrerseits Härten zur Folge haben. Martiny bezeichnete die Notwendigkeit der Einführung spezieller Bewertungsvorschriften als „zumindest zweifelhaft“, forderte aber eine generelle Einrede, die es dem Erben erlaubt, sich darauf zu berufen, dass „die Erfüllung für ihn im gegenwärtigen Zeitpunkt eine besondere Härte bedeuten würde“.303 In der Literatur zum Erbschaftsteuerrecht wird zu der ähnlich gelagerten Problematik vorgeschlagen, den Bewertungsstichtag, beziehungsweise den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer auf den Zeitpunkt zu verlegen, in dem der Erbe ohne Einschränkungen tatsächlich über den Nachlass verfügen kann,304 was grundsätzlich auch für das Pflichtteilsrecht in Erwägung zu ziehen ist.

II. Eigene Reformerwägungen Wie eingangs aufgezeigt, beruht die sich in Verbindung mit börsennotierten Aktien und ähnlich wertunbeständigen Nachlassgegenständen ergebende Problematik im Kern auf dem starren pflichtteilsrechtlichen Bewertungszeitpunkt. Es wäre daher denkbar de lege ferenda bereits dort anzusetzen und diesen flexibler zu gestalten. Angesichts der oben dargestellten Diskrepanz zwischen Wortlaut der Regelung und Gesetzeszweck müsste innerhalb des gesetzlichen Bewertungssystems eine Regelung implementiert werden, welche die Gefahr, die sich aus dem Auseinanderfallen von gesetzgeberischem Ziel und Wirklichkeit ergibt, bannt. Die Situation, in der der Erbe das aus dem Stichtagsprinzip für ihn entstehende Risiko auch beherrschen kann, tritt erst dann ein, wenn dieser zur Veräußerung tatsächlich in der Lage ist. Das Fehlen der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit bezieht sich meist auf den gesamten Nachlass. Die erhöhte Gefahr von unverschuldeten Wertminderungen ergibt sich jedoch in der Regel erst aus dem Zusammenspiel mit den schnellen und heftigen Schwankungen börsennotierter Aktien. Daher 302  s. oben,

B. II. 3. b). A 114 f., A 120. 304  Schuhmann, UVR 2000, 450, 453; Landsittel, ZEV 2003, 221, 225; Kemmerling/Delp, BB 2002, 655, 659; eingeschränkt auch Klein-Blenkers, DStR 1991, 1581, 1583; de lege lata Kapp, StuW 1993, 67, 69. 303  Martiny,



F. Fazit119

wäre daran zu denken, grundsätzlich am Eintritt des Erbfalls als Stichtag festzuhalten und lediglich für börsennotierte Aktien – oder gegebenenfalls auch für ähnlich beschaffene Vermögensgegenstände – einen alternativen Bewertungsstichtag einzuführen. Damit würde die oben im Rahmen des § 242 BGB vorgeschlagene Vorgehensweise gesetzlich umgesetzt, wobei der Erbe allerdings kein Leistungsverweigerungsrecht besäße, sondern die Bewertung der börsennotierten Aktien schon de lege ferenda zu einem anderen Zeitpunkt stattfände und auch die gemeinsame Risikotragung von Erbe und Pflichtteilsberechtigtem entfiele. Ein solches Vorgehen erscheint jedoch gerade deswegen zu weitgehend, weil das Fehlen einer entsprechenden Erheblichkeitsschwelle über den Umfang des Leistungsverweigerungsrechts ausgeglichen wird und der Pflichtteilsberechtigte das Risiko des Erben bei einer entsprechenden Stichtagsregelung in vollem Umfang mittrüge. Ferner impliziert ein Leistungsverweigerungsrecht, dass der Anspruch selbst in voller Höhe weiterbesteht, was bei der späteren Bewertung nicht der Fall wäre. Schließlich ist zu bedenken, dass das Gesetz im Hinblick auf die Bewertung bewusst schematisch gehalten ist und entsprechende Detailvorschriften sowohl diesem Grundsatz widersprechen, als auch dem Zweck des Stichtagsprinzips aus § 2311 BGB, einen einheitlichen Bewertungszeitpunkt zu schaffen, zuwider laufen würden. Auch würde eine gesetzliche Verschiebung des Stichtages dieselbe Beweisproblematik nach sich ziehen, wie im Rahmen des § 242 BGB, was im Zusammenhang mit der Billigkeitsvorschrift hinnehmbar ist, aber in Bezug auf einen gesetzlichen Bewertungszeitpunkt zu grundlegenden Komplikationen führen würde. Letztlich wäre die gesetzliche Verankerung der oben genannten Voraussetzungen zu § 242 BGB demnach sowohl einer speziellen Stichtagsregelung als auch einer allgemeinen Härteklausel vorzuziehen. Da in der Literatur umstritten ist, ob die Regelung des § 242 BGB auf diesen Fall überhaupt Anwendung findet, müsste das Gesetz die Grundlage für dergestalte Ausnahmen schaffen und eine konkrete Rechtsfolge in Gestalt eines Leistungsverweigerungsrechts bereitstellen. Auf diese Weise wäre der dazu bestehende Meinungsstreit gelöst und der Weg frei, einzelfallbezogene Entscheidungen zu treffen, um die sich aus dem Schematismus des Gesetzes ergebenden Härten abzufangen.

F. Fazit Die hier untersuchte Problematik ergibt sich aus dem Zusammenspiel eines starren, schematischen Bewertungssystems mit dem Vorhandensein wertschwankungsanfälliger Vermögensgegenstände. Da der Erbe am Stichtag und für einen gewissen Zeitraum danach in aller Regel nicht in der Lage ist, die Aktien zu verkaufen, kann er Wertminderungen nicht verhin-

120

2. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Pflichtteilsrecht

dern. Die Gefahr, dass diese eintreten, ist gegenüber anderen Wertgegenständen bei börsennotierten Aktien besonders groß, da deren Börsenkurse naturgemäß erheblichen Schwankungen unterliegen. Das Pflichtteilsrecht setzt jedoch voraus, dass der Erbe in der Lage ist, entsprechende Verfügungen zu treffen, woraus sich ein Widerspruch ergibt. Erkennbar nicht für schwankungsanfällige Vermögenswerte konzipiert, hält das Pflichtteilsrecht keine Mechanismen bereit, diese zu bewältigen. Vielmehr kann ein erheblicher Kursverlust nach dem Stichtag bei gleichbleibend hohen Pflichtteilsansprüchen dazu führen, dass der Nachlass überschuldet ist und Nachlass­ insolvenz beantragt werden muss. Aufgrund des klaren Bewertungsziels und des eindeutigen Wortlauts des § 2311 BGB besteht keine Möglichkeit, einen anderen Bewertungsmaßstab oder -zeitpunkt de lege lata zu etablieren. Dieses Ergebnis kann lediglich über § 242 BGB angemessen korrigiert werden. Zwar lassen sich kaum Kriterien finden, anhand derer eine Erheblichkeitsschwelle festgelegt werden könnte. Den Interessen des Pflichtteilsberechtigten ist jedoch dadurch Rechnung zu tragen, dass ein Leistungsverweigerungsrecht nicht in voller Höhe der Kursverluste, sondern nur in Höhe von deren Hälfte geltend gemacht werden kann.

3. Kapitel

Die Bewertung von Aktien mit ihrem Börsenkurs bei Wertminderungen nach dem Stichtag im Zugewinnausgleichsrecht Wertverluste börsennotierter Aktien nach dem Stichtag können nicht nur im Pflichtteilsrecht, sondern auch in Zusammenhang mit dem bei Beendigung des gesetzlichen Güterstandes erfolgenden Zugewinnausgleich Probleme verursachen. Denn auch hier kann es dazu kommen, dass sich das Vermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten durch Kursverluste an der Börse verringert, ohne dass dies Einfluss auf die Höhe des Zugewinnausgleichsanspruchs des anderen Ehegatten hat. Es ist bei der Untersuchung der Problematik daher grundsätzlich wie in Kapitel 2 vorzugehen, wobei allerdings den Besonderheiten des Zugewinnausgleichsrechts Rechnung zu tragen ist. Zunächst ist daher auf die gesetzliche Risikoverteilung einzugehen, die sich aus der Stichtagsregelung des § 1384 BGB ergibt. Sodann ist, wie bereits im Pflichtteilsrecht geschehen, zu überprüfen, ob dieses Risiko für den Ehegatten beherrschbar ist und ob das zugewinnausgleichsrechtliche Regelungssystem geeignete Mechanismen vorsieht, um aus dieser Problematik erwachsende, negative wirtschaftliche Folgen für den ausgleichspflichtigen Ehegatten abzumildern oder gar zu korrigieren.

A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag Das Problem von Wertverlusten des Endvermögens des ausgleichspflichtigen Ehegatten zwischen dem für die Bewertung maßgeblichen Tag der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags und dem Tag der Rechtskraft der Scheidung stellt sich anlässlich des Zugewinnausgleichs bei Scheidung. Dies beruht darauf, dass § 1384 BGB den Stichtag für die Bewertung des Endvermögens für diese Fälle auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags vorverlegt und somit eine Ausnahme von dem grundsätzlich für die Bewertung maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes aus § 1376 I BGB schafft. Folge der Stichtagsregelung ist daher zunächst, dass der Ausgleichsberechtigte an während der Verfahrensdauer eintretenden Ver-

122

3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

mögenssteigerungen nicht mehr teilnimmt.1 Sein Anspruch bleibt in der Höhe bestehen, in der er auf den Stichtag bezogen errechnet wurde, gleich ob der Ausgleichspflichtige bis zur Rechtskraft der Scheidung weitere Ver­ mögenswerte erlangt oder bereits vorhandene Vermögensgegenstände Wertsteigerungen erfahren. Umgekehrt trägt der Ausgleichspflichtige allein das Risiko zufälliger Wertminderungen, die auf allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen beruhen.2 Diese Stichtagsregelung dient in erster Linie der Verhinderung während des Scheidungsverfahrens getätigter illoyaler Vermögensminderungen durch die vorsätzliche Verschleuderung des Vermögens,3 deren Gefahr nach Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens aufgrund der häufigen Verstärkung von Unstimmigkeiten zwischen den Ehegatten als besonders groß eingeschätzt wird.4 Es soll also verhindert werden, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte während des Scheidungsverfahrens Vermögen vernichtet oder beiseite schafft, um den gegen ihn gerichteten Zugewinnausgleichsanspruch gering zu halten. Die Bewertung erfolgt auch deswegen zu Beginn des Scheidungsverfahrens, weil die Beteiligung der Ehegatten am Erwerb des jeweils anderen spätestens nach Zustellung des Antrags auf Scheidung im Hinblick auf den Grundgedanken der Zugewinngemeinschaft als nicht mehr zu rechtfertigen angesehen wird, da ein nach diesem Zeitpunkt stattfindender Vermögenserwerb nicht mehr durch die Mitarbeit des anderen Ehegatten ermöglicht wird, also in keinem Zusammenhang zu der ehelichen Gemeinschaft mehr steht.5 Steigt der Wert eines Vermögensgegenstandes nach dem Stichtag, soll es demnach nicht mehr gerechtfertigt sein, den anderen Ehegatten an dieser Wertsteigerung teilhaben zu lassen. Die Ausgleichsforderung entsteht gemäß § 1378 III 1 BGB erst mit Beendigung des Güterstandes, also mit Rechtskraft der Scheidung. Problematisch kann in diesem Zusammenhang vor allem sein, dass sich notwendigerweise ein erheblicher Zeitraum zwischen dem Bewertungsstichtag und dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung und dem damit verbundenen Entstehen des Ausgleichsanspruchs ergibt. Deutlich wird dies vor allem, wenn man sich vor Augen führt, dass die Rechtsprechung an dem Tag der ursprünglichen Einreichung des Scheidungsantrages als Bewertungsstichtag selbst dann festhält, wenn das Verfahren jahrelang geruht hat.6 Ausnahmen 1  MüKo/Koch,

§ 1384 Rn. 1. § 1384 Rn. 1. 3  BT-Drs. 1/3802, S. 62; Schröder, FPR 2007, 170, 171, FamRZ 2003, 277; Jo­ hann­sen/Henrich/Jaeger, § 1384 Rn. 1. 4  Gernhuber/Coester-Waltjen, § 35 VI Rn. 3; 36 IV Rn. 33; MüKo/Koch, § 1384 Rn. 1. 5  BT-Drs. 1/3802, S. 62; BT-Drs. 2/224, S. 49; Palandt/Brudermüller, § 1384 Rn. 1; BeckOK/Mayer, § 1384 Rn. 1; Schröder, FamRZ 2003, 277. 6  OLG Bremen FamRZ 1998, 15, 16. 2  MüKo/Koch,



A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag 123

werden davon nur gemacht, wenn sich die Ehegatten während des Ruhens des Verfahrens versöhnt, den Scheidungsantrag aber zwischenzeitlich nicht zurückgenommen haben.7 Zwischen Bewertungszeitpunkt und Entstehen des Anspruchs können somit in Extremfällen Jahre liegen, während derer Vermögensschwankungen aller Art eintreten können, deren Risiko allein der ausgleichspflichtige Ehegatte trägt. Dies führt dazu, dass ein erheblicher Kursverlust an der Börse bei einem der Höhe nach gleichbleibenden Zugewinnausgleichsanspruch, den der Ausgleichspflichtige nach Abschluss des Scheidungsverfahrens zu erfüllen hat, für ihn weitreichende finanzielle Konsequenzen haben kann, da sich das Verhältnis zwischen dem noch vorhandenen Vermögen und der Höhe des Ausgleichsanspruches zu seinen Ungunsten verändert hat.

I. Beherrschbarkeit des Risikos durch den Ausgleichspflichtigen Für das Pflichtteilsrecht wurde bereits festgestellt, dass der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund verschiedener Veräußerungshindernisse nicht in der Lage ist, das ihm auferlegte Risiko zu beherrschen und daher vom Zufall abhängig ist. Bei dem Zugewinnausgleich anlässlich der Scheidung der Ehegatten hingegen besteht eine andere Grundsituation, da der ausgleichspflichtige Ehegatte nicht in die Rechtsstellung eines anderen eintritt. Im Vergleich zu einem Erben stehen ihm daher auch andere Möglichkeiten zur Verfügung, das bestehende Risiko gering zu halten und so die Folgen eines Kursverlustes von vornherein zu verhindern. 1. Veräußerung der Aktien am Stichtag Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft stellt eine Gütertrennung dar, so dass jeder Ehegatte während der Ehe alleiniger Eigentümer seines Vermögens bleibt. Es bestehen lediglich punktuelle Einschränkungen der Verfügungsbefugnis über § 1365 und § 1369 BGB. Im Gegensatz zu dem Erben wird der Ehegatte demnach nicht erst am Stichtag Eigentümer des Vermögens, aus dem sich der Ausgleichanspruch berechnet, sondern kann sowohl davor als auch am Stichtag selbst bereits Dispositionen darüber treffen. Er kann die Aktien damit jederzeit veräußern und so ihren Kurswert am Stichtag realisieren.8 Nur ausnahmsweise kann diese Veräußerung von der Zustimmung des anderen Ehegatten abhängen, wenn das Aktiendepot das einzige Vermögen des Ehegatten darstellt und es sich somit um eine Verfü7  OLG

Hamm FamRZ 1992, 1180; Schröder, FamRZ 2003, 277. C. Rn. 467.

8  Henjes,

124

3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

gung über das Vermögen im Ganzen gemäß § 1365 BGB handelt.9 § 1365 BGB stellt nach herrschender Ansicht ein absolutes Verfügungsverbot dar, das sowohl das schuldrechtliche als auch das dingliche Geschäft umfasst.10 Um eine Verfügung über das „Vermögen im Ganzen“ kann es sich auch dann handeln, wenn ein einzelner Gegenstand das gesamte oder nahezu das gesamte Vermögen des Ehegatten ausmacht.11 Es ist daher in Einzelfällen denkbar, dass die Auflösung eines Depots mangels nennenswerten übrigen Vermögens zu einem Eingreifen des § 1365 BGB führt. Verweigert der andere Ehegatte seine Zustimmung, führt dies gemäß § 1366 I, IV BGB zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, auch wenn der Scheidungsantrag bereits rechtshängig ist.12 2. Beeinflussung des Stichtages durch Stellung des Scheidungsantrags Einflussmöglichkeiten ergeben sich für die Ehegatten weiter dadurch, dass sie den Stichtag durch den Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrags grundsätzlich selbst bestimmen können. Besitzt das Aktiendepot eines Ehegatten einen hohen Wert, hat der andere Ehegatte ein Interesse daran, an diesem zu partizipieren,13 umgekehrt kann sich der Inhaber des Depots mit der Stellung des Scheidungsantrags beeilen, wenn es einen verhältnismäßig niedrigen Wert aufweist.14 Will er sich demnach vor hohen Zugewinnausgleichsansprüchen schützen, kann er dies über den Zeitpunkt der Stellung des Scheidungsantrags beeinflussen. Stets zu bedenken ist jedoch, dass dies keine besonders sichere Methode darstellt, denn einerseits kann der andere Ehegatte dem Wertpapierdepotinhaber jederzeit zuvorkommen, andererseits bleibt immer die Gefahr, dass die Börsenkurse nach dem Stichtag unerwartet noch weiter absinken und sich wiederum erhebliche Wertdiskrepanzen zwischen Berechnungsstichtag und Fälligkeit des Anspruchs ergeben. Stellen beide Ehegatten Scheidungsanträge, ist die Zustellung desjenigen für die Rechtshängigkeit maßgeblich, der tatsächlich zur 9  Krause,

ZFE 2009, 55, 58. 40, 218; BeckOK/Mayer, § 1365 Rn. 2; Dethloff, § 5 Rn. 79; kritisch MüKo/Koch, § 1365 Rn. 5. 11  So die herrschende Einzeltheorie, ständige Rechtsprechung seit BGH NJW 1961, 1301; s. auch Palandt/Brudermüller, § 1365 Rn. 6 m.  w.  N. sowie schon Schopp, RPfleger 1964, 69; a. A. die Gesamttheorie: Rittner, FamRZ 1961, 1, 10 ff.; Benthin, FamRZ 1982, 338 ff. 12  BeckOK/Mayer, § 1365 Rn. 7. 13  So auch Schwab, Familienrecht, Rn. 257. 14  Kogel, FF 2009, 390, 391, Krause, FamRZ 2002, 1386; MAH-FamR/Bräuer, § 3 Rn. 17. 10  BGHZ



A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag 125

Einleitung des Verfahrens geführt hat, was sogar dann gilt, wenn er anfangs unzulässig war oder im weiteren Verfahren zurückgenommen oder abgewiesen wird.15 Auch bleibt der zunächst ermittelte Stichtag dann maßgeblich, wenn im selben Verfahren ein Widerantrag gestellt wird, auf den hin erst die Scheidung ausgesprochen wird.16 Die Einflussmöglichkeiten der Ehegatten gehen bis hin zu einer taktierenden Rücknahme des Scheidungsantrags, wenn dieser sich im Nachhinein als ungünstig herausstellt.17 Umgekehrt kann ein günstiger Stichtag durch die Fortführung des Zugewinnausgleichs als selbstständige Familiensache gemäß § 141 S. 2 FamFG nach Rücknahme des Scheidungsantrags erreicht werden. 3. Vorbeugende Gestaltung Die Ehegatten können vor oder während der Ehe vertragliche Regelungen treffen, um die Risikotragung im Ergebnis anders zu verteilen oder das Risiko für den Inhaber börsennotierter Aktien anderweitig einzuschränken, § 1408 BGB. So besteht die Möglichkeit, den Zugewinnausgleich zu Lebzeiten komplett auszuschließen und damit den gesetzlichen Güterstand in modifizierter Form beizubehalten. Neben dieser recht pauschalen Gestaltung stehen zur Beeinflussung der Ausgleichsmodalitäten jedoch auch präzisere Instrumente zur Verfügung. Einzelne Vermögensgegenstände können etwa gänzlich aus der Berechnung herausgenommen werden.18 Darüber hinaus ist im Wege eines Ehevertrags auch die Modifikation gesetz­ licher Bewertungsregelungen möglich. So ist anerkannt, dass der Bewertungsstichtag für das Endvermögen abdingbar ist.19 Auch können Vereinbarungen darüber getroffen werden, wie die Bewertung einzelner Vermögensgegenstände zu erfolgen hat.20 Dabei kann insbesondere festgelegt werden, welches Bewertungsverfahren zu wählen ist.21 Die Grenze der ehevertraglichen Gestaltungsfreiheit bildet freilich § 138 BGB etwa in den Fällen, in denen ein Ehegatte durch die Regelung einseitig benachteiligt 15  Gernhuber/Coester-Waltjen,

§ 36 IV Rn. 34. NJW-RR 2006, 289; FamRZ 1996, 1142; Palandt/Brudermüller, § 1384 Rn. 6; NK-BGB/Fischinger, § 1384 Rn. 8; Staudinger/Thiele, § 1384 Rn. 5; a.  A. Schröder, FamRZ 2003, 277. 17  Kogel, Rn. 527. 18  BGH NJW 1997, 2239, 2240; NJW 1984, 484, 485; Staudinger/Thiele, § 1374 Rn. 49; Langenfeld, Kap. 2 Rn. 219; s. dazu auch N. Mayer, MittBayNot 1993, 342. 19  NK-BGB/Fischinger, § 1384 Rn. 16; Staudinger/Thiele, § 1384 Rn. 14; Flues, § 1378 II BGB, S. 11, N. Mayer, MittBayNot 1993, 342, 345. 20  BGH NJW 2005, 3710, 3712; Staudinger/Thiele, § 1376 Rn. 49; Langenfeld, Kap. 2 Rn. 271. 21  Knur, DNotZ 1957, 450, 459; Schopp, RPfleger 1964, 69, 74. 16  BGH

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3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

wird.22 Dem vorausschauenden Ehegatten ist es demnach – freilich nur mit Zustimmung des anderen Partners – möglich, das Risiko von Wertminderungen nach dem Stichtag zu begrenzen, indem die Aktien entweder vollständig aus dem maßgeblichen Endvermögen herausgenommen werden oder der Bewertungsstichtag auf einen günstigeren Zeitpunkt verschoben wird. 4. Zwischenergebnis Die vorausgegangene Darstellung zeigt, dass das Stichtagsprinzip im Zugewinnausgleich nicht zu den gleichen Problemen führt wie § 2311 BGB im Pflichtteilsrecht. Hier weicht die gesetzgeberische Intention gerade nicht in derselben Weise von den regelmäßig tatsächlich bestehenden Handlungsmöglichkeiten des Anspruchsverpflichteten ab. Vielmehr trägt der ausgleichspflichtige Ehegatte ein Risiko, das er grundsätzlich zu beherrschen vermag. Die gesamte hier untersuchte Problematik könnte dadurch vermieden werden, dass der Ausgleichspflichtige am Tag der Zustellung des Scheidungsantrages seine börsennotierten Aktien veräußert. Auf diese Weise stünde ihm dauerhaft genau die Summe zur Verfügung, mit der die Aktien im Zugewinnausgleich bewertet werden. Dies führt jedoch nicht zwangsläufig dazu, dass die Problematik eines Kursverfalls nach dem Stichtag im Zugewinnausgleichsrecht hinzunehmen ist. So ist in der Praxis höchst fraglich, ob der ausgleichspflichtige Ehegatte die ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergreifen würde oder könnte. Mangels juristischer Vorbildung wird vielen Ehegatten nicht bewusst sein, dass Wertverluste ihres Vermögens nach Stellung des Scheidungsantrages im Hinblick auf die ausstehende güterrechtliche Auseinandersetzung überhaupt problematisch sind. Nimmt man an, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte von der Zustellung des Scheidungsantrages überrascht wird, ist auch denkbar, dass er noch nicht anwaltlich beraten ist und juristischen Rat erst dann in Anspruch nimmt, wenn es für eine Veräußerung der Aktien aufgrund eines zwischenzeitlichen Kursverlustes bereits zu spät ist. Selbst wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte sich des Risikos bewusst wäre, ist doch fraglich, ob er bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht davon Abstand nehmen würde, die börsennotierten Aktien zu veräußern, etwa weil er mit einer baldigen Wertsteigerung rechnet oder die Kurse aktuell derart niedrig stehen, dass sich eine Veräußerung als geradezu unwirtschaftlich darstellen würde. Da jedoch die grundsätzliche Beherrschbarkeit des Risikos besteht, ist das Stichtagsprinzip in diesem Zusammenhang nicht in Frage zu stellen. Vielmehr würde jede Verschie22  NK-BGB/Fischinger, § 1384 Rn. 16; Staudinger/Thiele, § 1384 Rn. 14; Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1384 Rn. 7.



