Rechtliche Grenzen der Umgestaltung des Heilpraktikerwesens [1 ed.] 9783428581450, 9783428181452

Neben der Versorgung durch Ärzte leisten ca. 47.000 Heilpraktiker deutschlandweit einen wichtigen Beitrag für die öffent

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Rechtliche Grenzen der Umgestaltung des Heilpraktikerwesens [1 ed.]
 9783428581450, 9783428181452

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Schriften zum Gesundheitsrecht Band 58

HELGE SODAN / BERNHARD HADANK

Rechtliche Grenzen der Umgestaltung des Heilpraktikerwesens

Duncker & Humblot · Berlin

HELGE SODAN / BERNHARD HADANK

Rechtliche Grenzen der Umgestaltung des Heilpraktikerwesens

Schriften zum Gesundheitsrecht Band 58 Herausgegeben von Professor Dr. Helge Sodan, Freie Universität Berlin, Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht (DIGR) Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin a.D.

Rechtliche Grenzen der Umgestaltung des Heilpraktikerwesens Von Universitätsprofessor Dr. Helge Sodan und Wiss. Mitarbeiter Bernhard Hadank

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p gmbh, Rimpar Druck: CPI buch.bücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-1385 ISBN 978-3-428-18145-2 (Print) ISBN 978-3-428-58145-0 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Neben der Versorgung durch Ärzte leisten ca. 47.000 Heilpraktiker deutschlandweit einen wichtigen Beitrag für die öffentliche Gesundheitsversorgung. Gleichwohl wird den Heilberufsangehörigen ohne Bestallung, also ohne ärztliche Approbation, teilweise Misstrauen entgegengebracht, das hauptsächlich auf dem Vorurteil unzureichender Fachkompetenz beruhen dürfte. Diese unbegründete Einschätzung wird häufig an dem Umstand festgemacht, dass Heilpraktiker über kein akademisches Studium verfügen müssen, gleichzeitig aber Behandlungen unmittelbar an Patienten vornehmen dürfen. Dabei wird jedoch verkannt, dass die Versorgung durch Heilpraktiker primär keine Konkurrenz zu der Versorgung durch approbierte Ärzte darstellt, sondern einen eigenen Leistungsbereich darstellt, der die ärztliche Versorgung ergänzt. Das facettenreiche Behandlungsspektrum der Heilpraktiker erstreckt sich dabei von schulmedizinischen, physiologischen, psychologischen bis hin zu komplementärmedizinischen Therapieformen und deckt somit einen Versorgungsbereich ab, der allein durch die praktizierenden Ärzte nicht zu gewährleisten wäre. Trotz der sehr verbreiteten und intensiven Tätigkeiten von Heilpraktikern gibt es dafür nur relativ wenige Vorschriften, die im Wesentlichen als vorkonstitutionelles Recht fortgelten. Derzeitige Rechtsgrundlagen für die Ausübung des Berufs des Heilpraktikers enthalten das Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz), die Erste Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz sowie die vom Bundesministerium für Gesundheit unter Beteiligung der Länder erlassenen Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärterinnen und -anwärtern nach § 2 des Heilpraktikergesetzes in Verbindung mit § 2 Absatz 1 Buchstabe i der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz. Weitere, spezifisch auf die Versorgung durch Heilpraktiker zugeschnittene Rechtsnormen bestehen jedoch nicht. Damit ist der Berufsstand der Heilpraktiker rechtlich wenig durchdrungen. In dem zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages geschlossenen Koalitionsvertrag vom 12. März 2018 heißt es: „Im Sinne einer verstärkten Patientensicherheit wollen wir das Spektrum der heilpraktischen Behandlung überprüfen“ (Seite 101, Zeilen 4685 f.). Zu dieser Prüfung will die vorliegende Schrift beitragen, die auf einem Rechtsgutachten beruht, welches im Auftrag des Bundes Deutscher Heilpraktiker e. V. erstellt wurde. Nach einer Einleitung untersucht die Arbeit in ihrem ersten Teil zunächst die Frage, ob und inwieweit eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine Umgestaltung des Heilpraktikerwesens existiert. Damit soll geklärt werden, welche

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Vorwort

Möglichkeiten bestehen, um die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde durch Heilpraktiker als Heilberuf im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG zu regeln. Der zweite Teil der Untersuchung beschäftigt sich mit der Verfassungsmäßigkeit von Reformvorhaben, die auf die vollständige Beseitigung der Heilpraktiker aus der öffentlichen Gesundheitsversorgung abzielen. Gegenstand des dritten Teils ist die sogenannte sektorale Heilpraktikererlaubnis, die als richterrechtliche Extension des § 1 Abs. 1 des Heilpraktikergesetzes eine Besonderheit im Vergleich zu der nicht teilbaren ärztlichen Approbation darstellt. Im vierten Teil der Arbeit werden Überlegungen angestellt, wie das Heilpraktikerwesen sachgerecht reformiert werden könnte. Insbesondere drängt sich die Idee der „Verkammerung“ des Berufsfeldes auf, so dass auf diesen Ansatz ein besonderer Schwerpunkt gelegt wird. Eine umfangreiche Zusammenfassung in Leitsätzen beschließt die Schrift in ihrem fünften Teil. Für wertvolle Diskussionen und Hinweise danken wir sehr dem Vizepräsidenten des Bundes Deutscher Heilpraktiker e. V., Herrn Siegfried Kämper, Gelsenkirchen. Seine jahrzehntelange Tätigkeit als Heilpraktiker und die aus seinem langen berufspolitischen Engagement gewonnenen Erfahrungen waren für die vorliegende Schrift von großem Nutzen. Für wichtige Hinweise zur Ausbildung und zu Nachweisen der Sachkunde von Heilpraktikern danken wir herzlich Frau Elvira Bierbach, Herausgeberin von „Naturheilpraxis Heute“ und Hauptherausgeberin der Deutschen Heilpraktiker-Zeitung. Zu großem Dank verpflichtet sind wir ferner Herrn Dr. Florian R. Simon (LL.M.), Geschäftsführer der Duncker & Humblot GmbH, und Frau Heike Frank, Abteilung Herstellung in diesem Verlag, für die überaus zügige Veröffentlichung der Arbeit und die weiterhin sehr wohlwollende Förderung der „Schriften zum Gesundheitsrecht“. Berlin, im August 2020

Helge Sodan Bernhard Hadank

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 A. Gesundheitspolitisches Misstrauen gegenüber Heilpraktikern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 B. Unsichere Rechtslage des Heilpraktikerwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Erster Teil Zur Gesetzgebungskompetenz für eine Umgestaltung des Heilpraktikerwesens durch den Bund

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A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 B. Gesetzgebungskompetenz des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Kompetenztitel aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Begriff der „anderen Heilberufe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2. Abgrenzung von Berufszulassung und Berufsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. Regelungsmöglichkeiten des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Weitere Kompetenztitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 C. Heilpraktikergesetz als vorkonstitutionelles Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Transformation vorkonstitutionellen Rechts durch Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Transformation vorkonstitutionellen Rechts durch Übergangsvorschriften . . . . . . 25 1. Überleitung vorkonstitutionellen Rechts nach Art. 123 GG . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Einbindung in die vertikale Kompetenzverteilung nach den Art. 124 und 125 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3. Überleitung vorkonstitutioneller Ermächtigungen zur Setzung von Rechtsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 III. Konsequenzen für die Umgestaltung des Heilpraktikergesetzes . . . . . . . . . . . . . . . 27 D. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

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Inhaltsverzeichnis Zweiter Teil Zum Entfall des Heilpraktikerberufs

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A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 B. Rechtlicher status quo im Heilpraktikerwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Erlaubnispflicht des Heilpraktikerwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Begriff der Heilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 b) Richterrechtliche Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 aa) Heilkundliche Fachkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 bb) Möglichkeit einer Gesundheitsgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 c) Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Beibehaltung des Erlaubnisvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Delegation und Substitution von Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 C. Rechtstechnisches Vorgehen zur Beseitigung des Berufsstandes der Heilpraktiker . . . 43 I. Aufhebung des Heilpraktikergesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Ausdrückliches Berufsausübungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 III. Schaffung neuer Arztvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 IV. Verengung des Tätigkeitsbereichs der Heilpraktiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 V. Zwischenbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 D. Verfassungsrechtliche Grenzen für Reformvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I. Verletzung des Grundrechts der Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Verhältnismäßigkeit etwaiger Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 d) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3. Zwischenbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Bestandsschutz für bestehende Heilpraktikerpraxen sowie Berufsanwärter . . . . . . 56 1. Rechtsstaatlicher Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Ableitung von Vertrauensschutz aus der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . 57 3. Gegenwärtiger Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs . . . 58 4. Mindestanforderungen des Bestandsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 III. Zwischenbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 E. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

Inhaltsverzeichnis

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Dritter Teil Zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis

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A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 B. Die sektorale Heilpraktikererlaubnis als richterrechtlich anerkanntes Rechtsinstitut

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I. Argumentation in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 II. Voraussetzung der Erteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 III. Rechtsfolge der sektoralen Erlaubniserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 C. Beschränkungen der sektoralen Heilpraktikererlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Rechtstechnische Möglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Rechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Rechtfertigung von Eingriffen in die Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Fragen des Bestandsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 III. Gesetzliche Verankerung der sektoralen Heilpraktikererlaubnis . . . . . . . . . . . . . . 74 IV. Abschließender Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 D. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

Vierter Teil Zur rechtlichen Neuordnung des Heilpraktikerwesens

78

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 B. Ansätze zur Reformierung des Heilpraktikerwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 I. Engmaschige Ausgestaltung der Berufsausübung durch die Länder . . . . . . . . . . . 79 II. Strukturierung und Harmonisierung der Ausbildungsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 III. Verkammerung des Heilpraktikerberufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Die funktionale Selbstverwaltung als Dezentralisierungskonzept . . . . . . . . . . . 81 a) Normsetzungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Umfassende Pflichtmitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Binnenstruktur der Selbstverwaltungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Berufsgerichtsbarkeit zur internen Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4. Rechtsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 IV. Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 C. Rechtliche Umgestaltung des Heilpraktikerwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 I. Rechtstechnische Möglichkeiten zur Verkammerung des Heilpraktikerwesens . . . 89 1. Orientierung an Heilberufekammergesetzen der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 a) Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

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Inhaltsverzeichnis c) Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 II. Ausgestaltung der Inhalte und des Verlaufs der Berufsausbildung . . . . . . . . . . . . . 93

D. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

Fünfter Teil Zusammenfassung in Leitsätzen

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Abkürzungsverzeichnis Abs. AMG AöR Art. Aufl. BAnz. BayRS BayVBl. Bd. ber. betr. BGBl. BGH BGHZ BlnHKG BSG BSGE BT-Drucks. BtMG Buchst. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE bzw. DÖV DVBl. DV-HeilprG ESchG EStG e. V. f., ff. Fn. GesR GewArch GG GVBl. GV. NRW. GVOBl. HeilBerG

Absatz Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz) Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Auflage Bundesanzeiger Bayerische Rechtssammlung Bayerische Verwaltungsblätter Band berichtigt betreffend Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Berliner Heilberufekammergesetz Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Drucksache Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) Buchstabe Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Erste Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz) Einkommensteuergesetz eingetragener Verein folgende Fußnote GesundheitsRecht (Zeitschrift) Gewerbearchiv (Zeitschrift) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein Heilberufsgesetz

12 HeilprG

Abkürzungsverzeichnis

Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) HKaG Gesetz über die Berufsausübung, die Berufsvertretungen und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker sowie der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe-Kammergesetz) Hrsg. Herausgeber IfSG Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz) i. V. m. in Verbindung mit Jura Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Kammerbeschl. Kammerbeschluss Kap. Kapitel KHEntgG Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz) LT-Drucks. Landtagsdrucksache MedR Medizinrecht (Zeitschrift) m. w. N. mit weiteren Nachweisen Nds. MBl. Niedersächsisches Ministerialblatt NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nr. Nummer NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-RR NVwZ-Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht NZS Neue Zeitschrift für Sozialrecht OVG Oberverwaltungsgericht PartGG Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz) PharmaR Pharma Recht (Zeitschrift) r+s recht und schaden (Zeitschrift) RGBl. Reichsgesetzblatt Rn. Randnummer S. Seite(n) SGb Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) SGB V Fünftes Buch Sozialgesetzbuch StAnz. Staatsanzeiger für das Land Hessen TPG Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz) u. a. unter anderem UStG Umsatzsteuergesetz Var. Variante VersR Versicherungsrecht (Zeitschrift) VG Verwaltungsgericht VGH Verwaltungsgerichtshof Vgl./vgl. Vergleiche/vergleiche VSSR Vierteljahresschrift für Sozialrecht

Einleitung A. Gesundheitspolitisches Misstrauen gegenüber Heilpraktikern Neben der Versorgung durch Ärzte leisten ca. 47.000 Heilpraktiker deutschlandweit1 einen wichtigen Beitrag für die öffentliche Gesundheitsversorgung. Gleichwohl wird den Heilberufsangehörigen ohne Bestallung, also ohne ärztliche Approbation, teilweise Misstrauen entgegengebracht, das hauptsächlich auf dem Vorurteil unzureichender Fachkompetenz beruhen dürfte. Diese unbegründete Einschätzung wird häufig an dem Umstand festgemacht, dass Heilpraktiker über kein akademisches Studium verfügen müssen, gleichzeitig aber Behandlungen unmittelbar an Patienten vornehmen dürfen. Dabei wird jedoch verkannt, dass die Versorgung durch Heilpraktiker primär keine Konkurrenz zu der Versorgung durch approbierte Ärzte darstellt, sondern einen eigenen Leistungsbereich darstellt, der die ärztliche Versorgung ergänzt.2 Das facettenreiche Behandlungsspektrum der Heilpraktiker erstreckt sich dabei von schulmedizinischen, physiologischen, psychologischen bis hin zu komplementärmedizinischen Therapieformen und deckt mithin einen Versorgungsbereich ab, der allein durch die praktizierenden Ärzte nicht zu gewährleisten wäre. Dennoch sehen einige Gesundheitspolitiker, wohl beflügelt durch vereinzelte Fälle unsachgemäßer Behandlungen3, Gefahren für die Patientensicherheit in der eigenverantwortlichen Ausübung von Heilkunde durch Heilpraktiker. Zumeist erschöpft sich diese Haltung in vagen Bekundungen, das Heilpraktikerwesen zu reformieren. Derzeit scheinen sich allerdings die Reformbestrebungen zu verdichten. In dem zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages geschlossenen Koalitionsvertrag vom 12. März 2018 heißt es: „Im Sinne einer verstärkten Patientensicherheit wollen wir das Spektrum der heilprak1

Siehe hierzu die Angaben des Bundes Deutscher Heilpraktiker e. V. (BDH) als wichtige Interessenvertretung des Berufsstandes, veröffentlicht unter: http://www.heilpraktiker-fakten. de/wp-content/uploads/2017/11/bdh_fakten-171114.pdf, S. 1, zuletzt aufgerufen am 26. 4. 2020. 2 Vgl. dazu das Eckpunktepapier des Bundes Deutscher Heilpraktiker e. V. (BDH), veröffentlicht unter: http://www.heilpraktiker-fakten.de/wp-content/uploads/2017/11/bdh_fakten-1 71114.pdf, S. 2, zuletzt aufgerufen am 26. 4. 2020 – ohne die Hervorhebung. 3 Von besonderer Bedeutung aus der jüngeren Vergangenheit ist hierbei der Fall „BrüggenBracht“. Siehe dazu Zeit Online vom 27. 8. 2016, veröffentlicht unter https://www.zeit.de/wis sen/gesundheit/2016 - 08/heilpraktiker-ermittlungen-tote-alternative-krebstherapie-klaus-rossbrueggen, zuletzt aufgerufen am 4. 5. 2020.

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Einleitung

tischen Behandlung überprüfen“.4 Ein vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten „soll das Heilpraktikerrecht einschließlich der dazu ergangenen Rechtsprechung umfassend aufarbeiten und insbesondere klären, ob und welchen rechtlichen Gestaltungsspielraum der Bundesgesetzgeber im Falle einer Reform des Heilpraktikerrechts zur Stärkung der Patientensicherheit hätte“.5

B. Unsichere Rechtslage des Heilpraktikerwesens Rechtsgrundlagen für die Ausübung des Berufs des Heilpraktikers enthalten das Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) vom 17. Februar 19396 (nachfolgend abgekürzt: HeilprG), die Erste Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz7 (nachfolgend abgekürzt: DV-HeilprG) sowie die vom Bundesministerium für Gesundheit unter Beteiligung der Länder erlassenen Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärterinnen und -anwärtern nach § 2 des Heilpraktikergesetzes in Verbindung mit § 2 Absatz 1 Buchstabe i der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz vom 7. Dezember 20178. Weitere, spezifisch auf die Versorgung durch Heilpraktiker zugeschnittene Rechtsnormen bestehen indes nicht. Damit ist der Berufsstand der Heilpraktiker rechtlich wenig durchdrungen. Den Heilpraktikern fehlt es an einer klaren rechtlichen Kodifikation. Außerdem existieren keine vergleichbaren Regelungen, wie sie das ärztliche Berufsrecht für Detailfragen der Berufsausübung vorhält. Ebenso bestehen keine, dem ärztlichen Bereich vergleichbaren, ausdrücklichen Ingerenz- und Kontrollrechte. Etwaige Veränderungen der rechtlichen Grundlagen des Heilpraktikerwesens müssen aber den Belangen der Heilpraktiker hinreichend Rechnung tragen.

4

Der Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages ist abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/847984/5b8bc23590d4cb2 892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download=1, S. 101, Zeilen 4685 f., zuletzt aufgerufen am 25. 7. 2020. 5 In einer Kurzfassung ist der Ausschreibungstext öffentlich abrufbar unter: https://www. evergabe-online.de/tenderdetails.html?2&id=291253, zuletzt aufgerufen am 25. 7. 2020. 6 RGBl. I, S. 251, zuletzt geändert durch Art. 17e des Gesetzes vom 23. 12. 2016 (BGBl. I S. 3191). 7 Erste Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz), BGBl. III, Nr. 2122-2-1, zuletzt geändert durch Art. 17 f i. V. m. Art. 18 Abs. 4 des Gesetzes vom 23. 12. 2016 (BGBl. I S. 3191). 8 BAnz. AT 22. 12. 2017 B5.

C. Gang der Untersuchung

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C. Gang der Untersuchung Die relevanten Fragen für die Untersuchung des Heilpraktikerwesens bewegen sich mithin größtenteils in einem Bereich de lege ferenda. Gleichwohl können, ausgehend vom bestehenden status quo, grobe Leitlinien und Rahmenbedingungen für eine Reform des Heilpraktikerwesens untersucht werden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollen vier zentrale Problemfelder erörtert werden, die sich aus dem vorab Geschilderten ergeben: 1. Fraglich ist zunächst, ob und inwieweit eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Heilpraktikerwesen existiert. Im ersten Teil dieser Untersuchung soll mithin geklärt werden, welche Möglichkeiten bestehen, um die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde durch Heilpraktiker als Heilberuf im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG zu regeln. In diesem Zusammenhang soll auch auf mögliche Friktionen zwischen einem bundesrechtlich normierten Heilpraktikerberuf und dem landesrechtlich geregelten Arztberuf eingegangen werden. 2. Der zweite Teil der Untersuchung beschäftigt sich mit der Verfassungsmäßigkeit von Reformvorhaben, die auf die vollständige Beseitigung der Heilpraktiker aus der öffentlichen Gesundheitsversorgung abzielen. Hierzu muss zunächst geklärt werden, welche Möglichkeiten rechtstechnisch und rechtspolitisch dazu zur Verfügung stehen. Anschließend müssen diese Optionen auf ihre Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben überprüft werden. 3. Gegenstand des dritten Teils ist die sogenannte sektorale Heilpraktikererlaubnis, die als richterrechtliche Extension des § 1 Abs. 1 HeilprG eine Besonderheit im Vergleich zu der nicht teilbaren ärztlichen Approbation darstellt. Wenn aber im Zuge einer Reform sämtliche Heilpraktiker aus der Versorgung verdrängt werden sollen, gerät auch die sektorale Erlaubnis ins Wanken. Doch auch dort stellen sich verfassungsrechtlich ähnliche Fragen, die einer Klärung bedürfen. 4. Schließlich sollen im vierten Teil der Untersuchung Überlegungen angestellt werden, wie das Heilpraktikerwesen sachgerecht reformiert werden könnte. Insbesondere drängt sich die Idee der „Verkammerung“ dieses Berufsfeldes auf, so dass auf diesen Ansatz ein besonderer Schwerpunkt gelegt wird. Im fünften Teil werden wesentliche Ergebnisse der gesamten Untersuchung in Leitsätzen zusammengefasst.

Erster Teil

Zur Gesetzgebungskompetenz für eine Umgestaltung des Heilpraktikerwesens durch den Bund A. Einführung Im deutschen Gesundheitswesen haben die Heilpraktiker bis heute eine besondere Stellung. Während die meisten Berufsstände insoweit im Regelfall bis in die Detailebene ausgeformten rechtlichen Grundlagen unterliegen, bestehen für Heilpraktiker, sofern man diese Berufsbezeichnung als Sammelbegriff für die nichtärztlichen Heilberufe verwenden mag, nur überschaubare, spezifisch für ihren Berufsstand geltende Rechtsgrundlagen. Das Heilpraktikergesetz als rechtliches Fundament des Berufsstandes statuiert inhaltlich nicht mehr als einen Erlaubnisvorbehalt für die Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten, der durch Sanktionsregelungen und Strafnormen flankiert wird. Ergänzt wird das Heilpraktikergesetz durch die Erste Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz, die den Erlaubnisvorbehalt durch Versagungsgründe nach der Systematik des öffentlichen Wirtschaftsrechts (siehe dazu insbesondere § 2 DV-HeilprG) anreichert. Durch den in § 2 Abs. 1 Buchst. i DV-HeilprG geregelten Grund für die Versagung der Erlaubnis wird die fachliche Qualifikation der Berufsanwärter zum Maßstab der Erlaubniserteilung erhoben. Nähere Vorgaben zur Erhebung des Qualifikationsnachweises enthalten die Leitlinien des Bundesministeriums für Gesundheit zur Überprüfung der Heilpraktikeranwärterinnen und -anwärtern9. Im Vergleich zu anderen Heilberufen sind die rechtlichen Grundlagen des Berufsstandes qualitativ wie auch quantitativ sehr begrenzt. Auch und gerade im eigenen Interesse benötigt der Berufsstand der Heilpraktiker ein stabileres rechtliches Fundament. In Anbetracht der weiten gesundheitspolitischen Gestaltungsspielräume der gesetzgebenden Gewalt eröffnen sich hier vielfältige Möglichkeiten. Unweigerlich führt dies aber zu der Frage, wie der Berufsstand der Heilpraktiker neu ausgeformt werden kann10 und welcher Gesetzgeber in welchem Umfang hierfür die Kompetenz innehat. Jedenfalls ist fraglich, ob dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zusteht, neben den Ärzten einen weiteren Beruf 9

Siehe den Nachw. oben in Fn. 8. Diese Frage wird noch ausführlich im vierten Teil dieser Untersuchung erörtert. Siehe dazu unten S. 78 ff. 10

B. Gesetzgebungskompetenz des Bundes

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mit einer umfassenden Heilkundeberechtigung einzurichten und dessen Ausübungsmodalitäten auszuformen.

B. Gesetzgebungskompetenz des Bundes Eine Neu- oder Umgestaltung des Heilpraktikerwesens durch den Bund setzt eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz voraus; den politischen Gestaltungsvorstellungen von Bund und Ländern sind durch die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung insoweit Grenzen gesetzt. Grundsätzlich haben die Länder nach Art. 70 Abs. 1 GG das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Zugunsten des Bundes kommt der in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG geregelte Kompetenztitel für die „Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe“ aus dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung in Betracht.

I. Kompetenztitel aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG Im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von einer ihm in diesem Bereich eingeräumten Gesetzgebungszuständigkeit nicht Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Der Bund ist hier also vorrangig zuständig, die Länder demgegenüber nur subsidiär.11 Sofern der Bund im Rahmen einer Materie, die der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegt, von seiner Gesetzgebungskompetenz durch Erlass eines Gesetzes Gebrauch gemacht hat, entfaltet dies gemäß Art. 72 Abs. 1 GG grundsätzlich eine Sperrwirkung für die Landesgesetzgebung, und zwar sowohl in zeitlicher („solange“) als auch in sachlicher Hinsicht („soweit“).12 Es kommt somit für die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Umfang der Bund den Heilpraktikerberuf regeln kann, auf die Auslegung des Kompetenztitels in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG an. Dieser Kompetenztitel beinhaltet mehrere Varianten. Die zweite Variante in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG betrifft das Recht zur Regelung der „Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe“. 1. Begriff der „anderen Heilberufe“ In Betracht kommt hier eine Subsumtion unter die Begriffe „anderen Heilberufe“ und „Heilgewerbe“. Allein aus dem Wortlaut ist allerdings nicht eindeutig abzu11

H. Sodan/J. Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 8. Aufl. 2018, § 17 Rn. 6. BVerfGE 138, 261 (280 Rn. 44). Siehe hierzu J. Bauerschmidt, DÖV 2015, 656 (657 f.); A. Haratsch, in: Sodan (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2018, Art. 72 Rn. 6 ff. 12

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1. Teil: Zur Gesetzgebungskompetenz durch den Bund

leiten, ob auch Heilpraktiker von dem Kompetenztitel in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG erfasst sind. Aus der Unterscheidung zu den „ärztlichen Heilberufen“ lässt sich möglicherweise ein weites Verständnis der anderen Varianten begründen. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich in seinem „Facharzt-Beschluss“ vom 9. Mai 1972 klargestellt, dass die Bezeichnung „ärztliche Heilberufe“ eng zu verstehen ist und nur die durch Ärzte, Zahn- oder Tierärzte ausgeübten Berufsbilder umfassen kann.13 Die Bezeichnung „andere Heilberufe“ wird demgegenüber weit ausgelegt; sie fungiert als eine Art Sammelbegriff für sämtliche nichtärztliche Berufstypen auf dem Gebiet der Heilkunde.14 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterfallen die Heilpraktiker dem Begriff der „anderen Heilberufe“,15 genauso wie etwa auch Diätassistenten, Logopäden, Masseure, Orthoptisten, pharmazeutisch-technische Assistenten, Physiotherapeuten, Rettungsassistenten sowie technische Assistenten in der Medizin. Diesem grundlegenden Befund steht auch nicht entgegen, dass es sich bei den Heilpraktikern selbst um eine heterogene Berufsgruppe handelt, die unterschiedliche Berufstypen unter einer Bezeichnung zusammenfasst.16 All jene Ausprägungen des Heilpraktikerwesens lassen sich unter den weiten Begriff der „anderen Heilberufe“ subsumieren. Die Abgrenzung zum „Heilgewerbe“ kann deshalb kaum noch fruchtbringend sein.17 Für eine Zuordnung zum Heilgewerbe kommen solche heilkundlichen Tätigkeiten in Betracht, deren Prägung diejenigen eines Gewerbes aufweisen, also insbesondere in selbständiger Tätigkeit verrichtet werden. Das trifft beispielsweise auf Optiker zu.18 2. Abgrenzung von Berufszulassung und Berufsausübung Ausweislich seines Wortlautes umfasst der Kompetenztitel lediglich die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen sowie zum Heilgewerbe. Im „FacharztBeschluss“ heißt es dazu, Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG bezwecke eine „möglichst eindeutige“ Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenz von Bund und Ländern; das Bundesverfassungsgericht bemüht zur Untermauerung dieser These die historischgenetische Auslegung der Kompetenznorm, der es zugleich eine besondere Be13

BVerfGE 33, 125 (154). Siehe etwa BVerfGE 106, 62 (107). Vgl. ferner U. Steiner, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, Art. 74 GG Rn. 7. 15 Vgl. dazu BVerfGE 78, 179 (192). Siehe zur Kasuistik des Bundesverfassungsgerichts ferner C. Seiler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, Art. 74 Rn. 71 m. w. N. (Stand der Kommentierung: November 2018). 16 Vgl. auch H. Haage, Heilpraktikergesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 1 Rn. 5. 17 Ähnlich C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 86, der den Übergang von „anderen Heilberufen“ zum „Heilgewerbe“ als fließend betrachtet. Allerdings ergeben sich dann Abgrenzungsfragen zu dem weiter gefassten Kompetenztitel aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. 18 U. Steiner, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, Art. 74 GG Rn. 7. 14

B. Gesetzgebungskompetenz des Bundes

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deutung beimisst.19 Es führt aus, die Genese des Kompetenztitels liege vorrangig in der Erfassung der im früheren § 29 der Gewerbeordnung geregelten ärztlichen Approbation, weshalb sich bei historisch-genetischem Verständnis der Kompetenztitel lediglich auf „ärztliche Berufe“ bezieht, mithin solche, die eine besondere wissenschaftlich-akademische Ausbildung mit anschließender Approbation voraussetzen.20 Der Begriff der „Zulassung“ ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „wortgetreu auszulegen und umfaßt im wesentlichen die Vorschriften, die sich auf Erteilung, Zurücknahme und Verlust der Approbation oder auf die Befugnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs beziehen“.21 „Zur Berufszulassung ist nur zu rechnen, was erforderlich ist, um der Zulassungsregelung Gehalt zu geben.“22 Dieses enge Verständnis der Zulassung wird auch in Zusammenschau mit anderen Kompetenztiteln deutlich. Anders als etwa bei den Berufen des Rechtsanwalts oder des Notars, für die Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG eine umfassende Gesetzgebungskompetenz des Bundes formuliert, ist die auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG gestützte Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes bei den Heilberufen bewusst „auf das Zulassungswesen beschränkt“.23 „Ausgestaltende Regelungen der ärztlichen Berufsausübung fallen nicht darunter“.24 Aus teleologischer Sicht ist die Abgrenzung von Zulassungsfragen und solchen der Berufsausübung nicht nur für die ärztlichen Berufe, mithin Humanmediziner, Zahn- und Tierärzte25, wesentlich. Zwar stellt das historisch-genetische Verständnis auf die Approbation als Zulassungskriterium zum Arztberuf ab. Doch bestehen auch für die übrigen Heilberufe Möglichkeiten für Zugangsbeschränkungen, die sich von bloßen Ausübungsmodalitäten unterscheiden lassen. Nicht von ungefähr legt der Wortlaut des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG fest, dass sich die Kompetenz im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nur auf Fragen der „Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe“ erstreckt. Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes umfasst bei systematischer Übertragung des zu den ärztlichen Heilberufen Ausgeführten alles, was mit den Voraussetzungen der Aufnahme oder Fortführung der beruflichen Tätigkeit zusammenhängt, beschränkt sich aber zugleich hierauf.

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Dazu BVerfGE 33, 125 (152 ff.). BVerfGE 33, 125 (153). 21 BVerfGE 33, 125 (154 f.); vgl. auch BVerfGE 4, 74 (83); 7, 18 (25); 17, 287 (292). Vgl. ferner BVerfGE 106, 62 (124). 22 BVerfGE 106, 62 (130). 23 BVerfGE 106, 62 (125); vgl. auch BVerfGE 4, 74 (83); 17, 287 (292); 68, 319 (331 f.). 24 BVerfGE 98, 265 (305); 106, 62 (124). 25 BVerfGE 33, 125 (153). 20

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1. Teil: Zur Gesetzgebungskompetenz durch den Bund

3. Regelungsmöglichkeiten des Bundes Zusammenfassend ist festzustellen: Art. 79 Abs. 1 Nr. 19 GG bildet gerade „keine Globalermächtigung des Bundes für den Bereich des Gesundheitswesens“, sondern weist dem Bund lediglich „enumerativ und spezifisch“ Gesetzgebungskompetenzen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens zu.26 Mit Ausnahme des Berufszulassungsrechts (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG), des Rechts der Vertragsärzte (über den in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG genannten Kompetenztitel „Sozialversicherung“27) sowie berufsbezogener Strafvorschriften (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) liegt das ärztliche Berufsrecht damit grundsätzlich in der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder.28 Der Bund besitzt lediglich eine Regelungskompetenz für das Recht der Zulassung zu den ärztlichen und anderen Heilberufen, nicht auch für das Recht der (Heil-)Berufsausübung.29 Ob es bei der jeweiligen Regelung um Fragen der Berufszulassung oder Berufsausübung geht, ist im Einzelfall festzustellen. Wird lediglich ein Bezug zu Erteilung, Rücknahme und Verlust der Ausübungsbefugnis für den Heilberuf verlangt, besteht die Gefahr, dass die Kompetenz des Bundes inhaltlich weit reichen kann.30 Eine Orientierung zur Differenzierung von Fragen der Berufszulassung und Berufsausübung kann die Dogmatik der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Eingriffen in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG sein, bei der die Rechtfertigungsanforderungen nach der sogenannten Drei-Stufen-Theorie zwischen Berufsausübungsregelungen sowie Berufswahlregelungen subjektiver und objektiver Natur unterscheiden.31 Als subjektive Berufszulassungsvoraussetzungen werden etwa Qualifikationsanforderungen an die Berufsanwärter oder Altersgrenzen ein26 BVerfGE 102, 26 (37); 106, 62 (108). So auch U. Steiner, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, Art. 74 GG Rn. 4. Vgl. ferner F. Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. II, 3. Aufl. 2015, Art. 74 Rn. 86: „Reihe von Einzelkompetenzen, die durch ihren Gesundheitsbezug nur lose verknüpft sind“. Siehe zur Entstehungsgeschichte von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 Var. 2 GG ausführlich C. Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Pestalozza, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 Rn. 1306, 1308. Keine Mehrheit fand ein Vorschlag der Bundesregierung im Jahr 1968, die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes u. a. auf „die Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten bei Menschen“ zu erstrecken, vgl. P. Axer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 74 Rn. 7 (Stand der Kommentierung: April 2011). 27 Siehe dazu näher H. Sodan, in: ders. (Hrsg.), Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 3. Aufl. 2018, § 2 Rn. 27 ff. 28 BVerfGE 98, 265 (303). Siehe etwa zur Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das Facharztwesen BVerfGE 33, 125 (154 f.). Siehe zur Bedeutung der Beachtung dieser Kompetenzregeln B.-R. Kern, MedR 2015, 787 (790). Vgl. auch A. Laufs, in: Laufs/Kern (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl. 2010, § 3 Rn. 12: „Die Freiheit des ärztlichen Berufs ergibt sich aus dem Standesrecht“. 29 BVerfGE 98, 265 (305); vgl. auch BVerfGE 17, 287 (292); 33, 125 (154 f.); 106, 62 (124). 30 So bereits T. Maunz, in: ders./Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 74 Rn. 217 (Stand der Kommentierung: 23. Ergänzungslieferung). 31 Ausführlich dazu H. Sodan, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 29 ff.

B. Gesetzgebungskompetenz des Bundes

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geordnet.32 Objektive Berufszulassungsvoraussetzungen betreffen zum einen Genehmigungsvorbehalte mit zahlenmäßigen Obergrenzen (sogenannte Kontingente), zum anderen Monopole der öffentlichen Hand.33 Aus dieser Kasuistik der Grundrechtsdogmatik lässt sich auf die inhaltliche Reichweite der Gesetzgebungskompetenz schließen. Hiervon umfasst sind im Zweifel Anforderungen an die Berufsqualifikation, allerdings nur in Bezug auf die Qualifikationsprüfung, oder eine Kontingentierung. Ob ein Totalverbot als schärfste Form der Kontingentierung34 denkbar wäre, ist allerdings fraglich. Unter die „Zulassung“ zum Heilberuf wird nach teleologischem Verständnis auch das vollständige Versperren des Berufszugangs als Kehrseite gefasst werden können, wenngleich die rechtspolitischen Hürden hierzu sehr hoch wären. Besonders schwierig ist die Differenzierung von Berufszulassung und -ausübung bei der Beantwortung der Frage, ob die Ausgestaltung der Berufsausbildung zur Berufsausübung gehört oder Teil des Zulassungswesens ist und damit vom Bund geregelt werden kann. Das Bundesverfassungsgericht vertritt in einem Urteil vom 24. Oktober 2002 eine differenzierende Auffassung. So führt das Gericht zum Berufsrecht der Altenpfleger aus: „Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG gewährt nicht die Kompetenz, die Materie des Ausbildungswesens in vollem Umfang zu regeln. Das folgt bereits aus der Abgrenzung zu den Kompetenztiteln der Nrn. 1 und 11, die das Berufsrecht in den dort genannten Bereichen ohne Beschränkung auf Zulassungsregelungen vollständig erfassen […]. Andererseits kann es dem Zulassungsgesetzgeber nicht verwehrt sein, überhaupt Anforderungen an die Ausbildung zu stellen, um so die das Berufsbild ausmachenden Qualitätsstandards zu vereinheitlichen. Die Substanz des Ausbildungsrechts muss zwar den Ländern vorbehalten bleiben, die Regelung von Mindeststandards ist hingegen noch unmittelbar zulassungsrelevant und damit kompetenzgemäß. Nur auf diese Weise ist es möglich, ein bestimmtes fachliches Niveau der Berufsangehörigen, und damit des Berufs, sicherzustellen […].“35

Grundsätzlich verbleiben also Vorschriften über die Ausbildungsstrukturen in der Hand der Länder. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass auf den Kompetenztitel aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG allenfalls generelle Mindestanforderungen gestützt werden können.36 Dem Bundesverfassungsgericht zufolge gehören jedoch auch Vorgaben „über den Inhalt und die Dauer der Ausbildung, das Verhältnis von berufspraktischer und schulischer Ausbildung, die Eignung von Ausbildern und Ausbildungsstätten“, 32

BVerfGE 64, 72 (82); BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 1993, 1575. Vgl. dazu auch M. Ruffert, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz, Beck’scher Online-Kommentar, Art. 12 Rn. 120 ff. (Stand der Kommentierung: Dezember 2019). 33 Vgl. BVerfGE 11, 168 (191); M. Ruffert, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz, Beck’scher Online-Kommentar, Art. 12 Rn. 128 ff. (Stand der Kommentierung: Dezember 2019). 34 M. Ruffert, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz, Beck’scher Online-Kommentar, Art. 12 Rn. 130 (Stand der Kommentierung: Dezember 2019). 35 BVerfGE 106, 62 (131) – ohne die Hervorhebung. 36 C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 86.

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1. Teil: Zur Gesetzgebungskompetenz durch den Bund

Verordnungsermächtigungen „zum Erlass von Ausbildungs- und Prüfungsregelungen“ sowie schulische Anforderungen an die Ausbildung zum Zulassungswesen und unterfallen damit dem Kompetenztitel aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG.37 Hochschulrechtliche Vorgaben wie etwa die Zulassung zum Studium sowie die Aufstellung von Studienordnungen verbleiben indessen im Kompetenzbereich der Länder38 ; für äquivalente Anforderungen bei außeruniversitären Heilberufsausbildungen kann nichts anderes gelten. Diese Differenzierungen beruhen auf der Überlegung, dass der Bundesgesetzgeber den Beruf, für den die Zulassung geregelt werden soll, zumindest beschreiben, also inhaltlich vorzeichnen können muss.39 Damit ist vorausgesetzt, dass neben der Qualifikationsprüfung auch Fragen des Ausbildungsweges, welcher der Berufszulassung bzw. dem der Zulassung vorgeschalteten Prüfungswesen40 notwendigerweise vorausgehen muss41, der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG unterfallen. Der Wortlaut dieser Vorschrift begründet aber ausdrücklich eine nur auf das Zulassungswesen beschränkte und gerade keine vollumfängliche Gesetzgebungskompetenz. Wo die genauen Grenzen des von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG umfassten Kompetenzbereichs liegen, lässt sich jedoch kaum allgemeingültig bestimmen. Die sinngemäße Ausdehnung des Kompetenztitels darf deshalb nicht dazu führen, dass den Ländern überhaupt kein Spielraum mehr für die Ausformung der Ausbildungsstrukturen verbleibt.42 Zumindest auf der Detailebene müssen die Länder die Möglichkeit haben, die Ausbildungsinhalte zu bestimmen.

