Digitale Gerichtsöffentlichkeit: Informationstechnische Maßnahmen, rechtliche Grenzen und gesellschaftliche Aspekte der Öffentlichkeitsgewähr in der Justiz [1 ed.] 9783428555178, 9783428155170

Welche Rolle darf und muss das Internet mit den neuen Möglichkeiten der Digitalisierung bei der Herstellung von Gerichts

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Digitale Gerichtsöffentlichkeit: Informationstechnische Maßnahmen, rechtliche Grenzen und gesellschaftliche Aspekte der Öffentlichkeitsgewähr in der Justiz [1 ed.]
 9783428555178, 9783428155170

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Internetrecht und Digitale Gesellschaft Band 13

Digitale Gerichtsöffentlichkeit Informationstechnische Maßnahmen, rechtliche Grenzen und gesellschaftliche Aspekte der Öffentlichkeitsgewähr in der Justiz

Von

Anne Paschke

Duncker & Humblot · Berlin

ANNE PASCHKE

Digitale Gerichtsöffentlichkeit

Internetrecht und Digitale Gesellschaft Herausgegeben von

Dirk Heckmann

Band 13

Digitale Gerichtsöffentlichkeit Informationstechnische Maßnahmen, rechtliche Grenzen und gesellschaftliche Aspekte der Öffentlichkeitsgewähr in der Justiz

Von

Anne Paschke

Duncker & Humblot · Berlin

Veröffentlicht mit finanzieller Unterstützung der Universität Passau Gedruckt mit finanzieller Unterstützung des Deutschen Akademikerinnenbundes e.V., Essen

Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Jahre 2018 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 2363-5479 ISBN 978-3-428-15517-0 (Print) ISBN 978-3-428-55517-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-85517-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Großmutter

Vorwort Diese Arbeit wurde im März 2018 von der Universität Passau als Dissertationsschrift angenommen; die Literatur- und Rechtsprechungsangaben befinden sich auf dem Stand von April 2018. Meinem akademischen Lehrer Professor Dr. Dirk Heckmann möchte ich herzlich für die langjährige Förderung im Rahmen der Tätigkeit an seinem Lehrstuhl danken. Dies hat meine Faszination für die Zusammenhänge zwischen rechtlicher, technischer und gesellschaftlicher Entwicklung und die damit verbundene interdisziplinäre Forschung geweckt. Die Möglichkeit, an zahlreichen Forschungsprojekten als Geschäftsführerin der Forschungsstelle für IT-Recht und Netzpolitik (For..Net) mitwirken zu dürfen, haben mein Verständnis für das IT-Recht vertieft. Ein besonderer Dank gilt ebenfalls den Gutachtern dieser Arbeit Professorin Dr. Louisa Specht und Professor Dr. Peter Bräutigam, die nicht nur die Mühen einer zügigen Begutachtung auf sich genommen haben, sondern mich auch zu einer starken Praxisorientierung meiner wissenschaftlichen Arbeit ermuntert haben. Meiner Mutter Michaela Paschke möchte ich für ihre bedingungslose Unterstützung bei und ihr Interesse an all meinen Projekten, die Ermöglichung meines Studiums und ihre Geduld mit mir im Rahmen der Entstehungsphase dieser Arbeit danken. Von Herzen danke ich auch meinem Freund RiAG Dr. Christoph Warga, der mir Einblick in den Justizalltag gewährt hat und der mein Vertrauen in den Rechtsstaat mit seinen Entscheidungen immer wieder aufs Neue stärkt. Sein Zuspruch, sein Verständnis und seine Kritik haben maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Die Entstehung dieses Werkes wäre auch ohne gute Freunde nicht möglich gewesen. Zu nennen sind vor allem Sarah Beyvers und Michelle Pass: Ihnen möchte ich ganz besonders danken für viele gute Gespräche, für ihr Einfühlungsvermögen und ihren großartigen Humor. Nicht unerwähnt bleiben sollen schließlich diejenigen, die meine Promotionspausen und den Wissenschafts­ alltag bereichert haben. Danke an Dr. Sylvia Lukas, Nadine Voß, Dr. Felix Lubrich und Christoph Halder. Ich danke auch Thomas Ittner, der unermüdlich bei Wind und Wetter den Weg zur Bibliothek für mich aufnahm. Die Arbeit ist mit dem Promotionspreis der Rechtsanwaltskammer München 2018 ausgezeichnet worden. Widmen möchte ich dieses Buch meiner Großmutter Marianne GoebelsPaschke, die mir als Vorbild dient und immer für mich da ist. Passau, im Mai 2018

Anne Paschke

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Kapitel 1

Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit 

38

A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 B. Funktionen von Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 C. Systemelemente der Öffentlichkeit in staatlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 130 D. Öffentlichkeit – Bedeutungen, Funktionen und Dimensionen – ein Fazit . . . . 148 Kapitel 2 Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz und Organisationsprinzip 

151

A. Die Gerichte als Organ der Rechtspflege in der bürgerlichen Sphäre . . . . . . . 151 B. Gerichtsöffentlichkeit: Teil der Rechtsprechung oder Organisationsgrundsatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 D. Öffentlichkeitsbedürftige Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Kapitel 3

Digitalisierung als rechtlich relevante Größe 

218

A. Technologische Entwicklung und digitale Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . 218 B. Digitalisierung als Thema der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 C. Digitalisierung der Rechtsanwendung und Weiterentwicklung der Justiz  . . . 235 D. Digitalisierung und Recht – ein Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Kapitel 4

Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit 

252

A. Der virtuelle Raum als öffentlicher Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 B. IT als Garant der Öffentlichkeitsfunktionen!? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

10 Inhaltsübersicht C. Öffentlichkeitsermöglichende und -begrenzende technische Lösungen . . . . . . 260 D. Digitalisierung und Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 E. Gesellschaftlicher Wandel und Öffentlichkeit – ein Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Kapitel 5

(Verfassungs-)Rechtliche Grenzen bei der Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit 

320

A. Digitale Gerichtsöffentlichkeit im Lichte des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . 320 B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 C. Förderung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit – de lege ferenda . . . . . . . . . . 412 D. Folgen der verfassungsimmanenten Schranken für die unterschiedlichen Dimensionen der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 E. Verfassungsrechtliche Konturen und Spielräume für digitale Gerichtsöffentlichkeit – ein Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Digitale Transformation: Von E-Justice zu Open Data in der Justiz?!  . 21 II. Öffentlichkeit und Offenheit in Zeiten von Fake News und Intrans­ parenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Das Öffentlichkeitsbedürfnis im staatlichen und insbesondere im judikativen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 IV. IT als Vertrauensgarant: Wie viel IT darf, wie viel IT muss der Staat einsetzen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 V. Methodik der Untersuchung. Vorgehen und Zielsetzung der Arbeit . . . . 32 1. Prozessordnungsübergreifende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Interdisziplinäre Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Technologieneutrale Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 VI. Kernthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Kapitel 1

Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit 

A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Offenheit und andere Assoziationen von Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffsbestimmung und Sinnzusammenhänge der Öffentlichkeit aus verschiedenen Blickwinkeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sprachliche und etymologische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Soziologische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kommunikations- und kulturwissenschaftliche Betrachtung . . . . d) Politikwissenschaftliche Betrachtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtswissenschaftliche Betrachtung unter Einbeziehung der vorstehenden Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Formen der verfahrensbezogenen Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . II. Historischer Überblick: Öffentlichkeit als Zustand und Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Normative Verankerung der Öffentlichkeitsgewähr in Verfahrenskontexten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkerrecht und Öffentlichkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 10 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 14 Abs. 1 S. 2 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38 38 39 39 39 40 43 45 46 49 51 65 65 66 66

12 Inhaltsverzeichnis c) Übereinkommen von Aarhus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 d) Art. 6 Abs. 1 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Europarecht und Öffentlichkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Art. 42 und 47 Abs. 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GCR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 b) Art. 1 Abs. 2 Vertrag über die Europäische Union (EUV) . . . . . . 70 c) Art. 15 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 d) Bereichsspezifisches Sekundärrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 aa) Richtlinie 2003 / 4 / EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 bb) Richtlinie 2003 / 98 / EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3. Verfassungsrecht und Öffentlichkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Ausdrückliche Normierung des Öffentlichkeitsgrundsatzes . . . . . 72 b) Mittelbare Verankerung des Öffentlichkeitsgrundsatzes in den Staatsstrukturprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 aa) Das Demokratieprinzip und die Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . 76 bb) Das Rechtsstaatsprinzip und die Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . 78 cc) Das Sozialstaatsprinzip und die Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . 82 dd) Der Gewaltenteilungsgrundsatz und die Öffentlichkeit . . . . . 84 c) Mittelbare Verankerung des Öffentlichkeitsgrundsatzes in den Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4. Landesverfassungsrechtliche Regelungen und Öffentlichkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Öffentlichkeit im Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Öffentlichkeit im Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 c) Öffentlichkeit im Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 5. Einfachgesetzliche Regelungen zum Öffentlichkeitsgebot . . . . . . . . . 87 a) Öffentlichkeit im Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Öffentlichkeit im Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 B. Funktionen von Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Öffentlichkeit und demokratische Legitimation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Förderung des demokratischen Diskurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Demokratische Legitimation der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Öffentlichkeit und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kontrolle staatlichen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontrolle der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stärkung der Gewaltenteilung und richterlichen Unabhängigkeit . . . III. Öffentlichkeit und Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Integration durch informationelle Gleichberechtigung . . . . . . . . . . . . 2. Informationelle Gleichberechtigung der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Förderung von Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Öffentlichkeit, Vertrauen und Akzeptanzstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schaffung von Vertrauen und Akzeptanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96 97 97 98 99 102 102 104 112 112 112 113 115 116 116

Inhaltsverzeichnis13 2. Vertrauen und Akzeptanz in der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentlichkeit und Disziplinierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Effizienzsteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Disziplinierungseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Öffentlichkeit und (in-)direkte Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Verhältnis der Funktionen untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Gewaltendifferenzierung und Funktionswandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Stellung und Aufgabe der Judikative in der Gewaltentrias . . . . . . . . . . .

118 119 119 120 121 121 122 126

C. Systemelemente der Öffentlichkeit in staatlichen Verfahren . . . . . . . . . . . I. Dimensionen der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Personelle Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Örtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Temporäre Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Partizipative Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Inhaltliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Transparente Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Empfängerhorizont und Barrierefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Quantitative Betrachtung der Öffentlichkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . III. Qualitative Betrachtung der Öffentlichkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . .

130 130 130 131 133 133 134 135 137 140 143

V.

D. Öffentlichkeit – Bedeutungen, Funktionen und Dimensionen – ein Fazit  148 Kapitel 2

Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz und Organisationsprinzip 

151

A. Die Gerichte als Organ der Rechtspflege in der bürgerlichen Sphäre . . . 151 B. Gerichtsöffentlichkeit: Teil der Rechtsprechung oder Organisationsgrundsatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff und Aufgabe der Rechtsprechung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Justiz- und Gerichtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Richterliche Unabhängigkeit und Öffentlichkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Parteiöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Drittöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmittelbare (Saal-)Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentlich zugängliche Verfahrensinformationen . . . . . . . . . . . . . aa) Informationsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auskunfts- und Einsichtsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Weiterverwertung von in der Verhandlung erlangten Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Faktische Grenzen der Saalöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung der Funktionserfüllung von Öffentlichkeit . . . . . . . . .

154 154 157 158 159 160 161 161 162 162 163 165 169 173

14 Inhaltsverzeichnis 2. Mittelbare (Medien-)Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Medien als Komponente der Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . b) Für Medienvertreter zugängliche Verfahrensinformationen . . . . . c) Grenzen der Medienöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Faktische Grenzen der Medienöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Grenzen der Medienöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . d) Bewertung der Funktionserfüllung von Öffentlichkeit . . . . . . . . . 3. Das Verhältnis von Saal- und Medienöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtliche Grenzen der Drittöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vollständiger oder partieller Ausschluss der Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritikpunkte am bisherigen Öffentlichkeitsausschluss . . . . . . . . . D. Öffentlichkeitsbedürftige Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das derzeitige Öffentlichkeitsverständnis i. S. d. § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Öffentlichkeitsbedürfnis anhand der einzelnen gerichtlichen Verfahrensphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Phase 1 – Vorstadium bis zur Hauptverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Phase 2 – Die mündliche Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Phase 3 – Die Urteilsverkündung und Niederlegung . . . . . . . . . . . . . III. Das Öffentlichkeitsbedürfnis anhand von Informationstypen . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Justizinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahrensbezogene Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unverkörperte Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verkörperte Informationen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Staatliche Verfahrensinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterlagen der Verfahrensbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Öffentlichkeitsbedürfnis von Gerichtsverfahren ohne mündliche Verhandlung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Öffentlichkeit bei Gericht – ein Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

174 176 177 178 178 183 184 186 187 187 188 190 190 191 192 193 194 194 195 195 197 197 198 198 211 213 215

Kapitel 3

Digitalisierung als rechtlich relevante Größe 

A. Technologische Entwicklung und digitale Transformation . . . . . . . . . . . . . I. Digitale Transformation in der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis von Staat und Gesellschaft im Informationszeitalter . . . . . . . III. Anpassungsbedarf des Staates an die Informationsgesellschaft . . . . . . .

218 218 218 221 223

B. Digitalisierung als Thema der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 I. Verfassungsrechtliche Regelung zum Einsatz der Informationstechno­ logie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Verfassungsrechtliche Pflicht zum Einsatz der Informationstechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Inhaltsverzeichnis15 2. Verfassungsrechtliche Handlungsvorgaben für die Digitalisierung  . 229 II. Technik im Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Regulierung des Einsatzes der Informationstechnologie  . . . . . . . . . . 230 2. Implementierung der Technik in das (bestehende) Recht . . . . . . . . . 231 III. Recht durch Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Risiken durch Komplexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 2. Compliance by Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 C. Digitalisierung der Rechtsanwendung und Weiterentwicklung der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Von der Digitalisierung zur Automatisierung der Rechtsanwendung . . . 1. Anwendung von Datenbanken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Big Data-Auswertung juristischer Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Smart and Self-executing Contracts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Digitalisierung und Weiterentwicklung der Justiz  . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Elektronischer Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Justizinterne Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Digitalisierung von Registern und staatlichen Angeboten  . . . . . . b) Elektronische Aktenführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Änderung der justizinternen Aufgabenzuweisung . . . . . . . . . . . . . 3. Digitalisierung der mündlichen Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Automatisierung der Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235 235 235 236 238 239 239 243 243 244 246 247 248

D. Digitalisierung und Recht – ein Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Kapitel 4 A. Der I. II. III.

Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit  virtuelle Raum als öffentlicher Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Potentiell) freier Zugang für „jedermann“ über das Internet . . . . . . . . . Unabhängigkeit von Raum, Zeit und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausprägungsformen von Öffentlichkeit im digitalen Zeitalter  . . . . . . .

252 252 252 253 255

B. IT als Garant der Öffentlichkeitsfunktionen!? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 I. Schaffung und Nutzung digitaler Zugänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 II. Gestaltungsmöglichkeiten von Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 C. Öffentlichkeitsermöglichende und -begrenzende technische Lösungen  . . I. Digitale Verfahren zur Herstellung von Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 1. Portallösung zur Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . 2. Bild- und Tonaufnahmen oder -übertragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Digitalisierungsmöglichkeiten von (schriftlichen) Dokumenten . . . . II. Digitale Verfahren zum (partiellen) Ausschluss von Öffentlichkeit . . . . 1. Digitale Zutrittskontrollen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ortsbezogene Zutrittsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

260 260 260 261 264 264 265 265

16 Inhaltsverzeichnis b) Adressatenbezogene Zutrittskontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 aa) Klassische Identifikationsmanagementverfahren . . . . . . . . . . 269 bb) Attributsbasierte Berechtigungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . 269 cc) Digitale Blockchain-Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 c) Quantitative Zutrittsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 2. Sicherungsmöglichkeiten grundrechtlich geschützter Interessen (Privacy Management) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 a) Kameraperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Granular modellierte Qualität der Bild- und Tonübertragung  . . . 272 c) Audiovisuelle Unkenntlichmachung von Personen sowie Identifikationsnachweisen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 d) Zeitverzögerte Übertragung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 e) Automatische Löschfunktion von Dateien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 3. Technische Schutzmechanismen zur Begrenzung von Öffentlichkeit  275 a) Vorgabe von Übertragungsplattform und -kanal . . . . . . . . . . . . . . 275 b) Verschlüsselung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 c) Digital Rights and Privacy Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 d) Weitere Mechanismen zur Absicherung von Privacy by Design . 279 III. Technische Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 1. (Vollständiges) Versagen der Technik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 2. Bestehen von IT-Sicherheitsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 3. Weitreichende Speicher- und Vernetzungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . 283 4. Digitale Kluft – partieller Ausschluss von Personengruppen . . . . . . . 284 IV. Folgenabschätzung der Digitalisierung im Öffentlichkeitskontext . . . . . 285 1. Risikofolgenabschätzung zwischen digitaler und präsenter Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 2. Folgenabschätzung der technischen Risiken für den Grundsatz der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 D. Digitalisierung und Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Digitale Öffnung der Justiz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Öffnung für die IuK-Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffnung durch die IuK-Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die digitale Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmittelbare Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mittelbare Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einordnung in die bisherige Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis der digitalen Gerichtsöffentlichkeit zu den bestehenden Öffentlichkeitsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bewertung der Funktionserfüllung von Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsgrundlage der digitalen Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verankerung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit im Grundgesetz . . 2. Einbeziehung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit in § 169 GVG  . . a) Die Veröffentlichung verfahrensbezogener Dokumente . . . . . . . .

291 291 291 292 293 295 295 296 297 298 299 301 302 303 304

Inhaltsverzeichnis17 b) Die digitale Übertragung der öffentlichen mündlichen Verhandlung in Ton und Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Parlamentsvorbehalt, Klarstellungsfunktion und Konkretisierungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Parlamentarische Entscheidungshoheit aufgrund Parlamentsvorbehalts und Wesentlichkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Digitale Gerichtsöffentlichkeit als Paradigmenwechsel – Das Erfordernis einer (neuen) Rechtsgrundlage für die digitale Gerichtsöffentlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Klarstellungsfunktion und Konkretisierungsgebot . . . . . . . . . . . . 4. Gestaltungskompetenz für die Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . V. Menschliche vs. technische Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ausschluss der (digitalen) Gerichtsöffentlichkeit am Maßstab staat­ licher Partizipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtsverfahren mit staatlicher Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsverfahren zwischen Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausnahmen vom Öffentlichkeitspostulat und Dispositionsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

304 305 305 306 309 311 311 312 313 314 314

E. Gesellschaftlicher Wandel und Öffentlichkeit – ein Fazit . . . . . . . . . . . . . 316 I. Informationstechnisch bedingter Wandel bei den Anforderungen an Öffentlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 II. Gesellschaftliche Erwartungshaltung und staatliche Reaktionsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 III. Öffentlichkeitsgewähr in Form digitaler Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . 318 Kapitel 5

(Verfassungs-)Rechtliche Grenzen bei der Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit 

320

A. Digitale Gerichtsöffentlichkeit im Lichte des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . 320 I. Verfassungskontext von digitaler Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . 320 II. Digitalisierung als Verstärker der verfassungsrechtlich garantierten Öffentlichkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Öffentlichkeit und Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Öffentlichkeitsgewähr als Ausdruck von Volkssouveränität . . . . . . . . 2. Gerichtsöffentlichkeit und Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mögliche Adressatenbeschränkung bei der Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Staatsangehörigkeit und Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . c) Adressatenbeschränkte Gerichtsöffentlichkeit im Lichte der Informationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die (Zugangs-)Gestaltung der Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . .

321 322 322 322 323 324 325 330

18 Inhaltsverzeichnis a) Orientierung an den Wahlrechtsgrundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 b) Allgemeine verfassungskonforme Gestaltung der Gerichtsöffentlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 aa) Das Erfordernis eines nicht diskriminierenden Zugangs . . . . 331 bb) Unmittelbare Form der Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . 331 cc) Freie Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 dd) Anonymer Zugang zur Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . 333 4. Zutrittsbeschränkung der Gerichtsöffentlichkeit durch Altersgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 a) Gerichtsöffentlichkeit und die Schranken des Jugend(medien) schutzes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 aa) Dürfen Minderjährige die Gerichtsöffentlichkeit wahrnehmen?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 bb) Können Minderjährige überhaupt eine staatsbürgerliche Kontrolle ausüben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 b) Gefährdung von Minderjährigen durch die Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 aa) Schutz des Gerichtsverfahrens vor Minderjährigen . . . . . . . . 337 bb) Schutz der Minderjährigen vor Gerichtsverfahren . . . . . . . . . 337 (1) Rechtliche Schutzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 (2) Technische Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 II. Öffentlichkeit und Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 1. Gerichtsöffentlichkeit und rechtsstaatliches Verfahren . . . . . . . . . . . . 340 a) Das Recht auf Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 b) Rechtsstaatlichkeit durch Schutz der Verfahrensmaximen . . . . . . 341 c) Fortbestand der Verfahrensdurchführbarkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . 344 aa) Änderung des Verhaltens von Angeklagten / Verfahrensbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 bb) (Potentielle) Beeinflussung von Zeugen(aussagen) . . . . . . . . 345 cc) (Potentielle) Beeinflussung des Gerichts  . . . . . . . . . . . . . . . 348 2. Wahrung der Justizgrundrechte – Gesetzlicher Richter . . . . . . . . . . . 350 3. Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 III. Öffentlichkeit und Grundrechte von verfahrensbeteiligten Privatpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 1. Erweiterte Gerichtsöffentlichkeit ≠ menschenunwürdiger Schauprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 a) Charakteristika eines verbotenen Schauprozesses . . . . . . . . . . . . . 352 aa) Menschliche Degradierung zum Objekt staatlichen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 bb) Nichtachtung rechtsstaatlicher Vorgaben im Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 b) Dimensionen einer quantitativen und qualitativen Erweiterung von Öffentlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356

Inhaltsverzeichnis19 2. Allgemeines Persönlichkeitsrecht – Wirklichkeit und Modifizierungsbedarf  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 a) Schutzbereichsausprägungen im Kontext der Digitalisierung von Öffentlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 aa) Die informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 bb) Das Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 cc) Das Recht am eigenen Wort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 b) Eingriffsqualität der digitalen Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . 365 aa) Übertragung der mündlichen Verhandlung in Bild und Ton . 365 bb) Veröffentlichung von (schriftlichen).Verfahrensinformationen  366 c) Eingriffsrechtfertigung bei digitaler Öffentlichkeitsgewähr . . . . . 366 aa) Übertragung der mündlichen Verhandlung in Bild und Ton . 366 (1) Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 (2) Schranken-Schranken – Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . 367 (a) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 (b) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 (c) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 (d) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 bb) Veröffentlichung von (schriftlichen).Verfahrensinformationen  376 (1) Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 (2) Schranken-Schranken – Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . 376 (a) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 (b) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 (c) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 (d) Angemessenheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 3. Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme – Gewährleistung von IT-Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 4. Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 5. Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 6. Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 7. Auswirkungen der digitalen Öffentlichkeitserweiterung auf die Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 IV. Öffentlichkeit und Grundrechte von Personen aus der Justizsphäre . . . . 387 1. Grundrechtsfähigkeit von Funktionsträgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 2. Spannungsverhältnis von Persönlichkeitsrecht und Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 V. Öffentlichkeit und Medien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 1. Digitale Gerichtsöffentlichkeit im Lichte der Rundfunkfreiheit . . . . 394 2. Digitale Gerichtsöffentlichkeit als Telemedium . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 3. Jugend(medien)schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 4. Das Justizportal zur Öffentlichkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405

20 Inhaltsverzeichnis a) Portallösung(en) durch die Justiz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 b) Portallösungen durch Private  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 c) Alternativen zu Portallösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 C. Förderung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit – de lege ferenda . . . . . . . I. Anpassung der öffentlichkeitsregelnden Verfahrensvorschriften  . . . . . . 1. Anpassungen zur Ermöglichung der Übertragung der mündlichen Verhandlung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anpassung der Verfahrensregelungen zur Gewährleistung von Informationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anpassung der übrigen Rechtswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Grenzziehung zur Verbesserung des Persönlichkeitsrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Straf- und ordnungsrechtliche Schutzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . 2. Speicherhöchstfristen und Löschpflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Folgen der verfassungsimmanenten Schranken für die unterschiedlichen Dimensionen der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Personelle Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Örtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Temporäre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Partizipative Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Inhaltliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

421 421 422 423 424 425

412 412 412 413 414

E. Verfassungsrechtliche Konturen und Spielräume für die digitale Gerichts­öffentlichkeit – ein Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 I. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 II. Ausblick: Der vollständige digitale Wandel – die (partielle) Abschaffung der Saalöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 1. Die vollständige Ersetzung der Saalöffentlichkeit durch die digitale Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 2. Die Beschränkung der Saalöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 a) Differenzierung anhand des Rechtsweges bzw. des jeweiligen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 aa) Verfahren ausschließlich zwischen Privaten . . . . . . . . . . . . . 437 bb) Verfahren mit staatlicher Partizipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 cc) Derzeit nicht öffentliche Verfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 b) Differenzierung nach Personengruppen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 aa) Personen in der Justizsphäre  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 bb) Angehörige von Verfahrensbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 cc) Medienvertreter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482

Einleitung „Alle auf das Recht anderer Menschen bezogenen Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publi­ zität verträgt, sind unrecht.“1

I. Digitale Transformation: Von E-Justice zu Open Data in der Justiz?! Die Justiz befindet sich in einem Wandel, dessen Tragweite sie derzeit vielfach noch nicht absieht. Was die Justiz für Recht befindet, ist Recht, aber nicht immer richtig. Kritik erfährt sie zumeist nur aus den eigenen Reihen in Form des Instanzenzuges. Ansonsten steht über der Justiz nur der viel zitierte blaue Himmel.2 Dass Richter3 aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit frei in ihren Entscheidungen und nur dem Gesetz unterworfen sind, ist zweifellos eine der wichtigsten Errungenschaften im demokratischen Rechtsstaat, sakrosankt ist richterliche Rechtsfindung und Rechtsprechung damit aber keineswegs. Vielfach wird die Justiz als nicht mehr zeitgemäße Schlichtungsstelle bürgerlicher Streitigkeiten angesehen. Einerseits agiert sie auch aufgrund der komplexen Rechtslage für Bürger „unverständlich“ und ihr gelingt es teilweise nicht, dem Bürger die Entscheidung zu vermitteln. Andererseits wird ihr die Kompetenz in manchen Rechtsgebieten abgesprochen und ihre langsame Reaktionsgeschwindigkeit bemängelt, so dass große Konzerne ihre Streitigkeiten immer häufiger vor Schiedsgerichten austragen.4 Während die Justiz nämlich noch auf den umfassend einsetzbaren Richter setzt, spezialisieren sich Anwälte sowie Legal Tech-Unternehmen immer weiter.5 1  Kant,

Zum ewigen Frieden, Anh. II, S. 93. blaue Himmel diente Jahrhunderte lang als (indirekte) Gottesmetapher; siehe Schuth, Die Farbe Blau, S. 55. Früher wurde dieses Bild in der Rechtswissenschaft auch genutzt, um das Stattfinden von (Gerichts-)Verhandlungen in der Öffentlichkeit aufzuzeigen; Maurer, Geschichte der Fronhöfe, der Bauernhöfe und der Hofverfassung in Deutschland, S. 214. 3  Aus Gründen der Lesbarkeit und Vereinfachung wird in der folgenden Arbeit nur die männliche Form bestimmter Termini verwendet. Die jeweiligen Begriffe gelten jedoch in der männlichen und weiblichen Form entsprechend. 4  Vgl. http: /  / www.disarb.org / de / 39 / content / statistik-id51; Brosius-Gersdorf, VVDStRL Band 74 (2015), S. 171 ff. 5  Dies wird an den verschiedenen Fachanwaltslehrgängen deutlich. Siehe zu dieser Thematik Kapitel 3 C. I. 2  Der

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Hinzukommt, dass die Informationstechnologie in der Gesellschaft eine ganz andere Erwartungshaltung erzeugt hat, die die staatliche Wirklichkeit derzeit noch nicht erfüllen kann. So gibt es Geschäftsmodelle im Internet, die Betroffenen bei Bahn-6 oder Flugverspätungen7 unmittelbar helfen und sich hierfür beispielsweise die Ansprüche gegen die Auszahlung eines festgesetzten Anteils der Entschädigungssumme abtreten lassen. Diese Unternehmen werben mit einer unkomplizierten, schnellen, verbraucherfreundlichen Lösung. Dies stellt zumeist das genaue Gegenteil gerichtlicher Verfahren dar. Vor den Amtsgerichten waren im Jahr 2016 zivilgerichtliche Verfahren im Bundesdurchschnitt 4,9 Monate anhängig; endeten diese durch streitiges Urteil verlängerte sich die Verfahrensdauer auf 7,7 Monate.8 Wurde hingegen ein Landgericht in Zivilsachen in der ersten Instanz angerufen, dauerte ein Verfahren durchschnittlich 9,8 Monate und bei Beendigung durch streitiges Urteil 15,0 Monate.9 Legten die Verfahrensbeteiligten Rechtsmittel ein, verlängerte sich die Verfahrensdauer noch einmal deutlich.10 Bei den Verwaltungsgerichten dauerte ein erstinstanzliches Hauptsacheverfahren in Deutschland, welches mit einem Urteil abschließt, durchschnittlich 11,4 Monate, bei der Geltendmachung des vorläufigen Rechtsschutzes betrug die Verfahrensdauer immer noch 1,5 Monate.11 Zwar kann die Länge der Verfahren nicht alleine in die Verantwortung der Gerichte gelegt werden. Sie liegt teilweise auch in der Sphäre der Prozessparteien, Gutachter sowie (abwesenden) Zeugen begründet. Dennoch erkennt auch der Gesetzgeber einen umfassenden Modernisierungsbedarf bei den Gerichten, der nunmehr durch die E-Justice-Gesetzgebung eingeläutet wird. Durch die Einführung der elektronischen Akte im Jahr 2018 erlebt die Justiz einen ersten Kulturwandel.12 Diese Digitalisierung aller zuvor papiergebundenen Unterlagen verändert die (elektronische) Aktenführung und formali6  www.zug-erstattung.de. 7  Vgl.

u. a. www.flightright.de; www.wirkaufendeinenflug.de; www.euflight.de. Fachserie 10 Reihe 2.1 – 2016 des statistischen Bundesamtes S. 26; abrufbar unter https: /  / www.destatis.de / DE / Publikationen / Thematisch / Rechts pflege / GerichtePersonal / Zivilgerichte2100210167004.pdf?__blob=publicationFile. 9  Zivilgerichte – Fachserie 10 Reihe 2.1 – 2016 des statistischen Bundesamtes S. 56; abrufbar unter https: /  / www.destatis.de / DE / Publikationen / Thematisch / Rechts pflege / GerichtePersonal / Zivilgerichte2100210167004.pdf?__blob=publicationFile. 10  Zivilgerichte – Fachserie 10 Reihe 2.1 – 2015 des statistischen Bundesamtes S. 76, 102; abrufbar unter https: /  / www.destatis.de / DE / Publikationen / Thematisch /  Rechtspflege / GerichtePersonal / Zivilgerichte2100210167004.pdf?__blob=publication File. 11  Fachserie 10 Reihe 2.4 – 2016 des statistischen Bundesamtes S. 24, 46; abrufbar unter https: /  / www.destatis.de / DE / Publikationen / Thematisch / Rechtspflege / Gerichte Personal / Verwaltungsgerichte2100240167004.pdf?__blob=publicationFile. 12  http: /  / www.sueddeutsche.de / digital / akte-e-vom-stapel-lassen-1.3061120. 8  Zivilgerichte –

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siert die richterliche Arbeitsweise. Aufgrund dessen wird die elektronische Akte teilweise kritisch von Richtern bewertet.13 Dies auch deshalb, weil nach deren Verständnis der richterlichen Unabhängigkeit die Unterstützung bei Schriftsätzen und die Abnahme (verwaltungs-)organisatorischer Tätigkeiten durch Geschäftsstellenbeschäftigte selbstverständlich erscheint.14 Neben der Modernisierung des Arbeitsalltags der Justizbediensteten und einer damit einhergehenden Veränderung des Kommunikationsverhaltens mit und zwischen den Gerichten sowie der justizbezogenen Arbeitsabläufe ist derzeit allerdings kaum eine weitergehende Öffnung der Justiz vorgesehen. Durch die flächendeckende Einführung der elektronischen Akte und weiterer Reformen durch das „E-Justice-Gesetz“15 ist jedoch der Grundstein für einen umfassenden Wandel in der Justiz gelegt. Der Einsatz der Informationstechnologie im Justizalltag kann nämlich nicht nur die Arbeitsweise der Gerichte modernisieren und stellt damit ein fortschrittliches Arbeitsmittel dar. Vielmehr kann das Internet durch die bereits vorhandenen maschinenlesbaren Informationen als Informationsmedium von der Justiz genutzt werden, um staatliche Prozesse öffentlicher und transparenter zu gestalten und gleichzeitig neue Informationswege zu schaffen. Die Informationstechnik ist nämlich auch ein Instrument, das die Erweiterung von Öffentlichkeit ermöglicht. Diese Dimension technischer Einbindungen wird vielfach übersehen und daher im Rahmen dieser Arbeit beleuchtet. Der Einsatz der Informationstechnologie stellt nicht nur ein Mittel zur Veröffentlichung von Informationen dar, sondern verändert auch unser Staatsverständnis.16 Die marginalen Änderungen durch § 169 Abs. 2 GVG17, die eine Übertragung von Bild- und Tonaufnahmen der Urteilsverkündung vor dem Bundes13  Pilotprojekte zeigen hingegen, dass die elektronische Akte gut funktionieren soll, vgl. Sczech, DRiZ 2016, 206, 206 f.; Pöhlmann / Begemann, DRiZ 2016, 132, 133. 14  Vgl. zur richterlichen Beteiligung an der elektronischen Aktenführung Freiheit u. a., Studie zum Stand des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) in der Justiz der EU-Mitgliedstaaten unter besonderer Berücksichtigung des elektronischen Rechtsverkehrs, S. 82 f. abrufbar unter: https: /  / www.bj.admin.ch /  dam / data / bj / staat / rechtsinformatik / magglingen / 2008 / eear-studie-d.pdf. So musste sich das Dienstgericht des Bundes u. a. mit der Frage beschäftigen, ob ein Richter einen Anspruch darauf besitzt, dass die Geschäftsstelle ihm sämtliche elektronische Eingaben eines elektronischen Registers ausdruckt, BGH NJOZ 2011, 1461, 1461 ff.; Heckmann / Lederer, jurisPR-ITR 6 / 2011 Anm. 5. 15  Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten, BGBl. I 2013, 3786; Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs, BGBl. I 2017, 2208. 16  Lederer, Open Data, S. 87. 17  Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinde-

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gerichtshof gestatten, lassen erahnen, welche Möglichkeiten bei der Schaffung von Gerichtsöffentlichkeit noch bestehen. Allerdings setzt der Gesetzgeber weiterhin auf die klassischen Medien als Intermediäre bei der Weitergabe und Vermittlung staatlicher Informationen, obwohl die Informationstechnologie dem Staat selbst die Veröffentlichung von Informationen und damit die Schaffung von Transparenz ermöglichen würde. Aufgrund bestehender faktischer Kapazitäten bei verschiedenen Ressourcen (Platz, Mittel, Personal) war es in der Vergangenheit nicht möglich, dass jeder Bürger auf jede staatliche Information Zugriff haben konnte. Dieses Verständnis ändert sich nunmehr durch die Informationstechnologie, die die bestehenden Kapazitätshürden beseitigt.18 Damit einhergehend gibt es Stimmen, die aufgrund der geänderten Tatsachenbasis nun ein selbständiges Aktivwerden des Staates bei der Zugänglichmachung von Informationen fordern. Hiernach ist Bürgern ein voraussetzungsloser Zugang zu staatlichen Informationen zu gewähren.19 Diese Veröffentlichungspflicht von Amts wegen wird teilweise auch mit dem Begriff der „Offenheit“ charakterisiert. Ein Zurückhalten von Informationen kann danach nur bei entgegenstehenden anerkannten Interessen begründet werden. Dieser Wandel und (technische) Öffnungsprozess kann im Rahmen der Justiz als „Open Justice“ bezeichnet werden und lehnt sich an die Öffentlichkeitsmaxime im angelsächsischen Raum sowie die weltweite Open DataDebatte für das Exekutivhandeln an.20 Während sich für das öffentliche Verwaltungshandeln aus dem englischen übernommene Begriffe wie „Open (Government) Data“ bzw. „Open Government“ durchgesetzt haben,21 ist das entsprechende Pendant für die Justiz noch nicht einheitlich geprägt worden. Ein Rückgriff auf den Anglizismus „Open Justice“22 ist insoweit nicht zwingend erforderlich, da anders als im Verwaltungskontext die Öffentlichkeit justiziellen Handelns seit Jahrhunderten anerkannt ist. Der Begriff der Gerichtsöffentlichkeit ist auch aufgrund seiner weiten Formulierung derart auslegungsoffen, dass unter diesen die umfassende Öffnung der Justiz im digitalisierten Zeitalter gefasst werden kann. Er wird auch im Folgenden verwendet und um eine Auslegungsdimension erweitert.

rungen (Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren – EMöGG), BGBl. I 2017, 3546. 18  Heckmann, in: Slapio / Habbel / Huber (Hrsg.), Wertschöpfung für die Wirtschaft, S. 48. Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 743. 19  Vgl. u. a. Council of Europe, Recommendation No. R (81) 19. 20  Vgl. Bernhardt, NJW 2015, 2775, 2779 f. 21  Lederer, Open Data, S. 39. 22  Zur Definition von Open Justice im angelsächsischen Raum Jaconelli, Open Justice, S.  3 ff.

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Bisher teilt sich die Gerichtsöffentlichkeit lediglich in die sog. Saalöffentlichkeit und die sog. Medienöffentlichkeit. Hierdurch wird es Dritten ermöglicht, der mündlichen Verhandlung als Zuschauer beizuwohnen bzw. als Medienvertreter zusätzlich über den Prozess zu berichten und die hierfür erforderlichen Informationen auf Grundlage der Landespressegesetze bei den Gerichten anzufordern.23 Eine darüberhinausgehende autonome Veröffent­ lichung von Informationen durch die Justiz oder gar eine transparente Auf­ arbeitung von Gerichtsverhandlungen ist bisher noch nicht in den judikativen Arbeitsalltag übernommen worden. Aus diesem Grund wird im Folgenden der Begriff der digitalen (Gerichts)Öffentlichkeit geprägt, der verschiedene Komponenten vereint. Zum einen beschreibt er die Übermittlungsform der Öffentlichkeit über die Informationstechnologie und damit deren Einbindung in die Vermittlung staatlicher und insbesondere justizieller Informationen. Zum anderen knüpft er an die Open Data-Forderungen eines selbständig öffentlichkeitsverbreitenden Staates an, der alle Informationen, die für die Bevölkerung von Relevanz sind, voraussetzungsfrei zugänglich macht. Aus diesem Grund durchbricht das hier vertretende Öffentlichkeitsverständnis die bisherige auf die Hauptverhandlung fokussierte und damit begrenzte Interpretation von Öffentlichkeit in der Justiz.24

II. Öffentlichkeit und Offenheit in Zeiten von Fake News und Intransparenz Öffentlichkeit und Offenheit sind in Zeiten zunehmender Komplexität und einer damit einhergehenden Intransparenz in vielen Lebensbereichen elementar. Menschen erlangten in der Vergangenheit ihr Wissen aus eigenen Erfahrungen, dem persönlichen Umfeld und den klassischen Medien. Damit konnte nur auf einen begrenzten Informationsschatz zurückgegriffen werden. Durch die Etablierung des Web 2.0, das es jedem ermöglichte, im Internet seine Erfahrungen, Meinungen und Beobachtungen zu verbreiten und auszutauschen, wurden die Informationsquellen jedes Einzelnen exponentiell vergrößert.25 Vielfach ist es kaum mehr möglich zu erkennen, ob eine Information aus einer seriösen Quelle stammt, valide ist oder (absichtlich) nicht der tatsächlichen Faktenlage entspricht. Darüber hinaus kann jeder auf eine fast unbegrenzte Themenvielfalt an Meinungen und Wissen zurückgreifen.

Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 501. Bernhardt, NJW 2015, 2775, 2779 f. 25  Zur durch das Internet erzeugten Weltöffentlichkeit, vgl. Stichweh, in: Haelble /  Kirsch / Schmidt-Gernig (Hrsg.): Transnationale Öffentlichkeiten und Identitäten im 20. Jahrhundert, S. 64 ff. 23  Vgl. 24  Vgl.

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Diese Informationsflut schafft zunächst einmal Intransparenz und Verun­ sicherung. Die Regulierung des Internets und der darin behandelten Themen ist aufgrund seines technischen Aufbaus und seiner weltweiten Reichweite jedoch faktisch nicht möglich. Da wirkt der Versuch einer Inanspruchnahme der größten Diensteanbieter im Internet zur Bekämpfung von Fake News26 durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz27 fast schon hilflos. Allerdings kann der Staat aufgrund seiner Steuerungsfunktion die im Internet tätigen, in seinen Hoheitsbereich fallenden Informationsträger partiell auf verschiedene Weise regulieren. Dieser Weg wird jedoch derzeit nur vorsichtig und zumeist unter großem Protest der „Netzgemeinde“ beschritten.28 Diffusen, fehlerhaften und unklaren Informationen kann der Staat auch dadurch begegnen, indem er selbst valide ihn betreffende Daten voraussetzungsfrei online zur Verfügung stellt, um auf diese Weise ein Abbild der Wirklichkeit und damit Sicherheit im virtuellen Raum zu schaffen. Das gesellschaftsformende Recht ist häufig hoch komplex und damit für die Bevölkerung nicht immer aus sich heraus nachvollziehbar. Dennoch sollte eine transparente Darstellung des staatlichen Gefüges und seinen Verhaltensweisen, unterschiedlichen Interessenlagen und Gründe für gesetzliche Vorgaben im Gesamtkontext aufgezeigt werden. Einem Klima der Verunsicherung aufgrund zu hoher Komplexität kann nur durch transparente verständlich vermittelte Fakten entgegengetreten werden. Die Abbildung der Wirklichkeit und die Schaffung von Transparenz bezüglich hoheitlicher Inhalte durch den Staat sind in seinem eigenen Interesse und können gleichzeitig bürgerliche Freiheiten schützen. Staatliche Informationen können der Bevölkerung auf unterschiedliche Weise vermittelt werden, sei es durch Texte, statische oder bewegte Bilder. Wie bereits das Bundesverfassungsgericht in seiner Lebach-Entscheidung festgestellt hat, besitzen Bewegtbilder die größere Suggestivwirkung gegenüber Textdokumenten.29 Die damalige Entscheidung bezog sich zwar auf den Rundfunk. Dieses Medium besitzt noch heute den größten Meinungsbil-

26  Zum Einsatz des Fake News-Begriffs vgl. Holznagel, MMR 2018, 18, 18 f.; Gercke, ZUM 2017, 915, 923; Pfeifer, CR 2017, 809, 809 f. Zur Strafbarkeit der Verbreitung von „Fake News“ siehe Hoven / Krause, JuS 2017, 1167, 1167 ff. 27  Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG), BGBl. I 2017, 3352; Pressemitteilung des BMJV vom 14.03.2017, abrufbar unter: https: /  / www.bmjv.de / SharedDocs / Artikel /  DE / 2017 / 03142017_GE_Rechtsdurchsetzung_Soziale_Netzwerke.html. 28  Vgl. die Reaktionen im Internet auf das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Zum Begriff und Verständnis der Netzgemeinde Keuschnig, in: Kappes / Krone / Novy (Hrsg.), Medienwandel kompakt 2011–2013, S. 101 ff. 29  BVerfGE 35, 202, 226 f., vgl. auch BVerfGE 119, 181, 214 f.

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dungsfaktor.30 Dennoch gewinnt das Internet zunehmend an Einfluss auf die Meinungsbildung der Bevölkerung.31 Da das Internet seinen Rezipienten jede Form von Inhalten offenbaren kann, bietet sich die dem Rundfunk eigentümliche Bewegtbilddarstellung von Inhalten auch über das Medium Internet an, um insbesondere Informationen aus der Rechtspflege zu liefern. Die Digitalisierung vereinfacht in verschiedener Hinsicht mittelbar oder unmittelbar den Alltag jedes Einzelnen. Gleichzeitig schafft sie hierdurch vielfach einen Wandel in der Erwartungshaltung der Bürger an ihre Umgebung und insbesondere an den Staat und damit auch an die Justiz.32 Die derzeitige Form der Vermittlung von Einblicken in die staatliche Arbeit der Legislative, Exekutive oder Judikative durch die Gestattung der örtlichen Anwesenheit bei Sitzungen bzw. Verhandlungen oder das Aktivwerden des Bürgers in Form einer (teilweise begründungsbedürftigen und gegebenenfalls kostenpflichtigen) Antragstellung zum Erhalt von Informationen wird vielfach kritisch, weil unzeitgemäß gesehen. Die klassischen Medien, die der Staat als Informationsvermittler noch heute priorisiert, verlieren gegenüber dem Internet zunehmend an Einfluss, zumal dieses Medium ebenfalls als Kanal zur Ausübung der Presse- und Rundfunkfreiheit genutzt wird. Eine digitale Darstellung der Wirklichkeit durch staatliche Stellen selbst, verbunden mit Hintergrundinformationen über das Funktionieren des Staates und insbesondere der Justiz, hätte neben einem vertrauensbildenden und akzeptanzstiftenden Faktor in Zeiten digitaler Verunsicherung auch weitere positive Aspekte wie die Herstellung informationeller Gleichberechtigung.33 „Fake News“34 und Vorurteilen mit Fakten und dem Aufzeigen der gericht­ lichen Wirklichkeit zu begegnen, könnte der durch Kriminalitätsnachrichten geprägten Presselandschaft und entsprechenden verzerrenden Darstellungen im Internet ein Gegengewicht setzen. Gleichzeitig kann auf diese Weise die partiell bestehende Arbeitsüberlastung der Justiz35 aufgezeigt und ein Verständnis in der Bevölkerung für eine entsprechende Finanzierung neuer Rich30  Hasebrink, Meinungsbildung und Kontrolle der Medien, https: /  / www.bpb. de / gesellschaft / medien / medienpolitik / 172240 / meinungsbildung-und-kontrolle-dermedien. 31  http: /  / www.die-medienanstalten.de / fileadmin / Download / Publikationen / Medi enkonvergenzmonitor / MedienGewichtungsStudie_2016-1.pdf, S. 12 ff.; https: /  / www. die-medienanstalten.de / fileadmin / user_upload / die_medienanstalten / Themen / For schung / Medienkonvergenzmonitor / DLM_MedienGewichtungsStudie.pdf, S. 13 ff. 32  Heckmann, in: Heinrich (Hrsg.), FS Musielak, S. 207 f. 33  Hierzu ausführlich Kapitel 1 B. III. 34  Zur Bedeutung dieses Unwortes des Jahres 2017 vgl. http: /  / www.unwortdesjah res.net / fileadmin / unwort / download / pressemitteilung_unwort2017.pdf S. 1. 35  Vgl. Jehle, DRiZ, 2017, 126, 137; Wittreck, VVDStRL Band 74 (2015), S. 117 m. w. N.; Kirchhoff, Die Belastung von Richtern und Staatsanwälten ist zu hoch und

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terstellen geweckt werden, da die Justiz das friedliche Zusammenleben in unserer heterogenen Gesellschaft (erst) ermöglicht.

III. Das Öffentlichkeitsbedürfnis im staatlichen und insbesondere im judikativen Kontext Die Erweiterung der Öffentlichkeit besitzt jedoch nicht nur eine legitimierende und Vertrauen schaffende Funktion, sondern kann auch Missstände beim Staat aufdecken und helfen, diese abzustellen. Eine zentrale Aufgabe von Öffentlichkeit ist nämlich die Ermöglichung von Kontrolle.36 Diese Kontrolle des Staates und insbesondere der Gerichte durch die Bevölkerung erfolgt – aus unterschiedlichen Gründen – heutzutage nur sehr selektiv.37 Außer bei medial „beworbenen“ Verfahren oder durch Schulausflüge bedingter Anwesenheit bleiben die Zuschauerbänke in den Gerichtssälen überwiegend leer.38 Somit verfehlt das Institut der gerichtlichen Drittöffentlichkeit in der Ausprägung der Saalöffentlichkeit in vielen Fällen seine Wirkung. Gleiches gilt für die Medienöffentlichkeit als Surrogat. Mangels im Internet verfügbarer39 und häufig nur sehr kurzfristig vor Ort ausgehängter Sitzungspläne sowie fehlender Ressourcen nehmen auch die Medien Gerichtsverfahren nur partiell wahr.40 Zudem ist die Medienberichterstattung teilweise kritisch zu sehen, weil sie kein wirkliches Abbild gerichtlicher Verfahren bieten kann oder will.41 Dies mag an der juristischen Unwissenheit einiger Verfasser entsprechender Berichte oder deren sensationsheischender Ausführung liegen42 oder auch durch eine aus Platzgründen verkürzte bzw. unvollständige Darstellung bedingt eine Gefahr für den Rechtsstaat, in: Betrifft Justiz 117 (2014), S. 12, 12 f. Prinz, in: Prinz / Butz (Hrsg.), FS Engelschall, S. 249. 36  König, DÖV 2000, 45, 50. 37  Vgl. Huff, Justiz und Öffentlichkeit, S. 14. 38  So bereits Schiffer, Die deutsche Justiz, S. 164; vgl. auch Sift, DRiZ, 2014, 284, 284. 39  Eine positive Ausnahme stellt hierbei u. a. das Amtgericht Köln dar, http: /  / www. ag-koeln.nrw.de / behoerde / sitzungstermine / index.php. 40  In manchen Gerichtsbezirken werden Pressevertretern inzwischen zumindest vorab die Sitzungslisten übersandt. 41  Vgl. allgemein hierzu Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 307. 42  Vgl. zur unzulässigen Berichterstattung OLG Köln MMR 2012, 768, 768 ff. (zustimmend bzgl. der rechtlichen Grundsätze der Berichterstattung, aufgrund eines Subsumtionsfehlers hinsichtlich der Wiederholgungsgefahr dennoch aufgehoben durch BGH CR 2013, 462). Bereits vor 100 Jahren war die Berichterstattung zu Sensationszwecken bekannt und in der Rechtswissenschaft kritisiert, Glaser, Das Verhältnis der Presse zur Justiz, S. 18 ff.

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sein.43 Mithin zeigen sich auch deutliche Grenzen der bestehenden Form der Medienöffentlichkeit. Wenn aber die Gerichte Recht „im Namen des Volkes“44 sprechen, ist zu fragen, inwieweit dieses Volk als „Öffentlichkeit“ auch eine tatsächlich wirksame Kontrolle im Rahmen gerichtlicher Verfahren ausüben darf und soll. Dies auch und besonders als Ergänzung zur internen Kontrolle von Gerichtsentscheidungen durch den Instanzenzug.45 Dennoch steht die Justiz selbst einer weiteren Öffnung beispielsweise durch eine mediale Übertragung ihrer eigenen Urteilsverkündungen mit Ausnahme des Bundesverfassungsgerichts, das damit „als Findling im juristischen Treibsand herausragt“46, weitestgehend ablehnend gegenüber.47 So sehr das „Volk“ im Sinne einzelner „Zuschauer“ der medialen Inszenierung von Gerichtsverhandlungen folgen mag: Seiner – noch näher zu ermittelnden48 – Aufgabe in der alltäglichen Kontrolle der Rechtsprechung wird es dadurch noch nicht gerecht.49 Vielleicht ist diese Haltung des eher konsumierenden und weniger kontrollierenden Bürgers jedoch auch ein Fehler des Systems, den es durch eine korrigierende Gesetzgebung zu beheben gilt.50 43  Arenhövel, ZRP 2004, 61, 61 zur Kritik, dass die Medien sich zu sehr auf spektakuläre Strafrechtsfälle beschränken, dass sie partiell unsachlich sowie verkürzt berichten und dass Gerichtsberichterstattungen teilweise den bestehenden journalistischen Sorgfaltspflichten nicht gerecht werden. So bereits Erdsiek, NJW 1960, 1048, 1050. 44  Zu dieser Verkündungsformel siehe § 311 Abs. 1 ZPO, § 268 Abs. 1 StPO, § 117 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 132 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 105 Abs. 1 Satz 1 FGO. Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes werden demgegenüber „im Namen des Freistaates Bayern“ getroffen, vgl. Art. 25 Abs. 1 BayVfGHG. 45  Dass diesem Grenzen gesetzt sind, zeigt bereits die Problematik der Durchbrechung der Rechtskraft nach deren Eintreten, vgl. hierzu allgemein u. a. Warga, Die Verletzung von Verfahrensgrundrechten im Zivilprozess und ihre Korrektur nach Eintritt der Rechtskraft. 46  Zezschwitz, in: Avenarius u. a. (Hrsg.), FS Stein, S. 395, 396. 47  Vgl. u. a. die Reaktionen auf das EMöGG, Stellungnahme des Deutschen Richterbundes, abrufbar unter https: /  / www.bmjv.de / SharedDocs / Gesetzgebungsverfahren /  Stellungnahmen / 2016 / Downloads / 07082016_Stellungnahme_Deutscher_Richterbund_RefE_EMoeGG.pdf?__blob=publicationFile&v=3; Stellungnahme des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen, abrufbar unter https: /  /  www.bmjv.de / SharedDocs / Gesetzgebungsverfahren / Stellungnahmen / 2016 / Down loads / 09122016_Stellungnahme_Bund_dt_Verwaltungsrichter_RefE_EMoeGG. pdf?__blob=publicationFile&v=3; Stellungnahme des Deutschen Sozialgerichtstages, abrufbar unter, https: /  / www.bmjv.de / SharedDocs / Gesetzgebungsverfahren / Stellung nahmen / 2016 / Downloads / 07072016_Stellungnahme_DSGT_RefE_EMoeGG.pdf?__ blob=publicationFile&v=3. 48  Vgl. hierzu Kapitel 1 B. I., II. 49  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 186. 50  Vgl. Hill, in: Letzgus u. a. (Hrsg.) FS Helmrich, S. 520 ff. Zu der sozialpsychologischen Betrachtung der „außengeleiteten Gesellschaft“, vgl. Riesman / Denney / Glazer, Die einsame Masse, S. 51 ff., 127 ff.

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Die heutigen technischen Möglichkeiten zur Herstellung von Transparenz und Ermöglichung von Partizipation sind fast unbegrenzt und können einen Beitrag zur Verbesserung der Kontrolle der Justiz leisten. Ob dies als Nebeneffekt auch die demokratische Debatte befördert, wird sich zeigen. Die seit langem beklagte Demokratiemüdigkeit bzw. Politikverdrossenheit51 findet unter anderem ihre Ursache in einer wahrgenommenen fehlenden Mitwirkungsmöglichkeit des Einzelnen sowie im mangelndem Verständnis der Rechtsordnung, die unser Zusammenleben regelt.52 Im Rahmen der Neustrukturierung der Gerichtsöffentlichkeit stellt sich darüber hinaus die Frage, welche Informationen für die Öffentlichkeit relevant sind, um die Funktionen von Gerichtsöffentlichkeit zu erfüllen, insbesondere, um die Justiz zu kontrollieren. So stellt u. a. das Bundesverfassungsgericht fest, dass „die Information über das Geschehen […] Voraussetzung einer Kontrolle“ beispielsweise hinsichtlich der Verfahrensgerechtigkeit ist.53 Mit Information ist in diesem Zusammenhang die Menge an sachbezogenen und personenbezogenen Daten gemeint, die einem Gerichtsverfahren zugrunde liegen und in dessen Verfahrensverlauf von Relevanz sind. Die Digitalisierung ermöglicht es erstmalig verschiedene Informationstypen zusammenzuführen und dadurch eine transparente Öffentlichkeit zu schaffen. Diese Öffentlichkeitsgewähr muss sich jedoch immer auch an rechtsstaatlichen Maßstäben messen lassen, so dass nicht jedes Datum in der Folge veröffentlicht werden darf.

IV. IT als Vertrauensgarant: Wie viel IT darf, wie viel IT muss der Staat einsetzen? Die Informationstechnologie eröffnet je nach Einsatzgebiet ganz neue Möglichkeiten, derer sich ein Staat auch zum Schutze seiner Bürger bedienen kann. Sie schafft gleichzeitig Risiken, die er bestmöglich lokalisieren und eindämmen sollte. Gut programmierte technische Systeme können Arbeitskräfte und weitergehende Ressourcen einsparen. In diesem Kontext wird die Technik seit der Industrialisierung bereits in der Wirtschaft und nunmehr auch verstärkt durch den Staat eingesetzt. Die E-Government- sowie die ­E-Justice-Gesetzgebung setzen ebenfalls primär auf Modernisierung bereits bestehender Arbeitsabläufe.54 51  Lösche, ZParl 1995, 149, 150 ff. m. w. N.; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 17; Welzel, ZParl 1995, 141 ff.; Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 5; vgl. Hill, in: Letzgus u. a. (Hrsg.) FS Helmrich, S. 513 ff., der die Politikverdorssenheit auf eine schlechte Gesetzgebung zurückführt. 52  Vgl. Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 5. 53  BVerfGE 103, 44, 64. 54  Vgl. Lederer, Open Data, S. 105.

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Darüber hinaus hat der Gesetzgeber erkannt, dass durch verschiedene technische Maßnahmen eine „Überwachung“ seiner Bürger zur Gewährleistung innerer Sicherheit deutlich vereinfacht wird. In diesem Zusammenhang werden regelmäßig neue, mehr oder weniger verfassungskonforme Regelungen geschaffen, um mithilfe von Telekommunikationsüberwachung55, OnlineDurchsuchung56, automatisierter Kennzeichenerfassung57, Vorratsdatenspeicherung58, intelligenten Kamerasystemen59 etc. Straftaten leichter verfolgen zu können und gleichzeitig seine Staatsdiener beispielsweise durch BodyCams60, Sicherheitsschleusen in öffentlichen Gebäuden wie dem Bundestag, Ministerien oder bei Gerichten besser zu schützen. Zur Gewährleistung von „Sicherheit“ und auch zur Kosteneinsparung scheint dem Staat offensichtlich jedes vertretbare technische Mittel recht zu sein. Der IT-Einsatz durch den Staat geht insofern sehr weit. Was er tun darf, ergibt sich aus den Maßstäben der Verfassung. Ob er all das, was er darf, auch tun muss, steht auf einem anderen Blatt. Im Hinblick auf die Sicherung demokratischer oder rechtstaatlicher Strukturen, z. B. durch die Erweiterung von Öffentlichkeit staatlichen Handelns, ist der Staat der Technik gegenüber jedoch eher kritisch eingestellt. Auch der Technikeinsatz durch Private, in Form von Videoaufnahmen im öffentlichen Raum (beispielsweise durch Dashcams61, am Haus befestigten Kameras62 oder durch Medienvertreter zur Veröffentlichung von Gerichtsverhandlungen63, § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG) wird mit Verweis auf Persönlichkeitsrechte Dritter verboten. Entsprechende Verbote gegenüber Privaten sind wegen ihrer fehlenden unmittelbaren Bindung an die Verfassung nachvollziehbar und auch größtenteils sinnvoll. Allerdings ist unverständlich, warum die Technik durch den Staat bisher nur in einem sehr begrenzten Umfang (z. B. in Form des Parlaments-TV durch die Legislative64) eingesetzt wird, um den Rechts55  Zur

Reichweite des Begriffs Telekommunikation vgl. BVerfG NJW 2016, 3508. 2006, S. 620; BVerfGE 120, 274. 57  GVBl. für das Land Hessen 2005 I, S. 14; BVerfGE 120, 378. 58  BGBl. I 2007, 3198; BGBl. I 2008, 659; BGBl. I 2008, 2239; BGBl. I 2009, 3704; BVerfGE 125, 260; BGBl. I 2015, 2218; EuGH NJW 2017, 717. 59  Rose, „Smart Cams“ im öffentlichen Raum, ZD 2017, 64 ff.; https: /  / www.daten schutz-notizen.de / videoueberwachung-4-0-durch-smart-cams-2417662 / . 60  BW GBl. 2016, 569; Koprivsek, DPolBl. 2017, 10, 10 ff.; ausführlich hierzu Starnecker, Videoüberwachung zur Risikovorsorge, S. 41 ff. 61  Vgl. u. a. VG Göttingen NJW 2017, 1336, ZD 2017, 46 m. Anm. Starnecker /  Wessels; AG Nienburg CR 2015, 400; VG Ansbach CR 2014, 746; ausführlich hierzu Starnecker, Videoüberwachung zur Risikovorsorge, S. 257 ff. 62  EuGH NJW 2015, 463. 63  BVerfGE 103, 44. 64  https: /  / www.bundestag.de / tv. 56  GVBl. NW

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staat zu vermitteln und dadurch zu unterstützen. Dabei kann IT beim richtigen Einsatz auch das Vertrauen in den Rechtsstaat sichern, wenn dies mit Augenmaß unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechte geschieht. Die bisherige Diskussion leidet auch unter dem Manko, dass die Gestaltungsmöglichkeiten des IT-Einsatzes zu wenig bedacht werden. Zweifellos entstehen durch einen leichtfertigen IT-Einsatz auch neue Angriffspunkte. Insbesondere fehlende IT-Sicherheit, d. h. ein Mangel an Zugänglichkeit bzw. Verfügbarkeit, Vertraulichkeit, Integrität und Authentizität der Technik und der in diesem Kontext enthaltenen Informationen sind kritisch zu betrachten.65 Die Risiken des Einsatzes dürfen jedoch nicht den Einsatz an sich in Frage stellen. Vielmehr muss sich der Gesetzgeber mit dem Wegfall bislang bestehender faktischer Grenzen in Bezug auf die Gewährleistung von Öffentlichkeit auseinandersetzen und die sich hierdurch bietenden Chancen nutzen, während die Risiken durch intelligente technische Absicherungen, aber auch ausdrückliche gesetzliche Verbote zu minimieren sind. In diesem Zusammenhang ist der Verwirklichung und zeitgemäßen Anpassung der Staatsstrukturprinzipien an technische Gegebenheiten hinreichend Rechnung zu tragen und gleichsam der Schutz und die Gewährleistung bürgerlicher Freiheiten zu berücksichtigen.