A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag 127

bung oder Wertkorrektur zu einer Verletzung des zugrundeliegenden Schutzzwecks führen, denn anders als im Pflichtteilsrecht besteht die gesetzlich vorausgesetzte Einflussnahmemöglichkeit des Ausgleichspflichtigen tatsächlich und zu jeder Zeit, so dass eine großzügigere Handhabung des Stichtagsprinzips auch Missbräuche fördern würde, vor deren Folgen der Ausgleichsberechtigte zu schützen ist. Aus diesem Grunde sind im Recht des Zugewinnausgleichs vorrangig die sich für den Ehegatten ergebenden wirtschaftlichen Folgen zu untersuchen. Es ist zu prüfen, wie weitreichend diese sein können und ob eine Grenze besteht, ab deren Erreichung die Erfüllung des Zugewinnausgleichanspruchs nur unter derart unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist, dass die Zielsetzung des Zugewinnausgleichs in Frage gestellt wird.

II. Mögliche Folgen für den Ausgleichspflichtigen Fallen die Börsenkurse in dem Zeitraum zwischen der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags und der Rechtskraft der Scheidung, entspricht das bei Entstehen des Ausgleichsanspruchs noch vorhandene Vermögen nicht mehr demjenigen, auf dessen Grundlage am Bewertungsstichtag die hälftige Differenz zwischen dem jeweiligen Zugewinn der Ehegatten und damit die Höhe des Ausgleichsanspruchs ermittelt wurde. Je nachdem, wie erheblich die Kursverluste waren, kann die Erfüllung dieses Anspruchs für den ausgleichspflichtigen Ehegatten eine erhebliche wirtschaftliche Belastung bedeuten, wodurch er gezwungen sein kann, Vermögensgegenstände – gegebenenfalls sogar unter Wert – zu veräußern oder sich anderweitig, etwa durch Aufnahme von Darlehen, Barmittel zu beschaffen. Dabei ist von verschiedenen Faktoren abhängig, wie erheblich diese finanziellen Konsequenzen sein können. Die Möglichkeiten reichen von einer geringfügigen Änderung ohne spürbare Nachteile für den Zugewinnausgleichspflichtigen bis hin zu einer empfindlichen Einbuße, die zunächst rein rechnerisch dazu führt, dass die Höhe des Ausgleichsanspruchs das noch vorhandene Vermögen übersteigt. Fraglich ist, wie weitgehend diese wirtschaftlichen Folgen sein können, insbesondere, ob der Ausgleichspflichtige gezwungen sein kann, sich zur Erfüllung des Ausgleichsanspruchs zu verschulden. Dieser Fall ist in § 1378 II 1 BGB geregelt. Durch diese sog. „Kappungsgrenze“ wird die Höhe der Ausgleichsforderung durch den Wert des Vermögens begrenzt, das nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Beendigung des Güterstands vorhanden ist. Die Regelung gewährleistet demnach grundsätzlich, dass zur Erfüllung des Ausgleichsanspruchs keine Schulden aufgenommen werden müssen. Mit der Reform des Zugewinnausgleichs durch das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts im Jahre 2009 wurde diese

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3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

Vorschrift zwar belassen; § 1384 BGB wurde jedoch dahingehend geändert, dass nunmehr nicht nur für die Berechnung des Zugewinns im Scheidungsfall abweichend der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags maßgeblich sein soll, sondern auch für die Höhe des Anspruchs. Seit der Änderung herrscht Uneinigkeit darüber, was dies für den ausgleichspflichtigen Ehegatten im Scheidungsfall konkret bedeutet und ob nun tatsächlich die Notwendigkeit der Verschuldung besteht, wenn der Ehegatte unverschuldet Vermögen verloren hat oder ob derartige Vermögensverluste während des Scheidungsverfahrens nunmehr gänzlich unbeachtlich sind. Im Folgenden ist zu untersuchen, welche Konsequenzen die Neufassung des § 1384 BGB im Zusammenhang mit Kursverlusten an der Börse hat. 1. Anwendungsbereich des § 1384 BGB n. F. a) Vorverlegung des Zeitpunkts für die Kappungsgrenze bei Scheidung? § 1384 BGB n. F. stellt für die Berechnung des Zugewinns und nunmehr auch für die Höhe der Ausgleichsforderung auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages ab. Fraglich ist, wie dieser Wortlaut zu verstehen ist, insbesondere ob die Verwendung der Bezeichnung „Höhe der Ausgleichsforderung“ mit der Formulierung in § 1378 II 1 BGB begrifflich identisch ist und somit einen von diesem abweichenden Zeitpunkt für das Eingreifen der Kappungsgrenze bestimmt. Geht man davon aus, dass § 1384 BGB n. F. die Anwendbarkeit des § 1378 II 1 BGB für den Scheidungsfall gänzlich ausschließt, führt dies zu einer Vorverlegung der Kappungsgrenze auf den Bewertungsstichtag, also den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags. Dadurch ergäbe sich die Situation, dass sich der Ehegatte verschulden muss, wann immer sein Vermögen zur Erfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs bei Rechtskraft der Scheidung nicht ausreicht, denn nunmehr würde der Anspruch lediglich auf das Vermögen des Ausgleichspflichtigen begrenzt, das zu Beginn des Scheidungsverfahrens noch vorhanden war. Ein Teil der Literatur ist der Auffassung, der maßgebliche Zeitpunkt für die Feststellung der Höhe des Anspruchs sei zwar nun vorverlegt; dies führe jedoch nicht etwa dazu, dass sich der ausgleichspflichtige Ehegatte bei Vermögensverlusten nach dem Stichtag verschulden müsse. Vielmehr sei zwischen der rechnerischen Höhe bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags und der Kappung des erst mit Beendigung des Güterstandes überhaupt entstehenden Anspruchs zu unterscheiden. Letztere knüpfe begrifflich an die Entstehung des Anspruchs an und könne gar nicht auf den Stichtag der Stellung des Scheidungsantrags vorverlegt worden sein, weil zu diesem



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Zeitpunkt noch gar kein zu kappender Anspruch bestehe. Die Vorverlegung beziehe sich daher nicht auf das Endergebnis, also die eigentliche Kappung des noch zu entstehenden Anspruchs. Bestünden bei Beendigung des Güterstandes Abweichungen zulasten des Ausgleichspflichtigen, müsse er sich vielmehr nur dann verschulden, wenn die Vermögensminderungen illoyal gewesen seien.23 Dieser Auffassung kann indes nicht gefolgt werden, da der Wortlaut des § 1384 BGB klar24 und nicht ersichtlich ist, weshalb die Formulierung „Höhe des Anspruchs“ anders zu verstehen sein sollte als in § 1378 II 1 BGB. Es bleibt daher festzuhalten, dass der Zugewinnausgleichsanspruch bei Vermögensverlusten nach dem Bewertungszeitpunkt bei wortlautgetreuer Anwendung des § 1384 BGB nicht mehr auf das bei Rechtskraft der Scheidung noch vorhandene Vermögen begrenzt werden kann. Auch im Falle von Kursverlusten nach dem Stichtag vermag die Regelung des § 1378 II 1 BGB daher nunmehr keine Abhilfe mehr zu schaffen. Zweifelhaft ist allerdings, ob dies dem von dem Gesetzgeber mit der Änderung des § 1384 BGB verfolgten Zweck entspricht und ob sein Anwendungsbereich daher einzuschränken ist. b) Schutz des Ausgleichsberechtigten vor illoyalen Vermögensminderungen Hintergrund der Änderung des § 1384 BGB waren die Missbrauchsmöglichkeiten, die sich daraus ergaben, dass nach § 1378 II 1 BGB nur dasjenige Vermögen zur Erfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs eingesetzt werden musste, das bei Beendigung des Güterstandes noch vorhanden war. Der ausgleichspflichtige Ehegatte konnte Vermögen beiseite schaffen oder verschleudern, um es dem Zugewinnausgleich zu entziehen und somit dem Ausgleichsberechtigten wirtschaftliche Nachteile zufügen. Dies wollte der Gesetzgeber verhindern, indem er den Zeitpunkt für die Kappung auf den Beginn des Scheidungsverfahrens vorverlegte.25 Dadurch, dass die Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs und die Beschränkung auf das noch vorhandene Vermögen auf denselben Zeitpunkt fallen, ist der ausgleichsberechtigte Ehegatte nun vor derartigen Vermögensminderungen geschützt. Wie eingangs aufgezeigt, umfasst die aufgrund dieses Gedankens geschaffene Regelung nach ihrem Wortlaut jedoch auch Vermögensminderungen, die von dem Ausgleichsberechtigten nicht willkürlich oder in Schädigungsabsicht herbeigeführt wurden. In der Literatur werden diese als „unverschuldete 23  Herr,

FF 2010, 13, 15; Schröder, FamRZ 2010, 421. auch BGH NJW 2012, 2657, 2658; Kogel, FamRB 2010, 247, 249 und Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1378 Rn. 7. 25  BT-Drs. 16/10798, S. 11 f. 24  So

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3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

Vermögensverluste“26 bezeichnet. Es ist fraglich, ob der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 1384 BGB tatsächlich so weit fassen wollte. Für die hier untersuchte Problematik würde dieser Gedanke dann weiterführen, wenn auch in Kursverlusten während des Scheidungsverfahrens gerade keine illoyalen Vermögensminderungen, sondern zufällige Verluste zu sehen wären. c) Kursverluste nach dem Stichtag als illoyale Vermögensminderungen im Sinne des § 1375 II BGB? Der Gesetzgeber hat in § 1375 II BGB Fallgruppen illoyaler Vermögensminderungen normiert. Die Regelung bestimmt, dass dem Endvermögen eines Ehegatten der Betrag hinzugerechnet wird, um den es dadurch vermindert ist, dass der Ehegatte nach Eintritt des Güterstands unentgeltliche Zuwendungen gemacht hat, durch die er nicht einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen hat (Nr. 1), Vermögen verschwendet hat (Nr. 2) oder Handlungen in der Absicht vorgenommen hat, den anderen Ehegatten zu benachteiligen (Nr. 3). Nach allgemeiner Ansicht soll eine Verschwendung von Vermögen gemäß § 1375 II Nr. 2 BGB dann vorliegen, wenn „der Ehegatte unnütz oder ziellos in einem Maß Ausgaben macht, die in keinem Verhältnis zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen stehen, wobei kein Hang zur Verschwendung bestehen muss“27. Die Vorschrift umfasst demnach Fälle, in denen maßlose Ausgaben erfolgen, die deswegen sinnlos sind, weil dem Vermögen des Ehegatten keine gleichwertige Gegenleistung zufließt.28 Die Motive, aus denen die Weggabe erfolgt, spielen dabei keine Rolle,29 weswegen ein Handeln in Benachteiligungsabsicht nicht zwingend Voraussetzung ist. Die unterlassene Veräußerung von Aktien nach dem Stichtag fällt demnach nicht unter den Begriff der Verschwendung, da nicht willkürlich Vermögenswerte weggeben werden und keine Leistung ohne Gegenleistung gewährt wird. Es wird zum Teil ferner angeführt, Nr. 2 sei auch dann erfüllt, wenn Vermögenswerte unwirtschaftlich und leichtsinnig ungenutzt blieben oder Gelegenheiten zum Erwerb ohne triftige Gründe versäumt würden, wenn dies angesichts der Vermögenslage erforderlich gewesen wäre.30 Von etwa Haußleiter/Schulz, Kap. 1 Rn. 564. § 1375 Rn. 42 unter Hinweis auf OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 806, 807; OLG Karlsruhe FamRZ 1986, 167 f; OLG Schleswig FamRZ 1986, 1208, 1209. 28  NK-BGB/Heiß, § 1375 Rn. 29. 29  Palandt/Brudermüller, § 1375 Rn. 27. 30  Haußleiter/Kuch, NJW-Spezial 2005, 343, 344; Staudinger/Thiele, § 1375 Rn. 28; Schwab, Handbuch Scheidungsrecht, VII Rn. 185 (allerdings unter Beschränkung auf „krasse Fälle“). 26  So

27  BeckOK/Mayer,



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anderer Seite wird dies indes abgelehnt.31 Selbst wenn man auch ein derartiges Handeln des Ehegatten unter § 1375 II Nr. 2 BGB subsumieren würde, bliebe doch fraglich, ob Börsengeschäfte dem überhaupt unterfallen können, da auch Gewinne durch Wertsteigerungen jederzeit möglich wären. Die Frage, wann ein Depot umgeschichtet oder veräußert werden sollte, ist aus ex ante Sicht selten sicher zu beantworten. Der Fall, in dem ein Ehegatte seine alten Aktien behält und nicht in neue investiert, unterfällt der Vorschrift nicht. Demnach bliebe nur der allgemeiner gefasste Tatbestand des § 1375 II Nr. 3 BGB. Die darin vorausgesetzte Benachteiligungsabsicht ist dann gegeben, „wenn der Wille des Ehegatten, den anderen zu benachteiligen, der leitende, nicht unbedingt der einzige Beweggrund des Handelns gewesen ist“.32 Die Vorschrift erfasst sowohl Realakte als auch rechtsgeschäftliches Handeln.33 Dies setzt jedoch auch voraus, dass der Ehegatte überhaupt in der Lage ist, durch sein Handeln gezielt einen Nachteil zulasten seines Ehegatten herbeizuführen. Wertschwankungen börsennotierter Aktien hängen von den Marktverhältnissen ab, die der Kleinanleger in aller Regel nicht beeinflussen kann. Auch hier besteht die einzige Möglichkeit der Einflussnahme durch den Ehegatten darin, die Aktien entweder zu veräußern oder zu behalten. Höchst fraglich ist indes bereits, ob ein Behalten oder Veräußern der Aktien in Schädigungsabsicht erfolgen kann, beziehungsweise ob diese objektiv überhaupt nachweisbar wäre. Dazu bedürfte es einer gewissen Vorhersehbarkeit, die jedoch nicht gegeben ist: Es gibt keine Sicherheit, dass eine Aktie einen bestimmten Kurswert erreichen wird. Selbst wenn ein Kurssturz sich ankündigt, wäre es kaum möglich, die Grenze zur Mutwilligkeit zu ziehen.34 Wenn die Aktienkurse mittelfristig fallen, können sie zudem jederzeit wieder steigen. Insbesondere in Anbetracht der Dauer eines durchschnittlichen Scheidungsverfahrens kann eine unterlassene Veräußerung der Aktien am Stichtag oder auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht mit hinreichender Sicherheit bedeuten, dass die Aktien auch bei Rechtskraft der Scheidung noch niedrig stehen. Vielmehr können sie sich bis dahin auch wieder von einer vorübergehenden Baisse erholt haben. Fraglich ist auch, wie es zu beurteilen wäre, wenn die Aktien zu einem niedrigen Kurswert verkauft würden. Hat der Eigentümer lediglich „die Notbremse gezogen“, um das Schlimmste zu verhindern, oder befürchtete er, dass sie wieder steigen würden, und handelte somit wiederum in Be31  Palandt/Brudermüller,

§ 1375 Rn. 27. § 1375 Rn. 43 unter Hinweis auf BGH NJW 2000, 2347, 2348; OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1858, 1860; KG FamRZ 1988, 171, 173. 33  MüKo/Koch, § 1375 Rn. 35; NK-BGB/Heiß, § 1375 Rn. 30. 34  Ähnlich Fischinger, NJW 2012, 3611, 3612. 32  BeckOK/Mayer,

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3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

nachteiligungsabsicht? Die starke Anfälligkeit für Schwankungen und deren langfristig nicht gegebene Vorhersehbarkeit führen dazu, dass sich Zufälligkeiten ergeben können, die eine sichere Anlage ebenso unmöglich machen wie eine gezielte Vermögensschädigung. Jedenfalls kann ein bestimmtes Anlageverhalten nicht den Fällen der klassischen illoyalen Vermögensminderung entsprechen, wie sie durch die Neufassung von § 1384 BGB verhindert werden sollen. Dafür spricht insbesondere auch, dass der Inhaber der Ak­tien damit in erster Linie sich selbst schädigen würde. Grundsätzlich sind Vermögensminderungen durch Kursverluste demnach nicht als illoyal im Sinne des § 1375 II BGB anzusehen, sofern nicht im Einzelfall ausnahmsweise das Gegenteil offensichtlich oder zweifelsfrei nachweisbar ist. 2. Notwendigkeit einer Einschränkung des Anwendungsbereichs durch teleologische Reduktion? Wie eben gezeigt, führt die Vorverlegung der Kappungsgrenze zu einer deutlichen Verschärfung der dem Berechnungssystem ohnehin innewohnenden Problematik,35 was Zweifel daran weckt, ob diese Wirkung von dem Gesetzgeber tatsächlich beabsichtigt wurde. Es ist daher mit Teilen der Literatur zu erwägen, ob § 1384 BGB insoweit teleologisch zu reduzieren ist, als die Vorverlegung der Kappungsgrenze auf die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags nur dann eingreift, wenn es sich bei den Verlusten, die zur Schmälerung des Vermögens während des Scheidungsverfahrens geführt haben, um illoyale Vermögensminderungen durch den Ausgleichspflichtigen handelt. Für die Fälle, in denen unverschuldete Vermögensverluste während des Scheidungsverfahrens eingetreten sind, könnte es hingegen bei dem Zeitpunkt des § 1378 II 1 BGB bleiben,36 so dass eine Kappung des Anspruchs in diesen Fällen trotz der Änderung des § 1384 BGB weiterhin erfolgt. Gegen diese Betrachtungsweise wird in erster Linie eingewandt, dem stehe bereits der eindeutige Wortlaut des § 1384 BGB entgegen,37 so dass eine teleologische Reduktion der Unterstellung gleichkäme, der Gesetzgeber habe Ausnahmen von der Stichtagsregelung erlauben wollen.38 Eine teleologische Reduktion des §  1384 BGB wird überwiegend abgelehnt,39 etwa mit der grundsätzlichen Begründung, dass die durch die 35  Schwab, FamRZ 2009, 1445, 1446; Hoppenz, FamRZ 2008, 1889, 1892; FamRZ 2010, 16; Kogel, MDR 2008, 297, 300; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 36 VII Rn. 81; Münch, FPR 2009, 514, 518. 36  MüKo/Koch, § 1384 Rn. 5. 37  BGH NJW 2012, 2657, 2659. 38  Spegele, S. 91; ähnlich BGH NJW 2012, 2657, 2659. 39  BGH NJW 2012, 2657, 2659; Palandt/Brudermüller, § 1378 Rn. 8; Brudermüller, NJW 2010, 401, 404; Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1378 Rn. 5 (eingeordnet als



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Regelungen der §§ 1378 II, 1384 BGB erzielten Ergebnisse schematisch korrekt und daher hinzunehmen seien.40 So argumentiert konkret auch Fischinger, der in § 1384 BGB eine starre, Ausnahmen nicht zugängliche Vorschrift sieht, in deren Rahmen keine Berücksichtigung von Einzelfällen stattfinden dürfe, da die mangelnde Bestimmbarkeit, wann es sich um einen unverschuldeten Vermögensverlust handele und wann nicht, zu Rechtsunsicherheiten führen würde.41 Der Möglichkeit einer teleologischen Reduktion des § 1384 BGB wird weiter entgegengehalten, dass sie nur zugunsten des Ausgleichspflichtigen wirke. Der BGH wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass umgekehrt keine Möglichkeit bestehe, Nachteile des Ausgleichsberechtigten zu vermeiden, die aus der Vorverlegung der Kappungsgrenze folgen, wenn der höhere Zugewinn des Ausgleichspflichtigen lediglich im Abbau von Schulden bestanden habe und er nach der Stellung des Scheidungsantrages bis zum Ende des Verfahrens weiteres Vermögen hinzugewonnen habe.42 Auch in diesen Fällen könnten Unbilligkeiten entstehen. Um entscheiden zu können, ob eine teleologische Reduktion geboten ist, sind zunächst die Voraussetzungen herauszuarbeiten, die an sie allgemein zu stellen sind. Sodann ist zu prüfen, ob diese im konkreten Falle vorliegen. a) Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion Die teleologische Reduktion ist eine Denkfigur der Rechtsanwendungslehre, durch die eine Entscheidung getroffen wird, die nicht mehr vom Wortlaut der zugrundeliegenden Norm gedeckt wird.43 Sie findet statt, wenn die betreffende gesetzliche Regelung nach Sinn und Zweck des Gesetzes einer Einschränkung bedarf, die von ihrem Wortsinn abweicht44 und erfolgt demnach entgegen dem eigentlich eindeutigen Wortlaut.45 Folglich handelt es sich strenggenommen um eine Gesetzeslücke, deren Ausfüllung durch eine Einschränkung des Anwendungsbereichs erfolgt,46 also um eine Reduzierung einer zu weit gefassten Regelung auf den nach dem Telos umfassten Anwendungsbereich.47 Eine teleologische Reduktion kann dann geboten rechtspolitisches Problem); Finger, JR 2010, 369, 371; Hoppenz, FamRZ 2010, 16, 17; Muscheler, Familienrecht, Rn. 375a; so wohl auch PWW/Weinreich, § 1378 Rn. 5. 40  18. DFGT- Empfehlungen des Vorstands, II. 1. b); Rauscher, Rn. 375a. 41  Fischinger, NJW 2012, 3611, 3612. 42  BGH NJW 2012, 2657, 2659 m. w. N. 43  Brandenburg, S. 1. 44  Röhl/Röhl, S. 621; Larenz/Canaris, S. 210; Rüthers, Rn. 902. 45  BGH NJW 1952, 337, 338. 46  Larenz/Canaris, S. 210. 47  Rüthers, Rn. 903; Larenz/Canaris, S. 211.