II. Weitere Kompetenztitel Weitere Kompetenztitel kommen ersichtlich nicht in Betracht. Unergiebig ist insbesondere der Titel für das „Gewerbe“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, weil die Tätigkeit der Heilpraktiker regelmäßig freiberuflich43 ausgeübt wird (vgl. etwa § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG, § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG). 37 BVerfGE 106, 62 (131). Vgl. zur Rechtslage noch vor der Föderalismusreform BVerwGE 61, 169 (174 f.); BVerwG, NVwZ 1987, 978 (979). 38 P. Kunig, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 74 Rn. 78. 39 R. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 14. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 247. 40 S. Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 136. 41 BVerfGE 106, 62 (131). 42 R. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 14. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 247. 43 Siehe dazu H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, S. 27 f., 85, 92 f.

C. Heilpraktikergesetz als vorkonstitutionelles Recht

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Es bleibt also festzuhalten, dass der Bund die Möglichkeit hat, Fragen der Zulassung zu einem anderen Heilberuf oder Heilgewerbe zu normieren, sofern er von der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG Gebrauch machen will. Die Ausgestaltung der Berufsausübungsmodalitäten bleibt demgegenüber den Ländern vorbehalten.

C. Heilpraktikergesetz als vorkonstitutionelles Recht Möglicherweise wird diese Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen aber deshalb obsolet, weil das Heilpraktikerwesen in einem Gesetz konkretisiert wurde, das bereits im Jahr 1939 in Kraft getreten ist und mit einzelnen Änderungen noch heute Geltung beansprucht. Rechtsnormen, die älter sind als das Grundgesetz selbst, werden als vorkonstitutionelle Gesetze bezeichnet. Auch das Heilpraktikergesetz stellt ein vorkonstitutionelles Gesetz dar. Fraglich ist dabei, ob der Bund die Kompetenz hat, den Regelungsgehalt des Heilpraktikergesetzes eigenständig zu erweitern oder umzugestalten. Das hängt im Wesentlichen davon ab, wie vorkonstitutionelles einfaches Recht nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Übergangsvorschriften in die gegenwärtige Verfassungsordnung übergeleitet wird.

I. Transformation vorkonstitutionellen Rechts durch Anerkennung Überlegungen zu der förmlichen Transformation alten Rechts erübrigen sich allerdings nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wenn erkennbar ist, dass der in Frage stehende Rechtssatz durch den nachkonstitutionellen Gesetzgeber in seinen Willen aufgenommen wurde.44 Wann konkret davon auszugehen ist, dass ein Rechtssatz des vorkonstitutionellen Gesetzgebers in den Willen des nachkonstitutionellen Gesetzgebers aufgenommen worden ist, kann bis heute nicht anhand klarer Vorgaben beantwortet werden45, sondern ist von einer Betrachtung im Einzelfall abhängig. Jedenfalls wird zu fordern sein, dass sich die Aufnahme des vorkonstitutionellen Rechtssatzes in den Willen des nachkonstitutionellen Gesetzgebers an objektiven Gesichtspunkten festmachen lässt. Das ist etwa der Fall, wenn ein vorkonstitutionelles Gesetz nach dem 23. Mai 1949 neu verkündet wurde, wenn in nachkonstitutionellen Normen ausdrücklich auf vorkonstitutionelle verwiesen wird oder „wenn ein begrenztes und überschaubares Rechtsgebiet vom nachkonstitutionellen Gesetzgeber durchgreifend geändert wird und ein enger 44

Siehe dazu BVerfGE 6, 55 (64 ff.); 7, 282 (290); 8, 210 (213 f.); 9, 39 (46); 18, 97 (104); 18, 216 (219 f.); 23, 272 (274); 25, 25 (26); 29, 39 (42 f.); 32, 296 (299 f.); 60, 135 (149); 70, 126 (129 f.); 97, 117 (122 f.). 45 So auch C. Armbrüster, r+s 2019, 481 (488).

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1. Teil: Zur Gesetzgebungskompetenz durch den Bund

sachlicher Zusammenhang zwischen veränderten und unveränderten Normen besteht“.46 Werden dagegen nur einzelne Vorschriften innerhalb eines umfangreichen vorkonstitutionellen Gesetzes geändert, so werden lediglich diese, nicht aber das gesamte Gesetz nachkonstitutionell.47 Auch die „Hinnahme“ eines früheren Gesetzes genügt nicht, um von einer Übernahme in den Willen des nachkonstitutionellen Gesetzgebers ausgehen zu können48; allerdings werden mit fortschreitender Zeitdauer die Voraussetzungen für diese Annahme geringer49. Abgesehen von punktuellen Änderungen, namentlich dem Wegfall einiger Vorschriften, wurden das Heilpraktikergesetz und die Erste Durchführungsverordnung im Vergleich zu den ursprünglichen Fassungen aus dem Jahr 1939 kaum geändert.50 Zu weitreichenden Änderungen bestand indessen kein Anlass, weil das Heilpraktikergesetz trotz der Verabschiedung im Jahr 1939 kaum von nationalsozialistischem Gedankengut belastet war.51 Bei der Übernahme des Heilpraktikergesetzes fehlt es allerdings ersichtlich an einem aktiven Aufnehmen in die nachkonstitutionelle Rechtsordnung. Vielmehr hat sich der nachkonstitutionelle Gesetzgeber jahrzehntelang nicht bemüht, auch und gerade zum Leidwesen der Heilpraktiker, das rechtliche Fundament dieses Berufsstandes zu überarbeiten. Damit trägt die Fortgeltung des Heilpraktikergesetzes eher die Züge einer Duldung, die aber nach der zitierten Rechtsprechung allein nicht ausreicht, um den aktiven Willen des nachkonstitutionellen Gesetzgebers nachzuvollziehen. Nach alledem kann eine Transformation des Heilpraktikergesetzes nicht allein durch seine Fortgeltung angenommen werden; es fehlt an einer aktiven Einbeziehung in die nachkonstitutionelle Rechtsordnung.

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BVerfGE 32, 296 (300); 63, 181 (188); 64, 217 (221). Vgl. BVerfGE 24, 20 (22 f.); 32, 256 (258 ff.) – jeweils das Strafgesetzbuch betreffend; 41, 344 (351); 64, 217 (220 ff.) – jeweils die Gewerbeordnung betreffend; BVerfGE 32, 296 (299 ff.); BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 1998, 3557 f. – jeweils das Bürgerliche Gesetzbuch betreffend. 48 Vgl. BVerfGE 11, 126 (131); 32, 256 (260); 64, 217 (221) m. w. N.; 66, 248 (254 f.). 49 BVerfGE 70, 126 (133). 50 Vgl. M. Kenntner, NVwZ 2020, 438. 51 F. A. Stebner, PharmR 2014, 403 (404). Teilweise sind auch zu nachkonstitutioneller Zeit Bestandteile des Heilpraktikerrechts durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden, so etwa der Versagungsgrund in § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DV-HeilprG: Danach durfte eine Heilpraktikererlaubnis nicht an Ausländer erteilt werden. Das Bundesverfassungsgericht formulierte in einem Urteil vom 10. 5. 1988: „Zweck des Gesetzes war und ist es, die Patienten vor fachlich und charakterlich ungeeigneten Therapeuten zu schützen. Damit hat das absolute Verbot der Erlaubniserteilung an Ausländer nichts gemein“ (BVerfGE 78, 179 [298]). 47

C. Heilpraktikergesetz als vorkonstitutionelles Recht

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II. Transformation vorkonstitutionellen Rechts durch Übergangsvorschriften Für die Transformation und Inkorporation vorkonstitutioneller Rechtsnormen in die verfassungsrechtliche Ordnung muss es deshalb auf die verfassungsrechtlichen Übergangsvorschriften ankommen. 1. Überleitung vorkonstitutionellen Rechts nach Art. 123 GG Die zentrale Norm für die Überleitung vorkonstitutionellen Rechts in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist Art. 123 Abs. 1 GG. Nach dieser Vorschrift gilt nämlich regelmäßig sämtliches Recht52 aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages fort, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht. Art. 123 Abs. 1 GG stellt die Transformation vorkonstitutionellen Rechts als Regel auf und verwirklicht so Kontinuität zwischen dem vorkonstitutionellen Recht sowie der Rechtsordnung unter dem Grundgesetz.53 Zu einer Transformation kann es logischerweise nur kommen, wenn es sich um vorkonstitutionelles Recht handelt, das zum „Zäsurzeitpunkt“ des Art. 123 Abs. 1 GG bereits bestanden hat. Gemeint ist damit, dass das im Sinne des Art. 123 Abs. 1 GG vorkonstitutionelle Recht vor dem Ablauf des 7. September 1949 bereits beschlossen und verkündet worden sein muss, unabhängig davon, ob es zu diesem Zeitpunkt bereits in Kraft getreten war oder nicht.54 Soweit eine Zuordnung möglich ist, behält das vorkonstitutionelle Recht, vorbehaltlich der Überleitungsvorschriften in den Art. 124 und 125 GG, seinen Rang in der Normenhierarchie.55 Allerdings findet die Transformation eine ausdrückliche Schranke in Art. 123 Abs. 1 Halbs. 2 GG. Dort ist der Vorbehalt formuliert, dass eine Überleitung vorkonstitutionellen Rechts nur insoweit stattfindet, als es dem

52 C. Schulze/C. Jasper, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 123 Rn. 5; F. Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. III, 3. Aufl. 2018, Art. 123 Rn. 20, 23. Zum Besatzungsrecht nach dem 8. 5. 1945 bis zur Errichtung des Grundgesetzes T. Giegerich, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 123 Rn. 21 (Stand der Kommentierung: August 2012). 53 F. Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. III, 3. Aufl. 2018, Art. 123 Rn. 3, stellt zutreffend fest, dass die Wahrung der Rechtskontinuität über den Verfassungswechsel hinaus eine bewusste Entscheidung des Verfassungsgebers ist. Denn sie ist keinesfalls alternativlos, erfolgt aber gleichwohl aus der Überlegung, dass auch die Verfassung als zentrale Urkunde der staatlichen Gesamtordnung zumindest vorübergehend auf das Fortbestehen vorkonstitutioneller Regelungen angewiesen ist. 54 T. Giegerich, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 123 Rn. 34 (Stand der Kommentierung: August 2012). 55 F. Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. III, 3. Aufl. 2018, Art. 125 Rn. 32.

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1. Teil: Zur Gesetzgebungskompetenz durch den Bund

Grundgesetz nicht widerspricht, wobei diese Regel nach überwiegender Auffassung auf die materielle Vereinbarkeit mit der Verfassung begrenzt bleibt.56 Das Heilpraktikergesetz ist am 18. Februar 1939 als Recht für das gesamte Territorium des Deutschen Reiches in Kraft getreten.57 Es ist jedenfalls hinsichtlich des aufgestellten Erlaubnisvorbehalts für die Ausübung der Heilkunde durch andere Personen als Ärzte in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland als einfaches Bundesrecht übertragen worden. 2. Einbindung in die vertikale Kompetenzverteilung nach den Art. 124 und 125 GG Welche Auswirkungen sich nach einer solchen Überleitung im Hinblick auf die vertikale Gewaltenteilung58 ergeben, wird durch die Art. 124 und 125 GG konkretisiert.59 Altes Recht, das auf dem Gebiet der heutigen ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes liegt, wird nach Art. 124 GG innerhalb seines Geltungsbereichs Bundesrecht. Recht, das Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, wird nach Art. 125 GG als Bundesrecht übergeleitet, sofern es zumindest in einer Besatzungszone vor Inkrafttreten des Grundgesetzes galt (Nr. 1) oder es sich um solches Recht handelt, mit dem nach dem 8. Mai 1945 früheres Recht des Deutschen Reiches geändert wurde (Nr. 2). Maßgeblicher Zeitpunkt ist auch für die Überleitung nach den Art. 124 und 125 GG der Stichtag der Art. 122 und 123 GG, namentlich der 7. September 1949, zu dem eine der genannten Voraussetzungen erfüllt sein muss.60 Die Transformation des vorkonstitutionellen Rechts erfolgt aber stets nur insoweit, als die Regelungsgegenstände die Gesetzgebungskompetenz des Bundes inhaltlich betreffen; ansonsten unterfallen sie der Kompetenz der Länder, was im Einzelfall sogar gesetzesintern zu Kompetenzaufspaltungen und Abgrenzungsproblemen führen kann.61 Verschiebungen im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz hat es bei den in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG genannten Materien nicht gegeben. Übergeleitetes vorkonstitutionelles Recht im Bereich der Zulassung zu ärztlichen und an56 C. Schulze/C. Jasper, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 123 Rn. 11; F. Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. III, 3. Aufl. 2018, Art. 125 Rn. 28. 57 RGBl. I, S. 251. 58 Siehe zu diesem Begriff K.-E. Hain, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 79 Rn. 123 m. w. N. 59 F. Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. III, 3. Aufl. 2018, Art. 125 Rn. 9, spricht davon, die Art. 124 und 125 GG träfen die „Folgeentscheidungen“ zu der grundsätzlichen Transformation des vorkonstitutionellen Rechts. 60 F. Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. III, 3. Aufl. 2018, Art. 125 Rn. 13. 61 Hierzu ausführlich H.-A. Wolff, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 125 Rn. 21 f.

C. Heilpraktikergesetz als vorkonstitutionelles Recht

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deren Heilberufen sowie zum Heilgewerbe wird somit nach den Art. 123 und 125 GG Bundesrecht, soweit es mit dem Grundgesetz in Einklang steht. 3. Überleitung vorkonstitutioneller Ermächtigungen zur Setzung von Rechtsverordnungen Für die Transformation vorkonstitutioneller Verordnungsermächtigungen gilt darüber hinaus die Überleitungsvorschrift des Art. 129 GG. Abs. 1 Satz 1 dieser Norm regelt, dass Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften sowie zur Vornahme von Verwaltungsakten in Rechtsvorschriften, die nach den Vorgaben der Art. 123 ff. GG in Bundesrecht transformiert worden sind62, auf die nunmehr sachlich zuständigen Stellen übergehen. Mit dieser schlüssigen Transformationsregel wird die Rechtskontinuität auch auf der Ebene unterhalb des formellen Gesetzes fortgeführt. Die entscheidende Konsequenz in der Transformation ergibt sich wie folgt: Für übergeleitete Verordnungsermächtigungen gelten materiell ausschließlich die Anforderungen des Art. 129 GG; die Vorgaben des Art. 80 Abs. 1 GG und damit insbesondere die Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG finden indessen auf vorkonstitutionelle Verordnungsermächtigungen keine Anwendung.63

III. Konsequenzen für die Umgestaltung des Heilpraktikergesetzes Mit der Transformation wird der vorkonstitutionelle Rechtssatz in die gegenwärtige vertikale Kompetenzverteilung einbezogen. Für die Umgestaltung des Heilpraktikergesetzes durch den Bund hat dies bedeutsame Konsequenzen. Denn auch die inhaltliche Anknüpfung an vorkonstitutionelles Recht bemisst sich aufgrund der verfassungsrechtlichen Transformationsvorgaben nach den Maßstäben der gegenwärtigen Kompetenzverteilung. Genauso wie das kompetenzgemäß gesetzte Bundesrecht entfaltet übergeleitetes altes Recht eine Sperr- und Derogationswirkung; Art. 72 Abs. 1 und Art. 31 GG gelten insoweit in gleicher Weise auch für transferiertes vorkonstitutionelles Recht.64 Soweit der Bund auf das übergeleitete Recht Zugriff nehmen will, ist dies im Rahmen

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M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 129 Rn. 3. Dazu BVerfGE 78, 179 (197 f.). Siehe auch H. Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. II, 3. Aufl. 2015, Art. 80 Rn. 18 m. w. N. 64 C. Seiler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz, Beck’scher Online-Kommentar, Art. 125 Rn. 8 (Stand der Kommentierung: Dezember 2019); F. Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. III, 3. Aufl. 2018, Art. 125 Rn. 18; H.-A. Wolff, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 125 Rn. 20. 63

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1. Teil: Zur Gesetzgebungskompetenz durch den Bund

des Kompetenztitels möglich65 ; das in Art. 72 Abs. 2 GG geregelte Erfordernis bundeseinheitlicher Regelung gilt im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG und damit für die Zulassung zum Heilberufswesen nicht. Art. 125 GG impliziert indessen keine generelle Vermutung dafür, dass durch das übergeleitete vorkonstitutionelle Recht der Kompetenzbereich abschließend ausgefüllt worden ist.66 Ergänzende Ausschöpfungen des Kompetenzbereichs bleiben daher möglich, müssen aber nach der geltenden Kompetenzverteilung erfolgen. Grundsätzlich kann der Bund im Rahmen des Kompetenzbereichs Ergänzungen vornehmen. Solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung keinen Gebrauch macht, haben die Länder nach Art. 72 Abs. 1 GG die Befugnis zur Gesetzgebung, können also tätig werden.67 Es bleibt daher festzuhalten: Das Heilpraktikergesetz ist als vorkonstitutionelles Regelungswerk mit Geltung für das gesamte Territorium des Deutschen Reiches nach Maßgabe der Art. 123 und 125 GG in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland unter Beibehaltung seines Ranges übergeleitet worden, sodass es als einfaches formelles Gesetz des Bundes fortbesteht. Soweit es in die Gesetzgebungskompetenz für die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen sowie zum Heilgewerbe fällt, entfaltet es für die Gesetzgeber der Länder Sperr- und Derogationswirkung. Im Übrigen bleiben dem Bund und den Ländern aber alle Möglichkeiten, um ihre Gesetzgebungskompetenzen auszuschöpfen. Für den Bund hat dies zur Folge, dass er seine Gestaltungsvorstellungen nur insoweit verwirklichen kann, als er hierfür die Gesetzgebungszuständigkeit besitzt. Vorkonstitutionelles, übergeleitetes Recht vermag dem Bund indessen keine zusätzlichen Kompetenzen zu verschaffen. Eine Umgestaltung des Heilpraktikergesetzes kann nur im Rahmen der verfügbaren Gesetzgebungskompetenz erfolgen.

D. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse Nach alledem lassen sich wesentliche Ergebnisse des ersten Teils in folgenden Leitsätzen zusammenfassen: 65 Allerdings weist F. Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. III, 3. Aufl. 2018, Art. 125 Rn. 18, darauf hin, dass im Falle eines Zugriffs auf die Materie durch den Bundesgesetzgeber im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zumindest ein Einspruchsrecht des Bundesrates besteht; bei übergeleitetem vorkonstitutionellem Recht kommt es dagegen auf die Position des Bundesrates nicht an. 66 F. Wittreck, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd, III, 3. Aufl. 2018, Art. 125 Rn. 18; H.-A. Wolff, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 125 Rn. 20. 67 Siehe dazu C. Seiler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz, Beck’scher OnlineKommentar, Art. 125 Rn. 8 (Stand der Kommentierung: Dezember 2019); H.-A. Wolff, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 125 Rn. 20.

D. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse

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1. Im deutschen Gesundheitswesen haben die Heilpraktiker bis heute eine besondere Stellung. Während die meisten Berufsstände insoweit im Regelfall bis in die Detailebene ausgeformten rechtlichen Grundlagen unterliegen, bestehen für Heilpraktiker, sofern man diese Berufsbezeichnung als Sammelbegriff für die nichtärztlichen Heilberufe verwenden mag, nur überschaubare, spezifisch für ihren Berufsstand geltende Rechtsgrundlagen. Das Heilpraktikergesetz als rechtliches Fundament des Berufsstandes statuiert inhaltlich nicht mehr als einen Erlaubnisvorbehalt für die Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten, der durch Sanktionsregelungen und Strafnormen flankiert wird. Ergänzt wird das Heilpraktikergesetz durch die Erste Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz, die den Erlaubnisvorbehalt durch Versagungsgründe nach der Systematik des öffentlichen Wirtschaftsrechts (siehe dazu insbesondere § 2 DV-HeilprG) anreichert. Durch den in § 2 Abs. 1 Buchst. i DVHeilprG geregelten Grund für die Versagung der Erlaubnis wird die fachliche Qualifikation der Berufsanwärter zum Maßstab der Erlaubniserteilung erhoben. Nähere Vorgaben zur Erhebung des Qualifikationsnachweises enthalten die Leitlinien des Bundesministeriums für Gesundheit zur Überprüfung der Heilpraktikeranwärterinnen und -anwärtern. Im Vergleich zu anderen Heilberufen sind die rechtlichen Grundlagen des Berufsstandes qualitativ wie auch quantitativ sehr begrenzt. Auch und gerade im eigenen Interesse benötigt der Berufsstand der Heilpraktiker ein stabileres rechtliches Fundament. In Anbetracht der weiten gesundheitspolitischen Gestaltungsspielräume der gesetzgebenden Gewalt eröffnen sich hier vielfältige Möglichkeiten. 2. Eine Neu- oder Umgestaltung des Heilpraktikerwesens durch den Bund setzt eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz voraus. Zugunsten des Bundes kommt der in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG geregelte Kompetenztitel für die „Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe“ aus dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit in Betracht. Im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von einer ihm in diesem Bereich eingeräumten Gesetzgebungszuständigkeit nicht Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Der Bund ist hier also vorrangig zuständig, die Länder demgegenüber nur subsidiär. a) In Betracht kommt eine Subsumtion unter die Begriffe „anderen Heilberufe“ und „Heilgewerbe“. Aus der Unterscheidung zu den „ärztlichen Heilberufen“ lässt sich möglicherweise ein weites Verständnis der anderen Varianten begründen. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich in seinem „Facharzt-Beschluss“ vom 9. Mai 1972 klargestellt, dass die Bezeichnung „ärztliche Heilberufe“ eng zu verstehen ist und nur die durch Ärzte, Zahn- oder Tierärzte ausgeübten Berufsbilder umfassen kann. Die Bezeichnung „andere Heilberufe“ wird demgegenüber weit ausgelegt; sie fungiert als eine Art Sammelbegriff für sämtliche nichtärztliche Berufstypen auf dem Gebiet der Heilkunde. b) Ausweislich seines Wortlautes umfasst der Kompetenztitel lediglich die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe. Der Begriff

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1. Teil: Zur Gesetzgebungskompetenz durch den Bund

der „Zulassung“ ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „wortgetreu auszulegen und umfaßt im wesentlichen die Vorschriften, die sich auf Erteilung, Zurücknahme und Verlust der Approbation oder auf die Befugnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs beziehen“; zur „Berufszulassung ist nur zu rechnen, was erforderlich ist, um der Zulassungsregelung Gehalt zu geben“. c) Aus teleologischer Sicht ist die Abgrenzung von Zulassungsfragen und solchen der Berufsausübung nicht nur für die ärztlichen Berufe, mithin Humanmediziner, Zahn- und Tierärzte, wesentlich. Zwar stellt das historisch-genetische Verständnis auf die Approbation als Zulassungskriterium zum Arztberuf ab. Doch bestehen auch für die übrigen Heilberufe Möglichkeiten für Zugangsbeschränkungen, die sich von bloßen Ausübungsmodalitäten unterscheiden lassen. Nicht von ungefähr legt der Wortlaut des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG fest, dass sich die Kompetenz im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nur auf Fragen der „Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe“ erstreckt. Ob es bei der jeweiligen Regelung um Fragen der Berufszulassung oder Berufsausübung geht, ist im Einzelfall festzustellen. Besonders schwierig ist die Differenzierung von Berufszulassung und –ausübung bei der Beantwortung der Frage, ob die Ausgestaltung der Berufsausbildung zur Berufsausübung gehört oder Teil des Zulassungswesens ist und damit vom Bund geregelt werden kann. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verbleiben Vorschriften über die Ausbildungsstrukturen grundsätzlich in der Hand der Länder. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass auf den Kompetenztitel aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG allenfalls generelle Mindestanforderungen gestützt werden können. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge gehören jedoch auch Vorgaben „über den Inhalt und die Dauer der Ausbildung, das Verhältnis von berufspraktischer und schulischer Ausbildung, die Eignung von Ausbildern und Ausbildungsstätten“, Verordnungsermächtigungen „zum Erlass von Ausbildungs- und Prüfungsregelungen“ sowie schulische Anforderungen an die Ausbildung zum Zulassungswesen und unterfallen damit dem Kompetenztitel aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG. Diese Differenzierungen beruhen auf der Überlegung, dass der Bundesgesetzgeber den Beruf, für den die Zulassung geregelt werden soll, zumindest beschreiben, also inhaltlich vorzeichnen können muss. Der Wortlaut des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG begründet aber ausdrücklich eine nur auf das Zulassungswesen beschränkte und gerade keine vollumfängliche Gesetzgebungskompetenz. Wo die genauen Grenzen des von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG umfassten Kompetenzbereichs liegen, lässt sich jedoch kaum allgemeingültig bestimmen. Die sinngemäße Ausdehnung des Kompetenztitels darf deshalb nicht dazu führen, dass den Ländern überhaupt kein Spielraum mehr für die Ausformung der Ausbildungsstrukturen verbleibt. Zumindest auf der Detailebene müssen die Länder die Möglichkeit haben, die Ausbildungsinhalte zu bestimmen. 3. Möglicherweise wird diese Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen aber deshalb obsolet, weil das Heilpraktikerwesen in einem Gesetz konkretisiert wurde, das bereits im Jahr 1939 in Kraft getreten ist und mit einzelnen Änderungen noch heute Geltung beansprucht.

D. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse

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a) Überlegungen zu der förmlichen Transformation alten Rechts erübrigen sich allerdings nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wenn erkennbar ist, dass der in Frage stehende Rechtssatz durch den nachkonstitutionellen Gesetzgeber in seinen Willen aufgenommen wurde. Das ist etwa der Fall, wenn ein vorkonstitutionelles Gesetz nach dem 23. Mai 1949 neu verkündet wurde, wenn in nachkonstitutionellen Normen ausdrücklich auf vorkonstitutionelle verwiesen wird oder „wenn ein begrenztes und überschaubares Rechtsgebiet vom nachkonstitutionellen Gesetzgeber durchgreifend geändert wird und ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen veränderten und unveränderten Normen besteht“. Bei der Übernahme des Heilpraktikergesetzes fehlt es allerdings ersichtlich an einem aktiven Aufnehmen in die nachkonstitutionelle Rechtsordnung. Vielmehr hat sich der nachkonstitutionelle Gesetzgeber jahrzehntelang nicht bemüht, auch und gerade zum Leidwesen der Heilpraktiker, das rechtliche Fundament dieses Berufsstandes zu überarbeiten. Damit trägt die Fortgeltung des Heilpraktikergesetzes eher die Züge einer Duldung, die aber nach der zitierten Rechtsprechung allein nicht ausreicht, um den aktiven Willen des nachkonstitutionellen Gesetzgebers nachzuvollziehen. b) Die zentrale Norm für die Überleitung vorkonstitutionellen Rechts in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist Art. 123 Abs. 1 GG. Nach dieser Vorschrift gilt nämlich regelmäßig sämtliches Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages fort, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht. Gemeint ist damit, dass das im Sinne des Art. 123 Abs. 1 GG vorkonstitutionelle Recht vor dem Ablauf des 7. September 1949 bereits beschlossen und verkündet worden sein muss, unabhängig davon, ob es zu diesem Zeitpunkt bereits in Kraft getreten war oder nicht. Welche Auswirkungen sich nach einer solchen Überleitung im Hinblick auf die vertikale Gewaltenteilung ergeben, wird durch die Art. 124 und 125 GG konkretisiert. Übergeleitetes vorkonstitutionelles Recht im Bereich der Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen sowie zum Heilgewerbe wird nach den Art. 123 und 125 GG Bundesrecht, soweit es mit dem Grundgesetz in Einklang steht. 4. Im Ergebnis bleiben dem Bund und den Ländern trotz der Transformation alle Möglichkeiten, um ihre Gesetzgebungskompetenzen auszuschöpfen. Für den Bund hat dies zur Folge, dass er seine Gestaltungsvorstellungen nur insoweit verwirklichen kann, als er hierfür die Gesetzgebungszuständigkeit besitzt. Vorkonstitutionelles, übergeleitetes Recht vermag dem Bund indessen keine zusätzlichen Kompetenzen zu verschaffen. Eine Umgestaltung des Heilpraktikergesetzes kann nur im Rahmen der verfügbaren Gesetzgebungskompetenz erfolgen.

Zweiter Teil

Zum Entfall des Heilpraktikerberufs A. Einführung Die rund 47.000 in Deutschland tätigen Heilpraktiker68 leisten neben den Ärzten und Zahnärzten einen bedeutenden Beitrag zur ambulanten medizinischen Versorgung. Ihre Tätigkeit fördert ein vielfältiges Gesundheitswesen, indem sie zum einen die klassischen schulmedizinischen Therapieformen mit physiologischen sowie komplementärmedizinischen Behandlungen anreichern und zum anderen ihre Behandlungsstrategien auf ganzheitliche Konzepte fokussieren, die in der ärztlichen Versorgung weder finanziell noch strukturell bereitgestellt werden können. Heilpraktiker stehen zwar den Ärzten nicht gleich.69 Das ist aber auch nicht erforderlich. Denn die Heilpraktiker bilden gewissermaßen einen eigenen Versorgungsbereich neben der ärztlichen Versorgung. Es ist deshalb fehlerhaft, Ärzte und Heilpraktiker in einem Konkurrenzverhältnis zu sehen. Gleichwohl wird die Bedeutung der Heilpraktiker für das deutsche Gesundheitswesen im politischen Raum nicht selten unterschätzt. Das zeigt sich umso mehr in den aktuellen Bestrebungen des Bundesministeriums für Gesundheit. Den Ausschreibungsunterlagen für die Ausarbeitung der rechtlichen Grundlagen des Heilpraktikerwesens ist der Prüfungsauftrag zu entnehmen, ob und unter welchen Umstanden der Berufsstand der Heilpraktiker „entfallen“ könnte.70 Nach allgemeinem Begriffsverständnis kann dies nur bedeuten, dass Wege eruiert werden sollen, den Berufsstand der Heilpraktiker vollständig zu beseitigen. Was diese Zielrichtung de lege ferenda bedeutet, kann indessen noch nicht abgesehen werden. Möglicherweise wird angestrebt, den Versorgungsbereich der Heilpraktiker entweder auf die Ärzte übertragen oder durch Verbotsregelungen zu beseitigen. Welche Wege auch eingeschlagen werden: Für die in Deutschland Heilpraktiker könnten sie von existenzieller Bedeutung sein. In diesem frühen Stadium der Untersuchung kommt es noch nicht auf die rechtstechnische Umsetzung der gesund68 Siehe hierzu die Angaben des Bundes Deutscher Heilpraktiker e. V. (BDH) als wichtige Interessenvertretung des Berufsstandes, veröffentlicht unter: http://www.heilpraktiker-fakten. de/wp-content/uploads/2017/11/bdh_fakten-171114.pdf, S. 1, zuletzt aufgerufen am 25. 7. 2020. 69 M. Kenntner, NVwZ 2020, 438 (440). 70 Siehe hierzu die Kurzfassung des Ausschreibungstexts, öffentlich abrufbar unter: https:// www.evergabe-online.de/tenderdetails.html?2&id=291253, zuletzt aufgerufen am 25. 7. 2020.

B. Rechtlicher status quo im Heilpraktikerwesen

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heitspolitischen Gestaltungsvorstellungen im Einzelnen an. Bedeutsam ist vielmehr, dass die zu erwartenden massiven Belastungen der Heilpraktiker verfassungsrechtliche Relevanz haben und deshalb auf den Prüfstand des Grundgesetzes gestellt werden müssen. Solange keine konkreten Reformvorhaben bestehen, bleibt diese Prüfung naturgemäß nur allgemein und vage. Die Untersuchung kann den Blick aber auf technisch mögliche sowie politisch realistische Szenarien verdichten und diese einer rechtlichen Würdigung unterziehen.

B. Rechtlicher status quo im Heilpraktikerwesen Bevor Möglichkeiten gesetzlicher Reformen ermittelt und diese rechtlich gewürdigt werden können, bedarf es der Klärung, welche Rechtsgrundlagen dem Heilpraktikerwesen derzeit zugrunde liegen. Zwar werden die Heilpraktiker von vielen Regelungen betroffen, die allgemein für verschiedene Gesundheitsberufe Geltung entfalten. Eine spezifische Normierung des Heilpraktikerwesens erfolgt nach derzeitigem status quo lediglich durch das Heilpraktikergesetz, die auf Grundlage dieses Gesetzes erlassene Erste Durchführungsverordnung sowie untergesetzliche Regelwerke.

I. Erlaubnispflicht des Heilpraktikerwesens Inhaltlich regelt das Heilpraktikergesetz allerdings nicht mehr als eine Erlaubnispflicht für das eigenverantwortliche Praktizieren von Heilkunde sowie Sanktionen, sofern ohne eine solche Erlaubnis Heilkunde ausgeübt wird. 1. Begriff der Heilkunde Nach § 1 Abs. 1 HeilprG steht die Ausübung der Heilkunde durch Personen, die nicht als Arzt „bestallt“ sind, also nicht über eine ärztliche Approbation verfügen, unter dem Vorbehalt einer behördlichen Erlaubnis. Unter der erlaubnispflichtigen Ausübung von Heilkunde wird nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 2 HeilprG jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen verstanden, auch dann, wenn sie im Dienst von anderen ausgeübt wird. Offenkundig hat der Gesetzgeber beabsichtigt, sämtliche Heilkunde, die nicht von der Ärzteschaft betrieben wird, möglichst lückenlos einem behördlichen Erlaubnisvorbehalt zu unterwerfen.

