Rechtliche Regelungen des Streikes und wirtschaftliche Auswirkungen in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich und Italien: Eine rechtsvergleichende Untersuchung im Hinblick auf die Frage nach der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit einer expliziten positivrechtlichen Gewährleistung des Streikrechts [1 ed.] 9783428475995, 9783428075997

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Rechtliche Regelungen des Streikes und wirtschaftliche Auswirkungen in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich und Italien: Eine rechtsvergleichende Untersuchung im Hinblick auf die Frage nach der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit einer expliziten positivrechtlichen Gewährleistung des Streikrechts [1 ed.]
 9783428475995, 9783428075997

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 119

Rechtliche Regelungen des Streikes und wirtschaftliche Auswirkungen in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich und Italien Eine rechtsvergleichende Untersuchung im Hinblick auf die Frage nach der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit einer expliziten positivrechtlichen Gewährleistung des Streikrechtes

Von

Marc Bohr

Duncker & Humblot · Berlin

MARC BOHR Rechtliche Regelungen des Streikes und wirtschaftliche Auswirkungen in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich und Italien

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 119

Rechtliche Regelungen des Streikes und wirtschaftliche Auswirkungen in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich und Italien Eine rechtsvergleichende Untersuchung im Hinblick auf die Frage nach der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit einer expliziten positivrechtlichen Gewährleistung des Streikrechtes

Von Dr. Marc Bohr

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Bohr, Marc: Rechtliche Regelungen des Streikes und wirtschaftliche Auswirkungen in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich und Italien : eine rechtsvergleichende Untersuchung im Hinblick auf die Frage nach der wirtschaftlichen Zweckmässigkeit einer expliziten Gewährleistung des Streikrechtes / von Marc Bohr. — Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht ; Bd. 119) Zugl.: Würzburg, Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-07599-4 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-07599-4

Meinem lieben Vater

Vorwort Die vorliegende Arbeit hat im Wintersemester 1991/92 der Juristischen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation vorgelegen. Herrn Prof. Dr. Karl-Georg Loritz, der die Arbeit angeregt und betreut hat, danke ich sehr herzlich für seine stete Gesprächsbereitschaft und Betreuung. Herrn Prof. Dr. Wollenschläger möchte ich für die Erstellung des Zweitgutachtens danken. Weiteren Dank aussprechen möchte ich Herrn Prof. Dr. Birk und seinen Mitarbeitern am Institut für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Gemeinschaft (Trier), die mir gestatteten, die Bibliothek des Instituts zu nutzen. Herrn Rechtsanwalt Prof. Simon danke ich für die Aufnahme der Arbeit in seine Schriftenreihe. Frau Brigitte und Herrn Peter Poglitsch danke ich sehr herzlich für die Hilfe, die sie mir bei der Erstellung der Arbeit zuteil kommen ließen.

Inhaltsverzeichnis Einleitung I.

Die Problemstellung

II.

Mögliche Arten der Regelungen des Streikrechtes

25 25

III. Gang der Darstellung

27 28

1. Kapitel

Problematik der Vergleichbarkeit der verschiedenen Regelungen des Streikrechtes

29

§ 1 Problemaufriß

29

§2 Musterdefinition des Streike

31

A.

Inhalt der Musterdefinition

31

B. Folgerungen und Abgrenzungen

33

I.

Vollständige Arbeitsniederlegung 1. Bummelstreik 2. Dienst nach Vorschrift 3. Intermittierender Streik 4. Überraschender Streik 5. Umlaufender Streik II. Kollektiver Charakter 1. Arbeitsniederlegung eines einzelnen Arbeitnehmers Ζ Individualkündigungen 3. Streik einer Minderheit von Arbeitnehmern 4. Wilder Streik

33 34 34 35 35 35 36 36 37 37 38

III. Durchsetzung bestimmter Regelungsziele 1. Regelungsstreit Ζ Politischer Streik

38 38 38

10

nsverzeichnis

2. Kapitel

Darstellung der rechtlichen Regelungendes Streikes in Ländern ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes

40

§1 Einleitung

40

§2 Österreich

40

A

Überblick und historischer Abriß

B. Das Streikrecht I.

Definition des Streikes 1. Vollständige Arbeitsniederlegung a. Bummelstreik b. Dienst nach Vorschrift c. Intermittierender Streik 2. Kollektiver Charakter a. Arbeitsniederlegung eines einzelnen Arbeitnehmers b. Individualkündigungen c. Streik einer Minderheit von Arbeitnehmern d. Wilder Streik 3. Durchsetzung bestimmter Regelungsziele a. Regelungsstreit b. Politischer Streik 4. Zusammenfassung II. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Streikes 1. Grundsatz 2. Strafrechtliche Schranken a. Spezielle Regelungen b. Allgemeine Regelungen aa. Nötigung § 105 StGB bb. Gefährliche Drohung § 107 StGB cc. Erpressung § 144 StGB dd. S chutz vor Koalitionszwang, § 4 AntiterrorG, § 3 KoalG ee. Schutz von Leben, Gesundheit, Eigentum §§ 176,177 StGB c. Zusammenfassung 3. Zivilrechtliche Schranken a. Spezielle Regelungen aa. Betriebsverfassungsrechtliche Friedenspflicht bb. Vertragliche Friedenspflicht b. Allgemeine Regelungen aa. § 1311 ABGB bb. §1295 Abs. 1ABGB α) Rechtswidrigkeit wegen sorgfaltswidriger Beeinträchtigung eines absolut geschützen Rechtsgutes ß) Rechtswidrigkeit wegen Verleitung zum Vertragsbruch cc. § 1295 Abs. 2 ABGB α) Rechtswidrigkeit wegen unzulässigem Streikgegner (1) Wilder Streik (2) Solidaritätsstreik (3) Politischer Streik ß) Rechtswidrigkeit wegen unzulässigem Ziel des Streikes

40 44 44 45 45 46 46 47 47 48 49 49 49 49 50 51 51 51 52 52 52 52 53 54 54 55 55 55 55 55 56 58 58 58 58 59 60 61 61 62 62 63

nsverzeichnis

Rechtswidrigkeit wegen unzulässiger Durchführung des Streikes c. Zusammenfassung 4. Sonstige Schranken der Streikfreiheit a. Das ultima-ratio-Prinzip b. Der Streik im öffentlichen Dienst

11

γ)

III. Rechtsfolgen rechtmäßiger Streiks 1. Rechtsfolgen auf kollektivrechtlicher Ebene 2. Rechtsfolgen auf individualrechtlicher Ebene a. Auswirkungen des Streikes auf die streikenden Arbeitnehmer aa. Der Entgeltanspruch der streikenden Arbeitnehmer bb. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses cc. Schadensersatzpflicht der streikenden Arbeitnehmer wegen Vertragsbruches b. Auswirkungen des Streikes auf die nichtStreikenden Arbeitnehmer aa. Auswirkungen auf Arbeitnehmer des bestreikten Betriebes bb. Auswirkungen auf Arbeitnehmer nichtbestreikter Betriebe c. Auswirkungen des Streikes auf Dritte d. Auswirkungen des Streikes auf das Sozialrecht C. Statistischer Überblick I.

Arbeitskämpfe insgesamt, beteiligte Arbeitnehmer und verlorene Arbeitstage

64 65 65 65 65 66 66 67 68 69 69 71 73 73 75 76 76 77 79

II. Anzahl der verlorenen Arbeitstage pro kampfbeteiligten Arbeitnehmer

80

III. Anzahl der verlorenen Arbeitstage pro beschäftigte Erwerbsperson

83

§ 3 Belgien

85

A. Überblick und historischer Abriß

85

B. Das Streikrecht

88

I.

Definition des Streikes 1. Vollständige Arbeitsniederlegung a. Bummelstreik b. Dienst nach Vorschrift c. Intermittierender Streik d. Umlaufende Streiks 2. Kollektiver Charakter a. Arbeitsniederlegung eines einzelnen Arbeitnehmers b. Streik einer Minderheit von Arbeitnehmer c. Wilder Streik 3. Durchsetzung bestimmter Regelungsziele a. Regelungsstreit b. Politischer Streik 4. Zusammenfassung

II. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Streikes 1. Grundsatz 2. Grenzen aus den Grundsätzen des allgemeinen Rechts a. Beschränkung der Vereinigungsfreiheit b. Betriebsbesetzungen

88 88 89 89 90 91 92 92 93 94 95 96 97 98 99 99 99 100 100

nsverzeichnis

12

c. Solidaritätsstreik Grenzen aus dem Gesetz vom 19.8.1948 a. Regelungsgrundlagen und Zielvorstellungen b. Betroffene Unternehmen c. Inhaltliche Bestimmung des lebenswichtigen Bedarfes d. Betroffene Personen e. Auswirkungen der Auswahl auf die Betroffenen f. Verfahrensweisen 4. Grenzen aus Tarifverträgen a. Tarifvertragliche Friedenspflicht b. Tarifvertragliche Verfahrensanforderungen 5. Grenzen für bestimmte Berufsgruppen a. Verwaltungsrecht b. Strafrecht 3.

III. Rechtsfolgen rechtmäßiger Streiks 1. Rechtsfolgen auf kollektivrechtlicher Ebene 2. Rechtsfolgen auf individualrechtlicher Ebene a. Auswirkungen des Streikes auf die streikenden Arbeitnehmerl aa. Auswirkungen nach der Trennungstheorie α) Der Bestand des Arbeitsvertrages ß) Der Entgeltanspruch der streikenden Arbeitnehmer γ) Schadensersatzpflicht der streikenden Arbeitnehmer bb. Auswirkungen nach der Einheitstheorie α) Der Bestand des Arbeitsvertrages ß) Der Entgeltanspruch der streikenden Arbeitnehmer γ) Schadensersatzpflicht der streikenden Arbeitnehmer b. Auswirkungen des Streikes auf die nichtStreikenden Arbeitnehmer aa. Auswirkungen auf Arbeitnehmer des bestreikten Betriebes α) Grundsatz ß) Ausnahmen (1) Kein eigenes Fehlverhalten (2) Unmöglichkeit der Ausführung (3) Unvorhersehbarkeit bb. Airkungen auf Arbeitnehmer nichtbestreikter Betriebe c. Auswirkungen des Streikes auf Dritte d. Auswirkungen des Streikes auf das Sozialrecht aa. Kranken- und Invaliditätsversicherung bb. Versicherung gegen ungewollte Arbeitslosigkeit cc. Ruhegehälter C. Statistischer Überblick I.

103 104 105 106 106 108 109 109 110 111 112 113 113 114 114 115 116 116 117 118 119 120 121 123 124 125 126 126 126 126 128 128 129 130 130 131 131 131 132 132

Arbeitskämpfe insgesamt, beteiligte Arbeitnehmer und verlorene Arbeitstage 133

II. Anzahl der verlorenen Arbeitstage pro kampfbeteiligtem Arbeitnehmer

135

III. Anzahl der verlorenen Arbeitstage pro beschäftigter Erwerbsperson

137

nsverzeichnis

13

3. Kapitel

Darstellung der rechtlichen Regelungen des Streikes in Ländern mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung des Streikrechtes

139

§1 Einleitung

139

§ 2 Frankreich

139

A. Überblick und historischer Abriß B. Das Streikrecht I.

Definition des Streikes 1. Vollständige Arbeitsniederlegung a. Überraschender Streik b. Wiederholter kurzfristiger Streik c. Umlaufender Streik d. Bummelstreik e. Dienst nach Vorschrift 2. Kollektiver Charakter a. Arbeitsniederlegung eines einzelnen Arbeitnehmers b. Streik einer Minderheit von Arbeitnehmer c. Wilder Streik 3. Durchsetzung bestimmter Regelungsziele a. Regelungsstreit b. Politischer Streik 4. Zusammenfassung

139 141 141 142 143 145 146 147 148 149 149 150 151 152 152 153 155

II. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Streikes 155 1. Grundsatz 156 2. Schranken aus dem Schutz anderer Rechtsgüter vergleichbaren verfassungsrechtlichen Ranges 157 3. Mißbrauch des Streikrechtes 158 a. Mißbräuchliche Motive 158 aa. Solidaritätsstreiks 158 bb. Streik mit Forderungen, die vom AG nicht erfüllt werden können 159 b. Mißbräuchliche Formen 162 aa. Desorganisation 162 bb. Aufstellen von Streikposten 163 cc. Betriebsbesetzungen 164 4. Der Streik im öffentlichen Dienst 168 a. Untersagung der Ausübung des Streikrechtes 169 b. Regelung der Ausübung des Streikrechtes 169 aa. Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelung 169 bb. Vorankündigung durch repräsentative Gewerkschaft 170 cc. Verbot umlaufender Streiks 171 III. Rechtsfolgen rechtmäßiger Streiks 1. Rechtsfolgen auf kollektivrechtlicher Ebene a. Haftung wegen Verstoßes gegen eine Kollektiwereinbarung b. Haftung wegen rechtswidriger Einzelaktionen aa. Auffassung der Rechtslehre bb. Auffassung der Rechtsprechung 2. Rechtsfolgen auf individualrechtlicher Ebene

171 171 172 172 173 175 177

nsverzeichnis

14

a.

Auswirkungen des Streikes auf die streikenden Arbeitnehmer aa. Der Bestand des Arbeitsvertrages α) Die Auswirkungen der Suspendierung auf den Arbeitsvertrag ß) Die Auswirkungen der Suspendierung auf die Disziplinargewalt bb. Der Entgeltanspruch der streikenden Arbeitnehmer α) Grundsatz: Entfall der Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers ß) Ausnahme: Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers cc. Schadensersatzpflicht der streikenden Arbeitnehmer b. Auswirkungen des Streikes auf nichtStreikende Arbeitnehmer c. Auswirkungen des Streikes auf Dritte d. Auswirkungen des Streikes auf das Sozialrecht C. Statistischer Überblick I.

Abeitskämpfe insgesamt, beteiligte Arbeitnehmer und verlorene Arbeitstage

177 177 178 180 181 181 182 183 184 186 187 189 190

II. Anzahl der verlorenen Arbeitstage pro kampfbeteiligtem Arbeitnehmer

192

III. Anzahl der verlorenen Arbeitstage pro beschäftigter Erwerbsperson

193

§3 Italien

195

A

195

Überblick und historischer Abriß

B. Das Streikrecht I.

Definition des Streikes 1. Vollständige Arbeitsniederlegung a. Überraschender Streik b. Wiederholter kurzfristiger Streik c. Passiver Widerstand 2. Kollektiver Charakter a. Arbeitsniederlegung eines einzelnen Arbeitnehmers b. Streik einer Minderheit von Arbeitnehmer c. Wilder Streik 3. Durchsetzung bestimmter Regelungsziele a. Regelungsstreit b. Politischer Streik 4. Weitere begriffliche Erfordernisse 5. Zusammenfassung

II. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Streikes 1. Grundsatz 2. Externe Grenzen a. Betriebsbesetzungen b. Der Streik im öffentlichen Dienst c. Politischer Streik 3. Interne Grenzen a. Interne Grenzen der Streikziele aa. Proteststreik bb. Solidaritätsstreik b. Interne Grenzen der Streikformen

197 198 198 199 201 202 202 203 204 204 206 206 208 211 211 212 212 214 214 215 217 218 218 218 219 221

nsverzeichnis

4.

aa. Schachbrettstreik bb. Schluckaufstreiks cc. Überraschungsstreik Friedenspflicht

III. Rechtsfolgen rechtmäßiger Streiks 1. Rechtsfolgen auf kollektivrechtlicher Ebene 2. Rechtsfolgen auf individualrechtlicher Ebene a. Auswirkungen des Streikes auf die streikenden Arbeitnehmer aa. Der Bestand des Arbeitsvertrages bb. Der Entgeltanspruch der streikenden Arbeitnehmer cc. Schadensersatzpflicht der streikenden Arbeitnehmer b. Auswirkungen auf die nichtStreikenden Arbeitnehmer c. Auswirkungen des Streikes auf Dritte d. Auswirkungen auf das Sozialrecht C. Statistischer Überblick I.

15

221 222 222 223 224 224 225 225 226 227 227 228 230 233 233

Arbeitskämpfe insgesamt, beteiligte Arbeitnehmer und verlorene Arbeitstage

234

II. Anzahl der verlorenen Arbeitstage pro kampfbeteiligtem Arbeitnehmer

236

III. Anzahl der verlorenen Arbeitstage pro beschäftigter Erwerbsperson

237

4. Kapitel

Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen auf die Gestaltung des Streikes §1 Problemaufriß § 2 Auswirkungen auf die Gestaltung des Streikrechtes A

Allgemeine Aspekte

B. Definition des Streikes I.

Vollständige Arbeitsniederlegung 1. Bummelstreik und Dienst nach \brschrift 2. Intermittierender Streik, überraschender Streik und umlaufender Streik

II. Kollektiver Charakter

240 240 241 241 242 243 243 244 245

III. Durchsetzung bestimmter Regelungsziele

246

IV. Sonstige begriffliche Erfordernisse

247

V. Zusammenfassung und Beurteilung

247

C. Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen des Streikes I.

Subjekt und Natur des Streikrechtes

247 247

16

nsverzeichnis

IL Gesetzliche Beschränkungen der Streikmöglichkeit 1. Der Streik im öffentlichen Dienst 2. Betriebsbesetzung 3. Wilder Streik 4. Solidaritätsstreik 5.

Politischerstreik

251

III. Tarifvertragliche Beschränkungen der Streikmöglichkeit D. Rechtsfolgen rechtmäßiger Streiks I. Rechtsfolgen auf kollektivrechtlicher Ebene II. Rechtsfolgen auf individualrechtlicher Ebene 1. Auswirkungen auf die streikenden Arbeitnehmer a. Der Bestand des Arbeitsvertrages b. Der Entgeltanspruch der streikenden Arbeitnehmer c. Schadensersatzpflicht der streikenden Arbeitnehmer 2. Auswirkungen des Streikes auf die nichtStreikenden Arbeitnehmer 3. Auswirkungen des Streikes auf Dritte 4.

Auswirkungen auf das Sozialrecht

§3 Auswirkungen auf das tatsächliche Streikgeschehen A

248 248 249 250 251

Probleme der statistischen Vergleichbarkeit

B. Statistischer Vergleich des tatsächlichen Streikgeschehens I. Das tatsächliche Streikgeschehen in Ländern ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes

252 253 253 254 254 254 254 255 255 256 257 258 258 260 261

II. Das tatsächliche Streikgeschehen in Ländern mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung des Streikrechtes

262

III. Beurteilung des statistischen Vergleichs

264

§ 4 Zusammenfassung und Beurteilung der Ergebnisse des 4.Kapitels

265

5. Kapitel

Der Streikbegriff in der Bundesrepublik Deutschland

266

§ 1 Grundlagen der Streikdefinition in der Bundesrepublik Deutschland

266

§ 2 Begriffsmerkmale des Streikes in der Bundesrepublik Deutschland

267

A

Vollständige Arbeitsniederlegung

267

I.

268

Bummelstreik

II. Dienst nach Vorschrift

268

III. Intermittierender Streik

269

IV. Überraschender Streik

269

nsverzeichnis

V. Umlaufender Streik

270

B. Kollektiver Charakter I.

17

270

Arbeitsniederlegung eines einzelnen Arbeitnehmers

271

II. Individualkundigungen

271

III. Streik einer Minderheit von Arbeitnehmer

272

IV. Wilder Streik

272

C. Durchsetzung bestimmter Regelungsziele I.

Regelungsstreit

272 273

II. Politischer Streik

273

§ 3 Zusammenfassung

274 6. Kapitel

Die ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft § 1 Einleitung und Problemaufnß

275 275

§ 2 Bestehen systemimmanente Notwendigkeiten für die Existenz von Streiks in einem marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem

277

A. Überblick

277

B. Mögliche Argumente für die Notwendigkeit von Streiks

277

I.

Streiks als Korrektur ökonomischer Macht 1. Die Marx'sehe Position 2. Überprüfung der Marx'schen Position 3. Zwischenergebnis II. Streik als Korrektur der Ausbeutbarkeit des Produktionsfakors 1. Argumente für diese Auffassung 2. Überprüfung der Argumente a. Tendenzielles Überangebot an Arbeitskräften b. Oligopolistische bzw. teilmonopolistische Struktur der Nachfrage des Arbeitsmarktes c. Der Arbeitsmarkt als typisch unvollkommener Markt 3. Zwischenergebnis III. Streik als Korrektur des Marktversagens 1. Allgemeingültigkeit des Marktversagens zwischen Lohnhöhe und individuellem Arbeitsangebot a. Phase 1: Entlohnung im Bereich des Existenzminimums b. Phase 2: Entlohnung liegt über dem Existenzminimum, es bestehen dringende Konsumwünsche c. Phase 3: Die Entlohnung gewährleistet einen gewissen Luxus der Lebenshaltung d. Zwischenergebnis 2 Bohr

277 278 278 284 284 284 285 286 289 292 293 294 295 296 297 299 300

18

nsverzeichnis

2. 3. 4.

Lohnsituation in der Bundesrepublik Streik als geeignetes Mittel zur Korrektur des Marktversagens Zwischenergebnis

301 303 303

IV. Notwendigkeiten des Streikes auf Grund der Besonderheiten des Lohnfindungsprozesses 1. Lohntheorie von Hicks 2. Die Risikotheorien von Shackle, Pen und Zeuthen 3. Allgemeine Verhandlungstheorien auf spieltheoretischer Basis 4. Theorie der Trucking Games

304 304 307 311 312

V. Zusammenfassung

315

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks A

316

Vorbemerkung

316

I.

317

Methodische Probleme

II. Logische Probleme

317

ΙΠ. Statistische Probleme

318

B. Kurzfristige Auswirkungen von Streiks I.

Mikroökonomische Auswirkungen 1. Auswirkungen auf kampfbeteiligte Arbeitnehmer a. Kampfbeteiligte Arbeitnehmer sind Gewerkschaftsmitglieder aa. Kosten α) Vergütungsanspruch ß) Erstattungen im Krankheitsfalle y) Mutterschaftsgeld, Erziehungsgeld δ) Anwartschaftsrecht, Anwartschaften ε) Zwischenergebnis bb. Erträge α) Streikbedingte Lohnerhöhungen ß) Streikunterstützung durch Gewerkschaften γ) Leistungen durch die Bundesanstalt für Arbeit Ô) Zusammenfassung cc. Berechung nach dem Ansatz von Eaton b. Kampfbeteiligte Arbeitnehmer sind keine Gewerkschaftsmitglieder aa. Kosten bb. Erträge cc. Berechnung nach dem Ansatz von Eaton 2. Auswirkungen auf kampfbeteiligte Arbeitgeber a. Kosten aa. Produktionsausfalle α) Erste Extremsituation: Vollständige Kompensation des Produktionsaufalles ß) Zweite Extremsituation: Keine Kompensation des Produktionsausfalles bb. Schadensersatzzahlungen cc. Lohnerhöhungen dd. Zwischenergebnis b. Erträge

319 319 320 320 320 320 321 324 324 325 325 325 328 333 333 334 336 337 337 338 339 340 340 342 342 343 344 344 345

nsverzeichnis

aa. Entfall des Vergütungsanspruches der Arbeitnehmer bb. Minderung der Forderungen der Arbeitnehmer c. Beurteilung 3. Auswirkungen auf Gewerkschaften 4. Auswirkungen auf indirekt betroffene Arbeitnehmer und Arbeitgeber a. Besondere Problematik der Auswirkungen auf indirekt betroffene Arbeitnehmer und Arbeitgeber b. Auswirkungen auf indirekt betroffene Arbeitnehmer c. Auswirkungen auf indirekt betroffene Arbeitgeber II. Makroökonomische Auswirkungen 1. Unteroehmenssektor a. Erste Extremsituation: Kompensation des Produktionsausfalles b. Zweite Extremsituation: Keine Kompensation des Produktionsausfalles c. Zwischenergebnis 2. Sektor private Haushalte a. Lohneinbußen b. Konsumbeeinträchtigung c. Zwischenergebnis 3. Staatssektor 4. Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen ΙΠ. Zusammenfassung der kurzfristigen Auswirkungen von Streiks C. Langfristige Auswirkungen von Streiks I.

Auswirkungen auf die Arbeitnehmer

II. Auswirkungen auf die Arbeitgeber

19

345 346 348 349 352 352 352 355 357 357 358 359 363 363 364 366 367 367 370 371 372 372 375

III. Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft 1. Preisniveaustabilität Ζ Wachstum der Wirtschaft a. Definition des Wachstums b. Entscheidende Wachstumsfaktoren c. Auswirkungen des Streikes auf die Wachstumsfaktoren aa. Bevölkerungsvermehrung bb. Kapitalbildung bzw. Investitionstätigkeit cc. Technischer Fortschritt

380 380 383 383 383 384 384 384 386

IV. Zusammenfassung der langfristigen Auswirkungen von Streiks

387

§ 4 Ergebnisse der ökonomischen Analyse der Streikes in der Marktwirtschaft

388

7. Kapitel

Beantwortung der Frage, ob sich für die Bundesrepublik Deutschland eine explizite positivrechtliche Gewählleistung des Streikrechtes empfiehlt

389

8. Kapitel

Zusammenfassung

390

Literaturverzeichnis

396

Abkürzungsverzeichnis A.A. AB ABGB Abs. AFG AG Al. Allg. Am.Ec.Rev. An AngG Anm. Ann.dr.Liège AntiterorG AP ArbeitslosenversicherungsG ArbeitsverfassungsG ArbGG ArbVG Art. AÜG BAG BAGE BB BErzG BetrAVG BFH Bd. BetrVG BGB BGBl. BPersVG BSHG BStBl. Brüx. Bull. Bull.crim. BUrlG BVerfG BVerfGE

Andere Ansicht Ausschußbericht Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Absatz Arbeitsförderungsgesetz Arbeitgeber Alinéa, alinéas Allgemein, allgemeine American Economic Review Arbeitnehmer Angestelltengesetz Anmerkung Jurisprudence de la cour d'appel de Liège Antiterrorgesetz Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitslosenversicherungsgesetz Arbeitsverfassungsgesetz Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsvertragsgesetz Article, articolo, Artikel Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Der Betriebs-Berater Bundeserziehungsgeldgesetz Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Bundesfinanzhof Band Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundespersonalvertretungsgesetz Bundessozialhilfegesetz Bundessteuerblatt Bruxelles Bulletin des arrêts de la cour de cassation, chambres civiles. Bulletin des arrêts de la cour de cassation, chambre criminelle. Bundesurlaubsgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

Abkürzungsverzeichnis

Cappel Cass.ass.plén Cass. ch. mixte Cass. civ. Cass. crim. C.E. Civ. CNT Cons, const. Corte cass. Corte cost. Cour de cass. Cour trav. D. DB Ders. D.h. Dir.lav. Diss. DJT DRdA Dr.ouvr. Dr.soc. Dt. Ed.C.I. Ed.G. EStG EG Evtl. EZA F.,ff. FAZ FN, Fn Foro it. Gaz.Pal GG GewO Gior.dir.lav.rel.ind. Giur.cost. Giur.it. Giust.civ.mass. GWB HdWW HGB H.M. Hrsg. HS IG I.L.O. ILR ILRR IR I.S. I.S.v. J.C.P.

21

Arrêt de cour d'appel Arrêt de la cour de cassation assemblée plénière Arrêt de la cour de cassation, chambre mixte. Arrêt de la cour de cassation, chambre civile. Arrêt de la cour de cassation, chambre criminelle. Conseil d'état Civil Conseil national du travail Conseil constitutionel Corte di cassazione Corte costituzionale Arrêt de la cour de cassation belge Arrêt de la cour du travail Recueil de jurisprudence de Dalloz Der Betrieb Derselbe Das heißt Il diritto del lavoro Dissertation Deutscher Juristentag Das Recht der Arbeit Droit ouvrier Droit social Deutsch Edition commerce et industrie Edition générale Einkommenssteuergesetz Europäische Gemeinschaften Eventuelle Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht Folgender, folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Fußnote, Fußnoten Il foro italiano Gazette du Palais Grundgesetz Gewerbeordnung Giornale di diritto del lavoro e di relazioni industriali Giurisprudenza constituzionale Giruisprudenza italiana Giustizia civile massimario Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Handbuch der Wirtschaftswissenschaften Handelgesetzbuch Herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz Industriegewerkschaft International Labour Organisation International Labour Review Industrial and Labour Relations Review Informations rapides Im Sinne Im Sinne von Juris-classeur périodique

22

Jhd. J.L. J.L.O. J.O. Journ. J.p. J.S. J.T. J.T.T. JuS JZ KoalG KSchG KStG Kyklos LFG Lit. Mass.giur.lav. Mass.giur.it. Mio. Mrd. MuSchG M.w.N. NGG NJW No Nos NZA Obs. ÖGB Österr. OGH Ordo Orient.giur.lav. O.V. Prêt. Prev. Rae. Uff. R.C J.B. RdA RdNr. R.D.S. Réf. Rep.Foro.it. Rev.trav. Rev.trim.dr.civ. RG RGBl. RGZ Riv.dir.lav. Riv.giur.lav.

Abkürzungsverzeichnis

Jahrhundert Jurisprudence de la cour d'appel de Liège Jurisprudence de louage d'ouvrage Journal officiai Journal Juge de paix Jurisprudence sociale Journal des tribunaux Journal des tribunaux du travail Juristische Schulung Juristenzeitung Koalitionsgesetz Kündigungsschutzgesetz Körperschaftssteuergesetz Kyklos: Internationale Zeitschrift für Sozialwissenschaften Lohnfortzahlungsgesetz Littera Massimario di giurisprudenza del lavoro Massimario della giurisprudenza italiana Millionen Milliarden Mutterschutzgesetz Mit weiteren Nachweisen Gewerkschaft Nahrung Genuß Gaststätten Neue Juristische Wochenschrift Numéro, numero Numéros Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Note d'observation ou commentaire sous UN arrêt ou UN jugement Österreichischer Gewerkschaftsbund Österreichisch Oberster Gerichtshof Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Orientamenti di giurisprudenza del lavoro Ohne Verfasserangabe Pretura Previdenta Raccolta ufficiale delle sentenze ed ordinanze della corte costituzionale Revue critique de jurisprudence belge Recht der Arbeit Randnummer Revue de droit social Juge de référés Il foro italiano, repertorio Revue du travail Revue trimestrielle de droit civil Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rivista di diritto del lavoro Rivista giuridica del lavoro

Abkürzungsverzeichnis

Riv.giur.lav.prev.soc. Riv.it.dir.lav. R.P.D.S. Rspr. R.T. RVO R.W. S. SAE SGB SchwbG SNCF sog. Sp. StG StGB StGB Trib. Trib.inst Trib.gde.inst. Trib.trav. TVG ÜG UStG U.U. U.v.m. Vgl.

vo

Vol. WSI WuW ZAS ZfA ZfH ZgS ZPO

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Rivista giuridica del lavoro e della previdenza sociale Rivista italiano di diritto del lavoro Revue pratique de droit social Rechtsprechung Revue du travail Reichsversicherungsordnung Rechtskundig Weekblad Satz/Seite Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen Sozialgesetzbuch Schwerbehindertengesetz Société national de chemins de fer sogenannte Spalte Strafgesetz Staatsgesetzblatt Strafgesetzbuch Tribunal, tribunale Tribunal d'instance Tribunal de grande instance Jugement du tribunal du travail Tarifvertragsgesetz Überleitungsgesetz Umsatzsteuergesetz Unter Umständen Und vieles mehr Vergleiche Verordnung Volume Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes Wirtschaft und Wettbewerb Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift fur Handelsrecht Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zivilprozeßordnung

Einleitung

I. Die Problemstellung 1993 verwirklicht sich der Europäische Binnenmarkt. Die nationalen Wirtschaftsordnungen der Mitgliedsländer1, die bislang durch rechtliche und faktische Unterschiede in merklichem Umfange separiert sind2, rücken dann aller Voraussicht nach enger zusammen3. Als Folge werden sich auch für die Bundesrepublik Deutschland und ihre Wirtschaft Herausforderungen ergeben, die noch dadurch verstärkt werden, daß die Bundesrepublik in hohem Maße exportorientiert ist4. Ob diesen Herausforderungen begegnet werden kann, richtet sich nicht zuletzt danach, wie Arbeitskonflikte gelöst werden. Dies hängt aber vor allem davon ab, wie das Streikrecht ausgestaltet ist. Die rechtlichen Regelungen der Tarifauseinandersetzungen werden auch nach der Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes zu nationalen Aufgaben der jeweiligen Mitgliedsländer gehören, so daß insoweit Unterschiede bestehen können5.

1 Die Mitgliedsländer sind zur Zeit Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Luxemburg, Italien, Frankreich, Niederlande, Großbritannien, Dänemark, Irland, Griechenland, Spanien, Portugal. 2 So auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vollendung des Binnenmarktes, S.2. 3 Diese Einschätzung teilen auch Leibfritz/Nam/Parsche ifo-schnelldienst 7/89,11. 4 Zur Außenhandelsabhängigkeit der Bundesrepublik vgl. etwa Siebert, Außenwirtschaft, S.12 ff.. 5 Nicht nur innerhalb des Europäischen Binnenmarktes 1993, sondern sogar innerhalb einer - geplanten - Wirtschafts- und Währungsunion, die als Einigungsprozeß weit über den Binnenmarkt hinausgehen soll, wird die rechtliche Ausgestaltung des Arbeitskampfes als nationale Angelegenheit gesehen. Vgl. dazu Ausschuß zur Prüfung der Wirtschafts- und Währungsunion (Delors-Bericht), S.22 f.

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Einleitung

In der Bundesrepublik Deutschland fehlt es an einer expliziten positivrechtlichen Gewährleistung des Streikrechtes6. Der Streik ist weder in seinem Begriffsinhalt noch in seinen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen und Rechtsfolgen gesetzlich geregelt. Seine wesentlichen rechtlichen Grundregeln sind vielmehr durch das BAG 7 entwickelt worden. Die Frage, ob sich eine explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes für die Bundesrepublik Deutschland empfiehlt, hat in der letzten Zeit lebhafte Erörterung erfahren 8. Dabei erfolgt die Beurteilung in erster Linie aufgrund allgemeiner verfassungsrechtlicher Erwägungen9 sowie aufgrund soziologischer Gesichtspunkte10. Teilweise werden auch einfach nur ideologische Auffassungen11 wissenschaftlich verbrämt. Die vorliegende Arbeit möchte versuchen, sich der Problematik der positivrechtlichen Gewährleistung des Streikrechtes einerseits aus rechtsvergleichender Sicht zu nähern, andererseits in die Beurteilung maßgeblich auch ökonomische Erwägungen einzubeziehen12. Insofern wird nur ein Teilbereich der Gesamtproblematik hinsichtlich der Frage nach einer expliziten positivrechtlichen Streikrechtsgewährleistung angesprochen. Die Arbeit verfolgt daher auch nicht das Ziel, sämtliche Gesichtspunkte abzuwägen, die sich im Zusammenhang mit einer expliziten positivrechtlichen Gewährleistung des Streikrechtes ergeben können.

Der Streik ist lediglich mittelbar und nur punktuell in positvrechtlichen Regelungen angesprochen: Art.9 Abs.3 Satz 3 GG; § 2 Abs. 1 Nr.2 ArbGG; § 74 Abs.2 Satz 1 BetrVG 1972; § 66 Abs.2 Satz 2, 3 BPersVG; § 25 KSchG; § 21 Abs.6 SchwbG; § 11 Abs.5 AÜG; §§ 17,116 AFG. 7 Grundlegend sind die Beschlüsse des Großen Senates des BAG vom 28.1.1955, AP Nr.l zu Art.9 GG Arbeitskampf = SAE 1956, 1, Anm. Nikisch und vom 21.2.1971 AP Nr.43 zu Art.9 GG Arbeitskampf - SAE 1972,1, Anm. Richardi. 8 Ein guter Überblick über die Erörterung findet sich bei Seiter, RdA 1986, 165, 175. Seiter gibt in FN 101 eine kuize Situationsdarstellung einer Diskussion bezüglich der Frage der gesetzlichen Regelung des Arbeitskampfes, die erkennen läßt, mit welcher Schärfe die Auseinandersetzungen geführt werden. Die Frage einer expliziten positivrechtlichen Gewährleistung wird vor allem jüngst auch im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung aufgeworfen. Im Jahre 1988 wurden von mehreren Professoren ein Gesetz zur Regelung von kollektiven Arbeitskonflikten entworfen, vgl. Birk/Konzen/Löwisch/Raiser/Seiter, Gesetz zur Regelung kollektiver Arbeitskonflikte. 9 Seiter, RdA 1986,165, 170 ff.. 10 Ramm in Podiumsdiskussion: Kodifizierung des Arbeitskampfrechts? in: Verhandlungen des 51.DJT, Bd.II (Sitzungsberichte) Teil R 1976, S. R.24. 11 So beispielsweise Kittner, zitiert in Seiter, RdA 1986, 165, 175, FN 101; Klunker, in: Die Zeit, vom 30.7.1971, Nr.31, S.27. 12 Nach Seiter, RdA 1986,165, 168 haben wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit dem Problem des Arbeitskampfrechtes de lege ferenda befassen, Seltenheitswert

II. Mögliche Arten der Regelungen des Streikrechtes

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Insbesondere soll durch den gewählten Untersuchungsansatz nicht die rechtsstaatliche und von Verfassungs wegen gebotene Notwendigkeit, daß der Gesetzgeber bestimmte wichtige Bereiche selbst regelt, überspielt werden13.

Π . Mögliche Arten der Regelungen des Streikrechtes Als mögliche Regelungsarten des Streikrechtes kommen in der Praxis der Staaten mit marktwirtschaftlicher Orientierung drei Konstellationen vor 14 : Zunächst ist es möglich, daß der Gesetzgeber das Streikrecht positivrechtlich gewährleistet hat. Die zweite Möglichkeit ist die einer autonomen Regelung durch die präsumptiven Arbeitskampfparteien. Drittens kann überhaupt keine Regelung bestehen. Nun ist es allerdings nicht so, daß die jeweiligen Regelungsgi Uppen in sich homogen wären, so daß sie scharf abgegrenzt gegenüberstünden. Vielmehr bestehen in den einzelnen Gruppen wesentliche Unterschiede bezüglich des Inhaltes der Regelung und hinsichtlich der Regelungsart. Bei aller Unterschiedlichkeit lassen sich jedoch zwei große Gruppen von Ländern separieren: Solche, in denen explizit positvrechtlich - insbesondere durch die Verfassung - das Streikrecht gewährleistet wird und solche, in denen es keine explizite positivrechtliche Gewährleistung gibt. Auf diese Differenzierung soll sich hier die Rechtsvergleichung konzentrieren. Es soll daher untersucht werden, ob es sich aus rechtsvergleichender Sicht, unter Berücksichtigung der ökonomischen Bestimmungsgründe, empfiehlt, in der Bundesrepublik Deutschland das Streikrecht explizit positivrechtlich - insbesondere verfassungsrechtlich - zu gewährleisten15. Vgl. Ehmann, ΝΖΑ 1991, 1, 3 f., der im Hinblick auf die sog. Wesentlichkeitstheorie darauf hinweist, daß die Regelung des Arbeitskampfrechtes durch die Gesetzgebung zu erfolgen habe. Ob damit allerdings eine explizite Gewährleistung des Streikrechtes verbunden sein muß, ist eine andere Frage. Ehmann a.a.O. ist allerdings skeptisch in Bezug auf die Durchsetzungskraft des Gesetzgebers und ist der Ansicht, daß wohl nicht mit einer Normierung des Arbeitskampfrechtes durch die Legislative zu rechnen sei. 14 Dazu Birk, RdA 1986,205,206. 15 De lege ferenda empfiehlt das für die Bundesrepublik Deutschland Seiter, RdA 1986,165, 183 f.

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Einleitung

ΙΠ· Gang der Darstellung Aus der Problemstellung und den möglichen Arten der Regelungen des Streikrechtes ergibt sich der Gang der Darstellung: Im 1. Kapitel soll die grundsätzliche Problematik der Vergleichbarkeit der verschiedenen Regelungen des Steikrechtes erörtert werden. Im 2. Kapitel werden die rechtlichen Regelungen des Streikes in Ländern ohne explizite positivrechtliche, insbesondere verfassungsrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes dargestellt, im 3. Kapitel die Regelungen des Streikes in Ländern mit expliziter positivrechtlicher, insbesondere verfassungsrechtlicher Gewährleistung des Streikrechtes. Im 4. Kapitel werden in einem kurzen Überblick die Auswirkungen der verschiedenen Regelungsarten - explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes, keine explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes - auf das tatsächliche Arbeitskampfgeschehen dargestellt. Der Streikbegriff der Bundesrepublik Deutschland wird im 5. Kapitel erörtert. Im 6. Kapitel erfolgt eine ökonomische Analyse des Arbeitskampfes in der Marktwirtschaft. Dies ist für die hier zu behandelnde Problematik deswegen notwendig, weil nur bei Berücksichtigung der ökonomischen Implikationen eine Gestaltungsempfehlung hinsichtlich der expliziten positivrechtlichen Gewährleistung des Streikrechtes in der Bundesrepublik Deutschland aus rechtsvergleichender und wirtschaftlicher Betrachtung gegeben werden kann. Das 7. Kapitel beantwortet die Frage, ob sich eine explizite positivrechtliche - insbesondere verfassungsrechtliche - Gewährleistung des Streikrechtes in der Bundesrepublik Deutschland aus rechtsvergleichender und wirtschaftlicher Sicht empfiehlt. Die gefundenen Ergebnisse werden im 8. Kapitel zusammengefaßt.

LKapitel

Problematik der Vergleichbarkeit der verschiedenen Regelungen des Streikrechts § 1 Problemaufriß In der vorliegenden Arbeit sollen die rechtlichen Regelungen des Streikes in verschiedenen europäischen Ländern untersucht und verglichen werden. Ziel der Darstellung ist dabei nicht, sämtliche Verästelungen der nationalen Regelungen jeweils nachzuzeichnen, sondern die Intention ist, Grundlinien herauszuarbeiten, um Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Ländern, aber auch Unterschiede aufzuzeigen1. Durch diese Zielsetzung, die im Ergebnis dazu dient, eine Vergleichbarkeit der Streikrechtsregelungen in den einzelnen Ländern zu ermöglichen, wird indirekt auch die Art der Darstellung der einzelnen Länderberichte bestimmt. Damit die unterschiedlichen Systeme einem Vergleich zugänglich werden, sollen bestimmte Probleme, die sich für alle Länder ergeben, etwas vertieft betrachtet werden. Dadurch wird es ermöglicht, die prägenden Eigenarten der jeweiligen Regelungsordnung herauszuarbeiten. Aus diesem Grund wird versucht, die Gliederung der einzelnen Länderberichte möglichst einheitlich zu gestalten, soweit dies aufgrund der Eigenheiten der nationalen Rechtsordnungen überhaupt möglich ist. Das hat vielleicht den Nachteil, daß die Darstellung möglicherweise etwas "langweilig" erscheint, aber den großen Vorteil, daß wegen der weitgehend einheitlichen Gliederung die Vergleichsmöglichkeiten erhöht werden. 1 Umfassende rechtsvergleichende Untersuchungen über das Streikrecht sind in jüngster Zeit, soweit ersichtlich, nicht veröffentlicht worden. Als rechtsvergleichende Arbeiten wären zu nennen: Birk, RdA, 1986,205 ff.; Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Hohe Behörde (Hrsg.), Streik und Aussperrung; Hamm, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 1980, 64 ff.; Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Streitsache: Streit, Aussperrung, Schlichtung; Kahn-Freund, Labour and the Law; Kittner (Hrsg.) Streik und Aussperrung; Löwisch, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 1980, 34 ff.; Rotondi (Hrsg.), The Strike; Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf; Tomandl, Streik und Aussperrung; Vacca, Il diritto di sciopero; Yamaguchi, La théorie de la suspension du contrat de travail.

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1. Kap.: Problematik der Vergleichbarkeit

Verglichen werden soll jeweils der Streik in seinen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen und in seinen Rechtsfolgen. Damit ein Vergleich zwischen den jeweiligen Ländern überhaupt möglich ist, müssen aber zunächst die Begriffsinhalte geklärt werden. Möglicherweise wird unter Streik in einem Land etwas völlig anderes verstanden als in einem anderen Land. Klärt man jedoch die Begriffsinhalte nicht, so vergleicht man möglicherweise Rechtsinstitute, die schon in ihren definitorischen Voraussetzungen Unterschiede aufweisen 2. Weisen jedoch schon die Begriffe Unterschiede auf, so kann es nicht verwundern, wenn auch die rechtliche Ausgestaltung unterschiedlich ist. Man vergleicht nämlich dann Institute, die so miteinander nicht in ein Verhältnis gesetzt werden können3. Wäre etwa in der Bundesrepublik Deutschland eine einheitliche (beispielsweise gesetzliche) Definition des Streikes vorhanden, so würde es sich anbieten, eine solche Begriffsbestimmung als Vergleichsmaß heranzuziehen. In der Bundesrepublik fehlt es aber an solch einer einheitlichen Definition. Aus diesem Grund soll eine Musterdefinition des Streikes entwickelt werden. Sie wird in der vorliegenden Arbeit auch als "allgemeine Streikdefinition" bezeichnet werden. "Allgemein" deshalb, weil sie sich nicht auf ein Land bezieht, sondern als Musterdefinition in den nachfolgenden Kapiteln Grundlage der begrifflichen Beurteilung ist. Das hat den Vorteil, daß die jeweiligen begrifflichen Unterschiede in den einzelnen Ländern zutage treten. Erreicht wird mit dieser Methode eine Vergleichbarkeit zwischen den Ländern, die nicht gegeben wäre, wenn man nur den Streik und die jeweiligen verbalen Entsprechungen in den einzelnen Ländern untersuchen würde.

Paradigmatisch für diese Art der Darstellung, nach der manche Autoren verfahren, sind etwa die Ausführungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Streitsache: Streik, Aussperrung, Schlichtung. 3 Vor dieser methodischen Gefahr beim Rechtsvergleich warnt auch Birk, ZfA 1979,231,232.

§ 2 Musterdefinition des Streikes

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§ 2 Musterdefìnition des Streikes Α. Inhalt der Musterdeflnition

In den in dieser Arbeit untersuchten Ländern4 erfährt der Streik keine deflatorische Behandlung durch den Gesetzgeber. Entweder wird er überhaupt nicht erwähnt, oder sein Begriffsinhalt wird als gegeben vorausgesetzt. Die gesetzliche Definition eines Landes kann daher nicht als Musterdefìnition hergezogen werden. Zur Entwicklung der Musterdefinition empfiehlt sich deshalb eine Betrachtung der Begriffsbestimmungen der Lehre und der Rechtsprechung in den verschiedenen untersuchten Ländern. Dabei darf die erarbeitete Definition einerseits nicht zu weit sein, damit sie nicht jede inhaltliche Konturierung verliert. Andererseits muß aber auch darauf geachtet werden, daß die begriffliche Abgrenzung nicht so eng gewählt wird, daß lediglich wenige Kampfhandlungen begrifflich als Streik eingeordnet werden können. In der Bundesrepublik Deutschland werden hinsichtlich des Streikbegriffes verschiedene Definitionen vertreten. Nach Brox/Rüthers5 ist der Streik "die von einer Mehrzahl von AN planmäßig und gemeinsam durchgeführte Arbeitseinstellung zur Erreichung eines Zieles". Gamillscheg6 versteht unter Streik "die gemeinschaftliche planmäßige Niederlegung der Arbeit... mit der Wiederaufnahme der Arbeit nach Erreichung des gestellten Zieles". Söllner7 definiert den Streik als "die von einer größeren Anzahl von AN planmäßig und gemeinschaftlich durchgeführte Arbeitseinstellung zur Erreichung eines bestimmten Zieles". Nach Löwisch/Löwisch8 stellt beim Streik "eine Gruppe von AN kollektiv ganz oder teilweise ... die Arbeit ein, um ein Ziel zu erreichen".

4 Dies sind neben der Bundesrepublik Deutschland die Länder Österreich, Belgien, Frankreich und Italien. Anzumerken ist, daß es aber Rechtsordnungen gibt, die den Streik durch Gesetz begrifflich geregelt haben. Zu nennen ist hier vor allem die Türkei, die das gesamte Arbeitskampfrecht umfassend gesetzlich geregelt hat. Vgl. dazu Tbncay, Erscheinungsformen und Rechtmäßigkeit des Arbeitskampfes. 5 Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampf-recht, S.17. 6 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, RdNr.317. 7 Söllner, Arbeitsrecht, S.74. 8 Löwisch/Löwisch, Arbeitsrecht, S.25.

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1. Kap.: Problematik der Vergleichbarkeit

In Österreich versteht Strasser9 unter Streik "den von einer größeren Anzahl von AN gemeinsam durchgeführten Entschluß, ... dem AG die Arbeitskraft ganz oder teilweise solange zu entziehen, bis der damit verfolgte Zweck erreicht oder aufgegeben worden ist". Für Mayer-Maly 10 besteht der Streik in Österreich "in einer Arbeitseinstellung, die von einer Mehrzahl von AN planmäßig und gemeinsam durchgeführt wird". Für das italienische Recht definiert Vacca11 den Streik als konzertiertes Anhalten der Arbeit zum Schutz von beruflichen Kollektivinteressen. Der Streik bedeutet nach Teyssié in Frankreich die "völlige Unterbrechung der Arbeit (a), die kollektiven Charakter trägt (b) und in beruflichen Forderungen begründet ist (c)". In Belgien wird nach Horion 12 unter Streik die "verabredete gemeinsame Arbeitsniederlegung durch eine Gruppe von AN (verstanden) zu dem unmittelbaren Zweck der Störung des Ablaufs eines oder mehrerer Betriebe, um dadurch einen Druck auf den AG oder Dritte auszuüben." Die Betrachtung dieser Begriffsbestimmungen, die nur einen kleinen Ausschnitt aus den insgesamt vertretenen Definitionen darstellen, zeigt, daß keine Übereinstimmung der Begriffe vorliegt. Dies gilt sowohl innerhalb der einzelnen Länder als auch im Vergleich der Länder untereinander. Unterschiede ergeben sich sowohl hinsichtlich der Kampfparteien aber auch hinsichtlich des Kampfzieles und der Kampfmittel: So verlangt Teyssié13 (Frankreich) eine vollständige Arbeitsniederlegung, während nach Löwisch/Löwisch14 (Bundesrepublik Deutschland) auch ein teilweiser Arbeitsentzug (wie etwa beim Bummelstreik) ausreicht. Hinsichtlich der Kampfparteien wird von den meisten Autoren das kollektive Moment betont. Demgegenüber wird von einem Teil der italienischen Judikatur15 auch der Streik eines einzelnen AN's für möglich gehalten. Ein Kampfziel wird nach allen hier vorgestellten Definitionen verlangt. Allerdings herrscht keine Einigkeit darüber, wie es aussehen muß. Für Brox/Rüthers 16 genügt es, daß überhaupt ein Ziel vor9 10 11 12 13 14 15 16

Strasser, Arbeitsrecht, Band II, Kollektives Arbeitsrecht, S.138. Mayer-Maly, Arbeitsrecht, S.200. Vacca, II diritto di sciopero, Sß4. Horion, Streik und Aussperrung, S.152. Teyssié, Droit des conflits collectifs, S.350. Löwisch/Löwisch, Arbeitsrecht, S.25. Trib.Lucca, 4.4.1972, Giur. It. 1973,1,2, 292. Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.14.