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sein, wenn der Zweck der zu reduzierenden oder einer verwandten Norm anderenfalls nicht erreicht würde oder wenn das Ergebnis ihrer Anwendung letztlich einem dem Gesetz zugrundeliegenden Prinzip zuwiderliefe,48 also den Vorstellungen des Gesetzgebers widerspricht. Da jede gesetzliche Vorschrift dazu dient, einen außerhalb ihrer selbst bestehenden Zweck zu erfüllen,49 ist dieser zu ermitteln, bevor entschieden werden kann, ob er im Wortlaut der betreffenden Norm hinreichend zum Ausdruck gekommen ist. Voraussetzung einer teleologischen Reduktion ist damit die Ermittlung und Auslegung des Gesetzgeberwillens, der in dem Wortlaut der betreffenden Norm gerade nicht zum Ausdruck gekommen ist,50 woraus sich erst die Notwendigkeit einer auszufüllenden Gesetzeslücke ergibt.51 Das Argument, der Wortlaut spreche bereits gegen eine teleologische Reduktion des § 1384 BGB vermag damit nicht zu überzeugen.52 Für die Zulässigkeit einer teleologischen Reduktion des § 1384 BGB ist vielmehr der Wille des Reformgesetzgebers maßgeblich. Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob der Normzweck in der weiten Formulierung des § 1384 BGB dergestalt nicht zum Ausdruck gekommen ist, dass unverschuldete Vermögensverluste nicht erfasst sein sollen. Eine teleologische Reduktion ist jedoch bereits dann unzulässig, wenn sich dies aus dem Gesetz ergibt oder durch sie die Rechtssicherheit beeinträchtigt würde.53 Letzteres wird gegen eine teleologische Reduktion des § 1384 BGB eingewandt.54 Verbunden damit sei ein erheblicher Aufwand für die Praxis, da Verfahren dahingehend verzögert würden, dass überprüft werden müsse, ob der ausgleichspflichtige Ehegatte die Vermögensminderung tatsächlich verschuldet habe oder nicht.55 Hier würde den Ausgleichspflichtigen die Beweislast dafür treffen, dass keine illoyalen Vermögensminderungen getätigt wurden. Nach geltendem Recht müssen auch die Tatsachen des § 1375 II BGB von demjenigen dargelegt und bewiesen werden, der sich auf sie beruft.56 Tut dies ein Ehegatte, ist es ausreichend, wenn er konkret das Vorliegen einer bestimmten Handlung in Benachteiligungsabsicht behauptet, dem dann der andere substantiiert entgegentreten muss.57 Ferner enthält § 1375 II 48  Larenz/Canaris,

S. 211; Gschnitzer, 7 C III 3–4. S. 620. 50  Rüthers, Rn. 903. 51  Larenz/Canaris, S. 220. 52  So auch Fischinger, NJW 2012, 3611, 3612. 53  Larenz/Canaris, S. 211. 54  Kogel, FamRB 2010, 247, 249. 55  Haußleiter/Schulz, Kap. 1 Rn. 564. 56  BeckOK/Mayer, § 1375 Rn. 47 m. w. N. 57  BGH NJW-RR 1986, 1325. 49  Röhl/Röhl,



A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag 135

2 BGB eine Beweislastregelung, nach der jeder Ehegatte in dem Fall, in dem sein Endvermögen geringer ist als das Vermögen, das er in der Auskunft zum Trennungszeitpunkt angegeben hat, darzulegen und zu beweisen hat, dass die Vermögensminderung nicht auf Handlungen im Sinne des S. 1 Nr. 1 bis 3 zurückzuführen ist. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Möglichkeit der Widerlegung für Vermögensminderungen zwischen Trennung und Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags vorgesehen ist, während dies für Vermögensminderungen zwischen letzterem Zeitpunkt und der Rechtskraft der Scheidung aufgrund des damit verbundenen Beweisaufwandes nicht der Fall sein soll. Der Einwand der Verfahrensverzögerung durch die Möglichkeit des Ehegatten, nachzuweisen, dass keine Handlung im Sinne des § 1375 II BGB vorliegt, ist damit ungerechtfertigt. Infolgedessen ist auch nicht ersichtlich, wie eine teleologische Reduktion zu Rechtsunsicherheit führen sollte, denn fehlt der Nachweis, dass keine illoyalen Vermögensminderungen erfolgt sind, bliebe es für die Kappungsgrenze bei dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags. Abzustellen ist daher einzig auf den zugrundeliegenden Normzweck, der im Folgenden durch Auslegung der §§ 1378 II 1, 1384 BGB unter besonderer Berücksichtigung der Intention des Reformgesetzgebers von 2009 zu ermitteln sein wird. b) Normzweck der §§ 1378 II 1, 1384 BGB Zunächst sind die Hintergründe der Änderung des § 1384 BGB darzulegen, auf deren Grundlage entschieden werden kann, ob vorliegend eine Einschränkung des Anwendungsbereichs geboten ist. Dazu ist ergänzend die der Kappungsgrenze des § 1378 II 1 BGB zugrundeliegende Wertung heranzuziehen. Die Kappungsgrenze des § 1378 II 1 BGB dient ausweislich der Begründung der ursprünglichen Gesetzesfassung von 1957 in erster Linie dem Schutz der Gläubiger des Ausgleichsschuldners, die dem Ausgleichsberechtigten vorgehen sollen,58 worin nach allgemeiner Auffassung ihre „zentrale Funktion“59 besteht. Obgleich der Gesetzgeber die Kappungsgrenze ursprünglich diesbezüglich nicht ausdrücklich als Schutzvorschrift deklarierte, ist in der Literatur anerkannt, dass § 1378 II 1 BGB bei Scheidung auch dem Schutz des Ausgleichspflichtigen vor Verschuldung dient.60 Er soll je58  BT-Drs. 2/224, S. 46; BT-Drs. 2/3802, S. 59; Kogel, MDR 2008, 297, 300; MüKo/Koch, § 1384 Rn. 3; ablehnend Hoppenz, FamRZ 2008, 1889, 1982. 59  BGH NJW 1988, 2369; Büte, FuR 2008, 105, 107; Koch, FamRZ 2008, 1124, 1127 unter Verweis auf BT-Drs. 2/224, S. 45 f. 60  Büte, FF 2010, 279, 287; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 36 VII Rn. 83; Groß, FPR 2007, 175, 177; Flues, § 1378 II BGB, S. 64; Haußleiter/Schulz, Kap. 1 Rn. 563;

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denfalls dann finanziell unbelastet in das nacheheliche Leben treten, wenn er nicht illoyale Vermögensminderungen vorgenommen hat.61 Diese Funk­ tion wurde vor der Neuregelung auch im Zusammenhang mit der Kritik an der nunmehr beseitigten Missbrauchsanfälligkeit der Norm nicht in Zweifel gezogen.62 Gleichgültig, ob darin das primäre Ziel des Gesetzgebers oder lediglich eine für den Ausgleichspflichtigen günstige Begleiterscheinung zu erblicken ist, führt die Kappungsgrenze dazu, dass sich die wirtschaftlichen Folgen der starren Anwendung des Stichtagsprinzips immer in einem gewissen Rahmen halten. Die Änderung des § 1384 BGB erfolgte – wie bereits angesprochen – in der Absicht, Missbrauchsfällen vorzubeugen, indem dem ausgleichspflichtigen Ehegatten jeder Anreiz genommen wird, sein Vermögen während des Scheidungsverfahrens in der Absicht zu mindern, seine Ausgleichspflicht zu begrenzen.63 Die Regelung ist vor allem deswegen effektiv, weil durch sie nicht die Notwendigkeit besteht, dem illoyalen Ehegatten dessen Vermögensminderungen in Benachteiligungsabsicht nachzuweisen. Bei wortlautgetreuer Anwendung benachteiligt sie jedoch – wie eingangs bereits festgestellt – zugleich den redlichen Ehegatten, der während des Scheidungsverfahrens unverschuldete Vermögensverluste erleidet,64 denn als Konsequenz trägt er allein nunmehr das Risiko von Wertminde­ rungen,65 das früher durch die Kappung des Anspruchs bei Beendigung des Güterstandes in gewissem Umfang von dem ausgleichsberechtigten Ehegatten mitgetragen wurde.66 Entscheidend ist, ob diese Wirkung von dem Willen des Änderungsgesetzgebers getragen ist, oder ob dieser sie vielmehr auf die Fälle illoyaler Vermögensminderungen beschränken wollte und der Anwendungsbereich der Norm daher nach ihrem Wortlaut zu weit gefasst ist. In der Literatur wird der Wegfall der Schutzwirkung für Vermögenseinbußen nach dem Stichtag Brudermüller, NJW 2010, 401, 404; Henjes, C. Rn. 478; Hoppenz, FamRZ 2008, 1889, 1892; MüKo/Koch, § 1384 Rn. 5; Rauscher, Rn. 375; Wellenhofer, Jura 2008, 647, 651; Winckelmann, FPR 2003, 167, 168; Zimmermann, NJOZ 2009, 185, 189. 61  Nach Auffassung der Rechtsprechung und Stimmen aus der Literatur galt die Kappungsgrenze nach alter Rechtslage unabhängig davon, wie es zu dem Vermögensverlust gekommen war, so dass auch illoyale Vermögensminderungen zu ihrem Eingreifen führten, OLG Hamm FamRZ 1986, 1106; verschulden musste sich der Ausgleichspflichtige nur in den Fällen des § 1375 II BGB; a. A. BeckOK/Mayer, Edition 11: Stand: 1.11.2008, § 1378 Rn. 4 m. w. N. 62  Kogel, FF 2008, 185, 191. 63  BT-Drs. 16/10798, S. 18. 64  Büte, NJW 2009, 2776, 2778; Brudermüller, FamRZ 2009, 1185, 1188; Münch, MittBayNot 2009, 261, 263; Schwab, FamRZ 2009, 1445 f.; MüKo/Koch, § 1384 Rn. 5; BeckOK/Mayer, § 1378 Rn. 5; NK-BGB/Heiß, § 1378 Rn. 13. 65  Born, NJW 2008, 2289, 2291; Kogel, FF 2008, 185, 191. 66  Kogel, FamRB 2010, 247.



A. Problematik der Bewertung mit dem Börsenkurs am Stichtag 137

durch den reformierten § 1384 BGB67 im Scheidungsfall zum Teil als gesetzgeberisches Versehen aufgefasst, womit der Gesetzgeber über das angestrebte Regelungsziel hinausgeschossen sei.68 Nähme man dies an, könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass die Fälle unverschuldeter Vermögensverluste in der Tat nicht in den Regelungsbereich einbezogen werden sollten. Dafür könnte der Referentenentwurf des Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichsrechts vom November 2007 sprechen, der noch vorsah, die Kappungsgrenze dahingehend zu ändern, dass sie bereits ab der Hälfte des noch vorhandenen Vermögens eingriffe.69 In diesen Fällen wäre der Schuldner auch bei der schon in diesem Stadium gleichzeitig geplanten Vorverlegung des Stichtags für die Kappungsgrenze auf den Zeitpunkt des § 1384 BGB besser geschützt gewesen. Denn hätte sich sein Vermögen nach dem Stichtag durch gefallene Aktienkurse vermindert, wäre der Anspruch bereits dort gekappt worden, wo ihm nur noch die Hälfte des bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags Vorhandenen verblieben wäre. Dies hätte jedenfalls eine erheblich geringere Wahrscheinlichkeit zur Folge gehabt, dass sich der Ausgleichspflichtige verschulden muss, wenn sich sein Vermögen nach dem Stichtag verringert.70 Dafür, dass Ziel dieser Regelung der Schutz des Ausgleichsverpflichteten gewesen wäre, enthält die Dokumentation der Gesetzgebung jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Der Regelungsentwurf wurde schließlich infolge einer ablehnenden Stellungnahme des Bundesrates71 wieder aufgegeben, wohingegen die Vorverlegung des Stichtags Gesetz wurde. Für ein Versehen könnte weiterhin die Tatsache sprechen, dass das Problem unverschuldeter Vermögensverluste nach dem Stichtag in den Gesetzgebungsmaterialien überhaupt nicht angesprochen wird. Man könnte deswegen annehmen, dass der Gesetzgeber es nicht gesehen oder zumindest nicht eingehend genug berücksichtigt hat. Dafür spricht auch, dass der Gesetzesentwurf aus dem Jahr 2007 stammt und somit vor der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 / 09 ausgearbeitet wurde,72 so dass das Problem von Kursverlusten an der Börse noch nicht die heutige Aktualität besaß. Ausdrücklich hingewiesen wird in der Gesetzesbegründung hingegen auf den Zweck des § 1384 BGB, illoyale Vermögensminderungen zu verhindern,73 dazu etwa Brudermüller, FamRZ 2009, 1185, 1188. NJW 2008, 2289, 2291; Kogel, FF 2008, 185, 191; Henjes, C. Rn. 380; Hoppenz/Hoppenz, § 1384 Rn. 1; Palandt/Brudermüller, § 1378 Rn. 8; BeckOK/ Mayer, § 1378 Rn. 5. 69  Regierungsentwurf, Stand: 1.11.2007, S. 4 f.; dazu auch Finger, FamRB 2008, 18, 19 f. 70  So auch Kogel, FamRB 2010, 247, 249. 71  BR-Drs. 635/1/08, S. 5 f. 72  Kogel, FamRB 2010, 247, 249. 73  BT-Drs. 16/10798, S. 11 f. 67  Kritisch 68  Born,

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3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

woraus umgekehrt geschlossen werden könnte, dass unverschuldete Vermögensverluste gerade nicht erfasst sein sollen. Die Gesetzesbegründung spricht in diesem Zusammenhang zudem nur von einer Schutzfunktion des § 1378 II 1 BGB zugunsten der Gläubiger des Ausgleichsverpflichteten und lässt dessen eigene Interessen völlig außer Acht74 und auch der Bundesrat etwa nahm weder zu § 1378 II noch zu § 1384 BGB überhaupt Stellung.75 Daraus lässt sich jedoch nicht ohne weiteres schließen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit übersehen hat, dass die Vermögensminderungen aufgrund unverschuldeter Verluste eintreten können. Vielmehr beruht die besondere Betonung illoyaler Vermögensminderungen darauf, dass nach alter Rechtslage für das Eingreifen der Kappungsgrenze unerheblich war, weshalb die Vermögensminderungen während des Scheidungsverfahrens erfolgt waren. In der Literatur hatten zwar nach alter Rechtslage einige Autoren entgegen dem Wortlaut für die Kappungsgrenze auf den Zeitpunkt des § 1384 BGB abgestellt,76 was der BGH jedoch seinerzeit bereits zu Recht abgelehnt hat.77 Ziel der Reform des § 1384 BGB war es demnach, die mit dieser Regelung einhergehenden Missbrauchsmöglichkeiten des Ausgleichsschuldners zu verhindern und einen weitreichenden Schutz des Ausgleichsberechtigten zu gewährleisten. Ein gesetzgeberisches Versehen ist hier somit nicht anzunehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber durch die Abschaffung der Kappungsgrenze im Scheidungsfall einen möglichst umfassenden Schutz des Ausgleichsberechtigten erreichen wollte.78 Die daraus entstehende faktische Benachteiligung des redlichen Ausgleichspflichtigen ist daher lediglich Folge einer durch den Gesetzgeber bewusst geschaffenen Regelung. Es kann zunächst dahingestellt bleiben, ob die zugrundeliegende Abwägung des Gesetzgebers sachgerecht ist. Festzuhalten ist jedoch, dass die Benachteiligung des Ausgleichsschuldners die Folge einer grundlegenden Wertentscheidung zur gesetzlichen Risikoverteilung ist. Eine teleologische Reduk­ tion des § 1384 BGB wäre jedoch nur dann vorzunehmen, wenn eine Regelungslücke bestünde, die mit dem Zweck der Vorschrift nach der gesetzgeberischen Vorstellung in Widerspruch steht, was hier nicht der Fall ist.

74  BT-Drs.

16/10798, S. 11. 635/08. 76  Schröder, FamRZ 1997, 1, 7; Schwab, FamRZ 1984, 525; ders., in: Brühler Schriften zum Familienrecht, S. 33, 46; Ziege, NJW 1964, 2394; so auch OLG Köln FamRZ 1988, 174; a. A. etwa Winckelmann, FPR 2003, 167, 168; zu diesem Streit ausführlich auch Flues, S.  166 ff. 77  BGH NJW 1988, 2369. 78  So auch Spegele, S. 91 unter Verweis auf BT-Drs. 16/10798, S. 27. 75  BR-Drs.



B. Möglichkeiten zur Modifikation der Ausgleichspflicht139

B. Möglichkeiten zur Modifikation der Ausgleichspflicht durch das Familiengericht oder den Schuldner Wie soeben festgestellt, ist eine Kappung des Zugewinnausgleichsanspruchs über § 1378 II 1 BGB nach neuer Rechtslage nicht mehr möglich. Zu untersuchen ist daher, ob es andere Möglichkeiten gibt, unverschuldete Vermögensverluste aufgrund von Kursverfällen börsennotierter Aktien zu berücksichtigen. Das Gesetz sieht zwei Möglichkeiten für das Familiengericht vor, die Ausgleichspflicht im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen zu modifizieren. Diese umfassen die Stundung der Ausgleichsforderung (I.) und die Anordnung der Erfüllung der Forderung durch die Übertragung von Vermögensgegenständen (II.). Ferner kann der Schuldner die Leistung wegen grober Unbilligkeit verweigern (III.). Zu prüfen ist, ob über die genannten Regelungen bei Kursverlusten nach dem Stichtag eine Abmilderung finanzieller Härten für den zugewinnausgleichspflichtigen Ehegatten herbeigeführt werden kann.

I. Stundung der Ausgleichsforderung gemäß § 1382 BGB Das Familiengericht kann die Zugewinnausgleichsforderung gemäß § 1382 I BGB auf Antrag stunden, soweit der Schuldner sie nicht bestreitet und die unmittelbare Erfüllung auch unter Berücksichtigung der Interessen des Gläubigers zur Unzeit erfolgen würde. Das Gesetz stellt klar, dass dies auch dann der Fall ist, wenn die sofortige Zahlung die Wohn- oder sonstigen Lebensverhältnisse gemeinsamer Kinder der Ehegatten nachhaltig verschlechtern würde, was beispielsweise dann angenommen wird, wenn sich durch den Verkauf des Familienheims dem ursprünglichen Lebensstandard nicht mehr entsprechende Wohnverhältnisse ergeben.79 § 1382 BGB ist ein im Wege richterlicher Vertragshilfe angewandtes Billigkeitskorrektiv bei Erfüllungsschwierigkeiten, wobei die richterliche Entscheidung unmittelbar die Fälligkeit der Forderung festlegt.80 Die Stundung kann sowohl im Wege eines Zahlungsaufschubs bis zu einem bestimmten Termin als auch in Form der Anordnung von Ratenzahlungen gewährt werden.81 Die sofortige Zahlung erfolgt dann zur Unzeit, wenn sie den Schuldner „zu Dispositionen zwingt, die ihn ökonomisch oder persönlich über jenes Maß hinaus belasten, das mit jeder Auseinandersetzung am Ende des 79  Staudinger/Thiele, § 1382 Rn. 12; NK-BGB/Fischinger, § 1382 Rn. 19; Palandt/Brudermüller, § 1382 Rn. 3. 80  MüKo/Koch, § 1382 Rn. 1 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 36 VII Rn. 102; a. A. Schwolow, FuR 2012, 398. 81  Schröder/Bergschneider, Rn. 4.387.

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3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

­ üterstandes verbunden ist“82. Die besondere Härte muss demnach gerade G darin bestehen, dass die Zugewinnausgleichsforderung vollständig und unmittelbar mit ihrem Entstehen fällig wird.83 Die bloße Belastung durch die Ausgleichsforderung als solche ist hingegen allenfalls über § 1381 BGB zu korrigieren.84 Insbesondere ist Voraussetzung des § 1382 BGB, dass der Schuldner zur Zahlung tatsächlich in der Lage ist85 und die besondere Härte somit dadurch abgemildert werden kann, dass die Fälligkeit der Forderung später eintritt.86 Der Schuldner muss sich häufig erst durch die Aufnahme von Krediten oder die Liquidierung von Vermögen in die Lage bringen, den Anspruch befriedigen zu können,87 was ihm grundsätzlich zumutbar ist.88 Eine „übermäßige ökonomische Belastung“ im Sinne des § 1382 BGB ist daher erst dann gegeben, wenn zum Beispiel eine eilige und daher unwirtschaftliche Veräußerung von Vermögensgegenständen vorgenommen werden müsste, wovor § 1382 BGB den Ausgleichsschuldner schützen soll.89 Liegt eine vorübergehende schlechte Marktlage vor, könnte § 1382 BGB einen Aufschub für den Schuldner bedeuten, der es ihm erlaubt, Vermögenswerte erst dann zu veräußern, wenn sich die Marktverhältnisse wieder verbessert haben.90 Grundsätzlich ist es daher für das Eingreifen des § 1382 BGB erforderlich, dass der Schuldner vorhandene Vermögenswerte tatsächlich angreifen muss; ihm soll nicht lediglich ermöglicht werden, die Zahlungen aus seinem regelmäßigen Einkommen zu leisten und damit die Veräußerung von Vermögensgegenständen zu vermeiden.91 Eine Stundung kann ferner aus persönlichen Gründen92 oder dann gewährt werden, wenn eine Existenzgrundlage wie etwa ein eigenes Unternehmen gefährdet wird.93 82  MüKo/Koch, § 1382 Rn. 5; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 36 VII Rn. 104; Staudinger/Thiele, § 1382 Rn. 12; Schröder/Bergschneider, Rn. 4.365. 83  Staudinger/Thiele, § 1382 Rn. 12. 84  BeckOK/Mayer, § 1382 Rn. 4; Staudinger/Thiele, § 1382 Rn. 12; Schröder/ Bergschneider, Rn. 4.362. 85  Schröder/Bergschneider, Rn. 4.366. 86  MüKo/Koch, § 1382 Rn. 5. 87  Staudinger/Thiele, § 1382 Rn. 3; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 36 VII Rn. 102. 88  BeckOK/Mayer, § 1382 Rn. 4; Schröder/Bergschneider, Rn. 4.369. 89  BT-Drs. 10/2888, S. 17; BeckOK/Mayer, § 1382 Rn. 4; Johannsen/Henrich/ Jaeger, § 1382 Rn. 5; Staudinger/Thiele, § 1382 Rn. 15; Palandt/Brudermüller, § 1382 Rn. 2; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 36 Rn. 104; Kogel, FF 2009, 390, 394. 90  BeckOK/Mayer, § 1382 Rn. 4. 91  Staudinger/Thiele, § 1382 Rn. 13. 92  BT-Drs. 10/2888, S. 17; Staudinger/Thiele, § 1382 Rn. 12; Johannsen/Henrich/ Jaeger, §  1382 Rn.  6; BeckOK/Mayer, §  1382 Rn.  4; Schröder/Bergschneider, Rn. 4.375. 93  MüKo/Koch, § 1382 Rn. 7, Staudinger/Thiele, § 1382 Rn. 14.



B. Möglichkeiten zur Modifikation der Ausgleichspflicht141

Fallen die Börsenkurse der Aktien des ausgleichspflichtigen Ehegatten nach dem Stichtag, kann ihm dieser Umstand die Erfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs erheblich erschweren, wenn sich der Börsenkurs auf einem Niveau befindet, das es nicht erlaubt, den nunmehr fälligen Anspruch in voller Höhe zu befriedigen. In der Literatur werden als Beispiel für vorübergehend schlechte wirtschaftliche Bedingungen, die eine Stundung rechtfertigen, explizit börsennotierte Wertpapiere in einer Baisse angeführt, sofern deren Ende abzusehen ist.94 Es ist damit anerkannt, dass § 1382 BGB auch der Vermeidung eines Verkaufs von Aktien zu einem zeitweise außergewöhnlich niedrigen Börsenkurs dient.95 Problematisch ist allerdings in der Regel die weitere Voraussetzung des § 1382 BGB, dass die Verbesserung der Lage des Ausgleichspflichtigen absehbar sein muss,96 denn wie bereits dargestellt, ist häufig gerade nicht abzusehen, ob sich Börsenkurse wieder erholen werden.97 Daher wird diese Voraussetzung bei börsennotierten Aktien nur im Einzelfall erfüllt sein, denn es ist – gerade in Krisenzeiten – nicht sicher, dass die gesunkenen Kurse wieder steigen. § 1382 BGB kann demnach nur anwendbar sein, wenn ein Kursanstieg eindeutig bevorsteht.98 Jedenfalls soll eine Verbesserung der Lage dann nicht absehbar sein, wenn ein Totalverlust des Aktiendepots feststeht und dieses der einzige Vermögenswert ist.99 Die bloße Spekulation darauf, dass die Kurse wieder ansteigen, reicht nicht aus, um das Erfordernis der Verbesserung in absehbarer Zeit zu erfüllen.100 In Betracht käme eine Stundung unter diesem Gesichtspunkt allenfalls dann, wenn dem Zugewinnausgleichspflichtigen gegenüber seinem Kreditinstitut Ansprüche wegen einer Fehlberatung zustünden, nach deren Erfüllung sich die finanzielle Lage des Ausgleichsschuldners wieder erholt.101 Auch eine Prognose dazu, bis wann der Anspruch sinnvollerweise zu stunden ist, wird schwer fallen. Selbst wenn eine Stundung erfolgt ist, bleibt für den Schuldner fraglich, wann er die Aktien während der Stundung verkaufen soll. Soll er hoffen, dass sie zu ihrem ursprünglichen Kurswert zurückkehren und dafür das Risiko neuerlicher Kursverluste in Kauf nehmen? Soll er sie veräußern, sobald sie sich annähernd erholt haben und 94  MüKo/Koch,

§ 1382 Rn. 7; Schröder/Bergschneider, Rn. 4.371. § 1382 Rn. 15; ferner kann eine Stundung gemäß § 1382 BGB bis zum Ablauf der Zehnjahresfrist des § 23 EStG gewährt werden, wenn durch den Verkauf der Wertpapiere erhebliche Spekulationssteuern anfallen würden, BeckOK/Mayer, § 1382 Rn. 4 m. w. N. 96  Palandt/Brudermüller, § 1382 Rn. 2. 97  So auch Kogel, FamRB 2010, 247, 250. 98  Schwolow, FuR 2012, 398. 99  Kogel, FF 2010, 390, 394. 100  Staudinger/Thiele. § 1382 Rn. 15. 101  Kogel, FamRB 2010, 247, 250. 95  Staudinger/Thiele,

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3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

damit immer noch nicht den vollen Wert erhalten, den er zur Erfüllung der gestundeten Forderung benötigt? Diese Fragen zeigen, dass eine Stundung die Probleme des Schuldners in der Praxis oftmals nicht wird lösen können. Ferner muss die Forderung verzinst werden, was die Erfüllung für den durch die gefallenen Aktienkurse ohnehin finanziell belasteten Ausgleichspflichtigen noch weiter erschwert.102 Schließlich muss das Schuldnerinteresse an der Stundung das Gläu­ bigerinteresse an der sofortigen Zahlung bei einer Interessenabwägung überwiegen,103 wobei auch persönliche Interessen zu berücksichtigen sind.104 Ob dazu auch Tatsachen wie beispielsweise ein zur Beendigung der Ehe führendes Verhalten des Ausgleichspflichtigen zählen, ist umstritten und wird im Ergebnis abzulehnen sein.105 Besondere Berücksichtigung müssen jedoch Interessen des Gläubigers finden, die beispielsweise auf der Rollenverteilung während des Güterstandes beruhen, so etwa, wenn der Ehegatte, der auf eine eigene Arbeitstätigkeit während der Ehe verzichtet hat, mithilfe der Zugewinnausgleichssumme eine eigene Existenz aufbauen möchte.106 Interessen gemeinsamer Kinder sind immer vorrangig.107 Die Hürden für das Eingreifen des § 1382 BGB sind folglich hoch, wobei die Auslegung der Vorschrift im Einzelnen dem entscheidenden Gericht überlassen bleibt. Für die hier behandelte Problematik bietet er damit regelmäßig keine verlässliche und damit zufriedenstellende Lösung, da im Einzelfall von zu vielen Eventualitäten abhängig ist, ob eine Stundung überhaupt gewährt wird. Dadurch anfallende Zinsen können den Schuldner ferner noch weiter belasten. An der Höhe des Anspruchs ändert § 1382 BGB darüber hinaus ohnehin nichts, da der Ausgleichspflichtige im besten Falle lediglich einen Zahlungsaufschub erhält.