V. Methodik der Untersuchung. Vorgehen und Zielsetzung der Arbeit Innerhalb der gegenständlichen Untersuchung werden neben den geltenden juristischen Auslegungsmethoden auch andere Betrachtungswinkel des Rechts eingenommen, um die geltende Rechtslage (de lege lata)66 darzustellen und zu analysieren sowie anschließend einen eine transparente digitale Öffentlichkeit ermöglichenden und gleichzeitig die Verhältnismäßigkeit beachtenden umfassenden Gesetzesvorschlag zu unterbreiten (de lege ferenda)67. 1. Prozessordnungsübergreifende Betrachtung Diese Arbeit beschränkt sich nicht auf die Betrachtung einer Prozessordnung, sondern nimmt sich der Frage nach der Verbesserung von Öffentlichkeit in Zeiten ubiquitärer Digitalisierung rechtswegsübergreifend an.68 Vor65  Heckmann, in: Heckmann, jurisPK Internetrecht, Kap. 5 Rn. 219; vgl. auch Heckmann, MMR 2006, 280, 282. 66  Vgl. Kapitel 2. 67  Vgl. Kapitel 5 C. 68  Durch technische Innovationen sind „[d]ie Grenzen zwischen den rechtlichen Disziplinen […] zunehmend fließender geworden und Regelungserfolge lassen sich

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liegend ist eine prozessordnungsübergreifende Betrachtung der Frage nach der Schaffung einer digitalen Öffentlichkeit möglich, da alle im Rahmen dieser Arbeit relevanten Problemfelder auf Prozessmaximen und (verfassungs)rechtlichen Vorgaben beruhen, die für jeden Rechtsweg – sei es bei einem zivil-, straf- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren – von Relevanz sind.69 Die einzelnen Prozessmaximen mögen zwar innerhalb der verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich ausgelegt werden,70 allerdings gilt dies nach der vorliegenden Betrachtung nicht für den Grundsatz der Öffentlichkeit. Dieser ist in allen Prozessordnungen ein zentrales Element und dient im Gegensatz zu den anderen bestehenden Prozessmaximen nur mittelbar dem Interesse der einzelnen Verfahrensbeteiligten, indem hierdurch die Kontrolle der dritten Gewalt durch das Volk als „Souverän“ ermöglicht wird. Für die Möglichkeit der prozessordnungsübergreifenden Betrachtung spricht auch die Aufnahme des Öffentlichkeitsgrundsatzes in Art. 27 Abs. 2 EGC bzw. Art. 6 Abs. 1 EMRK71, wodurch diese Prozessmaxime ausdrücklich in den Rang eines rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsatzes gehoben wird. Aufgrund kollidierender gleichrangiger Interessen bedarf es gleichwohl einer divergierenden Auslegung und Ausgestaltung im Rahmen der einzelnen Prozessordnungen.72 Inwieweit dementsprechend der einfachgesetzlich normierte Öffentlichkeitsgrundsatz prozessordnungsübergreifend im Gerichtsverfassungsgesetz angeordnet bleiben kann oder mutatis mutandis ähnlich den Vorschriften zur Videovernehmung zur Schaffung von Parteiöffentlichkeit in die einzelnen Verfahrensordnungen übernommen werden muss, wird im weiteren Diskurs näher zu beleuchten sein. Zuvor gilt es aber, den Öffentlichkeitsgrundsatz auf einer höheren, gewaltenübergreifenden und gleichsam zum Teil durch das Zusammenspiel von Instrumenten der verschiedenenen Rechts­ gebiete (etwa öffentlichem Recht und Privatrecht) häufig besser als bei einer eindimensionalen Vorgehensweise erzielen“. Hoffmann-Riem, in: Eifert / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovation, Recht und öffentliche Kommunikation, S. 307. 69  Vgl. Bachmann, ZZP 118 (2005), 133, 135. 70  Bachmann, ZZP 118 (2005), 133, 147 f. 71  Hierbei ist die Reichweite der Geltung dieser Vorschrift aufgrund des einschränkenden Wortlautes umstritten, vgl. hierzu Meyer-Ladewig / Harrendorf / König, in: Meyer-Ladewig / Nettesheim / Raumer (Hrsg.), EMRK Art. 6 Rn. 5, der aufgrund einer autonomen Auslegung der Norm die im deutschen Recht dem Verwaltungsrechtsweg zugewiesenen Streitigkeiten als zivilrechtlich einordnet. 72  Bachmann, ZZP 118 (2005), 133, 148 f. Aus diesem Grund ist der in § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG enthaltene Öffentlichkeitsgrundsatz, der in allen Rechtswegen Anwendung findet, sei es auch nur in entsprechender Weise oder aufgrund korrespondierender Vorschriften, innerhalb der unterschiedlichen Prozessordnungen divergierend ausgestaltet, vgl. Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 83 f. m. w. N.

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prozessordnungsübergreifenden Ebene zu beleuchten und in den Kontext der allumfassenden Digitalisierung zu stellen. Für eine solche abstrahierte, primär von den einzelnen Prozessordnungen gelöste Darstellung sprechen insbesondere auch verfassungsrechtliche Überlegungen. Der Öffentlichkeitsgrundsatz findet im Grundgesetz seine rechtswegsüberspannende konstitutive Grundlage.73 Allen voran verpflichten das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip staatliche Institutionen – insbesondere die Justiz – zu einem öffentlichen und transparenten Handeln.74 Diese Staatsstrukturprinzipien können aber effektiv nur gelebt werden, wenn die Judikative sich auch den technologischen Änderungen in der Gesellschaft anpasst. Hiermit geht auch eine Modifikation des für das gerichtliche Verfahren bedeutsamen Öffentlichkeitsgrundsatzes einher. Die sich hieraus ergebenden Pflichten für den Gesetzgeber erlauben die abstrahierte, von den einzelnen Rechtswegen losgelöste Betrachtung des Gerichtsverfahrens für die Klärung der Frage nach der Zulässigkeit der digitalen Öffentlichkeit. Außerdem verspricht auch die Möglichkeit der Rechtsvergleichung über die unterschiedlichen Prozessordnungen hinweg einen methodischen Gewinn.75 Dass dies wiederum nur exemplarisch erfolgen kann, sei angesichts der zahlreichen Einzelfragen in jeder Prozessordnung eingrenzend bemerkt. Für die hier aufgeworfene Grundsatzfrage nach Grund und Grenzen einer digitalen Gerichtsöffentlichkeit sind primär die herauszuarbeitenden wesentlichen Funk­ tionen und Dimensionen der Öffentlichkeitsgewähr von Bedeutung. Neben der prozessordnungsübergreifenden Betrachtung greift die Arbeit zusätzlich auch punktuell auf Aspekte des kontinentaleuropäischen Civil Law und des angelsächsischen Common Law hinsichtlich der Frage nach der Digitalisierung der Öffentlichkeit in der Justiz des 21. Jahrhunderts zurück.76 Dieser Blick bietet sich an, um aufzeigen, dass eine digitale Öffentlichkeit bereits vielfach praktiziert wird. Die rechtsordnungsübergreifenden Ausführungen nehmen allerdings nur einen eng begrenzten Raum ein, da eine umfassende Darstellung des Öffentlichkeitsgrundsatzes über die unterschiedlichen Jurisdiktionen hinweg den Rahmen diese Arbeit sprengen würde. Aufgrund des unterschiedlichen Rechtsrahmens bedarf es ohnehin eines eigenen deutschen bzw. europäischen Weges, um die Einführung der digitalen Öffentlichkeit in unserem Rechtssystem zu ermöglichen. 73  Vgl.

hierzu Kapitel 1 A. III. 3. b). Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 38 ff., 146 ff.; Lederer, Open Data, S.  217 f.; Richter / Süssner-Job, in: Dreier / Fischer / Raay / Spiecker gen. Döhmann (Hrsg.), Informationen der öffentlichen Hand – Zugang und Nutzung, S. 297, 317. 75  Bachmann, ZZP 118 (2005), 133, 150 f. 76  Zur Öffnung der rechtsdogmatischen Methoden durch Internationalität vgl. Röhl, VVDStRL Band 74 (2015), S. 25 ff. 74  Bröhmer,

Einleitung35

2. Interdisziplinäre Betrachtung Insbesondere bei der Frage nach der Aufgabe von Öffentlichkeit, Schaffung von Transparenz und Gestaltung der technischen Lösungsmöglichkeiten wird auf Erkenntnisse aus anderen Wissenschaften Bezug genommen.77 Inwieweit eine interdisziplinäre Beleuchtung einer juristischen Fragestellung für den rechtswissenschaftlichen Erkenntnisgewinn erhellend sein kann, wird unterschiedlich beantwortet.78 Es besteht jedoch zumindest Einvernehmen dahingehend, dass dieses interdisziplinäre Vorgehen als Vorarbeit79 zur Klärung rechtlicher Fragestellungen und Erarbeitung einer neuen Dogmatik nützlich ist. Da der interpretationsoffene Begriff der Öffentlichkeit judizieller Handlungen eine zentrale Rolle in dieser Arbeit spielt, wird daher neben den juristischen Auslegungsmethoden vor allem zur Unterstützung der grammatikalischen sowie der teleologischen Auslegung auch auf interdisziplinäre Erkenntnisse zurückgegriffen. Die interdisziplinären Ausführungen nehmen allerdings nur einen begrenzten Raum ein, sind aber nicht minder bedeutend für den darauf fußenden Erkenntnisgewinn. 3. Technologieneutrale Betrachtung Neben der im Vordergrund der Arbeit stehenden rechtlichen Betrachtung wird auch auf die technischen Mittel eingegangen, die eine verfassungskonforme digitale Gerichtsöffentlichkeit ermöglichen. Diese technische Betrachtung geht mit einer abstrahierenden Darstellungsweise einher. Da der technische Wandel deutlich schneller als die diesbezügliche Gesetzgebung und Rechtsprechung ist, werden die verschiedenen technischen Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Arbeit nur abstrakt beleuchtet.80 Zudem müssen

77  Hagen, Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S. 9, 43 ff., 74 f.; Bachmann, ZZP 118 (2005), 133, 149 f. 78  Befürwortend vgl. Hagen, Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S. 9, 43 ff., 74 f.; Lederer, Open Data, S. 141; Lepsius, in: Anter (Hrsg.), Die normative Kraft des Faktischen, S. 75; Gottwald, in: Bierbrauer / Gottwald / Birnbreier-Stahlberger, Verfahrensgerechtigkeit, S. 73, 74; vgl. Augsberg, in: Dreier / Fischer / Raay / Spiecker gen. Döhmann (Hrsg.), Informationen der öffentlichen Hand. Zugang und Nutzung, S.  37 f.; Röhl, VVDStRL Band 74 (2015), S. 28 f.; sogar weitergehend Engel, in: Engel (Hrsg.) Methodische Zugänge zu einem Recht der Gemeinschaftsgüter, S. 27 ff., 33 f.; einschränkend zustimmend Hoffmann-Riem, in: Eifert / Hoffmann-Riem, (Hrsg.), Innovation, Recht und öffentliche Kommunikation, S. 307 f.; kritisch Bachmann, ZZP 118 (2005), 133, 149 f. 79  Bachmann, ZZP 118 (2005), 133, 150. 80  Vgl. zu dem Dilemma der Nichtkenntnis und Nichtabsehbarkeit von Innovationen sowie mögliche Lösungen Roßnagel, in: Sauer / Lang (Hrsg.), Paradoxien der In-

36 Einleitung

Entwicklungspfade der Technikentwicklung mitgedacht werden.81 Damit bleiben die Erläuterungen für die Schaffung verfassungs- bzw. rechtskonformer Techniklösungen technologieneutral und damit auch für die Zukunft von Bedeutung. Nur der technikoffene Ansatz ermöglicht es, zukünftige technische Entwicklungen in die Betrachtung mit einzubeziehen. Nicht nur rechtswissenschaftliche Ausführungen, sondern auch gesetzliche Ausgestaltungen sollten daher durch Technikoffenheit geprägt sein. Bei Letzteren ist der Gesetzgeber jedoch gehalten, Vorgaben zur Gewährleistung von IT-Sicherheit und Barrierefreiheit gesetzlich zu verankern, um den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu genügen.82 Darüber hinausgehende, durch staatliche Institutionen vorgegebene Techniklösungen und Standards könnten wiederum in unzulässiger Weise in die grundrechtlich geschützte Wettbewerbs- und Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG eingreifen.83

VI. Kernthese Vor diesem Hintergrund widmet sich die vorliegende Arbeit der recht­ lichen Überprüfung einer technischen und damit verbundenen tatsächlichen Öffnung der Justiz zur Schaffung von mehr (digitaler) Öffentlichkeit. Als These sei formuliert: Die mithilfe der Informationstechnologie geschaffene „digitale Öffentlichkeit“ muss die Drittöffentlichkeit des 21. Jahrhunderts ergänzen, damit die Justiz dem (verfassungs)rechtlichen Öffentlichkeitsprinzip in der heutigen digitalen Gesellschaft gerecht wird. Im Gegensatz zu der eher restriktiven Schaffung von Drittöffentlichkeit in Deutschland ist insbesondere in Common Law-Rechtsstaaten die Einbindung von IT in das gerichtliche Verfahren (als technische Erweiterung der Wirklichkeit – gleichsam als „augmented reality“) weiter vorangeschritten. Beispielsweise werden Gerichtsverhandlungen live im Fernsehen übertragen oder können via Internet weltweit abgerufen werden. Neben staatlich betriebenen Webseiten, über die Livestreams von Verhandlungen abrufbar novation, 193, 198 ff. Zur „technikneutralen“ Regulierung, vgl. Roßnagel, in: Eifert /  Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovationsfördernde Regulierung, S. 327 ff. 81  Vgl. Blättel-Mink / Menez, Kompendium der Innovationsforschung, S. 72; zur Technikfolgenabschätzung und Technikgeneseforschung, vgl. Neveling / Bumke / Dietrich, in: Eifert / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovation und rechtliche Regulierung, S.  390 ff. 82  Zu der Verpflichtung des Gesetzgebers zur Schaffung von IT-Sicherheit vgl. Heckmann, in: Rüßmann (Hrsg.), FS Käfer, S. 129, 141 ff.; Möllers / Pflug, in: Kloep­ fer (Hrsg.), Schutz kritischer Infrastrukturen, S. 61. 83  Heckmann, CR 2006, 1, 2, 5.

Einleitung37

sind,84 gibt es inzwischen verschiedene private Anbieter, die sich der Verbreitung von Gerichtsverfahren und deren juristischer Aufarbeitung widmen.85 Ob man in Deutschland ebenfalls diesen Weg beschreiten sollte, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht abschließend beantwortet werden und bedarf eines umfassenden politischen Diskurses. Die nachfolgenden Ausführungen sollen aber Vorgaben für die Anpassung der Drittöffentlichkeit an das 21. Jahrhundert entwickeln und gleichzeitig die Grenzen bei der Schaffung einer rechtsstaatsadäquaten Drittöffentlichkeit aufzeigen.

84  http: /  / www.hcourt.gov.au / cases / recent-av-recordings; http: /  / www.eccc.gov.kh /  en / live-stream. 85  Findlay, Current issues in criminal justice, Band 27, S. 237, 239.

Kapitel 1

Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff Die Öffentlichkeit ist aufgrund ihrer diffusen Gestalt, Kontextbezogenheit und ihres Facettenreichtums nicht leicht zu fassen. Dies führt dazu, dass diesem Begriff der Charakter als einheitlicher Rechts(inhalts)begriff abgesprochen wird.1 Ein Rechtsbegriff ist ein Begriff, der in Gesetzen verwendet wird und dem ein spezifischer rechtlicher Bedeutungsinhalt zukommt.2 Rechtsbegriffe werden durch das Gesetz selbst definiert oder durch Rechtsprechung oder Rechtslehre näher konturiert, so dass diese auch einen Zweck beim Regeln des Sozialgefüges erfüllen können.3 Öffentlichkeit selbst wird weder in der Verfassung noch in den im Rahmen dieser Arbeit relevanten Verfahrensordnungen legaldefiniert. Daher muss der rechtswissenschaftliche Bedeutungsinhalt des Begriffes Öffentlichkeit durch Auslegung ermittelt werden. Hierbei ist insbesondere auch auf entsprechende Begriffspräzisierungen der Rechtsprechung und der rechtswissenschaftlichen Literatur zurückzugreifen. Obwohl der Begriff der „Öffentlichkeit“ in jedwedem staatlichen Kontext von elementarer Bedeutung ist und aufgrund fortschreitender Offenheitsbestrebungen durch die Europäische Union4 und den 1  Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 36, 39 f., 45 kommt zu dem Schluss, dass insbesondere metajuristische Verständnisse der Öffentlichkeit keine Auswirkung auf den Inhalt eines Rechtsbegriffs haben dürfen. Dieser Auffassung liegt jedoch ein konservatives, juristisches Interpretations- und Methodenverständnis des Gesetzeswortlauts zugrunde, vgl. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 39 ff. Er erkennt jedoch den Begriff Öffentlichkeit aufgrund seiner normativen Fixierung als Rechtssatzbegriff an, Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 37. A. A. Hamm, AfP 2014, 202, 202. 2  Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 37. 3  Eltzbacher, Über Rechtsbegriffe, S. 18 ff., 82; Engisch, in: Ferid (Hrsg.), Deutsche Landesreferate zum V. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in Brüssel 1958, S. 59 ff.; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 37. 4  Vgl. u. a. Art. 15 AEUV; Gröschner, in: VVDStRL, Band 63 (2004), S. 348 ff.; Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der ­Informationsgesellschaft, S. 349, 378; Gusy, DVBl. 2013, 941, 941. Zur Öffentlichkeit im Rahmen der EU-Eigenverantwortung siehe Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, S. 43 ff. Zu der Öffentlichkeit in den Rechtssetzungsverfahren



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff39

technikbasierten gesellschaftlichen Wandel zunehmend noch weiter an Bedeutung gewinnt, wurde bisher noch keine einheitliche allgemeingültige Definition des sich in der Vergangenheit wandelnden Begriffs getroffen.5

I. Offenheit und andere Assoziationen von Öffentlichkeit 1. Begriffsbestimmung und Sinnzusammenhänge der Öffentlichkeit aus verschiedenen Blickwinkeln Da der Begriff der Öffentlichkeit vielschichtig6 und vielfach kontextabhängig ist,7 ist neben rechtswissenschaftlichen Definitionsansätzen auch auf ­Erkenntnisse anderer wissenschaftlicher Disziplinen einzugehen.8 Nur eine Betrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln erlaubt nämlich eine weitestmögliche Annäherung an diesen diffusen Begriff, der bei unterschiedlicher Betrachtung unterschiedliche Assoziationen weckt. Die in den unterschied­ lichen Wissenschaften geprägten Sinnzusammenhänge überschneiden sich jedoch partiell und bauen aufeinander auf. a) Sprachliche und etymologische Betrachtung In der Alltagssprache wird öffentlich seit dem 18. Jahrhundert als „für jeden hör- und sichtbar“, „für die Allgemeinheit zugänglich“ sowie mit dem Antonym „nicht geheim“9 bzw. nicht privat beschrieben.10 Darüber hinaus wird Öffentlichkeit auch mit der Gesellschaft als solche sowie den Staat ­betreffend gleichgesetzt.11 Während das Substantiv Öffentlichkeit erst im der EU siehe grundlegend Sobotta, Transparenz in den Rechtssetzungsverfahren der Europäischen Union; Brüggemann u. a., Publizistik (2009) 54, S. 391, 405 ff.; zum europäischen Öffentlichkeitsdefizit Trenz, IPG, I / 2006, 117, 117 ff.; dagegen schreibt Winter, in: Winter, Das Öffentliche heute, S. 198 der „EU ein gewaltiges Werk der Zerstörung des Öffentlichen auf der einzelstaatlichen Ebene“ zu. 5  Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 23. 6  Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 23; Hamm, AfP 2014, 202, 202. 7  Altmann, Das Problem der Öffentlichkeit und seiner Bedeutung in der modernen Demokratie, S. 41; Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, S. 8; Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 238. 8  Für Wimmer, (Gegen-)Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft, S 21, ist der Begriff der Öffentlichkeit u. a. aufgrund seiner Omnipräsenz sogar interdisziplinär. 9  https: /  / www.duden.de / suchen / dudenonline / öffentlich. 10  Grimm, Deutsches Wörterbuch, VII. Band, Sp. 1180 f.; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 22. 11  Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 22.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

18. Jahrhundert mit Bezug zum Politischen geprägt wurde,12 wurde bereits seit dem Mittelalter die adverbiale bzw. adjektivistische Form verwendet.13 Damals besaß es „die visuelle Bedeutungskomponente ‚klar, deutlich, offensichtlich, sichtbar‘ die in metaphorischer Wendung auch eine moralische Komponente – ‚redlich, wahr, rechtschaffen, rechtmäßig‘ – beinhaltete“.14 Als Ursprung des Begriffes öffentlich wird auf das althochdeutsche Wort „offanlich“ verwiesen, dessen Bedeutung „offen“ war.15 Erst im 18. Jahrhundert wurde „öffentlich“ in Rückbesinnung auf die lateinischen Wurzeln des Begriffs „publicus“16 auch als „staatlich“ verstanden und verdrängte so den zuvor üblichen Begriff „gemein“.17 b) Soziologische Betrachtung Nach dem sozialwissenschaftlichen Verständnis steht Öffentlichkeit mit dem gesellschaftlichen Leben in enger Beziehung und erfüllt einerseits einen „Ordnungs- und Funktionsmodus“ in der Gesellschaft.18 Andererseits wurde durch die Aufklärung die „Idee von Öffentlichkeit, die einen kollektiv-rationalen und gesellschaftsrelevanten Diskurs auf der Basis freier und individuell-selbstbestimmter Kommunikation“ geprägt.19 Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere soziologische Einordnungen und Kategorisierungen von Öffentlichkeit, die häufig in direktem Bezug mit der Einführung (neuer) (Massen-)Medien stehen.20 Daher wird die digitale Transformation den Öf12  Smend, in: Bachof u. a. (Hrsg.), Gedächtnisschrift Jellinek, S. 11, 11 f.; Hölscher, in: Brunner / Conze / Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Band 4, S. 413. 13  Grimm, Deutsches Wörterbuch, VII. Band, Sp. 1183; Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 12. 14  Hölscher, in: Brunner / Conze / Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Band 4, 1997, S. 446; zitiert nach Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 12. Vgl. auch Jestaedt, AöR 126 (2001), S. 204, 207. Diese positive Verbindung erkannte auch Welcker, in: Rotteck / Welcker, Staatslexicon oder Encyclopädie der Staatswissenschaften. Öffentlichkeit, S. 257 ff., S. 271 ff.; vgl. auch Grimm, Deutsches Wörterbuch, VII. Band, Sp. 1182. 15  Grimm, Deutsches Wörterbuch, VII. Band, Sp. 1180; Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 24; Lederer, Open Data, S. 59; Hölscher, in: Brunner / Conze / Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Band 4, S. 414; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 11. 16  Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, S. 290 f. 17  Ausführlich hierzu Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 25  ff., 32 ff.; Hölscher, in: Brunner / Conze / Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Band 4, S. 414; Hohendahl, Öffentlichkeit – Geschichte eines kritischen Begriffs, S. 5. 18  Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 8 m. w. N. 19  Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 8. 20  Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 8; Weisbrod, in: Weisbrod, Die Politik der Öffentlichkeit – Die Öffentlichkeit der Politik; S. 11 f., 20; vgl.        



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff41

fentlichkeitsbegriff auch in soziologischer Hinsicht weiter prägen.21 Es besteht in diesem Kontext ein enger Zusammenhang mit der kommunikationsund medienwissenschaftlichen Betrachtung von Öffentlichkeit.22 Während in der Tradition der Öffentlichkeitsbeschreibung Öffentlichkeit des Bezugs zur staatlichen Sphäre bedurfte und an die Vernunft appellierte, wird heutzutage ein Geflecht der Begriffstrias Staat, Vernunft und Öffentlichkeit mangels Erweislichkeit abgelehnt.23 Dennoch beruft sich die soziologische Betrachtung des Begriffes häufig auf den Ursprung der Kategorisierung von Öffentlichkeit.24 Anschließend wurde jedoch primär eine deskriptive Beschreibung der Öffentlichkeit vorgenommen, die die historisch wertende Komponente ausblendet.25 Mit seiner später entwickelten Diskurstheorie wertet Habermas Öffentlichkeit zudem „als eine Forderung an demokratische Prozesse“ und präzisiert damit die Wirkweise der Öffentlichkeit.26 Da nur durch den argumentativen öffentlichen Diskurs ein Konsens erzielt werden kann, ist der durch Öffentlichkeit erzielte Kommunikationsprozess systemrelevant und als Ideal zu werten.27 Habermas unterscheidet hierbei unterschiedliche Formen der Öffentlichkeit und weist diesen innerhalb dieser Theorie unterschiedliche Aufgaben zu.28 So wird unter anderem zwischen einer staatlichen Öffentlichkeit und einer durch die von der Zivilgesellschaft geprägten sogenannten Gegenauch Gerhards / Neidhardt, Strukturen und Funktionen moderner Öffentlichkeit, WZB Discussion Paper FS III 90–101, S. 15 ff. 21  Plake / Jansen / Schuhmacher, Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit im Internet, S.  49 ff.; Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 8. 22  Vgl. Weisbrod, in: Weisbrod, Die Politik der Öffentlichkeit – Die Öffentlichkeit der Politik; S. 11 ff. 23  Baecker, Wozu Gesellschaft?, S. 80. 24  Vgl. Hölscher, in: Jäger (Hrsg.), Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert, S. 11  ff.; Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 12. Wichtige Grundwerke in diesem Zusammenhang stammen u. a. von Garve, Gesammelte Werke Band III Teil 5, S.  291 ff.; Kant, Zum ewigen Frieden. 25  Vgl. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 57 f., 210; unter Bezugnahme auf Habermas Häberle, ZfP 16 (1969), 273, 277. Dieser deskriptiven Annäherung wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur inzwischen der Rücken gekehrt und ein normatives Verständnis zumindest im Zusammenhang mit der Gerichtsöffentlichkeit proklamiert, Alwart, JZ 1990, 883, 883. 26  Vgl. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 209, 228; kritisch zur Diskurstheorie Mahlmann, Rechtsphilosophie und Rechtstheorie, § 17 Rn. 50 ff.; Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 11 f. 27  Vgl. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 123, 174 ff. 28  Gerichtsöffentlichkeit soll danach einen Rechtsdiskurs in der Gesellschaft anstoßen, der gerichtliches Verhalten legitimiert, Habermas, Faktizität und Geltung, S. 212, 475.

42

Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

öffentlichkeit differenziert.29 Während die staatliche Öffentlichkeit ihren Fokus auf „herrschende Meinungen“ legt und ihre Wirkweise von „oben nach unten“ erfolgt,30 schafft Gegenöffentlichkeit eine Bühne für unpopuläre oder staatlich nicht behandelte Themen auf dem umgekehrten Rezeptionsweg.31 Insbesondere Minderheiten bedienen sich dieses Instruments, daher wird auch vom Bestehen verschiedener (gruppenbezogenen) Teilöffentlichkeiten gesprochen, die alle einen anderen Blickwinkel offenbaren.32 Hierbei wird demnach auf Sender und Empfänger einer Botschaft abgestellt, aber auch auf den Inhalt einer Information selbst. Für die Herstellung von Öffentlichkeit sind die (Massen-)Medien von elementarer Wichtigkeit. So bezeichnet Habermas Öffentlichkeit als „Netzwerk für die Kommunikation von Inhalten und Stellungnahmen […], das sich nach der Kommunikationsdichte, der Organisationskomplexität und Reichweite nach Ebenen differenziert, von der episodischen Kneipen-, Kaffeehaus- oder Straßenöffentlichkeit über die veranstaltete Präsenzöffentlichkeit von Theateraufführungen, Elternabenden, Rockkonzerten, Parteiversammlungen oder Kirchentagen bis zu der abstrakten, über Massenmedien hergestellten Öffentlichkeit“.33 Diese Darstellung zeigt bereits die Komplexität des soziologischen Verständnisses von Öffentlichkeit, das zumindest nach dieser Auffassung verschiedene Ebenen besitzt. Zur Simplifizierung von Öffentlichkeit kann eine Abgrenzung dessen gegenüber dem Privaten vorgenommen werden.34 Diese Konturierung ist eine der wichtigsten Annäherungen, die soziologisch erfolgen kann. Arendt ging hierbei noch einen Schritt weiter und folgerte aus dem Gegensatz von Öffentlichkeit zur Privatheit, dass ein Mensch öffentlich ist, der sich mit den die Gemeinschaft berührenden Themen und nicht mit privaten nur ihn betreffenden Angelegenheiten beschäftigt.35 Gleichsam wurde Öffentlichkeit daher auch als ein Privileg und ein systemisches Instrument zur Ausgrenzung von Personengruppen angesehen,36 da es ressourcenbedingt nicht 29  Habermas, Faktizität und Geltung, S. 448, 451 f.; Wimmer, (Gegen-)Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft, S. 153, 159; zur Gegenöffentlichkeit im Internet, Plake / Jansen / Schuhmacher, Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit im Internet. Poli­ tische Potenziale der Medienentwicklung, S. 72 ff. 30  Vgl. Noelle-Neumann, in: Noelle-Neumann, Öffentlichkeit als Bedrohung, S. 169, 173. 31  Wimmer, (Gegen-)Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft, S. 154, 156 ff. 32  Wimmer, (Gegen-)Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft, S. 182 ff.; Fraser, in: Scheich (Hrsg.), Vermittelte Weiblichkeit, S. 157 f. 33  Habermas, Faktizität und Geltung, S. 436, 452. 34  Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 10. 35  Arendt, Vita activa oder Vom tätigen Leben, S. 28, 31. 36  Vgl. Fraser, in: Scheich (Hrsg.), Vermittelte Weiblichkeit, S. 156 f.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff43

jedem möglich war, sich mit gesellschaftsbetreffenden und nicht ausschließlich nicht privaten Inhalten zu beschäftigen.37 Die soziologische Öffentlichkeitsforschung besitzt jedoch insoweit Schwächen, dass bereits bestehende Öffentlichkeitsmodelle häufig heuristisch weiterverwendet und weniger empirisch greifbar gemacht werden.38 Trotz verschiedenartiger soziologischer begrifflicher Näherungen an die Öffentlichkeit gibt es nämlich auch Stimmen, die der Tendenz der Schaffung einer Bedeutungshoheit entgegengehalten, dass es eine Definition von Öffentlichkeit aufgrund deren Komplexität nicht geben kann.39 Dies ist primär auch darauf zurückzuführen, dass die Öffentlichkeit aufgrund der nunmehrigen heterogenen Gesellschaft wohl nicht mehr als ein selbstständig agierender Akteur angesehen wird.40 So wird das Vorliegen einer öffentlichen Meinung sogar gänzlich in Frage gestellt.41 Daher muss man bei einer soziologischen Betrachtung des Begriffes Öffentlichkeit feststellen, dass es aufgrund der Fülle und unterschiedlichen Herleitung Diskrepanzen und Widersprüchlichkeiten bei den unterschiedlichen Theorien zur Öffentlichkeit gibt,42 so dass hierauf aufbauend kein einheitlicher Öffentlichkeitsbegriff gefolgert werden kann. Vielmehr verstärkt die soziologische Betrachtung den Eindruck, dass Öffentlichkeit ein komplexes gesellschaftliches Konstrukt darstellt, das je nach Betrachtungswinkel ein anderes Bild abliefert. c) Kommunikations- und kulturwissenschaftliche Betrachtung Während die Soziologie mithin noch uneinig ist, ob die Öffentlichkeit überhaupt eine Funktion übernimmt oder nur der Anschein dessen genügt, und ob es eine oder mehrere Öffentlichkeiten geben kann43, konkretisiert die Kommunikationswissenschaft den Begriff der Öffentlichkeit weiter und be-

37  Fraser, in: Niesen / Herborth (Hrsg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, S. 232 f.; zu Systemgeheimnissen vgl. Westerbarkey, in: Wunden (Hrsg.): Öffentlichkeit und Kommunikationskultur, S. 61 f. Kritisch zu dem Umstand, dass sich Personen primär ihrem Privat- statt ihrem Klasseninteresse widmeten, Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, S. 172, 183, 185. 38  Vgl. Gourd, Öffentlichkeit und digitales Fernsehen, S. 16; Peters, in: Neidhardt (Hrsg.): Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegung. S. 45 ff. 39  Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 7. 40  Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 238; Requate, Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für historische Sozialwissenschaft 25 (1999), S. 7. 41  Wieland, Gespräche unter vier Augen, S. 309 ff. 42  Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 238 f. 43  Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 7.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

fasst sich mit der Öffentlichkeit als Zielrichtung von Kommunikation.44 Insbesondere die Vermittlung von Botschaften durch (Massen-)Medien (sog. Massenkommunikation) nimmt in der Kommunikationsforschung im Öffentlichkeitskontext einen großen Raum ein.45 Die Erforschung der Wirkweise der Medien auf die Öffentlichkeit bzw. des Wechselspiels zwischen Rezi­ pienten und Medien ist wiederum Aufgabe der Medienwissenschaften46, die weitere Sinnzusammenhänge des Öffentlichkeitsbegriffs eröffnen.47 Der Öffentlichkeitsbegriff wird allerdings durch die Medienwissenschaft nicht grundlegend anders definiert. Vielmehr wird auf philosophische bzw. soziologische Erkenntnisse Bezug genommen.48 Auch sozialpsychologisch wurde Öffentlichkeit bereits betrachtet, hierbei werden das Selbst in der Öffentlichkeit und bestehende Wechselbezüglichen analysiert.49 Die Kulturwissenschaft stellt ebenfalls das subjektive Element der Öffentlichkeit im Rahmen ihrer Erforschung von Öffentlichkeit in den Vordergrund.50 Hierbei wird zwischen Privatheit und Öffentlichkeit differenziert und daraus abgeleitete (kulturelle) Identitäten und die Funktionen von Öffentlichkeit für (kollektive) Identitäten in einem Kulturraum erforscht.51 Insbesondere das ermittelte „Integrationspotential von Öffentlichkeit, welches die Existenz einer Demokratie sicherstellen kann“, ist für diese Arbeit von Interesse.52 Allerdings wird einem passiven Konsumieren von Informa­ tionen durch einzelne Bürger (wie dies bei der Einbindung von Massenmedien der Fall ist) eine Öffentlichkeitswirkung abgesprochen. Öffentlichkeit bedarf demnach eines diskursiven Prozesses.53 44  Vgl. Westerbarkey, in: Wunden (Hrsg.), Öffentlichkeit und Kommunikationskultur, S.  53 ff. 45  Vertiefend zum Phänomen der Massenkommunikation Kepplinger, Massenkommunikation; Burkart / Hömberg, in: Fünfgeld / Mast (Hrsg.), Massenkommunikation, S.  71 ff. 46  Zum Forschungsgestand der Medienwissenschaft, Saxer, in: Leonhardt / Ludwig /  Schwarze / Straßner: Medienwissenschaft, S. 1 ff. 47  Klingler / Roters, in: Leonhardt / Ludwig / Schwarze / Straßner: Medienwissenschaft, S.  111 ff. 48  Vgl. Bahr, in: Leonhardt / Ludwig / Schwarze / Straßner: Medienwissenschaft, S.  279 f. 49  Noelle-Neumann, in: Noelle-Neumann / Schulz / Wilke (Hrsg.) Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation. S. 436 ff.; Wimmer, (Gegen-)Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft, S.  25 f. 50  Wimmer, (Gegen-)Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft, S. 26. 51  Wimmer, (Gegen-)Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft, S. 26 f. 52  Wimmer, (Gegen-)Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft, S. 27; vgl. Imhof, in: Kaelble / Kirsch / Schmidt-Gernig (Hrsg.), Transnationale Öffentlichkeiten und Identitäten im 20. Jahrhundert, S. 38 f. 53  Wimmer, (Gegen-)Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft, S. 27 f.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff45

d) Politikwissenschaftliche Betrachtung Öffentlichkeit gilt zudem als konstituierend für die Demokratie, so dass der Begriff darüber hinaus politikwissenschaftlich von Bedeutung ist.54 Bereits Kant beruft sich auf die Öffentlichkeit als kontrollierende Säule hoheitlicher Aktivität.55 Historisch bestand auch bei dem politischen Verständnis von Öffentlichkeit kaum Einheit.56 Erst im Rahmen der Demokratietheorie wurde der zunächst vielfach wertend verwandte Begriff der Öffentlichkeit verobjektiviert und dem „ewig schwankende[n] unfaßbare[n] Nebelgebild“ entrissen.57 Durch die Systematisierung und Funktionszuweisung im Staatsgefüge werden verschiedene Bedeutungsinhalte der Öffentlichkeit herausgearbeitet. Öffentlichkeit nach Welcker bedeutet erstens das Staatswesen, zweitens die Gesellschaft und drittens das Nichtgeheime und damit die Publikation von Informationen.58 Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts führte er in seinem Staatslexikon aus, dass jede Gewalt öffentlich zu agieren habe, d. h. Publikum bei den Verhandlungen zuzulassen sei und die Protokolle und Entscheidungen unzensiert zu publizieren seien.59 Diese weitreichende Begriffspräzisierung kann auch als Grundlage des Verständnisses von Öffentlichkeit im rechtswissenschaftlichen Kontext im Folgenden herangezogen werden. Die politische Öffentlichkeit fordert jedoch noch als weiteres Element ein aktives Sicheinbringen der verschiedenen Gesellschafts„stände“ zur Erringung eines gesellschaftlichen Konsenses und nicht nur das passive Rezipieren öffentlichen staatlichen Handelns.60 Auch heute noch wird in der Rechtswissenschaft 54  Es besteht eine Vielzahl von politologischen Öffentlichkeitskonzepten, und wie in der Rechtswissenschaft werden dem Öffentlichkeitsbegriff vier Bedeutungsebenen entnommen, siehe Thaysen, in: Faulstich (Hrsg.): Konzepte von Öffentlichkeit, S. 10, 13. Marcinkowski, in: Marcinkowski (Hrsg.), Die Politik der Massenmedien, S. 243 f. erkennt hingegen nur zwei Verständnisinhalte der Öffentlichkeit an. 55  Kant, Zum ewigen Frieden. Anh. II, S. 93. 56  Welcker, in: Rotteck / Welcker, Das Staats-Lexicon oder Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände. 10. Band, Öffentlichkeit, S. 248 f. 57  Welcker, in: Rotteck / Welcker, Das Staats-Lexicon oder Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände. 10. Band, Öffentlichkeit, S. 249. 58  Welcker, in: Rotteck / Welcker, Das Staats-Lexicon oder Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände. 10. Band, Öffentlichkeit, S. 249; Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 193. 59  Welcker, in: Rotteck / Welcker, Das Staats-Lexicon oder Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände. 10. Band, Öffentlichkeit, S. 250; Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 193. 60  Welcker, in: Rotteck / Welcker, Das Staats-Lexicon oder Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände. 10. Band, Öffentlichkeit, S. 250, 255. Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 193.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

die freie Meinungsbildung und -äußerung als Kernelement von Demokratie und Öffentlichkeit angesehen.61 Diese Auffassung hat sich jedoch bereits in der Aufklärung herausgebildet.62 Darüber hinaus wird das Potential von Öffentlichkeit zur Lenkung der öffentlichen Meinung als Quell der Staatsgewalt erkannt.63 So wird Öffentlichkeit nicht als herrschaftsfreier Raum gewertet.64 Deren Vorstrukturierung durch die bestehende Ordnung kann eher verfälschend wirken.65 Insbesondere kann Öffentlichkeit zu Propagandazwecken genutzt bzw. missbraucht werden, wie man am Beispiel des Nationalsozialismus sieht.66 e) Rechtswissenschaftliche Betrachtung unter Einbeziehung der vorstehenden Erkenntnisse Auch in der Rechtswissenschaft wird der Begriff der Öffentlichkeit uneinheitlich verwendet. So wird er im Rahmen der Verfassung ausdrücklich zur Abgrenzung von Privatem und Staatlichem (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG: „öffentliche Gewalt“, Art. 33 GG: „öffentlicher Dienst“ und im Kontext von Berufsfreiheit und Arbeitszwang, vgl. Art. 12 Abs. 2 GG: „öffentliche Dienstleistungspflicht“) genutzt. Gleichsam dient er der Konkretisierung des legislativen Verfahrens (Art. 52 Abs. 3, 145 Abs. 3 GG). Letztere Aufgabe kommt der Begriffsverwendung auch in den unterschiedlichen Prozessordnungen zu, die den Begriff der Öffentlichkeit aufgreifen. Daneben stellt die Einbeziehung der Öffentlichkeit im Rahmen verschiedener Handlungen durch Private nach dem Strafgesetzbuch eine Straftat dar und pönalisiert aufgrund dessen ein Verhalten (vgl. § 111 StGB: „öffentliche Aufforderung zu Straftaten“, § 130 StGB: „öffentlicher Frieden“). Darüber hinaus dient sie auch im einfachen Recht vielfach der Präzisierung der Verhältnisse und der rechtlichen Abgrenzung von staatlichen und privaten Einrichtungen, vgl. u. a. § 2 BDSG („öffentliche Stellen“) und vielfach in der DS-GVO. Schließlich findet sich 61  BVerfG NJW 2006, 3266, 3267; BVerfGE 93, 266, 294 f.; BVerfGE 5, 85, 137; Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 42 Rn. 44. 62  Welcker, in: Rotteck / Welcker, Das Staats-Lexicon oder Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände. 10. Band, Öffentlichkeit, S. 264. 63  Zum Fortschritt dieses Systems gegenüber der vorherigen Gesellschaftsordnung, vgl. Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England, S. 226. 64  Hölscher, in: Brunner / Conze / Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Band 4, S.  461 f. 65  Hölscher, in: Brunner / Conze / Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Band 4, S.  461 f.; Liesegang, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, S. 215. 66  Zur Medienöffentlichkeit im Reichstagsbrandprozeß Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, S. 24; vgl. Pfeifle, ZG 2010, 283, 284.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff47

das „öffentliche Interesse“ in unzähligen Kontexten, von § 153 StPO über § 28 VwVfG bis zu § 146 BauGB. Zusammenfassend können die heutigen rechtswissenschaftlichen Verwendungen des Begriffes der Öffentlichkeit primär auf drei Bedeutungen reduziert werden. Der Begriff wird zum einen als Zustandsbeschreibung und Verfahrensweise genutzt. Er beschreibt einen „Zustand der Offenheit“67.68 Dies bedeutet, dass Dritte zu Informationen Zugang haben. Darüber hinaus beschreibt die Öffentlichkeit die Wahrnehmbarkeit eines Geschehens durch einen unbestimmten Personenkreis.69 Damit charakterisiert der Begriff der Öffentlichkeit das Gegenteil eines geheimen Zustandes.70 In welcher konkreten Form und Gestaltung die Öffentlichkeit zu erfolgen hat und ob Informationen, um öffentlich zu sein, unmittelbar jedem auf die einfachstmögliche Art und Weise zugänglich sind, lässt sich aus der Begriffsbestimmung alleine noch nicht ableiten. In diesem Kontext wird häufig auch der Begriff der Publizität verwendet,71 welcher das Bekanntsein einer Information oder die allgemeine Zugänglichkeit von Informationen gegenüber der Öffentlichkeit beschreibt.72 Darüber hinaus bezeichnet der Begriff der Öffentlichkeit den Personenkreis, für den der Zustand der Offenheit gegeben ist,73 bzw. „[d]as, was alle einzelnen Bürger, alle Theilnehmer der Societas […], angeht“.74 Hierunter fällt in der (verfassungs)rechtlichen Verwendung das (Wahl-)Volk bzw. als Synonym die Allgemeinheit.75 Letzteres zeigt den Bezugspunkt der Öffent67  Lederer,

Open Data, S. 59. ist daher alles, was nicht geheim ist, Welcker, in: Rotteck / Welcker, Staats-Lexicon oder Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände. 10. Band, Öffentlichkeit S. 249 f.; Wegener, Der geheime Staat, S. 176. 69  Lederer, Open Data, S. 59. 70  Lederer, Open Data, S. 60. 71  Lederer, Open Data, S. 59; Rinken, in: Winter (Hrsg.), Das Öffentliche heute, S. 11; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 44, 50 ff.; Kuß, Öffentlichkeitsmaxime der Judikative und das Verbot von Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, S. 34; Wegener, Der geheime Staat, S. 121; Gröschner, in: VVDStRL, Band 63 (2004), S. 346. Der Begriff der Publizität war vor Aufkommen der Bezeichnung Öffentlichkeit der gängige Terminus, um den Zustand der Zugänglichkeit für jedermann zu bezeichnen. Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, S. 33. 72  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 14 f.; vgl. Smend, in: Bachof u. a. (Hrsg.), Gedächtnisschrift Jellinek, S. 11, 11 ff.; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 24; Rinken, in: Winter, Das Öffentliche heute, S. 11. 73  Lederer, Open Data, S. 59. 74  Welcker, in: Rotteck / Welcker, Das Staats-Lexicon oder Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände. 10. Band, Öffentlichkeit, S. 249; Lederer, Open Data, S. 62. 75  Lederer, Open Data, S. 60. 68  Öffentlich

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

lichkeit auf das Gemeinwesen, das Gemeinwohl sowie die Gemeinschaft.76 Somit wird Öffentlichkeit in wertender Betrachtung häufig als etwas Positives eingestuft. Mit der erneuten Öffnung staatlicher Verfahren und Gewährung von Einblicken in staatliche Informationen in Zeiten der Aufklärung wurde die bestehende Repression und staatliche Willkür zurückgedrängt und dem Volk wieder eine wichtigere Rolle im Staat zuerkannt.77 Gleichzeitig wird der Begriff auch dafür verwendet, um den Staat bzw. staatliche Einrichtungen zu charakterisieren, z. B. öffentliche Stellen, öffentlicher Dienst etc.78 Dieses Verständnis ergibt sich bereits aus der etymologischen Herleitung des Begriffes. Die ursprüngliche lateinische Bezeichnung „publicus“79 bedeutet übersetzt neben öffentlich auch dem Volk gehörig. Gleichzeitig wurde der Begriff auch für den Staat verwandt.80 Der römische Staat wurde im damaligen Zeitalter noch mit dem Volk gleichgesetzt.81 So bezeichnet Welcker als eine Dimension der Öffentlichkeit, „[d]as, was den Staat, das Gemeinwesen angeht“.82 Diese enge Verknüpfung von Volk und Staat hat sich heute noch begrifflich erhalten. Allerdings besteht heutzutage der Trend, staatliche Gemeinwesensfunktionen zu privatisieren; damit wird die öffentliche Versorgung durch den Staat partiell auch negativ gewertet, da dieser aufgrund der Regelungen, die er sich gegeben hat, um Eigentum von und Wettbewerb unter Privaten zu ermöglichen, teilweise nicht wirtschaftlich bzw. effizient handelt.83 Die erste der drei Charakterisierungen ist im Rahmen dieser auf Verfahrensweisen näher eingehenden Arbeit von besonderer Bedeutung und wird daher auch in den weiteren Ausführungen vorrangig betrachtet. Hierfür bedarf es weder eines Eingehens auf positive noch auf negative Assoziationen 76  Umfassend zum Phänomen des öffentlichen Interesses Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem. 77  Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das „Volk“ keine „handlungsfähige Einheit“ bildet, sondern vielmehr einer juristischen Konstruktion zugrunde liegt, Steinberg, in: Heckmann / Schenke / Sydow (Hrsg.), FS Würtenberger, S. 305; so auch Scheuner, in: Ritterspach / Geiger (Hrsg.), FS Müller, S. 385. 78  Vgl. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 34. Vgl. bzgl. des historischen Kontextes Hölscher, in: Brunner / Conze / Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S.  422 ff. 79  Hölscher, in: Brunner / Conze / Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 414. 80  https: /  / de.pons.com / übersetzung / latein-deutsch / publicus. 81  Malmendier, Societas publicanorum, S. 79, mit Verweis auf Kaser, Romanitas 9, S. 346. 82  Welcker, in: Rotteck / Welcker, Das Staats-Lexicon oder Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände. 10. Band, Öffentlichkeit, S. 249; Lederer, Open Data, S. 62. 83  Zu öffentlichen und privaten Interessen, vgl. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 60 ff.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff49

mit dem Begriff der Öffentlichkeit. Vielmehr macht sich diese Arbeit einen wertfreien Öffentlichkeitsbegriff, d. h. das Vorhandensein von Zugänglichkeit zu einem staatlichen Verfahren und dessen Informationen durch eine Partei oder durch einen unbestimmten Personenkreis, der nicht an diesem Verfahren persönlich involviert ist, zu Eigen.84 Die Reichweite von Öffentlichkeit sowie deren (verfassungs)rechtlich gebotene Grenzen85 sind zwar für die Umsetzung öffentlichen Handelns von Relevanz, bedürfen jedoch bei der allgemeinen Definition von Öffentlichkeit noch keiner Beachtung.86 Aufgrund dieser weitreichenden Konturierung des Öffentlichkeitsbegriffs kann zumindest im vorliegend relevanten zustandsbeschreibenden Verfahrenskontext Öffentlichkeit als Rechtsbegriff angesehen werden. Als Umkehrschluss stellt wie oben bereits aufgeführt die Gegenbewegung zur Öffnung die Nichtöffentlichkeit dar,87 bei der vollständig oder partiell ein Fehlen von Zugänglichkeit bzw. Publizität gegeben ist.88 Diese Bewegung beruht auf unterschiedlichen weiter herauszuarbeitenden Gesichtspunkten, die jedoch fast alle gemein haben, dass Öffentlichkeit bereits vor der Digitalisierung aller Lebensbereiche als Bedrohung wahrgenommen wurde.89 Durch die temporär und quantitativ unendliche Speichermöglichkeit im virtuellen Raum sowie die internationale Abrufbarkeit im Internet befindlicher Informationen hat sich diese Situation sogar noch verstärkt. 2. Formen der verfahrensbezogenen Öffentlichkeit Das „Wie“ der Herstellung von Öffentlichkeit im Zusammenhang mit staatlichen Verfahren kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. So wird die 84  Vgl. Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 15, 101; Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, S. 42 f.; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 24; BVerwG JR 1972, 521, 521. 85  Vgl. Kapitel 5 B. 86  A. A. Alwart, JZ 1990, 883, 883 f., der die Abkehr vom deskriptiven Öffentlichkeitsbegriff hin zu einem normativen Verständnis fordert und damit zur Bestimmung einer „gerechten Öffentlichkeit“ das bestehende Recht in das Begriffsverständnis miteinbezieht. 87  Welcker, in: Rotteck / Welcker, Das Staats-Lexicon oder Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände. 10. Band, Öffentlichkeit, S. 249; Wegener, Der geheime Staat, S. 176. 88  Vgl. Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 15. 89  Berka, Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz, S. 199 ff. Vgl. auch NoelleNeumann, in: Noelle-Neumann, Öffentlichkeit als Bedrohung S. 204, 207. Öffentlichkeit muss allerdings „nicht […] als etwas an sich Verletzendes betrachtet werden“, Savigny, Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, S.  29 f.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

materielle und formelle Gewährleistung von Öffentlichkeit unterschieden.90 Hierbei ist danach zu differenzieren, ob dem Bürger oder dem Staat eine Handlungs- bzw. Informierungspflicht auferlegt ist. Bei der materiellen Öffentlichkeit hat der Staat dem Bürger alle Informationen „auf dem Präsentierteller“ entgegenzutragen und er ist damit gegenüber der Öffentlichkeit in der Bringschuld.91 Damit geht einher, dass der Staat im Rahmen hoheitlichen Handelns seinem Souverän, dem Volk, seine Tätigkeit transparent machen muss. Bei der Öffentlichkeitserfüllung im Rahmen der formellen Öffentlichkeitsgewähr genügt hingegen ein formaler Öffentlichkeitsakt. Die Anforderungen an den staatlichen Publizitätsakt sind hierbei sehr gering. Er muss für die tatsächliche Schaffung von Öffentlichkeit und die Verbreitung von Informationen nicht unbedingt geeignet sein.92 Im Rahmen der formellen Öffentlichkeitsherstellung muss daher der Bürger selbständig aktiv werden, um an die staatlichen Informationen zu gelangen.93 Diese Form der Öffentlichkeitsgewähr erkennt dem Staat eine stärkere Stellung zu. Des Weiteren wird zwischen einer unmittelbaren und einer mittelbaren Öffentlichkeitsgewähr differenziert. Während der Bürger im Rahmen der unmittelbaren Öffentlichkeit eigenständig das Geschehen vor Ort in Bild und Ton verfolgen kann, ist die mittelbare Öffentlichkeit durch Ortsabwesenheit des Bürgers gekennzeichnet. Eine Informierung des Bürgers im Rahmen der mittelbaren Öffentlichkeit erfolgt u. a. durch die Veröffentlichung von Berichten über bzw. Textdokumenten aus dem staatlichen Verfahren. Eine weitere Form der Mittelbarkeit ist in der Einbindung staatsfremder Intermediäre zu sehen, die die Informierung der Bevölkerung übernehmen. Heutzutage ist die mittelbare Öffentlichkeit zumeist auf die Massenmedien, d. h. die Presse sowie den Rundfunk verlagert worden, so dass man auch von einer doppelten Mittelbarkeit sprechen könnte, wenn lediglich Textdokumente über das Verfahren hierüber publik gemacht werden. Der eingebundene Intermediär kann die Inhalte nämlich derart weiterverbreiten, wie er dies für richtig erachtet, bzw. kann sogar vollständig hiervon absehen.94 Durch die Selektion 90  Vgl.

hierzu C. III. Über die Gesetzes-Publikation in Österreich und dem Deutschen Reiche,

91  Lukas,

S. 8.

92  Lukas,

S. 8.

Über die Gesetzes-Publikation in Österreich und dem Deutschen Reiche,

93  Lukas, Über die Gesetzes-Publikation in Österreich und dem Deutschen Reiche, S. 8, 10. Die formelle Form der Öffentlichkeit ist bei Gesetzestexten durch deren Publikation in Gesetzesblättern gewählt worden, vgl. Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG. Zum Übergang vom diesbezüglichen materiellen zum formellen Publikationsprinzips vgl. Lukas, Über die Gesetzes-Publikation in Österreich und dem Deutschen Reiche, S.  148 ff. 94  Näher zur Abgrenzung von unmittelbarer und mittelbarer Öffentlichkeit im Hinblick auf Gerichtsverhandlungen in Kapitel 2.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff51

der Informationen und die Berichterstattung können Medien die öffentliche Meinung (in ihrem Sinne) lenken.95

II. Historischer Überblick: Öffentlichkeit als Zustand und Rechtsverhältnis Die staatlichen Öffentlichkeits- bzw. Transparenzbestrebungen sind keine Erfindung der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts, sondern eine partielle Rückbesinnung auf frühere staatliche Strukturbilder.96 So gab es bereits in der griechischen Antike im Rahmen der Volksversammlung für Vollbürger die Möglichkeit, an Gesetzgebungs- und Gerichtsprozessen aktiv teilzunehmen.97 Zudem wurden Gesetze publiziert und öffentlich zugänglich angebracht.98 Durch Öffentlichkeit wurde erst die demokratische Partizipation99 und das Befolgen staatlicher Vorgaben ermöglicht.100 Auch in der römischen Geschichte reicht das Vorliegen von Öffentlichkeit weit zurück.101 Allerdings war das von der Öffentlichkeit erreichte Publikum noch begrenzt, so dass zunächst nur freie Männer in die Prozesse mit einbezogen wurden. Menschen, die von den bestehenden Systemen „unterdrückt wurden“, wie Sklaven, aber auch Frauen, wurden keine Einblicke gewährt. Da viele dieser Menschen unter anderem nicht alphabetisiert waren, konnten sie zumeist auch nicht partizipieren.