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2. Teil: Zum Entfall des Heilpraktikerberufs

a) Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen Begrifflich ist die Definition nämlich denkbar konturenschwach und muss deshalb durch Auslegung konkretisiert werden. Nach dem Wortlautverständnis verlangt sie nur die Zielsetzung der beruflich oder gewerblich ausgeübten Tätigkeit, physische und psychische71 Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen zu heilen oder zu lindern. Diesem Zweck werden allerdings nach laienhafter Betrachtung alle Ausübungsformen von Heilkunde gerecht. Der Wortlaut der Definition hat daher Auffangcharakter für sämtliche Formen von Behandlungen am Menschen; nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Begriff der Heilkunde gemäß § 1 Abs. 2 HeilprG „entsprechend dem Gesetzeszweck, möglichen Gesundheitsgefahren vorzubeugen […], dynamisch und nicht statisch auszulegen und anzuwenden“.72 Nicht unter den Wortlaut des § 1 Abs. 2 HeilprG fallen allenfalls bagatellartige Praktiken sowie beratende73 oder rein kosmetische74 Behandlungen.75 Gestützt wird das weite Verständnis des Heilkundebegriffs zusätzlich durch die historisch-genetische Auslegungsmethode. Die Erlaubnispflicht für Heilberufe außerhalb der Ärzteschaft ist nämlich im Zeitpunkt ihrer Einführung als eine zu der bis dato weitreichenden Kurierfreiheit korrelierende Maßnahme verstanden worden.76 Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in früher Rechtsprechung formuliert, einer ungehemmten Kurierfreiheit sollte „mit dem Heilpraktikergesetz entgegengetreten werden“; Eingriffe in die körperliche Integrität sowie Tätigkeiten, die ihrer Methode nach der ärztlichen Krankenbehandlung gleichkommen und ärztliche Fachkenntnisse voraussetzen sowie gesundheitliche Schädigungen verursachen können, müssten der Erlaubnispflicht unterfallen.77 Ursprünglich sollte zugleich das Fernziel verfolgt werden, sämtliche Tätigkeiten dem Erlaubnisvorbehalt zu unterwerfen und durch eine restriktive Entscheidungspraxis den Berufsstand vollständig auslaufen zu lassen.78 71

Vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, MedR 2006, 487 (490). BVerwGE 66, 367 (370) – ohne die Hervorhebung. 73 BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 2000, 2736 – berührungslose Augendruckmessung; OLG Nordrhein-Westfalen, NStZ 1988, 556 (557) – Ernährungsberatung. 74 BVerwG, NJW 1959, 833. Allerdings können nach der Rechtsprechung auch kosmetische Behandlungen als Ausübung von Heilkunde qualifiziert werden, wenn sie regelmäßig unter Einsatz weiterer Mittel erfolgen, die während der Behandlung auftretende Schmerzen lindern sollen; siehe dazu Hessischer VGH, NJW 2000, 2760 (2761) – Setzen von Piercings unter lokaler Betäubung. Gleiches gilt, wenn der Einsatz weiterer Mittel der Linderung psychischer Leiden dienlich ist; siehe dazu OVG Nordrhein-Westfalen, MedR 2006, 487 (490) – Unterspritzung von Gesichtsfalten unter örtlicher Betäubung. Offener aber VGH Baden-Württemberg, MedR 2006, 733 (735). 75 H. Haage, Heilpraktikergesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 1 Rn. 8. 76 F. Bayram/J. Wichert, GewArch 2009, 149 (150). 77 BVerwG, NJW 1959, 833 (834). 78 F. Bayram/J. Wichert, GewArch 2009, 149 (150). 72

B. Rechtlicher status quo im Heilpraktikerwesen

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b) Richterrechtliche Kriterien Mit der Beibehaltung des weiten Tatbestandes auch in nachkonstitutioneller Zeit ist zu berücksichtigen, dass die einfache Subsumtion unter die in § 1 Abs. 2 HeilprG enthaltene Definition zwangsläufig zu einer umfassenden Erlaubnispflichtigkeit heilpraktischer Behandlungen führt. Mit dem Erlaubnisvorbehalt des § 1 Abs. 1 HeilprG sind allerdings gewichtige Eingriffe in die Berufsfreiheit verbunden. In einem Beschluss vom 10. Mai 1988 hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der in § 1 Abs. 1 HeilprG normierten Erlaubnispflicht befasst und diese für verfassungskonform erachtet. So habe sich zwar die „ursprüngliche, auf die Beseitigung des Heilpraktikerstandes gerichtete Funktion des Gesetzes durch die nach Inkrafttreten des Grundgesetzes in jahrzehntelanger Praxis vollzogene Umgestaltung des § 2 Abs. 1 HPG von einer repressiven Ausnahmevorschrift zu einer Anspruchsnorm wesentlich geändert […]. Der mit dem Erlaubniszwang verfolgte Zweck, die Patienten keinen ungeeigneten Heilbehandlern auszuliefern, behält aber seine Berechtigung und verleiht den verbleibenden Vorschriften nach wie vor einen vom Willen des Gesetzgebers gedeckten Sinn. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ergeben sich daher keine Einwände gegen ihre Fortgeltung.“79 Nach heutigem Verständnis stellt die Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1 HeilprG mithin ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt dar.80 Die Formulierung dieses präventiven Verbotes ist aber einerseits zu weit, weil es „Tätigkeiten ganzer Heilhandwerksberufe“ erfasst, und andererseits zu eng, weil verkannt wird, dass fehlerhaft durchgeführte kosmetische Leistungen ebenfalls zu erheblichen Gesundheitsgefährdungen führen können.81 Deshalb reichert die Rechtsprechung die Definition der Heilkunde um zwei weitere, ungeschriebene Elemente an, die für die Anwendung des Erlaubnisvorbehalts kumulativ erfüllt sein müssen.82 aa) Heilkundliche Fachkenntnisse Zunächst stellt die Rechtsprechung ein qualifizierendes Element als ungeschriebene, zusätzliche Voraussetzung auf. Sie verlangt, dass Tätigkeiten, die eine Erlaubnispflicht auslösen, nach allgemeiner Auffassung medizinische oder heilkundliche Fähigkeiten voraussetzen. Es bedarf zur Ausübung von Heilkunde also besonderer Fachkenntnisse, etwa im Hinblick auf das Ziel sowie die Art und Weise der Verrichtung; ebenso muss der Behandler im Einzelfall zur Feststellung kompetent sein, ob eine Behandlung gegebenenfalls dem Patienten Schaden zufügen 79

BVerfGE 78, 179 (192) – ohne die Hervorhebung. Bayerischer VGH, Beschluss vom 24. 7. 1998 – 7 ZB 97.2700, juris Rn. 41; P. Schelling, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2018, § 1 HeilprG Rn. 1. Siehe ferner OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ-RR 2009, 890 (891). 81 P. Schelling, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2018, § 1 HeilprG Rn. 11. 82 BVerwG, NVwZ-RR 2011, 23 (24); VGH Baden-Württemberg, MedR 2006, 733 (734). 80

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2. Teil: Zum Entfall des Heilpraktikerberufs

kann.83 Nicht zu verlangen ist aber, dass ausnahmslos jede einzelne Behandlungsmethode der Gesamttätigkeit heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzt. Auch kommt es nicht auf ein rein quantitatives Überwiegen solcher Tätigkeit mit dem Erfordernis der Fachkunde, sondern auf eine ganzheitliche Betrachtung an. Den Behandlungsformen, die heilkundliche Fachkenntnisse verlangen, muss ein besonderes Gewicht zukommen; sie müssen „einen bedeutsamen Bestandteil der eigenverantwortlich ausgeübten Tätigkeit“ ausmachen.84 Im Grunde lohnt sich eine aufwändige Präzisierung des qualifizierenden Begriffselements kaum. Zwar bemisst sich das Erfordernis heilkundlicher Fachkenntnisse nach objektiven Maßstäben85, aber ausdrücklich „nach allgemeinem Verständnis“, mit der Folge, dass die Rechtsprechung auch in Zweifelsfällen von der Ausübung von Heilkunde ausgeht und die Verrichtung damit der Erlaubnispflicht unterfällt. Ein Aussonderungseffekt kann deshalb kaum eintreten. Im Ergebnis dient das auf die Qualifikation bezogene Begriffselement lediglich dem Ausschluss solcher Verrichtungen aus der Erlaubnispflicht, die in keiner Weise eine Heilbehandlung darstellen können. Beispielhaft lassen sich insoweit zwei jüngere Kammerbeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts nennen, in denen sogenannten „Wunderheilern“, deren Therapien durch bloße Berührungen oder den Einsatz von Wünschelruten erfolgten, heilkundliche Fachkenntnisse abgesprochen wurden; solche Therapien nämlich, deren Charakter eher religiös-spirituell und weniger medizinisch ausgerichtet sei, gingen einen „dritten Weg“, setzten ihr Vertrauen nicht in die Heilkunde, erweckten noch nicht einmal im Allgemeinen den Eindruck heilkundlichen Beistandes und betrieben „etwas von einer Heilbehandlung Verschiedenes“.86 Der Bundesgerichtshof hat allerdings entschieden, auch das bloße Berühren durch Handauflegen und Bestreichen schmerzender Körperstellen könne als Ausübung von Heilkunde zu werten sein, weil sie beim Behandelten den Eindruck erwecke, dass seine Heilung oder Besserung mit übernatürlichen oder übersinnlichen Kräften bewirkt werde; seine weite Auffassung begründet der Bundesgerichtshof mit der Erwägung, ein Heilbehandler müsse sich ansonsten nur möglichst weit von den Regeln ärztlicher Wissenschaft entfernen, um sich gegen die Anwendung des Heilpraktikergesetzes auf sein Tätigwerden zu schützen, sodass die Anwendung des Erlaubnisvorbehalts so zu seiner Disposition stünde.87

83

(24). 84

BVerwGE 35, 308 (310); 66, 367 (369); 94, 269 (274); BVerwG, NVwZ-RR 2011, 23

BVerwG, NVwZ-RR 2020, 450 (451). P. Schelling, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2018, § 1 HeilprG Rn. 15. 86 BVerfG (Kammerbeschl.), NJW-RR 2004, 705; NJW 2004, 2890 f. 87 BGH, NJW 1978, 599. Siehe zu dieser „Eindruckstheorie“ auch H. Haage, Heilpraktikergesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 1 Rn. 11. 85

B. Rechtlicher status quo im Heilpraktikerwesen

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bb) Möglichkeit einer Gesundheitsgefährdung Neben der Fachkunde als einschränkendes Element reichert die Rechtsprechung die Legaldefinition in § 1 Abs. 2 HeilprG mit einem weiteren, kumulativ zu prüfendem Element an. Selbst wenn nämlich die Ausübung der Tätigkeit keine heilkundlichen Fachkenntnisse erfordert, soll sie gleichwohl dem Erlaubnisvorbehalt des Heilpraktikergesetzes unterfallen, soweit sie Gesundheitsgefährdungen der Behandelten zur Folge haben kann. Umgekehrt sollen solche Verrichtungen, aus denen sich keine nennenswerten Gesundheitsgefährdungen ergeben können, nicht unter die Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes fallen, selbst wenn sie heilkundliche Fachkenntnisse erfordern.88 Der Schutzzweck des Erlaubnisvorbehalts ist damit zuvörderst in der Vermeidung von Gesundheitsgefahren zu erkennen und nicht darin, die Patienten vor fehlerhaften Wahrnehmungen der Behandlungsmethodik zu bewahren. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts dürfen diese Gesundheitsgefährdungen der Patienten aber nicht bloß geringfügig sein.89 Meist unproblematisch wird die Schwelle des nicht bloß geringfügigen Gefährdungspotentials bei solchen Verrichtungen überschritten sein, die evident medizinisch-heilkundliche Fachkenntnisse erfordern und Behandlungstätigkeiten am Menschen umfassen. Umstritten sind dagegen die Fälle mittelbarer Gefährdungen, die sich daraus ergeben, dass Patienten im Vertrauen auf die ganzheitliche Kompetenz des Heilberufsangehörigen bewusst auf eine – notwendige – ärztliche Behandlung verzichten. Diese Gefahr lässt die einschlägige Rechtsprechung nicht ohne Weiteres gelten, weil eine solche Gefahr sich faktisch nie ausschließen lasse. Es müsse vielmehr hinzukommen, dass die Tätigkeit als eine „die ärztliche Behandlung ersetzende Tätigkeit“ erscheint, wobei hierfür der äußere Eindruck, der sich für die angesprochenen Patientenkreise aus der jeweiligen Heiltätigkeit ergibt, maßgeblich ist.90 Noch weiter geht das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht und formuliert, eine „wesentliche Berufspflicht des Heilpraktikers ist es, sich der Grenzen seines Wissens und Könnens bewusst zu sein und einer notwendigen ärztlichen Behandlung seines Patienten nicht im Wege zu stehen. […] Denn wer einen Heilpraktiker aufsucht, wird vielfach einen Arzt für entbehrlich halten, weil ein Teil der ärztlichen Funktion vom Heilpraktiker übernommen werden darf.“91 Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Kammerbeschluss vom 2. März 2004 überzeugend dargelegt, dass es jedenfalls nicht auf fundamentale Bedenken stößt, die 88 BVerwGE 35, 308 (311); BVerwG, Beschluss vom 28. 10. 2009 – 3 B 39.09, juris Rn. 3; OVG Nordrhein-Westfalen, MedR 2006, 487 (489). 89 BVerwGE 23, 140 (146 ff.); 35, 308 (311); 94, 269 (275); BVerwG, NVwZ-RR 2011, 23 (24); NVwZ-RR 2020, 450; ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, MedR 2006, 487 (489). 90 BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 2000, 2736; vgl. auch BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 2004, 2890 (2891); BVerwGE 23, 140 (146 ff.), 35, 308 (311); 94, 269 (274); 134, 345 (346); BVerwG, NVwZ-RR 2007, 686; NVwZ-RR 2011, 23 (24); NVwZ-RR 2020, 450. 91 Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 26. 10. 2010 – 8 ME 181/10, juris Rn. 9.

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2. Teil: Zum Entfall des Heilpraktikerberufs

Gefahr einer unterbleibenden schulmedizinischen Behandlung den Heilberufsangehörigen anzulasten; im Übrigen auch deshalb, weil die Abwehr dieser Gefahr mit dem Heilpraktikergesetz nicht umgesetzt werden kann. Es formuliert hierzu: „Eine mittelbare Gesundheitsgefährdung durch die Vernachlässigung notwendiger ärztlicher Behandlung ist mit letzter Sicherheit nie auszuschließen, wenn Kranke außer bei Ärzten bei anderen Menschen Hilfe suchen. Dieser Gefahr kann aber gerade im vorliegenden Fall durch das Erfordernis einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz nicht adäquat vorgebeugt werden. Arzt und Heilpraktiker stehen einander im Behandlungsansatz viel näher als die Heiler. Wer einen Heilpraktiker aufsucht, wird den Arzt eher für entbehrlich halten, weil ein Teil der ärztlichen Funktion vom Heilpraktiker übernommen werden darf. Deshalb wird bei den Heilpraktikern das Vorliegen gewisser medizinischer Kenntnisse geprüft und für die Erteilung der Erlaubnis vorausgesetzt. Die Heilpraktikererlaubnis bestärkt den Patienten in gewisser Hinsicht in der Erwartung, sich in die Hände eines nach heilkundlichen Maßstäben Geprüften zu begeben.“92

Ferner ergibt sich aus diesem Verständnis aber, dass das Erscheinungsbild der Tätigkeit nach einer Gesamtbetrachtung ganz maßgeblich den Ausschlag gibt, ob sie unter die Ausübung der Heilkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 HeilprG subsumiert werden kann. Anders formuliert: Je mehr sich das Erscheinungsbild der Tätigkeit von der die schulmedizinische Behandlung ersetzenden Therapieform entfernt, umso geringer ist das Gefährdungspotential im Hinblick auf mittelbare Gefährdungen der Patienten einzuschätzen.93 Auch deshalb soll bei sogenannten „Wunderheilern“, die keine medizinisch-physischen Behandlungen durchführen, die Ausübung von Heilkunde verneint werden.94 Nicht von der Hand zu weisen ist aber der Einwand aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit, die auf die Gefahr hinweist, dass auch das Erwecken eines falschen Eindrucks, einer falschen Hoffnung bei den Patienten, sie mit übernatürlichen Kräften heilen oder ihnen Linderung verschaffen zu können, mit der Folge, dass diese auf eine notwendige ärztliche Behandlung verzichten, „den Zielen des Heilpraktikergesetzes im hohen Maße zuwiderlaufen und daher besonders gefährlich“ sein kann.95 Bei spirituellen Heilpraktiken zeigen die divergierenden Auffassungen in der Rechtsprechung deutlich die Schwächen der nahezu konturenlosen Definition der Heilkunde. c) Zwischenbilanz Nach alledem ist festzustellen, dass die Legaldefinition in § 1 Abs. 2 HeilprG mangels einschränkender Elemente ein weites Begriffsverständnis der Ausübung von Heilkunde zulässt, mit der Konsequenz, dass quasi das gesamte Heilpraktiker92

BVerfG (Kammerbeschl.), NJW-RR 2004, 705. BVerwG, NVwZ-RR 2011, 23 (24); OVG Nordrhein-Westfalen, MedR 2006, 487 (488). 94 BVerfG (Kammerbeschl.), NJW-RR 2004, 705; NJW 2004, 2890; siehe hingegen zum Heilmittelwerbeverbot auch für Geistheiler BVerfG (Kammerbeschl.), NJW-RR 2007, 1048; BVerwG, NVwZ-RR 2011, 23 (24). 95 BGHSt 8, 238 (239); ebenso BGH, NJW 1978, 599. 93

B. Rechtlicher status quo im Heilpraktikerwesen

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wesen mit nahezu all seinen Berufsbildern unter einem Erlaubnisvorbehalt steht. Es fehlt der Definition an klaren Konturen, sodass den richterrechtlichen Erweiterungen in der Jurisprudenz für die Auslegung ein hoher Stellenwert zukommt. In der Literatur geht man teilweise sogar so weit, in der Definition einen redaktionellen Fehler bzw. eine systematische Ungenauigkeit zu verorten.96 Diese sicherlich zu weit gehende Kritik hat aber einen insoweit zutreffenden Gehalt, als sich der Anspruch an eine Definition, die dynamisch zu verstehen und offen auch für neue Berufsbilder im Bereich der Heilkunde ist97, zwangsläufig in einer gewissermaßen offenen Formulierung spiegeln muss. Auch die richterrechtlichen Konkretisierungen führen nicht zu einer zweifelsfreien Anwendung. Es wäre gleichwohl ratsam, die durch die langjährige Rechtsprechung vorgenommenen Verdichtungen zur Stärkung der Rechtssicherheit in den Normtext zu überführen. Die in § 1 Abs. 2 HeilprG enthaltene Definition könnte durch Hinzufügen weiterer Sätze entsprechend geschärft werden. 2. Beibehaltung des Erlaubnisvorbehalts Fraglich ist, wie mit dem Erlaubnisvorbehalt im Falle einer gesetzlichen Reform des Heilpraktikerwesens umgegangen werden sollte. In jedem Falle kann nur eindringlich davor gewarnt werden, die Erlaubnispflicht im Falle einer Neugestaltung der Rechtslage entfallen zu lassen. Zu berücksichtigen ist, dass die Behandlung am Menschen mit erheblichen Gesundheitsgefahren verbunden sein kann. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts hat es im Hinblick auf die Gesundheit der Bevölkerung „unterschiedslos seinen Sinn“, dass „heilkundliche Tätigkeit grundsätzlich nicht erlaubnisfrei sein soll, […] gleichgültig welche Vor- oder Ausbildung der Bewerber aufweist. Es geht um eine präventive Kontrolle, die nicht nur die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, sondern auch die Eignung für den Heilkundeberuf im allgemeinen erfaßt. Deshalb unterliegt selbst die ärztliche Heiltätigkeit nach § 2 Abs. 1 der Bundesärzteordnung der Erlaubnispflicht in Form der Approbation.“98 Die Regulierung des Berufszugangs, in welcher Form auch immer, kann somit sogar verfassungsrechtlich geboten sein. Jedenfalls muss es im Interesse des gesamten Berufsstandes, aber auch einzelner Verbände liegen, die Gesundheitsgefahren für Patienten möglichst gering zu halten, der Scharlatanerie Einhalt zu gebieten, einen qualitativen Mindeststandard zu etablieren bzw. aufrecht zu erhalten und die fachliche Integrität des Berufsstandes als solche zu sichern. All dies wäre bei einem ersatzlosen Wegfall des Erlaubnisvorbehalts nicht mehr zu gewährleisten. Über die Heilpraktikererlaubnis entscheidet nach § 3 Abs. 1 DVHeilprG die untere Verwaltungsbehörde im Benehmen mit dem Gesundheitsamt 96

So H. Haage, Heilpraktikergesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 1 Rn. 2. Vgl. dazu BVerwGE 66, 367 (369 f.). Siehe hierzu auch die Ausführungen von H. Haage, Heilpraktikergesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 1 Rn. 2. 98 BVerfGE 78, 179 (194) – ohne die Hervorhebung. 97

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2. Teil: Zum Entfall des Heilpraktikerberufs

nämlich unter Prüfung der in § 2 Abs. 1 DV-HeilprG aufgeführten Versagungsgründe, so etwa über die sittliche Zuverlässigkeit (Buchst. f) oder die Kenntnisse und Fähigkeiten, die zuvor durch das Gesundheitsamt festgestellt worden sind (Buchst. i). Untaugliche Bewerber können noch vor Beginn der Berufsausübung ausgesondert werden mit der Folge der Sicherung der fachlichen Integrität des Berufsstandes. An der Qualifikationsprüfung sind die berufsständischen Interessenverbände direkt beteiligt, sodass auf die Leistungsanforderungen unmittelbar Einfluss genommen werden kann. Diese Möglichkeit der Vorabkontrolle entfiele bei Wegfall des Erlaubnisvorbehalts. Eine, wie auch immer gelagerte, qualitative Zugangsvoraussetzung muss mithin bestehen bleiben, um den hohen Standard der Heilpraktikerversorgung aufrecht zu erhalten. Hinzu kommt, dass klare Vorgaben für den Berufszugang der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dienen. Indessen würde der ersatzlose Wegfall des Erlaubnisvorbehalts keinesfalls die umfassende Kurierfreiheit bedeuten, wie sie nach der Rechtslage bei Schaffung des Heilpraktikergesetzes gegeben war.99 Denn zu prüfen bliebe stets, ob sich Erlaubnisvorbehalte nicht aus anderen Materien ergeben. Wird die heilkundliche Tätigkeit etwa gewerblich ausgeübt, könnten Restriktionen aus den gewerberechtlichen Vorgaben folgen. Dann aber bestünde die Gefahr, dass für unterschiedliche Ausprägungen heilkundlicher Tätigkeiten verschiedene Rechtsgrundlagen gelten würden, was zum einen die Rechtssicherheit schmälerte und zum anderen die Interessenvertretung nicht unerheblich erschwerte. An diese grundlegende Erkenntnis, aufgrund der Gesundheitsgefahren heilkundlicher Tätigkeiten an einem Vorbehalt für den Berufszugang festhalten zu müssen, knüpft die Frage an, wie eine solche Zugangsvoraussetzung konkret auszugestalten ist. Im Grunde spricht nichts dagegen, an dem bestehenden Erlaubnisvorbehalt weiterhin festzuhalten, ihn also in den neuen Regelungsbereich zu überführen. In unmittelbarem Zusammenhang steht hierbei die Legaldefinition für die Ausübung von Heilkunde nach § 1 Abs. 2 HeilprG, durch welche die inhaltliche Reichweite der Erlaubnispflicht erst klargestellt wird. Ein Beibehalten des Erlaubnisvorbehalts setzt – nicht zuletzt zur Wahrung der rechtsstaatlich gebotenen Bestimmtheit – auch die Beibehaltung der inhaltlichen Umrahmung, mithin der Legaldefinition für die Ausübung von Heilkunde, voraus. Umgekehrt muss der Erlaubnisvorbehalt im Falle einer Neufassung durch den Bund100 an anderer Stelle für eine hinreichende Bestimmtheit durch eine konkrete Umschreibung, was unter der Ausübung von Heilkunde zu verstehen ist, umrissen sein.

99 Die Kurierfreiheit beruhte auf § 6 der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes vom 21. 6. 1869 (Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes, S. 245), der die Ausübung der Heilkunde ausdrücklich von der Anwendung dieses Gesetzes ausgenommen hat. Siehe dazu auch H. Haage, Heilpraktikergesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, Einleitung Rn. 1. 100 Die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG berechtigt den Bund, die Modalitäten für den Berufszugang zu „anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe“ zu regeln. Vgl. dazu auch BVerfGE 78, 179 (192).

B. Rechtlicher status quo im Heilpraktikerwesen

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Normativ kann dieser Umriss auf unterschiedliche Weise erfolgen. Ein ausdrückliches Aufzählen der erfassten Tätigkeiten, wie in der Literatur teilweise vorgeschlagen101, würde die Gefahr einer übermäßigen Verengung des Erlaubnisvorbehalts bergen und die Dynamik des Berufsstandes verkennen. Alternativ könnten die Befunde der richterrechtlichen Rechtsfortbildung in der Legaldefinition für die Ausübung von Heilkunde normativ gespiegelt werden, sodass Tätigkeiten mit sehr geringen Gesundheitsrisiken oder rein spiritueller Natur ausdrücklich ausgeklammert würden, wobei die Grenzziehung hier auf schmalem Grat erfolgen müsste.

II. Delegation und Substitution von Leistungen Unmittelbar an die Abgrenzung, welche Behandlungsformen als ein Praktizieren von Heilkunde zu qualifizieren sind, knüpft die Frage an, ob Heilpraktiker, anders als Ärzte, verpflichtet sind, heilkundliche Behandlungen stets selbst durchzuführen oder ob Leistungen delegier- oder substituierbar sind. Hier kann eine Orientierung an der Diskussion erfolgen, wie sie über die Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen geführt wird. Bei den Ärzten stellt sich die Frage der Delegations- und Substitutionsfähigkeit aus einer öffentlich-rechtlichen und einer zivilrechtlichen Perspektive. Aus öffentlich-rechtlicher Perspektive ist die Frage der Abrechenbarkeit ärztlicher Leistungen relevant; aus zivilrechtlicher Sicht spielen Delegation und Substitution eine Rolle, wenn es um die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Behandlungsverhältnis geht.102 Beide thematischen Komplexe müssen im Rahmen dieser Untersuchung nicht notwendig getrennt betrachtet werden, weil stets die Frage der grundsätzlichen Delegationsfähigkeit im Mittelpunkt steht. Rechtsprechung und Literatur sind auch in diesem Bereich äußert vage. So heißt es etwa, dass solche Behandlungen nicht delegationsfähig seien, die wegen ihrer Schwierigkeiten, ihrer Gefährlichkeit oder wegen der Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen ärztliches Fachwissen voraussetzen und deshalb vom Arzt persönlich durchzuführen sind; zu solchen Behandlungen sollen insbesondere operative Eingriffe, schwierige Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen sowie ärztliche Untersuchungen, Diagnostik und die ärztliche Beratung des Patienten sowie die Indikationsstellung oder die Erarbeitung eines Therapie- oder Operationsplans gehören.103 Die Rede ist hierbei von sogenannten Kernleistungen der ärztlichen Tätigkeit.104 Erneut stellt sich das Problem der trennscharfen Abgrenzung. Hinzu kommt, dass es meist an ausdrücklichen Delegationsverboten für ärztliche Leistungen

101

H. Haage, Heilpraktikergesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 1 Rn. 2. Siehe hierzu W. Frahm, VersR 2009, 1576 (1578). 103 B.-R. Kern, in: Laufs/Kern/Rehborn (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 5. Aufl. 2019, § 49 Rn. 6. 104 A. Starzer, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 17 KHEntgG Rn. 14. 102

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2. Teil: Zum Entfall des Heilpraktikerberufs

fehlt.105 Solche ausdrücklichen Delegationsverbote ergeben sich beispielsweise aus § 5 TPG, § 15 Abs. 1 und § 28 SGB V, § 24 IfSG, § 9 ESchG, § 48 AMG und § 13 BtMG. Sachlich noch weiter reicht die Debatte um die Substitution ärztlicher Leistungen. Der vollständige Ersatz ärztlicher Behandlung durch eigenverantwortlich handelnde Heilberufsangehörige geht selbst über erweiterte Delegationsmöglichkeiten hinaus106 und ist im Grunde aus der Not geboren. Angesichts demographischer Entwicklungen und zunehmenden Ärztemangels hat das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vom 28. Mai 2008107 eine vollständige Substitution ärztlicher Leistungen im Rahmen von Modellprojekten ermöglicht.108 Für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist diese Option sogleich untergesetzlich konkretisiert worden. Dort stellt der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 63 Abs. 3c Satz 3 SGB V in einer Richtlinie109 einen abschließenden Katalog von ärztlichen Tätigkeiten auf, welche im Rahmen von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 1 und 3c SGB V auf Berufsangehörige der Kranken- und Altenpflege zur selbständigen Ausübung von Heilkunde übertragen werden können, die nach § 4 Abs. 7 des jeweiligen Berufszulassungsgesetzes (Krankenpflegegesetzes oder Altenpflegegesetzes) qualifiziert sind. Im Übrigen ist die Rechtsordnung mit der Vollsubstitution ärztlicher Leistungen recht zurückhaltend. Ob die Öffnung durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz einen „Paradigmenwechsel“ eingeläutet hat, wie in der Literatur hervorgehoben wird110, mag angesichts einer starken Interessenvertretung der Ärzte in der Gesundheitspolitik und des geringen Interesses an einem Verlust von Aufgabengebieten bezweifelt werden. Unter welchen Umständen die Vorgaben für Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen auf die Heilpraktiker übertragbar sind, lässt sich nur schwer beantworten. Sofern die Vorgaben parallel zu den Ärzten entwickelt würden, müsste sich folgendes Bild ergeben: Die „Kernbereiche“ der heilkundlichen Tätigkeit verblieben bei den Heilpraktikern und wären nicht delegationsfähig. Sicherlich sollte abgewogen werden, ob der delegationsfeste Kern bei der Behandlung durch Heil105

W. Frahm, VersR 2009, 1576 (1579). C. Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), Arztrecht, 7. Aufl. 2015, Kap. X Rn. 62, schlägt deshalb vor, Möglichkeiten erweiterter Delegation unter Zugrundelegung interprofessioneller, evidenzbasierter Leitlinien in Betracht zu ziehen. 107 BGBl. I, S. 874. 108 Siehe dazu C. Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), Arztrecht, 7. Aufl. 2015, Kap. X Rn. 60. Vgl. auch W. Frahm, VersR 2009, 1576 (1577). 109 Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Festlegung ärztlicher Tätigkeiten zur Übertragung auf Berufsangehörige der Alten- und Krankenpflege zur selbständigen Ausübung von Heilkunde im Rahmen von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c SGB V (Richtlinie nach § 63 Abs. 3c SGB V) vom 20. 10. 2011, BAnz. Nr. 46 S. 1 128, Nr. 50 S. 1 228, veröffentlicht unter: https://www.g-ba.de/downloads/62 - 492 - 600/2011 - 10 - 20_RL-63Abs3c. pdf, zuletzt aufgerufen am 19. 6. 2020. 110 C. Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), Arztrecht, 7. Aufl. 2015, Kap. X Rn. 61. 106

C. Rechtstechnisches Vorgehen

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praktiker noch enger verstanden werden muss als bei den Ärzten. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass Heilpraktiker häufig den Blick auf eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung ihrer Patienten legen mit der Folge, dass sie deutlich mehr Behandlungszeit pro Patienten aufwenden können. Das Problem von Versorgungslücken würde sich in einem geringeren Maße als in der ärztlichen Versorgung stellen. Substitutionen von Heilpraktikerleistungen erscheinen vor diesem Hintergrund kaum vorstellbar, sodass hierauf im Zweifel zu verzichten wäre. Gleichwohl gilt, dass auch bei der Abwägung, welche Behandlungsbereiche einer Delegation offenstehen, Leitlinien hilfreich wären, die von den Interessenverbänden der Heilpraktiker oder von einer Berufskammer aufgestellt werden könnten.111 Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob diese Leitlinien verbindlich gefasst werden oder nicht.

C. Rechtstechnisches Vorgehen zur Beseitigung des Berufsstandes der Heilpraktiker Nach der Erfassung des bestehenden rechtlichen Zustandes sind nun Überlegungen anzustellen, wie eine Reform nach den Vorstellungen des Bundesministeriums für Gesundheit umzusetzen wäre. Die bereits eingangs zu dieser Untersuchung genannte Formulierung im Ausschreibungstext dieses Ministeriums, es solle geprüft werden, ob der Heilpraktikerberuf in Zukunft „entfallen“ könne112, muss nach laienhafter Wertung so verstanden werden, der Heilpraktikerberuf solle in Zukunft möglicherweise vollständig beseitigt werden. Schon rechtstechnisch würde dies zu Schwierigkeiten führen. Der Wegfall eines ganzen Berufsstands bedeutete faktisch ein Totalverbot. Eine Beseitigung der Heilpraktiker aus der Gesundheitsversorgung könnte auch ohne formales Totalverbot erfolgen, etwa indem sämtliche heilkundliche Tätigkeiten den Ärzten vorbehalten blieben. Es bestehen also verschiedene Möglichkeiten, die faktisch denselben oder zumindest einen ähnlichen Effekt erreichen könnten. Welcher Weg de lege ferenda tatsächlich bestritten würde, lässt sich im Vorhinein kaum abschätzen.

I. Aufhebung des Heilpraktikergesetzes Ein Trugschluss wäre es allerdings, durch die Aufhebung des Heilpraktikergesetzes und seiner Ersten Durchführungsverordnung den Heilpraktikern ihre zentrale Rechtsgrundlage „entziehen“ zu können. Aus dem Heilpraktikergesetz ergibt sich im 111

Vgl. zu den Ärzten W. Frahm, VersR 2009, 1576 (1579). Vgl. dazu nochmals den Kurztext der Ausschreibung des Ministeriums, veröffentlicht unter: https://www.evergabe-online.de/tenderdetails.html?2&id=291253, zuletzt aufgerufen am 25. 7. 2020. 112

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2. Teil: Zum Entfall des Heilpraktikerberufs

Wesentlichen ein weit ausgelegter Erlaubnisvorbehalt.113 Dessen Entfall würde für die Heilpraktiker aber mitnichten zu dem Verlust ihrer Existenzberechtigung führen. Schon von Anfang an zielte der Erlaubnisvorbehalt auf die Disziplinierung des Gesundheitswesens durch Beendigung der weitreichenden Kurierfreiheit der Heilpraktiker.114 Damit folgt aber zugleich, dass die eigenverantwortliche Ausübung von Heilkunde ohne Bestallung nicht von vornherein unmöglich sein sollte. Ferner trägt der Erlaubnisvorbehalt seit jeher in Verbindung mit § 2 DV-HeilprG die Züge eines präventiven Verbotes des öffentlichen Wirtschaftsrechts mit der Folge, dass sich bei Nichtvorliegen eines Versagungsgrundes die Erlaubnismöglichkeit zu einem Anspruch auf die Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis verdichten kann.115 Insoweit muss die Erlaubnispflicht als Hürde für den Berufszugang verstanden werden, allerdings im Lichte des in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Grundrechts der Berufsfreiheit unter der Prämisse, dass die eigenverantwortliche Ausübung grundsätzlich erlaubt sein muss. Die Systematik muss demnach anders erfolgen. Wollte der Staat das Praktizieren von Heilkunde durch Heilpraktiker unterbinden, bedürfte es ausdrücklicher Verbote, alternativ Vorbehalten zugunsten anderer Berufsgruppen. Geht es um die Anwendung von Heilkunde am Patienten, löst die Rechtsordnung diese Situation meist durch die Formulierung expliziter spezifischer Arztvorbehalte. Einen allgemeinen Arztvorbehalt sieht die Rechtsordnung dagegen nicht vor.116 Mit anderen Worten regelt die Rechtsordnung an einigen Stellen, dass die heilkundliche Behandlung von Patienten bereichsspezifisch ausschließlich durch Ärzte vorgenommen werden darf. Solche Vorbehalte enthält die Rechtsordnung an verschiedenen Stellen. Das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung etwa kennt einen umfassenden Arztvorbehalt in § 15 Abs. 1 SGB V, wonach die als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachte ärztliche oder zahnärztliche Behandlung den Ärzten und Zahnärzten, abgesehen von sogenannten Modellvorhaben, vorbehalten bleibt. Nach der in § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V aufgestellten Regel können andere Heilberufsangehörige nur aufgrund einer ärztlichen Verordnung tätig werden. Einen Arztvorbehalt – oder besser: ein Arztprivileg – kennt ferner das Strafrecht, wie die Voraussetzungen für die Straflosigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen nach § 218a StGB zeigen. Hiernach bleibt ein Schwangerschaftsabbruch nur dann straflos, wenn er von einem Humanmediziner, gleich welcher Fachrichtung117, vorgenommen wird. Ferner dürfen nach § 9 des Embryonenschutzgesetzes nur Ärzte eine künstliche Befruchtung, 113 Siehe bereits zur Auslegung der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 HeilprG und zum Umfang des Erlaubnisvorbehalts oben S. 26 ff. 114 Vgl. BVerwG, NJW 1959, 833 (834); F. Bayram/J. Wichert, GewArch 2009, 149 (150); F. A. Stebner, PharmR 2014, 403 (404); ders., PharmR 2017, 178 (179). 115 BVerwGE 91, 356 (358); 134, 345 (346 Rn. 9). Siehe dazu auch H. Haage, Heilpraktikergesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2015, Einleitung Rn. 14. 116 Dazu J. Villotti, EuR 2019, 5 (25). 117 W. Gropp, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2017, Bd. 4, § 218a StGB Rn. 22.

C. Rechtstechnisches Vorgehen

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Präimplantationsdiagnostik sowie die weiteren genannten konservierenden Behandlungsformen durchführen. Bestimmte Krankheiten dürfen nach § 24 IfSG nur durch einen Arzt festgestellt oder behandelt werden. Die angeführten Beispiele sind dabei keinesfalls abschließend. An zahlreichen weiteren Stellen sind ausdrückliche Arztvorbehalte normiert. Kongruent hierzu signalisiert die Rechtsordnung aber auch, dass Heilbehandlungen an Menschen nicht nur von Ärzten und Zahnärzten vorzunehmen sind. Der im Jahr 2013 in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommene § 630a118, der die Leistungspflichten bei Abschluss von Behandlungsverträgen festsetzt, ist gerade nicht nur auf die Behandlung durch bestallte Personen beschränkt, sondern erfasst ein breites Spektrum verschiedener Behandlungsformen. Vertragspartner von Behandlungsverträgen nach § 630a BGB können anerkanntermaßen auch Heilpraktiker sein.119 Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen die Regelungen zum Behandlungsvertrag nicht nur Ärzte und Zahnärzte erfassen, „sondern gelten auch für Behandlungen durch Angehörige anderer Heilberufe wie psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Angehörige solcher Heilberufe, deren Ausbildung nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 19 des Grundgesetzes durch Bundesgesetz geregelt wird (Hebammen, Masseure und medizinische Bademeister, Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten u. a.), sowie für Heilpraktiker“; eine bloß analoge Einbeziehung dieser Berufsgruppen ist schon auf der Entwurfsebene verworfen worden.120 Offenkundig, so zeigt es das Beispiel aus dem Zivilrecht, sollen auch die Heilpraktiker und andere Heilberufsangehörige an der Heilbehandlung teilhaben können. Für die hiesige Untersuchung lässt sich hieraus eine wichtige Erkenntnis gewinnen. Sollte tatsächlich die Zielrichtung verfolgt werden, den Berufsstand der Heilpraktiker zu beseitigen, würde hierzu die Aufhebung des Heilpraktikergesetzes für sich genommen nicht ausreichen. Mit dem Wegfall der dort aufgestellten Erlaubnispflicht wäre die Ausübung der Heilkunde durch Personen ohne Bestallung noch nicht per se verboten. Vielmehr gäbe es für den Berufszugang keine Beschränkungen; für die Berufsausübung gelten die allgemein auf sämtliche Gesundheitsbehandlungen anwendbaren Vorschriften, etwa das Arzneimittelgesetz oder das Heilmittelwerbegesetz sowie spezifische Regelungen der Länder. Eine bloße Aufhebung des Heilpraktikergesetzes und seiner Ersten Durchführungsverordnung kommt deshalb nicht in Betracht.

118

Eingeführt wurde die Norm durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20. 2. 2013, BGBl. I, S. 277. 119 Siehe hierzu die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten, BT-Drucks. 17/10488, S. 11. 120 BT-Drucks. 17/10488, S. 52.

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2. Teil: Zum Entfall des Heilpraktikerberufs

II. Ausdrückliches Berufsausübungsverbot Rechtstechnisch ist stattdessen ein ausdrückliches Berufsausübungsverbot für Heilpraktiker in Betracht zu ziehen, welches aber mangels einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes für diesen Bereich121 auf der Ebene der Länder geregelt werden müsste. Dieser Weg wäre deshalb unrealistisch. Zum einen ist im föderalen Bundesstaat nämlich unwahrscheinlich, dass sich die Länder auf eine einheitliche Lösung einigen könnten. Zum anderen sind Totalverbote politisch sowie verfassungsrechtlich kaum begründbar. Aus letzterem Grund ist absehbar, dass die Länder von dieser Option schon deshalb keinen Gebrauch machen würden, weil bereits die politischen Hürden voraussichtlich zu hoch lägen. Rechtstechnisch bliebe die Option zumindest vorstellbar.

III. Schaffung neuer Arztvorbehalte Näher läge deshalb eine „schleichende“ Aushöhlung des Heilpraktikerwesens durch Schaffung neuer Arztvorbehalte. Technisch hätte dies allerdings einen voraussichtlich hohen Gesetzgebungsaufwand zur Folge, weil in zahlreichen Fachgesetzen explizite Arztvorbehalte zu schaffen wären.