II. Übertragung von Vermögensgegenständen gemäß § 1383 BGB Gemäß § 1383 BGB kann das Familiengericht auf Antrag des Zugewinnausgleichsberechtigten anordnen, dass der Schuldner bestimmte Gegenstän102  Schwab,

FamRZ 2009, 1445, 1447. § 1382 Rn. 14; BeckOK/Mayer, § 1382 Rn. 5; Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1382 Rn. 6; Staudinger/Thiele, § 1382 Rn. 19; Gernhuber/CoesterWaltjen, § 36 VII Rn. 103; Schröder/Bergschneider, Rn. 4.363. 104  MüKo/Koch, § 1382 Rn. 15. 105  Dafür: Staudinger/Thiele, § 1382 Rn. 20; a.  A. MüKo/Koch, § 1382 Rn. 15; Schröder/Bergschneider, Rn. 4.381. 106  Gernhuber/Coester-Waltjen, § 36 VII Rn. 105. 107  MüKo/Koch, § 1382 Rn. 18; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 36 VII Rn. 103. 103  MüKo/Koch,



B. Möglichkeiten zur Modifikation der Ausgleichspflicht143

de seines Vermögens dem Gläubiger unter Anrechnung auf die Ausgleichsforderung zu übertragen hat, wenn dies erforderlich ist, um eine grobe Unbilligkeit für den Gläubiger zu vermeiden, und wenn dies dem Schuldner zumutbar ist. In erster Linie dient die Vorschrift der Vorbeugung von Nachteilen für den Gläubiger, die sich aus der schuldrechtlichen Natur des Ausgleichsanspruchs ergeben.108 Für schutzwürdig wurde nur der ausgleichsberechtigte Ehegatten erachtet, wobei im Gesetzgebungsverfahren bewusst darauf verzichtet wurde, umgekehrt auch dem Zugewinnausgleichspflichtigen die Möglichkeit einzuräumen, den Geldanspruch durch die dingliche Übertragung von Vermögensgegenständen zu befriedigen. Dies beruhte auf der Auffassung, dass ein derartiger Schutz für den Ausgleichspflichtigen nicht erforderlich sei.109 § 1383 BGB hilft dem ausgleichsverpflichteten Ehegatten demnach nur, wenn der Ausgleichsgläubiger die Übertragung von Gegenständen beantragt. Dies ist jedoch unwahrscheinlich, da ein erheblich entwertetes Aktiendepot keinen erstrebenswerten Vermögenswert mehr darstellt. Lediglich wenn eine Erholung der Kurse zu erwarten ist110 oder damit zugleich werthaltige Ansprüche etwa auf Schadensersatz wegen Fehlberatung einhergehen,111 würde man dies überhaupt in Betracht ziehen. Eine Ausdehnung der Vorschrift de lege lata auf den Ausgleichsverpflichteten scheitert bereits an dem insoweit sehr klaren Wortlaut des § 1383 BGB112 und der deutlich geäußerten Intention des Gesetzgebers. Vereinzelt113 wird gefordert, die Vorschrift de lege ferenda auf den ausgleichspflichtigen Ehegatten zu erweitern, also auch ihm die Möglichkeit zu eröffnen, bei dem Familiengericht einen Antrag darauf zu stellen, dass er dem Gläubiger bestimmte Vermögensgegenstände in Anrechnung auf die Ausgleichsforderung übertragen kann. Stünde die Antragsberechtigung auch dem Schuldner des Anspruchs zu, hätte er zumindest die Möglichkeit, familiengerichtlich prüfen zu lassen, ob eine Übertragung von Vermögensgegenständen, namentlich des im Werte gesunkenen Wertpapierdepots, in Frage kommt. Dem wird freilich in den meisten Fällen das Interesse des Gläubigers entgegenstehen, der dadurch keine übermäßige Benachteiligung erfahren darf. Problematisch wäre auch die Frage, in welcher Höhe die Übertra108  MüKo/Koch, § 1383 Rn. 2; Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1383 Rn. 1; MeyerStolte, RPfleger 1976, 6. 109  BT-Drs. 2/3802, S. 59. 110  Kogel, FF 2009, 390, 394. 111  Kogel, FamRB 2010, 247, 250. 112  Palandt/Brudermüller, § 1383 Rn. 1; a.  A. Fischinger, FamRZ 2009, 1718, 1720. 113  Braga, FamRZ 1955, 1, 3; Rakete-Dombek, FPR 2009, 273.

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3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

gung des im Wert erheblich gesunkenen oder vielleicht sogar praktisch wertlosen Depots auf den Anspruch angerechnet werden soll. Im Rahmen der Stichtagsregelung wäre es konsequent, auch dafür auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags abzustellen.114 Dabei liegt allerdings auf der Hand, dass dadurch eine erhebliche Benachteiligung des Gläubigers eintreten würde, die kaum zu rechtfertigen ist. Im Rahmen des § 1383 BGB in seiner geltenden Fassung wird überwiegend auf den Zeitpunkt der familiengerichtlichen Entscheidung abgestellt, mit der die Verpflichtung zur Übertragung begründet wird.115 Es würde demnach nur der niedrigere Wert des Depots angesetzt, was für den Schuldner keinen Mehrwert gegenüber dessen bloßer Veräußerung brächte und ihn zusätzlich der Chance einer späteren Wertsteigerung berauben würde. Selbst eine Erweiterung der Vorschrift de lege ferenda würde demnach keine Abhilfe schaffen.

III. Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit gemäß § 1381 BGB Das Gesetz enthält in Gestalt von § 1381 BGB eine spezielle Billigkeitsvorschrift für das Zugewinnausgleichsrecht, die dem Schuldner ein dauerhaftes Leistungsverweigerungsrecht116 in Form einer Einrede117 insoweit einräumt, als der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles „grob unbillig“ wäre. Auf § 1381 BGB kann sich nur der Ausgleichsschuldner berufen, so dass die Vorschrift zu einer Verminderung, nicht hingegen zu einer Erhöhung des Zugewinnausgleichsanspruchs führen kann.118 Die Regelung dient der Korrektur von durch den Halbteilungsgrundsatz bedingten Ergebnissen, die dem Bewertungsziel des Zugewinnausgleichs und somit dem zugrundeliegenden Gedanken der Gleichberechtigung der Ehegatten in grober Weise widersprechen.119 Die Möglichkeit einer Billigkeitskorrektur ist Konsequenz der bewusst schematischen Regelung des Zugewinnausgleichs und soll Spielräume zur Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit eröffnen, wobei der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen hat, dass sich daraus auch Beeinträchtigungen der Rechtssicherheit ergeben können.120 114  Die Vorteile einer solchen Vorgehensweise für den Schuldner betont auch Schwab, FamRZ 2009, 1445, 1447. 115  Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1383 Rn. 10; Staudinger/Thiele, § 1383 Rn. 25; MüKo/Koch, § 1383 Rn. 27. 116  MüKo/Koch, § 1381 Rn. 6. 117  Dethloff, § 5 Rn. 114; Koeniger, DRiZ 1959, 80. 118  Dethloff, § 5 Rn. 119 m. w. N. 119  Rommel, S. 148; ähnlich BGH FamRZ 1992, 787. 120  BT-Drs. 2/224, S. 48; BGH FamRZ 1980, 877; NJW-RR 2002, 865, 867; Rauscher, Rn. 430; Staudinger/Thiele, § 1381 Rn. 1; Büte, FF 2010, 279, 288.



B. Möglichkeiten zur Modifikation der Ausgleichspflicht145

Könnte sich der Ausgleichsschuldner nach Kursverlusten an der Börse auf diese Vorschrift berufen und somit den Ausgleich des Zugewinns in bestimmter Höhe verweigern, würde dies bedeuten, dass das zugewinnausgleichsrechtliche System in der Lage ist, die sich aus der vollständigen Belastung des ausgleichspflichtigen Ehegatten mit dem Wertminderungsrisiko auf den Ausgleichspflichtigen ergebenden Nachteile abzufangen und zu korrigieren. Zu untersuchen ist daher im Folgenden, ob diese Fälle von Wertminderungen nach dem Stichtag von § 1381 BGB erfasst werden. 1. Eingreifen des § 1381 BGB bei kursbedingten Wertverlusten nach dem Stichtag Das Bestehen eines Leistungsverweigerungsrechts setzt zunächst voraus, dass der Anwendungsbereich des § 1381 BGB in zeitlicher Hinsicht eröffnet ist. Ist dies der Fall, ist zu untersuchen, ob in der Tatsache, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte trotz der Verluste, die er an der Börse erlitten hat, den vollen Zugewinnausgleichsanspruch erfüllen muss, eine grobe Unbilligkeit liegt, aufgrund derer dem Ausgleichspflichtigen ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht. a) Anwendbarkeit in zeitlicher Hinsicht Es ist zunächst festzustellen, ob § 1381 BGB überhaupt auf Verluste anwendbar ist, die erst nach dem Stichtag eintreten, denn es ist fraglich, bis zu welchem Zeitpunkt Ereignisse im Rahmen des § 1381 BGB Berücksichtigung finden dürfen.121 In der Literatur ist diese Frage umstritten. Überwiegend wird der zeitliche Anwendungsbereich weit gefasst, so dass alle Tatsachen berücksichtigt werden können, die bis zur Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses eingetreten sind.122 Dafür spricht, dass erst mit dem Ende der Ehe auch jede güterrechtliche Bindung erlischt123 und die Zugewinnausgleichsforderung erst mit der Beendigung des Güterstandes entsteht.124 Es wäre jedoch auch denkbar, solche Ereignisse zu berücksichtigen, die sich bis zur letzten Tatsachenverhandlung im Zugewinnausgleichsverfahren beziehungsweise sogar über die Rechtskraft der Scheidung hinaus ergeben.125 dazu auch die Übersicht bei Schwab, FamRZ 2009, 1445, 1447. § 1381 Rn. 4; Staudinger/Thiele, § 1381 Rn. 19; MüKo/Koch, § 1381 Rn. 20. 123  MüKo/Koch, § 1381 Rn. 20. 124  Haußleiter/Schulz, Kap. 1 Rn. 531. 125  Staudinger/Thiele, § 1381 Rn. 29; Schwab, Handbuch Scheidungsrecht, VII Rn. 235; OLG Düsseldorf NJW 1995, 3193. 121  Vgl.

122  BeckOK/Mayer,

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3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

Es wäre schließlich denkbar, mit der Rechtsprechung auf jegliche zeitliche Einschränkung zu verzichten. So wenden sowohl der BGH als auch die Instanzgerichte § 1381 BGB selbst dann noch an, wenn die grobe Unbilligkeit tatsächlich erst durch die Begleichung der Ausgleichsforderung selbst eingetreten wäre.126 Die Frage, ob eine zeitliche Einschränkung zu machen ist, stellt sich vermehrt seit der Vorverlegung der Kappungsgrenze auf den Tag der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags. Es ist nunmehr denkbar, als Konsequenz dieser neuen Wertung des Gesetzes auch im Rahmen des § 1381 BGB nur noch Tatsachen zu berücksichtigen, die bis zu diesem Zeitpunkt eingetreten sind.127 Insbesondere spräche nach den Vertretern dieser Auffassung für die Abkehr von der bislang überwiegend vertretenen Ansicht deren Begründung, dass alle für Anspruchsentstehung und -höhe relevanten Faktoren von § 1381 BGB erfasst werden müssten.128 Nun, da die Anspruchshöhe nur noch durch das bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags vorhandene Vermögen des Ausgleichspflichtigen begrenzt wird, verliert dieses Argument an Gewicht.129 Fallen die Börsenkurse erst nach dem Stichtag, ist demnach fraglich, ob der zeitliche Anwendungsbereich des § 1381 BGB überhaupt eröffnet ist. Ist man der Ansicht, dass bei der Frage nach einem Leistungsverweigerungsrecht nach § 1381 BGB nur Tatsachen berücksichtigt werden dürfen, die bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags eingetreten sind, scheidet schon die Anwendbarkeit des § 1381 BGB aus. Entscheidet man sich hingegen für eine diesbezüglich großzügige Handhabung der Vorschrift, ist der zeitliche Anwendungsbereich des § 1381 BGB eröffnet. Letztlich sprechen die gewichtigeren Argumente dafür, eine großzügige Auslegung vorzunehmen, denn obwohl die Höhe der Zugewinnausgleichsforderung nach neuem Recht nunmehr bereits bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags feststeht, entsteht sie doch nach wie vor erst mit Beendigung des Güterstandes, § 1378 III 1 BGB. Auch der Normzweck spricht für einen weiten Anwendungsbereich, 126  Konkludent durch Berücksichtigung der Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz des Ausgleichspflichtigen aufgrund der Erfüllung der Ausgleichsforderung, das heißt nach Scheidung der Ehe: BGH NJW 1970, 1600; NJW 1973, 749; konkludent durch die Berücksichtigung der Ersteigerung des gemeinsamen Grundstücks im Rahmen der Teilungsversteigerung nach Beendigung des Güterstands: OLG Köln FamRZ 2009, 1070; ausdrücklich: OLG Düsseldorf FamRZ 1987, 821, 822; zu dieser Rechtsprechungstendenz ausführlich auch Schwab, FamRZ 2009, 1445, 1448. 127  Haußleiter/Schulz, Kap. 1 Rn. 531, 565; Schwab, FamRZ 2009, 1445, 1447; Palandt/Brudermüller, § 1381 Rn. 6, 20; Henjes, C. Rn. 581. 128  Haußleiter/Schulz, Kap. 1 Rn. 531, 565; Schwab, FamRZ 2009, 1445, 1447; Palandt/Brudermüller, § 1381 Rn. 6, 20; Henjes, C. Rn. 581. 129  Palandt/Brudermüller, § 1381 Rn. 6.



B. Möglichkeiten zur Modifikation der Ausgleichspflicht147

denn Unbilligkeiten ergeben sich häufig gerade erst durch die Begleichung der Forderung selbst und würden somit nach enger Auffassung gänzlich aus dem Anwendungsbereich herausfallen, was die Vorschrift in vielen Fällen leerlaufen ließe. § 1381 BGB ist aber gerade dafür geschaffen worden, den Ausgleichsschuldner vor erheblichen Belastungen zu bewahren, die nicht auf anderem Wege zu korrigieren sind. Eine sehr strenge Handhabung in zeitlicher Hinsicht würde den Anwendungsbereich jedoch erheblich einschränken und denjenigen Ausgleichsschuldner benachteiligen, in dessen Fall die die grobe Unbilligkeit begründenden Umstände erst später eintreten, obwohl er keinen Einfluss auf ihren Zeitpunkt hat. Andere als systematische Gründe stehen dem ersichtlich nicht entgegen. Insbesondere lässt auch der Wortlaut der Vorschrift keinen Hinweis darauf erkennen, dass überhaupt zeitliche Einschränkungen zu machen sind. Auch nach der Gesetzesänderung müssen im Rahmen der Billigkeitsprüfung daher Tatsachen berücksichtigt werden, die bis zur Rechtskraft der Scheidung eingetreten sind. § 1381 BGB ist somit jedenfalls in zeitlicher Hinsicht auf Fälle anwendbar, in denen die börsennotierten Aktien des Ausgleichspflichtigen nach dem Stichtag fallen. b) Vorliegen einer groben Unbilligkeit bei Kursverlusten Die „grobe Unbilligkeit“ in § 1381 BGB stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der der Auslegung bedarf. Seit Inkrafttreten der Vorschrift war er Gegenstand zahlreicher Entscheidungen und Veröffentlichungen. Im Folgenden werden daher die grundlegenden Kriterien dazu umrissen, wann eine grobe Unbilligkeit gegeben ist, um sodann feststellen zu können, ob und gegebenfalls ab welcher Schwelle diese bei Kursverlusten nach dem Stichtag erfüllt sind. aa) Begriff der groben Unbilligkeit im Sinne des § 1381 BGB Ein Leistungsverweigerungsrecht des Ausgleichsschuldners kann nur dann bestehen, wenn eine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 1381 BGB vorliegt. Die Vorschrift verzichtet auf eine Legaldefinition und enthält in Absatz 2 lediglich ein Regelbeispiel, nach dem eine grobe Unbilligkeit insbesondere dann vorliegen kann, wenn der Ehegatte, der den geringeren Zugewinn erzielt hat, längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat. Für den Fall von Kursverlusten an der Börse nach dem Bewertungsstichtag bietet der Wortlaut allein keine Anhaltspunkte, da den ausgleichsberechtigten Ehegatten daran kein Verschulden trifft. Eine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 1381 BGB liegt dann vor, wenn „der nach den Vorschriften des Gesetzes ermittelte Zugewinnausgleich im

148

3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

Einzelfall den Sinn und den Gerechtigkeitsgehalt der Vermögensteilhabe unter Ehegatten grob verfehlt“,130 beziehungsweise wenn die volle oder teilweise Leistung des Zugewinnausgleichs „dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise“ widerspricht.131 Das Vorliegen einer bloßen Unbilligkeit in Form eines als ungerecht empfundenen Ergebnisses reicht demnach nicht aus. Vielmehr ergibt sich bereits aus der Formulierung als „grobe“ Unbilligkeit und damit aus dem Wortlaut der Vorschrift eine erheblich höhere Eingriffsschwelle, die zu einer traditionell engen Auslegung des Begriffes führt.132 Der Wortlaut bringt die gesetzgeberische Intention zum Ausdruck, nach der § 1381 BGB als Ausnahmevorschrift konzipiert ist, die nur in besonderen Einzelfällen eingreifen soll, in denen die nach dem Gesetz vorgesehene Situation und die tatsächliche Lage auseinanderfallen.133 Daraus folgt auch, dass Unbilligkeiten, die sich allein aus der korrekten Anwendung der gesetzlichen Vorschriften ergeben, nicht unter § 1381 BGB fallen. Diese sind vielmehr nicht Ausdruck einer Ausnahmesituation in einem speziell gelagerten Einzelfall, sondern sind zwingende und regelmäßige Folge der Gesetzesanwendung und damit grundsätzlich unbeachtlich, sofern nicht andere, besondere Umstände hinzutreten, die ihrerseits zum Vorliegen einer groben Unbilligkeit führen.134 Demnach ist mit dem BGH festzuhalten, dass „nicht als grobe Unbilligkeit anzusehen ist, was zwar im Ergebnis auffallen mag, aber lediglich auf einer gesetzestreuen Berechnung des Zugewinns beruht“.135 bb) Vorliegen einer systemimmanenten Unbilligkeit Unter den Begriff dieser sog. „systemimmanenten Unbilligkeiten“136 sind auch diejenigen finanziellen Einbußen zu subsumieren, die sich für den 130  Staudinger/Thiele,

901.

§ 1381 Rn. 2 unter Verweis auf BGH NJW-RR 1992, 900,

131  So schon der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, BT-Drs. 2/3409, S. 12; BGH NJW 1966, 2109, 2110; NJW 1973, 749; FamRZ 1980, 877; NJW-RR 1992, 900, 901. 132  So bereits von Godin, MDR 1966, 722, 725. 133  BT-Drs. 2/224, S. 48; MüKo/Koch, § 1381 Rn. 2. 134  BGH FamRZ 1966, 2109, 2112; 1995, 990; Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1381 Rn. 2; MüKo/Koch, § 1381 Rn. 2; Palandt/Brudermüller, § 1381 Rn. 4; Staudinger/ Thiele, § 1381 Rn. 2; Schröder/Bergschneider, Rn. 4.328; a. A. Jaeger, FPR 2005, 352; Borth, FPR 2005, 313, 315; Schröder, FamRZ 1997, 1, 6; Wellenhofer, Jura 2008, 647, 650. 135  BGH NJW 1966, 2109, 2112. 136  Dörr, NJW 1989, 1953, 1960; NK-BGB/Fischinger, § 1381 Rn. 1; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 36 VII Rn. 96; Groß, FPR 2007, 175, 176; Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1381 Rn. 2.; Heckelmann, FS-Mühl (1981), S. 283, 286.