§ 2 Musterdefnition des Streikes

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liegt, während etwa Vacca17 (Italien) verlangt, daß das Streikziel auf berufliche Interessen gerichtet ist. Hier soll als Musterdefinition (nachfolgend auch als "allgemeine Streikdefinition" bezeichnet) unter Streik die vollständige Niederlegung der Arbeit verstanden werden, die kollektiven Charakter trägt und der Durchsetzung bestimmter Regelungsziele dient.18 Aus dieser vorgestellten begrifflichen Eingrenzung des Streikes durch die Musterdefinition folgt, daß verschiedene Handlungen der AN nicht unter den Begriff des Streikes fallen. Daher ergibt sich die Notwendigkeit, Folgerungen aus der "allgemeinen Streikdefinition" zu ziehen und Abgrenzungen vorzunehmen.

B. Folgerungen und Abgrenzungen

Wie oben erläutert, bestimmt sich der Streik begrifflich nach der Musterdefinition im wesentlichen durch drei Merkmale: Erstens durch die vollständige Arbeitsniederlegung, zweitens durch den kollektiven Charakter und drittens dadurch, daß er der Durchsetzung bestimmter Regelungsziele dient.

/. Vollständige Arbeitsniederlegung Kampfmittel der AN ist nach der "allgemeinen Streikdefinition" nur die vollständige Arbeitsniederlegung. Sämtliche Handlungen der AN, die dieses Erfordernis nicht erfüllen, stellen daher in dem hier vertretenen Sinne keine Streiks dar. Probleme19 ergeben sich vor allem hinsichtlich des Bummelstreikes, des Dienstes nach Vorschrift, des intermittierenden Streikes, des überraschenden Streikes und des umlaufenden Streikes.

Vacca, Il diritto di sciopero, S.34. Damit nähert sich die Definition der von Teyssié, Droit des conflits collectifs, S.350 vertretenen Begriffsbestimmung an. Sie ist jedoch insofern weiter, als das Streikrecht nicht berufsbezogen sein muß, sondern auf jedes Ziel gerichtet sein kann. 19 Die nachfolgenden Begriffe können möglicherweise dem deutschen Juristen teilweise ungeläufig sein. Sie werden daher unten jeweils beschrieben. 18

3 Bohr

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1. Kap.: Problematik der Vergleichbarkeit

1. Bummelstreik Der Bummelstreik ist als Kampfform der AN dadurch gekennzeichnet, daß die AN weniger arbeiten, als sie es unter normalen Umständen tun20. Gelegentlich wird der Bummelstreik auch so beschrieben, daß die AN weniger als geschuldet arbeiten21. Gemeinsam ist diesen Definitionen des Bummelstreikes, daß die AN zwar arbeiten, jedoch weniger als üblich. Gleichwohl stellen diese Kampfformen beispielsweise nach der in der Bundesrepublik h.M 22 einen (echten) Streik dar. Nach der Musterdefinition unterfällt der Bummelstreik jedoch nicht dem Streikbegriff, da es an dem konstituierenden Element der vollständigen Arbeitsniederlegung fehlt 23. In dem hier verstanden Sinne muß daher der Bummelstreik von dem (echten) Streik abgegrenzt und von ihm unterschieden werden.

2. Dienst nach Vorschrift Der Dienst nach Vorschrift ist eine Kampfform der AN, mittels der sie versuchen, durch peinliche Einhaltung der Ordnungs- und Sicherheitsvorschriften den betrieblichen Arbeitsablauf zum Erliegen zu bringen, um dadurch den AG zu einem Nachgeben zu bewegen. Ebenso wie beim Bummelstreik, so findet auch bei dem Dienst nach Vorschrift keine vollständige Arbeitsniederlegung statt24. Der Dienst nach Vorschrift stellt nach der "allgemeinen Streikdefinition" begrifflich keinen Streik dar. Dies ergibt sich daraus, daß - ebenso wie beim Bummelstreik - es an dem konstitutiven Kampfmittel der Arbeitsniederlegung fehlt.

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Camerlynck/Lyon-Caen/Pèlissier, Droit du travail, RdNr. 941. Cass. soc. 5.1.1979, J.S. 1979, 1q 17,29. 22 Siehe dazu unten, 5. Kapitel, § 2, A, I. 23 So auch Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, RdNr.314 zu Art.9 GG. 24 Der Dienst nach Vorschrift ist im öffentlichen Dienst eine beliebte Arbeitskampfform. Beispiele geben Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, 1.Auflage, S.29. 21

§ 2 Musterdefinition des Streikes

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3. Intermittierender Streik Der intermittierende Streik zeichnet sich dadurch aus, daß jeweils kurzfristig die Arbeit in einem Betrieb oder Betriebsteil niedergelegt und wieder aufgenommen wird. Dies geschieht mehrmals hintereinander, so daß ein geregelter Arbeitsablauf nicht möglich ist. Nach der Musterdefinition liegt bei einer solchen Verhaltensweise der AN begrifflich ein Streik vor, da die Voraussetzung der vollständigen Arbeitsniederlegung erfüllt ist. Unerheblich ist für die definitorische Einordnung, daß die jeweiligen Arbeitsniederlegungen für sich betrachtet nur kurzfristig erfolgen. Notwendig und ausreichend ist,25 daß die Arbeit überhaupt unterbrochen wird. Daher sind überraschende Streiks nach der Musterdefinition begrifflich (echte) Streiks.

4. Überraschender Streik Bei einem überraschenden Streik findet die Arbeitsniederlegung ohne Vorankündigung statt. Die Vorankündigung ist jedoch nach der "allgemeinen Streikdefinition" kein begrifflich notwendiges Merkmal des Streikes. Entscheidend ist nur, daß die Arbeit vollständig unterbrochen wird. Daher sind überraschende Streiks nach der Musterdefinition begrifflich (echte) Streiks. 5. Umlaufender Streik Bei umlaufenden Streiks werden von den Kampfmaßnahmen der AN jeweils nur einzelne Betriebe oder Betriebsteile, denen eine Schlüsselposition zukommt, ergriffen. Dabei erfolgen die Kampfhandlungen meist kurzfristig und wechseln zwischen den Betrieben bzw. Betriebsteilen.

25 Dies bedeutet, daß jede einzelne Arbeitsniederlegung fur sich betrachtet wird und nicht die Gesamtperiode, innerhalb der die einzelnen Niederlegung erfolgen. Würde man nämlich die Gesamtperiode beurteilen, so müßte man sagen, daß insgesamt nur eine Arbeitsverlangsamung eingetreten ist, da zwischendurch Arbeit erbracht wurde.

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1. Kap.: Problematik der Vergleichbarkeit

Unter die umlaufenden Streiks ist auch die sog. "neue Beweglichkeit" in der Bundesrepublik Deutschland einzuordnen, die in jüngster Zeit erhebliche praktische Bedeutung gewonnen hat26. Diese Kampfform der AN zeichnet sich dadurch aus, daß während der noch laufenden Tarifverhandlungen kurzfristige Arbeitsniederlegungen in wechselnden, vorher planmäßig festgelegten Betriebsteilen oder Betrieben stattfinden. Wenn die Kampfhandlung in einer vollständigen - wenn auch jeweils nur kurzzeitigen - Arbeitsniederlegung besteht, so kann nach der Musterdefinition ein (echter) Streik gegeben sein.

IL Kollektiver

Charakter

Das zweite konstituierende Definitionsmerkmal des "allgemeinen Streikbegriffes" ist das des kollektiven Charakters. Der Streik ist dadurch gekennzeichnet, daß die AN gemeinsam versuchen, ihre angestrebten Ziele zu erreichen. Abgrenzungsprobleme ergeben sich hier vor allem hinsichtlich der Kampfaktion eines einzelnen AN's und hinsichtlich Individualkündigungen. Aber auch in Bezug auf Arbeitsniederlegungen einer Minderheit von AN sowie bei wilden Streiks könnte es fraglich sein, ob diese der "allgemeinen Streikdefinition" unterfallen.

1. Arbeitsniederlegung eines einzelnen Arbeitnehmers Verschiedentlich27 wird die Auffassung vertreten, daß auch in der Arbeitsniederlegung eines einzelnen AN's begrifflich ein Streik liegen könne. Nach der hier vorgestellten allgemeinen Streikdefinition ist dies nicht möglich. Es fehlt bei der Kampfhandlung eines einzelnen AN's an der kollektiven Verbundenheit, die begriffsnotwendig für einen Streik ist. Daher ist die Arbeitsniederlegung eines einzelnen AN's begrifflich nicht als Streik einzuordnen. 26 Vgl. dazu insbesondere Lieb, NZA1985,265 ff.; Loritz, ZfA 1985,185 ff.; Reuter, JuS 1986, 19 ff.; Zöllner, DB 1985, 2450 ff. sowie BAG NJW 1985, 85 = DB 1984, 2563 = AP Nr.81 zu Art.9 GG Arbeitskampf und BAG AP Nr.108 zu Art.9 GG Arbeitskampf. 27 So etwa Müller, Arbeitskampf und Recht, S.lll; trib.Lucca, 4.4.1972, Giur.lt 1973, I, 2;

292.

§ 2 Musterdefinition des Streikes

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Daher ist die Arbeitsniederlegung eines einzelnen AN's begrifflich nicht als Streik einzuordnen.

2. Individualkündigungen Bei Individualkündigungen mehrerer AN (sog. Massenkündigungen) könnte es fraglich sein, ob der kollektive Charakter, der nach der Musterdefinition erforderlich ist, vorliegt. Dieser könnte allein dadurch gegeben sein, daß mehrere AN handeln. In dem hier verstandenen Sinne geht jedoch der kollektive Charakter über das rein numerische Erfordernis hinaus: Neben der Notwendigkeit, daß mehrere AN handeln, ist es weiterhin erforderlich, daß eine gemeinsame geistige Handlungsgrundlage besteht. Daraus folgt zweierlei: Individualkündigungen sind für den kollektiven Charakter des Streikes im Sinne der Musterdefinition allein nicht ausreichend. Es ist allerdings möglich, daß Streiks von Individualkündigungen der AN begleitet sein können.

3. Streik einer Minderheit von Arbeitnehmern Befindet sich nur eine Minderheit von AN im Ausstand, während die überwiegende Anzahl der AN der Arbeit nachgeht, beziehungsweise nachgehen möchte, so könnte es problematisch sein, ob ein kollektives Handeln "der AN" vorliegt 28. Mit anderen Worten gesagt, es ist fraglich, ob die Anzahl der kampfbeteiligten AN für die Einordnung einer Kampfhandlung von Bedeutung ist. Nach der Musterdefinition kommt es lediglich darauf an, daß das Handeln der beteiligten AN kollektiven Charakter trägt. Die Anzahl der handelnden AN ist daher unerheblich, wenn es nur mehrere sind. Der Streik einer Minderheit von AN ist somit nach der Musterdefinition begrifflich möglich.

28 Diese Problematik wird vor allem im romanischen Rechtskreis diskutiert (vgl. dazu unten 3.Kapitel, § 2, Β, 1,2, b, sowie 3.Kapitel, § 3, Β, 1,2. b), während sie in der Bundesrepublik wohl nicht erörtert wird.

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1. Kap.: Problematik der Vergleichbarkeit

4. Wilder Streik Der wilde Streik zeichnet sich dadurch aus, daß er nicht gewerkschaftsgetragen ist 29 . Im bundesdeutschen Recht wird solch eine Kampfaktion - ungeachtet der Frage der Rechtmäßigkeit - begrifflich als (echter) Streik angesehen30. Nimmt man an, daß der kollektive Charakter des Handelns erst dadurch vermittelt wird, daß die Gewerkschaften beziehungsweise die AN-Koalitionen den Streik organisieren, so könnte es fraglich sein, ob begrifflich überhaupt ein (echter) Streik vorliegt. Diese Auffassung soll jedoch hier nicht vertreten werden. Daher ist auch der wilde Streik nach der Musterdefinition begrifflich als Streik anzusehen.

III. Durchsetzung bestimmter Regelungsziele Der Streik muß als Kampfhandlung der AN der Durchsetzung bestimmter Regelungsziele dienen.

1. Regelungsstreit Im Verständnis der hier vertretenen Musterdefinition fallen Rechtsstreitigkeiten nicht unter den Streikbegriff. Vielmehr ist es erforderlich, daß ein Verhalten des AG's erzwungen werden soll, auf das kein Rechtsanspruch der AN besteht.

2. Politischer Streik Fraglich ist, ob auch politische Streiks unter den "allgemeinen StreikbegrifP einzuordnen sind. Dies wäre beispielsweise dann nicht der Fall, wenn die Zielsetzungen des AN-Handelns dahingehend eingegrenzt wären, daß es sich um berufsbezogene Ziele handeln müßte.

29 Vgl. dazu etwa aus der bundesdeutschen Rechtsprechung: BAGE 15, 174 = AP Nr.32 zu Art.9 GG Arbeitskampf. 30 Siehe etwa Söllner, Arbeitsrecht, S.75; sowie unten.

§ 2 Musterdefnition des Streikes

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Nach der Musterdefinition ist es nur erforderlich, daß überhaupt ein Regelungsziel vorliegt. Unerheblich ist, um welches Ziel es sich handelt. Daher unterfallen auch politische Streiks dem "allgemeinen StreikbegrifP.

2. Kapitel

Darstellung der rechtlichen Regelungen des Streikes in Ländern ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes § 1 Einleitung Paradigmatisch für die rechtlichen Regelungen des Streikes in Ländern ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes sollen nachfolgend die Situationen in Österreich und Belgien dargestellt werden. Um ein besseres Verständnis der gegenwärtigen Regelungen zu erzielen, wird jeweils kurz ein Überblick und ein historischer Abriß über die Entwicklung des Streikrechtes gegeben. Daran schließt sich die eigentliche Beschreibung des gegenwärtigen Streikrechtes an. Die Länderberichte schließen jeweils mit einem statistischen überblick, der Aufschlüsse über die Streikhäufigkeit, die Streikbetroffenheit und die Streikintensität geben soll.

§ 2 Österreich A. Überblick und historischer Abriß

Ebenso wie in den meisten europäischen Ländern, so ist auch in Österreich1 die rechtliche Behandlung des Arbeitskampfes im Zeitablauf sehr unterschiedlich erfolgt. Bis zum Jahre 1870 läßt sich bei der Beurteilung der Rechtslage vergröbert von einer Zeit der Verbote des Arbeitskampfes und der Koalitionen sprechen2. Die geistige Fundierung dieser Einstellung erfolgte dabei auf der Grundlage des

Anzumerken ist dabei, daß das österreichische Staatsgebiet sich im Laufe der Zeit erheblich geändert hat, und daß der gegenwärtige österreichische Staat nur noch ein Bruchteil des ehemaligen Reiches darstellt. 2 Tomandl, in: Rotondi (Hrsg.), The Strike, S.505.

§ 2 Österreich

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Absolutismus und des Merkantilismus, der in Österreich in der Spielart des Kameralismus auftrat 3. Die Verbote waren teils in Reichsregelungen enthalten, teils auch landesfürstlich erlassen. Ein Beispiel für solch eine Verbotsregelung ist ein Hofreskript Maria Theresias4, das alle Gesellenvereine und Bruderschaften aufhob, und das unter Androhung von Leib- und Lebensstrafen die Errichtung derartiger Vereine und die Abhaltung von Versammlungen untersagte. Auch die constitutio criminalis Theresiana von 1768 behandelte im Art.62 den zu Selbsthilfezwecken erfolgten Zusammenschluß gegen "Herren, Vorsteher, Zünfte etc. wegen angeblich erleidender Bedruckungen"5 als halsgerichtliches Verbrechen. Das josephinische Strafgesetzbuch von 1787 schied dann die Koalitionen aus den Tatbeständen des Strafrechtes aus, jedoch wurde schon im Jahre 1803 der Zusammenschluß von Handwerksgesellen zu Arbeitskämpfen erneut unter Strafe gestellt (§ 229 Strafgesetz). In der ersten Hälfte des 19.Jhd. kam es zu einer Reihe von Koalitionsverboten, die aus Furcht vor politischen Gefahren erlassen wurden, welche, so glaubte man, von Zusammenschlüssen der AN und der AG ausgingen. In Österreich waren es zuletzt die §§ 479 - 481 des Strafgesetzes von 1852, die für AN und AG Strafen vorsahen, wenn sie sich im Kampf um Löhne und Arbeitsbedingungen zusammenfanden6. Dabei war auf Arbeitgeberseite jeder beteiligte AG strafbar, während AN sich nur als Rädelsführer strafbar machten7. Mit dem Aufkommen des Liberalismus in Österreich wurde auch zunehmend diese restriktive Position des Staates gegenüber den Koalitionen und den Arbeitskämpfen unhaltbar8. Als Ergebnis dieser politischen Entwicklung enthielt die Verfassung des Jahres 1867 im Art.12 das Grundrecht auf Vereins- und Versammlungsfreiheit. Dieses kam aber insoweit hinsichtlich des Arbeitskampfes nicht zum Tragen, als die 3

Brockhaus Lexikon in 20 Bänden, Band 9, S.172. Hofrescript vom 14.2.1738. 5 Zitiert nach Portmann, Probleme des Koalitionsrechts, S.18. 6 Tomandl, in: Rotondi (Hrsg.), The Strike, S.505. 7 Ausnahmen galten für die Arbeitsverhältnisse, die unter die Gewerbeordnung von 1859 fielen (§§ 77 f der österr. GewO). Danach machten sich sämtliche AN strafbar. 8 Tomandl spricht davon, daß der Liberalismus unter Betonung des Individualrechtes des Arbeiters dem kollektiven Gedanken der Koalition zum rechtlichen Durchbruch verholfen habe; Tomandl, Streik und Aussperrung, S.67. 4

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2. Kap.: Länder ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung

Vereinsbildung sich auf erlaubte Zwecke beziehen mußte. Arbeitskämpfe waren jedoch verboten (§§ 479 - 481 des Strafgesetzes von 1852). Koalitionen waren daher nicht zulässig, wenn sie nicht auf den Arbeitskampf als Gestaltungsmittel verzichteten. Ausgelöst durch eine Massendemonstration am 13.12.1869 von 300 000 AN in Wien, kam es zur Verabschiedung des sog. Koalitionsgesetzes vom 7.7.18709. Im Rahmen dieses Gesetzes erfolgte eine Auflockerung der Strafbestimmungen bezüglich der Arbeitskämpfe. Bis 1919 enthielten allerdings Bestimmungen der Gewerbeordnung noch besondere Strafandrohungen für der Fall der Arbeitseinstellung. Ab diesem Zeitpunkt jedoch galten nur noch die allgemeinen Gesetze10, mit Ausnahmen aber für den Bereich des öffentlichen Dienstes: Im Jahre 1914 erging ein generelles Streikverbot für Beamte11, das bis heute zumindest formal nicht aufgehoben wurde 12. Abgesehen von dieser Aufhebung der Sonderbestimmungen der Gewerbeordnung im Jahre 1919 änderte sich nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie in der Ersten Republik (1919-1938) zunächst rechtlich hinsichtlich des Arbeitskampfes wenig13. Gesetzliche Regelungen ergingen zwar bezüglich der Fragen der Gründung, des Beitritts und der Betätigung von Koalitionen. Der Streik selbst erfuhr aber keine unmittelbare Regelung. Zu erneuten rechtlichen Einschränkungen der Arbeitskampfmöglichkeiten kam es dann im Jahre 1933, als der Nationalrat sich selbst entmachtet hatte, und eine autoritäre Regierung in Form eines Ständestaates errichtet wurde. Durch Verordnungen vom 21.4.193314 erging ein teilweises Streikverbot, das Streiks in Betrieben für unzulässig erklärte, die für das öffentliche Wohl wichtig waren. In allen anderen Betrieben wurden Streiks verboten, die nicht auf die Verbesserung von Arbeitsbedingungen gerichtet waren. (Eine weitere Verordnung untersagte teilweise die Aussperrung 15).

9 10 11 12 13 14 15

Österreichisches RGBl. Nr.43/1870. Tomandl, in: Rotondi (Hrsg.), The Strike, S.507. Streikpatent vom 25.7.1914, österreichisches RGBl. Nr.155/1914. Dazu Walter, ZAS 1966, 65. So Tomandl, in: Rotondi (Hrsg.), The Strike, S.508. Österreichisches BGBl. Nr.138/1933. VO vom 13.6.1933, österreichisches BGBl. Nr.224/1933.

§ 2 Österreich

43

Im Jahre 1934 wurden alle bestehenden Gewerkschaften aufgelöst und Neugründungen verboten16. Es entstand eine öffentlich-rechtliche Einheitsgewerkschaft 17. 1938 marschierten deutsche Truppen in Österreich ein und beendeten die Erste Republik. Im Rahmen des Anschlusses kam es zu einer Geltung des deutschen Rechtes bis zum Jahre 1945. Dies hatte zur Folge, daß vor allem nach § 36 des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit Streiks im Keime erstickt wurden18, da sie der nationalsozialistischen Auffassung von Arbeit widersprachen. Nach dem Ende des Dritten Reiches, der Unabhängigkeit Österreichs und der Gründung der Zweiten Republik, lebten die alten österreichischen Vorschriften wieder auf 19: Die Verfassung wurde entsprechend dem Stand vom 5.3.1933 wieder in Kraft gesetzt20. Der Streik selbst wurde jedoch auch jetzt nicht explizit geregelt. Die Koalitionen sind daher auch heute nur im Rahmen der allgemeinen Vereinsfreiheit geschützt. Es besteht insbesondere kein subjektives Streikrecht 21 der AN. Insgesamt blieb es der Lehre und der Rechtsprechung überlassen, sich mit der rechtlichen Regelung der Arbeitskämpfe zu befassen. Da in Österreich Arbeitskämpfe selten vorkommen22, sind obergerichtliche Entscheidungen23 zu Streiks und Aussperrungen rar. Auch die Lehre beschäftigt sich nicht sehr ausführlich mit dem Arbeitskampfrecht 24.

16

VO vom 2.3.1934, österreichisches BGBl. Nr.132/1934. Diese hatten den Namen "Gewerkschaftsbund der österreichischen Arbeiter und Angestellten". Die Zahl und Intensität der Arbeitskämpfe ging durch die beschriebenen Maßnahmen entscheidend zurück. Zur Statistik siehe Tomandl, Streik und Aussperrung, S.35. 18 Hueck/Nipperdey/Dietz, Kommentar zum Ge- setz zur Ordnung der nationalen Arbeit, S.546. 19 Vgl. dazu Tomandl, in Rotondi (Hrsg.), The Strike, S.508. 20 Art.1 V - ÜG, österreiches StGB Nr.4/ 1945. 21 Dungl, Handbuch des Arbeitsrechts, S.52; Mayer-Maly, BB 1988, 1677 ff.; Tomandl, Streik und Aussperrung, S.103. 22 Vgl. dazu die Statistik unten 2.Kapitel, § 1, C. 23 So hat kein nach 1961 durchgeführter Streik Anlaß zu einer höchstrichterlichen Entscheidung gegeben, Rebhahn, DRdA 1982,130,131. Das zeigt sich beispielsweise daran, daß in einem arbeitsrechtlichen Handbuch weder der Streik noch die Aussperrung erwähnt werden: Mayrhofer, Arbeitsrecht fur die betriebliche Praxis. 17

44

2. Kap.: Länder ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung

Dies beruht vor allem darauf, daß der österreichische Gewerkschaftsbund und die Arbeitgeber offene Konflikte vermeiden und versuchen, zu beiderseitigem Vorteil kontroverse Auffassungen auf dem Verhandlungswege beizulegen. Dieses Verhalten ist unter dem Begriff "Sozialpartnerschaft" bekanntgeworden25. B. Das Streikrecht

Der Streik hat in Österreich weder eine verfassungsmäßige noch eine sonstige gesetzliche Regelung erfahren 26. Die Klärung der auftretenden Rechtsfragen blieb vielmehr der Lehre und der Rechtsprechung überlassen27. In diesem Abschnitt wird zunächst überprüft, ob der in Österreich verwendete Streikbegriff mit dem der Musterdefinition übereinstimmt. Anschließend werden seine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen erörtert. Den Abschluß des Abschnittes Β bildet dann eine Betrachtung der Rechtsfolgen des Streikes.

/. Definition des Streikes Nach der "allgemeinen Streikdefinition" wird der Streik im wesentlichen durch drei Merkmale gekennzeichnet: Es muß sich um eine vollständige Arbeitsniederlegung handeln, die kollektiven Charakter hat, und die der Durchsetzung bestimmter Regelungsziele dient. Da in Österreich keine gesetzliche Normierung des Streikbegriffes besteht28, ist hinsichtlich der Frage, ob der dort verwendete Begriff mit dem der "allgemeinen Streikdefinition" übereinstimmt, die Lehre und die Rechtsprechung heranzuziehen.

25 26 27

Dazu Tomandl, in Rotondi (Hrsg.), The Strike, S.508. Dungl, Handbuch des Arbeitsrechts, S.52. Diese haben sich, wie oben FN. 23, 24 angemerkt, nicht sehr ausführlich mit Streik beschäf-

tig'· Recht umfassend zu der begrifflichen Abgrenzung, Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf, S.35 ff..

§ 2 Österreich

45

1. Vollständige Arbeitsniederlegung Nach der hier verwendeten "allgemeinen Streikdefinition" muß sich die Kampfhandlung in einer vollständigen Arbeitsniederlegung äußern29. Nach dieser Definition müssen folglich alle Kampfhandlungen aus dem Streikbegriff ausgeschieden werden, die keine vollständige Arbeitsniederlegung darstellen. Es ist zu überprüfen, ob auch die österreichische Begriffsbildung eine vollständige Arbeitsniederlegung für notwendig hält30, oder ob sie auch andere Kampfhandlungen der AN als Streik bezeichnet.

a. Bummelstreik Beim Bummelstreik verlangsamen die AN ihr übliches Arbeitstempo, um so die Leistung zu reduzieren und um damit Druck auf den AG auszuüben. Nach der Musterdefinition begründet eine solche Kampfform begrifflich keinen Streik, da das Erfordernis der vollständigen Arbeitsniederlegung nicht erfüllt ist. Auch nach der in Österreich vertretenen h.M. 31 liegt in einem Verhalten der AN, das in einem "Bummeln" besteht, kein Streik. Auch nach dieser Auffassung liegt dies daran, daß es bei einem Bummelstreik an dem konstituierenden Merkmal der Arbeitsniederlegung fehlt. Anderer Ansicht ist jedoch Tomandl32, der den Bummelstreik als Zwischenform zwischen regulärer Arbeit und vollständigem Streik ansieht und ihn begrifflich dem Streik zuordnet.

29

Vgl. dazu oben l.Kapitel, § 2, A. Eine gesetzliche Definition des Begriffes "Streik" besteht nicht. Auch die Rechtsprechung hält sich in Österreich hinsichtlich der Definitionsproblematik zurück. Begriffserklärungen gibt sie nur, wenn diese zur Fallösung unumgänglich sind. Einen Überblick über verschiedene Definitionsvorschläge findet man bei Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf, S.35 ff.. 31 Dungl, Handbuch des Arbeitsrechts, S.528; Mayer-Maly, Arbeitsrecht, S.200; Strasser, Arbeitsrecht, Band II, Kollektives Arbeitsrecht, S.138; Strasser/Reischauer, Der Arbeitskampf, S.43. 32 Tomandl, Streik und Aussperrung, S. 15. 30

46

2. Kap.: Länder ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung

b. Dienst nach Vorschrift Der Dienst nach Vorschrift, der sich auch in Österreich vor allem im öffentlichen Sektor abspielt33, besteht in einer äußerst genauen Einhaltung der jeweiligen Dienstanordnungen. Es ist bezweckt, dadurch die Arbeit in ihrem Tempo und Ergebnis zu reduzieren, so daß die AG zu einem Nachgeben gegenüber den Forderungen der AN gezwungen werden. Der Dienst nach Vorschrift stellt keine vollständige Arbeitsniederlegung dar. Nach der "allgemeinen Streikdefinition" handelt es sich bei einer solchen Aktion begrifflich nicht um einen Streik. In Österreich erfolgt die rechtliche Einordnung parallel zu der des Bummelstreikes34. Während die überwiegende Meinung in der Literatur 35 der Auffassung ist, daß der Dienst nach Vorschrift keine Arbeitsniederlegung und damit auch kein Streik sei, geht Tomandl36 auch hier davon aus, daß es sich bei einem solchen AN-Verhalten begrifflich um einen Streik handele. Er begründet dies - ebenso wie beim Bummelstreik - damit, daß der Dienst nach Vorschrift eine Zwischenform zwischen einem vollständigen Streik und regulärer Arbeit darstelle, die jedoch begrifflich dem Streik zugehörig sei.

c. Intermittierender

Streik

Nach der hier zugrundegelegten "allgemeinen Definition" stellen auch kurze, wiederholt durchgeführte Arbeitsniederlegungen (intermittierende Streiks) begrifflich einen Streik dar. Dies begründet sich daher, daß es für die Kampfhandlung allein darauf ankommt, daß die Arbeit vollständig niedergelegt wurde, nicht jedoch, wie lange diese Niederlegung stattgefunden hat. Demgegenüber sieht eine in Österreich vertretene Meinung37 kurzfristige Arbeitsniederlegungen nicht unbedingt als Streik an, da es bei einer solchen Kampfaktion an der Wirksamkeit der Druckausübung fehle. Fraglich ist, ob solch eine isolierte Betrachtungsweise, die auf jede einzelne Arbeitsniederlegung

33 So kam es beispielsweise im Jahre 1962 bei den österreichischen Zollwachen zu kilometerlangen Staus an den Grenzen, da die Zollwachen alle Vorschriften aufs peinlichste genau einhielten. 34 Vgl. dazu oben 2.Kapitel, § 2, Β, 1,1, a. 35 Siehe die Literaturhinweise bei Fn.31. 36 Tomandl, Streik und Aussperrung, S.15. 37 Tomandl, Streik und Aussperrung, S.16.

§ 2 Österreich

47

abstellt, auch für die intermittierenden Streiks Geltung hat. Bei dieser Kampfform wird gerade ein erhöhter Druck auf die AG-Seite ausgeübt, da diese sich nicht auf einen geregelten Betriebsablauf einstellen können. Insgesamt erscheint die Frage, ob intermittierende Arbeitsniederlegungen begrifflich als Streiks einzuordnen sind, in Österreich wenig erörtert zu sein38. Ob und inwieweit der österreichische Streikbegriff mit dem der Musterdefinition hinsichtlich der intermittierenden Streiks übereinstimmt, ist daher nicht eindeutig zu klären.

2. Kollektiver Charakter Der Streik als Mittel des Arbeitskampfes ist i.S. der "allgemeinen Streikdefinition" eine kollektive Maßnahme. Nach der Musterdefinition 39 müssen daher die Handlungen der AN begrifflich ausgeschieden werden, die lediglich individuell vorgenommen werden. Eine Abgrenzung muß insbesondere gegenüber den Handlungen von Einzelnen und gegenüber Individualkündigungen erfolgen. Probleme können sich auch ergeben gegenüber nicht gewerkschaftsgetragenen Aktionen (wilde Streiks) sowie bei Handlungen weniger AN. Prinzipiell wird auch in Österreich der Streik als kollektive Handlungsform der AN verstanden40. Fraglich ist, ob dieses Verständnis auch zu den gleichen Abgrenzungen führt.

a. Arbeitsniederlegung

eines einzelnen Arbeitnehmers

Nach der allgemeinen Streikdefinition bedeutet die Arbeitsniederlegung eines einzelnen AN's keine Streikhandlung.

38 Die meisten Lehrbücher erwähnen diese Kampfform nicht. Vgl. etwa Mayer-Maly, Arbeitsrecht, S.200 ff.. 39 Zur Musterdefiniton, s.o. l.Kapitel, § 2, Β, II. 40 Bydlinski, ZAS 1966,165,166; Dungl, Handbuch des Arbeitsrechts, S.528; Schwaiz/Löschnigg, Arbeitsrecht, S.548; Strasser, Arbeitsrecht, Band II, kollektives Arbeitsrecht, S.136; Tomandl, Streik und Aussperrung, S.ll f..

48

2. Kap.: Länder ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung

Ebenso wird in Österreich betont, daß ein einzelner AN allein nicht streiken könne41. Begründet wird dies damit, daß nur die in der kollektiven Ausführung enthaltene Planmäßigkeit der Arbeitsniederlegung dazu geeignet sei, den AG unter Druck zu setzen42. Demgegenüber könne ein "Streik" eines einzelnen AN's diese Druckfunktion nicht erfüllen. Bezüglich der Beurteilung des "Streikes" eines einzelnen An's stimmen daher Musterdefinition und österreichischer Streikbegriff überein43.

b. Individualkündigungen Individualkündigungen sind nach dem hier zugrundegelegten "allgemeinen" Begriff des Streikes keine Arbeitskampfhandlungen. Ihnen fehlt das notwendige Moment der kollektiven Verbundenheit. In Österreich wird der Streik als Kampfhandlung ebenso wie bei der Musterdefinition von Individualkündigungen unterschieden44. Dabei ist nach der österreichischen Begriffsbildung zu beachten, daß der Streik selbst durchaus von Kündigungen begleitet sein kann45. Eine Abgrenzung dieser kampfbegleitenden Kündigungen gegenüber schlichten Individualkündigungen erfolgt in Österreich in zweifacher Hinsicht: Zum einen muß eine Kündigung, welche im Rahmen eines Streikes erfolgt, die Offerte zum Ausdruck bringen, daß der AN bei Erreichen des Kampfzieles bereit ist, die Arbeit wieder fortzusetzen 46. Es darf sich somit nicht um eine Kündigung handeln, die eine endgültige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ziel hat, sondern es muß eine Änderungskündigung vorliegen. Zum anderen ist es erforderlich, daß zwischen den einzelnen Kündigungen ein kollektives Band besteht. Dieses muß über die rein numerische Anzahl der Änderungskündigungen mehrerer AN hinausgehen. Entscheidend ist in dieser Hinsicht der Wille der AN 4 7 . 41

Tomandl, Streik und Aussperrung, S.12. Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht, S.548. Die Arbeitseinstellung eines einzelnen AN's ist nach österreichischem Recht nicht nur begrifflich kein Streik, sondern auch in aller Regel kollektiwertraglich und einzelvertraglich rechtswidrig; Dungl, Handbuch des Arbeitsrechts, S.88; Mayer-Maly, Arbeitsrecht, S.89; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht, S.175. 44 Strasser, Arbeitsrecht, Band II, Kollektives Arbeitsrecht, S.140. 45 Die Frage nach der Kündigung hat jedoch nach der herrschenden österreichischen Lehre Bedeutung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verhaltens der AN in (einzel-) arbeitsvertraglicher Hinsicht. Dazu siehe unten 2.Kapitel, § 2, B, III. Vgl. auch Bydinski, ZAS 1966,165, 167; Strasser, Arbeitsrecht, Band II, Kollektives Arbeitsrecht, S.140. 46 Strasser, Arbeitsrecht, Band II, Kollektives Arbeitsrecht, S.140. 47 Tomandl, Streik und Aussperrung, S.3 ff.. 42 43

§ 2 Österreich

49

c. Streik einer Minderheit von Arbeitnehmern Die Arbeitsniederlegung einer Minderheit von AN ist nach der Musterdefinition begrifflich ein Streik, da es nach ihr für den notwendigen kollektiven Charakter der Arbeitsniederlegung nicht auf die Anzahl der Streikenden ankommt, wenn es nur mehrere sind. Auch in Österreich wird es nicht als begriffswesentlich angesehen, daß der Streik von einer Mehrheit von AN getragen wird 48 . Die Begriffe sind daher insoweit deckungsgleich. itel, § 3, Β, ΠΙ, 2, a, cc. Mengoni, Streik und Aussperrung nach italienischem Recht, S.302. 172 Ghezzi/Romagnoli, Il diritto sindicale, S. 155.

§ 3 Italien

225

durchführen. Für den Fall, daß sich ein friedenspflichtwidriger Streik abzeichnet, haben die Gewerkschaften eine Einwirkungspflicht 173 auf ihre Mitglieder. Sie müssen alles ihnen verbandsrechtlich Mögliche veranlassen, um den Ausbruch des Streikes zu verhindern. Unterlassen sie dies, dann machen sie sich schadensersatzpflichtig.

2. Rechtsfolgen auf individualrechtlicher Ebene a. Auswirkungen des Streikes auf die streikenden Arbeitnehmer Von besonderer praktischer Bedeutung ist in Italien die Antwort auf die Frage, wie sich die Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik auf den einzelnen streikenden AN und sein Arbeitsverhältnis auswirkt 174. Die praktische Relevanz ergibt sich vor allem daraus, daß sich der Streik in Italien nach h.M. auch ohne Gewerkschaftsbeteiligung (also als sog. wilder Streik) in rechtmäßiger Form vollziehen kann175. Grundlage der Beurteilung ist Art.40 der Verfassung, der dem AN ein Streikrecht gewährt 176. Diese Rechtsgewährung wird in Italien allgemein177 so ausgelegt, daß dem AN wegen seiner Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik keinerlei Nachteile entstehen dürfen. Dieser Grundsatz ist auch Ausgangspunkt für die Beantwortung von Einzelfragen, wobei im folgenden der Entgeltanspruch der streikenden AN, der Bestand des Arbeitsverhältnisses sowie die Frage der Schadensersatzpflicht der AN dargestellt werden sollen.

173 174 175 176

B,I,2,c.

Pera, Diritto del lavoro, S.222; Santoro-Passarelli, Mass. giur. lav. 1971,374,375. So auch Leistner, Der Streik im öffentlichen Dienst Italiens, S.165. Dazu im einzelnen oben, 3.Kapitel, § 3, Β, 1,2, c. Im einzelnen ist die Einordnung des Streikrechtes umstritten; vgl. dazu oben, 3.Kapitel, § 3,

177 Siehe nur Di Cerbo, Sciopero e serrata, S.28; Giugni, Diritto sindicale, S.213,217; Malagugini, WSI-Mitteilungen 1987,346; Pera, Diritto del lavoro, S.236 f.; Riva-Sanseverino, Diritto sindicale, S.413 ff., Santoro-Passarelli, Nozioni di diritto del lavoro, S.62 ff.. 15 Bohr

226

3.Kap.: Länder mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung

aa. Der Bestand des Arbeitsvertrages Die rechtmäßige Ausübung des Streikrechtes führt in Italien zu einer Suspendierung der Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages und nicht zu einer Auflösung desselben178. Dabei handelt es sich um einen Fall des relativen Ruhens, da nicht das gesamte Arbeitsverhältnis betroffen wird 179 . Zwar entfallen die Hauptleistungspflichten der jeweiligen Kampfparteien; die sonstigen arbeitsvertraglichen Pflichten haben jedoch weiterhin Bestand. Aus diesem Grunde sind die AN auch im Falle eines rechtmäßigen Streikes verpflichtet, die Treuepflicht zu wahren, Wettbewerbsverbote einzuhalten, Betriebsgeheimnisse zu wahren sowie Notstandsarbeiten durchzuführen 180. Die Suspendierung des Arbeitsvertrages als Folge der Regelung des Art.40 der italienischen Verfassung bewirkt weiterhin, daß die Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik keine Nichterfüllung des Arbeitsvertrages durch die streikenden AN ist 181 . Der AG kann daher auch nicht gegen den rechtmäßig streikenden AN disziplinarisch vorgehen182. Insbesondere ist eine Entlassung bzw. Kündigung eines AN's wegen einer Beteiligung an einem rechtmäßigen Streik wegen Rechtswidrigkeit des Entlassungsgrundes nichtig 183 . Wirkungen hat der Suspensiveffekt des legalen Streiks auch auf das Kündigungsrecht des AG's allgemein. Eine ordentliche Kündigung kann während eines Streikes nicht wirksam erklärt werden. Dagegen berührt der Suspensiveffekt das Recht zur außerordentlichen Kündigung (wegen eines anderen Grundes als des Streikes) nicht 184 . Die Beschränkung der suspendierenden Wirkung des Streikes auf die Hauptleistungspflichten hat weiterhin zur Folge, daß jene Vertragsbestimmungen, die nur das Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraussetzen, weiterhin Geltung behalten185.

178 Allgemeine Ansicht, vgl. nur Di Cerbo, Sciopero e serrata, S.40 ff.; Horion, Zusammenfassender Bericht, S.50 f; corte cass. 5.1.1980, nQ 43, Dir. lav. 1980, II, 188. Dies ist Folge der Interpretation des Art.40 der italienischen Verfassung. 179 Ardau, Manuale di diritto del lavoro, S.615. Zu den speziellen Auswirkungen auf die Lohnzahlungspflicht des AG's unten, 3.Kapitel, § 3, B, III, 2, a, bb. 180 Riva-Sanseverino, Diritto sindicale, S.413 ff.. 181 Di Cerbo, Sciopero e serrata, S.37 ff.; Riva-Sanseve-rino, Diritto sindicale, S.413 ff.. 182 Malagugini, WSI-Mitteilungen 1987,236. 183 Mengoni, Streik und Aussperrung nach italienischem Recht, S.288; Riva-Sanseverino, Diritto sindicale, S.417 f.; dies., in: Jura Europae, 40.60.8 f.. 184 Ausführlich zu diesem Problemkreis mit Darstellung von Einzelfragen: Heumann, Streik und Aussperrung im italienischen Recht, S.186 f.. Riva-Sanseverino, Diritto sindicale, S.416 f..

§ 3 Italien

227

Zusammenfassend läßt sich daher feststellen, daß das Arbeitsverhältnis in seinem Bestand selbst nicht betroffen ist; lediglich die Hauptleistungspflichten werden suspendiert.

bb. Der Entgeltanspruch der streikenden Arbeitnehmer Die Einordnung des legalen Streikes als Auslöser einer suspendierenden Wirkung auf die Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages führt auch zur Beantwortung der Frage, ob der streikende AN Lohn beanspruchen kann, obwohl er nicht arbeitet. Während früher teilweise vertreten wurde, daß der streikende AN gleichwohl einen Lohnanspruch habe, ist man sich heute darüber einig, daß ein solcher Lohnanspruch nicht besteht186. Neben dem eigentlichen Arbeitsentgelt werden außerdem Ergänzungszahlungen, die einer echten - arbeitsabhängigen - Vergütung gleichkommen (z.B. Weihnachtsgratifikation, Teuerungszulagen) für die Dauer des Streikes nicht geschuldet187. Daneben bestimmt Gesetz Nr.90 vom 31.3.1954, daß für die Wochenfeiertage, die mit einem Streiktag zusammenfallen, kein Vergütungsanspruch entsteht188. Dies folgt daraus, daß die für die Feiertage vorgesehene Zahlung nur dann zu leisten ist, wenn das Ruhen der Arbeit vom Willen des AN's unabhängig ist. Dies ist jedoch gerade bei einem Streik nicht der Fall.

cc. Schadensersatzpflicht der streikenden Arbeitnehmer Nach Art.40 der italienischen Verfassung liegt in der Durchführung eines Streikes die Ausübung eines Rechtes durch die AN. Dies hat zur Folge, daß Schäden, die mit einem in rechtmäßiger Weise durchgeführten Streik zusammenhängen, keine Schadensersatzverpflichtung der beteiligten AN nach sich ziehen. Dies gilt nicht nur für den entgangenen Gewinn des betroffenen AG's, sondern auch für Schäden, die direkt durch die Arbeitsniederlegung bewirkt wurden, wie etwa das Verderben von Rohstoffen 189. 186 Ausführlich zu diesem Problemkreis auch mit Nachweisen der älteren Literatur: Riva-Sanseverino, Diritto sindicale, S.414. 187 Garofalo, Sciopero e serrata: effeti sulla retribzione, S.481 ff.; Giugni, Diritto sindicale, S.223; a.A. ist allerdings eine Mindermeinung innerhalb der Instanzgerichte, z.B. prêt Milano 16.3.1988, Orient, giur. lav. 1988,737. 188 Riva-Sanseverino, in: Jura Europae, 40.60.9. 189 Mengoni, Streik und Aussperrung nach italienischem Recht, S.294.

228

3.Kap.: Länder mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung

Eine Haftung der AN bei legalen Streiks kann sich jedoch aus rechtswidrigen Begleitmaßnahmen ergeben, die während eines - ansonsten - rechtmäßigen Arbeitskampfes erfolgen. Handlungen, die für das Niederlegen der Arbeit nicht notwendig sind, werden nach allgemeinen Grundsätzen behandelt. Insbesondere folgt nicht aus der verfassungsrechtlichen Anerkennung des Streikrechtes, daß weitergehende deliktische Aktivitäten der AN durch dieses Recht gedeckt sind 190 . Von besonderer - auch praktischer - Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die rechtliche Beurteilung der Aktivitäten von Streikposten191. Dabei geht es um die Abgrenzung von strafrechtlich zulässiger Überzeugungsarbeit zu unzulässiger Nötigung (Art.610 codice penale)192. Im allgemeinen wird differenziert zwischen Aktivitäten der Streikposten, die nicht gewalttätig sind (picchettagio non violento), und solchen, die sich gewalttätig manifestieren (picchettagio violento), wobei erstere als zulässig, letztere jedoch als unzulässig erachtet werden 193. Damit sind Informations- und Propagandahandlungen der Streikposten rechtmäßig, während Gewaltanwendungen oder Drohungen von ihnen nicht ausgehen dürfen 194.

b. Auswirkungen auf die nichtStreikenden

Arbeitnehmer

Die Frage, wie sich Streiks auf nichtStreikende AN auswirken, insbesondere ob der AG den nichtStreikenden AN den Lohn vorenthalten kann, ist wohl der zur Zeit praktisch bedeutungsvollste Teilaspekt des italienischen Arbeitskampfrechtes 195.

190

Di Cerbo, Sciopero e serrata, S.57. In Italien als "picchetto" von englisch: "strike-picket" bezeichnet. 192 Pera, Diritto del lavoro, S.234 bezeichnet diese Problematik als alte Streitfrage. Ausführlich dazu Vidiri, Dir. lav. 1986,307ff.; siehe auch Abele, Grundzüge des italienischen Arbeitskampfrechtes, S.172 193 Zu dieser Unterscheidung: Di Cerbo, Sciopero e serrata, S.58 f. m.w.N.; prêt. Lodi 10.12.1984, Orient, giur. lav. 1985,1; prêt Cassano d'Adda 24.3.1985, Orient, giur. lav. 1985,683. 194 Di Cerbo, Sciopero e serrata, S.58 f., Problematisch ist jedoch die Einordnung des sog. mittelbaren Druckes, wie etwa das Notieren der Namen der nichtStreikenden AN oder das Aufnehmen von Photos dieser AN. Dazu Pera, Diritto del lavoro, S.234 f.. 195 Dies betont zu Recht Abele, Grundzüge des italienischen Arbeitskampfrechtes, S.169 f.. 191

§ 3 Italien

229

Die Problematik ergibt sich vor allem daraus, daß der Streikausübung - insbesondere durch die Judikative - nur recht weite Grenzen gesetzt werden 196, als auch daraus, daß in der italienischen Arbeitskampfwirklichkeit häufig Streiks mit erheblichen tatsächlichen Auswirkungen auf die Arbeit der nicht unmittelbar am Streik beteiligten AN vorkommen 197. Grundsätzlich wirkt sich die Suspendierung der Vergütungspflicht des AG's nur bei den unmittelbar streikbeteiligten AN aus. Den anderen AN bleibt der AG daher in der Regel weiterhin zur Lohnfortzahlung verpflichtet 198. Eine andere Beurteilung kann sich jedoch nach der Rechtsprechung in Ausnahmefällen ergeben. Der Kassationsgerichtshof 199 geht davon aus, daß auch gegenüber nichtstreikenden AN die Lohnzahlungspflicht dann entfällt, wenn dem AG die Nutzung der angebotenen Arbeitsleistung durch den Streik "unmöglich" ist (Art.1256 des italienischen Zivilgesetzbuches). Problematisch ist in diesem Zusammenhang die genaue inhaltliche Bestimmung des Begriffes der "Unmöglichkeit". Einig ist man sich lediglich darüber, daß die "Unmöglichkeit" in diesem Sinne nicht nur eine nicht optimale oder eingeschränkte Verwertbarkeit der angebotenen Arbeitsleistung bedeutet, sondern daß die Arbeitsleistung für den AG nutzlos sein muß 200 .

196 Vor allem die jüngere Rechtsprechung verneint interne Streikgrenzen; vgl. dazu oben, 3.Kapitel, § 3, Β, II, 1. Abele, Grundzüge des italienischen Arbeitskampfrechtes, S.169. Solche Auswirkungen haben vor allem Schachbrettstreiks, Schluckaufstreiks, sowie wiederholte kurzfristige Streiks. Der tiefere Grund dieser Streikformen beruht vor allem darauf, daß die italienischen Gewerkschaften regelmäßig keine Streikkasse haben. 198 Dies gilt auch dann, wenn der AG die ihm angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt, da er dann in Annahmeverzug gerät. 199 Dabei werden Schluckaufstreiks, Schachbrettstreiks und wiederholte kurzfristige Streiks einheitlich behandelt: Corte cass. 27.7.1983, nQ 5167, Orient, giur. lav. 1984, 667; corte cass. 7.2.1986, n o 61, Orient, giur. lav. 1986, 13; corte cass? 7.2.1987, n o 1331, Orient, giur. lav. 1987, 5; corte cass. 11.1.1988, n o 84, Riv. it. dir. lav. 1988, II, 375. Dazu°auch Malagugini, WSI-Mitteilungen 1987, S.236,238. ° 200 Vgl. zur Analyse der Rechtsprechung Abele, Grundzüge des italienischen Arbeitskampfrechtes, S.ll, FN.54.