95  Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S.  230; Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 42 Rn. 39; Noelle-Neumann, in: Noelle-Neumann, Öffentlichkeit als Bedrohung, S.  227  ff.; Noelle-Neumann, Die Schweigespirale, S.  235 ff.; Soehring / Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2466, 2469. 96  Zur Geschichte der Gerichtsöffentlichkeit, Maurer, Geschichte des altgermanischen und namentlich altbairischen oeffentlich-muendlichen Gerichtsverfahrens, S.  32 ff., 81 ff., 174 ff.; vgl. Lederer, Open Data, S. 60 f. Zum Untergang der Öffentlichkeit in der deutschen Gerichtsbarkeit vgl. Seifarth, Der Untergang der Öffentlichkeit im deutschen Rechtsgang, S. 1 ff. 97  Lederer, Open Data, S. 60 f.; Gröschner, in VVDStRL, Band 63 (2004), S. 344, 351 ff. 98  Lederer, Open Data S. 60 f.; Gröschner, in VVDStRL, Band 63 (2004), S. 344, 351 ff. 99  Lederer, Open Data, S. 61. 100  Vgl. zur Partizipation von Bürgern im Rahmen des Verwaltungshandelns Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 97 ff. 101  Gröschner, in VVDStRL, Band 63 (2004), S. 353 f.; Lederer, Open Data, S. 61; Geib, Geschichte des römischen Kriminalprozesses, S. 97. Zur Gerichtsbarkeit der Volkscomitien, vgl. Geib, Geschichte des römischen Kriminalprozesses, S. 30 ff.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Das alte germanische Recht kannte ebenfalls Volksversammlungen bzw. -gerichte.102 Diese sogenannten „Things“ dienten u. a. politischen Diskussionen und Entscheidungen. Auch diese Versammlungen waren durch eine Ausgrenzung von Personengruppen gekennzeichnet. Die teilnehmenden waffentragenden freien männlichen Mitglieder eines (Stammes-)Gebietes konnten im Rahmen der Versammlung über so weitreichende Entscheidungen wie Krieg oder Frieden entscheiden. Andererseits kam im Thing auch die oben genannte Gerichtsgemeinde zusammen, um über die vorgebrachten Streitfälle zu richten bzw. diese zu schlichten.103 Diese Form der Öffentlichkeit und Partizipation durch die von den Streitfällen und Regeln betroffene Gesellschaft konnte aufgrund der langsamen Urbanisierung und eines dadurch bewirkten Bevölkerungszuwachses nicht weiter fortbestehen. Durch die Unterwerfung dieser Gesellschaften durch die Franken um 500–800 n. Chr. gewann die katholische Kirche von Süden ausgehend an Einfluss in den Regionen, während die politische Einflussnahme der Volksversammlungen und die dort üblichen Bräuche zurückgingen.104 Auch die Rechtsprechung wurde der „Gerichtsversammlung“ entzogen und in die Hände des Landesherren oder seiner Vertreter gelegt. Bei strafrechtlichen Verfahren wurde jedoch weiterhin das Volk in Form von Schöffen und des Gemeindevorstehers eingebunden.105 In den nachfolgenden Jahrhunderten wurden durch sich verfestigende Herrschaftskulturen und die mittelalterliche Ständeordnung die Öffentlichkeit und Partizipation des Volkes zurückgedrängt, um Herrschaftsstrukturen zu sichern. In dieser Zeit waren die drei Gewalten häufig in einer Hand vereint, was teilweise auch mit Machtmissbrauch einherging. Die aktive partizipative Öffentlichkeit wurde im Laufe des Mittelalters zudem durch den wachsenden Einfluss des kanonischen Rechts immer weiter eingeschränkt.106 Diese Ent102  Ausführlich hierzu Maurer, Geschichte des altgermanischen und namentlich altbairischen oeffentlich-muendlichen Gerichtsverfahrens, S. 8  ff.; Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, S. 5 ff.; zur Öffentlichkeit im Rahmen der Volksjustiz vgl. Schild, Alte Gerichtsbarkeit, S.  41 ff.; Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, S. 12. 103  Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 25. In England wurden diese Gemeinschaften auch als „Friborg“ bezeichnet, Rintel, Von der Jury, S. 65 f. 104  Vgl. Rintel, Von der Jury, S. 42. Zu den verschiedenen Beweismitteln der damaligen Zeit (z. B. Eidhelfer und Beweis durch Zweikampf), vgl. Rintel, Von der Jury, S. 34 ff., 43. 105  Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, S. 12 f.; vgl. auch Holenstein, Die Huldigung der Untertanen, S. 153 f. Vgl. zu der Entwicklung der Gerichtsverfahren im angelsächsischen Raum Rintel, Von der Jury, S. 66 ff. 106  Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 25.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff53

wicklung mündete im 13. Jahrhundert zunächst im italienischen Raum in der Übernahme des auf Innozenz III. zurückzuführenden Inquisitionsprozesses in das weltliche Recht.107 Allerdings muss beachtet werden, dass weder in „Europa“ noch in den Grenzen der heutigen Bundesrepublik ein einheitliches politisches oder gar rechtliches System bestand.108 Daher wurde der Inquisitionsprozess erst deutlich später im deutschsprachigen Raum übernommen.109 Hier galt in dieser Zeit weiträumig noch das Gerichtsverfahren auf Grundlage des Sachsenspiegels, der den sozialen Zusammenhalt der Gemeinschaft stärker im Fokus hatte als die Erforschung der Wahrheit.110 Aufgrund der zunehmenden Schaffung von Verwaltungs- und Herrschaftsinstitutionen wurden jedoch auch hier die Volks„verwaltungen“ bzw. -gerichte im späten Mittel­ alter durch absolutistische Staatsstrukturen zurückgedrängt.111 Zudem bewirkte die weitreichende Rezeption des römisch-kanonischen Rechts eine Ausbreitung der nichtöffentlichen Gerichtsverfahren, was zur Folge hatte, dass Anfang des 16. Jahrhunderts das geheime schriftliche Gerichtsverfahren eingeführt wurde.112 Diese gesellschaftliche Neuausrichtung führte dazu, dass der Öffentlichkeitsgedanke im Rahmen des staatlichen Handelns partiell als überholt angesehen wurde. Ein Grund hierfür war der Umstand, dass in der Bevölkerung die Auffassung vorherrschte, dass die erzwungene Anwesenheit in einem Gerichtsverfahren dem eigenen Broterwerb abträglich war.113 Darüber hinaus war die Zurückdrängung der Öffentlichkeit die Folge von verschiedenen Bestrebungen unterschiedlicher Institutionen, ihre eigenen Machtansprüche zu sichern. In der sich anschließenden Epoche, in der das Inquisitionsprinzip Gerichtsverfahren vom Einblick der Öffentlichkeit ausschloss, bestand ein erhöhtes Missbrauchsrisiko114 mit der Folge, dass das

107  Ignor,

Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532–1846, S. 49 f. Ignor, Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532–1846, S. 41. 109  Ausführlich zum Ablauf des Inquisitionsverfahrens in Deutschland, Flade, Das römische Inquisitionsverfahren in Deutschland. 110  Ignor, Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532–1846, S. 56 ff. 111  Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, S. 7 f.; vgl. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus S. 47 f.; zu den historischen Gegenbewegungen vgl. Seifarth, Der Untergang der Öffentlichkeit im deutschen Rechtsgang, S. 7 ff. 112  Seifarth, Der Untergang der Öffentlichkeit im deutschen Rechtsgang, S. 1 ff., 10, 21; Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, S.  8 f. 113  Maurer, Geschichte des altgermanischen und namentlich altbairischen oeffentlich-muendlichen Gerichtsverfahrens, S. 345 f. Dies führte auch zur Aufhebung der „allgemeinen Dingpflicht“ Seifarth, Der Untergang der Öffentlichkeit im deutschen Rechtsgang, S. 1. 114  Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, S. 23. 108  Vgl.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Vertrauen in die Rechtsprechung schwand.115 Nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die Betroffenen selbst wurden teilweise von den Verfahren gegen sie ausgeschlossen.116 Der Öffentlichkeits- und damit auch der Transparenzgedanke wurden erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Rahmen der Aufklärung, in der die bestehenden Herrschaftsstrukturen im kontinentaleuropäischen Raum in Frage gestellt wurden, wiederbelebt und in der Folge vorangetrieben.117 Dies hatte zur Konsequenz, dass die Öffentlichkeit wieder in den Mittelpunkt staatlichen Handelns zurückgeführt und die Arkantradition zurückgedrängt wurde.118 Dies zeigt jedoch auch die Wandlung des Staatsverständnisses über die Jahrtausende – von einem durch das „Volk“ geprägten Staat zu einem obrigkeitsgerichteten Staatsgebilde und wieder zurück. Dabei wurde im 18. und 19. Jahrhundert Öffentlichkeit als Ideal proklamiert,119 bei deren Beachtung in der staatlichen Sphäre die Gerechtigkeit, die Vernunft, der Schutz von Bürgerrechten sowie die Wahrheit gefördert würden.120 Einerseits sollte hierdurch ein Machtmissbrauch verhindert werden, indem dem Bürger ein Kontrollinstrument in die Hand gegeben wurde, andererseits sollte das Gemeinwohl gefördert werden. Einer der bedeutendsten Verfechter der Gerichts­ öffentlichkeit war Feuerbach.121 Während Feuerbach den Ort der Gerichts115  Stutz, Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafverfahren, S. 2. 116  Stutz, Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafverfahren, S. 2. 117  Maurer, Geschichte des altgermanischen und namentlich altbairischen oeffentlich-muendlichen Gerichtsverfahrens, S. V, 260 ff., mit dem Hinweis darauf, dass die Öffentlichkeit die Richter und Zeugen disziplinieren, Parteien die Aussprache mit ihren Mitmenschen ermöglichen, das Volk lehren sowie die Gräueltaten heimlich tagender inquisitorischer Gerichte zukünftig verhindern würden. Dadurch würde die Volkssitte und Moral gestärkt. Maurer, Geschichte des altgermanischen und namentlich altbairischen oeffentlich-muendlichen Gerichtsverfahrens, S. 262; Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, S. 10 f.; Rohde, Öffentlichkeit im Strafprozess, S. 55 ff.; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 73 f. Es gab jedoch auch Stimmen, die eine Öffnung von Gerichts­ türen für das Publikum ablehnten, vgl. Fölix, Über Mündlichkeit und Oeffentlichkeit des Gerichtsverfahrens, S. 33 f., 40 f. 118  Lederer, Open Data, S. 61, 95. 119  Lederer, Open Data, S. 62; vgl. Wegener, Der geheime Staat, S. 142 ff. m. w. N.; So schrieb u. a. Bentham, An Essay on political tactics, or inquiries concerning the discipline and mode of proceeding proper to be observed in political assemblies principally applied to the practice oft he british parliament and to the constitution and situation of the national assembly of France, in: The Works of Jeremy Bentham, S. 314, „Without publicity, no good is permanent. Under the auspices of publicity, no evil can continue.“ 120  Vgl. Kant, Zum ewigen Frieden. Anh. II, S. 93; Lederer, Open Data, S. 61; Wegener, Der geheime Staat, S. 130 ff.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff55

verhandlung, d. h. die örtliche Gerichtsöffentlichkeit, frei zugänglich wissen wollte122, schränkte er allerdings noch den Publikumskreis und damit die personelle Gerichtsöffentlichkeit ein123.124 Die Aufklärer beriefen sich vielfach auf historische Vorbilder. Darüber hinaus wurde Öffentlichkeit aufgrund ihrer konstituierenden Bedeutung für die Willensbildung als Legitimationsvoraussetzung politischer Entscheidungen sowie ganzer Systeme gewertet.125 Diese Wertung und damit der Öffentlichkeitsgrundsatz wurden im Deutschen Reich Mitte des 19. Jahrhundert weitestgehend anerkannt.126 So normierte beispielsweise die Paulskirchen-Verfassung 1849 für das Deutsche Reich in § 178 einen Öffentlichkeitsgrundsatz für Gerichtsverfahren.127 Die anschließend erlassene Preußische Verfassung aus dem Jahr 1850 erhielt ebenfalls in Art. 93 ein Öffentlichkeitsprinzip für ordentliche Gerichtsverfahren.128 Auch die heute noch geltende Bayerische Verfassung normiert in Art. 90 Satz 1 BV ausdrücklich den Öffentlichkeitsgrundsatz für das gerichtliche Verfahren. Aufgrund der Aufnahme des Öffentlichkeitsgrundsatzes in den einzelnen Landesverfassungen enthielt § 139 des Gerichtsverfassungsgesetzentwurfs für das Deutsche Reich ebenfalls eine Regelung zur Gerichtsöffentlichkeit, welche einige Jahre später im heutigen § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG aufging.129 121  Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1, S. 24 f., 168 f.; Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 26; Stutz, Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafverfahren, S. 7. 122  Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1, S. 34 f. 123  Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1, S. S. 37, 166 f., 179 f. 124  Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S.  26 f. 125  Lederer, Open Data, S. 63. 126  Strauch, in: Triffterer / Zezschwitz (Hrsg.), FS Mallmann, S. 350; Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 27; Feuerbach förderte diese Entwicklungen durch seine Schrift Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerichtspflege Band I und II, 1821 maßgeblich mit, Stutz, Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafverfahren, S. 7. 127  Reichsgesetzblatt Frankfurt a. M. vom 28.04.1849, diese wurde jedoch in weiten Teilen Deutschlands nicht anerkannt, so dass es einen Streit darüber gab, ob die Verfassung überhaupt wirksam wurde. Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band III, S. 350. 128  Stutz, Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafverfahren, S. 13. 129  Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kon­ trolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft,

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Auch das Grundgesetz hat den Öffentlichkeitsgrundsatz insbesondere für legislatives Handeln ausdrücklich aufgenommen. Die Öffentlichkeitsgewähr ist im Rahmen der Legislative in den letzten Jahrzehnten den aktuellen Gegebenheiten angepasst worden. Neben der räumlich begrenzten Möglichkeit, die Plenardebatten im Bundestag vor Ort zu besuchen, gibt es seit 1999 das Parlamentsfernsehen, durch das die Plenardebatten sowie öffentliche Anhörungen und Ausschusssitzungen aus dem Deutschen Bundestag „live, unkommentiert und in voller Länge“ im Internet übertragen werden.130 Sollte der interessierte Bürger temporär verhindert sein, kann er sämtliche Sitzungen, die zuvor live übertragen wurden, seit dem Jahr 2009 als Videos in der Mediathek des Bundestages zeitlich flexibel abrufen oder sogar herunterladen.131 Auch die unterschiedlichen Landesparlamente verfügen über diese Art der Öffentlichkeitsherstellung.132 Während legislatives Handeln seit der Rezeption des aufklärerischen Gedankenguts grundsätzlich öffentlich erfolgt, war im Rahmen des Exekutivhandelns bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts das Amtsgeheimnis eine tragende Säule, die die Einsicht in Verwaltungsakten unterband.133 Die Forderung eines unmittelbaren Anspruchs auf Einsicht in staatliche Informationen für jeden Einzelnen wurde bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Welcker gefordert.134 Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat jedoch erst im Jahr 2005 durch das Informationsfreiheitsgesetz grundsätzlich eine entsprechende Möglichkeit für jedermann geschaffen, Informationen von Bundesbehörden einzusehen.135 Neben der Forderung, dass der Bürger S. 4; Anlagen zu den Verhandlungen des Deutschen Reichstages, 2. Legislaturperiode, 2.  Session 1874 / 75, Aktenstück Nr. 4, S. 93, abrufbar unter http: /  / www.reichstags protokolle.de / Blatt3_k2_bsb00018378_00097.html. Diese Regelung verzichtete auf den Ausschluss von Personengruppe bei der Schaffung von Gerichtsöffentlichkeit. Eine Einschränkung erfolgte allerdings während des NS-Regimes, in dem nur „Volksgenossen“ Zutritt zu einer Verhandlung erhielten, vgl. Stutz, Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafverfahren, S. 17. 130  www.bundestag.de / tv. 131  www.bundestag.de / mediathek. 132  https: /  / www.bayern.landtag.de / aktuelles / sitzungen / web-tv / ; https: /  / www.par lament-berlin.de / de / Mediathek / Parlament-live; https: /  / www.bremische-buergerschaft. de / index.php?id=live&no_cache=1. 133  Lederer, Open Data, S. 95 f. 134  Welcker, in: Rotteck / Welcker, Das Staats-Lexicon oder Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände. 10. Band, Öffentlichkeit, S. 250; Lederer, Open Data, S. 63. 135  In den Ländern gelten folgende Informationsfreiheitsgesetze: BW: Landes­ informationsfreiheitsgesetz, GBl. 2015, 1201; Berlin, Berliner Informationsfreiheitsgesetz, GVBl. 1999, 561; Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz, GVBl. I / 98, 46; Bremen: Bremer Informationsfreiheitsgesetz, Brem. GBl. 2006, 263; Hamburg: Hamburgisches Transparenzgesetz, HmbGVBl. I 2012, 271; Mecklenburg-­



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff57

einen Anspruch auf staatliche Daten besitzen soll, befasst sich die Open (Government) Data-Bewegung damit, dass der Staat Daten, deren Weitergabe keine Rechte Dritter verletzt, von sich aus offen zugänglich bereitzustellen hat.136 In diesem Zusammenhang ist im Juli 2017 nunmehr § 12a EGovG zur Ermöglichung von Open Data im Bund in Kraft getreten.137 Hiernach werden die Bundesbehörden verpflichtet, von Amts wegen unbearbeitete digitalisierte Daten zum Abruf über öffentlich zugängliche Netze bereitzuhalten.138 Somit lässt sich auch im Verwaltungsverfahren die Tendenz erkennen, dass nach und nach das Internet als Mittel zur Schaffung von Öffentlichkeit eingesetzt werden soll. Aufgrund der langen Tradition öffentlicher Gerichtsverhandlungen ist die justizielle Öffentlichkeit im Laufe der vergangenen Jahrhunderte im kontinentaleuropäischen Raum stärker gewachsen als im Rahmen der anderen Gewalten.139 Das Bedürfnis nach einer öffentlich agierenden und damit gemäßigter richtenden Justiz basiert auch auf dem Umstand, dass durch die Justiz der einzelne Bürger am unmittelbarsten (mit Ausnahme von präventivem Polizeihandeln) die staatliche Gewalt vor Augen geführt bekommt. Aus diesem Grund wurde im 19. Jahrhundert nach vielen unheilvollen Jahren der „Geheimjustiz“ für die gerichtliche Öffentlichkeit auf publizistischem Wege „gekämpft“.140 Die für die Justiz primär zur Anwendung kommende Öffentlichkeitsregelung befindet sich nunmehr in § 169 GVG. Sie stammt ursprüngVorpommern: Informationsfreiheitsgesetz, GVOBl. M-V 2006, 556; NRW: Informa­ tionsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, GV. NRW. S.  806; Rheinland-Pfalz: Landestrans­parenzgesetz, GVBl. 2015, 383; Saarland: Gesetz Nr. 1596 Saarländisches Informa­tionsfreiheitsgesetz, Amtsblatt 2006, S. 1624, Sachsen-Anhalt, Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt, GVBl. LSA Nr. 2008, 242; Schleswig-Holstein, Informationszugangsgesetz für das Land Schleswig-Holstein, GVOBl. 2012, 89; Thüringen, Thüringer Informationsfreiheitsgesetz, GVBl. 2012, 464; Bayern, Sachsen und Niedersachsen hingegen besitzen (noch) kein entsprechendes Gesetz. 136  Ausführlich hierzu Lederer, Open Data. 137  Erstes Gesetz zur Änderung des E-Government-Gesetzes vom 05.07.2017 (BGBl. I 2017, 2206). 138  § 12a Abs. 5 EGovG sieht eine Veröffentlichung der Metadaten über die Webseite https: /  / www.govdata.de /  vor. 139  Vgl. zur Geschichte der Gerichtsöffentlichkeit Maurer, Geschichte des altgermanischen und namentlich altbairischen oeffentlich-muendlichen Gerichtsverfahrens, dessen Vortheile, Nachtheile und Untergang in Deutschland ueberhaupt und in Baiern insbesondere, S. 32 ff., 81 ff., 174 ff.; vgl. hierzu auch Bethmann-Hollweg, Der römische Civilprozeß, 2. Band, S. 161 ff.; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 49 ff.; zur Tradition der Gerichtsöffentlichkeit in der Schweiz vgl. Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 741 f. m. w. N. 140  Vgl. Brewer, Das öffentliche Verfahren vor Gericht, S. 95 f. Zu der damaligen „beispiellosen publizistischen Kampagne“, Wegener, Der geheime Staat, S. 207 m. w. N.; Fögen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, S. 19 ff.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

lich aus dem Jahr 1879141 und beruht auf einem langwierigen Kampf um entsprechende Öffentlichkeits-Reformen.142 In der Folgezeit gab es unter den Nationalsozialisten sowie in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts auch medial begleitete (Live-)Übertragungen von Gerichtsverhandlungen.143 Diese sehr weitreichende Vorgabe des § 169 [Abs. 1 Satz 1] GVG wurde erst 1964 durch die Einführung von § 169 [Abs. 1] Satz 2 GVG eingeschränkt, der eine Übertragung von Bild und Ton der Verhandlung verbot.144 Damit kann man in der Justiz eine den anderen Gewalten gegenläufige Entwicklung beobachten.145 Das Fotografieren oder die Anfertigung von Privatkopien in Bild und Ton, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt sind, ist aufgrund des Wortlauts der Vorschrift jedoch weiterhin gestattet.146 Entsprechendes Verhalten würde jedoch von dem zuständigen Gericht höchstwahrscheinlich auf Grundlage der Sitzungsgewalt unterbunden. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu § 169 [Abs. 1] Satz 2 GVG hatte von dem Verbot von Bild- und Tonaufnahmen noch die Urteilsverkündung ausgenom-

141  1879

S. 41.

war die Regelung noch als § 170 GVG erlassen worden, RGBl. 1877,

142  Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kon­ trolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 2. 143  Sarstedt, JR 1956, 121, 121; Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 4; kritisch hierzu Arndt, in: Die neue Gesellschaft, 1956, S. 338, 339; Schmidt, in: Samson (Hrsg.), FS Schmidt, S. 338 ff. Kirschbaum, Ueber die Zulässigkeit von Rundfunkübertragungen aus dem Strafgerichtssaal, S. 5 f. sah die Rundfunkübertragung in Form des Hörfunks von Gerichtsverhandlungen als unzulässig an, da hierbei nicht die optische Wahrnehmung des Verfahrens für den Zuhörer möglich war. 144  BGBl. I 1964, 1067, 1080; Art. 11 des Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 19.12.1964. 145  Vgl. zu dieser Entwicklung auch Jung, Gedächtnisschrift Kaufmann, S. 891, 891 ff. Anders als in Westdeutschland wurde die Öffentlichkeit in der DDR zur „Erziehung“ Angeklagter genutzt, indem der „öffentliche Tadel“ (§ 37 DDR StGB) (ähnlich der Verwarnung aus § 56 OWiG bzw. § 59 StPO) eine gängige Form des Umgangs mit leichten Straftaten war (vgl. u. a. §§ 115, 118 ff., 125, 129, 131, 132, 135, 136, 139, 140, 143, 144, 146, 147, 161, 163, 166 ff., 180, 183, 187, 188, 191, 193, 196 ff., 213, 214, 220, 222, 223, 225, 228 ff., 239 ff., 245 ff., 250 DDR StGB). Zudem konnte dem Straftäter die Erziehungsmaßnahme auferlegt werden, eine Beleidigung öffentlich zurücknehmen (§ 29 Abs. 1 DDR StGB) oder die öffentliche Bekanntmachung einer (rechtskräftigen) Verurteilung konnte durch das Gericht angeordnet werden (§ 50 DDR StGB). 146  So bereits Arndt, NJW 1960, 423, 424; OLG Stuttgart NStZ-RR 2016, 383, 384 f.; BT-Drs. 4 / 178, S. 45; Coelln, AfP 2014, 193, 198; Diemer, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, § 169 GVG Rn. 13; Kreicker, ZIS-Online 2017, 85.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff59

men.147 Hiervon wich der Gesetzgeber jedoch ab.148 Als Begründung für das vollumfängliche Verbot nannte er eine Gefährdung der Wahrheitsfindung149 und eine Beeinträchtigung der Verteidigung eines Angeklagten, da die Fernsehaufnahmen alle Verfahrensbeteiligten ablenken können.150 Hierbei wurde implizit davon ausgegangen, dass ein Kamerateam sich zwischen den Verfahrensbeteiligten bewegt und das Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln aufnimmt. Gleichzeitig wurde darauf verwiesen, dass eine zeitgleiche Übertragung ein Risiko in Hinblick auf § 243 Abs. 2 StPO darstellt, wonach Zeugen der Vernehmung eines Angeklagten nicht beiwohnen dürfen.151 Ferner wurde angebracht, dass die unbeschränkte Zuhörer- / Zuschauerschaft dazu führen könne, dass Zeugen, Sachverständige, Angeklagte oder Verteidiger ihre Unbefangenheit verlieren und in ihrem Verhalten beeinflusst würden.152 Bereits vor der oben genannten öffentlichkeitseinschränkenden Gesetzesänderung wurde jedoch die Übertragung von Gerichtsverhandlungen bei Widerspruch der Verfahrensbeteiligten teilweise gerichtlich untersagt.153 Der BGH bezog sich in seinen Entscheidungen nur auf eine fremdgesteuerte Medienübertragung durch Rundfunk- bzw. Fernsehunternehmen.154 Insbesondere wurde in diesem Zusammenhang auf das Risiko abgestellt, dass die Aufnahme der Gesichter von Zeugen oder Angeklagten, in denen sich die Gefühlsregungen widerspiegeln, aus dem Zusammenhang gerissen werden und einer „nach fremdem Gutdünken zurechtgeschnittenen Schau“ dienen könnten. Dadurch könnte das Aussageverhalten beeinflusst werden.155 2001 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Regelung des § 169 [Abs. 1] Satz 2 GVG verfassungskonform sei.156 In diesem Zusammenhang erklärten 147  BT-Drs. 4 / 178, S. 12, 46; Kreicker, ZIS-Online 2017, 85. Zur Entstehungsgeschichte des § 169 [Abs. 1] Satz 2 GVG vgl. Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, S.  98 ff. 148  BGBl. I 1964, 1067, 1080; BT-Drs. 4 / 1020, S. 34. 149  Gerhardt, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Verbots von Rundfunk- und Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal (§ 169 Satz 2 GVG), S. 111. 150  BT-Drs. 4 / 178, S. 45. 151  BT-Drs. 4 / 178, S. 45. 152  BT-Drs. 4 / 178, S. 45. 153  BGHSt 10, 202, 205; nach dem BayObLG NJW 1956, 390, 390 war hierüber durch das Gericht von Fall zu Fall zu entscheiden. Im Jahr 1961 entschied der BGH schließlich, dass die Nichtunterbindung von Fernsehaufnahmen in einem Strafverfahren ein Verfahrensmangel sei, auch wenn der Betroffene nicht ausdrücklich der Aufnahme widersprochen hatte, da hierdurch die Wahrheitsermittlungspflicht des Strafgerichts beeinträchtigt sei, BGHSt 16, 111, 114 f. 154  Kreicker, ZIS-Online 2017, 85. 155  BGHSt 16, 111, 114; Kreicker, ZIS-Online 2017, 85. 156  BVerfGE 103, 44, 62; vgl. auch Huff, NJW 2001, 1622, 1622 f.; kritisch zu der Begründung des BVerfG Coelln, AfP 2014, 193, 200; Coelln, in: Murmann (Hrsg.), Strafrecht und Medien, S. 19 f.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

die Richter aus Karlsruhe allerdings auch, dass der Gesetzgeber nicht durch die Verfassung verpflichtet würde, die Öffentlichkeit auf die vor Ort Anwesenden einzugrenzen.157 Es gab daher auch in den letzten Jahren Tendenzen in der Rechtsprechung, das Internet zur Ermöglichung von Öffentlichkeit miteinzubeziehen und daher einen Gegentrend zur Eindämmung von Öffentlichkeit zu setzen. Während vor dem Jahr 2000 die obersten Bundesgerichte ihre Entscheidung nur in einem eng begrenzten Umfang analog veröffentlichten,158 sind inzwischen viele Entscheidungen dieser Gerichte online abrufbar. Eine Vorreiterrolle in diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht übernommen, als dieses im Jahr 1998 begann, seine Entscheidungen zum kostenfreien Abruf über das Internet öffentlich zu machen.159 Allerdings wird eine fehlende Veröffentlichungskontrolle bemängelt.160 Seit 2010 sind alle Bundesgerichte dem Beispiel des Bundesverfassungsgerichts gefolgt.161 Darüber hinaus besteht über verschiedene (privatwirtschaftliche) kostenfreie162 oder kostenpflichtige163 Portale im Internet Zugang zu der Instanzenrechtsprechung. Die Pflicht zur Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen wird teilweise unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet.164 Aufgrund der zumeist aktuelleren und umfangreicheren Informationsquelle in Rechtsprechungsportalen wie 103, 44, 65; Kreicker, ZIS-Online 2017, 85, 86. Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 29 ff. 159  Die Entscheidungen des BVerfG sind seit dem Jahr 1998 über die Seite http: /  / www.bundesverfassungsgericht.de abrufbar. Hierbei fördert die Anordnung der Entscheidungen nach Einstellungs- bzw. Entscheidungsdatum oder Aktenzeichen nicht unbedingt die Transparenz. 160  Lechner / Zuck, BVerfGG, Einl. Rn. 286. So wurden teilweise nur unvollständige Entscheidungen online zugänglich gemacht, vgl. mit weiteren Nachweisen Lechner / Zuck, BVerfGG, Einl. Rn. 286. 161  Der BGH veröffentlicht seit dem 01.01.2000 (http: /  / www.bundesgerichtshof. de / DE / Entscheidungen / entscheidungen_node.html), das BVerwG seit dem 01.01. 2002 (http: /  / www.bverwg.de / entscheidungen / entscheidungen.php), die Entscheidungen des BPatG seit dem 01.01.2006 (http: /  / juris.bundespatentgericht.de / cgi-bin / rechtsprechung / list.py?Gericht=bpatg&Art=en&Sort=12288&Datum=Aktuell), die Entscheidungen von BSG, BAG, BPatG und BFH kann man seit dem Jahr 2010 ­online abrufen (http: /  / juris.bundessozialgericht.de / cgi-bin / rechtsprechung / list.py? Gericht=bsg&Art=en, http: /  / juris.bundesarbeitsgericht.de, http: /  / www.bundesfinanz hof.de / entscheidungen). Die gesamten Entscheidungen sind einheitlich über http: /  /  www.rechtsprechung-im-internet.de abrufbar. 162  Vgl. http: /  / openjur.de, http: /  / lexetius.com. 163  www.juris.de; https: /  / beck-online.beck.de. Die (ausschließliche) Zusammenarbeit des BVerfG mit dem kostenpflichtigen Portal juris.de in der Vergangenheit wird als Entfernung des Gerichts von Bürgern und Anwaltschaft gewertet, Lechner / Zuck, BVerfGG, Einl. Rn. 289. 164  Vgl. BGH NJW 2017, 1819, 1819 f.; BVerwG NJW 1997, 2694, 2694 f. m. w. N. 157  BVerfGE 158  Vgl.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff61

juris.de gibt es bereits Stimmen, die eine Änderung der Haftungsrechtsprechung für Anwälte prognostizieren, bei der Rechtsprechungsdatenbanken die Neue Juristische Wochenschrift als Pflichtlektüre ablösen bzw. ergänzen werden.165 Darüber hinaus wurde in der Legislaturperiode des 18. Deutschen Bundestages durch die Regierung das bisherige strikte Verbot von Fernsehauf­nahmen während der Hauptverhandlung im Gerichtssaal gelockert. Am 22.06.2017 verabschiedete das Parlament das Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Sprach- und Hörbehinderte (EMöGG).166 Die hiermit verbundenen Änderungen des § 169 GVG erlangten am 18.04.2018 Geltung. Danach wurde § 169 GVG dahingehend geändert, dass zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit eine Tonübertragung in einen Arbeitsraum für Personen, die für Presse, Hörfunk, Fern­ sehen oder für andere Medien berichten, von dem erkennenden Gericht zu­ gelassen werden kann und darüber hinaus Ton- und Filmaufnahmen der Verhandlung einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken von dem Gericht zugelassen werden können, wenn es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland handelt. Die gemachten Aufnahmen sind ausdrücklich nicht zur Akte zu nehmen und dürfen nicht herausgegeben oder zu Verfahrenszwecken genutzt werden, vgl. § 169 Abs. 1 und 2 GVG. Die wohl größte Änderung befindet sich jedoch in § 169 Abs. 3 GVG. Abweichend von der bisher rigiden Regelung des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG, der jegliche Ton- und Bildaufnahmen zur Übertragung ausschließt, sollen hiernach zukünftig für die Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in besonderen Fällen Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zweck der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts zugelassen werden können. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter sowie eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens können bei jeder dieser Erweiterungen die Aufnahmen oder deren Übertragung teilweise untersagt oder von der Einhaltung von Auflagen abhängig gemacht werden. Die überwiegend kritische Haltung der Justiz gegenüber einer weiteren Öffnung spiegelt sich auch in der Kritik gegen den Gesetzentwurf wider, obwohl dieser nur eine Ermessens- und keine gebundene Entscheidung zur Aufzeichnungsermöglichung enthält.167 Im Zuge dessen wurden Bedenken 165  Lechner / Zuck,

BVerfGG, Einl. Rn. 289. 18 / 10144. 167  https: /  / www.bmjv.de / SharedDocs / Gesetzgebungsverfahren / Dokumente / Ref E_Erweiterung_Medienoeffentlichkeit_Gerichtsverfahren.pdf?__blob=publication File&v=2; vgl. auch http: /  / www.lhr-law.de / magazin / presse-und-medienrecht / bitte166  BT-Drs.

62

Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

laut, dass gerichtliche Verfahren auf diesem Wege zur Unterhaltung der Allgemeinheit verkommen168 und einzelne Richter an den Pranger gestellt werden könnten.169 Die Schaffung von Öffentlichkeit in das Ermessen des Spruchkörpers zu stellen, ist mit Blick auf die Historie kritisch zu werten. Heutzutage wird häufig ein negatives Öffentlichkeitverständnis proklamiert. Dieser Blickwinkel ist jedoch zu einseitig. So vertrat Maurer bereits im Jahr 1823 (!), zu dessen Zeit noch das heimliche Gerichtsverfahren weitverbreitet war: „Und sollte sich auch einmal ein kleiner Verdacht oder Misstrauen gegen ein ganzes Gericht, oder gegen einen einzelnen Urtheiler oder Richter eingeschlichen haben, was war dann dem Verdächtigten, dem Verläumdeten erwünschter, als die Oeffentlichkeit selbst, um sich von diesem Verdachte zu reinigen? […] Wie erwünscht müsste schon darum nicht unseren heimlichen Richtern die Oeffnung der Gerichtsthüren seyn, um alle die Nachrede zu verscheuchen und das mit jedem Tage um so mehr wachsende Misstrauen, je mehr sich eben diese Richter der Einführung der Oeffentlichkeit widersetzen, während alle übrige Welt dieselbe begehrt […].“170 Im Vergleich zu internationalen Gerichtshöfen bleibt Deutschland nach der derzeitigen Gesetzgebung daher auch hinter den vorhandenen Möglichkeiten zur Schaffung von Öffentlichkeit zurück.171 Insbesondere die supra- bzw. internationalen Gerichte nutzen bild- und tonübertragende Medien zur Gewährleistung von Öffentlichkeit und greifen heutzutage vielfach auf das Internet zurück. Bereits der Internationale Militärgerichtshof (IMG) mit Sitz in Nürnberg, der nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Alliierten für die Verurteilung der Hauptkriegsverbrecher ins Leben gerufen wurde,172 verhandelte von Herbst 1945 bis 1949 öffentlich. Die Verhandlungen wurden zudem durch laecheln-liebes-gericht-was-fuer-und-gegen-laufende-kameras-im-gerichtssaal-spricht -2. 168  http: /  / www.faz.net / aktuell / politik / staat-und-recht / heiko-maas-fuer-tv-ueber tragung-von-bundesgerichts-urteilen-14176521.html. 169  http: /  / www.faz.net / aktuell / wirtschaft / recht-steuern / maas-entschaerft-plaenefuer-gerichts-tv-14200851.html. Auch Hassemer, ZRP 2013, 149, 150 befürchtet bei einem (fehlerhaften) Einsatz der Kommunikationstechnologie die Gefahr der unzulässigen Prangerwirkung. 170  Maurer, Geschichte des altgermanischen und namentlich altbairischen oeffentlich-muendlichen Gerichtsverfahrens, dessen Vortheile, Nachtheile und Untergang in Deutschland ueberhaupt und in Baiern insbesondere, S. 261. 171  Hiervon abzugrenzen sind die Verfahren vor (internationalen) Schiedsgerichten; diese agieren in der Regel nicht öffentlich, Brosius-Gersdorf, VVDStRL Band 74 (2015), S.  179 f. 172  Statut für den Internationalen Militärgerichtshof vom 08.08.1945, abrufbar unter http: /  / www.legal-tools.org / browse / ltfolder / 0_2136 / #results; http: /  / www.legaltools.org / doc / 64ffdd / pdf / .



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff63

Ton- und / oder Bildaufnahmen und Fotografien dokumentiert. Weitere Verfahren folgten Jahre später zur Aufarbeitung weiterer Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit in anderen Ländern. Der daraus hervorgegangene Internationale Strafgerichtshof (IStGH), der 1998 in Den Haag auf Grundlage des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs173 sesshaft wurde, ist heute noch für die Ahndung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich. Die Verhandlungen und Urteilsverkündungen sind auch noch heute öffentlich, Art. 64 Nr. 7, 76 Nr. 4 Rome Statute. Die Verfahren werden in diesem Kontext mit einer 30-minütigen Verzögerung online über die Seite des IStGH gestreamed.174 Darüber hinaus werden Fotos, Video- oder Audiodateien auch aus Gerichtsverhandlungen in der Datenbank des Gerichts zum Abruf bereitgehalten.175 Zeugen, deren Identität verborgen bleiben soll, werden bei den öffentlich zugänglichen Videos verpixelt, und deren Stimmen verzerrt.176 Da auch die Saalkapazität des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag begrenzt ist, wird die Saalöffentlichkeit vorrangig Diplomaten und Vertretern beteiligter Staaten eingeräumt. Um dem Öffentlichkeitsgrundsatz Genüge zu tun,177 werden Interessierte auf die Webseite des Gerichts verwiesen.178 Über diese sind von den dort verhandelten Verfahren verschiedene schriftliche Dokumente abrufbar.179 Darüber hinaus werden von den münd­ lichen Verhandlungen Wortprotokolle angefertigt. Diese können in der Originalsprache sowie einer englischen bzw. französischen Übersetzung heruntergeladen werden.180

173  Rome Statute A / CONF.183 / 9 of 17 July 1998; durch Deutschland ratifiziert mit dem IStGH-Statutgesetz vom 04.12.2000, BGBl. II 2000, 1303. 174  https: /  / www.icc-cpi.int / get-involved / Pages / media.aspx. 175  https: /  / www.icc-cpi.int / avgallery. 176  Vgl. u. a. im Rahmen des Verfahrens gegen Laurent und Simone Gbagbo und Charles Blé Goudé: https: /  / www.icc-cpi.int / avgallery / Pages / AVItemPage.aspx?item Type=videos&id=198; https: /  / www.icc-cpi.int / avgallery / Pages / AVItemPage.aspx? itemType=videos&id=186. 177  Der Öffentlichkeitsgrundsatz ergibt sich vorliegend aus Art. 46 Statut des Internationalen Gerichtshofes vom 9. Juni 1973, BGBl. II 1973, S. 505 ff. Da das Gericht sowohl in englischer als auch in französischer Sprache tagt, können Kopfhörer, über die man eine Übersetzung in einer der beiden Sprachen erhält, vor Ort ausgeliehen werden; http: /  / www.icj-cij.org / information / index.php?p1=7&p2=3&p3=1. 178  http: /  / www.icj-cij.org / information / index.php?p1=7&p2=3&p3=1. 179  http: /  / www.icj-cij.org / docket / index.php?p1=3&p2=5. 180  Vgl. http: /  / www.icj-cij.org / docket / index.php?p1=3&p2=1&case=150&code= crn&p3=2.

64

Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)181 erlaubt hingegen Tonund Bildaufnahmen in den Sitzungssälen nur während des Aufrufs der Rechtssache, der Verlesung der Schlussanträge und bei der Urteilsverkündung.182 Der EuGH untersagt Medienvertretern allerdings das Umhergehen im Sitzungssaal, damit der Verfahrensgang nicht gestört wird. Des Weiteren sind Blitzlicht, Mobiltelefone, Laptops oder andere elektronische Geräte im Sitzungssaal nicht erlaubt.183 Darüber hinaus sind zusätzlich Filmaufnahmen von den oben genannten Abschnitten der Sitzungen des EuGH grundsätzlich auch über den audiovisuellen Nachrichtendienst der Europäischen Union, Europe by Satelite (EbS), abrufbar.184 Die Seite ist frei zugänglich und gewährt Einblicke in das direkte Geschehen oder ermöglicht den Zugriff auf gespeicherte Videoaufnahmen von Urteilsverkündungen.185 Die jeweils angezeigte Zuschauerzahl offenbart allerdings, dass die Aufnahmen zum Großteil von weniger als zweihundert Zuschauern innerhalb ganz Europas angesehen werden. Bei der Urteilsverkündung tun sich einige Richter, die zumeist nicht in ihrer Muttersprache Recht sprechen, teilweise schwer. Dennoch ist bisher beim EuGH das in Deutschland häufig als Argument für ein Verbot der Aufnahme von Urteilsverkündungen angeführte „an den Pranger stellen“ von Richtern bei möglichen Versprechern ausgeblieben.186 Die schriftlichen Urteile des EuGH sowie die Schlussanträge sind am Tag der Verkündung im Volltext über die digitale Datenbank des Gerichts abrufbar.187 Bei Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wird die Öffentlichkeit über einen auf der Homepage des Gerichts frei zugänglichen eigenen Webcast hergestellt.188 Dort werden neben der Verkündung der Urteile189 auch die mündlichen Verhandlungen vollständig 181  Der Öffentlichkeitsgrundsatz ergibt sich hierbei aus Art. 109 Geschäfts- und Verfahrensordnungen, Verfahrensordnung des Gerichts der Europäischen Union ABl. L 105 / 1 vom 23.04.2015, vgl. http: /  / eur-lex.europa.eu / legal-content / DE / TXT /  HTML / ?uri=OJ:L:2015:105:FULL&from=DE; Art. 31 Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, ABl. C 83 / 210 vom 30.03.2010. 182  http: /  / curia.europa.eu / jcms / jcms / Jo2_7054 / de / . 183  http: /  / curia.europa.eu / jcms / jcms / Jo2_7054 / de / . 184  http: /  / ec.europa.eu / avservices / ebs / schedule.cfm?. 185  http: /  / curia.europa.eu / jcms / jcms / Jo2_7056 / de / . 186  Diese Befürchtung wird insbesondere von der Präsidentin des Bundesgerichtshofs Bettina Limberg vorgebracht, vgl. u. a. http: /  / www.taz.de / !5284957 / . 187  http: /  / curia.europa.eu / juris / recherche.jsf?cid=279973. 188  Der Öffentlichkeitsgrundsatz für die mündliche Verhandlung ergibt sich aus Art. 63 VerfO des Europäischen Gerichtshofes. Die Verfahrensordnung ist abrufbar unter: http: /  / www.echr.coe.int / pages / home.aspx?p=basictexts / rules&c; http: /  / www. echr.coe.int / Documents / Rules_Court_ENG.pdf. 189  http: /  / www.echr.coe.int / Pages / home.aspx?p=hearings / delivery&c=.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff65

übertragen190, sofern nicht in eng begrenzten Ausnahmefällen diese ausgeschlossen wurden. Darüber hinaus sind die entsprechenden Videos auch im Nachhinein noch abrufbar. Zudem sind die terminierten Gerichtsverhandlungen mit einer kurzen Sachverhaltsbeschreibung online einsehbar.191 Die personelle Anwesenheit im Gericht ist hingegen insoweit eingeschränkt, dass Zuhörer sich elektronisch zu dem Verfahren anmelden192 und mindestens 18 Jahre alt sein müssen.193 Die schriftlichen Unterlagen, die im Zusammenhang mit einer Beschwerde eingereicht wurden, sowie gerichtliche Entscheidungen oder Urteile werden grundsätzlich auch umfassend veröffentlicht, Art. 33, 78 VerfO. Um bei Individualbeschwerden anonym zu bleiben, bedarf es eines Aktivwerdens des Betroffenen. Dieser muss einen begründeten Antrag stellen, der sein Ersuchen rechtfertigt, da das Verfahren grundsätzlich öffentlich zu sein hat, Art. 47 Abs. 4 VerfO. Bei der Betrachtung des Umgangs der Gerichtsöffentlichkeit von suprabzw. internationalen Gerichtshöfen stellt sich die Frage, ob deren Gegenwart ein Ausblick auf die deutsche Gerichtsöffentlichkeit der Zukunft ist.

III. Normative Verankerung der Öffentlichkeitsgewähr in Verfahrenskontexten Die Einbeziehung der Öffentlichkeit in staatliche Verfahren ist nicht naturrechtlich bedingt, sondern ihre Notwendigkeit ergibt sich primär aus der bestehenden Staatsordnung, in der wir derzeit leben, und der ihr zugrundeliegenden Rechtsordnung. Die normative Verankerung der Öffentlichkeit als gewaltenübergreifende Verfahrensvorgabe erfolgt hierbei auf ganz unterschiedlichen rechtlichen Ebenen.194 Der Gesetzgeber hat auch aufgrund internationaler Vorgaben die Bedeutung von Öffentlichkeit für die verschiedenen staatlichen Verfahren erkannt und vielfach näher konkretisiert. 1. Völkerrecht und Öffentlichkeitsgewähr Auf supra- und internationaler Ebene ist die Bedeutung von Öffentlichkeit staatlicher Verfahren durch das Völkerrecht schon lange anerkannt. Völker190  http: /  / www.echr.coe.int / Pages / home.aspx?p=hearings&c=#n1357300199863_ pointer. 191  http: /  / www.echr.coe.int / Pages / home.aspx?p=hearings / calendar&c=#n135392 7184398_pointer. 192  http: /  / appform.echr.coe.int / echrrequest / request.aspx?lang=gb. 193  http: /  / www.echr.coe.int / Pages / home.aspx?p=hearings / calendar&c=#n135392 7184398_pointer. 194  Vgl. Gurlit, DVBl. 2003, 1119, 1119 ff.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

rechtliche Vorgaben enthalten jedoch primär eine mehr oder weniger verbindliche Vorgabe für den Gesetzgeber195 und sind aufgrund bestehender Durchsetzungsdefizite national lediglich von untergeordneter Bedeutung.196 Die nachfolgend exemplarisch aufgeführten supra- und internationalen Regelungen zeigen zunächst als Erkenntnisquellen die Ursprünge nationaler Öffnungstendenzen, sie haben allerdings auch Einfluss auf das deutsche Recht, da diese durch die Ratifizierung entsprechender Rechtsakte durch die Bundesrepublik auch Beachtung finden müssen. Dies geschieht beispielsweise in Form der Berücksichtigung als Auslegungshilfe für das nationale Recht. Das Völkerrecht enthält einerseits verfahrensdefinierende Öffentlichkeitsvorgaben, andererseits gewährt es über die Normierung und Präzisierung einer Informationsfreiheit den Zugang zu staatlichen Verfahren bzw. den daraus entspringenden Informationen. a) Art. 10 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen Nach Art. 10 AEMR197 besitzt jeder neben dem Recht auf ein gerechtes auch das Recht auf ein öffentliches (Gerichts-)Verfahren. Die Öffentlichkeit im Rahmen der Feststellung von Rechten und Pflichten sowie bei strafrechtlichen Verurteilungen stellt ein Menschenrecht dar. Die Bedeutung des öffentlichen Verfahrens wird durch deren erneute Nennung in Art. 11 AEMR unterstrichen. Darüber hinaus wird die Informationsfreiheit in Art. 19 AEMR normiert, wonach Informationen ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten sind. b) Art. 14 Abs. 1 S. 2 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Auch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (IPdpR), der durch seine Ratifizierung mit Gesetz vom 15.11.1973 in nationales Recht gegossen wurde,198 betont die Bedeutung eines öffentlich verhandelnden Gerichts. Im Gegensatz zur AEMR erkennt der IPdpR jedoch bereits ein mögliches Bedürfnis, die Öffentlichkeit einzuschränken, vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 3 IPdpR. Die Informa­ 195  Lederer, Open Data, S. 109; BGH JZ 1970, 34, 56 mit abl. Anm. Schmidt; Meissner / Schenk, in: Schoch / Schneider / Bier (Hrsg.), VwGO, § 55 Rn. 13. 196  Lederer, Open Data, S. 109. 197  Resolution 217 A (III) vom 10.12.1948. 198  BGBl. II 1973, 1533.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff67

tionsfreiheit auch in Bezug auf staatliche Informationen ergibt sich aus Art. 19 Abs. 2 ­IPdpR. c) Übereinkommen von Aarhus Das Übereinkommen von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten aus dem Jahr 1998 wurde durch Deutschland199 ratifiziert.200 Dieses schafft im Bereich des Umweltrechts jedoch nur einen bereichsspezifischen Zugang zu (staatlichen) Informationen, vgl. Art. 4 f., 7 f. des Übereinkommens. d) Art. 6 Abs. 1 EMRK Supranational regelt Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vom 04.11.1950 den Fair Trial-Grundsatz. Der konkrete Regelungsgehalt des Art. 6 Abs. 1 EMRK ist jedoch umstritten.201 Die Vorschrift regelt neben dem Fair TrialGrundsatz ausdrücklich die öffentliche Verhandlung.202 Letztere ist jedoch Ausdruck eines fairen Verfahrens, da sie dem Schutz der Verfahrensbeteiligten dient.203 Die Nachprüfung der Einhaltung dieser Voraussetzungen muss als Minus dessen in dem Recht enthalten sein. Die EMRK gilt ausdrücklich nur für das zivil- und strafrechtliche Verfahren. Daher besteht ferner Uneinigkeit, ob die Vorschrift auch auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren Anwendung findet.204 Die Öffentlichkeit erstreckt sich vor allem auf die Drittöffentlichkeit.205

199  Vgl.

BGBl. II 2006, 1251. EU hat das Übereinkommen ebenfalls genehmigt und Inhalte hieraus übernommen, vgl. https: /  / treaties.un.org / Pages / ViewDetails.aspx?src=IND&mtdsg_no= XXVII-13&chapter=27&clang=_en#EndDec. 201  Zur Medienöffentlichkeit nach Art. 6 EMRK, vgl. Scherer, ZAöRV Band 39 (1979), S. 38, 38 ff. 202  Hierzu ausführlich Morscher / Christ, EuGRZ 2010, 272 272 ff. 203  Valerius, in: Graf (Hrsg.), BeckOK StPO, Art. 6 EMRK Rn. 18. 204  EuGH NJW 2010, 3208 für Disziplinarverfahren von Beamten, der arbeitsund dienstrechtliche Streitigkeiten bei Beamten der Zivilgerichtsbarkeit zuordnet; Meissner / Schenk, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, § 55 Rn. 13. A. A. Kissel /  Mayer, GVG, § 169 Abs. 1 Rn. 83 mit Verweis auf EGMR NJW 1982, 2741, 1991, 623. 205  Esser, in: Erb u. a. (Hrsg.), Löwe-Rosenberg, StPO, Band 11, Art. 6 EMRK, Rn. 380; Morscher / Christ, EuGRZ 2010, 272, 272 f. 200  Die

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Das Gesetz vom 07.08.1952 zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten stellt die Umsetzung der EMRK in nationales Gesetz dar,206 so dass Art. 6 EMRK auch für die nationalen Gerichte von Bedeutung ist und eine Auslegungshilfe für das sonstige nationale Recht, vor allem §§ 169 ff. GVG207, darstellt.208 Dieser Auffassung wird in Anlehnung an den Wortlaut entgegengehalten, dass es sich um einen individuell geltenden Anspruch handelt und damit Art 6 EMRK unmittelbar geltendes Recht ist.209 Dieser Streit ist im Folgenden jedoch unerheblich, da § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG einen ähnlichen Wortlaut und Inhalt besitzt.210 Aus Art. 6 EMRK wird zudem ein Anspruch auf (voraussetzungslosen) Zugang zu Gerichtsentscheidungen abgeleitet.211 In Art. 6 Abs. 1 Satz 2 2. Hs EMRK werden die Fälle genannt, in denen die Öffentlichkeit beschränkt werden kann. Diese sind die Moral, die öffentliche Ordnung oder die nationale Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft. Darüber hinaus kann ein Öffentlichkeitsausschluss gerechtfertigt sein, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder – soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält – wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. Entsprechende nationale Vorschriften finden sich in §§ 170 ff. GVG.212 Darüber hinaus gewährt Art. 10 EMRK die Informationsfreiheit. Hierbei geht es jedoch primär um die Abwehr staatlichen Einflusses und weniger um den Erhalt staatlicher Informationen.213 In Einzelfällen kann ein Anspruch auf Informationen gegenüber dem Staat jedoch bestehen.214 Daher wird Art. 10 EMRK auch eine objektive Dimension neben dem ausdrücklich ge-

206  Meissner / Schenk,

in: Schoch / Schneider / Bier (Hrsg.), VwGO, § 55 Rn. 13. 74, 358, 370; Kissel / Mayer, GVG, § 169 Rn. 82; Meissner / Schenk, in: Schoch / Schneider / Bier (Hrsg.), VwGO § 55 Rn. 13. 208  BGBl II 1952, S. 685; BVerfG NJW 2001, 1633, 1635. 209  Meissner / Schenk, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, § 55 Rn. 13; Zimmermann, in: Krüger / Rauscher (Hrsg.), MüKo ZPO, Band 3, § 169 GVG Rn. 5; Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, S. 244 f.; Kissel / Mayer, GVG, § 169 Rn. 82; W.-R. Schenke, in: Kopp / Schenke (Hrsg.), VwGO, § 55, Rn. 2; vgl. auch EGMR NJW 1979, 477, 477 ff. 210  Meissner / Schenk, in: Schoch / Schneider / Bier (Hrsg.), VwGO, § 55 Rn. 13. 211  Mensching, in: Karpenstein / Mayer, EMRK, Art. 10 Rn. 21 m. w. N. 212  Valerius, in: Graf (Hrsg.), BeckOK StPO, Art. 6 EMRK Rn. 20. 213  Lederer, Open Data, S. 112; Grote / Wenzel, in: Dörr / Grote / Marauhn (Hrsg.), EMRK / GG, Kap. 18 Rn. 16, 50. 214  Vgl. EGMR, Urt. v. 14.04.2009  – 37374 / 05; EGMR, Urt. v. 10.07.2006  – 19101 / 03; Lederer, Open Data, S. 112. 207  BVerfGE



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff69

nannten Abwehrrecht zuerkannt.215 So hat der EGMR bestätigt, dass das Recht auf Zugang zu Informationen insbesondere für Journalisten aus Art. 10 EMRK einen zivilrechtlichen Anspruch darstellt.216 2. Europarecht und Öffentlichkeitsgewähr Neben den völkerrechtlichen Verträgen, die durch die EU ratifiziert wurden und damit auch als Europarecht Anwendung finden, gibt es folgende primär- und sekundärrechtliche EU-Regelungen, die die Öffentlichkeit staatlicher Verfahren und den Zugang zu Informationen regeln. a) Art. 42 und 47 Abs. 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GCR) Eine wichtige originäre europäische Rechtsquelle in diesem Zusammenhang ist die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GCR)217. In deren Präambel wird es zur wirksamen Entwicklungsförderung als notwendig angesehen, angesichts der Weiterentwicklung der Gesellschaft, des sozialen Fortschritts und der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen den Schutz der Grundrechte zu stärken, indem sie in einer Charta sichtbarer gemacht werden. Aber nicht nur die Rechte werden durch die Europäische Union sichtbar gemacht; auf dieser Grundlage strebt die Union auch eine offene bürgerfreundliche Informationsstruktur an. Art. 11 Abs. 1 Satz 2 GCR sichert als Freiheitsrecht die Informationsfreiheit und verbietet somit informationsbeschränkende hoheitliche Eingriffe. Gleichzeitig wird die Zugangsgewährung zu Dokumenten der Europäischen Union normativ fixiert, vgl. Art. 42 GCR. Hiernach haben Unionsbürger sowie darüber hinaus jede sonstige natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat das Recht auf Zugang zu den 215  Grote / Wenzel,

in: Dörr / Grote / Marauhn (Hrsg.), EMRK / GG, Kap. 18 Rn. 16. Urt. v. 31.07.2012  – 45835 / 05, Rn. 67 ff.  – Shapovalov v. Ukraine; Rupp, MMR-Aktuell 2012, 337781. Vgl. auch EGMR, Urt. v. 25.06.2013 – 48135 / 06 Rn. 20, 22 ff. – Youth Initiative for Human Rights v. Serbia; Partsch, NJW 2013, 2858, 2860; Partsch, K&R, 2014, 145, 146; Weberling, Auskunftspflichten staatlicher Behörden gegenüber Medien, abrufbar unter: http: /  / www.kas.de / wf / doc / kas_111131442-1-30.pdf?131028120721, S. 4 ff.; a. A. BVerwG NVwZ 2013, 1006, 1007, das einen entsprechenden Anspruch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG herleitet; OVG Nordrhein-Westfalen ZUM-RD 2014, 307, 322; BayVGH NJW 2014, 1687, 1688 f.; Schulz, in: Paschke / Berlit / Meyer (Hrsg.), Gesamtes Medienrecht, Art, 10 EMRK, Rn. 23; Cornils, in: Gersdorf / Paal (Hrsg.), BeckOK Informations- und Medienrecht, Art. 10 EMRK, Rn. 20; Schoch, DÖV 2006, 1, 3. 217  ABl. 2000 / C 364 / 01. 216  EGMR,

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Dokumenten des Europäischen Parlaments218, des Rates219 und der Kommission220. Auch andere europäische Institutionen sind einer aktiven Informationspolitik unterstellt.221 Darüber hinaus besitzt jeder das Recht nach Art. 47 Abs. 2 GRC, dass seine Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Die Tragweite dessen wird insoweit durch Art. 52 Abs. 1 GRC charakterisiert, dass jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein muss und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten muss. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Die GRC und die EMRK besitzen hinsichtlich gleicher Regelungen auch eine gleiche Bedeutung und Tragweite, vgl. Art. 52 Abs. 3 GRC. b) Art. 1 Abs. 2 Vertrag über die Europäische Union (EUV) Die Europäische Union hat sich in ihrem Vertrag, der ihren Aufbau und ihre Grundlagenbestimmungen enthält, in dem unter anderem ihre Ziele, Werte und Fundamentalprinzipien normiert sind, an vorderster Stelle in Art. 1 Abs. 2 EUV zur Aufgabe gemacht, ihre Entscheidungen möglichst offen und bürgernah zu treffen.222

218  Der Beschluss des Präsidiums über den Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, ABl. Nr. C 374 vom 29 / 12 / 2001 (2001 / C 374 / 01) regelt den Umgang mit diesen Dokumenten. 219  Beschluß des Rates vom 20. Dezember 1993 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten (93 / 731 / EG). 220  Kommissionsdokumente werden aufgrund des Kommissionsbeschlusses vom 12.12.2011 über die Weiterverwendung von Kommissionsdokumenten (2011 / 883 / EU) über das Open Data Portal der Europäischen Union frei zugänglich gemacht. 221  Vgl. die Verordnung (EG) Nr. 1049 / 2001, auf deren Grundlage die Öffentlichkeit einen Zugang zu Dokumenten im Besitz der Organe weitreichend gewährt. Aber auch die Europäische Investitionsbank ist dem Open Data-Gedanken unterworfen, vgl. deren Bestimmungen über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der Bank (2002 / C 292 / 08). KOM (2007) 185. 222  Zur Informationszugangsfreiheit im EU-Recht vgl. umfassend Schoch, IFG, Einl. Rn.  88 ff.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff71

c) Art. 15 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Die Europäische Union hat maßgeblich die Öffentlichkeit hoheitlichen Handelns in Europa geprägt. Auch bezüglich des Handelns ihrer Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung hat sie den Grundsatz der Offenheit in Art. 15 (Abs. 1) AEUV verankert. Hierdurch soll eine verantwortungsvolle Eigenverwaltung der Europäischen Union gefördert und die Beteiligung der Zivilgesellschaft sichergestellt werden. So tagt das Europäische Parlament öffentlich. Dieser Grundsatz gilt auch für den Rat, wenn er über Entwürfe zu Gesetzgebungsakten berät oder abstimmt, vgl. Art. 15 Abs. 2 AEUV. Zudem hat jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsgemäßem Sitz in einem Mitgliedstaat das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, unabhängig von der Form der für diese Dokumente verwendeten Träger, Art. 15 Abs. 3 UAbs. 1 AEUV. So haben nach Art. 15 Abs. 3 UAbs. 3 AEUV die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Europäischen Union die Transparenz ihrer Tätigkeit zu gewährleisten.223 Hierfür legen sie, sofern es keine ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmungen gibt, in ihren Geschäftsordnungen Sonderbestimmungen hinsichtlich des Zugangs zu ihren Dokumenten fest. Der Bürger erhält die gewünschten Informationen auf Antrag gegenüber dem Generalsekretariat der Europäischen Kommission oder der ansonsten zuständigen Stelle.224 d) Bereichsspezifisches Sekundärrecht Darüber hinaus hat die Europäische Union im Rahmen ihrer Zuständigkeiten bereichsspezifische Rechtsakte erlassen225 und hierdurch die Förderung der verfahrensbezogenen Öffentlichkeit in den Nationalstaaten angestoßen. aa) Richtlinie 2003 / 4 / EG Die Richtlinie 2003 / 4 / EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umwelt­ informationen dient der Umsetzung des Übereinkommens von Aarhus von 223  Vgl. u. a. Verordnung (EG) 1049 / 2001 vom 30.05.2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl. L 145 S. 43. 224  Albrecht, in: Albrecht (Hrsg.), Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 15. 225  Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung darf die Europäische Union nur Rechtsakte in Zuständigkeitsbereichen erlassen, die ihr vorher durch Vertrag von den Mitgliedsstaaten übertragen wurden, vgl. Art. 5 EUV.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

1998. Sie gibt den Nationalstaaten einen Normierungsrahmen hinsichtlich des Zugangs zu Informationen in Umweltangelegenheiten, die bei Behörden vorhanden sind, vor. Hierdurch wird neben der Informationserlangung auf Antrag auch eine aktive Informationserteilung durch die Behörden bewirkt. bb) Richtlinie 2003 / 98 / EG Auch die Weiterverwendung von (öffentlichen) Informationen aus dem öffentlichen Sektor wird durch die europäische Richtlinie 2003 / 98 / EG gefördert. Die hier getroffenen Vorgaben werden durch das Informationsweiterverwendungsgesetz in Deutschland umgesetzt.226 Diese Richtlinie wurde durch die Richtlinie 2013 / 37 / EU geändert. 3. Verfassungsrecht und Öffentlichkeitsgewähr Darüber hinaus ist die Öffentlichkeit staatlichen Handelns auch verfassungsrechtlich abgesichert,227 auch wenn dies – wie noch in der Preußischen Verfassung228 – nicht mehr ausdrücklich für die Gerichtsöffentlichkeit der Fall ist. Alle Gewalt geht nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG vom Staatsvolk aus. Damit dieses in der Lage ist, die bestehende Gewalt einsetzen zu können, bedarf es einer Kontrollmöglichkeit, welche sich durch das öffentliche Handeln der Staatsgewalten ergibt.229 Daraus folgt, dass einfachgesetzliche Regelungen wie § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht der Ursprung des Öffentlichkeitsgrundsatzes sind, sondern nur verfassungsrechtliche Vorgaben näher konkretisieren. Die dahinterstehenden Verfassungsgrundsätze zeigen indes auf, welche Anforderungen und Vorgaben die Verfassung an die (Gerichts-)Öffentlichkeit stellt. a) Ausdrückliche Normierung des Öffentlichkeitsgrundsatzes Der Verfassungsgeber hat für die Legislative den Grundsatz der Öffentlichkeit als Prinzip in Art. 42 Abs. 1 Satz 1, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 52 226  Vgl.