B. Möglichkeiten zur Modifikation der Ausgleichspflicht149

ausgleichspflichtigen Ehegatten daraus ergeben, dass der Zugewinn zum Zeitpunkt der Stellung des Scheidungsantrags berechnet wird und das Ergebnis nicht den geänderten Vermögensverhältnissen angepasst werden kann, die auf Kursverlusten börsennotierter Aktien vor Beendigung des Scheidungsverfahrens und damit vor Entstehung des Ausgleichsanspruchs beruhen. Dies ergibt sich daraus, dass die wirtschaftlichen Konsequenzen für den Ausgleichsschuldner gerade aus den gesetzlichen Berechnungsmodalitäten – insbesondere den Stichtagen – folgen.137 Die Bewertung einer Aktie mit ihrem Börsenkurs am Stichtag hat daher im System des Zugewinnausgleichs negative Folgen für den Ausgleichspflichtigen. Sowohl das Stichtagsprinzip, das die Vermögenssituation eines bestimmten Tages „einfriert“, als auch die schematische Halbteilung des an diesem Tage vorhandenen Mehrzugewinns gegenüber dem anderen Ehegatten sind dafür verantwortlich, dass der Ausgleichspflichtige zum Gegner eines Anspruchs werden kann, der seine aktuelle finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigt. Die mangelnde Berücksichtigung der Diskrepanz zwischen dem am Bewertungsstichtag und bei Entstehen des Anspruchs vorhandenen Vermögen für die Höhe des Ausgleichsanspruchs resultiert also unmittelbar aus dem Gesetz, so dass eine systemimmanente Unbilligkeit vorliegt.138 Nach dem der Vorschrift zugrundeliegenden Gedanken sollen jedoch nur Ergebnisse korrigiert werden, die den Grundgedanken des Zugewinnausgleichs widersprechen.139 An die in den Bewertungsregeln ihren Ausdruck findende „Wertentscheidung des Gesetzes“ ist der Richter hingegen gebunden,140 denn diese beruhen ihrerseits auf zugewinnausgleichsrechtlichen Zielsetzungen. So soll insbesondere das Stichtagsprinzip gerade dafür sorgen, dass Wertminderungen nach dem Stichtag – wie oben erläutert – allein dem Ausgleichsschuldner zum Nachteil gereichen. Schwab kritisiert an dieser im Ergebnis restriktiven Auslegung des § 1381 BGB, dass Zweck des Zugewinnausgleichs nicht „die erfolgreiche Anwendung eines ‚starren, schematischen‘ Rechenprogramms, sondern die angemessene und gleichberechtigte Beteiligung beider Ehegatten an den während der Ehe erwirtschafteten Vermögenszuwächsen“ sei, weswegen man im Rahmen der Problematik negativer Kursschwankungen nach dem Stichtag auf den Gesichtspunkt des „unzumutbaren Opfers“ abstellen müsse.141 Da§ 1381 Rn. 2; Büte, FF 2010, 279, 288; Rauscher, Rn. 375a. C. Rn. 380; Hoppenz, FamRZ 2008, 1889, 1892; Schulz/Hauß/Häcker, § 1376 Rn. 77. 139  Staudinger/Thiele, § 1381 Rn. 5. 140  Tiedke, JZ 1984, 1078, 1082. 141  Schwab, FamRZ 2009, 1445, 1449; § 33 Rn. 290; so im Ergebnis wohl auch Hoppenz, FamRZ 2010, 16, 17. 137  MüKo/Koch, 138  Henjes,

150

3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

gegen entscheide die Rechtsprechung im Zweifel für den Schematismus, wenn durch die Bewertung zum Stichtag unbillige Ergebnisse entstünden.142 Auch andere Stimmen äußern sich nunmehr kritisch zu der völligen Außerachtlassung solcher aus dem System heraus entstandener Unbilligkeiten.143 Die Kritik daran, dass im Zugewinnausgleichsrecht kein Korrektiv zur Verfügung steht, das auch die sich aus den Berechnungsmodalitäten ergebenden Ungerechtigkeiten auszugleichen vermag, ist zwar durchaus berechtigt. Dieser Umstand allein rechtfertigt jedoch nicht die Berücksichtigung systemimmanenter Unbilligkeiten im Rahmen des § 1381 BGB. Wie eingangs erläutert, erfordert dieser eine „grobe Unbilligkeit“, womit sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, dass hohe Anforderungen an den Grad dieser Unbilligkeit zu stellen sind, so dass dem Ausgleichsschuldner durch die vollständige Begleichung des Anspruchs empfindliche Nachteile entstehen müssen. Dies kann nicht schon dann angenommen werden, wenn sich aufgrund von Kursverlusten nach dem Stichtag Abweichungen ergeben. Jedoch bedeutet das nicht zwingend, dass bei Hinzutreten weiterer Umstände nicht im Einzelfall eine grobe Unbilligkeit angenommen werden kann. Es muss vielmehr auf die konkreten wirtschaftlichen Folgen abgestellt werden. Im Folgenden wird daher untersucht, unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist und ob bereits die Notwendigkeit dafür ausreicht, dass sich der ausgleichspflichtige Ehegatte verschulden muss, um den Anspruch erfüllen zu können. cc) Grobe Unbilligkeit wegen finanzieller Überlastung des Ausgleichsschuldners? Das Vorliegen einer groben Unbilligkeit wird zwar vor allem dann angenommen, wenn ein schuldhaftes Verhalten des Berechtigten, das nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch persönlicher Natur sein kann, gegeben ist.144 Für eine derartige Zielrichtung der Vorschrift spricht deutlich auch das einzige Regelbeispiel in Absatz 2. § 1381 BGB ist auch nicht in erster Linie dafür gedacht, dem Ausgleichsschuldner über Zahlungsschwierigkeiten hinwegzuhelfen; dies ergibt sich systematisch schon aus dem Verhältnis zur Stundungsvorschrift des § 1382 BGB.145 Jedoch ist ein Eingreifen des § 1381 BGB in diesen Fällen nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Das gilt insbesondere auch dann, wenn sich die Zahlungsschwierigkeiten gerade aufgrund der schematischen Anwendung der Berechnungsvorschriften erge142  Schwab,

in: Brühler Schriften zum Familienrecht, S. 33, 40. Kap. 1 Rn. 536; Schröder, FamRZ 1997, 1, 6. 144  BGH FamRZ 1980, 877; 768, 769. 145  MüKo/Koch, § 1381 Rn. 29. 143  Haußleiter/Schulz,



B. Möglichkeiten zur Modifikation der Ausgleichspflicht151

ben.146 Eine grobe Unbilligkeit ist daher auch dann anzunehmen, wenn der Ausgleichsschuldner durch die Begleichung der Forderung in empfindliche wirtschaftliche Nöte geriete. Die Möglichkeit der Leistungsverweigerung nach § 1381 BGB ist folglich mit der Rechtsprechung in Fällen zu bejahen, in denen die für die Begleichung des Zugewinnausgleichsanspruchs notwendige Verschuldung so hoch ist, dass sie bereits für sich genommen eine grobe Unbilligkeit darstell147 und eine Stundung nach § 1382 BGB nicht in Betracht kommt.148 Die mangelnde Liquidität des Zugewinnausgleichspflichtigen kann demnach nur dann zur Anwendbarkeit des § 1381 BGB führen, wenn ihm durch den Ausgleich des Zugewinns die unterhaltsrechtliche Abhängigkeit droht und der Gläubiger durch die Nichtzahlung wiederum nicht in seiner unterhaltsrechtlichen Versorgungslage betroffen ist.149 In einem vom BGH entschiedenen Fall hatte der zugewinnausgleichspflichtige Ehemann Jahre zuvor einen Unfall erlitten, der seine andauernde Arbeitsunfähigkeit und Pflegebedürftigkeit nach sich zog. Die Zahlung des Zugewinnausgleichs hätte das Vermögen aufgezehrt, das er zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes benötigte und ihn folglich in die unterhaltsrechtliche Abhängigkeit von seiner geschiedenen Ehefrau gebracht. Lediglich akute finanzielle Schwierigkeiten, die sich aus der Zahlung des Zugewinnausgleichs ergeben, will der BGH hingegen ausdrücklich nicht im Rahmen des § 1381 BGB berücksichtigen.150 Bejaht wurden die Voraussetzungen des § 1381 BGB auch in einem Urteil des OLG Schleswig: Hier bestand der Zugewinn der ausgleichspflichtigen Ehefrau lediglich in der Wertsteigerung einer Immobilie; sie hatte keine Berufsausbildung und war darüber hinaus arbeitsunfähig. Um den Zugewinnausgleichsanspruch erfüllen zu können, hätte sie die Immobilie veräußern und sich somit ihrer einzigen Einnahmequelle begeben müssen.151 Die Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen, dass das Vorliegen einer „groben Unbilligkeit“ aus rein wirtschaftlichen Gründen nur dann angenommen werden kann, wenn besondere Umstände 146  BGH

NJW-RR 2002, 865, 867. bei drohendem Verfall des Ausgleichspflichtigen in eine unterhaltsrechtliche Abhängigkeit BGH FamRZ 1973, 254 und bei der Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz BGH NJW 1970, 1600 (in dieser Entscheidung hatte der BGH die Anwendung des § 1381 BGB allerdings abgelehnt, weil die Beklagte sowohl die Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz als auch nicht ausreichend dargetan hatte, dass eine Stundung gemäß § 1382 BGB nicht ausreichend Abhilfe schaffen konnte); anders allerdings Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1381 Rn. 11. 148  BGH NJW 1973, 749; NJW 1970, 1600, 1601; Staudinger/Thiele, § 1381 Rn. 29. 149  BGH NJW 1973, 749; OLG Schleswig NJW-RR 1998, 1225; Hoppenz/Hoppenz, § 1381 Rn. 19 f.; ablehnend Heckelmann, FS-Mühl (1981), S. 283, 301 ff. 150  BGH NJW 1973, 749, 750. 151  OLG Schleswig NJW-RR 1998, 1225, 1226. 147  So

152

3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

vorliegen und die Folgen für den Ausgleichspflichtigen in dem in Rede stehenden Einzelfall extrem sind. Auch wenn der Zugewinnausgleichspflichtige erhebliche Vermögenseinbußen verzeichnen muss, weil die Börsenkurse seiner Aktien nach dem Stichtag fallen, können demnach Umstände hinzutreten, die die Begleichung des Ausgleichsanspruchs in voller Höhe grob unbillig erscheinen lassen und somit ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 1381 BGB begründen. Das Ausmaß der Verschuldung des ausgleichspflichtigen Ehegatten muss allerdings existenzbedrohend sein, um den Grad einer groben Unbilligkeit zu erreichen. Derart erhebliche Nachteile können in der bloßen Notwendigkeit einer Kreditaufnahme noch nicht gesehen werden, wenn diese grundsätzlich ohne Aufzehrung des gesamten regelmäßigen Einkommens möglich ist, die Grenze der unterhaltsrechtlichen Abhängigkeit also noch nicht erreicht ist. Insbesondere muss in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass der Ausgleichsschuldner grundsätzlich die Möglichkeit gehabt hätte, das Depot vor Eintritt der Kursverluste zu veräußern. Insofern unterscheidet sich diese Situation grundlegend von Fällen, in denen er etwa unverschuldet einen Unfall erlitten hat und nunmehr zur Bestreitung seines Lebensunterhalts auf seine Vermögensreserven angewiesen ist, weil er keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen kann. Die Grenze der groben Unbilligkeit ist nur dann erreicht, wenn der Ausgleichspflichtige durch die Erfüllung des Anspruchs in die Lage geriete, seinen Lebensunterhalt nicht mehr selbst bestreiten zu können und der ausgleichsberechtigte Ehegatte unterhaltsrechtlich nicht auf die Ausgleichszahlung angewiesen ist.152 Das Hinzutreten dieser die Unbilligkeit begründenden Umstände wird indes nicht den Regelfall darstellen, so dass eine Anwendung des § 1381 BGB nur in wenigen Einzelfällen in Frage kommt.153 Zu diesem Ergebnis kam in einer Entscheidung aus dem Jahre 2012 auch der BGH. Er hatte einen Fall zu entscheiden, der die hier untersuchte Problematik zum Gegenstand hatte, und stellte ausdrücklich fest, dass § 1381 BGB in Fällen erheblicher Kursverluste nach dem Stichtag nicht grundsätzlich unanwendbar sei.154 Da sich der ausgleichspflichtige Ehegatte nicht auf eine grobe Unbilligkeit berufen hatte, schied eine Korrektur über § 1381 BGB allerdings ohnehin aus. Das Gericht merkte dazu an, nach den dargelegten Umständen sei eine grobe Unbilligkeit nicht erkennbar. Der Sachverhalt des entschiedenen Falles zeigt in diesem Zusammenhang deutlich, wie hoch auch der BGH die Schwelle für das Eingreifen 152  Kritisch zur Korrektur über § 1381 BGB in diesen Fällen Erman/Gamillscheg, § 1381 Rn. 10 f. 153  So auch Büte, FF 2010, 279, 288. 154  BGH NJW 2012, 2657, 2659.



B. Möglichkeiten zur Modifikation der Ausgleichspflicht153

der zugewinnausgleichsrechtlichen Billigkeitsvorschrift ansetzt: Das Wertpapierdepot des Ausgleichspflichtigen war während des Scheidungsverfahrens auf weniger als die Hälfte seines Wertes am Stichtag gesunken, so dass er auch unter Berücksichtigung des restlichen Vermögens, bezüglich dessen ebenfalls Einbußen zu verzeichnen waren, nicht mehr zur Befriedigung des Ausgleichsanspruchs in der Lage war. Dafür war nach den vorgetragenen Werten eine Verschuldung des – nach eigenen Angaben nunmehr praktisch vermögenslosen – Ausgleichspflichtigen im fünfstelligen Bereich notwendig. Die, als orbiter dictum geäußerte Ansicht des BGH wird in der Literatur deswegen kritisiert, weil sie im Wesentlichen ohne nähere Begründung und insbesondere ohne Auseinandersetzung mit anderslautenden Literaturmeinungen vorgenommen wurde.155 Vor allem führt sie jedoch deswegen zu Unklarheiten, weil sie nicht auf die Systemimmanenz der Problematik eingeht und auch keine Kriterien an die Hand gibt, anhand derer die Eingriffsschwelle des § 1381 BGB für diese Fälle näher bestimmt werden könnte. In Reaktion auf die Entscheidung des BGH wurde von Fischinger vorgeschlagen, § 1381 BGB bei Vermögensverlusten zwischen Stichtag und Beendigung des Güterstandes dann anzuwenden, wenn sowohl ein „Belastungsmoment“ als auch ein „Entlastungsmoment“ vorlägen.156 Ersteres wäre dann gegeben, wenn der Ausgleichspflichtige, wie auch hier vertreten, durch die Erfüllung des Anspruchs und die dafür notwendige Kreditaufnahme in eine dauerhaft existenzbedrohende Lage geriete. Letzteres hingegen soll – wie hier ebenfalls vorausgesetzt – nur dann vorliegen, wenn die Verluste unverschuldet sind, es sich also nicht um illoyale Vermögensminderungen handelt. Dabei soll nach Ansicht Fischingers jedoch ein strenger Maßstab gelten, nach dem auch in Betracht gezogen werden muss, dass es dem ausgleichspflichtigen Ehegatten grundsätzlich obliegt, seine Risikoanlagen in sicherere Anlagen umzuschichten.157 Dem ist im Grundsatz zuzustimmen, was jedoch dazu führt, dass insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an das „Entlastungsmoment“ kaum ersichtlich ist, wann denn ein Eingreifen des § 1381 BGB in den hier untersuchten Fällen überhaupt möglich sein soll. Setzt man schon voraus, dass börsennotierte Aktien aufgrund ihrer Risikoanfälligkeit zu Beginn des Scheidungsverfahrens verkauft werden müssen, um die Möglichkeit der Berufung auf § 1381 BGB zu erhalten, ist sie dann ausgeschlossen, wenn dies nicht geschieht.

155  Büte,

FuR 2013, 618. NJW 2012, 3611, 3613. 157  Fischinger, NJW 2012, 3611, 3613. 156  Fischinger,

154

3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

2. Zwischenergebnis Die eingangs aufgeworfene Frage, ob das System des Zugewinnausgleichs in § 1381 BGB eine Möglichkeit bereithält, Kursschwankungen nach dem Stichtag zugunsten des Ausgleichsschuldners zu berücksichtigen, wenn dieser sich aufgrund ihrer verschulden muss, ist grundsätzlich zu verneinen. Ergänzend ist festzuhalten, dass ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 1381 BGB nur dann besteht, wenn weitere, ihrerseits erhebliche Umstände hinzutreten. Einer bloßen Unbilligkeit durch Kursschwankungen, die noch nicht den Grad der groben Unbilligkeit erreicht hat, ist demnach nicht zu begegnen. Der durch den Wegfall der Kappungsgrenze im Scheidungsfall bedingten Notwendigkeit für den ausgleichspflichtigen Ehegatten, sich zu verschulden, kann folglich über § 1381 BGB nicht abgeholfen werden.

IV. Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts über § 242 BGB Alternativ könnte ein Rückgriff auf die Generalklausel des § 242 BGB erwogen werden.158 Auf diese Weise könnte der Zugewinnausgleichsanspruch etwa auf das bei Rechtskraft der Scheidung noch vorhandene Vermögen begrenzt werden, indem dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 242 BGB eingeräumt würde. Problematisch ist aber bereits die Anwendbarkeit des § 242 BGB neben der spezielleren Billigkeitsvorschrift des § 1381 BGB, da anerkannt ist, dass diese § 242 BGB „in ihrem Anwendungsbereich“ als lex specialis ausschließt.159 Allerdings ergeben sich Unklarheiten bezüglich der Reichweite sowohl des zeitlichen als auch des sachlichen Anwendungsbereichs des § 1381 BGB. Wie bereits dargestellt, ist die Reichweite des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 1381 BGB umstritten.160 Legt man diesen der im Vordringen befindlichen Ansicht nach eng aus, fallen nach dem Stichtag eintretende Ereignisse gar nicht mehr in den Anwendungsbereich, woraus sich die zeitliche Anwendbarkeit des § 242 BGB ergäbe.161 Wie jedoch oben schon ausgeführt, ist es auch im Lichte des Normzwecks sachgerecht, den zeitlichen Anwendungsbereich nicht derart zu begrenzen, sondern vielmehr weit 158  Ablehnend

jedoch etwa PWW/Weinreich, § 1378 Rn. 5. NJW-RR 1990, 68, 69; Thiele, JZ 1960, 394, 395; Heckelmann, FS Mühl (1981), S. 283, 285; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 36 VII Rn. 95; sowie BeckOK/Mayer, § 1381 Rn. 2 m. w. N. aus der Kommentarliteratur. 160  s. dazu die Nachweise unter B. III 1. a). 161  Büte, FF 2010, 279, 289; FuR 2013, 618; Haußleiter/Schulz, Kap. 1 Rn. 565; Kogel, FamRB 2010, 247, 250; Schwab, FamRZ 2009, 1445, 1449. 159  BGH



B. Möglichkeiten zur Modifikation der Ausgleichspflicht155

auszulegen. Für § 242 BGB hat das konsequenterweise zur Folge, dass dieser schon in zeitlicher Hinsicht nicht eingreift. So hat nunmehr konkret auf Wertverluste durch Kursverfälle nach dem Stichtag bezogen auch der BGH entschieden.162 Es ist allgemein anerkannt, dass § 1381 BGB nicht der Korrektur systemimmanenter Unbilligkeiten dient, auf die er daher nicht anwendbar ist. In Betracht zu ziehen wäre die Möglichkeit einer Anwendung des § 242 BGB auf Ergebnisse, die sich gerade aus der schematischen Regelung des Zugewinnausgleichs ergeben, da diese grundsätzlich nicht vom Anwendungsbereich der Spezialvorschrift umfasst sind. § 1381 BGB erlaubt eine Ergebniskorrektur in Form der Einrede nur dann, wenn „grobe Unbilligkeit“ vorliegt, womit er einen strengeren Prüfungsmaßstab vorgibt, als der bloße Verstoß gegen Treu und Glauben in § 242 BGB.163 Daher würden durch die Anwendung der allgemeinen Billigkeitsvorschrift die hohen Anforderungen der Spezialregelung des § 1381 BGB umgangen.164 Bejahte man demnach die Anwendbarkeit des § 242 BGB unter diesem Gesichtspunkt, würde dies einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 1381 BGB sowie einer Lockerung seiner Voraussetzungen gleichkommen, da die durch seine enge Auslegung erreichten Ergebnisse in einem zweiten Schritt über Treu und Glauben korrigiert würden. Dies wäre angesichts der niedrigeren Eingriffsschwelle widersprüchlich,165 so dass eine Anwendung des § 242 BGB auf unverschuldete Vermögensverluste nach dem Stichtag sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht ausscheidet.

V. Zwischenergebnis Wie dargelegt, hat die Neufassung des Wortlautes des § 1384 BGB zu einer grundlegenden Veränderung der Rechtslage geführt, die auch unverschuldete Vermögensverluste des ausgleichspflichtigen Ehegatten erfasst. Infolgedessen trägt dieser nunmehr das vollständige Risiko von Vermögensminderungen während des Scheidungsverfahrens. Diese Folge hat der Gesetzgeber gesehen und in Kauf genommen, weswegen keine Möglichkeit besteht, die Norm anders auszulegen und dem redlichen Ehegatten auch im Scheidungsfalle die Vorteile der ansonsten fortgeltenden Kappungsgrenze zukommen zu lassen. Innerhalb des zugewinnausgleichsrechtlichen Regelungssystems gibt es keine Möglichkeit, die sich infolge der Risikovertei162  BGH

NJW 2012, 2657, 2659 unter Hinweis auf NJW-RR 1990, 68, 69. FF 2009, 390, 395; Haußleiter/Schulz, Kap. 1 Rn. 565. 164  So auch Spegele, S. 93. 165  Ähnlich auch Herr, NJW 2008, 262, 266. 163  Kogel,

156

3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

lung möglicherweise ergebenden negativen wirtschaftlichen Folgen für den Anspruchsschuldner abzumildern, soweit sie die Schwelle der Existenzbedrohung nicht erreichen. Vielmehr sind insbesondere die Stundungsmöglichkeit und die Billigkeitsvorschrift erkennbar nicht auf diese Fälle zugeschnitten. Daraus folgt, dass sich im Rahmen des geltenden Rechts keine Lösung für das hier untersuchte Problem entwickeln lässt. Dies ist aber hinzunehmen, da das zugewinnausgleichsrechtliche System schematisch ausgestaltet und in sich folgerichtig ist, so dass es de lege lata keine Notwendigkeit erkennen lässt, dem Ausgleichsschuldner einen weitergehenden Schutz zukommen zu lassen. Insbesondere besteht die dem Stichtagsprinzip zugrundegelegte Möglichkeit, die Aktien am Stichtag zu veräußern, tatsächlich. Anders als im Pflichtteilsrecht bedarf es daher keiner Korrektur der Ergebnisse, sofern diese nicht die Schwelle zur groben Unbilligkeit überschreiten. Betrachtet man die daraus im Einzelfall folgenden finanziellen Konsequenzen unter dem Gesichtspunkt, dass der Zugewinnausgleich grundsätzlich bezweckt, die Ehegatten mit einem der Höhe nach gleichen Zugewinn in das nacheheliche Leben treten zu lassen, fragt sich, ob diese Lösung den redlichen Ehegatten nicht im Einzelfall benachteiligt. Diese Benachteiligung ist im geltenden Recht zwar aus den bereits genannten Gründen nicht zu berücksichtigen. Es ist jedoch zu erwägen, eine gerechtere Lösung de lege ferenda herbeizuführen. Im Folgenden ist daher darauf einzugehen, auf welche Weise dies erfolgen könnte.

C. Wiedereinführung der Kappungsgrenze für unverschuldete Vermögensverluste de lege ferenda I. Kompromisslösung Die vorangegangene Untersuchung hat gezeigt, dass die gesetzliche Risikoverteilung nach dem Stichtag zwischen den Ehegatten gerechtfertigt ist. Es besteht demnach keine Veranlassung, Änderungen an dem Bewertungszeitpunkt oder an der grundsätzlichen Verteilung der aus ihm für beide Ehegatten folgenden Risiken vorzunehmen, insbesondere da diese grundsätzlich beherrschbar sind. Was im vorherigen Kapitel bereits für das Pflichtteilsrecht dargestellt wurde, muss auch für den Zugewinnausgleich gelten: Bewertungsziel ist die Teilhabe an einer bestimmten Vermögensmasse basierend auf deren Verkehrswert zu einem bestimmten Zeitpunkt. Eine Bewertungsmethode, die diesen für börsennotierte Aktien ebenso präzise abbilden würde, wie ihr Kurswert, ist auch hier nicht ersichtlich, so dass es bei dem Bewertungsgrundsatz bleiben muss. Jedoch erweitert die Vorverlegung der Kappungsgrenze im Scheidungsfall – wie eingangs dargestellt – das mit dem Verlust von Vermögen verbundene Risiko des Anspruchs-



C. Wiedereinführung der Kappungsgrenze157

schuldners gegenüber der vorherigen Rechtslage erheblich. Grundsätzlich begrüßenswert ist dagegen die positive Wirkung, die dies für den ausgleichsberechtigten Ehegatten entfaltet, der nunmehr besser vor illoyalen Vermögensminderungen geschützt ist. Möchte man diese aufrechterhalten, ohne den Anspruchsgegner schutzlos zu stellen, bleibt lediglich die Möglichkeit, für das Eingreifen des § 1378 II 1 BGB zwischen zufälligen bzw. unverschuldeten und in Benachteiligungsabsicht herbeigeführten Vermögensminderungen zu unterscheiden und das Risiko somit nur für den redlichen Ehegatten zu begrenzen, vor dem der ausgleichsberechtigte Ehegatte überhaupt nicht geschützt werden muss. Auf diese Weise könnte ein Kompromiss geschaffen werden, der zwischen der Bevorzugung auch des unredlichen Ausgleichsschuldners nach alter und der Bevorzugung des Ausgleichsberechtigten gegenüber dem redlichen Ausgleichsschuldner nach neuer Rechtslage angesiedelt ist.166 Eine Aufnahme der Möglichkeit in den Gesetzestext, nachzuweisen, dass es sich nicht um illoyale Vermögensverluste gehandelt habe, wurde in der Literatur bereits während des Gesetzgebungsverfahrens mit der Begründung vertreten, dass das allgemeine Risiko so von beiden Ehegatten getragen würde, was zu einer gerechteren Risikotragung innerhalb der ehelichen Solidar- und Wirtschaftsgemeinschaft führe.167 Auf diese Weise würde das Nachwirken der ehelichen Solidarität bis zur Scheidung betont,168 ab deren Rechtskraft das Risiko endgültig allein getragen werden müsse169. Dem wird allerdings entgegengehalten, es gäbe schon nach der Trennung der Partner, aber erst recht nach der Stellung des Scheidungsantrages keinen Grund mehr, den anderen Ehegatten das Risiko des allgemeinen Vermögensverfalls mittragen zu lassen. Vielmehr nehme er auch nicht mehr an den Vermögenssteigerungen seines ehemaligen Partners teil. Insbesondere würde der Ausgleichsberechtigte eine Benachteiligung gegenüber anderen Gläubigern erfahren, wenn man seinen Anspruch auf das bei Fälligkeit noch vorhandene Vermögen reduziere.170 Dagegen ließe sich zwar anführen, dass die eheliche Solidarität nachwirke, wie bereits im Unterhaltsrecht anerkannt,171 was insbesondere dann gelten muss, wenn die Ehe noch gar nicht rechtskräftig beendet ist. Dieses Argument kann allerdings kaum auschlaggebend sein, da es schwerfällt zu bestimmen, wie weit die eheliche Solidarität im Einzelfall reicht, bzw. was 166  So im Ergebnis auch Born, NJW 2008, 2289, 2291; Kogel FF 2008, 297, 300; FamRB 2010, 247, 249. 167  Kogel, FF 2008, 185, 191. 168  Kogel, FamRB 2010, 247, 249. 169  Kogel, FamRB 2010, 247, 251. 170  Spegele, S. 94. 171  Vgl. dazu nur MüKo/Maurer, § 1569 Rn. 8.