IV. Verengung des Tätigkeitsbereichs der Heilpraktiker Eine „schleichende“ Entwertung des Heilpraktikerberufs käme ferner durch eine Aushöhlung des Tätigkeitsbereichs in Betracht, etwa wenn der Beruf für sich genommen erlaubt bliebe, aber die Ausübung von Heilkunde am Menschen stark beschränkt würde. Ein Beispiel für ein solches Vorgehen ist die gesetzgeberische Reaktion auf den Fall „Brüggen-Bracht“122 durch das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung vom 9. August 2019123. Grundsätzlich ist es gemäß § 13 Abs. 2b Satz 1 AMG einer Person, die Arzt oder sonst zur Ausübung der Heilkunde bei Menschen befugt ist, erlaubt, Arzneimittel zur Anwendung am Patienten selbst herzustellen, soweit die Arzneimittel unter ihrer unmittelbaren fachlichen Verantwortung zum Zweck der persönlichen Anwendung bei einem bestimmten Patienten hergestellt werden. Mit der Vorschrift des § 13 Abs. 2b Satz 1 AMG124 trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass die Anwendung vom Arzt oder Heil121

Siehe hierzu bereits ausführlich im ersten Teil oben S. 17 ff. Siehe dazu Zeit Online vom 27. 8. 2016, veröffentlicht unter https://www.zeit.de/wissen/ gesundheit/2016 - 08/heilpraktiker-ermittlungen-tote-alternative-krebstherapie-klaus-ross-brueg gen, zuletzt aufgerufen am 25. 7. 2020. 123 BGBl. I, S. 1202. 124 § 13 Abs. 2b Satz 1 AMG ist die Nachfolgevorschrift des § 4a Satz 1 Nr. 3 AMG in seiner bis zum 23. 7. 2009 geltenden Fassung, vgl. BT-Drucks. 16/12256, S. 45 f. 122

C. Rechtstechnisches Vorgehen

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praktiker hergestellter Arzneimittel an eigenen Patienten „herkömmlich Teil der ärztlichen Therapie“ und entsprechende Heilbehandlungen „wesentlicher Bestandteil der ärztlichen Berufsausübungsfreiheit sowie Gegenstand der ärztlichen Sorgfaltspflicht und Verantwortung“ sind.125 Die Erlaubnisfreiheit knüpft mithin maßgebend an die dem Arzt und den sonstigen Heilberufsangehörigen zukommende Fachkompetenz an.126 Zusätzlich zu den bereits bestehenden Ausnahmen127 ist § 13 Abs. 2b Satz 2 AMG um eine dritte Nummer ergänzt worden, mit der die Herstellung verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Sinne des § 48 AMG nicht mehr von dem Befreiungstatbestand gedeckt ist. Diese Novellierung hat etwa Auswirkungen auf Behandlungen mit Blutzubereitungen aus Eigenblut128, die von einigen Heilpraktikern durchgeführt werden.129 Weitreichende Beeinträchtigungen der Heilpraktiker wären also durch Beschränkungen technischer Mittel oder bestimmter Behandlungsmethoden denkbar. Das bisherige, vielfältige Berufsbild der Heilpraktiker wäre mit normsetzungsökonomisch überschaubarem Aufwand weitgehend ausgehöhlt. Einer Neuordnung des Berufsbildes als solchem steht Art. 12 Abs. 1 GG indessen nicht grundsätzlich entgegen. Das Bundesverfassungsgericht stellt vielmehr in ständiger Rechtsprechung heraus, dass dem Gesetzgeber die Befugnis zukommt, tradierte Berufsbilder umzugestalten, ferner neue Berufsbilder zu fixieren.130 Diese Befugnis ist „nicht darauf beschränkt, bestehende Berufsbilder lediglich klarstellend voneinander abzugrenzen“; indem „der Gesetzgeber bestimmte wirtschafts-, berufsund gesellschaftspolitische Zielvorstellungen und Leitbilder“ durchsetze „und damit in den Rang wichtiger Gemeinschaftsinteressen“ erhebe, geschehe „die Fixierung 125

BVerfGE 102, 26 (36). Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. 3. 2018 – 9 S 1071/16, juris Rn. 30. 127 Diese Regelung findet nach § 13 Abs. 2b Satz 2 AMG keine Anwendung auf Arzneimittel für neuartige Therapien (§ 4 Abs. 9 AMG) und xenogene Arzneimittel (§ 4 Abs. 21 AMG) sowie Arzneimittel, die zur klinischen Prüfung (§ 4 Abs. 23 AMG) bestimmt sind, soweit es sich nicht nur um eine Rekonstitution handelt. 128 Nach Auffassung der Rechtsprechung handelt es sich bei zentrifugiertem und mit Zusatzstoffen aufbereitetem Eigenblut um eine Blutzubereitung im Sinne des § 4 Abs. 2 AMG und damit um ein Arzneimittel; siehe dazu BGH, NJW 2012, 684. Dies gilt nicht für unbehandeltes Eigenblut; dazu VG Düsseldorf, Urteil vom 22. 5. 2019 – 16 K 2274/18, juris Rn. 45. 129 Ob die Ausnahmevorschrift in § 13 Abs. 2b Satz 3 AMG Anwendung findet, hängt davon ab, ob das Eigenblutprodukt von der Verschreibungspflicht ausgenommen ist, weil es sich um ein homöopathisches Präparat (vgl. § 5 Satz 1 der Arzneimittelverschreibungsverordnung) handelt. Siehe dazu auch die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 30. 8. 2019, veröffentlicht unter: https://www.bundestag.de/resour ce/blob/660574/25818bf06fed787a013d1e45fc7bdde9/WD-9-061-19-pdf-data.pdf, S. 4 ff., zuletzt aufgerufen am 19. 6. 2020, und zum Problemkreis insgesamt H. Sodan, Arzneimitteltherapie und Arzneimittelsicherheit. Zur Einschränkbarkeit der erlaubnisfreien Arzneimittelherstellung durch Heilberufsangehörige zur Anwendung an eigenen Patienten (§ 13 Abs. 2b AMG), 2019. 130 Vgl. etwa BVerfGE 9, 39 (48); 10, 185 (197); 21, 173 (180); 54, 237 (246); 75, 246 (265 f.); 77, 84, (105 f.). 126

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2. Teil: Zum Entfall des Heilpraktikerberufs

des Berufsbildes auch gestaltend, also durch Änderung und Ausrichtung überkommener Berufsbilder“.131 Auf diese Weise kann der Gesetzgeber verwandte Berufe vereinheitlichen.132 Er ist im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG „befugt, neue Berufsbilder zu fixieren und dabei den Umfang der zulässigen beruflichen Tätigkeit und die Ausbildungsinhalte in bestimmter Weise festzuschreiben“.133 Zur rechtlichen Ordnung eines Berufsbildes können auch Verbote gehören, neben dem Beruf bestimmte andere Tätigkeiten auszuüben (sog. Inkompatibilitäten); sie „dienen gerade dazu, den Beruf eindeutig zu prägen, das Berufsbild klar zu umgrenzen, indem sie es vor der Durchdringung und Vermengung mit Merkmalen anderer Berufstätigkeiten bewahren“.134 Die rechtliche Festlegung eines Berufsbildes hat eine doppelte Wirkung: Zum einen wird der Beruf in dem Sinne „monopolisiert“, dass künftig die Aufgaben dieses Berufs nur noch von denjenigen wahrgenommen werden könnten, welche die Voraussetzungen des einschlägigen Berufsbildes erfüllten135; zum anderen kann die Berufswahl lediglich in der vom Gesetzgeber vorgenommenen rechtlichen Ausgestaltung erfolgen, sodass die Zulassung zur Ausübung des Berufs die genaue Erfüllung der „konkretisierten und formalisierten rechtlichen Voraussetzungen“ erfordert.136 Die rechtliche Festlegung eines Berufsbildes kann „dazu führen, daß der Einzelne auf die freie Wahl des so geprägten Berufes beschränkt wird, während ihm die Möglichkeit zu untypischer Betätigung in diesem Bereich verschlossen ist“.137

V. Zwischenbefund Rechtstechnisch wäre eine Umgestaltung des Heilpraktikerberufs mithin auf vielfältige Weise möglich. Realistisch umsetzbar dürfte allerdings nur die Schaffung neuer Arztvorbehalte und die Verengung sowie die faktische Aushöhlung des Tätigkeitsbereichs sein. Ein umfassendes Totalverbot für die Ausübung eines bislang anerkannten Berufs würde bereits rechtspolitisch kaum durchzusetzen sein und kann deshalb in der nachfolgenden Betrachtung in den Hintergrund treten.

131 BVerfGE 75, 246 (265); vgl. auch BVerfGE 13, 97 (107); 78, 179 (193); 141, 121 (131 Rn. 36); 145, 20 (67 Rn. 120). 132 Vgl. BVerfGE 25, 236 (247); 32, 1 (36); 34, 252 (256); 75, 246 (265); BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 2007, 2537. 133 BVerwG, NJW 2009, 3593; fast wortgleich BVerwG NJW 2010, 2901. 134 BVerfGE 21, 173 (181). 135 BVerfGE 9, 73 (78); 21, 173 (180); 25, 236 (247); 75, 246 (265 f.). 136 BVerfGE 21, 173 (180); vgl. auch BVerfGE 75, 246 (266). 137 BVerfGE 17, 232 (241); ebenso BGHZ 124, 224 (227).

D. Verfassungsrechtliche Grenzen für Reformvorhaben

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D. Verfassungsrechtliche Grenzen für Reformvorhaben Diese Feststellung soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit allen rechtstechnisch umsetzbaren Maßnahmen gewichtige Grundrechtseingriffe zulasten der Heilpraktiker erfolgen könnten, die einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürften. Soll der Heilpraktikerberuf für die Zukunft entfallen, hätte dies gravierende Auswirkungen auf die bereits tätigen Heilpraktiker, aber auch für Berufsanwärter oder solche Personen, die sich derzeit in einer Berufsausbildung mit dem Ziel des baldigen Berufseintritts befinden. Die Wahrung der Grundrechte setzt etwaigen Reformbestrebungen des Gesetzgebers jedoch wirksame Grenzen.

I. Verletzung des Grundrechts der Berufsfreiheit Eine Beseitigung des Berufsstandes der Heilpraktiker hätte zunächst einen schweren Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit zur Folge. Nach Art. 12 Abs. 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Das Grundrecht der Berufsfreiheit schützt als vier Teilgarantien eines „einheitlichen, allerdings in sich gegliederten Grundrechts“ der Berufsfreiheit138 (1.) die Berufswahlfreiheit, (2.) die Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes, (3.) die Freiheit der Wahl der Ausbildungsstätte und (4.) die Berufsausübungsfreiheit. 1. Schranken Die Berufsfreiheit kann nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG entweder durch ein Bundes- oder Landesgesetz im formellen Sinne139 oder aufgrund einer „einfachgesetzlichen“ Ermächtigung durch Exekutivakt beschränkt werden. Auch Satzungsvorschriften weisen regelmäßig den durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geforderten Rechtssatzcharakter auf140; Einschränkungen ergeben sich allerdings aus dem Parlamentsvorbehalt.141 Nochmals sei daran erinnert, dass ein absolutes Berufsausübungsverbot für Heilpraktiker in Ermangelung einer Gesetzgebungskompetenz nicht durch den Bund geregelt werden könnte.142 Gleichwohl ist damit nicht gesagt, dass dem Bund keine Durchgriffsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Wie das Beispiel des bereits genannten Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittel138

R. Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 170 Rn. 56 – ohne die Hervorhebungen. 139 R. Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 12 Rn. 311 (Stand der Kommentierung: Juni 2006). 140 BVerfGE 33, 125 (155); BVerwG, NVwZ 2014, 86 (88). 141 H. Sodan, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 26. 142 Siehe hierzu bereits oben S. 17 ff.

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2. Teil: Zum Entfall des Heilpraktikerberufs

versorgung zeigt, ist ein Aushöhlen der Rahmenbedingungen des Berufsstandes denkbar.143 2. Verhältnismäßigkeit etwaiger Maßnahmen Unabhängig davon, ob Bund oder Länder Reformen beschließen, müssen diese vor allem mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein144, der hier jedoch mangels konkreter Ansätze nur hypothetisch geprüft werden kann. Bei der Untersuchung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lässt sich die sogenannte Drei-Stufen-Theorie anwenden, die das Bundesverfassungsgericht in früher Judikatur entwickelt und trotz einiger Modifikationen145 im Grunde noch heute beibehalten hat. In einer frühen Akzentuierung des erst in seiner späteren Judikatur zu den Grundrechten dominierenden allgemeinen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Apotheken-Urteil von 1958 zwischen verschiedenen Eingriffsstufen unterschieden, nämlich zwischen Berufsausübungsregelungen (1. Stufe) sowie subjektiven (2. Stufe) und objektiven Berufszulassungsvoraussetzungen (3. Stufe).146 a) Legitimer Zweck Zur Ermittlung eines legitimen Zwecks muss die einschlägige Eingriffsstufe bestimmt werden. An dieser orientieren sich die Rechtfertigungsanforderungen: Reine Berufsausübungsregelungen, die nur bestimmen, in welcher Art und Weise die Berufsangehörigen ihre Berufstätigkeit im Einzelnen zu gestalten haben147, sind nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts verhältnismäßig, wenn sie durch hinreichende Gemeinwohlbelange gerechtfertigt werden können.148 Bezüglich der Berufswahl unterscheidet das Gericht zwischen subjektiven und objektiven Berufszulassungsvoraussetzungen. Als subjektive Berufswahlvoraussetzungen hat das Bundesverfassungsgericht zunächst solche Regelungen verstanden, die „den Zugang zum Beruf nur den in bestimmter – und zwar meist formaler – Weise qualifizierten Bewerbern“ ermöglicht; es handelt sich also um für den Betroffenen disponible 143 Zweifelhaft ist allerdings, ob der Bund für diese Maßnahmen die erforderliche Gesetzgebungskompetenz besaß. Siehe dazu H. Sodan, Arzneimitteltherapie und Arzneimittelsicherheit. Zur Einschränkbarkeit der erlaubnisfreien Arzneimittelherstellung durch Heilberufsangehörige zur Anwendung an eigenen Patienten (§ 13 Abs. 2b AMG), 2019, S. 18 ff. 144 Siehe dazu etwa BVerfGE 135, 90 (111 Rn. 57); 141, 82 (98 Rn. 47); 141, 121 (133 Rn. 40). 145 Siehe dazu T. Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 137 ff.; H. Sodan, NJW 2003, 257 (258 ff.). 146 Vgl. dazu BVerfGE 7, 377 (405 ff.). 147 BVerfGE 7, 377 (405 f.). 148 Siehe etwa BVerfGE 68, 272 (282); 61, 291 (312); 106, 181 (192); 109, 64 (85); 117, 163 (182); 121, 317 (346); 122, 190 (206).

D. Verfassungsrechtliche Grenzen für Reformvorhaben

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Aspekte wie etwa die Berufsqualifikation.149 Allerdings ist das Gericht auch dazu übergegangen, gesetzliche Altersgrenzen, welche die berufliche Betätigung betreffen, als subjektive Berufszulassungsvoraussetzungen einzuordnen.150 Solche subjektiven Berufszulassungsvoraussetzungen sollen „nur zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft“ sein.151 Objektive Bedingungen der Berufszulassung sind dagegen „dem Einfluß des Einzelnen schlechthin entzogen“.152 Zur Rechtfertigung solcher Eingriffe hat das Bundesverfassungsgericht im ApothekenUrteil von 1958 ausgeführt: „Dem Sinn des Grundrechts wirken sie strikt entgegen, denn sogar derjenige, der durch Erfüllung aller von ihm geforderten Voraussetzungen die Wahl des Berufes bereits real vollzogen hat und hat vollziehen dürfen, kann trotzdem von der Zulassung zum Beruf ausgeschlossen bleiben. […] Durch die Wahl dieses gröbsten und radikalsten Mittels der Absperrung fachlich und moralisch (präsumtiv) voll geeigneter Bewerber vom Berufe kann so […] der Freiheitsanspruch des Einzelnen in besonders empfindlicher Weise verletzt werden. Daraus ist abzuleiten, daß an den Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Freiheitsbeschränkung besonders strenge Anforderungen zu stellen sind; im allgemeinen wird nur die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut diesen Eingriff in die freie Berufswahl legitimieren können“.153 Eine vollständige Beseitigung des Berufs des Heilpraktikers für die Zukunft wäre, ganz gleich auf welche Weise sie erfolgen würde, ein tiefer Einschnitt in die Berufswahlfreiheit möglicher Anwärter. Ferner ergäben sich erhebliche Beeinträchtigungen der bereits tätigen Heilpraktiker. Weil die Zugangshindernisse voraussichtlich von Kriterien abhängig gemacht würden, deren Erfüllung den Berufsangehörigen entzogen wäre, müssten sie als objektive Schranke der Berufswahl eingestuft werden. Würde die Tätigkeit der Heilpraktiker vollständig vereitelt und der Zugang zum Beruf blockiert, hätten diese keine Möglichkeiten, durch eigenes Zutun, etwa durch den Erwerb von Qualifikationen, einen Eintritt oder Verbleib in ihrem Berufsfeld erreichen zu können. Zur Rechtfertigung objektiver Zulassungsbeschränkungen bedarf es nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut. Als ein solcher Gemeinwohlbelang kommt hier der Schutz der Gesundheit der Patienten in Betracht.154 In anderen Konstellationen hat die Recht149

BVerfGE 7, 377 (406 f.). Siehe aus der jüngeren Rechtsprechung BVerfG (Kammerbeschl.), NZS 2008, 311 f.; NJW 2008, 1212 (1213); NVwZ 2013, 1540 (1541); vgl. dazu auch BVerfG (Kammerbeschl.), NVwZ 2007, 804. 151 BVerfGE 93, 213 (235); 117, 126 (138); vgl. ferner BVerfGE 123, 186 (239). 152 BVerfGE 7, 377 (407). 153 BVerfGE 7, 377 (407 f.). 154 Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Erlaubnisvorbehalts gemäß § 1 Abs. 1 HeilprG wird auf den Schutz der Gesundheit der potenziellen Patienten bzw. der Bevölkerung 150

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2. Teil: Zum Entfall des Heilpraktikerberufs

sprechung den Schutz der Gesundheit der Patienten als ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut qualifiziert, welches ausreicht, um Eingriffe auf der zweiten Prüfungsstufe (subjektive Berufswahlvoraussetzungen) zu rechtfertigen.155 Indessen lässt sich die Gesundheit der Patienten genauso als überragend wichtiger Gemeinschaftsbelang begreifen. Leben und körperliche Unversehrtheit stellen hochrangige Güter dar, die eines besonderen rechtlichen Schutzes bedürfen. Es ist daher evident, dass die Wahrung der Patientensicherheit grundsätzlich tauglich ist, um einen Maßstab für die Rechtfertigung objektiver Berufswahlvoraussetzungen zu bilden. Ein legitimer Zweck für den Entfall des Heilpraktikerberufs könnte mithin nur in dem Schutz der Gesundheit der Patienten liegen. Im Hinblick auf deren Gesundheit müssten hier nachweisbare oder höchstwahrscheinliche schwere Gefahren bestehen. Genau daran fehlt es jedoch. Objektiv nachweisbare oder höchstwahrscheinliche schwere Gefahren für Leben oder körperliche Unversehrtheit als Folgen der Tätigkeit von Heilpraktikern lassen sich nicht darlegen; bislang ist es – soweit ersichtlich – nur in wenigen Einzelfällen durch Behandlungen zu Schäden gekommen. Für die Annahme generell erhöhter Gesundheitsrisiken durch Behandlungen von Heilpraktikern besteht objektiv kein Anlass. Jedenfalls dürften sich die Behandlungsrisiken nicht wesentlich von denen im ärztlichen oder zahnärztlichen Bereich unterscheiden; dort würde die abstrakte Gefahr gesundheitlicher Schädigungen keinesfalls zu der Überlegung führen, jeweils den gesamten Berufsstand zur Disposition zu stellen. Es wäre deshalb verfehlt, bei anderen Heilberufsangehörigen höhere Sicherheitsmaßstäbe zu fordern, zumal eine Heilbehandlung am menschlichen Körper niemals vollkommen risikofrei sein kann. Von nachweisbaren oder höchstwahrscheinlichen schweren Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut kann nach alledem bei der Ausübung von Heilkunde durch Heilpraktiker nicht ausgegangen werden. Demnach wäre schon ein hinreichender legitimer Zweck für die vollständige Beseitigung des Berufs des Heilpraktikers nicht gegeben. b) Geeignetheit Hilfsweise sollen nachfolgend auch die übrigen Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber im Rahmen von dessen wirtschafts-, arbeits- und sozialpolitischen Entscheidungsfreiheit einen grundsätzlich nicht nachprüfbaren Prognosespielraum bzw. eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Ungewissheit über die Auswirkungen eines Gesetzes eingeräumt und sich darauf beschränkt, unter Berücksichtigung des zu prüfenden Sachbereichs, der Beurteilungsmöglichkeit und der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter eine Evidenzkontrolle156, eine Vertretbarkeitskontrolle157 gestützt. Siehe dazu etwa BVerfGE 78, 179 (192); BVerwGE 66, 367 (371 f.); vgl. auch bereits BVerwG, NJW 1958, 833 (834). 155 Siehe dazu BVerfGE 9, 338 (346); 13, 97 (107); 25, 236 (247); 78, 179 (192). 156 Vgl. BVerfGE 37, 1 (20); 40, 196 (223).

D. Verfassungsrechtliche Grenzen für Reformvorhaben

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oder eine weitgehende inhaltliche Kontrolle158 durchzuführen. Der vom Gesetzgeber angestrebte Erfolg muss aber bei einer ex-ante-Betrachtung zumindest als möglich erscheinen.159 Das eingesetzte Mittel ist nicht geeignet und daher unverhältnismäßig, wenn es „objektiv untauglich“160, „objektiv ungeeignet“161 oder „schlechthin ungeeignet“162 ist. Legt man diesen großzügigen Maßstab zugrunde, mag der Ausschluss der Heilpraktiker aus der Versorgung als geeignetes Mittel zum Schutz der Bevölkerung von unsachgemäßen Behandlungen erscheinen, weil eine Verengung auf eine Versorgung durch akademisch ausgebildete Ärzte jedenfalls nicht schlechthin untauglich wäre, um diese Zielsetzung zu erreichen. c) Erforderlichkeit Erweist sich ein staatliches Mittel als geeignet, so folgt die Prüfung der Erforderlichkeit. Das gewählte Mittel ist erforderlich, wenn sich der Zweck der staatlichen Maßnahme nicht durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreichen lässt, welches das betroffene Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkt.163 Es kommt also darauf an, ob ein „milderes Mittel“ ersichtlich ist,164 welches aber eben die gleiche Effektivität aufweisen muss. Im Hinblick auf den Beruf des Heilpraktikers könnten die Gesetzgeber auf Bundes- bzw. Landesebene ihre Freiräume nutzen und Ausbildungsstrukturen sowie Standards entweder selbst vorgeben oder zumindest durch gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend bestimmte Ermächtigungen Verordnungsgeber hierzu legitimieren. Bislang sind die Ausbildungsstrukturen der Heilpraktiker mit denen der Ärzte kaum vergleichbar. Während bei den Heilpraktikern keine vollharmonisierten Standards der Ausbildung bestehen und deshalb meist fachrichtungsspezifische Qualifikationen erworben werden165, unterliegen Studierende der (Human-)Medizin zunächst bundesweit fachlich harmonisierten Anforderungen; besondere Fachausprägungen des Arztberufs sind erst in einem späteren Stadium als besondere Wei-

157

Vgl. BVerfGE 25, 1 (12 ff.); 30, 250 (263); 50, 290 (333 f.); 77, 84 (106). Vgl. BVerfGE 7, 377 (415); 17, 269 (276 ff.); 45, 187 (237 ff.). 159 Vgl. BVerfGE 25, 1 (12 f.); 30, 250 (263); 67, 157 (175); 96, 10 (23). 160 BVerfGE 16, 147 (181); BVerfG (Kammerbeschl.), NJW 2011, 1578 (1580). 161 BVerfGE 17, 306 (317) betr. Mitfahrerzentralen (Untauglichkeit des Mittels bejaht). 162 BVerfGE 19, 119 (127); 73, 301 (317). 163 Vgl. etwa BVerfGE 30, 292 (316); 78, 38 (50); 90, 145 (172); 126, 112 (144 f.); 135, 90 (118 Rn. 74). 164 So ausdrücklich BVerfGE 91, 207 (222). 165 Vgl. dazu die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP im Landtag Nordrhein-Westfalen vom 6. 9. 2016 mit dem Titel „Für die Patientensicherheit Anforderungen für die Berufsausübung von Heilpraktikern erhöhen“, LT-Drucks. 16/12846, S. 1 f. 158

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terbildungsmöglichkeiten konzipiert.166 Mit dem Aufbau einheitlicher Mindeststandards an die Ausbildungsverläufe für angehende Heilpraktiker könnte das Vertrauen in die Integrität und fachliche Qualifikation der Heilpraktiker gestärkt werden. Solche Mindeststandards müssten im Berufsrecht der Heilpraktiker ausdrücklich festgeschrieben sein, wobei nicht erforderlich ist, dass dies auf der Ebene des formellen Gesetzes zu erfolgen hätte.167 Weil sich auch hier erhebliche Eingriffe in die bisherigen Berufsstrukturen ergäben, sollten die Ausbildungsstrukturen allerdings in Kooperation mit den Interessenverbänden und den Ausbildungsstätten der Heilpraktiker angepasst werden. Neben der Stärkung der Ausbildungsstrukturen kommt aus staatlicher Perspektive die institutionelle Einrichtung einer Qualitätssicherung für den Sektor der Heilpraktiker in Betracht. Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen die Vertrags(zahn)ärzte einem umfassenden System verschiedener Maßnahmen zur Qualitätssicherung und zur Stärkung von Transparenz. Realisiert wird die Qualitätssicherung einerseits durch regelmäßige oder anlassbezogene Prüfungen, aber auch durch Berichts-, Melde- und Auskunftspflichten.168 Es könnte geprüft werden, welche Maßnahmen sich möglicherweise auf die Heilpraktiker übertragen ließen. Die beiden explizit genannten Möglichkeiten stellen nur einen kleinen Ausschnitt denkbarer Maßnahmen dar, wie die Sicherheit und die fachliche Integrität der Versorgung durch Heilpraktiker verbessert werden könnte, ohne den gesamten Berufsstand aus der Versorgung zu drängen. Ein derart radikales Mittel kann deshalb nicht erforderlich sein. d) Angemessenheit Ferner ist eine Ermittlung der Zweck-Mittel-Relation zwischen dem verfolgten Zweck der (hier hypothetischen) staatlichen Maßnahmen und der Intensität der (denkbaren) Grundrechtseingriffe169 geboten. Das Bundesverfassungsgericht sieht den Sinn dieser letzten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung darin, „die als geeignet und erforderlich erkannten Maßnahmen einer gegenläufigen Kontrolle im Blick darauf zu unterwerfen, ob die eingesetzten Mittel unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkungen für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz ste166

M. Kenntner, NVwZ 2020, 438 (439). Siehe hierzu noch ausführlicher unten S. 93. 168 Meldepflichten bestehen allerdings bereits heute, ungeachtet dessen, ob der Gesundheitsberuf verkammert ist oder nicht. Hinzuweisen ist etwa auf § 12 Abs. 1 des schleswigholsteinischen Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst (Gesundheitsdienst-Gesetz – GDG) vom 14. 12. 2001 (GVOBl. 2001, S. 398) i. V. m. § 2 der schleswig-holsteinischen Landesverordnung über Gesundheitsberufe vom 9. 12. 2019 (GVOBl. 2019, S. 641). 169 Siehe dazu etwa H. Sodan/J. Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, 8. Aufl. 2018, § 24 Rn. 44. 167

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hen“.170 Die Prüfung der Angemessenheit muss bei der Untersuchung der Berufsfreiheit den Modifikationen der Drei-Stufen-Theorie gerecht werden. Eine sich aus der beruflichen Tätigkeit der Heilpraktiker generell ergebende nachweisbare oder höchstwahrscheinliche schwere Gefahr für die Gesundheit der Patienten kann nicht ermittelt werden.171 Demgegenüber würde ohne Not einer Vielzahl von Berufsangehörigen die Grundlage ihres Erwerbs genommen. In Deutschland gibt es derzeit etwa ca. 47.000 Heilpraktiker, die, ohne eine Bestallung innezuhaben, Heilkunde praktizieren.172 Wenngleich die Zahl der praktizierenden Ärzte höher liegt, handelt es sich bei den Heilpraktikern doch um eine wirtschaftlich bedeutende Berufsgruppe, der ihre Existenzberechtigung genommen würde. Im Übrigen wäre den Patienten mit einem Wegfall der Tätigkeit von Heilpraktikern nicht geholfen. Denn diese nehmen eine besondere Funktion für das deutsche Gesundheitswesen wahr. Sie fokussieren sich, ausweislich ihres eigenen Berufsethos, auf eine ganzheitliche Behandlung der Patienten, die mit einem hohen Zeitaufwand und umfassenden Beratungsleistungen verbunden ist.173 Gleichwohl finden Behandlungen am menschlichen Körper, auch unter Zuhilfenahme von medizinischtechnischen Mitteln wie etwa Spritzen oder Akupunkturnadeln, statt. Typisch für die Tätigkeit von Heilpraktikern sind ferner homöopathische bzw. naturheilkundliche Therapieansätze.174 Dieser vage Umriss zeigt, dass hier ein Versorgungsbereich besteht, der nicht als Konkurrenz zur ärztlichen Versorgung, sondern als Ergänzung zu dieser verstanden werden muss, was sich nicht zuletzt in einer gelebten Praxis kooperativen Zusammenwirkens von Ärzten und Heilpraktikern offenbart.175 Für welche Versorgungsform sich die Menschen in welcher Situation entscheiden, bleibt der eigenverantwortlichen Entscheidung jedes Einzelnen überlassen. Mit einem Entfall des Heilpraktikerberufs wäre das Ziel des Gesundheitsschutzes nicht gestärkt, sondern geradezu konterkariert. Auch die Angemessenheit etwaiger Maßnahmen müsste nach alledem verneint werden.

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BVerfGE 90, 145 (185). Siehe hierzu bereits oben S. 52. 172 Siehe hierzu die Angaben des Bundes Deutscher Heilpraktiker e. V. (BDH) als wichtige Interessenvertretung des Berufsstandes, veröffentlicht unter: http://www.heilpraktiker-fakten. de/wp-content/uploads/2017/11/bdh_fakten-171114.pdf, S. 1, zuletzt aufgerufen am 27. 6. 2020. 173 Mit dieser Einschätzung steht in Einklang, dass circa 71 % der Heilpraktiker drei bis fünf Tage die Woche arbeiten und in diesem Zeitraum 12 bis 25 Patienten behandeln. Dazu ÄrzteZeitung vom 2. 1. 2018, Online-Ausgabe, veröffentlicht unter: https://www.aerztezeitung.de/ Wirtschaft/25-Patienten-die-Woche-fuer-Heilpraktiker-oft-die-Regel-313338.html, zuletzt aufgerufen am 25. 7. 2020. 174 Vgl. auch ÄrzteZeitung vom 2. 1. 2018, Online-Ausgabe, veröffentlicht unter: https:// www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/25-Patienten-die-Woche-fuer-Heilpraktiker-oft-die-Re gel-313338.html, zuletzt aufgerufen am 25. 7. 2020. 175 Vgl. dazu das Eckpunktepapier des Bundes Deutscher Heilpraktiker e. V. (BDH), veröffentlicht unter: http://www.heilpraktiker-fakten.de/wp-content/uploads/2017/11/bdh_fakten-1 71114.pdf, S. 2, zuletzt aufgerufen am 25. 7. 2020. 171

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2. Teil: Zum Entfall des Heilpraktikerberufs

3. Zwischenbefund Demnach wäre ein – in welcher Form auch immer vorgesehener – vollständiger Entfall des Heilpraktikerberufs nicht verhältnismäßig und verstieße deshalb gegen das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht der Berufsfreiheit. Entsprechende Reformvorhaben wären somit verfassungswidrig.

II. Bestandsschutz für bestehende Heilpraktikerpraxen sowie Berufsanwärter Fraglich ist darüber hinaus, ob sich bestehende Heilpraktikerpraxen sowie Berufsanwärter, die sich bereits in einer Ausbildung befinden, auf verfassungsrechtlichen Bestandsschutz berufen könnten. 1. Rechtsstaatlicher Vertrauensschutz Ein Bestandsschutz ist zunächst über die Geltendmachung von Vertrauensschutz denkbar. Vertrauensschutz für bereits tätige Heilpraktiker kann sich zunächst aus dem Rechtsstaatsprinzip ergeben, das als wichtiges Teilelement den Leitgedanken der Rechtssicherheit beinhaltet.176 Bei der Änderung von Normen ist zu beachten, dass das Vertrauen der Bürger in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung besonders schutzwürdig ist, da das Recht ohne dieses Vertrauen keine Anerkennung fände.177 Jede Enttäuschung von Vertrauen muss daher durch die Änderungsinteressen aufgewogen werden. Übergangs-, Entschädigungs- und Ausnahmebestimmungen sind typische Mittel, um den Bestandsinteressen Rechnung zu tragen. Vertrauensschutz setzt aber schutzwürdiges Vertrauen voraus. „Die allgemeine Erwartung des Bürgers, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich jedoch nicht geschützt“.178 Aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteter Vertrauensschutz kommt regelmäßig nur bei rückwirkenden Reformen, nicht aber für rein zukünftige Tatbestände in Betracht, weil ansonsten die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unzulässig verkürzt würde.179

176 M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 122 m. w. N. 177 Vgl. BVerfGE 133, 143 (158 Rn. 41). 178 BVerfGE 105, 17 (40). 179 M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 139.

D. Verfassungsrechtliche Grenzen für Reformvorhaben

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2. Ableitung von Vertrauensschutz aus der Eigentumsgarantie Das Bundesverfassungsgericht „hat wiederholt ausgesprochen, daß es eine wesentliche Funktion der Eigentumsgarantie ist, dem Bürger Rechtssicherheit hinsichtlich der durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Rechtsgüter zu gewährleisten und das Vertrauen auf das durch die verfassungsmäßigen Gesetze ausgeformte Eigentum zu schützen. Insoweit hat der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes für die vermögenswerten Güter im Eigentumsgrundrecht eine eigene Ausprägung und verfassungsrechtliche Ordnung erfahren […]. Die Eigentumsgarantie erfüllt daher für die durch sie geschützten Rechtspositionen die Funktion des Vertrauensschutzes gegenüber Eingriffsakten“.180 Gleichzeitig betonte das Bundesverfassungsgericht, auch wenn der Schutz des Vertrauens in erworbene Eigentumspositionen in Art. 14 Abs. 1 GG eine eigene Ausprägung erfahre, so wurzele er weiterhin „in dem Gedanken der Rechtssicherheit und mithin im Rechtsstaatsprinzip“.181 In früherer Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht die besondere Ausprägung des Vertrauensschutzes in Art. 14 Abs. 1 GG hervorgehoben, die sich nicht nur in einer besonderen verfassungsdogmatischen Herleitung erschöpfe, sondern zudem eine höhere Schutzintensität gegenüber dem Vertrauen des Eigentumsinhabers in den Fortbestand seiner erworbenen Eigentumspositionen beinhalte. Daher gehe der Vertrauensschutz aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG „über den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz hinaus“.182 Die Motive des Gesetzgebers, in bestehende Eigentumspositionen rückwirkend einzugreifen, „müssen so schwerwiegend sein, daß sie Vorrang haben vor dem Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand seines Rechts, das durch die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gesichert wird“.183 Das Vertrauensschutzprinzip gebietet also eine „Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des Einzelnen und der Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit“.184 Der besondere eigentumsgrundrechtliche Vertrauensschutz ist dahingehend auszulegen, dass auch unecht rückwirkende Eingriffe in Eigentumspositionen (also Einwirkungen auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft) nicht grundsätzlich als zulässig zu werten sind, sondern nur gerechtfertigt sein können, wenn der Eingriffszweck das schutzwürdige Vertrauen des 180 BVerfGE 76, 220 (244 f.); vgl. ferner BVerfGE 45, 142 (168); 53, 257 (309); 143, 246 (341 f. Rn. 268); BVerfG (Kammerbeschl.), NVwZ 2017, 702; NVwZ 2017, 705 (707); BSG, SGb 1992, 508 (513). 181 BVerfGE 45, 142 (174). 182 BVerfGE 58, 81 (121). Die Gleichsetzung von rechtsstaatlichem und eigentumsgrundrechtlichem Vertrauensschutz würde die Bedeutung der Bestandsgarantie des Eigentums als Wurzel des eigentumsgrundrechtlichen Vertrauensschutzes nicht in angemessener Weise würdigen und gegen das für die Eigentumsgarantie geltende Sozialmodell verstoßen. 183 BVerfGE 83, 201 (212); fast wortgleich BVerfGE 143, 246 (342 Rn. 269). 184 BVerfGE 70, 101 (114); vgl. ferner BVerfGE 58, 81 (121); 64, 87 (104); 69, 272 (310); 76, 220 (245); BSG, SGb 1992, 508 (513).

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2. Teil: Zum Entfall des Heilpraktikerberufs

Rechtsinhabers überwiegt; dies gilt selbstverständlich erst recht für Eingriffe mit echter Rückwirkung (also in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände durch nachträgliche Änderungen von Normen).185 Zum Schutz des begründeten Vertrauens des Bürgers forderte das Bundesverfassungsgericht regelmäßig angemessene Übergangsfristen für Neuregelungen, die alte Eigentumspositionen schmälern oder aufheben.186 In späteren Entscheidungen betonte das Bundesverfassungsgericht zwar weiterhin die Notwendigkeit eines besonderen Rechtfertigungsgrundes für die Enttäuschung eines begründeten Vertrauens in den Fortbestand eigentumsgrundrechtlicher Positionen, rückte jedoch inhaltlich von diesem spezifischen Vertrauensschutz ab. Das Gericht prüfte den Schutz des Vertrauens des betroffenen Bürgers äußerlich anhand der Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, inhaltlich aber nach den allgemeinen Regeln des Rückwirkungsverbots. Es verabschiedete sich materiell vom Grundsatz des besonderen Vertrauensschutzes gegenüber von der Eigentumsgarantie geschützten Rechtspositionen.187 In seinem grundlegenden Urteil vom 6. Dezember 2016 zur Beschleunigung des Atomausstiegs hat das Bundesverfassungsgericht diese neuere Formel besonders hervorgehoben.188 Insoweit kann uneingeschränkt auf die Ausführungen zum rechtsstaatlichen Vertrauensschutz verwiesen werden. 3. Gegenwärtiger Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs Fraglich ist aber, ob sich Bestandsschutz aus einer gegenwärtig bestehenden Eigentumsposition ergeben kann. Als verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition kommt das sogenannte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht. Umstritten ist, ob dieses Recht vom Schutzbereich der Eigentumsga-

185

Vgl. etwa BVerfGE 122, 374 (394); BVerfG (Kammerbeschl.), NVwZ 2017, 702 (703). BVerfGE 53, 336 (351); 58, 300 (351); 83, 201 (213). 187 Siehe etwa BVerfGE 95, 64 (86); 97, 378 (389); 98, 17 (39); 101, 239 (262). 188 Dort (BVerfGE 143, 246 [342 Rn. 269]) betonte das Bundesverfassungsgericht erneut, dass „der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes“ in Art. 14 Abs. 1 GG „für vermögenswerte Güter eine eigene Ausprägung erfahren“ habe, fügte aber hinzu: „Der Gesetzgeber darf nicht nur nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Eigentumsrechten einen neuen Inhalt geben. Ebenso wie er neue Rechte einführen darf, kann er auch das Entstehen von Rechten, die nach bisherigem Recht möglich waren, für die Zukunft ausschließen. Die Eigentumsgarantie gebietet nicht, einmal ausgestaltete Rechtspositionen für alle Zukunft in ihrem Inhalt unangetastet zu lassen […]. Selbst die völlige Beseitigung bisher bestehender, durch die Eigentumsgarantie geschützter Rechtspositionen kann unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein […]. Die Gründe des öffentlichen Interesses, die für einen solchen Eingriff sprechen, müssen so schwerwiegend sein, dass sie Vorrang haben vor dem Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand seines Rechts, das durch den Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG innewohnenden Bestandsschutz gesichert wird […]. Die völlige, übergangs- und ersatzlose Beseitigung einer Rechtsposition kann jedenfalls nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht kommen“. 186

D. Verfassungsrechtliche Grenzen für Reformvorhaben

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rantie umfasst ist.189 Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als besondere Schutzbereichsausprägung wurde in der zivilgerichtlichen Judikatur entwickelt und dem Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG unterstellt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs soll es nicht nur den eigentlichen Bestand des Gewerbebetriebes, sondern auch dessen einzelne Erscheinungsformen unter Einschluss des gesamten gewerblichen Tätigkeitskreises umfassen; dazu zählten die Betriebsgrundstücke und -räume sowie die Einrichtungsgegenstände, Warenvorräte und Außenstände, zugleich aber auch „geschäftliche Verbindungen, Beziehungen, der Kundenstamm, kurz alles das, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des konkreten Gewerbebetriebes“ ausmache.190 Dieser weiten Auslegung ist das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 1987 mit dem Hinweis entgegengetreten, ein Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes würde „jedenfalls nicht bloße (Umsatz- und Gewinn-)Chancen und tatsächliche Gegebenheiten umfassen […] wie die bestehenden Geschäftsverbindungen, den erworbenen Kundenstamm oder die Marktstellung“.191 Schon früher hatte das Bundesverfassungsgericht gezweifelt, „ob der Gewerbebetrieb als solcher die konstituierenden Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs aufweist“.192 Sein Schutz könne jedenfalls „nicht weiter gehen als der Schutz, den seine wirtschaftliche Grundlage genießt“.193 Einer übermäßigen, durch Art. 14 Abs. 1 GG nicht gedeckten Ausweitung des Eigentumsschutzes im Betriebsbereich lässt sich jedoch vom Eigentumsinhalt her begegnen, indem die durch Art. 14 Abs. 1 GG nicht geschützten (Erwerbs-)Chancen sorgfältig von den Eigentumspositionen abgegrenzt werden; Schwierigkeiten bei dieser Abgrenzung dürfen nicht dazu verleiten, kurzerhand den Eigentumsschutz des Betriebes zu opfern.194 Dem Einwand, das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb finde seine Grundlage nicht in einer Inhaltsbestimmung des Ei-

189

Bejahend etwa O. Depenheuer/J. Froese, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 133 ff.; W. Leisner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 198 ff.; H.-J. Papier/F. Shirvani, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 14 Rn. 200 ff. (Stand der Kommentierung: April 2018). Kritisch B.-O. Bryde, in: von Münch/ Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 14 Rn. 18 ff. Ablehnend H.-J. Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 63. 190 BGHZ 23, 157 (162 f.); 45, 150 (155); vgl. ferner BGHZ 48, 65 (66); 55, 261 (263); 67, 190 (192); 81, 21 (33); 92, 34 (37); BVerwGE 62, 224 (226). 191 BVerfGE 77, 84 (118); vgl. ferner BVerfGE 68, 193 (223); 81, 208 (227 f.); BVerwGE 95, 341 (348 f.). 192 BVerfGE 51, 193 (221); vgl. auch BVerfGE 13, 225 (229); 66, 116 (145). 193 BVerfGE 58, 300 (353); vgl. ferner BVerfGE 68, 192 (222 f.); BVerfG (Kammerbeschl.), NVwZ 2008, 772 (773). 194 H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, S. 254.