230

3.Kap.: Länder mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung

Über die Anforderungen, die an diese Nutzlosigkeit im einzelnen gestellt werde, herrscht jedoch Streit 201. Im wesentlichen geht es dabei um die Frage, ob wirtschaftliche Überlegungen des AG's in den Begriff der Nutzlosigkeit eingehen können202. Weitere Voraussetzungen für den Entfall der Lohnzahlungspflicht ist, daß der AG die nichtStreikenden AN von der Arbeitsverpflichtung befreit 203. Behält er sich dagegen die Nutzung der angebotenen Arbeitskraft vor, so bleibt er zur Zahlung des Lohnes verpflichtet 204. Die Beweislast für die entsprechenden Tatsachen trägt der AG 2 0 5 , so daß es ihm obliegt, die Unmöglichkeit und die Freistellung von der Arbeitsverpflichtung nachzuweisen.

c. Auswirkungen des Streikes auf Dritte Die Frage, ob und welche Auswirkungen ein Streik auf die Rechtsbeziehungen des AG's zu Dritten hat, wird in Italien schon seit langer Zeit kontrovers diskutiert 206 . Dabei wird die Problematik überwiegend nicht als spezifisch arbeitsrechtliche angesehen, sondern die Lösung durch Rechtsfiguren des allgemeinen Schuldrechtes gesucht207.

201

Die einzelnen Tendenzen in der Rechtsprechung faßt Malagugini, WSI-Mitteilungen 1987, 236, 238 f. zusammen. 202 Bejahend etwa corte cass. 13.3.1983, n o 3290, Orient, giur. lav. 1983, 1074; corte cass. 7.2.1987, n o 1331, Orient, giur. lav. 1987, 5; corte cass. 11.1.1988, n o 84, Riv. it. dir. lav. 1988, II. 375. Ablehnend dagegen corte cass. 13.1.1988, nQ 150, Orient, giur. lav. 1988,13. 203 Abele, Grundzüge des italienischen Arbeitskampfrechtes, S.170 f.. 204 Corte cass. 12.3.1987, n o 2606, Orient, giur. lav. 1987,315. 205 Vallebona, L'onera della prova nel diritto del lavoro, S.115 f.; corte cass. 1.12.1986, n o 7092, Riv. it. dir. lav. 1987, II, 463; corte cass. 11.1.1988, nQ 84, Riv. it. dir. lav. 1988, II, 375. In besonders gelagerten Einzelfallen kann jedoch die Beweislast bei den AN liegen, vgl. etwa corte cass. 13.12.1982, n o 6850, Orient, giur. lav. 1983,16. 206 Mengoni, Streik und Aussperrung nach italienischem Recht, S.295; Pera, Diritto del lavoro, 2.Auflage, S.327; Smuraglia, Gli effeti dello sciopero e della serrata sulle obbligazioni dell'imprenditore verso i terzi, S.l ff.. Die Rechtsprechung ist allerdings selten mit der Frage der Auswirkungen des Streikes auf Dritte konfrontiert worden. Hypothesen, warum dies so ist, finden sich bei Heumann, Streik und Aussperrung im italienischen Recht, S.189. Beispiele aus der Rechtsprechung bieten jedoch corte cass. 18.12.1952, Foro it 1953, 1, Sp.500; corte cass. 27.5.1955 n o 1642, Rep. Foro it 1955 "Vendita" nQ 347. 207 Pera, Diritto del lavoro, 2. Auflage, S.327; anders jedoch wohl Di Cerbo, Sciopero e serrata, S.52 ff.; Smuraglia, Gli effeti dello sciopero e della serrata sulle obbligazioni dell' imprenditore verso i terzi, S.3 56 ff..

§ 3 Italien

231

Ausgangspunkt der rechtlichen Erörterungen ist, daß der Streik i.S.v. Art.40 der italienischen Verfassung im Grundsatz nur zwischen streikenden AN und den bestreikten AG Wirkungen entfaltet. Damit ist der AG trotz eines Streikes zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten gegenüber Dritten verpflichtet. Im Einzelfall werden jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz anerkannt. Über diese Ausnahmen besteht allerdings keine Einigkeit. Die italienische Rechtswissenschaft hat im wesentlichen vier verschiedene Theorien entwickelt208. Nach der ersten Auffassung 209 ist die Problemlösung über Art.1467 des ital. Zivilgesetzbuches zu gestalten. Diese Norm bestimmt, daß für Wiederkehr- und Dauerschuldverhältnisse eine Auflösung verlangt werden kann, wenn dem Schuldner die Erfüllung unzumutbar geworden ist. Die Voraussetzungen des Art.1467 des ital. Zivilgesetzbuches dürften bei einem Streik jedoch nur in den seltensten Fällen erfüllt sein, da die Vorschrift weiterhin verlangt, daß das Ergebnis, welches zur Unzumutbarkeit geführt hat, unvorhersehbar war 210 . Aufgrund der tatsächlichen Arbeitskampfsituation ist in Italien ein Streik in der Regel nicht unvorhersehbar i.S.v. Art.1467 des ital. Zivilgesetzbuches. Eine zweite Literaturmeinung sucht die Lösung über die nachträgliche unverschuldete Unmöglichkeit211. Rechtliche Anknüpfungspunkte sind dabei die Art.1218,1256 des ital. Zivilgesetzbuches212. Die Problematik liegt hier im wesentlichen in der Bestimmung des Begriffsinhaltes der Unmöglichkeit und des Verschuldens. Lediglich von einer Minderheit 213 wird in Bezug auf die Drittwirkung des Streikes die Unmöglichkeit im strengen Wortsinne als "Notwendigkeit des Nichteintritts" 214 verstanden. Über-

208

Vgl. Heumann, Streik und Aussperrung im italienischen Recht, S.190. Diese wird auch als Theorie der "eccessiva onerosità" bezeichnet, vgl. dazu Smuraglia, Gli effeti dello sciopere e della serrata sulle obbligazioni dell' imprenditore verso i terzi, S. 21 ff., der diese Auffassung auch einer ausführlichen Kritik unterzieht und sie im Ergebnis ablehnt. 210 Heumann, Streik und Aussperrung im italienischen Recht, S.192; Smuraglia, Gli effeti dello sciopero e della serrata sulle obbligazioni dell' imprenditore verso i terzi, S.22. 211 Als Theorie der "impossibilità sopravvenuta" bezeichnet. 212 Smuraglia, Gli effeti dello sciopero e della serrata sulle obbligazioni dell' imprenditore verso i terzi, S.26. 213 Dazu Pera, Diritto del lavoro, 2.Auflage, S.327, der diese Mindermeinung aber selbst ablehnt. 214 Vgl. dazu Mengoni, Streik und Aussperrung nach italienischem Recht, S.296. 209

232

3.Kap.: Länder mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung

wiegend sehen die Anhänger 215 dieser Theorie den Unmöglichkeitsbegriff der Art.1218,1256 des ital. Zivilgesetzbuches als weiter gefaßt an. Dabei ergibt sich jedoch die Schwierigkeit, ab welchem Grade von streikbedingten Behinderungen eine Unmöglichkeit angenommen wird. Die zweite Schwierigkeit, die sich für diese Theorie ergibt, ist die Frage der Bestimmung des Verschuldens. In der Regel muß der Unternehmer dafür Vorsorge treffen, daß er die eingegangenen Verbindlichkeiten erfüllen kann 216 . Dabei muß er auch damit rechnen, daß ein Streik geführt wird. Lediglich bei Streiks, deren Abwendung nicht in der Macht des Unternehmers steht (etwa weil keine unmittelbaren Forderungen an ihn gerichtet werden), kann daher ein Verschulden des AG's entfallen 217. In diesem Zusammenhang ist vor allem an Solidaritätsstreiks und politische Streiks zu denken218. Nach dieser Theorie dürfte es nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen zu einer Befreiung des Unternehmers von seinen Verbindlichkeiten kommen. Nach einer weiteren, dritten Meinung entfällt die Verbindlichkeit des Unternehmers gegenüber dem Kunden und Lieferanten nie. Begründet wird dies damit, daß die AN Hilfskräfte des AG's seien, für deren Verhalten er nach Art.1228 des ital. Zivilgesetzbuches verantwortlich sei 219 . Die Schwierigkeit dieser Theorie liegt darin, daß nach Art.1228 des ital. Zivilgesetzbuches eine konkrete Weisungsabhängigkeit des AN's bestehen muß. Von einer solchen wird man jedoch bei einem Streik nicht sprechen können220. Um den Schwierigkeiten auszuweichen, die sich durch die Anwendung positivrechtlicher Vorschriften auf die Frage der Verantwortlichkeit des Unternehmers gegenüber Dritten ergeben, wurde in Italien eine sog. Betriebsrisikolehre 221 entwickelt. 215 Mengoni, Streik und Aussperrung nach italienischem Recht, S.296 f.; Pera, Diritto del lavoro, 2.Auflage, S.327; Smuraglia, Gli effeti dello sciopero e della serrata sulle obbligazioni dell' imprenditore verso i terzi, S.28 ff.. 216 Pera, Diritto del lavoro, 2.Auflage, S.327. 217 Pera, Diritto del lavoro, 2.Auflage, S.327. Smuraglia, Gli effeti dello sciopero e della serrata sulle obbligazioni dell' imprenditore verso i terzi, S.32 f.. 218 Pera, Diritto del lavoro, 2.Auflage, S.327. 219 Smuraglia, Gli effeti dello sciopero e della serrata sulle obbligazioni dell' imprenditore verso i terzi, S.44 ff.. Diese Rechtsfigur entspricht der des Erfüllungsgehilfen im deutschen Recht nach § 278 Satz 1 BGB. Zu der Frage, ob der AN Erfüllungsgehilfe i.S.v. § 278 Satz 1 BGB ist, vgl. vor allem Esser, JZ 1963,489 ff.. 220 Dazu Heumann, Streik und Aussperrung im italienischen Recht, S.195; Mengoni, Streik und Aussperrung im italienischen Recht, S.295 ff.. Auf italienisch "risico d'impresa". Dazu ausführlich Smuraglia, Gli effeti dello sciopero e della serrata sulle obbligazioni dell' imprenditore verso i terzi, S.56 ff.. Siehe auch Di Cerbo, Sciopero e serrata, S.53.

§ 3 Italien

233

Diese geht davon aus, daß ein Streik zu den gewöhnlichen Risiken des Unternehmers gehöre. Aus einer Abwägung der Schutzwürdigkeit ergebe sich, daß der AG nicht die Risiken auf den Dritten, dem er sich vertraglich verpflichtet hat, überwälzen könne222. Im Ergebnis zeigt sich, daß in Italien nach allen vertretenen Theorien eine Befreiung des Unternehmens von seinen Verbindlichkeiten gegenüber Dritten entweder gar nicht oder nur unter sehr engen und praktisch kaum vorliegenden Voraussetzungen angenommen wird 223 .

ti Auswirkungen auf das Sozialrecht Die Rechtsfolgen des Streikes erstrecken sich regelmäßig nicht auf das Sozialrecht. Der Arbeitskampf hat daher grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Sozialfürsorgelasten und -pflichten 224. Ausnahmen bestehen jedoch in der Unfallversicherung 225.

C. Statistischer Überblick

Den Abschluß des Länderberichtes über den Streik in Italien bildet ein statistischer Überblick, der einen Eindruck über das tatsächliche Streikgeschehen und über die Beeinträchtigung der italienischen Wirtschaft durch Streiks vermitteln soll. Bei den statistischen Erhebungen wird nicht zwischen Aussperrungen und Streiks unterschieden. Es werden vielmehr lediglich allgemein die Arbeitskämpfe registriert. Ebenso wie in den drei bislang beschriebenen Staaten (Österreich, Belgien, Frankreich) ist jedoch die Anzahl der Arbeitskämpfe repräsentativ für das Streikgeschehen in Italien, was vor allem daran liegt, daß Aussperrungen im italienischen Recht grundsätzlich rechtswidrig sind 226 .

222 So vor allem Smuraglia, Gli effeti dello sciopero e della serrata sulle obbligazioni dell' imprenditore verso i terzi, S.196. 223 Zu Möglichkeiten der Risikobegrenzung durch den Unternehmer, Di Ceibo, Sciopero e serrata, S.53; Smuraglia, Gli effeti dello sciopero e della serrata sulle obbligazioni dell' imprenditore verso i terzi, S.79 ff.. 224 Riva-Sanseverino, in: Jura Europae, 40.60.9. 225 Zum Sozialrecht vgl. etwa Rossi, La previdenza sociale, zur Unfallversicherung insbesondere S.137 ff.. 226 Dazu Birk, ZfA 1979,231, 254 ff..

234

3.Kap.: Länder mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung

L Arbeitskämpfe

insgesamt, beteiligte Arbeitnehmer und verlorene Arbeitstage

Aus Tabelle 1 ergibt sich ein Überblick über die Gesamtzahl der Arbeitskämpfe, der beteiligten AN, der durch Arbeitskämpfe verlorenen Arbeitstage, sowie die Anzahl der beschäftigten Erwerbspersonen. Es zeigt sich, daß in Italien Streiks eine häufige Erscheinung des Arbeitsgeschehens sind. Die Anzahl der registrierten Arbeitskämpfe schwankte im betrachteten Zeitraum (1968-1987) zwischen 5598 im Jahre 1971 als Höchststand und 1149 im Jahre 1987 als niedrigstem Wert. Die Anzahl der kampfbeteiligten AN erreichte im Jahre 1979 den höchsten Wert mit 16 235 777 AN, den niedrigsten im Jahre 1986 mit 3 606 700 kampfbeteiligten AN. Noch stärker als die Anzahl der kampfbeteiligten AN und die der registrierten Arbeitskämpfe schwankten in Italien zwischen 1968 und 1987 die durch Arbeitskämpfe verlorenen Arbeitstage. Die Extremwerte lagen dort bei 37 824 573 Arbeitstagen im Jahre 1969 und 3 830 000 im Jahre 1985. In der zeitlichen Entwicklung lassen sich in Italien verschiedene Tendenzen erkennen. So kann man mit einiger Vorsicht feststellen, daß die Anzahl der Streiks insgesamt zurückgegangen ist, ebenso wie die Anzahl der kampfbeteiligten AN, wobei diese Größe jedoch erhebliche jährliche Unterschiede aufweist, und Ausreißer aus der generellen Tendenz (etwa 1982) bestehen. Im großen und ganzen rückläufig ist im Zeitablauf zwischen 1968 und 1987 auch die Anzahl der verlorenen Arbeitstage. Zusammenfassend läßt sich im Ergebnis festhalten, daß - rein numerisch gesehen - die Bedeutung der Arbeitskämpfe zwischen den Jahren 1968 und 1987 abgenommen hat.

§ 3 Italien

235

Tabelle l 227: Arbeitskämpfe insgesamt, beteiligte AN, verlorene Arbeitstage, beschäftigte Erwerbspersonen

Jahr

Anzahl der Fälle

Beteiligte AN

Verlorene Arbeitstage

Beschäftigte Erwerbspersonen [in 1000]

1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987

3377 3788 4162 5598 4765 3769 5174 3601 2706 2308 2479 2000 2238 2204 1747 1565 1816 1341 1469 1469

4 862 201 7 506 983 3 721 919 3 891 253 4405 251 6132 747 7 824 397 14 109 732 11897 819 13 802 955 8 774193 16 235 777 13 824 641 8 226 626 10 483 018 6 844 754 7356 525 4 842 800 3 606 700 4272 700

9239 793 37 824573 20 887 459 14 798589 19 497143 23 419 286 19 466 714 27 189 142 25 377 571 16 566 143 10177000 27 530429 16 457286 10 527286 18 562 857 14 003 000 8703 300 3 830 000 5 643 700 4605 700

14169 13 980 14 062 14014 13 700 13 869 14377 14 492 14 635 14 840 14 935 15153 14 856 14 924 14 912 14 811 14 734 14 829 14 943 14 923

227

Quellen: Institute centrale di statistica (Hrsg.), Annuario statistico italiano, laufende Jahrgän-

ge; International Labour Office (Hrsg.), Year Book of Labour Statistics, laufende Jahrgänge; Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Länderbericht Italien 1987; Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistik des Auslandes, Reihe 1.3., Streiks und Aussperrungen im Ausland, laufende Jahrgänge; Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Vierteljahreshefte zur Auslandsstatistik, laufende Jahrgänge; 1969 bis 1974 ohne politische Streiks. Für 1988 bis 1990 sind (noch) keine Werte verfügbar.

236

3.Kap.: Länder mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung

IL Anzahl der verlorenen Arbeitstage pro kampfbeteiligtem Arbeitnehmer Tabelle 2 2 2 8 : Anzahl der verlorenen Arbeitstage pro kampfbeteiligtem AN

Jahr

Beteiligte AN

Verlorene Arbeitstage

Verlorene Arbeitstage

1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987

4 862 201 7 506 938 3 712 919 3 891 253 4405 251 6132 747 7 824 397 14 109 732 11 897 819 13 802 955 8 774 193 16 235 777 13 824 641 8 226 626 10 483 018 6 844 754 7 356 525 4 842 800 3 606 700 4272 700

9 239 793 37 825 573 20 887 459 14 798 589 19 497143 23 419 286 19 466 714 27 189 142 25 377 571 16 566 143 10177 000 27 530429 16 457 286 10527 286 18 562 857 14 003 000 8 703 300 3 830 000 5 643 700 4 605 700

1,90 5,04 5,61 3,80 4,43 3,81 2,49 1,93 2,13 1,20 1,16 1,70 1,19 1,28 1,77 2,05 1,18 0,79 1,57 1,08

228

Quellen: Institute centrale di statistica (Hrsg.)» Annuario statistico italiano, laufende Jahrgän-

ge; International Labour Office (Hrsg.), Year Book of Labour Statistics, laufende Jahrgänge; Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Iiindeibericht Italien 1987; Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistik des Auslandes, Reihe 1.3., Streiks und Aussperrungen im Ausland, laufende Jahrgänge; Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Vierteljahreshefte zur Auslandsstatistik, laufende Jahrgänge; 1969 bis 1974 ohne politische Streiks. Für 1988 bis 1990 sind (noch) keine Werte verfügbar.

§ 3 Italien

237

Tabelle 2 bildet die Anzahl sowie die zeitliche Entwicklung der arbeitskampfbedingt verlorenen Arbeitstage pro kampfbeteiligtem AN ab. Diese Größe ist ein Maß für die durchschnittliche Intensität, mit der ein jeweils ausgebrochener Streik geführt wird (Streikintensität)229. Die Streikintensität liegt in Italien relativ niedrig und erreichte ihren niedrigsten Stand im Jahre 1985 mit einem Wert von 0,79 Arbeitstagen pro AN und ihren Höchststand im Jahre 1970 wo die Streikintensität bei 5,61 verlorenen Arbeitstagen pro kampfbeteiligtem AN lag. Dabei war 1985 das einzige Jahr, in dem die durchschnittliche Kampfdauer 1 Arbeitstag pro beteiligten An unterschritten hat. In allen übrigen Jahren erreichte sie einen Wert, der größer war als 1.

Dennoch ist die Streikintensität in Italien sehr niedrig, wenn man sie etwa mit den Werten des anderen beschriebenen Landes mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung des Streikrechtes (Frankreich) vergleicht 230. In der zeitlichen Entwicklung läßt sich für die Streikintensität keine eindeutige Tendenz erkennen.

III. Anzahl der verlorenen Arbeitstage pro beschäftigter Erwerbsperson In Tabelle 3 wird die Anzahl und die zeitliche Entwicklung der verlorenen Arbeitstage pro beschäftigter Erwerbsperson (Streikbetroffenheit) 231 sichtbar. Mit dieser Größe wird ein quantitatives Maß für die relative Belastung der Wirtschaft Italiens durch Streiks gegeben. Die Streikbetroffenheit lag in den Jahren 1968 bis 1987 zwischen 2,706 verlorenen Arbeitstagen pro beschäftigter Erwerbsperson im Jahre 1969 (Höchststand) und 0,258 verlorenen Arbeitstagen pro beschäftigter Erwerbsperson im Jahre 1985 (Tiefetstand). Diese numerischen Werte der relativen nationalen Streikbetroffenheit lassen zweierlei erkenne. Zum einen zeigt sich aus der recht großen Differenz der beiden Werte, daß die italienische Wirtschaft in sehr unterschiedlichem Maße im betrachteten Zeitraum durch Streiks beeinträchtigt worden ist. Zum anderen läßt sich erkennen, daß in Italien insgesamt eine hohe Selbstbetroffenheit vorliegt. 229

Zum Begriff der Streikintensität und zu der Aussagekraft dieser Größe vgl. oben, 2.Kapitel, §

2,C,I.

230

Vgl. oben, 3.Kapitel, § 2, C, II. Zum Begriff der Streikbetroffenheit und zu der Aussagekraft dieser Größe vgl. oben, 2. Kapitel, § 2, c, C, III. 231

3.Kap.: Länder mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung

238

Betrachtet man etwa Frankreich 232 als das andere hier beschriebene Land mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung des Streikrechtes, so überschreiten die Werte der verlorenen Arbeitstage pro beschäftiger Erwerbsperson in Italien diejenigen von Frankreich um ein Vielfaches. Eine Tendenz läßt sich in der zeitlichen Entwicklung für den betrachteten Zeitraum (1968 bis 1987) dahingehend entnehmen, daß die Streikbetroffenheit abgenommen hat.

232

Siehe oben, 3.Kapitel, § 2, C, ΙΠ.

§ 3 Italien

239

Tabelle J 233: Anzahl der verlorenen Arbeitstage pro beschäftigter Erwerbsperson

Jahr

Beschäftigte Erwerbspersonen [in 1000]

Verlorene Arbeitstage

Verlorene Arbeitstage pro beschäftigter Erwerbsperson

1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987

14169 13 980 14 062 14 014 13 700 13 869 14 377 14 492 14 635 14 840 14 935 15153 14 856 14 924 14 912 14 811 14 734 14 829 14 943 14 923

9 239 793 37 824 573 20 887 459 14 798 589 19 497 143 23 419 286 19 466 714 27 189 142 25 377 571 16 566 143 10177 000 27 530 429 16 457 286 10 527 286 18 562 857 14 003 000 8 703 300 3 830000 5 643 700 4 605 700

0,652 2,706 1,485 1,056 1,423 1,689 1,354 1,876 1,734 1,116 0,681 1,817 1,108 0,705 1,245 0,946 0,591 0,258 0,378 0,309

233

Quellen: Instituto centrale di statistica (Hrsg.), Annuario statistico italiano, laufende Jahrgän-

ge; International Labour Office (Hrsg.), Year Book of Labour Statistics, laufende Jahrgänge; Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Länderbericht Italien 1987; Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistik des Auslandes, Reihe 1.3., Streiks und Aussperrungen im Ausland, laufende Jahrgänge; Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Vierteljahreshefte zur Auslandsstatistik, laufende Jahrgänge; 1969 bis 1974 ohne politische Streiks. Für 1988 bis 1990 sind (noch) keine Werte verfügbar.

4. Kapitel

Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen auf die Gestaltung des Streikes § 1 Problemaufriß In diesem Kapitel soll zweierlei versucht werden. Zum einen sollen die Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen auf die Gestaltung des Streikrechtes aufgezeigt werden. Zum anderen wird analysiert, ob die unterschiedlichen Regelungsarten das tatsächliche Streikgeschehen beeinflussen. Die Betrachtung der Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen auf die Gestaltung des Streikrechtes erfolgt in einem zusammenfassenden Bericht, der die wesentlichen Aussagen der Länderberichte gegenüberstellt, Dadurch wird es möglich, in konzentrierter Form die jeweiligen Unterschiede, aber auch die Gemeinsamkeiten der einzelnen Länder herauszuarbeiten. Bei der Analyse des tatsächlichen Streikgeschehens wird untersucht, ob ein Zusammenhang besteht zwischen der Art der gesetzlichen Normierung (explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes - keine explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes) und der Streikhäufigkeit besteht. Zu diesem Zweck wird ein statistischer Vergleich zwischen dem tatsächlichen Streikgeschehen in Ländern ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes und in Ländern mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung des Streikrechtes durchgeführt.

§ 2 Auswirkungen auf die Gestaltung des Streikrechtes

241

§ 2 Auswirkungen auf die Gestaltung des Streikrechtes A. Allgemeine Aspekte

Die Untersuchung der Regelung des Streikrechtes in den vier Ländern Österreich, Belgien, Frankreich und Italien hat gezeigt1, daß die öffentliche Gewalt in jedem der vier Staaten im Laufe der Zeit den Streik nacheinander und manchmal auch abwechselnd verboten, genehmigt, partiell geregelt oder die Zulässigkeit eingeschränkt hat. Die Einschränkungen und Regelungen konnten dabei entweder nur zivilrechtliche Folgen für die Beziehungen zwischen AG und AN haben oder sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Konsequenzen. Bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts waren AN-Koalitionen überall strafbar. Sie wurden ab Mitte des 19.Jahrhunderts - wenn auch mit Einschränkungen - zulässig, als die Strafgesetze nach und nach aufgehoben wurden. Durch die Aufhebungen der Strafgesetze wurde jedoch allgemein nicht das Streikrecht für die AN eingeführt. Vielmehr handelte es sich nur um die Beseitigungen der Strafbarkeit des Streikes, die somit nur zur sog. Streikfreiheit führten. Diese Streikfreiheit wurde jedoch teilweise in den einzelnen Ländern in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts wieder abgeschafft, und der Streik wurde verboten und unter Strafe gestellt. In Italien geschah dies von 1926 bis 1944, in Österreich von 1933 bis 1945, in Frankreich von 1940 bis 1944. Diese Strafbestimmungen waren rechtliche Ausprägungen der totalitären Ideologien dieser Länder während jener Zeit. Sie sind konsequenterweise zur gleichen Zeit wie die totalitären Regierungsformen selbst weggefallen. In jüngster Zeit hat sich allgemein die Einstellung des Staates gegenüber dem Streik gewandelt. Zunehmend fanden rechtliche Privilegierungen des Streikes statt, wenn auch in sehr unterschiedlichen Ausmaßen. In Frankreich begann die Entwicklung schon zwischen den beiden Weltkriegen und führte 1946 zu einer expliziten positivrechtlichen Anerkennung des Streikrechtes durch die Verfassung. In ihrer Präambel wird im Abs.7 bestimmt, daß das Streikrecht im Rahmen der Gesetze ausgeübt wird, durch die es geregelt wird. 1

Im folgenden wird sich auf die oben dargestellten Länderberichte bezogen. Dort finden sich auch Literatur- und Rechtsprechungsnachweise. 16 Bohr

242

4. Kap.: Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen

Italien hat diese französische Bestimmung in Art.40 seiner Verfassung von 1948 übernommen. In Belgien ist das Streikrecht durch keine Verfassungsbestimmung geschützt und in keinem Gesetz ausdrücklich bejaht oder näher bestimmt. Daß der Gesetzgeber dem Streik aber nicht generell ablehnend, sondern vielmehr wohlwollend gegenübersteht, zeigt sich daran, daß - vor allem in der Sozialgesetzgebung - Privilegierungen des Streikes bestehen. Am restriktivsten behandelt der Staat in Österreich den Streik. Er hält sich rechtlich weitgehend an die neoliberale Konzeption der staatlichen Neutralität bei Arbeitskämpfen. Es finden sich keine nennenswerten Privilegierungen des Streikes gegenüber anderen rechtlich bedeutsamen Handlungen. Mit der zunehmenden rechtlichen Anerkennung des Streikes in den betrachteten Ländern - wobei Österreich insoweit eine Ausnahme bildet - stellt sich zwangläufig die Frage, was unter dem Begriff des Streikes zu verstehen ist. Das folgt daraus, daß mit der rechtlichen Anerkennung einer Erscheinung der realen Welt gleichzeitig eine Abgrenzung gegenüber anderen Erscheinungen der realen Welt verbunden ist. Diese Abgrenzung ist von besonderer Bedeutung in Frankreich und Italien, da dort mit dem Streik erhebliche rechtliche Konsequenzen verbunden werden. Nicht so bedeutsam ist dagegen die Begriffsbestimmung in Österreich und Belgien, obgleich sie auch dort nicht völlig vernachläßigt werden kann. Dieser Gesichtspunkt leitet über zu der Frage nach der Definition des Streikes in den einzelnen Ländern.

B. Definition des Streikes

In den einzelnen Länderberichten wurde der Streik zur besseren Vergleichbarkeit gegenüber einer Musterdefinition abgegrenzt, die gleichsam als Arbeitshypothese diente. Diese definierte den Streik anhand dreier Merkmale: Unter Streik wurde eine vollständige Arbeitsniederlegung (1) mit kollektivem Charakter (2) verstanden, die der Durchsetzung bestimmter Regelungsziele (3) dient.

§ 2 Auswirkungen auf die Gestaltung des Streikrechtes

243

Bei der Gegenüberstellung der nationalen Streikdefinitionen gegenüber dieser Begriffsdefinition ergaben sich sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede. Dabei ist zu beachten, daß in keinem der betrachteten Staaten eine gesetzliche Streikdefinition vorliegt. Eine solche zu erarbeiten blieb vielmehr der Rechtsprechung und der -lehre überlassen.

1. Vollständige Arbeitsniederlegung Im Grundsatz wird in allen vier betrachteten Ländern davon ausgegangen, daß der Streik begrifflich eine vollständige Arbeitsniederlegung erfordere. Zumindest in einigen Ländern werden aber auch Kampfhandlungen der AN landläufig als Streik bezeichnet, ohne daß eine vollständige Arbeitsniederlegung gegeben ist. Das gilt beispielsweise in Frankreich und Belgien für den Bummelstreik (auf französisch: grève perlée) oder auch für den Dienst nach Vorschrift (auf französisch: grève du zèle). Diese landläufige Bezeichnung sagt jedoch noch nichts über die rechtliche Klassifizierung aus.

1. Bummelstreik und Dienst nach Vorschrift Bummelstreik und Dienst nach Vorschrift sind nach der Musterdefinition keine Streiks, da sie das begriffsnotwendige Merkmal der vollständigen Arbeitsniederlegung nicht erfüllen. In Italien werden diese Kampfformen unter dem Begriff der "passiven Resistenz" erörtert und überwiegend nicht als Streiks angesehen. Ungeachtet der Bezeichnung als "grève" (d.h. Streik) wird in Frankreich der Dienst nach Vorschrift ebenfalls von dem Streik im Rechtssinne abgegrenzt. Dagegen wird von einigen Stimmen in der Literatur der Bummelstreik als echter Streik angesehen. Dieser Auffassung hat - neben der überwiegenden Literatur vor allem die Rechtsprechung des französischen Kassationsgerichtshofes widersprochen, die Bummelstreiks regelmäßig als schwere Verletzung des Arbeitsvertrages ansieht und es ablehnt, sie als (echte) Streiks einzuordnen. In Belgien wird der Bummelstreik ebensowenig als (echter) Streik angesehen wie der Dienst nach Vorschrift. Begründet wird diese Einordnung damit, daß keine vollständige Arbeitsniederlegung vorliege. Ebenso ist die Einordnung der h.M. in Österreich. Lediglich vereinzelt werden dort diese Kampfformen begrifflich als Streik eingeordnet.

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4. Kap.: Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen

2. Intermittierender Streik, überraschender Streik und umlaufender Streik Bei diesen Kampfformen liegt eine vollständige Arbeitsniederlegung im Sinne der Musterdefinition vor, so daß sie nach dieser Begriffsbestimmung als (echte) Streiks einzuordnen sind. Die Frage des überraschenden Streiks wird in Belgien nicht auf begrifflicher Ebene problematisiert. Nach dem Regelungssystem der belgischen Rechtsordnung dürfte jedoch diese Kampfform eindeutig als Streik anzusehen sein. Eindeutig als Streik wird in Belgien auch der umlaufende Streik eingeordnet. Dagegen ist es umstritten, ob der intermittierende Streik die begrifflichen Voraussetzungen des Streikes in Belgien erfüllt. Die unterschiedliche Einordnung richtet sich danach, ob der gesamte Zeitraum der Auseinandersetzungen insgesamt betrachtet wird, so daß die wiederholt vorgenommenen, kurzfristigen einzelnen Arbeitsniederlegungen in ihrer Gesamtbetrachtung nur eine Arbeitsverlangsamung sind, oder ob jede Arbeitsniederlegung für sich betrachtet wird, so daß jede Arbeitsniederlegung auch für sich einen Streik darstellt. In Österreich ist die Frage der Einordnung des intermittierenden Streikes ebenfalls nicht ganz unumstritten. Eine Mindermeinung innerhalb der Literatur gelangt zu dem Ergebnis, daß es sich bei solchen Kampfaktionen nicht um einen (echten) Streik handele, da es an einer wirksamen Druckausübung gegenüber dem AG fehle. Dies wird jedoch von der h.M. anders gesehen. Nicht erörtert wird in Österreich - wohl mangels praktischer Relevanz - die Problematik der Einordnung von überraschenden Streiks und von umlaufenden Streiks. Es spricht jedoch aufgrund des allgemeinen Regelungszusammenhanges viel dafür, daß diese Kampfformen in Österreich (echte) Streiks darstellen. In Frankreich wird angenommen, daß der umlaufende Streik und der überraschende Streik die Begriffsmerkmale des (echten) Streikes erfüllt. Ebenso wie in Belgien und in Österreich ist jedoch auch in Frankreich die Einordnung des intermittierenden Streikes umstritten. Der Streit entzündet sich jedoch in Frankreich nicht an der Frage (wie dies in Belgien und Österreich der Fall ist), ob die Arbeitsniederlegungen jeweils für sich betrachtet oder in ihrer Gesamtheit gewertet werden müssen.

§ 2 Auswirkungen auf die Gestaltung des Streikrechtes

245

Nach der Rechtsprechung des französischen Kassationsgerichtshofes verläßt der intermittierende Streik dann die begriffliche Sphäre der rechtlich relevanten Streikdefinition, wenn er auf die Desorganisation eines Unternehmens abzielt. In Italien ist es streitig, ob der überraschende und der intermittierende Streik die Begriffsmerkmale des Streikes im Rechtssinne erfüllen. Vor allem die ältere Rechtsprechung ging davon aus, daß das nicht der Fall sei. In jüngerer Zeit wird allerdings angenommen, daß diese Kampfformen begrifflich einen (echten) Streik darstellen.

IL Kollektiver

Charakter

In allen vier betrachteten Ländern wird bei der Streikdefinition - ebenso wie es die Musterdefinition verlangt - nachdrücklich darauf abgestellt, daß es sich um eine kollektive Maßnahme der beteiligten AN handeln müsse. Damit ein Arbeitskampf nach kollektivrechtlichen Normen behandelt werden kann, muß er in allen Staaten das Ergebnis einer bewußt gewollten, solidarischen Gemeinsamkeit des Handelns sein. Die Niederlegung der Arbeit durch den AN als Einzelperson tritt dabei gegenüber der Gesamtaktion in den Hintergrund. Entscheidend ist nach allen Rechtsordnungen die gemeinschaftliche Durchführung des Streikes. Es handelt im Ergebnis der Einzelne nur als Mitglied einer Gruppe, in welcher er als Individuum aufgegangen ist. Die solidarische Gemeinsamkeit des Handelns ist in den betrachteten Ländern nicht so sehr eine Frage nach der numerischen Anzahl der AN, die die Arbeit niederlegen. Gefordert wird vor allem eine Willensübereinstimmung. Dies führt dazu, daß in allen Ländern der Streik einer Minderheit von AN für möglich gehalten wird. Ob Individualkündigungen (Massenkündigungen) einen Streik darstellen, wird lediglich in Österreich behandelt und negativ beantwortet. Reinen Individualkündigungen wird das notwendige Erfordernis der solidarischen Gemeinsamkeit abgesprochen. Ein Streik eines einzelnen AN's wird überwiegend nicht für möglich gehalten.

246

4. Kap.: Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen

Lediglich in Italien vertritt eine Mindermeinung die Auffassung, daß auch in der Arbeitsniederlegung eines einzelnen AN's ein Streik liegen könne. Eine andere Problematik ist diejenige, ob der kollektive Charakter der Arbeitsniederlegung durch gewerkschaftliches Handeln vermittelt werden muß. Es geht mithin darum, ob auch wilde Streiks begrifflich möglich sind. In Österreich, Belgien und Frankeich ist diese Einordnung nicht zweifelhaft und wird bejaht, während es in Italien umstritten ist, ob es der Streik begrifflich erfordert, von einer Gewerkschaft getragen zu sein. Im Kern geht es um die Frage, wem das Streikrecht, das in Italien als subjektives Recht ausgestaltet ist, zusteht. Nach einer Meinung steht das Streikrecht zumindest auch den Gewerkschaften zu, so daß nach ihr wilde Streiks begrifflich unmöglich sind.

III. Durchsetzung bestimmter Regelungsziele Bei der Frage, ob der Streik der Durchsetzung bestimmter Regelungsziele dienen muß, geht es vor allem darum, ob es erforderlich ist, daß durch den Streik die Regelung eines Lebenssachverhalts angestrebt werden muß, oder ob es auch möglich ist, daß ein Streik der Durchsetzung von Rechtspositionen dienen kann, auf die möglicherweise ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch besteht. Weiterhin wird hier erörtert, ob die Zielrichtung des Streikes begrenzt ist, etwa in dem Sinne, daß der Streik einem bestimmten - berufsbezogenem - Regelungsziel dienen muß. Es wird überall für möglich gehalten, daß der Streik auf die Durchsetzung einer Rechtsposition gerichtet sein kann. Politische Streiks werden in Österreich begrifflich für möglich gehalten. Demgegenüber verlangen die Rechtsordnungen der anderen Länder, daß der Streik der Durchsetzung berufsbezogener Ziele dient. Das Merkmal der Berufsbezogenheit wird jedoch unterschiedlich weit ausgelegt, wobei jedoch rein politische Streiks nicht möglich sind. In Italien besteht noch die Besonderheit, daß von verschiedenen Streikbegriffen ausgegangen wird, wobei die politische Arbeitsniederlegung unter die allgemeine Handlungsfreiheit fällt, nicht jedoch unter den verfassungsrechtlichen Streikbegriff des Art.40 der italienischen Verfassung.

§ 2 Auswirkungen auf die Gestaltung des Streikrechtes

TV. Sonstige begriffliche

247

Erfordernisse

Als weiteres begriffliches Streikerfordernis wird in Italien teilweise verlangt, daß die AN ihren Arbeitsplatz verlassen. Nach dieser Auffassung sind daher Betriebsbesetzungen begrifflich nicht als Streik einzuordnen. In den anderen Ländern werden keine weiteren nennenswerten begrifflichen Erfordernisse aufgestellt.

V. Zusammenfassung und Beurteilung Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Streikbegriffe in Österreich, Italien, Belgien und Frankreich wesentliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Im Detail bestehen zwar Unterschiede. Diese Unterschiede betreffen aber nur recht seltene Randerscheinungen, wie etwa polititsche Streiks, die im Rahmen des tatsächlichen Streikgeschehens nicht sehr ins Gewicht fallen dürften. Dies rechtfertigt es, die jeweils unter dem Begriff des Streikes und seinen verbalen Entsprechungen (sciopero, grève) geregelten Lebenssachverhalte in eine Beziehung miteinander zu setzen und zu vergleichen. Möglich ist daher vor allem auch ein statistischer Vergleich, wie er unten durchgeführt wird.

C. Rechtsmäßlgkeitsvoraussetzungen des Streikes

I. Subjekt und Natur des Streikrechtes Die Natur des Streikrechtes ist in den vier betrachteten Ländern sehr unterschiedlich. Während in Frankreich und Italien der Streik als subjektives Recht gewährleistet wird, besteht in Österreich und Belgien lediglich Streikfreiheit (im wesentlichen bloße Aufhebung der Strafbestimmungen). Handelt es sich bei der Streikmöglichkeit um ein gewährtes Recht, so kann dies jeweils geltend gemacht werden: Gegenpartei ist der AG, der den Streik hinnehmen muß. Nicht geklärt ist damit allerdings die Problematik, wem das Streikrecht als subjektives Recht zugeordnet ist, wer Subjekt des Streikrechtes ist.

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4. Kap.: Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen

Vor allem in Italien ist diese Frage aufgeworfen worden. Vertreten wird dabei zum einen, daß das Recht dem einzelnen AN (entweder als Gestaltungsrecht oder als Gleichheitsrecht) zusteht, zum anderen aber auch, daß sowohl AN als auch Gewerkschaften Subjekt des Streikrechtes sind. Wird der einzelne AN als Subjekt des Rechtes angesehen, dann ist das Streikrecht nur in Bezug auf seine Ausübung ein Kollektivrecht, hinsichtlich seines Subjektes aber ein Individualrecht. In Frankreich ist man sich einig, daß das Streikrecht ein subjektives Recht der einzelnen AN ist. Die Frage nach der Zuordnung stellt sich in Belgien und Österreich nicht, da dort die Streikmöglichkeit als Freiheit und nicht als Recht ausgestaltet ist. Dabei gibt es weder ein Subjekt des Streikrechtes noch eine Gegenpartei.

IL Gesetzliche Beschränkungen der Streikmöglichkeit Unabhängig von der Art der Regelung des Streikes bestehen in jedem der betrachteten Länder gesetzliche Beschränkungen der Streikmöglichkeit. Die gesetzlichen Beschränkungen sind in den einzelnen Ländern von recht unterschiedlicher Art und lassen sich schwer in einem einheitlichen vergleichenden System darstellen. Aus diesem Grunde sollen vergleichend verschiedene typische Ausprägungen der Streikausübung auf ihre gesetzlichen Beschränkungen hin dargestellt werden. Herausgegriffen werden sollen der Streik im öffentlichen Dienst, die Betriebsbesetzung, der wilde Streik, der Solidaritätsstreik sowie der politische Streik.

1. Der Streik im öffentlichen Dienst Der Streik im öffentlichen Dienst unterliegt - insbesondere für Beamte - in allen vier beschriebenen Ländern besonderen Regelungen, die die Streikmöglichkeiten für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes einschränken. Gemeinsames Ziel dieser Restriktionen ist es, die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Sektors aufrechtzuerhalten und so eine Grundversorgung der Bürger zu gewährleisten.

§ 2 Auswirkungen auf die Gestaltung des Streikrechtes

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Die restriktivsten Regelungen finden sich in Belgien und Österreich. Dort ist der Streik grundsätzlich für Angehörige des öffentlichen Dienstes rechtswidrig. Komplizierter sind die Einschränkungen der Streikmöglichkeiten in Frankreich und Italien. Dort gibt es kein generelles Streikverbot im öffentlichen Dienst. Der Streik wird lediglich gewissen Verhaltenserfordernissen, wie etwa der Vorankündigung oder des Verbotes umlaufender Streiks, unterworfen. Diese Erfordernisse führen aber zumindest in Italien nicht zu einer wesentlichen Einschränkung der Streikmöglichkeiten.

2. Betriebsbesetzung Betriebsbesetzungen werden in Österreich allgemein als sittenwidrig und somit als unzulässig angesehen. Dagegen ist die Frage der Rechtmäßigkeit von Betriebsbesetzungen in Frankreich, Belgien und Italien umstritten. Der Streit entzündet sich in allen drei Rechtsordnungen an der Frage, ob Betriebsbesetzungen eine Form der Ausübung des (grundsätzlich rechtmäßigen) Streikes darstellen, oder ob sie getrennt von dem eigentlichen Streik rechtlich zu werten sind. In Italien wird überwiegend angenommen, daß Betriebsbesetzungen sowohl gegen strafrechtliche Vorschriften (Hausfriedensbruch, Fabrikbesetzung) als auch gegen das verfassungsmäßige Recht der arbeitswilligen AN auf Arbeit verstoßen. Eine Mindermeinung leitet dagegen aus Vorschriften des sog. Arbeitnehmerstatutes die rechtliche Zulässigkeit von Betriebsbesetzungen ab. In Frankreich und Belgien sind Meinungen im Vordringen, die die Betriebsbesetzungen differenziert zu beurteilen versuchen und die generelle Lösungen ablehnen. Es werden vielmehr Fallgruppen aufgestellt, die eine gewisse Rechtssicherheit vermitteln sollen. Dabei wird in Belgien von einem Großteil der Lehre die Betriebsbesetzung dann für rechtmäßig gehalten, wenn keine Gewaltanwendungen stattfinden. In Frankreich erfolgt die Differenzierung überwiegend nach anderen Kriterien. Dort soll eine Betriebsbesetzung während der normalen Arbeitszeit rechtmäßig sein, darüber hinaus jedoch rechtswidrig.

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4. Kap.: Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen

3. Wilder Streik Bei dem wilden Streik stellt sich die Frage nach der Rolle der Gewerkschaften beim Arbeitskampf. Konkret geht es darum, ob ein Streik, um zulässig zu sein, von einer Gewerkschaft getragen sein muß. In Österreich wird dies generell nicht für notwendig erachtet, so daß auch der wilde Streik zulässig ist. Ebenso ist es in Frankreich im Grundsatz nicht Voraussetzung für einen zulässigen Streik, daß er gewerkschaftsgetragen sein muß. Arbeitsniederlegungen können somit auch lediglich durch die AN vorgenommen werden. Ausnahmen gibt es im Bereich des öffentlichen Dienstes. Dort müssen Arbeitsniederlegungen aufgrund gesetzlicher Regelung durch eine repräsentative Gewerkschaft vorher angekündigt worden sein. Nicht unumstritten ist dabei, wie die Repräsentativität der Gewerkschaften ermittelt wird. In Belgien spielt sich die Frage nach der Notwendigkeit der Gewerkschaftsbeteiligung bei Arbeitskämpfen außerhalb den üblichen Kategorien der Rechtmäßigkeit und der Rechtswidrigkeit ab. Dies kann sicherlich einmal darauf zurückgeführt werden, daß in Belgien (lediglich) Streikfreiheit herrscht, zum anderen aber auch darauf, daß aufgrund der starken Posititon der Gewerkschaften wilde Streiks in Belgien ein doch recht seltenes Phänomen sind. Immerhin hat der Kassationsgerichtshof einen wilden Streik als schwere Verletzung des individualrechtlichen Arbeitsvertrages behandelt, wobei jedoch einerseits die Allgemeingültigkeit dieser Aussage zweifelhaft ist, zum anderen aber auch - und vor allem - zweifelhaft ist, ob sich daraus ableiten läßt, daß der wilde Streik als solches rechtswidrig ist. Eine schwere Verletzung des Individualarbeitsvertrages kann es nach der Konzeption der Streikfreiheit auch bei rechtmäßigen Streiks geben. Dies ist dann der Fall, wenn man es ablehnt - wie das in Belgien von der Trennungstheorie vertreten wird - eine Ausstrahlung der kollektivrechtlichen Ebene auf die individualrechtliche Ebene anzunehmen. In Italien erfolgt die Behandlung der wilden Streiks nicht auf der Ebene der Rechtmäßigkeit, sondern als begriffliches Problem. Sieht man den Streik begrifflich auch ohne Gewerkschaftsbeteiligung als möglich an, so ist der wilde Streik rechtmäßig. Verneint man dagegen die Möglichkeit, so ist die Arbeitsniederlegung ohne Gewerkschaftsbeteiligung rechtswidrig. Beide Auffassungen werden in Italien vertreten.

§ 2 Auswirkungen auf die Gestaltung des Streikrechtes

251

4. Solidaritätsstreik Die Behandlung von Solidaritätsstreiks ist in allen vier betrachteten Ländern sehr problematisch. Grundlage der Schwierigkeiten ist die Frage, ob ein Solidaritätsstreik funktionsmäßig sein kann. Dies wird unter bestimmten Umständen in jedem Land bejaht. Dabei sind jedoch die Differenzierungsmaßstäbe nicht einheitlich. Sie zielen jedoch alle darauf ab, daß der Solidaritätsstreik (zumindest mittelbar) der Durchsetzung von eigenen Forderungen der sich solidarisierenden AN dienen muß. In Österreich wird überwiegend angenommen, daß ein Solidaritätsstreik lediglich der Unterstützung eines anderen rechtmäßigen Arbeitskampfes dienen darf, wobei der durch den Solidaritätsstreik bekämpfte AG in der Lage sein muß, auf den eigentlichen Adressaten des Hauptkampfes einzuwirken. Nach belgischem Recht ist es für die Zulässigkeit eines Solidaritätsstreikes erforderlich, daß er der Unterstützung von AN desselben Betriebes dient. In Frankreich erfolgt die rechtliche Beurteilung nach denselben Kriterien wie in Belgien. Zusätzlich kann ein Solidaritätsstreik allerdings auch dann noch rechtmäßig sein, wenn die im Hauptkampf erhobenen Forderungen von allgemeinem Interesse für die gesamte Arbeitnehmerschaft sind. In einem solchen Falle ist auch die Unterstützung betriebsfremder AN zulässig. In Italien ist im Ergebnis ein Solidaritätsstreik dann rechtmäßig, wenn er der Unterstützung eines anderen rechtmäßigen Streikes dient. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die rechtliche Behandlung des Solidaritätsstreikes in den einzelnen Ländern recht unterschiedlich erfolgt.

5. Politischer Streik Politische Kampfaktionen der AN ohne Berufsbezogenheit fallen in Frankreich nicht unter den Streikbegriff. Damit stellt sich dort auch die Frage nach der Rechtmäßigkeit politischer Streik nicht. Ebenso ist es in Belgien, wenn der Streik keinerlei wirtschaftliche Implikationen hat und rein politischen Zielen dient. Hat der Streik dagegen neben den politischen auch wirtschaftliche Ziele, so ist das Verhalten der AN nicht allein wegen des politischen Charakters der Arbeitsniederlegungen rechtswidrig.