144.

zu den hierzu bestehenden Rechtsfragen, Beyer-Katzenberger, DÖV, 2014,

227  Zu den verfassungsrechtlichen Absicherungen der Gerichtsöffentlichkeit in anderen europäischen Ländern vgl. Stürner, in: Heckmann / Schenke / Sydow (Hrsg.), FS Würtenberger, S.  925 f. 228  Vgl. Art. 93 Preußische Verfassung laut Verfassungsurkunde vom 31.01.1850. 229  BVerfGE 103, 44, 63  f.; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 28.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff73

Abs. 3 Satz 3, Art. 82 GG exemplarisch in der Verfassung geregelt. Auch Parteien, die eine wesentliche Rolle im demokratischen Gesetzgebungsprozess spielen und damit den „Rang einer verfassungsrechtlichen Institution“230 einnehmen, besitzen ausdrücklich normiert öffentliche Rechenschaftspflichten nach Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG. Daneben regelt das Grundgesetz partiell auch öffentliches Handeln im Rahmen der Exekutive, vgl. Art. 91d, Art. 109a Satz 2, Art. 129 Abs. 1 Satz 2, Art. 145 Abs. 1, Abs. 3 GG. Aus den konkret aufgestellten Regelungen zum öffentlichen Handeln des Staates kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass der Öffentlichkeitsgrundsatz sich auf die eindeutig normierten Fälle beschränkt und mangels ausdrücklicher Regelung nicht für die Judikative gilt. Das Fehlen einer solchen Regelung hindert daher nicht, einen Öffentlichkeitsgrundsatz auch für die dritte Gewalt unmittelbar aus der Verfassung abzuleiten und ihm damit Verfassungsrang zuzuerkennen.231 Vielmehr deutet diese durch den Verfassungsgeber vorgenommene Präzisierung für das legislative Handeln bereits an, dass staatliches Handeln prinzipiell der Öffentlichkeit bedarf, so dass von einem „allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip“232 ausgegangen werden kann. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG normiert ausdrücklich lediglich, dass jeder sich aus öffentlich zugänglichen Quellen frei informieren darf. Über die Öffnung einer Quelle kann jedoch der Staat eigenständig frei entscheiden.233 Er wird aufgrund der Informationsfreiheit zur Quellenöffnung nicht veranlasst. Den Öffentlichkeitsgrundsatz kann diese Vorschrift daher nicht direkt stützen. Sie stellt lediglich in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG die Verpflichtung auf, dass eine öffentlich gemachte Information über einen gleichberechtigten Zugang für jedermann zugänglich sein muss. b) Mittelbare Verankerung des Öffentlichkeitsgrundsatzes in den Staatsstrukturprinzipien Neben der ausdrücklichen Normierung der Öffentlichkeitsgewähr in bestimmten Kontexten enthält das Grundgesetz einen allgemeinen gewalten230  BVerfG

NJW 1952, 1407, 1409; BVerfG NJW 1986, 2487, 2490. 103, 44, 65 f.; BVerfGE 70, 324, 358; Pieroth, in: Erichsen / Kollhosser / Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, S. 254; Coelln, in: Maunz / SchmidtBleibtreu / Klein / Bethge (Hrsg.), BVerfGG, § 17a Rn. 9 m. w. N. hierzu auch Stürner, in: Heckmann / Schenke / Sydow(Hrsg.), FS Würtenberger, S. 926; Stürner, JZ 2001, 699, 700; Stürner, in: Grunsky u. a. (Hrsg.), FS Baur, S. 660; Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 576, a. A. noch BVerfGE 4, 74, 94; BVerfGE 15, 303, 307. 232  BVerfGE 70, 324, 358. 233  Der Versuch, 2013 das Informationszugangsrecht grundrechtlich in Art. 2a GG-E abzusichern, scheiterte, vgl. BT-Drs. 17 / 9724. 231  BVerfGE

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

übergreifenden Grundsatz der Öffentlichkeit für hoheitliches Handeln.234 Die Herleitung dieses Prinzips ist noch nicht abschließend geklärt. So kann Bezug genommen werden auf die Gesamtschau der ausdrücklich normierten Fälle zur Schaffung von Öffentlichkeit. Des Weiteren wird der Öffentlichkeitsgrundsatz vielfach aus den Staatsstrukturprinzipien – primär dem Demokratieprinzip235 sowie dem Rechtsstaatsprinzip – abgeleitet.236 Während für die Legislative und Exekutive weitreichende Präzisierungen der Öffentlichkeitsgewähr bereits durch das Grundgesetz erfolgt sind, ist die Existenz und die Ausgestaltung des allgemeinen Öffentlichkeitsgrundsatzes für die Judikative von besonderer Bedeutung, da es hierzu keine ausdrücklichen Vorgaben im Grundgesetz gibt. Inwieweit dieses allgemeine Öffentlichkeitsprinzip auch für die Judikative als Verfassungsrechtssatz237 Anwendung findet, ist allerdings umstritten.238 So wurde in der Vergangenheit angeführt, dass der Öffentlichkeitsgrundsatz im Rahmen der dritten Gewalt lediglich eine Prozessmaxime239 darstelle. Die Ablehnung eines Verfassungsgrundsatzes hinsichtlich der Gerichtsöffentlichkeit wurde argumentativ darauf gestützt, dass der Bürger grundsätzlich nicht dazu im Stande sei, die Rechtmäßigkeit richterlicher Handlungen tatsächlich nachzuprüfen.240 Gegen dieses Argument wird jedoch angeführt, dass die Gewährleistung von Gerichtsöffentlichkeit nicht unmittelbar zur Aufgabe hat, rechtmäßiges staatliches Handeln zu bewirken, sondern auch über die Beeinflussung legislativen Handelns eine „Akzeptanz- und Integrations(be)wirkung“ besitzt.241 Zudem kann bereits die Anwesenheit von Dritten ein unangemessenes richterliches Verhalten verhindern. 234  Vgl. BVerfGE 103, 44, 63 ff.; BVerfGE 70, 324, 358; vgl. Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, S. 210. 235  BVerfGE 103, 44, 63. 236  Coelln, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge (Hrsg.), BVerfGG, § 17a Rn.  9 m. w. N.; Stürner, in: Heckmann / Schenke / Sydow(Hrsg.), FS Würtenberger, S. 926. 237  BVerfGE 103, 44, 63. 238  Bejahend: Coelln, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge (Hrsg.), BVerfGG, § 17a Rn. 9 m. w. N., BVerfGE 103, 44, 63; Stürner, JZ 2001, 699, 700; wohl auch Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 42 Rn. 60; ablehnend BVerfGE 15, 303, 307; BVerfG NJW 2002, 814, 814; Kissel / Mayer, GVG, § 169 Rn. 2; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 55 Rn. 2; Meissner / Schenk, in: Schoch / Schneider / Bier (Hrsg.), VwGO § 55 Rn. 12; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S.  74 f.; Hartmann, in: Baumbach [u.a] (Hrsg.), ZPO, Übers § 169 GVG Rn. 3; Endemann, in: Fürst / Herzog / Umbach (Hrsg.), FS Zeidler, Band 1, S. 415. 239  BVerfGE 15, 303, 307. 240  Vgl. Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 34; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 74 f. 241  Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 34; Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Band III, § 42 Rn. 60.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff75

Ferner wird die Einordnung als Verfassungsgrundsatz abgelehnt, um die Gerichte gegen die vermeintliche Einflussnahme der Öffentlichkeit zu schützen.242 Dies ist jedoch sachfremd, da eine solche Einflussnahme unabhängig davon möglich ist, wie man den Öffentlichkeitsgrundsatz dogmatisch einordnet; ganz abgesehen davon, dass es im Spannungsfeld von Öffentlichkeitsgewähr und richterlicher Unabhängigkeit durchaus zulässige Einwirkungen durch die Öffentlichkeit geben mag. Das wäre etwa dann der Fall, wenn die Anwesenheit von Zuschauern im Gerichtssaal den Richter an die Einhaltung des geltenden Rechts erinnert. Genau diese Kontroll- und Disziplinierungswirkung gehört auch zu den Funktionen von Gerichtsöffentlichkeit. Die Gegenauffassung basiert zudem auf der fehlerhaften Einschätzung, dass ein Verfassungssatz nicht eingeschränkt werden könne.243 Dieser letztgenannten Auffassung hat nunmehr jedoch das Bundesverfassungsgericht widersprochen, indem es dem Gesetzgeber einen gesetzgeberischen Ausgestaltungsspielraum auch bei Verfassungsgrundsätzen zugesprochen hat.244 Eine gesetzgeberische Abschaffung oder derartige Beschneidung, dass dieser Grundsatz seine Aufgabe nicht mehr erfüllen kann, ist hingegen nicht zulässig.245 Verschiedene Bundesgerichte erkennen inzwischen auch an, dass die Öffentlichkeit im Gerichtsverfahren nicht lediglich eine einfachrechtliche Prozessmaxime darstellt,246 sondern sich ebenfalls unmittelbar aus der Verfassung ableiten lässt.247 Die Wertung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1963 wird in der Folge nicht mehr aufgegriffen und kann damit als überholt angesehen werden.248 Auch das Bundesverfassungsgericht erkennt nämlich nunmehr den Verfassungsrang des Öffentlichkeitsprinzips für ge242  Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 34; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S.  74 f.
 243  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S.  220; Coelln, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge (Hrsg.), BVerfGG, § 17a Rn. 9; Kissel / Mayer, GVG, § 169 Rn. 2; Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 36.
 244  BVerfGE 103, 44, 63 f.; vgl. Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S.  220 f.; Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, S. 210.
 245  Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, S. 244; vgl. Strauch, in: Triffterer / Zezschwitz (Hrsg.), FS Mallmann, S. 355; Meissner / Schenk, in: Schoch / Schneider / Bier (Hrsg.), VwGO, § 55 Rn. 12. 246  So noch BVerfGE 15, 303, 307. 247  BVerfGE 70, 324, 358; BVerfGE 103, 44, 63; sowie abweichende Meinung des Richters Kühling, der Richterin Hohmann-Dennhardt und des Richters HoffmannRiem zum Urteil des Ersten Senats vom BVerfGE 103, 44, 72; BGHSt 2, 56, 57. 248  Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kon­ trolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 9.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

richtliche Verfahren an.249 Dieser Auffassung folgend bedarf es jedoch der Überprüfung, worauf sich das Öffentlichkeitsprinzip stützt, da ein Prinzip mit Verfassungsrang zumindest im Grundgesetz angelegt sein muss.250 Im Folgenden wird daher aufgezeigt, auf welchen verfassungsrechtlichen Vorgaben der allgemeine Öffentlichkeitsgrundsatz fußt und welche darüber hinausgehenden Regelungen die Öffentlichkeitsgewähr prägen. aa) Das Demokratieprinzip und die Öffentlichkeit Das in Art. 20 Abs. 1 GG niedergelegte Demokratieprinzip dient als Staatsstrukturprinzip der Gestaltung unserer Gesellschaftsordnung. Staatsstrukturprinzipien wirken zunächst objektiv, d. h. subjektive Individualrechtspositionen können aus ihnen nur bedingt abgeleitet werden.251 Dennoch können sich hieraus unmittelbare Pflichten für den Staat sowie die Justiz ergeben.252 Eine dieser Pflichten ist, staatliches Handeln derart zu gestalten, dass den bestehenden Staatsstrukturen weitestgehend entsprochen wird. Hierzu gehört auch die Einbindung der Bevölkerung, von der nach Art. 20 Abs. 2 GG die Staatsgewalt ausgeht. Die Ausgestaltung des Demokratieprinzips ist wie bei allen anderen verfassungsrechtlichen Strukturelementen aufgrund der offenen Formulierung näher durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung sowie durch Auslegung zu bestimmen. Letztere wird besonders durch die im Grundgesetz enthaltenen Konkretisierungen beeinflusst.253 Insbesondere das legislative Handeln wird durch das Grundgesetz weiter präzisiert. In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgeber das Bestehen eines Öffentlichkeitsgrundsatzes explizit normiert, vgl. Art. 42 Abs. 1 Satz 1, Art. 52 Abs. 3 Satz 3, Art. 82 GG. Der Grundsatz der demokratischen Öffentlichkeit254 leitet sich allerdings bereits unmittelbar aus dem Demokratieprinzip ab,255 da nur die Öffentlich249  BVerfGE 103, 44, 63; Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 9 f.; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 165; Stürner, JZ 2001, 699, 700; Kaulbach, JR 2011, 51, 52; a. A. Kissel / Mayer, § 169, Rn. 2. 250  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 15. 251  Bethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge (Hrsg.), BVerfGG, § 90 Rn. 44, 107; siehe auch Bethge, in: Depenheuer u. a. (Hrsg.), FS Isensee, S. 621 ff., 624 ff. 252  BVerwGE 104, 105, 109. 253  Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 12. 254  Zum Begriff der demokratischen Öffentlichkeit Holznagel, VVDStRL Band 68 (2009), S. 381, 383 ff.; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 21.



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keit im Rahmen staatlicher Entscheidungsprozesse die Meinungs- und Willensbildung in der bürgerlichen Sphäre insoweit ermöglicht.256 Auch das Bundesverfassungsgericht erkennt inzwischen einen auf dem Demokratieprinzip beruhenden allgemeinen Öffentlichkeitsgrundsatz an.257 Die „Herrschaft des Volkes“ ist nämlich nur realisierbar, wenn dieses über die Vorgänge im Land und die staatlich getroffenen Maßnahmen informiert wird. Die konkrete Reichweite eines Gebots zu öffentlichem staatlichem Handeln ist kongruent zu dem Bedürfnis nach Öffentlichkeit der entsprechenden demokratischen Aufgabenerfüllung, insbesondere im Hinblick auf die demokratische Willensbildung.258 Dem Gesetzgeber kommt jedoch bei der konkreten Ausgestaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes ein Handlungsspielraum zu, um grundrechtlich verbürgte Freiheiten zu schützen und anderen Staatsstrukturprinzipien zur Geltung zu verhelfen.259 Grzeszick nimmt demgegenüber auch ohne die einfachgesetzliche Ausgestaltung die „Verdichtung des Öffentlichkeitsprinzips zu einer Rechtsregel“ in den Fällen an, die „wesentliche Belange der Allgemeinheit“ betreffen.260 Betrifft die hoheitliche Tätigkeit hingegen nur wenige Bürger, besteht nach Auffassung von Grzeszick keine Konkretisierung zu einem Rechtsanspruch.261 Auch eine bereits erfolgte rechtliche Konkretisierung der staatlichen Handlung durch den Gesetzgeber soll das Bedürfnis eines unmittelbar aus der Verfassung ableitbaren Rechtsanspruches auf Öffentlichkeit entfallen lassen.262 Diese Fokussierung auf den präventiven Willensbildungsprozess würde einen durchsetzbaren Anspruch auf Öffentlichkeit im justiziellen Zusammenhang wohl ausschließen, da Aufgabe der Justiz die Überprüfung 255  Es „waren […] nicht die historischen Verfechter der Gerichtsöffentlichkeit, sondern gerade ihre Gegner, die den Gedanken der Demokratie ins Feld führten. Sie befürchteten (zu Recht), die Gerichtsöffentlichkeit begünstige die Bildung einer öffentlichen – demokratischen – Meinung, unter deren Druck der absolute Machtanspruch des Regenten beschnitten werde.“ Franke, Die Bildberichterstattung über den Angeklagten und der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafverfahren, S. 39; vgl. auch Fögen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, S. 49 ff. m. w. N. 256  Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 21; Kühling, DVBl. 2008, 1098, 1099 f.; Holznagel, VVDStRL 68 (2009), S. 381, 385 ff. 257  BVerfGE 70, 324, 358; BVerfGE 103, 44, 63 ff.; Kreicker, ZIS-Online 2017, 85, 86; vgl. hierzu auch Horn, VVDStRL Band 68 (2009), S. 413, 435 f. 258  Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 21 f. 259  Hierbei ist zu beachten, dass die Grundrechtsnormen, d. h. auch Staatsstrukturprinzipien, eine Gebotsnatur besitzen können, die „die optimale Realisation im Rahmen des Möglichen ‚gebieten‘ “, Lerche, in: Burgmeister (Hrsg.), FS Stern, S. 204 f., 209. 260  Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 22. 261  Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 22. 262  Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 22.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

dargebrachter Sachverhalte anhand bestehender Rechtsnormen ist.263 Diese Auffassung ist jedoch als zu eng anzusehen, zumal die Judikative Akte der Legislative durch ihre Rechtsprechung konkretisiert und dadurch modelliert. Hierdurch wird Rechtsprechung zu einem wesentlichen Belang für die Allgemeinheit, da potentiell jeder Bürger mit Gesetzesprägungen durch die Rechtsprechung sowie richterlicher Rechtsfortbildung konfrontiert ist. Zusätzlich muss besonders der Grundsatz der Gewaltenteilung hierbei Berücksichtigung finden; nur durch ein öffentliches Handeln der Justiz ist es der Legislative überhaupt möglich zu überprüfen, ob die von ihr erlassenen Gesetze auch entsprechend umgesetzt werden oder ob gegebenenfalls eine Nachbesserung erforderlich ist. Daher existiert der Grundsatz der Gerichtsöffentlichkeit unabhängig vom Bestehen der Regelung des § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG. Somit kann das Demokratieprinzip als Grundlage für die verfassungsrechtliche Ableitung und Auslegung der Gerichtsöffentlichkeit herangezogen werden.264 Deren Ausgestaltung kann aber durch den Gesetzgeber modifiziert werden. Das allgemeine Öffentlichkeitsprinzip besitzt als eine bedeutende Ausprägung das Recht auf Zugang zu staatlichen Informationen, die für eine individuelle bzw. öffentliche Meinungsbildung relevant sind. Diesbezüglich wird zumindest durch das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf Gerichtsentscheidungen ein originärer Anspruch des Bürgers auf Veröffentlichung aus der Verfassung abgeleitet.265 bb) Das Rechtsstaatsprinzip und die Öffentlichkeit Der Öffentlichkeitsgrundsatz findet darüber hinaus seine Stütze im Rechtsstaatsprinzip.266 Dieses ist elementar für die Art und den Charakter der beste263  A. A. wohl BVerwGE 104, 105, 109 das einen direkten Anspruch auf Veröffentlichungen von Gerichtsentscheidungen aus dem Rechtsstaats-, dem Demokratiegebot und dem Gewaltenteilungsgrundsatz ableitet. 264  BVerwGE 104, 105, 109; vgl. auch Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 80; Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse, S. 77; Arndt, NJW 1960, 423, 424; Stürner, in: Grunsky u. a. (Hrsg.), FS Baur, S. 660; Stürner, JZ 1980, 1, 6; Zimmermann, in: Krüger / Rauscher (Hrsg.), MüKo ZPO, Band 3, § 169 Abs. 1 Rn. 3; Bäumler, JR 1978, 317, 319 f.; BGHSt 2, 56, 57; BGHSt 4, 279, 283; BVerwG NJW 1997, 2694, 2695; Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 576. 265  BVerwGE 104, 105, 109. Der VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.07.2010 – 1 S 501 / 10 hat als Rechtsgrundlage der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen in Baden-Württemberg § 18 Abs. 1 Nr. 2 LSDG benannt. 266  BVerfGE 103, 44, 63; BVerfG NVwZ 2001, 790; Meissner / Schenk, in: Schoch / Schneider / Bier (Hrsg.), VwGO § 55 Rn. 12, Stürner, in: Heckmann / Schenke / 



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff79

henden staatlichen Ordnung.267 Das Rechtsstaatsprinzip selbst ist im Gegensatz zu den übrigen Staatsstrukturprinzipien nicht ausdrücklich in Art. 20 GG verortet.268 Allerdings werden verschiedene Ausprägungen des Grundsatzes dort genannt, so dass ebenfalls eine entsprechende Herleitung teilweise auch zusammen mit Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG vorgenommen wird.269 Andere Stimmen leiten das Rechtsstaatsprinzip aus einer Gesamtschau der grundrechtlichen Ordnung ab.270 Das Rechtsstaatsverständnis ist sehr weit gefasst und wandelbar.271 Aufgrund seiner überragenden Bedeutung für unser Staatssystem leitet sich daher eine Vielzahl von untergeordneten Prinzipien, welche jedoch alle das einheitliche Ziel der Wahrung und des Schutzes bürgerlicher Freiheiten verfolgen, aus dem Rechtsstaatsprinzip ab.272 Diese einzelnen Ausprägungen ergeben sich teilweise auch aus einer Gesamtbetrachtung der verfassungsrechtlich verankerten Regelungen.273 Hierbei ist zu beachten, dass aus dem Rechtsstaatsprinzip alleine grundsätzlich noch kein Recht des Einzelnen abgeleitet werden kann.274 Der bürgerliche Rechtsstaat hat jedoch aufgrund der rechtsstaatlichen Vorgaben verschiedene „organisatorische Kriterien“ zu wahren.275 Eines dieser organisatorischen Kriterien stellt die Schaffung von Öffentlichkeit bei staatlichem Handeln, insbesondere bei Gerichtsverfahren dar.276 So vielfältig die Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips sind, so verschiedenartig erfolgt die Zuordnung der Schaffung von Öffentlichkeit im staatlichen Kontext zu bereits bestehenden rechtsstaatlichen Elementen.277 Hierbei wird größtenteils Sydow (Hrsg.), FS Würtenberger, S. 926; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 101. 267  Vgl. Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 37. 268  Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 35. 269  Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 35; Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR Band II, § 26 Rn. 3; Herzog, in Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 32 f.; BVerfGE 63, 343, 353. 270  Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 35; BVerfGE 2, 380, 403. 271  Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 6; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 36. 272  Schmitt, Verfassungslehre, S.  126 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR Band II, § 26 Rn. 69; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 11, 22 ff., 49 ff. 273  Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 36; Stern, Staatsrecht, Band I, S. 781; BVerfGE 7, 89, 92 f.; BVerfGE 25, 269, 290; BVerfGE 52, 131, 144. 274  König, DÖV 2000, 45, 51; vgl. Lübbe-Wolff, DÖV 1980, 594, 595; a. A. Nolte, DÖV 1999, 363, 371 mit Verweis auf BVerwGE 30, 154, 160. 275  Schmitt, Verfassungslehre, S. 130. 276  Vgl. BVerfGE 103, 44, 63. 277  Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 37.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

nach dem Handeln der einzelnen Staatsgewalten oder konkreten staatlichen Handlungen differenziert. Die Einordnungen reichen von den rechtsstaatlichen Unterprinzipien der Berechenbarkeit staatlichen Handelns278 über ein faires Verfahren279 oder der Gewährleistung von Rechtssicherheit280 bis zum Justizgewährleistungsanspruch281.282 Danach soll die rechtsstaatliche Öffentlichkeit dem Bürger Transparenz gewährleisten und ihm dabei helfen zu erfahren, welche Rechte er hat und welche staatsbürgerlichen Pflichten ihn im Gegenzug treffen, um ihm eine eigenverantwortliche Teilnahme in unserem Staatsgefüge zu ermöglichen.283 Trotz der Vielschichtigkeit der Einordnungsmöglichkeiten gibt es auch Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips, die sich nicht zur Ableitung eines Öffentlichkeitselements eignen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beispielsweise aus Art. 103 Abs. 1 GG gibt keinen Anspruch auf eine bestimmte Verfahrensweise und auch nicht darauf, dass die Verhandlung öffentlich ist – oder im Umkehrschluss auch nicht.284 Allerdings leiten die genannten Quellen kein allgemeines gewaltenübergreifendes Öffentlichkeitsprinzip aus den einzelnen Unterprinzipien ab, sondern befassen sich jeweils nur mit unterschiedlichen Einzelaspekten in Bezug auf die Schaffung von Öffentlichkeit in der staatlichen Sphäre, wie beispielsweise die Veröffentlichungspflicht von Gerichtsentscheidungen.285 Wenn man diesem Ansatz folgt, müsste für jede unterschiedliche Form der verfahrensbezogenen Öffentlichkeitsgewähr auf ein unterschiedliches Unterprinzip aus dem Rechtsstaatsprinzip abgestellt werden.286 Dieser Auffassung wird vorliegend nicht gefolgt, vielmehr wird das Gebot zur Öffentlichkeit staatlichen Handelns nachfolgend in Form eines allgemeinen gewalten- und sachverhaltsübergreifenden Öffentlichkeitsprinzips auch im Kontext des Rechtsstaatsprinzip gesehen, welchem der Charakter eines eigenen rechtsstaatlichen Elements zugebilligt wird.287 Dieses Unterprinzip des Rechtsstaatsprinzips kann der Ausprägungsgruppe zugeordnet werden, die die Anforderung an die „Ausgestaltung von Organisation und Verfahren der Ausübung der Staats­ 278  Jerschke, Öffentlichkeit der Exekutive und Informationsrecht der Presse, S.  82 f.; Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 69. 279  Stürner, in: Grunsky u. a. (Hrsg.), FS Baur, S. 660. 280  Ricker, AfP 1981, 320, 323; Dombert / Räuker, DÖV, 2014, 414, 419. 281  BVerwGE 104, 105, 109. 282  Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 37 ff. 283  BGH NJW 2017, 1819, 1820; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 37. 284  BVerfGE 15, 303 (307). 285  BVerwGE 104, 105, 109. 286  Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 39. 287  Vgl. Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII, Rn. 149.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff81

gewalt“288 näher präzisiert. Statt einer Zuordnung des Öffentlichkeitsprinzips zu einer anderen rechtsstaatlichen Gewährleistung wird damit der allgemeine rechtsstaatliche Öffentlichkeitsgrundsatz vorliegend als ein eigenes Verfahrensprinzip anerkannt. Dieses ungeschriebene Unterelement bzw. diese Ausprägung aus dem Rechtsstaatsprinzip lässt sich auch aus der Gesamtschau der organisatorischen Vorgaben mit Bezug zur Öffentlichkeit aus dem Grundgesetz ableiten. Der Anerkennung des Öffentlichkeitsprinzips als eigenständiges Element rechtstaatlichen Handelns stehen insbesondere keine anderen Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips entgegen. Insbesondere der Grundsatz der Unabhängigkeit der Richter als eigenes organisatorisches Element ist kein Hindernis.289 Wenn jede staatliche Gewalt nur der richterlichen Kontrolle unterworfen ist und diese selbst keiner öffentlichen Kontrolle unterliegt, besteht nämlich die Gefahr, dass der Rechtsstaat sich in einen „Justizstaat“290 wandelt.291 Der tendenzielle Bedeutungsverlust des politischen Prozesses ist bereits zu beobachten, in dem das Bundesverfassungsgericht die Wirkweise der Grundrechte von bloßen (passivwirkenden) Schranken zu anspruchsgewährenden „Werten bzw. Freiheiten“ schrittweise weiter interpretiert hat.292 Gleichsam hat diese Entwicklung dazu geführt, dass eine „materielle Konstitutionalisierung“ des einfachen Rechts erfolgt ist.293 Der damit erfolgte „Übergang vom parlamentarischen Gesetzgebungsstaat zum verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat“294 zeigt die zunehmende Machtverschiebung zugunsten der Justiz.295 Unabhängig von den Ursachen dieser Entwicklung und der Wertung dieser Entwicklung bedarf der erworbene justizielle Gestal288  Grzeszick,

in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 129. Verfassungslehre, S. 131. 290  Vgl. Lerche, in: Burgmeister (Hrsg.), FS Stern, S. 202  f., der eine entsprechende Tendenz aufzeigt. Zur Kritik am Richterstaat aus der Justizperspektive, die zu einer Überforderung der Richter und damit einhergehenden Beeinträchtigung der verfassungsmäßig übertragenen Aufgaben führt, vgl. Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 17. 291  Vgl. Schmitt, Verfassungslehre, S. 132. 292  Alexy, in: VVDStRL, Band 61 (2002), S. 9; vgl. Schuppert / Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung, S. 11 ff.; Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 163 ff., 167 ff. m. w. N.; vgl. BVerfG NJW 2004, 2008, 2009, BVerfGE 7, 198, 205 f.; BVerfGE 6, 55, 72; vgl. Simitis, Informationskrise des Rechts und Datenverarbeitung S.  23 ff. 293  Alexy, in: VVDStRL, Band 61 (2002), S. 10. 294  Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 190. 295  Vgl. Hermes, VVDStRL Band 61 (2002), S. 121 ff., 131 ff., wonach Bundesgerichte sogar contra legem Recht sprechen, vgl. BVerfGE 34, 269 ff.; BVerfGE 89, 214, 229 ff. Diese Entwicklung beruht aber auch auf mangelnder Tatenkraft des Gesetzgebers, Hermes, VVDStRL Band 61 (2002), S. 131. 289  Schmitt,

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

tungsspielraum umso mehr der öffentlichen Kontrolle. Dieses Kontrollbedürfnis ergibt sich aus der Tendenz der Zurückdrängung politischer Prozesse296, welche in der Folge eine Gefahr für die Gewaltenteilung und die Demokratie darstellen kann.297 Der verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsgrundsatz298 ist durch den Gesetzgeber einfachgesetzlich so zu formen, dass er seine Aufgabe als „wesentliche Bedingung des Vertrauens in die unabhängige Rechtsprechung der Gerichte“ erfüllen kann.299 Die Einordnung des Öffentlichkeitsprinzips als Verfassungssatz hindert nämlich nicht deren Einschränkung. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber einen gewissen Ausgestaltungsspielraum auch bei Verfassungsgrundsätzen zugesprochen.300 Auf diese Weise muss der Gesetzgeber insbesondere die Wahrung von anderen Staatsstrukturprinzipen oder Grundrechten gewährleisten. Lediglich eine gesetzgeberische Abschaffung oder derartige Beschneidung, dass der Öffentlichkeitsgrundsatz seine nachfolgend dargestellten Aufgaben nicht mehr erfüllen kann, ist nicht zulässig.301 cc) Das Sozialstaatsprinzip und die Öffentlichkeit Mittelbar ergibt sich der Öffentlichkeitsgrundsatz auch aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), dessen Aufgabe der soziale Ausgleich und die Herstellung einer gerechten Sozialordnung ist.302 Historisch betrachtet wurde die Grundversorgung von Bürgern, die aufgrund der zunehmenden Industrialisierung verelendet sind und den (sozialen) Anschluss an die Gesellschaft verloren haben, als Aufgabe des Staates angesehen.303 Vor diesem geschichtlichen Kontext wurde die Daseinsvorsorge in Form der materiellen Existenzsicherung eingeführt, und ideell vollzog sich ein Wandel hin zu einer hierzu Brüggemann, Die richterliche Begründungspflicht, S. 131 f. in: VVDStV, Band 61 (2002), S. 12; Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 190 f., 197. 298  Uhle, in: Heckmann / Schenke / Sydow (Hrsg.), FS Würtenberger, S. 945 m. w. N. geht von einem grundrechtsgleichen Recht aus. 299  Meissner / Schenk, in: Schoch / Schneider / Bier (Hrsg.), VwGO § 55 Rn. 12; Zimmermann, in: Krüger / Rauscher (Hrsg.), MüKo ZPO, Band 3, § 169 GVG Rn. 4. 300  BVerfGE 103, 44, 63. 301  Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, S. 244; Strauch, in: Triffterer / Zezschwitz (Hrsg.), FS Mallmann, S. 355; Meissner / Schenk, in: Schoch / Schneider / Bier (Hrsg), VwGO, § 55 Rn. 12. 302  Vgl. BVerfGE 94, 241, 263; BVerfGE 97, 169, 185; BVerfGE 110, 412, 445 f.; vgl. Scherzberg, in: Fluck / Fischer / Martini (Hrsg.), Informationsfreiheitsrecht, A I Rn. 29. 303  Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 6. 296  Vgl.

297  Alexy,



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff83

Für- und Vorsorge des Staates.304 Bereits im 18. Jahrhundert wurde in diesem Zusammenhang das Bild des mündigen Bürgers vertreten, der zur Realisierung seiner Freiheit einer sozialstaatlichen Absicherung bedarf.305 Auch heute erleben wir eine der Industrialisierung vergleichbare Gesellschaftsentwicklung durch die digitale Transformation, die jedoch auf einem anderen gesellschaftlichen Wohlstands- und Bildungsniveau erfolgt. Um eine effektive Daseinsvorsorge in der heutigen Gesellschaft zu gestalten, bedarf es neben der Gewährung eines materiellen Existenzminimums eines gleichen Zugangs zu Bildung und zu (staatlichem) Wissen. Die ersten beiden Anforderungen sind bereits heute durch die Gesetzgebung umgesetzt worden, während der gesetzliche Stand hinsichtlich des letzten Kriteriums noch nicht dem Erfordernis einer sozialen informationellen Gleichberechtigung entspricht. Materieller Mangel kann aufgrund der Ökonomisierung vieler Lebensbereiche eine soziale Ausgrenzung aus der Gesellschaft bewirken. Eine Abschneidung vom Wissen der Gesellschaft hat jedoch die gleichen Folgen, so dass ein Weg gefunden werden muss, diese Menschen am staatlichen Leben teilhaben zu lassen.306 Die Daseinsvorsorge wurde in den 1930er Jahren auch bei der Schaffung und Erhaltung von Infrastrukturen als wesentliches Grundprinzip angesehen (sog. Infrastrukturverantwortung307).308 Diese Präzisierung bezüglich der Gewährleistung einer Grundversorgung im Bereich Infrastruktur309 ist auch heute noch vor dem Hintergrund des Wissens- und Kommunikationsnetzwerks Internet von Bedeutung.310 Die IT-Infrastruktur sowie der Zugang zu Gerichten (vgl. auch den Justizgewährleistungsanspruch aus dem Rechtsstaatsprinzip) können als eine solche Infrastruktur angesehen werden. In diesem Kontext ist auch von einer „informationellen Grundversorgung“ auszugehen.311 Diese Form der Daseinsvorsorge besteht als objektiv-rechtlicher Ausdruck bezüglich Informationen, die nach Maßgabe des Demokratie- und 304  Grzeszick,

in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 6. in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 7; vgl. zur Entwicklung der sozialstaatlichen Absicherung, Stolleis, Geschichte des Sozialrechts in Deutschland. 306  Vgl. Scherzberg, in: Fluck / Fischer / Martini (Hrsg.), Informationsfreiheitsrecht, A I Rn. 28 f. 307  Hierzu ausführlich Brüning, JZ 2014, 1026, 1026 ff.; Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung. 308  Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 15. 309  Sonntag, IT-Sicherheit kritischer Infrastrukturen, S. 123 ff.; zum Infrastrukturbegriff Möllers / Pflug, in: Kloepfer (Hrsg.), Schutz kritischer Infrastrukturen, S. 49 ff. 310  Vgl. Scherzberg, in: Fluck / Fischer / Martini (Hrsg.), Informationsfreiheitsrecht, A I Rn. 28 f. 311  Lederer, Open Data, S. 215 m. w. N. 305  Grzeszick,

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Rechtsstaatsprinzips von Bedeutung sind.312 Zugleich enthält das Sozialstaatsprinzip unter dem „Vorbehalt des Möglichen“ ein Gebot der Schaffung der Voraussetzungen zur tatsächlichen Ausübung grundrechtlicher Freiheiten.313 Eine Möglichkeit des digitalen Miterlebens staatlichen Handelns könnte somit hiervon erfasst sein. Allerdings können dem Sozialstaatsprinzip grundsätzlich keine konkreten Handlungsvorgaben entnommen werden. Eine Ausnahme lässt sich lediglich für den Fall annehmen, dass der bestehende status quo nicht mehr ausreichen sollte, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.314 dd) Der Gewaltenteilungsgrundsatz und die Öffentlichkeit Der Gewaltenteilungsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG besteht in Symbiose zu dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip und ist ebenfalls sehr weitreichend zu verstehen.315 Eine Konturierung erfährt die Gewaltenteilung unter Berücksichtigung des Rechtsstaatsprinzips insbesondere mit Bezug zur Schaffung wirksamer Kontrollfunktionen der einzelnen Gewalten, um diese zu „bändigen“.316 Die dritte Gewalt wird nur mittelbar durch die Legislative kontrolliert. Damit diese überhaupt die Chance besitzt, die Auslegung und damit Konkretisierung ihrer Gesetze317 nachvollziehen zu können, bedarf sie eines Einblicks in die richterliche Rechtspraxis. c) Mittelbare Verankerung des Öffentlichkeitsgrundsatzes in den Grundrechten Die Grundrechte sind primär Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, nur sehr eingeschränkt fungieren sie auch als Leistungsrechte.318 Die Öffentlichkeit staatlichen Handelns kann vielfach dazu beitragen, dass eine grundLederer, Open Data, S. 215 m. w. N.; Schoch, IFG, Einl., Rn. 80 f. BVerfGE 33, 303, 333, 337; Sommermann in Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Band 2, Art. 20 Abs. 1, Rn. 131 m. w. N.; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 34. 314  Sonntag, IT-Sicherheit kritischer Infrastrukturen, S. 125 f. Das Bundesverfassungsgericht erkennt in Zeiten der Informationsgesellschaft hinsichtlich des Existenzminimums, dass Bedürfnisse der Bürger zur Teilhabe durch einen entsprechenden Leistungsanspruch an, den der Gesetzgeber jedoch konkretisieren muss, BVerfGE 125, 175, 224 f. 315  Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 145. 316  Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 145 f.; BVerfG, Urt. v. 15.12.1970 – 2 BvF 1 / 69 Rn. 105; BVerfGE 30, 1, 28. 317  OLG München OLGZ 1984, 477, 479. 318  Bethge, VVDStRL Band 57 (1998), S. 14. 312  Vgl.

313  So



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff85

rechtlich geschützte Position des Bürgers abgesichert wird. Durch die bürgerliche Einsicht in staatliche Verfahren hilft sie maßgeblich auch dem Schutz des Menschenbildes in unserer Gesellschaft, indem sie verhindert, dass der einzelne Bürger durch den Staat zum Objekt degradiert wird. Der Menschenwürdeschutz des Grundgesetzes soll den Einzelnen wirksam davor schützen, Opfer staatlicher Willkür zu werden,319 hierzu gehört auch die präventive Errichtung von wirksamen Kontrollinstanzen als Präventivmaßnahmen, die entsprechende Willkürhandlungen unmittelbar wahrnehmen und in einem weiteren staatlichen Verfahren entsprechend dem Justizgewährleistungsgrundsatz anprangern können. Der Schutz des Einzelnen vor staatlicher Willkürbehandlung ist ein zentrales Element rechtsstaatlichen Grundrechtsschutz. Darüber hinaus können auch die Gleichheitsgrundrechte aus Art. 3 GG die Öffentlichkeit staatlichen Handelns fördern. Erst die jedem Bürger frei zugänglich gemachte Information schafft Informationsgleichberechtigung und verhindert eine weitergehende Diskriminierung. Gleichzeitig kann Öffentlichkeitsgewähr auch ein Kontrollinstrument darstellen, um zu überprüfen, ob der Staat bzw. seine Vertreter sich entsprechend den Vorgaben des Grundgesetzes verhalten oder Betroffene aufgrund ihrer Abstammung, ihres Glaubens, ihres Geschlechts oder einer etwaigen Behinderung diskriminieren. Insofern lassen sich aus Art. 3 Abs. 1 GG Vorgaben für das „Wie“ der Öffentlichkeitsgewähr herleiten. Art. 5 Abs. 1 GG wird häufig noch im Zusammenhang mit der Herstellung von Öffentlichkeit genannt.320 Hiernach ist jeder berechtigt, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren. Staatliches Handeln und insbesondere Gerichtsverfahren an sich können als Informationsquelle angesehen werden.321 Die öffentliche Zugänglichkeit bestimmt jedoch der Gesetzgeber durch die konkrete Ausgestaltung.322 Den Staat trifft aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG keine Pflicht zur Öffnung einer Informationsquelle.323 Dennoch ist diese Vorschrift insoweit relevant, da zum einen bereits die Öffnung durch den Verfassungs- bzw. Gesetzgeber vollzogen wurde und andererseits eine Öffnungspflicht auf Grundlage der Staatsstrukturprinzipien beruht. Aus der Informationsfreiheit wird teilweise auch der Grundsatz einer „informationellen Grundversorgung“ abgeleitet,324 dies bedeutet die „hoheitliche Aufgabe der Dürig, AöR 81 (1956), S. 127 f. u. a. Pieroth, JuS 1981, 625, 628 f.; Scherzberg, in: Fluck / Fischer / Martini (Hrsg.), Informationsfreiheitsrecht, A I Rn. 94, 96 ff.; Kugelmann, DÖV 2005, 851, 856. 321  Schemmer, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 5 Rn. 27. 322  Schemmer, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 5 Rn. 27. 323  BVerfG NJW 2001, 1633. 324  Schoch, IFG, Einl. Rn. 80 m. w. N.; Kugelmann, DÖV 2005, 851, 856; Trute, VVDStRL Band 57 (1997), S. 250.
 319  Vgl.

320  Vgl.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Daseinsvorsorge im Hinblick auf Informationen“.325 Danach ist die Handlungsprärogative des Gesetzgebers insoweit beschränkt, dass er ein Mindestmaß an Informationen zur Verfügung stellen muss.326 Er darf zudem eine allgemein zugängliche Quelle nicht beliebig einschränken. Lediglich eine Eingrenzung im Rahmen der Schranken des Grundrechts kann gerechtfertigt werden.327 Darüber hinaus wird angenommen, dass aus Grundrechten in Einzelfällen ein Anspruch auf Zugang zu staatlichen Informationen abgeleitet werden kann, wenn erst durch die Kenntnis der Information die „verfassungsrechtlich gesicherte Wahrnehmung von Freiheitsrechten“ gewährleistet ist.328 4. Landesverfassungsrechtliche Regelungen und Öffentlichkeitsgewähr Aufgrund föderaler Strukturen sind die Vorgaben der Öffentlichkeitsgewähr in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich stark gewichtet. a) Öffentlichkeit im Gesetzgebungsverfahren Alle Landesverfassungen gestalten das Gesetzgebungsverfahren öffentlich, vgl. exemplarisch Art. 22, 25 Abs. 5 BV, Art. 30 Abs. 5, 42 Satz 1 LV NRW, Art. 19 Abs. 2, 22 Verf ND, Art. 33, 63 Abs. 3 Verf BW. b) Öffentlichkeit im Verwaltungsverfahren Allerdings gewähren nicht alle Verfassungen ein Einsichts- oder Auskunftsrecht über öffentliche Informationen. Hierbei ist zwischen dem Zugang zu Betroffeneninformationen (vgl. Art. 12 Abs. 4 BremVerfG, Art. 4a Abs. 1 LV-RP, Art. 6, Abs. 1 LV-SA, Art. 6 Abs. 4 ThürVerf) und zu allgemeinen staatlichen Informationen (vgl. Art. 21 Abs. 4 LV-BB, 39 Abs. 7 LV325  Lederer,

Open Data, S. 215 m. w. N. Kugelmann, DÖV 2005, 851, 856; Albrecht, in Albrecht (Hrsg.), Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 23. 327  König, DÖV 2000, 45, 54 f. m. w. N. Der Ausschluss von bestimmten Formen der Öffentlichkeit könnte allerdings als ein Eingriff in die Informations- und Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG gewertet werden, vgl. Kreicker, ZIS-Online 2017, 85, 86; Coelln, AfP 2014, 193, 200; Coelln, in: Murmann (Hrsg.), Strafrecht und Medien, S.  19 f. 328  Albrecht, in: Albrecht (Hrsg.), Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 24; Schoch, IFG, Einl., Rn. 73 ff.; Ausgangsgrundrechte können hierbei die Berufs-, Wissenschafts- oder Presse- bzw. Rundfunkfreiheit sein. 326  Vgl.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff87

BB, Art. 34 SächsVerf, Art. 6 Abs. 2 LV-LSA, Art. 33 ThürVerf) zu differenzieren. c) Öffentlichkeit im Gerichtsverfahren Unabhängig von der grundsätzlichen gesetzlichen Nachrangigkeit sowie Nichtübertragbarkeit (Art. 31 GG) des ausdrücklich normierten Öffentlichkeitsgrundsatzes für das gerichtliche Verfahren in den Verfassungen des Freistaates Bayerns (Art. 90 Satz 1 BV) und des Freistaates Sachsens (Art. 78 Abs. 3 SächsVerf) sind die dortigen Öffnungsklauseln sehr weit gefasst, so dass sich hieraus keine konkreten Anhaltspunkte für die Ausgestaltung der Gerichtsöffentlichkeit ableiten lassen.329 Art. 90 BV enthält im Gegensatz zu § 169 Satz 1 GVG keine entsprechende Einschränkung, so dass hiernach Kameraaufnahmen nicht unterbunden werden können.330 Lediglich für die Verfassungsgerichte der Länder findet die Regelung des § 169 GVG keine Anwendung, so dass hierbei auf die länderspezifischen Regelungen abzustellen ist.331 5. Einfachgesetzliche Regelungen zum Öffentlichkeitsgebot Wie unter III. 3. aufgezeigt wurde, ist das „Ob“ der Öffentlichkeitsgewähr verfassungsrechtlich abgesichert, während das „Wie“ zum größten Teil rechtspolitischen Entscheidungen unterliegt.332 Die Öffentlichkeit für das gesetzgebende Verfahren ist weitreichend bereits im Grundgesetz geregelt.333 Für die anderen Gewalten erfolgt die ausdrückliche Ausgestaltung des Öffentlichkeitsprinzips vor allem im einfachgesetzlichen Recht.

329  Schulz, in: Meder / Brechmann (Hrsg.), Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 90, Rn. 2; Schweiger, in: Nawiasky / Schweiger / Zacher (Hrsg.), Die Bayerische Verfassung, Art. 90 Rn. 2; Meissner / Schenk, in: Schoch / Schneider / Bier (Hrsg.), VwGO, § 55 Rn. 12; Coelln, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge (Hrsg.), BVerfGG, § 17a Rn. 9; Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff (Hrsg.), Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 90 Rn. 4. 330  Ein Filmverbot kann man allerdings u. U. aus der Hausordnung eines Gerichts ableiten. Die normierten Beschränkungen des Art. 90 Satz 2 BV sind jedoch wohl nicht abschließend zu verstehen, vgl. Wolff, in: Lindner / Möstl / Wolff (Hrsg.), Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 90 Rn. 7 f. 331  Vgl. für den BayVerfGH Schulz, in: Meder / Brechmann (Hrsg.), Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 90, Rn. 2. 332  Vgl. Schoch, IFG, Einl. Rn. 59 ff., 85. 333  Konkretisierend durch § 19 GOBT.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

a) Öffentlichkeit im Verwaltungsverfahren Im Verwaltungsrecht gibt es verschiedene Verfahrensvorschriften, die das Verwaltungsverfahren öffentlich gestalten sollen.334 Zum Beispiel tagt der Gemeinderat in öffentlichen Sitzungen, vgl. für Bayern Art. 52 Abs. 2, 4 BayGO335. Zudem bestehen bereichsspezifische „Jedermann-Einsichtsrech­ te“336 bzw. Veröffentlichungspflichten für die Verwaltung im Rahmen von Projekten, die typischerweise eine große Zahl von Bürgern betreffen, vgl. § 73 Abs. 2 VwVfG, § 3 Abs. 2 BauGB, § 10 Abs. 3 BImSchG, § 7 Abs. 4 AtG.337 Eine Veröffentlichung auf Verwaltungsebene kann zudem nach § 85 Abs. 4 Satz 1 SGG geboten sein, wenn Widerspruchsbescheide gegenüber einer Vielzahl von Widerspruchsführern gleichzeitig ergehen müssen; entsprechendes gilt bei ruhend gestellten Widersprüchen, wenn die den angefochtenen Verwaltungsakten zugrunde liegende Gesetzeslage durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt wurde. Die öffentliche Bekanntgabe erfolgt durch Veröffentlichung der Entscheidung über den Internetauftritt der Behörde, im Bundesanzeiger und in mindestens drei überregional erscheinenden Tageszeitungen. Reguläre öffentliche Bekanntmachungen im kommunalen Kontext können heutzutage über örtlich verbreitete, mindestens einmal wöchentlich erscheinende Zeitungen, ein Amtsblatt (der Gemeinde) oder das Internet sowie ggf. den Aushang an der Bekanntmachungstafel der Gemeinde erfolgen, vgl. u. a. § 4 Abs. 1 BekanntmVO NRW, § 7 Abs. 1 HGO. Während die verfahrensbezogenen öffentlichkeitsregelnden Vorschriften für jedermann Öffentlichkeit gewähren, muss für konkrete Verwaltungsverfahren zwischen Verfahrensbeteiligten und -externen zur Bestimmung bestehender verfahrensbezogener Einsichtsrechte unterschieden werden. § 29 334  Aufgrund der nahezu unüberschaubaren Rechtsgrundlagen in diesem Kontext wird nachfolgend nur ein Einblick diese Rechtsmaterie gegeben. Kritisch in Bezug auf die vielen Parallelregelungen, Wegener, NVwZ 2015, 609, 611. 335  Bzw. für die anderen Bundesländer § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO in Baden-Württemberg, § 8 Abs. 6 BezVwG BE, § 36 Abs. 2 Satz 1 BdgKVerf, § 31 VerfBrhv, § 25 Abs. 1 GO der Hamburgischen Bürgerschaft, § 52 Abs. 1 Satz 1 HGO, § 29 Abs. 5 Satz 1 KV M-V, § 64 NKomVG, § 28 Abs. 2 Satz 1 GO NRW, § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO für Rheinland-Pfalz, § 37 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO, § 52 Abs. 1 KVG LSA, § 40 Abs. 1 KSVG, § 35 Abs. 1 Satz 1 GO für Schleswig-Holstein, § 40 ThürKO. 336  Kloepfer, Informationsrecht, § 10 Rn. 52. 337  Kloepfer, Informationsrecht, § 10 Rn. 52; Lederer, Open Data, S. 96; einen weiterreichenden Überblick über proaktive Veröffentlichungspflichten in den einzelnen Fachgesetzen bietet, Lewinski, in: Dreier / Fischer / Raay / Spiecker gen. Döhmann (Hrsg.), Informationen der öffentlichen Hand – Zugang und Nutzung, S. 442 ff.; Rossen-Stadtfeld, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskon­ trolle, S.  128 ff.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff89

VwVfG338 gewährt den Beteiligten einen allgemeinen Anspruch auf Akteneinsicht.339 Entsprechende begünstigende Regelungen gibt es auch in anderen Verwaltungsverfahren. Während § 72 Abs. 1 VwVfG die Anwendbarkeit von § 29 VwVfG für das Planfeststellungsverfahren regelt, stellen § 110 BBG, § 19 BDSG, § 25 SGB X eigene Einsichtsrechte bzw. Auskunftsansprüche dar. Der Erhalt staatlicher Informationen beruht in diesem Kontext auf dem gesetzlich vermuteten „berechtigten Interesse aufgrund Verfahrensbeteiligung“ bzw. dem Vorliegen des „berechtigten Interesses aufgrund Selbstbetroffenheit“, vgl. § 12 Abs. 1 GBO, § 3 Abs. 1 StUG.340 Auskunftsansprüche sowie Einsichtsrechte sind von elementarer Bedeutung für Betroffene und den Rechtsstaat, da diese die Wahrung des rechtlichen Gehörs jedes Einzelnen gewährleisten.341 Lediglich im Rahmen des Besteuerungsverfahren besteht kein uneingeschränktes Recht auf Akteneinsicht des Betroffenen.342 Insbesondere finden vorliegend auch nicht die Regelungen der Informationsfreiheitsgesetze der Länder Anwendung, da diese – sofern sie keine Subsidaritätsklauseln enthalten (vgl. u. a. § 4 Abs. 2 IFG NRW)343 – nach Art. 31 GG durch die Abgabenordnung verdrängt werden,344 die jedoch keine auskunftsgewährende Regelung für betroffene Steuerpflichtige beinhaltet.345 Die Regelung des § 178 AO gilt zudem nur in dem eng umrissenen Bereich der Zerlegungsgrundlagen für Steuerberechtigte und nicht für Steuerpflichtige.346 Gleichwohl geht nach ständiger Rechtsprechung der Bundesfinanzhof davon aus, dass in Einzelfällen Akteneinsicht gewährt werden kann, so dass Steuerpflichtigen „ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Behörde zusteht“.347

338  Aus Übersichtlichkeitsgründen werden vorliegend primär bundesrechtliche Regelungen aufgeführt. 339  Diese Form der Öffentlichkeitsgewähr wird auch als „Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit“ bezeichnet, da die Öffentlichkeit als solche keinen Einblick in das Verfahren erhält, vgl. Albrecht, in: Albrecht (Hrsg.), Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 9. 340  Lederer, Open Data, S. 96. 341  Lederer, Open Data, S. 98. 342  BFH DStRE 2010, 618, 619 m. w. N., BFH DStRE 2003, 1180, 1180 f.; FG Berlin-Brandenburg DStRE 2010, 757; Rätke, in: Klein (Hrsg.), AO, § 91 Rn. 25. 343  FG Münster, Urt. v. 28.03.2012 – 6 K 4441 / 10 AO. 344  A. A. OVG Schleswig NVwZ 2013, 810, 811 ff. 345  Rätke, in: Klein (Hrsg.), AO, § 91 Rn. 25. 346  Rätke, in: Klein (Hrsg.), AO, § 91 Rn. 25. 347  BFH DStRE 2003, 1180, 1180 f. m. w. N.; FG Münster, Urt. v. 28.03.2012 – 2012 – 6 K 4441 / 10 AO.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Ohne den Betroffenenstatus wird in förmlichen Verwaltungsverfahren auch unter Berufung auf verfassungsrechtlich normierte Staatsstrukturvorgaben grundsätzlich kein Einblick gewährt oder Auskunft erteilt.348 Allerdings hat die Rechtsprechung einen für jedermann geltenden ungeschriebenen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde über das Informationsbegehren des Anspruchsstellers entwickelt.349 Auch in diesem Kontext erfolgt der Informationszugang nur interessenabhängig. Dies bedeutet, dass der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Information geltend machen muss.350 Jenes kann rechtlicher, wirtschaftlicher (jedoch nicht auf entgeltliche Weiterverwendung gerichtet) oder ideeller Art sein und muss nach vernünftigen Erwägungen unter Berücksichtigung gesetzlicher Regelungen oder allgemeiner Rechtsgrundsätze anzuerkennen sein.351 Ein solches Inte­ resse ist jedoch grundsätzlich weit auszulegen.352 Die im letzten Jahrzehnt geschaffenen gesetzlichen Vorgaben erlauben eine bürgeraktive Form des Informationszugangs und auch der Informationsweiterverwendung353.354 Diese Form der Schaffung von Öffentlichkeit ist dennoch umstritten, da der Informationssuchende zunächst einen entsprechenden Antrag stellen und dieser durch die Behörde bearbeitet werden muss.355 Hierdurch wird keine umfassende, sondern lediglich eine singuläre Öffentlichkeit geschaffen. Zudem muss der Bürger aktiv werden und die Initiative der Informationsbeschaffung übernehmen.356 Es gibt darüber hinaus auch vereinzelte Vorgaben eines voraussetzungslosen Zugangs zu verfahrensbezogenen Informationen, vgl. § 10 BArchG oder in durch die Verwaltung geführte Register, vgl. § 9 HGB, § 79 BGB, § 61 PStG.357 Diese Regelungen werden bereichsspezifisch im Umweltrecht durch das Umweltinformationsgesetz (UIG)358, das einen freien Zugang zu 348  Vgl.

BVerwG NJW 1981, 535, 535 f. 30, 154, 159 f.; BVerwG NJW 1970, 1760, 1760 f.; BVerwG NJW 1981, 535, 537. 350  Lederer, Open Data, S. 96; BVerwG NJW 1981, 535, 537. 351  BVerwG NJW 1970, 1760, 1761; BVerwG NJW 1981, 535, 537. 352  Zu den Anforderungen von Art. 36 Abs. 1 BayDSG vgl. LT-Drs. 17 / 7537, S. 49. 353  Gesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen (Informationsweiterverwendungsgesetz – IWG) BGBl. I 2006, 2913. 354  Zum Wert staatlicher Informationen vgl. Hornung, in: Towfigh u. a. (Hrsg.), Recht und Markt, S. 76 ff. 355  Albrecht, in: Albrecht (Hrsg.) Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 2; Gusy, DVBl. 2013, 941, 944. 356  Gusy, DVBl. 2013, 941, 944. 357  Lederer, Open Data, S. 98; Schoch, IFG, Einl. Rn. 27 ff. 358  BGBl. I 2004, 3704, in der Fassung vom BGBl. I 2014, 1643. 349  BVerwGE



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff91

Umweltinformationen gewähren soll,359 sowie das Verbraucherinformationsgesetz (VIG)360, welches die Verbraucherautonomie verbessern soll, ergänzt. Darüber hinaus gibt es seit 2005 das Informationsfreiheitsgesetz (IFG)361, das auch Verfahrensexternen voraussetzungslos Einblicke in Verwaltungshandeln offenbaren soll.362 Allerdings wird der Anwendungsbereich nach dem IFG insbesondere nach Maßgabe des Schutzes von besonderen öffent­ lichen Belangen wie der öffentlichen Sicherheit oder den behördlichen Entscheidungsprozessen eingeschränkt, §§ 3, 4 IFG. Darüber hinaus können Rechte Dritter einer Informationsverschaffung entgegenstehen, §§ 5, 6 IFG. Das IFG gilt zudem nur für Bundesbehörden, vgl. § 1 Abs. 1 IFG. Die meisten Länder besitzen daher eigene Informationsfreiheits- bzw. sogar Transparenzgesetze.363 In den Ländern, die kein Informationsfreiheitsgesetz besitzen, verfügen einige Kommunen über Informationsfreiheitssatzungen (IFS).364 Die oben genannten bereichsspezifisch und vielfach personell begrenzten Individualansprüche haben gemeinsam, dass sie eines Antrags der Person bedürfen, die Zugriff auf entsprechende Informationen erhalten will (vgl. u. a. § 7 Abs. 1 IFG). Dies hat zur Folge, dass die hiernach zur Verfügung gestellten Informationen der Verwaltung grundsätzlich auch nur dem Antragsteller offenbart werden.365 Das aktuelle Open Data-Gesetz vermittelt hin­ gegen eine andere Verantwortlichkeit der Öffentlichkeitsgewähr.366 § 12a EGovG regelt die aktive Öffnung staatlicher Stellen.367 Diese haben staat­ liche Informationen, die keine Rechte Dritter verletzen, kostenfrei öffentlich 359  Auf Landesebene gibt es entsprechende umweltinformationsbezogene Spezialregelungen, vgl. u. a. § 24 UVwG BW, Art. 3 BayUIG, § 3 LUIG M-V, § 2 UIG NRW, § 3 LUIG RhPfl, § 4 SachsUIG. 360  BGBl. I 2012, 476. 361  BGBl. I 2005, 2722. 362  Ausführlich Schoch, AfP 2010, 313, 316 f.; Lederer, Open Data, S. 98 f.; zum IFG allgemein Kloepfer / Lewinski, DVBl. 2005, 1277, 1277 ff. 363  Albrecht, in: Albrecht (Hrsg.), Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 26. 364  BayVGH ZD 2017, 487; Albrecht, in: Albrecht (Hrsg.), Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 41; Schoch, IFG, Einl. Rn. 245  ff.; Brodmerkel, BayVBl. 2016, 621, 621; Troidl, SächsVBl 2015, 233, 239. 365  Albrecht, in: Albrecht (Hrsg.), Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 10. 366  Das hierdurch zu ändernde E-Goverment-Gesetz, das „die Verwaltung effektiver, bürgerfreundlicher und effizienter“ gestalten sollte, vgl. BT-Drs. 17 / 11473, S. 20, blieb bei dessen Errichtung hinter den Erwartungen zurück und schaffte damit keine weitere Öffentlichkeit oder Transparenz staatlichen Handelns, vgl. Lederer, Open Data, S.  104 f. 367  Richter, NVwZ 2017, 1408, 1413.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

zugänglich zu machen.368 Entsprechende Regelungen gibt es bereichsspezifisch bereits im UIG369, GeoZG370 und BStatG371. Auf Landesebene hat sich die Stadt Hamburg eine aktive (antragsunabhängige) Informationspflicht gegenüber ihren Bürgern durch §  10 Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG) auferlegt.372 Rheinland-Pfalz ist 2015 mit seinem Landestransparenzgesetz dem Beispiel gefolgt.373 Wichtig im Zusammenhang mit Open Data ist insbesondere auch die Maschinenlesbarkeit entsprechender Datensätze, da dies eine digitale Weiterverwertung vereinfacht. Das Open Data-Gesetz des Bundes ist jedoch auch umstritten, da diese Regelung unter anderem keinen Rechtsanspruch auf eine Veröffentlichung gibt (§ 12a Abs. 1 Satz 2 EGovG). Werden die Behörden ihrer Handlungspflicht aus Art. 12a Abs. 1 Satz 1 EGovG nicht gerecht, hat der Bürger keine Möglichkeit hiergegen vorzugehen.374 Zudem sind die Ausnahmetatbestände weitreichend, so dass nur von einer hierdurch bewirkten beschränkten Öffnung des Verwaltungsverfahrens auszugehen ist.375 Die hierdurch erhaltenen Daten dürfen über die intellektuelle Wahrnehmung hinaus grundsätzlich weiterverwertet werden, vgl. § 2a IWG. Das Informationsweiterverwertungsgesetz (IWG)376 regelt in diesem Zusammenhang die Modalitäten. Dem steht auch das Urheberrecht nicht entgegen, da nach § 5 UrhG Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie Entscheidungen und amtlich verfasste Leitsätze377 zu Entscheidungen keinen urheberrechtlichen Schutz genießen. b) Öffentlichkeit im Gerichtsverfahren § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG normiert die Öffentlichkeit in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, vgl. § 2 EGBGB.378 Aufgrund dieser Norm, die das Ge368  Eine Veröffentlichung der Metadaten hat über die Plattform https: /  / www.gov data.de /  zu erfolgen, vgl. § 12 Abs. 5 Satz 3 E-GovG. 369  BGBl. I 2014, 1643. 370  BGBl. I 2009, 278. 371  BGBl. I 2016, 2394. 372  HmbGVBl. I 2012, 271; hierzu ausführlich Maatsch / Schnabel, Das Hamburgische Transparenzgesetz. Das Gesetz geht auf eine Volksinitiative zurück, Bürgerschaft-Drs. 20 / 4466 S. 1. 373  GVBl. 2015, 383. 374  Richter, NVwZ 2017, 1408, 1410. 375  Übersichtlich dargestellt durch Richter, NVwZ 2017, 1408, 1410. 376  BGBl. I 2005, 2913. 377  Vgl. Fischer, NJW 1993, 1228, 1232. 378  Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 35.