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3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

unter diesem Begriff eigentlich genau zu verstehen ist. Insbesondere hilft ein Berufen auf die eheliche Solidarität nicht über die Tatsache hinweg, dass der Ausgleichspflichtige seine Lage letztlich selbst zu verantworten hat, da er die Aktien rechtzeitig hätte verkaufen können. Wie oben172 gezeigt, ist ihm eine Umschichtung des Wertpapiervermögens möglich und zumutbar.173 Man könnte jedoch zur Begründung darauf abstellen, dass die Veräußerung zwar rechtlich und tatsächlich durchaus möglich ist, jedoch häufig deswegen nicht erfolgt, weil dem ausgleichspflichtigen Ehegatten nicht bewusst ist, welche Folgen Kursverluste nach dem Stichtag haben können. Begriff und Inhalt des gesetzlichen Güterstandes sind in der Bevölkerung überwiegend unbekannt: Laut einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend haben über die Hälfte der Verheirateten im Alter zwischen 18 und 29 Jahren noch nie von dem gesetzlichen Güterstand gehört, bzw. wissen mit dem Begriff nichts anzufangen. Zwar verringert sich deren Anteil mit steigendem Alter der Befragten, doch wissen etwa nur 34 % der Verheirateten in der Altersgruppe von 50 bis 60 Jahren genau, was der gesetzliche Güterstand ist und welche Folgen daraus entstehen. Die Unwissenheit in der Bevölkerung ist nicht etwa auf niedrige Bildungsschichten beschränkt; vielmehr wissen nur 32 % der Verheirateten mit hoher Bildung genau, welche rechtlichen Konsequenzen der gesetzliche Güterstand für sie hat.174 Aufgrund dieser Erhebungen ist davon auszugehen, dass der überwiegenden Zahl der Ehegatten bei Scheidung nicht bewusst ist, nach welchen Regeln sich der anstehende Zugewinnausgleich vollzieht. Welche Folgen negative Kursentwicklungen im Zusammenhang mit der Bewertung börsennotierter Aktien auf den Stichtag haben können, wird erst recht nicht bekannt sein, da dies bereits vertiefte Kenntnisse der komplizierten Regelungen des güterrechtlichen Ausgleichs sowie ein gewisses juristisches Problembewusstsein voraussetzen würde. Daraus folgt wiederum, dass eine Veräußerung an oder nach dem Stichtag zwar möglich ist, jedoch in der Regel aus rechtlicher Unkenntnis nicht erfolgt. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es sachgerecht, einer finanziellen Überforderung, wie sie sich nach Wegfall der Kappungsgrenze aus der hier untersuchten Problematik ergeben kann, durch eine entsprechende Änderung des Gesetzestexts zu begegnen. Wie oben ausgeführt, sind Kursverluste börsennotierter Aktien nicht als illoyale Vermögensminderungen gemäß § 1375 II BGB anzusehen, so dass eine entsprechende Einschränkung des § 1384 BGB 172  s.

oben A. I. 1. Zusammenhang mit § 1381 BGB so auch Reinken, FamFR 2013, 412, 413 unter Verweis auf OLG Koblenz BeckRS 2001, 30193448. 174  Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Partnerschaft und Ehe – Entscheidungen im Lebensverlauf (Einstellungen, Motive, Kenntnisse des rechtlichen Rahmens), Stand: März 2013, 4. Auflage, S. 41. 173  Im



C. Wiedereinführung der Kappungsgrenze159

auch nicht dazu führen würde, dass der durch seine Neufassung verfolgte Schutzzweck unterlaufen würde. Unabhängig davon, ob man für die Rechtfertigung des Zugewinnausgleichs auf einen tatsächlichen Anteil eines Ehegatten an der Vermögens­ bildung des anderen durch Verzicht oder Einschränkung eigener Erwerbstätigkeit,175 die eheliche Schicksals-176 oder Konsumgemeinschaft abstellt,177 soll der Ehegatte, der durch das zwischen den Ehegatten vereinbarte Lebensmodell einen geringeren Zugewinn verzeichnet hat, dafür einen Ausgleich erhalten. Der dem Zugewinnausgleich zugrundeliegende Gedanke besteht somit im Kern darin, jedem Ehegatten nach Beendigung des Güterstandes den gleichen Anteil an dem während der Ehe erwirtschafteten Vermögen zu gewähren,178 um zu erreichen, dass beide Ehegatten so gestellt werden, als hätten sie während der Ehe den gleichen Zugewinn erlangt.179 Unerheblich ist für diese vermögensrechtliche Gleichstellung, welchen tatsächlichen Anteil die Ehegatten an der Vermögenserwirtschaftung hatten.180 Dieser Funktion des Zugewinnausgleichs widerspräche die eingeschränkte Wiedereinführung der Kappungsgrenze nicht: Börsennotierte Aktien sind Gegenstände des Endvermögens, an deren Wert der Ausgleichsberechtigte nach wie vor beteiligt wird. Jedoch wird diese Beteiligung dadurch begrenzt, dass der bis zur Beendigung des Güterstandes gesunkene Wert der Aktien erneut berücksichtigt wird. Dabei würde der ausgleichsberechtigte Ehegatte auch bei Eingreifen der Kappungsgrenze weiterhin all das erhalten, was bei Beendigung des Güterstandes noch vorhanden ist. Die Kursverluste würden daher nicht in voller Höhe aus dem Zugewinnausgleich herausgerechnet, so dass der Ausgleichspflichtige sie bis zur Grenze seiner finanziellen Leistungsfähigkeit allein zu tragen hätte. Damit würde die Änderung lediglich dem Schutz des redlichen Anspruchsgegners vor finanzieller Überforderung dienen und ihm somit die Möglichkeit sichern, unverschuldet in das nacheheliche Leben zu treten. Die hier vorgeschlagene Regelung ist freilich weit gefasst und beschränkt sich nicht auf börsennotierte Aktien. Dies folgt daraus, dass es während des Scheidungsverfahrens auch hinsichtlich anderer Vermögensgegenstände 175  Wellenhofer, Kap. 4 § 16 Rn. 2; BeckOK/Mayer, § 1363 Rn. 12; Lieb, S.  181 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 34 I Rn. 2; Schwab, in: Brühler Schriften zum Fami­ lienrecht, S. 33, 38. 176  Staudinger/Thiele, Vorbem. z. § 1371 Rn. 4; BGH NJW 1966, 2109, 2112. 177  Battes, FuR 1990, 311, 314. 178  Braga, FamRZ 1955, 1, 2. 179  Ähnlich Reetz, DNotZ 2009, 826. 180  Ebenso Johannsen/Henrich/Jaeger, Vorbem. zum gesetzlichen Güterrecht, Rn. 5 und Schwab, in: Brühler Schriften zum Familienrecht, S. 33, 38.

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3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

zu Wertveränderungen kommen kann. Angesichts dessen, dass Scheidungsverfahren mitunter Jahre andauern, können auch weniger schwankungsanfällige Vermögensgegenstände an Wert verlieren. Es ist dann jeweils im Einzelfall zu beurteilen, ob es sich dabei um eine Vermögensminderung nach § 1375 II BGB handelt. Nach den oben getroffenen Feststellungen bietet eine solche Einschränkung jedoch zumindest für die hier untersuchte Problematik in aller Regel eine tragfähige Lösung, da der Ausgleichspflichtige zumindest davor bewahrt wird, sich zur Erfüllung der Zugewinnausgleichsforderung verschulden zu müssen. Es zeigt sich dadurch jedoch auch, dass die Problematik im Zugewinnausgleichsrecht nicht allein auf der Volatilität börsennotierter Aktien, sondern zudem auf dem Auseinanderfallen von Bewertungsstichtag und Zeitpunkt des Entstehens der Ausgleichsforderung beruht.

II. Wahrung der Rechtssicherheit durch klare Beweislastverteilung Auch im Rahmen einer Lösung de lege ferenda ist darauf zu achten, dass das Gleichgewicht zwischen den Interessen beider Beteiligter gewahrt wird, ohne dass die Rechtssicherheit, die ein schematisches Regelungssystem bieten soll, dahinter zurücktreten muss. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, ob die eingangs vorgeschlagene Lösung diese Kriterien erfüllt und insofern die Funktion des § 1384 BGB nicht beeinträchtigt. Wie schon in Zusammenhang mit der Möglichkeit eines Leistungsverweigerungsrechts über § 1381 BGB und der Frage nach einer teleologischen Reduktion des § 1384 BGB erwähnt, bietet die schematische Regelung des zugewinnausgleichsrechtlichen Bewertungssystems Rechtssicherheit. Um diese zu wahren ist es notwendig, die Voraussetzungen genau festzulegen, unter denen die Kappungsgrenze eingreift. Dies setzt eine genaue Regelung der Darlegungs- und Beweislast voraus. Notwendig ist daher eine Ausgestaltung, welche die Darlegungs- und Beweislast bereits dem Wortlaut nach nach Vorbild des § 1375 II 2 BGB eindeutig bei dem Ausgleichsschuldner verortet, so dass dieser nachweisen muss, dass die Vermögensverluste keine illoyalen Vermögensminderungen im Sinne des § 1375 II BGB darstellen. Es müsste daher weiterhin die gesetzliche Vermutung bestehen, dass Vermögensminderungen nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags grundsätzlich als illoyal anzusehen sind. Im Lichte der oben getroffenen Feststellungen zu Kursverlusten als nicht illoyalen Vermögensverlusten reicht es aus, wenn der Ausgleichspflichtige schlüssig darlegt und nachweist, dass die Minderung seines Vermögens durch Kursverluste an der Börse herbeigeführt wurde. Hier ist kein strenger



D. Fazit161

Maßstab an getätigte Anlageentscheidungen anzulegen.181 Aufgrund der Unwägbarkeiten des Börsengeschäfts ist kaum nachweisbar, dass ein Behalten der Aktien zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht schon deswegen als illoyal angesehen werden kann, weil ein baldiges Abfallen der Kurse erkennbar war. Dies beruht auch darauf, dass sich unverschuldete Vermögensverluste in Abgrenzung zu illoyalen Vermögensminderungen bestimmen, deren Definition aus § 1375 BGB, wie oben aufgezeigt, auf Kursverluste nicht passt. Andere als unverschuldet geltend gemachte Vermögensverluste müssten hingegen näher belegt werden.

III. Regelungsvorschlag § 1384 BGB könnte demnach wie folgt formuliert werden: „Wird die Ehe geschieden, so tritt für die Berechnung des Zugewinns an die Stelle der Beendigung des Güterstands der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags. Gleiches gilt für die Höhe der Ausgleichsforderung, es sei denn der Anspruchsgegner kann nachweisen, dass es sich bei den nach Rechtshängigkeit eingetretenen Vermögensminderungen nicht um solche im Sinne des § 1375 II 1 BGB handelt.“

D. Fazit Die vorangegangene Untersuchung hat gezeigt, dass Konzeption und Grundrichtung des Zugewinnausgleichs keine Korrekturen de lege lata erfordern und zulassen. Die schematische Ausgestaltung der gesetzlichen Bewertungs- und Billigkeitsvorschriften führt dazu, dass aus der Schwankungsanfälligkeit börsennotierter Aktien Ergebnisse folgen, die ohne Korrekturmöglichkeit hinzunehmen sind, sofern sie nicht zur Existenzbedrohung führen, was mit den Zielvorstellungen des Gesetzgebers auch im Einklang steht. Es ist jedoch möglich, die gesetzliche Kappungsgrenze aus §§ 1378 II 1, 1384 BGB, deren Geltung für den Zugewinnausgleich im Scheidungsfall seit 2009 aufgehoben wurde, für diejenigen Vermögensverluste wiedereinzuführen, die nachweisbar nicht auf einem illoyalen Verhalten des Anspruchsgegners beruhen, sondern auf unverschuldeten Einbußen im oben skizzierten Sinne beruhen. Darunter würden auch Kursverluste an der Börse fallen. Eine derartige Gesetzesänderung würde dazu führen, dass weder die den ausgleichsberechtigten Ehegatten benachteiligende Situation vor der Reform wiederhergestellt, noch die aktuelle Situation beibehalten würde. Der daraus folgende Kompromiss würde bei fallenden Aktienkursen nach dem Stichtag das Risiko des ausgleichspflichtigen Ehegatten begrenzen, 181  A. A.

Fischinger, NJW 2012, 3611, 3612.

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3. Kap.: Die Bewertung von Aktien im Zugewinnausgleichsrecht

ohne dass dies zu untragbaren Nachteilen für den Anspruchsgläubiger führen oder die schematische Ausgestaltung des Zugewinnausgleichsrechts beeinträchtigen würde. Insbesondere würde eine derart ausgestaltete Vorschrift auch nicht in Widerspruch zur Funktion des Zugewinnausgleichs stehen, jedoch der Tatsache Rechnung tragen, dass von der Möglichkeit, das Risiko durch Veräußerung der Aktien einzuschränken, in der Praxis meist deswegen nicht Gebrauch gemacht wird, weil den Beteiligten das rechtliche Problembewusstsein fehlt. Unsicherheiten hinsichtlich der Ursachen der eingetretenen Vermögensverluste würden weiterhin zulasten des ausgleichspflichtigen Ehegatten gehen, wodurch im Ergebnis ein sachgerechter Interessenausgleich geschaffen würde. Die Änderung wäre zudem lediglich punktuell und würde die Bewertungs- und Berechnungsmodalitäten nicht grundsätzlich verändern oder in Frage stellen. Eine wie vorgeschlagene Modifikation des § 1384 BGB würde schließlich verhindern, dass der Ausgleichsschuldner durch die Erfüllung des Ausgleichsanspruchs in finanzielle Nöte geriete, die noch nicht die Schwelle seines nach § 1381 BGB einzelfallabhängig zu berücksichtigtenden wirtschaftlichen Ruins erreicht.

4. Kapitel

Kritische Würdigung der Ergebnisse und Fazit Das Abschlusskapitel dient dem Vergleich der Problemkonstellationen im Pflichtteils- und im Zugewinnausgleichsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Zielrichtung des jeweiligen Ausgleichssystems sowie der Gegenüberstellung der in den vorangegangenen Kapiteln entwickelten Lösungsansätze. Es werden sowohl für das Pflichtteils- als auch für das Zugewinnausgleichsrecht Thesen aufgestellt, die die Ergebnisse noch einmal zusammenfassen. Diese werden schließlich daraufhin untersucht, ob sie einen Gleichlauf von Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsrecht erfordern, wenn es zu Überschneidungen kommt, und ob die gefundenen Ergebnisse für börsennotierte Aktien sich auch auf andere Wertpapierarten oder ähnliche Konstellationen von Wertänderungen oder -verlusten nach dem Stichtag übertragen lassen.

A. Zusammenfassende Problemanalyse Im Folgenden wird das eingangs bereits ausführlich erläuterte Problem der Bewertung börsennotierter Aktien und ihrer möglichen Folgen im Rahmen schematischer Ausgleichssysteme noch einmal zusammenfassend erläutert, um einen Vergleich zwischen dem Pflichtteils- und dem Zugewinnausgleichsrecht zu ermöglichen. Die Kurse börsennotierter Aktien sind ständigen Schwankungen ausgesetzt. Vor allem in unruhigen Zeiten, in denen die drohende Insolvenz ganzer Staaten und die darauf folgenden politischen Entscheidungen die Finanzmärkte stark beeinflussen und dabei den DAX einmal nach unten und dann wieder nach oben treiben, können schon während geringer Zeiträume erhebliche Veränderungen der Kurswerte eintreten. Doch auch in stabileren Zeiten sind Börsenkurse von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, die von Trends in der Wirtschaft oder staatlicher Subventionierung einzelner Wirtschaftszweige über reine Spekulationen am Finanzmarkt bis hin zu Terroranschlägen oder politischen Ereignissen reichen können, die regelmäßig nicht vorauszusehen sind. Dies wird immer dann problematisch, wenn die maßgebliche Bewertung zu einem genau festgelegten Zeitpunkt erfolgt. Andere Vermögensgegenstände, wie zum Beispiel Grundstücke, Kontoguthaben oder Kunstgegenstände sind dagegen in der Regel weniger häufigen und erheblichen Wertschwankungen unterworfen.

164

4. Kap.: Kritische Würdigung der Ergebnisse und Fazit

Sind börsennotierte Aktien in dem zur Berechnung eines schuldrecht­ lichen Ausgleichsanspruchs zu bewertenden Vermögen vorhanden, können das Stichtagsprinzip und die daraus folgende Risikoverteilung daher sowohl im Pflichtteilsrecht als auch im Zugewinnausgleichsrecht zu wirtschaftlichen Härten für den Ausgleichsschuldner führen. Sowohl die Stichtagsregelung des § 2311 I 1 BGB als auch diejenige des § 1384 BGB haben den Schutz des Anspruchsinhabers vor illoyalen oder schlicht nachteiligen Verfügungen des Anspruchsgegners zum Ziel. Dies beruht darauf, dass in beiden Fällen grundsätzlich vorausgesetzt wird, dass der Schuldner des schuldrechtlichen Anspruchs am Stichtag nach Belieben Verfügungen über die zu bewertenden Vermögensgegenstände treffen kann. Dies führt bezüglich der Verfügungsmöglichkeit über die zu bewertenden Vermögensmassen zu einem Ungleichgewicht zwischen den Beteiligten, welches dadurch ausgeglichen wird, dass der Schuldner das alleinige Risiko von Wertminderungen nach dem Stichtag trägt. Während der ausgleichspflichtige Ehegatte dieses Risiko durch vorsorgende Vertragsgestaltung oder die Veräußerung der börsennotierten Aktien am Stichtag beherrschen kann, besitzt der Erbe am Stichtag in der Regel nicht die tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit, obwohl er rechtlich durchaus verfügungsbefügt ist. Auch eine Absicherung im Vorfeld kann der zukünftige Erbe zumindest nicht ohne Mitwirkung eines vorausschauenden Erblassers erreichen. Im Gegensatz dazu hat der zukünftig potentiell ausgleichspflichtige Ehegatte die Möglichkeit, auf eine vertragliche Modifikation des Zugewinnausgleichsanspruchs hinzuwirken. Ferner kann er Einfluss darauf nehmen, ob überhaupt börsennotierte Aktien in dem zu bewertenden Vermögen vorhanden sind. Der Erbe hingegen wird auf die Anlageentscheidungen des Erblassers in der Regel keinen Einfluss haben. Es ist demnach bereits auf dieser Ebene zwischen Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsrecht zu differenzieren: Während die Risikoverteilung ungerechtfertigter Weise zulasten des Erben geht, der damit vom Zufall abhängig wird, wird dem Ehegatten kein Risiko auferlegt, das er nicht beherrschen könnte und müsste. Daraus ergibt sich eine unterschiedliche Ausgangsposition für die Problemstellung und die Anforderungen an eine Lösung: Während die Risikoverteilung bezüglich börsennotierter Aktien im Pflichtteilsrecht im Ergebnis im Bereich der hier untersuchten Fälle nicht sachgerecht ist und auf ein für den Erben beherrschbares, und mit dem Normzweck des § 2311 I 1 BGB in Einklang stehendes Maß reduziert werden muss, ist die Risikoverteilung im Zugewinnausgleich grundsätzlich gerechtfertigt. Erst die Tatsache, dass der Bewertungsstichtag und der Tag der Entstehung des Anspruchs auseinanderfallen und damit notwendigerweise ein längerer Zeitraum besteht, während dessen der Anspruchsgegner das Risiko für zufällige Vermögensminderungen trägt, lässt Zweifel aufkommen.



A. Zusammenfassende Problemanalyse165

Beide Systeme sind auf den schuldrechtlichen Ausgleich einer Beeinträchtigung ausgerichtet, die sich im Pflichtteilsrecht aus dem Wegfall der gesetzlichen Erbenstellung und im Zugewinnausgleichsrecht daraus ergibt, dass während der Ehe von einem Ehegatten ein geringerer Zugewinn erwirtschaftet wurde. Während sich die beiden Ausgleichssysteme in ihren Bewertungsmodalitäten gleichen, unterscheiden sie sich doch wesentlich bezüglich des Zeitpunkts der Entstehung des Ausgleichsanspruchs. Der Pflichtteils­ anspruch entsteht gemäß § 2317 I BGB am Bewertungsstichtag, also mit dem Tod des Erblassers, unmittelbar und wird zugleich fällig, wohingegen Bewertungsstichtag und Entstehungszeitpunkt des Zugewinnausgleichs­ ­ anspruchs gemäß §§ 1384, 1378 III 1 BGB auseinanderfallen. In dem dazwischen liegenden Zeitraum findet in der Regel das Scheidungsverfahren statt, mit dem die Geltendmachung des Zugewinnausgleichsanspruchs meist einhergeht. Bevor der am Stichtag errechnete Anspruch fällig wird, verstreicht demnach zwingend einige Zeit, so dass die Gefahr von Wertschwankungen börsennotierter Aktien höher ist als im Pflichtteilsrecht. Zwar kann auch im Pflichtteilsrecht einige Zeit vergehen, bis ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wird und damit zur Auszahlung gelangt, denn im Gegensatz zum Güterrecht sind nicht zwingend alle Beteiligten von vornherein bekannt. Jedoch berührt dies nicht den gesetzlichen Entstehungszeitpunkt des Anspruchs, sondern beruht auf rein tatsächlichen Gegebenheiten, die vollkommen einzelfallabhängig sind. Im Zugewinnausgleich ergibt sich die Problematik dagegen bereits aus der Konzeption des gesetzlichen Ausgleichssystems selbst. Diese kann und darf jedoch aufgrund der gegebenen Einflussmöglichkeiten des Zugewinnausgleichspflichtigen auf das Risiko im Rahmen des geltenden Rechts keine Berücksichtigung finden. Die Folgen eines Kursverfalls nach dem Stichtag sind seit der Reform des Zugewinnausgleichs von 2009 im Zugewinnausgleichs- und Pflichtteilsrecht grundsätzlich dieselben: Es kommt entweder dazu, dass die auf Grundlage des Börsenkurses am Stichtag errechneten Ausgleichsansprüche sich disproportional zu dem bei Auszahlung noch vorhandenen Vermögen verhalten, oder dazu, dass das Vermögen durch ihre Erfüllung gänzlich aufgezehrt oder sogar rechnerisch überschritten wird. Im Erbrecht kann dies dazu führen, dass der Erbe verpflichtet ist, Nachlassinsolvenz zu beantragen. Die gesetzlichen Stundungsvorschriften der §§ 1382, 2331a BGB schaffen in diesen Fällen keine Abhilfe, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten, die eine erhebliche Belastung für den Schuldner begründen. Das gleiche gilt für § 1381 BGB. Beide Ausgleichssysteme sind erkennbar für erhebliche Wertschwankungen der zu bewertenden Vermögensgegenstände nicht ausgelegt und daher schon von ihrem Grundsatz her nicht geeignet, (scheinbare) Ungerechtigkeiten aufzufangen, die sich aus den Bewertungsmodalitäten ergeben.