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4. Kap.: Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen

Die Beurteilung richtet sich vielmehr nach allgemeinen Kriterien. Anders gestaltet sind die Einordnungen in Italien. Dort bestehen zwei unterschiedliche Streikbegriffe. Der verfassungsrechtlich geschützte Streikbegriff beinhaltet nicht die rein politische Aktion. Der allgemeine Streikbegriff, der von der verfassungsrechtlich eingeräumten allgemeinen Handlungsfreiheit gedeckt wird, umfaßt dagegen auch die rein politisch motivierte Kampfhandlung, so daß sich insoweit auch die Frage nach der Rechtmäßigkeit stellt. Im Ergebnis wird in Italien überwiegend davon ausgegangen, daß der politische Streik unzulässig ist. Unzulässig ist der politische Streik auch in Österreich. Das ist dort allgemeine Auffassung.

III. Tarifvertragliche

Beschränkungen der Streikmöglichkeit

Tarifverträge können Regelungen enthalten, die die Streikmöglicheiten der AN einschränken. Dies kann etwa durch das Erfordernis von Vorankündigungen oder durch die tarifvertragliche Friedenspflicht geschehen. In keinem Land wird die Frage diskutiert, ob es durch Tarifvertrag möglich ist, den Streik generell zu verbieten. Solches dürfte aber insgesamt rechtlich nicht möglich sein. Die Einschränkung der Streikmöglichkeiten der AN durch tarifvertragliche Regelungen - mit der Konsequenz, daß ein Arbeitskampf, der gegen diese tarifvertraglichen Bestimmungen verstößt, rechtswidrig ist - ist in den einzelnen Ländern in unterschiedlichem Maße möglich. In Österreich können die Streikmöglichkeiten durch einen Tarifvertrag beschränkt werden. Die Beschränkung gilt allerdings nur zwischen den Vertragspartnern, so daß keinerlei Auswirkungen auf die einzelnen AN bestehen. Auch in Belgien besteht die rechtliche Möglichkeit, die dortige Streikfreiheit durch tarifvertragliche Klauseln einzuschränken. Dabei ist jedoch die Bedeutung dieser Klauseln im einzelnen zweifelhaft. Insbesondere ist es nicht ganz eindeutig, ob ein Verstoß lediglich Auswirkungen auf der Rechtsfolgenseite des Streikes hat und die Einordnung der Rechtmäßigkeit unberührt läßt. In Italien werden tarifvertragliche Beschränkungen insbesondere unter dem Aspekt der Friedenspflicht erörtert. Unbestritten ist dort, daß eine solche Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien der Tarifverträge möglich ist (Arbeitge-

§ 2 Auswirkungen auf die Gestaltung des Streikrechtes

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ber/Arbeitsgeberverband - Gewerkschaft). Von der h.L. wird dagegen eine Beschränkung für die einzelnen - lediglich schlicht streikbeteiligten - AN wegen der Natur des Streikrechtes als subjektives Recht abgelehnt. Ähnlich ist die Rechtslage in Frankreich. Auch dort haben tarifvertragliche Streikbeschränkungen für die Gewerkschaften in weitem Umfang Geltung. Eine tarifvertragliche Beschränkung für die schlicht beteiligten AN, die für sich den Streik rechtwidrig werden lassen können, wird jedoch überwiegend wegen der positivrechtlichen (verfassungsrechtlichen) Gewährleistung des Streikrechtes verneint.

D. Rechtsfolgen rechtmäßiger Streiks

/. Rechtsfolgen auf kollektivrechtlicher

Ebene

Ist ein Streik als solcher rechtmäßig und liegen auch keine rechtswidrigen Vertragsverletzungen sowie rechtswidrigen Begleitaktionen vor, so kommt in keinem der betrachteten Länder eine Haftung der Gewerkschaften bzw. AN-Koalitionen in Betracht. Anders ist es jedoch in der Regel dann, wenn rechtswidrige Begleitaktionen oder Verstöße gegen Kollektiwereinbarungen vorgekommen sind. In Belgien scheidet allgemein eine Haftung der Gewerkschaften wegen ihrer fehlenden Rechtsfähigkeit aus. In Österreich haften die Gewerkschaften wegen Vertragsverletzungen nach allgemeinen Regeln. Unter bestimmten Umständen kann auch eine Haftung der Gewerkschaften wegen rechtswidriger Begleitaktionen einzelner AN eingreifen. Umstritten ist dabei in Österreich vor allem, ob die Gewerkschaften eine Einwirkungspflicht auf die AN haben. Ähnlich ist die Rechtslage in Italien. Dort kann es sowohl wegen rechtswidriger Vertragsverletzungen als auch wegen Begleitaktionen zu einer Haftung der AN-Koalitionen kommen. Eine Einwirkungspflicht der Gewerkschaften gegenüber den AN wird allgemein bejaht. In Frankreich ist die Haftung der Gewerkschaften wegen eines Verstoßes gegen Kollektiwereinbarungen unbestritten, soweit man solchen Vereinbarungen Gültigkeit zumißt, was im einzelnen etwas zweifelhaft ist. Umstritten ist hinge-

254

4. Kap.: Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen

gen die Haftung wegen rechtswidriger Begleitmaßnahmen. Während sie von der Literatur teilweise bestritten wird, geht die Rechtsprechung davon aus, daß die Gewerkschaften nach allgemeinen Grundsätzen haftbar gemacht werden können.

IL Rechtsfolgen auf individualrechtlicher

Ebene

1. Auswirkungen auf die streikenden Arbeitnehmer o. Der Bestand des Arbeitsvertrages In Frankreich und Italien ist es unbestritten, daß der Streik nicht den Bestand des Arbeitsvertrages als solchen berührt. Vielmehr findet eine Suspendierung der Hauptleistungspflichten statt. Dagegen stellt in Österreich der Streik unbestritten grundsätzlich einen Vertragsbruch dar; dieser führt zwar selbst nicht unmittelbar zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, kann aber einen Grund für eine Entlassung darstellen. Umstritten ist die Rechtslage in Belgien. Dort stehen sich zwei Theorien gegenüber. Nach der Trennungstheorie wird - auch bei einem rechtmäßigen Streik - der Arbeitsvertrag durch die Arbeitsniederlegung in seinem Bestand aufgelöst, ohne daß es einer Kündigung des AG's bedarf. Individualvertraglich stellt nach dieser Theorie der Streik einen Vertragsbruch dar. Anders ist die Rechtslage in Belgien nach der Einheitstheorie. Nach ihrer Auffassung führt der Streik lediglich zu einer Suspendierung des Arbeitsvertrages ohne ihn in seinem Bestand aufzulösen.

b. Der Entgeltanspruch der streikenden Arbeitnehmer In Belgien, Österreich und Frankreich führt die Beteiligung der AN an einem Streik dazu, daß sie regelmäßig ihren Lohnanspruch verlieren. Von diesem Grundsatz bestehen in Frankreich allerdings einige Ausnahmen, nach denen es in Sonderfällen zu einer Lohnzahlungspflicht des AG's kommen kann. In Italien wird heute ebenfalls die Auffassung vertreten, daß der Entgeltanspruch im Streikfalle entfalle. Dagegen hat die ältere Literatur teilweise angenommen, daß ein AN auch bei einer Teilnahme an einem Streik seine Entlohnung fordern könne.

§ 2 Auswirkungen auf die Gestaltung des Streikrechtes

c. Schadensersatzpflicht

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der streikenden Arbeitnehmer

Die Durchführung eines Streikes stellt in Frankreich und Italien die Ausübung eines positivrechtlich (verfassungsrechtlich) gewährleisteten Rechtes dar. Eine Schadensersatzpflicht kann sich lediglich wegen der Begehung von rechtswidrigen Begleitmaßnahmen ergeben. In Österreich kann dagegen auch wegen der schlichten Streikteilnahme grundsätzlich eine Schadensersatzpflicht der beteiligten AN bestehen. Problematisch ist dabei allerdings die Frage des für die Haftung notwendigen Verschuldens sowie die der Kausalität. Umstritten ist es in Belgien, ob die AN wegen einer Streikbeteiligung schadensersatzpflichtig werden können. Nach der Trennungstheorie ist dies grundsätzlich der Fall. Die Einheitstheorie ist dagegen ist sich gespalten. Teilweise wird nach der Einheitstheorie eine Haftung verneint, teilweise aber auch bejaht. 2. Auswirkungen des Streikes auf die nichtStreikenden Arbeitnehmer Bei der Frage nach den Auswirkungen eines Streikes auf die nichtStreikenden AN geht es hauptsächlich darum, ob die Tatsache, daß andere - betriebsangehörige oder betriebsfremde - AN an einer Streikbewegung teilnehmen, den AG von seiner Entgeltzahlungspflicht gegenüber den nichtStreikenden AN befreit. In Frankreich, Italien und Belgien wird durch einen Streik das Rechtsverhältnis zwischen dem AG und den nichtStreikenden AN grundsätzlich nicht berührt. Der Streik hat regelmäßig keinerlei Auswirkungen auf den Arbeitsvertrag zwischen diesen beiden Parteien. Der AG bleibt daher im allgemeinen den AN weiterhin zur Zahlung des Entgeltes verpflichtet. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch in allen drei Ländern Ausnahmen. Die bedeutsamste ist die Rechtsfigur der höheren Gewalt, die in Frankreich, Italien und auch Belgien eingreifen kann. Insgesamt werden die Voraussetzungen dieser Rechtsfigur recht eng ausgelegt, so daß sie recht selten eingreift. Bei der höheren Gewalt wird in allen drei Ländern vor allem gefordert, daß die Arbeitsausführung unmöglich ist. Der Begriff der Unmöglichkeit wird allerdings jeweils unterschiedlich weit gefaßt, wobei man sich jedoch in allen drei Ländern darüber einig ist, daß die Unmöglichkeit nicht unbedingt eine vollkommene im theoretischen Wortsinne sein muß.

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4. Kap.: Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen

In Italien ist bezüglich der Unmöglichkeit vor allem noch umstritten, ob sie auch aufgrund wirtschaftlicher Probleme des AG's vorliegen kann. Nach der französischen Rechtsprechung kann die Lohnfortzahlungspflicht auch im Falle eines betrügerischen Zusammenspiels zwischen streikenden und nichtStreikenden AN zulasten des AG's entfallen. In Österreich gestaltet sich die Rechtslage etwas anders als in Belgien, Frankreich und Italien, die hinsichtlich der Auswirkungen des Streikes auf nichtStreikende AN eine recht ähnliches Regelungsprogramm haben. Arbeiten in Österreich die nicht-kampfbeteiligten AN nicht, so erlangen sie nach dem Grundsatz des "do ut des" auch grundsätzlich keinen Lohn. Eine Lohnzahlungspflicht kann sich jedoch unter zwei Voraussetzungen ergeben. Zum einen müssen die AN arbeitsbereit gewesen sein. Zum anderen muß ihre Beschäftigung durch einen Umstand verhindert worden sein, der "auf Seiten des AG's" lag. Vor allem das letzte Merkmal wird sehr weit ausgelegt, wobei allerdings viele Einzelheiten umstritten sind. Wegen dieser weiten Auslegung kommt es regelmäßig zu einer Pflicht des AG's, dem AN das vertraglich vereinbarte Entgelt zu zahlen, so daß die gesetzliche Ausnahme von dem Grundsatz des "do ut des" zur Regel wird.

3. Auswirkungen des Streikes auf Dritte Die Rechtswissenschaft ist sich in den hier beschriebenen Ländern - Österreich, Belgien, Frankreich, Italien - im Grundsatz darüber einig, daß ein Streik keinerlei Auswirkungen auf Dritte (etwa Lieferanten oder Kunden des AG's) hat. Im Einzelfall werden jedoch Ausnahmen anerkannt. In Belgien, Frankreich und Österreich können sich diese Ausnahmen aus den allgemeinen Regeln der Gesetze ergeben. Es kommt in diesen Ländern vor allem die höhere Gewalt respektive die Unmöglichkeit in Betracht, durch die die Streikbetroffenen von ihren Verpflichtungen befreit werden können. Bemerkenswert ist, daß die Voraussetzungen dieser Rechtsinsitutue sehr eng ausgelegt werden, so daß es nur in seltenen Sonderfällen zu ihrer Anwendung kommt.

§ 2 Auswirkungen auf die Gestaltung des Streikrechtes

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Auch in Italien werden Ausnahmen von dem Grundsatz erörtert, daß der Streik keinerlei rechtliche Auswirkungen gegenüber Dritten hat. Wie diese Ausnahmen inhaltlich gefaßt werden sollen, wird jedoch kontrovers diskutiert. Dogmatisch gesehen stehen sich vor allem zwei Richtungen gegenüber. Die eine Richtung versucht Lösungen durch die Anwendung der Grundsätze des allgemeinen Rechtes zu erarbeiten, während die andere spezielle arbeitsrechtliche Rechtsfiguren zu entwickeln versucht, die im Kern auf eine Betriebsrisikolehre mit wertenden Elementen hinausläuft.

4. Auswirkungen auf das Sozialrecht Die Auswirkungen des Streikes auf das Sozialrecht sind in den einzelnen Staaten unterschiedlich. Das hängt zum Teil damit zusammen, ob der Staat dem Streik gegenüber positiv eingestellt ist und die Streikfolgen für die einzelnen AN mildern möchte, ober ob er sich - neoliberalen Wirtschaftspositionen entsprechend - neutral zu verhalten versucht. Weitgehend neutral verhält sich der Staat dem Streik gegenüber in Österreich. Dort findet keine wesenüiche Besserstellung der streikenden AN gegenüber den nichtStreikenden AN statt. Der Sicherung der Neutralität des Staates dienen auch gesetzliche Vorschriften, die eine Zahlung von Arbeitslosengeld an streikende AN verbieten. In Italien hat der Streik grundsätzlich keine Auswirkungen auf sozialrechtliche Regelungen. Lediglich in der Unfallversicherung bestehen Ausnahmen. In Belgien und in Frankreich findet eine Privilegierung der streikenden AN gegenüber solchen AN statt, die aus sonstigen Gründen nicht arbeiten. Im Falle von Frankreich ist dies verständlich, da der Streik dort als Recht explizit positivrechtlich gewährleistet ist. In Belgien erstaunt jedoch eine solche Privilegierung insoweit, als dort lediglich Streikfreiheit herrscht. Ein Erklärungsansatz könnte vielleicht in der starken Stellung der Gewerkschaften gesehen werden, die es zwar nicht geschafft haben, daß den AN ein positivrechtlich gewährleistetes Streikrecht eingeräumt wurde; die aber immerhin eine Milderung der Streikfolgen erzielen konnten.

17 Bohr

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4. Kap.: Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen

§ 3 Auswirkungen auf das tatsächliche Streikgeschehen Im vorigen Paragraphen wurden die Auswirkungen der verschiedenen Regelungen des Streikes auf die Gestaltung des Streikrechtes insgesamt verdeutlicht. Die Gestaltung des Streikrechtes ist jedoch nur ein Aspekt bei der Betrachtung des Streikes als Form des Arbeitskampfes. Der zweite Aspekt ist, welche Auswirkungen die verschiedenen rechtlichen Regelungen auf das tatsächliche Streikgeschehen haben. Dies soll im folgenden vergleichend für die einzelnen Regelungsgruppen (Länder ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes - Länder mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung des Streikrechtes) statistisch untersucht werden.

A. Probleme der statistischen Vergleichbarkeit

Der statistische Vergleich soll vorliegend dazu dienen, die Auswirkungen der verschiedenen rechtlichen Regelungen auf das tatsächliche Streikgeschehen deutlich zu machen. Dies impiziert, daß zwei Voraussetzungen bei diesem statistischen Vergleich erfüllt sein müssen: Erstens muß in allen beschriebenen Ländern unter dem Begriff des Streikes bzw. seinen verbalen Entsprechungen die gleiche reale Erscheinung verstanden werden2. Zweitens ist es erforderlich, daß ein Kausalnexus zwischen den rechtlichen Regelungen und dem tatsächlichen Streikgeschehen dahingehend besteht, daß die verschiedenen rechtlichen Regelungsarten die Ursache für das tatsächliche Streikgeschehen sind3. Die erste Voraussetzung kann vorliegend als erfüllt angesehen werden.

2 Dies ist deswegen notwendig, da ansonsten möglicherweise Unterschiedliches miteinander verglichen wird. Siehe dazu auch oben l.Kapitel, § 1; sowie Birk, ZFA 1979,231,232. 3 Nur im Falle einer Kausalität bestehen nämlich Auswirkungen der Rechtsgestaltung auf das tatsächliche Streikgeschehen. Vgl. dazu Larenz, Schuldrecht, Band I, Allgemeiner Teil, S.401ff. sowie weiterführend Hartmann, Der Aufbau der realen Welt, S.314 ff.. Eine Statistik kann dagegen lediglich Korrelationen aufzeigen, siehe dazu etwa Härtung, Statistik, S.545 ff..

§ 3 Auswirkungen auf das tatsächliche Streikgeschehen

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Bei der Gegenüberstellung der einzelnen nationalen Streikdefinitionen und der Musterdefinition konnte gezeigt werden4, daß - obgleich in keinem Land eine gesetzliche Streikdefinition besteht - sich die einzelnen Begriffe nur unwesentlich von der Musterdefinition unterscheiden. Folglich stimmen sie auch untereinander überein. Dies gestattet es, das Streikgeschehen in den einzelnen Ländern einem statistischen Vergleich zuzuführen. Schwieriger zu beurteilen ist die Frage der zweiten notwendigen Voraussetzung. Das gründet sich vor allem darauf, daß die Problematik, ob die Rechtsgestaltung kausal für das tatsächliche Streikgeschehen ist, kaum einer wissenschaftlichen Aussage zugänglich ist. Versteht man mit Popper5 unter einer wissenschaftlichen Aussage eine solche, die empirisch falsifzierbar ist, so besteht diese Möglichkeit der Falsifizierbarkeit der Kausalitätsaussage zwar im logischen Sinne. Praktisch gesehen dürfte eine solche Aussage jedoch nur schwer zu machen sein, da die Frage der Kausalität aufgrund der allgemeinen Interdependenzen eine sehr vielgestaltige sein kann und im Extremfall zu einem unendlichen Regreß führt 6. Plausibititätserwägungen sprechen jedoch dafür, eine Kausalität zwischen der Art der Rechtsgestaltung des Streikes und dem tatsächlichen Streikgeschehen anzunehmen. So ist es aus anderen Rechtsgebieten bekannt, daß bei Änderungen der Normen eine Verhaltensänderung der beteiligten Personen eingesetzt hat.

4 5

S.15 ff..

Vgl. dazu oben, 4.Kapitel, § 2, Β, V. Popper, Logik der Forschung, S.14 ff.; dazu auch Thoma, Theorie optimalen Wachstums,

6 Larenz, Schuldrecht, Band I, Allgemeiner Teil, S.404; den Aspekt des unendlichen Regresses betont auch Hartmann, Der Aufbau der realen Welt, S.314, der schreibt: Grundsätzlich kommt die Kausalreihe aus der Unendlichkeit, denn vor jeder Ursache müssen weitere Ursachen liegen, und geht ins Unendliche, denn über jede Wirkung hinaus müssen weitere Wirkungen folgen.

260

4. Kap.: Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen

Besonders deutlich wird das etwa im Strafrecht, im Gesellschafts- oder auch im Steuerrecht. Dort ist die Rechtsgestaltung häufig Ursache für ein reales Verhalten der Beteiligten, das somit die Wirkung der Rechtsgestaltung darstellt7. Dies ist aber gleichbedeutend mit der Aussage, daß die Art der Rechtsgestaltung kausal für die Gestaltung der realen Welt ist. Gründe, warum dies beim Streikrecht nicht so sein sollte, sind nicht erkennbar. Damit sprechen Plausibilitätserwägungen dafür, eine kausale Beziehung zwischen der Rechtsgestaltung (Ursache) und dem tatsächlichen Streikgeschehen (Wirkung) als Erscheinung der realen Welt anzunehmen. Die beiden notwendigen Voraussetzungen für die Beantwortung der Frage, ob die Art der rechtlichen Regelung Auswirkungen auf das tatsächliche Streikgeschehen hat, liegen somit im Ergebnis vor.

B. Statistischer Vergleich des tatsächlichen Streikgeschehens

Den Abschluß der einzelnen Länderberichte bildete jeweils ein statistischer Überblick über das tatsächliche Streikgeschehen, welches durch verschiedene Kennziffern beschrieben worden ist8. Dabei zeigte sich, daß für einen Vergleich verschiedener Länder untereinander die Kennziffer der Streikbetroffenheit (verlorene Arbeitstage pro beschäftigter Erwerbsperson) besonders geeignet9 ist, da diese Größe es erlaubt, Aussagen über die Beeinträchtigung der Wirtschaft eines Landes zu machen, die unabhängig von der Größe des jeweiligen Landes sind. Dies beruht darauf, daß bei der Streikbetroffenheit die Zahl der in der Wirtschaft absolut verlorenen Arbeitstage auf die beschäftigten Erwerbspersonen bezogen wird. Zur Beschreibung der Auswirkungen der verschiedenen rechtlichen Regelungen auf das tatsächliche Streikgeschehen wird daher nachfolgende die Streikbetroffenheit herangezogen.

Im bundesdeutschen Strafrecht ist es nach der vorherrschenden sog. Vereinigungstheorie gerade das oberste Ziel des Strafeweckes, eine Auswirkung auf das reale Verhalten der Beteiligten zu erreichen. Diese Auswirkung besteht darin, der Begehung von Straftaten entgegenzuwirken. Vgl. Dreher/Tröndle, Strafgesetzbuch, RdNr.3 zu § 46 StGB; BVerfGE 45,187, 254 ff.. Ein Beispiel aus jüngster Zeit fur eine Verhaltensänderung im Rahmen einer Rechtsänderung ist die Einfuhrung der sog. Quellensteuer. Unter ihrem Eindruck kam es 1987 zu einem Abfluß von ca. 85 Milliarden DM ins Ausland, um einer Besteuerung zu entgehen. Vgl. etwa Bilsdorfer, DB 1989, Heft 40, X; sowie auch Tipke, BB 1989, 157,158. 8 Vgl. dazu beispielsweise den österreichischn Länderbericht, 2.Kapitel, § 3, C. 9 Zum Begriff und zum Inhalt der Streikbetroffenheit vgl. oben, 2.Kapitel, § 3, C, III.

§ 3 Auswirkungen auf das tatsächliche Streikgeschehen

261

/. Das tatsächliche Streikgeschehen in Ländern ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes Repräsentativ für das tatsächliche Streikgeschehen in Ländern ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes werden hier die Länder Österreich und Belgien betrachtet10.

BELGIEN ÖSTERREICH GESAMT

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'68 '69 '70 '71 '72 '73 '74 '75 '76 '77 '78 '78 '80 '81 '82 '83 '84 '85 '86 '87

Abbildung l 1 1 : Konsolidierte Streikbetroffenheit von Österreich und Belgien

In dieser Abbildung wird die jeweilige Streikbetroffenheit (verlorene Arbeitstage pro beschäftigter Erwerbsperson) - in Österreich und Belgien sowie die Addition der jeweiligen Streikbetroffenheit (konsolidierte Streikbetroffenheit) dargestellt. Durch die Konsolidierung der Streikbetroffenheiten wird von den nationalen Besonderheiten und Schwankungen abstrahiert. Es werden die Länder zu einer Gruppe zusammengefaßt. Vorliegend im Falle Österreichs und Belgiens zu der Gruppe der Länder ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes. Da so die nationalen Besonderheiten zurückgedrängt werden, wird durch dieses Verfahren die Aussagekraft der Streikbetroffenheit als Vergleichskennziffer erhöht.

10 Weitere Kennziffern zum tatsächlichen Streikgeschehen finden sich in den jeweiligen Länderberichten. 11 Die Werte sind den jeweiligen Länderberichten entnommen. Für Belgien sind keine Kennziffern der Jahre 1981 bis 1983 sowie 1986 bis 1987 erhoben worden. Sie wurden in der obigen Abbildung durch lineare Interpolation errechnet.

262

4. Kap.: Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen

Der Wert der konsolidierten Streikbetroffenheit liegt notwendigerweise über der der nationalen Streikbetroffenheit, da er durch ihre Summation entsteht. Bei der Bildung der Werte der konsolidierten Streikbetroffenheit zeigt sich, daß der Anteil Österreichs fast zu vernachlässigen ist, da die Streikbetroffenheit dort sehr niedrige Werte aufweist. Der höchste Wert der konsolidierten Streikbetroffenheit ergab sich im Jahre 1970 und betrug numerisch 0,392. Die niedrigsten Werte waren in den Jahren 1969 und 1985 zu verzeichnen und betrugen jeweils 0,051 Arbeitstage pro Erwerbsperson. Im Zeitablauf läßt sich zwischen den Jahren 1968 bis 1987 eine Abnahme der konsolidierten Streikbetroffenheit tendenziell feststellen. Sind durch die Konsolidation der jeweiligen nationalen Streikbetroffenheit in einem ersten Schritt bereits die nationalen Besonderheiten herausgerechnet worden, so läßt sich in einem zweiten Schritt die Aussagekraft im Sinne einer erhöhten Vergleichbarkeit weiter verbessern. Durch die Bildung eines zeitlichen Durchschnittswertes kann ein Mittelwert errechnet werden, der den einzelnen zeitlichen Schwankungen nicht unmittelbar unterworfen ist12. Solch ein zeitlicher Durchschnittswert empfiehlt sich vorliegend besonders deswegen, weil die einzelnen jährlichen Schwankungen doch recht erheblich sind. Für den zeitlichen Durchschnittswert der konsolidierten Streikbetroffenheit (Addition der nationalen Streikbetroffenheiten) läßt sich ein Wert von 0,1365 Arbeitstagen pro Erwerbsperson errechnen, wobei der Durchschnittswert für Belgien bei 0,1312 , der für Österreich bei 0,0053 Arbeitstagen pro Erwerbsperson liegt (0,1312 + 0,0053 = 0,1365).

IL Das tatsächliche Streikgeschehen in Ländern mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung des Streikrechtes Für die Verdeutlichung des tatsächlichen Streikgeschehens in Ländern mit expliziter postivrechtlicher Gewährleistung des Streikrechtes soll hier stellvertretend das tatsächliche Streikgeschehen in Frankreich und in Italien betrachtet werden.

12 Mittelbar hängt selbstverständlich auch der zeitliche Durchschnittswert der (konsolidierten) Streikbetroffenheit von den zeitlich schwankenden Einzelwerten ab.

§ 3 Auswirkungen auf das tatsächliche Streikgeschehen

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Abbildung 2 13 : Konsolidierte Streikbetoffenheit von Frankreich und Italien

Aus der Abbildung lassen sich wieder die nationalen Streikbetroffenheiten Frankreichs und Italiens, sowie die konsolidierte Streikbetroffenheit ablesen. Dabei hat die Abbildung 2 denselben Maßstab wie die Abbildung 1, die die Streikbetroffenheiten in Österreich und Belgien sowie deren Konsolidation abgebildet hat14. Die Konsolidation dient auch hier wieder dazu, die nationalen Besonderheiten zurückzudrängen, um so die Aussagekraft der Kennziffern zu erhöhen. Der Höchstwert der konsolidierten Streikbetroffenheit war im Jahre 1969 und betrug 2,845 verlorene Arbeitstage pro beschäftigter Erwerbsperson. Der niedrigste Wert findet sich im Jahre 1985 und lag bei 0,299 Arbeitstagen pro Erwerbsperson. Im Zeitablauf zeigt sich, daß sowohl die Streikbetroffenheiten der einzelnen Länder als auch die konsolidierte Streikbetroffenheit starken Schwankungen unterworfen war. Dies läßt es besonders wichtig erscheinen, die unmittelbaren Zeiteinflüsse aus der Betrachtung herausnehmen zu können. Geeignet ist auch hier wieder ein zeitlicher Durchschnittswert.

Die Werte sind den jeweiligen Länderberichten entnommen. Dies ist vielleicht auf den ersten Blick wegen der unterschiedlichen Ordinatenwerte nicht erkennbar und soll hier deshalb Erwähnung finden. 14

264

4. Kap.: Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen

Dieser Durchschnittswert lag bei der konsolidierten Streikbetroffenheit bei 1,2963 verlorenen Arbeitstagen pro beschäftigter Erwerbsperson. Er ergibt sich aus der Addition der zeitlichen Mittelwerte von Frankreich (0,1398 verlorene Arbeitstage pro beschäftigter Erwerbsperson) und Italien (1,1565 verlorene Arbeitstage pro beschäftigter Erwerbsperson).

III. Beurteilung des statistischen Vergleichs Für einen statistischen Vergleich eignen sich die zeitlichen Durchschnittswerte der Streikbetroffenheit am besten, da dort die zeitlichen Schwankungen nicht unmittelbar in die Referenzwerte einfließen. Im einzelnen ergibt sich folgendes Bild: Der Durchschnittswert der konsolidierten Streikbetroffenheit lag für die Länder ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes bei 0,1365 verlorenen Arbeitstagen pro beschäftigter Erwerbsperson. Für die Länder mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung betrug er dagegen 1,6963 verlorene Arbeitstage pro beschäftigter Erwerbsperson. Damit überstieg der Durchschnittswert der konsolidierten Streikbetroffenheit der Länder mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung denjenigen der Länder ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung um ein Vielfaches. Auch die einzelnen Durchschnittswerte der nationalen Streikbetroffenheiten der Länder mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung des Streikes lagen alle über denjenigen der Länder ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes. So betrug der Durchschnittswert für Belgien 0,1312, der für Österreich 0,0053 verlorenen Arbeitstagen pro beschäftigter Erwerbsperson. Für Italien lag er dagegen bei 1,1565, für Frankreich bei 0,1398 verlorenen Arbeitstagen pro beschäftigter Erwerbs-person. Da die Streikbetroffenheit ein Maß für die Beeinträchtigung der Wirtschaft durch Streiks ist15, bedeuten die durch den Vergleich gefundenen Ergebnisse, daß in Ländern mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung des Streikes diese Beeinträchtigung größer ist, als in solchen Ländern ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung.

15

Siehe oben, 2.Kapitel, § 3, C, III.

§ 4 Zusammenfassung und Beurteilung der Ergebnisse

265

Damit hat auch das Streikgeschehen in der ersten Ländergruppe (Italien, Frankreich) statistisch gesehen eine größere Bedeutung als in der zweiten Gruppe (Österreich, Belgien).

§ 4 Zusammenfassung und Beurteilung der Ergebnisse des 4.Kapitels Im 4.Kapitel wurden die Auswirkungen der verschiedenen positivrechtlichen Regelungen auf die Gestaltung des Streikes untersucht. Grundlage dieser Untersuchung waren die jeweiligen Länderberichte. Die Auswirkungen auf die Gestaltung des Streikrechtes waren sehr vielgestaltig und betrafen sowohl den Streikbegriff als auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Streikes und seine Rechtsfolgen. Die Auswirkungen auf das tatsächliche Streikgeschehen zeigten, daß das Streikgeschehen in den Ländern mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung des Streikrechtes höher ist als in den Ländern ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung. Für die Beantwortung der gestellten Frage, ob sich für die Bundesrepublik Deutschland eine explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes empfiehlt, muß im folgenden noch zweierlei behandelt werden: Zum ersten ist zu klären, ob auch der in der Bundesrepublik verwendete Streikbegriff mit dem der Musterdefinition übereinstimmt. Dies muß geklärt werden, weil bislang ganz bestimmte Erscheinungen des Arbeitslebens in den verschiedenen Ländern untersucht wurden, und auch der Streik in der Bundesrepublik eine ganz bestimmte, abgegrenzte Erscheinung des Arbeitslebens darstellt. Zum zweiten müssen die ökonomischen Implikationen des Streikes betrachtet werden, da in die Empfehlung maßgeblich ökonomische Überlegungen mit eingehen sollen.

SXapitel

Der Streikbegriff in der Bundesrepublik Deutschland Bislang konnte festgestellt werden, daß die jeweiligen nationalen Streikdefinitionen mit der Musterdefinition im wesentlichen übereinstimmten. Aus diesem Grunde stimmten sie auch untereinander weitgehend überein und regelten daher auch den gleichen Vorgang der realen Welt. Da durch die Begriffsbestimmungen in den einzelnen Ländern der gleiche Vorgang der realen Welt geregelt wurde, war die jeweilige nationale rechtliche Behandlung des Streikes in den betrachteten Ländern (Österreich, Belgien, Frankreich, Italien) einer rechtsvergleichenden Beurteilung zugänglich1. Damit dieser Vergleich auch auf die Bundesrepublik erstreckt werden kann, muß auch dort unter Streik das gleiche verstanden werden, wie nach der Musterdefinition, da dann der Streikbegriff der Bundesrepublik auch mit den Begriffsbestimmungen der rechtsvergleichend betrachteten Länder (Österreich, Belgien, Frankreich, Italien) übereinstimmt. Dies ermöglicht es dann, die aus dem Rechtsvergleich gezogenen Schlüsse auf die Situation in der Bundesrepublik Deutschland zu übertragen.

§ 1 Grundlagen der Streikdefinition in der Bundesrepublik Deutschland Der Streik ist in der Bundesrepublik Deutschland gesetzlich nicht definiert 2. Lediglich in einigen Gesetzesnormen ist der Streik (beiläufig oder indirekt) angesprochen. Die wichtigste dieser Gesetzesnormen ist dabei Art.9 Abs.3 GG3. Da diese Norm inhaltlich allerdings wenig konkret ist, ist die eigentliche Quelle der Ausgestaltung des Streikrechtes - und auch der Begriffsbildung - das Richterrecht - insbesondere die Rechtsprechung des BAG's und (in geringerem Umfange) des BVerfG's 4. 1

Vgl. oben, 4.Kapitel, § 2, Β, V. Siehe etwa Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S . l l ; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S.1267. 3 Gamillscheg, Arbeitsrecht II, Kollektives Arbeitsrecht, RdNr.318. 4 Rüthers in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.5 ff.; Gamillscheg, Arbeitsrecht II, Kollektives Arbeitsrecht, RdNr.318. 2

§ 2 Begriffsmerkmale des Streikes

267

Aufgrund des gesetzlichen "Vakuums" kommt auch der Rechtslehre eine erhöhte Bedeutung zu.

§ 2 Begriffsmerkmale des Streikes in der Bundesrepublik Deutschland Der Begriff des Streikes wird in der Bundesrepublik Deutschland nicht einheitlich definiert. Grob gesprochen läßt sich ein engerer5 und ein weiterer6 Streikbegriff unterscheiden, wobei jedoch diese Begriffe in sich nicht homogen sind, sondern Schattierungen aufweisen. Insofern ist es problematisch, von "dem Streikbegriff der Bundesrepublik Deutschland zu sprechen. Gleichwohl lassen sich jedoch gewisse vorherrschende Meinungen bei der Bestimmung des Begriffsinhaltes des Streikes feststellen. Dies ermöglicht es auch, einen Vergleich mit dem Streikbegriff nach der Musterdefinition durchzuführen, nach der der Streik eine vollständige Arbeitsniederlegung mit kollektivem Charakter zur Durchsetzung bestimmter Regelungsziele ist.

A. Vollständige Arbeitsniederlegung

Die Kampfhandlung der AN muß sich nach der Musterdefinition in einer vollständigen Niederlegung der Arbeit äußern. Dies führte dazu, daß der Bummelstreik und der Dienst nach Vorschrift begrifflich nicht als (echter) Streik angesehen wurden, der intermittierende Streik, der überraschende Streik und der umlaufende Streik dagegen die begrifflichen Voraussetzungen erfüllten. Begrifflich wird auch in der Bundesrepublik Deutschland der Streik als Kampfhandlung der AN verstanden, bei der diese die Arbeit niederlegen7. Fraglich ist jedoch, ob dabei die Arbeitsniederlegung - wie nach der Musterdefinition - eine vollständige sein muß.

5 Der enge Streikbegriff wird etwa von Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 2.Band, 2.Halbband, S.892 ff. vertreten. 6 Für einen weiten Streikbegriff sprechen sich beispielsweise Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.13 ff. aus. Vgl. etwa Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.17; Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, Band II, S.22; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 2.Band, ZHalbband, S.892 f..

268

5. Kap.: Der Streikbegriff in der Bundesrepublik Deutschland

I. Bummelstreik Beim Bummelstreik ist keine vollständige Arbeitsniederlegung gegeben, da die AN lediglich langsamer als gewöhnlich arbeiten. Gleichwohl wird diese Kampfform in Deutschland von der weitaus h.M. begrifflich als Streik eingeordnet8. Wesentlich für diese Einordnung des Bummelstreikes ist nach dieser h.M., daß durch den Bummelstreik eine Störung des AG's intendiert sei, und durch die Kampfaktion darauf abgezielt werde, den Verhandlungswillen des AG's zu beeinflussen9. Hinsichtlich der Einordnung des Bummelstreikes ist daher der Streikbegriff der h.M. in der Bundesrepublik Deutschland weiter als der der Musterdefinition.

IL Dienst nach Vorschrift Auch beim Dienst nach Vorschrift ist keine vollständige Arbeitsniederlegung gegeben, da lediglich die Ordnungs- und Sicherheitsvorschriften übertrieben genau von den AN befolgt werden, insgesamt aber gearbeitet wird. Ebenso wie beim Bummelstreik, so sieht die in der Bundesrepublik h.M.10 bei dem Dienst nach Vorschrift die begrifflichen Voraussetzungen des Streikes als erfüllt an. Die Begründung für diese Einordnung ist die gleiche wie beim Bummelstreik. Bezüglich der Einordnung des Dienstes nach Vorschrift ist daher die Musterdefinition enger als diejenige der bundesdeutschen h.M..

Vgl. etwa Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.17; Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, Band II, S.22; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 2.Band, 2.Halbband, S.892 f.; abweichend lediglich Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, RdNr.314 zu Art.9 GG, der vom Bummelstreik als von einem Kampfmittel streikähnlicher Art spricht. 9 Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.17; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S.1267. 10 Vgl. etwa Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.17; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 2.Band, 2.Halbband, S.893; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S.1267.

§ 2 Begriffsmerkmale des Streikes

III. Intermittierender

269

Streik

Der intermittierende Streik, bei dem die Arbeit in einem Betrieb oder Betriebsteil jeweils kurzfristig niedergelegt und wieder aufgenommen wird, erfüllt sowohl nach der Musterdefinition als auch nach bundesdeutscher Begriffsbestimmung die Definitionsmerkmale des Streikes11. Hinsichtlich des intermittierenden Streikes erfolgt daher die begriffliche Einordnung zwischen Musterdefinition und bundesdeutscher Streikdefinition parallel.

IV. Überraschender

Streik

Ein überraschender Streik ist ein solcher ohne Vorankündigung. Daß ein Streik begrifflich eine Vorankündigung erfordere, wird - soweit ersichtlich - in der Bundesrepublik Deutschland nicht diskutiert12. Es wird vielmehr allgemein davon ausgegangen, daß zur Durchführung eines Streikes von den kampfführenden AN der geeignetste Zeitpunkt gewählt werden könne13. Dadurch erfüllt auch eine Kampfhandlung ohne Vorankündigung die begrifflichen Voraussetzungen des bundesdeutschen Streikbegriffes. Die Beurteilung stimmt insoweit mit derjenigen der Musterdefinition überein.

11 Vgl. etwa Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.13 ff.; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 2.Band, 2.Halbband, S.392 ff.. 12 Vgl. auch hier etwa die umfassende Auseinandersetzung mit dem Begriff des Streikes bei Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.13 ff.; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 2.Band, 2.Halbband, S.892 ff.. 13 Gamillscheg, Arbeitsrecht II, Kollektives Arbeitsrecht, RdNr.320; BAG AP Nr.44 zu Art.9 GG Arbeitskampf, Anm. Richardi.

270

5. Kap.: Der Streikbegriff in der Bundesrepublik Deutschland

V Umlaufender

Streik

Umlaufende Streiks, die dadurch gekennzeichnet sind, daß jeweils nur einzelne Betriebe oder Betriebsteile von den Kampfhandlungen - meist lediglich kurzfristig - ergriffen werden, haben in der Bundesrepublik Deutschland als Kampfmittel der sog. "neuen Beweglichkeit" in jüngster Zeit erhebliche praktische Bedeutung erlangt14. Ihre begriffliche Einordnung als Streik ist dabei in der Bundesrepublik unbestritten und stimmt mit der der Musterdefinition überein.

B. Kollektiver Charakter

Das Begriffsmerkmal des kollektiven Charakters des Streikes hatte zur Folge, daß Arbeitsniederlegungen eines einzelnen AN's sowie Individualkündigungen mehrerer AN (sog. Massenkündigungen) nicht unter den Streikbegriff der Musterdefinition gefallen sind. Dagegen war der Streik einer Minderheit von AN sowie der wilde Streik von dem Streikbegriff der Musterdefinition gedeckt15. Auch in der Bundesrepublik Deutschland wird betont, daß der Streik eine kollektive Kampfform sei16. Entscheidend ist hier für die Einordnung einer Kampfhandlung als Streik, daß eine "bewußt gewollte solidarische Gemeinsamkeit des Handelns"17 vorliegt. Zu klären ist, ob die in der Bundesrepublik bestehende gleiche Ausgangsposition hinsichtlich der Erfordernisse der Kollektivität auch zu den gleichen Abgrenzungen führt, wie sie nach der Musterdefinition vorgenommen wurden.

14 Siehe dazu insbesondere Rüthers in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.90 ff.; Lieb, NZA 1985,265 ff.; Loritz, ZfA 1985,185 ff.; Reuter, JuS 1986,19 ff.; Zöllner, DB 1985,2450; sowie BAG NJW 1985, 85 = DB 1984, 2563 = AP Nr.81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. 15 Siehe dazu oben, l.Kapitel, § 2, Β, II. 16 Insgesamt unbestritten, vgl. etwa Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.13 f.; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 2.Band, 2.Halbband, S.892 f.. 17 BAG AP Nr.l zu Art.9 GG Arbeitskampf.

§ 2 Begriffsmerkmale des Streikes

/. Arbeitsniederlegung

271

eines einzelnen Arbeitnehmers

Lediglich von einer Mindermeinung18 in der Bundesrepublik Deutschland wird es für möglich gehalten, daß in der Arbeitsniederlegung eines einzelnen AN's begrifflich ein Streik begründet sein könne. Dagegen betont die weitaus überwiegende Meinung, daß es für den Streik begrifflich erforderlich sei, daß er von mehreren AN durchgeführt werde19. Folgt man dieser überwiegenden Meinung, so kann die Arbeitsniederlegung eines einzelnen AN's begrifflich keinen Streik darstellen. Insoweit stimmt dazu auch die bundesdeutsche Begriffsbestimmung mit derjenigen der Musterdefinition überein.

II. Individualkündigungen Ob Individualkündigungen mehrerer AN (sog. Massenkündigungen) begrifflich dem Streik unterfallen, ist in der bundesdeutschen Rechtswissenschaft nicht unumstritten. Teilweise werden Massenkündigung der AN, insbesondere in der Form der Massenänderungskündigungen, dem Streik begrifflich zugeordnet20, teilweise werden sie auch rein individualrechtlich verstanden21. Nach der ersten Auffassung, die insbesondere auch von der Rechtsprechung des BAG's22 vertreten wird, liegt ein Unterschied zu der Begriffsbestimmung der Musterdefinition vor. Die zweite Auffassung deckt sich dagegen mit der Musterdefinition.

Müller, Arbeitskampf und Arbeitskampfrecht, insbesondere die Neutralität des Staates und verfahrensrechtliche Fragen, S.96; wohl auch Däubler, Arbeitskampfrecht, RdNr.59. 19 Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.13; Gamillscheg, Arbeitsrecht II, Kollektives Arbeitsrecht, Rdnr.318; Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, Band II, S.l; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S.l268. 20 Brox/Dudenbostel, DB 1979, 1841 ff.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S.1270; Söllner, Arbeitsrecht, S.73. 21 Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 2.Band, 2.Halbband, S.889; Säcker, DB 1967,1086 ff.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S.1270; Söllner, Arbeitsrecht, S.73. 22 BAGE 1, 313; 3, 27a, BAG AP Nr.37 zu Art9 GG Arbeitskampf.

272

5. Kap.: Der Streikbegriff in der Bundesrepublik Deutschland

III. Streik einer Minderheit von Arbeitnehmern Befindet sich nur eine Minderheit von AN im Ausstand, so hindert dies die absolut h.M. in der Bundesrepublik Deutschland nicht, dieser Handlung kollektiven Charakter zuzuerkennen und von dem Vorliegen der begrifflichen Voraussetzungen des Streikes auszugehen23. Die Einordnung solch einer Arbeitsniederlegung durch eine Minderheit von AN als Streik erfolgt daher durch die Musterdefinition und durch die bundesdeutsche Begriffsbestimmung parallel.

IV. Wilder Streik Damit die begrifflichen Voraussetzungen eines Streikes vorliegen können, ist es in der Bundesrepublik Deutschland nach übereinstimmender Auffassung nicht erforderlich, daß der Streik gewerkschaftsgetragen ist24. Der kollektive Charakter des Handelns wird vielmehr allein durch das Zusammenwirken der AN bewirkt25; eine gewerkschaftliche Beteiligung ist insoweit nicht vonnöten. Dies entspricht den Abgrenzungen der Musterdefinition, so daß insoweit die Begriffsbestimmungen übereinstimmen.

C. Durchsetzung bestimmter Regelungsziele

Daß der Streik der Durchsetzung bestimmter Regelungsziele dient, ist die dritte begriffliche Streikvoraussetzung nach der Musterdefinition. Diese Voraussetzung führte dazu, daß einerseits nach der Musterdefinition lediglich Regelungsstreitigkeiten, nicht jedoch Rechtsstreitigkeiten unter den Streikbegriff zu subsumieren waren. Andererseits war jedoch keine bestimmte

23 Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.19; Gamillscheg, Arbeitsrecht II, Kollektives Arbeitsrecht, RdNr.318; Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, Band II, S.17; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 2.Band, 2.Halbband, S.899; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S.1268; Seiter, Streikrecht und Aussperningsrecht, S.324 f.; Söllner, Arbeitsrecht, S.71. 24 Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.29; Hueck/ Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 2.Band, 2.Halbband, S.897; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S.1280 f.; Söllner, Arbeiterecht, S.71,73 ff.. 25 Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.13.

§ 2 Begriffsmerkmale des Streikes

273

inhaltliche Ausrichtung des Regelungszieles - etwa im Sinne einer Berufsbezogenheit des Streikes - erforderlich, so daß auch politische Streiks begrifflich möglich waren. Das Erfordernis, daß der Streik begrifflich der Durchsetzung eines bestimmten Zieles dienen müsse, wird auch in der Bundesrepublik Deutschland aufgestellt26. Insoweit stimmen die Begriffebestimmungen in ihrer Ausgangsposition überein. Zu überprüfen bleibt jedoch, ob auch die weiteren Abgrenzungen hinsichtlich des Kampfzieles gleich sind.

I. Regelungsstreit Ob der Streik in der Bundesrepublik Deutschland begrifflich der Durchsetzung von Regelungszielen dienen muß, ist umstritten. Eine Mindermeinung in der Literatur ist der Auffassung, daß der Streik auch der Durchsetzung von Rechten dienen könne27 (etwa der Erfüllung rückständiger Lohnforderungen). Demgegenüber ist nach der h.M.28 der Streik eine Regelungskonflikt. Begriffenotwendig ist nach ihr, daß der Streik auf die Schaffung neuer Rechtsansprüche gerichtet ist. Die h.M. stimmt hinsichtlich der Frage, ob der Streik ein Regelungsziel verfolgen muß, mit der Musterdefinition überein.

IL Politischer Streik Ebenso wie nach der Musterdefinition, so wird auch nach der Begriffebestimmung der h.M.29 in der Bundesrepublik Deutschland ein politischer Streik für möglich gehalten. Eine bestimmte inhaltliche Ausrichtung des Streikzieles wird nicht verlangt.

26

Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.15; Hueck/ Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 2.Band, 2.Halbband, S.870 ff.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S.1269; Söllner, Arbeitsrecht, S.73; a.A. Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht, S.294 ff.. 27 Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.15. 28 Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 2.Band, 2.Halbband, S.880 ff.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S.1269; Söllner, Arbeitsrecht, S.73. 29 Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.14 f.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S.1268 f., 1272; Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht, S.586 ff.; Söllner, Arbeitsrecht, S.74. 18 Bohr

274

5. Kap.: Der Streikbegriff in der Bundesrepublik Deutschland

Lediglich von einer Mindermeinung in der Literatur wird eine inhaltliche Ausrichtung des Streikzieles für notwendig erachtet30. Nach dieser Mindermeinung sind lediglich tarifbezogene Regelungsstreits begrifflich dem Streik zuzuordnen, so daß der politische Streik begrifflich keinen (echten) Streik darstelle. Nur wenn man dieser absoluten Mindermeinung folgt, unterscheiden sich hinsichtlich der Einordnung des politischen Streikes die Musterdefinition und die bundesdeutsche Streikdefinition.

§ 3 Zusammenfassung Der Streikbegriff der h.M. in der Bundesrepublik Deutschland stimmt weitgehend mit der Begriffsbestimmung nach der Musterdefiniton überein. Unterschiede bestehen allerdings vor allem hinsichtlich der möglichen Kampfhandlungen. So werden Bummelstreiks und Dienst nach Vorschrift in der Bundesrepublik überwiegend begrifflich als Streik angesehen. Hinsichtlich des Definitionsmerkmales des kollektiven Charakters und der Durchsetzung bestimmter Regelungsziele werden von der h.M. in der Bundesrepublik die gleichen Abgrenzungen vorgenommen wie nach der Musterdefinition. Da die bundesdeutsche Streikdefinition mit der Musterdefinition weitgehend übereinstimmt, regelt sie auch den gleichen Sachverhalt der realen Welt, wie die nationalen Streikdefinitionen der rechtsvergleichend betrachteten Länder Österreich, Belgien, Frankreich, Italien. Dies ergibt sich daraus, daß die jeweiligen nationalen Streikdefinitionen dieser Länder ebenfalls ein hohes Maß an Übereinstimmung gegenüber der Musterdefinition aufgewiesen habe. Aus diesen Gründen sind daher die rechtsvergleichend gefundenen Ergebnisse auf die Situation in der Bundesrepublik Deutschland übertragbar.

30

Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 2.Band, 2.Halbband, S.884 ff..

0

dL

Zeuthen, Archiv für Sozialwissenschaft 1929,271,279 ff.. Zeuthen, Archiv für Sozialwissenschaft 1929,271.