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff93

richtsverfahren maßgeblich prägt, ist der Öffentlichkeitsgrundsatz auch als Prozessmaxime zu werten.379 Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG sind die Verhandlung, sowie die Verkündung der Urteile und Beschlüsse öffentlich. Nach dem Wortlaut der Norm bezieht sich die Öffentlichkeitsgewähr daher lediglich auf den mündlichen Teil des Rechtsstreits. Dennoch ist die Formulierung dieser Normen derart offen, dass die konkrete Form der Öffentlichkeitsgewähr sich weder aus dem Wortlaut noch der Systematik ableiten lässt. Vielmehr muss auf das Telos und die Historie geblickt werden, um die konkrete Öffentlichkeitsgewähr im Gerichtsverfahren aus § 169 GVG ableiten zu können. Zum Entstehungszeitpunkt dieser Norm im Jahr 1879 war die Öffentlichkeitsgewähr bei Gericht lediglich im Form des Zugangs zum Raum einer Gerichtsverhandlung faktisch möglich und auch intendiert. Daher regelt § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG in erster Linie die Saalöffentlichkeit, d. h. die Möglichkeit für jedermann einer öffentlichen Verhandlung als Zuschauer beizuwohnen.380 Auch für alle anderen Rechtswege gilt der Öffentlichkeitsgrundsatz, sei es aufgrund einer eigenen Regelung, wie beispielsweise für die Arbeitsgerichte § 52 Satz 1 ArbGG, oder aufgrund einer Verweisung auf § 169 GVG, wie im Rahmen des Verwaltungsgerichtsverfahrens nach § 55 VwGO, des sozialgerichtliche Verfahren § 61 Abs. 1 SGG, des finanzgerichtliche Verfahren, § 52 FGO und des Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, § 17 BVerfGG.381 Allerdings grenzt § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG die Regelung der Gerichtsöffentlichkeit insoweit ein, dass die Übertragung von Bild- und Tonaufnahmen untersagt wird. Der ausschließlich für das Bundesverfassungsgericht Anwendung findende § 17a BVerfGG382 erlaubt hingegen ausdrücklich auch eine weitergehende Medienöffentlichkeit.383 Dieser regelt, dass Ton- und FernsehRundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung in der mündlichen Verhandlung, bis das Gericht die Anwesenheit der Beteiligten festgestellt hat, sowie bei der öffentlichen Verkündung von Entscheidungen grundsätzlich zulässig 379  Vgl. 380  Zu

BVerfGE 15, 303, 307. den verschiedenen Ausprägungen der Gerichtsöffentlichkeit vgl. ausführlich

Kapitel 2. 381  Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 35. 382  BGBl. I 1998, 1823. 383  Dieser Regelung stand nach Auffassung von Coelln, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge (Hrsg.), BVerfGG, § 17a Rn. 32 f., 41 das eindeutige Verbot aus § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG entgegen. Nach a. A. wurde eine verfassungskonforme Auslegung von § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG favorisiert, Zuck, NJW 1995, 2082; Lechner / Zuck, BVerfGG, § 17a Rn. 1 m. w. N.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

sind. Es besteht aber nach § 17a Abs. 2 BVerfGG die Möglichkeit, die Aufnahmen bzw. die Übertragung im Rahmen der Medienöffentlichkeit zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter sowie eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens ganz oder teilweise auszuschließen oder von der Einhaltung von Auflagen abhängig zu machen. Darüber hinaus wurde durch das Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren (EMöGG) § 169 GVG dahingehend reformiert, dass nunmehr eine Tonübertragung in einen Arbeitsraum für Personen, die für Presse oder Rundfunk tätig sind, durch das Gericht gestattet werden kann. Ferner kann der Bundesgerichtshof zukünftig abweichend von § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG in besonderen Fällen Ton- und Filmaufnahmen seiner Entscheidungsverkündungen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung zulassen (§ 169 Abs. 3 GVG). Darüber hi­ naus sind zu wissenschaftlichen oder historischen Zwecken Tonaufnahmen einer Verhandlung zulässig, sofern es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik handelt (§ 169 Abs. 2 GVG). Daneben gewähren §§ 299, 760 ZPO, § 13 FamFG, § 147 StPO, § 100 VwGO, § 78 FGO, § 120 SGG, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 299 ZPO, § 4 InsO i. V. m. § 299 ZPO Verfahrensbeteiligten bzw. deren Rechtsbeistand ein Akteneinsichtsrecht. Dritten gegenüber kann nur mit Einwilligung der Prozessparteien oder für den Fall, dass sie ein rechtliches Inte­ resse glaubhaft machen können, Einsicht in die Verfahrensakten gewährt werden, vgl. § 299 Abs. 2 ZPO und § 13 Abs. 2 FamFG. Hierbei handelt es sich nach Auffassung des OLG Frankfurt nicht um ein mit § 299 Abs. 1 ZPO vergleichbares „gesetzliches Einsichtsrecht“.384 Vielmehr steht dieses Recht im Ermessen des Gerichts, welches die besondere Schutzwürdigkeit der informationellen Selbstbestimmung der Verfahrensbeteiligten beachten muss.385 Dies muss das Gericht mit dem Informationsinteresse Dritter abwägen.386 Das berechtigte Informationsinteresse „muss sich unmittelbar aus der Rechtsordnung“ herleiten lassen.387 Hierbei werden insbesondere bestehende (Rechts-)Verhältnisse des Antragstellers zu Verfahrensbeteiligten oder zu mit dem Streitgegenstand zusammenhängenden Sachen berücksichtigt.388 Mithin genügt „ein rein wirtschaftliches oder gesellschaftliches Interesse“ für eine positive Ermessensentscheidung nach § 299 Abs. 2 ZPO gerade 384  OLG

Frankfurt, r + s 2008, 474, 474. Frankfurt, r + s 2008, 474, 474 mit Verweis auf Kissel / Mayer, GVG, § 12, Rn. 108, 110. 386  OLG Frankfurt, r + s 2008, 474, 474. 387  OLG Frankfurt, r + s 2008, 474, 474. 388  OLG Frankfurt, Beschl. v. 01.02.2007 – 20 VA 13-06, 20 VA 14 / 06. 385  OLG



A. Öffentlichkeit als Rechtsbegriff95

nicht.389 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich ein Antragsteller aufgrund eines ähnlichen Sachverhaltes Informationen für seinen eigenen Prozess erhofft.390 Das Auskunfts- und Einsichtsrecht für Akten von Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist in § 35b BVerfGG geregelt. In diesem Kontext bedarf es ebenfalls der Beachtung des Datenschutzrechts nach § 35a BVerfGG. Während für öffentliche Stellen eine Akteneinsicht leichter zu realisieren ist, sofern die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen vorliegen (§ 35b Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG), gilt für nicht-öffentliche Stellen sowie Privatpersonen weiterhin der strenge Maßstab der Darlegung eines berechtigten Interesses (§ 35b Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG). Das Informationsfreiheitsgesetz hingegen findet nur sehr eingeschränkt Anwendung auf die rechtsprechende Gewalt391, vgl. § 3 Nr. 1 lit. g IFG.392 Wenn die Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitsrechtlicher oder disziplinarischer Ermittlungen haben, ist ein solcher Anspruch nämlich ausgeschlossen. Aufgrund dieser weitreichenden Formulierung erlaubt die Vorschrift kein umfassendes Auskunftsrecht. Zudem würde das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes nur für Bundesgerichte Anwendung finden, vgl. § 1 Abs. 1 IFG. Es gibt zwar in den einzelnen Ländern auch Informationsfreiheitsgesetze, die jedoch die Gerichte von ihrem Anwendungsbereich ausnehmen, soweit sie im Rahmen der Rechtspflege tätig werden, vgl. u. a. § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG BW393, § 2 Abs. 1 Satz 2 Berliner IFG394 § 5 Nr. 1 HmbTG395 oder es werden weitreichende Ausnahmevorschriften eingeräumt, vgl. u. a. § 4 Abs. 1 Nr. 4, 5 AIG396, § 3 Nr. 1 lit. d BremIFG397. Der Verwaltungsgerichtshof in Baden-Württemberg hat daher als Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen § 18 Abs. 1 Nr. 2 389  OLG Frankfurt, r + s 2008, 474, 474; OLG Frankfurt, Beschl. v. 01.02.2007 – 20 VA 13-06, 20 VA 14 / 06; Assmann, in: Wieczorek / Schütze (Hrsg.), ZPO und Nebengesetze, Band 4; § 299 Rn. 38. 390  Vgl. OLG München NStZ 2017, 311, 312; OLG Köln, Beschl. v. 23.07.2007 – 7 VA 1 / 07, Rn. 33; Assmann, in: Wieczorek / Schütze (Hrsg.), ZPO und Nebengesetze, Band 4; § 299 Rn. 38. 391  Vgl. u. a. § 1 Abs. 1 IFG, § 2 Abs. 1 UIG (mit Ausnahme für die Gerichte des Bundes), Art. 36 Abs. 4 BayDSG. 392  Vgl. Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 19. 393  GBl. 2015, 1201. 394  GVBl. 1999, 561. 395  HmbGVBl. I 2012, 271. 396  GVBl. I / 98, Nr. 04, S. 46. 397  Brem.GBl. 2006, 263.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

LDSG herangezogen.398 Ein Rückgriff auf die Landesdatenschutzgesetze hätte jedoch eine Zersplitterung der Veröffentlichungspraxis von Gerichtsentscheidungen zur Folge.399 Medienvertreter können jedoch über die Landespressegesetze (vgl. u. a. Art. 4 BayPrG) gegenüber Behörden sowohl im Verwaltungs- als auch im Gerichtsverfahren Auskünfte erlangen.400 Eine besondere Form der partizipativen Öffentlichkeit im Gerichtsverfahren ist die Beiordnung von Schöffen bzw. ehrenamtlichen Richtern in Gerichtsverfahren, vgl. §§ 44 ff. DRiG, §§ 28 ff. GVG, § 6 EGGVG, §§ 19 ff. VwGO, §§ 20 ff. ArbGG, §§ 13 ff. SGG, §§ 16 ff. FGO, § 3 LwVG, § 74 WDO. Die Teilnahme von Laienrichtern aus der Bevölkerung soll das Vertrauen der Bürger in die Gerichtsbarkeit stärken und ist gleichzeitig Ausdruck der Volkssouveränität.

B. Funktionen von Öffentlichkeit Aus der oben erfolgten Begriffsbestimmung lässt sich noch nicht ableiten, warum und in der Folge wie Öffentlichkeit konkret hergestellt werden kann bzw. sogar muss. Die Funktionen von Öffentlichkeit zeigen den Gestaltungsrahmen des Gesetzgebers auf: Wie dargestellt, spielen hierbei die Staatsstrukturprinzipien eine wesentliche Rolle, ist das Prinzip der Öffentlichkeit staatlichen Handelns doch in ihnen verankert. Öffentlichkeit hat daher bestimmte Funktionen zu erfüllen, die einerseits von staatstragender sowie demokratisch indizierter Bedeutung sind und andererseits Minderheitenrechte schützen. Obwohl die Funktionen des Öffentlichkeitsprinzips gewaltenübergreifend häufig vergleichbar sind,401 divergieren diese partiell, so dass die Aufgaben der Öffentlichkeitsgewähr im Bereich der Legislative von denen der Judikative abweichen können. 398  VGH

Baden-Württemberg MMR 2011, 277, 279. Geltungserlangung des BDSG 2018 am 25.05.2018 stellt sich darüber hi­ naus die Frage, ob die dortigen Regelungen für Strafurteile gegenüber den Landes­ datenschutzgesetzen vorrangig sind, 400  Verfahrensfremde Dritte können sich hierauf jedoch nicht berufen, vgl. OLG München NStZ 2017, 311, 312. Das Gericht begründet diese Entscheidung damit, dass es bei dem Akteneinsichtsrecht nur um eine Bekanntgabe gegenüber einem Einzelnen zur Erfüllung seiner Partikularinteressen geht und damit die Vorgaben des BVerfG zur Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen, um diese einem möglichst breiten Personenkreis zukommen zu lassen, hierbei nicht einschlägig sind. Ausführlich zu den Auskunftsansprüchen und dem Akteneinsichtsrecht der Medien, Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 500 ff. 401  Zu den Funktionen im Verwaltungsverfahren vgl. überblicksartig Appel, in: Heckmann / Schenke / Sydow (Hrsg.), FS Würtenberger, S. 343 ff. 399  Ab



B. Funktionen von Öffentlichkeit97

I. Öffentlichkeit und demokratische Legitimation 1. Demokratische Legitimation Die wichtigste Funktion, die mit der Herstellung von Öffentlichkeit verbunden ist, ist die Schaffung von demokratischer Legitimation.402 Aufgrund der freiheitlich demokratischen Grundordnung müssen sich die Verantwortungsträger im Staat „durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Volk zurückführen lassen“.403 Zudem muss staatliches Handeln nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts „der ständigen Kritik oder Billigung des Volkes unterstehen“.404 Die Aufrechterhaltung der Demokratie fordert einen entsprechenden Grundkonsens in der Bevölkerung.405 Dieser kann vor allem durch öffentliches Handeln der Entscheidungsträger unterstützt werden.406 Die transparente Form des Staatshandelns weckt das Interesse der Bevölkerung bzw. hilft bei dessen Aufrechterhaltung.407 Gleichsam bedarf der demokratische Rechtsstaat der informierten Gesellschaft, die aufgrund der vorhandenen Informationen den politischen Diskurs anregt und bereichert.408 Erst durch frei zugängliche Informationen ist die demokratische Willensbildung der Bürger sowie ihre Persönlichkeitsentfaltung möglich.409 Mithin ist die Erweiterung der Teilhabe der Bürger an staatlichem Handeln und die damit einhergehende Schaffung frei zugänglicher staatlicher Informationen als ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel anzusehen.410 402  Deutschland hinkt im Bereich des Öffentlichkeitsverständnisses im Bezug auf den Legitimationszusammenhang und deren Umsetzung vielfach anderen Staaten hinterher, Lübbe-Wolff, VVDStRL Band 60 (2001), S. 276. Zur begriffsgeschichtlichen Analyse der der Legitimität Würtenberger, Die Legitimität staatlicher Herrschaft. 403  Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Band III, § 34 Rn. 17. Zu den unterschiedlichen Legitimationsmodi bei der Verwaltung vgl. Trute, in: Hoffmann-Riem /  Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 6, Rn.  4 ff. 404  BVerfGE 20, 162, 178; Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, § 35 Rn. 18. 405  BVerfGE 44, 125, 147; Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, § 35 Rn. 15. 406  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 138. 407  Vgl. Dieterich, Die Funktion der Öffentlichkeit der Parlamentsverhandlungen im Strukturwandel des Parlamentarismus, S. 19. 408  Gusy, DVBl. 2013, 941, 942; Arndt, NJW 1960, 423, 424; vgl. Lübbe-Wolff, VVDStRL Band 60 (2001), S. 277; Rommelfanger, in: Heckmann / Schenke / Sydow (Hrsg.), FS Würtenberger, S. 389 f. 409  BVerfGE 27, 71, 81; BVerfGE 44, 125, 147 f.; Albrecht, in: Albrecht (Hrsg.) Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 4 f.; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 67. 410  Vgl. BVerfG NJW 2008, 1435, 1436.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Die besagte Funktion der Öffentlichkeit betrifft insbesondere die Gesetzgebung. Erst durch das öffentliche Handeln der Legislative besteht eine Rückkopplung demokratisch legitimierten Handelns zum regierten Wahlvolk.411 Nur durch ein ausreichendes Maß an Öffentlichkeit können die Bürger prüfen, ob der zuvor gewählte Volksvertreter bzw. die gewählte Partei weiterhin unterstützungswürdige Standpunkte vertritt oder ob die zuvor gemachten Wahlversprechen eingehalten wurden, so dass der Bürger bzw. Wähler sein Wahlverhalten anhand des parlamentarischen Verhaltens überdenken und anpassen kann.412 Nur durch das öffentliche Handeln des Gesetzgebers kann eine unheilstiftende Arkanpolitik verhindert werden.413 Das Bedürfnis nach Publizität wächst kongruent zur Ausdünnung „repräsentativ­ demokratische[r] Verantwortlichkeit“.414 Je komplexer die Fragen sind, mit dem sich der Staat befassen muss, umso transparenter hat er sein Staatshandeln zu machen, um den Bürgern überhaupt zu ermöglichen, sich zu erkundigen und damit ein umfassendes Bild zu erhalten.415 2. Förderung des demokratischen Diskurses Die Aufgabe der Legislative ist neben der „Führung“ der öffentlichen Meinungen auch die Rezeption der Meinung aus dem Staatsvolk und deren Zuführung in den politischen Diskurs.416 Die Öffentlichkeit hat im Gegensatz hierzu neben der reinen Beobachtung und Meinungskundgabe die Aufgabe, den politischen Prozess zu steuern.417 Durch die Veröffentlichung staatlicher Informationen und die daraus folgende Informiertheit können sich auch Teile der Bevölkerung stärker in den Diskurs einbringen.418 Dieser freie Diskurs wird in 411  Lederer,

Open Data, S. 67; Rogg, Demokratie und Internet, S. 134 f. Deutsches Staatsrecht, § 10 Rn. 18; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 31 f. m. w. N. 413  Rinken, in: Winter, Das Öffentliche heute, S. 11. 414  Lübbe-Wolff, VVDStRL Band 60 (2001), S. 277. 415  Lübbe-Wolff, VVDStRL Band  60 (2001), S. 277; BVerfGE 40, 296, 327; BVerfGE 118, 277, 353. 416  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 40; Würtenberger, Zeitgeist und Recht, S. 205 f. bezeichnet diese Rückkopplung zwischen Bürger und Repräsentant als „responsive Repräsentation“. Die Übergänge der wechselseitigen Beeinflussung ist hierbei fließend, Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, § 35 Rn.  22 ff. Würtenberger, NJW 1991, 257, 260 plädiert hingegen für eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung bei Verwaltungsverfahren. 417  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 40; Friehe, Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 10, geht von einem Verantwortungszusammenhang zwischen Öffentlichkeit und Staat aus. 418  Hoffmann / Klessmann, V&M 17 (2011), 306, 308. 412  Zippelius / Würtenberger,



B. Funktionen von Öffentlichkeit99

der demokratischen Gesellschaft als das Ideal angesehen, indem argumentativ um Entscheidungen gerungen wird.419 Faktisch wächst die Bürgerbeteiligung allerdings durch ein Mehr an Öffentlichkeit wohl nur marginal an.420 Die Tatsache, dass Debatten öffentlich zugänglich sind, fördert zudem deren Qualität, indem politische Reden besser ausgearbeitet werden und eine umfassendere Beleuchtung der debattierten Fragestellungen erfolgt, so dass kein Gesichtspunkt übersehen oder vernachlässigt wird.421 Zudem können durch eine funktionierende Kontrolle Unwahrheiten und Fehler leichter aufgedeckt werden. Gleichzeitig wird hierdurch mehr Gerechtigkeit geschaffen.422 Für eine bürgerliche Partizipation am demokratischen Prozess bedarf es des Zugangs der Bevölkerung zu denselben Informationsgrundlagen, die die Legislative ihren Entscheidungen zugrunde legt.423 Öffentlichkeit stellt jedoch keinen Garanten für gerechtes, richtiges Handeln dar, sie kann dieses nur befördern.424 Es wird sogar vertreten, dass bei einer zu frühen bzw. zu umfassenden Veröffentlichung staatlicher Informationen der demokratische Diskurs auch bereits in einem Vorstadium zum Erliegen gebracht werden kann.425 Durch ein „Zuviel“ bzw. ein „Zufrüh“ an Öffentlichkeit können die Parlamente in ihrer Arbeit behindert werden, was zur Folge hat, dass eine freie und unbeeinflusste Entscheidungsfindung erschwert bzw. unmöglich gemacht würde.426 3. Demokratische Legitimation der Justiz Jede Entscheidung der unmittelbaren Staatsgewalt bedarf „eine[r] ununterbrochene[n] Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Auf419  Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, § 35 Rn. 11, 13 f.; kritisch zur Diskurstheorie Mahlmann, Rechtsphilosophie und Rechtstheorie, § 17 Rn. 50 ff.; vgl. BVerfGE 35, 202, 222. 420  Hoffmann / Klessmann, V&M 17 (2011), 306, 308; mit Verweis auf Holtkamp, in: Bugumil / Jann / Nullmeier, Politik und Verwaltung, S. 185, 201. 421  Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 42 Rn. 6. 422  Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 42 Rn. 7; Alwart, JZ 1990, 883, 883 benennt die Öffentlichkeit als strukturelle Form der Gerechtigkeit selbst. 423  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, 4. 424  Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 42 Rn. 8; Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 509. 425  Vgl. Albrecht, in: Albrecht (Hrsg.) Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 1. Schmidt, in: Heckmann / Schenke / Sydow (Hrsg.), FS Würtenberger, S. 408 mutmaßt sogar, dass ein Übermaß an Öffentlichkeit einen Rückgang an Akzeptanz und Zufriedenheit mit der Demokratie bewirken kann. 426  Vgl. BVerfGE 67, 100, 139; 110, 199, 219; Gusy, DVBl. 2013, 941, 942; Al­ brecht, in: Albrecht (Hrsg.) Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 1.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

gaben betrauten Organen und Amtwaltern“, so dass auch die Dritte Gewalt der demokratischen Legitimation bedarf.427 Im Rahmen der demokratischen Legitimation in der Justiz wird zwischen der „Fremd- und Selbstlegitimation“ differenziert.428 Die „Fremdlegitimation“, worunter eine „organisatorisch-formale“ Variante von Legitimation zu verstehen ist, ist begrenzt.429 Die „Selbstlegitimation“ erfolgt im Rahmen der „Selbstregulierung“ aufgrund des „Richterdienstrechts“.430 Die deutsche Justiz spricht Urteile im Namen des Volkes, vgl. § 311 Abs. 1 ZPO, § 268 Abs. 1 StPO, § 117 Abs. 1 Satz 1 VwGO.431 Auch aus diesem Grund braucht die dritte Gewalt einen Rückbezug auf das Staatsvolk, um ihr Handeln zu rechtfertigen.432 Dies geschieht zum einen durch die Unterwerfung der Richter unter das in einem demokratischen Gesetzgebungsprozess entstandene Gesetz (sowie deren verfassungsrechtlicher Absicherung durch die richterliche Unabhängigkeit, vgl. Art. 97 Abs. 1 GG)433 und zum anderen durch die Ernennung von Richtern durch die Justizministerien bzw. bei den Bundesrichtern durch deren Wahl, vgl. u. a. Art. 94 Abs. 1 GG, § 125 GVG bzw. Ernennung (§§ 1 ff. RiWG).434 Darüber hinaus werden Schöffen als Volksvertreter in die Rechtsprechung miteingebunden, § 45a DRiG, §§ 28 ff. GVG. Die Bindung der Richter an das demokratisch legitimierte Gesetz sichert alleine noch nicht hinreichend die demokratische Legitimation des Richters, da Gesetze nur abstrakt Sachverhalte regeln und die juristischen Auslegungs427  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 177; Voßkuhle / Sydow, JZ 2002, 673, 682; BVerfGE 107, 59, 87 f. m. w. N.; vgl. Böckenförde, in: Isensee /  Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, § 34 Rn. 17. Velten, in: SK-StPO, Vor § 169 GVG Rn. 11 f. 428  Wittreck, VVDStRL Band 74 (2015), S. 147. 429  Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S.  28  ff.; Wittreck, VVDStRL Band 74 (2015), S. 147. 430  Wittreck, VVDStRL Band 74 (2015), S. 148. 431  Eine Ausnahme stellt der Bayerische Verfassungsgerichtshof dar, der Recht ausschließlich im Namen des Freistaates Bayern spricht, vgl. Art. 25 Abs. 1 VfGHG. 432  Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 28; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 139 ff., 142; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 177 f.; Friehe, Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 11; grundsätzlich zustimmend Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.): HdbStR, Band III, § 42 Rn. 60. Zum Begriff des Staatsvolkes Dreier, in: Dreier, GG, Band II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 90. 433  Hillgruber, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 97, Rn. 51. 434  Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 30; Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band II, § 24 Rn. 24; ausführlich zu den unterschiedlichen Legitimitätsmodellen, Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt.



B. Funktionen von Öffentlichkeit101

methoden dem Richter eine weitreichende Ausgestaltung des gesetzgeberischen Willens ermöglichen und verschiedene Interpretationen im Einzelfall zulassen.435 Zudem wirkt die Rechtsprechung „oftmals über den Einzelfall hinaus“.436 Unabhängig davon, dass eine formelle Präjudizienbindung im deutschen (Zivil-)Verfahrensrecht abgelehnt wird,437 berufen sich aus Überzeugung, prozessökonomischen Gründen, in Anbetracht der Rechtsmittelsysteme oder aufgrund der Leitbildfunktion der Bundesgerichte die Gerichte der untergeordneten Instanzen zumeist auf vorangegangene Entscheidungen der Obergerichte.438 Die faktische Präjudizienwirkung439 zeigt sich auch an der Rechtsprechung zur Haftung von Rechtsanwälten und Steuerberatern, von denen erwartet wird, dass diese die aktuelle einschlägige Rechtsprechung kennen müssen und dementsprechend ihre Mandanten zu beraten haben.440 Bei Unkenntnis entsprechender obergerichtlicher Entscheidungen setzen sich diese einem Haftungsrisiko gegenüber ihren Mandanten aus.441 Durch die richterliche Rechtsfortbildung nimmt die Judikative zudem auch Aufgaben der Legislative wahr.442 Insbesondere die Richter des Bundesverfassungsgerichts können nach Art. 94 Abs. 2 GG i. V. m. § 31 Abs. 2 BVerfGG Entscheidungen erlassen, die Gesetzeskraft besitzen. In diesem Kontext ist bereits normiert, dass die Entscheidungen auf demselben Wege wie Gesetze im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen sind. Allerdings muss auch das Verfahren öffentlich sein, da die Judikative hierbei die Funktion des von Verfassungs wegen öffentlich agierenden Gesetzgebers erfüllt, vgl. Art. 42 Abs. 1 435  Friehe, Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 14. Daher besteht das Risiko einer „Verselbständigung der dritten Gewalt“, Tschent­sch­ ner, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 226 f.; vgl. Isensee, in: Haller u. a. (Hrsg.), FS Winkler, S. 367 ff.; zur Reichweite richterlicher Rechtsauslegung grundlegend Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung. 436  BGH NJW 2015, 770; OLG München OLGZ 1984, 477, 479; Arenhövel, ZRP 2004, 61, 62; Hoffmann-Riem, AöR, Band 128 (2003), S. 176; vgl. Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, S. 158, der die Ursache dessen in der „massenhaften Urteilspublikation“ sieht. 437  Hau, in: Rüßmann (Hrsg.) FS Käfer, S. 117 f.; Hirte, NJW 1988, 1698, 1700. 438  Hau, in: Rüßmann (Hrsg.) FS Käfer, S. 117, 122, vgl. auch das OLG München, das eine (faktische) Präjudizienwirkung durchaus bejaht, OLG München OLGZ 1984, 477, 479; Hirte, NJW 1988, 1698, 1700, 1703; Stackmann, NJW 2010, 1409, 1411. Hierfür spricht auch die Auswertung der Rechtsprechungszitate in landgerichtlichen Entscheidungen, vgl. Broy, in: Oostrom / Weth (Hrsg.), FS Herberger, S. 179 f. 439  Huber, in: Musielak / Voit (Hrsg.), ZPO, § 299 Rn. 3 und Stackmann, NJW 2010, 1409, 1411 sprechen von Präjudiziencharakter. 440  BGH NJW 2015, 770, 771; OLG München OLGZ 1984, 477; Hirte, NJW 1988, 1698, 1701; Stackmann, NJW 2010, 1409, 1413 f. 441  Vgl. BGH NJW 2015, 770, 771. 442  Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, S. 222.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Satz 1 GG. In Anbetracht dessen darf die Justiz daher der Öffentlichkeit, welche im Rahmen legislativen Handelns besteht, in nichts nachstehen. Schützenswerte Interessen Dritter sind hierbei in angemessenem Umfang zu berücksichtigen. Daher genügen die oben genannten Maßnahmen den Vorgaben an die demokratische Legitimation staatlichen Handelns in der Judikative nicht. Überall dort, wo der Staat repräsentiert wird, hat dies aufgrund des verfassungsrechtlichen Ursprungs dieses Prinzips auch öffentlich zu erfolgen,443 es sei denn, es sprechen andere gewichtige Gründe hiergegen. Die Gesetzesanwendung durch die Gerichte muss somit öffentlich erfolgen,444 um systemimmanente judikative Demokratiedefizite auszugleichen.445 Köstlin sah bereits 1849 die Verfahrensöffentlichkeit als Folge des Öffentlichkeitsbedürfnisses der Legislative, da die Rechtsprechung die „Vollendung der Gesetzgebung“ sei „und das Recht […] dadurch erst sein konkretes Leben im Geiste der Nation“ gewinnt.446 Nur hierdurch ist es dem Gesetzgeber überhaupt möglich zu überprüfen, ob sein Wille in der Rechtswirklichkeit befolgt wird oder ob er gegebenenfalls ein Gesetz präzisieren muss. Damit haben judizielle Realität und die politische Entscheidungsfindung in einem Austausch zu stehen. Eine „Legitimationskrise der Gerichtsöffentlichkeit“ kann in der Folge zu einer „Legitimationskrise von Öffentlichkeit überhaupt“ führen, so dass „letztlich eine Beeinträchtigung von Volkssouveränität und Demokratie zu besorgen sei“.447

II. Öffentlichkeit und Kontrolle 1. Kontrolle staatlichen Handelns Eine andere Kernfunktion der Öffentlichkeit ist die Kontrolle staatlicher Organe.448 Erst durch die Schaffung von Öffentlichkeit wird die Bevölkerung in die Lage versetzt, prüfen zu können, ob sich die staatlichen Organe an ihre Bindung an die Verfassung, das Recht und das Gesetz aus Art. 20 Abs. 3 GG halten; bei einem etwaigen Verstoß kann sie beispielsweise durch die Ein443  Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 227; vgl. Pieroth, in: Jarass / Pieroth (Hrsg.), Art. 20 Rn. 17 ff. 444  Köstlin, Der Wendepunkt des deutschen Strafverfahrens im neunzehnten Jahrhundert, S. 27. 445  Voßkuhle / Sydow, JZ 2002, 673, 680. 446  Köstlin, Der Wendepunkt des deutschen Strafverfahrens im neunzehnten Jahrhundert, S. 27. 447  Alwart, JZ 1990, 883, 895. 448  König, DÖV 2000, 45, 50; Gusy, DVBl. 2013, 941, 942 f.



B. Funktionen von Öffentlichkeit103

schaltung anderer staatlicher Institutionen hiergegen vorgehen. Ohne die Gewährung des Einblickes in staatliches Handeln ist der Rechtsstaat machtlos und verlöre an Bedeutung. Im Rahmen der Kontrolle durch die Öffentlichkeit soll staatliches Handeln der Aufdeckung von Fehlern und deren rascher Korrektur dienen. Darüber hinaus soll hierdurch das staatliche Handeln effizienter werden.449 Öffentlichkeit ist daher zweidimensional zu verstehen, damit Kontrolle ermöglicht werden kann. Zum einen muss eine Offenheit im Sinne eines Zugangs zu staatlichem Handeln und hoheitlichen Informationen gegeben sein und zum anderen muss das staatliche Handeln transparent, d. h. verständlich sein, so dass das Volk die Informationen nachvollziehen kann. Eine besondere Herausforderung ergibt sich hier aus dem heterogenen Bildungsniveau in der Bevölkerung: An welchen Bildungsstand soll / darf sich die Information orientieren, die der Staat den Bürgern gewährt?450 Die transparente Herstellung von Öffentlichkeit muss zudem die Grundsätze der Barrierefreiheit achten.451 Es wird vertreten, dass die Öffnung staatlicher Vorgänge der Öffentlichkeit systemverändernd sei, was zur Folge habe, dass die Kontrollfunktion der staatlichen Gewalten untereinander mit Zunahme der öffentlichen Kontrolle an Bedeutung verlöre.452 Hiervon wird vorliegend jedoch nicht ausgegangen, da jede staatliche Gewalt nach Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung bzw. an Recht und Gesetz gebunden ist. Aufgrund der Pluralität der Gesellschaftsinteressen wird bei einem hinreichenden Maß an Öffentlichkeit jedes Abweichen von dieser verfassungsrechtlichen Bindung zur Sprache gebracht. In einem solchen Fall kann zudem auch die Judikative korrigierend eingreifen. Die öffentliche Kontrolle besitzt vielmehr eine Anstoßfunktion, um die staatlichen Kontrollorgane zu Hilfe zu rufen. Diese können anschließend entweder die einzelnen Vorgänge auf ihre rechtliche Zulässigkeit hin überprüfen oder durch parlamentarisches Tätigwerden gewisse Vorgänge gesetzlich für die Zukunft unterbinden.453 Daher ist die öffentliche Kontrolle nur eine Ergänzung der bestehenden staatlichen Kontrollmechanismen, die letztere bei ihrer Arbeit unterstützen kann und gleichzeitig die einzelnen staatlichen Organe durch ihre Existenz diszipliniert.454 449  König,

DÖV 2000, 45, 50. datenschutzrechtlich Transparenzgebot in Art. 12 DS-GVO stellt beispielsweise das Erfordernis der einfachen Sprache dar, welche auch Menschen mit einem sehr geringen Bildungsgrad abholen soll, vgl. Heckmann / Paschke, in: Ehmann / Selmayr (Hrsg.), DS-GVO, Art. 12 Rn. 17. 451  Hierzu ausführlich C I. 5. 452  Vgl. Erichsen, NVwZ 1992, 409, 419; Hatje, EuR 1998, 734, 743 f.; König, DÖV 2000, 45, 51. 453  Vgl. König, DÖV 2000, 45, 51. 454  Vgl. König, DÖV 2000, 45, 51. 450  Das

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Die auf diesem Wege ermöglichte Kontrolle ist daher sowohl präventiver als auch repressiver Natur, da sie einerseits durch einen möglichst frühen Ansatz der Öffentlichkeit die Chance zum Eingreifen in Form der Anrufung staatlicher Instanzen eröffnet und damit die Herstellung rechtmäßiger Verhältnisse fördert und andererseits auch eine Beweisfunktion besitzt, um rechtswidriges staatliches Verhalten zu sanktionieren. Die öffentliche Kontrolle staatlichen Handelns wird derzeit in Deutschland überwiegend von den (Massen-)Medien ausgeübt. Die Medien haben über die (Landes-)Pressegesetze vielfach einen breiteren Zugang zu staatlichen Informationen als die Bevölkerung. In Zeiten zunehmender finanzieller Belastung aufgrund schwindender Absatzmärkte und eines damit einhergehenden Kostendrucks ist jedoch die Bedeutung dieses kritischen Intermediärs zwischen Staat und Bevölkerung in Gefahr.455 Gleichzeitig verlieren die Massenmedien bei einem Teil der Bevölkerung an Glaubwürdigkeit.456 Daher bedarf es eines generellen Umdenkens und der Einführung von Kontrollmechanismen bei den unterschiedlichen Gewalten, die die Medien zumindest bei ihrer diesbezüglichen Aufgabe entlasten und vielleicht sogar als Intermediär zwischen Bürger und Staat überflüssig machen. Die Aufgabe eines Multiplikators hat das Internet in verschiedenen Teilbereichen bereits übernommen.457 2. Kontrolle der Justiz Auch bei der dritten Gewalt dient der Öffentlichkeitsgrundsatz primär der Kontrolle durch die Allgemeinheit.458 Diese Funktion der Öffentlichkeit lässt sich bereits historisch ableiten.459 Es sollte hierdurch ein Machtmissbrauch 455  Zu Recherchedefiziten auch aufgrund finanzieller Rahmenbedingungen, Tillmanns / Gerhardt, ZRP 2015, 29, 29 f. 456  http: /  / www.tagesspiegel.de / medien / luegenpresse-warum-verlieren-medien-anglaubwuerdigkeit / 12691124.html; zu bestehenden Kritikpunkten Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, § 35 Rn. 40. 457  Heckmann, NJW 2012, 2631, 2631. 458  BVerfG NJW 2002, 814, 814; Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, S. 23 f.; Diemer, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, § 169 GVG, Rn. 2 m.w. N.; Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 155; Stutz, Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafverfahren, S. 11; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 183 f.; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 560. Früher wurden jedoch verschiedene Personengruppen von der Öffentlichkeit ausgeschlossen, Fögen, Der Kampf um die Gerichtsöffentlichkeit, S.  23 f.; 459  Vgl. A. II.; Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 28; Kissel / Mayer, GVG, § 169 Rn. 1, 3; Feuerbach, Betrachtun-



B. Funktionen von Öffentlichkeit105

verhindert werden,460 indem dem Bürger ein Kontrollinstrument an die Hand gegeben wurde, gleichsam sollte das Gemeinwohl gefördert werden.461 Anfang des 19. Jahrhunderts kämpften daher viele Gelehrte und Bürger für die Wiedereinführung der Gerichtsöffentlichkeit, da Jahrhunderte der Geheimjustiz das Vertrauen der Bevölkerung in diese Institution zerstört haben.462 Die Kontrolle ist sowohl präventiver als auch repressiver Natur und damit unabhängig vom heutzutage bestehenden guten Ruf463 der Justiz bzw. deren erfreulichen Abschneidens im Rahmen internationaler Vergleiche464 gerechtfertigt. Darüber hinaus erlaubt die Kontrolle, die in jedem Berufsstand bestehenden blinden Flecken465 und Missstände aufzudecken.466 Dies ist vorliegen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1; S. 167; vgl. Blomeyer, Zivilprozeßrecht. Erkenntnisverfahren, S. 122; Danziger, Medialisierung des Strafprozesses S. 110 f.; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 24 III S. 224; Schmidt, JuS 1995, 110, 111. 460  Der unbeteiligte Zuschauer diente dem Angeklagten als Zeuge, damit dieser sich gegen Ungesetzlichkeiten des Richters Recht verschaffen konnte, Savigny, Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, S. 28. 461  Bereits kritisch zur Kontrollfunktion Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1, S. 147 ff., da er die Kontrollkompetenz des Volkes anzweifelt; so auch Savigny, Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, S. 28, der jedoch einen „heilsame[n] Einfluß der Oeffentlichkeit auf das Strafverfahren“ anerkennt. 462  Zu der damaligen „beispiellosen publizistischen Kampagne“, vgl. Wegener, Der geheime Staat, S. 207 m. w. N.; vgl. Fögen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, S. 21. 463  Wittreck, VVDStRL Band 74 (2015), S. 116. In der Vergangenheit bestand hingegen ein entsprechender Bedarf vgl. Höbermann, Der Gerichtsbericht in der Lokalzeitung: Theorie und Alltag, S. 28 f.; Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1, S. 26 f. hingegen leitete das Misstrauen in die Justiz nicht aus konkreten Fällen fehlerhafter oder ungerechter Entscheidungen ab, sondern begründete dies „durch bloße Hinweisung auf die gewöhnliche Gebrechlichkeit der Menschen, deren Natur[, welche] durch Übertragung eines Amtes und Auferlegung des Amtseides nicht umgewandelt zu werden pflegt“. Zu dem Umstand, dass Juristen auch Menschen sind vgl. auch Fabricius, Selbst-Gerechtigkeit, S.  149 ff.; Alwart, JZ 1990, 883, 893; a. A. Prinz, in: Prinz / Butz (Hrsg.), FS Engelschall, S. 250, der eine kritische Sicht auf die Justiz aufzeigt, u. a. da „[d]as Bild, das sich die Öffentlichkeit von der Justiz macht, […] nicht von den Bürgern selbst gezeichnet [wird]. Der direkte Kontakt zwischen Justiz und Bürger ist verschwindend gering“. Zur andauernden Vertrauenskrise zwischen Recht und Volk bis vor nicht einmal 100 Jahren, vgl. Schiffer, Die deutsche Justiz, S. 29 ff. 464  Wittreck, VVDStRL Band 74 (2015), S. 116, mit Verweis auf den „Rule of Law Index“ des „World Justice Projects“. 465  Auch um Verhältnisse zu verhindern, wie sie derzeit in Italien zu beobachten sind, http: /  / www.spiegel.de / politik / ausland / italien-die-justiz-ist-kaputt-4-5-millio nen-prozesse-auf-halde-a-1170403.html. Entsprechende blinde Flecken in der Justiz haben Lange und Luhmann zu folgender Aussage veranlasst: „Wir müssen […] an-

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

gend von besonderer Bedeutung, da die Justiz selbst nicht unmittelbar durch eine andere Gewalt kontrolliert wird.467 Erst durch die Schaffung einer weitreichenden Öffentlichkeit wird eine öffentliche Kritik an rechtswidrigem oder gar willkürlichem justiziellen sowie gesamtstaatlichen Handeln ermöglicht,468 wonach bei Bedarf ein korrigierendes Eingreifen der Justiz im Rahmen der Selbstkontrolle oder auch der Legislative möglich ist, um bestehende Unbilligkeiten oder begangenes Unrecht zu korrigieren.469 Die Kontrolle durch die Öffentlichkeit ermöglicht daher erst ein faires Verfahren.470 Der Instanzenzug erlaubt zwar eine gewisse Form von justizieller Selbstkontrolle, allerdings ist eine solche bei der Beseitigung von Missständen nicht immer zielführend.471 So variiert die auf dem Judiz des einzelnen Richters begründete Rechtsprechung insbesondere bei Strafurteilen trotz ähnlich gelagerter Sachverhalte teilweise bereits gerichtsintern, zumindest aber länderübergreifend in eklatanter Weise.472 Hellnehmen, daß die Justiz aus dem der Oberschicht angehörige Nachwuchs gerade diejenigen herauszieht, die für die Oberschicht am wenigsten charakteristisch sind; daß die Justiz also gleichsam als Versorgungseinrichtung für weniger kräftige Kinder der Oberschicht dient, so wie einst die Klöster.“ Lange / Luhmann, VerwArch 65 (1974), 113, 142; Wittreck, VVDStRL Band 74 (2015), S. 116. 466  Beispielsweise die Bereicherung weniger Richter durch die exklusive Veröffentlichung der von ihnen verfassten Urteile, vgl. Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 51 ff. oder die zweckwidrige Vergabe von Bußgeldern aus eigenen Interessen, Der Spiegel. Nr. 4 / 1972 S. 61 f. abrufbar unter: http: /  / magazin. spiegel.de / EpubDelivery / spiegel / pdf / 43018821. 467  Zur richterlichen Dienstaufsicht, vgl. Papier, NJW 1990, 8, 9 ff. Allerdings scheint die interne Dienstaufsicht partiell zu versagen, vgl. Sendler, NJW 2001, 1256, 1257 f. 468  BVerfGE 103, 44, 64; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 1. 469  Dies zeigt beispielsweise der Fall Mollath, zuletzt OLG Nürnberg NJW 2013, 2692; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 08.08.2006  – 7 KLs 802 Js 4743 / 2003; Staatsanwaltschaft Regensburg Wideraufnahmeantrag (Az. 151 Js 22423 / 12 – WA); abrufbar unter https: /  / www.strate.net / de / dokumentation / Mollath-WiederaufnahmeantragStA-Regensburg-2013-03-18.pdf. 470  Stackmann, NJW 2010, 1409, 1411 f.; vgl. auch EGMR NJW 2009, 2873, der die bloße Verlesung des Urteilstenors und die ausschließliche Zustellung des vollständigen Urteils gegenüber den Beteiligten als Verstoß gegen den fair-trial-Grundsatz des Art. 6 EMRK gewertet hat. 471  Zudem wehren sich Justizangestellte bei Missständen eher nicht, vgl. hierzu das Interview des ehemaligen saarländischen Staatsanwalts David Jungbluth https: /  / www.heise.de / tp / features / Es-geht-letztlich-nur-darum-die-Akte-so-schnell-wiemoeglich-vom-Tisch-zu-haben-3366876.html. 472  Vgl. die Studie zu den unterschiedlichen Verurteilungswahrscheinlichkeiten nach einer Vergewaltigung in den einzelnen Bundesländern, Hellmann / Pfeiffer, MschrKrim 2015, 527, 536 ff. Das Theaterprojekt „Please, Continue (Hamlet)“ von Yan Duyvendak und Roger Bernat zeigt, dass selbst bei einem gleichen und allge-



B. Funktionen von Öffentlichkeit107

mann / Pfeiffer haben zum Beispiel empirisch belegt, dass die Verurteilungswahrscheinlichkeit bei Vergewaltigungen in den unterschiedlichen Bundesländern erhebliche Divergenzen aufweist.473 Diese Diskrepanz kann zumindest aus dem Blickwinkel einer Frau (die bereits selbst Opfer geworden ist) geeignet sein, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu gefährden. Die unterschiedliche Gesetzesauslegung durch die Gerichte wird teilweise insoweit anzugleichen versucht, dass es beispielsweise in Bayern Ahndungsvorschläge für häufig auftretende und vergleichbare Sachverhalte gibt. Dagegen scheint in weiter nördlich gelegenen Bundesländern teilweise eine deutlich weniger strenge Auslegung des Strafgesetzbuches vorzuherrschen. Solch eine Auslegungsdiskrepanz ist bisher zwar nicht nur innerhalb der Justiz bekannt, aufgrund fehlender länderübergreifender Öffentlichkeit und daher der Möglichkeit des statistischen Vergleiches (auch für die Wissenschaft) wird diese bestehende länderbedingte Ungleichheit vor dem Gesetz noch nicht hinreichend wahrgenommen und dagegen vorgegangen. Diese unterschiedliche Handhabung des Rechts stellt ein Gerechtigkeitsdefizit dar,474 welches durch den Einfluss der Exekutive auf die Strafverfolgungsbehörden, aber auch durch die Legislative behoben werden könnte, aber mangels scheinbarer Dringlichkeit oder öffentlichen Drucks keine hinreichende Beachtung findet. Eine stärkere länderübergreifende Öffentlichkeitsschaffung könnte deutschlandweit zu einer einheitlicheren Gesetzesauslegung beitragen und damit für Rechtssicherheit sorgen. Die konstitutionell angelegte Uneinheitlichkeit der Justiz,475 kann zumindest im Rahmen des gleichen Rechtsweges keine Rechtfertigung für eine systematische Ungleichbehandlung von Bürgern sein.476 Darüber hinaus ist die Vergabe von Geldauflagen an gemeinnützige Einrichtungen, von denen Richter selbst oder deren nahe Angehörige (un)mittelbar profitieren, fragwürdig.477 mein bekannten Sachverhalt mit gleicher „Ermittlungsakte“ die unterschiedlichen mitwirkenden Richter, diesen derart anders beurteilen können, dass hohe Freiheitsstrafen und Freisprüche nahe beieinanderliegen können, vgl. http: /  / www.spiegel.de /  kultur / gesellschaft / tageskarte-theater-please-continue-hamlet-von-roger-bernat-a976713.html; http: /  / www.bild.de / news / inland / theaterstuecke / hamlet-inszenierungfuehrt-zu-unterschiedlichen-urteilen-36663922.bild.html. 473  Hellmann / Pfeiffer, MschrKrim 2015, 527, 536 ff. 474  Hillgruber, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 97, Rn. 49. Eine eigenständige Pflicht der Gerichte gerichtsbezirksübergreifend die Rechtsanwendung zu koordinieren wird dennoch abgelehnt, Hillgruber, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 97, Rn. 48. 475  BVerfGE 78, 123, 126; Hillgruber, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 97, Rn. 48. 476  Das Bundesverfassungsgericht hat in der abweichenden Auslegung derselben Norm durch verschiedene Gerichte keine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots gesehen, BVerfGE 78, 123, 126; 87, 273, 278. 477  http: /  / www.strafakte.de / strafprozessrecht / geldauflagen-bussgelder-verteilung / ; aufgrund verschiedener strafbewehrter Vorfälle in der Hamburger Justiz werden dort

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Der Instanzenzug hat diese beispielhaft aufgeführten Missstände bisher nicht beseitigen können, und es ist zweifelhaft, ob derlei überhaupt auf diesem Wege möglich ist. Er kann zudem nicht als hinreichende Kontrollinstanz gewertet werden, da ein Großteil der vor Gericht verhandelten Fälle nicht den gesamten Instanzenzug beschreitet.478 Insbesondere vor dem Hintergrund der Übernahme gesetzgeberischer Tätigkeit (sog. Richterrecht) ist die Herstellung von Öffentlichkeit umso wichtiger, da dies die einzige Kontrolle für judikatives Handeln darstellt, vgl. Art. 94 Abs. 2 GG i. V. m. § 31 Abs. 2 BVerfGG.479 Die hierdurch näher konturierten allgemeingültigen Gesetze adressieren jedermann, so dass auch jedermann von der einzelfallbezogenen Ausgestaltung dieses Gesetzes (potentiell) betroffen ist.480 Die Kontrolle dient dabei nicht nur der Vermeidung von Fehlern bei der Rechtsanwendung oder dem Abweichen des Richters von der geltenden Gesetzeslage481, sondern soll gleichzeitig die Effizienz der Gerichte steigern und die Richter disziplinieren, denen die rechtsprechende Gewalt gemäß Art. 92 GG anvertraut ist.482 Die in früheren Zeiten bemängelte scheinbare Lustlosigkeit der Richter, ihr Amt auszuüben, und stattdessen eher privaten Tätigkeiten nachzugehen, wie „Einschlafen, Zeitungslesen oder Brief­ schreiben“,483 ist heute allerdings nicht mehr in dieser Form zu finden.484 die Empfänger der Bußgelder inzwischen nicht mehr durch einzelne Richter festgelegt, sondern werden die Gelder über einen Bußgeldfonds von einer Kommission transparent und gerecht verteilt; vgl. http: /  / www.hamburg.de / justizbehoerde / service /  3810240 / bussgeldfonds / . 478  So auch Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 753 für die Schweiz. Besonders im Verwaltungsrecht stellt das Berufungszulassungsverfahren gem. § 124 VwGO ein Hindernis bzgl. der Ausschöpfung des Instanzenzugs dar. 479  Maurer, Geschichte des altgermanischen und namentlich altbairischen oeffentlich-muendlichen Gerichtsverfahrens, S. 251; zur richterlichen Kompetenz der Rechts­ fortbildung vgl. Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 878 ff. 480  Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kon­ trolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 13. 481  Vgl. Montesquieu, De l’Esprit des Loix, Livre onzieme, Chap. VI. 482  Vgl. Fögen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, S. 26. 483  Maurer, Geschichte des altgermanischen und namentlich altbairischen oeffentlich-muendlichen Gerichtsverfahrens, dessen Vortheile, Nachtheile und Untergang in Deutschland ueberhaupt und in Baiern insbesondere, S. 261. 484  Einzelfälle gibt es aber auch heute noch, in denen Akten über Monate aufgrund Überforderung liegen gelassen oder sogar versteckt werden, vgl. BGH, Urt. v. 06.11.2007 – 1 StR 394 / 07; BGH NJW-RR 1999, 426; LG Freiburg, 25.02.2016 – 2 KLs 270 Js 21058 / 12 AK 24 / 14; http: /  / www.mainpost.de / regional / franken / Amtsge richte-Sozialgerichte-Unterschlagung-und-Veruntreuung;art1727,6689740; zum Wan­ del des Richerbildes vgl. Ogorek, Richterkönig oder Subsumtionsautomat?



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Durch die statistische Erfassung der Arbeitsbelastung der Justiz seit 2005 durch das System der Personalbedarfsberechnung für den richterlichen, staatsanwaltlichen und Rechtspflegerdienst in der ordentlichen Gerichtsbarkeit (kurz „PEBB§Y“) sowie weitere statistische Auswertungen werden jedem Justizangehörigen angezeigt, wie viele Verfahren ein Richterreferat ausmachen, und gleichzeitig die Quote der noch offenen Verfahren vor Augen geführt. Diese statistische Auswertung diente zumindest mittelbar auch der Disziplinierung der Richterschaft. Gleichzeitig wandelt sich auch das Bild des Richters, und es entwickelt sich zumindest politisch intendiert eine Servicementalität an den Gerichten. Dass Richter während der Verhandlung damit beschäftigt sind, privat mittels SMS zu kommunizieren,485 oder während der Sitzung einschlafen,486 kann dennoch auch heute noch vorkommen. Inzwischen jedoch werten die Obergerichte ein solches Verhalten als Revisionsgrund und „ahnden“ hierdurch diese Handlungsweisen. Dennoch sind verschiedene in diesem Zusammenhang von Obergerichten auch heute noch getroffene Entscheidungen teilweise schwer nachvollziehbar.487 Insbesondere der mitunter einschlafende Schöffe oder Richter in Verhandlungen ist daher heute so aktuell wie vor 200 Jahren. Die interne Kontrolle scheint in diesem Punkt zu versagen. Eine tatsächlich vorhandene öffentliche Kontrolle wäre jedoch potentiell geeignet, diesen Missstand zu beseitigen.488 Hieran ändert auch die Auffassung nichts, wonach die reine Zutrittsmöglichkeit ein ausreichendes Element der Kontrolle darstellen soll, da auf diese Weise nur eine abstrakte Form der Kontrolle vorliegt.489 Der Kontrolle durch die Allgemeinheit wird entgegengehalten, dass die Bevölkerung nicht dazu im Stande sei, justizielles Handeln hinreichend zu 485  Vgl.

BGH MMR 2015, 841. NJW 2017, 3183, BFH, Beschl. v. 17.02.2011 – IV B 108 / 09; BFH, Beschl. v. 16.06.2009 – X B 202 / 08. 487  Vgl. BFH, Beschl. v. 16.06.2009  – X B 202 / 08. Das Gericht fordert für die Nachweisbarkeit des schlafenden Richters sichere Anzeichen, „wie beispielweise tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnarchen oder Anzeichen von fehlender Orientierung“; so auch BFH, Beschl. v. 17.05.1999 – VIII R 17 / 99 m. w. N. mit der ergänzenden Ausführung „Das Schließen der Augen ‚über weite Strecken der Verhandlung‘ und mit einer in sich zusammengesunkenen Haltung beweist allein nicht, daß der Richter schläft (vgl. BFH-Beschluß in BFH / NV 1986, 468, 469)“. Allerdings würde ein 20-minütiges Verharren in einer solchen Situation wahrscheinlich schon als ein die erforderliche Aufmerksamkeit vermissenlassendes Verhalten gewertet, vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.1980 – 6 C 110 / 79. 488  Kritisch zum derzeitigen Umgang mit dieser Form des richterlichen Fehlverhaltens auch Fabricius, Selbst-Gerechtigkeit, S. 71 ff., der hierin eine Problemkonservierung erkennt. 489  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 186 f. 486  BSG

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

würdigen.490 Dem wird entgegnet, dass jede staatliche Aufgabenerfüllung aufgrund des Demokratieprinzips einen Rückbezug zum Volk herstellen muss und daher nicht alleine Aufgabe von Juristen sein kann.491 Insbesondere Art. 20 Abs. 2 GG legt die Staatsgewalt nicht ausschließlich in die Hände rechtskundiger Bürger.492 Es handelt sich gerade nicht um eine juristische Kontrolle.493 Das Volk stellt nämlich keine Superrevisionsinstanz dar. Vielmehr soll eine Meinungsbildung der Zuschauer angestoßen werden, damit diese in den öffentlichen Diskurs treten können und gesellschaftlich gegebenenfalls als ungerecht wahrgenommene Gesetze öffentlich diskutieren.494 Zudem dient die Gerichtsöffentlichkeit auch der Selbstdisziplinierung der Gerichte. Für letztere bedarf es keiner speziellen Sachkunde.495 Eine rein juristische Betrachtung gerichtlicher Sachverhalte fördert lediglich eine unerwünschte einseitige Kontrolle, die das teilweise ebenfalls erforderliche Wissen anderer Disziplinen ausblendet.496 Mit der Kontrolle der Justiz geht als Reflex auch der Schutz insbesondere von Angeklagten in Strafprozessen aber auch der Prozessparteien in anderen Rechtswegen einher.497 Zudem besitzt die Öffentlichkeit auch eine Kontrollfunktion gegenüber den am Verfahren Beteiligten. So können sich im Publikum Personen befinden, die den Sachverhalt ebenfalls einschätzen oder eine Lüge enttarnen könnten.498 Somit wird durch die Öffentlichkeit die Wahr490  Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 74; Luhmann, Legitimation durch Verfahren S. 124. So bereits Mittermaier, Die Mündlichkeit, das Anklageprinzip, die Öffentlichkeit und das Geschworenengericht, S. 338. 491  Rohde, Die Öffentlichkeit im Strafprozess, S. 167; Höbermann, Der Gerichtsbericht in der Lokalzeitung: Theorie und Alltag, S. 29; vgl. Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafverfahren, S. 126 ff.; Sorth, Rundfunkberichterstattung aus Gerichtsverfahren, S. 60. 492  Höbermann, Der Gerichtsbericht in der Lokalzeitung: Theorie und Alltag, S. 30. 493  Fögen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, S. 26. 494  Der öffentliche Diskurs kann auch bei der Auslegung von Gesetzen neue Anstöße geben. Juristen besitzen nämlich kein Interpretationsmonopol der Gesetze, Isensee, in: Haller u. a. (Hrsg.), FS Winkler, S. 369. 495  Vgl. auch Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1, S. 149. 496  Höbermann, Der Gerichtsbericht in der Lokalzeitung: Theorie und Alltag, S. 29; vgl. Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafverfahren, S.  126 ff. 497  Höbermann, Der Gerichtsbericht in der Lokalzeitung: Theorie und Alltag, S. 28. 498  Savigny, Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, S. 29; Die (Wahrheits-)Kontrolle von Zeugenaussagen war zumindest in common law-Verfahren ein ursprüngliches Motiv der Gerichtsöffentlichkeit, vgl. Stürner, in: Heckmann / Schenke / Sydow (Hrsg.), FS Würtenberger, S. 923; Schuckert, Der



B. Funktionen von Öffentlichkeit111

heitsfindung unterstützt. Durch die Öffentlichkeit wird zudem sichergestellt, dass eine Entscheidung, die von Recht und Gesetz abweicht, leichter identifiziert werden kann. So können nur „tüchtige, die Achtung und des Volkes Vertrauen besitzende Richter […] sich im Richteramte erhalten, wodurch nicht allein die Rechtspflege selbst [gewinnt], sondern auch die oft schreienden Begünstigungen dieses oder jenen oft unwürdigen Menschen von selbst verschwanden.“499 Darüber hinaus wird als Kritik angeführt, dass Entscheidungen der Gerichte die Öffentlichkeit nicht interessieren würden.500 Das Interesse der Öffentlichkeit kann jedoch kein relevanter Maßstab sein und bedürfte zudem einer empirischen Nachweisbarkeit. Die fehlende Wahrnehmung der Öffentlichkeit kann nämlich auch indizieren, dass die bestehende Form von Öffentlichkeit wenig bürgerfreundlich ist501 und sich dies bei einer Neugestaltung von Öffentlichkeit anders darstellen könnte. Mangelndes Interesse würde höchstens zu einer fehlenden Akzeptanz staatlichen Handelns und der Nichtverwirklichung von Kontrolle durch die Bevölkerung führen. Der Staat muss jedoch den Rechtsstaat verwirklichende Infrastrukturen schaffen, auch wenn diese wenig Beachtung finden. Es geht um die institutionalisierende Öffnung des Staates. Dieser Öffentlichkeitsgrundsatz steht jedoch nicht unter einem Partizipationsvorbehalt. Öffentlichkeit selbst besitzt in sich einen Wert, beispielsweise in dem er einen Disziplinierungseffekt der involvierten Parteien besitzt. Es geht mithin um einen „rechtsstaatlichen Grundversorgungsauftrag“ des Staates und nicht um eine individuelle Bedürfnisbefriedigung des Zuschauers.

Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, S. 23 f. vertritt die Auffassung, dass die Wahrheitsermittlung durch die öffentliche Verhandlung vorangetrieben werde. 499  Maurer, Geschichte des altgermanischen und namentlich altbairischen oeffentlich-muendlichen Gerichtsverfahrens, dessen Vortheile, Nachtheile und Untergang in Deutschland ueberhaupt und in Baiern insbesondere, S. 261. 500  Vgl. u. a. Bräutigam, Stellungnahme zum EMöGG vom 16.06.2016, S. 4; https: /  / www.bmjv.de / SharedDocs / Gesetzgebungsverfahren / Stellungnahmen / 2016 /  Downloads / 06162016_Stellungnahme_ARD_RefE_EMoeGG.pdf?__blob=publica tionFile&v=3; Anders Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1, S. 182, der eine Anwesenheitsverpflichtung für ausgesuchte Personen vorsah. Vgl. Schraft-Huber, in: Umbach / Clemens / Dollinger (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 17a Rn. 17 f. 501  Vgl. Schraft-Huber, in: Umbach / Clemens / Dollinger (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 17a Rn. 18.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

3. Stärkung der Gewaltenteilung und richterlichen Unabhängigkeit Auf diesem Wege wird jedoch nicht nur die dritte Gewalt kontrolliert, sondern gleichzeitig ihre Unabhängigkeit von den anderen Gewalten und auch insgesamt die Gewaltenteilung gestärkt, indem mittelbar hierdurch auch kontrolliert wird, ob eine Einflussnahme durch eine andere Gewalt oder andere Unberechtigte auf die Justiz bzw. den einzelnen Richter stattgefunden hat.502 Somit dient die öffentliche Kontrolle auch dem Schutz der Unabhängigkeit des Richters.503

III. Öffentlichkeit und Gerechtigkeit 1. Integration durch informationelle Gleichberechtigung Während Wissen allgegenwärtig mit Macht gleichgesetzt wird504, ermöglicht eine weitreichende staatliche Öffentlichkeitsarbeit eine gleichberechtigte Teilhabe aller Bürger an diesem Wissen.505 Die Gewährung von staatlichen Informationen ist ebenfalls ein zentrales Element des Öffentlichkeitsprinzips.506 Der öffentliche Informationszugang unabhängig vom Ansehen der Person dient gleichzeitig der Staatsneutralität, da der Informationszugang auf diesem Wege nicht von unbegründeten Privilegien abhängig gemacht wird.507 Aufgrund einer allumfassenden Öffentlichkeit werden auch zuvor ausgeschlossene Personen in das staatliche öffentliche Leben integriert.508 Durch 502  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 1 f., 88; vgl. Hillermeier, DRiZ 1982, 281, 282; a. A. Gierhake, JZ 2013, 1030, 1034, die die Unabhängigkeit der Dritten Gewalt durch die Öffentlichkeit bedroht sieht. 503  Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 28; Odersky, in: Freiherr von Gramm u. a. (Hrsg.), FS Pfeiffer, S. 334. Zu den Abhängigkeiten der Judikative zur Exekutive vgl. Hochschild, ZRP 2011, 65, 65 ff. 504  Vgl. Lederer, Open Data, S. 33; Hoffmann / Klessmann, V&M 17 (2011), 306, 310. 505  Zum Begriff der Öffentlichkeitsarbeit in der Justiz, Wassermann, in: Wassermann (Hrsg.), Justiz und Medien, S. 148 f., 150 ff. 506  Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 31; Kissel, NJW 1979, 1953, 1958; Kleinknecht, in: Hamm / Matzke (Hrsg.), FS Schmidt-Leichner, S. 113. Die Informationsgewähr dient der Befriedigung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit, BVerfGE 35, 202, 230 ff. Zur Funktion und Reichweite der Öffentlichkeit in der Verwaltung siehe ausführlich Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung. 507  Gusy, DVBl. 2013, 941, 942. Im Rahmen der Informationsgewähr muss der Staat daher das „Gebot strikter Neutralität“ beachten, Soehring, AfP 1995, 449, 450 m. w. N. 508  Hierdurch kann der Umgang mit staatlichen Institutionen insbesondere den Gerichten für Bürger vertraut werden, Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 33 f.