166

4. Kap.: Kritische Würdigung der Ergebnisse und Fazit

Bewertungsziel ist jeweils die gerechte Teilhabe des Ausgleichsberechtigten an einer bestimmten Vermögensmasse, wobei im Pflichtteilsrecht konkret darauf abgestellt wird, was in bar vorhanden gewesen wäre, wenn die Hälfte des gesetzlichen Erbteils am Stichtag in Geld umgesetzt worden wäre. Es wird auf die Liquidierung des gesamten Nachlasses am Stichtag abgestellt, weil auch jedes Mitglied einer Erbengemeinschaft bei deren Auseinandersetzung im Ergebnis immer nur prozentual an dem Gesamterlös beteiligt wird. Ist die Umsetzung bestimmter Nachlasswerte in Geld am Stichtag faktisch keinem Erben möglich, wird daher schon das Bewertungsziel zulasten des Erben verfehlt. Im Zugewinnausgleichsrecht besteht das Bewertungsziel konkret darin, die Hälfte der Summe zu ermitteln, in deren Höhe der Zugewinn des ausgleichspflichtigen Ehegatten den des Ausgleichsberechtigten übersteigt. Beiden ist gemein, dass regelmäßig der Verkehrswert am Stichtag, also der zu diesem Zeitpunkt am Markt erzielbare Preis maßgeblich ist.

B. Gegenüberstellung der Lösungsansätze In Ansehung der eben dargestellten Erkenntnisse ergibt sich, dass sich auch die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen erheblich voneinander unterscheiden müssen. Die erarbeiteten Lösungsansätze und ihre Begründung werden daher noch einmal in Thesenform zusammengefasst und sodann einander zum Vergleich gegenübergestellt.

I. Pflichtteilsrecht Aus den in Kapitel 2 angestellten Überlegungen ergeben sich zusammenfassend folgende Thesen: • Bei Vorhandensein börsennotierter Aktien im Nachlass ist das mit der Bewertung verbundene Risiko für den Erben dann nicht beherrschbar, wenn er am Stichtag sowie in der Folgezeit nicht in der Lage ist, sie zu veräußern. Das Risiko ist deswegen gerade bei börsennotierten Aktien erheblich, weil diese in der heutigen Zeit außergewöhnlichen Wertschwankungen innerhalb kürzester Zeiträume unterliegen. • Da dem Stichtagsprinzip die Vorstellung zugrundeliegt, dass der Erbe das Risiko aufgrund seiner dem Pflichtteilsberechtigten überlegenen Stellung trägt, besteht eine Diskrepanz zwischen der gesetzlich vorausgesetzten und der tatsächlich bestehenden Grundsituation im Rahmen des § 2311 BGB. Der Gesetzgeber hat die besondere Problematik, die mit dem Vorhandensein börsennotierter Aktien im Nachlass einhergeht, nicht erkannt.



B. Gegenüberstellung der Lösungsansätze167

• Das pflichtteilsrechtliche Regelungssystem sieht keine Vorschriften vor, über die ein Kursverlust und seine bewertungsrechtlichen Folgen in sachgerechter Weise abgefangen werden könnten. • Es gibt keine Bewertungsmethode, welche den Verkehrswert einer börsennotierten Aktie zu einem bestimmten Zeitpunkt besser oder genauso gut bestimmen könnte wie der Börsenkurs. • Eine Möglichkeit, diesen Widerspruch aufzulösen, besteht aber in der Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts zugunsten des Erben in Höhe der Hälfte der Differenz des Wertes der börsennotierten Aktien am Bewertungsstichtag und zu dem Zeitpunkt, an dem die tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit gegeben war, ohne dass eine bestimmte Erheblichkeitsschwelle erreicht sein müsste. • Die Aufnahme einer diesen  – zu § 242 BGB entwickelten  – Grundsätzen entsprechenden Vorschrift in den Gesetzestext wäre zu begrüßen.

II. Zugewinnausgleichsrecht Aus den in Kapitel 3 angestellten Überlegungen ergeben sich zusammenfassend folgende Thesen: • Bei Vorhandensein börsennotierter Aktien ist das mit der Bewertung verbundene Risiko für den Ehegatten am Stichtag und in dessen Folgezeit beherrschbar, da er rechtlich und tatsächlich zu ihrer Veräußerung in der Lage ist. • Das zugewinnausgleichsrechtliche Regelungssystem sieht keine Vorschriften vor, über die ein Kursverlust und seine bewertungsrechtlichen Folgen abgefangen werden könnten, bevor sich diese existenzbedrohend auswirken. • Es gibt keine Bewertungsmethode, die den Verkehrswert einer börsennotierten Aktie zu einem bestimmten Zeitpunkt besser oder genauso gut bestimmen könnte, wie der Börsenkurs. • Eine teleologische Reduktion des § 1384 BGB ist nicht vorzunehmen, da die Abschaffung der Kappungsgrenze auch für nicht durch illoyale Vermögensminderungen herbeigeführte Verluste auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers beruht. • Die Dauer des Scheidungsverfahrens und die währenddessen bestehenden Risiken für das Schuldnervermögen legen es nahe, die ursprüngliche Kappungsgrenze de lege ferenda für die Fälle wieder einzuführen, in denen der Anspruchsschuldner nachweisen kann, dass die Vermögensminderung zwischen dem Stichtag und der Rechtskraft der Scheidung auf

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4. Kap.: Kritische Würdigung der Ergebnisse und Fazit

Verlusten beruht, die keine illoyalen Vermögensminderungen, sondern unverschuldete Vermögensverluste darstellen. Davon sind grundsätzlich auch Kursverluste an der Börse umfasst.

III. Zusammenfassender Vergleich der Lösungsansätze Abschließend sind die Ergebnisse einander gegenüberzustellen, um die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten. In der Folge ist die Frage zu untersuchen, ob es in der Konstellation des § 1371 BGB zu Überschneidungen kommt, die einen Gleichlauf der Lösungen erforderlich machen und auf welche Weise etwaige Diskrepanzen zu beseitigen sind, beziehungsweise wie eine Harmonisierung erfolgen kann. 1. Überblick Da sich Kursverluste börsennotierter Aktien im Pflichtteils- und im Zugewinnausgleichsrecht unterschiedlich auswirken, müssen sich auch die möglichen Lösungsansätze voneinander unterscheiden. Während im Pflichtteilsrecht eine Bewertung Ziel ist, die bereits im geltenden Recht die mangelnde tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit des Erben am Stichtag berücksichtigt, ist dies im Zugewinnausgleichsrecht gerade nicht erforderlich. Die Lösungsansätze für das Pflichtteilsrecht müssen demnach früher ansetzen und ein sich schon de lege lata ergebendes Ungleichgewicht korrigieren, das es im Zugewinnausgleich nicht gibt. Eine Abweichung von dem Grundsatz der Bewertung mit dem durchschnittlichen Kurswert der Aktie zu einem bestimmten Zeitpunkt, also von der Bewertungsmethode, scheitert jeweils daran, dass keine Bewertungsmethode ersichtlich ist, deren Anwendung das vorausgesetzte Bewertungsziel erreichen würde, das auf der übergeordneten Zielrichtung des jeweiligen Ausgleichssystems beruht. Auch muss es in beiden Fällen bei dem gesetzlichen Bewertungszeitpunkt bleiben, da dieser stets einen Grundpfeiler des Bewertungssystems darstellt, der nicht verrückt werden darf. Die Berufung auf ein Leistungsverweigerungsrecht aus Billigkeitsgründen ist im Pflichtteilsrecht möglich, würde jedoch im Zugewinnausgleich daran scheitern, dass § 1381 BGB nicht einschlägig ist und § 242 BGB in seinem Anwendungsbereich ausschließt. Zum Schutze des redlichen Ausgleichspflichtigen, der die Kursverluste nur deswegen erleidet, weil er die Aktien aus Unkenntnis der rechtlichen Gegebenheiten nicht veräußert hat, ist jedoch die Einführung einer entsprechenden Regelung durch den Gesetzgeber im Wege der Einschränkung des Wortlauts des § 1384 BGB zu erwägen. Dies würde zu einer Wiedereinführung der Kappungsgrenze des § 1378 II 1



B. Gegenüberstellung der Lösungsansätze169

BGB für die Fälle führen, in denen die nach dem Stichtag erfolgten Vermögensminderungen nicht illoyal im Sinne des § 1375 II BGB waren, so dass ein entsprechender Schutz des Ausgleichspflichtigen fortbesteht. Gemein ist beiden Lösungen also, dass der Anspruch unverändert nach dem herkömmlichen Bewertungsmodell zu errechnen ist und erst in einem zweiten Schritt ein Leistungsverweigerungsrecht eingeräumt wird, bzw. eine Kürzung erfolgt. Voraussetzung ist demnach stets der Nachweis durch den Anspruchsgegner, dass ihn kein Verschulden an den betreffenden Vermögensminderungen trifft. Gelingt ihm dies nicht, bleibt es bei dem zuvor errechneten Ergebnis. Während Unbilligkeiten für den Verpflichteten im Pflichtteilsrecht notwendigerweise bereits de lege lata und im Zugewinnausgleichsrecht de lege ferenda berücksichtigt werden sollen, steht doch in beiden Fällen im Einklang mit dem Gesetzeszweck der Stichtagsregelungen weiterhin der Schutz des Berechtigten im Vordergrund, zu dessen Gunsten sich jegliche Zweifel auswirken. Während im Pflichtteilsrecht für das Entstehen des Leistungsverweigerungsrechts das Zusammenspiel der Volatilität börsennotierter Wertpapiere mit der mangelnden tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit am Stichtag maßgeblich ist, wäre im Rahmen der de lege ferenda wiedereingeführten Kappungsgrenze darauf abzustellen, ob zwischenzeitlich eingetretene Wertschwankungen auf einem illoyalen Verhalten des Ausgleichspflichtigen beruhen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Veräußerung der Aktien nach dem Stichtag in der Regel aus Unkenntnis der rechtlichen Gegebenheit unterbleibt und zwischen Berechnung und Entstehung des Anspruchs mit dem Scheidungsverfahren zwangsläufig ein längerer Zeitraum verstreicht. Auch die Höhe des Leistungsverweigerungsrechts und der Umfang der Kappung unterscheiden sich, womit der Veräußerungsmöglichkeit am Stichtag Rechnung getragen werden soll: Während nach den hier unterbreiteten Vorschlägen der Erbe die Auszahlung des Pflichtteils immer in Höhe der Hälfte der Kursverluste verweigern kann, ohne dass es auf sein übriges Vermögen ankommt, soll der Zugewinnausgleichspflichtige nach wie vor verpflichtet bleiben, sein vollständiges übriges Vermögen zur Erfüllung des Anspruchs einzusetzen. 2. Notwendigkeit eines Gleichlaufs zwischen Pflichtteilsrecht und Zugewinnausgleichsrecht im Rahmen des § 1371 BGB? Zu untersuchen ist schließlich, ob das unterschiedliche Vorgehen im Rahmen des Pflichtteils- und des Zugewinnausgleichsrechts zu Wertungswidersprüchen führen würde, wenn Pflichtteilsanspruch und Zugewinnausgleichsanspruch nebeneinander und zwischen denselben Personen bestehen und auf Grundlage derselben Vermögensmasse errechnet werden müssen. Dazu kommt es dann, wenn beim Tod eines Ehegatten nach § 1371 II BGB verfahren wird.

170

4. Kap.: Kritische Würdigung der Ergebnisse und Fazit

§ 1371 BGB wurde geschaffen, um im Falle der Beendigung des Güterstandes durch den Tod eines Ehegatten, die aufwändige Berechnung des Zugewinns zu vermeiden.1 Unabhängig davon, ob der verstorbene Ehegatte tatsächlich den höheren Zugewinn erwirtschaftet hat, erhält der überlebende Ehegatte gemäß § 1371 I BGB neben seinem gesetzlichen Erbteil nach § 1931 BGB ein zusätzliches Viertel des Nachlasses. Diese als „erbrechtliche Lösung“ bezeichnete Vorgehensweise stellt den gesetzlichen Regelfall dar.2 Wird der überlebende Ehegatte weder Erbe noch Vermächtnisnehmer, kann er stattdessen den reellen Zugewinnausgleich sowie den sog. „kleinen Pflichtteil“ verlangen, der sich auf Grundlage des nicht nach Absatz 1 erhöhten gesetzlichen Erbteils bestimmt. Gemäß § 1371 III BGB gilt dies auch dann, wenn der überlebende Ehegatte die Erbschaft ausschlägt. Diese „güterrechtliche Lösung“ wird in der Regel dann gewählt, wenn sie eine höhere Beteiligung am Nachlass verspricht als die pauschale Erhöhung des gesetzlichen Erbteils. Die Zugewinnausgleichsforderung wird mit den anderen Verbindlichkeiten als Passivum von dem Nachlasswert abgezogen, wonach sich sodann auf Grundlage des verbleibenden Vermögens der Pflichtteil des Ehegatten bestimmt. Fraglich ist, wie Kursverluste an der Börse nach dem Bewertungsstichtag im Rahmen des § 1371 BGB zu behandeln wären, wenn man nach den oben ermittelten Grundsätzen vorgeht. Aufgrund der Tatsache, dass der gesetzliche Güterstand mit dem Tod des einen Ehegatten endet, besteht in dieser Konstellation sowohl für die Berechnung des Zugewinnausgleichsals auch für die des Pflichtteilsanspruchs mit dem Eintritt des Erbfalls derselbe Bewertungsstichtag. Die Bewertung der Aktien mit dem Börsenkurs am Todestag wäre demnach für die Berechnung beider Ansprüche maßgeblich. Für den Zugewinnausgleich im Todesfall gilt gemäß § 1378 II 1 BGB nach wie vor die Kappungsgrenze, die jedoch auf die Beendigung des Güterstandes und so auf den Bewertungsstichtag fällt, so dass sie in dieser Konstellation keine Wirkungen zeitigt. Dies wäre auch nach der vorgeschlagenen Änderung des § 1384 BGB der Fall, da gerade kein Scheidungsverfahren durchgeführt wird, während dessen es zu Wertschwankungen kommen kann. Selbst wenn man demnach zwischen Pflichtteilsund Zugewinnausgleichsrecht differenziert, würde das Vermögen am Todestag des Erblassers und Ehegatten, das vorbehaltlich zugewinnausgleichsrechtlicher Besonderheiten wie etwa des in § 1374 II BGB aufgeführten, privilegierten Vermögenserwerbs und der gemäß § 1375 BGB hinzugerech1  Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu BT-Drs. 2/3409, S. 17. 2  Zur Kritik an diesem „Systembruch im Recht der Zugewinngemeinschaft“ m. w. N. MüKo/Koch, § 1371 Rn. 3 ff.



B. Gegenüberstellung der Lösungsansätze171

neten Vermögensbestandteile sowohl das Endvermögen des Erblassers als auch den Nachlass bildet, höhenmäßig gleich ausfallen, da es bei der Bewertungsmethode und dem Bewertungszeitpunkt bleibt. Bei der Berechnung des Pflichtteils bestünde jedoch nach der hier vertretenen Lösung über § 242 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn der Erbe zum Zeitpunkt des Kursverfalls tatsächlich nicht zur Veräußerung der Aktien in der Lage war. Da es aber hinsichtlich der Veräußerungsmöglichkeit am Stichtag keinen Unterschied macht, ob der Pflichtteils- oder der Zugewinnausgleichsanspruch erfüllt werden muss, ist eine einheitliche Behandlung der Kursverluste für die Berechnung und Höhe der Ansprüche angezeigt. Infrage käme insofern nur eine einheitliche Behandlung nach den hier für das Pflichtteilsrecht entwickelten Grundsätzen, das heißt ein anteiliges Leistungsverweigerungsrecht des oder der Erben sowohl für die Zugewinnausgleichsals auch für die Pflichtteilsforderung in Höhe der hälftigen Wertdifferenz der Aktien zwischen dem Todestag des Erblassers und dem Eintritt der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit nach § 242 BGB. Dies würde bedeuten, dass man die Zugewinnausgleichsforderung im Rahmen des § 1371 BGB rein erbrechtlich behandeln und die für das Zugewinnausgleichsrecht geltenden Wertungen außer Acht lassen würde. Zwar ist § 1371 BGB aufgrund seiner systematischen Stellung im Güterrecht und seiner primär „güterrechtlichen Funktion“3 keine erbrechtliche Vorschrift. Die Zugewinnausgleichsforderung ist jedoch aus Sicht der Erben eine Nachlassverbindlichkeit, deren Höhe quotal auch von den Börsenkursen am Todestag des Erblassers abhängt. Es findet demnach zwar ein reeller Zugewinnausgleich statt, doch sind an diesen nicht mehr die Maßstäbe anzulegen, die für den Zugewinnausgleich unter Lebenden herausgearbeitet wurden, da dem ausgleichsberechtigten Ehegatten nunmehr die Erben gegenüberstehen. Für diese ergeben sich für die Zugewinnausgleichsforderung dieselben Probleme, wie für die Pflichtteilsforderung, da beide mit dem Erbfall entstehen, zu dessen Zeitpunkt in der Regel noch keine Veräußerung der Aktien möglich ist. Demnach besteht kein Anlass, in dieser Konstellation bei der Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs anders vorzugehen als bezüglich des Pflichtteilsanspruchs, so dass zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch hier ein Leistungsverweigerungsrecht in Höhe der hälftigen Wertdifferenz der Aktien zwischen dem Eintritt des Erbfalls und dem Eintritt der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit gemäß § 242 BGB gewährt werden muss.

3  BeckOK/Mayer,

§ 1371 Rn. 2 m. w. N.

172

4. Kap.: Kritische Würdigung der Ergebnisse und Fazit

3. Thesen Aus den vorausgegangenen Überlegungen ergeben sich zusammenfassend folgende Thesen: • Eine Korrektur an dem Bewertungsergebnis ist in beiden Rechtsgebieten einzig über eine nachträgliche Modifikation der Risikoverteilung möglich. Während diese im Pflichtteilsrecht dergestalt erfolgt, dass der Erbe sich bereits de lege lata auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen kann, wenn er den Mangel der tatsächlichen Veräußerungsmöglichkeit zum Zeitpunkt der Kursverluste nachweisen kann, ist im Zugewinnausgleichsrecht eine Gesetzesänderung geboten, die den Ausgleichsanspruch auf das Vermögen begrenzt, das dem ausgleichspflichtigen Ehegatten am Tag der Anspruchsentstehung noch zur Verfügung steht. • Während im Pflichtteilsrecht auf die mangelnde Veräußerungsmöglichkeit am Stichtag in Verbindung mit der Schwankungsanfälligkeit börsennotierter Aktien abzustellen ist, ist im Zugewinnausgleich maßgeblich, ob die während des Scheidungsverfahrens eingetretenen Vermögensminderungen unverschuldet, also nicht illoyal waren. Der Zugewinnausgleichspflichtige ist aufgrund seiner Veräußerungsmöglichkeit am Stichtag weniger schutzwürdig als der Erbe, was sich auch darin widerspiegelt, dass er sein gesamtes noch vorhandenes Vermögen zur Befriedigung des Anspruchs einsetzen muss. • Im Rahmen des § 1371 II BGB ist hinsichtlich der Zugewinnausgleichsforderung nach den gleichen Grundsätzen vorzugehen, wie in Ansehung der Pflichtteilsansprüche, so dass auch im Bezug auf sie ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 242 BGB besteht.

C. Übertragbarkeit der Ergebnisse auf ähnliche Problemkonstellationen Anhand der hier erarbeiteten Ergebnisse wird im Folgenden dazu Stellung genommen, wie weit diese Lösungen tragen, das heißt ob sie lediglich in dem hier eng umrissenen Problemfeld börsennotierter Aktien zum Tragen kommen können, oder vielmehr auf ähnliche Problemkonstellationen übertragbar sind. Dabei ist – soweit erforderlich – wiederum zwischen dem Pflichtteils- und dem Zugewinnausgleichsrecht zu differenzieren.



C. Übertragbarkeit der Ergebnisse173

I. Andere Wertpapiergattungen Die vorausgegangenen Untersuchungen beschränkten sich bewusst auf börsennotierte Aktien, um exemplarisch eine wichtige Gattung börsennotierter Wertpapiere herauszugreifen. Der Finanzmarkt handelt jedoch nicht nur mit Aktien als Unternehmensbeteiligungen, sondern weist eine Vielzahl anderer Finanzprodukte auf, deren Kurse ebenfalls Schwankungen unterliegen. Die eben dargestellten Lösungsmöglichkeiten sollen es ermöglichen, Wertschwankungen besser gerecht zu werden. Jedoch wird dies nicht über eine spezifische Bewertungsmethode erreicht. Vielmehr muss es grundsätzlich bei dem etablierten Bewertungsgrundsatz bleiben, der auch für andere börsennotierte Wertpapiere gilt. Unterliegen diese demnach Schwankungen, gilt für sie das zu börsennotierten Aktien Gesagte. Ob für andere Wertpapiergattungen indes Bewertungsmethoden zur Verfügung stünden, die deren Volatilität besser gerecht werden und zu einer flexibleren Bewertung führen könnten, muss hier dahingestellt bleiben. Ist dies nicht der Fall, können jedoch auch diese Fälle nach den hier jeweils erarbeiteten Grundsätzen behandelt werden.

II. Andere Wertverluste nach dem Stichtag Nach dem Stichtag sind auch Wertverluste denkbar, die nicht im Zusammenhang mit Risikoanlagen wie börsennotierten Aktien stehen. Als Beispiele sind etwa gestohlene oder ersatzlos untergegangene Vermögensgegenstände anzuführen. Der verheerende Brand einer Immobilie kann sich dabei genauso schädigend auswirken, wie der Diebstahl eines wertvollen Nachlassgegenstandes, sofern jeweils keine Versicherung bestand. Darüber hinaus sind auch Wertminderungen anderer Vermögensgegenstände denkbar. So kann zum Beispiel ein Grundstück durch Veränderungen in der Umgebung an Wert verlieren. Auch in diesen Fällen kann es unbillig erscheinen, dass der Erbe oder der Zugewinnausgleichspflichtige Ansprüche erfüllen muss, obwohl ihm selbst proportional dazu kein oder zu wenig Vermögen verbleibt. Im Pflichtteilsrecht kann der Untergang oder Diebstahl eines solchen Vermögensgegenstandes nach den oben entwickelten Grundsätzen nicht berücksichtigt werden, da diese konkret auf die Fallgruppe von wertschwankungsanfälligen Vermögensgegenständen zugeschnitten sind. Liegen solche nicht vor, kann auch nicht damit argumentiert werden, dass zum Zeitpunkt des Untergangs oder Abhandenkommens keine Veräußerungsmöglichkeit bestand, da die herausgearbeitete Diskrepanz zwischen der dem Stichtagsprinzip zugrundeliegenden gesetzgeberischen Vorstellung und der tatsächlichen Situation des Erben sich in diesen Fällen gerade nicht konkret auswirkt. Wird ein Vermögensgegenstand entwendet oder zerstört, erfolgt dies unabhängig davon, ob der Erbe die Möglichkeit hatte, ihn zu veräußern. Im

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4. Kap.: Kritische Würdigung der Ergebnisse und Fazit

Ergebnis ebenso verhält es sich bei Wertminderungen von Vermögensgegenständen, die nicht naturgemäß erheblichen Wertschwankungen unterliegen. Die hier entwickelte Lösung ist gerade auf die enge Fallgruppe zugeschnitten, in der die oben erläuterte Diskrepanz zu Sinn und Zweck des Stichtagsprinzips besteht. Dies ist jedoch bei anderen Wertgegenständen gerade nicht der Fall. Zwar können derartige Wertverluste den Erben im Ergebnis wirtschaftlich ebenso hart treffen, wie Kursverluste an der Börse. Jedoch ist gerade das hier maßgebliche Kriterium nicht gegeben, dass mit der betroffenen Art der Vermögensanlage beinahe zwangsläufig Schwankungen einhergehen können, die nicht vorhersehbar sind. Der Wert von Grundstücken etwa ist wesentlich statischer als der von Wertpapieren. Mangels des wesentlichen Kriteriums der hohen Volatilität wäre es demnach nicht begründbar, dem Erben bei jeder Art negativer Wertschwankungen, unabhängig von der Beschaffenheit des Nachlassgegenstandes, ein wie oben ausgestaltetes Leistungsverweigerungsrecht zu gewähren. Im Zugewinnausgleich wären durch Wertverlust, Abhandenkommen oder Untergang entstehende Vermögensminderungen nach geltendem Recht nur dann zu berücksichtigen, wenn sie für den Ausgleichspflichtigen zur wirtschaftlichen Existenzgefährdung führen würden. Nach einer wie hier vorgeschlagenen Ergänzung des § 1384 BGB wäre hingegen auf unverschuldete Vermögensverluste als solche abzustellen, so dass nicht nur Kursverluste, sondern auch alle anderen Arten zufälliger Vermögensverluste Berücksichtigung finden könnten. Dabei müsste allerdings wiederum im Einzelfall ermittelt werden, ob dabei etwa dann Einschränkungen zu machen sind, wenn es pflichtwidrigerweise unterlassen wurde, eine Gebäude- oder Hausratsversicherung abzuschließen, bei deren Vorhandensein dem Eigentümer zumindest eine finanzielle Kompensation zugeflossen wäre. Definiert man unverschuldete Vermögensverluste jedoch – wie hier geschehen – in Abgrenzung zu illoyalen Vermögensminderungen nach § 1375 II BGB, dürften in den genannten Fällen ebenfalls unverschuldete Vermögensverluste anzunehmen sein. Gegenüber dem Pflichtteilsrecht ist die Gefahr von Wertschwankungen anderer Vermögensgegenstände als börsennotierter Aktien im Zugewinnausgleichsrecht erhöht, da Bewertung der Vermögensgegenstände und Entstehung des Anspruchs auseinanderfallen. Dies gilt genauso wie für börsennotierte Aktien, so dass es gerechtfertigt ist, die hier vertretene Änderung des § 1384 BGB auch auf andere Vermögensgegenstände zu erstrecken.