310

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

was bedeutet, daß ihre Konfliktwahrscheinlichkeit C A G mit wachsender Lohnhöhe steigt115. Daher gibt es einen Punkt χ auf der Lohnskala, an dem die Konfliktwahrscheinlichkeiten gleich sind. Bei diesem Lohn kommt es nach Zeuthen zu einer Einigung. χ stellt daher einen Gleichgewichtslohn dar.

Konfliktwahrscheinlichkeit und Lohnhöhe nach Zeuthen 116

Ebenso wie die Lohnfindungstheorie von Hicks, so hat auch die Risikotheorie erhebliche sachliche Kritik erfahren 117. Diese Kritik bezieht sich zum einen darauf, daß es nicht unbedingt zu einem Gleichgewichtslohn χ kommen muß, wie von Zeuthen unterstellt. Zum anderen wird bemängelt, daß die Risikotheorie nichts über die Art und Weise des Kompromisses bei der Einigung auf den Gleichgewichtslohn χ aussagt. Vielmehr wird dieser in den Datenkranz der Parteien verwiesen118. Dies ist auch genau der Kritikpunkt, der sich bei der hier zu betrachtenden Frage der Streiknotwendigkeiten ergibt. 115 Zeuthen, Archiv für Sozialwissenschaft 1929,271,292. Eine Fortführung der Lohnfindungstheorie und eine Einbettung in die übrigen Bereiche der Volkswirtschaft findet sich in Zeuthen, Economic Theory and Method, S.291 ff.. 116 Abbildung nach Zeuthen, Archiv für Sozialwissenschaft 1929,271, 292. 117 Vgl. dazu Keller, Theorien der Kollektiwerhandlungen, S.40; Külp, Lohnbildung im Wechselspiel zwischen politischen und wirtschaftlichen Kräften, S.145. 118 Külp, Lohnbildung im Wechselspiel zwischen politischen und wirtschaftlichen Kräften, S.145.

§ 2 Systemimmanente Notwendigkeiten f r die Existenz von Streiks

311

3. Allgemeine Verhandlungstheorien auf spieltheoretischer Basis

Als weitere Entwicklung der Lohnfindungstheorie ist vor allem auf die allgemeinen Verhandlungstheorien auf spieltheoretischer Basis hinzuweisen. Entwickelt wurden sie von Nash119 und Harsanyi120. Dabei stützen sie sich in ihren Annahmen auf die Vorarbeiten (vor allem in mathematischer und formallogischer Hinsicht) John von Neumanns und Oskar Morgensterns121. Ausgangspunkt dieser Theorien ist die Überlegung, daß es Fälle gibt, bei denen die Verhandlungspartner über mehrere Aktionsparameter verfügen, von denen a priori keiner die beste Lösung gewährleistet122. Des weiteren wird unterstellt, daß bei jedem Spiel (jeder Lohnverhandlung) ein Gewinn oder Verlust realisiert wird 123. Auch die allgemeinen Verhandlungstheorien liefern jedoch keine Antwort auf die Frage nach der Notwendigkeit von Streiks in einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung. Dies beruht insbesondere darauf, daß die Strukturen der Aktionsparameter im Hinblick auf Streiks nicht untersucht werden.

119 Grundlegend Nash, Econometrica 1950, 155 ff.; ders. Ecnometrica 1953, 128 ff.. Jüngst zu den Theorien Nash's: Binmore/Dasgupta, The Economics of Baigaining. 120 Harsanyi, Econometrica 1965,144 ff.. 121 v.Neumann/Morgenstern, Theory of Games and Economic Behaviour. 122 Morgenstern, Jahrbuch der Sozialwissenschaft 1950,113 und 122. Dies ist vor allem der wesentliche Unterschied zu den bislang vorgestellten Theorien, die als Aktionsparameter lediglich den Streik operationalisiert hatten. 123 Külp, Lohnbildung im Wechselspiel zwischen politischen und wirtschaftlichen Kräften, S.157.

312

6.Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

4. Theorie der Trucking Games Eine der jüngsten Theorien über den Lohnfindungsprozeß stellen die sogenannten "Trucking-Games" von Morton Deutsch und Robert M. Krauss124 dar. Die Autoren beziehen in ihre Untersuchungen ausdrücklich psychologische Faktoren ein und beschäftigen sich mit der Wirkung dieser Faktoren auf die interpersonellen Verhandlungen. Die Ableitung der Schlußfolgerungen stützt sich auf folgendes Experiment125: Versuchspersonen sollten die Rollen von Fuhrunternehmern spielen, die Ware von einem Ort zum anderen zu bringen hatten. Insgesamt bestanden zwei Unternehmen, A und B. Die Teilnehmer konnten bei ihrer Fahrt zwischen zwei Wegen wählen, einem längeren und einem kürzeren. Wählten sie den längeren Weg, so hatten sie weniger Gewinn als bei Wahl des kürzeren Weges. Das Problem der Drohmöglichkeiten und Kampfmaßnahmen wurde von Deutsch/Krauss dabei dergestalt operationalisiert, daß die kürzere Strecke zum Teil von beiden Unternehmen gemeinsam befahren werden mußte, was aber nicht synchron ging, da die Strecke nur einspurig war. An jedem Ende des Engpasses befand sich ein Tor, das je von einem Unternehmen kontrolliert wurde126. Bei der Durchführung des Experiments wurden die Möglichkeiten, die Tore zu schließen, variiert 127. Im ersten Durchgang bestanden bilaterale Drohmöglichkeiten, d.h. beide Unternehmen konnten die Tore schließen. Im zweiten Durchgang hatte nur ein Unternehmen diese Möglichkeit (unilaterale Drohmöglichkeit). Im dritten Durchgang bestand überhaupt keine Torkontrolle.

124 Soweit ersichtlich, handelt es sich hierbei um die letzte bedeutende Entwicklung innerhalb der Theorien der Lohnfindung. 125 Deutsch/Krauss, in: Shubik (Hrsg.), Spieltheorie und Sozialwissenschaften, S.339 ff.. 126 Keller, Theorien der Kollektiwerhandlungen, S.143. 127 Deutsch/Krauss, in: Shubik (Hrsg.), Spieltheorie und Sozialwissenschaften, S.346.

§ 2 Systemimmanente Notwendigkeiten f r die Existenz von Streiks

Experiment von Deutsch/Krauss

313

128

Die Versuche wurden mehrmals wiederholt. Im Ergebnis zeigte sich, daß die aggregierten Gewinne der Fuhrunternehmer dann am höchsten waren, wenn keine Partei die Möglichkeit hatte, ein Tor zu schließen. Am niedrigsten waren die gemeinsamen Gewinne bei bilateralen Schließungsmöglichkeiten. Nach Deutsch/Krauss ergibt sich folgender graphischer129 Zusammenhang zwischen Gewinnen und Schließungsmöglichkeiten der Tore während mehrerer Spielrunden.

128

Abbildung nach: Deutsch/Krauss, in: Shubik (Hrsg.), Spieltheorie und Sozialwissenschaften,

S.344. 129

Deutsch/Krauss, in: Shubik (Hrsg.), Spieltheorie und Sozialwissenschaften, S.347.

314

ó.Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

1

5



15-

20

Zusammenhang zwischen Gewinnen und Schließungsmöglichkeiten der Tore

130

Die Experimente von Deutsch/Krauss mit den "Trucking Games" beziehen sich auf den ersten Blick nicht auf Lohnverhandlungen und Arbeitskämpfe. Das Interessante an ihnen ist jedoch, daß mit den Experimenten eine vergleichbare Situation untersucht wurde: Sowohl bei den Lohnverhandlungen als auch bei den "Trucking Games" versuchen die Parteien das Ergebnis ihres Verhaltens zu optimieren. Zur Durchsetzung der angestrebten Ziele stehen ihnen verschiedene Druckmittel zur Verfügung. Bei den Arbeitskämpfen sind dies Streik und Aussperrung, bei den Experimenten von Deutsch/Krauss die beiden Tore, die geschlossen werden können. Auch aus einem zweiten Grunde verdienen die dargelegten Experimente eine besondere Beachtung. Hier wird nämlich explizit der Einfluß verschiedener Verhandlungsmethoden auf das Verhandlungsergebnis hin untersucht. Dies war bei den anderen, oben dargestellten Lohntheorien (Hicks'sche Lohntheorie, Risikotheorie, allgemeine Verhandlungstheorie) nicht der Fall. Dort wurden bestimmte Verhandlungsweisen der Lohnfindungsparteien lediglich vorausgesetzt. Das von Deutsch/Krauss gefundene Ergebnis führt zu der Schlußfolgerung, daß Arbeitskämpfe bei Lohnverhandlungen zu einem schlechteren Ergebnis für beide Parteien führen als Lohnverhandlungen ohne Arbeitskämpfe. Dieses Resultat mag zwar auf den ersten Blick hin verwunderlich erscheinen, eine Erklärung kann jedoch möglicherweise darin gesehen werden, daß wegen der Druckmöglichkeiten durch die Schließungsmöglichkeiten der Tore kompeti130

S.347.

Abbildung nach: Deutsch/Krauss, in: Shubik (Hrsg.), Spieltheorie und Sozialwissenschaften,

§ 2 Systemimmanente Notwendigkeiten für die Existenz von Streiks

315

tive Elemente entstehen. Bestehen diese Druckmöglichkeiten nicht, so sind die Parteien kooperativer131 undfinden eher zu einer Einigung, die beide Seiten zufriedenstellt 132. Schlußfolgernd läßt sich sagen, daß nach den Untersuchungen der "Trucking-Games" Streiks nicht nur nicht notwendig zu einer Lohnfindung sind, sondern sogar eher schädlich.

V. Zusammenfassung Eine systemimmanente Notwendigkeit von Streiks in der Marktwirtschaft besteht nicht. Weder ist der Streik als Korrektur eines ökonomischen Herrschaftsverhältnisses noch als Korrektur der Ausbeutbarkeit des Faktors Arbeit notwendig. Auch ein mögliches Marktversagen mit der Konsequenz der Erforderlichkeit des Streikes besteht nicht. Ebenso führt die Art und Weise der Lohnverhandlungen nicht unbedingt dazu, den Streik als unabdingbar zur Lohnfindung anzuerkennen. Häufig setzen sich die Lohntheorien mit der Notwendigkeit des Streikes überhaupt nicht auseinander. In dem Fall, wo eine solche Auseinandersetzung geschieht, führt das zu dem Ergebnis, daß die Resultate der Lohnfindung ohne Arbeitskämpfe durchweg günstiger wären.

131

Deutsch/Krauss, in: Shubik (Hrsg.), Spieltheorie und Sozialwissenschaften, S.352. Die Experimente und die Schlußfolgerungen von Deutsch und Krauss haben verschiedentlich heftige Kritik erfahren. Diese vermag jedoch nicht zu uberzeugen, da sie nicht berücksichtigt, daß die Theorie der "Trucking-Games" nur eine umgrenzte Aussage machen will und keine Allgemeingültigkeit ihrer Ergebnisse anstrebt. Vgl. zu der Kritik die gute Übersicht mit Literaturhinweisen bei Keller, Theorien der Kollektivverhandlungen, S.146 ff., 157 ff.. 132

316

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks A. Vorbemerkung

Im vorigen Abschnitt wurde dargelegt, daß der Streik der Marktwirtschaft nicht immanent ist. Insofern besteht keine Notwendigkeit, ihn anzuerkennen. Eine Anerkennung und Zulassung des Streikes könnte jedoch dann geboten sein, wenn er positive wirtschaftliche Auswirkungen hätte. Bei der Untersuchung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Streikes lassen sich kurzfristige und langfristige Effekte unterscheiden1, die einer getrennten Behandlung unterzogen werden sollen. Es ist nämlich durchaus möglich, daß kurzfristige positive Auswirkungen langfristig negativ zu bewerten sind und umgekehrt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß für eine Volkswirtschaft die langfristigen Entwicklungen von entscheidender Bedeutung sind. Das heißt jedoch nicht, daß kurzfristige Betrachtungen keine Bedeutung hätten. Zum einen können kurzfristig durchaus bedeutungsvolle - sowohl positiv als auch negativ zu bewertende - Entwicklungen sichtbar werden, die in der langfristigen Betrachtung durch den Einfluß der Zeitanpassung wegfallen können. Zum anderen ist es oftmals auch nur möglich, zu kurzfristigen Entwicklungen fundierte Aussagen zu formulieren. Aus diesen Gründen soll hier versucht werden, sowohl die kurzfristigen als auch die langfristigen Auswirkungen von Streiks zu analysieren. Dieser Analyseversuch soll durch eine Abwägung der streikbedingten Vorund Nachteile im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse2 erfolgen, soweit dies möglich ist. Dabei können sich erhebliche Schwierigkeiten sowohl methodischer als auch logischer und statistischer Art ergeben.

1 Zur zeitlichen Differenzierung der wirtschaftlichen Betrachtung, Stobbe, \blkswirtschaftslehre II, MikroÖkonomik, S.13. 2 Im Ansatz ebenso Bertelsmann, Aussperrung, S.256 ff.; Fisher, Measurement of Labour Disputes and their Economic Effects, S.179 ff.. Zu den grundsätzlichen Problemen einer objektiven, d.h. intersubjektiv übertragbaren Kosten-Nutzen-Analyse vgl. Hesse, G., 1975.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

317

I. Methodische Probleme Bei der Abwägung der streikbedingten Vor- und Nachteile im Rahmen der Kosten-Nutzen-Analyse werden jeweils einzelne Posten isoliert betrachtet einer Bewertung unterzogen. Dadurch können Interdependenzen der einzelnen Vorund Nachteile nur schwer berücksichtigt werden. Zu beachten ist jedoch, daß in der realen Welt die einzelnen Vor- und Nachteile nicht unabhängig voneinander sind, sondern aufeinander wechselseitige Einflüsse und Rückwirkungen haben3. Auf diese Einflüsse kann jedoch aufgrund der Methodenwahl in der hier vorzunehmenden Untersuchung nicht eingegangen werden4. Dies ist sicherlich ein ernstzunehmender Einwand gegen den gewählten Ansatz, da durch die Berücksichtigung von Interdependenzen es durchaus zu einer veränderten Bewertung der einzelnen Posten der Kosten-Nutzen-Rechnung kommen kann. Gleichwohl überwiegen jedoch die positiven Kriterien für den gewählten methodischen Ansatz. Zum einen ist die reale Welt in ihrer Struktur zu komplex, um durch einfache Modelle erfaßt werden zu können. Zum anderen gewährleistet die Kosten-Nutzen-Analyse eine klare Einordnung der jeweiligen Posten. Selbst wenn daher die einzelnen Interdependenzen zu anderen Quantifizierungen führen sollten, so ist doch die Kosten-Nutzen-Analyse ein einfaches und geeignetes ökonomisches Modell, das zumindest die Tendenz der Auswirkungen des Streikes klar widerspiegelt.

II. Logische Probleme Neben den dargestellten methodischen Schwierigkeiten bestehen bei der Kosten-Nutzen-Analyse logische Einordnungsprobleme.

3 Auch Stobbe, Volkswirtschaftslehre II, MikroÖkonomik, S.12,18 betont, daß im Prinzip jede ökonomische Variable direkt oder indirekt jede andere Variable beeinflußt, so daß eine allgemeine ökonomische Interdependenz besteht. 4 Nach Stobbe, Volkswirtschaftslehre II, MikroÖkonomik, S. 18 ist es einaussichtloses Unterfangen, zu versuchen, eine ökonomische Variable vollständig durch andere Variablen zu erklären, da dies wegen der allgemeinen ökonomischen Interdependenzen unmöglich sei.

318

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Ein Ereignis kann nur dann auf ein anderes Ereignis hin zurückgeführt werden, wenn es kausal mit ihm zusammenhängt5. Die Feststellung der Kausalität kann jedoch mitunter Schwierigkeiten aufwerfen. So kann es beispielsweise fraglich sein, ob eine Lohnerhöhung wirklich auf einen Streik logisch zurückzuführen ist, oder ob sie nicht auch ohne Streik zustandegekommen wäre. Dies könnte etwa durch Verhandlungen geschehen sein6. In diesem Falle wäre die Lohnerhöhung nur anläßlich des Streikes erfolgt 7. Bei der Kosten-Nutzen-Analyse des Streikes stellt sich diese logische Problematik in besonderem Maße. Dies beruht vor allem auf zwei Gründen: Erstens stehen für eine Berechnung der Streikfolgen im günstigsten Falle nur statistische Erhebungen zur Verfügung. Diese lassen lediglich eine Zeitentwicklung der Daten erkennen, die höchstens Aussagen über Korrelationen gestatten8. Eine logische Aussage über die Kausalität selbst ist jedoch mit statistischen Methoden nicht möglich. Zweitens ist es kaum möglich, die an den Verhandlungen anläßlich des Streikes Beteiligten nach ihrer Motivation und den Bestimmungsgründen ihres Verhaltens zu befragen. Aber selbst wenn es möglich wäre, einzelne Mitglieder der jeweiligen Kampfparteien einer solchen Befragung zu unterziehen, so könnte immer noch nicht geklärt werden, worauf eine Einigung im Rahmen eines Arbeitskonfliktes als multipersonelle Handlung beruht, worauf sie also logisch zurückzuführen ist. Diese Schwierigkeiten sind bei der Bewertung der Kosten-Nutzen-Analyse zu beachten.

III. Statistische Probleme Eine dritte Problematik der Kosten-Nutzen-Analyse besteht darin, ausreichend quantifizierbare Daten zu erlangen.

Zur Kausalität vgl. Larenz, Schuldrecht, Band I, Allgemeiner Teil, S.401 ff.; Hartmann, Der Aufbau der realen Welt, S.314 ff., sowie oben, 4.Kapitel, § 3 A 6 Vgl. dazu etwa oben, ó.Kapitel, § 2, Β, IV, 4, das Modell der "Trucking-Games". 7 In der juristischen Terminologie würde man sagen, daß der Streik nicht conditio sine qua non der Lohnerhöhung war. 8 Zu der Ableitung von Zusammenhängen in der Statistik vgl. etwa Härtung, Statistik, S.545 ff..

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

319

In der Bundesrepublik Deutschland ist die Erhebung von statistischen Daten im Bezug auf den Streikkomplex recht spärlich9. Genauere Aussagen quantitativer Art können sich daher als recht schwierig und eventuell auch als unmöglich herausstellen. In diesen Fällen muß versucht werden, die Analyse auf qualitative Aussagen zu beschränken. Infolge dieser statistischen Unzulänglichkeiten kann möglicherweise eine genaue Kosten-Nutzen-Analyse nicht erfolgen.

B. Kurzfristige Auswirkungen von Streiks

Streiks können sowohl kurzfristige Einflüsse auf Wirtschaftssubjekte als Einzelne ausüben, als auch auf Sektoren der Volkswirtschaft, sowie auf das Wirtschaftssystem als Ganzes10. Die Auswirkungen können jeweils unterschiedlich sein. Deswegen sollen nachfolgend sowohl die kurzfristigen Auswirkungen des Streikes auf einzelne Wirtschaftssubjekte (Mikroökonomische Aussagen) als auch auf Wirtschaftssektoren und die Gesamtwirtschaft (Makroökonomische Auswirkungen) betrachtet werden11.

/. Mikroökonomische Auswirkungen Wirtschaftssubjekte, die durch den Streik betroffen werden, sind zunächst einmal die streikenden AN sowie die bestreikten AG. Daneben werden aber auch die nichtStreikenden A N und die nichtStreikenden AG, sowie auch die Gewerk-

schaften durch den Arbeitskampf berührt.

9 So auch Geschäftsführung des WSI (Hrsg.), WSI-Arbeitsmaterialien Nr.lO, S.III; Klemm, Ökonomische Analyse, S.86; Plander, DB 1987, Beilage Nr.13, S.3. Auch das BAG beklagt sich darüber, daß "rechtstatsächliche Untersuchungen der Folgen von ... Streiks ... fehlen", BAG DB 1980, 1266 = AP Nr.64 zu Art.9 GG Arbeitskampf. 10 Zu der Art und Weise der Sektorenbildung vgl. etwa Stobbe, Volkswirtschaftslehre I, \blkswirtschaftliches Rechnungswesen, S.15, die Vor- und Nachteile der Sektorenbildung sind dargestellt auf S.82 f., sowie bei Felderer/Homburg, MakroÖkonomik und neue MakroÖkonomik, S.18 f.; Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S.5 f.. 11 Die Abgrenzung von MikroÖkonomik zu MakroÖkonomik behandeln Felderer/Homburg, MakroÖkonomik und neue MakroÖkonomik, S.18 ff.; Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S.5 f..

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

320

1. Auswirkungen auf kampfbeteiligte Arbeitnehmer Aus der Sicht des einzelnen AN's kann der Streik als Investitionstätigkeit12 verstanden werden, die zwar Kosten verursacht, aber auch Erträge bringt. Überwiegen die Erträge, so lohnt sich die Investition, Überwiegen die Kosten, so lohnt sie sich nicht. Unterschiedliche Bestimmungsgründe bestehen bei den kampfbeteiligten AN, die einer Gewerkschaft angehören und solchen, die nicht Mitglied einer AN-Koalition (tarifliche Außenseiter) sind. Die Kosten-Nutzen-Analyse soll daher für beide Gruppen getrennt durchgeführt werden.

a. Kampfbeteiligte

Arbeitnehmer sind Gewerkschaftsmitglieder

aa. Kosten α) Vergütungsanspruch Streikende AN haben keinen Lohn- und Gehaltsanspruch gegenüber dem AG 13 . Ebenso wie die streikenden AN bei einem Streik nicht zur Arbeit verpflichtet sind, so ruht auch die Verpflichtung des AG's zur Erbringung der vertraglichen Gegenleistungen14. Dieses Ruhen gilt dabei für alle Formen der Vergütung, welche sowohl zeitabhängig, leistungsorientiert oder auch sozialbestimmt sein können. In seiner Höhe ist der Verlust des Vergütungsanspruches naturgemäß von der Dauer des jeweiligen Streikes abhängig. Im Zeitablauf lassen sich für die Bundesrepublik Deutschland erhebliche Schwankungen bei Arbeitskämpfen feststellen.

12

Eaton, ILRR 1972, 670; Kleinhückelskoten, Untersuchungen zu einer mikroökonomischen Theorie der Gewerkschaften S.103. 13 Allg. Ansicht, vgl. nur Brox in: Brox/Rùthers, Arbeitskampfrecht, S.182; Gaul, Das Aibeitsrecht im Betrieb, Band II, S.68 m.w.N.. 14 Das folgt aus der Suspendierungstheorie des BAG; grundlegend dazu BAG AP Nr. 1 zu Art.9 GG Arbeitskampf. Einen dogmatischen Begründungsversuch gibt Picker, JZ 1979, 285 ff..

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

321

Lohneinbußen bei Arbeitskampfen 15

Jahr

1984

1985

1986

Durchschnittlicher Bruttolohn der abhängig Beschäftigten in DM

144,6

150,2

155,8

161,4

Arbeitskampf dauer in Tagen insgesamt

5617595

34505

27946

33325

Anzahl der durchschnittlich beteiligten AN

537626

78187

115522

154966

1510,9

66,3

37,7

34,7

Durchschnittlicher Lohnverlust pro beteiligtem AN in DM

1987

Diese Kosten - die sich allerdings in der Tabelle auf Arbeitskämpfe 16 insgesamt beziehen - hat der AN bei seiner Streikentscheidung zu berücksichtigen.

ß) Erstattungen im Krankheitsfalle Neben dem Lohnverlust als Aufwendungen des AN's bei einem Streik können des weiteren auch noch Kosten auftreten, die den AN deswegen treffen, weil er während eines Streikes erkrankt ist. Im Regelfalle besteht bei einer Erkrankung des AN's eine Gehalts- bzw. Lohnfortzahlungspflicht des AG's. Sierichtetsich bei Angestellten nach §§ 616 BGB, 63 HGB, 133c GewO, bei gewerblichen AN nach § 1 LFG.

Quellen: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch, laufende Jahrgänge; eigene Berechnungen. 16 Die statistischen Erhebungen unterscheiden bei Arbeitskämpfen in der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig nicht zwischen Streik und Aussperrung. 21 Bohr

322

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Diese Fortzahlungspflicht des AG's wird durch einen Streik im Grunde nicht berührt17. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn sich der erkrankte AN aktiv am Streik beteiligt bzw. als Kampfbeteiligter während des Streikes erkrankt18. In einem solchen Fall ist für eine Lohn- oder Gehaltsfortzahlung kein Raum19. Der Verlust dieser Ansprüche muß von dem AN in seine Kostenrechnung einbezogen werden. Weitere Aufwendungen innerhalb der Kosten-Nutzen-Analyse könnten dem streikenden AN dadurch auferlegt werden, daß er keine Leistungen der Krankenkasse mehr beanspruchen könnte. Die Rechtslage hinsichtlich Ansprüchen der Streikenden gegenüber der Krankenversicherung ist durch das sog. Gesundheitsreformgesetz ab.l.1.1989 geändert worden20. Bis dahin wurde die Frage der Krankenversicherung im Rahmen von Streiks indirekt aus § 311 Satz 1 Nr.l RVO beantwortet21, welcher durch das Gesundheitsreformgesetz aufgehoben worden ist. Ausgangspunkt war, daß im Sinne des Sozialversicherungsrechtes bei (legalen) Streiks das Beschäftigungsverhältnis fortbesteht 22. Damit war die Grundlage dafür gegeben, daß ein kampfbeteiligter AN weiterhin Mitglied der Krankenversicherung blieb und Ansprüche ihr gegenüber gelten machen konnte. Das Fortbestehen hinsichtlich der Krankenversicherung wurde jedoch auf drei Wochen nach Arbeitskampfbeginn begrenzt23. Damit hatte ein AN, der während eines Streikes arbeitsunfähig erkrankt war, selbst dann einen Anspruch auf Krankengeld, wenn ohne den Streik ein Anspruch des AN's auf Lohn- und Gehaltsfortzahlung gegenüber dem AG bestanden hätte.

17 Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band 2, 2.Halbband, S.959; Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht, § 2013a; BAG BB 1973,1490; BAG AP Nr.31 zu § 1 ArbeitskrankhG. 18 Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, Band II, S.68. Es kann jedoch nicht zulasten eines erkrankten AN's unterstellt werden, daß er streiken würde; vgl. dazu auch Brox in: Brox/RÜthers, Arbeitskampfrecht, S.404 ff.. 19 Brox in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.406; a. A Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht, S.299 ff.. 20 Siehe dazu Kreßel/Wollenschläger, Leitfaden zum Sozialversicherungsrecht, S.30 ff. 21 Dazu Gaul, Das Arbeitsrecht im Betieb, Band II, S.74. 22 Diese Bewertung folgt aus der Suspendierungstheorie des BAG, nach der bei einem Arbeitskampf grundsätzlich lediglich die Hauptleistungspflichten aufgehoben werden, das Arbeitsverhältnis als solches jedoch bestehen bleibt. Grundlegend dazu BAG AP Nr.l zu Art.9 GG Arbeitskampf. Siehe auch 6. Kapitel, § 3, Β, I, a, aa, α. Eingehend auch Jülicher in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.476 ff.. 23 Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, Band II, S.74.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

323

Trotz der dreiwöchigen Weiterversicherung bestand keine Pflicht des AN's zur Beitragsleistung gegenüber der Krankenversicherung während der Zeit des Streikes, da die Beiträge nur von dem tatsächlich erhaltenen Arbeitsentgelt des AN's zu entrichten waren (dies ergab sich aus § 394 Abs.l RVO)24. Nach Ablauf jener drei Anfangswochen des Streikes mußte der AN die Kosten seiner Krankheit selbst tragen. Streiks, die länger als drei Wochen dauern, waren und sind jedoch in der Bundesrepublik Deutschland äußerst selten25. Das Risiko, während eines Streikes keine Unterstützung der Krankenkasse zu erlangen, war daher für den einzelnen AN bis zum Jahre 1989 recht gering. Im Rahmen der Neuregelung durch das Gesundheitsreformgesetz ist die Frage der gesetzlichen Krankenversicherung bei einem Streik, die ja bis dahin indirekt aus einer Gesetzesvorschrift abgeleitet wurde, ausdrücklich geregelt worden. Maßgebliche Rechtsnorm ist dabei § 192 Abs.l Nr.l SGB V. Nach der dort vorgenommenen Regelung26 bleibt die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bei einem rechtmäßigen Arbeitskampf ohne zeitliche Begrenzung erhalten. Damit bestehen auch während eines rechtmäßigen Streikes die Ansprüche des kampfbeteiligten AN's gegenüber der Krankenkasse fort, ohne daß er Beiträge an diese zahlen müßte27. Bei rechtswidrigen Arbeitskämpfen wird die Mitgliedschaft gemäß § 192 Abs.l Nr.l SGB V für einen Monat erhalten28. Im Vergleich zu der alten Rechtslage vor dem 1.1.1989 ist damit durch die Neuregelung im Rahmen des Gesundheitsreformgesetzes die Rechtsstellung des streikenden AN's verbessert worden. War schon nach der alten Regelung der Verlust an Unterstützungszahlungen der Krankenkasse als Kostenposten innerhalb der Kosten-Nutzen-Analyse für den streikend AN zu vernachlässigen, so ist nach der neuen Regelung diese Tendenz noch verstärkt worden.

24

Ab 1.1.1989 aufgehoben. Zu der Dauer von Streiks vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistische Jahrbücher, laufende Jahrgänge. 26 Dazu Kreßel/Wollenschläger, Leitfaden zum Sozialversicherungsrecht, S.87 ff.. 27 Die Beitragszahlungspflicht bei der Krankenversicherung richtet sich seit dem 1.1.1989 im wesentlichen nach § 266 Abs.l SGB V. 28 Kreßel/Wollenschläger, Leitfaden zum Sozialversicherungsrecht, S.88. 25

324

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

γ) Mutterschaftsgeld, Erziehungsgeld Gemäß § 13 MuSchG hat eine AN'in Anspruch auf Mutterschaftsgeld. Dieser Anspruch ist in seinen Voraussetzungen unabhängig von der tatsächlichen Arbeitserbringung. Er entfällt daher durch einen Arbeitskampf nicht29. Auch das Erziehungsgeld ist von einer tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung unabhängig (vgl. § 42 BErzG)30 und wird deshalb durch einen Streik nicht berührt. Mutterschaftsgeld und Erziehungsgeld sind daher nicht als Aufwendungsposten innerhalb der Kosten-Nutzen-Analyse für den streikenden AN zu qualifizie-

δ) Anwartschaftsrechte, Anwartschaften Anwartschaftsrechte und Anwartschaften arbeitsrechtlicher Art werden von einem Streik dann nicht betroffen und vollenden sich weiter, wenn sie nicht von der tatsächlichen Arbeitserbringung, sondern lediglich von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig sind32. Da die meisten Anwartschaftsrechte bzw. Anwartschaften nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig sind (vgl. etwa § 4 BUrlG, § 1 BetrAVG, § 200 Abs.l RVO), sind diese Aufwendungen für einen streikenden AN relativ gering zu veranschlagen. Innerhalb der Kosten-Nutzen-Analyse stellt der Verlust von Anwartschaftsrechten und Anwartschaften daher keinen wesentlichen Kostenposten dar.

29

Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, Band II, S.74. Der Anspruch auf Erziehungsgeld kann - im Gegensatz zum Mutterschaftsgeld - sowohl dem Vater als auch der Mutter zustehen. Eingehend zu diesem Anspruch, Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, Band I, S.505. 31 Auch die Rechtsstellung des streikenden AN's gegenüber der Rentenversicherung bleibt grundsätzlich von einem Streik unberührt, vgl. Gitter, Sozialrecht, S.144. 32 Auch dies ist wieder die Konsequenz der Suspendierungstheorie, nach der durch einen Streik das Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht in seinem Bestand aufgelöst wird. 30

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

325

ε) Zwischenergebnis Durch den Streik kommen auf die kampfbeteiligten AN Aufwendungen zu, die sie in ihrer Kosten-Nutzen-Analyse (Streik als Investitionstätigkeit) berücksichtigen müssen. Die größten Aufwendungen bestehen in dem Lohnverlust während der Dauer des Streikes. Demgegenüber fallen andere Aufwendungen letztlich nicht ins Gewicht.

bb. Erträge α) Streikbedingte Lohnerhöhungen Meist werden Streiks mit dem Hauptziel geführt, Lohnerhöhungen zu erreichen. Die quantitative Bestimmung der streikverursachten Lohnerhöhungen ist jedoch mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Diese Schwierigkeiten gründen sich vor allem in der oben schon angesprochenen Kausalitätsfrage33 und in der Frage nach der Festlegung einer möglichen Vergleichsgrundlage, an der die Lohnerhöhung gemessen werden kann. Die Problematik der Kausalität stellt sich hier in besonderem Maße deswegen, weil bei der Betrachtung der Theorien der Lohnfindung festgestellt werden konnte, daß die Beteiligten teilweise bei reinen Verhandlungslösungen ohne Kampfmaßnahmen bessere Ergebnisse hinsichtlich ihrer Lohnerhöhungen erzielen konnten, als bei solchen Lösungen mit Kampfmaßnahmen34. Dies spräche jedoch dafür, daß eine Lohnerhöhung nicht wegen eines Streikes, sondern im Gegenteil trotz eines Streikes erreicht wurde. Der Streik wäre daher in diesem Sinne nicht kausal für eine Lohnerhöhung, er würde vielmehr eine Lohnerhöhung sogar behindern. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß die Lohnfindungstheorien Theorien sind, die von einer Situation ausgehend bestimmte Aussagen treffen. In der Praxis können sich daher Unterschiede ergeben. Vor allem darf bei den Tarifverhandlungen in der Bundesrepublik nicht übersehen werden, daß sie - sei es we-

33

Vgl. dazu oben ó.Kapitel, § 3, A, II. Dies war vor allem bei der Lohnfindungstheorie der "Trucking-Games" der Fall; s.o. ó.Kapitel, § 2, Β, IV, dort insbesondere unter 4. 34

326

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

gen der Unvollkommenheit des Arbeitsmarktes in Bezug auf die Marktübersicht, sei es wegen der Struktur des geltenden Tarifrechtes - von Verbandsvertretern 35 geführt werden und nicht von einzelnen AN und AG. Die Verbandsvertreter befinden sich aber in einer ganz anderen Situation36 als die einzelnen AN und AG selbst. Dies kann etwa darauf beruhen, daß sie Angestellte ihrer Verbände sind und als solche von einer bestehenden Tarifauseinandersetzung nicht unmittelbar betroffen sind. Es kann aber auch sein, daß in die Verhandlungsführung dieser Verbandsvertreter Überlegungen mit eingehen, die mit den Tarifauseinandersetzungen nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. So bedeutet die Erkämpfung höherer Löhne für die Gewerkschaftsfunktionäre einen Verhandlungserfolg, der ihr persönliches Ansehen stärkt. Ähnliches gilt für die Vertreter der AG. Je mehr es ihnen gelingt, den Lohnforderungen der Gewerkschaften Widerstand zu leisten, um so mehr steigt ihr Prestige vor allem auch innerhalb des Verbandes37. Insofern kann bei der gegenwärtigen Praxis der Tarifverhandlungen der Durchführung eines Streikes, respektive der Drohung mit ihm durchaus die Wirkung zukommen, daß dadurch erst die Tarifparteien zu einem wirklichen Verhandeln gezwungen werden. Der Streik wäre dann zumindest mitursächlich für den ausgehandelten Lohnsatz. Das zweite Problem ist das der Bestimmung des Vergleichsmaßstabes38. Worauf soll sich die streikbedingte Lohnerhöhung beziehen? Zwei Größen bieten sich an: Einmal die ursprüngliche Lohnhöhe und zum anderen die Lohnhöhe, die die AG ohne Streik bereit wären, an die AN zu zahlen. Gegen beide Größen sind jedoch erhebliche Einwendungen zu machen. Gegen die Heranziehung der ursprünglichen Lohnhöhe ist ins Feld zu führen, daß die AG häufigst auch ohne die Durchführung eines Arbeitskampfes respektive der konkreten Drohung mit ihm zu Lohnerhöhungen bereit sind. Insoweit ist die Differenz zwischen dem neuen Lohn und dem alten Lohn nicht (vollständig) durch einen Streik selbst bedingt. Der Ablauf der Tarifverhandlungen ist dargestellt bei Külp, Lohnbildung im Wechselspiel zwischen politischen und wirtschaftlichen Kräften, S.159 ff.. 36 Darauf weist auch Külp, Lohnbildung im Wechselspiel zwischen politischen und wirtschaftlichen Kräften, S.160 hin. 37 Külp, Lohnbildung im Wechselspiel zwischen politischen und wirtschaftlichen Kräften, S.160, der allerdings seine Aussage auf S.161 relativiert. 38 Zu einfach machen es sich Eaton, ILRR, 1972, 670 ff. und Klemm, Ökonomische Analyse, S.93 ff., die diese Probleme gar nicht sehen und als Vergleichsgröße das letzte Angebot der A G vor dem Arbeitskampf heranziehen.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

327

Die Tatsache, daß die AG bei Tarifverhandlungen meist ein Angebot zu einer Lohnerhöhung machen, welches zwar in der Regel unter dem neuen Lohn liegt, der nach einem durchgeführten Arbeitskampf tatsächlich vereinbart wird, scheint für die Heranziehung des zweiten vorgeschlagenen Vergleichsmaßstabes zu sprechen: Danach wäre diejenige Lohnerhöhung streikbedingt, die sich als Differenz zwischen neu ausgehandeltem Lohn nach dem Streik und dem Lohnzugeständnis der AG vor dem Streik ergibt. Indes ist die Heranziehung dieser Größe problembehafteter, als es auf den ersten Blick scheint. Dies beruht neben der schon erwähnten Tatsache, daß die Verhandlungsführung von Funktionären durchgeführt wird, auch darauf, daß die Tarifverhandlungen von taktischem und strategischem Verhalten der Parteien beeinflußt werden. So kann das Lohnzugeständnis der AG vor Ausbruch eines Streikes im Extremfall über der Größe liegen, die sie ohne einen Streik bereit wären zu zahlen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn es die AG unter keinen Umständen zu einem Streik kommen lassen wollen und deshalb sogar bereit sind, eher einen höheren Lohn zu zahlen. Es kann aber auch umgekehrt sein. Dann ist der Verhandlungsvorschlag der AG vor dem Streikausbruch niedriger als die Lohnerhöhung, die sie in Wirklichkeit ohne Streik bereit wären zu tragen. Neben dem schon erwähnten Grund, daß nämlich die Tarifverhandlungen Prestigefragen für die Verhandlungsführer sind, liegt dies daran, daß die "freiwillig" zugestandene Lohnhöhe das Endergebnis des Tarifkonfliktes beeinflußt. Gehen die AG beispielsweise davon aus, daß die Gewerkschaften es mit Sicherheit zu einem Streik kommen lassen werden, so werden sie unter Umständen ihr Angebot niedrig halten, um einen Kompromiß nach Durchführung des Arbeitskampfes so gestalten zu können, daß er von ihrer ursprünglichen Zielvorstellung über die tatsächliche Lohnerhöhung möglichst wenig abweicht. Im Ergebnis zeigt sich, daß die quantitative Bestimmung der streikbedingten Lohnerhöhungen für die kampfbeteiligten AN kaum möglich ist. Qualitativ wird man jedoch - vor allem aufgrund der geübten Verhand- lungspraxis - sagen können, daß der Streik in der Bundesrepublik Deutschland zu Lohnerhöhungen bei den kampfbeteiligten AN führt 39.

328

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

ß) Streikunterstützung durch Gewerkschaften Auf der Ertragseite der Kosten-Nutzen-Analyse der streikenden AN ist neben dem höheren Lohn auch noch die Streikunterstützung durch die Gewerkschaften zu berücksichtigen40. Die Höhe der gewerkschaftlichen Unterstützungszahlung richtet sich im allgemeinen nach der Beitragszahlung und der Dauer der Gewerkschaftszugehörigkeit der AN 41 . Ergänzend werden teilweise noch weitere Bestimmungsgründe für die Unterstützungszahlungen herangezogen42. Im Detail bestehen dabei - sowohl hinsichtlich der Zahlungsvoraussetzungen als auch der Zahlungshöhe Differenzen zwischen den einzelnen Gewerkschaften. Der nachfolgende tabellarische Überblick zeigt, in welchem Rahmen sich die Unterstützungen bei einzelnen Gewerkschaften bewegen. Er zeigt auch das prozentuale Verhältnis von Bruttolohn und Streikunterstützung.

Beachtet werden muß hierbei, daß vorliegend kurzfristige Auswirkungen von Streiks beachtet werden. Ob langfristig durch Streiks eine Lohnerhöhung erreicht werden kann, wird in der Literatur teilweise mit Hinweisen auf amerikanische empirische Untersuchungen bestritten. Für die USA haben einige Wirtschaftstheoretiker nachzuweisen versucht, daß den Gewerkschaften keine wesentliche Erhöhung der Reallöhne gelungen sei. Vgl. dazu Külp, Lohnbildung im Wechselspiel zwischen politischen und wirtschaftlichen Kräften, S.19,245 ff.; Meyer, WuW 1987, 885,888 jeweils m.w.N.. 40 Diese wird allerdings nur bei gewerkschaftsgetragenen, d.h. nicht bei wilden Streiks gewährt. Vgl. etwa § 23 Abs.l der Satzung der I G Metall vom 1.1.1987; § 16 Abs.l Abs.l der Satzung der NGG vom 1.1.1987. 41 Etwa § 23 Abs.2 der Satzung der IG Metall vom 1.1.1987; § 16 Abs.2 der NGG vom 1.1.1987. 42 Beispielsweise gewährt die NGG Zahlungen für unterhaltsberechtigte Kinder, § 16 Abs.4 der Satzung der NGG vom 1.1.1987.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

329

Verhältnis Streikunterstützung - Bruttolohn - lediger AN, Beitragsleistung 60 Monate - 4 3

Gewerkschaft

Bruttoverdienst -in DM-

Beitrag -in DM-

-in DM-

-in % zum Bruttolohnverdienst

IG Metall

700.-

30.-

388.-

55,4%

NGG

700.-

30.-

480.-

68,6%

IG Bau

700.-

35.-

402.-

57,4%

IG Medien (früher IG Druck+Papier)

700.-

37.-

508,75

72,6%

Diese Zahlungen der Gewerkschaften sind bei der Abwägung des Streikes als Investitionsentscheidung des einzelnen AN's zu berücksichtigen. Dabei liegen die Unterstützungen zwischen 55,4% und 72,6% des Bruttoverdienstes. Sie stellen damit einen wesentlichen "Ertrag" des Streikes für den einzelnen gewerkschaftszugehörigen AN dar. Im Verhältnis zu den bedeutungsvollsten Aufwendungen des Streikes für die kampfbeteiligten AN, dem Lohnverlust, kann aber eine auf den ersten Blick nicht unerheblichefinanzielle Einbuße bestehen. Es könnte daher fraglich sein, ob sich aus Sicht des einzelnen AN's der Streik als Investitionstätigkeit überhaupt lohnt. Wie oben gezeigt44, differiert der durchschnittliche Lohnverlust pro streikbeteiligtem AN erheblich - lag er etwa 1984 bei DM 1510,90 so betrug er 1987 nur DM 34,70. Geht man von der Gültigkeitsdauer eines Tarifvertrages von 1 Jahr aus und von einer Streikunterstützung von 55,4% (IG Metall), so bleibt dem streikenden AN 1984 ein Verlust von DM 673,86. Sieht man von anderen Auf44

Berechnet nach den Satzungen der jeweiligen Gewerkschaften. Vgl. oben, ó.Kapitel, § 3, Β, 1,1, a, aa, α.

330

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Wendungen und Streikerträgen ab, so muß bei einem unterstellten Bruttowochenverdienst von DM 741 ,- 45 für Arbeiter in der Metallindustrie die allein streikbedingte Lohnerhöhung 1,75% betragen46, um den Entgeltverlust auszugleichen. Ob allein durch den Streik und kausal auf ihn zurückzuführen eine solche Lohnerhöhung erzielt wird, erscheint jedoch zweifelhaft. Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang das empirisch abgesicherte Verhaltensmodell der "Trukking Games"47, so könnte man sogar zu dem Schluß kommen, daß ohne Streik sich jeweils bessere Ergebnisse für die AN erzielen ließen. Eine positive Einschätzung des Streikes des als Investitionsentscheidung des einzelnen AN's kann sich allerdings dann ergeben, wenn man die Streikunterstützung nicht mit dem Bruttolohn, sondern mit dem Nettolohn vergleichen könnte. Ob dies gerechtfertigt ist, bedarf einer genaueren Überprüfung. Dem AN steht für seine private Verwendung nicht der Bruttolohn zur Verfügung, sondern lediglich der Nettolohn. Dieser berechnet sich aus dem Bruttolohn abzüglich der Lohnsteuer und abzüglich der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung. 1987 betrug der Nettolohn der AN durchschnittlich 53,66% des Bruttolohnes48. Damit lag dieser Prozentsatz niedriger als der Prozentsatz der Streikunterstützung, die von den Gewerkschaften den streikenden AN gewährt wird. Die Frage ist jedoch, ob die Streikunterstützung nicht als Bruttogröße zu werten ist, von der der AN Steuer- und Sozialversicherungsabzüge hinzunehmen hat. Einkommenssteuerrechtlich sind Streikunterstützungszahlungen der Gewerkschaften Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene Einnahmen gewährt werden (§ 24 Nr.la EStG)49. Unerheblich ist, daß die Erbringung von Dritten, 45 Diese Höhe hatte im Jahre 1987 der durchschnittliche Bruttolohnverdienst eines Arbeiters in der Metallindustrie; vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 1988, Tabelle 21.3.1. 46 Unterstellt ist, daß die Lohnerhöhung nicht zurückgenommen wird. 47 Das Modell der "Trucking-Games" ist oben dargestellt, vgl. ó.Kapitel, § 2, Β, IV, 4. Die Frage der Kausalität ist angesprochen im ó.Kapitel, § 3, Β, I, a, bb, α. 48 Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Zahlen zur wirtschafltichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland 1988, Tabelle 29. Lo ritz, Einkommensteuerrecht, S.168; Zenthöfer/Schulze zur Wische, Einkommensteuer, S.880; BFG BStBl.II, 1982, 552. In einem neuen - allerdings noch nicht veröffentlichen - Urteil ist der BFH allerdings zu dem Ergebnis gelangt, daß Unterstützungszahlungen der Gewerkschaften nicht als Entschädigungen i.S.v. § 24 Nr.l a EStG zu werten sind und damit auch nicht versteuert werden müssen.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

331

d.h. den Gewerkschaften erfolgt. Damit stellt die Streikunterstützung eine Einkunftsart i.S.v. § 2 I EStG dar und unterliegt grundsätzlich einer Besteuerung. Nach dieser Einordnung könnte die Streikunterstützung aus steuerrechtlicher Sicht nur als Bruttogröße eingeordnet werden. Dies ist jedoch (nur) die Theorie. Trotz grundsätzlicher Steuerpflicht werden in der Praxis die Unterstützungszahlungen der Gewerkschaften regelmäßig keiner Besteuerung unterzogen50. Dies beruht unter anderem auch darauf, daß diese Unterstützungszahlungen nicht - wie der Arbeitslohn - dem Lohnsteuerverfahren unterfallen 51. Im Ergebnis ist es daher - zwar nicht aus rechtlichen, aber aus tatsächlichen Gründen - gerechtfertigt, steuerrechtlich von der Streikunterstützung als Nettogröße auszugehen. Neben den Steuern werden von der Bruttoentlohnung des AN's auch noch die AN-Beiträge zur Sozialversicherung abgezogen. Diese bestehen im wesentlichen in Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung52. Die Berechnung der Beiträge orientiert sich an dem wirklichen Verdienst (§ 226 SGB V für die Krankenversicherung, früher §§ 385, 180 RVO53; § 1385 RVO für die Rentenversicherung54). Die Streikunterstützung stellt jedoch keinen Arbeitsverdienst dar. Sie ist daher für die von dem AN zu entrichtenden Versicherungsbeiträge nicht relevant. Somit ist es auch bezüglich der Sozialabgaben gerechtfertigt, von der Streikunterstützung als Nettogröße auszugehen. Setzt man die durchschnittlichen Nettolöhne der AN mit der gewährten Streikunterstützung in ein Verhältnis, so ergibt sich folgendes Bild:

50

Klemm, Ökonomische Analyse, S.87; Schmid, Aussperrung, Recht oder Unrecht, S.23. Zum Lohnsteuerverfahren Loritz, Einkommenssteuerrecht, S.497 ff.. 52 Gitter, Sozialrecht, S.58 ff., 129 ff.. 53 Gitter, Sozialrecht, S.82 ff. fur die alte Rechtslage vor dem 1.1.1989. Zur neuen Rechtslage siehe Kreßel/Wollenschläger, Leitfaden zum Sozialversicherungsrecht, S.136. 54 Gitter, Sozialrecht, S.152 f.. 51

332

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Verhältnis Streikunterstützung Nettolohn - lediger AN, Beitragsleistung 60 Monate - 5 5

Gewerk-Bruttolohn schaft -in DM-

Nettolohn

Beitrag-

-in DM-

-in DM-

-in DM-

-in % des Nettolohnes

IG Metall 700.-

375,62

30.-

388.-

103,30%

NGG

700.-

375,62

30.-

480.-

127,80%

IG Bau

700.-

375,62

35.-

402.-

107,00%

375,62

37.-

508,75

135,44%

IG 700.Medien (früher IG Druck+Papier)

Die Tabelle zeigt, daß die durch die Gewerkschaften den streikenden AN gewährte Streikunterstützung den Nettolohn der AN übersteigt. Da die Streikunterstützung mit dem Nettolohn verglichen werden kann, erhält der kampfbeteiligte AN an Streikunterstützung mehr, als er netto an Lohn gehabt hätte56. Die Beurteilung des Streikes als Investitionsentscheidung des einzelnen AN's muß daher revidiert werden, wenn man die Streikunterstützung und den Lohnverlust miteinander vergleicht. Bei der Betrachtung des "Hauptaufwandes" des Streikes, nämlich des Lohnverlustes und des "Hauptertrages", nämlich der Streikunterstützung durch die Gewerkschaften ergibt sich, daß der Ertrag den Aufwand für den einzelnen AN übersteigt.