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2. Teil: Zum Entfall des Heilpraktikerberufs

gentums durch den Gesetzgeber, sondern ausschließlich im Richterrecht,195 ist entgegenzuhalten: Die eigentumsrechtliche Zuordnung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB „ist durch den Gesetzgeber erfolgt und richterrechtlich ausgeformt. Richterrecht gegenüber der gesetzlichen Grundlage zu verselbständigen und Betriebseigentum sodann mangels gesetzlicher Regelung den Eigentumsschutz zu versagen, stellt die gerichtliche Interpretationskompetenz ebenso in Frage wie die rechtsstaatliche Tatbestandswirkung höchstrichterlicher Gesetzesinterpretation“.196 Soweit es um den Eigentumsschutz eines einzelnen vermögenswerten Rechts geht, bedarf es allerdings keines Rückgriffs auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Gewinnchancen, die sich in keiner Weise als rechtliche Vermögensbestandteile qualifizieren lassen, sind nicht durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt. Anders verhält es sich jedoch, wenn zum Gewerbebetrieb gehörende Rechtsbestandteile beschränkt werden, die für die Gewinnerhaltung essenziell sind, wie etwa das den Gemeingebrauch und damit den Kundenzufluss sichernde Anliegerrecht. Die zum Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb entwickelten Grundsätze können auch auf andere Einrichtungen wie etwa die Praxen Freier Berufe übertragen werden; daher lässt sich aus Art. 14 Abs. 1 GG ein verfassungsrechtlicher Schutz des Betriebseigentums ableiten.197 Wie bereits dargelegt wurde, üben auch selbständige Heilpraktiker einen Freien Beruf aus.198 4. Mindestanforderungen des Bestandsschutzes Fraglich ist indessen, ob sich für bestehende Heilpraktikerpraxen sowie für Berufsanwärter aus diesen Überlegungen konkrete Mindestanforderungen für den Bestandsschutz ableiten lassen. Angesichts des restriktiven Vertrauensschutzes sowohl aus dem Rechtsstaatsprinzip, das grundsätzlich nur rückwirkende Normsetzung abmildert, als auch der Eigentumsgarantie, deren Vertrauenstatbestand von der jüngeren Rechtsprechung stark zurückgedrängt worden ist, stellt sich die Frage, ob es überhaupt Bestandsschutz für die genannten Gruppen geben kann. Ausgehend von dem richterrechtlich anerkannten Recht auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb lassen sich Aspekte des Bestandsschutzes darlegen. 195 So H.-J. Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 63. 196 O. Depenheuer/J. Froese, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 134. 197 Siehe hierzu etwa O. Depenheuer/J. Froese, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 133 ff.; W. Leisner, Eigentum, 1994, S. 24 ff.; ders., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 198 ff.; H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, S. 253. 198 Vgl. oben S. 22.

E. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse

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Für bereits in selbständiger Tätigkeit praktizierende Heilpraktiker würde der Entfall des Berufsstandes nämlich regelmäßig die ersatzlose Vernichtung der Existenzgrundlage bedeuten, die neben dem zuvor geprüften schweren Eingriff in die Berufsfreiheit auch zu einem schweren Eingriff in die Eigentumsgarantie führen würde, der nicht kompensationslos hinzunehmen wäre. Weil keine adäquate Kompensationsmöglichkeit in Betracht käme, müsste den Berufsangehörigen schon zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zugestanden werden, das selbständige Ausüben der Heilkunde weiter fortzusetzen, um ihre Eigentumspositionen nicht vollständig zu entwerten. Bereits die vorkonstitutionelle Rechtslage sah eine Übergangsregelung nach Einführung des Erlaubnisvorbehalts vor: § 1 Abs. 3 HeilprG erlaubte denjenigen, welche die Heilkunde vor Schaffung des Erlaubnisvorbehalts berufsmäßig ausgeübt haben und weiterhin ausüben wollten, dies auch zukünftig zu tun und nach Maßgabe der Durchführungsbestimmungen die Erlaubnis zu erhalten; sie mussten allerdings die Berufsbezeichnung „Heilpraktiker“ führen. Nach heutigen Maßstäben ist diese Kompensationsregelung wirkungslos geworden199, weil die Erlaubnis in verfassungskonformer Auslegung des Heilpraktikergesetzes bei Nichtvorliegen eines Versagungsgrundes regelmäßig erlangt werden kann. Zu überlegen ist, ob Ähnliches auch für Berufsanwärter gelten würde, die bereits Dispositionen getroffen und Ausbildungswege beschritten haben. Allerdings fehlt es bei diesem Personenkreis an einer gefestigten Eigentumsposition. Ferner wären Kompensationen in diesem Stadium noch eher in Betracht zu ziehen. Vor diesem Hintergrund könnten sich Berufsanwärter hier nicht auf Art. 14 Abs. 1 GG berufen.

III. Zwischenbefund Zusammenfassend ist festzustellen, dass es verfassungswidrig wäre, den Heilpraktikerberuf in Zukunft entfallen zu lassen. Rechtstechnisch kämen verschiedene Möglichkeiten in Betracht, um dieses Ziel zu erreichen, von denen jedoch keine mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar wäre.

E. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse Nach alledem lassen sich wesentliche Ergebnisse des zweiten Teils in folgenden Leitsätzen zusammenfassen: 1. Inhaltlich regelt das Heilpraktikergesetz nicht mehr als eine Erlaubnispflicht für das eigenverantwortliche Praktizieren von Heilkunde sowie Sanktionen, sofern ohne eine solche Erlaubnis Heilkunde ausgeübt wird. Nach § 1 Abs. 1 HeilprG steht 199

P. Schelling, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 3. Auflage 2018, § 1 HeilprG Rn. 30.

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2. Teil: Zum Entfall des Heilpraktikerberufs

die Ausübung der Heilkunde durch Personen, die nicht als Arzt „bestallt“ sind, also nicht über eine ärztliche Approbation verfügen, unter dem Vorbehalt einer behördlichen Erlaubnis. Unter der erlaubnispflichtigen Ausübung von Heilkunde wird nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 2 HeilprG jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen verstanden, auch dann, wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird. Offenkundig hat der Gesetzgeber beabsichtigt, sämtliche Heilkunde, die nicht von der Ärzteschaft betrieben wird, möglichst lückenlos einem behördlichen Erlaubnisvorbehalt zu unterwerfen. a) Nach heutigem Verständnis stellt die in § 1 Abs. 1 HeilprG geregelte Erlaubnispflicht ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt dar und verlangt nach ihrem Wortlaut nur die Zielsetzung der beruflich oder gewerblich ausgeübten Tätigkeit, physische und psychische Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen zu heilen oder zu lindern. Diesem Zweck werden allerdings nach laienhafter Betrachtung alle Ausübungsformen von Heilkunde gerecht. Der Wortlaut der Definition hat daher Auffangcharakter für sämtliche Formen von Behandlungen am Menschen. Die Erlaubnispflicht für Heilberufe außerhalb der Ärzteschaft ist im Zeitpunkt ihrer Einführung als eine zu der bis dato weitreichenden Kurierfreiheit korrelierende Maßnahme verstanden worden. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in früher Rechtsprechung formuliert, einer ungehemmten Kurierfreiheit sollte „mit dem Heilpraktikergesetz entgegengetreten werden“. Ursprünglich sollte zugleich das Fernziel verfolgt werden, sämtliche Tätigkeiten dem Erlaubnisvorbehalt zu unterwerfen und durch eine restriktive Entscheidungspraxis den Berufsstand vollständig auslaufen zu lassen. b) Die Rechtsprechung reichert die Definition der Heilkunde um zwei weitere, ungeschriebene Elemente an, die für die Anwendung des Erlaubnisvorbehalts kumulativ erfüllt sein müssen. Zunächst stellt die Judikatur ein qualifizierendes Element als ungeschriebene, zusätzliche Voraussetzung auf. Sie verlangt, dass Tätigkeiten, die eine Erlaubnispflicht auslösen, nach allgemeiner Auffassung medizinische oder heilkundliche Fähigkeiten voraussetzen. Nicht zu verlangen ist aber, dass ausnahmslos jede einzelne Behandlungsmethode der Gesamttätigkeit heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzt. Auch kommt es nicht auf ein rein quantitatives Überwiegen solcher Tätigkeit mit dem Erfordernis der Fachkunde, sondern auf eine ganzheitliche Betrachtung an. Selbst wenn nämlich die Ausübung der Tätigkeit keine heilkundlichen Fachkenntnisse erfordert, soll sie gleichwohl dem Erlaubnisvorbehalt des Heilpraktikergesetzes unterfallen, soweit sie Gesundheitsgefährdungen der Behandelten zur Folge haben kann. Umgekehrt sollen solche Verrichtungen, aus denen sich keine nennenswerten Gesundheitsgefährdungen ergeben können, nicht unter die Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes fallen, selbst wenn sie heilkundliche Fachkenntnisse erfordern. 2. In jedem Falle kann nur eindringlich davor gewarnt werden, die Erlaubnispflicht im Falle einer Neugestaltung der Rechtslage entfallen zu lassen. Zu be-

E. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse

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rücksichtigen ist, dass die Behandlung am Menschen mit erheblichen Gesundheitsgefahren verbunden sein kann. Die Prävention von Gefahren wäre bei einem ersatzlosen Wegfall des Erlaubnisvorbehalts nicht mehr zu gewährleisten. 3. Unmittelbar an die Abgrenzung, welche Behandlungsformen als ein Praktizieren von Heilkunde zu qualifizieren sind, knüpft die Frage an, ob Heilpraktiker, anders als Ärzte, verpflichtet sind, heilkundliche Behandlungen stets selbst durchzuführen oder ob Leistungen delegier- oder substituierbar sind. Unter welchen Umständen die Vorgaben für Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen auf die Heilpraktiker übertragbar sind, lässt sich nur schwer beantworten. Sofern die Vorgaben parallel zu den Ärzten entwickelt würden, müsste sich folgendes Bild ergeben: Die „Kernbereiche“ der heilkundlichen Tätigkeit verblieben bei den Heilpraktikern und wären nicht delegationsfähig. Sicherlich sollte abgewogen werden, ob der delegationsfeste Kern bei der Behandlung durch Heilpraktiker noch enger verstanden werden muss als bei den Ärzten. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass Heilpraktiker häufig den Blick auf eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung ihrer Patienten legen mit der Folge, dass sie deutlich mehr Behandlungszeit pro Patienten aufwenden können. Das Problem von Versorgungslücken würde sich in einem geringeren Maße als in der ärztlichen Versorgung stellen. Substitutionen von Heilpraktikerleistungen erscheinen vor diesem Hintergrund kaum vorstellbar, sodass hierauf im Zweifel zu verzichten wäre. 4. Eine Beseitigung des Heilpraktikerberufs würde schon rechtstechnisch zu Schwierigkeiten führen. Der Wegfall eines ganzen Berufsstands bedeutete faktisch ein Totalverbot. Eine Beseitigung der Heilpraktiker aus der Gesundheitsversorgung könnte auch ohne formales Totalverbot erfolgen, etwa indem sämtliche heilkundliche Tätigkeiten den Ärzten vorbehalten blieben. Es bestehen also verschiedene Möglichkeiten, die faktisch denselben oder zumindest einen ähnlichen Effekt erreichen könnten. a) Ein Trugschluss wäre es allerdings, durch die Aufhebung des Heilpraktikergesetzes und seiner Ersten Durchführungsverordnung den Heilpraktikern ihre zentrale Rechtsgrundlage „entziehen“ zu können. Aus dem Heilpraktikergesetz ergibt sich im Wesentlichen ein weit ausgelegter Erlaubnisvorbehalt. Dessen Entfall würde für die Heilpraktiker aber mitnichten zu dem Verlust ihrer Existenzberechtigung führen. Schon von Anfang an zielte der Erlaubnisvorbehalt auf die Disziplinierung des Gesundheitswesens durch Beendigung der weitreichenden Kurierfreiheit der Heilpraktiker. Wollte der Staat das Praktizieren von Heilkunde durch Heilpraktiker unterbinden, bedürfte es ausdrücklicher Verbote, alternativ Vorbehalte zugunsten anderer Berufsgruppen. Ein ausdrückliches Berufsausübungsverbot für Heilpraktiker müsste in Ermangelung einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes für diesen Bereich auf der Ebene der Länder geregelt werden. Dieser Weg wäre deshalb unrealistisch. Zum einen ist im föderalen Bundesstaat nämlich unwahrscheinlich, dass sich die Länder auf eine einheitliche Lösung einigen könnten. Zum anderen sind Totalverbote politisch sowie verfassungsrechtlich kaum begründbar.

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2. Teil: Zum Entfall des Heilpraktikerberufs

b) Näher läge deshalb eine „schleichende“ Aushöhlung des Heilpraktikerwesens durch Schaffung neuer Arztvorbehalte. Technisch hätte dies allerdings einen voraussichtlich hohen Gesetzgebungsaufwand zur Folge, weil in zahlreichen Fachgesetzen explizite Arztvorbehalte zu schaffen wären. Eine „schleichende“ Entwertung des Heilpraktikerberufs käme ferner durch eine Aushöhlung des Tätigkeitsbereichs in Betracht, etwa wenn der Beruf für sich genommen erlaubt bliebe, aber die Ausübung von Heilkunde am Menschen stark beschränkt würde. 5. Diese Feststellung soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit allen rechtstechnisch umsetzbaren Maßnahmen gewichtige Grundrechtseingriffe zulasten der Heilpraktiker erfolgen könnten, die einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürften. a) Eine Beseitigung des Berufsstandes der Heilpraktiker hätte zunächst einen schweren Eingriff in die verfassungsrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit zu Lasten der bereits tätigen Heilpraktiker zur Folge. Ein vollständiger Wegfall des Heilpraktikerberufs für die Zukunft wäre, ganz gleich auf welche Weise er erfolgen würde, ferner ein tiefer Einschnitt in die Berufswahlfreiheit möglicher Anwärter oder solcher Personen, die sich derzeit in einer Berufsausbildung mit dem Ziel des baldigen Berufseintritts befinden. Weil die Zugangshindernisse voraussichtlich von Kriterien abhängig gemacht würden, deren Erfüllung den Berufsangehörigen entzogen wäre, müssten sie nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Drei-Stufen-Theorie als objektive Schranken der Berufswahl eingestuft werden. b) Zur Rechtfertigung objektiver Zulassungsbeschränkungen bedarf es nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeingut. Als ein solcher Gemeinwohlbelang kommt hier der Schutz der Gesundheit der Patienten in Betracht. Leben und körperliche Unversehrtheit stellen hochrangige Güter dar, die eines besonderen rechtlichen Schutzes bedürfen. Im Hinblick auf die Gesundheit der Patienten müssten hier nachweisbare oder höchstwahrscheinliche schwere Gefahren bestehen. Genau daran fehlt es jedoch. Objektiv nachweisbare oder höchstwahrscheinliche schwere Gefahren für Leben oder körperliche Unversehrtheit als Folgen der Tätigkeit von Heilpraktikern lassen sich nicht darlegen; bislang ist es – soweit ersichtlich – nur in wenigen Einzelfällen durch Behandlungen zu Schäden gekommen. Für die Annahme generell erhöhter Gesundheitsrisiken durch Behandlungen von Heilpraktikern besteht objektiv kein Anlass. Jedenfalls dürften sich die Behandlungsrisiken nicht wesentlich von denen im ärztlichen oder zahnärztlichen Bereich unterscheiden; dort würde die abstrakte Gefahr gesundheitlicher Schädigungen keinesfalls zu der Überlegung führen, jeweils den gesamten Berufsstand zur Disposition zu stellen. Es wäre deshalb verfehlt, bei anderen Heilberufsangehörigen höhere Sicherheitsmaßstäbe zu fordern, zumal eine Heilbehandlung am menschlichen Körper niemals vollkommen risikofrei sein kann. Von nachweisbaren oder höchstwahrscheinlichen schweren Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut kann nach alledem bei der Ausübung von

E. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse

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Heilkunde durch Heilpraktiker nicht ausgegangen werden. Demnach wäre schon ein hinreichender legitimer Zweck für die vollständige Beseitigung des Berufs des Heilpraktikers nicht gegeben. c) Die hiermit verbundenen Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit wären im Übrigen weder erforderlich noch angemessen. Mit dem Aufbau einheitlicher Mindeststandards an die Ausbildungsverläufe für angehende Heilpraktiker könnte das Vertrauen in die Integrität und fachliche Qualifikation der Heilpraktiker gestärkt werden. Eine Beseitigung des Heilpraktikerberufs würde etwa 47.000 Heilpraktikern und damit einer wirtschaftlich bedeutenden Berufsgruppe in unzumutbarer Weise die Grundlage ihres Erwerbs nehmen. Demnach wäre ein – in welcher Form auch immer vorgesehener – vollständiger Entfall des Heilpraktikerberufs nicht verhältnismäßig und verstieße deshalb gegen das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht der Berufsfreiheit. Entsprechende Reformvorhaben wären somit verfassungswidrig. 6. Gegenüber solchen Bestrebungen könnte sich ferner ein verfassungsrechtlicher Bestandsschutz für Berufsangehörige und Berufsanwärter ergeben, die sich bereits in einer Ausbildung befinden. Aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteter Vertrauensschutz kommt regelmäßig nur bei rückwirkenden Reformen, nicht aber für rein zukünftige Tatbestände in Betracht, weil ansonsten die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unzulässig verkürzt würde. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann sich aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG kein weitergehender Vertrauensschutz ergeben. Gleichwohl entfaltet das Grundrecht der Eigentumsfreiheit Schutzwirkungen. Ausgehend von dem richterrechtlich anerkannten Recht auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb lassen sich Aspekte des Bestandsschutzes darlegen. Für bereits in selbständiger Tätigkeit praktizierende Heilpraktiker würde der Entfall des Berufsstandes nämlich die ersatzlose Vernichtung der Existenzgrundlage bedeuten, die neben dem zuvor geprüften schweren Eingriff in die Berufsfreiheit auch zu einem schweren Eingriff in die Eigentumsgarantie führen würde, der nicht kompensationslos hinzunehmen wäre. Weil keine adäquate Kompensationsmöglichkeit in Betracht käme, müsste den Berufsangehörigen schon zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zugestanden werden, das selbständige Ausüben der Heilkunde weiter fortzusetzen, um ihre Eigentumspositionen nicht vollständig zu entwerten. Bei Berufsanwärtern fehlt es allerdings an einer gefestigten Eigentumsposition. Ferner wären Kompensationen in diesem Stadium noch eher in Betracht zu ziehen. Vor diesem Hintergrund könnten sich Berufsanwärter hier nicht auf Art. 14 Abs. 1 GG berufen.

Dritter Teil

Zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis A. Einführung Mit den angedachten Umgestaltungen des Heilpraktikerwesens steht zwangsläufig auch die Möglichkeit zur Diskussion, eine Erlaubnis für einen abgrenzbaren Teilbereich der Heilkunde zu erhalten und auf deren Grundlage diesen Teilbereich eigenverantwortlich auszuüben. Auf den ersten Blick scheint es hier um ein Privileg zu gehen, welches den Ärzten und Zahnärzten berufsrechtlich gerade nicht zukommt200, den Heilpraktikern aber gewährt wird. Diese sogenannte sektorale oder beschränkte Heilpraktikererlaubnis ist bei genauerer Betrachtung keinesfalls als Privileg der Heilpraktiker zu verstehen, sondern schafft einen Kompromiss zwischen einerseits dem Anspruch an ein liberales Gesundheitssystem und andererseits einer verantwortungsbewussten Regulierung heilkundlicher Tätigkeiten.201 Rechtspolitisch hat es deshalb keinen Sinn, die sektorale Heilpraktikererlaubnis zu verwerfen, abgesehen davon, dass der Wegfall der Möglichkeit, eine heilkundliche Teilerlaubnis zu erlangen, zu einer signifikanten Verschlechterung für Anwärter solcher Ausübungsformen der Heilkunde führen würde, die bislang die sektorale Heilpraktikererlaubnis beanspruchen können, und deshalb im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtsrelevant wäre. Vielmehr müsste diese Erlaubnis auch in künftigen Neugestaltungen des Heilpraktikerberufs verankert werden. Ob aber die Möglichkeit, eine sektorale Heilpraktikererlaubnis erlangen zu können, auch rechtlich geboten ist, bedarf einer Untersuchung, die nachfolgend geleistet werden soll.

200 Die ärztliche Approbation ist nämlich nicht teilbar. Siehe dazu BVerwGE 134, 345 (349 Rn. 18); VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. 3. 2017 – 9 S 1899/16, juris Rn. 54. 201 Vgl. dazu aus der Rechtsprechung etwa BVerwGE 134, 345 (351 Rn. 20); BVerwG, Urteil vom 10. 10. 2019 – 3 C 15/17, juris Rn. 14. Die sektorale Heilpraktikererlaubnis soll nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts deshalb zugestanden werden, um systematische Unstimmigkeiten zu der Fachqualifikation von Ärzten abzumildern. Dazu noch ausführlicher unten S. 68 f.

B. Die sektorale Heilpraktikererlaubnis als Rechtsinstitut

67

B. Die sektorale Heilpraktikererlaubnis als richterrechtlich anerkanntes Rechtsinstitut Die sektorale Heilpraktikererlaubnis findet keine ausdrückliche Verankerung in den überschaubaren Vorgaben202 des Heilpraktikergesetzes, sondern gründet auf der richterlichen Rechtsfortbildung der in § 1 Abs. 1 HeilprG geregelten Erlaubnispflicht. Ob diese gemäß § 1 Abs. 1 HeilprG teleologisch dergestalt extensiv zu verstehen ist, stößt angesichts des Fehlens jeglicher Hinweise aus dem Wortlaut auf Bedenken.

I. Argumentation in der Rechtsprechung Tendenzen in der Judikatur, Teilbereiche des Heilpraktikerwesens aus dem Gesamtberufsbild auszuklammern, erkennen einige Autoren bereits in der Forderung des Bundesverwaltungsgerichts aus einem Urteil vom 10. Februar 1983, die Zuverlässigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Buchst. i DV-HeilprG daraufhin zu überprüfen, ob der Heilpraktiker „die Gewähr dafür bietet, daß er sich auch nach Erteilung der Erlaubnis auf die Heilkunde in der Form der Psychotherapie beschränken und die Abgrenzung der heilkundlichen Tätigkeit im Bereich der Psychotherapie von der ärztlichen Heilkunde beachten wird“203.204 Von einer sektoralen Erlaubniserteilung war in der genannten Entscheidung allerdings noch keine Rede. Von einer ausdrücklichen Anerkennung der sektoralen Heilpraktikererlaubnis kann seit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Januar 1993 gesprochen werden, in dem sich das Gericht wie folgt geäußert hat: „Daß das Heilpraktikergesetz und seine Durchführungsverordnungen eine inhaltlich beschränkte Erlaubnis nicht vorsehen, hält der Senat nicht mehr für ein Hindernis für ihre Erteilung. Weder dem Sinne noch dem Wortlaut nach enthält das Gesetz ein diesbezügliches Verbot. Freilich bestand bei Inkrafttreten des Heilpraktikergesetzes schon wegen der Absicht, die Kurierfreiheit zu beseitigen und die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ,nur in besonders begründeten Ausnahmefällen‘ (§ 2 Abs. 1 HeilprG) zu erteilen, auch kein Bedürfnis für eine inhaltlich beschränkte Erlaubnis. Zudem haben sich die Berufsbilder auf dem Sektor der Heilberufe seit dem Erlaß des Heilpraktikergesetzes in damals noch nicht erkennbarer Weise ausdifferenziert. So hat die spezielle heilkundliche Tätigkeit, die Anlaß gibt, die Vorschriften des vorkonstitutionellen Heilpraktikergesetzes insoweit im Wege der Auslegung an die gegenwärtigen Gegebenheiten anzupassen, nämlich die Psychotherapie, sich erst weit nach Inkrafttreten des Grundgesetzes – in dieser sozial bedeutsamen Weise – herausgebildet.“205 202

438. 203 204 205

Von dem „Torso“ einer vorkonstitutionellen Regelung spricht M. Kenntner, NVwZ 2020, BVerwGE 66, 367 (375). Dazu M. Kenntner, NVwZ 2020, 438 (440). BVerwGE 91, 356 (362).

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3. Teil: Zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis

Das Bundesverwaltungsgericht begründet mithin durch eine historisch-genetische Auslegung die Teilbarkeit der Heilpraktikererlaubnis und entwickelt so Grundlagen des Berufszugangs unter Anpassung an die heutige Ausdifferenzierung der einzelnen Berufsbilder206 fort. Die nachfolgende Rechtsprechung knüpft die Überlegungen zur Teilbarkeit der Heilpraktikererlaubnis dogmatisch stärker an die Grundrechte, insbesondere an die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit. Das Bundesverwaltungsgericht führt in einem Urteil vom 26. August 2009 aus: „Eine uneingeschränkte Heilpraktikererlaubnis mit der Folge einer umfassenden Kenntnisüberprüfung ist zum Schutz der Volksgesundheit nicht erforderlich, wenn ein Antragsteller die Heilkunde nur auf einem abgrenzbaren Gebiet oder nur eine eindeutig umrissene Therapieform ausüben möchte […]. In diesem Fall reicht es aus, eine auf dieses Gebiet beschränkte Erlaubnis zuzusprechen, solange sichergestellt ist, dass der Betreffende die Grenzen seines Könnens kennt und beachtet.“207 Dieser Auffassung haben sich andere Entscheidungen aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit angeschlossen.208 Hinter dieser auf Aspekte der Verhältnismäßigkeit gestützten Rechtsanwendung dürfte indessen nicht das Bedürfnis, den Heilpraktikern in besonderem Maße entgegenzukommen, sondern eine vergleichende Überlegung stehen: Während Ärzte zu ihrer Approbation über eine lange akademische Ausbildung verfügen müssen und mithin vor erhebliche Qualifikationsanforderungen gestellt werden, bedürfen Heilpraktiker gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i DV-HeilprG lediglich einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten durch das zuständige Gesundheitsamt, um eigenverantwortlich Patienten behandeln zu dürfen. Damit ist nicht gemeint, dass der Qualifikationsnachweis für Heilpraktiker keinen hinreichenden Wert besäße, um die Erlaubnis zu eigenverantwortlicher Ausübung von Heilkunde rechtfertigen zu können. Einzuräumen ist aber, dass die Ausbildungsstrukturen der ärztlichen Berufe langwieriger und umfassender sind, während die Ausbildungsmodalitäten der Heilpraktiker zum einen heterogen und zum anderen auf bestimmte Fachgebiete beschränkt sein können. Diese Gegebenheit hat das Bundesverwaltungsgericht erkannt und hervorgehoben, „solange einerseits Berufsbilder mit erheblichen Qualifikationsanforderungen geschaffen werden und andererseits über das Heilpraktikergesetz die Möglichkeit einer eigenverantwortlichen Betätigung bei der Patientenbehandlung allein aufgrund einer Kenntnisüberprüfung durch das Gesundheitsamt aufrechterhalten bleibt, besteht eine systematische Unstimmigkeit […], die sich dadurch jedenfalls abmildern lässt, dass der Zugang zu abgrenzbaren heilkundlichen

206

Siehe dazu H. Haage, Heilpraktikergesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 1 Rn. 5. BVerwGE 134, 345 (349 f. Rn. 18) – ohne die Hervorhebung – unter Bezugnahme auf einen, soweit ersichtlich, unveröffentlichten Kammerbeschluss des BVerfG vom 24. 10. 1994 – 1 BvR 1016/89. 208 Siehe OVG Nordrhein-Westfalen, MedR 2012, 751 (752); VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. 3. 2017 – 9 S 1034/15, juris Rn. 63; GesR 2019, 674 (676). 207

B. Die sektorale Heilpraktikererlaubnis als Rechtsinstitut

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Betätigungsfeldern durch entsprechend beschränkte Heilpraktikererlaubnisse eröffnet wird“.209 Die einschlägige Rechtsprechung versteht die sektorale Heilpraktikererlaubnis also als ein „Minus“ im Vergleich zu der vollumfänglichen Erlaubniserteilung, das zur Vermeidung systematischer Unstimmigkeiten zur ärztlichen Approbation geboten sei. Die so vollzogene teleologische Extension des § 1 Abs. 1 HeilprG ist durchaus überzeugend. Zum einen misst sie primär der ärztlichen Approbation einen übergeordneten Stellenwert bei, übersieht zum anderen aber auch nicht die Belange der Heilpraktiker, denen durch die Erteilung einer sektoralen Erlaubnis der Zugang zur heilkundlichen Tätigkeit weiterhin eröffnet bleibt. Sie trägt dem Umstand eines heterogenen Gesamtberufsbilds der Heilpraktiker Rechnung und erlaubt „passgenaue“ Ermächtigungen nach Bedarf des Tätigkeitsprofils.

II. Voraussetzung der Erteilung Voraussetzung für die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die Trennbarkeit eines Teilgebiets der Heilkunde. Das Gericht formuliert dazu: „Die für die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis erforderliche Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit des beantragten Tätigkeitssektors ist gegeben, wenn sich der Umfang der erlaubten Heiltätigkeit klar bestimmen und von anderen Bereichen der Heilkundeausübung abgrenzen lässt. In der Praxis dürfen keine Unklarheiten darüber bestehen, ob eine konkrete Behandlungsmaßnahme zu dem betreffenden Tätigkeitsgebiet zählt oder nicht.“210

Die auf den ersten Blick klaren Anforderungen an die Abgrenzbarkeit des Tätigkeitssektors lassen sich aber bei näherer Betrachtung in der Praxis nur schwer ermitteln. Deshalb ergänzt das Bundesverwaltungsgericht, es müsse „eindeutig sein, welche Behandlungsmethoden und Therapieformen von dem Gebiet umfasst werden und zur Behandlung welcher Krankheiten, Leiden und Beschwerden sie eingesetzt werden. Die Zuerkennung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis ist daher nur möglich, soweit sich auf dem Gebiet der Heilkunde ein eigenständiges und abgrenzbares Berufsbild herausgebildet hat“.211 Auch diese Hinweise bieten keinen zweifelsfreien Maßstab für die Ermittlung der hinreichenden Abgrenzbarkeit einzelner Tätigkeitssektoren. De facto werden die privilegierten Bereiche durch eine

209 BVerwGE 134, 345 (351 Rn. 20) – ohne die Hervorhebungen; vgl. auch BVerwG, NVwZ-RR 2020, 450 (452); Urteil vom 10. 10. 2019 – 3 C 15/17, juris Rn. 14. 210 BVerwG, Urteil vom 10. 10. 2019 – 3 C 15/17, juris Rn. 16 – ohne die Hervorhebungen; vgl. auch bereits BVerwGE 134, 345 (350 Rn. 19). 211 BVerwG, Urteil vom 10. 10. 2019 – 3 C 15/17, juris Rn. 16 – ohne die Hervorhebung; vgl. ferner BVerwGE 137, 1 (4 f. Rn. 14).

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3. Teil: Zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis

ausdrückliche Anerkennung der sektoralen Heilpraktikererlaubnis seitens der Rechtsprechung im Einzelfall bestimmt. Anerkannt zur Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis sind bislang nur wenige Tätigkeitsprofile, was auf eine restriktive Haltung der Rechtsprechung in Bezug auf das Merkmal der hinreichenden Abgrenzbarkeit des Tätigkeitsgebietes zurückzuführen ist.212 Neben den Berufsangehörigen der Psychotherapie213 und Physiotherapie214 als klassische Anwendungsfälle der sektoralen Erlaubnis können auch Ergotherapeuten215, Podologen216 sowie nach der jüngsten Rechtsprechung Logopäden217 und Chiropraktiker218 die beschränkte Erlaubnis in Anspruch nehmen.

212 Bezeichnend ist etwa die ablehnende Haltung der Rechtsprechung zur Anerkennung einer sektoralen Erlaubniserteilung für Osteopathen mit dem Argument, das Berufsbild sei noch nicht hinreichend festgelegt. Siehe dazu BVerwG, Urteil vom 10. 10. 2019 – 3 C 15/17, juris Rn. 15 ff.; Urteil vom 10. 10. 2019 – 3 C 17/17, juris Rn. 15 ff.; VG Aachen, Urteil vom 3. 3. 2016 – 5 K 1114/14, juris Rn. 25 ff.; VG München, Urteil vom 15. 1. 2019 – M 16 K 17.4427, juris Rn. 32; VG Stuttgart, Urteil vom 26. 1. 2017 – 4 K 5923/15, juris Rn. 25. 213 Siehe hierzu BVerwGE 91, 356 (362). Dort führt das Gericht aus, es gehe darum, „die formelle Rechtslage mit der materiellen in Einklang zu bringen. Auch und gerade nach der bisherigen Rechtsprechung darf der Psychotherapeut auf Grund der Heilpraktikererlaubnis ohne Rechtsnachteil letztlich nur Psychotherapie betreiben. Dann soll dies aber auch von der Behörde klar ausgesprochen werden. Daß das Heilpraktikergesetz und seine Durchführungsverordnungen eine inhaltlich beschränkte Erlaubnis nicht vorsehen, hält der Senat nicht mehr für ein Hindernis für ihre Erteilung. Weder dem Sinne noch dem Wortlaut nach enthält das Gesetz ein diesbezügliches Verbot. Freilich bestand bei Inkrafttreten des Heilpraktikergesetzes schon wegen der Absicht, die Kurierfreiheit zu beseitigen und die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ,nur in besonders begründeten Ausnahmefällen‘ (§ 2 Abs. 1 HeilprG) zu erteilen, auch kein Bedürfnis für eine inhaltlich beschränkte Erlaubnis. Zudem haben sich die Berufsbilder auf dem Sektor der Heilberufe seit dem Erlaß des Heilpraktikergesetzes in damals noch nicht erkennbarer Weise ausdifferenziert. So hat die spezielle heilkundliche Tätigkeit, die Anlaß gibt, die Vorschriften des vorkonstitutionellen Heilpraktikergesetzes insoweit im Wege der Auslegung an die gegenwärtigen Gegebenheiten anzupassen, nämlich die Psychotherapie, sich erst weit nach Inkrafttreten des Grundgesetzes – in dieser sozial bedeutsamen Weise – herausgebildet“. 214 BVerwGE 134, 345 (350 Rn. 19). Einschränkend aber OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 16. 3. 2017 – 3 LB 4/16, juris Rn. 34. Überholt ist die noch vom VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. 3. 2009 – 9 S 1413/08, juris Rn. 47 vertretene Gegenauffassung. 215 BVerwG, NVwZ 2020, 483 (486); VG Karlsruhe, Urteil vom 19. 3. 2015 – 9 K 1519/13, juris Rn. 22; VG Oldenburg, Urteil vom 31. 1. 2017 – 7 A 3879/16, juris Rn. 23. 216 VG Dresden, Urteil vom 10. 8. 2016 – 4 K 977/13, juris Rn. 21; VG Düsseldorf, Urteil vom 25. 8. 2016 – 7 K 1583/14, juris Rn. 35. 217 BVerwG, NVwZ-RR 2020, 450 (452 f.); VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. 3. 2017 – 9 S 1899/16, juris Rn. 54. 218 VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 15. 5. 2018 – 5 K 1027/16, juris Rn. 21 ff.; VG Leipzig, Urteil vom 11. 7. 2013 – 5 K 1161/11, juris Rn. 27 ff.

C. Beschränkungen der sektoralen Heilpraktikererlaubnis

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III. Rechtsfolge der sektoralen Erlaubniserteilung Auch und gerade vor dem Hintergrund des Patientenschutzes ist die richterrechtliche Entwicklung der sektoralen Heilpraktikererlaubnis zu begrüßen. Diese begrenzt zwar den Umfang der eigenverantwortlichen Ausübung der Heilkunde auf einen bestimmten, abgrenzbaren Tätigkeitsbereich, steht aber ansonsten der vollumfänglichen Erlaubnis in nichts nach. Für die Heilpraktiker ergibt sich der günstige Nebeneffekt, dass Fachqualifikationen für den jeweiligen Tätigkeitsbereich, aber nicht umfassend für die gesamte Heilkunde nachgewiesen werden müssen. Im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG wäre es beispielsweise für einen Psychotherapeuten „eine unverhältnismäßige Einschränkung der Berufsfreiheit, von [ihm] allgemeine heilkundliche Grundkenntnisse einschließlich der Kenntnisse im Bereich der Anatomie, Physiologie, Pathologie und Arzneimittelkunde zu verlangen“.219 Die Patientensicherheit wird damit nicht gefährdet, weil eine Teilerlaubnis keine geringeren Anforderungen an den Qualifikationsnachweis nach sich zieht. Die sektorale Heilpraktikererlaubnis ist deshalb ein für die Gesundheitsversorgung und die Patientensicherheit, aber auch für die Berufsangehörigen guter Kompromiss.

C. Beschränkungen der sektoralen Heilpraktikererlaubnis Sofern die sektorale Heilpraktikererlaubnis eingeschränkt würde oder sogar gänzlich entfiele, würde ein nützliches, richterrechtlich anerkanntes Instrument ohne Not beseitigt. Zur Herstellung von Rechtssicherheit sollte vielmehr die richterrechtlich geschaffene Teilerlaubnis eine feste Verankerung im Heilpraktikergesetz erhalten.