D. Abschließende Betrachtung Die vorausgegangene Untersuchung hat gezeigt, dass sich das pflichtteilsund das zugewinnausgleichsrechtliche System trotz ihrer Ähnlichkeit in wesentlichen Punkten, wie den zugrundeliegenden Prinzipien und der Mög-



D. Abschließende Betrachtung175

lichkeit der Verfügung über die zu bewertenden Vermögensgegenstände zum Zeitpunkt der Wertberechnung und Entstehung des Anspruchs, voneinander unterscheiden. Trotzdem lohnen sich die Betrachtung unter den gleichen Gesichtspunkten und die anschließende Gegenüberstellung der Ergebnisse, denn es zeigt sich, dass beide Systeme im Hinblick auf ihre Ausgleichsmodalitäten unterschiedliche Defizite aufweisen. Während das Pflichtteilsrecht im Rahmen der Bewertung fälschlicherweise davon ausgeht, dass am Stichtag immer die Möglichkeit besteht, die zu bewertenden Nachlassgegenstände zu veräußern, ist dies im Zugewinnausgleich tatsächlich der Fall. Umgekehrt sieht das Erbrecht eine Möglichkeit für den Erben vor, die Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten und damit für die Pflichtteilsansprüche auf den Nachlass zu beschränken. Der Erbe steht daher nach dem Erbfall zwar nicht zwingend besser, aber auch nicht schlechter da, als zuvor. Im Zugewinnausgleich ist dies nach der Gesetzesänderung von 2009 nicht mehr der Fall. Hier gibt es kein zugewinnausgleichsrechtliches Instrument, um den Zugewinnausgleichspflichtigen davor zu bewahren, sich verschulden zu müssen. Dies wäre aber gerade deswegen angemessen, da Berechnungsund Entstehungszeitpunkt des Ausgleichsanspruchs im Zugewinnausgleich zwangsläufig auseinanderfallen. Diese Gegenüberstellung zeigt, dass die Problematik auf den Eigenarten des jeweiligen Ausgleichssystems beruht. Die dargestellten Defizite könnten in beiden Bereichen durch das Eingreifen des Gesetzgebers zumindest teilweise behoben werden, sind jedoch innerhalb des geltenden Rechts kaum zu überwinden. Denn selbst wenn man dem Erben im Rahmen des § 242 BGB die Berufung darauf gestattet, dass die Aktien von ihm erst zu einem bestimmten Zeitpunkt überhaupt veräußerbar waren, wird in erster Linie nur der dogmatische Widerspruch aufgelöst. Das Problem würde in der Praxis dem Grunde nach jedoch bestehen bleiben, denn mangels vertiefter Kenntnisse über die Konzeption des pflichtteilsrechtlichen Systems kann es vorkommen, dass der Erbe die Aktien auch dann nicht zum aktuellen Kurswert veräußert, wenn es ihm tatsächlich möglich ist. Gleiches gilt, wenn der Erbe etwa schlicht zu spät von seiner Erbenstellung erfährt. Fände ein Kursverlust in diesen Fällen statt, könnte wiederum nur die Nachlassinsolvenz helfen. Genau dieses Problem besteht bereits im Zugewinnausgleich: Jeder Ehegatte ist theoretisch in der Lage, seine Vermögenswerte, also auch seine börsennotierten Aktien, am Bewertungsstichtag umgehend zu veräußern und dadurch ihren Gegenwert in Geld zu erhalten. Vorbehaltlich einer Geldentwertung könnte er das Risiko damit minimieren. Doch wie ausgeführt, geschieht dies aus verschiedenen Gründen nicht. Daran zeigt sich, dass die Problematik von Wertverlusten nach dem Stichtag nicht nur innerhalb des schematisch ausgestalteten Ausgleichssystems dogmatische Schwierigkeiten bereitet. Vielmehr besteht das Problem auch darin, dass durch familien- und erbrechtliche Sachverhal-

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4. Kap.: Kritische Würdigung der Ergebnisse und Fazit

te Menschen mit komplizierten Bewertungssystemen konfrontiert werden, die sich gar nicht dessen bewusst sind, dass überhaupt ein Risiko besteht, das es zu vermindern gilt. Dieser Befund wirft viele Fragen auf: Kann man von dem durch den Scheidungsantrag überraschten Ehegatten verlangen, dass er sich sofort seines Wertpapierdepots entledigt, beziehungsweise umgehend um anwaltliche Beratung ersucht? Muss der Erbe nach dem Tod eines geliebten Menschen unmittelbar die Testamentseröffnung herbeiführen, einen Erbscheinsantrag stellen oder die Bank gar anders von seiner Legitimation als Erbe überzeugen? Und kann grundsätzlich verlangt werden, dass alle börsennotierten Aktien sofort verkauft werden, auch wenn dies zum aktuellen Zeitpunkt wirtschaftlich nicht opportun wäre, da sie etwa niedrig stehen und sich dadurch Verluste gegenüber dem einst gezahlten Kaufpreis ergeben? Die Beantwortung dieser Fragen ist nicht einfach. Grundsätzlich sind sie zu bejahen, da von einem vernünftigen Menschen erwartet werden kann, dass er sich frühzeitig über rechtliche Gegebenheiten informiert, die ihn und sein Vermögen betreffen. Die grundsätzliche Aversion gegen ein Befassen mit einer potentiellen Scheidung vor Eingehung der Ehe oder dem späteren Versterben naher Freunde oder Angehöriger ist verständlich, müsste zur Erlangung von Rechtssicherheit jedoch überwunden werden. Trotzdem ist es auch Aufgabe des Staates, den Bürger vor Risiken zu schützen, derer er sich gar nicht bewusst ist, indem er dafür sorgt, dass das Recht diesen Gegebenheiten Rechnung trägt. Aus diesem Konflikt des Tatsächlichen mit dem Rechtlichen folgt die Frage, ob die fehleranfälligen, starr gehandhabten Ausgleichssysteme überhaupt noch sach- und zeitgemäß sind. Um die zuvor geschilderte Problematik vollständig zu überwinden ohne von den Beteiligten zu verlangen, dass sie alle erdenklichen Vorkehrungen treffen, müssten die Ausgleichs- und Bewertungssysteme entweder flexibler gehandhabt oder gar ausgetauscht werden. Zu Recht beruft sich die herrschende Ansicht im Schrifttum darauf, dass sowohl das Zugewinnausgleichs- als auch das Pflichtteilsrecht auf schematischen Regelungen beruhen, die nicht unnötig aufgeweicht werden dürfen. So ist zuzugeben, dass die hier vertretenen Lösungsansätze zwar zulässig, aber auch aufwändig sind, da sie vor allem im Pflichtteilsrecht einen erheblichen Beweisaufwand verursachen. Tatsächlich ist ein Ausgleichssystem, das mit zahlreichen Ausnahmen versehen wurde, praktisch schwieriger handhabbar. Ob dem aber die Einzelfallgerechtigkeit geopfert werden darf, ist fraglich, denn die Folgen für den Einzelnen können erheblich sein. Auch erweckt ein System, zu dessen Rechtfertigung andauernd auf dessen Praktikabilität verwiesen werden muss, den Anschein, an einem Mangel an Sachrichtigkeit zu kranken.4 Müssen zur Errechnung eines An4  Gernhuber,

NJW 1991, 2238, 2243.



D. Abschließende Betrachtung177

spruchs börsennotierte Aktien bewertet werden, ergibt sich daraus eine doppelte Schwierigkeit: Börsennotierte Aktien haben streng genommen keinen genau bezifferbaren „inneren Wert“, der von ihrem Börsenkurs abweicht, denn ihr Verkehrswert bestimmt sich gerade nach Angebot und Nachfrage auf dem Markt. Im Gegensatz zu dem anderer Vermögensgegenstände ist dieser Markt jedoch fest geregelt und bringt daher keine Schätzungen, sondern exakte Ergebnisse hervor, da alle Transaktionen nach den Marktgesetzen nachgehalten und ausgewertet werden. Aus diesem Umstand ergibt sich die erwähnte doppelte Problematik: Nicht nur das System, in dessen Rahmen die Aktien zur Errechnung eines Anspruchs bewertet werden ist schematisch, sondern bereits dasjenige, in dem ihr Verkehrswert berechnet wird. Das Kaufverhalten der Anleger ist von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig, das Treffen von diesbezüglichen Voraussagen eine Wissenschaft für sich. Der Bewertung von Vermögensgegenständen sind „gewöhnliche Verhältnisse“ zugrunde zu legen. Doch was sind gewöhnliche Verhältnisse an einem Markt, dessen Preise auf Spekulation beruhen und auf dem Wertschwankungen zum Tagesgeschäft gehören? Wirklich ungewöhnliche Verhältnisse können folglich nur dann angenommen werden, wenn die Marktmechanismen selbst außer Kraft gesetzt werden. Ähnlich wird es bei Geldentwertungen im Zugewinnausgleich gehandhabt: Wertsteigerungen, die durch Kaufkraftschwund eingetreten sind, stellen keinen auszugleichenden Zugewinn dar.5 Betroffen ist in diesen Fällen also nicht der Wert bestimmter zu bewertender Vermögenspositionen, sondern der Wertmesser selbst.6 Solange das System funktioniert, muss es jedoch bei diesem Verkehrswert bleiben. Es liegt nahe, daraus den Schluss zu ziehen, dass die Ausgleichssysteme des BGB, die auf Wertfeststellungen zu genau definierten Zeitpunkten angewiesen sind, dann nicht mehr funktionieren, wenn sie auf Produkte des modernen und äußerst schnelllebigen Finanzmarkts treffen. Zwar liefern sie nach wie vor Ergebnisse, die jedoch im Falle von Wertschwankungen nach dem Stichtag nicht mehr mit dem eigentlichen Gesetzeszweck harmonieren. Die Ehegatten werden im Bezug auf die Höhe des Zugewinns faktisch nicht mehr gleichgestellt, die Pflichtteilsberechtigten nicht mehr nur mit einem Mindestanteil an dem beteiligt, was eigentlich dem Grundsatz nach den Erben bereichern soll. Gesetzliche Regelungen, die grundsätzlich jeden betreffen, dürfen durch ihre Ausgestaltung nicht zwangsläufig zu Unbilligkeiten führen, wenn bestimmte Vermögenswerte vorhanden sind. In diesem Zusammenhang kann wohl kaum noch von hinzunehmenden „Kollateralschäden“ gesprochen werden. Wie hier gezeigt, ist es möglich, den sich 5  BGH

NJW 1974, 137. NJW 1963, 225.

6  Kohler,

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4. Kap.: Kritische Würdigung der Ergebnisse und Fazit

aus der Systematik ergebenden Unbilligkeiten durch punktuelle Gesetzesänderungen abzuhelfen, ohne dass dadurch jedoch gewährleistet würde, dass die Probleme gar nicht mehr auftreten. Gerade das Recht des Zugewinnausgleichs wird jedoch auch in anderer Hinsicht grundsätzlich kritisiert, da es an vielen Punkten Regelungen trifft, die aus dem Gesetzeszweck heraus nicht begründbar sind. Dazu gehört etwa der Ausgleich „echter“ Vermögenszuwächse, die lediglich in der Wertsteigerung bereits im Anfangsvermögen vorhandener Wertgegenstände bestehen oder die pauschale Erhöhung des Ehegattenerbrechts in § 1371 BGB, die auch dann erfolgt, wenn nach güterrechtlichen Grundsätzen der überlebende Ehegatte ausgleichspflichtig gewesen wäre.7 Die sich ergebenden Probleme resultieren im Kern aus der Tatsache, dass auf Grundlage einer bestimmten Vermögensmasse ein schuldrechtlicher Anspruch errechnet werden muss. Der im Zuge dessen notwendigerweise stattfindenden Bewertung zu einem bestimmten Zeitpunkt wohnt zwangsläufig eine gewisse Fiktion inne, da alle Vermögenswerte dynamischer Natur sind. Sie kann den tatsächlichen Verhältnissen demnach nie vollständig entsprechen. Welche Alternativen bestünden aber, um den Erben angemessen am Nachlass und den während der Ehe weniger bereicherten Ehegatten an dem gemeinsam erwirtschafteten Vermögen zu beteiligen? Eine Abschaffung des Pflichtteilsrechts, etwa zugunsten einer dinglichen Beteiligung der enterbten Verwandten in Form eines Noterbrechts, ist – vor allem im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum grundgesetzlichen Schutz des Pflichtteilsrechts – derzeit nicht zu erwarten. Ein rechtsvergleichender Blick in das europäische Ausland könnte dennoch hilfreich sein. Auch im Hinblick auf das Güterrecht sind grundsätzlich andere Lösungen möglich. So ist die Errungenschaftsgemeinschaft in vielen europäischen Ländern gesetzlicher Güterstand. Eine Bewertung des Vermögens zur Errechnung eines etwaigen Ausgleichsanspruchs entfällt hier, da das während der Ehe Erworbene Gesamtgut und damit Eigentum beider Ehegatten wird.8 Angesichts der Tatsache, dass beide Rechtsinstitute erst vor kurzer Zeit Reformen erfahren haben, ist jedoch in näherer Zukunft weder mit einer grundlegenden Strukturreform, noch mit einer Ersetzung durch andere Institute zu rechnen. Innerhalb des geltenden Rechts ist daher stärker darauf hinzuwirken, dass die Betroffenen selbst Vorsorge treffen. Im Zugewinnausgleich kann dies, wie bereits erläutert, durch die ehevertragliche Modifikation der Ausgleichsmodalitäten erfolgen. So kann das Stichtagsprinzip abbedungen oder eine bestimmte Bewertungsmethode festgelegt werden. Der Erbe selbst kann wenig tun, jedoch hat der vorausschauende Erblasser die 7  So

z. B. Diederichsen, FamRZ 1992, 1, 9. FS-Hoffmann (2011), S. 73, 74.

8  Dethloff,



D. Abschließende Betrachtung179

Möglichkeit, ihm eine post- oder transmortale Vollmacht zu erteilen und somit das Problem der mangelnden Veräußerungsmöglichkeit am Stichtag zu vermeiden. Verringert der Gesetzgeber die Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieser Situation daher nicht durch Änderungen der einschlägigen Vorschriften, ist es an den Rechtsberatern, ihre Mandanten frühzeitig auf die möglichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Besitz börsen­ notierter Wertpapiere aufmerksam zu machen und privatautonome Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Wenn komplizierte und fehleranfällige gesetzliche Ausgleichssysteme allerdings auf strenge Gerichte und nicht hinreichend informierte Beteiligte in persönlich belastenden Lebenssituationen treffen, kann man dies bei erheblichen Kursverlusten an der Börse tatsächlich als „GAU“ des Familien- oder Erbrechts bezeichnen.

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Stichwortverzeichnis Abfindung  36, 68, 69, 71, 86 Abgabenordnung  95, 100 Abgeltungsteuer  38 Aktien  16–18, 28–37, 39, 41, 44, 46–48, 51–53, 57–59, 61, 64–69, 71, 72, 74–77, 79, 81, 87–89, 91–97, 99, 101, 106, 107, 110, 111, 113, 115–119, 121, 123, 125, 126, 130, 131, 141, 147, 149, 152, 156, 158, 159, 161, 163–168, 170–175, 177 –– Arten  17, 21, 27, 31, 174 –– Bewertungsgrundsatz  37 –– Veräußerung  22, 28, 32, 39, 46–49, 51–55, 58, 61, 62, 66, 67, 69, 73, 79, 88, 89–91, 93, 94, 97, 98, 100, 102, 105–108, 111, 112, 118, 123, 126, 130, 131, 140, 144, 158, 162, 164, 167, 169, 171 –– Verbriefung des Mitgliedschaftsrecht  31 –– Wertpapier  16, 29, 30, 32, 35 Aktienpaket  37 Aktionär  29, 31, 32, 69 analoge Anwendung  28 Anfangsvermögen  23, 26, 178 Angebot und Nachfrage  35, 36, 66, 177 Aushöhlung  80 Ausschlagung  46, 47, 53, 54, 58 Baisse  35, 131, 141 Bank  34, 49, 50, 51, 94, 95, 176 Beherrschbarkeit  46, 123, 126 Berechnung  15–25, 28, 36, 59, 62, 69, 71, 73, 78, 79, 83–85, 99, 104, 105, 115, 125, 128, 129, 148, 161, 164, 169, 170, 171 Beweislastverteilung  160 Bewertungsmethode  18, 27, 37, 39, 40, 59, 67, 156, 167, 168, 171, 173, 178

Bewertungsregeln  20, 26–28, 106, 149 Bewertungsziel  20, 25, 40, 46, 69, 71, 78, 79, 88, 89, 96, 115, 144, 156, 166, 168 Billigkeitsvorschriften  40, 99–101, 103, 161 Blankoindossament  35 Börsennotation  35, 64 Buchwerte  22, 67 Dax  37 de lege ferenda  17, 40, 41, 61, 116, 118, 143, 156, 160, 167, 169 Depotbanken  34 Dividenden  36, 76 Dreimonatseinrede  42, 43 durchschnittlicher Börsenkurs  67 Eigenvermögen  41, 42, 58, 107 Endvermögen  23, 24, 26, 125, 130, 135, 171 Erbengemeinschaft  18, 46, 48, 78, 107, 166 Erbenstellung ex tunc  47 Erbschaftsteuer  99, 102 Erbschein  49, 50 Erheblichkeit  41, 99, 110 Erheblichkeitsschwelle  98, 103, 110–112, 119, 120, 167 Eröffnungsprotokoll  49 Ersatzerbe  47 Ertragswert  22, 35, 60 finanzielle Überlastung  150 Finanzkrise  102, 137 fungibel  30, 35 GAU des Familienrechts  16 gemeiner Wert  22

194 Stichwortverzeichnis gesetzgeberisches Ziel  88 Gleichlauf  169 Gleichstellung  20, 26, 159 globale Vernetzung  36 Globalurkunde  33, 34 grobe Unbilligkeit  150 Grundgedanken  17, 89, 112, 113, 115, 122, 149 Grundkapital  29, 31

Nachlassverwaltung  43, 44, 48, 52, 108 Namensaktien  31–33, 35 Nettowert  21 Normzweck –– §§ 1378 II 1, 1384 BGB  93, 134, 135, 146, 164 –– § 2311 BGB  27, 28, 41, 59, 60, 61, 66, 71–73, 85, 88, 89, 93, 94, 104, 110, 111, 113, 117, 119, 120, 126, 166

Haftungsbeschränkung  42, 43 Halbteilungsgrundsatz  25, 144 Hausse  35

Online-Banking  34 Online-Zugänge  34

illoyale Vermögensminderungen  130, 132, 136, 137, 153, 158, 167 Inhaberaktien  31, 33, 35 innerer Wert  105 Interessenabwägung  56, 79, 92, 142 Kapitalmarkt  29, 30, 34 Kappungsgrenze  127, 128, 132, 135–138, 146, 154–156, 158–161, 167, 168, 170 Kaufpreis  22, 61, 66, 176 Kurssturz  36, 37, 64, 67, 93, 98, 102–104, 131 Kursverluste  41, 42, 45, 48, 53, 73, 92, 98, 101, 108, 112, 128–130, 137, 139, 145, 147, 149, 150, 160, 179

Paketzuschlag  37 Prozentuale Grenze  99 Quote  21 Rechnungsgröße  18, 23, 28 Rechtmäßiges Alternativverhalten  96 Rechtshängigkeit  24, 121, 124, 127, 128, 132, 135, 137, 144, 146, 160, 161 Rechtssicherheit  25, 30, 134, 144, 160, 176 Reform  17, 178 Reformerwägungen  116, 118 Relation  15, 18, 79, 82 Risiko  25, 53, 89, 90, 123, 126

Marktverhältnisse  22, 62, 95, 131 Mindestbeteiligung  28, 82–84, 108, 113, 114 Mitgliedschaftsrechte  33 Modifikation der Ausgleichspflicht  139

Schätzung  21, 27, 28, 59, 78, 85, 87 Scheidungsfall  23, 24, 26, 128, 137, 138, 154, 156, 161 schematische Natur der Ausgleichs­ systeme  39 Schonungseinrede  42 squeeze-out  68 Stammaktie  31 Stundung  53–58, 139–142, 151

Nachlassinsolvenz  43–45, 90, 107–109, 120, 165, 175 Nachlassverbindlichkeit  41, 43, 44, 84, 107, 175

Tageskurs  38 tatsächliche Veräußerungsmöglichkeit  51, 80, 88, 93–95, 110, 112, 116, 164, 167, 168

Legitimationsnachweis  49–51, 96 Leistungsverweigerung  144, 151 Liebhaberwert  22

Stichwortverzeichnis195 teleologische Reduktion  132–134, 138, 167 Testamentsvollstreckung  51–53 Todestag  76, 170, 171 Treu und Glauben  92, 98, 155 Umlauffähigkeit  29, 35 Unbillige Härte  55 Unbilligkeit  100, 101, 111, 139, 143–150, 152, 154–156 unverschuldete Vermögensverluste  130, 132, 134, 136, 138, 139, 155, 156, 161, 168, 174 Unzumutbarkeit  99, 105, 106 Veräußerungshindernis  47–49, 79, 94, 95, 123 Veräußerungswert  28 Verbriefung  30–32 Verfassungsrecht  25, 148, 170

Verkaufspreis  37, 61, 63, 66, 91 Verkehrswert  16, 22, 27, 37, 60, 61, 65, 69, 156, 166, 167, 177 Vermögensminderung  24, 122, 129, 130, 132, 134–136, 138, 155, 157, 160, 161, 164, 168, 169, 172, 174 Volatilität  58, 72, 76, 89, 96, 160, 169, 173, 174 Vorbeugende Gestaltung  125 Vorzugsaktie  31 Währungskrise  16, 64 Wertminderungsrisiko  46, 73, 91, 145 Wertpapierbegriff  29, 30 Wertpapiergattungen  173 Wertsteigerung  76, 122, 126, 144, 151, 178 Wertsteigerungen  15, 19, 25, 67, 122, 131, 177