Berechnet nach den Satzungen der einzelnen Gewerkschaften, sowie nach Institut der Deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland 1988, Tabelle 29. 56 Die Vergleichbarkeit ist vor allem auch deswegen gegeben, weil bei einem Streik die sozialversicherungsrechtliche Stellung der streikenden A N im wesentlichen unberührt bleibt, wie oben aufgezeigt werden konnte: Der A N ist bei einem (rechtmäßigen) Streik weiterhin krankenversichert und auch bei der Rentenversicherung - die sich nach den tatsächlichen Beitragszahlungen des AN's richtet - sind die streikbedingten Ausfallzeiten faktisch unerheblich, vgl. Gitter, Sozialrecht, S.144. Zu dem ganzen Problemkreis auch Löffler, Sozialer Fortschritt 1974,53 f..

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

333

Damit ist - bei der Betrachtung nur dieser beiden Haupteinflußfaktoren - die Investitionsentscheidung Streik für den einzelnen AN lohnend. γ) Leistungen durch die Bundesanstalt für Arbeit Von der Bundesanstalt für Arbeit wird dem AN Kurzarbeitergeld für Zeiten gewährt, in denen aus bestimmten Gründen in einem Betrieb verkürzt gearbeitet wird, oder die Arbeit ganz ausfällt (§§ 63 ff. AFG). Die Anspruchsvoraussetzungen liegen prinzipiell bei einer Nichtarbeit aufgrund einer Streikbeteiligung vor. Durch die Gewährung von Kurzarbeitergeld an streikende AN würde der Staat jedoch unmittelbar in die Tarifverhandlungen eingreifen. Nach den Grundsätzen der Neutralitätspflicht des Art.9 Abs.3 GG 57 ist ihm jedoch dies verboten. In einfachgestlicher Konkretisierung dieses Grundsatzes bestimmen §§ 70,116 AFG 58 , daß die Bundesanstalt für Arbeit kein Kurzarbeitergeld an streikende AN zahlen darf. Infolgedessen erhalten die unmittelbar kampfbeteiligten AN keine Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit, die in ihrer Investitionsentscheidung als Ertrag zu berücksichtigen wären.

δ) Zusammenfassung Die wesentlichen Erträge der gewerkschaftsangehörigen AN bestehen bei einem Streik in den Streikunterstützungszahlungen der Gewerkschaften. Dagegen ist die Wirkung des Streikes auf die Lohnerhöhungen fraglich und kaum quantitativ zu erfassen. Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit, werden wegen der Neutralität an streikenden AN nicht erbracht.

57

Vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, RdNr.283 ff. zu Art.9 GG. § 116 AFG war in der jüngsten Zeit - insbesondere aufgrund seiner Neuregelung im Jahre 1986 - Gegenstand heftiger Diskussion; das Schrifttum ist umfangreich, exemplarisch etwa Denck, DB 1986,252 ff.. 58

334

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Bei der Gegenüberstellung der Hauptaufwendungen, dem streikbedingten Lohnverlust und den Haupterträgen, der Streikunterstützung durch die Gewerkschaften, ergibt sich, daß die Streikunterstützung sogar die Lohneinbußen überwiegt. Im Ergebnis ist der Streik daher für die gewerkschaftsangehörigen AN eine lohnende Investitionsentscheidung.

cc. Berechung nach dem Ansatz von Eaton Eine Formel zur Beantwortung der Frage, ob sich der Streik als Investitionstätigkeit des einzelnen AN's lohnt, gibt Eaton59. Es werden von ihm verschiedene Kosten- und Ertragsaspekte des Streikes aufgelistet, die nach ihm einer Quantifizierung zugänglich sind und zueinander in ein Verhältnis gesetzt60. Methodenkritisch ist dabei anzuführen, daß Eaton nicht ohne verschiedene Unterstellungen und Annäherungen auskommt. Bei der Analyse verschiedener Arbeitskämpfe in den USA kommt Eaton zu dem Ergebnis, daß sich Streiks für den einzelnen kampfbeteiligten AN im Hinblick auf die Einordnung als Investitionstätigkeit lohnen61. Für die Bundesrepublik Deutschland berechnet Klemm62 - ausgehend von dem Ansatz Eaton's - die Profitabilität verschiedener Arbeitskämpfe für die streikbeteiligten AN.

59

Eaton, ILRR 1972, 670 ff.. Eaton, ILRR 1972, 670, der dort selbst daraufhinweist, daß durch diese Konzentration und das Erfordernis der Quantifizierung lediglich ein Teil der Streikauswirkungen erforscht werden. 61 Eaton, ILRR 1972, 670,697. 62 Klemm, Ökonomische Analyse, S.93 ff.. 60

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

335

Der Nettoertrag E des Streikes berechnet sich dabei aus folgender Formel:

E = (Wa - Wo)

Σ

1

i=0

(---

V

)

1

+ SP - Lw * Ν

1+r '

mit SP =

Unterstützungszahlungen der Gewerkschaft

Lw =

Einkommensverlust pro Streikwoche

Ν =

Dauer des Streikes in Wochen

r =

Diskontfaktor, hier 10%

Κ =

Anzahl der Perioden, in denen dem AN das Arbeitskampf- ergebnis zugute kommen soll, hier 5

(W n -W 0 ) =

Steigerung des Jahreseinkommens durch den Streik

Untersucht werden von Klemm die Arbeitskämpfe in der Metallindustrie in den Jahren 1963,1971 und 1978. Als kampfbeteiligte Lohnsteigerungen legt Klemm für 1963 und 1978 1,5% Prozentpunkte zugrunde, für 1971 3 Prozentpunkte. Die Arbeitskampfdauer betrug 1963 1,16 Wochen, 1971 1,76 Wochen und 1978 1,8 Wochen. Die Beitragszahlungen der streikenden AN an die Gewerkschaft wurde in ihrer Größe als satzungsgemäß unterstellt. Als Ergebnis der Berechnungen ergibt sich folgende Tabelle:

336

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Kosten-Nutzen-Analyse nach dem Ansatz von Eaton fur gewerkschaftlich organisierte AN 6 3

Arbeitskampf

Branche

Bruttoertrag I

Einkommensverlust Π LW* Ν -SP

k-l . (Wn-Wo) Σ Γ - - - -

)

i=0 \ l + r /

Nettoertrag(I-II)

'

Metallindustrie Industrie 1963 gesamt Fahrzeugbau

593,18

26,47

566,71

638,02

36,16

601,86

Metallindustrie Industrie 1971 gesamt Fahrzeugbau

2202,99

-39,95

2242,94

2481,24

-1,64

2482,88

1852,01

79,11

1772,90

2108,93

69,48

2039,45

Metallindustrie Industrie 1978 gesamt Fahrzeugbau

In der Auswertung der Berechnungen zeigt sich, daß unter den getroffenen Annahmen der Streik für den einzelnen AN von erheblichem Nutzen ist. Es ist für den kämpfenden AN eine Investition, die sich lohnt. b. Kampfbeteiligte

Arbeitnehmer sind keine Gewerkschaftsmitglieder

Handelt es sich bei den streikenden AN um tarifliche Außenseiter, so unterscheidet sich die Kosten-Nutzen-Rechnung erheblich von der gerade dargestellten Rechnung, die für Gewerkschaftsmitglieder Geltung findet.

63

Quelle: Klemm, Ökonomische Analyse, S.96.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

337

aa. Kosten Kein Unterschied besteht bei den streikbedingten Aufwendungen der gewerkschaftlich ungebundenen AN. Auch hier bildet der Lohnverlust den Hauptaufwand. Andere Aufwendungen wie der Verlust von Leistungen im Krankheitsfalle oder der von Anwartschaftsrechten bzw. Anwartschaften sind dagegen faktisch zu vernachlässigen64.

bb. Erträge Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch bei der Behandlung der streikbedingten Erträge innerhalb der Kosten-Nutzen-Analyse. Zwar kommen auch hier in der Regel die streikbedingten Lohnerhöhungen den tariflichen Außenseitern zugute (sog. Mitläufereffekt) 65. Anders ist die Rechtslage jedoch hinsichtlich der streikbedingten gewerkschaftlichen Unterstützungszahlungen: Diese werden grundsätzlich nur an Gewerkschaftsmitglieder gewährt66. Dies muß von den AN bei der Kosten-Nutzen-Analyse des Streikes berücksichtigt werden. Ob der Streik sich als Investitionsentscheidung für den einzelnen AN lohnt, hängt vor allem von dem Verhältnis ab, in dem der Lohnverlust als Hauptaufwand und die streikbedingte Lohnerhöhung stehen. Eine numerische Bestimmung ist hier besonders schwierig, da die streikbedingte Lohnerhöhung kaum quantifiziert werden kann. Es lassen sich lediglich gewisse Annäherungen und Tendenzen herausarbeiten.

64

Zu Einzelheiten vgl. oben, ó.Kapitel, § 3, Β, 1,1, a, aa. Dies beruht vor allem darauf, daß von der h.M. - insbesondere von der Rechtsprechung - Differenzierungsklauseln für unzulässig gehalten werden. Vgl. etwa Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band 2,1.Halbband, S.164 ff.; Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhälntisses, S.203 ff.; Scholz, in Maunz/Dürig, Grundgesetz, RdNr.231 zu Art9 GG; Zöllner, Tarifvertragliche Differenzierungsklauseln, S.ll; BAGE 20,175,218 ff.; BAG, DB 1978,1647,1648 f.; a.A. Söllner, Arbeitsrecht, S.63; Gamillscheg, Arbeitsrecht II, Kollektives Arbeitsrecht, RdNR.314 f.; Däubler, Das Arbeitsrecht 1, S.179 ff.. 66 Vgl. etwa § 23 der Satzung der IG Metall vom 1.1.1987 sowie § 16 der Satzung des NGG vom 1.1.1987. 65

22 Bohr

338

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Eine Annäherung in numerischer Hinsicht, deren quantitative Genauigkeit aber nicht überschätzt werden soll, bietet wiederum die Berechnung nach dem Ansatz vcn Eaton.

cc. Berechnung nach dem Ansatz von Eaton Ebenso wie für gewerkschaftsgebundene AN, so läßt sich auch für nichtgewerkschafsgebundene AN die Profitabilität des Streikes nach dem Ansatz von Eaton berechnen. Besonders problematisch ist jedoch auch hier die numerische Bestimmung der streikbedingten Lohnerhöhung. Dies führt dazu, daß die gefundenen Ergebnisse nur mit Vorbehalt übernommen werden können. Parallel zu den - oben dargestellten - von Klemm berechneten Beispielsfällen67 soll hier die Berechnung der Profitabilität des Streikes für nicht gewerkschaftsorganisierte kampfbeteiligte AN durchgeführt werden. Es zeigt sich, daß unter den von Klemm gemachten Annahmen selbst ohne gewerkschaftliche Unterstützungszahlungen nach dem Ansatz von Eaton der Streik sich für den einzelnen AN als profitabel herausstellt. Dies beruht im wesentlichen auf der sicherlich zweifelhaften Annahme, daß die Lohnerhöhung in der zugrundegelegten Steigerung vollständig kausal auf die Streikaktivität zurückzuführen sind. Unabhängig von dieser Kritik an dem Ansatz Eaton's läßt sich jedoch sagen, daß in der Tendenz sich der Streik auch für den nicht gewerkschaftsgebundenen AN als positive Investitionstätigkeit einordnen läßt.

61

Siehe dazu oben ó.Kapitel, § 3, Β, 1,1, a, cc; sowie Klemm, Ökonomische Analyse, S.93 ff.. Die Formel für die Berechnung des Nettoertrages E ist gegenüber der oben verwandten Formel lediglich leicht modifiziert:

ι

V

- )

1

- Lw * Ν

Dadurch, daß die nicht gewerkschaftlich organisierten A N keine UntersQtzungszahlungen von der Gewerkschaft erhalten, fällt der Term SP aus der Formel weg.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

339

Kosten-Nutzen-Analyse nach dem Ansatz von Eaton fur nichtgewerkschaftlich organisierte AN 6 8 Arbeitskampf

Branche

Bruttoertrag I

Einkommensverlust Π LW* Ν

Nettoertrag(I-II)

k-l 1 (Wn-Wo) Σ (i=0 1 + r Metallindustrie Industrie 1963 gesamt Fahrzeugbau

593,18

211,60

381,58

638,02

191,25

446,77

Metallindustrie Industrie 1971 gesamt Fahrzeugbau

2202,99

557,92

2011,74

2481,24

584,32

1896,92

Metallindustrie Industrie 1978 gesamt Fahrzeugbau

1852,01

928,80

923,21

2108,93

1017,00

1091,93

2. Auswirkungen auf kampfbeteiligte Arbeitgeber Die Auswirkungen des Streikes auf die AN wurden getrennt für gewerkschaftsangehörige und für nicht gewerkschaftsangehörige AN untersucht. Dies beruhte darauf, daß aufgrund der Streikunterstützungszahlungen der Gewerkschaften sich zwischen jenen beiden AN-Gruppen merkliche Unterschiede ergeben haben. Solche gravierenden Unterschiede bestehen auf der AG-Seite nicht. Die Betrachtung der ökonomischen Auswirkungen des Streikes erfolgt daher gemeinsam für verbandsangehörige und für nicht nichtverbandsangehörige AG.

Quellen: Klemm, Ökonomische Analyse, S.96; eigene Berechnungen.

340

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Streikbedingte Erträge der AG stellen in erster Hinsicht Lohneinsparungen während des Streikes dar. Erträge der AG können allerdings auch darin liegen, daß sie durch den Streik die AN zu einer größeren Kompromißbereitschaft bewegen können, was dazu führt, daß die Lohnerhöhungen niedriger ausfallen, als sie ohne Streik zustandegekommen wären. Als streikbedingte Aufwendungen der AG sind die streikbedingten Lohnerhöhungen, Produktionsausfälle sowie Schadensersatzzahlungen zu nennen. Empirische Untersuchungen zu den streikbedingten wirtschaftlichen Auswirkungen auf die einzelnen AG liegen - soweit ersichtlich - für die Bundesrepublik Deutschland nicht vor 69. Im folgenden soll versucht werden, im Rahmen der Kosten-Nutzen-Analyse die wesentlichen kurzfristigen ökonomischen Auswirkungen des Streikes auf die einzelnen AG aufzuzeigen.

a. Kosten Bei einem Streik können die Unternehmer im wesentlichen von drei Kostenkomponenten getroffen werden. Dies sind zum einen die Kosten, die aus den Produktionsausfällen resultieren, zum anderen Kosten wegen Schadensersatzzahlungen sowie wegen streikbedingter Lohnerhöhungen.

aa. Produktionsausfälle Den streikbeteiligten Unternehmen können durch Produktionsausfälle Kosten entstehen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß unter Umständen auch in bestreikten Unternehmen die Produktion fortgesetzt werden kann, sowie daß auch durch Mehrarbeit in nachfolgenden Perioden streikbedingte Einbußen kompensiert werden können70.

Es gibt lediglich Schätzungen für die Kosten einzelner Arbeitskämpfe, wobei diese Kosten nicht für einzelne Unternehmen, sondern für alle betroffenen Unternehmen bzw. AG geschätzt werden. So soll der Metall-Arbeitskampf 1963 bei den betroffenen Unternehmen eine Umsatzreduktion von 600-800 Mio. D M verursacht haben, im Jahre 1978 etwa 2 Mrd. DM; vgl. Bösken, ordo socialis 1964, 242,246; Ehmann, DB 1978,2023. Für US-amerikanische Streiks bestehen Ansätze, die Kosten zu berechnen, vgl. Chaberlain/Schilling, The Impact of Strikes, S.242. 70 Beispiele dazu aus der Realität: o.V., Wirtschaftswoche Nr.28 vom 6.7.1984, S.16 ff..

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

341

Durch die zunehmende Technisierung kann es möglich sein, daß für kurze Zeit das Unternehmen durch wenige, nichtstreikende AN fortgeführt werden kann71. So war es beispielsweise den Verlagen während des Druckerstreikes 1984 möglich, mit Hilfe einiger weniger Beschäftigter Zeitungen herauszubringen, die sich im Inhalt und Umfang nicht wesentlich von den normalen Ausgaben unterschieden. Vor allen Dingen konnten so die für die Verlage lukrativen Anzeigen publiziert werden72. Dadurch reduzierten sich die Kosten wegen des streikbedingten Produktionsausfalles für die betroffenen AG wesentlich. Nicht alle Unternehmen können jedoch solchermaßen verfahren. Insbesondere bei Streiks, die im Rahmen der sog. "neuen Beweglichkeit"73 bei neuralgischen Punkten des Produktionsablaufes ansetzen, gelingt dies nicht. Streiken etwa die Mitarbeiter der Computerzentrale eines hochtechnisierten Unternehmens, dann kommt die gesamte Produktion zum Erliegen, unabhängig davon, ob sich die übrigen Belegschaftsmitglieder an dem Streik beteiligen oder nicht. Aufgrund der unterschiedlichen Produktionsstrukturen der einzelnen Unternehmen und auch wegen der unterschiedlichen möglichen Ansatzpunkte für Streiks läßt sich nicht generell bestimmen, inwieweit bei bestreikten Unternehmen die Produktion trotzdem aufrechterhalten werden kann. Auch die Möglichkeit der Kompensation der Produktionseinbußen in nachfolgenden Perioden entzieht sich einer genauen und generellen Bestimmung. Wegen dieser Schwierigkeiten soll die Berechnung der streikbedingten Produktionseinbußen alternativ für die denkbaren Extremfälle dargestellt werden. Zum einen wird angenommen, daß die Produktion trotz des Streikes kurzfristig fortgeführt werden kann bzw. daß in den nachfolgenden Perioden durch Mehrarbeit die Einbußen vollständig eingeholt werden könne74. Bei dem anderen Extremfall erfolgt die Berechung für die Alternative, daß der bekämpfte Unternehmer von den streikbedingten Produktionseinbußen voll getroffen wird, d.h., daß während der Streikdauer keine Produktion erbracht wird.

71

Herzog, Der Arbeitgeber 1962,616 verwendet dafür den Begriff "unbestreikbarer Betrieb". Plander, DB 1987, Beüage Nr.13, S.9. 73 Vgl. dazu insbesondere Lieb, NZA 1985, 265 ff.; Loritz, ZfA 1985, 185 ff.; Reuther, JuS 1986, 19 ff.; Zöllner, DB 1985, 2450 ff.; BAG NJW 1985, 85 = DB 1984, 2563 = AP Nr.81 zu Art.9 GG Arbeitskampf; sowie auch Geschäftsführung des WSI (Hrsg.), WSI-Arbeitsmaterialien Nr. 10, S.40 zu den wirtschaftlichen Konsequenzen der neuen Beweglichkeit. 74 Dabei muß allerdings auch noch bedacht werden, daß die Mehrarbeit in den späteren Perioden in der Regel mehr kostet als die reguläre Arbeit. Dies beruht etwa auf den höheren Kosten fur Überstunden oder auf einer überproportionaler Beanspruchung von Maschinen über den günstigsten Wirkungsgrad hinaus. Diese höheren Aufwendungen sollen bei der Berechnung hier aber vernachlässigt werden. 72

342

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

α) Erste Extremsituation: Vollständige Kompensation des Produktionsausfalles Gelingt es dem Unternehmen, trotz des Streikes die Produktion kurzfristig auf altem Niveau zu halten, so ist die Berechnung der Aufwendungen wegen des Produktionsausfalles einfach: Dem Unternehmen entstehen durch den Streik keine Kosten in Bezug auf die Minderung der Produktion.

ß) Zweite Extremsituation: Keine Kompensation des Produktionsausfalles Schwieriger ist die Berechnung der Kosten für den Fall, daß streikbedingt die Produktion vollständig ausfällt. Hier soll die Berechnung für ein beispielhaftes Unternehmen erfolgen: Die Umsatzrendite soll l%75betragen. Die Höhe der Fixkosten, d.h. der produktionsunabhängigen Kosten sei 50%76 der Gesamtkosten. Von diesen Daten ausgehend, genügt unter Vernachlässigung sonstiger Einflüsse ein Streik, der 2% der Jahresarbeitszeit des Unternehmens umfaßt, um den Jahresgewinn des Unternehmens auf Null zu reduzieren. Nimmt man eine Jahresarbeitszeit von 52 Wochen an, so muß ein Streik 1,04 Arbeitswochen betragen, um diesen Effekt aufzuweisen. In der Realität kommen in der Bundesrepublik Arbeitskämpfe dieser Dauer relativ selten vor. So waren 1986 nur 2 Promille aller streikenden AN in der Bundesrepublik Deutschland an Arbeitskämpfen beteiligt, die länger als 7 Tage dauerten. 1987 betrug dieses Verhältnis gar nur 0,3 Promille77. Dies bedeutet jedoch nicht, daß nicht in Einzelfällen die einzelnen Unternehmen durchaus von langdauernden Streiks betroffen sein können. So dauerte 1984 der Streik in der Druckindustrie vom 14.5. bis zum 2.7., wobei allerdings unterschiedliche Unternehmen wechselhaft betroffen wurden78.

Zahlen zur Umsatzrendite finden sich in: Insitut der Deutschen Wirtschaft Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland 1988, Tabelle 67. 76 Die Bestimmung der Fixkosten ist nicht unproblematisch, da sie entscheidend von der Länge der betrachteten Periode abhängt. Ein Wert von 50% der Gesamtkosten scheint jedoch angemessen zu sein; vgl. auch Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 1988, Tabellen 7.10; 7.11. 77 Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 1988, Tabelle 6.14. 78 Kurz-Scherf, WSI-Mitteilungen 1985, 121, 124; o.V. Gewerkschaftliche Monatshefte 1984, 401.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

343

Insgesamt läßt sich sagen, daß die produktionsausfallsbedingten Streikkosten für die bekämpften Unternehmen durchaus von erheblicher Bedeutung sein können. Bei der Kosten-Nutzen-Analyse des Streikes müssen sie daher von dem AG ins Kalkül gezogen werden.

bb. Schadensersatzzahlungen Im Rahmen von Streiks kann es dem Unternehmen unmöglich sein, seinen vertraglich begründeten Pflichten rechtzeitig bzw. überhaupt nachzukommen. Dies kann zu Schadensersatzpflichten etwa aus Verzug (§§ 286, 326 BGB) oder Unmöglichkeit (§§ 280,325 BGB) führen 79. Eine Quantifizierung dieser Kosten für den einzelnen AG ist allerdings kaum möglich. Im Einzelfall kann jedoch auf den AG durch Schadensersatzforderungen eine erheblichefinanzielle Belastung zukommen. In diesem Rahmen dürfte auch noch zu berücksichtigen sein, daß die AN gerade in den Bereichen eines Unternehmens streiken können, in denen Produkte hergestellt werden, für deren zeitgerechte Lieferung das Unternehmen vertraglich besonders verpflichtet ist80. Schadensminderungsmöglichkeiten bestehen für die AG darin, in ihren Lieferverträgen die Haftung für streikbedingte Nicht- bzw. Zuspätlieferung auszuschließen81. Dies ist jedoch eine Frage vor allem der Verhandlungsmacht. Deshalb dürfte dieser Weg schwächeren und vom Vertragspartner abhängigen Unternehmen verwehrt bleiben.

79 Die Frage der Schadensersatzpflicht gegenüber Dritten bei Streiks ist im einzelnen sehr umstritten und hat in der Rechtslehre eingehende Erörterung erfahren, vgl. etwa Bulla, DB 1963, 755 ff.; Esser, JZ 1963, 489 ff.; Löwisch, DB 1962, 761 ff.; Richardi, JuS 1984, 825 ff.. Jüngst auch Ronge, Die Auswirkungen von Arbeitskämpfen auf Schuldverhältnisse mit Dritten, S.2 ff.. Im Kern geht es dabei vor allem um den Streit zwischen Handlungs- und Erfolgsunrecht. 80 Gerade bei Unternehmen, die der Mitbestimmung unterliegen, kann die Kenntnis der Mitbestimmungsträger über Unternehmensinterna dazu führen, daß die A N den Streik zielgerichtet in solchen Unternehmensbereichen durchführen, die in Bezug auf Schadensersatzverpflichtungen besonders sensibel sind. Vgl. ausführlich zu diesen Wirkungen der Mitbestimmung, Tegtmeier, Wirkungen der Mitbestimmung der Arbeitnehmer, S.176 ff.. 81 Zur rechtlichen Gestaltung vgl. etwa Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, RdNr.2 zu § 324.

344

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Auch durch Solidaritätshandlungen anderer Unternehmen kann der Schaden für das bestreikte Unternehmen begrenzt werden. Das ist einmal möglich dadurch, daß andere Unternehmen auf ihre grundsätzlich bestehenden Schadensersatzansprüche verzichten, wie auch dadurch, daß nicht bestreikte Unternehmen in die Lieferverpflichtungen anderer Unternehmen eintreten82. Im Ergebnis zeigt sich, daß die Verpflichtungen zu Schadensersatzzahlungen als Streikfolgen durchaus für die bestreikten Unternehmen im Rahmen der kurzfristigen mikroökonomischen Kosten-Nutzen-Analyse ernst genommen werden müssen. Kostenminderungen können vor allem durch unternehmerische Solidarität erzielt werden.

cc. Lohnerhöhungen So wie die streikbedingten Lohnerhöhungen für die AN Erträge innerhalb ihrer Kosten-Nutzen-Analyse des Streikes sind, so sind sie für die AG, die den erhöhten Lohn tragen müssen, Kosten. Die Quantifizierung dieser Kosten unterliegt denselben Schwierigkeiten, wie sie im Rahmen der Darstellung der Erträge der AN erörtert worden sind83. Dort wurde im Ergebnis festgestellt, daß eine quantitative Aussage zu den streikbedingten Lohnerhöhungen praktisch nicht möglich ist. Qualitativ läßt sich jedoch auch hier wieder sagen, daß streikbedingte Lohnerhöhungen vorliegen. Diese stellen für den AG Kosten dar, die er in seinen Kosten-Nutzen-Rechnungen einzubeziehen hat.

dd. Zwischenergebnis Für die Unternehmen können durch die Streikaktivitäten der AN erhebliche Kosten entstehen. Letztlich zurückzuführen sind die Kosten auf die kampfbedingten Produktionsausfälle.

Zu diesen Möglichkeiten Herzog, Der Arbeitgeber 1962,616 ff. Auch die Unternehmensverbände raten in einer Verhaltensansweisung sowohl zu einem Verzicht auf Schadensersatzforderungen sowie bei Hilfeleistung bei Lieferschwierigkeiten; vgl. dazu Bertelsmann, Aussperrung, S.288; Säkker, ZfH 1974, 455, 495. Von Gewerkschaftsseite werden diese Streikhilfe- und Solidaritätsabkommen als wettbewerbsrechtliche Gefahr angesehen, dazu Geschäftsführung des WSI (Hrsg.), WSI-Arbeitsmaterialien Nr. 10, S.15 f.. 83 Siehe dazu oben, 6. Kapitel, § 3, Β, 1,1, a, aa, a.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

345

Bei einer zusammenfassenden Betrachtung ist allerdings noch zu berücksichtigen, daß den Unternehmern u.U. die Möglichkeit gegeben sein kann, die Kosten auf andere Gruppen, etwa die Konsumenten, d.h. zum Großteil auf die AN, überzuwälzen. Gelingt ihnen das, etwa weil sie Monopolisten84 auf ihren Märkten sind oder auch dadurch, daß allgemein die Preise für ihre Produkte steigen, dann reduzieren sich die Kosten der bestreikten AG. Eine generelle Quantifizierung dieser Effekte erscheint allerdings aufgrund der methodischen Schwierigkeiten kaum möglich. Auch die Beurteilung des Einzelfalles stößt auf kaum zu überwindende statistische und methodische Probleme. b. Erträge Erträge des AG's, die bei der Kosten-Nutzen-Analyse des Streikes vor allem berücksichtigt werden müssen, sind einmal die Lohneinsparungen und zum anderen auch eine eventuelle Minderung der ursprünglich gestellten Forderungen der AN.

aa. Entfall des Vergütungsanspruches der Arbeitnehmer Für die Ermittlungen der Einsparungen der AG, die ihnen dadurch entstehen, daß sie an die streikenden AN keine Lohn- und Gehaltszahlungen erbringen müssen85, gilt das zu den Kosten der AN Geschriebene entsprechend. So wie dieser Posten für die AN Aufwendungen darstellt, so ist er umgekehrt für die AG eine Ersparnis86.

Zur Möglichkeit des Monopolisten, den Preis als Aktionsparameter zu wählen, vgl. Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, S.235; Stobbe, Volkswirtschaftslehre II, MikroÖkonomik, S.325 ff.; Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S.195 ff.. 85 Grundlegend aus der Rechtsprechung, BAG AP Nr.l zu Art.9 GG Arbeitskampf. 86 Hinsichtlich der Höhe dieser Ersparnis sei auf die obigen Berechnungen verwiesen: ó.Kapitel, § 3, Β, 1,1, a, aa, α.

346

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Der Wert der Ersparnis ist allerdings für die AG ein zweifelhafter, da die Unternehmen grundsätzlich darauf angelegt sind, zu produzieren und nicht darauf, ihre Belegschaft ohne Arbeit zu lassen87.

bb. Minderung der Forderungen der Arbeitnehmer Die Quantifizierung des zweiten Nutzenpostens in der Kosten-Nutzen-Analyse des AG's bereitet einige Schwierigkeiten. Es stellt sich die Frage, inwiefern die AG dadurch, daß sie den ursprünglichen Forderungen der AN nicht nachgegeben haben und es dadurch zu einem Streik haben kommen lassen, Einsparungen erzielt haben. Problematisch ist vor allem die Wahl des Vergleichsmaßstabes88. Zu denken wäre hier etwa an die Differenz zwischen der ursprünglich geforderten Lohnhöhe durch die AN und der später tatsächlich ausgehandelten. So forderten die Gewerkschaften im Arbeitskampf 1984 die Einführung der 35-Stunden-Woche, was umgerechnet einer Lohnerhöhung von 14,3%® entsprochen hätte. Demgegenüber kamen Tarifabschlüsse zustande, die zu einer durchschnittlichen Lohnsteigerung von 4,8% führten 90. Die Differenz von 9,5% wäre nach der vorgestellten Konzeption als Gewinn der AG einzustufen.

87

Im Einzelfall kann jedoch die Ersparnis des Lohnes der streikenden A N dem Unternehmer durchaus gelegen kommen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn das Unternehmen Absatzprobleme bei seinen Produkten hat bzw. die Lagerproduktion zu sehr ausgedehnt wurde. Vgl. dazu den Bericht, O.V., Wirtschaftswoche Nr.28 vom 6.7.1984, S.16 ff., sowie weitergehend Geschäftsführung des WSIYHrsg.), WSI-Materialien Nr.10, S.34 ff.. Die Problematik ist hier ähnlich gelagert, wie bei der Bestimmung der streikbedingten Lohnerhöhungen. Neben der Festlegung eines geeigneten Vergleichsmaßstabes ist weiterhin auch die Frage der Kausalität mit Schwierigkeiten behaftet. Vgl. dazu oben, 6.Kapitel, § 3, B, 1, a, bb, α. Es mag auf den ersten Blick überraschen, daß der nach einem Streik zwischen A G und A N ausgehandelte Tarifabschluß bei der Betrachtung der kurzfristigen Auswirkungen des Streikes bei den A G und A N sowohl auf der Kostenseite (vgl. oben die Betrachtung der streikbedingten Lohnerhöhungen) erscheint, als auch auf der Ertragsseite. Dies liegt daran, daß dieser Posten für den A G einen Doppelcharakter hat. Verglichen mit dem alten Tarifabschluß stellt der neue Tarifabschluß nach Beendigung des Arbeitskampfes für die A G in der Regel eine Kostenerhöhung dar. Verglichen jedoch mit den Forderungen der AN-Koalitionen vor Kampfbeginn ist der neue Tarifabschluß für die A G ein Ertrag, da die ursprünglichen Forderungen der Gewerkschaften während eines Arbeitskampfes regeläßig reduziert werden. Dagegen ist für die A N der neu ausgehandelte Tarifabschluß in aller Regel lediglich unter Ertragsgesichtspunkten zu behandeln. Sowohl bezogen auf den alten Tarifabschluß vor dem Arbeitskampf als auch bezogen auf das letzte Angebot der A G vor dem Ausbruch des Konflikts ist der neue Tarifabschluß nach Beendigung des Arbeitskampfes für die A N regelmäßig günstiger. 89 O.V., Gewerkschaftliche Monatshefte, 1984,401, 403. 90 Kurz-Scherf, WSI-Mitteilungen 1985,124,133. Die Berechnung der Lohnsteigerung erfolgt aus Stundenbasis, d.h. unter Berücksichtigung der Arbeitszeitverkürzung.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

347

Mindestens zwei Gesichtspunkte sprechen aber gegen diese Konzeption der Bewertung jener Differenz als Ersparnis der AG 91 . Zum einen bestehen die Tarifabschlüsse nicht nur aus Lohnerhöhungen. Neben Lohnfragen werden auch andere Bereiche geregelt,die in einem Ergänzungsverhältnis zueinander und zu den Lohnerhöhungen stehen. Auch hier seien wieder die Arbeitskämpfe 1984 beispielhaft bemüht. Alle im Zusammenhang mit diesen Arbeitskämpfen geschlossenen Tarifverträge enthielten beispielsweise Regelungen über eine Flexibilisierung der Arbeitszeit sowie Regelungen des Vorruhestandes92. Solche Regelungen mit den Lohnforderungen bzw. den Ergebnissen des Lohnfindungsprozesses in ein Vergleichsverhältnis zu bringen, ist jedoch nur sehr schwer möglich. Oftmals entziehen sich solche Regelungen auch einer Quantifizierung. Der zweite und schwerwiegendste Gesichtspunkt gegen die dargestellte Konzeption ist jedoch derjenige, daß die Gewerkschaften naturgemäß zunächst überhöhte Forderungen stellen, von denen sie wissen, daß sie unrealistisch sind. Dies beruht auf der Art und Weise der Lohnverhandlungen und des Lohnfindungsprozesses, der in einem gegenseitigen Geben und Nehmen besteht93. Aus diesem Grunde erscheint es fragwürdig und schwer haltbar, die Ausgangsforderungen der Gewerkschaften als Maßstab für die Nutzenermittlung innerhalb der Kosten-Nutzen-Analyse des AG's heranzuziehen. Insgesamt dürfte sich im Ergebnis festhalten lassen, daß eine Quantifizierung der Einsparungen der AG in Bezug auf die ursprünglich geforderten und wirklich durchgesetzten tariflichen Verbesserungen für die AN kaum möglich ist. Es läßt sich lediglich tendenziell sagen, daß die AG qualitativ einen Streikgewinn in der Minderung der AN-Forderungen haben.

91

Vgl. dazu auch oben, ó.Kapitel, § 3, Β, 1,1, a, bb, α. Kurz-Scherf, WSI-Mitteilungen 1985,124,128 ff.. 93 Allgemein zum Ablauf der Lohnverhandlungen, Külp, Lohnbildung im Wechselspiel zwischen politischen und wirtschaftlichen Kräften, S.159 ff.. Die Problematik ist hier parallelgelagert zu deijenigen bei der Bestimmung der streikbedingten Lohnerhöhung für die AN, vgl. oben ó.Kapitel, Β, 1,1, a, bb, α. 92

348

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

c. Beurteilung Für die kampfbeteiligten AN wurde oben festgestellt, daß sie durch den Streik regelmäßig im Ergebnis einen Gewinn erzielen. Der Streik stellt danach für sie eine positive Investitionsentscheidung dar. Eine Quantifizierung dieses Streikgewinnes konnte nach dem Ansatz von Eaton erfolgen. Demgegenüber besteht bei der Kosten-Nutzen-Analyse des Streikes für die kampfbeteiligten AG die Schwierigkeit, daß ein zahlenmäßiges Ergebnis nicht abgeleitet werden kann. Dies beruht darauf, daß wesentliche Posten der Kosten-Nutzen-Analyse nur qualitativ erfaßt werden können. Insgesamt dürften in den allermeisten Fällen Streiks für den einzelnen AG wirtschaftlich unvorteilhaft sein. Dies ergibt sich aus der Überlegung, daß durch die Produktion des Unternehmens Gewinne erarbeitet werden, die bei einer streikbedingten Produktionsminderung beschränkt werden. Außerdem werden durch den Streik regelmäßig von den AN tarifliche Verbesserungen erkämpft, die das Unternehmen zusätzlich mit Kosten belasten. Dagegen treten die Nutzenaspekte für den AG in den Hintergrund. Lediglich bei außergewöhnlichen Konstellationen kann ein Streik mit einem Gewinn für die bestreikten Unternehmen verbunden sein. Nach amerikanischen empirisch abgesicherten Untersuchungen94 eines Streikes im Agrarsektor ist dies dann möglich, wenn drei Bedingungen erfüllt sind: Zum einen darf der bestreikte Markt nur unwesentlich gewerkschaftlich organisiert sein, zum anderen muß es sich bei den produzierten Gütern um Saisonware handeln und zum dritten - und dies ist wohl in Bezug auf die Streikorganisation und die Streikdurchführung wichtigste Voraussetzung - darf es den streikenden AN nicht gelingen, den Mengenausstoß unter die Menge zu drücken, die für einen Monopolisten gewinnmaximierend wäre. Diese Voraussetzungen sind allerdings in den allerwenigsten Fällen bei Streiks gegeben. Daher ist es insgesamt gerechtfertigt, Streiks als Kostenfaktoren für die kampfbeteiligten AG einzuordnen.

94

Carter/Hueth/Mamer/Schmitz, Economic Inquiry 1987,121 ff..

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

349

3. Auswirkungen auf Gewerkschaften Ein Streik kann für die Gewerkschaften sowohl mit Kosten, aber auch mit Erträgen verbunden sein. Erträge können möglicherweise darin bestehen, daß durch einen Streik die Mitgliederzahl der Gewerkschaften steigt oder daß ihr Einfluß gegenüber den AG wächst95. Als streikbedingte Kosten wären in erster Linie Unterstützungszahlungen für die Gewerkschaftsmitglieder während des Arbeitskampfes sowie organisatorische Kosten für die Auseinandersetzung aufzuführen 96. Sowohl die Quantifizierung als auch die Qualifizierung der möglichen Streikerträge erscheint insgesamt problematisch. Dies betrifft nicht nur die Bestimmung der Auswirkungen des Streikes auf den Einfluß der Gewerkschaften gegenüber den AG, sondern auch die Bestimmung der Auswirkungen des Streikes auf die Entwicklung der Mitgliederzahlen. Aus der Selbsteinschätzung der Gewerkschaften geht hervor, daß sie der Auffassung sind, daß der Streik sowohl positive Auswirkungen auf ihren Einfluß 97 als auch auf die Mitgliederentwicklung habe98. Empirische Untersuchungen zu diesen möglichen Erträgen liegen für die Bundesrepublik Deutschland jedoch nicht vor. Sie wären über die Erfassung des numerischen Sachverhaltes hinaus in besonderem Maße der Schwierigkeit ausgesetzt, einen Kausalzusammenhang zum Streik herzustellen. Tendenziell scheint es im Ergebnis zutreffend zu sein, die Erträge eher niedrig anzusetzen. Dagegen kann der Streik für die Gewerkschaften mit erheblichen Kosten verbunden sein. Wie oben erwähnt, beruhen diese im wesentlichen auf Unterstützungszahlungen an die Gewerkschaftsmitglieder sowie auf der Organisation des Streikes. Beide Positionen müssen für die Gewerkschaften im Rahmen ihrer Kosten-Nutzen-Analyse des Streikes Berücksichtigung finden. 95

So richtig Klemm, Ökonomische Analyse, S.97. Bertelsmann, Aussperrung, S.256 ff.; Bobke, WSI-Mitteilungen 1985, 57, 59; Kittner, Gewerkschaftliche Monatshefte 1973,91,96. 97 Vgl. Ferlemann, Gewerkschaftliche Monatshefte 1984, 671, 675 ff.; Mayr, Gewerkschaftliche Monatshefte 1984,661, 665 ff.. 98 O.V., FAZ vom 12.1.1990, S.12. 96

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

350

Daten für die Organisationskosten eines Arbeitskampfes sind kaum verfügbar. Für den Arbeitskampf des Jahres 1984 gehen Schätzungen davon aus, daß die Organisation die Gewerkschaften zwischen 80 Mio. DM" und 170 Mio. D M 1 0 0 gekostet habe. Worauf die doch recht großen Unterschiede bei den Zahlenangaben beruhen, ist allerdings nicht ersichtlich. * Besser zu qualifizieren und zu quantifizieren sind - aufgrund des vorhandenen Datenmaterials - die Kosten, die den Gewerkschaften durch die streikbedingten Unterstützungszahlungen erwachsen. Aus dem tabellarischen Überblick über einige wichtige Arbeitskämpfe in der Bundesrepublik geht die Höhe und die zeitliche Entwicklung dieser Kosten hervor. Die Unterstützungszahlungen werden dabei für Arbeitskämpfe insgesamt aufgeführt, d.h. es wird nicht getrennt zwischen Unterstützungszahlungen für ausgesperrte AN und zwischen Unterstützungszahlungen für streikende AN. Eine solche Trennung ist aber nicht geboten, was darauf beruht, daß Aussperrungen in der Bundesrepublik nicht selbständig - als Angriffsaussperrungen auftreten, sondern nur als Reaktion auf Streiks - als Abwehraussperrungen durchgeführt werden. Daher sind auch die Unterstützungszahlungen, die im Rahmen von Aussperrungen an die AN gezahlt werden, durch die Streikentscheidung der jeweiligen Gewerkschaft verursacht.

99 100

Bobke, WSI-Mitteilungen 1985,57,59. O.V., FAZ vom 12.1.1990, S.12.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

351

Unterstützungszahlungen von Gewerkschaften bei ausgesuchten Arbeitskämpfen 101 Jahr

Betroffene Gewerkschaft

1956 1956/57 1963 1971 1974 1976 1978 1978 1978/79 1984

IG Metall IG Metall IG Metall IG Metall öffentliche Dienste, Transport + Verkehr IG Druck + Papier IG Druck + Papier IG Metall IG Metall IG Metall

Unterstützungszahlungen - in Mio DM 14 32 24 80 11 33 12 106 68 327 bzw.

Es zeigt sich, daß im Zeitablauf die Höhe der Unterstützungszahlungen der Gewerkschaften bei den betrachteten Arbeitskämpfen erheblichen Schwankungen unterworfen ist. Der mit Abstand höchste Wert wurde im Jahre 1984 erreicht, wobei die Angaben für die von der IG Metall gewährten Unterstützungzahlungen zwischen 327 Mio. DM und 400 Mio. DM liegen. Setzt man die Kosten des Streikes mit den möglichen Erträgen für die Gewerkschaften in ein Verhältnis, so dürften die Kosten die Erträge wesentlich übersteigen. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß im Rahmen einer kurzfristigen Kosten-Nutzen-Analyse Streiks für die Gewerkschaften negativ zu bewerten sind.

101 Quellen: Bobke, WSI-Mitteilungen 1985, 57, 59; Geschäftsbericht der IG Chemie, Papier, Keramik, 1969-1971, S.282; Geschäftsbericht der IG Metall, 1977-1979, S.232; Müller-Jentsch, in: Bergmann (Hrsg.), Beiträge zur Soziologie der Gewerkschaften, S.59 ff.; o.V, FAZ vom 12.1.1990, S.12.

352

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

4. Auswirkungen auf indirekt betroffene Arbeitnehmer und Arbeitgeber α. Besondere Problematik der Auswirkungen auf indirekt betroffene Arbeitnehmer und Arbeitgeber Die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland ist eine hochentwickelte Volkswirtschaft. Die Unternehmen sind manigfaltig miteinander verbunden, was einerseits eine Folge der Arbeitsteilung und andererseits auch die Konsequenz termingenauer Produktion (vor allem durch geringe Lagerhaltung)102 ist. Dadurch sind die Unternehmen in einem wesentlichen Maße miteinander verzahnt und auf einen reibungslosen Ablauf der Wirtschaftstätigkeit angewiesen. Wird dieser Ablauf durch Streiks in einem Unternehmen gestört, so führt dies dazu, daß auch die primär nicht bestreikten Unternehmen in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit betroffen sein können103. Dadurch wird die Tätigkeit der AN in jenen Unternehmen sinnlos bzw. ökonomisch unergiebig. So einleuchtend es ist, daß die mittelbaren wirtschaftlichen Auswirkungen des Streikes nicht vernachlässigt werden dürfen, so schwierig ist jedoch die Bestimmung dieser Auswirkungen. Es tritt insbesondere die Kausalitätsfrage 104 der Streikfolgen in den Vordergrund.

b. Auswirkungen auf indirekt betroffene

Arbeitnehmer

Grobe Schätzungen gehen davon aus, daß der Streik von drei AN in der Bundesrepublik Deutschland den indirekten Ausfall einer weiteren unmittelbar betroffenen Arbeitskraft nach sich zieht105. Im Metallarbeitskampf 1984 soll das Verhältnis von direkt zu indirekt betroffenen AN gar 1:1 betragen haben106. Bei einer Kosten-Nutzen-Analyse der Streikfolgen für die indirekt betroffenen AN sind im Grundsatz ähnliche Posten in Rechnung zu stellen, wie bei den direkt kampfbeteiligten AN 1 0 7 . In Betracht kommen hier vor allem der Verlust von Lohnansprüchen, Lohnerhöhungen sowie Kurzarbeitergeld. 102 Ein knapper Überblick über das Logistikkonzept termingenauer Produktion in der Automobilbranche findet sich bei Geschäftsführung des WSI (Hrsg.), WSI-Arbeitsmaterialien Nr.10, S.46 ff.. 103 Ehmann, DB 1978,2023, 2029. 104 Vgl. dazu oben, Ó.Kapitel, § 3, A, II. 105 Vgl. Klemm, Ökonomische Analyse, S.112. 106 Denck, DB 1988,2405,2408, dort insbesondere FN 41. 107 Zu diesem Problem innerhalb der Kosten-Nutzen-Analyse, ó.Kapitel, § 3 Β, 1,1.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

353

Sind Unternehmen durch einen Streik in anderen Unternehmen mittelbar betroffen, so können sie unter Umständen ihre Produktion nicht aufrechterhalten, was zu Umsatz- und Gewinnreduktionen führt. Andererseits fallen ihnen aber Kosten an, die produktionsunabhängig sind. Unter diesen Kosten sind in der Regel vor allem auch die Löhne und Gehälter der nichtStreikenden AN zu nennen. Das beruht darauf, daß der Suspensiveffekt des Streikes nur für die kampfbeteiligten AN gilt. Grundsätzlich verlieren daher andere als die streikenden AN ihren Entgeltanspruch gegen den AG nicht. Nach der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland bestehen allerdings Ausnahmen von diesem Grundsatz. Die Verpflichtung des AG's zur Zahlung des Entgelts kann nach derrichterrechtlich entwickelten Sphärentheorie108 entfallen, die für den Spezialfall des Streikes die sonst geltende Betriebsrisikolehre verdrängt. Die Voraussetzungen der Sphärentheorie sind im einzelnen nicht ganz eindeutig, was in der Literatur zum Teil auf heftige Kritik gestoßen ist 109 . Entscheidendes Kriterium dürfte wohl die Frage der Kampfparität sein110. Die wesentliche Rechtsfolge der Sphärentheorie ist, daß AN, die aufgrund der Auswirkungen eines Streikes nicht arbeiten können, den Lohnanspruch gegen ihren AG verlieren. Dies gilt sowohl dann, wenn die Arbeitserbringung aus technischen Gründen nicht möglich ist, als auch dann, wenn infolge des Streikes die Produktion aus wirtschaftlichen Gründen sinnlos ist 111 . Von diesen mittelbaren Auswirkungen des Streikes sind die einzelnen AN höchst unterschiedlich betroffen. Quantitative Aussagen lassen sich kaum treffen. Es wird geschätzt, daß im Arbeitskampf des Jahres 1984 in der Metallindu-

108 Vgl. zu etwa Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, Band II, S.69; Richardi, JuS 1984,825 ff.; kritisch zu der Sphärentheorie Gagel, BB 1984, 2006 ff.. Ausgangspunkt der Spärentheorie war die Entscheidung des RG's aus dem Jahre 1923, RGZ 106, 272 ff.. In dieser Entscheidung wurde allen nichtStreikenden AN, die arbeiten wollten, aber infolge des Arbeitskampfes nicht konnten, der Lohn versagt. Die globale Betrachtung dieser Entscheidung wurde jedoch vom BAG modifiziert, vgl. etwa BAG AP Nr.70 zu Art.9 GG Arbeitskampf. t 1 0 9 Etwa bei Gagel, BB 1984,2006, 2007. 110 Gagel, BB 1984,2006, 2007. 111 Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, Band II, S.70. Vor allem diese Rechtsfolge ist Ursache dafür, daß von Gewerkschaftsseite die Spärentheorie als "kalte" Aussperrung bezeichnet wird. Repräsentativ Bobke, WSI-Mitteilunen 1985, 57, 59 ff., mit Beispielen aus dem realen Wirtschaftsgeschehen.

23 Bohr

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6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

strie insgesamt etwa 500 000 AN mittelbar betroffen waren112. Allerdings existieren keine Aussagen darüber, in welchem Umfang die Lohnansprüche der einzelnen AN entfallen sind. Der Verlust der Lohnansprüche läßt sich daher lediglich qualitativ als Kostenposten aufführen. Im Einzelfall kann dem mittelbar betroffenen AN durch diese Lohnausfälle eine erheblichefinanzielle Einbuße auferlegt werden, die in der Regel auch nicht durch Unterstützungszahlungen der Gewerkschaften ausgeglichen wird 113. Eine Minderung dieser Kosten kann jedoch durch die Gewährung von Kurzarbeitergeld erfolgen. Solche Zahlungen der Bundesanstalt für Arbeit sind als Nutzenposten innerhalb der Kosten-Nutzen-Analyse der mittelbar betroffenen AN einzuordnen. Die Gewährung von Unterstützungszahlungen der Bundesanstalt für Arbeit an mittelbar Streikbetroffene ist im Jahre 1986 neu geregelt worden114, um die Neutralitätspflicht des Staates bei Arbeitskämpfen sicherzustellen. Nach § 116 Abs.3 AFG erfolgt dann keine Zahlung, wenn die mittelbar betroffenen AN "dem räumlichen und fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages zuzuordnen" sind (§ 116 Abs.3 Nr.l AFG). Wenn dies nicht der Fall ist, dannfindet auch dann keine Unterstützungszahlung der Bundesanstalt statt, wenn für die mittelbar betroffenen AN Forderungen erhoben werden, "die einer Hauptforderung des Arbeitskampfes" entsprechen (§ 116 Abs.3 Nr.2a AFG) oder wenn das Arbeitskampfergebnis für die mittelbar betroffenen AN übernommen werden soll (§ 116 Abs.3 Nr.2b AFG). Dies bedeutet, daß eine nicht unerhebliche Gruppe von mittelbar betroffenen AN kein Kurzarbeitergeld bekommt und von dem Lohnwegfall aufgrund er Sphärentheorie vollständig getroffen wird.