I. Rechtstechnische Möglichkeit Wollte man dennoch die sektorale Heilpraktikererlaubnis beseitigen, so müsste in das Heilpraktikergesetz eine Regelung aufgenommen werden, mit der die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis ausdrücklich untersagt würde. Die richterrechtliche Extension des § 1 Abs. 1 HeilprG beruht nämlich auf der Annahme, dass die Heilpraktikererlaubnis, anders als die ärztliche Approbation, grundsätzlich teilbar ist.220 Im Rahmen seiner weiten Gestaltungsfreiheit steht es dem parlamentarischen Gesetzgeber allerdings offen, § 1 Abs. 1 HeilprG dahingehend zu konkretisieren, dass eine Erlaubnis nur einheitlich und umfassend erfolgen kann, eine 219

BVerwGE 91, 356 (359); vgl. auch BVerwGE 134, 345 (352 Rn. 23). Vgl. BVerwGE 134, 345 (349 Rn. 18); VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. 3. 2017 – 9 S 1899/16, juris Rn. 54. 220

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3. Teil: Zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis

Teilbarkeit also nicht in Betracht kommen soll. Weil es sich hierbei ausschließlich um eine Frage der Zulassung zu einem Heilberuf handelt, würde der Kompetenztitel aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG für ein Tätigwerden des Bundes ausreichen.221

II. Rechtliche Zulässigkeit Eine Beseitigung der sektoralen Heilpraktikererlaubnis stieße aber aus anderen verfassungsrechtlichen Gründen auf schwerwiegende Bedenken. Sie griffe erheblich in das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht der Berufsfreiheit ein und bedürfte daher unter Berücksichtigung der bereits oben genannten Drei-StufenTheorie222 einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Unter der Prämisse, dass der ersatzlose Wegfall der sektoralen Erlaubnis für einige Berufsgruppen des Heilpraktikerwesens den Verlust des Berufszugangs zur Folge hätte, ohne diese Konsequenz durch eigenes Zutun vermeiden zu können, ergäbe sich für diese Gruppen eine objektive Berufszulassungsvoraussetzung und somit ein Eingriff auf der dritten Stufe. 1. Rechtfertigung von Eingriffen in die Berufsfreiheit Solche Eingriffe können nur zur Abwehr nachweislicher oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut gerechtfertigt werden.223 Ein überragend wichtiger Gemeinwohlbelang ließe sich hier allenfalls im Schutz der Patienten, mithin in der Patientensicherheit im weiteren Sinne erkennen. Ein Wegfall der sektoralen Erlaubnis wäre also nur dann rechtfertigungsfähig, wenn dies zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für die Gesundheit der Patienten geboten wäre. In diesem Zusammenhang von wesentlicher Bedeutung ist der Zweck der sektoralen Heilpraktikererlaubnis. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese nämlich als ein „Minus“ zur vollumfänglichen Erlaubnis anerkannt, um zwar einerseits die eigenverantwortliche sektorale Ausübung von Heilkunde zu ermöglichen, andererseits aber den Umfang der Erlaubnis auf bestimmte Heilkundebereiche begrenzen zu können.224 Im Grunde stellt die sektorale Heilpraktikererlaubnis somit bereits eine Einschränkung des Berufsstandes dar; zumindest ist sie im Zuge ihrer Anerkennung so verstanden worden. Mit dem Wegfall der sektoralen Heilpraktikererlaubnis wäre die Patientensicherheit also nicht verbessert, sodass sich in keinem Fall die Erforderlichkeit für die Beseitigung der beschränkten Erlaubnis begründen ließe. Viel221

Siehe zur Auslegung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG ausführlich oben S. 17 ff. Vgl. S. 50 ff. 223 Vgl. oben S. 51 f. 224 Vgl. BVerwGE 134, 345 (351 Rn. 20); BVerwG, Urteil vom 10. 10. 2019 – 3 C 15/17, juris Rn. 14. Vgl. auch bereits oben S. 68. 222

C. Beschränkungen der sektoralen Heilpraktikererlaubnis

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mehr wäre nicht wenigen Heilpraktikern ohne Not der Eintritt in die Berufspraxis verwehrt. Für die betroffenen Heilpraktiker bedeutete dies eine besondere Härte, weil sie nunmehr Qualifikationen erwerben müssten, die sie im Zweifel für die Ausübung der spezifischen Heilkunde nicht benötigen.225 Vor dem Hintergrund, dass eine derartige Belastung von Heilpraktikern aus Gründen der Patientensicherheit jedenfalls nicht geboten ist, wäre der Wegfall der sektoralen Heilpraktikererlaubnis nicht angemessen und auch aus diesem Grund unverhältnismäßig. 2. Fragen des Bestandsschutzes Ein Wegfall der sektoralen Heilpraktikererlaubnis als existenzbedrohende Maßnahme für bestimmte Heilpraktikergruppen würde im Übrigen auch die Frage nach einem Bestandsschutz für Berufsangehörige aufwerfen. Erforderlich wären hier zumindest Übergangsvorschriften, die einen dauerhaften Verbleib der bereits auf der Grundlage einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis Tätigen im Beruf ermöglichen würden. Anders wäre die Sachlage – entsprechend zu den Ausführungen im zweiten Teil dieser Untersuchung226 – für diejenigen Personen zu beurteilen, die sich in einer Ausbildung zu einer solchen Tätigkeit als Heilpraktiker befinden, für die eine sektorale Erlaubnis erteilt werden kann. Die bereits angestellten Überlegungen zum Bestandsschutz für Berufsangehörige und -anwärter müssen insoweit gleichermaßen gelten, obwohl die sektorale Heilpraktikererlaubnis ausschließlich auf richterrechtlicher Rechtsfortbildung beruht. Es bedarf nämlich bestandsschützender Aspekte, um das Rechtsvertrauen nicht zu überfordern und bestehende Positionen nicht übermäßig zu belasten. Diesem Gedanken steht auch nicht entgegen, dass sich die jüngere Rechtsprechung zurückhaltend zu der Herleitung übergesetzlichen Bestandsschutzes in anderen Bereichen des Verwaltungsrechts, namentlich im öffentlichen Baurecht, geäußert hat.227 Die Folgen für den gesamten Bestandsschutz im öffentlichen Baurecht sind in der Literatur umstritten. Trotz der Auswirkungen auf die Systematik des Schutzes beste225

Siehe zu den reduzierten Anforderungen an den Qualifikationsnachweis im Falle einer sektoralen Erlaubnis BVerwGE 91, 356 (359); 134, 345 (352 Rn. 23). 226 Siehe dazu oben S. 61. 227 Dort hat sich das Bundesverwaltungsgericht von einem sogenannten „erweiterten, aktiven Bestandsschutz“, gestützt unmittelbar auf Art. 14 Abs. 1 GG, weitgehend verabschiedet. So stellte das Bundesverwaltungsgericht etwa in einem Urteil vom 12. 3. 1998 zum Bestandsschutz zur Wiedererrichtung einer beschädigten Scheune als Doppelgarage fest, dass „es einen Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens aus eigentumsrechtlichem Bestandsschutz außerhalb der gesetzlichen Regelungen nicht gibt“, weil Inhalt und Schranken des Eigentums durch das Gesetz geregelt werden; BVerwGE 106, 228 (234) – ohne die Hervorhebung. Ohne die Annahme erweiterten Bestandsschutzes fehle es indessen „an jeglicher tragfähigen Grundlage für die nunmehr überwundene Auffassung, daß der Gesetzgeber in § 35 BauGB keine abschließende Regelung hat treffen, sondern den Außenbereich für einen „erweiterten Bestandsschutz“ über die in § 35 Abs. 4 BauGB geregelten Fälle hinaus hat offenhalten wollen“, BVerwGE 106, 228 (236).

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3. Teil: Zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis

hender Positionen insgesamt228 kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich das Bundesverwaltungsgericht vom übergesetzlichen Bestandsschutz gänzlich verabschieden wollte.229 Gleichwohl lässt die jüngere Rechtsprechung im öffentlichen Baurecht die klare Tendenz erkennen, den übergesetzlichen Bestandsschutz deutlich restriktiver anzuwenden.230 Von der baurechtlichen Konstellation unterscheidet sich die sektorale Heilpraktikererlaubnis bereits deshalb, weil sie gerade nicht gesetzlich geregelt ist. Die verfestigte Rechtsprechung, welche die sektorale Erlaubnis anerkennt, stellt aber eine ebenso starke Position dar, die das Vertrauen der Begünstigten in den Bestand dieser Rechtsauffassung begründet. Richterrecht steht dem formell verfassten einfachen Recht nicht nach.

III. Gesetzliche Verankerung der sektoralen Heilpraktikererlaubnis Fraglich ist allerdings, ob es gleichwohl geboten ist, die Bereiche der sektoralen Heilpraktikererlaubnis ausdrücklich gesetzlich zu normieren, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden. In den § 1 HeilprG könnte, möglicherweise in einem eigenen Absatz, eine Regelung zur sektoralen Erlaubniserteilung aufgenommen werden. Hier ließen sich die Berufszweige nennen, die zur Ausübung ihrer Tätigkeit nur über eine abgrenzbare Teilmenge der heilkundlichen Kenntnisse verfügen müssen und deshalb eine sektorale Erlaubnis beanspruchen können. In einigen Ländern findet eine Vorzeichnung der Berufsgruppen, die eine sektorale Heilpraktikererlaubnis beanspruchen können, bereits auf der verwaltungsinternen Ebene in Form von Verwaltungsvorschriften statt. So regelt das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Niedersachsen in der Richtlinie zur Durchführung des Verfahrens zur Erteilung einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz vom 228 Siehe dazu im Einzelnen die Konstellationen bei R. Aichele/G. Herr, NVwZ 2003, 415 (417 f.). 229 Im Übrigen wird man davon ausgehen können, dass auch die Geltendmachung einfachaktiven sowie passiven Bestandsschutzes, gerichtet auf die Sicherung und Weiternutzung des status quo, von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unangetastet geblieben ist; so etwa T. Gorhke/G. Brehsan, NVwZ 1999, 932 (936). Diese Auffassung passt zu einem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. 12. 1995, in dem das Gericht formuliert hat, ein durch Art. 14 Abs. 1 GG bewirkter Bestandsschutz könne nur dann vorliegen, wenn der Bestand zu irgendeinem Zeitpunkt genehmigt worden oder jedenfalls genehmigungsfähig gewesen ist; am Bestandsschutz unmittelbar aus den Grundrechten hält das Verfassungsgericht also fest (siehe BVerfG [Kammerbeschl.], NVwZ-RR 1996, 483). Von einem Wegfall des übergesetzlichen Bestandsschutzes insgesamt gehen aber R. Aichele/G. Herr, NVwZ 2003, 415 (418 f.) aus. 230 Ohne Weiteres wird es aber nicht mehr möglich sein, durch übergesetzliche Ableitungen von Bestandsschutz das einfachgesetzliche Regelwerk der planersetzenden Vorschriften des öffentlichen Baurechts auszuhebeln; vgl. dazu R. Aichele/G. Herr, NVwZ 2003, 415 (420).

D. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse

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1. September 2018231 in Nr. 7.1 die dezidierten Qualifikationsanforderungen für die Erteilung einer sektoralen Erlaubnis an Psychotherapeuten und bestimmt in Nr. 7.2 einen entsprechenden Anforderungskatalog für die Erteilung einer solchen Erlaubnis an Physiotherapeuten. Im Land Hessen ist die sektorale Erlaubnis nach Nr. 5.1 der Richtlinien zur Durchführung des Heilpraktikergesetzes des Ministeriums für Soziales und Integration des Landes Hessen vom 3. Dezember 2019232 dem Tätigkeitsgebiet der Psychotherapie, der Physiotherapie oder der Logopädie vorbehalten. Die Perpetuierung bestimmter Berufszweige würde Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen. Rechtsfortbildung durch Auslegung kommt dagegen naturgemäß an seine Grenzen, wenn ein Bereich der Heilkunde signifikant geringer rechtlich konturiert ist.233 Ein Risiko besteht aber darin, nicht alle denkbaren Formen heilkundlicher Tätigkeit zu erfassen, die als abgrenzbares Feld einer sektoralen Erlaubnis unterliegen können. Die ausdrückliche Normierung schlösse jedoch eine etwaige Ergänzung oder Erweiterung des Kataloges durch richterliche Rechtsfortbildung nicht vollkommen aus, würde sie aber systematisch schwerer begründbar machen. Diesem Problem könnte der Gesetzgeber redaktionell begegnen, indem er einen Katalog bewusst nicht abschließend fassen würde, etwa durch die Formulierung „insbesondere“. Welcher Weg hier im Ergebnis gewählt würde, kann im Grunde dahinstehen. Eine rechtliche Klarstellung dessen, was durch richterliche Rechtsfortbildung bereits ergründet ist, trüge zur Publizität und damit zur Rechtsklarheit bei und wäre deshalb grundsätzlich zu begrüßen.

IV. Abschließender Befund Nach alledem wäre der Wegfall der sektoralen Heilpraktikererlaubnis jedenfalls dann nicht erforderlich und somit unverhältnismäßig, wenn andere geeignete Möglichkeiten zur Gewährleistung der Patientensicherheit bestünden. Solche Möglichkeiten gibt es. Qualifikationsstandards könnten gesetzlich für den gesamten Berufsstand aufgestellt werden. Ein vollständiger Wegfall der sektoralen Heilpraktikererlaubnis wäre überdies nicht angemessen und auch deshalb verfassungswidrig, weil erheblichen Beeinträchtigungen der Heilpraktiker keine Vorteile für die Patientensicherheit gegenüberstehen dürften.

D. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse Nach alldem lassen sich wesentliche Ergebnisse des dritten Teils der Untersuchung in folgenden Leitsätzen zusammenfassen: 231 232 233

Nds. MBl. 2018, S. 820, ber. S. 874. StAnz. 2019, S. 1384. M. Kenntner, NVwZ 2020, 438.

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3. Teil: Zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis

1. Die sogenannte sektorale oder beschränkte Heilpraktikererlaubnis ist bei genauerer Betrachtung keinesfalls als Privileg der Heilpraktiker zu verstehen, sondern schafft einen Kompromiss zwischen einerseits dem Anspruch an ein liberales Gesundheitssystem und andererseits einer verantwortungsbewussten Regulierung heilkundlicher Tätigkeiten. Rechtspolitisch hat es daher keinen Sinn, die sektorale Heilpraktikererlaubnis zu verwerfen. 2. Die sektorale Heilpraktikererlaubnis findet keine ausdrückliche Verankerung im Heilpraktikergesetz, sondern gründet auf der richterlichen Rechtsfortbildung der in § 1 Abs. 1 HeilprG festgeschriebenen Erlaubnispflicht. Das Bundesverwaltungsgericht begründet durch eine historisch-genetische Auslegung die Teilbarkeit der Heilpraktikererlaubnis und entwickelt so Grundlagen des Berufszugangs unter Anpassung an die heute ausdifferenzierte Situation der einzelnen Berufsbilder fort. Es knüpft die Überlegungen zur Teilbarkeit der Heilpraktikererlaubnis an die Grundrechte, insbesondere an die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit. a) Während Ärzte zu ihrer Approbation über eine lange akademische Ausbildung verfügen müssen und mithin vor erhebliche Qualifikationsanforderungen gestellt werden, bedürfen Heilpraktiker gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i DV-HeilprG lediglich einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten durch das zuständige Gesundheitsamt, um eigenverantwortlich Patienten behandeln zu dürfen. Die einschlägige Rechtsprechung versteht die sektorale Heilpraktikererlaubnis als ein „Minus“ im Vergleich zu der vollumfänglichen Erlaubniserteilung. b) Voraussetzung für die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die Trennbarkeit eines Teilgebiets der Heilkunde. Die auf den ersten Blick klaren Anforderungen an die Abgrenzbarkeit des Tätigkeitssektors lassen sich aber bei näherer Betrachtung in der Praxis nur schwer ermitteln. Die Zuerkennung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis ist nur möglich, soweit sich auf dem Gebiet der Heilkunde ein eigenständiges und abgrenzbares Berufsbild entwickelt hat. De facto werden die privilegierten Bereiche durch eine ausdrückliche Anerkennung der sektoralen Heilpraktikererlaubnis seitens der Rechtsprechung im Einzelfall bestimmt. 3. Sofern die sektorale Heilpraktikererlaubnis eingeschränkt würde oder sogar gänzlich entfiele, würde ein nützliches, richterrechtlich anerkanntes Instrument ohne Not beseitigt. Wollte man dennoch die sektorale Heilpraktikererlaubnis beseitigen, so müsste rechtstechnisch in das Heilpraktikergesetz eine Regelung aufgenommen werden, mit der die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis ausdrücklich untersagt würde. Verfassungsrechtlich ließe sich eine solche Untersagung allerdings nicht rechtfertigen; sie wäre weder erforderlich noch angemessen und verstieße daher als unverhältnismäßige Regelung gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit betroffener Heilpraktiker. Es bedürfte zumindest Übergangsvorschriften, die einen dauerhaften Verbleib der bereits auf der Grundlage einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis Tätigen im Beruf ermöglichen würden.

D. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse

77

4. In den § 1 HeilprG könnte, möglicherweise in einem eigenen Absatz, eine Regelung zur sektoralen Erlaubniserteilung aufgenommen werden. Hier ließen sich die Berufszweige nennen, die zur Ausübung ihrer Tätigkeit nur über eine abgrenzbare Teilmenge der heilkundlichen Kenntnisse verfügen müssen und deshalb eine sektorale Erlaubnis beanspruchen können. Die Perpetuierung bestimmter Berufszweige würde Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen. Die ausdrückliche Normierung schlösse eine etwaige Ergänzung oder Erweiterung des Kataloges durch richterliche Rechtsfortbildung nicht vollkommen aus, würde sie aber systematisch schwerer begründbar machen. Diesem Problem könnte der Gesetzgeber redaktionell begegnen, indem er einen Katalog bewusst nicht abschließend fassen würde, etwa durch die Formulierung „insbesondere“.

Vierter Teil

Zur rechtlichen Neuordnung des Heilpraktikerwesens A. Einführung Wie bereits dargelegt wurde, umfasst der in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG enthaltene Kompetenztitel nur Regelungen der Berufszulassung.334 Damit sind Gestaltungsvorstellungen des Bundes im Hinblick auf eine Reform des Heilpraktikerwesens von vornherein Grenzen gesetzt. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass sich die Länder oder zumindest einzelne Länder zu Novellierungen des Heilpraktikerwesens veranlasst sehen. Dies müsste für die Heilpraktiker nicht zwingend nachteilig sein, sondern könnte auch Chancen eröffnen. Es ist nämlich geradezu atypisch im deutschen Gesundheitswesen, dass ein Berufsstand mit erheblicher Bedeutung einer nur sehr begrenzten rechtlichen Kodifizierung unterliegt.335 Unzureichende Rechtsgrundlagen führen aber nicht per se zu mehr Freiräumen, sondern oft zu Unsicherheit. Ein klar umrissenes Berufsrecht vermittelt indessen Sicherheit, die angesichts der Dynamik des Gesundheitswesens für die Berufsangehörigen von wesentlicher Bedeutung ist.

B. Ansätze zur Reformierung des Heilpraktikerwesens Angesichts dessen stellt sich die Frage, wie ein tragfähiges Berufsrecht für Heilpraktiker geschaffen werden kann. Hierzu kommen verschiedene Ansätze in Betracht, die von bloßen organisatorischen Umgestaltungen bis hin zu grundlegenden Veränderungen der rechtlichen Grundlagen des Heilpraktikerwesens reichen können.

334

Siehe hierzu ausführlich oben S. 17 ff. Im Bereich der ärztlichen Versorgung wird die zunehmende Übernormierung besonders deutlich. Vgl. hierzu M. Schüffner/L. Schnall, Hypertrophie des ärztlichen Sozialrechts, 2009, S. 14. 335

B. Ansätze zur Reformierung des Heilpraktikerwesens

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I. Engmaschige Ausgestaltung der Berufsausübung durch die Länder Umfassende Reformen des Heilpraktikerwesens würden höchstwahrscheinlich zu einer engmaschigen Ausnormierung der Berufsausübung durch die Landesgesetzgeber führen. Sofern sich (die) Länder für einen solchen Weg entscheiden sollten, wären ihrer Regelungskompetenz allenfalls Grenzen durch die Grundrechte gesetzt. Dabei gilt es vor allem zu berücksichtigen, dass auch Heilpraktikern bei der Ausübung von Heilkunde, jedenfalls wenn sie hierzu unbeschränkt berechtigt sind, ähnliche Freiheiten wie den Ärzten zugestanden werden müssen.336 Ärzte verfügen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit über die „innere Unabhängigkeit“, nach pflichtgemäßem Ermessen weisungsfrei handeln zu können.337 Dieses als ärztliche Therapiefreiheit bezeichnete Privileg ist im Wesentlichen durch die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG geschützt.338 Der Arzt soll seinen Beruf möglichst eigenverantwortlich sowie frei von schematischen Vorgaben und sachlichen Weisungen ausüben können, um den einzelnen Patienten mit der nach seiner Einschätzung bestmöglichen Therapieform zu versorgen.339 Zugleich wird die ärztliche Therapiefreiheit durch das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit gewährleistet.340 Die ärztliche Therapiefreiheit findet demnach in zweierlei Hinsicht eine grundrechtliche Anknüpfung und verschafft dem Arzt somit eine besondere rechtliche Position. Diese „doppelte“ grundrechtliche Absicherung der ärztlichen Therapiefreiheit ist möglich, weil eine kumulative Berufung auf die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG in Betracht kommt.341 Die Verankerung der ärztlichen Therapiefreiheit in der

336

H. Haage, Heilpraktikergesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2015, Einleitung Rn. 15. H.-J. Meier-Greve, Öffentlich-rechtliche Bindungen und freiberufliche Stellung der Kassenärzte, 1968, S. 124; H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, S. 82, 158. Vgl. auch P. Wigge, in: Schnapp/Wigge (Hrsg.), Handbuch des Vertragsarztrechts, 3. Aufl. 2017, § 2 Rn. 9, der darauf hinweist, dass die arbeits- und dienstrechtliche Weisungsbefugnis sich nur auf organisatorische Fragen, nicht aber auf die eigentliche Heilbehandlung beziehen könne; diese müsse der ärztlichen Gewissensentscheidung vorbehalten bleiben, die lediglich durch die Autonomie der Patienten begrenzt werde. 338 Siehe etwa BVerfG (Kammerbeschl.), NZS 2000, 454 (455); R. Zuck, in: Quaas/Zuck/ Clemens/Gokel, Medizinrecht, 4. Aufl. 2018, § 2 Rn. 52. 339 V. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 7. Aufl. 2015, II. Ärztliches Berufsrecht Rn. 4. 340 BSGE 73, 66 (71); vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 10. 9. 2001 – 5 MA 2142/01, juris Rn. 17; D. Felix, NZS 2012, 1 (5). 341 G. Britz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 III Rn. 105; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 5 Abs. 3 Rn. 180 (Stand der Kommentierung: August 2018), spricht von einer „Idealkonkurrenz“ beider Grundrechte zueinander. 337

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4. Teil: Zur rechtlichen Neuordnung des Heilpraktikerwesens

Wissenschaftsfreiheit neben der Berufsfreiheit führt zu einer Verstärkung des Schutzes der ärztlichen Therapiefreiheit.342 Ausgestaltungen der Berufsausübung müssen mithin berücksichtigen, dass die Wahl der im Einzelfall angewandten Therapieform dem einzelnen Heilpraktiker zusteht. Auch im Übrigen sollten die Berufsausübungsmodalitäten nur zurückhaltend geregelt werden, um der Therapiefreiheit der Heilpraktiker angemessen Rechnung zu tragen.

II. Strukturierung und Harmonisierung der Ausbildungsinhalte Es empfiehlt sich daher die Wahl von Reformansätzen, die zugleich der freien Berufsausübung der Heilpraktiker und der Patientensicherheit gerecht werden. So können etwa eine organisatorische Strukturierung und Harmonisierung der Ausbildungsinhalte in Betracht gezogen werden, die mit einem vergleichsweise geringen Gesetzgebungsaufwand verbunden wären. Ein solcher Ansatz wird beispielsweise in der Schweiz unter dem Stichwort „Organisation der Arbeitswelten“ verfolgt. Mit diesem Begriff ist die Koordination der Berufsverbände und Branchenorganisationen gemeint, die gemeinsam Inhalte und Maßstäbe der beruflichen Bildung festlegen.343 Diese Lösung ist insoweit vorteilhaft, als sie lediglich Vorgaben auf landesrechtlicher Ebene mit einer verbindlichen Anordnung einer planvollen Koordination und Harmonisierung der Berufsausbildung erfordern würde. An den rechtlichen Strukturen des Heilpraktikerwesens müssten mithin nur punktuell Änderungen vorgenommen werden. Auch könnten bestehende Organisationsstrukturen weitgehend fortbestehen. Nachteilig wären an dieser Lösung aber zwei Aspekte. Zum einen ist es nur schwer vorstellbar, dass sich die zuständigen staatlichen Entscheidungsträger mit bloßen Bekundungen zu kooperativer Definition der beruflichen Bildung zufriedengeben würden, ohne dass hiermit umfassende rechtliche oder strukturelle Novellierungen verbunden wären. Zum anderen fehlt dem Modell zur „Organisation der Arbeitswelten“ nach Schweizer Vorbild eine gewisse Verbindlichkeit, die nicht nur den politischen Vorstellungen entspräche, sondern auch für die Berufsangehörigen von Nutzen wäre. Es darf nämlich nicht übersehen werden, dass die Heilpraktiker über keine zentrale Interessenvertretung, sondern über verschiedene, privatrechtlich organisierte Dachverbände verfügen, die in die Konsensfindung einzubinden wären. 342

H. Sodan, Arzneimitteltherapie und Arzneimittelsicherheit. Zur Einschränkbarkeit der erlaubnisfreien Arzneimittelherstellung durch Heilberufsangehörige zur Anwendung an eigenen Patienten (§ 13 Abs. 2b AMG), 2019, S. 63. 343 Siehe hierzu die Informationen unter https://www.berufsbildungplus.ch/berufsbildung plus/fachportal/verbundpartner/organisationen-der-arbeitswelt.html, zuletzt aufgerufen am 25. 7. 2020.

B. Ansätze zur Reformierung des Heilpraktikerwesens

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Wenn es aber um die Wahrnehmung von Sachverantwortung, die Einbringung von Expertise oder die Vertretung eigener Interessen geht, empfiehlt sich die Bildung einer zentralen Organisation, in der sämtliche Betroffenen eingebunden sind.344

III. Verkammerung des Heilpraktikerberufs Es bedarf also gefestigter organisatorischer Strukturen des gesamten Heilpraktikerwesens. Orientiert man sich an anderen, vergleichbaren Berufsständen, so liegt eine Verkammerung der Heilpraktiker nahe. Damit wäre dem Heilpraktikerberuf eine klare rechtliche Kontur gegeben; umgekehrt wäre er vor übermäßigem Zugriff des Staates in gleichem Maße wie die übrigen Gesundheitsberufe geschützt. 1. Die funktionale Selbstverwaltung als Dezentralisierungskonzept Ein wesentlicher Schutzmechanismus zugunsten des Berufsstandes läge in der Übertragung der Befugnis zur funktionalen Selbstverwaltung, die mit einer Verkammerung regelmäßig einhergeht. Der Staat überlässt, selbstverständlich innerhalb eines gesetzlichen Rahmens, die Erfüllung öffentlicher Aufgaben den Berufsständen selbst, ermöglicht also durch seinen eigenen Regelungsverzicht345 ein „Selbst“Verwalten auf der Detailebene. Obwohl sich Selbstverwaltung aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausgestaltung in verschiedenen Bereichen kaum einheitlich definieren lässt346, gehört die Eigenverantwortlichkeit zu den unverzichtbaren Bestandteilen des Selbstverwaltungskonzepts. In der Literatur wird das Prinzip der Selbstverwaltung als Organisation in öffentlich-rechtlichen Einheiten bezeichnet, „die gegenüber dem staatsunmittelbaren Behördensystem institutionell verselbständigt, aber gleichwohl in den Staatsverband eingegliedert sind und sich dadurch auszeichnen, daß bestimmte öffentliche Angelegenheiten von den davon besonders berührten Personen, den Betroffenen, eigenverantwortlich (das heißt höchstens unter staatlicher Rechtsaufsicht) verwaltet werden“.347

344

Siehe dazu W. Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 1997, S. 326. Wobei dieser Regelungsverzicht selbstverständlich nicht absolut gilt; siehe dazu BVerfGE 111, 191 (216 f.). 346 Vgl. dazu E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 10. Aufl. 1973, S. 471; R. Hendler, Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip, 1984, S. 271 ff. 347 R. Hendler, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 3. Aufl. 2009, § 143 Rn. 19 – ohne die Hervorhebungen; vgl. ferner W. Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 1997, S. 25 sowie H. Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 20 (Demokratie) Rn. 128; B. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 20 Rn. 173 (Stand der Kommentierung: Januar 2010). 345

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4. Teil: Zur rechtlichen Neuordnung des Heilpraktikerwesens

a) Normsetzungskompetenz Die Verleihung der Befugnis zur funktionalen Selbstverwaltung bedeutet also stets das Einräumen eigenverantwortlicher Handlungsspielräume, die der Berufsstand in eigener Regie ausgestalten kann. Denn wesentliche Fragen der Berufsausübung werden in der jeweiligen Kammer eigenständig geklärt und in untergesetzlichen Regelwerken, meist Satzungen, verbindlich festgehalten. Die Möglichkeit, in einem begrenzten Bereich autonom Regelungen aufstellen zu können, verschafft den Selbstverwaltungsträgern Raum zur normativen Gestaltung und entrückt die Sachmaterie, jedenfalls auf der wichtigen Detailebene, von dem unsteten Handeln staatlicher Entscheidungsträger. Funktionale Selbstverwaltung leistet insoweit einen wichtigen Beitrag zur Dezentralisierung von Lebensbereichen. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge hat die Übertragung der Befugnis zum Erlass von Satzungen auf öffentlich-rechtliche Körperschaften „ihren guten Sinn darin, gesellschaftliche Kräfte zu aktivieren, den entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen die Regelung solcher Angelegenheiten, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am sachkundigsten beurteilen können, eigenverantwortlich zu überlassen und dadurch den Abstand zwischen Normgeber und Normadressat zu verringern. Zugleich wird der Gesetzgeber davon entlastet, sachliche und örtliche Verschiedenheiten berücksichtigen zu müssen, die für ihn oft schwer erkennbar sind und auf deren Veränderungen er nicht rasch genug reagieren könnte.“348 Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch andererseits auch darauf hingewiesen, dass „die Rechtssetzung durch Berufsverbände besondere Gefahren für die Betroffenen und die Allgemeinheit mit sich bringen kann; zum Nachteil der Berufsanfänger und Außenseiter kann sie ein Übergewicht von Verbandsinteressen oder ein verengtes Standesdenken begünstigen, das notwendigen Veränderungen und Auflockerungen festgefügter Berufsbilder hinderlich ist. Am ehesten darf ein Berufsverband zur Normierung solcher Berufspflichten ermächtigt werden, die keinen statusbildenden Charakter haben und die lediglich in die Freiheit der Berufsausübung von Verbandsmitgliedern eingreifen.“349 Der untergesetzlichen Normsetzung durch die funktionale Selbstverwaltung sind zum einen durch das Fachrecht und zum anderen durch den Parlamentsvorbehalt Grenzen gezogen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt nämlich aus den Staatsstrukturprinzipien von Demokratie350 und Rechtsstaat351, 348

BVerfGE 33, 125 (156 f.). BVerfGE 76, 171 (185). 350 Dem vom Parlament beschlossenen Gesetz kommt „gegenüber dem bloßen Verwaltungshandeln die unmittelbarere demokratische Legitimation zu, und das parlamentarische Verfahren gewährleistet ein höheres Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche und damit auch größere Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen“, BVerfGE 40, 237 (249). 351 Das Rechtsstaatsprinzip fordert, „die öffentliche Gewalt in allen ihren Äußerungen auch durch klare Kompetenzordnung und Funktionentrennung rechtlich zu binden, so daß Machtmißbrauch verhütet und die Freiheit des Einzelnen gewahrt wird“, BVerfGE 33, 125 (158). „Die 349

B. Ansätze zur Reformierung des Heilpraktikerwesens

83

dass der parlamentarische Gesetzgeber die „grundlegenden“352, „wesentlichen Entscheidungen“353 selbst treffen muss und diese nicht der Exekutive überlassen darf. Die damit begründete sogenannte Wesentlichkeitstheorie hat das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Entscheidungen konkretisiert. Es hielt zur Bestimmung des „Wesentlichen“ ein Vorgehen „mit großer Behutsamkeit“ für geboten und sprach von den „Gefahren einer zu weitgehenden Vergesetzlichung“354 ; im „grundrechtsrelevanten Bereich bedeutet […] ,wesentlich‘ in der Regel ,wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte‘“.355 Die Wesentlichkeitstheorie lässt sich nicht nur zur Beantwortung der Frage, ob überhaupt eine formell-gesetzliche Grundlage geboten ist, sondern gerade auch zur Klärung der notwendigen Regelungsdichte fruchtbar machen: Da die wesentlichen Entscheidungen dem Parlament selbst vorbehalten bleiben und als „parlamentarische Leitentscheidungen“356 somit durch formell-gesetzliche Festlegungen erfolgen sollen, wird der traditionelle Vorbehalt des Gesetzes für einen bestimmten Bereich zum Parlamentsvorbehalt fortentwickelt. Bei diesem handelt es sich demnach um einen „zum Delegationsverbot verdichteten Gesetzesvorbehalt“357, also um einen Gesetzesvorbehalt „im engeren“358 oder „strengen Sinn“359. Grundlegende Fragen werden mithin durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst zu klären sein, während die Feinstrukturierung auf der Detailebene den Selbstverwaltungsträgern zur Verfügung steht. Daraus kann sich in der Praxis eine weitreichende Regelungskompetenz innerhalb einer Fachmaterie ergeben.

Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, der Vorrang des Gesetzes also, würden ihren Sinn verlieren, wenn nicht schon die Verfassung selbst verlangen würde, daß staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen nur Rechtens ist, wenn es durch das förmliche Gesetz legitimiert wird“, BVerfGE 40, 237 (248 f.). Zur Bedeutung des Rechtsstaatsprinzips näher H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger als Verfassungsproblem, 1987, S. 450 ff. 352 BVerfGE 33, 303 (346). 353 BVerfGE 45, 400 (417 f.); 47, 46 (78 f.); 49, 89 (126 f.); 58, 257 (268 f.); 82, 209 (224); 98, 218 (251). Siehe zur teilweise im Schrifttum vertretenen Kritik H. Sodan, Freier Beruf und Berufsfreiheit, 1988, S. 27 f. 354 Siehe zur gegenläufigen Praxis indessen H. Sodan, NVwZ 2009, 545 (547). 355 BVerfGE 47, 46 (79); vgl. etwa auch BVerfGE 57, 295 (321); 98, 218 (251). „Die Tatsache, dass eine Frage politisch umstritten ist, führt dagegen für sich genommen nicht dazu, dass diese als wesentlich verstanden werden müsste“, BVerwG, NVwZ-RR 2015, 15 (16); vgl. auch bereits BVerfGE 49, 89 (126). 356 BVerfGE 47, 46 (83); 58, 257 (271). 357 W. Krebs, Jura 1979, 304 (312). 358 D. Falckenberg, BayVBl. 1978, 166 (167). 359 J. Listl, DVBl. 1978, 10 (12).

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4. Teil: Zur rechtlichen Neuordnung des Heilpraktikerwesens

b) Umfassende Pflichtmitgliedschaft Eine Verkammerung wäre allerdings mit einer Pflichtmitgliedschaft der Berufsangehörigen verbunden. Die Freiheiten, welche die Selbstverwaltung im Vergleich zu einer zentralisierten Organisation bieten kann, wiegen aber prinzipiell die Nachteile der Pflichtmitgliedschaft auf.360 Der Zwangsmitgliedschaft einschließlich einer damit verbundenen Beitragspflicht stehen ein der unmittelbaren Staatsverwaltung entzogener Sachbereich und die Möglichkeit aller Pflichtmitglieder zur Partizipation an der Entscheidungsfindung gegenüber. Selbstverwaltung lockert „gleichsam den Zügel der Freiheitsbeschränkung, die mit der Pflichtmitgliedschaft verbunden ist, durch ein Stück Mitsprache- und Mitwirkungsmöglichkeit“.361 2. Binnenstruktur der Selbstverwaltungsträger Funktionale Selbstverwaltung schafft also einerseits Freiheiten bei der Entscheidungsfindung und -umsetzung, verlangt aber andererseits eine gefestigte organisatorische Struktur. Denn als zentrales Strukturelement spiegelt sich der Gedanke der Betroffenenpartizipation362 auch in der Binnenorganisation wider. Die Berufskammern sind keine fremdgesteuerten Institutionen, sondern werden von ihren Mitgliedern getragen und gebildet. Betroffenenpartizipation durch Mitwirkung und Mitentscheidung ist ein wichtiges Regulativ, um bürgerliche Kräfte an administrativen Aufgaben im Sinne einer pluralisierten Verwaltung zu beteiligen.363 Nicht möglich ist es allerdings, sämtlichen Betroffenen unmittelbar ein Sprachrohr zu geben. Die Partizipation muss notwendigerweise durch Repräsentanten erfolgen, die aus dem Kreis der Betroffenen gewählt werden, wobei sich die Besetzungsverfahren, aber auch die Kammergrößen je nach Berufsstand und Bundesland unterscheiden können. Hieraus ergeben sich zwangsläufige Bestimmungen für die Binnenstruktur. In der funktionalen Selbstverwaltung muss es mindestens ein Organ, das die Repräsentanz aller Betroffenen herstellt, und ein Organ zur Führung der Dienstgeschäfte geben. Hieraus folgt, dass die Einrichtungen funktionaler Selbstverwaltung regelmäßig über mindestens ein Legislativ- und Exekutivorgan verfügen.364 Am Beispiel anderer Heilberufe lässt sich die Binnenstruktur der Selbstverwaltungsträger nachvollziehen. Bei den Ärzten und den nach den Heilberufe-Kam360 Soweit ersichtlich, hat das Bundesverfassungsgericht bislang noch keinen Zwangszusammenschluss für verfassungswidrig erklärt; siehe dazu näher H. Sodan, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2018, Art. 2 Rn. 16. 361 R. Jäkel, DVBl 1983, 1133 (1140). 362 Zur Betroffenenpartizipation als tragendes Prinzip der Selbstverwaltung F. E. Schnapp, VSSR 2006, 191 (195); G. F. Schuppert, AöR 114 (1989), 127 (135 f.). 363 M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993, S. 74. 364 Siehe zur verfassungsdogmatischen Aufgabenverteilung der Selbstverwaltungsorgane W. Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 1997, S. 474 ff.