B. Funktionen von Öffentlichkeit113

die Einbeziehung neuer Medien wird insbesondere auch Menschen ein Zugang zu staatlichen Informationen gewährt, die anderenfalls auf die Hilfe Dritter angewiesen wären. Diese Form der Barrierefreiheit entspricht der Forderung von Art. 3 Abs. 3 GG. In diesem Kontext kann auch von einer „informationellen Grundversorgung“ gesprochen werden, worunter man die „hoheitliche Aufgabe der Daseinsvorsorge im Hinblick auf Informationen“ versteht.509 Öffentlichkeit dient mithin auch dazu, das Informationsbedürfnis der Bevölkerung zu erfüllen.510 2. Informationelle Gleichberechtigung der Justiz Die Bereitstellung von staatlichen Informationen kann die politische Bildung der Bevölkerung stärken. Darüber hinaus werden durch die öffentliche Verhandlung die Rechtskenntnisse in der Bevölkerung verbessert511 bzw. lebendig gehalten.512 Nur das bekannte Recht kann auch befolgt werden. Gleichzeitig kann nur eine informierte Gesellschaft die oben genannte Kontrollaufgabe wahrnehmen.513 Zudem wird vertreten, dass eine öffentliche Sanktionierung anderer diejenigen, mit den normierten Werten einer Rechtsordnung kollidierenden „Triebe“ zu unterdrücken vermag, die in einem Teil der Bevölkerung angelegt sind514, wodurch das „moralische Rückgrat“ der Gesellschaft gestärkt wird.515 Diese Stärkung der rechtstreuen Gesellschaft durch ein öffentliches Gerichtsverfahren erfolgt durch einen Abgrenzungsprozess von Rechtschaffenden gegenüber denjenigen, die mit dem Gesetz brechen.516 509  Lederer,

Open Data, S. 215 m. w. N. Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafverfahren, S. 116. 511  Savigny, Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, S. 28 f., 31; Maurer, Geschichte des altgermanischen und namentlich altbairischen oeffentlich-muendlichen Gerichtsverfahrens, dessen Vortheile, Nachtheile und Untergang in Deutschland ueberhaupt und in Baiern insbesondere, S. 262; Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, S. 37 f., Franzki, DRiZ 1979, 82, 82; Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, S. 28 f. 512  Schwarz, AfP 1995, 353, 356 f.; Höbermann, Der Gerichtsbericht in der Lokalzeitung: Theorie und Alltag, S. 38; so bereits in Jahre 1898 Birkmeyer, Deutsches Strafprozessrecht, S. 534. Krawitz, Summoned by social media: Why Australian courts should have social media accounts (2014) 23 JJA 182, 182 ff. begrüßt daher die Nutzung von Social Media-Accounts durch Richter. 513  Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 32. 514  Ostermeyer, Strafrecht und Psychoanalyse, S. 29 ff. 515  Ostermeyer, Strafrecht und Psychoanalyse, S. 29 ff.; Höbermann, Der Gerichtsbericht in der Lokalzeitung: Theorie und Alltag, S. 39. 516  Höbermann, Der Gerichtsbericht in der Lokalzeitung: Theorie und Alltag, S.  39 f.; vgl. Plack, Die Gesellschaft und das Böse, S. 120. 510  Stutz,

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Neben der Schulung des allgemeinen Rechtsbewusstseins517 verhindert eine Verbreitung von Rechtsinformationen unnötige Gerichtsverfahren und entlastet hierdurch die Justiz.518 Diese Folge öffentlichen Handelns kann auch als Präventionswirkung von Öffentlichkeit bezeichnet werden.519 Neben der oben genannten Kontrollfunktion hat Öffentlichkeit nämlich insbesondere im strafrechtlichen Zusammenhang die Funktion, den Täter oder Dritte von (weiteren) Straftaten abzuschrecken (sog. Spezial- oder General­prävention),520 da hierdurch unmittelbar die Konsequenzen eines entsprechenden gesetzlich missbilligten Fehlverhaltens aufgezeigt werden und die Rechtsordnung „verteidigt“ wird.521 Für einige Straftäter ist die öffentliche Konfrontation mit der Straftat, was partiell auch mit einem gefühlten Gesichtsverlust einhergeht, fast so belastend wie die anschließende eigentliche Strafe.522 Straftäter können zudem im Hinblick auf eine Verurteilung ähnlich gelagerter Fälle zum Umdenken oder insbesondere in steuerstrafrechtlichen Kontexten sogar der Erstattung von Selbstanzeigen bewogen werden.523 Diese Präventionswirkung gilt jedoch nicht nur für Strafverfahren, sondern zeigt sich auch in jeder anderen Verfahrensart, indem der Gesellschaft vor Augen geführt wird, dass gewisse Verhaltensarten, sei es zivilrechtlich oder durch die Verwaltungsgerichte, „sanktioniert“ werden. Daher ist auch die Auffassung abzulehnen, wonach die Präventionswirkung lediglich als Begleiterscheinung, nicht aber als Funktion von Öffentlichkeit anerkannt wird.524 517  Hillermeier, DRiZ 1982, 281, 282; Huff, Justiz und Öffentlichkeit, S. 8; Höbermann, Der Gerichtsbericht in der Lokalzeitung: Theorie und Alltag, S. 38. 518  Huff, Justiz und Öffentlichkeit, S. 9. 519  Hillermeier, DRiZ 1982, 281, 282; Höbermann, Der Gerichtsbericht in der Lokalzeitung, S. 32 ff.; vgl. Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 34. 520  Hillermeier, DRiZ 1982, 281, 282 f.; Huff, Justiz und Öffentlichkeit, S. 7. Nach Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 34 handelt es sich bei der Präventivwirkung nicht um eine eigenständige Funktion, sondern um eine bloße Begleiterscheinung. 521  BGH NJW 1971, 439, 439 f.; Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, S. 29 f. spricht in diesem Zusammenhang von einer „Stärkung des Rechtsbewußtseins“. Hübner-Raddatz, Fernsehöffentlichkeit im Gerichtssaal, S. 14; HoffmannRiem, in: Kübler (Hrsg.), Medienwirkung und Medienverantwortung, S. 52 benennt jedoch auch die Gefahr der Verstärkung von Vorurteilen und negativen Sterotypen. Kritisch zur generalpräventiven der Wirkung der Gerichtsöffentlichkeit Franke, Die Bildberichterstattung über den Angeklagten und der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafverfahren, S.  62 f. 522  Aus diesem Grund wird teilweise durch die Verteidigung versucht, die Öffentlichkeit von dem Verfahren auszuschließen, vgl. u. a. http: /  / www.spiegel.de / panora ma / justiz / potsdam-anwalt-will-oeffentlichkeit-von-elias-prozess-ausschliessen-a1097531.html. 523  Huff, Justiz und Öffentlichkeit, S. 7.



B. Funktionen von Öffentlichkeit115

Ein öffentliches Verfahren hat auch einen aufklärenden präventiven Charakter für Bürger. Die Zuschauer der Verhandlung werden über kriminelle Vorgehensweisen525 oder auch durch zivilrechtliche Verfahren z. B. über unzuverlässige oder gar insolvente Geschäftspartner informiert und können sich hierdurch besser schützen.526 Zudem können bestehende Normen im Bevölkerungsbewusstsein in Erinnerung gerufen werden.527 Die Befolgungsbereitschaft wird hierdurch gesteigert. 3. Förderung von Gerechtigkeit Trotz der unterschiedlichen Facetten besteht eine überragend wichtige Funktion der Öffentlichkeit im judikativen Kontext darin, das Recht und damit auch das Leben in dieser Gesellschaft zu verbessern bzw. zeitgemäß weiterzuentwickeln.528 Gerechtigkeit bleibt zwar weiterhin ein gedankliches Gebilde, das in einer pluralen Gesellschaft mit heterogenen Vorstellungen kaum umsetzbar ist; aber die Augmentierung des Vertrauens in den Rechtsstaat und die Justiz ermöglicht zumindest eine Förderung der subjektiv wahrgenommenen Gerechtigkeit. Durch die öffentliche Kontrolle wird der Richter im Prozess gemäßigter auftreten, und daher kann eine Verbesserung der Verfahrensgerechtigkeit und damit der subjektiven Wahrnehmung von Gerechtigkeit herbeigeführt werden.

524  Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 34. 525  Das Risiko, dass Zuhörer von Strafverhandlungen erst kriminelle Verhaltensweisen erlernen können, wurde bereits bei der Einführung der Gerichtsöffentlichkeit gesehen; Fölix, Über Mündlichkeit und Oeffentlichkeit des Gerichtsverfahrens, S. 40 („Schule der Immoralität“); Savigny, Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, S. 32; ebenfalls kritisch Birkmeyer, Deutsches Strafprozessrecht, S. 535. Aufgrund der Bedeutung der Gerichtsöffentlichkeit wurde dieses Risiko jedoch als nicht bedeutend gewertet. Stutz, Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafverfahren, S. 11. 526  Hirte, NJW 1988, 1698, 1703 fordert vor diesem Hintergrund die Namensnennung eines Verfahrensbeteiligten, der in einer Vielzahl potentieller Fälle verwickelt sein könnte, auch um eine einheitliche Rechtsprechung bezüglich gleichgelagerter Vertragsverstöße zu bewirken. A. A. Fölix, Über Mündlichkeit und Oeffentlichkeit des Gerichtsverfahrens, S. 40. 527  Vgl. Höbermann, Der Gerichtsbericht in der Lokalzeitung: Theorie und Alltag, S. 38; Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, S. 28 f. 528  Savigny, Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, S. 31.

116

Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Gleichzeitig kann der öffentliche Diskurs helfen, gesellschaftlichen Wandel aufzunehmen529 und entgegenstehende gerichtliche Entscheidungen zum Anlass zu nehmen, eine Debatte um Gesetzesreformen anzustoßen. Durch die Kontrollfunktion werden die Bevölkerung und der Gesetzgeber nämlich mittelbar auf bestehende gesetzlich fixierte Ungerechtigkeiten oder bestehende Gesetzeslücken aufmerksam gemacht, was zur Folge hat, dass diese in den demokratischen Diskurs einfließen und durch die plastische Voraugenführung der Konsequenzen die Gesetzeslücken grundsätzlich schneller durch die gesetzgebende Gewalt behoben werden.530 Darüber hinaus erfährt der Gesetzgeber und insbesondere auch die Judikative durch öffentliche Debatten das (sich wandelnde) „Moral- und Sittenverständnis“ der Bevölkerung, welches auch für die Rechtsauslegung von Bedeutung sein kann, vgl. nur §§ 138, 242 BGB. Die Öffentlichkeit der Judikative stellt somit auch mittelbar eine Kontrolle der Legislative dar, da erst durch konkrete Beispielsfälle die Normadressaten die Reichweite eines Gesetzes erfassen können.531

IV. Öffentlichkeit, Vertrauen und Akzeptanzstiftung 1. Schaffung von Vertrauen und Akzeptanz Als weiteres wichtiges Element schafft öffentliches und transparentes Staatshandeln Vertrauen532 und Akzeptanz beim Staatsvolk.533 Vertrauensbildung ist bei einem demokratischen Staatssystem besonders wichtig, da das Volk in einem regelmäßigen Turnus die Möglichkeit besitzt, Volksvertreter abzuwählen, deren Vertrauen sie verloren haben. Gleichzeitig bedarf die 529  Zum gesellschaftlichen Wandel im Kontext mit einem Geltungsverlust von Rechtsnormen vgl. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S.  175 ff. 530  BVerwG NJW 1997, 2694, 2695. 531  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 185. 532  Kritsch Wewer, Transparenz als Grundlage von Vertrauen? Die Sichtweise der Regulierungslehre S. 32 ff., der empirisch darstellt, dass Transparenz alleine kein Vertrauen schafft. Zur andauernden Vertrauenskrise zwischen Recht und Volk bis vor nicht einmal 100 Jahren, vgl. Schiffer, Die deutsche Justiz, S. 29 ff. 533  Würtenberger, NJW 1991, 257, 259 f.; Albrecht, in: Albrecht (Hrsg.), Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 1; Appel, in: Heckmann / Schenke / Sydow (Hrsg.), FS Würtenberger, S. 349 ff.; Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 32 f.; Prinz, in: Prinz / Butz (Hrsg.), FS Engelschall, S. 247; Martin, Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit, S. 133; Lederer, Open Data, 356 f.; Rubbert, Saal- und Medienöffentlichkeit münd­ licher Verhandlungen zwischen Verwaltung und Bürgern, S. 112; Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 14 f.; allgemein auch Würtenberger, Die Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen.



B. Funktionen von Öffentlichkeit117

Staatsform der Demokratie für ihren Fortbestand der Akzeptanz und des Vertrauens der Bevölkerung.534 Auch Exekutiventscheidungen bedürfen der Akzeptanz der Bürger,535 da sich diese sonst mit den Mitteln des Rechtsstaats hiergegen zur Wehr setzen können und Verwaltungsverfahren hierdurch sich erheblich verzögern oder sogar verhindert werden können.536 Geheimes staatliches Handeln hemmt hingegen die Akzeptanz,537 schafft Misstrauen538 und ruft Verschwörungstheoretiker auf den Plan.539 Wie groß das Misstrauen in geheime Verhandlungen ist, zeigte sich deutlich bei den geheimen Verhandlungen über die transnationalen Wirtschaftsabkommen TTIP und CETA. Obwohl oder gerade weil der Inhalt dieser Abkommen nur partiell bekannt war, demonstrierten alleine in Deutschland aufgrund des geheimen Beratungsmodus bis zu 250.000 Bürger.540 Erst durch die öffentliche und verständliche Darlegung staatlichen Handelns wird der Bevölkerung zudem die Möglichkeit gegeben, sich in einem ersten Schritt selbst ein Bild zu machen und darauf aufbauend in einem zweiten Schritt eine fundierte Meinung zu bilden, die es dem Betroffenen im besten Fall gebietet, dass dieser sich selbst am demokratischen Diskurs beteiligt. Dieses partizipative Element führt zudem zu einer besseren Akzeptanz von staatlichen Entscheidungen.541 Darüber hinaus kann die staatliche Akzeptanz auch durch Bürgernähe erreicht werden. Dies ist insbesondere bei E-Government-Maßnahmen der Fall, bei denen beispielsweise Formulare im Internet veröffentlicht werden, die der Bürger selbständig zu Hause ausfüllen kann, wodurch diesem eine etwaige zeitaufwändige Kontaktaufnahme mit der Behörde erspart bleibt.542 Gleichzeitig kann die durch die geschaffene Öffentlichkeit ermöglichte Selbstdarstellung des Staates eine Unkenntnis

534  Lederer,

Open Data, 348 f. hierzu Würtenberger, Die Akzeptanz von Verwaltungsentscheidun-

535  Umfassend

gen.

536  Würtenberger,

NJW 1991, 257, 257 f. in: Heckmann / Schenke / Sydow (Hrsg.), FS Würtenberger, S. 346 ff. 538  Vgl. Engels, AnwBl. 1983, 100, 103; im historischen Kontext Schiffer, Die deutsche Justiz, S. 163 f.; BGHSt 3, 387, 387. 539  Vgl. Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, S. 145; Albrecht, in: Albrecht (Hrsg.), Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 1. 540  http: /  / www.spiegel.de / wirtschaft / unternehmen / ttip-demonstration-in-berlinstellt-teilnehmerrekord-auf-a-1057187.html; Heckmann, Aufstand der Unverstandenen, Legal Tribute Online, https: /  / www.lto.de / recht / hintergruende / h / stopp-acta-ak tionstag-aufstand-der-unverstandenen / . 541  EGMR, Urt. v. 14.02.2001  – 355115 / 97  – Riepan v. Austria; König, DÖV 2000, 45, 50. 542  Gusy, DVBl. 2013, 941, 942. 537  Appel,

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

über staatliches Agieren, die damit verbundene schwindende Akzeptanz und Politikverdrossenheit543 in der Bevölkerung abfedern.544 Ferner ermöglicht die Digitalisierung und die Vernetzung durch das Internet, dass Informationen Grenzen überwinden. Diese neue Ära hinsichtlich der Schaffung von Transparenz, Teilhabe und Vernetzung kann neben der Stärkung des Vertrauens in einen Rechtsstaat,545 aber auch als überholt angesehene Machtstrukturen zu Fall bringen546 oder Menschen politisch mobilisieren547. 2. Vertrauen und Akzeptanz in der Justiz Darüber hinaus wird durch die Öffentlichkeit gerichtlicher Verfahren die Arbeitsweise der dritten Gewalt und deren Überparteilichkeit vermittelt. Dies hat eine besonders akzeptanzstiftende Wirkung in der Bevölkerung.548 Im 543  Zur Existenz dieses Phänomens und zum Begriff, vgl. Pöttker, in: Jarren / Schatz / Weßler (Hrsg.), Medien und politischer Prozeß, S. 59 ff., Hill, in: Letzgus u. a. (Hrsg.), FS Helmrich, 513; Lösche, in: ZParl 1995, 149, 149 ff., 152 zweifelt die empirischen Untersuchungen zu diesem Phänomen an und verweist darauf, dass die Befunde lediglich ein Missverständnis bzw. das „Unverständnis der Funktionsweise parlamentarischer Regierungssysteme“ darstellt. 544  Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 17; vgl. Hamm-Brücher, in: Herles / Husemann (Hrsg.), Politikverdrossenheit. Schlagwort oder Zeichen der Krise? S. 75; vgl. auch Hill, JZ 1988, 377, 378 ff. 545  Heckmann, in: Heckmann, jurisPK Internetrecht Kap. 5, Rn. 31. 546  Vgl. Reschke, in: Kupka / Mecklenburg, Arabischer Frühling – Transformationsprozesse und politische Umbrüche in der MENA-Region, S. 60, 61 ff.; Hillenbrand, Facebook Revolutions? Social Media und der politische Wandel in Ägypten S. 1 ff.; Kneuer / Richter, Soziale Medien in Protestbewegungen, S. 13 ff.; Hofheinz, in: Schneiders (Hrsg.), Der Arabische Frühling, Soziale Medien im arabischen Frühling, S. 117; 547  Bond u. a., A 61-million-person experiment in social influence and political mobilization, Nature Vol. 489, 295. 548  Maurer, Geschichte des altgermanischen und namentlich altbairischen oeffentlich-muendlichen Gerichtsverfahrens, dessen Vortheile, Nachtheile und Untergang in Deutschland ueberhaupt und in Baiern insbesondere, S. 260; Savigny, Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, S. 31; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 75; Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 42 Rn. 60; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 192 f.; Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, S. 28; RGSt 70, 109, 112; BGHSt 3, 386, 387; Schiffer, Die deutsche Justiz, S. 164; Ranft, Jura 1995, 573, 574; Arenhövel, ZRP 2004, 61, 62. Eine britische Studie über das dortige Justizsystem hat gezeigt, dass vielfach aufgrund eines Wissensmangels über die Arbeitsweise der Strafjustiz in der Bevölkerung das Vertrauen in diese Institution reduziert ist. Personen mit einem geringeren Maß an Verständnis über die justizielle Arbeitsweise neigen zudem dazu, vermehrt die Justiz zu kritisieren. Hough / Roberts, Confidence in justice: in interna­ tional review, ICRP Research, p. 9, abrufbar unter http: /  / www.icpr.org.uk / media / 329



B. Funktionen von Öffentlichkeit119

besten Fall wird zudem noch auf diesem Wege ein Verständnis aller Beteiligten für das bestehende Recht vermittelt.549 Die Aufrechterhaltung des Vertrauens und der Glaubwürdigkeit ist elementar, damit die Justiz als Organ der Rechtspflege in der bürgerlichen Sphäre friedensstiftend agieren und damit ihre originäre Aufgabe ausüben kann.550 Handelt die Justiz jedoch ungerechtfertigt hart oder im Gegenteil zu nachlässig, besteht immer auch das Risiko eines allgemeinen Vertrauensverlustes in den Rechtsstaat.551 Dies geschieht u. a. auch durch die „zeremonielle“ Darstellung von Rechtsstreitigkeiten und deren Lösung.552

V. Öffentlichkeit und Disziplinierung 1. Effizienzsteigerung Durch öffentlich zugängliche Daten werden weniger diesbezügliche zeitintensive Anfragen von Bürgern an die Verwaltung herangetragen. Zudem erlaubt die Öffentlichkeitsarbeit des Staates die Aufklärung der Bevölkerung über neue Gesetze, so dass es Bürgern möglich wird, sich rechtskonform zu verhalten, was in der Folge die Anzahl staatlicher Sanktionen reduzieren kann und diesbezügliche Ressourcen schont.553 Je höher die Bevölkerungsdichte und je pluraler der Hintergrund, desto klarer muss der Staat die bestehenden Ge- und Verbote kommunizieren.554 Gleichzeitig kann auf diesem Wege eine öffentliche Stelle beispielsweise erfahren, welche Daten von einer anderen Behörde bereits erhoben und verarbeitet wurden, so dass es einer zeitaufwändigen erneuten Vornahme gewisser Handlungen durch eine andere Behörde (zum Beispiel erneute Einholung eines technischen Gutachtens) nicht bedarf.555 Gleichsam kann die Öffnung staatlicher Prozesse die Produk18 / public %20confidence %20in %20justice %20international %20review.pdf; Moran, Mass-mediated ‚open justice‘: Court and judicial reports in the Press in England and Wales, Legal Studies Vol. 34 No 1, p. 143, 145. 549  Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 42 Rn. 60. 550  Ranft, Jura 1995, 573, 574; Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, S. 33. 551  Vgl. BGH NJW 2017, 3011, 3012 f.; BGH StV 2016, 212, 217; BayVGH, Urt. v. 18.01.2017 – 16a D 14.1992 juris Rn. 42. 552  Stutz, Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafverfahren, 1992, S. 116. 553  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 138  f.; Gusy, DVBl. 2013, 941, 942. 554  Vgl. BVerfGE 44, 125, 148. 555  Hoffmann / Klessmann, V&M 17 (2011), 306, 309; vgl. Gusy, DVBl. 2013, 941, 942. Zum verwaltungsinternen Wissenstransfer vgl. Augsberg, Informationsverwaltungsrecht S.  79 ff.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

tivität steigern.556 Innerhalb der Justiz beinhaltet der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) auch die Pflicht der Gerichte, diesen innerhalb eines angemessen Zeitrahmens zu gewähren.557 Die überlange Verfahrensdauer einiger Gerichtsverfahren558 und damit verbundene Konfliktvertiefungen bzw. Verjährungsproblematiken verursachen ein erhebliches Rechtsschutzdefizit in Deutschland.559 2. Disziplinierungseffekt Nicht nur staatliche Organe können durch ein Mehr an Öffentlichkeit diszipliniert werden,560 sondern auch Bürger im Umgang mit der Staatsgewalt.561 Sichtbarkeit schafft nämlich Kontrollierbarkeit aller Beteiligten und damit auch bessere Ahndungsmöglichkeiten unangemessenen Verhaltens.562 Von diesem Effekt profitieren derzeit Polizeibeamten, die sogenannte BodyCams im Dienst tragen.563 Zudem kann die Öffentlichkeit einen abschreckenden Effekt besitzen.564 Allerdings ist zu beachten, dass eine zur Straftat bereite Person sich weder von höheren Strafen noch von anderen öffentlichen Verfahren abschrecken lassen wird.565 Dennoch wird in der kriminologischen Lehre die general- und spezialpräventive Wirkung des Strafrechts vertreten.566 Diese Wirkung des Strafrechts kann auch auf die öffentliche Verhandlung übertragen werden.

556  Heckmann, in: Slapio / Habbel / Huber (Hrsg.), Wertschöpfung für die Wirtschaft, S. 46, 49. 557  Wittreck, VVDStRL Band 74 (2015), S. 139. 558  Vgl. zu der durchschnittlichen Verfahrensdauer im Jahr 2015, Einleitung, I. 559  Brosius-Gersdorf, VVDStRL Band 74 (2015) S. 197 ff. 560  So bereits Savigny, Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, S. 28; Birkmeyer, Deutsches Strafprozessrecht, S. 534; Fögen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, S. 26; Alwart, JZ 1990, 883, 884; Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 227 sieht den Disziplinierungs­ effekt in einer (potentiellen) (Fach-)Diskussion. 561  Heckmann, in: Slapio / Habbel / Huber (Hrsg.), Wertschöpfung für die Wirtschaft, S. 46, 49. 562  Heckmann, in: Slapio / Habbel / Huber (Hrsg.), Wertschöpfung für die Wirtschaft, S. 46, 49. 563  Vertiefend hierzu Starnecker, Videoüberwachung zur Risikovorsorge, S. 41 ff. 564  Vgl. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 75. 565  Jehle, DRiZ 2017, 126, 135. 566  Wessels / Beulke / Satzger, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Rn. 23 ff.



B. Funktionen von Öffentlichkeit121

VI. Öffentlichkeit und (in-)direkte Verhaltenssteuerung Gleichzeitig kann Öffentlichkeitsarbeit sowohl eine intendierte direkte als auch eine indirekte Verhaltenssteuerung der Bevölkerung zur Aufgabe haben.567 Insbesondere bei staatlich ausgesprochenen Warnungen568 soll die Bevölkerung auf Gefahren aufmerksam gemacht werden, so dass diese anschließend den Konsum gefährlicher Produkte oder den Umgang mit fragwürdigen Vereinigungen meidet. Prekärer hingegen ist eine indirekte Verhaltensbeeinflussung der Bevölkerung durch staatliche Organe, auch „nudg­ ing“569 genannt.570 Aber nicht nur die bewusste „Manipulation“ der Bevölkerung kann kritisch gesehen werden. Auch das unbewusste Weglassen von staatlichen Informationen kann indirekt das Verhalten der Bevölkerung beeinflussen.571 Die Einbindung von digitalen Informationsintermediären ermöglicht zudem eine Ausweitung dieser Wirkung.572 Die von Algorithmen gesteuerte Auswertung und Zuordnung von Informationen wird bereits in der Privatwirtschaft eingesetzt573 und durch eine Rechtssetzung gefördert, die Rechtskonformität bzw. den Schutz verfassungsrechtlich geschützter Interessen „by Design“ verlangt.574

VII. Verhältnis der Funktionen untereinander Jede der Funktionen kann grundsätzlich für sich alleine stehen und hat ihren eigenständigen Bedeutungsgehalt. Allerdings bedingen sich die Funk­ 567  Lewinski, in: Dreier / Fischer / Raay / Spiecker gen. Döhmann (Hrsg.), Informa­ tionen der öffentlichen Hand – Zugang und Nutzung, S. 438; vgl. auch Gusy, DVBl. 2013, 941, 943; Di Fabio, JuS 1997, 1, 1 ff. 568  Vgl. hierzu BVerfGE 105, 252, 255, 257; BVerfGE 105, 279, 286; Haussühl, VBlBW 1998, 90, 90 ff.; BVerwGE 90, 112, 112 ff.; BVerwGE 82, 76, 81; BVerwGE 87, 37 44 f.; im Kontext mit Lebensmitteln vgl. hierzu auch Porsch, ZLR 2003, 175, 175 ff. 569  Die Idee des „nudgen“, d. h. die psychologiebasierte indirekte Beeinflussung auch durch politisches Handeln, geht zurück auf die Erkenntnisse von Thaler / Sunstein, Nudge: Improving Decisions About Health, Wealth, and Happiness. 570  Zu entsprechenden Erwägungen in der deutschen Politik vgl. http: /  / www.faz. net / aktuell / wirtschaft / wirtschaftspolitik / kanzlerin-angela-merkel-sucht-verhaltens forscher-13118345.html; vgl. hierzu im datenschutzrechtlichen Kontext Sandfuchs, Privatheit wider Willen?, S. 109 ff. 571  Vgl. Gusy, DVBl. 2013, 941, 943. 572  Hoffmann-Riem, AöR Band 142 (2017), S. 1, 11 ff. Zu Macht und Einflussnahmemöglichkeiten von Informationsintermediären siehe Schulz / Dankert, Die Macht der Informationsintermediäre, S. 34 ff. 573  Hoffmann-Riem, AöR Band 142 (2017), S. 1, 13. 574  Hoffmann-Riem, AöR Band 142 (2017), S. 1, 19 f.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

tionen auch gegenseitig. Insbesondere der Ausfall einer Funktion wirkt sich immer auch auf die anderen Funktionen der Öffentlichkeit staatlichen Handelns aus. Dies kann negative Folgen haben, indem bei einem Fehlen der Kontrollfunktion Vertrauen beschädigt wird.575 Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass eine entsprechende Entwicklung positiv verläuft. Dies wird insbesondere deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass Öffentlichkeit eine effizientssteigernde Wirkung besitzt. Dort wo aber keine Produktivitätssteigerung staatlichen Handelns aufgrund der systematischen Überlastung der Beschäftigten möglich ist576, kann Öffentlichkeit auch den Bürgern vor Augen führen, welcher „Erledigungsdruck“577 teilweise auf Staatsdienern ruht. Dies könnte ein Verständnis in der Bevölkerung dafür schaffen, dass Verfahren teilweise länger dauern als gewünscht. Gleichsam kann dies einen öffentlichen Diskurs anregen und die betroffene Gewalt im Rahmen der Gewaltenteilung stärken, wenn die Bevölkerung eine bessere finanzielle Ausstattung eines Sachbereichs fordert.578 Diese durch die Bevölkerung verlautbarte Äußerung, die von der Politik vernommen und umgesetzt wird, fördert die demokratische Legitimation entsprechender Entscheidungen. Die stärkt überdies den Rechtsstaat, ist die Justiz doch jene staatliche Gewalt, in der sich der Rechtsstaat beweisen muss.

VIII. Gewaltendifferenzierung und Funktionswandel Während für die Legislative und teilweise auch die Exekutive Konsens bezüglich der oben genannten Funktionen von Öffentlichkeit besteht, herrschen diesbezüglich im Rahmen der Judikative Divergenzen. Einige Stimmen sprechen sich für die Geltung der genannten Funktionen auch für die dritte Gewalt aus,579 andere sind der Auffassung, dass für die Judikative nicht die gleichen Maßstäbe gelten können wie für die anderen staatstragenden Säulen.580 Diese Differenzierung zwischen den einzelnen Gewalten und dem Köbl, in: Hubmann / Hübner (Hrsg.), FS Schnorr von Carolsfeld, S. 246. Überlastung in der ordentlichen und Sozialgerichtsbarkeit vgl. Wittreck, VVDStRL Band 74 (2015), S. 126 f. m. w. N. 577  Wittreck, VVDStRL Band 74 (2015), S. 127. 578  Es wird davon ausgegangen, dass eine Erhöhung des Justizetats politisch nicht durchsetzbar sei, Würtenberger, in: Eberle / Ibler / Lorenz (Hrsg.), FS Brohm, S. 631. 579  Vgl. u. a. Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 185; Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafverfahren, S. 95 ff.; Bäumler, JR 1978, 317, 319 f.; Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, S.  19 ff., 37 f.; Sorth, Rundfunkberichterstattung aus Gerichtsverfahren, S. 66 ff. 580  Kissel / Mayer, GVG, § 169 Rn. 1 erkennt die Funktion der Kontrolle im historischen Kontext an, geht jedoch davon aus, dass sie heutzutage aufgrund der Gewaltenteilung im Rechtsstaat ihre Bedeutung verloren haben. Kissel, NJW 1979, 1953, 1958. 575  Vgl. 576  Zur



B. Funktionen von Öffentlichkeit123

damit einhergehenden abweichenden Öffentlichkeitsverständnis beruht auf der Annahme, dass Gerichtsöffentlichkeit anders als die politische Öffentlichkeit der Legislative zu verstehen sei.581 So wurde beispielsweise als die einzige Funktion, die Öffentlichkeit in der Judikative erfülle, die Verhinderung einer Geheimjustiz genannt.582 Andere sehen in der Gerichtsöffentlichkeit lediglich die Befriedigung des Informationsinteresses der Bevölkerung.583 Dieser Wandel wird auch auf die Einbindung der Medien zurückgeführt, die bereits kurz nach Einführung der Gerichtsöffentlichkeit als Intermediär den Bürgern die Gerichtswirklichkeit vermittelten.584 Diese Auffassung sieht damit den Schutz staatlicher Verfahren vor der Öffentlichkeit als vorrangig an.585 Die Gerichte als staatliche Institution werden als ausreichend vertrauenswürdig eingestuft, so dass es einer bürgerlichen Kontrolle nicht bedürfte.586 Es kommt zu einer Umkehr der Argumentation.587 Auf dieser Wertung beruht auch die Regelung des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG, der die mediale Erweiterung der Saalöffentlichkeit beschränkt.588 Diese gewaltspezifische Differenzierung von Öffentlichkeitsfunktionen verkennt den Ursprung demokratisch handelnder Staaten.589 Die durch Öffentlichkeit hergestellte Unterordnung der staatlichen Gewalten gegenüber dem Volk als (kontrollierendem) Souverän, wie dies in Zeiten der Aufklärung propagiert wurde,590 würde einer Differenzierung der einzelnen Gewalten diametral entgegenstehen. Daher soll vorliegend der Auffassung, die die Funktionen der Öffentlichkeit im Rahmen der Judikative abspricht, nicht 581  Bockelmann,

NJW 1960, S. 217, 219. NJW 1960, S. 217, 218. 583  Danziger, Medialisierung des Strafprozesses S. 111 m. w. N.; Kleinknecht, in: Hamm / Matzke (Hrsg.), FS Schmidt-Leichner, S. 113. 584  Friehe, Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 4. 585  Vgl. Dahs, NJW 1961, 1755, 1756 mit Verweis auf BGH NJW 1961, 1781; Siegert, NJW 1963, 1953, 1955; Bockelmann, NJW 1960, 217, 220. 586  Partiell wird dem Volk auch die Kompetenz der Kontrollfunktion mangels Sachkenntnis abgesprochen, vgl. Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1, S. 147 ff. Feuerbach geht jedoch zum Schutze der Rechte Betroffener von einer Notwendigkeit der Gerichtsöffentlichkeit aus, vgl. Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1, S. 162, 166 f. 587  Friehe, Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 11. 588  Friehe, Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 5. 589  BVerfGE 103, 44, 63. 590  Fölix, Über Mündlichkeit und Öffentlichkeit des Strafverfahrens, dann über das Geschworenengericht, S. 39 f. 582  Bockelmann,

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

gefolgt werden. Diese teilweise am Ergebnis orientierte Interpretation ermöglicht durch die Ablehnung der Anwendung des Demokratieprinzips in Bezug auf die Gerichtsöffentlichkeit deren weitergehende Einschränkung.591 Diese Wertungsverlagerung erlaubt es, mögliche Risiken von Persönlichkeitsrechtsverletzungen der Verfahrensbeteiligten primär zu thematisieren, während die bestehenden Gefahren für die Justiz, beispielsweise durch eine schleichende Privatisierung des zivilen und teilweise sogar strafrechtlichen Streitwesens,592 und deren Folgen auf die öffentliche Streit- und Versöhnungskultur ausgeblendet werden.593 Diese Interpretationsweise und der propagierte Wandel im Funktionsverständnis der Öffentlichkeit beruhen unter anderem auf der Tatsache, dass die konkrete Ausgestaltung der Kontrollfunktion in der Judikative durch die Öffentlichkeit in der Praxis nicht wiedergefunden wurde bzw. argumentative Schwächen besaß.594 Mithin ist maßgeblich die bestehende Ausprägung der Gerichtsöffentlichkeit dafür verantwortlich, dass die Kontrollfunktion bisher nicht hinreichend konturiert und wahrgenommen werden kann. Darüber hinaus wird die von Böckenförde benannte schleichende Entwicklung vom „parlamentarischen Gesetzgebungsstaat zum verfassungsgerichtlichen Jurisdik­ tionsstaat“ durch das gewandelte Grundrechtsverständnis teilweise von Öffentlichkeitsgegnern nicht erkannt.595 Die dogmatisch geschaffene Ubiquität materieller Verfassungsgehalte hat in den letzten Jahrzehnten in Deutschland nämlich bewirkt, dass die Rechtsprechung maßgeblich die gesetzliche Landschaft geprägt hat.596 Dieses aktive Eingreifen der obersten Gerichte in den Gestaltungsprozess beruht teilweise auch auf dem Umstand, dass die Legislative wichtige Entscheidungen nicht trifft oder verfassungswidrig agiert und

591  Friehe, Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 10 f. 592  Vgl. zum Tätigsein von „Friedensrichtern“ in Deutschland, http: /  / www.faz. net / aktuell / politik / inland / paralleljustiz-in-deutschland-wenn-friedensrichter-ihre-visi tenkarten-verteilen-12899082.html; hierzu auch die Studie „Gibt es eine Paralleljustiz in Deutschland?“ im Auftrag des BMJV, abrufbar unter https: /  / www.bmjv.de / Shared Docs / Archiv / Downloads / Studie-Paralleljustiz.pdf?__blob=publicationFile&v=4; https: /  / www.br.de / nachrichten / paralleljustiz-integration-friedensrichter-100.html. 593  Friehe, Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 11. 594  Friehe, Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 6; vgl. u.a Volk, Verhandlungen des 45. Deutschen Juristentages 1982, K 29. 595  Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 190. Allgemein zur öffentlichen Kritik am Bundesverfassungsgericht Scholz, in: Burmeister (Hrsg.), FS Stern, S.  1201 ff. m. w. N. 596  Alexy, VVDStRL, Band 61 (2002), S. 9.



B. Funktionen von Öffentlichkeit125

damit ihrer Rolle nicht gerecht wird.597 Die Steuerungskraft der Judikative hat damit im Vergleich zu früher deutlich zugenommen, so dass auch das Bedürfnis einer Kontrolle dieser Institution maßgeblich an Gewicht gewonnen hat. Die positiven Wirkungen, die an dieser Stelle von einer wirksamen Öffentlichkeitsgewähr auch und gerade im Justizkontext ausgehen könnten, entfalten sich unterdessen in der Praxis kaum. So wie Gerichtsöffentlichkeit derzeit umgesetzt wird, wird keine Transparenz hergestellt.598 Soweit beispielsweise die in Verfahrensakten befindlichen relevanten Informationen nur den unmittelbaren Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis gelangen, findet außerhalb des Instanzenzuges keine wirkliche Überprüfung und damit auch in verschiedenen Rechtswegen keine Kontrolle der Judikative statt. Zudem werden die Gesetzeslage und daher auch die darauf aufbauende Rechtsprechung immer komplexer. Diesem Umstand muss ebenfalls mit einer neuen Gestaltung der Gerichtsöffentlichkeit, Verbesserung der Transparenz und gegebenenfalls Bildung der Bevölkerung begegnet werden – und nicht mit einem Weniger an Öffentlichkeit und Transparenz, beruhend auf den Argumenten, dass das bestehende System einer Kontrolle nicht zugänglich sei und die Bevölkerung mangels rechtswissenschaftlicher Kenntnisse diese überhaupt nicht übernehmen könne.599 Die Kontrollfunktion der Gerichtsöffentlichkeit bezieht sich weniger auf eine rechtsdogmatische Prüfung, sondern meint eher eine Plausibilitätskontrolle und ein kritisches Hinterfragen im Einzelfall, in dem der einzelne Zuschauer durchaus Expertise für den konkreten Prozessstoff mitbringt. Es wird zudem verkannt, dass die durch Öffentlichkeit ermöglichte Kontrolle nicht gegenüber der jeweiligen Gewalt selbst ausgeübt werden muss, sondern sich auch darin niederschlagen kann, sich ein umfängliches Bild zu verschaffen und im Anschluss daran mit Blick auf die Legislative den demokratischen Diskurs zu bereichern. Die Reformierung von § 218 StGB a. F.600 und die Abschaffung von § 175 StGB a. F.601 beruhten auf einem gesellschaftlichen Diskurs, der auch durch die konkrete Anwendung dieser Vorschriften vor Gericht und einer dem entgegenstehenden gesellschaftlichen

bereits Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 1 IV, S. 13. ausführlich Kapitel 2 C. II. 1. a), 2. c); so bereits Limbach, NJ 1995, 281, 281, die ein Defizit bei der Informationspolitik der Justiz erkennt. 599  Vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren S. 124; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff S. 74. Darauf kommt es jedoch nicht an, vgl. Fögen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, S. 26. 600  Die Regelung pönalisierte die Abtreibung. 601  Die Vorschrift kriminalisierte homosexuelle Handlungen unter Männern. 597  So

598  Vgl.

126

Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Entwicklung initiiert wurden.602 Die Judikative kann daher nicht von den anderen Gewalten gänzlich abgekoppelt betrachtet werden, auch wenn die jeweiligen Aufgaben divergieren.603 Staatliche Handlungen und Entscheidungen sowohl aus der Politik als auch der Rechtsprechung betreffen nämlich (potentiell) alle Bürger, so dass auch Richtern eine „politische“ Rolle innerhalb der staatlichen Sphäre zugewiesen werden kann.604 Richterliche Entscheidungen können nämlich nicht im Gesetzestext unmittelbar angelegte Wertungen enthalten und damit politische Inhalte besitzen.605 Gelebtes Recht („law in action“) entsteht (erst) durch einen Diskurs in der Rechtspraxis, an dem neben den Verfahrensbeteiligten und den Richtern auch Rechtsexperten, andere Sachverständige etc. teilnehmen.606 Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Richter bei der Beurteilung einer ihm zur Prüfung vorgelegten Rechtsfrage an das Gesetz gebunden ist und dieses nur anhand der bestehenden Auslegungsmethoden interpretieren darf.607

IX. Stellung und Aufgabe der Judikative in der Gewaltentrias Für die Geltung der Funktionen spricht auch die Aufgabe der Judikative in der Gewaltentrias. Diese Einordnung erlaubt Rückschlüsse hinsichtlich des Öffentlichkeitsbedürfnisses für judikatives Handeln. In demokratischen Staatsstrukturen wird die staatliche Gewalt aufgeteilt und an unabhängig 602  Vgl. die durch einen Beitrag in der Zeitschrift Stern ausgelöste Debatte, bei der sich 374 teils prominenter Frauen dazu bekannten, abgetrieben zu haben, https: /  / www. hdg.de / lemo / bestand / objekt / druckgut-stern-wir-haben-abgetrieben.html. Zum Phänomen des Rechtsbewusstseins der Bevölkerung und einem Wandel im Rahmen der bürgerlichen Moralvorstellungen, Würtenberger, Zeitgeist und Recht, S. 90 ff. 603  So auch Friehe, Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 12. 604  Dies gilt insbesondere für die Verfassungsgerichtsbarkeit, vgl. Leisner, Das letzte Wort, S.  193 f. 605  Friehe, Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 12 f., 15; Limbach, NJ 1995, 281, 282 f.; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S.  181 f.; Franke, Die Bildberichterstattung über den Angeklagten, S. 45 m. w. N.; vgl. z. B. die „Durchsetzung“ von Dieselfahrverboten, http: /  / www.spiegel. de / auto / aktuell / stuttgart-fahrverbot-fuer-dieselautos-dieser-richter-trifft-vorentschei dung-a-1159908.html; zu dem Phänomen allgemein http: /  / www.sueddeutsche.de /  wirtschaft / urteile-richter-sollten-nicht-regieren-muessen-1.3615035. Insbesondere im Rahmen des Strafverfahrens wird die poltische Rolle jedoch negiert, vgl. Steinert, in: Wassermann (Hrsg.), Justiz und Medien, S. 80. 606  Vgl. Isensee, in: Haller u. a. (Hrsg.), FS Winkler, S. 369. 607  Friehe, Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 14.



B. Funktionen von Öffentlichkeit127

voneinander handelnde Funktionsträger übertragen, die sich gegenseitig kontrollieren.608 Auf diese Weise wird die für Diktaturen übliche Machtkonzen­ tration in einer Hand und ein damit drohender Machtmissbrauch oder bürgerlicher Freiheitsverlust verhindert.609 Durch Gewaltenteilung wird die Ausübung staatlicher Gewalt Kontrollen unterzogen und hierdurch gemäßigt.610 Die horizontale Teilung der staatstragenden Gewalten der Legislative, Exekutive und Judikative in der Bundesrepublik Deutschland wird durch Art. 20 Abs. 3 GG garantiert. Das Staatsvolk in seiner Gesamtheit steht als Souverän zwar über diesen Gewalten, vgl. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG. Dieses hat jedoch durch das Grundgesetz seine Gewalt an die Gewaltentrias übertragen, durch die es mittelbar weiter seine Staatsgewalt ausübt. Die drei Staatsgewalten sind dabei für das demokratische Staatsgefüge als gleichgewichtig anzusehen.611 Die Aufgabe der Judikative in der Gewaltentrias ist nach Montesquieu die Mäßigung der anderen beiden Gewalten sowie die Sicherung der bürgerlichen Freiheiten.612 Die dritte Gewalt hat somit die institutionelle Aufgabe, die anderen Gewalten (in präventiver sowie repressiver Form) zu kontrollieren613 und deren staatliches Handeln anhand der Maßstäbe der Verfassung und am bestehenden einfachen Recht zu überprüfen.614 Die Judikative selbst ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an „Gesetz und Recht“ gebunden. Auch die für sie handelnden Richter sind nach Art. 97 Abs. 1 GG „dem Gesetz unterworfen“. Allerdings ist es gleichsam Aufgabe der Richter, jede Rechtsnorm auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls diese außer Acht zu lassen615 oder durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der konkreten Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG) für 608  Die Gewaltenteilung basiert auf den Staats- und Gesellschaftstheorien von ­ ocke, Two Treatises of Government, Book II, Chap. XII, XIV und Montesquieu, De L l’Esprit des Loix, Livre onzieme, Chap. VI, pp. 244 ff. 609  Montesquieu, De l’Esprit des Loix, Livre onzieme, Chap. VI, S. 244 ff. 610  BVerfGE 68, 1, 86; vgl. Montesquieu, De l’Esprit des Loix, Livre onzieme, Chap. VI, S. 245. 611  Vgl. BVerfGE 68, 1, 86 f. 612  Montesquieu, De l’Esprit des Loix, Livre onzieme, Chap. VI, S. 245. Zur damaligen Zeit lagen die beiden Legislative und Exekutive zumeist noch in den Herrscherhäusern in einer Hand. 613  Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 10. 614  Aufgrund der Bedeutung der Justiz in unserer Gesellschaft sieht Glaser, Das Verhältnis der Presse zur Justiz, S. 1 in der Justiz ein Spiegelbild des Kulturniveaus eines Staates. 615  Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts. Die Normverwerfungskompetenz einfacher Gerichte bezieht sich darüber hinaus lediglich auf vorkonstitutionelle Gesetze oder Normen, die im Rang unter formellen Gesetz stehen.

128

Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

nichtig oder mit dem Grundgesetz unvereinbar erklären zu lassen (§§ 82 i. V. m. 78 BVerfGG).616 Hierdurch wird der Richter „als Diener des Gesetzes […] zugleich dessen Aufseher“.617 Da die Justiz als Kontrollorgan für die anderen Gewalten tätig wird, gibt es originär keine Gewalt, die die Judikative unmittelbar kontrolliert. Daher hat sie gleichzeitig die Aufgabe, sich selbst zu kontrollieren. Diese Selbstkontrolle wird durch den gesetzlich vorgeschriebenen Instanzenzug vorgenommen und die bestehende Gesetzesbindung ermöglicht. Die Legislative kann lediglich mittelbar auf die Judikative einwirken, indem sie ihr durch Gesetz Grenzen steckt, Mittel bewilligt und bei der Wahl von (Bundes-)Richtern mitwirkt.618 Gleiches gilt für die Exekutive, die durch Rechtsverordnungen und Satzungen auf das Wirken von Gerichten Einfluss nehmen kann und für „die materiellen und personellen Voraussetzungen“ und damit für den Erhalt der Justiz sorgt.619 Die Abkopplung der Judikative von den anderen Gewalten wird u. a. durch die richterliche Unabhängigkeit manifestiert. Diese ergibt sich unmittelbar aus Art. 97 Abs. 1 GG und ermöglicht auf diesem Wege das Gleichgewicht der drei Säulen Legislative, Exekutive und Judikative. Gleichzeitig hat die Justiz einen besonderen Einfluss auf die anderen Gewalten.620 Die Legislative besitzt in diesem Verhältnis zwar die Möglichkeit des normierenden Eingreifens, die Deutungshoheit dieser Gesetze liegt im Rahmen der anerkannten Auslegungsmethoden jedoch (wiederum) bei den Gerichten.621 Die Justiz kann sich sogar im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung selbst zum Gesetzgeber aufschwingen.622 Zudem „berät“ sie (un)mittelbar letzteren bei der Aufhebung von verfassungswidrigen Gesetzen, wie eine verfassungskonforme Gestaltung des Gesetzes aussehen könnte.623 Die partielle Aufgabenübernahme der Legislative (sog. Richterrecht) durch die Judikative ist im kontinentaleuropäischen Civil Law-System aufgrund 616  Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 13. Zur Vereinbarkeit der richterlichen Normenkontrolle mit der Gesetzesbindung der Justiz siehe Bettermann, in: Müller u. a. (Hrsg.), FS Eichenberger, S. 593 ff. 617  Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 13; Schmidt, Die Sache der Justiz, S. 9. 618  Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 9. 619  Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 9. 620  Vgl. Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 10 f. 621  „Richterliches Entscheiden ist nicht nur Erkenntnis, sondern immer auch Rechtsgewinnung“, Limbach, NJ 1995, 281, 282. 622  Vgl. u. a. Brüggemann, Die richterliche Begründungspflicht, S. 131; Fischer, Die Weiterbildung des Rechts durch die Rechtsprechung. 623  Vgl. u. a. BVerfGE 125, 260, 316 ff.



B. Funktionen von Öffentlichkeit129

des geltenden Abstraktionsprinzips zwar gering ausgeprägt; dennoch zeigt dies auf, dass das Bild der strikten Gewaltentrennung nicht der Praxis entspricht, sondern die verschiedenen Gewalten aufeinander angewiesen sind und insbesondere die Justiz die anderen beiden Gewalten bei ihren Aufgaben unterstützt. Damit überschreitet der praktische Wirkkreis der Judikative ihren von der Literatur vordefinierten Aufgabenbereich – der (reinen) Kontrolle der anderen Gewalten.624 Böckenförde geht daher sogar von einem „Übergang vom parlamentarischen Gesetzgebungsstaat zum verfassungsgericht­ lichen Jurisdiktionsstaat“ aus.625 Er bezieht sich zwar primär auf den Machtzuwachs des Bundesverfassungsgerichts, allerdings haben dessen Entscheidung faktisch eine weitreichende Bindungswirkung der unteren Institutionen über den Einzelfall hinaus zur Folge.626 Zudem können der rechtsprechenden Gewalt durch Gesetz exekutivische sowie legislative Aufgaben übertragen werden.627 Die Aufgabenübertragung muss jedoch in einem moderaten Umfang erfolgen und darf nicht die Funktion besitzen, dass der Richter seiner originären Aufgabe der Rechtsprechung entzogen wird und ein Ungleichgewicht zwischen den Gewalten entsteht.628 Eine gleichzeitige Wahrnehmung aller Staatsgewalten durch einen Richter wird zudem aufgrund der Regelung des § 4 Abs. 1 DRiG unterbunden.629

624  Zippelius / Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, § 47 Rn. 5, 8, § 12 Rn. 18, weist darauf hin, dass die Durchbrechung des Gewaltenteilungsgrundsatzes lediglich im Bereich der Unabhängigkeit der Richter und damit in der originären Zuständigkeit der Justiz versagt wird, während die Justiz sich selbst vorbehält und es als ihre Aufgabe wertet, in die anderen Gewalten korrigierend einzugreifen. Bereits Schmidt stellte auf dem 11. Deutschen Richtertag in Kassel fest, dass der Gesetzgeber seinen Aufgaben nicht immer gerecht wird und dadurch die Richter diese Rolle ausfüllen müssen, Hothorn, NJW 1963, 2215, 2215. 625  Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 190; vgl. auch Lerche, in: Burgmeister (Hrsg.), FS Stern, S. 203, der die „Schreckensvision des alles erfassenden Justizstaates“ benennt. 626  Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist nämlich auch die „objektivrecht­ liche Grundrechtssicherung“, wozu die „Erarbeitung grundsätzlicher Vorgaben für die Beachtung der Grundrechte“ gehört, Hoffmann-Riem, AöR Band 128 (2003), S. 176. 627  Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 7. Teilweise „drückt sich“ der Gesetzgeber auch vor seiner Aufgabe, so dass „die Verantwortung auf die Gerichte abgeschoben wird“, Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 1 IV S. 13. 628  Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 8. 629  Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 7.

130

Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

C. Systemelemente der Öffentlichkeit in staatlichen Verfahren I. Dimensionen der Öffentlichkeit Aus der oben erfolgten Begriffsbestimmung und Funktionsanalyse lässt sich noch nicht ableiten, in welcher Weise Öffentlichkeit konkret hergestellt werden muss. Daher wird in der folgenden systemtheoretischen Betrachtung eine Typologie von Öffentlichkeitselementen entwickelt, die den aufgezeigten Öffentlichkeitsbegriff weiter konturiert und näher bestimmt. Die Systemelemente und die Funktionen von Öffentlichkeit bedingen sich teilweise wechselseitig, so dass die Wechselwirkung zwischen diesen Beachtung finden muss. 1. Personelle Dimension Ein wesentliches Element der Öffentlichkeit ergibt sich aus dem Adressatenkreis, für den die staatlichen Informationen bestimmt sind. Dabei spielen der Zeitgeist und der jeweils geltende regulatorische Rahmen eine Rolle.630 Feuerbach hat die Frage nach dem Adressatenkreis einer Gerichtsverhandlung noch insoweit beantwortet, dass lediglich erwachsene Männer einem Gerichtsverfahren beiwohnen dürfen, um den Ablauf der Verhandlung nicht zu gefährden.631 Das in der Historie noch genannte Attribut waffentragend632 hat er hingegen nicht mehr gefordert. Die Frage, wer der Öffentlichkeit in einem staatlichen Verfahren angehört, muss heutzutage auch mit Blick in die Verfassung beantwortet werden. Hierbei ist insbesondere Art. 3 GG von herausgehobener Bedeutung, der einen diskriminierungsfreien und damit auch barrierefreien Öffentlichkeitsbegriff fordert. Daraus folgt einerseits, dass für die Zugänglichkeit staatlicher Informationen weder das Geschlecht, die Abstammung, die Rasse, Sprache, Heimat, Herkunft, der Glaube, die religiöse oder politische Anschauungen, noch eine Behinderung des Informationssuchenden sich (positiv oder negativ) ausführlich Würtenberger, Zeitgeist und Recht. Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1, S. 37, 166 f., 179 f.; in Frankreich hingegen wurden zur damaligen Zeit im Rahmen der Bestimmung von Öffentlichkeit keine Unterschiede zwischen Geschlechtern oder Ständen vorgenommen, Stutz, Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafrecht, S. 6. 632  Maurer, Geschichte des altgermanischen und namentlich altbairischen oeffentlich-muendlichen Gerichtsverfahrens, S. 8 ff., 32 ff.; Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, S. 5 ff. 630  Hierzu

631  Feuerbach,



C. Systemelemente der Öffentlichkeit in staatlichen Verfahren 131

auswirken darf. Daher ist der Begriff der Öffentlichkeit insoweit zu präzisieren, dass er barrierefreie Zugänglichkeit zu einem staatlichen Verfahren und dessen Informationen ermöglichen muss. Andererseits muss unabhängig von den im Grundgesetz ausdrücklich genannten Diskriminierungsverboten jedermann Zugang zu staatlichen Informationen frei von der Zuordnung zu einer Bevölkerungsgruppe oder Ansehung von persönlichen Eigenschaften gewährt werden.633 Eine dahingehende Beschränkung des Zugangs zu staatlichen Informationen, dass nur Rechtskundige einen Einblick erhalten, ist auf Grundlage der Funktionen von Öffentlichkeit und mit Blick auf das Demokratieprinzip abzulehnen, da unser Rechtssystem keine qualitative Abstufung seiner Bürger vornimmt, vgl. Art. 3 Abs. 1 GG.634 Aufgrund der verfassungsrechtlich gewollten Volkssouveränität muss jedermann – und nicht nur „angepassten Musterbürgern“ – das Recht zugestanden werden, Kontrolle auszuüben und seinen Blickwinkel in die Diskussion einzubringen, um damit auch Missständen entgegenzutreten.635 2. Örtliche Dimension Historisch betrachtet wurde die Örtlichkeit zur Öffentlichkeitsgewährleistung bei staatlichen (Gerichts-)Verfahren grundsätzlich so ausgewählt, dass möglichst alle, die dem Thing beiwohnen durften, die Verhandlung verfolgen konnten.636 Aus diesem Grund forderte Feuerbach an diese Tradition anlehnend vor allem leicht zugängliche Orte mit möglichst großer Kapazität als Verhandlungsstätte.637 Auch heute noch ist für die Wahrung der Öffentlich633  Vgl. BGHSt 36, 119, 120; BayObLG NJW 1982, 395, 395; vgl. Velten, in: SK-StPO, Band IX, § 169 GVG Rn. 13; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 101. 634  Vgl. Rohde, Die Öffentlichkeit im Strafprozess, S. 167; Höbermann, Der Gerichtsbericht in der Lokalzeitung: Theorie und Alltag, S. 29; Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafverfahren, S. 126 ff. 635  Vgl. http: /  / www.spiegel.de / netzwelt / web / sascha-lobo-ueber-empoerung-imdigitalzeitalter-geschrei-wir-verbessern-hier-gerade-die-welt-a-1158660.html. 636  Vgl. den historischen Überblick in A. II.; zur Wahl des Vollstreckungsortes vgl. Schild, Alte Gerichtsbarkeit. S. 42 ff. 637  Feuerbach sah die „gewöhnlichen Gerichtssäle, in welchen […] höchstens für einige Dutzend Köpfe Raum“ besteht, als unschicklich an; diese Gerichtssäle zeigen, dass es mit der „Theilnahme des Volks an den Gerichtsverhandlungen“ nicht ernst gemeint sei. Er forderte stattdessen, dass Prozesse unter freiem Himmel oder in Kirchen stattfinden sollten, um einem möglichst großen Publikum Zugang zu ermög­ lichen. Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1, S. 35 f. Gleiches gilt für den Vollstreckungsort, vgl. Schild, Alte Gerichtsbarkeit. S. 42 ff. Zur Historie des öffentlichen Gerichtsortes vgl. Maurer, Geschichte des altgermanischen und namentlich altbairischen oeffentlich-muendlichen Gerichtsverfahrens, S. 30 ff., 78 ff., 166 ff.

132

Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

keitsmaxime in der örtlichen Dimension ein Raum zu wählen, der leicht zugänglich ist und einen freien, unveränderten Einblick auf das Geschehen bietet. Gleichsam ist ein gewisses Mindestmaß an Zuschauerkapazitäten bereitzuhalten, damit das personelle Element der Öffentlichkeit nicht konterkariert wird.638 Allerdings ist Öffentlichkeit nicht streng ortsgebunden, sondern hat sich den Gegebenheiten anzupassen. So mag der digitale Raum aufgrund quasi unbegrenzter Zuschauerkapazitäten sowie einer einfachstmöglichen globalen voraussetzungslosen Erreichbarkeit über das Internet heutzutage der ideale Ort zur Gewährleistung von Öffentlichkeit sein. Gegen den Einsatz dieses Mediums als „Ort“ der Veröffentlichung staatlicher Informationen kann nicht eingewandt werden, dass zwingend eine physische Präsenz von Informa­ tionssuchenden bei staatlichen Verfahren bestünde. Dies wäre weder vom Wortlaut, noch von Sinn und Zweck der normierten Öffentlichkeitsgewähr gedeckt und wird auch nicht durch die dahinter stehenden verfassungsrechtlichen Grundsätze gefordert. So waren es nur tatsächliche Hürden, die im vorinformationellen Zeitalter die Ortsanwesenheit zur Wahrnehmung staat­ licher Prozesse vorausgesetzt haben.639 Durch die Beseitigung dieser früheren Grenzen bieten sich nunmehr faktisch ganz neue Möglichkeiten bei der Schaffung von Öffentlichkeit – auch oder gerade zur Herstellung von Barrierefreiheit und Chancengleichheit. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass die digitale Anwesenheit mindestens auf gleiche Weise die Funktionen von Öffentlichkeit erfüllt, wie dies eine reale Anwesenheit tun würde, so dass die Frage der Präferenzierung zwischen physischer oder digitaler Öffentlichkeit von der konkreten Umsetzung abhängt. Darüber hinaus muss technisch sichergestellt werden, dass die Entteritorialisierung640 von Öffentlichkeit ­ durch das Internet641 die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens zur Rechtsdurchsetzung im Übrigen unberührt lässt.642

638  So wird zumindest ein Gerichtssaal mit nur einem einzigen Sitzplatz für Zuschauer als dem Öffentlichkeitserfordernis zuwiderlaufend gewertet, BayObLG NJW 1982, 395, 396. 639  Zur Publizität von Verwaltungsdaten unter den Bedingungen der Digitalisierung, Lederer, Open Data, S. 258. 640  Zum Begriff der Entteritorialisierung im Recht, Schmalenbach, VVDStRL Band 76 (2017), S. 249. 641  Hierzu ausführlich Cornils, VVDStRL Band 76 (2017), S. 394 ff. 642  Vgl. zur Rechtsdurchsetzungsproblematik in einer globalen Welt, Sieber, Rechtstheorie 41 (2010), S. 151, 152 f., 158 f.



C. Systemelemente der Öffentlichkeit in staatlichen Verfahren 133

3. Temporäre Dimension Der zeitlichen Ebene von Öffentlichkeit ist in der Vergangenheit wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden, da Öffentlichkeit faktisch immer nur eine Momentaufnahme gezeigt hat und meistens flüchtig war. Erst durch die örtliche Ausdehnung der Öffentlichkeit in den virtuellen Raum erhält die Öffentlichkeit aufgrund der Möglichkeiten, die die Informationstechnologie bietet, eine neue Dimension. Hierbei muss auch in zeitlicher Hinsicht dafür gesorgt werden, dass wirklichkeitsgetreu das tatsächliche Geschehen abgebildet wird. Um informationelle Gleichberechtigung zwischen den physisch anwesenden und den „virtuellen“ Rezipienten zu schaffen, muss jede Ausprägung von Öffentlichkeit ein größtmögliches Äquivalent zum realen Geschehen vor Ort darstellen. Dies bedeutet auch, dass schnellstmöglich, nachdem eine staatliche Information als öffentlichkeitsbedürftig identifiziert wurde, diese öffentlich zugänglich zu machen ist.643 Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie lange Öffentlichkeit zu bestimmten Informationen gewährt werden muss. Genügt die flüchtige Wahrnehmung einer Information oder zwingt die Informationstechnologie dazu, eine anhaltende Form der Einsicht in staatliche Verfahren zu gewähren. Auch in diesem Kontext ist auf das jeweilige Öffentlichkeitsbedürfnis der staatlichen Informationen abzustellen. Während einige Informationen für lange Zeit von Relevanz für die Allgemeinheit sind, besitzen andere Informationen nur eine kurze Halbwertszeit für das öffentliche Interesse. 4. Partizipative Dimension Öffentlichkeit kann auch durch Partizipation gekennzeichnet sein.644 Diese aktive Form der Teilhabe an Entscheidungen war besonders zu Beginn der Entwicklung des Handelns von Gemeinschaften erkennbar. Dieses Systemelement ist auch noch heute Bestandteil unserer Rechtsordnung. Im legislativen Kontext kann als Beispiel der Volksentscheid genannt werden, vgl. Art. 74 BayVerf. Darüber hinaus gibt es im judikativen Kontext die Möglichkeit der aktiven Beteiligung der Öffentlichkeit bei Gerichtsverfahren in Form 643  Zu

tel 5.

der Frage der konkreten Ausgestaltung (u. a. Live-Streaming) siehe Kapi-

644  Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 82 stellt die Hypothese auf, dass es wohl nicht „genüge, das Volk und die mit Interessen Beteiligten an der aufrichtigen Bemühung der Verwaltungsbeamten und Richter um das Recht als passive Zuschauer teilnehmen zu lassen“. Erst eine aktive Partizipation wird danach die Bereitschaft eines Bürgers stärken, „Entscheidungen unabhängig von Inhalt und Begründung als bindend – nicht notwendig auch als richtig – zu akzeptieren“.

134

Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

von ehrenamtlichen Laienrichtern, die unter der (An-)Leitung des Berufsrichters an staatlichen Entscheidungen mitwirken. Insbesondere im legislativen Kontext kann die Einbindung einer partizipativen Öffentlichkeit angedacht werden. Hierbei ist jedoch wichtig, dass klare Anwendungsbereiche und Verantwortlichkeiten geschaffen werden, da anderenfalls ein solches Verfahren mehr Risiken als Nutzen bringt und Manipulationen Tür und Tor geöffnet würden, so dass es primär destruktiv wirken würde.645 Aufgrund des Gedankens der Teilhabe an staatlichen Informationen, die bereits mit Steuergeldern durch die Gesellschaft erzeugt wurden, kann bei verschiedenen Informationen zudem die Möglichkeit der (digitalen) Kopie zu gewähren sein, damit Menschen auch ohne aktive Anbindung an das Internet staatliche Informationen nutzen können. Bereits heute besteht im Rahmen der Akteneinsicht das Recht, sich Kopien anfertigen zu dürfen, die nachfolgend zu Hause geprüft und genutzt werden dürfen. 5. Inhaltliche Dimension Da die Informationstechnologie faktisch jede Form der Bereitstellung staatlicher Daten gewährleistet, ist eine Eingrenzung öffentlichkeitsbedürftiger Informationen vorzunehmen. Hierbei ist zu differenzieren, welche Daten für die Erfüllung der oben genannten Funktionen von Bedeutung sind. Für die konkrete inhaltliche Ausgestaltung und Zuordnung von Öffentlichkeitsbedürftigkeit kommt es auf den Einzelfall an. Die Ausgestaltung der Öffentlichkeit muss durch den informationstechnischen Wandel mit geprägt werden, um einen funktionalen Mehrwert zu schaffen bzw. um überhaupt dem Öffentlichkeitspostulat gerecht zu werden. Die bloße Veröffentlichung von unsortierten staatlichen Informationen ohne die Verknüpfung mit Metadaten oder im Rahmen einer bedienerfreundlichen und durchsuchbaren Plattform erzielt genau so wenig die gewünschten Effekte von Öffentlichkeit wie die reine Sitzungsöffentlichkeit, die insbesondere bei Zivilverhandlungen bei einem Rezipienten ohne zusätzliches Hintergrundwissen unverständlich bleibt.646 Anderenfalls kann die Öffentlichkeit ihre unter B. genannten Funktionen nicht vollständig erfüllen.