112

Kurz-Scherf, WSI-Mitteilungen 1985,124,127. Nach den Regelungen der Gewerkschaftssatzungen erfolgt eine Unterstützungszahlung grundsätzlich nur an direkt betroffene Mitglieder. Ausnahmsweise erhalten jedoch auch mittelbar betroffene A N eine Unterstützungszahlung der Gewerkschaften. Ein Beispielsfall dafür stellt der Metallarbeiterkampf 1984 dar; näher dazu Bobke, WSI-Mitteilungen 1985, 57, 59. 114 Diese Neuregelung war Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. Vgl. dazu etwa den Bericht: o.V, Der Spiegel, Unternehmer, Märkte, Manager 1986,62,63. Auch in der juristischen Literatur erfuhr die Neuregelung ergebliche Kritik, siehe etwa Biebach/Mayer/Mückenberger/Zackert/Seegert, BB 1987, 676 ff. 113

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

355

Auch für diejenigen AN, die Zahlungen von der Bundesanstalt für Arbeit erhalten, besteht eine Differenz zwischen Arbeitslohn und Unterstützungszahlungen, da letztere nicht die Höhe des Lohnes bzw. Gehaltes erreichen115. In der Kosten-Nutzen-Analyse stellt sich daher für die mittelbar betroffenen AN der Streik insoweit als ungünstig dar. Eine andere Beurteilung kann sich hier allerdings ergeben, falls diesen AN streikbedingte Lohnerhöhungen zugutekommen. Hier stellt sich zunächst wieder einmal die Frage der Kausalität zwischen Streikhandlung und Lohnerhöhung, die äußerst zweifelhaft ist 116 . Des weiteren ist nicht anzunehmen, daß mittelbar nur diejenigen AN durch einen Streik betroffen sind, die bei Streikende von einer tariflichen Lohnerhöhung profitieren würden. Im Ergebnis dürften daher für die mittelbar betroffenen AN Streiks in den meisten Fällen Kosten darstellen.

c. Auswirkungen auf indirekt betroffene Arbeitgeber Von Streiks und ihren Folgen sind nicht nur AN mittelbar betroffen, sondern auch AG. Bei den mittelbar betroffenen AG verhält sich die Situation ähnlich der Lage der unmittelbar betroffenen AG 117 . Der Hauptkostenfaktor ist auch hier wieder im Produktionsrückgang begründet. Dieser Rückgang wird allerdings nicht dadurch verursacht, daß die eigenen AN des Betriebes bzw. Unternehmensteiles sich im Ausstand befinden, sondern dadurch, daß die grundsätzlich arbeitsbereiten AN nicht (sinnvoll) arbeiten können. Im einzelnen kann die Art der Beeinträchtigung sehr unterschiedlich sein. Es kann nur ein Teil eines Betriebes bzw. nur ein Teil der Produktion oder auch der ganze Betrieb und die gesamte Produktion gestört werden. Diesen Produktionseinbußen steht als Kompensationsfaktor vor allem die Ersparnis an Lohn- und Gehaltszahlungen aufgrund der Sphärentheorie gegenüber118. Die Lohn und Gehaltszahlungen machen jedoch regelmäßig nur einen Bruchteil derfixen, produktionsunabhängigen Kosten des Unternehmens aus119. 115 So beträgt das Kurzarbeitergeld im Höchstfalle nach § 68 Abs.4 Nr.l AFG 68% um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgeltes (Nettoentgelt). 116 Vgl. dazu oben 6.Kapitel, § 3, Β, 1,1, a, bb, α. 117 Siehe dazu oben, 6.Kapitel, § 3, Β, 1,2. 118 Eine Quantifizierung ist auch hier kaum möglich. Vgl. dazu die Ausführungen 6.Kapitel, § 3, B,I,2. 119 Weiterhin entfallen die Entgeltzahlungspflichten nach der Sphärentheorie nur unter bestimmten Umständen, die nicht immer bei den indirekt betroffenen A G vorliegen.

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6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Dazu kommt, daß das Unternehmen in der Regel durch seine Produktion einen Gewinn erzielt. Dieser fällt jedoch fort, wenn nicht produziert wird. Als weiterer Kostenposten innerhalb der Kosten-Nutzen-Analyse kann auf die mittelbar streikbetroffenen Betriebe auch noch die Verpflichtung zu Schadensersatzzahlungen120 zukommen, wenn sie ihren Vertragspflichten nicht nachkommen. Aus den genannten Gründen dürften Streiks insgesamt für mittelbar betroffene Unternehmen primär als Kostenfaktoren einzuordnen sein. Sollte gar der erstreikte Tarifvertrag auch für die mittelbar betroffenen Unternehmen Geltungfinden, so können sich im Einzelfall diese Kosten noch erhöhen. Können die mittelbar betroffenen Unternehmen zumindest teilweise ihre Produktion aufrechterhalten, so kann ein möglicher Streikgewinn für sie darin liegen, daß sie aufgrund der Produktionsengpässe der bestreikten Betriebe deren Marktanteile übernehmen können121. Dieser Gewinn dürfte jedoch nicht allzusehr ins Gewicht fallen, da Streiks in der Regel nicht allzulange dauern und auch meistens bei den Geschäftspartnern eine gewisse Produkt- und Kundentreue besteht122. Zusammenfassend ist als Ergebnis der obigen Ausführungen festzustellen, daß der Streik nicht nur für die mittelbar betroffenen AN, sondern auch für die mittelbar betroffenen AG grundsätzlich negativ im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse zu beurteilen ist.

120 Zur rechtlichen Problematik solcher mittelbaren Folgen eines Streikes vgl. als Übeiblick Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, Band II, S.78 m.w.N.. Bezüglich dieser Möglichkeiten des Ausschlusses der Schadensersatzpflicht gilt auch hier wieder das oben für unmittelbar betroffene A G Gesagte, 6.Kapitel, § 3, Β, 1,2, a, bb. 121 Einen insgesamt guten Überblick über die Auswirkungen von Streiks auf Marktanteile findet man bei Geschäftsführung des WSI (Hrsg.), WSI-Arbeitsmaterialien Nr. 10, S.44 ff., wenn auch den Überlegungen dort im einzelnen nicht vorbehaltlos zugestimmt werden kann. 122 So auch im Ergebnis Geschäftsführung des WSI (Hrsg.), WSI-Materialien Nr.10, S.59 ff.. Hinzuzufügen ist, daß ein Verhalten, das auf die Übernahme von Marktanteilen während eines Streikes gerichtet ist, den Solidaritätsgrundsätzen der AG-Verbände widerspricht; vgl. etwa Herzog, Der Arbeitgeber 1962,616, 617; Klemm, Ökonomische Analyse, S.109; Säcker, ZfH 1974,455, 459.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

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IL Makroökonomische Auswirkungen Im vorigen Abschnitt wurde untersucht, welche Konsequenzen der Streik auf einzelne Wirtschaftssubjekte hat. Im folgenden soll nun geklärt werden, wie der Streik sich makroökonomisch, d.h. auf Wirtschaftssektoren und auf die Gesamtwirtschaft auswirkt. Die Sektorbildung erfolgt dergestalt, daß die Unternehmen, die privaten Haushalte, sowie der Staat jeweils einen Sektor darstellen123. Bei der hier vorgenommenen separierten Betrachtung der einzelnen Sektoren darf nicht übersehen werden, daß diese nicht isoliert zueinander stehen. Es sind - ebenso wie bei den mikroökonomischen Auswirkungen - zwischen den Sektoren vielfältige Interdependenzen möglich, die zwar oftmals außer Betracht bleiben, aber letztlich zu berücksichtigen sind124. Gerade durch die Zusammenfassung125 mehrerer Wirtschaftssubjekte zu einem Wirtschaftssektor kommt es zu Informationsverlusten, da wirtschaftliche Auswirkungen, die lediglich innerhalb des Sektors stattfinden, nicht erfaßt werden. Diesem Nachteil steht jedoch der Vorteil größerer Übersichtlichkeit gegenüber. Aufgrund des hier gewählten Erkenntniszieles überwiegt der Vorteil der Übersichtlichkeit die Nachteile des Informationsverlustes 126. 1. Unternehmenssektor In der einzelwirtschaftlichen Betrachtung der streikbetroffenen Unternehmen stellte der Streik in der Regel eine Belastung für die betroffenen Unternehmen dar. Innerhalb der Kosten-Nutzen-Analyse überwogen die Kosten den Nutzen des Streikes. Dabei bestanden die wesentlichen Kostenfaktoren in einem streikbedingten Produktionsausfall, in Lohnerhöhungen und Schadensersatzverpflich123 Zur Sektorbildung und zur Wahl der Sektoren allgemein vgl. Stobbe, Volkswirtschaftslehre I, Volkswirtschaftliches Rechnungswesen, S.379. 124 Zu diesen methodischen Problemen vgl. oben, 6.Kapitel, § 3, A, I. 125 Die Auswirkungen der Zusammenfassung mehrerer Wirtschaftssubjekte zu einem Wirtschaftssektor sind dargestellt bei Stobbe, Volkswirtschaftslehre I, Volkswirtschaftliches Rechnungswesen, S.81 ff.. 126 Außerdem wurden auch die Auswirkungen auf die einzelnen Wirtschaftssubjekte im vorigen Abschnitt dargestellt

358

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

tungen. Eine besondere Problematik ergab sich daraus, daß die Auswirkungen des Schadensersatzverpflichtungen und der Lohnerhöhungen sich nur qualitativ bestimmen ließen. Die Bestimmung der Kosten des Produktionsausfalles erfolgte für die beiden möglichen Extremsituationen. Im günstigsten Falle konnte die streikbedingte Produktionsbeeinträchtigung vollständig kompensiert werden, im ungünstigsten Falle fand keine Kompensation statt. Den Aufwendungen der AG standen als Erträge in der Kosten-Nutzen-Analyse im wesentlichen die streikbedingten Lohneinsparungen sowie die Minderung der ursprünglichen Streikforderung gegenüber. Während somit mikroökonomisch betrachtet der Streik für die betroffenen Unternehmer durchaus mit erheblichen Kosten verbunden sein konnte, fragt es sich, ob dies auch für den gesamten Unternehmenssektor gilt. Bei der kurzfristigen makroökonomischen Betrachtung kommt dem Prokuktionsausfall besondere Bedeutung zu. Demgegenüber können sonstige Kosten- und Nutzen-Posten außer Betracht bleiben127. Dies folgt daraus, daß die sonstigen Faktoren zwar durchaus mikroökonomische Auswirkungen hatten, diesen aber insgesamt gegenüber dem Produktionsausfall nur eine geringere Bedeutung zukam. Unter sektoralen Gesichtspunkten sind sie daher - bei kurzfristigen Erwägungen - zu vernachlässigen. Bezüglich der Auswirkungen des Produktionsausfalles sind auch makroökonomisch zwei Extremsituationen denkbar128: Zum einen kann auch hier die Möglichkeit bestehen, durch Mehrarbeit den Produktionsausfall zu kompensieren. Zum anderen kann aber auch die Situation vorliegen, daß der streikbedingte Produktionsausfall vollständig bestehen bleibt.

α. Erste Extremsituation:

Kompensation des Produktionsausfalles

Wird der Produktionsausfall vollständig kompensiert, so sind die kurzfristigen makroökonomischen Auswirkungen des Streikes für den Unternehmenssektor insgesamt zu vernachlässigen.

127 Dies gilt allerdings nur fur die kurzfristige Analyse. Langfristig muß beispielsweise durchaus eine streikbedingte Lohnerhöhung Beachtung finden. Dazu unten, ó.Kapitel, § 3, c. 128 Insofern unterscheidet sich die Lage nicht von der der mikroökonomischen Analyse.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

b. Zweite Extremsituation:

359

Keine Kompensation des Produktionsausfalles

Anders kann die Beurteilung aussehen, wenn innerhalb des Unternehmenssektors keine Kompensation gelingt. Durch den Streik wird dann die Produktion möglicherweise vermindert. Zu berücksichtigen sind sowohl der direkte streikbedingte Produktionsausfall als auch - da es sich um eine Sektorbetrachtung handelt - die indirekte Produktionsminderung. Fraglich ist, welches Ausmaß diesen Streikfolgen zukommt, insbesondere, ob eine annäherungsweise quantitative Erfassung möglich ist. In der statistischen Behandlung der Arbeitskämpfe wird für die Bundesrepublik Deutschland im wesentlichen zwischen Streik und Aussperrungen nicht unterschieden. Grundsätzlich werden lediglich Statistiken für Arbeitskämpfe insgesamt gefertigt. Auf den ersten Blick ist es daher problematisch, ob diese Zahlen als Beurteilungskriterien für die makroökonomischen Auswirkungen auf den Unternehmenssektor herangezogen werden können129. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß der Aussperrung der AN selbst keine eigenständige, primär aktive Rolle im Wirtschaftsleben der Bundesrepublik Deutschland zukommt130. Die letzten Jahrzehnte der tariflichen Auseinandersetzungen haben vielmehr erkennen lassen, daß Arbeitskampfmaßnahmen im Regelfalle durch die Gewerkschaften eingeleitet werden, so daß Aussperrungen von der AG-Seite grundsätzlich als Abwehr von Streikaktivitäten anzusehen sind131. Weiterhin ist aufzuführen, daß die moderne Technik und die Arbeitsteilung es den Gewerkschaften ermöglicht, durch gezielte Schwerpunktstreiks einen ganzen Betrieb durch nur wenige streikende AN lahmzulegen132. Wenn die AG in einem solchen Falle dann zu den Mitteln der Aussperrung greifen, so ist das letztlich nicht ihre eigene, originär-unabhängige Entscheidung, sondern beruht auf diesen vorausgegangenen Schweipunktstreiks.

129 Diesselbe Problematik ergab sich aus der Betrachtung der mikroökonomischen Auswirkungen, dort vor allem bei der Betrachtung der Auswirkungen auf die Gewerkschaften, ó.Kapitel, § 3, Β, 1,3. 130 Anders, aber unzutreffend Bobke, WSI-Mitteilungen 1985,57,58 ff.. 131 Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, Band II, S.49. 132 Vgl. dazu oben, ó.Kapitel, § 3, Β, I, 2, a, aa.

360

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Aus den aufgeführten Gründen ist es durchaus gerechtfertigt, die Anzahl der Arbeitskämpfe insgesamt als Maß der Streikaktivität in der Bundesrepublik zu verwenden, die auf dem Unteraehmenssektor als makroökonomische Größe wirkt 133.

Verlorene Arbeitstage durch Arbeitskämpfe im Unternehmenssektor134

Jahr

Verlorene Arbeitstage

1987 1986 1985 1984 1983 1982 1981 1980

33.325 5.630 34.505 5617.595 38.998 15.106 58.398 128.386

Die Tabelle zeigt, daß der Unternehmenssektor in unterschiedlichem Maße von Arbeitskämpfen betroffen war. Im betrachteten Zeitraum von 1980 bis 1987 schwankte die Anzahl der ausgefallenen Arbeitstage zwischen 15.106 als niedrigstem Wert im Jahre 1982 und 5.617.595 im Jahre 1984 als höchstem Wert. Diese Zahlen könnten dafür sprechen, daß der gesamte Unternehmenssektor durch Streiks wesentlich beeinträchtigt ist. Vor allem müssen neben den angeführten verlorenen Arbeitstagen der direkt kampfbetroffenen AN zusätzlich noch die Wirkungen des Arbeitskampfes auf die indirekt betroffenen AN berücksich133 Insofern ist das Ergebnis identisch mit den mikroökonomischen Ausführungen. Obgleich es beidesmal um die Frage geht, ob Arbeitskämpfe insgesamt als Maß der Streikaktivität herangezogen werden können, handelt es sich jedoch um unterschiedliche Sachverhalten, die deswegen auch einer getrennten Erörterung bedürfen: Bei der mikroökonomischen Betrachtung geht es um die Auswirkungen auf einzelne Wirtschaftssubjekte, bei der makroökonomischen Betrachtung ist dagegen gefragt, wie die Auswirkungen sich sektoral darstellen. 134 Quellen: Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland, Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch, laufende Jahrgänge; eigene Berechnungen. Zu ähnlichen Zahlen kommt auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (Hrsg.), Wirtschaftspolitische Informationen Nr.7/1984, 22.August 1984, S.2.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

361

tigt werden. Die Schätzungen über die indirekt streikbetroffenen AN gehen weit auseinander und sind - wie schon oben angeführt - insgesamt recht vage. Sie reichen von einem Verhältnis der mittelbar betroffenen AN zu den unmittelbar kampfbeteiligten AN von 1:3 135 bis zu einem Verhältnis von 1:1 136 . Vorliegend wird die für die Unternehmen schlechtmöglichste Extremsituation betrachtet, nämlich daß eine Kompensation des Produktionsausfalles nicht gelingt. Deshalb soll auch die für das Unternehmen ungünstigste Schätzung herangezogen werden, wonach das Verhältnis von direkt zu indirekt betroffenen AN 1:1 ist. Bei Berücksichtigungen der indirekt betroffenen AN ergibt sich folgende modifizierte Tabelle der verlorenen Arbeitstage im Unternehmenssektor.

Verlorene Arbeitstage durch Arbeitskämpfe im Unternehmenssektor bei Berücksichtigung der mittelbar betroffenen AN 1 3 7

Jahr

Verlorene Arbeitstage

1987 1986 1985 1984 1983 1982 1981 1982

66.650 51.260 69.010 11.235.190 77.996 30.212 116.796 256.772

Durch die Modifizierung verdoppelt sich die Anzahl der ausgefallenen Arbeitstage, die auf Arbeitskämpfe zurückzuführen sind. Isoliert betrachtet weisen diese Zahlen auf einen erheblichen Produktionsrückgang hin.

135

Klemm, Ökonomische Analyse, S. 112. Denck, DB 1988,2405, 2408, dort insbesondere FN 41. 137 Quellen: Institut der Deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland, laufende Jahrgänge; Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch, laufende Jahrgänge; eigene Berechnungen. 136

362

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Vorliegend soll jedoch der gesamte Sektor der Unternehmungen untersucht werden. Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Auswirkungen empfiehlt es sich daher, die ausgefallenen Arbeitstage in ein Verhältnis zu setzen mit den Arbeitstagen die insgesamt in dem Sektor ohne Arbeitskämpfe erbracht worden wären.

Verhältnis von verlorenen Arbeitstagen zu potentiell möglichen Arbeitsta· gen bei Berücksichtigung der mittelbar betroffenen AN 1 3 8

Jahrverlorene Arbeitstage

1987 1986 1985 1984 1983 1982 1981 1980

66.650 51.260 69.010 11.235.190 77.996 30.212 116.769 256.772

mögliche Arbeitstage

Verhältnis verlorene AT zu möglichen AT in %

6.204.000.000 6.162.840.000 6.126.120.000 6.077.060.000 6.069.580.000 6.059.240.000 6.031.520.000 5.987.740.000

0,00140 0,00083 0,00113 0,18488 0,00128 0,00050 0,00194 0,00429

Bei der Berechnung dieses Verhältnisses ergibt sich hinsichtlich der Bedeutung der Arbeitskämpfe für den gesamten Unternehmenssektor ein insgesamt etwas anderes Bild, als es die doch numerisch recht große Zahl der ausgefallenen Arbeitstage hätte erwarten lassen. Im Verhältnis zu den möglichen Arbeitstagen fallen die streikbedingten Ausfalltage kaum ins Gewicht. Sogesehen hat der Streik bei kurzfristiger Betrachtung für den Unternehmenssektor kaum meßbare Auswirkungen.

138 Quellen: Institut der Deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland, laufende Jahrgänge; eigene Berechnungen.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

363

Zu berücksichtigen ist allerdings, daß die Arbeitstage bei der vorliegenden Berechnung nicht gewichtet wurden. Es wurde vielmehr eine gleiche Bedeutung jedes Arbeitstages für das Wirtschaftsleben unterstellt. In der Realität trifft diese Simplifizierung allerdings nicht zu 139 . Deshalb werden die Gewerkschaften versuchen, dort Streiks durchzuführen, wo die Wirtschaft besonders erfolgreich ist und wo zum anderen auch die Streikfolgen besonders gravierend sind140. Aber selbst bei einer Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Gewichtungen dürften die Streikfolgen im Ergebnis kaum anders aussehen. Bei dem Vorliegen besonderer Konstellationen können jedoch erhebliche Abweichungen von dem hier gefundenen Ergebnis auftreten. So berichtet Ghali141 von den Auswirkungen eines 3-monatigen Hafenarbeiterstreikes auf die Wirtschaft Hawaiis, der zu einer Beeinträchtigung der Unternehmensproduktion in Höhe von 34,28% geführt hat. Diese Auswirkungen können jedoch nicht verallgemeinert werden, da sie vor allem auf der besonderen geographischen Lage Hawaiis als Insel beruhen. Vor allem deshalb konnte der Hafenarbeiterstreik solch enorme Auswirkungen haben.

c. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis der makroökonomischen Betrachtungen ist festzuhalten, daß Streiks in der Bundesrepublik Deutschland bei kurzfristiger Betrachtung keine wesentlichen Auswirkungen auf den Unternehmenssektor haben. 2. Sektor private Haushalte Kurzfristig betrachtet kann der Sektor der privaten Haushalte durch Streiks vor allem in zweifacher Hinsicht betroffen werden: Zum einen können den Haushalten Verluste durch Lohneinbußen entstehen; zum anderen kommt eine Konsumbeeinträchtigung in Betracht.

139 Die Produktivität und die Umsatzleistung ist innerhalb der Gesamtwirtschaft recht unterschiedlich, vgl. dazu etwa Institut der Deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland 1989, Tabellen 64 f.. 140 Bobke, WSI-Mitteilungen 1985, 57, 58 ff.; Kurz-Scherf, WSI-Mitteilungen 1985, 123 ff.. 141 Ghali, Western Economic Journal 1973,214 ff., insbesondere S.222.

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6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Demgegenüber ist bei der Sektorbildung eine mögliche streikbedingte Lohnerhöhung in ihren Wirkungen zu vernachlässigen. Ebenso wie bei dem Unternehmenssektor, so beruht dies auch bei dem Sektor private Haushalte darauf, daß solche Lohnerhöhungen nur einen Teil der AN betreffen und daß die Lohnerhöhungen vor allem langfristige Wirkungen zeigen142.

& Lohneinbußen Nach der in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Rechtslage entfällt bei einem Streik der Lohnanspruch. Dies gilt für unmittelbar betroffene AN 1 4 3 und - unter gewissen Voraussetzungen - auch für mittelbar betroffene AN 1 4 4 . Die unmittelbar kampfbeteiligten AN hatten mikroökonomisch betrachtet Lohneinbußen, die erheblich schwankten: 1984 betrugen sie im Durchschnitt 1510,90 DM pro beteiligtem AN, 1987 dagegen nur 34,70 DM 1 4 5 . Diese Kosten wurden für gewerkschaftlich organisierte AN regelmäßig durch Unterstützungszahlungen der Gewerkschaften reduziert bzw. kompensiert. Sektoral gesehen kommen zu diesen Lohneinbußen weiterhin noch die Einbußen der mittelbar betroffenen AN. Die Quantifizierung dieser Lohneinbußen ist, wie oben erörtert 146, schwierig. Auch Schätzungen sind nur vage und ungenau. Dazu kommt, daß unter Umständen die Lohnverluste durch Zahlungen der Bundesanstalt für Arbeit oder durch Gewährung von Sozialhilfe verringert werden. Aus diesen Gründen ist eine Bestimmung der Lohneinbußen des gesamten privaten Sektors problembehaftet. Es kann nur eine Annäherung an die Realität versucht werden. Dabei soll von folgender vereinfachter Annahme ausgegangen werden: die Unterstützungszahlungen der Gewerkschaften und der Bundesanstalt für Arbeit sowie die Sozialhilfe finden keine Berücksichtigung. Weiterhin soll das Verhältnis von indirekt zu direkt betroffenen AN 1:1 sein. Auch der Lohnverlust entspreche diesem Verhältnis.

142

Vgl. dazu oben, Ó.Kapitel, § 3, Β, II, 1. Grundlegend BAG AP Nr.l zu Art.9 GG Arbeitskampf. Dazu auch Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, Band II, S.68. 144 Zu den Voraussetzungen etwa Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, Band II, S.69 f., m.w.N.; siehe auch oben, 6.Kapitel, § 3, Β, 1,4, b. 145 Siehe oben, 6.Kapitel, § 3, Β, 1,1, a, aa, α. 146 Vgl. oben, 6.Kapitel, § 3, Β, II, 1. 143

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

365

Diesen Annahmen kann sicherlich zum Vorwurf gemacht werden, daß sie eine gewisse Realitätsferne aufweisen. So werden beispielsweise die gewerkschaftlichen Unterstützungszahlungen vernachlässigt, obwohl sie den Lohnverlust der organisierten AN wesentlich mindern147. Gleichwohl ist es nicht ohne informatorischen Wert, diese Annahmen zu machen. Es wird nämlich eine extrem ungünstige Situation für den Sektor private Haushalte unterstellt. Sollte es sich im Ergebnis zeigen, daß selbst unter diesen Annahmen die Lohneinbußen als Auswirkungen des Streikes auf den Sektor zu vernachlässigen sind, so dürfte es umsomehr für die reale Situation gelten.

Lohnverluste des Sektors private Haushalte148

Jahr

1987 1986 1985 1984

I Π Summe der Streik- Summe der potentiell 149 bedingten Lohn- möglichen Löhne einbußen [DM] [DM] 1,0754 · 107 8,7140 106 1,0368 107 1,6246 109

1,0 10 12 9,6 10 11 9,2 1011 8,8 · 1011

ΠΙ Verhältnis von I zu Π [in %]

0,0010 0,0009 0,0010 0,1800

Aus der Gegenüberstellung der durchschnittlichen Lohneinbußen mit den Löhnen, die dem Sektor ohne Streikaktivitäten zugeflossen wären, wird sichtbar, daß insgesamt bei makroökonomischer Betrachtung die Auswirkungen zu vernachlässigen sind. Sogar im Jahre 1984, in dem eine sehr große Streikaktivität zu verzeichnen war, kam es streikbedingt zu Lohnverlusten lediglich in einer Höhe von 1,8 Promille des Jahreslohnes ohne Streikaktivität. Die Ausführungen haben gezeigt, daß selbst unter den vorliegenden ungünstigen Annahmen sektoral kaum Auswirkungen bezüglich der Lohneinbußen bestehen. Auch in der Realität liegen daher kaum Auswirkungen auf den Lohn des Sektors private Haushalte vor. 147

Vgl. oben, Ö.Kapitel, § 3, Β, 1,1, a, bb, ß. Quellen: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch, laufende Jahrgänge; eigene Berechnungen. 149 Die Summe der potentiell möglichen Löhne ergibt sich aus dem Produkt von beschäftigten AN, durchschnittlichem Tageslohn und durchschnittlicher Jahresarbeitszeit in Tagen. Die durchschnittliche Jahresarbeitszeit wurde mit 220 Tagen angenommen. 148

366

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

b. Konsumbeeinträchtigung Eine Konsumbeeinträchtigung des Sektors private Haushalte durch Streiks kann kurzfristig hauptsächlich unter zwei Aspekten in Betracht kommen150. Es besteht zum einen die Möglichkeit, daß gewisse Produkte den Konsumenten temporär oder permanent nicht zur Verfügung stehen. Dies kann dadurch geschehen, daß durch den Arbeitskampf die Produktion vollständig unterbrochen wird, und eine ausreichende Lagerhaltung nicht besteht. Zum anderen kann es infolge eines reduzierten Angebotes bestimmter Güter und Leistungen zu kurzfristigen Preiserhöhungen kommen151. Eine allgemeingültige Aussage über diese Effekte dürfte wegen der Vielzahl der unterschiedlichen Güter und der verschiedenen Auswirkungen auf die einzelnen Konsumenten weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht möglich sein. Im einzelnen hängen diese Auswirkungen vor allem von den Nutzenfunktionen der privaten Haushalte, den Substitutionsmöglichkeiten sowie den Preiselastizitäten der Nachfragen ab 152 . Gerade bei den Substitutionsmöglichkeiten kann es erhebliche Unterschiede geben. Wird beispielsweise durch einen Streik die Herstellung von Tageszeitungen in der Bundesrepublik Deutschland erfolgreich verhindert, so wird eine Substitution nicht stattfinden. Die privaten Haushalte sind zu einem Konsumverzicht gezwungen. Dagegen ist etwa dann vergleichsweise eine Substitution im Automobilbereich möglich, wenn zum Beispiel ausländische Fahrzeuge als geeignete Substitute zu inländischen angesehen werden. Werden sie von den privaten Haushalten nicht als geeignete Substitute eingeordnet153, so wird es aber auch dann nicht zu einem vollständigen Konsumverzicht kommen. Lediglich die Lieferfristen verlängern sich, so daß ein temporärer Konsumverzicht vorliegt. Die Wahrscheinlichkeit, daß gewisse Güter streikbedingt nicht zur Verfügung stehen, dürfte jedoch in der Bundesrepublik insgesamt - von Ausnahmen abgesehen - recht gering sein154.

150

Klemm, Ökonomische Analyse, S. 118. Der Zusammenhang von Angebot und Preisen in Bezug auf nachgefragte Güter findet sich in sämtlichen volkswirtschaftlichen Lehrbüchern, vgl. etwa Schumann, Grundzüge der mirkoökonomischen Theorie, S.49. 152 Klemm, Ökonomische Analyse, S.119. 153 Vgl. dazu etwa Geschäftsführung des WSI (Hrsg.), WSI-Arbeitsmaterialien Nr.10, S.41. 154 So auch - allerdings bei einem anderen Untersuchungsziel - Geschäftsführung des WSI (Hrsg.), WSI-Arbeitsmaterialien Nr.10, S.44 ff.. 151

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

367

Auch die kurzfristige Preiserhöhungen durch Streiks dürften in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt zu vernachlässigen sein155. Dies hängt insgesamt mit der relativ geringen Streikdauer zusammen. Insgesamt wird man daher sagen können, daß es durch Streiks in der Bundesrepublik Deutschland nicht zu wirksamen Konsumbeeinträchtigungen kommt156.

c. Zwischenergebnis Es bleibt festzuhalten, daß die Streikaktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Sektor der privaten Haushalte kurzfristig keine nennenswerten Auswirkungen haben. Dies gilt sowohl für die Lohneinbußen als auch für den Konsumverzicht. 3. Staatssektor Der Staatssektor besteht in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Bundesrepublik Deutschland aus den Untersektoren Gebietskörperschaften und Sozialversicherungen157. Eine direkte Beeinträchtigung des Staates als Hoheitsträger liegt bei einem Streik regelmäßig nicht vor. Im wesentlichen wird bei Arbeitskämpfen der Staat direkt in seiner Funktion als AG betroffen 158. In diesen Fällen gilt das zum Unternehmenssektor Gesagte159. Es bestehen jedoch indirekte Auswirkungen. Diese beruhen zum einen darauf, daß dem Staat Einnahmen entgehen. Streikbedingt werden weniger Steuern gezahlt und auch die Beiträge für die Sozialversicherung werden reduziert 160.

155

Zu beachten ist, daß dies für die Preiserhöhungen nur unter kurzfristigen Gesichtspunkten gilt. Wie sich langfristig Streiks auf das Preisniveau auswirken, wird hier noch nicht angesprochen. Dies Bedarf vielmehr einer eigenen Untersuchung, die unten, 6.Kapitel, § 3, C, I I I . l erfolgen soll. 156 Zu dieser Einschätzung gelangt auch Klemm, Ökonomische Analyse, S.119. 157 Stobbe, Volkswirtschaftslehre I, Volkswirtschaftliches Rechnungswesen, S.247 ff.. Nicht zum Staatssektor zählen Unternehmen im Eigentum öffentlicher Haushalte, wie Bundesbahn oder Bundespost. 158 Ein Streik gegen den Staat als Hoheitsträger wäre als politischer Streik rechtswidrig, vgl. Rüthers in: Brox/ Rüthers, Arbeitskampfrecht, S.53 ff.; Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, Band II, S.34; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band 2, 2. Halbband, S.897; Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Rdnr.316,375 zu Art.9 GG. * * Siehe oben, 6.Kapitel, § 3, Β, II, 1. 160 Dies beruht darauf, daß in der Regel sich die Höhe der Zahlungspflichten nach den tatsächlichen Arbeitseinkommen richten (etwa §§ 226 SGB V, 1385 RVO).

368

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Zum anderen können dem Staat auch Zahlungsverpflichtungen erwachsen. Unter Umständen kann eine Verpflichtung zur Gewährung von Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld sowie von Sozialhilfe bestehen161. Der Einnahmeausfall an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen richtet sich nach der Höhe der Lohneinbußen der durch den Streik betroffenen AN und nach dem Produktionsausfall der betroffene Unternehmen. Dabei müssen sowohl die direkt betroffenen AN und Unternehmen als auch die indirekt betroffenen betrachtet werden. Hinsichtlich der Steuerausfälle ist insbesondere an Lohnsteuer, Mehrwertsteuer sowie an Gewinnsteuern zu denken162. Der Verlust des Staates an Lohnsteuern korreliert mit den streikbedingten Arbeitsentgeltsverlusten der AN, die bei den sektoralen Lohnverlusten der privaten Haushalte dargestellt sind163. Dort wurde beschrieben, daß für den einzelnen AN zwar der Lohnverlust durchaus bedeutsam sein konnte, daß die Lohnverluste für den gesamten Sektor der privaten Haushalte in seinem Ausmaß zu vernachlässigen waren. Aus den gleichen Gründen haben auch für den Staatssektor die streikbedingten Lohnverluste insgesamt keine gravierende Bedeutung. Der Verlust des Staates an Mehrwertsteuern und an Gewinnsteuern steht in einem Zusammenhang mit den Produktionseinbußen der Unternehmen (vgl. etwa §§ 7 f. KStG, § 13 UStG) und einer damit verbundenen Reduzierung der wirtschaftlichen Tätigkeit. Der Einfluß von Streiks auf die Produktion des Unternehmenssektors wurde oben aufgezeigt 164. Es wurden zwei Extremsituationen unterschieden, je nachdem in welchem Umfange eine Kompensation der streikbedingten Produktionsbeeinträchtigungen erfolgte. Kann eine Kompensation vollständig stattfinden, so entstehen dem Staat keine Verluste an Mehrwertsteuern und Gewinnsteuern, da sich insoweit die Situation der Unternehmen von der Normalsituation nicht unterscheidet. Auch wenn keine Kompensation des Produktionsausfalles gelingt, ergibt sich aus der obigen Darstellung, daß der Steuerausfall von Mehrwertsteuern und Gewinnsteuern zu vernachlässigen sein dürfte, da die Produktionsminderung - als wesentliche Referenzgröße für die Steuerminderungen - insgesamt äußerst gering ausfällt.

161

Dazu auch oben, 6.Kapitel, § 3, Β, 1,4. Ehmann, DB 1978,2023, 2024. 163 Dabei muß noch berücksichtigt werden, daß bei der Berechnung der Lohnverluste von extrem ungünstigen Annahmen ausgegangen wurde, vgl. oben ó.Kapitel, § 3, Β, 2, a. 164 Siehe oben, 6.Kapitel, § 3, Β, Π, 1. 162

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

369

Die Sozialversicherungsbeiträge richtensich - ebenso wie die Lohnsteuer nach dem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt der AN 1 6 5 . Daraus folgt, daß auch die Beitragsverluste der Sozialversicherungsträger mit den Lohnverlusten der AN korrelieren. Es gilt daher für die Beitragsverluste das zu der Lohnsteuer Gesagte: Im Ergebnis sind die Einnahmeverluste der Sozialversicherungsträger bezogen auf die gesamten Einnahmen - nicht gravierend. Neben diese Einnahmeverluste treten staatliche Zahlungen, die insbesondere in der Gewährung von Kurzarbeitergeld sowie von Sozialhilfe bestehen können. Quantifizierungen dieser staatlichen Zahlungen sind vor allem wegen Kausalitätsfragen kaum möglich. Statistische Untersuchungen liegen in der Bundesrepublik Deutschland nicht vor. Auch eine Untergliederung der Bezugsberechtigten nach dem unmittelbaren Anlaß166 der Zahlungsgewährung besteht nicht. Immerhin schätzt die Bundesanstalt für Arbeit die Anzahl der bezugsberechtigten Kurzarbeiter bei den Arbeitskämpfen des Jahres 1984 auf etwa 74.300. Dies waren 23% der Kurzarbeiter überhaupt167. Das deutet für das Kurzarbeitergeld auf eine erhebliche Belastung durch Arbeitskämpfe hin. Es sind jedoch mehrere Anmerkungen zu diesen Zahlen zu machen: Die Gewährung von Kurzarbeitergeld richtet sich naqh der Streikdauer. In der Regel ist diese in der Bundesrepublik Deutschland relativ kurz 168, so daß der zeitliche Rahmen der Verpflichtung der Bundesanstalt für Arbeit auch verhältnismäßig kurz sein dürfte. Des weiteren ist die hier aufgeführte Verhältniszahl von 23% auch deswegen so hoch, weil der Arbeitskampf des Jahres 1984 äußerst heftig war und ein nicht alltägliches Ereignis innerhalb der Auseinandersetzungen der Tarifparteien darstellt.

165

§§ 226 SGB V, 1385 RVO. Hier ist mehr der unmittelbare und weniger der mittelbare Anlaß von Bedeutung, da es um die kurzfristigen und nicht um die langfristigen ökonomischen Konsequenzen geht. 167 O.V., Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt fur Arbeit 1984,1091,1093. 168 Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch, laufende Jahrgänge. 166

24 Bohr

370

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Nicht zuletzt ist auch noch auf das Spezifische des Kurzarbeitergeldes hinzuweisen: Kurzarbeitergeld 169 kann erhalten, wer ungekündigt170 im Betrieb seines AG's bleibt, aber wegen vorübergehender wirtschaftlicher Schwierigkeiten171 nur ein vermindertes bzw. gar kein Arbeitsentgelt172 erhält. Die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld sind daher relativ eng gefaßt. In der Regel wird ein AN entweder arbeitslos sein oder vollständig arbeiten. Dies spiegelt auch das Verhältnis von Kurzarbeitern zu Arbeitslosen wider, das im Durchschnitt der Jahre 1968 - 1987 22,2%173 betrug. Dies bedeutet, daß die Zahl der Kurzarbeiter insgesamt vergleichsweise nicht allzu groß ist, so daß durch einen Arbeitskampf eine merkliche Beeinflussung erfolgen kann. Vergleicht man die streikbedingte Gewährung von Kurzarbeitergeld gar mit der übrigen staatlichen Aktivität und deren sonstigen staatlichen Ausgaben, so muß man konstatieren, daß der Streik unter kurzfristigen Aspekten keine erhebliche Belastung für den Staat darstellt. Neben die Verpflichtung zur Zahlung von Kurzarbeitergeld kann auch noch die Verpflichtung zur Gewährung von Sozialhilfe treten174. Träger der Sozialhilfe sind nach § 96 Abs.l BSHG in der Regel die kreisfreien Städte und die Landkreise. In Einzelfällen können ihnen höchstens durch längere Streiks spürbare Belastungen entstehen. Bezogen auf den gesamten Sektor Staat dürften diese Belastungen allerdings auch kaum merklich sein. Dies nicht nur deswegen, weil Arbeitskämpfe in der Regel keine allzulange Dauer haben, sondern auch aus dem Grunde, daß die Anspruchsvoraussetzungen der Sozialhilfe recht eng gefaßt sind (vgl. § 11 BSHG). Für den Staatssektor läßt sich zusammenfassend sagen, daß bei kurzfristiger Analyse die Streikwirkungen insgesamt zu vernachlässigen sind.

4. Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen In der bisherigen Analyse wurde die Gesamtwirtschaft in 3 Sektoren aufgeteilt: Private Haushalte, Unternehmen und Staat. Die einzelnen Auswirkungen auf die jeweiligen Sektoren wurden dabei dargestellt. Als Ergebnis der Untersu-

169

Gemäß §§ 63 ff. AFG. §65 Abs. 1 Nr.l AFG. 171 §§ 63,64 Abs.l Nr.l AFG. 172 § 65 Abs.l Nr.2 AFG. 173 Berechnet nach Bundesanstalt für Arbeit (Hrsg.). Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit, Arbeitsstatistik 1987, Jahreszahlen, Übersicht 15, Übersicht 137. 174 Vgl. etwa §§ 4,11 BSHG. 170

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

371

chungen ließ sich jeweils feststellen, daß kurzfristig gesehen der Streik auf keinen der Sektoren gravierende Auswirkungen hatte. Die Konsequenzen der Streiks waren vielmehr zu vernachlässigen. Konsolidiert man nun die Sektoren noch weiter und betrachtet die Gesamtwirtschaft, so folgt das Ergebnis zwangsläufig: Da auf keinen der Sektoren eine merkliche kurzfristige Wirkung der Streiks zu verzeichnen ist, kann auch die Gesamtwirtschaft als Zusammenfassung der Sektoren nicht anders betroffen sein175. Es läßt sich somit festhalten, daß auf die Gesamtwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland der Streik kurzfristig keine schwerwiegenden Auswirkungen hat.

III. Zusammenfassung der kurzfristigen

Auswirkungen von Streiks

Streiks haben kurzfristig sowohl Auswirkungen auf die einzelnen Wirtschaftssubjekte, als auch auf Wirtschaftssektoren und die Gesamtwirtschaft. Für die einzelnen kampfbeteiligten AN ist der Streik in der Regel innerhalb einer Kosten-Nutzen-Analyse kurzfristig gesehen als lohnend einzustufen. Dies gilt vor allem für gewerkschaftangehörige AN, aber auch für solche, die einer AN-Koalition nicht angehören. Dagegen sind Streiks unter kurzfristigen Gesichtspunkten für den einzelnen streikbetroffenen AG unvorteilhaft. Lediglich in eng umgrenzten Ausnahmesituationen kann ein Streik für einen streikbetroffenen AG insgesamt mit einem Nutzen verbunden sein. Auch für die jeweiligen Gewerkschaften muß ein Streik im Ergebnis negativ bewertet werden, da für sie die Kosten des Streikes dessen Nutzen übersteigen. Ebenfalls unvorteilhaft im Sinne einer Kosten-Nutzen-Analyse ist der Streik für die indirekt vom Arbeitskampf betroffenen AN und AG zu beurteilen. Im Ergebnis zeigt sich daher, daß mikroökonomisch gesehen sich der Streik bei kurzfristiger Betrachtungsweise lediglich für die kampfbeteiligten AN lohnt. Bei allen anderen Wirtschaftssubjekten übersteigen kurzfristig gesehen die Kosten den erzielten Nutzen. 17S Zu den Konsequenzen der Konsolidierung vgl. Stobbe, Volkswirtschafslehre I, Volkswirtschaftliches Rechnungswesen, S.81 ff..

372

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Makroökonomisch sind dagegen die kurzfristigen Auswirkungen des Streikes insgesamt zu vernachlässigen. Dies gilt sowohl für den Unternehmenssektor, den Sektor der privaten Haushalte und den Staatssektor, als auch für die Gesamtwirtschaft.

C. Langfristige Auswirkungen von Streiks

Bislang wurden im Wege der zunehmenden Abstraktion zunächst die kurzfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen des Streikes dargestellt. Dabei wurden mikroökonomische und makroökonomische Folgen unterschieden. Der nächste Schritt der Untersuchung ist nun die Betrachtung der langfristigen Auswirkungen. Die Schwierigkeit der Untersuchung besteht vor allem darin, daß gerade langfristig vielfältige Interdependenzen zu berücksichtigen sind, was in der Konsequenz dazu führt, daß eine vollständige Darstellung der Streikauswirkungen kaum möglich ist. Aus diesem Grunde beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die besonders bedeutungsvollen ökonomischen Auswirkungen. Betrachtet werden sollen hier die Auswirkungen, die sich auf die AN, die AG und die Gesamtwirtschaft beziehen.

/. Auswirkungen auf die Arbeitnehmer Von besonderem Interesse ist für die AN die Frage, wie sich Streiks langfristig auf ihre Beschäftigungssituation auswirken. Es wäre in der Konsequenz negativ zu bewerten, wenn Streiks dazu führten, daß die Arbeitsnachfrage der AG insgesamt sinken würde und es dadurch zu einer Verminderung der Beschäftigung der AN käme176. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, daß die Arbeitskosten den Grad der Beschäftigung bestimmen177.

176 Diese Frage ist eng mit der des Wachstums der Wirtschaft verbunden, die unten, ó.Kapitel, § 3, C, III, 2 dargestellt werden soll. 177 Molitor, Der Arbeitgeber 1984, 960; ders. Wirtschaftspolitik, S.129. Dagegen wird hauptsächlich von gewerkschaftlicher Seite davon ausgegangen, daß die Beschäftigungszeit den Beschäftigungsgrad bestimme. Vgl. dazu die Diskussion um die Einführung der 35-Stunden Woche; insbesondere Kurz-Scherf, WSI-Mitteilungen 1985,121,128 ff..

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

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Durch Streiks werden Löhne vereinbart, die das jeweilige Machtverhältnis der Tarifparteien widerspiegeln, die sich jedoch nicht oder zumindest nicht direkt an den wirtschaftlichen Notwendigkeiten orientieren. Hinzu kommt, daß vermittels der Tarifstruktur und der in der Bundesrepublik Deutschland praktizierten Tarifpolitik im Lauf der Zeit die Tarifverträge für die verschiedenen Branchen sich weitgehend annähern178. Während kurzfristig der einzelne Streik nur Wirkungen auf wenige Unternehmen hat179, so muß langfristig davon ausgegangen werden, daß die Folgen auf die Mehrzahl der Unternehmen ausstrahlen. Für die Erklärung dieser wirtschaftlichen Folgen erweist sich die Konzeption des Rent-seeking als geeignet, da sie es ermöglicht, staatlich geschützte Machtrenten zu analysieren180. Mit dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs.3 TVG) sowie der Möglichkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (§ 5 TVG) 181 ermöglicht es der Staat den Arbeitsmarktparteien, fixierte Löhne festzulegen. Auch wenn keine Allgemeinverbindlichkeitserklärung nach § 5 TVG erfolgt, so haben zwar nicht de jure, aber de facto die Tariflöhne auch für die nichtorganisierten Arbeitsmarktparteien Geltung. Dies beruht vor allem darauf, daß die AG auch den AN, die keine Gewerkschaftsmitglieder sind, die Tariflöhne zahlen, um sie nicht in die Arme der Gewerkschaften zu treiben182. Somit kann die Lohnstruktur unter den Gesichtspunkten des Rent-seeking eingeordnet werden. Im Ergebnis führen die mittels Streik durchgeführten Löhne zu Bedingungen, die langfristig für den größten Teil der Wirtschaft Geltung finden. Nach den Gesetzmäßigkeiten der vollständigen Konkurrenz müßten die Löhne den jeweils erwirtschafteten Wertgrenzprodukten entsprechen183, womit bei marktgerechter Differenzierung die Lohnunterschiede gleich den Differenzen der Wertgrenzprodukte sein müßten.

178 Meyer, WuW 1987, 885, 888 f.; Scherf, HdWW, Band 4, S.174, sowie Rüthers, WuW 1980, 392,395 ff.; ders., FAZ vom 11.11.1989, S.15, der in diesem Zusammenhang von einem "Bundeseinheitstarif" spricht 179 Vgl. oben, Ó.Kapitel, § 3, Β, II, 1. 180 Zur Konzeption des Rent-seeking, vgl. Meyer, WuW 1987,885, 886. 181 Zur Kritik an der Allgemeinverbindlichkeitserklärung, vgl. Molitor, Wirtschaftspolitik, S.142. 182 Scherf, HdWW, Band 4, S.174. 183 Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, S.141; Stobbe, Volkswirtschaftslehre II, MikroÖkonomik, s.238 ff..

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6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Empirische Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen Lohnunterschieden und Wertgrenzproduktsunterschieden kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen184. Insgesamt zeigt sich jedoch, daß im Vergleich zu den Löhnen die Wertgrenzprodukte eine etwa zwei- bis dreimal so große Variationsbreite aufweisen 185. Dies führt zu einer Nivellierung der Lohnstruktur, die sich in ihrer Konsequenz als Einführung von Mindestlöhnen darstellt186. Bei solchermaßen verzerrten Preisrelationen lohnt sich eine Substitution von einfacher Arbeit durch Sachbzw. Humankapital für den AG 1 8 7 . Durch das Freisetzen schlechter qualifizierter AN können sie ihre Gewinne erhöhen, indem günstigere Produktionsfaktorkombinationen eingesetzt werden. Damit kehren sich die kurzfristig für den AN durchaus günstigen Mindeslohnrenten188, die sich aus der Investitionstätigkeit des Streikes ergeben, in ihr Gegenteil um. Die Folge ist eine Zunahme der Arbeitslosigkeit189, die insbesondere das Resultat derfixierten Löhne ist 190 . Zusammenfassend läßt sich daher sagen, daß sich Streiks auf die Beschäftigungssituation der AN negativ auswirken. Aus langfristiger Sicht sind Streiks für die AN insgesamt als schädlich einzuordnen.