B. Ansätze zur Reformierung des Heilpraktikerwesens

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mergesetzen der Länder geregelten Berufen werden die Exekutivaufgaben durch einen ehrenamtlichen Vorstand übernommen365, während die Delegiertenversammlung (die in anderen Berufsbereichen auch als Kammerversammlung oder Mitgliederversammlung bezeichnet wird) das „Parlament“ der Berufskammer bildet. Dort findet insbesondere die Beschlussfassung über die Kammersatzung, die Berufsordnung366, die Weiterbildungsordnung und die Wahlordnung sowie die Haushaltsplanung statt.367 Darüber hinaus verfügen die Kammern in der Regel über eigene, interne Institutionen zur Konfliktlösung und Schlichtung sowie eine interne Berufsaufsicht.368 Überträgt man dieses Modell auf die Heilpraktiker, hätte dies für den Berufsstand Vorteile. Zunächst bliebe die Entscheidungsgewalt bei den Berufsangehörigen als Mitgliedern der Kammer und damit auf einer dezentralen Ebene. Dies würde Freiräume sichern, die bei einer Steuerung durch die Ministerialverwaltung in keinem Fall erreichbar wären. Mit der Einbindung der Betroffenen in die Entscheidungsfindung wäre sicherzustellen, dass die Ausgestaltungen auf der Detailebene im Interesse und nach den Vorstellungen der Berufsangehörigen getroffen und diese Personenkreise nicht übergangen würden. Nicht zuletzt deshalb wird Betroffenenpartizipation nicht selten als Maßnahme zum Betroffenenschutz verstanden.369 Zu bedenken ist hier allerdings, dass derzeit kein einheitlicher Dachverband der Heilpraktiker existiert; vielmehr werden deren Interessen von verschiedenen, meist privatrechtlich organisierten Institutionen wahrgenommen. In einer mit Pflichtmitgliedschaft versehenen Berufskammer müssten die heterogenen Interessen eines vielschichtigen Berufsstandes zwangsläufig harmonisiert werden. Zugleich ließe sich so die Interessenvertretung der Heilpraktiker bündeln und effektivieren. Eine gebündelte Interessenvertretung könnte erheblich wirksamer auf die sie betreffende Gesetzgebung einwirken und hätte deutlich höhere Chancen, im politischen Bereich wahrgenommen zu werden.

365 U. Wollersheim, in: Clausen/Schroeder-Printzen (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 3. Aufl. 2020, § 6 Rn. 48. 366 Auch ohne explizite Verleihung der Befugnis zur funktionalen Selbstverwaltung haben sich die Berufsverbände der Heilpraktiker eine Berufsordnung für Heilpraktiker (BOH) gegeben, die im Volltext unter https://www.bdh-online.de/wp-content/uploads/2015/08/Berufsordnung-Heilpraktiker_2015_210x297_20150814.pdf, zuletzt aufgerufen am 25. 7. 2020, veröffentlicht ist. Siehe hierzu H. Haage, Heilpraktikergesetz, 2. Aufl. 2013, § 1 Rn. 27. 367 U. Wollersheim, in: Clausen/Schroeder-Printzen (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 3. Aufl. 2020, § 6 Rn. 49. 368 Vgl. zu den Ärztekammern W. Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, 1997, S. 88 ff. 369 Vgl. dazu G. F. Schuppert, AöR 114 (1989), 127 (135 f.); kritisch hierzu K.-J. Bieback, in: Rixen/Welskop-Deffaa (Hrsg.), Zukunft der Selbstverwaltung, 2015, S. 12 f., der zwar anerkennt, dass sich funktionale Selbstverwaltung als Mittel eignet, Grundrechte effektiver zu schützen, aber zugleich auf die Grundrechtsbeeinträchtigung durch Selbstverwaltung hinweist.

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4. Teil: Zur rechtlichen Neuordnung des Heilpraktikerwesens

3. Berufsgerichtsbarkeit zur internen Konfliktlösung Über die lückenlose Betroffenenbeteiligung sowie eine effizientere Interessenvertretung hinaus böte die Verkammerung die Chance, Konflikte jeweils im Innenverhältnis lösen zu können. Zur internen Konfliktbewältigung verfügen die Berufskammern jeweils über eine Berufsgerichtsbarkeit, die entweder den Verwaltungsgerichten oder den Zivilgerichten zugeordnet oder als eigene Institution der Kammer ausgestaltet ist.370 Im Bereich der Heilberufe sind die Berufsgerichte regelmäßig auf der Landesebene der Verwaltungsgerichtsbarkeit angegliedert.371 Bei den Berufsgerichten handelt es sich um sogenannte Gerichte für besondere Sachgebiete im Sinne von Art. 101 Abs. 2 GG.372 Darunter sind Gerichte zu verstehen, die durch abstrakte Normen für eine bestimmte, sachlich umschriebene Gruppe von Rechtsfällen aufgebaut werden.373 Für die Errichtung berufsständischer Gerichtsbarkeiten sind im Hinblick auf Heilberufe die Länder zuständig. Zwar verfügt der Bund über die Kompetenz im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung für die Gerichtsverfassung aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Allerdings eröffnet Art. 101 Abs. 2 GG ausdrücklich die Möglichkeit, Gerichte für besondere Sachgebiete durch Gesetz zu errichten, enthält jedoch keine Aussage darüber, ob Bund und Länder gleichermaßen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen können. Da aber die Gerichte bzw. Gerichtsbarkeiten des Bundes in den Art. 92 und Art. 95 f. GG abschließend genannt sind, kommt diese Option nur für die Länder in Betracht.374 Art. 101 Abs. 2 GG stellt einen Gesetzesvorbehalt375 für die Errichtung einer besonderen Gerichtsbarkeit auf, von dem nur dann Gebrauch gemacht werden kann, wenn die Länder für den Bereich der besonderen Gerichtsbarkeit über die erforderliche Gesetzgebungskompetenz verfügen. Sofern den Ländern also die Kompetenz zur Gesetzgebung im Hinblick auf die

370 J. Hüttenbrink, in: Kuhla/Hüttenbrink/Endler (Hrsg.), Der Verwaltungsprozess, 3. Aufl. 2002, C Rn. 105. 371 P. Stelkens/N. Panzer, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, § 187 Rn. 7 (Stand der Kommentierung: Juni 2017), weisen darauf hin, dass es sich lediglich um eine Übertragung, nicht jedoch um eine Angliederung handelt. Siehe auch H. A. Wolff, in: Posser/Wolff (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Beck’scher Online-Kommentar, § 187 Rn. 8 (Stand der Kommentierung: Januar 2019). 372 Vgl. exemplarisch für die Berufsgerichte der Ärztekammern BVerfGE 18, 241 (257). 373 G. Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz, Beck’scher OnlineKommentar, Art. 101 Rn. 34 (Stand der Kommentierung: Dezember 2019); H. Sodan, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2018, Art. 101 Rn. 12. 374 G. Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Grundgesetz, Beck’scher OnlineKommentar, Art. 101 Rn. 34 (Stand der Kommentierung: Dezember 2019); H. Sodan, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2018, Art. 101 Rn. 12; H. A. Wolff, in: Posser/Wolff (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Beck’scher Online-Kommentar, § 187 Rn. 3 (Stand der Kommentierung: Januar 2019). 375 M. Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 101 Rn. 96 ff. (Stand der Kommentierung: August 2018).

B. Ansätze zur Reformierung des Heilpraktikerwesens

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Ausübung von Heilberufen zukommt376, kann es für die standes- und disziplinarrechtlichen Streitigkeiten auf dem Gebiet der Heilberufe eine durch die Länder geschaffene besondere Gerichtsbarkeit geben, für welche die Länder Verfahren und Ausgestaltung bestimmen können.377 Umgekehrt folgt hieraus, dass die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelung der Gerichtsverfassung aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG nicht die Errichtung der Berufsgerichtsbarkeit umfassen kann.378 Das Verwaltungsprozessrecht konkretisiert die Möglichkeit zur Schaffung von Sondergerichtsbarkeiten, indem § 187 Abs. 1 VwGO ausdrücklich eine Angliederung von Berufsgerichten vorsieht, für die es allerdings einer ausdrücklichen landesgesetzlichen Zuweisung für sämtliche Instanzen bedarf.379 Diesen Weg gehen die Länder bei den Heilberufen regelmäßig. Sie entscheiden sich dabei meist für eine Angliederung an die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Für den Berufsstand hat dies den Vorteil, dass Rechtsstreitigkeiten ähnlich wie in einem Schiedsverfahren in einem eigenen Berufsgericht geklärt werden können. Zwar entfaltet das Verfahren vor den Berufsgerichten keine „Immunität“ vor weitergehenden Maßnahmen etwa von Verwaltungsbehörden. In diesen Fällen bleibt aber auch der übrige Rechtsschutz der Berufsangehörigen unangetastet.380 4. Rechtsaufsicht Allerdings verschafft eine Verkammerung nicht ausschließlich Freiheiten. Träger funktionaler Selbstverwaltung unterliegen einer staatlichen Aufsicht, die regelmäßig auf die Rechtsaufsicht begrenzt bleiben muss. Es handelt sich dabei um eine Form administrativer Kontrolle, die jedenfalls insoweit eingeschränkt ist, als sie nur die Rechtstreue des beaufsichtigten Selbstverwaltungsträgers umfasst. Mit anderen Worten dürfen die Aufsichtsbehörden lediglich kontrollieren, ob sich der Selbstverwaltungsträger an die geltenden Rechtsvorschriften in Gestalt der formellen und materiellen Gesetze gehalten hat. Verwehrt ist es ihnen dagegen, Entscheidungen der Selbstverwaltungsträger unter Berufung auf ihre Unzweckmäßigkeit zu beanstanden

376

Siehe hierzu bereits ausführlich oben S. 17 ff. BVerwG, GesR 2014, 33 (34); D. Heckmann, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Großkommentar, 5. Aufl. 2018, § 187 Rn. 27; K. Rennert, in: Eyermann (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 15. Aufl. 2019, § 40 Rn. 160. 378 Vgl. dazu BVerfGE 4, 74 (82 ff.); 106, 62 (125, 132). 379 So jedenfalls BVerwG, GesR 2014, 33 (34). Welchen Stellenwert der Gesetzesvorbehalt zur Errichtung einer besonderen Gerichtsbarkeit hat, zeigt sich daran, dass ein Verstoß im Rahmen der Verfassungsbeschwerde unter Berufung auf eine Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gerügt werden kann. Siehe dazu M. Jachmann-Michel, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 101 Rn. 98 m. w. N. (Stand der Kommentierung: August 2018). 380 J. Hüttenbrink, in: Kuhla/Hüttenbrink/Endler (Hrsg.), Der Verwaltungsprozess, 3. Aufl. 2002, C Rn. 105. 377

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4. Teil: Zur rechtlichen Neuordnung des Heilpraktikerwesens

oder eigene Zweckmäßigkeitserwägungen an die Stelle derjenigen der Selbstverwaltungsträger zu setzen.381 Die Rechtsaufsicht ist eine notwendige, aber dennoch schonende administrative, externe Kontrolle der Selbstverwaltung. Auf der einen Seite darf die Verleihung der Befugnis zur funktionalen Selbstverwaltung nicht zur völligen Entäußerung von Staatsgewalt führen; auf der anderen Seite muss den Belangen der Selbstverwaltungsträger und insbesondere dem Anspruch auf Eigenverantwortlichkeit hinreichend Rechnung getragen werden. Funktionale Selbstverwaltung und staatliche Aufsicht werden von der Literatur deshalb häufig in einem Komplementärverhältnis verortet.382 Auch eine Verkammerung des Heilpraktikerwesens müsste eine Rechtsaufsicht nach sich ziehen, welche die Einhaltung der geltenden rechtlichen Grundlagen überprüfen und durch vom Fachrecht vorgegebene Aufsichtsmittel sicherstellen würde. Hiermit verbunden wäre die Absicherung, dass die Berufskammer ihre gesetzlich zugewiesenen Handlungsspielräume einhielte und Entscheidungen träfe, die mit den Vorgaben des Fachrechts in Einklang stünden. Im Übrigen sollte die Ausübung der Rechtsaufsicht nach modernem Verständnis nicht in einem bloß repressiven „Soll-Ist-Abgleich“383, sondern kooperativ stattfinden384.

IV. Zwischenbilanz Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Verkammerung des Heilpraktikerwesens zwar deutliche Umstrukturierungen des Berufsstandes nach sich zöge, im Ergebnis aber viele Vorteile insbesondere für die Ausgestaltung der Berufsausübungsmodalitäten sowie für die Interessenvertretung böte.

381 Siehe zur Zweckmäßigkeitskontrolle unter Erteilung von Weisungen als Charakteristikum der Fachaufsicht P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 99 Rn. 229; E. Schmidt-Aßmann/H. C. Röhl, in: Schmidt-Aßmann/ Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 1. Kap. Rn. 44. 382 Siehe etwa M. Gaßner, MedR 2017, 677 (679); H. W. Horwitz, Der Staatskommissar als Mittel der Staatsaufsicht über die Gemeinden, 1933, S. 4; H. Plagemann, VSSR 2007, 121 (121); T. Mann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 146 Rn. 39; M. Nierhaus/A. Engels, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 28 Rn. 77a; J. Salzwedel, VVDStRL 22 (1963), 206 (211); M. Schüffner/P. Franck, in: Sodan (Hrsg.), Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 3. Aufl. 2018, § 36 Rn. 20; G. F. Schuppert, AöR 114 (1989), 127 (137). Vgl. zur kommunalen Selbstverwaltung BVerfGE 6, 104 (118). Krit. allerdings F. E. Schnapp, in: von Mutius (Hrsg.), Festschrift für Georg Christoph von Unruh, 1983, S. 894. 383 W. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 4. 384 Grundlegend dazu W. Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000, S. 547.

C. Rechtliche Umgestaltung des Heilpraktikerwesens

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C. Rechtliche Umgestaltung des Heilpraktikerwesens Zu klären ist allerdings die Frage, wie die Einführung einer funktionalen Selbstverwaltung für Heilpraktiker rechtstechnisch umzusetzen wäre. Weil andere Gesundheitsberufe über die funktionale Selbstverwaltung in Form von Berufskammern verfügen, bietet sich eine normative Orientierung an diesen Berufsständen an.

I. Rechtstechnische Möglichkeiten zur Verkammerung des Heilpraktikerwesens Eine Herausforderung liegt dabei aber in der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland. Für die Ausgestaltung der Berufsausübung haben grundsätzlich die Länder die Gesetzgebungskompetenz, weil der Kompetenztitel aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG nur Fragen der Berufszulassung umfasst.385 Regelungen zu der Verkammerung anderer Gesundheitsberufe sind deshalb in den Heilberufekammergesetzen der Länder zu finden. Mit diesen förmlichen Gesetzen auf Länderebenen existieren zwar bestehende Regelwerke, in die der Berufsstand der Heilpraktiker mit verhältnismäßig geringem Aufwand integriert werden könnte. Hierdurch würde die gesetzgeberische Umsetzung einer Verkammerung erheblich erleichtert. Es bestünde allerdings die Gefahr länderspezifischer Abweichungen, wobei jedoch hervorzuheben ist, dass bereits existierende landesrechtliche Ausgestaltungen im Hinblick auf Heilberufe eine bemerkenswerte Homogenität aufweisen. 1. Orientierung an Heilberufekammergesetzen der Länder Gleichwohl müsste im Grunde für jedes einzelne Bundesland gesondert geprüft werden, wie eine Verkammerung des Heilpraktikerwesens landesrechtlich umgesetzt werden könnte. Das kann in dieser Tiefe jedenfalls nicht im Rahmen der hiesigen Untersuchung geleistet werden. Eine solch differenzierte Prüfung ist zum jetzigen Zeitpunkt auch wenig fruchtbringend, zumal es bislang keine konkreten Reformvorhaben gibt und sich gegebenenfalls sämtliche Überlegungen zur Rechtslage de lege ferenda vollständig erübrigen könnten. Im Übrigen darf davon ausgegangen werden, dass sich landesrechtliche Regelungen einer Verkammerung zumindest inhaltlich in vielen Punkten entsprechen würden. Um Unterschiede dennoch im Vorfeld ermitteln zu können, sollen nachfolgend die Heilberufekammergesetze zweier großer Flächenländer sowie des Landes Berlin als eines Stadtstaates beispielhaft untersucht werden.

385

Vgl. oben S. 17 ff.

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4. Teil: Zur rechtlichen Neuordnung des Heilpraktikerwesens

a) Bayern Im Freistaat Bayern sind die Modalitäten der Berufsausübung und der Verkammerung einiger Heilberufe im Gesetz über die Berufsausübung, die Berufsvertretungen und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker sowie der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe-Kammergesetz – HKaG)386 festgeschrieben. Bereits der Gesetzestitel nennt also die erfassten Berufsgruppen. In diese Gesetzesbezeichnung wären die Heilpraktiker einzufügen. Nach den aufgezählten Berufsgruppen ist das Heilberufe-Kammergesetz in einzelne Abschnitte gegliedert. Dabei bildet der Erste Teil, der die Verkammerung der Ärzte in Bayern betrifft, den umfangreichsten Teil. Für die übrigen Berufsgruppen bestehen zwar eigenständige Regelungen in den jeweiligen Teilen. Es fällt aber auf, dass diese Teile nur spezifische Vorgaben enthalten, in vielen allgemeinen Bereichen aber auf die zu den Ärzten getroffenen Bestimmungen verwiesen wird, so etwa in Art. 46 Abs. 1, Art. 51 Abs. 1, Art. 59 Abs. 1 Satz 1 und Art. 65 HKaG. Der Gesetzgeber im Freistaat Bayern setzt also auf die grundlegende Systematik, die Vorgaben für die Ärzte als einen Standard anzuerkennen, während für andere Heilberufe nur teilweise spezifische Regelungen getroffen, ansonsten aber zurückverwiesen wird. In diese Struktur ließe sich auch das Heilpraktikerwesen problemlos einfügen. Hierzu könnte den Heilpraktikern ein eigenständiger Teil gewidmet werden, der systematisch nach dem Ersten Teil, der die Verkammerung der Ärzte betrifft und allgemeingültige, auf andere Berufsgruppen übertragbare Regelungen enthält, aber vor den Bestimmungen zur Berufsgerichtsbarkeit im Sechsten Teil (Art. 66 ff. HKaG) eingeordnet würde. Für die Frage, welche Materien für die Heilpraktiker spezifisch geregelt sein müssten, böte sich eine Orientierung an dem Vierten Teil an, der die Apotheker betrifft (Art. 52 bis 59 HKaG). Dort sind – abweichend von den Ärzten – die organisatorischen Vorgaben für die Berufskammer sowie für die Berufsausbildung geregelt. Eine Regelung des bayerischen Heilpraktikerwesens könnte im Grunde synchron stattfinden, wobei im Detail zu klären wäre, wie die Organisation der Kammer und der Ausbildungsstruktur erfolgen soll. b) Nordrhein-Westfalen Das im Land Nordrhein-Westfalen geltende Heilberufsgesetz (HeilBerG)387 trennt dagegen nicht die einzelnen Heilberufsstände, sondern ist ausschließlich nach inhaltlicher Systematik in Abschnitte unterteilt, die grundsätzlich für sämtliche in 386

In der Fassung der Bekanntmachung vom 6. 2. 2002 (GVBl., S. 42, BayRS 2122 – 3-G), zuletzt geändert durch § 3 des Gesetzes vom 12. 7. 2018 (GVBl., S. 545). 387 Vom 9. 5. 2000 (GV. NRW., S. 403), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. 4. 2020 (GV. NRW., S. 218b).

C. Rechtliche Umgestaltung des Heilpraktikerwesens

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dem Gesetz geregelte Heilberufe gelten. Für welche Heilberufe in NordrheinWestfalen Kammern errichtet sind und welche Bezeichnungen die Kammern tragen, die – historisch bedingt – für Nordrhein und Westfalen-Lippe getrennt bestehen, regelt § 1 HeilBerG, der den Anwendungsbereich des Gesetzes bestimmt. In diese Aufzählung müssten die Heilpraktiker eingefügt werden. Nach § 1 Satz 1 Nr. 5 HeilBerG ließe sich eine weitere Nummer 6 ergänzen. § 1 Satz 1 HeilBerG könnte dann wie folgt lauten: „Im Land Nordrhein-Westfalen werden als berufliche Vertretungen der […] 6. Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker die Heilpraktikerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe errichtet. Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und führen ein Dienstsiegel. […]“

Sämtliche Regelungen des Heilberufsgesetzes würden auch für Heilpraktiker gelten, soweit diese verkammert wären. Viele allgemeine Vorgaben, wie etwa zu den grundlegenden Aufgaben der Kammern (§ 6 HeilBerG), der groben Binnenstruktur durch Bestimmung der Organe (§ 10 HeilBerG) sowie der Wählbarkeit der Berufsangehörigen in die Organe (§§ 11 ff. HeilBerG), zur Rechtsaufsicht (§ 28 HeilBerG), zu den Grundlagen der Berufsausübung und den Berufspflichten (§§ 29 f. HeilBerG), zu den Inhalten der Berufsordnung (§ 32 HeilBerG) und zur Berufsgerichtsbarkeit (§§ 61 ff. HeilBerG) könnten ohne wesentliche Ergänzungen auch für Heilpraktiker übernommen werden. In einigen Bereichen würde das Heilpraktikerwesen aber bereichsspezifische Regelungen erfordern, die – in zusätzlichen Absätzen der jeweils einschlägigen Vorschriften – gesondert zu normieren wären. Dies beträfe unter anderem den übertragenen Wirkungskreis von Aufgaben (§ 9 HeilBerG), die Mitgliederzahl in den Organen (§ 15 HeilBerG) sowie insbesondere Fragen der beruflichen Weiterbildung und deren Anerkennung (§§ 36 ff. HeilBerG). c) Berlin In Berlin orientiert sich die rechtliche Erfassung der Heilberufe durch das Berliner Heilberufekammergesetz (BlnHKG)388 weitgehend an dem Modell von NordrheinWestfalen, nimmt aber insbesondere für den Bereich der Weiterbildung berufsspezifische Differenzierungen vor. Zunächst zählt § 1 BlnHKG diejenigen Berufe auf, die im Land Berlin verkammert sind und für die mithin die nachfolgenden Regelungen gelten. In diese Aufzählung wären die Heilpraktiker aufzunehmen. § 1 BlnHKG könnte wie folgt lauten:

388

Vom 2. 11. 2018 (GVBl., S. 622).

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4. Teil: Zur rechtlichen Neuordnung des Heilpraktikerwesens „(1) Im Land Berlin bestehen als Berufsvertretungen […], 6. der Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker die Heilpraktikerkammer Berlin. (2) Die Kammern sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. […]“

Die Verkammerung der Heilpraktiker wäre Voraussetzung für die Geltung der allgemeinen Vorgaben zur Berufsausübung auch für diesen Berufsstand. Ferner müsste, ähnlich wie für Nordrhein-Westfalen, untersucht werden, für welche Bereiche spezifische Regelungen in Bezug auf das Heilpraktikerwesen benötigt würden. In erster Linie beträfe dies die Weiterbildung der bereits zugelassenen Berufsangehörigen. Neben einem allgemeinen Teil (§§ 29 ff. BlnHKG) enthält das Berliner Heilberufekammergesetz für die Weiterbildung gesonderte Abschnitte zu den einzelnen Heilberufen.389 In diese Systematik ließen sich die Heilpraktiker einordnen, indem spezielle Vorschriften für die berufliche Weiterbildung unmittelbar nach dem fünften Abschnitt des dritten Teils, mithin nach § 56 BlnHKG, eingefügt würden. Darüber hinaus müsste überprüft werden, ob die Regelungen zur personellen Besetzung der Kammerorgane, nämlich zur Delegiertenversammlung nach § 12 Abs. 1 BlnHKG und zum Vorstand nach § 16 Abs. 1 BlnHKG, auch auf die Heilpraktiker übertragen werden könnten oder ob Spezialregelungen erforderlich wären. Im Übrigen würden die meisten Vorgaben allerdings ohne Änderungsbedarf übernommen werden können. 2. Stellungnahme Der Überblick über landesspezifische Regelungen der in Kammern zusammengeschlossenen Heilberufe verdeutlicht, dass es rechtstechnisch ohne größere Schwierigkeiten möglich wäre, den Berufsstand der Heilpraktiker in bestehende Gesetze einzubeziehen. Landesspezifische Unterschiede würden hierbei kein Hindernis darstellen, weil die Abweichungen meist gesetzessystematischer, kaum aber inhaltlicher Natur sind. So findet eine Verkammerung jeweils nach denselben Grundsätzen statt; lediglich die Ausführung in Detailfragen, etwa die zahlenmäßige Zusammensetzung der Organe, kann sich in einzelnen Ländern unterscheiden und dabei regionalen Besonderheiten Rechnung tragen.

389 Vgl. §§ 41 ff. BlnHKG für die Ärzte; §§ 45 ff. BlnHKG für die Zahnärzte; §§ 48 ff. BlnHKG für die Tierärzte; §§ 52 ff. BlnHKG für die Apotheker sowie §§ 55 f. für die Psychologischen Psychotherapeuten und die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.

C. Rechtliche Umgestaltung des Heilpraktikerwesens

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II. Ausgestaltung der Inhalte und des Verlaufs der Berufsausbildung Besonderes Augenmerk sollte über eine Verkammerung hinaus, auch im Hinblick auf etwaige kritische Einwände zu den heterogenen Qualifikationsanforderungen von Heilpraktikern390, auf Detailfragen der Berufsausbildung, insbesondere der Ausbildungsverläufe und der Qualifikationsnachweise gelegt werden. Nach § 2 Abs. 1 Buchst. i DV-HeilprG ist eine Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten durch das zuständige Gesundheitsamt vorzunehmen. Bislang bestehen verbindliche und universelle Richtlinien also ausschließlich für die Erbringung des Qualifikationsnachweises, dessen dezidierte Inhalte in den Leitlinien des Bundesministeriums für Gesundheit zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärterinnen und -anwärtern391 festgeschrieben sind. Das Bundesverwaltungsgericht führt zu diesem Qualifikationsnachweis aus: „Diese Überprüfung fragt keinen bestimmten Ausbildungsstand ab, sondern dient der Abwehr von Gefahren für die Volksgesundheit im konkreten Einzelfall. Sie soll ergeben, ob mit der Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden, das heißt mit der konkret beabsichtigten Heilkundetätigkeit, eine Gefahr für den Patienten verbunden wäre […]. Der Umfang der Überprüfung steht unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Von einem Berufsbewerber dürfen nur solche Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt werden, die in einem Bezug zu der geplanten Tätigkeit stehen […]. Er muss keine Kenntnisse nachweisen, die er für die beabsichtigte Tätigkeit nicht benötigt oder aufgrund seiner Ausbildung ohnehin schon besitzt.“392 Der Qualifikationsnachweis dient also nach Auffassung des Gerichts vorrangig dem Gesundheitsschutz der Patienten. Dem Gesundheitsschutz wäre darüber hinaus noch mehr entsprochen, wenn auch die Ausbildungsinhalte und -verläufe zumindest in Form eines groben Curriculums fixiert wären, wobei den Ausbildungsstätten Freiräume bei der Lehrgestaltung im Detail belassen werden sollten. Mit der Entwicklung klarer Ausbildungsstandards ließe sich jedenfalls das Argument entkräften, Anwärter für den Heilpraktikerberuf müssten sich keinem strukturierten Bildungsweg unterziehen. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Bund die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG für Regelungen grober Leitlinien und insbesondere von Mindestinhalten der Berufsausbildung nutzen könnte.393 Die Klärung der Ausbildungsstrukturen auf der Detailebene wäre allerdings als Aufgabe für die Berufskammern prädestiniert, die dazu landesgesetzlicher Ermächtigungen bedürften. Es wäre verfassungsrechtlich nicht geboten, dass der parlamentarische Gesetzgeber jeweils sämtliche Festlegungen selbst träfe.

390 391 392 393

Vgl. dazu bereits oben S. 53 f. BAnz. AT 22. 12. 2017 B5. BVerwGE 134, 345 (351 Rn. 22) – ohne die Hervorhebungen. Vgl. hierzu BVerfGE 106, 62 (131).

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4. Teil: Zur rechtlichen Neuordnung des Heilpraktikerwesens

D. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse Nach alledem lassen sich wesentliche Ergebnisse des vierten Teils der Untersuchung in folgenden Leitsätzen zusammenfassen: 1. Eine Reform des Heilpraktikerwesens könnte für den Berufsstand der Heilpraktiker erhebliche Chancen eröffnen. Ein klar umrissenes Berufsrecht vermittelt Sicherheit, die angesichts der Dynamik des Gesundheitswesens für die Berufsangehörigen von wesentlicher Bedeutung ist. Angesichts dessen stellt sich die Frage, wie ein tragfähiges Berufsrecht für Heilpraktiker geschaffen werden kann. Hierzu kommen verschiedene Ansätze in Betracht, die von bloßen organisatorischen Umgestaltungen bis hin zu grundlegenden Veränderungen der rechtlichen Grundlagen des Heilpraktikerwesens reichen können. 2. Dabei gilt es vor allem zu berücksichtigen, dass auch Heilpraktikern bei der Ausübung von Heilkunde, jedenfalls wenn sie hierzu unbeschränkt berechtigt sind, ähnliche Freiheiten wie den Ärzten zugestanden werden müssen. Ärzte verfügen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit über die „innere Unabhängigkeit“, nach pflichtgemäßem Ermessen weisungsfrei handeln zu können. Dieses als ärztliche Therapiefreiheit bezeichnete Privileg ist im Wesentlichen durch die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Zugleich wird die ärztliche Therapiefreiheit über das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit gewährleistet. Ausgestaltungen der Berufsausübung müssen mithin berücksichtigen, dass die Wahl der im Einzelfall angewandten Therapieform dem einzelnen Heilpraktiker zusteht. Auch im Übrigen sollten die Berufsausübungsmodalitäten nur zurückhaltend geregelt werden, um der Therapiefreiheit der Heilpraktiker angemessen Rechnung zu tragen. 3. Es empfiehlt sich daher die Wahl von Reformansätzen, die zugleich der freien Berufsausübung der Heilpraktiker und der Patientensicherheit gerecht werden. So können etwa eine organisatorische Strukturierung und Harmonisierung der Ausbildungsinhalte in Betracht gezogen werden, die mit einem vergleichsweise geringen Gesetzgebungsaufwand verbunden wären. Nachteilig wären an dieser Lösung aber zwei Aspekte. Zum einen ist es nur schwer vorstellbar, dass sich die zuständigen staatlichen Entscheidungsträger mit bloßen Bekundungen zu kooperativer Definition der beruflichen Bildung zufriedengeben würden, ohne dass hiermit umfassende rechtliche oder strukturelle Novellierungen verbunden wären. Zum anderen fehlt dem Modell zur „Organisation der Arbeitswelten“ nach Schweizer Vorbild eine gewisse Verbindlichkeit, die nicht nur den politischen Vorstellungen der Politik entspräche, sondern auch für die Berufsangehörigen von Nutzen wäre. 4. Es bedarf vielmehr gefestigter organisatorischer Strukturen des gesamten Heilpraktikerwesens. Orientiert man sich an anderen, vergleichbaren Berufsständen, so liegt eine Verkammerung der Heilpraktiker nahe. Damit wäre dem Heilpraktikerberuf eine klare rechtliche Kontur gegeben; umgekehrt wäre er vor übermäßigem Zugriff des Staates in gleichem Maße wie die übrigen Gesundheitsberufe geschützt. Ein wesentlicher Schutzmechanismus zugunsten des Berufsstandes läge in der

D. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse

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Übertragung der Befugnis zur funktionalen Selbstverwaltung, die mit einer Verkammerung regelmäßig einhergeht. Der Staat überlässt, selbstverständlich innerhalb eines gesetzlichen Rahmens, die Erfüllung öffentlicher Aufgaben den Berufsständen selbst, ermöglicht also durch seinen eigenen Regelungsverzicht ein „Selbst“-Verwalten auf der Detailebene. Die Verleihung der Befugnis zur funktionalen Selbstverwaltung bedeutet also stets das Einräumen eigenverantwortlicher Handlungsspielräume, die der Berufsstand in eigener Regie ausgestalten kann. Denn wesentliche Fragen der Berufsausübung werden in der jeweiligen Kammer eigenständig geklärt und in untergesetzlichen Regelwerken, meist Satzungen, verbindlich festgehalten. 5. Eine Verkammerung wäre allerdings mit einer Pflichtmitgliedschaft der Berufsangehörigen verbunden. Die Freiheiten, welche die Selbstverwaltung im Vergleich zu einer zentralisierten Organisation bieten kann, wiegen aber prinzipiell die Nachteile der Pflichtmitgliedschaft auf. a) Funktionale Selbstverwaltung schafft einerseits Freiheiten bei der Entscheidungsfindung und -umsetzung, verlangt aber andererseits eine gefestigte organisatorische Struktur. In der funktionalen Selbstverwaltung muss es mindestens ein Organ, das die Repräsentanz aller Betroffenen herstellt, und ein Organ zur Führung der Dienstgeschäfte geben. Hieraus folgt, dass die Einrichtungen funktionaler Selbstverwaltung regelmäßig über mindestens ein Legislativ- und Exekutivorgan verfügen. b) Zur internen Konfliktbewältigung verfügen die Berufskammern jeweils über eine Berufsgerichtsbarkeit, die entweder den Verwaltungsgerichten oder den Zivilgerichten zugeordnet oder als eigene Institution der Kammer ausgestaltet ist. Im Bereich der Heilberufe sind die Berufsgerichte regelmäßig auf der Landesebene der Verwaltungsgerichtsbarkeit angegliedert. c) Träger funktionaler Selbstverwaltung unterliegen einer staatlichen Aufsicht, die regelmäßig auf die Rechtsaufsicht begrenzt bleiben muss. Es handelt sich dabei um eine Form administrativer Kontrolle, die jedenfalls insoweit eingeschränkt ist, als sie nur die Rechtstreue des beaufsichtigten Selbstverwaltungsträgers umfasst. 6. Eine Herausforderung bei der Umgestaltung des Heilpraktikerwesens liegt in der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland. Für die Ausgestaltung der Berufsausübung haben grundsätzlich die Länder die Gesetzgebungskompetenz, weil der Kompetenztitel aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG nur Fragen der Berufszulassung umfasst. Regelungen zu der Verkammerung anderer Gesundheitsberufe sind deshalb in den Heilberufekammergesetzen der Länder zu finden. Mit diesen förmlichen Gesetzen auf Länderebenen existieren zwar bestehende Regelwerke, in die der Berufsstand der Heilpraktiker mit verhältnismäßig geringem Aufwand integriert werden könnte. Hierdurch würde die gesetzgeberische Umsetzung einer Verkammerung erheblich erleichtert. Es bestünde allerdings die Gefahr länderspezifischer Abweichungen, wobei jedoch hervorzuheben ist, dass bereits existierende landesrechtliche Ausgestaltungen im Hinblick auf Heilberufe eine bemerkenswerte Ho-

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4. Teil: Zur rechtlichen Neuordnung des Heilpraktikerwesens

mogenität aufweisen. Gleichwohl müsste im Grunde für jedes einzelne Bundesland gesondert geprüft werden, wie eine Verkammerung des Heilpraktikerwesens landesrechtlich umgesetzt werden könnte. Landesspezifische Regelungen der in Kammern zusammengeschlossenen Heilberufe verdeutlichen, dass es rechtstechnisch ohne größere Schwierigkeiten möglich wäre, den Berufsstand der Heilpraktiker in bestehende Gesetze einzubeziehen. Landesspezifische Unterschiede würden hierbei kein Hindernis darstellen, weil die Abweichungen meist gesetzessystematischer, kaum aber inhaltlicher Natur sind. 7. Besonderes Augenmerk sollte über eine Verkammerung hinaus, auch im Hinblick auf etwaige kritische Einwände zu den heterogenen Qualifikationsanforderungen von Heilpraktikern, auf Detailfragen der Berufsausbildung, insbesondere der Ausbildungsverläufe und der Qualifikationsnachweise gelegt werden, welche dem Gesundheitsschutz der Patienten dienen. Wünschenswert wäre es, die Ausbildungsinhalte zumindest in Form eines groben Curriculums zu fixieren, wobei den Ausbildungsstätten Freiräume bei der Lehrgestaltung im Detail belassen werden sollten. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Bund die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG für Regelungen grober Leitlinien und insbesondere von Mindestinhalten der Berufsausbildung nutzen könnte. Die Klärung der Ausbildungsstrukturen auf der Detailebene wäre allerdings als Aufgabe für die Berufskammern prädestiniert, die dazu landesgesetzlicher Ermächtigungen bedürften. Es wäre verfassungsrechtlich nicht geboten, dass der parlamentarische Gesetzgeber jeweils sämtliche Festlegungen selbst träfe.

Fünfter Teil

Zusammenfassung in Leitsätzen Wesentliche Ergebnisse der gesamten Untersuchung lassen sich in Leitsätzen wie folgt zusammenfassen: 1. Im deutschen Gesundheitswesen haben die Heilpraktiker bis heute eine besondere Stellung. Während die meisten Berufsstände insoweit im Regelfall bis in die Detailebene ausgeformten rechtlichen Grundlagen unterliegen, bestehen für Heilpraktiker, sofern man diese Berufsbezeichnung als Sammelbegriff für die nichtärztlichen Heilberufe verwenden mag, nur überschaubare, spezifisch für ihren Berufsstand geltende Rechtsgrundlagen. Das Heilpraktikergesetz als rechtliches Fundament des Berufsstandes statuiert inhaltlich nicht mehr als einen Erlaubnisvorbehalt für die Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten, der durch Sanktionsregelungen und Strafnormen flankiert wird. Ergänzt wird das Heilpraktikergesetz durch die Erste Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz, die den Erlaubnisvorbehalt durch Versagungsgründe nach der Systematik des öffentlichen Wirtschaftsrechts (siehe dazu insbesondere § 2 DV-HeilprG) anreichert. Durch den in § 2 Abs. 1 Buchst. i DVHeilprG geregelten Grund für die Versagung der Erlaubnis wird die fachliche Qualifikation der Berufsanwärter zum Maßstab der Erlaubniserteilung erhoben. Nähere Vorgaben zur Erhebung des Qualifikationsnachweises enthalten die Leitlinien des Bundesministeriums für Gesundheit zur Überprüfung der Heilpraktikeranwärterinnen und -anwärtern. Im Vergleich zu anderen Heilberufen sind die rechtlichen Grundlagen des Berufsstandes qualitativ wie auch quantitativ sehr begrenzt. Auch und gerade im eigenen Interesse benötigt der Berufsstand der Heilpraktiker ein stabileres rechtliches Fundament. In Anbetracht der weiten gesundheitspolitischen Gestaltungsspielräume der gesetzgebenden Gewalt eröffnen sich hier vielfältige Möglichkeiten. 2. Eine Neu- oder Umgestaltung des Heilpraktikerwesens durch den Bund setzt eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz voraus. Zugunsten des Bundes kommt der in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG geregelte Kompetenztitel für die „Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe“ aus dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit in Betracht. Im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von einer ihm in diesem Bereich eingeräumten Gesetzgebungszuständigkeit nicht Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Der Bund ist hier also vorrangig zuständig, die Länder demgegenüber nur subsidiär.