645  Allgemein kritisch im Hinblick auf eine kollaborative Verwaltung, Wewer ZRP 2013, 120, 122. 646  Vgl. Kapitel 2 B. II. 1. c).



C. Systemelemente der Öffentlichkeit in staatlichen Verfahren 135

a) Transparente Öffentlichkeit Neben dem Öffentlichkeitsbegriff ist daher der Begriff der Transparenz staatlicher Vorgänge im Rahmen dieser Arbeit von zentraler Bedeutung. Der Begriff ist in der rechtswissenschaftlichen Diskussion verhältnismäßig jung.647 Transparenz stammt vom lateinischen „transparens“ ab und wurde vorrangig im visuellen, optischen Kontext verwandt.648 Es bedeutet unter anderem Durchscheinen, Durchsichtig sein, [Licht]durchlässigkeit oder im Übertragenen so viel wie Nachvollziehbarkeit sowie Verständlichkeit.649 Damit ist dieser Begriff positiv konnotiert. Gleichzeitig wird Transparenz aber genau wie Öffentlichkeit als Bedrohung angesehen, beispielsweise in Form des „gläsernen Patienten“ oder „gläsernen Bürgers“, wenn dieser Ziel einer Datenausspähung wird. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird der Begriff Transparenz mithin ebenso wenig einheitlich verwendet wie der Begriff der Öffentlichkeit.650 Insbesondere überrascht die vielfache Gleichstellung des Begriffs Transparenz mit dem der Öffentlichkeit durch Politik und Wissenschaft.651 Dies mag zwar in der Folge konsistent klingen, da durch Öffentlichkeit Transparenz hergestellt werden kann; dennoch greift diese Auslegung zu kurz.652 Öffentlichkeit führt für sich genommen noch nicht zu einer auf die verständliche Vermittlung gerichteten Transparenz.653 Anders als das Öffentlichkeitsprinzip, welches häufig primär aus dem Demokra647  Erst 1915 wurde der Begriff überhaupt in den Duden aufgenommen, http: /  / www.duden.de / rechtschreibung / Transparenz. 648  Lederer, Open Data, S. 53, 216; Gröschner, in: VVDStRL, Band 63 (2004), S.  346 ff. 649  https: /  / www.duden.de / rechtschreibung / Transparenz. 650  Vgl. zur Transparenz bei verfassungsrechtlich relevanten Vorgängen, Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 19 ff., der hierfür zwischen einer Ergebnis-, Verfahrens-, Verantwortungs- sowie inhaltlichen Transparenz differenziert. 651  Vgl. u. a. Art. 15 Abs. 3 AEUV; Verordnung (EG) Nr. 1049 / 2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.05.2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (sog. Transparenzverordnung) ABlEG Nr. L 145 S. 43–48; Lübbe-Wolff, VVDStRL Band 60 (2001), S. 276; Gusy, DVBl. 2013, 941, 941; Hoffmann / Klessmann, V&M 17 (2011), 306, 308; Albrecht, in: Albrecht (Hrsg.), Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 1; Gröschner, in: VVDStRL, Band 63 (2004), S. 346, 356 f.; Heckmann, in: Slapio / Habbel / Huber (Hrsg.), Wertschöpfung für die Wirtschaft, S. 47 ff.; Florini, The Right to Know: Transparency for an Open World, p. 5. 652  So auch Sobotta, Transparenz in den Rechtssetzungsverfahren der Europäischen Union, S. 30, der jedoch den Begriff der Transparenz als Oberbegriff bezeichnet und die Öffentlichkeit als ein Element dessen ansieht. 653  Sobotta, Transparenz in den Rechtssetzungsverfahren der Europäischen Union S. 31. Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, S. 145 leitet zudem aus dem institutionalisierten Öffentlichkeitsgrundsatz eine „Aufforderung an den Gesetzgeber [ab], das Recht so auszugestalten, daß es von den Bürgern nachvollzogen werden kann“.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

tieprinzip hergeleitet wird, lässt sich das Erfordernis von Transparenz primär auf das Rechtsstaatsprinzip zurückführen.654 In dieser Arbeit wird der nachfolgend ausgeführte Begriff für Transparenz655 im rechtswissenschaftlichen Kontext zugrunde gelegt: Transparenz ist die über die öffentliche Zugänglichkeit von Informationen hinausgehende (barrierefreie) Verständlichmachung dieser Informationen durch die Aufbereitung staatlicher Prozesse, Entscheidungen sowie der jeweiligen Inhalte.656 Diese Aufarbeitung kann durch eine Strukturierung, ergänzende Erläuterungen sowie die Reduzierung von Komplexität erfolgen. Während der oben dargestellte Begriff der Öffentlichkeit nur das reine „Ob“ im Rahmen des Verfahrens darstellt, beschreibt Transparenz allgemein die Möglichkeit jedes Verfahrensbeteiligten sowie jedes Dritten, „Einsicht in Prozesse und Entscheidungen zu nehmen“.657 Durch die passive Integration des Bürgers in den hoheitlichen Prozess wird die individuelle sowie öffentliche Meinungsbildung gefördert.658 Diese Öffnung soll staatliche Vorgänge verständlich, nachvollziehbar und fair gestalten.659 Transparenz beschreibt mithin das „Wie“ des Öffnungsprozesses. Die der Öffentlichkeit zugänglichen Informationen müssen soweit erforderlich vollständig sein und sich auf alle relevanten Vorgänge und Entscheidungen erstrecken. Nur durch die transparente Gestaltung der Informationen kann die Öffentlichkeit diese auch erfassen.660 Die Berücksichtigung der inhaltlichen Öffentlichkeits­dimension

654  Gröschner,

in: VVDStRL, Band 63 (2004), S. 346. weiterer Definitionsansatz findet sich bei Gusy, in: Dix u.a. (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht, S. 2. 656  Lederer, Open Data, S. 53; Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 18, 21. 657  Lederer, Open Data S. 53. 658  Lederer, Open Data S. 53; Hoffmann / Klessmann, V&M 17 (2011), 306, 308. Vgl. hierzu auch Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 19, der jedoch keine trennscharfe Abgrenzung der Begriffe Transparenz und Öffentlichkeit vornimmt, sondern lediglich den Begriff der Öffentlichkeit als eine um den Aspekt der „Gemeinschaftsbezogenheit“ erweiterte Form der Transparenz benennt. Allgemein kritisch zum Nutzen von Transparenz bei staatlichen Sachverhalten Wewer, Open Government, Staat und Demokratie, S. 73 ff. 659  Zur staatlichen Informationsvermittlung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Empfängerhorizonte vgl. Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 349, 372. 660  Hierfür kann auch die Zuhilfenahme von Informationsvermittlern sinnvoll sein, Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 349, 372. § 25 Abs. 2 SGB X gestattet beispielsweise der Behörde sich eines Dritten (hier: eines Arztes) bei der Informationsvermittlung zu bedienen. Neben gerichtlichen Verfahren bedürfen auch Verwaltungsverfahren zur 655  Ein



C. Systemelemente der Öffentlichkeit in staatlichen Verfahren 137

steht in engem Zusammenhang mit der Erfüllung der Funktionen von Öffentlichkeit. Während die „Öffnung“ staatlicher Verfahren insbesondere für Verfahrensinterne heutzutage selbstverständlich ist, besteht hinsichtlich der Verfahrensöffentlichkeit für Verfahrensexterne noch Nachholbedarf. Insbesondere die Transparenz im Rahmen des Öffnungsprozesses wird größtenteils noch vernachlässigt. Ob ein Vorgang als transparent eingestuft wird oder aufgrund einer unvollständigen Aufbereitung oder einer zu hohen Komplexität als intransparent zu werten ist, stellt jedoch bei jedem Einzelfall eine Gratwanderung dar. Der Transparenzgedanke muss vom Ergebnis her gedacht werden. Während das Öffentlichkeitsprinzip auch eine möglichst große Reichweite und möglichst viele publizierte Informationen umfasst, kommt es im Rahmen transparenten Handelns auf die richtige Auswahl, die Strukturierung, die Reduzierung von Komplexität sowie die Aufbereitung der Informationen an.661 Mithin kann die Forderung nach Transparenz die Schaffung von Öffentlichkeit auch partiell inhaltlich begrenzen oder lenken. Die Gestaltung einer weitestgehend transparenten Öffentlichkeit kann nunmehr erstmalig in der Historie durch das Internet gewährleistet werden. Einerseits stellt dieses Medium einen vorher in dieser Form noch nie dagewesenen Multiplikator dar, zudem erlaubt es durch die unendlichen Speicherund Vernetzungsmöglichkeiten eine differenzierte sowie adaptierte Systematisierung von Inhalten, die in den verschiedensten Formaten dargestellt werden können. Andererseits bietet es die Möglichkeit einer Echtzeitübertragung von Inhalten an einen anderen physischen Ort, d. h. eine temporär unmittelbare Form der Öffentlichkeit. b) Empfängerhorizont und Barrierefreiheit Da Transparenz in Bezug auf die Öffentlichkeit als Rezipient gestaltet wird, stellt sich die Frage, auf welchen Empfängerhorizont bei der Verständlichmachung abzustellen ist.662 Die Schaffung von Transparenz hat genauso wie das Öffentlichkeitsprinzip nicht die primäre Funktion, individuelle Inte­ ressen zu fördern und dem Einzelnen Rechte zu erteilen, sondern dient in Kontrolle der Rechtsanwendung der Transparenz, Kipker, Informationelle Freiheit und staatliche Sicherheit, S. 81. 661  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 18 f. Nach Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 16 kann Transparenz sogar „ein Stück weit fehlende Partizipation ausgleichen“. 662  Vgl. Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 349, 372.

138

Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

erster Linie der Allgemeinheit sowie öffentlichen Interessen.663 Im Rahmen des exekutiven Verwaltungshandelns wird daher ein Eingehen auf den Durchschnittsbürger als ausreichend, aber auch erforderlich erachtet.664 Inwieweit dies auch auf die Justiz übertragen werden kann, ist fraglich. Ein solches Vorgehen ist faktisch nicht umsetzbar, da ein förmliches Gerichtsverfahren auf Rechtssprache und Gesetzen beruht, die eines gewissen Abstraktionsniveaus bedürfen, während es Menschen gibt, deren Fähigkeit zur Abstrahierung wenig ausgeprägt ist. Insoweit stellt sich mit Blick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG auch die Frage, inwieweit das Erfordernis einer („intellektuellen“) Barrierefreiheit zu beachten ist. Barrierefrei sind nach § 4 Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig. Dieser Legaldefinition folgend bedarf es auch einer Anpassung von vermittelten Informationen, damit diese für Menschen mit geistigen Behinderungen grundsätzlich ohne fremde Hilfe rezipiert werden können. Die Barrierefreiheit ist bereits in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG angelegt, der vorschreibt, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Im BGG wird sie näher ausgestaltet und durch spezielle weitere Regelungen wie beispielsweise die Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BITV 2.0) handhabbar gemacht. Das BGG ist an die Dienststellen und sonstigen Einrichtungen der Bundesverwaltung einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Beliehene und sonstige Bundesorgane, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, adressiert (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BGG) und verpflichtet diese, die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und zu verhindern sowie ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermög­ lichen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 BGG). Das Gleiche gilt nach § 1 Abs. 2 Satz 2 BGG für Landesverwaltungen einschließlich der landesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, soweit sie Bundesrecht ausführen. Somit fallen die Justizverwaltungen der Länder auch unter die bestehende Handlungsobliegenheit.665 663  König,

DÖV 2000, 45, 50. in: VVDStRL, Band 63 (2004), S. 359.

664  Gröschner,



C. Systemelemente der Öffentlichkeit in staatlichen Verfahren 139

Nach § 11 BGG sollen die genannten Träger öffentlicher Gewalt Informationen vermehrt in leichter Sprache bereitstellen. Hiernach ist es sogar die Aufgabe der Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die leichte Sprache stärker von den genannten Akteuren eingesetzt wird und ihre Kompetenzen für das Verfassen von Texten in leichter Sprache auf- und ausgebaut werden.666 Angebote in leichter Sprache werden daher inzwischen durch die obersten Bundesbehörden genutzt,667 und auch die obersten Landesbehörden setzen diese Vorgabe – wenn auch uneinheitlich – um.668 In der (niedersächsischen) Justiz gibt es ein erstes Pilotprojekt, um diese Form der Barrierefreiheit in ihr Angebot zu implementieren.669 Während alle Bundesgerichte670 entsprechende Unterseiten auf ihrer Homepage bereitstellen, besitzen auf Landesebene oftmals nur einzelne Gerichte671 Seiteninhalte, die in leichter Sprache gestaltet sind.672 Auch die Europäische Union hat aufgrund der uneinheitlichen Umsetzung der Barrierefreiheit im Internet entsprechenden Handlungsbedarf gesehen und die Richtlinie 2016 / 2102 vom 26.10.2016673 über den barrierefreien 665  Zu der Frage, ob die Gerichtsöffentlichkeit der Rechtsprechung oder der Justizverwaltung zugewiesen wird, vgl. Kapitel 2 B. 666  Zur wünschenswerten Einführung der leichten Sprache im Justizwesen, vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e. V. (BAG SELBSTHILFE), Stellungnahme zum EMöGG, S. 4, abrufbar unter https: /  / www.bmjv.de / SharedDocs / Gesetzge bungsverfahren / Stellungnahmen / 2016 / Downloads / 06162016_Stellungnahme_BAG_ RefE_EMoeGG.pdf?__blob=publicationFile&v=3. 667  Vgl. u. a. http: /  / www.bmjv.de / DE / LeichteSprache / Leichte_Sprache_node.html, https: /  / www.bmvg.de / de / leichte-sprache, www.bmas.de / DE / Leichte-Sprache / leichte -sprache.html. 668  Vgl. u. a. https: /  / www.justiz.bayern.de / organisatorisches / leichtesprache / ; https: /  / justizministerium.hessen.de / informationen-leichter-sprache-3; https: /  / www. justiz.nrw.de / Service / leichteSprache / index.php. 669  https: /  / www.mj.niedersachsen.de / startseite / leichte_sprache / pilotprojekt_ leichte_sprache_niedersaechsischen_justiz / pilotprojekt-leichte-sprache-in-der-nieder saechsischen-justiz-123609.html. 670  http: /  / www.bundesverfassungsgericht.de / DE / Service / LeichteSprache / leichte sprache_node.html; http: /  / www.bundesgerichtshof.de / DE / Service / LeichteSprache /  leichteSprache_node.html, http: /  / www.bverwg.de / informationen / leichte_sprache /  leichte_sprache.php, www.bsg.bund.de / DE / Service / Leichte_Sprache / leichte_sprache _node.html; https: /  / www.bundesfinanzhof.de / content / leichte-sprache; http: /  / www www.bundesarbeitsgericht.de / leichtesprache / start.html. 671  Vgl. http: /  / oberlandesgericht.bremen.de / detail.php?gsid=bremen88.c.11999. de; http: /  / www.lg-muenster.nrw.de / beh_sprachen / beh_sprache_LS / index.php. 672  Vgl. auch übergeordnete Gerichtsseiten, wie die der Bayerischen Sozialgerichtsbarkeit http: /  / lsg.bayern.de / leichte-sprache / index.php; http: /  / lsg.bayern.de /  leichte-sprache / informationen.php. 673  ABl. L 327 vom 02.12.2016, S. 1.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen zur Harmonisierung des Binnenmarktes erlassen, damit diese Websites und mobilen Anwendungen für die Nutzer, insbesondere für Menschen mit Behinderung besser zugänglich gestaltet werden, vgl. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie. Ein flächendeckender Nachteilsausgleich in Form der Verwendung einer leichten Sprache wäre zwar wünschenswert, ist aber mit Blick auf das Abstraktionsniveau des Rechts nicht in jedem Umfeld umsetzbar.674 Vor diesem Hintergrund besteht in diesem Kontext eine Dilemma-Situation. Dennoch sollte der Staat versuchen, seiner Optimierungsobliegenheit im Hinblick auf die Schaffung von Barrierefreiheit bestmöglich gerecht zu werden. Eine verständliche Rechtssprache ist auch durch das Rechtsstaatsprinzip gefordert.675

II. Quantitative Betrachtung der Öffentlichkeitsgewähr Die antipodische Geheimhaltung besitzt im Vergleich zur Öffentlichkeit ebenfalls viele verschiedene Formen. Bisher wurde Geheimhaltung primär bejaht, wenn jede Öffentlichkeitsdimension fehlte und damit überhaupt kein Einblick in staatliches Handeln gegeben war. Geheimhaltung kann jedoch verschiedene Gesichter haben. In diesem Kontext stellt sich die Frage, ob die oben genannten Elemente alle kumulativ oder gegebenenfalls nur alternativ gegeben sein müssen und wie viele dieser Elemente überhaupt fehlen dürfen, um noch von einem öffentlichen Verfahren sprechen zu können, oder ob bereits das Fehlen eines einzigen öffentlichkeitsfördernden Elements öffentliches Handeln gänzlich ausschließt. Eine nach Art. 3 GG ungerechtfertigte Einschränkung des personellen Elements würde unstreitig stets den Vorwurf der Geheimhaltung nach sich ziehen. Allerdings stellt sich die Frage, ob neben einem „qualitativen“ Zutrittsverbot für bestimmte Personengruppen auch eine quantitative Einschränkung des Personenkreises bewirkt, dass die Einhaltung der Öffentlichkeit zu verneinen ist. Durch die Informationstechnologie fallen die bisherigen räumlichoder ressourcenbedingten Kapazitätsgrenzen weg, so dass auf digitalem Wege grundsätzlich jeder Einzelne jede staatliche Information wahrnehmen könnte.676 In diesem Kontext stellt sich daher die Frage, ob künstliche Kapa674  Masing, in: VVDStRL, Band 63 (2004), S. 377, 379, stellt daher fest: „Die Verwaltung ist nicht transparent – und wird es nie sein.“ 675  Mittlerweile sind z. B. in den Gesetzgebungsprozess des Bundes verschiedene Institutionen eingebunden, die auf eine auch für den Durchschnittsbürger verständliche Gesetzessprache hinwirken sollen. Ähnliches könnte man auch von den Gerichten fordern, z. B. http: /  / www3.germanistik.uni-halle.de / massenphaenomene / texte / Ver staendlichkeit %20als %20Buergerrecht_Bericht.pdf. 676  Vgl. Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 743.



C. Systemelemente der Öffentlichkeit in staatlichen Verfahren 141

zitätsgrenzen eingeführt werden dürften oder ob jede quantitative Begrenzung der Rezipienten staatlichen Handelns ein staatliches Verfahren als geheim einstuft. Letzteres muss wohl verneint werden. Allerdings muss gewährleistet bleiben, dass ein wirksames bürgerliches Kontrollgremium auf diesem Wege nicht verhindert wird. Daher stellt sich in diesem Kontext ergänzend die Frage, ob bei einer künstlich eingeführten Begrenzung der Öffentlichkeit eine hinreichende Binnenpluralität des Publikums durch weitere Maßnahmen erreicht werden muss oder ob diese Voraussetzung wie bisher nicht erforderlich ist. Zwar ist der einzelne Zuschauer im Gerichtssaal nur Teil der Öffentlichkeit, aber nicht deren Repräsentant oder gar eine Art „Mandatsträger“. Gerichtsöffentlichkeit ist damit nicht schon dann gewährleistet, wenn überhaupt justizfremde Dritte zugegen sind, unabhängig von ihrem Bezug zum Verfahren. Insofern ist zu konzedieren, dass bei unterschiedlichen Sachverhalten ein unterschiedliches Kontrollbedürfnis besteht. Dies wirkt sich auch auf die Anzahl potentieller Zuschauer und damit auf die Kapazitätsfrage aus. Weil eine konkrete pauschalierte Höchstgrenze von Rezipienten wohl nicht festgelegt werden kann und eine einzelfallbezogene Festsetzung praktisch kaum umsetzbar ist und Rechtsunsicherheit auslösen würde, könnte zur Einschränkung des Rezipientenkreises mit Typologien gearbeitet werden. Solche Kategorien können sich etwa nach den bestehenden Interessenlagen der Rezipienten bemessen. Insbesondere Angehörige von Verfahrensbeteiligten, Personen, die aufgrund wirtschaftlicher Verbindungen zu einem Verfahrensbeteiligten Interesse an dem Ausgang eines Verfahrens haben, Rechtsreferendare und Praktikanten oder Medienvertretern kann ein erhöhtes Interesse an einer Gerichtsverhandlung attestiert werden, so dass diesen auf jeden Fall ein Zutritt zur Verhandlung zu gewähren ist. Auch Vertretern besonderer Interessenverbände (Mieterverein, Haus und Grund, Arbeitnehmer- / Arbeitgeberverbände) oder kirchlichen Einrichtungen könnte aufgrund der besonderen Interessenlage eine vorrangige Zugriffsmöglichkeit zu gewähren sein. Auch Beschränkungen in örtlicher Hinsicht können zu einem faktischen Öffentlichkeitsausschluss führen.677 Insbesondere zu kleine, ungeeignete Räume, die ein Wahrnehmen der staatlichen Handlung unberechtigt erschweren, dürfen nicht gewählt werden, da hieraus unmittelbar auch eine ungerechtfertigte Beschränkung des personellen Elements folgt.678 Auch eine Beschränkung der temporären Dimension der Öffentlichkeit, die nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, kann geeignet sein, ein Ver677  Bzgl.

unzulässigen örtlichen Verlegungen vgl. OLG Hamm NJW 1976, 122. NJW 1982, 395, 395 f.; OLG Köln NStZ 1984, 282, 282 f.; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 101 f., 105. 678  BayOblG

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

fahren als geheim einzustufen. Werden beispielsweise erst nach Rechtskraft einer Entscheidung alle Verfahrensinformationen offenbart und die öffentlichkeitsgewährenden Videos der Verhandlung publiziert, ist es zumeist zu spät, Verletzungen von Verfahrensgrundrechten sowie Fehlentscheidungen in Bezug auf das materielle Recht zu beheben, da deren Korrektur nach Eintritt der Rechtskraft sehr beschränkt ist.679 Daher wäre in einem solchen Fall die Öffentlichkeit als in ungerechtfertigter Weise verkürzt anzusehen. Bei der inhaltlichen Komponente bedarf es jedoch einer etwas differenzierten Betrachtung. Der Inhalt eines staatlichen Verfahrens ist nur weitestmöglich bekannt zu machen. Allerdings kann eine Veröffentlichung aller Unterlagen Intransparenz fördern und sogar eine lähmende Wirkung auf ein Verfahren haben oder dieses vollständig zum Erliegen bringen.680 Daher muss eine gewisse diesbezügliche Beschränkung nicht zwingend einen Mangel an Öffentlichkeit darstellen. Allerdings sind ein gänzliches Fehlen dieser Komponente sowie die ungerechtfertigte Zurückhaltung von Informationen ebenfalls öffentlichkeitsausschließend. Mithin ist ein öffentliches Verfahren nur gegeben, wenn alle der genannten Modelldimensionen der Öffentlichkeit kumulativ in dem gerechtfertigten Umfang vorliegen. Ein einzelner ungerechtfertigter Mangel ist somit bereits schädlich und kann einem ansonsten frei zugänglichen Verfahren das Prädikat „öffentlich“ entziehen. Die partizipative Öffentlichkeitsdimension ist gewaltenübergreifend zwar ebenfalls wichtig, um dem demokratischen Kern hoheitlicher Handlungen Rechnung zu tragen; allerdings bedeutet dies nicht, dass jederzeit, alle Entscheidungen von allen Bürgern gemeinsam getroffen werden müssen. Entsprechend der repräsentativen Demokratie bedarf es lediglich gewisser partizipativer Legitimationsakte. Diese sind für öffentliches Handeln grundsätzlich erforderlich, müssen aber nicht permanent bei jedem Hoheitsakt erfolgen. Zudem muss eine ununterbrochene Legitimationskette der staatlichen Akteure bestehen. Damit ist ein Fehlen einer aktiven Mitwirkungsmöglichkeit der Bürger für die meisten Akte hoheitlicher Gewalt zumeist unproblematisch.

679  Zu Korrekturmöglichkeiten nach Eintritt der Rechtskraft vgl. Warga, Die Verletzung von Verfahrensgrundrechten im Zivilprozess und ihre Korrektur nach Eintritt der Rechtskraft, S. 55 ff. 680  Vgl. BVerfGE 110, 199, 219; Gusy, DVBl. 2013, 941, 942; Albrecht, in: Al­ brecht (Hrsg.), Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 1.



C. Systemelemente der Öffentlichkeit in staatlichen Verfahren 143

III. Qualitative Betrachtung der Öffentlichkeitsgewähr Aber nicht nur das quantitative Vorliegen der verschiedenen Dimensionen ist für die Bejahung von Öffentlichkeit relevant. In diesem Zusammenhang bedarf es der Überlegung, inwieweit eine bestimmte Gewährleistungstiefe sowie Erfolgsorientierung im Rahmen der Öffentlichkeit erforderlich ist. Dies hängt von der wesentlichen Frage im Bereich der Öffentlichkeitsforschung ab, ob die durch den Staat gewährte Öffentlichkeit formeller oder materieller Natur sein muss.681 Die derzeit noch vorrangige Öffentlichkeitsform ist die formelle Öffentlichkeit. Formelle Öffentlichkeit wird durch einen formellen Akt hergestellt, der es dem Bürger ermöglicht, sich durch aktives und selbständiges Handeln Informationen zu beschaffen.682 Die Anforderungen an den staatlichen Publizitätsakt sind hierbei sehr gering. Er muss danach für die tatsächliche Schaffung von Öffentlichkeit und die Verbreitung von Informationen nicht unbedingt geeignet sein.683 Auf diesem Wege kann Öffentlichkeit durch eine abstrakte Möglichkeit erfüllt werden, ohne dass die Personen, die rein abstrakt staatliche Informationen beziehen könnten, zahlenmäßig nach dem alltäg­ lichen Verständnis als Allgemeinheit angesehen würden oder überhaupt jemand hiervon Gebrauch macht.684 Materielle Öffentlichkeit fordert hingegen eine tatsächliche „Bekanntmachung“. Ein Großteil der Bevölkerung muss mit einem Sachverhalt dergestalt aktiv konfrontiert werden, dass er zumindest potentiell davon Kenntnis erlangen kann.685 Die tatsächliche Rezeption des Einzelnen ist hierbei jedoch unerheblich. Dem Bürger kommt daher bei dieser Ausgestaltung eine eher passive Rolle zu, während der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben dem 681  Vgl. zum gleichen Problem bei der Publikation von Gesetzen: Lukas, Über die Gesetzes-Publikation in Österreich und dem Deutschen Reiche, S. 7 ff., 9. 682  Lukas, Über die Gesetzes-Publikation in Österreich und dem Deutschen Reiche, S. 8, 10. Die formelle Form der Öffentlichkeit ist bei Gesetzestexten durch deren Publikation in Gesetzesblättern gewählt worden, vgl. Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG. Zum Übergang vom diesbezüglichen materiellen zum formellen Publikationsprinzips vgl. Lukas, Über die Gesetzes-Publikation in Österreich und dem Deutschen Reiche, S.  148 ff. 683  Lukas, Über die Gesetzes-Publikation in Österreich und dem Deutschen Reiche, S. 8. 684  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 102, Bockelmann, NJW 1960, 217, 218; Wickern, in: Erb u. a. (Hrsg.), Löwe-Rosenberg, StPO, Band 10, § 169 GVG, Rn. 19; a. A. Velten, in: SK-StPO, Band IX, § 169 GVG Rn. 17, der eine Zuschaueranwesenheit in gewisser quantitativer Stärke und Differenziertheit zur Funktionserfüllung durch Öffentlichkeit fordert. 685  Lukas, Über die Gesetzes-Publikation in Österreich und dem Deutschen Reiche, S.  7 f.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Bürger die staatlichen Informationen „sozusagen auf dem Präsentierteller entgegenträgt“.686 Die Frage, ob eine formelle oder materielle Öffentlichkeit erstrebenswert ist, geht unmittelbar mit der Auferlegung einer Handlungs- bzw. Informierungspflicht einher. Abhängig davon, ob man dem Staat oder dem Bürger die Pflicht zur Erteilung oder Beschaffung von Informationen auferlegt, kann entschieden werden, welche der obigen Öffentlichkeitsformen zu priorisieren ist. Historisch betrachtet ist die materielle Öffentlichkeit ein wesentlicher Teil der Demokratie. In der griechischen Antike sowie in germanischen Gemeinschaften waren alle freien Männer Teil der „staatslenkenden“ Versammlungen. Auch die menschliche (Rechts-)Streitkultur in der Öffentlichkeit ist ebenfalls historisch belegt.687 So wurden in der frühen sowie zu Beginn der postaufgeklärten deutschen (Rechts-)Geschichte häufig leicht zugängliche Orte für die Bekanntgabe neuer Erlasse oder für Gerichtsverfahren bevorzugt.688 Auf diesem Wege wurde sichergestellt, dass das Volk zumindest über Ge- und Verbote informiert war und diese somit befolgen konnte. Aufgrund des Bevölkerungszuwachses, der Urbanisierung und der Beschäftigung der Bevölkerung war ein Fortbestand der materiellen Öffentlichkeit in der Vergangenheit aus praktischen Gründen allerdings nicht mehr umsetzbar,689 so dass sich vielfach die formelle Öffentlichkeitsform bei staatlichem Handeln durchgesetzt hat. Die Miteinbeziehung aller Bürger in Entscheidungen bzw. deren Information über Ge- und Verbote sowie deren Vollstreckung ist somit als urdemokratisch anzusehen.690 Von dieser Form der Basisdemokratie wurde aus praktischen Erwägungen Abstand genommen.691 In der Vergangenheit bestand kaum mehr die Möglichkeit, die immer heterogener werdende Bevölkerung auf einheitliche Art und Weise zu informieren. Heutzutage wird in Deutschland bei staatlichen Handlungen und Verfahren zumeist die Form der formellen Öffentlichkeit gewählt, in der dem Bürger zwar die Möglichkeit eröffnet wird, sich selbst zum Ort des Geschehens zu begeben oder einen Antrag auf Auskunft zu stellen. Er spielt jedoch den aktiven Part in dem bestehenden Öffentlichkeitsverständnis. 686  Lukas, Über die Gesetzes-Publikation in Österreich und dem Deutschen Reiche, S. 8. 687  Zur historischen Verwurzelung des materiellen Publikationsprinzips vgl. Lukas, Über die Gesetzes-Publikation in Österreich und dem Deutschen Reiche, S. 151 ff. 688  Seifarth, Der Untergang der Öffentlichkeit im deutschen Rechtsgang, S. 1. 689  Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 35 Rn. 17. 690  Lederer, Open Data, S. 57. 691  Vgl. Lukas, Über die Gesetzes-Publikation in Österreich und dem Deutschen Reiche, S. 10.



C. Systemelemente der Öffentlichkeit in staatlichen Verfahren 145

Der technische Fortschritt in Form des Internets bietet nunmehr allerdings die Möglichkeiten zur Rückkehr zu dem ursprünglichen Demokratie- und Öffentlichkeitsmodell, in dem er eine flächendeckende Vernetzung bereithält und damit erstmalig wieder eine materielle Öffentlichkeit gestattet.692 Das Internet ist ein Öffentlichkeitsgarant, zumal es am umfassendsten und weitreichendsten die verschiedenen Dimensionen von Öffentlichkeit ausfüllen kann. Durch die Einbindung des Internets in hoheitliche Verfahren würde sich die staatliche Öffentlichkeit an den Alltag der Bevölkerung anpassen und den Staat verpflichten, aktiv Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.693 Hierbei bestehen dank der Informationstechnologie kaum mehr unverhältnismäßige Hürden, und ein Großteil der Bevölkerung wird hierüber erreicht. Im Jahr 2016 nutzten bereits 79 % der Bürger das Internet,694 und 63 % sogar täglich; dabei ist der Prozentsatz der aktiven Internetnutzer unter jungen Bürgern besonders hoch, während er mit zunehmendem Alter abnimmt.695 Damit ist die Informationstechnologie die am weitesten verbreitete Möglichkeit, Bürgern kostengünstig, schnell und umfassend Informationen zukommen zu lassen. Gleichzeitig hat dies für den Staat den Vorteil, eine große Zahl von Menschen zeit-, ort- und situationsunabhängig zu erreichen. Hierdurch kann das Internet genutzt werden, um die Funktionen von Öffentlichkeit zu erfüllen.696 Gründe, die gegen eine materielle Öffentlichkeit in Betracht gezogen werden, sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere ökonomische Aspekte bei dem Aufbau einer Öffentlichkeitsinfrastruktur dürfen hierbei keine Rolle spielen, da mit Blick in die Zukunft gerichtet sich diese Investition gegebenenfalls wieder amortisieren kann. Auch ein vermeintliches Risiko für die informationelle Selbstbestimmung des einzelnen Verfahrensbeteiligten kann bei einer verfassungskonformen Gestaltung nicht bestätigt werden.697 Nunmehr besteht nämlich auch die Möglichkeit, Persönlichkeitsrechte der einzelnen Verfahrensbeteiligten auch durch technische Maßnahmen zu schützen. Die Verfassung schweigt zu der konkreten Ausgestaltung der Öffentlichkeit. Aus diesem Grund besitzt der Gesetzgeber bei der einfachgesetzlichen 692  Vgl. Arndt, NJW 1960, 423, 424, mit ersten Überlegungen hinsichtlich der Einbindung der Technik zur Erweiterung von Öffentlichkeit. 693  Zur aktiven Öffentlichkeitsarbeit als Aufgabe der Rechtsprechung ausführlich Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 515 ff. 694  https: /  / de.statista.com / statistik / daten / studie / 13070 / umfrage / entwicklungder-internetnutzung-in-deutschland-seit-2001 / . 695  http: /  / t3n.de / news / onlinestudie-surf-verhalten-online-deutschland-2015-6480 82 / internetnutzung-deutschland-1997 / . 696  Zur „Bringschuld“ des Staates Lederer, Open Data, S. 206; Dix, in: Möller /  Zezschwitz (Hrsg.), Verwaltung im Zeitalter des Internets, S. 85, 90. 697  Siehe hierzu ausführlich Kapitel 5 B. III. 2.

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Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips grundsätzlich einen Handlungsspielraum. Dieser ist jedoch auch durch die wirksame Funktionserfüllung von Öffentlichkeit vorbestimmt und darf den Wesensgehalt des Prinzips nicht konterkarieren.698 Wird die bisherige Form der Öffentlichkeit ihren Aufgaben nicht mehr gerecht, besteht eine gesetzgeberische Handlungspflicht zur Verbesserung des Zustandes. Auch Änderungen innerhalb der Gesellschaft sowie ein schwindendes Vertrauen in den Rechtsstaat können eine entsprechende Handlungspflicht des Gesetzgebers auslösen. Der Wandel zur (politisch interessierten) Informationsgesellschaft,699 die maßgeblich durch das Internet beeinflusst wurde, zwingt damit den Rechtsstaat, sein Öffentlichkeitsverhalten hieran auch gesetzlich anzupassen. Gleichsam haben die Gerichte ihre Informationspolitik an dem gewandelten Demokratieverständnis hin zu einer besseren Einbeziehung der Bürger anzupassen.700 Festzuhalten ist allerdings, dass niemand zur Entgegennahme staatlicher Informationen gezwungen werden darf. Dies ergibt sich aus der negativen Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Aus diesem Grund ist die Schaffung von Öffentlichkeit unter (zwingender) Miteinbeziehung jedes Einzelnen weder geboten noch gestattet. In Hinblick auf die oben aufgezeigten Funktionen, die die Öffentlichkeit in der staatlichen Sphäre allgemein und der Judikative im Besonderen zu erfüllen hat, ist die Schaffung von materieller Öffentlichkeit unumgänglich und damit auch eine gewisse qualitative Dimension und Erfolgsorientierung der Öffentlichkeit von Relevanz. Das öffentliche Handeln ist zudem auch im Interesse des Gesetzgebers, da dies Legitimation und Bindung des Staatsvolks schafft. Die materielle Öffentlichkeit kann heutzutage am leichtesten durch eine Digitalisierung der (Gerichts-)Öffentlichkeit erreicht werden. Die Legislative und Exekutive nutzen nämlich bereits verschiedene technische Möglichkeiten zur Herstellung von Öffentlichkeit. Die bisherigen Ansätze im Rahmen dieser Gewalten schaffen derzeit zwar noch keine vollumfängliche Öffentlichkeit701 und stehen demnach teilweise in der Kritik702; dennoch kann diese Art der Öffentlichkeitsgewähr auch für die Judikative als 698  Zimmermann, in: Krüger / Rauscher (Hrsg.), MüKo ZPO, Band 3, § 169 GVG Rn. 4; vgl. Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, S. 210. 699  Zurückhaltend hierzu noch Nolte, DÖV 1999, 363, 368. Zum Begriff der Informationsgesellschaft Baller, in: Haratsch / Kugelmann / Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, S. 35 f. 700  Vgl. Lechner / Zuck, BVerfGG, §  17a Rn. 5 zur Gerichtsöffentlichkeit des BVerfG. 701  Vgl. Gusy, DVBl. 2013, 941, 942, vertritt hinsichtlich der Umsetzung von Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland den „Grundsatz der limitierten Öffentlichkeit“. 702  Albrecht, AnwZert ITR 22 / 2015 Anm. 2.



C. Systemelemente der Öffentlichkeit in staatlichen Verfahren 147

Beispiel dienen, da die Justiz bisher lediglich auf eine sehr „traditionelle“ Form Öffentlichkeit gewährt.703 Im Rahmen der Legislative ist die Öffentlichkeitsgewähr in den letzten Jahrzehnten bürgerfreundlicher gestaltet worden. Neben der räumlich begrenzten Möglichkeit, die Plenardebatten im Bundestag vor Ort zu besuchen, gibt es seit 1999 das Parlamentsfernsehen, und die Videos können heutzutage auch über die Mediathek zeitlich flexibel abgerufen werden.704. Darüber hi­ naus werden Protokolle öffentlicher Sitzungen angefertigt sowie Anfragen schriftlich festgehalten und beantwortet und online der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus werden Gesetze im Internet für jedermann zugänglich gemacht.705 Es wird mithin eine materielle Form der Öffentlichkeit gewährt. Da die (un)mittelbare Publikumsöffentlichkeit im Rahmen exekutiven Handelns wenig geeignet ist, Öffentlichkeit zu schaffen706, geht die Verwaltung einen anderen Weg. Inzwischen veranlasst die Exekutive in einigen Teilbereichen eigenständig die Veröffentlichung von Informationen.707 Diese „Öffnung bislang verwaltungsintern verwendeter Datenbanken für eine weitere Verwendung durch Bürger und Unternehmen“708 ohne vo­ rangegangene externe Initiative wird derzeit vorangetrieben.709 Die gesetz­ lichen Grundlagen für ein solches durch die Verwaltung veranlasstes Open Data-Konzept wurden jedoch bisher von den Gesetzgebern aus Bund und Ländern710 vernachlässigt.711 Dennoch zeigt die Entwicklung einen Wandel in der Qualität von Öffentlichkeit hin zu einer materiellen Öffentlichkeitsgewähr, in der der Bürger wieder mehr in den Fokus gerückt wird.

703  Vgl.

Kapitel 2 B. II.

704  www.bundestag.de / tv,

www.bundestag.de / mediathek. vgl. zu den „Verfahrensgeboten der Informationsgerechtigkeit“ Hoeren, NJW 2002, 3303, 3303 f., vgl. zum Publikations­ erfordernis von Rechtsnormen allerdings noch ohne Berücksichtigung des Internets, Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 75 ff. 706  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit in der Dritten Gewalt, S. 20 f.; vgl. Groß, DÖV 1997, 133, 134. 707  Einen Überblick über die weltweiten Open Data-Portale enthält: http: /  / openda tainception.io / ; http: /  / www.europeandataportal.eu / ; http: /  / data.europa.eu / euodp / en /  data; http: /  / www.opendata.sachsen.de / . 708  Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 5 Rn. 21; vgl. für eine ausführliche Darstellung der Definition Lederer, Open Data, 40 ff. 709  Vgl. auch Albrecht / Schmid, K&R 2013, 529, 531 f. 710  Albrecht, AnwZert ITR 22 / 2015 Anm. 2. 711  Lediglich § 12a EGovG, § 11 IFG und das HmbTG sowie das LTransG normieren eine sehr überschaubare Veröffentlichungspflicht hinsichtlich staatlicher Informationen. 705  https: /  / www.gesetze-im-internet.de / ;

148

Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

D. Öffentlichkeit – Bedeutungen, Funktionen und Dimensionen – ein Fazit Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Begriff der Öffentlichkeit vielschichtig ist, der je nach Betrachtungswinkel eine unterschiedliche Bedeutung hat. Im rechtswissenschaftlichen Sprachgebrauch wird Öffentlichkeit für drei Bezugspunkte verwandt. Zunächst beschreibt sie einen Zustand, der Zugang zu Informationen ermöglicht. Des Weiteren benennt der Begriff den Personenkreis, auf den der beschriebene Zustand ausgelegt ist. Darüber hinaus charakterisiert der Begriff den Staat und findet Verwendung bei der Abgrenzung zwischen privaten und staatlichen Stellen. Im Rahmen dieser Arbeit wird vorrangig die Bedeutung der Zustandsbeschreibung näher präzisiert und ausgelegt. Öffentlichkeit ist nach der hier verwendeten wertfreien Begriffsdefinition im Verfahrenskontext das Vorhandensein von Zugänglichkeit zu einem staatlichen Verfahren und dessen Informationen. Das Internet schafft in diesem Zusammenhang als Werkzeug ganz neue Möglichkeiten für die Gewährung von Öffentlichkeit. Die mediale Vermittlung staatlicher Verfahren wird dadurch auf eine ganz andere Ebene gehoben; aber auch Informations- und Kommunikationsflüsse wandeln sich, so dass das Internet auch als Ursache für das Bedürfnis einer geänderten Verfahrensgestaltung angesehen werden kann. Die Öffentlichkeit als Element eines staatlichen Verfahrens wird für die unterschiedlichen Gewalten auf verschiedenen normativen Ebenen festgelegt. Ein allgemeines Öffentlichkeitsprinzip im Hinblick auf staatliches Handeln leitet sich unmittelbar aus dem Rechtsstaats- sowie Demokratieprinzip ab und hat damit Verfassungsrang.712 Der ursprünglichen Wertung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1963, dass der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung kein Verfassungsrechtsgrundsatz sei, sondern lediglich eine Prozessrechtsmaxime bildet,713 kann nunmehr über 50 Jahre später aufgrund eines gesellschaftlichen Wandels hin zu einer Informationsgesellschaft nicht mehr gefolgt werden. So hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 1997 entschieden, dass dem Bürger unmittelbar auf Grundlage des Rechtstaats- und des Demokratieprinzips ein Anspruch auf Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen zusteht.714 Dieser Anspruch ist zudem voraussetzungsfrei.715 Auch das Bundesverfassungsgericht erkennt das Öffentlichkeitsprinzip mit Verfassungsrang inzwischen an.716 712  Pieroth,

in: Jarass / Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 20 Rn. 21. 15, 303, 307. 714  BVerwG NJW 1997, 2694, 2695; zur früheren Veröffentlichungspraxis von Gerichtsentscheidungen bei den Bundesgerichten vgl. Grundmann, DVBl. 1966, 57, 57; Blümel, DVBl. 1966, 63, 63 ff. 715  BGH NJW 2017, 1819, 1819 f. 713  BVerfGE



D. Öffentlichkeit – Bedeutungen, Funktionen, Dimensionen – ein Fazit 149

Allerdings kann aus dem Öffentlichkeitsprinzip noch kein unmittelbarer Rückschluss auf die Modalitäten der Öffentlichkeit in staatlichen Verfahren abgeleitet werden.717 Der Gesetzgeber ist in der Ausgestaltung der Verfahrens­ öffentlichkeit grundsätzlich frei. Er kann daher im Rahmen der ebenfalls verfassungsrechtlichen Schranken die Öffentlichkeit begrenzen. Jedoch darf er keine Einschränkungen vornehmen, die den Öffentlichkeitsgrundsatz als solchen konterkarieren würden. Die derzeitigen einfachgesetzlichen verfahrensbezogenen öffentlichkeitsermöglichenden Regelungen sind vielfach sehr offen formuliert, so dass diese anhand ihres Telos auszulegen sind. Gleichzeitig sind aufgrund einer weiten Formulierung verschiedene Entwicklungen des verfahrensbezogenen Öffentlichkeitsverständnisses gegeben. Entsprechende wichtige Anpassungen der verfahrensbezogenen Öffentlichkeit könnten sich aufgrund des informationstechnischen Wandels ergeben. Die Funktionsanalyse offenbart auch die diesbezügliche Vielschichtigkeit der Öffentlichkeit. Die Gewichtung der einzelnen Funktionen von Öffentlichkeit hängt allerdings maßgeblich von der betrachteten Gewalt ab. So ist beispielsweise der Legitimationscharakter von Öffentlichkeit im Rahmen der Legislative besonders stark ausgeprägt. Neben der Legimitation ist die Kontrolle staatlichen Handelns eine der Kernfunktionen, die Öffentlichkeit erfüllt. Hierin erschöpft sich jedoch das „Warum“ der Öffentlichkeitsgewähr nicht. So werden auf diesem Wege die Gewaltenteilung und die richterliche Unabhängigkeit gestützt. Gleichsam kann durch die Herstellung von Öffentlichkeit eine informationelle Gleichberechtigung geschaffen und damit Gerechtigkeit gefördert werden. Ebenso schafft Öffentlichkeit Vertrauen und Akzeptanz bei der Bevölkerung und diszipliniert staatliche Akteure. Die einzelnen Funktionen von Öffentlichkeit können jedoch nicht immer voneinander trennscharf unterschieden werden. Häufig bedingen sie sich auch gegenseitig. Hinsichtlich der Ausgestaltungsmodalitäten von Öffentlichkeit sind unterschiedliche Dimensionen zu differenzieren. So gibt es ein personelles Element, welches den Rezipientenkreis betrifft. Darüber hinaus ermöglicht die örtliche Dimension die Wahl des Raumes, in dem das staatliche Verfahren abzuhalten ist, um Öffentlichkeit zu gewähren. Neben diesen zwei historisch anerkannten und gewachsenen Dimensionen wirft die Einbindung digitaler Infrastrukturen nunmehr erstmalig auch Fragen zur Temporalität von Öffentlichkeit auf. Durch den virtuellen Raum und die hierüber gegebenen Speicher- und Wiedergabemöglichkeiten ist Öffentlichkeit staatlichen Handelns nicht mehr nur an das Live-Geschehen gebunden. Die partizipative Dimension von Öffentlichkeit, die insbesondere zu Beginn demokratischer Staats716  BVerfGE 717  BVerfGE

103, 44, 63. 103, 44, 63.

150

Kap. 1: Begriff und Funktionen von Öffentlichkeit

strukturen von Bedeutung war, kann durch die Einbindung der neuen Medien in die Herstellung von Öffentlichkeit wieder erstarken, da die Informationstechnologie erstmalig auch die Einbindung der gesamten Bevölkerung in staatliches Handeln ermöglicht. Die vorstehend genannten Funktionen betreffen die äußere Form der Herstellung von Öffentlichkeit und sind damit formelle Systemelemente. Diese alleine schaffen jedoch noch keine hinreichende Öffentlichkeit, wenn die materielle, d. h. inhaltliche Dimension von Öffentlichkeit nicht gewahrt ist. Inhaltlich muss Öffentlichkeit transparent sein. Hierzu gehört einerseits, dass die Unterlagen staatlichen Handelns vollständig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Den Staat trifft andererseits aber auch die Pflicht zur Strukturierung dieser Informationen und damit verbunden zu einer Reduzierung von Komplexität, welche u. U. auch durch ergänzende Erläuterungen erfolgen kann. In inhaltlicher Hinsicht ist darüber hinaus die Herstellung von Barrierefreiheit zu beachten. Das Fehlen eines der zuvor genannten Elemente von Öffentlichkeit kann bereits ein staatliches Verfahren als geheim einstufen.

Kapitel 2

Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz und Organisationsprinzip A. Die Gerichte als Organ der Rechtspflege in der bürgerlichen Sphäre Neben ihrer verfassungsrechtlichen Stellung in der Gewaltentrias1 kommt der Judikative eine weitere wichtige Aufgabe zu. Die Judikative besitzt nämlich nicht nur die Funktion einer Kontrollinstanz im staatlichen Kontext, sondern ist gleichzeitig Friedensstifter sowie „soziale Anstalt“2 in der bürgerlichen Sphäre.3 Die Gerichte verschaffen dem einzelnen Bürger einerseits sein Recht, andererseits helfen sie auch bei der Wahrung des Rechtsfriedens innerhalb der Gesellschaft.4 Der Gerichtsprozess wird daher auch als Institution angesehen,5 die durch den vorgegebenen Verfahrensablauf Gleichförmigkeit bei der Lösung von Konflikten bietet.6 Durch die Intervention Dritter – hier durch den Staat – ist häufig erst eine Konfliktlösung möglich.7 Die Wahrung des Rechtsfriedens wird vor allem auch dadurch gewährleistet, dass der Staat seine Entscheidungen und damit die Rechte des Einzelnen notfalls gewaltsam vollzieht. Dies macht das Bedürfnis der Betroffenen nach „Selbst1  Vgl.

Kapitel 1 B. VIII. Zeit- und Geistesströmungen im Prozesse, S. 1 ff.; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 1 IV S. 12 ff. 3  Vgl. bereits Montesquieu, De l’Esprit des Loix, Livre onzieme, Chap. VI, S. 244; zum Richter als Macht(in)haber vgl. Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 1. 4  Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 1 II S. 3 f., 6 sieht die Schaffung von Rechtsfrieden als Folge der Durchsetzung subjektiver Rechte an. Wilke, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Band V, § 112, Rn. 56; Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rn. 10 f.; Schmidt-Aßmann, in: Schoch / Schneider / Bier (Hrsg.), VwGO, Rn. 165; Ranft, Jura 1995, 573, 574; BVerfGE 27, 18, 28 f. 5  Lloyd, Introduction to Iurisprudence, S. 263; Hagen, Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S. 43 ff. 6  Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 39; Hagen, Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S. 47 f.; 7  Hagen, Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S. 51; vgl. allgemein rechtssoziologisch hierzu Eckhoff, in: Hirsch / Rehbinder (Hrsg.), Studien und Materialien zur Rechtssoziologie, S. 243 ff. 2  Klein,

152

Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

justiz“ obsolet, da er auf diesem Wege eine effektivere Form der Streitbeilegung findet.8 Das Gerichtsverfahren hat nach Rousseau die Aufgabe der Wahrheitsfindung, um den bestehenden Konflikt zu lösen.9 Hierbei hat das Gericht die bestehenden Verhandlungsmaximen und das prozessuale Recht zu beachten.10 Aus diesem Grund ist der Gleichheitsgrundsatz vor deutschen Gerichten von besonderer Bedeutung.11 Die Verhandlungsgrundsätze ermöglichen eine Waffengleichheit der widerstreitenden Interessen und eine Fokussierung auf den eigentlichen Streitpunkt. Das derzeitige formal festgelegte gerichtliche Verfahren hat die Aufgabe, dass die Beteiligten den Streitgegenstand detailliert eigenständig aufarbeiten und vor den Richter bringen, der den Konflikt anhand der bestehenden Ordnung entscheidet bzw. einen interessengerechten Ausgleich im Vorfeld seines Urteilsspruchs sucht. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung werden die Parteien an einen Tisch gebracht. So haben sie im Zivilprozess die Möglichkeit, den Streit auf neutralem Boden vor einer neutralen Instanz beizulegen. Im Strafprozess erhält der Angeklagte die Chance, auf die Anklage einzugehen und sich zu verteidigen. Darüber hinaus wird erwartet, dass das Gericht während der Sachverhaltsermittlung den Beteiligten des Verfahrens eine „gerechte“ Behandlung zukommen lässt. Rechtspsychologische Studien belegen die besondere Bedeutung der Verfahrensgerechtigkeit auch für die Akzeptanz rechtlicher Autorität.12 Das Gerechtigkeitsempfinden hinsichtlich justiziellen Handelns beruht nicht nur auf einer gerechten Aufteilung von Gewinn und Verlust13, sondern primär auf der Empfindung des Einzelnen, ob die rechtsprechende Instanz „vertrauenswürdig und wohlwollend“, „unparteiisch und nicht diskriminierend“ „ist, und dass sie die Person als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft 8  Hagen, Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S.  51  f.; vgl. Rosenberg /  Schwab / Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rn. 5 f. 9  Gaul, Freiheit ohne Recht, S. 16. 10  Nach Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 1 II S. 4 ist die Wahrheitsfindung im Zivilprozess durch die Bindung des Gerichts an den Parteiwillen beschränkt. 11  Dies bedeutet jedoch nicht, dass die unterschiedliche Auslegung eines Gesetzes durch verschiedene Gerichte eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG darstellen muss, BVerfGE 19, 38, 47. 12  Lind, in: Bierbrauer / Gottwald / Birnbreier-Stahlberger (Hrsg.), Verfahrensgerechtigkeit, S.  3 ff. 13  Lind, in: Bierbrauer / Gottwald / Birnbreier-Stahlberger (Hrsg.), Verfahrensgerechtigkeit, S. 5; Thibaut / Walker, A Theorie of Procedere, Cal. L. Rev. 66 (1978), S.  541, 451 ff.; Tyler / Lind, in: Advances in experimental social psychology, Vol. 25 (1992), S. 115, 129 ff.



A. Gerichte als Organ der Rechtspflege in der bürgerlichen Sphäre153

betrachtet“.14 Erst durch das Vorhandensein von Vertrauen, Neutralität und Ansehen kann ein Verfahrensausgang auch dem Gerechtigkeitsempfinden der Betroffenen gerecht werden.15 Steht ein Sachverhalt fest, ist die Anwendung von materiellen Rechtsnormen rechtswegübergreifend die zentrale Aufgabe der Justiz.16 Auf diesem Wege wird die bestehende (Rechts-)Ordnung durchgesetzt bzw. aufrecht­ erhalten. Dies verhindert das Entstehen von Selbstjustiz und damit den Zerfall des staatlichen Gefüges. Hierfür ist es erforderlich, dass die rechtsprechende Gewalt als Autorität wahrgenommen wird, die aber in einer demokratischen Werteordnung mit Maß und Ziel wirkt. Die Funktion der dritten Gewalt in der bürgerlichen Sphäre strahlt somit auch auf deren Aufgabe in der staatlichen Sphäre aus.17 Heruntergebrochen auf die unterschiedlichen Rechtswege erfüllt die Justiz die im Folgenden genannten weiteren Aufgaben18: Während die Verwaltungsgerichtsbarkeit im weiteren Sinne primär die Exekutive kontrolliert, übernehmen die Strafgerichte die Aufgabe, vorher begangenes Unrecht zu sühnen. Auch wenn strafgerichtliche Verfahren weitgehend den Blick in die Vergangenheit richten, besteht gleichfalls eine präventive Intention der Abschreckung zukünftiger Straftäter und damit der Stärkung der friedvollen Gemeinschaft. Nur das Durchgreifen des Staates durch die Justiz verhindert, dass jeder Einzelne einen Konflikt entsprechend seinem Gerechtigkeitsempfinden selbst in die Hand nimmt und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt und auch das Recht schwächt.19 Kongruent zur Variabilität des Gerechtigkeitsempfindens in einer pluralen Gesellschaft variieren auch die als gerecht wahrgenommenen Strafen. Das zivilgerichtliche Verfahren ermöglicht es noch am ehesten, dem Gefühl von Billigkeit jedes Einzelnen ge14  Lind, in: Bierbrauer / Gottwald / Birnbreier-Stahlberger (Hrsg.), Verfahrensgerechtigkeit, S. 7; Tyler, Why people obey the law, 71 ff., 115 ff.; Tyler / Lind, in: Advances in experimental social psychology, Vol. 25 (1992), S. 115, 140 ff. 15  Lind, in: Bierbrauer / Gottwald / Birnbreier-Stahlberger (Hrsg.), Verfahrensgerechtigkeit, S. 7. 16  Einer „Gerechtigkeitsprechung“ wird u.  a. durch Art. 97 Abs. 1 GG insoweit Einhalt geboten, dass der Richter „nur dem Gesetze unterworfen“ ist und das Gerechtigkeitsempfinden der Verfahrensbeteiligten damit keine ausschlaggebende In­ stanz ist. 17  Vgl. Hagen, Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, S. 43 ff. 18  Zu den Aufgaben des Gerichtsverfahrens vgl. Sauer, Allgemeine Prozessrechtslehre, S. 1 ff.; zu den Zwecken des Zivilprozesses Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rn. 5  ff.; zu den Zwecken des Verwaltungsverfahrens vgl. Schmidt-Aßmann / Schenk, in: Schoch / Schneider / Bier (Hrsg.), VwGO, Rn. 164 ff.; zu den Zwecken des Strafverfahrens Walther, JZ 1998, 1145, 1149 f. 19  Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rn. 5 f.

154

Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

recht zu werden, da materielles Zivilrecht teilweise einen dispositiven Kern besitzt. In jüngster Zeit rückt zudem verstärkt der Themenkomplex Mediation und Güterichtertätigkeit in den Fokus, so dass durch diese eine Streitbeilegung außerhalb des formalen Rechts nachhaltig ermöglicht werden soll. Der Ausgleich der verschiedenen kollidierenden Interessen ist zwar bereits Aufgabe des formellen Rechts, dieser kann das Recht jedoch nicht immer vollständig gerecht werden. Die Findung übergesetzlicher Lösungen ist daher auch Aufgabe des Gerichtes, § 278 Abs. 1 ZPO. Durch richterrechtliche Rechtsfortbildung ist es der Justiz auch gestattet, neue Handlungsrichtlinien aufzustellen oder bestehende zu ergänzen oder anzupassen.20 Um den genannten Aufgaben gerecht zu werden, muss sich die Justiz ebenfalls dem prüfenden Blick der Öffentlichkeit aussetzen und auf diesem Wege kontrollieren lassen.

B. Gerichtsöffentlichkeit: Teil der Rechtsprechung oder Organisationsgrundsatz? I. Begriff und Aufgabe der Rechtsprechung Die Judikative teilt sich in die eigentliche Rechtsprechung und die Rechtsprechungsverwaltung auf.21 Die Rechtsprechung wird im Rahmen des Grundgesetzes von Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3, 92 GG als Staatsgewalt vorausgesetzt.22 Allerdings wird der Begriff der Rechtsprechung weder näher definiert, noch wird eine präzisere Funktionsbeschreibung vorgenommen.23 Vielmehr dienen diese Nennungen der Konstituierung der dritten Gewalt im Staatsgefüge,24 dessen „Macht(in)haber“ und „Gewalt(in) haber“ die Richter sind.25

20  Zu den Instrumenten der Lückenfüllung und Rechtsfortbildung Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, Rn. 878, 888 ff. 21  Vgl. Kissel / Mayer, GVG, Einl. Rn. 131. 22  Kissel / Mayer, GVG, Einl. Rn. 143; Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 1. 23  Kissel / Mayer, GVG, Einl. Rn.  143; Minkner, Die Gerichtsverwaltung in Deutschland und Italien, S. 10; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 38. 24  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 38. 25  Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 1; Leisner, Das letzte Wort, S. 193 spricht insoweit von einer „Rechtsmacht“ des Verfassungsrichters.



B. Gerichtsöffentlichkeit: Rechtsprechung oder Organisationsgrundsatz?155

Die Rechtsprechung wird daher heutzutage materiell bestimmt.26 Allerdings gibt es bisher keine einheitliche Definition.27 Es besteht jedoch insoweit Einigkeit, dass der Auslegungsmaßstab des Grundgesetzes sowie der historische Kontext bei der Entstehung der Verfassung zu beachten gilt.28 Gleichsam wird der Begriff der Rechtsprechung als zukunftsoffen gewertet.29 Während Stern die Rechtsprechung als eine nach geltendem Recht erfolgende Sachverhaltsbeurteilung zur Entscheidungsfindung durch den Richter beschreibt,30 identifiziert das Bundesverfassungsgericht lediglich die Bereiche der Rechtspflege in der bürgerlichen Sphäre sowie der Strafgerichtsbarkeit „als Kernbereich der Rechtsprechung“.31 Die Rechtsprechung befasst sich danach nur mit Einzelfällen (in gewissen rechtlichen Bereichen) nach dem eigentlichen Geschehen, während die Legislative abstrakt Handlungsvorgaben im Vorhinein aufstellt.32 Diese Definition greift jedoch zu kurz.33 Wie in Kapitel 1 B. VIII. und IX. aufgezeigt, übernimmt die Judikative auch teilweise weitergehende Aufgaben. Indem die Rechtsprechung Entscheidungen trifft, die der Präzisierung unbestimmter Rechtsbegriffe dienen, haben Urteile vielfach auch Wirkung über den konkret zu entscheidenden Fall hinaus, so dass der Rechtsprechung partiell sogar legislatives Handeln zugewiesen werden kann, § 31 BVerfGG.34

26  BVerfGE 22, 49, 74 ff. m. w. N.; Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  6 m. w. N.; Wilke, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Band V, § 112, Rn. 58, 73; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 40; Class, in: Mangoldt /  Klein / Starck (Hrsg.), GG, Band 3, Art. 92 Rn. 7; Stern, Staatsrecht, Band II, § 43 I 5, S. 893, 898; Kissel / Mayer, GVG, Einl. Rn. 145; Zippelius / Würtenberger, Staatsrecht, § 47 Rn. 1. Zu Zeiten der Weimarer Reichsverfassung wurde der Begriff der Rechtsprechung hingegen formell durch die legislative Aufgabenzuweisung bestimmt, BVerfGE 22, 49, 73 f. 27  Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 5 m. w. N.; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 40; BVerfGE 22, 49, 74 ff. 28  BVerfGE 22, 49, 75 ff. Rn. 97; Kissel / Mayer, GVG, Einl. Rn. 144; Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 17. 29  Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 17. 30  Stern, Staatsrecht, Band II, § 43 I 5, S. 900. 31  BVerfGE 22, 49, 77 f.; BVerfGE 12, 264, 274; Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 20. 32  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 40. 33  Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 6 f. m. w. N. benennt als wesentliche Begriffsbestandteile neben der Einzelfallentscheidung noch das Erfordernis richterlichen Handelns, die Neutralität gegenüber den Parteien, die Verbindlichkeit einer Entscheidung und die Bindung an Recht und Gesetz. 34  Allerdings besitzen gerichtliche Entscheidungen grundsätzlich keine präjudi­ zielle Wirkung für Dritte, vgl. Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 15.