184 Meyer, WuW 1987, 885, 888; weiterführend Külp, Lohnbildung im Wechselspiel zwischen politischen und wirtschaftlichen Kräften, S.19,245 ff.. 185 Gundlach, Die Weltwirtschaft 1986,74,87; Soltwedel, in: Bundesvereinigung der Deutschen Arbeiteeberverbände (Hrsg.), Schriftenreihe Leistung und Lohn, S.7 ff.. Zur Problematik der Mindeslöhne vgl. etwa Stobbe, Volkswirtschaftslehre II, MikroÖkonomik, S.522; Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S.267. Hesse (1986), S.95 f. zeigt, daß bei einem Mindestlohn, der über dem dazugehörenden Gleichgewichtslohn liegt, zur Erhaltung der Faktoreinkommen und Differentialgewinne eine Herrschaftsausübung in der Volkswirtschaft notwendig ist. 187 Die Substitution findet solange statt, bis die Minimalkostenkombination erreicht ist; vgl. dazu nur Molitor, Wirtschaftspolitik, S.135; Stobbe, Volkswirtschaftslehre II, MikroÖkonomik, S.216. 188 Zur Höhe der Mindeslohnrente, vgl. Meyer, WuW 1987,885,887. 189 Giersch, Weltwirtschaftliches Archiv 1983,1,9 ff. nennt diese Art der Arbeitslosigkeit einen Kapitalmangel bzw. technologische Arbeitslosigkeit. 190 Im einzelnen herrscht eine lebhafte Diskussion über die Folgen der Lohnflexibilisierung, vgl. etwa Gerstenberger, Wettbewerbsfähige Strukturen gestatten Expansionspolitik, Strukturberichterstattung 1987, S.27; Gundlach, Die Welt-Wirtschaft 1986, S.74 ff.; Lampert, Wirtschaftsdienst 1986, 179 ff.; Mieth, in: Herder-Dorneich (Hrsg.), Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 127,1982, S.171 ff.; Vogler-Ludwig, IFO-Schnelldienst 1985,18 ff.. Die oben abgeleiteten Ergebnisse dürften jedoch insgesamt nicht zu bestreiten sein.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

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Π. Auswirkungen auf die Arbeitgeber So wie es für die AN von besonderer Bedeutung ist, ob sich Streiks nachteilig auf ihre Beschäftigungssituation auswirken, so ist es für den AG von großem Interesse, ob negative Effekte auf ihre Marktstellung ausgeübt werden können. Es kann nämlich geschehen, daß die Unternehmer aufgrund der Streikfolgen gezwungen sind, den Markt zu verlassen. Dieses Resultat kann vor allem dann eintreten, wenn die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sinkt191. Das Ausscheiden von Unternehmen aus dem Markt hat dann entweder zur Folge, daß ihre Aktivitäten von anderen Unternehmen übernommen werden (Marktkonzentration) oder daß die Aktivitäten überhaupt nicht mehr ausgeübt werden (Marktschrumpfung). - Beides Resultate, die im Lichte der Marktwirtschaft als negativ zu beurteilen sind192. Wie oben193 dargelegt, führen Streiks in Verbindung mit der in der Bundesrepublik herrschenden Lohnstruktur zu starren Mindestlöhnen und weitgehend einheitlichen Arbeitsbedingungen. In der Literatur 194 wird dies teilweise als vorteilhaft für die Wettbewerbssituation der Unternehmen angesehen. Durch einheitliche Bedingungen werde das Tempo des Strukturwandels beschleunigt, was dem Unternehmssektor insgesamt erhöhte Wettbewerbsfähigkeit sichere und daher positiv zu beurteilen sei195. Die Beschleunigung des Strukturwandels geschehe dadurch, daß durch allgemeingültige Tariflöhne die Betriebe oder Branchen, die nicht in der Lage seien, die einheitlichen Löhne zu zahlen, schneller aus dem Wirtschaftsleben ausscheiden und damit Platz für wettbewerbsfähigere Produktionen machen würden. Diese Argumentation ist jedoch in sich widersprüchlich. Bezüglich der Löhne soll der Marktmechanismus ausgeschaltet werden, während alle anderen Ergebnisse, insbesondere der Unternehmensgewinn, sich nach den Markterfolgen richten soll. 191

Klemm, Ökonomische Analyse, S.123. Beispielsweise wenden sich das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), und auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in ihren spezifischen Zielrichtungen gegen Marktkonzentration, vgl. Rittner, Einfuhrung in das Wettbewerbs- und Kartellrecht, S.110 f.; Schwintowski, Wettbewerbsrecht, RdNr.2 f.. 193 Siehe oben, ó.Kapitel, § 3, C, I. 194 Pointiert ist die Formulierung in einem im Auftrage des schwedischen Gewerkschaftsinstitutes erstellten Gutachten: Johnston (Hrsg.), Economic Expansion and Structural Change, S.152 f.; teilweise auch Pigou, Economics of Welfare, S.549 ff, 593 ff.. 195 Mieth, in: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 127, 1982,171,173. 192

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6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Dadurch werden von vornherein Unternehmen benachteiligt, die eine hohe Arbeitsintensität bezogen auf das Kapital haben. In der Folge kommt es daher zu einer zunehmenden Verdrängung dieser insoweit schlechter gestellten Unternehmen unabhängig davon, ob sie grundsätzlich und strukturell wettbewerbsfähig sind. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen kann jedoch nur dannrichtigbeurteilt werden, wenn auf allen Märkten Wettbewerb herrscht. Aus diesen Gründen ist jene Argumentation abzulehnen. Vielmehr stellt sich ein streikbedingter starrer Mindestlohn verbunden mit einheitlichen Arbeitsbedingungen gerade als wettbewerbsschädlich dar. Dafür lassen sich wenigstens vier Argumente aufführen. Ersten werden durch starre Lohnsätze falsche Signale gesetzt. Zweitens können Streiks zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Drittens kennen Vereinbarungen über Arbeitsbedingungen häufig Schutzabkommen gegen Rationalisierungen und führen dazu, daß nicht die günstigste Produktionsmethode gewählt wird. Viertens kann es zu einer Verringerung von Investitionen kommen. Durch eine einheitliche Lohnstruktur mit starren Lohnsätzen kommt es - wie schon dargelegt196 - zu einer Lohnnivellierung mit der Folge, daß die Löhne nicht dem Wertgrenzprodukt der Arbeit entsprechen. Dadurch ist es nicht möglich, daß durch die Preise des Faktors Arbeit an die Unternehmen dierichtigenSignale gesendet werden197. Es werden vielmehr überhaupt keine wirtschaftlichen Signale gesendet, weil der Preis des Faktors Arbeit lediglich machtmäßig festgesetzt wurde und nicht der Knappheitsrelation entspricht. Damit wird es vor allem notleidenden Branchen ermögliche eine überhöhte Rendite zu erzielen198, da eine differenzierte und flexible Entlohnung dazu führen würde, daß diese Unternehmen die Marktpreise für die Arbeit nicht mehr tragen könnten. Es zeigt sich im Ergebnis, daß nicht starre Löhne, sondern flexible Löhne unter diesem Gesichtspunkt wettbewerbsfördernd sind. Das zweite Argument, was gegen Streiks spricht, ist das der Wettbewerbsverzerrungen. Streiksfinden nicht in allen Unternehmen statt. Vielmehr werden von dem Arbeitskampf nur einige - in der Regel wenige - Unternehmen betrof196 197 198

Siehe oben, 6.Kapitel, § 3, C, I. Molitor, Wirtschaftspolitik, S.126. Meyer, WuW 1987, 885,889.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

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fen. Besonders bei Schweipunktstreiks werden von den Gewerkschaften wenige besonders prädestinierte Betriebe bzw. Betriebsteile bekämpft 199. Auch spielen gewisse Branchen traditionell Vorreiter in tariflichen Auseinandersetzungen bzw. führen Musterarbeitskämpfe 200. Dies führte - wie in der kurzfristigen Analyse gezeigt - dazu, daß die einzelnen Unternehmen von Arbeitskämpfen durchaus merklich negativ betroffen sein konnten201, daß jedoch die kurzfristigen ökonomischen Auswirkungen für den gesamten Unternehmenssektor zu vernachlässigen waren202. Unter langfristigen Erwägungen könnte die Beurteilung jedoch eine andere sein. Die Kampfführung der Gewerkschaften hat zur Folge, daß in der Regel die wettbewerbskräftigsten Unternehmen bestreikt werden, welche den höchsten Gewinn abwerfen und damit auch die größten Lohnzugeständnisse machen können203. Dadurch erleiden gerade diese unter Wettbewerbsgesichts-punkten gesündesten Unternehmen Schäden, die den schwächeren Unternehmen erspart bleiben. Die Konsequenz ist, daß die Wettbewerbsstruktur verzerrt wird. Infolge der Streikaktivitäten haben die gesunden Unternehmen Kosten zu tragen, die den kranken Unternehmen erspart bleiben204. Im ungünstigsten Falle besteht die Möglichkeit, daß durch Arbeitskämpfe die gesunden Unternehmen aus dem Marktgeschehen gedrängt werden. Dies ist ein Ergebnis, das sich unter normalem Wettbewerbsverhalten nicht ergeben hätte, und das dazu führt, daß schlechter wirtschaftende Unternehmen am Markt verbleiben können, obwohl sie ansonsten hätten ausscheiden müssen. Auch aus diesen Gründen ist daher der Streik als wettbewerbsschädlich und negativ für die Unternehmen und damit für die AG insgesamt einzuordnen.

199

Kurz-Scherf, WSI-Mitteilungen 1985,121,123. Kurz-Scherf, WSI-Mitteilungen 1985,121, 129, die aufzeigt, daß es nach den Auseinandersetzungen in der Metall- und Druckbranche nachfolgend in den meisten anderen Wirtschaftsbereichen zu ähnlichen Tarifabschlüssen gekommen ist. Vgl. auch Issing, Einführungen in die Geldtheorie, S.203, der von entsprechenden Beobachtungen in den USA berichtet. 201 Siehe oben, ó.Kapitel, § 3, Β, 1,2, a, aa; sowie ó.Kapitel, § 3, Β, 1,4, c. 202 Siehe oben, ó.Kapitel, § 3, Β, II, 1. 203 Geschäftsführung des WSI (Hrsg.), WSI-Arbeitsmaterialien Nr.10, S.14; Hamm, FAZ vom 6.10.1989, S.17. 204 Scherf, HdWW, Band 4, S.173. 200

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6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Der dritte Grund, warum Streiks in der Regel für die AG langfristig negativ zu bewerten sind, sind die mittels der Arbeitskämpfe durchgesetzten Rationalisierungsschutzabkommen205. Die Wettbewerbsschädlichkeit dieser Abkommen ist offensichtlich und bedarf keiner weiteren Begründung. Durch solche Vereinbarungen wird die Arbeit für die Unternehmen zunehmend zu einemfixen Kostenfaktor 206. Es ist den AG nicht mehr möglich, angemessen auf Änderungen wirtschaftlicher Daten zu reagieren. In Krisenzeiten führt dies dazu, daß die Unternehmen Lohnzahlungen vornehmen müssen, ohne daß sie die Arbeitskraft sinnvoll verwenden können. Im Extremfall kann dies auch wieder zu einem Ausscheiden von Unternehmen aus dem Marktgeschehen führen. Das vierte Argument, welches Streiks für die Unternehmen und damit auch für die AG als schädlich erscheinen läßt, ist, daß Arbeitskämpfe und ihre Resultate zu einer Verringerung der Risikoinvestitionen führt. Investitionen werden von dem Unternehmen nur dann vorgenommen, wenn sie damit rechnen können, daß sich das eingesetzte Kapital in ausreichendem Maße verzinst207. Dabei ist die Erwartung der Verzinsung von den subjektiven Einschätzungen des jeweiligen Investors abhängig. Im Rahmen der Verzinsung muß allerdings beachtet werden, daß unter Umständen die Investition ein Fehlschlag sein kann, und der Unternehmer das eingesetzte Kapital in seiner Gesamtheit verlieren kann. Diese Gefahr ist vor allem bei sog. Risikoinvestitionen gegeben208. Die Berücksichtigung der Risiken führt bei dem Investor dazu, daß neben den Zinsen auch noch ein Risikofaktor bei einer Investition in die Berechnungen mit einbezogen werden muß. Dieser Risikofaktor ist umso höher, je größer die Kosten

205 Beispiele dafür finden sich insbesondere in der Druckindustrie, die durch die Entwicklung der Mikroelektronik in besonderem Maße dem technischen Fortschritt "ausgesetzt" ist Vgl. dazu auch Plander, DB 1987, Beilage 13, S.9 f.. 206 Klemm, Ökonomische Analyse, S.125. 207 Die Berechnungsmethoden der Investitionsrechnung sind in allen betriebswirtschaftlichen Lehrbüchern dargestellt. Vgl. etwa die verständlichen Ausführungen von Jacob, in: Jacob (Hrsg.), Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S.619 ff.. 208 Jacob, in: Jacob (Hrsg.), Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S.619.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

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sind, die sich aus einem Fehlschlagen der Investitionen ergeben209. Wenn nun die Entlohnung des Faktors Arbeit nicht marktgerecht ist, und Rationalisierungsschutzabkommen dazu geführt haben, daß bei einem Fehlschlagen der Investitionen den AN nicht gekündigt werden kann, so steigt der Risikofaktor an. Das hat zur Konsequenz, daß die AGrisikoreiche Investitionen unterlassen. Die Folgen daraus sind für die AG negativ. Einerseits wird die unternehmerische Flexibilität gemindert, andererseits werden gerade innovative Bereiche, wo größeren Chancen auch höhere Risiken gegenüberstehen, in ihrer Dynamik begrenzt. Dies kann im Einzelfall dazu führen, daß negative Struktureffekte auftreten. Denn dadurch, daß innovative Bereiche mit hohen Risiken durch die Streikfolgen behindert werden, werden gleichzeitig als Reflex veralterte Unternehmen und Branchen geschützt. Der notwendige Strukturwandel erfolgt in der Konsequenz verlangsamt, und der Wettbewerb zwischen den Unternehmen wird verzerrt. Auch hier kann es wieder vorkommen, daß gerade als strukturell besonders günstig anzusehende Unternehmen aus dem Markt gedrängt werden, was bei nicht streikfixierten Lohn- und Arbeitsbedingungen nicht der Fall gewesen wäre. Zusammenfassend läßt sich für die AG sagen, daß sich Streiks unter langfristigen Erwägungen negativ auswirken. Dies ergibt sich insbesondere daraus, daß durch Streiks die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigt wird.

209 Jacob, in: Jacob (Hrsg.), Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S.640. Strenggenommen gilt dies allerdings nur bei einem risikoaversiven Unternehmer. Risikoaversivität dürfte jedoch wohl die Regel menschlichen Verhaltens sein. Demgegenüber spielt bei einem risikoneutralen Unternehmer ein Risikofaktor keine Rolle, während ein risikofreudiger Unternehmer sogar eine risikoreiche Investition einer risikoärmeren Investition unter sonst gleichen Bedingungen vorzieht. Weiterführend Franke/Hax, S.234 ff., insbesondere S.239 ff.; Layard/Walters, S.351 ff..

6. Kap.:

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konomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

III. Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft Kurzfristig betrachtet waren die Auswirkungen von Streiks auf die Gesamtwirtschaft zu vernachlässigen210. Insbesondere zeigten die Produktionsausfälle und die Lohnerhöhungen keine merklichen Wirkungen. Unter langfristigen Aspekten könnte jedoch die Beurteilung eine andere sein. Bei der Untersuchung der langfristigen Auswirkungen von Streiks auf die Gesamtwirtschaft tritt die Problematik der wechselseitigen Interdependenzen211 besonders zutage. Die Untersuchung einzelner Gesichtspunkte kann daher nur unter dem Vorbehalt erfolgen, daß die sonstigen Umstände ceteris paribus behandelt, d.h. willkürlich ausgeschalten werden212. Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft können durch Streiks vor allem in zweierlei Hinsicht bestehen. Zum einen kann das Wachstum der Wirtschaft insgesamt durch Arbeitskämpfe beeinträchtigt werden, zum anderen besteht die Möglichkeit, daß die Preisniveaustabilität beeinträchtigt wird.

1. Preisniveaustabilität Eine Preisniveaustabilität wird allgemein als erwünscht angesehen213. Dies hat einerseits psychologische Gründe, da eine Inflation das Vertrauen der Wirtschaftssubjekte in den volkswirtschaftlichen Prozeß beeinträchtigt. Andererseits sprechen auch ordnungspolitische und verteilungspolitische Gesichtspunkte für einen stabilen Geldwert. Aus ordnungspolitischer Sicht ist die Inflation insoweit schädlich, da sie den Wettbewerb schädigt und die Geldfunktion deroutiert214. Die Folge sind Fehlallokationen knapper Ressourcen.

210

Siehe oben, ó.Kapitel, § 3, Β, II, 4. Vgl. dazu oben, ó.Kapitel, § 3, A, I. 212 Zu dieser Methode, die der volkswirtschaftlichen Betrachtung sehr geläufig ist, vgl. etwa Schumann, Grundzüge der mikoökonomischen Theorie, S.29 f.; Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S.16. 213 Molitor, Wirtschaftspolitik, S.33 ff.. Auch § 1 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (Stabilitätsgesetz) verpflichtet die Normadressaten zur Einhaltung einer Preisniveaustabilität. 214 Issing, Aus Politik und Zeitgeschichte 1990,16,20; Molitor, Wirtschaftspolitik, S.93. 211

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

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Verteilungspolitisch ist die Inflation insoweit negativ zu sehen, da sie zu einer Umverteilung vor allem zugunsten des Staates führt 215. Es wäre daher für die Gesamtwirtschaft negativ zu beurteilen, wenn Streiks zu erhöhter Inflation führen würden. Auslösendes Moment einer Inflation kann entweder ein cost-push (Kostendruck) oder ein demand-pull (Nachfrageanzug) sein216. Hinsichtlich des Streikes und seiner Auswirkungen kommt vor allem die Inflation über den Kostendruck in Betracht. Dies folgt aus der Tatsache, daß die Höhe der Entlohnung, die durch den Streik beeinflußt wird, nicht nur entscheidend die Höhe der monetären Geldnachfrage bestimmt, sondern auch der wichtigste Kostenbestandteil ist 217 . In der Literatur wird teilweise bestritten, daß mit Streiks verbundene Lohnerhöhungen zu einer Inflation führen können218. Begründet wird dies damit, daß die Gewerkschaften lediglich den Lohn nach "unten" stabilisieren. Diese Argumentation übersieht jedoch entscheidend, daß gerade durch eine solche Stabilisierung der Löhne nach "unten" es faktisch zu einem Einheitslohn kommt, der nicht durch Marktgesetzmäßigkeiten gefunden wird 219. Damit kommt es im Laufe der Zeit zu allgemeinen Lohnerhöhungen, die keine Rücksicht auf die jeweiligen Eigenheiten der beteiligten Unternehmen und betroffenen Branchen nehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß eine einmal durchgesetzte Lohnerhöhung in aller Regel eine Fortpflanzung sowohl auf andere Unternehmen bewirkt, als auch im Rahmen von Lohnwellen innerhalb desselben Unternehmens bewirkt, da eine einmal gewährte Lohnerhöhung grundsätzlich nicht zurückgenommen wird 220 . Die Lohnerhöhungen führen einerseits zu Kostenerhöhungen bei den betroffenen Unternehmen221, andererseits auch zunächst zu einer Vergrößerung der Konsumnachfrage der Haushalte. Beides begünstigt weitere Preissteigerungen. Die Unternehmen werden versuchen, ihre Gewinnpositionen

215

Issing, Einführung in die Geldtheorie, S.208 ff.; Molitor, Hamburger Jahrbuch 1973, 78, 85

ff.. 216

Issing, Einführung in die Geldtheorie, S.176 ff.; Scherf, HdWW, Band 4, S.169. Scherf, HDWW, Band 4, S.171. 218 So vor allem Friedman, in McCord Wright (Hrsg.), Impact of the Union, S.204 ff.. 219 Siehe dazu oben, ó.Kapitel, § 3, C, II. 220 Issing, Einführung in die Geldtheorie, S.181 f.; Willeke, in: Pütz (Hrsg.), Studien zum Inflationsproblem, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 80,1975, S.51. 221 Dies gilt strenggenommen nur unter der Voraussetzung konstanter Produktivitäten. 217

382

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

zu verteidigen, indem sie als Reaktion ihrer Kostenerhöhungen die Preise weiter anheben222. Auch werden sie verstärkt Realkapital nachfragen, um die teurer gewordene Arbeit durch günstigere Produktionsfaktoren zu substituieren223. Die Einbeziehung dieser Faktoren übt weitere Preisstöße aus, die zu einem perpetuierenden Effekt führen können. Besondere Brisanz erhält dieser Prozeß dann, wenn er auf Vorproduktmärkten stattfindet 224. In einem solchen Falle kann es zu einer zusätzlichen Güternachfrage sowohl der Unternehmen als auch der privaten Haushalte kommen, bevor die Preiserhöhungen sich auf die nachfolgenden Märkte ausgedehnt haben. Insgesamt kann daher die Preisniveaustabilität durch streikbedingte Lohnerhöhungen gefährdet werden. In einer statistisch-empirischen Analyse hat Fautz225 den Zusammenhang zwischen Streikaktivitäten und Inflation in der Bundesrepublik Deutschland für die Jahre 1952 bis 1977 untersucht226. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, daß die Streikaktivität einen signifikanten und stabilen Beitrag zur Erklärung der Inflationsrate liefert 227. Dabei liegt die durch Streiks verursachte Inflationsrate nach seinem Ansatz etwa bei 1,5%228. Selbst wenn man die Frage der genauen Quantifizierung außer acht läßt, so muß jedoch festgehalten werden, daß sich Streiks inflationsfördernd auswirken. Da jedoch Inflation für die Gesamtwirtschaft nicht positiv zu beurteilen ist, sondern vielmehr Preisniveaustabilität angestrebt werden soll, wirken sich Streiks unter dem hier betrachteten Gesichtspunkt negativ aus und schaden der Gesamtwirtschaft.

222 Willeke, in: Pütz (Hrsg.), Studien zum Inflationsproblem, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 80,1975, S. 52. 22 Vgl. dazu oben, ó.Kapitel, § 3, C, I. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Risikoinvestitionen, vgl. dazu ó.Kapitel, § 3, C, II. 224 Willeke, in: Pütz (Hrsg.), Studien zum Inflationsproblem, Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Band 80,1975, S.53. 225 Fautz, ZgS 1979, 605 ff.. 226 Soweit ersichtlich, ist dies die einzige Untersuchung zu diesem Problemkreis für die Bundesrepublik Deutschland, für Großbritannien und die USA liegen dagegen mehrere Untersuchungen vor, die aber zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Nachweise bei Fautz, ZgS 1979, 605,628. 227 Fautz, ZgS 1979, 605,619 f. und 625. 228 Fautz, ZgS 1979, 605,622.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

383

2. Wachstum der Wirtschaft Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen des Streikes können auch hinsichtlich des wirtschaftlichen Wachstums bestehen.

a. Definition des Wachstums Die Frage, was unter wirtschaftlichem Wachstum zu verstehen ist, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet229. Vorliegend soll darunter verstanden werden, daß das reale Sozialprodukt zunimmt. Von Wachstum kann demnach dann gesprochen werden, wenn das reale Sozialprodukt einer Periode größer als das der Vorperiode ist. Mit dieser Wachstumskonzeption ist allerdings nicht unbedingt eine bessere Versorgung der Bevölkerung mit Gütern impliziert. Wächst etwa die Bevölkerung stärker als die Wirtschaft, so ist trotz wirtschaftlichen Wachstums im hier vertretenen Sinne eine schlechtere Versorgung des Einzelnen gegeben. b. Entscheidende Wachstumsfaktoren Als entscheidend für das wirtschaftliche Wachstum werden von den meisten Ökonomen drei Determinanten angesehen230. Zum einen die Bevölkerungsvermehrung, zum zweiten die Kapitalbildung bzw. Investitionstätigkeit und zum dritten der technische Fortschritt. Umstritten ist jedoch, in welchen Zusammenhängen diese Faktoren untereinander stehen und welche ökonomischen Einflüsse auf sie wirken und von ihnen ausgehen. Zur Klärung dieser Frage werden in der Wachstumstheorie verschiedene Modelle aufgestellt 231.

229

Zu den verschiedenen Auffassungen vgl. Rose, Grundlagen der Wachstumstheorie, S . l l f.. Neumann, Kapitalbildung, Wettbewerb und ökonomisches Wachstum, S.ll; Probst, Investition und Wachstum. Wachstumswirkungen der Investitionen in Industriestaaten und Entwicklungsländern, S.5 ff.; Rose, Grundlagen der Wachstumstheorie, S.13. 231 Die Diskussion wird hauptsächlich unter den Schlagwörtern "postkeynesianische und neoklassische Wachstumstheorie " geführt, dazu Neumann, Kapitalbildung, Wettbewerb und ökonomisches Wachstum, S.13 ff.. 230

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6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Hier sollen jedoch keine Modelle betrachtet werden232. Gegenstand der Untersuchung soll lediglich sein, wie sich Streiks tendenziell auf die oben genannten Wachstumsfaktoren auswirken. Insofern ist die Zielsetzung der Betrachtung recht bescheiden gewählt und bei weitem nicht erschöpfend im Sinne der Wachstumstheorie. Möglicherweise lassen sich jedoch auch durch solche (isolierten) Betrachtungen fruchtbare Rückschlüsse ziehen233.

c. Auswirkungen des Streikes auf die Wachstumsfaktoren Untersucht werden sollen die Auswirkungen des Streikes auf die oben angegebenen Bestimmungsgründe des Wachstums: Bevölkerungsvermehrung, Kapitalbildung respektive Investitionstätigkeit und technischer Fortschritt.

aa. Bevölkerungsvermehrung Vermehrt sich die Bevölkerung, so steht der Wirtschaft eine größere Anzahl an Arbeitskräften zu Verfügung. Dies kann dazu führen, daß die Wirtschaft wächst. Kausale Einflüsse des Streikes auf das Bevölkerungswachstum lassen sich jedoch wohl kaum ausmachen. Insofern wird dieser Wachstumsfaktor nicht durch den Arbeitskampf der AN beeinflußt.

bb. Kapitalbildung bzw. Investitionstätigkeit Die Bildung von Realkapital und die Nachfrage nach Investitionsgütern erfolgt durch die Unternehmen. Dabei ist in der Wirtschaftswissenschaft sehr umstritten, durch welche Faktoren letztlich die Höhe der gesamtwirtschaftlichen Investitionsnachfrage bestimmt wird.

232 Ein guter Überblick über diese verschiedenen Modelle mit ihren unterschiedlichen Implikationen findet sich bei Rose, Grundlagen der Wachstumstheorie, S.21 ff.. 233 Streng genommen genügt es natürlich nicht, lediglich die Einwirkungen von Streiks auf die Wachstumsfaktoren zu betrachten, da solchermaßen Interdependenzen der Wirtschaft nicht sichtbar werden. Da jedoch vorliegend das Ziel der Analyse sehr bescheiden gewählt wurde, erscheint solch eine isolierte Betrachtung - auch im Sinne eines besseren Verständnisses - gerechtfertigt zu sein.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

385

Nach der neoklassischen Theorie234 hängt die Höhe der Investitionsnachfrage der Unternehmen funktional unmittelbar vom Marktzins ab. Diese unmittelbare Abhängigkeit vom Zins wird dagegen von der Keynes'sehen Theorie235 abgelehnt, die stattdessen die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals als entscheidend für die Unternehmen und ihre Nachfrage nach Realkapital (Investitionsnachfrage) erachtet. Dabei wird unter der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals jener Diskontfaktor verstanden, bei dem der Gegenwartswert der Investitionen mit dem Anschaffungskosten übereinstimmt236. Welche der Theorie mit der Wirklichkeit besser übereinstimmt, läßt sich nicht mit Eindeutigkeit feststellen237. Indes sind diese letzten Bestimmungsgründe für die Höhe der gesamtwirtschaftlichen Investitionsnachfrage der Unternehmen vorliegend nicht von unmittelbarer Bedeutung. Es soll ja nicht die gesamte Höhe der Investitionsnachfrage der Unternehmen untersucht werden, sondern die Analyse soll dahingehend erfolgen, daß geklärt werden soll, wie sich Streiks auf Investitionen auswirken. Bei der Erklärung der Investitionsentscheidung der Unternehmen kann von dem Grundgedanken ausgegangen werden, daß jede Investition der Anpassung eines vorhandenen Kapitalbestandes an einen als wünschenswert angesehenen Kapitalbestand dient238. Die Auswirkungen des Streikes auf die Investitionenrichtensich daher insbesondere nach den Folgen, die diese Arbeitskampfform auf den Unternehmenssektor hat. Dabei ist nicht nur die Höhe der Beeinflussung von entscheidender Bedeutung, sondern vor allem auch die Auswirkung auf die Struktur der Investitionen.

234

Vgl. die Darstellung bei Felderer/Homburg, MakroÖkonomik und neue MakroÖkonomik,

S.72. 235 Auch hier ist wieder die übersichtliche Darstellung von Felderer/Homburg, MakroÖkonomik und neue MakroÖkonomik, S.109 ff. anzuführen. 236 Da der Zins aber die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals bestimmt, hängt die Investitionsnachfrage indirekt vom Marktzins ab. Allerdings spielen bei der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals auch psychologische Faktoren eine Rolle. 23 Insbesondere wurde - zwar in einem anderen Zusammenhang - empirisch die Gültigkeit der Keynes'schen Theorie begründet bezweifelt Dies geschah in einer groß angelegten Studie über die USA, die von Monetaristen ausging; siehe Friedman/Schwarz, A Monetary History of the United States, 1867-1960. 238 Kromphardt, HdWW, Band 4, S.253.

25 Bohr

386

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Es wurde oben festgehalten239, daß infolge von Streiks einerseits die Arbeit zunehmend durch Kapital substituiert wird. Andererseits kommt es zu einer Verringerung von Risikoinvestitionen. Daneben war anzuführen, daß es vor allem in innovativen und gesunden Unternehmen zu wesentlichen Streikfolgen kommen kann, die mit einer erheblichen Schwächung dieser Unternehmen einhergehen können. Die zunehmende Substituierung von Arbeit durch Kapital, die auch noch mit nicht marktgerechten Preissignalen der Arbeit einhergeht, führt unter Wachstumsgesichtspunkten nicht zu einer positiven Entwicklung. Dadurch, daß die AG ihr Kapital durch solche Substitutionsinvestitionen binden, müssen sie es unterlassen, das Kapital anderweitig einzusetzen240. Dies hängt auch eng damit zusammen, daß Risikoinvestitionen insgesamt durch Streiks vermindert werden. Unter Wachstumsgesichtspunkten sind jedoch Risikoinvestitionen besonders bedeutsam, da sie in der Regel eine bessere Produktionsweise ermöglichen, die auch mit der Schaffung neuer Märkte verbunden sein kann. Insofern sind sie ihrer Wirkung nach als dynamisch einzuordnen. Dagegen dienen Investitionen, die Arbeit gegen Kapital deswegen substituieren, weil die Entlohnung der Arbeit über ihrem Wertgrenzprodukt liegt, im wesentlichen der Erhaltung des Status quo und sind vorwiegend statischer Natur. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß unter Wachstumsgesichtspunkten der Streik sich negativ auf die Investitionen, insbesondere auf ihre Struktur auswirkt.

cc. Technischer Fortschritt Die Bestimmungsgründe des technischen Fortschrittes sind vielfältiger Natur, wobei der technische Fortschritt sich einmal darin äußern kann, daß eine Produktinnovation stattfindet, also neue oder qualitativ bessere Erzeugnisse hergestellt werden oder aber auch darin, daß (fie gleiche Produktmenge mit geringerem Faktoreinsatz erreicht wird 241. Bei den Bestimmungsgründen des technischen Fortschrittes dürfte es insbesondere kaum möglich sein, im einzelnen kulturelle Einflüsse von solchen wirtschaftlicher Natur abzugrenzen und die jeweiligen Wirkungen zu separieren. So ist es unzweifelhaft von entscheidender Bedeutung, auf welchem Wissensniveau sich die Mitglieder einer Volkswirtschaft befinden, unabhängig davon, wie die wirtschaftlichen Bestimmungsgründe aussehen. 239 240 241

Vgl. oben 6.Kapitel, § 3, C, II. Zu diesem Komplex siehe auch Kaufer, Industrieökonomik, S.147 ff.. Rose, Grundlagen der Wachstumstheorie, S.145.

§ 3 Wirtschaftliche Auswirkungen von Streiks

387

Daneben dürfte es allerdings auch sicher sein, daß der technische Fortschritt durch wirtschaftliche Bestimmungsgründe beeinflußt werden kann. Hier spielen besonders innovative Investitionen der Unternehmen eine nicht zu unterschätzende Rolle242. Diese werden jedoch durch Streiks negativ beeinflußt 243, da einerseits die Investitionen dazu genutzt werden, Arbeit durch Kapital zu substituieren, andererseits durch die Einordnung der Arbeitskosten als Fixkosten Risikoinvestitionen oftmals als unrentabel erscheinen. Gerade diese Risikoinvestitionen wirken ihrerseits auf den technischen Fortschritt zurück. Hinzu kommt auch noch, daß als Ergebnis von Streiks Rationalisierungsschutzabkommen getroffen werden. Solche Rationalisierungen beruhen jedoch - wie etwa in der Druckindustrie - oftmals auf technischen Fortschritt. Dieser wird mit solchen Abkommen sogar unmittelbar behindert. In der Tendenz läßt sich daher festhalten, daß Streiks sich negativ auf den technischen Fortschritt auswirken.

IV. Zusammenfassung der langfristigen

Auswirkungen von Streiks

Unter langfristigen Gesichtspunkten sind die Auswirkungen des Streikes auf die AN, die AG und die Gesamtwirtschaft von besonderer Bedeutung. Für die AN ist langfristig gesehen der Streik negativ zu bewerten, da es infolge von Arbeitskämpfen zu einer Nivellierung der Lohnstruktur kommt, die im Ergebnis zu einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit führt. Ebenso ist auch für die AG der Streik als negativ anzusehen, da streikbedingt eine Verminderung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erreicht wird. Dies ist die Folge daraus, daß erstens Streiks zu marktinkonformen Lohnsätzen führen, die falsche Signale an die Beteiligten senden. Zweitens, daß Streiks regelmäßig in den wettbewerbskräftigen Unternehmen stattfinden, und es so zu Wettbewerbsverzerrungen kommt. Drittens, daß es streikbedingte Rationalisierungsabkommen den Unternehmen unmöglich machen, flexibel und angemessen auf die Änderungen wirtschaftlicher Daten zu reagieren. Der vierte Grund liegt darin, daß sich Streiks negativ auf die Investitionsstruktur der Unternehmen auswirken.

242 243

So auch Klemm, Ökonomische Analyse, S.136. Siehe dazu oben, ó.Kapitel, § 3, C, III, 2, b, bb.

388

6. Kap.: Ökonomische Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft

Gesamtwirtschaftlich gesehen haben Streiks langfristig sowohl auf die Preisniveaustabilität, als auch auf das Wachstum der Wirtschaft negative Auswirkungen. Dies liegt einmal darin begründet, daß von Streiks inflatorische Wirkungen ausgehen, zum anderen darin, daß die Wachstumsfaktoren Kapitalbildung und technischer Fortschritt durch den Streik negativ beeinflußt werden. Insgesamt ist daher langfristig der Streik wirtschaftlich negativ zu bewerten.

§ 4 Ergebnisse der ökonomischen Analyse der Streikes in der Marktwirtschaft Im Rahmen der ökonomischen Analyse des Streikes in der Marktwirtschaft haben sich folgende Ergebnisse feststellen lassen: Erstens besteht keine systemimmanente Notwendigkeit für die Existenz von Streiks in einem marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem. Weder aus den faktischen Gegebenheiten in einer Marktwirtschaft, (ökonomisches Herrschaftsverhältnis, Ausbeutbarkeit des Faktors Arbeit, Marktversagen) noch aus den Besonderheiten der Art und Weise der Lohnfindung, läßt sich die Notwendigkeit der Existenz von Streiks begründen. Zweitens sind die wirtschaftlichen Auswirkungen von Streiks insgesamt negativ zu sehen. Lediglich für die streikenden AN haben Streiks kurzfristig betrachtet positive Konsequenzen. Dagegen wirken sie sich auf alle anderen betroffenen Wirtschaftssubjekte unter kurzfristigen Gesichtspunkten negativ aus. Makroökonomisch sind die kurzfristigen Auswirkungen des Streikes zu vernachlässigen. Die langfristigen Auswirkungen des Streikes sind durchweg negativ zu beurteilen. Dies gilt sowohl für die AG, als auch für die AN und die Volkswirtschaft insgesamt. Als Gesamtergebnis dieses Kapitels läßt sich festhalten, daß die Existenz von Streiks aus ökonomischen Gründen nicht empfehlenswert ist.

7. Kapitel

Beantwortung der Frage, ob sich für die Bundesrepublik Deutschland eine explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes empfiehlt Die bislang durchgeführten Untersuchungen gestatten es nun, die Frage zu beantworten, ob sich für die Bundesrepublik Deutschland aus rechtsvergleichender und wirtschaftlicher Sicht eine explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes empfiehlt. Die Streikrechtsregelungen der rechtsvergleichend betrachteten Länder (Österreich, Belgien, Frankreich und Italien) konnten untereinander und mit der Situation in der Bundesrepublik Deutschland verglichen werden, da sich zeigte, daß die jeweiligen nationalen Streikbegriffe sehr weitgehend übereinstimmen1. Recht unterschiedlich sind jedoch die rechtlichen Regelungen des Streikes in den jeweiligen Ländern hinsichtlich seiner Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen und Rechtsfolgen2. Gezeigt wurde aber, daß in denjenigen Ländern, in denen das Streikrecht explizit positivrechtlich gewährleistet ist (Frankreich, Italien), die nationale Streikbetroffenheit der Volkswirtschaften insgesamt signifikant höher liegt, als in denjenigen Ländern, in denen keine explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes besteht (Belgien, Österreich)3. Aus wirtschaftlicher Sicht sind Streiks jedoch nicht empfehlenswert4. Da die nationale Streikbetroffenheit in Ländern mit expliziter positivrechtlicher Gewährleistung des Streikrechtes höher liegt, als in solchen ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung, bedeutet dies, daß es sich für die Bundesrepublik Deutschland nicht empfiehlt, das Streikrecht explizit positivrechtlich zu gewährleisten.

2 3 4

Siehe dazu oben 4.Kapitel, 5.Kapitel. Oben 4.Kapitel. Vgl. oben 5.Kapitel. Vgl. oben ó.Kapitel.

8. Kapitel

Zusammenfassung - Durch die Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes 1993 ergeben sich für die Bundesrepublik Deutschland erhebliche wirtschaftliche Herausforderungen. Ob diesen Herausforderungen begegnet werden kann, hängt nicht zuletzt von der Behandlung von Arbeitskonflikten und damit wesentlich von der Ausgestaltung des Streikrechtes ab. - In der Bundesrepublik Deutschland wird diskutiert, ob es sich empfiehlt, das Streikrecht explizit positivrechtlich zu gewährleisten. Bei dieser Diskussion werden jedoch rechtsvergleichende Gesichtspunkte vernachlässigt. Die Einbeziehung der Rechtsvergleichung empfiehlt sich jedoch, da diese die Schwierigkeiten einer normativen Analyse vermindern kann. Auch ökonomische Implikationenfinden kaum Eingang in die Diskussion um die explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes. Gerade diese müssen jedoch bei einer Gestaltungsempfehlung bezüglich der expliziten positivrechtlichen Gewährleistung des Streikrechtes untersucht werden, da davon wesentlich abhängt, ob den Herausforderungen des Europäischen Binnenmarktes 1993 begegnet werden kann. - Im Rahmen eines Rechtsvergleiches werden in der vorliegenden Arbeit die Streikgeschehen im Ländern mit und ohne explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes betrachtet. Die Darstellung erfolgt dabei exemplarisch anhand der Rechtsordnungen Österreichs, Belgiens, Frankreichs und Italiens. Unter dem Begriff des Streikes bzw. seinen verbalen Entsprechungen (grève, sciopero) wird in den betrachteten Ländern im wesentlichen die gleiche Erscheinung der realen Welt verstanden. Insofern kann ein Rechtsvergleich durchgeführt werden, da die jeweiligen Rechtsinstitute begrifflich sich nur wenig unterscheiden.

8. Kap.: Zusammenfassung

391

- In Österreich und in Belgien ist das Streikrecht nicht explizit positivrechtlich gewährleistet. Es besteht Streikfreiheit, was bedeutet, daß der Streik wie sonstiges menschliches Verhalten - solange zulässig ist, wie er nicht mit Rechtsnormen kollidiert. Solche einschränkenden Rechtsnormen können sehr vielgestaltig sein und sowohl im Zivilrecht als auch im öffentlichen Recht oder im Strafrecht angesiedelt sein. Der Streik hat in Österreich grundsätzlich keinerlei Auswirkungen auf das (individualrechtliche) Arbeitsvertragsverhältnis zwischen dem AG und den streikenden AN. Die AN begehen daher in der Durchführung eines Streikes eine Verletzung ihres Arbeitsvertrages und sind deswegen auch grundsätzlich schadensersatzpflichtig. Regelmäßig werden auch sonstige Rechtsbeziehungen in Österreich durch den Streik nicht besonderen rechtlichen Behandlungen unterzogen. Es finden vielmehr die Vorschriften des allgemeinen Rechtes Anwendung. Im Ergebnis werden im österreichischen Recht neoliberale Positionen hinsichtlich des Streikes vertreten. In Belgien ist es dagegen umstritten, ob der Streik Suspensivwirkung auf das Verhältnis zwischen streikenden AN und AG hat. Es stehen sich die Trennungstheorie und die Einheitstheorie gegenüber. Erstere verneint solche Auswirkungen, letztere bejaht sie. Von wenigen Sonderregeln abgesehen, richten sich die Konsequenzen eines Streikes auf sonstige Rechtsbeziehungen (Verhältnis AG gegenüber nichtStreikenden AN bzw. gegenüber Lieferanten und Kunden) nach allgemeinen Rechtsregeln und Rechtsgrundsätzen. Eine Privilegierung des Streikes gegenüber sonstigen Erscheinungen des Rechtsgeschehensfindet sich im Sozialrecht. Dort zeigt der belgische Gesetzgeber, daß er dem Streik positiv gegenübersteht, indem er die Streikfolgen für die AN mildert. - Eine explitzite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes besteht in Frankreich und in Italien. In beiden Ländern ist dies (sogar) in der Verfassung geregelt. Die Streikmöglichkeit besteht jeweils als subjektives Recht, das im Rahmen der Gesetze ausgeübt wird. Gesetze, die eine Regelung des Streikrechtes in einem geschlossenen System vornehmen, bestehen jedoch weder in Frankreich noch in Italien. Einig ist man sich aber in

392

8. Kap.: Zusammenfassung

beiden Ländern darüber, daß das Streikrecht nicht unbegrenzt gewährleistet wird. Welche einzelnen Erscheinungsformen des Streikes allerdings rechtmäßig sind, darüber herrscht innerhalb der jeweiligen Länder Streit. Aus der Gewährleistung der Streikmöglichkeit als subjektives Recht wird sowohl in Frankreich als auch in Italien die Kosequenz gezogen, daß ein rechtmäßiger Streik grundsätzlich zu einer Suspendierung der Hauptleistungspflichten der Arbeitsvertrages der Kampfparteien führt. Regelmäßig muß daher der AG den kampfbeteiligten AN kein Arbeitsentgelt zahlen. Die streikenden AN sind ihrerseit von der vertraglichen Arbeitspflicht befreit. Eine Schadensersatzverpflichtung der AN wegen der Durchführung eines rechtmäßigen Streikes kommt in beiden Ländern grundsätzlich nicht in Betracht. Im einzelnen bestehen von diesen Grundsätzen jedoch Ausnahmen. Keinerlei Auswirkungen hat ein Streik in Italien und in Frankreich im Regelfalle auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem AG und nichtstreikende AN, sowie zwischen dem AG und dessen Lieferanten bzw. Kunden. In engumgrenzten Ausnahmefällen kann es allerdings Abweichungen von dieser Regel geben. Sozialrechtliche Konsequenzen hat der Streik in Italien nur sehr wenige. Trotz der Beteiligung der AN an einem Streik bleiben ihnen die meisten Ansprüche erhalten. Auch in Frankreich erfahren die kampfbeteiligten AN gegenüber aus sonstigen Gründen nicht arbeitenden AN eine Besserstellung. - Plausibilitätserwägungen sprechen dafür, eine kausale Beziehung zwischen der Art der Rechtsgestaltung und dem tatsächlichen Streikgeschehen anzunehmen, wobei die Art der Rechtsgestaltung die Ursache für das tatsächliche Rechtsgeschehen ist. Bei einer statistischen Analyse zeigt sich, daß in Frankreich und Italien die Streikbetroffenheit der nationalen Wirtschaften höher liegt als in Belgien und Österreich.

8. Kap.: Zusammenfassung

393

Dies bedeutet im Ergebnis - unter Berücksichtigung der Kausalitätsbeziehung zwischen Rechtsgestaltung und tatsächlichem Streikgeschehen - daß eine explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes zu einer Erhöhung der Streikbetroffenheit der jeweiligen nationalen Wirtschaft führt. - Die Ergebnisse der Rechtsvergleichung können auf die Bundesrepublik Deutschland übertragen werden, da die Streikbegriffe der untersuchten Länder mit demjenigen der Bundesrepublik Deutschland im wesentlichen übereinstimmen und somit eine vergleichbare Erscheinung der realen Welt beschreiben. - Eine exlizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes empfiehlt sich dann für die Bundesrepublik Deutschland, wenn der Streik dem Wirtschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland immanent, d.h. systemnotwenig ist. In einem solchen Falle würde eine ausdrückliche positivrechtliche Normierung zu einer Stabilisierung der Wirtschaft beitragen. Es ist auch dann zu einer expliziten positivrechtlichen Gewährleistung des Streikrechtes zu raten, wenn der Streik positive wirtschaftliche Auswirkungen hat, da es durch eine solche Gewährleistung zu verstärkten Streikaktivitäten kommt. - Es zeigt sich, daß Streiks der Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht systemimmanent sind. Weder aus faktischen Gegebenheiten, noch aus der Art und Weise der Lohnfindung läßt sich eine Notwendigkeit des Streikes begründen. Aus faktischer Sicht folgt dies daraus, daß der Streik nicht zur Korrektur eines ökonomischen Herrschaftsverhältnisses und auch nicht aufgrund einer Ausbeutbarkeit des Faktors Arbeit notwendig ist. Auch ein Marktversagen mit der Konsequenz der Erforderlichkeit des Streikes besteht nicht. Ebenso führt die Art und Weise der Lohnfindung nicht dazu, den Streik als unabdingbar anzunehmen. Häufig setzen sich die Lohnfindungstheorien mit der Notwendigkeit des Streikes überhaupt nicht auseinander, sondern gehen lapidar von seiner Existenz aus. Dort, wo der Streik als Lohnfindungsparameter problematisiert wird, führen empirisch abgesicherte Untersuchungen (Theorie der "Trucking-Games") vielmehr zu dem Ergebnis, daß die Resultate der Lohnfindung ohne Arbeitskämpfe für die beteiligten Parteien durchweg günstiger wären.

394

8. Kap.: Zusammenfassung

- Bei den wirtschaftlichen Auswirkungen des Streikes sind langfristige und kurzfristige Folgen zu unterscheiden, die einer getrennten Behandlung unterzogen werden müssen, da es möglich ist, daß kurzfristig postiv zu bewertende Auswirkungen des Streikes langfristig negativ zu sehen sind und umgekehrt. Kurzfristige Auswirkungen des Streikes können sowohl gegenüber einzelnen Wirtschaftssubjekten (mikroökonomische Auswirkungen), als auch gegenüber Wirtschaftssektoren und der Gesamtwirtschaft (makroökonomische Auswirkungen) bestehen. Im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse ist der Streik für die einzelnen kampfbeteiligten AN kurzfristig gesehen grundsätzlich lohnend. Dies gilt vor allem für gewerkschaftsangehörige AN, aber auch für tarifliche Außenseiter. Für die einzelnen streibetroffenen AG ist dagegen der Streik regelmäßig unvorteilhaft. Lediglich in eng umgrenzten Ausnahmefällen kann für sie ein Streik von Nutzen sein. Auch für die jeweils beteiligten Gewerkschaften muß ein Streik im Ergebnis negativ bewertet werden, da seine Kosten den Nutzen übersteigen. Ebenfalls unvorteilhaft im Sinne einer Kosten-Nutzen-Analyse ist der Streik für die indirekt vom Arbeitskampf betroffenen AN und AG zu beurteilen. Es zeigt sich daher, daß mikroökonomisch sich der Streik bei kurzfristiger Betrachtungsweise lediglich für die kampfbeteiligten AN lohnt. Bei allen anderen Wirtschaftssubjekten übersteigen - kurzfristig gesehen - die Kosten den erzielten Nutzen. Die makroökonomischen Auswirkungen des Streikes sind dagegen kurzfristig insgesamt zu vernachlässigen. Dies gilt sowohl für den Unternehmenssektor, den Sektor der privaten Haushalte und den Staatssektor, als auch für die Gesamtwirtschaft. Langfristig ist der Streik allerdings für die AN insgesamt negativ zu werten, da es streikbedingt zu einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit kommt. Ebenso ist auch für die AG der Sreik von Nachteil, da durch ihn die Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt werden.

8. Kap.: Zusammenfassung

395

Gesamtwirtschaftlich haben Streiks unter langfristigen Aspekten sowohl auf die Preisstabilität als auch auf das Wachstum der Wirtschaft negative Auswirkungen. Als Gesamtergebnis der ökonomischen Analyse läßt sich festhalten, daß Streikaktivitäten aus ökonomischen Gründen nicht zu empfehlen sind. - In der Konsequenz der Untersuchungen zeigt sich, daß aus rechtsvergleichender Sicht unter Beachtung der wirtschaftlichen Implikationen von einer expliziten positivrechtlichen Gewährleistung des Streikrechtes für die Bundesrepublik Deutschland abzuraten ist. Dies ist die Schlußfolgerung aus der Tatsache, daß einerseits ein explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes kausal für verstärkte Streikaktivitäten ist, andererseits Streiks aus wirtschaftlichen Gründen abzulehnen sind. Bei diesem Ergebnis darf jedoch nicht übersehen werden, daß rechtsstaatliche und verfassungsrechtliche Erwägungen bei seiner Ableitung nicht berücksichtigt worden sind. Verfassungsrechtliche und rechtsstaatliche Gründe können aber durchaus dafür sprechen, daß eine explizite positivrechtliche Gewährleistung des Streikrechtes geboten ist und diese Gründe können in ihrer Gewichtung auch bedeutsamer sein als die betrachteten ökonomischen und rechtsvergleichenden Aspekte.

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