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5. Teil: Zusammenfassung in Leitsätzen

a) In Betracht kommt eine Subsumtion unter die Begriffe „anderen Heilberufe“ und „Heilgewerbe“. Aus der Unterscheidung zu den „ärztlichen Heilberufen“ lässt sich möglicherweise ein weites Verständnis der anderen Varianten begründen. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich in seinem „Facharzt-Beschluss“ vom 9. Mai 1972 klargestellt, dass die Bezeichnung „ärztliche Heilberufe“ eng zu verstehen ist und nur die durch Ärzte, Zahn- oder Tierärzte ausgeübten Berufsbilder umfassen kann. Die Bezeichnung „andere Heilberufe“ wird demgegenüber weit ausgelegt; sie fungiert als eine Art Sammelbegriff für sämtliche nichtärztliche Berufstypen auf dem Gebiet der Heilkunde. b) Ausweislich seines Wortlautes umfasst der Kompetenztitel lediglich die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe. Der Begriff der „Zulassung“ ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „wortgetreu auszulegen und umfaßt im wesentlichen die Vorschriften, die sich auf Erteilung, Zurücknahme und Verlust der Approbation oder auf die Befugnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs beziehen“; zur „Berufszulassung ist nur zu rechnen, was erforderlich ist, um der Zulassungsregelung Gehalt zu geben.“ c) Aus teleologischer Sicht ist die Abgrenzung von Zulassungsfragen und solchen der Berufsausübung nicht nur für die ärztlichen Berufe, mithin Humanmediziner, Zahn- und Tierärzte, wesentlich. Zwar stellt das historisch-genetische Verständnis auf die Approbation als Zulassungskriterium zum Arztberuf ab. Doch bestehen auch für die übrigen Heilberufe Möglichkeiten für Zugangsbeschränkungen, die sich von bloßen Ausübungsmodalitäten unterscheiden lassen. Nicht von ungefähr legt der Wortlaut des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG fest, dass sich die Kompetenz im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nur auf Fragen der „Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe“ erstreckt. Ob es bei der jeweiligen Regelung um Fragen der Berufszulassung oder Berufsausübung geht, ist im Einzelfall festzustellen. Besonders schwierig ist die Differenzierung von Berufszulassung und -ausübung bei der Beantwortung der Frage, ob die Ausgestaltung der Berufsausbildung zur Berufsausübung gehört oder Teil des Zulassungswesens ist und damit vom Bund geregelt werden kann. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verbleiben Vorschriften über die Ausbildungsstrukturen grundsätzlich in der Hand der Länder. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass auf den Kompetenztitel aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG allenfalls generelle Mindestanforderungen gestützt werden können. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge gehören jedoch auch Vorgaben „über den Inhalt und die Dauer der Ausbildung, das Verhältnis von berufspraktischer und schulischer Ausbildung, die Eignung von Ausbildern und Ausbildungsstätten“, Verordnungsermächtigungen „zum Erlass von Ausbildungs- und Prüfungsregelungen“ sowie schulische Anforderungen an die Ausbildung zum Zulassungswesen und unterfallen damit dem Kompetenztitel aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG. Diese Differenzierungen beruhen auf der Überlegung, dass der Bundesgesetzgeber den Beruf, für den die Zulassung geregelt werden soll, zumindest beschreiben, also inhaltlich vorzeichnen können muss. Der Wortlaut des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG begründet aber ausdrücklich eine nur auf das Zulassungswesen beschränkte und gerade keine

5. Teil: Zusammenfassung in Leitsätzen

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vollumfängliche Gesetzgebungskompetenz. Wo die genauen Grenzen des von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG umfassten Kompetenzbereichs liegen, lässt sich jedoch kaum allgemeingültig bestimmen. Die sinngemäße Ausdehnung des Kompetenztitels darf deshalb nicht dazu führen, dass den Ländern überhaupt kein Spielraum mehr für die Ausformung der Ausbildungsstrukturen verbleibt. Zumindest auf der Detailebene müssen die Länder die Möglichkeit haben, die Ausbildungsinhalte zu bestimmen. 3. Möglicherweise wird diese Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen aber deshalb obsolet, weil das Heilpraktikerwesen in einem Gesetz konkretisiert wurde, das bereits im Jahr 1939 in Kraft getreten ist und mit einzelnen Änderungen noch heute Geltung beansprucht. a) Überlegungen zu der förmlichen Transformation alten Rechts erübrigen sich allerdings nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wenn erkennbar ist, dass der in Frage stehende Rechtssatz durch den nachkonstitutionellen Gesetzgeber in seinen Willen aufgenommen wurde. Das ist etwa der Fall, wenn ein vorkonstitutionelles Gesetz nach dem 23. Mai 1949 neu verkündet wurde, wenn in nachkonstitutionellen Normen ausdrücklich auf vorkonstitutionelle verwiesen wird oder „wenn ein begrenztes und überschaubares Rechtsgebiet vom nachkonstitutionellen Gesetzgeber durchgreifend geändert wird und ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen veränderten und unveränderten Normen besteht“. Bei der Übernahme des Heilpraktikergesetzes fehlt es allerdings ersichtlich an einem aktiven Aufnehmen in die nachkonstitutionelle Rechtsordnung. Vielmehr hat sich der nachkonstitutionelle Gesetzgeber jahrzehntelang nicht bemüht, auch und gerade zum Leidwesen der Heilpraktiker, das rechtliche Fundament dieses Berufsstandes zu überarbeiten. Damit trägt die Fortgeltung des Heilpraktikergesetzes eher die Züge einer Duldung, die aber nach der zitierten Rechtsprechung allein nicht ausreicht, um den aktiven Willen des nachkonstitutionellen Gesetzgebers nachzuvollziehen. b) Die zentrale Norm für die Überleitung vorkonstitutionellen Rechts in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist Art. 123 Abs. 1 GG. Nach dieser Vorschrift gilt nämlich regelmäßig sämtliches Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages fort, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht. Gemeint ist damit, dass das im Sinne des Art. 123 Abs. 1 GG vorkonstitutionelle Recht vor dem Ablauf des 7. September 1949 bereits beschlossen und verkündet worden sein muss, unabhängig davon, ob es zu diesem Zeitpunkt bereits in Kraft getreten war oder nicht. Welche Auswirkungen sich nach einer solchen Überleitung im Hinblick auf die vertikale Gewaltenteilung ergeben, wird durch die Art. 124 und 125 GG konkretisiert. Übergeleitetes vorkonstitutionelles Recht im Bereich der Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen sowie zum Heilgewerbe wird nach den Art. 123 und 125 GG Bundesrecht, soweit es mit dem Grundgesetz in Einklang steht. 4. Im Ergebnis bleiben dem Bund und den Ländern trotz der Transformation alle Möglichkeiten, um ihre Gesetzgebungskompetenzen auszuschöpfen. Für den Bund hat dies zur Folge, dass er seine Gestaltungsvorstellungen nur insoweit verwirklichen

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kann, als er hierfür die Gesetzgebungszuständigkeit besitzt. Vorkonstitutionelles, übergeleitetes Recht vermag dem Bund indessen keine zusätzlichen Kompetenzen zu verschaffen. Eine Umgestaltung des Heilpraktikergesetzes kann nur im Rahmen der verfügbaren Gesetzgebungskompetenz erfolgen. 5. Inhaltlich regelt das Heilpraktikergesetz nicht mehr als eine Erlaubnispflicht für das eigenverantwortliche Praktizieren von Heilkunde sowie Sanktionen, sofern ohne eine solche Erlaubnis Heilkunde ausgeübt wird. Nach § 1 Abs. 1 HeilprG steht die Ausübung der Heilkunde durch Personen, die nicht als Arzt „bestallt“ sind, also nicht über eine ärztliche Approbation verfügen, unter dem Vorbehalt einer behördlichen Erlaubnis. Unter der erlaubnispflichtigen Ausübung von Heilkunde wird nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 2 HeilprG jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen verstanden, auch dann, wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird. Offenkundig hat der Gesetzgeber beabsichtigt, sämtliche Heilkunde, die nicht von der Ärzteschaft betrieben wird, möglichst lückenlos einem behördlichen Erlaubnisvorbehalt zu unterwerfen. a) Nach heutigem Verständnis stellt die in § 1 Abs. 1 HeilprG geregelte Erlaubnispflicht ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt dar und verlangt nach ihrem Wortlaut nur die Zielsetzung der beruflich oder gewerblich ausgeübten Tätigkeit, physische und psychische Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen zu heilen oder zu lindern. Diesem Zweck werden allerdings nach laienhafter Betrachtung alle Ausübungsformen von Heilkunde gerecht. Der Wortlaut der Definition hat daher Auffangcharakter für sämtliche Formen von Behandlungen am Menschen. Die Erlaubnispflicht für Heilberufe außerhalb der Ärzteschaft ist im Zeitpunkt ihrer Einführung als eine zu der bis dato weitreichenden Kurierfreiheit korrelierende Maßnahme verstanden worden. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in früher Rechtsprechung formuliert, einer ungehemmten Kurierfreiheit sollte „mit dem Heilpraktikergesetz entgegengetreten werden“. Ursprünglich sollte zugleich das Fernziel verfolgt werden, sämtliche Tätigkeiten dem Erlaubnisvorbehalt zu unterwerfen und durch eine restriktive Entscheidungspraxis den Berufsstand vollständig auslaufen zu lassen. b) Die Rechtsprechung reichert die Definition der Heilkunde um zwei weitere, ungeschriebene Elemente an, die für die Anwendung des Erlaubnisvorbehalts kumulativ erfüllt sein müssen. Zunächst stellt die Judikatur ein qualifizierendes Element als ungeschriebene, zusätzliche Voraussetzung auf. Sie verlangt, dass Tätigkeiten, die eine Erlaubnispflicht auslösen, nach allgemeiner Auffassung medizinische oder heilkundliche Fähigkeiten voraussetzen. Nicht zu verlangen ist aber, dass ausnahmslos jede einzelne Behandlungsmethode der Gesamttätigkeit heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzt. Auch kommt es nicht auf ein rein quantitatives Überwiegen solcher Tätigkeit mit dem Erfordernis der Fachkunde, sondern auf eine ganzheitliche Betrachtung an. Selbst wenn nämlich die Ausübung der Tätigkeit keine heilkundlichen Fachkenntnisse erfordert, soll sie gleichwohl dem Erlaubnisvorbe-

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halt des Heilpraktikergesetzes unterfallen, soweit sie Gesundheitsgefährdungen der Behandelten zur Folge haben kann. Umgekehrt sollen solche Verrichtungen, aus denen sich keine nennenswerten Gesundheitsgefährdungen ergeben können, nicht unter die Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes fallen, selbst wenn sie heilkundliche Fachkenntnisse erfordern. 6. In jedem Falle kann nur eindringlich davor gewarnt werden, die Erlaubnispflicht im Falle einer Neugestaltung der Rechtslage entfallen zu lassen. Zu berücksichtigen ist, dass die Behandlung am Menschen mit erheblichen Gesundheitsgefahren verbunden sein kann. Die Prävention von Gefahren wäre bei einem ersatzlosen Wegfall des Erlaubnisvorbehalts nicht mehr zu gewährleisten. 7. Unmittelbar an die Abgrenzung, welche Behandlungsformen als ein Praktizieren von Heilkunde zu qualifizieren sind, knüpft die Frage an, ob Heilpraktiker, anders als Ärzte, verpflichtet sind, heilkundliche Behandlungen stets selbst durchzuführen oder ob Leistungen delegier- oder substituierbar sind. Unter welchen Umständen die Vorgaben für Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen auf die Heilpraktiker übertragbar sind, lässt sich nur schwer beantworten. Sofern die Vorgaben parallel zu den Ärzten entwickelt würden, müsste sich folgendes Bild ergeben: Die „Kernbereiche“ der heilkundlichen Tätigkeit verblieben bei den Heilpraktikern und wären nicht delegationsfähig. Sicherlich sollte abgewogen werden, ob der delegationsfeste Kern bei der Behandlung durch Heilpraktiker noch enger verstanden werden muss als bei den Ärzten. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass Heilpraktiker häufig den Blick auf eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung ihrer Patienten legen mit der Folge, dass sie deutlich mehr Behandlungszeit pro Patienten aufwenden können. Das Problem von Versorgungslücken würde sich in einem geringeren Maße als in der ärztlichen Versorgung stellen. Substitutionen von Heilpraktikerleistungen erscheinen vor diesem Hintergrund kaum vorstellbar, sodass hierauf im Zweifel zu verzichten wäre. 8. Eine Beseitigung des Heilpraktikerberufs würde schon rechtstechnisch zu Schwierigkeiten führen. Der Wegfall eines ganzen Berufsstands bedeutete faktisch ein Totalverbot. Eine Beseitigung der Heilpraktiker aus der Gesundheitsversorgung könnte auch ohne formales Totalverbot erfolgen, etwa indem sämtliche heilkundliche Tätigkeiten den Ärzten vorbehalten blieben. Es bestehen also verschiedene Möglichkeiten, die faktisch denselben oder zumindest einen ähnlichen Effekt erreichen könnten. a) Ein Trugschluss wäre es allerdings, durch die Aufhebung des Heilpraktikergesetzes und seiner Ersten Durchführungsverordnung den Heilpraktikern ihre zentrale Rechtsgrundlage „entziehen“ zu können. Aus dem Heilpraktikergesetz ergibt sich im Wesentlichen ein weit ausgelegter Erlaubnisvorbehalt. Dessen Entfall würde für die Heilpraktiker aber mitnichten zu dem Verlust ihrer Existenzberechtigung führen. Schon von Anfang an zielte der Erlaubnisvorbehalt auf die Disziplinierung des Gesundheitswesens durch Beendigung der weitreichenden Kurierfreiheit der Heilpraktiker. Wollte der Staat das Praktizieren von Heilkunde durch Heilpraktiker

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unterbinden, bedürfte es ausdrücklicher Verbote, alternativ Vorbehalte zugunsten anderer Berufsgruppen. Ein ausdrückliches Berufsausübungsverbot für Heilpraktiker müsste in Ermangelung einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes für diesen Bereich auf der Ebene der Länder geregelt werden. Dieser Weg wäre deshalb unrealistisch. Zum einen ist im föderalen Bundesstaat nämlich unwahrscheinlich, dass sich die Länder auf eine einheitliche Lösung einigen könnten. Zum anderen sind Totalverbote politisch sowie verfassungsrechtlich kaum begründbar. b) Näher läge deshalb eine „schleichende“ Aushöhlung des Heilpraktikerwesens durch Schaffung neuer Arztvorbehalte. Technisch hätte dies allerdings einen voraussichtlich hohen Gesetzgebungsaufwand zur Folge, weil in zahlreichen Fachgesetzen explizite Arztvorbehalte zu schaffen wären. Eine „schleichende“ Entwertung des Heilpraktikerberufs käme ferner durch eine Aushöhlung des Tätigkeitsbereichs in Betracht, etwa wenn der Beruf für sich genommen erlaubt bliebe, aber die Ausübung von Heilkunde am Menschen stark beschränkt würde. 9. Diese Feststellung soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit allen rechtstechnisch umsetzbaren Maßnahmen gewichtige Grundrechtseingriffe zulasten der Heilpraktiker erfolgen könnten, die einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürften. a) Eine Beseitigung des Berufsstandes der Heilpraktiker hätte zunächst einen schweren Eingriff in die verfassungsrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit zu Lasten der bereits tätigen Heilpraktiker zur Folge. Ein vollständiger Wegfall des Heilpraktikerberufs für die Zukunft wäre, ganz gleich auf welche Weise er erfolgen würde, ferner ein tiefer Einschnitt in die Berufswahlfreiheit möglicher Anwärter oder solcher Personen, die sich derzeit in einer Berufsausbildung mit dem Ziel des baldigen Berufseintritts befinden. Weil die Zugangshindernisse voraussichtlich von Kriterien abhängig gemacht würden, deren Erfüllung den Berufsangehörigen entzogen wäre, müssten sie nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Drei-Stufen-Theorie als objektive Schranken der Berufswahl eingestuft werden. b) Zur Rechtfertigung objektiver Zulassungsbeschränkungen bedarf es nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeingut. Als ein solcher Gemeinwohlbelang kommt hier der Schutz der Gesundheit der Patienten in Betracht. Leben und körperliche Unversehrtheit stellen hochrangige Güter dar, die eines besonderen rechtlichen Schutzes bedürfen. Im Hinblick auf die Gesundheit der Patienten müssten hier nachweisbare oder höchstwahrscheinliche schwere Gefahren bestehen. Genau daran fehlt es jedoch. Objektiv nachweisbare oder höchstwahrscheinliche schwere Gefahren für Leben oder körperliche Unversehrtheit als Folgen der Tätigkeit von Heilpraktikern lassen sich nicht darlegen; bislang ist es – soweit ersichtlich – nur in wenigen Einzelfällen durch Behandlungen zu Schäden gekommen. Für die Annahme generell erhöhter Gesundheitsrisiken durch Behandlungen von Heilpraktikern besteht objektiv kein Anlass. Jedenfalls dürften sich die Behandlungsrisiken nicht wesentlich von denen

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im ärztlichen oder zahnärztlichen Bereich unterscheiden; dort würde die abstrakte Gefahr gesundheitlicher Schädigungen keinesfalls zu der Überlegung führen, jeweils den gesamten Berufsstand zur Disposition zu stellen. Es wäre deshalb verfehlt, bei anderen Heilberufsangehörigen höhere Sicherheitsmaßstäbe zu fordern, zumal eine Heilbehandlung am menschlichen Körper niemals vollkommen risikofrei sein kann. Von nachweisbaren oder höchstwahrscheinlichen schweren Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut kann nach alledem bei der Ausübung von Heilkunde durch Heilpraktiker nicht ausgegangen werden. Demnach wäre schon ein hinreichender legitimer Zweck für die vollständige Beseitigung des Berufs des Heilpraktikers nicht gegeben. c) Die hiermit verbundenen Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit wären im Übrigen weder erforderlich noch angemessen. Mit dem Aufbau einheitlicher Mindeststandards an die Ausbildungsverläufe für angehende Heilpraktiker könnte das Vertrauen in die Integrität und fachliche Qualifikation der Heilpraktiker gestärkt werden. Eine Beseitigung des Heilpraktikerberufs würde etwa 47.000 Heilpraktikern und damit einer wirtschaftlich bedeutenden Berufsgruppe in unzumutbarer Weise die Grundlage ihres Erwerbs nehmen. Demnach wäre ein – in welcher Form auch immer vorgesehener – vollständiger Entfall des Heilpraktikerberufs nicht verhältnismäßig und verstieße deshalb gegen das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht der Berufsfreiheit. Entsprechende Reformvorhaben wären somit verfassungswidrig. 10. Gegenüber solchen Bestrebungen könnte sich ferner ein verfassungsrechtlicher Bestandsschutz für Berufsangehörige und Berufsanwärter ergeben, die sich bereits in einer Ausbildung befinden. Aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteter Vertrauensschutz kommt regelmäßig nur bei rückwirkenden Reformen, nicht aber für rein zukünftige Tatbestände in Betracht, weil ansonsten die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unzulässig verkürzt würde. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann sich aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG kein weitergehender Vertrauensschutz ergeben. Gleichwohl entfaltet das Grundrecht der Eigentumsfreiheit Schutzwirkungen. Ausgehend von dem richterrechtlich anerkannten Recht auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb lassen sich Aspekte des Bestandsschutzes darlegen. Für bereits in selbständiger Tätigkeit praktizierende Heilpraktiker würde der Entfall des Berufsstandes nämlich die ersatzlose Vernichtung der Existenzgrundlage bedeuten, die neben dem zuvor geprüften schweren Eingriff in die Berufsfreiheit auch zu einem schweren Eingriff in die Eigentumsgarantie führen würde, der nicht kompensationslos hinzunehmen wäre. Weil keine adäquate Kompensationsmöglichkeit in Betracht käme, müsste den Berufsangehörigen schon zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zugestanden werden, das selbständige Ausüben der Heilkunde weiter fortzusetzen, um ihre Eigentumspositionen nicht vollständig zu entwerten. Bei Berufsanwärtern fehlt es allerdings an einer gefestigten Eigentumsposition. Ferner wären Kompensationen in diesem Stadium noch eher in Betracht zu ziehen. Vor diesem Hintergrund könnten sich Berufsanwärter hier nicht auf Art. 14 Abs. 1 GG berufen.

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11. Die sogenannte sektorale oder beschränkte Heilpraktikererlaubnis ist bei genauerer Betrachtung keinesfalls als Privileg der Heilpraktiker zu verstehen, sondern schafft einen Kompromiss zwischen einerseits dem Anspruch an ein liberales Gesundheitssystem und andererseits einer verantwortungsbewussten Regulierung heilkundlicher Tätigkeiten. Rechtspolitisch hat es daher keinen Sinn, die sektorale Heilpraktikererlaubnis zu verwerfen. 12. Die sektorale Heilpraktikererlaubnis findet keine ausdrückliche Verankerung im Heilpraktikergesetz, sondern gründet auf der richterlichen Rechtsfortbildung der in § 1 Abs. 1 HeilprG festgeschriebenen Erlaubnispflicht. Das Bundesverwaltungsgericht begründet durch eine historisch-genetische Auslegung die Teilbarkeit der Heilpraktikererlaubnis und entwickelt so Grundlagen des Berufszugangs unter Anpassung an die heute ausdifferenzierte Situation der einzelnen Berufsbilder fort. Es knüpft die Überlegungen zur Teilbarkeit der Heilpraktikererlaubnis an die Grundrechte, insbesondere an die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit. a) Während Ärzte zu ihrer Approbation über eine lange akademische Ausbildung verfügen müssen und mithin vor erhebliche Qualifikationsanforderungen gestellt werden, bedürfen Heilpraktiker gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i DV-HeilprG lediglich einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten durch das zuständige Gesundheitsamt, um eigenverantwortlich Patienten behandeln zu dürfen. Die einschlägige Rechtsprechung versteht die sektorale Heilpraktikererlaubnis als ein „Minus“ im Vergleich zu der vollumfänglichen Erlaubniserteilung. b) Voraussetzung für die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die Trennbarkeit eines Teilgebiets der Heilkunde. Die auf den ersten Blick klaren Anforderungen an die Abgrenzbarkeit des Tätigkeitssektors lassen sich aber bei näherer Betrachtung in der Praxis nur schwer ermitteln. Die Zuerkennung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis ist nur möglich, soweit sich auf dem Gebiet der Heilkunde ein eigenständiges und abgrenzbares Berufsbild entwickelt hat. De facto werden die privilegierten Bereiche durch eine ausdrückliche Anerkennung der sektoralen Heilpraktikererlaubnis seitens der Rechtsprechung im Einzelfall bestimmt. 13. Sofern die sektorale Heilpraktikererlaubnis eingeschränkt würde oder sogar gänzlich entfiele, würde ein nützliches, richterrechtlich anerkanntes Instrument ohne Not beseitigt. Wollte man dennoch die sektorale Heilpraktikererlaubnis beseitigen, so müsste rechtstechnisch in das Heilpraktikergesetz eine Regelung aufgenommen werden, mit der die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis ausdrücklich untersagt würde. Verfassungsrechtlich ließe sich eine solche Untersagung allerdings nicht rechtfertigen; sie wäre weder erforderlich noch angemessen und verstieße daher als unverhältnismäßige Regelung gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit betroffener Heilpraktiker. Es bedürfte zumindest Übergangsvorschriften, die einen dauerhaften Verbleib der bereits auf der Grundlage einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis Tätigen im Beruf ermöglichen würden.

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14. In den § 1 HeilprG könnte, möglicherweise in einem eigenen Absatz, eine Regelung zur sektoralen Erlaubniserteilung aufgenommen werden. Hier ließen sich die Berufszweige nennen, die zur Ausübung ihrer Tätigkeit nur über eine abgrenzbare Teilmenge der heilkundlichen Kenntnisse verfügen müssen und deshalb eine sektorale Erlaubnis beanspruchen können. Die Perpetuierung bestimmter Berufszweige würde Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen. Die ausdrückliche Normierung schlösse eine etwaige Ergänzung oder Erweiterung des Kataloges durch richterliche Rechtsfortbildung nicht vollkommen aus, würde sie aber systematisch schwerer begründbar machen. Diesem Problem könnte der Gesetzgeber redaktionell begegnen, indem er einen Katalog bewusst nicht abschließend fassen würde, etwa durch die Formulierung „insbesondere“. 15. Eine Reform des Heilpraktikerwesens könnte für den Berufsstand der Heilpraktiker erhebliche Chancen eröffnen. Ein klar umrissenes Berufsrecht vermittelt Sicherheit, die angesichts der Dynamik des Gesundheitswesens für die Berufsangehörigen von wesentlicher Bedeutung ist. Angesichts dessen stellt sich die Frage, wie ein tragfähiges Berufsrecht für Heilpraktiker geschaffen werden kann. Hierzu kommen verschiedene Ansätze in Betracht, die von bloßen organisatorischen Umgestaltungen bis hin zu grundlegenden Veränderungen der rechtlichen Grundlagen des Heilpraktikerwesens reichen können. 16. Dabei gilt es vor allem zu berücksichtigen, dass auch Heilpraktikern bei der Ausübung von Heilkunde, jedenfalls wenn sie hierzu unbeschränkt berechtigt sind, ähnliche Freiheiten wie den Ärzten zugestanden werden müssen. Ärzte verfügen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit über die „innere Unabhängigkeit“, nach pflichtgemäßem Ermessen weisungsfrei handeln zu können. Dieses als ärztliche Therapiefreiheit bezeichnete Privileg ist im Wesentlichen durch die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Zugleich wird die ärztliche Therapiefreiheit über das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit gewährleistet. Ausgestaltungen der Berufsausübung müssen mithin berücksichtigen, dass die Wahl der im Einzelfall angewandten Therapieform dem einzelnen Heilpraktiker zusteht. Auch im Übrigen sollten die Berufsausübungsmodalitäten nur zurückhaltend geregelt werden, um der Therapiefreiheit der Heilpraktiker angemessen Rechnung zu tragen. 17. Es empfiehlt sich daher die Wahl von Reformansätzen, die zugleich der freien Berufsausübung der Heilpraktiker und der Patientensicherheit gerecht werden. So können etwa eine organisatorische Strukturierung und Harmonisierung der Ausbildungsinhalte in Betracht gezogen werden, die mit einem vergleichsweise geringen Gesetzgebungsaufwand verbunden wären. Nachteilig wären an dieser Lösung aber zwei Aspekte. Zum einen ist es nur schwer vorstellbar, dass sich die zuständigen staatlichen Entscheidungsträger mit bloßen Bekundungen zu kooperativer Definition der beruflichen Bildung zufriedengeben würden, ohne dass hiermit umfassende rechtliche oder strukturelle Novellierungen verbunden wären. Zum anderen fehlt dem Modell zur „Organisation der Arbeitswelten“ nach Schweizer Vorbild eine

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gewisse Verbindlichkeit, die nicht nur den politischen Vorstellungen der Politik entspräche, sondern auch für die Berufsangehörigen von Nutzen wäre. 18. Es bedarf vielmehr gefestigter organisatorischer Strukturen des gesamten Heilpraktikerwesens. Orientiert man sich an anderen, vergleichbaren Berufsständen, so liegt eine Verkammerung der Heilpraktiker nahe. Damit wäre dem Heilpraktikerberuf eine klare rechtliche Kontur gegeben; umgekehrt wäre er vor übermäßigem Zugriff des Staates in gleichem Maße wie die übrigen Gesundheitsberufe geschützt. Ein wesentlicher Schutzmechanismus zugunsten des Berufsstandes läge in der Übertragung der Befugnis zur funktionalen Selbstverwaltung, die mit einer Verkammerung regelmäßig einhergeht. Der Staat überlässt, selbstverständlich innerhalb eines gesetzlichen Rahmens, die Erfüllung öffentlicher Aufgaben den Berufsständen selbst, ermöglicht also durch seinen eigenen Regelungsverzicht ein „Selbst“-Verwalten auf der Detailebene. Die Verleihung der Befugnis zur funktionalen Selbstverwaltung bedeutet also stets das Einräumen eigenverantwortlicher Handlungsspielräume, die der Berufsstand in eigener Regie ausgestalten kann. Denn wesentliche Fragen der Berufsausübung werden in der jeweiligen Kammer eigenständig geklärt und in untergesetzlichen Regelwerken, meist Satzungen, verbindlich festgehalten. 19. Eine Verkammerung wäre allerdings mit einer Pflichtmitgliedschaft der Berufsangehörigen verbunden. Die Freiheiten, welche die Selbstverwaltung im Vergleich zu einer zentralisierten Organisation bieten kann, wiegen aber prinzipiell die Nachteile der Pflichtmitgliedschaft auf. a) Funktionale Selbstverwaltung schafft einerseits Freiheiten bei der Entscheidungsfindung und -umsetzung, verlangt aber andererseits eine gefestigte organisatorische Struktur. In der funktionalen Selbstverwaltung muss es mindestens ein Organ, das die Repräsentanz aller Betroffenen herstellt, und ein Organ zur Führung der Dienstgeschäfte geben. Hieraus folgt, dass die Einrichtungen funktionaler Selbstverwaltung regelmäßig über mindestens ein Legislativ- und Exekutivorgan verfügen. b) Zur internen Konfliktbewältigung verfügen die Berufskammern jeweils über eine Berufsgerichtsbarkeit, die entweder den Verwaltungsgerichten oder den Zivilgerichten zugeordnet oder als eigene Institution der Kammer ausgestaltet ist. Im Bereich der Heilberufe sind die Berufsgerichte regelmäßig auf der Landesebene der Verwaltungsgerichtsbarkeit angegliedert. c) Träger funktionaler Selbstverwaltung unterliegen einer staatlichen Aufsicht, die regelmäßig auf die Rechtsaufsicht begrenzt bleiben muss. Es handelt sich dabei um eine Form administrativer Kontrolle, die jedenfalls insoweit eingeschränkt ist, als sie nur die Rechtstreue des beaufsichtigten Selbstverwaltungsträgers umfasst. 20. Eine Herausforderung bei der Umgestaltung des Heilpraktikerwesens liegt in der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland. Für die Ausgestaltung der Berufsausübung haben grundsätzlich die Länder die Gesetzgebungskompetenz, weil

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der Kompetenztitel aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG nur Fragen der Berufszulassung umfasst. Regelungen zu der Verkammerung anderer Gesundheitsberufe sind deshalb in den Heilberufekammergesetzen der Länder zu finden. Mit diesen förmlichen Gesetzen auf Länderebenen existieren zwar bestehende Regelwerke, in die der Berufsstand der Heilpraktiker mit verhältnismäßig geringem Aufwand integriert werden könnte. Hierdurch würde die gesetzgeberische Umsetzung einer Verkammerung erheblich erleichtert. Es bestünde allerdings die Gefahr länderspezifischer Abweichungen, wobei jedoch hervorzuheben ist, dass bereits existierende landesrechtliche Ausgestaltungen im Hinblick auf Heilberufe eine bemerkenswerte Homogenität aufweisen. Gleichwohl müsste im Grunde für jedes einzelne Bundesland gesondert geprüft werden, wie eine Verkammerung des Heilpraktikerwesens landesrechtlich umgesetzt werden könnte. Landesspezifische Regelungen der in Kammern zusammengeschlossenen Heilberufe verdeutlichen, dass es rechtstechnisch ohne größere Schwierigkeiten möglich wäre, den Berufsstand der Heilpraktiker in bestehende Gesetze einzubeziehen. Landesspezifische Unterschiede würden hierbei kein Hindernis darstellen, weil die Abweichungen meist gesetzessystematischer, kaum aber inhaltlicher Natur sind. 21. Besonderes Augenmerk sollte über eine Verkammerung hinaus, auch im Hinblick auf etwaige kritische Einwände zu den heterogenen Qualifikationsanforderungen von Heilpraktikern, auf Detailfragen der Berufsausbildung, insbesondere der Ausbildungsverläufe und der Qualifikationsnachweise gelegt werden, welche dem Gesundheitsschutz der Patienten dienen. Wünschenswert wäre es, die Ausbildungsinhalte zumindest in Form eines groben Curriculums zu fixieren, wobei den Ausbildungsstätten Freiräume bei der Lehrgestaltung im Detail belassen werden sollten. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Bund die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG für Regelungen grober Leitlinien und insbesondere von Mindestinhalten der Berufsausbildung nutzen könnte. Die Klärung der Ausbildungsstrukturen auf der Detailebene wäre allerdings als Aufgabe für die Berufskammern prädestiniert, die dazu landesgesetzlicher Ermächtigungen bedürften. Es wäre verfassungsrechtlich nicht geboten, dass der parlamentarische Gesetzgeber jeweils sämtliche Festlegungen selbst träfe.

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Sachwortverzeichnis Arzneimittel 46 f. – xenogene 47 Arzneimittelgesetz (AMG) 47 Ärztliche Therapiefreiheit 79 f., 94 Arztvorbehalt 42, 44, 46 Aufsichtsbehörde 87 Ausbildungsinhalte 80 f. – Curriculum 93, 96, 107 – Harmonisierung 80 f., 94, 105 – Mindeststandard 54 – Organisation der Arbeitswelten 80, 105 f. – planvolle Koordination 80 – universelle Richtlinien 93 – Verbindlichkeit 80, 94, 105 f. Auslegung 17 ff., 34, 39, 59, 67, 75 – genetisch-historische 17 f., 68, 76 – verfassungskonforme 61 Behandlungen am menschlichen Körper 55 – Akupunkturnadeln 55 – Homöopathie 55 – medizinisch-technische Mittel 55 Behandlungsvertrag 45 Berufsausübungsverbot 46, 48, 49, 63 Berufsfreiheit – Berufsausübungsfreiheit 47, 49 – Berufsbild 47 f. – Berufszulassung siehe Gesetzgebungskompetenz – Eingriff 35, 49 – einheitliches Grundrecht 49 – Schranken 49 f. – verfassungsrechtliche Rechtfertigung siehe Drei-Stufen-Theorie und Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Verhältnismäßigkeit des Eingriffs 50 ff. Berufsgerichtsbarkeit siehe Verkammerung Bestandsschutz 56 ff., 73 f. – aus der Eigentumsgarantie abgeleiteter Vertrauensschutz siehe Eigentumsgarantie – Berufsanwärter 61

– Betriebseigentum 60 – Kompensation 61 – Mindestanforderungen 60 – rechtsstaatlicher Vertrauensschutz 56 – übergesetzlicher 73 f. Brüggen-Bracht 46 Bundesministerium für Gesundheit 14 Delegation 41 f. – Delegationsverbot 41 f., 83 – Kernbereiche heilkundlicher Tätigkeit 42 f. Drei-Stufen-Theorie 20, 50 ff., 72 – Berufsausübungsregelungen 50 – nachweisbare oder höchstwahrscheinliche schwere Gefahren für ein Gemeinschaftsgut 32 – objektive Berufswahlvoraussetzungen 21, 51, 72 – subjektive Berufswahlvoraussetzungen 20 f., 50 f. Dynamik des Gesundheitswesens 78, 94, 105 Eigentumsgarantie 57 ff. – Atomausstieg 58 – eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb 58 f. – Vertrauensschutz 57 f. Eigenverantwortliche Entscheidung 55 Einschätzungsprärogative siehe Gestaltungsspielraum Erlaubnisvorbehalt 33 ff. – Berufszugang 40 – Gesundheitsgefahr 37 f. – heilkundliche Fachkenntnisse 35 f. – Kurierfreiheit 34 – präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 35 – richterrechtliche Kriterien 35 Ermächtigung siehe Rechtsgrundlage Ermessensspielraum 79, 94, 105

Sachwortverzeichnis Erste Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz 14, 16, 24, 29, 33, 43, 45, 63, 97, 101 Föderalismusreform 22 Freiberuflichkeit 22 Funktionale Selbstverwaltung siehe Verkammerung Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung 49 f. Gesetzesvorbehalt 83 Gesetzgebungskompetenz – andere Heilberufe 17 f. – Berufsausbildung 21 f. – Berufszulassung 18 ff., 78, 89, 95, 98, 107 – Heilgewerbe 18 – Gewerbe 22 – Globalermächtigung 20 – konkurrierende 17 ff., 26, 28 ff., 86, 97 f. – Sozialversicherung 20 – Sperrwirkung 27 f. – Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe 17 ff. Gesetzliche Krankenversicherung 42, 44, 54 Gestaltungsspielraum 14, 16, 29, 97 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 50 ff. – Angemessenheit 54 f. – Erforderlichkeit 53 f. – Geeignetheit 52 f. – legitimer Zweck 50 ff. Heilberufekammergesetze der Länder 89 ff. – Bayern 90 – Berlin 91 f. – Nordrhein-Westfalen 90 f. Heilberufsangehörige 13, 37 f., 42, 44, 47, 52, 64, 103 Heilkunde – Begriff 33 f. Heilpraktiker – Ausbildung siehe Ausbildungsinhalte – Berufsethos 55 – Beseitigung 32, 43 – „schleichende“ Entwertung 46 – Tätigkeitsbereich 46 – Versorgungsbereich 32 – vielfältiges Berufsbild 47

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Heilpraktikererlaubnis – sektorale siehe sektorale Heilpraktikererlaubnis Heilpraktikergesetz 33 ff. – Aufhebung 43 ff. – Durchführungsverordnung siehe Erste Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz Interessenvertretung 40, 42, 80, 85 f., 88 Ordentliche Gerichtsbarkeit siehe Zivilgerichte Parlamentsvorbehalt 49, 82 f. Präventive Kontrolle 39 Qualifikation – akademische Ausbildung 68 – allgemeine Kenntnisse 71 – Berufsausbildung siehe Ausbildungsinhalte – Mindeststandards 54 – Nachweis 71, 93, 96, 97, 107 Rechtsaufsicht 81, 87 f., 91, 95, 106 Rechtsgrundlage 43, 49, 63, 101 – Freiräume 78 – Unsicherheit 78 Rechtsstaatsprinzip 56 f., 60, 65, 103 Rechtsverordnung 27 Reformbestrebungen 13, 43, 78 Richterrecht 60, 74 Sektorale Heilpraktikererlaubnis 66 ff. – Chiropraktiker 70 – Ergotherapeuten 70 – gesetzliche Verankerung 74 f., 77 – Kompromiss 66, 71, 76, 104 – Logopäden 70 – „Minus“ zur vollumfänglichen Erlaubnis 69, 72, 76, 104 – Physiotherapeuten 70 – Podologen 70 – Psychotherapeuten 67, 70 – Teilbarkeit der Heilpraktikererlaubnis 68, 71 f., 76, 104 – teleologische Extension 69

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Sachwortverzeichnis

Sozialversicherung siehe Gesetzgebungskompetenz Substitution 41 f. Unterlassen ärztlicher Behandlungen 37 f. Verkammerung 81 ff. – Aufsicht siehe Rechtsaufsicht – Berufsgerichtsbarkeit 86 f., 90, 91, 95 – Betroffenenpartizipation 81, 84 f., 95, 106 – Betroffenenschutz 85 – Dezentralisierung 82 – eigenverantwortliche Verwaltung 81 – Entscheidungsgewalt 85 – funktionale Selbstverwaltung 82 ff., 89, 95, 106 – Heilberufekammergesetz siehe Heilberufekammergesetze der Länder – Pflichtmitgliedschaft 84, 85, 95, 106 – Regelungsverzicht des Staates 81, 95, 106 – Satzungsgebung 82, 85, 95, 106

Verordnungsermächtigung 22, 27, 30, 53, 96, 98, 107 – Bestimmtheit 27, 53 – für Berufskammern siehe Verkammerung Vertikale Gewaltenteilung 26 Vertrauensschutz siehe Bestandsschutz Verwaltungsgerichte 86, 87, 95, 106 Vorkonstitutionelles Recht 23 ff. – Überleitung 23 ff. – Verordnungsermächtigung 27, 53, 93, 96, 98, 107 – Zäsurzeitpunkt 25 Wesentlichkeitstheorie 83 Wissenschaftsfreiheit 79 f., 94, 105 – „doppelte“ grundrechtliche Absicherung 79 – Therapiefreiheit siehe ärztliche Therapiefreiheit Wunderheiler 36 Zivilgerichte 86, 95, 106