156

Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

Annäherungsmöglichkeiten an den Begriff der Rechtsprechung ergeben sich zudem aus Art. 92 GG, welcher den Richtern die Rechtsprechung anvertraut. Aus dieser Vorschrift kann abgeleitet werden, dass nur Richter Recht sprechen dürfen (sog. Richtermonopol).35 Ein entsprechender Funktionsvorbehalt kann auch § 33 Abs. 4 GG entnommen werden. Das bedeutet umgekehrt aber nicht, dass Richter ausschließlich Recht sprechen, vgl. § 4 DRiG.36 Neben der Rechtsprechung gibt es an den Gerichten auch die Gerichtsverwaltung für interne die einzelnen Gerichte betreffende Angelegen­ heiten,37 die in Zusammenhang mit der Rechtsprechung stehen und die Justizverwaltung38, welche sich auf die allgemeine, nicht rechtsprechungsbezogene Tätigkeit bezieht.39 Die Verwaltungstätigkeit ist in diesem Zusammenhang negativ zu definieren, als alles was nicht Rechtsprechung ist.40 Eine extensive Auslegung richterlicher Aufgabenbereiche würde daher diesen der richterlichen Tätigkeit nicht originär zugewiesenen Bereich zurückdrängen und hätte gleichsam eine Arbeitsbelastung der Richter zur Folge.41 Daher ist die Rechtsprechung eher restriktiv auszulegen, „um Raum zu lassen für die Anpassung der Gerichtsverfassung und der Rechtspflege an die heute mehr denn je rasche Veränderungen der Verhältnisse, Bedürfnisse und Ressour­ cen“.42 Der eigentliche Kern der Rechtsprechung darf Richtern nicht durch die Legislative entzogen werden.43 Jedoch ist die Rechtsprechung als partiell normgeprägt anzusehen, da die Legislative die Gesetze, an welche Richter gebunden sind, umfassend normieren kann und vielfach einen weiten Gestaltungsspielraum besitzt.44 Somit darf der Gesetzgeber den Aufgabenbereich der Rechtsprechung konturieren.45 Mithin besteht die Möglichkeit einzelne 35  Bettermann,

in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 4 ff. in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 18; Stern, Staatsrecht, Band II, § 43 I 5, S. 900; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 39. 37  Minkner, Die Gerichtsverwaltung in Deutschland und Italien, S. 19. 38  Ausführlich hierzu Minkner, Die Gerichtsverwaltung in Deutschland und Italien, S.  17 ff. 39  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 44. 40  https: /  / www.bundesfinanzhof.de / gericht / organisation / gerichtsverwaltung. 41  Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 17. 42  Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 17. 43  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 41. Der Gesetzgeber kann lediglich die Gerichtsorganisation und die Verfahren gesetzlich festlegen, Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 5. 44  Hillgruber, in: Maunz / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 92, Rn. 61; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 41. 45  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 41; vgl. Hillgruber, in: Maunz / Dürig (Hrsg.), GG, Art. 92, Rn. 61. 36  Bettermann,



B. Gerichtsöffentlichkeit: Rechtsprechung oder Organisationsgrundsatz?157

Verfahrensmaximen, aber auch die Arbeitsweise der Richter und ihre Arbeitsumgebung weitreichend gesetzlich vorzugeben und auch zu ändern. Die Einflussmöglichkeit auf die Arbeitsweise der Rechtsprechung wird im Rahmen der elektronischen Aktenführung sichtbar, hiernach wird Richtern die Nutzung der Informationstechnologie bei der Fallbearbeitung auferlegt.46 Auch der Inhalt eines Urteils ist in formaler Hinsicht umfassend vorgeschrieben, vgl. u. a. § 313 ZPO. Alles was jedoch unmittelbar mit der finalen Entscheidung zusammenhängt, ist der Sphäre der Rechtsprechung zuzuordnen.47

II. Justiz- und Gerichtsverwaltung Alle mit der Rechtsprechung in Zusammenhang stehenden organisatorischen Hilfsaufgaben und Unterstützungstätigkeiten sind hingegen der Justizbzw. Gerichtsverwaltung zuzuordnen.48 Vielfach übernehmen die Geschäftsstellen der Gerichte diese Aufgaben. Partiell sind sie jedoch auch durch Richter auszuführen, vgl. §§ 4 Abs. 2 Nr. 1, 42 DRiG. Zur Gerichtsverwaltung zählt auch „die personelle und sachliche Ausstattung der Gerichte“49, die im vorliegenden Kontext insbesondere jene organisatorischen Maßnahmen erfasst, die der Justizmodernisierung dienen50 (Einführung moderner Kommunikationsmittel und digitalisierter Arbeitsweise, u. a. die elektronische Aktenführung).51 Auch die Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips bei Gericht und der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen ist eine Frage der Ressourcenverwendung.52 In diesem Sinne ist die Schaffung von Gerichtsöffentlichkeit der Verwaltungsebene und nicht der richterlichen Rechtsprechung zuzuordnen. Insoweit besitzt der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, dem 46  Durch das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs, BGBl. I 2017, 2208. 47  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 43. 48  Während die Justizverwaltung mit Außenwirkung gegenüber Bürgern agieren kann, besitzt die Gerichtsverwaltung einen nur innerbehördlichen Charakter, Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 13 f., 17. Zur Abgrenzung der Justiz- von der Gerichtsverwaltung vgl. ausführlich Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S.  13 ff. 49  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 43; Ballhausen, ITEinsatz in der Justiz, S. 37; Wolf, Gerichtsverfassungsrecht, S. 54. 50  Kissel / Mayer, GVG, Einl. Rn. 131. 51  Diesbezüglich kann auch von Infrastrukturverwaltung gesprochen werden, Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 17. 52  BVerwG NJW 1997, 2694, 2696; Albrecht, CR 1998, 373, 374; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 43 f. m. w. N.; Kissel / Mayer, GVG, § 12 Rn. 125.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

sich die an Recht und Gesetz gebundenen Richter zu fügen haben. Diese Exekutivfunktion der Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips steht neben der Funktion der Öffentlichkeitsgewähr zur Legitimation von Rechtsprechung im materiellen Sinne.53

III. Richterliche Unabhängigkeit und Öffentlichkeitsgrundsatz Auch im Rahmen exekutivischer Richtertätigkeit findet der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit Anwendung.54 Die richterliche Unabhängigkeit im Sinne des Art. 97 Abs. 1 GG ist primär sachlicher Natur und bedeutet, dass Richter alleine Recht und Gesetz verpflichtet sind, vgl. Art. 20 Abs. 3 GG.55 Dieser verfassungsrechtliche Grundsatz soll gewährleisten, dass keine anderweitigen Einflüsse bei der Entscheidungsfindung von Bedeutung sind, unabhängig ob dies von privater oder öffentlicher Seite erfolgt.56 Mithin stellt diese verfassungsrechtliche Garantie eine Konkretisierung der rechtsprechenden Gewalt aus Art. 92 GG dar.57 Die richterliche Unabhängigkeit bezieht sich hierbei nicht nur auf die Urteilserstellung, sondern jede Form der richterlicher Rechtsanwendung und -auslegung im Hinblick auf die konkrete Arbeit mit Rechtssachen, die dem Richter zur Entscheidung dargebracht wurden.58 Die im Rahmen der Gerichtsöffentlichkeit in die Rechtsprechung eingebundene Öffentlichkeit nimmt keinen unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidungsfindung. Der Richter bestimmt weiterhin alleine über alle „Verfahrens- und Sachentscheidungen, die – wie die Terminsbestimmungen, Fristsetzungen und Einzelrichterbestimmungen, [die Verhandlungsführung, die Beweiswürdigung,] die Zeugenvernehmung oder sitzungspolizeiliche Maßnahmen, die Abfassung der Entscheidungsgründe oder die Berichtigung einer Entscheidung – dem richterlichen Urteil mittelbar dienen“.59 Die Gerichtsöffentlichkeit bietet nur einen formalen Rahmen, in dem sich der Rich53  Vgl.

Kapitel 1 B. I. 3., VIII. und IX. Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 44. 55  Hillgruber, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 97, Rn. 25 ff.; Wittreck, NJW 2012, 3287, 3288; zur richterlichen Unabhängigkeit gegenüber dem Gesetzgeber vgl. Heckmann / Lederer, jurisPR-ITR 6 / 2011 Anm. 5. 56  Wittreck, NJW 2012, 3287, 3288. 57  Hillgruber, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 97, Rn. 25. 58  BGH NJW 1984, 2531, 2531; Wittreck, NJW 2012, 3287, 3288; Heckmann / Lederer, jurisPR-ITR 6 / 2011 Anm. 5. Der Einsatz der Informationstechnologie hierbei ist insoweit unzulässig, als er dem Richter diese Arbeiten vollständig abnimmt oder inhaltlich auf die richterliche Arbeit Einfluss nimmt, vgl. Ballhausen, IT-Einsatz in der Justiz, S. 75. 59  Ballhausen, IT-Einsatz in der Justiz, S. 77; BGH NJW 1984, 2531, 2531. 54  Coelln,



C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit159

ter frei bewegen kann.60 Es handelt sich hierbei um den „äußeren Ordnungsbereich“ richterlichen Wirkens, in dem dieser wie jeder andere Beamte an die bestehenden Rahmenbedingungen gebunden ist.61 Der Richter wird in seinen Handlungsspielräumen durch die Einführung einer Kontrollmöglichkeit in Form der Öffentlichkeit in keinerlei Weise eingeschränkt. Insbesondere steht der (potentiellen) Zuschauerschaft anders als dem Instanzenzug keine Abänderungsbefugnis getroffener Entscheidungen zu. Wenn der Aufbau der Gerichtsinstanzen nicht als Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit gewertet wird, dann kann die Öffentlichkeit und die damit bestehende Möglichkeit der bürgerlichen Kontrolle erst Recht keinen Eingriff in die richter­ liche Unabhängigkeit darstellen. Die richterliche Unabhängigkeit deckt daher nicht den Wunsch nach einer nichtöffentlichen Arbeitsweise eines Richters. Der Grundsatz der Öffentlichkeit staatlichen Handelns ist verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich vorgeschrieben.62 Eine über die Gesetzesvorgaben hinausgehende richterliche Dispositionsbefugnis bezüglich der Gerichtsöffentlichkeit ist damit abzulehnen. Die Rechtsprechung als „Kernbereich richterlicher Eigenverantwor­ tung“63, kann damit der Öffentlichkeit keine neuen Grenzen setzen. Auch aus der einfachgesetzlichen Normierung der richterlichen Unabhängigkeit in §§ 25 f. DRiG ergibt sich keine andere Wertung.64 Insoweit präzisiert der Gesetzgeber sogar, dass es auch für Richter eine Dienstaufsicht gibt, die allerdings nicht die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigen darf, vgl. § 26 Abs. 1 DRiG.65

C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit Die Gerichtsöffentlichkeit wird durch verschiedene Formen konturiert, die teilweise auch verschiedene Begrifflichkeiten aufweisen. Zunächst muss zwiBallhausen, IT-Einsatz in der Justiz, S. 79. diesen Rahmenbedingungen gehört u. a. die „Präsentation im Gerichtssaal“, Ballhausen, IT-Einsatz in der Justiz, S. 79. 62  Vgl. zu den normativen Grundlagen Kapitel 1 A. III. 63  Angelehnt an BVerfGE 67, 100, 139; BGH DRiZ 1978, 185, 185 f.; https: /  /  www.bundestag.de / blob / 412760 / 1e98af44462dee55fd1ee3925501dbf4 / wd-3-38306-pdf-data.pdf WD 3 – 383 / 06. 64  Die richterliche Unabhängigkeit stellt nämlich kein Privileg dar, sondern dient lediglich der Ermöglichung einer „gerechten, von sachfremden Einflüssen freie[n] Rechtsprechung“, Schmidt-Räntsch, DRiG, § 25 Rn. 9 m. w. N. 65  Papier, NJW 1990, 8, 8; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band III, Art. 97, Rn. 33. In der Praxis wird die Wirksamkeit dieses Korrekturinstruments teilweise angezweifelt, Sendler, NJW 2001, 1256, 1257 f. 60  Vgl. 61  Zu

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

schen Partei- und Drittöffentlichkeit unterschieden werden. Allein letztgenannte betrifft die Regelung des § 169 GVG.66 Sie teilt sich weiter in die Saalöffentlichkeit und die Medienöffentlichkeit auf. Da die Saalöffentlichkeit einen direkten Zutritt zu einer Verhandlung und daher ein Liveerleben eines Gerichtsprozesses ermöglicht, wird diese Form der Öffentlichkeit auch als unmittelbar bezeichnet. Die Medienöffentlichkeit gewährt nur eine durch einen Intermediär vermittelte Form der Öffentlichkeit, daher wird sie vielfach als mittelbare Öffentlichkeit dargestellt.

I. Parteiöffentlichkeit Unter Parteiöffentlichkeit wird das Recht jedes Einzelnen verstanden, im Rahmen einer Streitsache ein Gericht anzurufen und ein gerichtliches Verfahren in der Folge in die Wege zu leiten sowie als Verfahrensbeteiligter in jedem Stadium des eigenen gerichtlichen Verfahrens teilzunehmen, auch wenn dieses ansonsten nicht öffentlich ist.67 Parteiöffentlichkeit ist ein elementarer Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips, zu dem auch der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) zählt.68 Neben der bloßen Teilnahme erlaubt die Parteiöffentlichkeit dem Betroffenen, sich vor Gericht zu verteidigen und eigenständig bzw. mittels eines rechtlichen Vertreters Prozesshandlungen und -erklärungen abzugeben. Darüber hinaus erhält der Verfahrensbeteiligte grundsätzlich Zugang zu allen verfahrensimmanenten Informationen.69 Aufgrund der besonderen Bedeutung der Parteiöffentlichkeit für den Prozess ist diese in den Prozessordnungen selbst geregelt und findet ihren Ursprung nicht in § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG.70 Die Parteiöffentlichkeit besitzt jedoch auch Schranken in der Form, dass sich die Prozesspartei den verfahrensrechtlichen Grundsätzen des Gerichtsprozesses unterwerfen muss, die unter anderem keine Teilnahme an der Urteilsberatung gestatten.71 Neben dem von der Parteiöffentlichkeit erfassten Anwesenheitsrecht der Parteien ist auch die verfahrensinterne Transparenz 66  Kissel / Mayer, 67  Zimmermann,

GVG, § 169 Rn. 3. in: Krüger / Rauscher (Hrsg.), MüKo ZPO, Band 3, § 169 GVG,

Rn. 71. 68  Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 562. 69  Vgl. Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 29. Lediglich Ausforschungsbeweisanträge sind nicht gestattet, vgl. Huber, in: Musielak / Voit (Hrsg.), ZPO, § 299, Rn. 3c; Saarländisches OLG, Urt. v. 22.11.2005 – 4 U 382 / 04. 70  Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, S. 22, mit Verweis auf die entsprechenden Vorschriften in Fn. 46; Kissel / Mayer, GVG, § 169 Rn. 3. 71  Zimmermann, in: Krüger / Rauscher (Hrsg.), MüKo ZPO, Band 3, § 169 GVG, Rn. 72.



C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit161

gesetzlich normiert; so besteht rechtswegsübergreifend eine richterliche Hinweispflicht gegenüber den Parteien, die ein faires Verfahren ermöglichen soll und dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung trägt.72 Verstöße hiergegen können als Verfahrensfehler selbst einen Revisionsgrund darstellen. Die Grenze der richterlichen „Beratung“ stellt hierbei die richterliche Unparteilichkeit dar, da anderenfalls der Grundsatz des fairen Verfahrens gefährdet wäre.73 Die Parteiöffentlichkeit wird im Nachfolgenden von den weiteren Ausführungen ausgenommen, da die vorliegende Untersuchung sich vertieft mit der Frage beschäftigt, in welcher Form unbeteiligte Dritte laufende staatliche Verfahren als Zuschauer begleiten können.

II. Drittöffentlichkeit Unter Drittöffentlichkeit wird vorliegend die grundsätzliche Zugänglichkeit74 einer mündlichen Verhandlung durch jedermann verstanden, der nicht Beteiligter des Verfahrens ist, sowie das Recht, der Verkündung von Urteilen und Beschlüssen beizuwohnen.75 Es handelt sich also primär um eine sog. Sitzungsöffentlichkeit. Gleichzeitig fällt hierunter vor allem in der „jüngeren“ Geschichte die Gestattung der medialen Wahrnehmung und Aufbereitung des gerichtlichen Verfahrens.76 Die Drittöffentlichkeit i. S. d. § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG wird daher heutzutage in Form der sogenannten Saalöffentlichkeit und der sogenannten Medienöffentlichkeit ermöglicht. 1. Unmittelbare (Saal-)Öffentlichkeit Die Saalöffentlichkeit ist in der Tradition die älteste Form der Schaffung von Gerichtsöffentlichkeit.77 Sie erlaubt einem unbestimmten Zuschauerkreis 72  Vgl.

u. a. § 139 ZPO, § 265 StPO, §§ 86 Abs. 3, 104 Abs. 1 VwGO. in: Vorwerk / Wolf (Hrsg.), BeckOK ZPO, § 139 Rn. 8. 74  In §§ 170  ff. GVG werden die verschiedenen Ausschlüsse der Öffentlichkeit normiert. 75  Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, S. 146; Coelln, in: Maunz / SchmidtBleibtreu / Klein / Bethge (Hrsg.), BVerfGG, § 17 Rn. 3. 76  Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, S. 146; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 2. 77  Hahn (Hrsg.), Die gesammten Materialien zu dem Gerichtsverfassungsgesetz und dem Einführungsgesetz zu demselben vom 27. Januar 1877, S. 173 f.; zur Geschichte der Saalöffentlichkeit vgl. ausführlich, Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 49 ff. 73  Selle,

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

den diskriminierungsfreien Zutritt zu Gerichtsverhandlungen.78 Über das Zutrittsrecht hinaus besitzt der Zuschauer ein reines Anwesenheitsrecht.79 Diese Form der Öffentlichkeit wird vorliegend als unmittelbar bezeichnet, da bei der Saalöffentlichkeit der Bürger live vor Ort einen Eindruck von der mündlichen Verhandlung und der Urteilsverkündung gewinnen kann.80 Somit erfolgt hier die Öffentlichkeit in unmittelbarer Reinform, wohingegen bei der Medienöffentlichkeit ein Intermediär zwischen den interessierten Bürger und die Justiz geschaltet ist; dies bedeutet, dass diese Form der Öffentlichkeit eher mittelbarer Natur ist. a) Öffentlich zugängliche Verfahrensinformationen aa) Informationsart Im Rahmen der Saalöffentlichkeit erhält der Zuschauer nur einen Einblick in die aktuelle mündliche Verhandlung. Darüber hinausgehende Informationen aus dem (schriftlichen) Vorverfahren bleiben dem Zuschauer verborgen, so dass es häufig für diesen schwierig ist, dem Verfahren zu folgen. Die optisch und akustisch wahrgenommenen Informationen sind zudem flüchtig, da § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG Ton- oder Bildaufnahmen (zum Zwecke der Veröffentlichung) grundsätzlich verbietet. Durch die neu eingefügte Regelung des § 169 Abs. 3 GVG wird zwar die Aufnahme von Entscheidungsverkündungen des Bundesgerichtshofs in das Ermessen des Gerichts gestellt. Diese Erlaubnis gilt aufgrund des ausdrücklichen Wortlauts („Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen“) jedoch nur für Medienvertreter und nicht den einfachen Zuschauer, der nicht dem persönlichen Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Gewährleistung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unterfällt. Obwohl eine Aufnahme der Verhandlung zu privaten Zwecken bereits heute nicht normativ verboten ist, kann der Richter sitzungspolizeiliche Maßnahmen gemäß §§ 177 ff. GVG einleiten und dieses Verhalten unterbinden.81 Strafrechtliche Konsequenzen hat ein Zuschauer ansonsten grundsätzlich nicht zu fürchten.82 § 201 StGB ist für heimlich erfolgte Tonaufnahmen vor78  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S.  101; BVerwG JR 1972, 521. 79  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 121. 80  Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, S.  23 f. 81  BR-Drs. 254 / 17, S. 7. 82  Vgl. zu der Problematik auch Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Verbotene Bild- und Tonaufnahmen in Gerichtsverhandlungen, BRDrs. 254 / 17, S. 4 ff.



C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit163

liegend nicht einschlägig, wenn die gerichtliche Verhandlung kraft Gesetzes als öffentlich definiert ist.83 Auch § 201a StGB findet hinsichtlich heimlicher Fotoaufnahmen aus Gerichtsverhandlungen keine Anwendung.84 bb) Auskunfts- und Einsichtsrechte Nach derzeitiger Gesetzeslage bestehen über das Recht der Anwesenheit hinaus grundsätzlich keine Rechte des einzelnen Bürgers, weitergehende verfahrensinterne Informationen zu erhalten. Es gibt beispielsweise keine voraussetzungsfreien Auskunfts- oder Akteneinsichtsrechte.85 Ein Akteneinsichtsrecht für Dritte ergibt sich lediglich aus § 299 Abs. 2 ZPO, § 13 Abs. 2 FamFG und § 475 Abs. 2 StPO.86 Diesen ist gemein, dass der Antragsteller entweder die Einwilligung der Verfahrensbeteiligten benötigt oder ein berechtigtes Interesse vorbringen muss. Letzteres wird in der Praxis eng ausgelegt, so dass hierfür „ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes, gegenwärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen oder zu einer Sache zu fordern“ ist.87 Alle anderen Interessensformen, seien sie wirtschaftlicher, rechtlicher88 oder gesellschaftlicher Natur, werden hingegen von der Rechtsprechung nicht anerkannt.89 So erhält der interessierte Bürger in der Regel keinen Einblick in die Verfahrensunterlagen sowie das nach der Verhandlung verfasste und begründete Urteil.90 Insbesondere in zivilgerichtlichen Verfahren ist aufgrund dessen keine durchgehende Kontrolle durch die Bevölkerung möglich. In den verwaltungsrechtlichen Rechtswegen ist die Gewährung der Akteneinsicht für Nichtbetroffene nicht ausdrücklich geregelt (vgl. § 100 VwGO, § 78 FGO, § 120 SGG, welche nur einen Zugriff von Verfahrensbeteiligten und deren Rechtsbeiständen gewähren). Dies überrascht, da in diesen Rechtswegen aufgrund der dualen staatlichen Beteiligung das Öffentlichkeitsbedürfnis grundsätzlich stärker ausgeprägt ist, als dies im privatrechtlichen 83  Lenckner / Eisele, in: Schönke / Schröder (Hrsg.), StGB § 201, Rn. 10. Bei nichtöffentlichen Verhandlungen findet diese Vorschrift jedoch Anwendung. 84  BR-Drs. 254 / 17, S. 4 f. 85  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 19. 86  Den anderen Verfahrensarten ist ein Akteneinsichtsrecht für Dritte hingegen fremd, vgl. § 78 FGO, § 120 SGG. 87  Prütting, in: Krüger / Rauscher (Hrsg.), MüKO ZPO, Band 1, § 299, Rn. 21. 88  BGHZ 4, 323, 325; a. A. OLG München OLGZ 1984, 477, 479. 89  Prütting, in: Krüger / Rauscher (Hrsg.), MüKO ZPO, Band 1, § 299, Rn. 21. 90  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 22  f.; BVerfG NJW 2015, 3708, 3708 zeigt bereits, dass in der Praxis selbst Medienvertreter Schwierigkeiten besitzen, an Urteilsabschriften zu gelangen.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

Bereich der Fall ist.91 Sogar § 13 Abs. 2 FamFG sieht eine Akteneinsicht für Dritte unter den oben genannten Bedingungen vor, obwohl Verhandlungen, Erörterungen und Anhörungen in Familiensachen sowie in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit originär nicht öffentlich sind, § 170 Abs. 1 Satz 1 GVG. Es wäre daher die Schaffung einer einheitlichen Regelung zur Offenbarung dieser Informationen wünschenswert. Lediglich bezüglich der Überlassung von anonymisierten Abschriften einer Gerichtsentscheidung wird kein berechtigtes Interesse gefordert92, da diese bereits öffentlich verkündet wurden.93 Dies hat zur Folge, dass Urteile grundsätzlich voraussetzungsfrei durch Dritte in anonymisierter Form angefordert werden dürfen.94 Diese Informationspflicht lässt sich unmittelbar aus der Verfassung ableiten.95 Allerdings kommt als faktische Hürde hinzu, dass der Antragstellende das Urteil, welches er einsehen möchte, genau bezeichnen können muss, d. h. er sollte grundsätzlich das Aktenzeichen kennen.96 Zudem kann die Übersendung entsprechender Entscheidungen, abhängig vom zuständigen Gericht, mehrere Monate dauern. Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bietet zwar bundesweit Einsicht in Informationen von Bundesbehörden, nach § 3 Abs. 1 lit. g IFG ist dieser Anspruch jedoch ausgeschlossen, wenn die Informationen eine nachteilige Auswirkung auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitsrechtlicher oder disziplinarischer Ermittlungen hätten. Diese sehr unscharfe Formulierung erlaubt die Zurückweisung fast jedes Auskunftsersuchens, welches im Zusammenhang mit einem laufenden Gerichtsverfahren besteht. Ist jedoch ein Verfahren rechtskräftig abgeschlossen, kann die Öffentlichkeit ihre oben genannten Funktionen nur noch eingeschränkt ausüben. Darüber hinaus bestehen insbesondere bei der Verweigerung eines Auskunftsanspruchs und der fehlenden Prüfungspflicht auf inhaltliche Richtigkeit der Auskunft in diesem Zusammenhang noch eine ganze Reihe an Unwägbarkeiten. Zudem wird das IFG durch § 299 Abs. 2 91  Vgl.

hierzu Kapitel 4 D. VI. hierzu ausführlich D. III. 3. b) aa). 93  BGH NJW 2017, 1819; Hirte, NJW 1988, 1698, 1700; EGMR NJW 2009, 2873 zeigt auf, dass es der Verlesung des Tenors sowie der Urteilsgründe bedarf, anderenfalls liegt keine öffentliche Verkündung der Entscheidung vor, so dass eine Verletzung des Grundsatzes auf ein faires Verfahren aus Art. 6 EMRK anzunehmen ist. 94  BGH NJW 2017, 1819; Hirte, NJW 1988, 1698, 1700; Putzke / Zenthöfer, NJW 2015, 1777, 1779 f. 95  BVerwG NJW 1997, 2694, 2695. 96  Putzke / Zenthöfer, NJW 2015, 1777, 1779 gehen von einer Obliegenheit der Gerichte aus, bei der Suche nach Entscheidungen zu helfen. 92  Vgl.



C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit165

ZPO und die entsprechenden weiteren Regeln in den Prozessordnungen verdrängt.97 Zudem unterstehen die Instanzgerichte den Ländern. Daher richten sich die Auskunftsansprüche in diesem Fall nach den Landesinformationsgesetzen, welche grundsätzlich die Rechtsprechung vom Anwendungsbereich der Auskunftsansprüche ausnehmen.98 Aus diesem Grund enthalten diese kein Akteneinsichtsrecht für Verfahrensexterne, sondern lediglich einen Anspruch auf Auskunft bezüglich Justizverwaltungsthemen.99 Über das Anwesenheitsrecht hinausgehend besteht für den Einzelnen damit nur nach vorheriger Antragstellung die Möglichkeit, Einsicht in anonymisierte Gerichtsentscheidungen zu erlangen. Weitere Inhalte des Gerichtsverfahrens, die nicht explizit in der mündlichen Verhandlung besprochen werden, sind für den Zuschauer hingegen nicht wahrnehmbar.100 Es wird zwar in der Literatur101 und der Rechtsprechung von einer Veröffentlichungspflicht wichtiger verfahrensabschließender Entscheidungen ausgegangen,102 allerdings hat sich dies in der Praxis auf der Ebene der Instanzgerichte bisher nicht vollständig durchsetzen können. Zudem werden in den seltensten Fällen Bürger ein entsprechendes Recht auf Einsicht in Gerichtsentscheidungen gerichtlich durchsetzen. Die meisten Veröffentlichungen erfolgen zudem über kostenpflichtige Rechtsprechungsdatenbanken.103 Lediglich die Bundesgerichte veröffentlichen inzwischen ihre Entscheidungen für jedermann zugänglich über ihre Webseiten.104 cc) Die Weiterverwertung von in der Verhandlung erlangten Informationen Über die Informationen, die ein Bürger im Laufe einer öffentlichen Verhandlung erhält, kann er frei verfügen. Grundsätzlich kann er auch die bei öffentlichen Verhandlungen erfolgten heimlichen Aufnahmen, ohne strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen, weiter verwerten.105 Nach § 201 Abs. 1 StGB wird nämlich nur bestraft, wer die Vertraulichkeit des 97  Huber,

in: Musielak / Voit (Hrsg.), ZPO, § 299 Rn. 3. hierzu Kapitel 1 A. III. 2. Vgl. Stollmann, VR 2002, 309, 312 f. 99  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 23. 100  Durch das staatsanwaltliche Verlesen des Anklagesatzes wird der Zuschauer zumindest im Strafprozess in das Verfahren eingeführt, § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO. 101  Hirte, NJW 1988, 1698, 1702; Putzke / Zenthöfer, NJW 2015, 1777, 1777. 102  BVerwG NJW 1997, 2694, 2694 f. m. w. N. 103  U. a. www.juris.de und www.beck-online.de. 104  Vgl. Kapitel 1 A. II.; Bernhardt, NJW 2015, 2775, 2779 f. 105  Vgl. zu der Problematik auch Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Verbotene Bild- und Tonaufnahmen in Gerichtsverhandlungen, BRDrs. 254 / 17, S. 4 ff. 98  Vgl.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

Wortes verletzt, d. h. unbefugt, das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder die so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. Innerhalb einer öffentlichen Verhandlung erfolgt jedoch kein nichtöffentlicher Wortwechsel.106 § 201a Abs. 1 StGB stellt zudem nur die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen unter Strafe. In den meisten Verhandlungen besteht allerdings kein Bezug zum höchstpersönlichen Lebens­ bereich der Betroffenen oder der Hilflosigkeit einer anderen Person. Es gibt jedoch auch Verhandlungen, die den höchstpersönlichen Lebensbereich von Verfahrensbeteiligten und Zeugen betreffen. In dieser Konstellation käme eine Anwendbarkeit von § 201a Abs. 1 StGB in Betracht, beispielsweise wenn berechtigt angefertigte Fotos eines Opfers, die in dessen höchstpersönlichen Lebensbereich eingreifen, einen wichtigen Bestandteil der Verhandlung darstellen und diese durch einen Verfahrensexternen unbefugt abfotografiert werden. Auch Umstände, die in einer öffentlichen Verhandlung behandelt werden, können weiterhin in den höchstpersönlichen Lebensbereich des Einzelnen eingreifen. Insbesondere bei Offizialdelikten kann sich das Opfer der zumeist öffentlichen Strafverhandlung und der Darstellung berechtigt angefertigter Bilder nicht entziehen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG wird in diesen Konstellationen auch nicht durch das Öffentlichkeitsprinzip suspendiert, welches sich aus dem Demokratie- oder Rechtsstaatsprinzip herleitet. Allerdings muss auch in diesen Konstellationen § 201a Abs. 4 StGB beachtet werden, wonach die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgten Aufnahmen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen, nicht als strafbar anzusehen sind. Abhängig von der Intention des aufnehmenden Zuschauers kann daher nach erfolgter Abwägung der einander entgegenstehenden grundrechtlich geschützten Interessen das Verhalten auch als nicht strafbar gewertet werden. Die Intention der meisten Zuschauer wird jedoch nicht unter diese Ausnahmeregelung zu subsumieren sein. Schwieriger gestaltet sich allerdings der Umgang mit § 201a Abs. 2 StGB. Dieser verbietet, dass unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich gemacht wird.107 Darüber hinaus ist § 353d 106  Graf, in: Joecks / Miebach (Hrsg.), MüKo StGB, Band 4, § 201, Rn. 16; Lenckner / Eisele, in: Schönke / Schröder (Hrsg.), StGB, § 201 Rn. 10; Altenhain, Gutachten C zum 71. Deutschen Juristentag 2016, C 103. 107  Vgl. zum Schutzgegenstand der Norm Kühl, in: Lackner / Kühl (Hrsg.), StGB, § 201a, Rn. 2.



C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit167

StGB bei der Veröffentlichung von Informationen aus nicht öffentlichen Gerichtsverhandlungen einschlägig. § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG besagt zudem nur, dass Ton- und FernsehRundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts unzulässig sind.108 Eine Rechtsfolge ist hiermit jedoch nicht verknüpft. Allerdings können ordnungsrechtliche Maßnahmen gegen den die Verhandlung aufnehmenden Zuschauer durch den Vorsitzenden ergriffen werden, § 178 Abs. 2 GVG. § 178 Abs. 1 GVG gestattet nämlich die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zu eintausend Euro oder Ordnungshaft bis zu einer Woche und die sofortige Vollstreckung u. a. gegen bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen.109 Hierzu gehört jegliches Fehlverhalten des Betroffenen, welches geeignet ist, eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung im Rahmen des Fortgangs der Verhandlung durch das betreffende Gericht darzustellen.110 Die Aufnahme der öffentlichen Verhandlung zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts ist aufgrund des Verbots aus § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG als „Ungebührlichkeit“ zu werten, da die Autorität der Rechtsordnung untergraben wird. Handelt der Zuschauer jedoch nur aus der Intention heraus, sich eine Privatkopie anzufertigen, um sich die Verhandlung noch einmal zu Hause anzuschauen, wäre § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG grundsätzlich nicht einschlägig, so dass kein Verstoß gegen die Rechtsordnung vorliegt.111 In dieser Konstellation besteht die Frage, inwieweit hierbei von einer „Ungebühr“ auszugehen ist.112 Die Würde des Gerichtes wird durch ein entsprechendes Verhalten wohl nicht untergraben. Insbesondere wenn die weiteren Verfahrensbeteiligten sich an diesem Verhalten nicht stören, ist weder der Verhandlungsablauf noch das Ansehen der Rechtsprechung113 gefährdet. Da die Nutzung eines Smartphones zum Aufzeichnen oder Abfotografieren von 108  Kaulbach, JR 2011, 51, 53 f. stuft § 169 (Abs. 1) Satz 2 GVG als verfassungswidrig ein. 109  Zu ungebührlichem Verhalten vor Gericht, vgl. OLG Nürnberg JZ 1968, 150, 151. 110  Kaehne, Die Anfechtung sitzungspolizeilicher Maßnahmen, S. 18. 111  Velten, in: SK-StPO, § 169 GVG Rn. 12; Kissel / Mayer, GVG, § 169 Rn. 73 ff., 80. A. A. Große Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes, Gutachten zum Thema: Ist das 1964 geschaffene Verbot von Bild- und Tonübertragungen aus Gerichtsverhandlungen noch zeitgemäß?, 2013, S. 108 im Hinblick auf heimliche Tonund Filmaufnahmen. 112  So Schmitt, in: Meyer-Goßner / Schmitt (Hrsg.), StPO § 178 Rn. 1 f., wenn vorher ein entsprechendes Verbot ausgesprochen wurde und hierdurch die Sitzungsordnung gestört wird. Ablehnend Kissel / Mayer, GVG, § 178, Rn. 11; Kissel / Mayer, GVG, § 169 Rn. 73 ff., 80. 113  Kaehne, Die Anfechtung sitzungspolizeilicher Maßnahmen, S. 18.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

Gegebenheiten zum alltäglichen Leben eines Großteils der Bevölkerung dazugehört, kann dies daher wohl nicht mehr als Ungebühr angesehen werden.114 Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob neben der Festsetzung des Ordnungsgeldes der Vorsitzende nach § 176 GVG zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung oder auch nach § 180 GVG weitere Maßnahmen, wie die Wegnahme des Aufzeichnungsgerätes oder das Löschen der Aufnahme, anordnen kann. Die in § 176 GVG geregelte Sitzungsgewalt soll es dem Vorsitzenden ermöglichen, die Ordnung in der Sitzung aufrechtzuerhalten. Der Vorsitzende besitzt ein Auswahlermessen hinsichtlich der zu treffenden Maßnahme; hierzu gehören u. a. Ermahnungen, Anordnung hinsichtlich der Sitzordnung, Durchsuchungen oder Eingangskontrollen.115 Sollte der richterlichen Anordnung nicht Folge geleistet werden, kann das Gericht nach § 177 Abs. 1 Satz 1 GVG die Entfernung des Verfahrensexternen aus dem Sitzungssaal nach vorheriger Anhörung116 anordnen sowie diesen zur Ordnungshaft abführen und während einer zu bestimmenden Zeit, die vierundzwanzig Stunden nicht übersteigen darf, festhalten lassen. Vollstreckung nach § 179 GVG erfolgt unmittelbar durch den Vorsitzenden. § 164 StPO findet aufgrund seiner eindeutigen Zuordnung zum Ermittlungsverfahren im Rahmen einer Hauptverhandlung keine Anwendung.117 Bei der Veröffentlichung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kann darüber hinaus § 17 Abs. 2 UWG einschlägig sein. Gleichsam muss geltendes Datenschutzrecht beachtet werden, da hieraus Sanktionen drohen können.118

114  Etwas Anderes könnte sich nur ergeben, wenn die Hausordnung des Gerichts Aufnahmen verbietet. A. A. wohl Coelln, AfP 2014, 193, 198, der Aufnahmeverbote in Verhandlungen nur kraft sitzungspolizeilicher Anordnungen und nicht im Wege des Hausrechts anerkennt. Vgl. hierzu auch Schmitt, in: Meyer-Goßner / Schmitt (Hrsg.), StPO § 178 Rn. 2; a. A. Kissel / Mayer, GVG, § 169, Rn. 73, 80, der grundsätzlich die Zustimmung der Beteiligten für Aufnahmen aus dem Gerichtssaal durch Dritte vo­ raussetzt. 115  Kaehne, Die Anfechtung sitzungspolizeilicher Maßnahmen, S.  15; selbst Durchsuchungen von Strafverteidigern können angeordnet werden, BVerfGE 48, 118, 118 f. 116  Kaehne, Die Anfechtung sitzungspolizeilicher Maßnahmen, S. 18. 117  Kaehne, Die Anfechtung sitzungspolizeilicher Maßnahmen, S. 21. 118  Zum Umgang mit Aufnahmegeräten in der Verhandlung Maul, MDR 1970, 286, 288 f.; Altenhain, Gutachten C zum 71. Deutschen Juristentag 2016, C 102 f.; BR-Drs. 254 / 17, S. 7 ff.; Walther, in: Graf (Hrsg.), BeckOK StPO, § 176 GVG Rn. 16.



C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit169

b) Faktische Grenzen der Saalöffentlichkeit Schon aufgrund der beschränkten öffentlich zugänglichen Informationen wird deutlich: Insbesondere das zivilgerichtliche Verfahren ist nicht darauf ausgelegt, dass Zuschauer diesem vollständig folgen können.119 Dieser Umstand wird dadurch verstärkt, dass solche Verfahren häufig inhaltlich von hoher Komplexität geprägt sind, so dass ein Verfahrensexterner diese kaum verstehen wird. Im Rahmen von Strafverfahren kann ein Zuschauer aufgrund der Anklageverlesung zumindest ein Verständnis für den Fall entwickeln, während in Zivilverfahren primär auf nichtöffentliche Schriftsätze der Parteien, Hinweise des Gerichts oder Gutachten verwiesen wird. Die heutige Öffentlichkeitsgewähr besitzt jedoch nicht nur eine eingeschränkte Form der Informationskundgabe;120 sie verfügt auch über eine Reihe von weiteren faktischen Hürden, weshalb ein Gros der Bevölkerung von der Öffentlichkeit ausgeschlossen ist, da die Saalöffentlichkeit die physische Anwesenheit zum Verhandlungszeitpunkt am Verhandlungsort fordert. Auch die politisch angestrebten Voll(zeit)beschäftigung der Bevölkerung läuft dem genannten Kontrolleffekt der Öffentlichkeit zuwider.121 Die durch die Gewährleistung von Gerichtsöffentlichkeit intendierte Kontrolle findet damit nur noch stichprobenartig in ausgewählten Fällen statt, wenn über bestimmte Gerichtsverfahren zuvor medial berichtet wurde. Ein weiteres Hindernis für die Wahrnehmung von Gerichtsöffentlichkeit besteht heutzutage in der Bekanntgabeform anstehender Verhandlungen, da Sitzungspläne zumeist nur sehr kurzfristig örtlich im Gerichtsgebäude vor den Gerichtssälen tagesaktuell ausgehängt werden.122 Hierüber erfahren interessierte Bürger zudem nur das Aktenzeichen und die Namen der Verfahrensbeteiligten. Den Streitgegenstand sucht man meist vergeblich bzw. ist dieser so kurz gefasst, dass man sich hierunter wenig vorstellen kann, so dass teilweise der Zufall entscheidet, in welcher Sitzung sie sich wiederfinden. Dabei hat bereits das Bundesverwaltungsgericht 1999 entschieden, dass sich jedermann ohne besondere Schwierigkeiten über den Ort und die Zeit einer Ver119  Vorwort des Herausgebers, Stiftung der hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014. 120  Kritisch zur Informationspolitik der Justiz Limbach, NJ 1995, 281, 281. 121  Vgl. Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 18. 122  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 107 f., 113; vorbildlich hingegen VG Minden, http: /  / www.vg-minden.nrw.de / behoerde / sitzungstermine /  index.php?startDate=1494194400&itemsPerPage=0#sitzungsTermineDates. In der Schweiz kann man (zumindest bei den Bundesgerichten) sich mittels Newsletter über Verhandlungstermine gezielt informieren lassen, vgl. Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 750.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

handlung informieren können muss,123 so dass eine geeignete Form der Veröffentlichung gefordert wird.124 Dennoch wird heutzutage die in der Praxis vorherrschende Art und Weise der Information als angemessen angesehen.125 Ein Bürger, der noch nicht weiß, wann überhaupt welche Verhandlungen an einem Tag stattfinden, muss zudem inzwischen deutschlandweit Sicherheitskontrollen im Eingangsbereich des Gerichtes126 über sich ergehen lassen und hierfür teilweise einige Zeit warten. Auch dieser Umstand schafft faktisch ein Zutrittshemmnis zur Saalöffentlichkeit, auch wenn dies rechtlich grundsätzlich gerechtfertigt ist.127 Ein Hindernis für manche Personengruppen stellt zudem der Umstand dar, dass die Platzvergabe bei Gerichtsverhandlungen nach dem Prioritätsprinzip erfolgt.128 Letzteres bewirkt, dass eine Platzvergabe ohne Beachtung dessen stattfindet, ob die Öffentlichkeit repräsentativ ist.129 Die öffentlich stattfindenden Verkündungstermine bei Gericht werden wie mündliche Verhandlungen zumeist auch nur in unzureichender Weise öffentlich bekannt gegeben. Zudem erfolgt eine Bekanntgabe des Termins im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Allerdings kann es durchaus vorkommen, dass dieser Termin anschließend verlegt wird. Diese Information wird lediglich den Verfahrensbeteiligten schriftlich mitgeteilt. Mithin kann ein Zuschauer, der sich einen Verkündungstermin notiert hat und diesen wahrnehmen möchte, vor verschlossenen Türen stehen. Ferner finden die Verkündungstermine zum Großteil nicht in Sitzungssälen, sondern im Richterzimmer statt, da keine Zuschauer hierfür erwartet werden. In vereinfachten (Zivil-)Verfahren (bei einem Streitwert bis 600 Euro) obliegt es zudem dem 123  BVerwG DVBl. 1999, 95; so nachfolgend auch BVerfG NJW 2002, 814, 814; BGH DRiZ 1981, 193, 193 f.; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 55 Rn. 2; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 106 f. m. w. N. Wickern, in: Erb u. a. (Hrsg.), Löwe-Rosenberg, StPO, Band 10, § 169 GVG, Rn. 19. 124  Bernhardt, NJW 2015, 2775, 2779 f. 125  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 108 m. w. N. 126  Diese wurden deutschlandweit eingeführt, nachdem es zu Übergriffen auf Justizangehörige gekommen war und ein bayerischer Staatsanwalt im Gerichtssaal erschossen worden war, http: /  / www.spiegel.de / panorama / justiz / bayern-angeklagtererschiesst-staatsanwalt-im-gerichtssaal-a-808591.html. 127  BVerfG NJW 2012, 1863, 1865; EMRK, Urt. v. 14.11.2000  – 35115 / 97, Rn. 28  – Riepan v. Austria; EGMR, Urt. v. 29. 11. 2007  – nos. 9852 / 03, 13413 / 04, Rn. 143 – Hummatov / Aserbaidschan. 128  In der Vergangenheit soll es (in England) einen Fall gegeben haben, bei dem die für die Öffentlichkeit reservierten Plätze durch Beamte insoweit besetzt wurden, dass ausgesuchte Mitglieder der Öffentlichkeit vorrangig Zutritt zu der Verhandlung erhielten, Seibert, NJW 1970, 1535, 1535. 129  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 118, 120; vgl. Schreiber, in: Wieczorek / Schütze (Hrsg.), ZPO und Nebengesetze, § 169 GVG Rn. 24.



C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit171

Richter nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden, ob eine bloße Zustellung gegenüber den Verfahrensbeteiligten an Verkündung statt erfolgt, vgl. § 495a Satz 1 ZPO.130 Eine weitere Grenze der Saalöffentlichkeit ergibt sich zudem aus den räumlichen Gegebenheiten. Sind die Kapazitäten ausgeschöpft, besteht für alle weiteren Dritten kein Zutrittsrecht mehr. Diese Art der Öffentlichkeitsgewähr ist demnach endlich.131 Es gibt keine Mindestgrößte für Gerichtssäle; daher divergieren diese teilweise stark. Die Rechtsprechung hat allerdings festgelegt, dass ein einzelner für einen Zuschauer reservierter Sitzplatz zumindest nicht für die Annahme einer öffentlichen Verhandlung ausreichen würde.132 Dies zeigt bereits, wie gering selbst das abstrakt bestehende Öffentlichkeitsbedürfnis in der Praxis angesehen wird. In der Vergangenheit genutzte Stehplätze, die ein Zuhören bei Gerichtsverhandlungen deutlich unbequemer für den Bürger machten, wodurch faktisch auch eine Diskriminierung bestimmter Personengruppen einherging, wurde allerdings bereits in den 80er Jahren durch die Rechtsprechung kritisch gesehen, da hierdurch Verhandlungsstörungen verursacht wurden.133 Der Vorsitzende hat darüber hinaus noch das Recht, die Anzahl der Personen, die in einen Sitzungssaal passen, nach seinem Ermessen festzusetzen.134 Hierbei hat er sich grundsätzlich aufgrund von Sicherheitsbedenken nach den vorhandenen Sitzplätzen zu richten.135 Dennoch wird vertreten, dass der Richter das Fassungsvermögen eigenmächtig auch verfahrens-136 und publikumsabhängig festlegen dürfe und damit auch bei vorhandenen Kapazitäten den Zutritt zu der von ihm 130  Wittschier, in: Musielak / Voit (Hrsg.), ZPO, § 495a Rn. 6; Fischer, MDR 1994, 978, 979. Zum Öffentlichkeitsbedürfnis von Gerichtsverfahren ohne mündliche Verhandlung vgl. D. IV. 131  Eine diesbezügliche Aufweichung besteht lediglich insoweit, dass § 169 Abs. 1 Satz 3 GVG nunmehr eine Tonübertragung in einen Arbeitsraum für Pressevertreter gestattet. Dennoch gilt es auch hierbei, Kapazitätsgrenzen zu beachten. 132  BayObLG NJW 1982, 395, 395 f.; OLG Köln NStZ 1984, 282, 282 f.; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 101 f.; 133  BayObLG NJW 1982, 395, 396. 134  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 116; Schmidt, Lehrkommentar zur StPO und zum GVG Teil III, § 169 Abs. 1 GVG, Rn. 8; allerdings hat er dabei eine gewisse Mindestgröße zu beachten, vgl. hierzu BayObLG NJW 1982, 395, 395 f. Zudem ist eine willkürliche Verlegung einer Verhandlung in einen kleineren Sitzungssaal durch das Gericht unzulässig, Kissel / Mayer, GVG, § 169 Rn. 28. 135  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 116; Kissel / Mayer, GVG, § 169 Rn. 25; BGHSt 27, 13, 14. 136  Vgl. hierzu das aktuelle Gerichtsverfahren zum Loveparade-Unglück 2010 in Duisburg http: /  / www.lg-duisburg.nrw.de / behoerde / loveparade / ; https: /  / www.lto. de / recht / nachrichten / n / lg-duisburg-loveparade-prozess-gerichtssaal-messegelaendeduesseldorf / ; https: /  / www.merkur.de / welt / loveparade-katastrophe-prozess-mit-600sitzplaetzen-zr-8839119.html.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

geleiteten Verhandlung verwehren darf, wenn er eine ordnungsgemäße Verhandlungsführung anderenfalls als gefährdet ansieht.137 Eine irreguläre Beschränkung durch Verlegung einer bestimmten Sitzung in einen kleineren Sitzungssaal zur Zuschauerbegrenzung soll jedoch nicht zulässig sein.138 Darüber hinaus stehen bei öffentlichen Augenscheinsterminen teilweise viel weniger Kapazitäten für Zuschauer zur Verfügung, wobei das Öffentlichkeitsprinzip je nach Örtlichkeit auch mit dem Hausrecht von Privaten kollidieren kann.139 Eine weitere Beschränkung besteht darin, dass sich unbeteiligte Anwesende nur im hinteren Bereich des Sitzungssaales aufhalten dürfen. Eine darüber hinausgehende Beteiligung am Verfahren, z. B. indem man sie Einsicht in Dokumente nehmen lässt oder am Richtertisch mit den Anwälten und Richtern zusammen Beweismittel betrachten lässt, besteht nicht.140 Zudem wird auch nicht sichergestellt, dass Zuschauer akustisch immer der Verhandlung folgen können. Da die Zuschauer sich meist im Rücken aussagender Zeugen befinden, keine Mikrofone oder Lautsprecher vorhanden sind und Richter nur darauf achten, dass die Verfahrensbeteiligten die Aussage richtig wahrnehmen können, ist das Miterleben des Verfahrens durch den Zuschauer häufig sehr eingeschränkt.141 Gleichzeitig ist diese Form der Öffentlichkeit auch nur teilweise barrierefrei. Zwar sind die Gerichte heutzutage für grundsätzlich jedermann zugänglich; allerdings ist das Verfolgen einer gerichtlichen Verhandlung als Zuschauer / -hörer insbesondere für hör- und sehbehinderte Menschen schwerlich bis überhaupt nicht möglich.142 Die Saalöffentlichkeit besitzt mithin Grenzen, die sich auf die personelle, örtliche, temporäre sowie inhaltliche Dimension der Öffentlichkeit auswirken. Diese faktischen aber teilweise, auch systemischen Grenzen der heutigen Form von (Saal-)Öffentlichkeit zeigen bereits gewichtige Gründe auf, die für die Leere in deutschen Gerichtssälen verantwortlich sind. Des Weiteren besteht eine immer größere innere Barriere der Bequemlichkeit der Bürger, die es zunehmend durch die Informationstechnologie gewohnt sind, Inhalte von 137  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 116; a. A. Roxin, in: Baumann / Tiedemann (Hrsg.), FS Peters, S. 398. 138  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 105. 139  Schmidt, JuS 1995, 110, 110 ff.; BGH NJW 1994, 2773, 2773 f. 140  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 121. 141  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 121; Schreiber, in: Wieczorek / Schütze (Hrsg.), ZPO und Nebengesetze, § 169 GVG, Rn. 14. 142  https: /  / www.bmjv.de / SharedDocs / Gesetzgebungsverfahren / Dokumente / RefE _Erweiterung_Medienoeffentlichkeit_Gerichtsverfahren.pdf?__blob=publicationFile& v=2.



C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit173

ihrem aktuellen Standort aus abrufen zu können, anstatt sich aktiv zu den Informationsquellen hin zu begeben. c) Bewertung der Funktionserfüllung von Öffentlichkeit Aufgrund der oben aufgeführten faktischen Grenzen der Saalöffentlichkeit ist eine Kontrolle gerichtlicher Verfahren auf diesem Wege in nur eingeschränktem Maße möglich. Zudem fehlt der Judikative bei einem systematischen Ausbleiben der Zuschauer die erforderliche Rückkopplung zur Bevölkerung, welche im Rahmen der demokratischen Legitimierung staatlichen Handelns gefordert wird.143 Da die Justiz teilweise auch Aufgaben übernimmt, die originär der Legislative zugewiesen sind, bedarf es hierbei einer äquivalenten Öffentlichkeitsgewähr. Dies ist durch die Saalöffentlichkeit aufgrund bestehender faktischer Grenzen nicht gewahrt. Mithin wird die Absicherung demokratischer Legitimation vorliegend durch die Saalöffentlichkeit als Funktion nicht hinreichend berücksichtigt. Die Öffentlichkeitsgewähr soll zudem das Vertrauen in die Justiz stärken. Diese Funktion kann unter den jetzigen Verhältnissen in der Praxis nur sehr begrenzt erfüllt werden. Das strafrechtliche Verfahren hat darüber hinaus eine generelle Präventions- und Abschreckungswirkung. Sofern jedoch kaum jemand den Prozess vor Ort verfolgt, kann zumindest durch die Saalöffentlichkeit auch fast niemand abgeschreckt werden. Auch für die „Verbesserung“ des Rechts bzw. die Aufmerksammachung auf Gesetzeslücken ist die geringe Reichweite der Saalöffentlichkeit hinderlich. Hierbei ist besonders problematisch, dass die meisten Gerichtsverfahren mit Ausnahme von Strafverfahren derart intransparent sind, dass selbst für einen Juristen anhand der mündlichen Verhandlung ein Verfahren zumeist nicht nachvollzogen werden kann.144 Daher wird die derzeitige Form der Gerichtsöffentlichkeit sogar als untaugliches Kommunikationsmittel zwischen den Gerichten und der Bevölkerung angesehen.145 Zu bemängeln ist darüber hinaus, dass die Saalöffentlichkeit die verfassungsrechtlich gebotene Barrierefreiheit vermissen lässt, so dass bereits ein Teil der Bevölkerung systematisch von der Wahrnehmung der Funktionen ausgeschlossen ist. Daher wird auf diesem Wege keine informationelle Gleichberechtigung hergestellt.

143  Vgl. 144  So

Kapitel 1 B. I. 3. auch Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter,

S. 747. 145  Rohde, Die Öffentlichkeit im Strafprozess, S. 153 f.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

In der Konsequenz wird damit die Saalöffentlichkeit in der heutigen Form den Funktionen von Öffentlichkeit grundsätzlich nicht mehr gerecht.146 Sie besitzt eine begründete Daseinsberechtigung, da nur auf diesem Wege eine unmittelbare Anwesenheit von Dritten im Gerichtssaal ermöglicht ist. Gleichzeitig wird diese Form der Öffentlichkeit jedoch immer seltener von unparteiischen Zuschauern, d. h. solchen die in keinem Verhältnis zu den Verfahrensparteien stehen, in Anspruch genommen, so dass ihr Bestehen faktisch vielfach nur noch reine Makulatur ist. Die rechtliche Wirklichkeit läuft damit der Auffassung früherer Rechtsgelehrter diametral entgegen, wonach Gerichtsverfahren nicht nur als Sache der Verfahrensbeteiligten, sondern als Gemeingut angesehen wurden.147 Die These, dass die Öffentlichkeit im gerichtlichen Verfahren in ihrer derzeitigen Form ihren Funktionen nicht mehr gerecht wird,148 stützt auch Luhmann, für den die Öffentlichkeit im staatlichen Kontext in ihrer derzeitigen Gestalt primär symbolische Wirkung besitzt.149 Der öffentliche Anschein ist nach seiner Auffassung wichtiger als das Tatsächliche.150 Darauf aufbauend ist die Öffentlichkeit zu einer Art Schauspiel „verkommen“.151 2. Mittelbare (Medien-)Öffentlichkeit Neben der Saalöffentlichkeit gibt es die Medienöffentlichkeit. Unter Medienöffentlichkeit wird die durch Massenmedien hergestellte Form der Öffentlichkeit verstanden. Diese Form der Gerichtsöffentlichkeit ergibt sich nicht direkt aus dem Wortlaut von § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG; es ist aber allgemein anerkannt, dass Medienvertreter über einen Gerichtsprozess berichten dürfen.152 Die Medienöffentlichkeit bietet jedem Bürger die Chance, sich über Gerichtsprozesse zu informieren, an denen er selbst nicht teilnehmen 146  So im Ergebnis wohl auch Velten, in: SK-StPO, Band IX, § 169 GVG Rn. 17, der eine Zuschaueranwesenheit in gewisser quantitativer Stärke und Differenziertheit zur Funktionserfüllung durch Öffentlichkeit fordert. 147  Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1, S. 160, 167 f.; Savigny, Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, S. 31; vgl. umfassend Fögen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, S. 33 ff. Die Gemeinnützigkeit der Rechtspflege allgemein, sowie die „Fremdnützigkeit“ der richterlichen Unabhängigkeit ist hingegen weiterhin anerkannt, vgl. Wittreck, Die Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 193; Limbach, NJ 1995, 281, 282; Heckmann / Lederer, jurisPR-ITR 6 / 2011 Anm. 5. 148  Siehe Kapitel 2 C. II. 1. c) und 2. d). 149  Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 124. 150  Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 124. 151  Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 114, 124. 152  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 163 f.



C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit175

konnte; damit dient die Medienöffentlichkeit ebenfalls dem Bürger. Medienvertretern wird wie jedem anderen Vertreter der Öffentlichkeit bereits über die Saalöffentlichkeit Zutritt und Anwesenheit in einer Verhandlung gewährt.153 Kernelement der Medienöffentlichkeit ist es damit, die Benachteiligung bei der Gestattung des Zutritts eines „Medienvertreters“ zu einer öffentlichen Gerichtsverhandlung zu verhindern sowie schwerpunktmäßig dessen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte mediale Aufbereitung und Berichterstattung rund um den Prozess zu gestatten.154 Der Begriff der mittelbaren Öffentlichkeit wird häufig für die Medienöffentlichkeit verwendet. Auch im Rahmen dieser Arbeit wird der Begriff der Mittelbarkeit – im Bewusstsein, dass es auch andere Definitionsansätze hierzu gibt – im Hinsicht auf beteiligte Dritte als Multiplikatoren verstanden, während Unmittelbarkeit eine durch die Justiz direkt vermittelte Öffentlichkeit darstellt.155 Die Saalöffentlichkeit ist eine durch die Justiz selbst getragene Öffentlichkeit, wohingegen die Medienöffentlichkeit vor allem durch die Massenmedien wie Presse und Rundfunk geprägt ist.156 Die Medienberichterstattung steht zwischen Justiz und Bevölkerung und erzeugt eine Filterwirkung im Hinblick auf die redaktionell ausgewählten Inhalte aus Gerichtsverfahren. Dies gilt besonders dort, wo die reine Darstellung von Fakten auf der einen Seite und Bewertungen oder Kommentare auf der anderen Seite nicht scharf getrennt werden. Die von Medienvertretern geteilten Inhalte und teilweise auch Meinungen werden von vielen Personen rezipiert und damit können Medien Haltungen der Bevölkerung beeinflussen.157 Durch die von Medien hergestellte Öffentlichkeit soll der Teil der Bevölkerung, der nicht an dem Verfahren teilnehmen konnte, erreicht werden. Dennoch gibt es mit Ausnahme des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG keine gesetzlichen Vorgaben für die Berichterstattung aus dem Gericht.158 Dies wird vor

153  Coelln,

Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 225. Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 227 ff. 155  Vgl. Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, S. 32 mit Verweis auf den Ursprung der Unterscheidung von mittelbarer und unmittelbarer Öffentlichkeit bei Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1, S. 25 f. Auch Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, S. 24 f. bezeichnet die durch die Presse geschaffene Öffentlichkeit als mittelbar, da insbesondere Presseberichterstattung keine direkte Liveübertragung darstellt. 156  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 16 f. 157  BVerfGE 119, 181, 215. 158  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 230. Lediglich ein selbstauferlegter Pressekodex gibt Medien Richtlinien vor, Odersky, in: Freiherr von Gramm u. a. (Hrsg.), FS Pfeiffer, S. 332 f. 154  Coelln,

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

dem Hintergrund zunehmender Bloggeraktivitäten auch kritisch gewertet, da hierdurch ein falsches Bild der Justiz vermittelt werden kann. Die Medienöffentlichkeit hat im Laufe der letzten Jahrzehnte immer stärker an Gewicht gewonnen.159 Dies basiert auf der Omnipräsenz der Massenmedien (Presse, Rundfunk, Film). Die grundrechtlich gewährleistete Rundfunk- sowie Informationsfreiheit erlaubt es Journalisten, vor und nach der Verhandlung sowie in den Sitzungspausen ihrer Arbeit nachzugehen und Ton- sowie Bildaufnahmen anzufertigen.160 Demgegenüber ist es dem einzelnen Bürger aufgrund der Vielzahl von Gerichtsprozessen und anderweitiger Ereignisse nicht möglich, sich alle für ihn relevanten Informationen selbständig zusammenzustellen, zumal er sich zumeist nur sehr kurzfristig über anstehende Gerichtsverfahren informieren kann.161 Diese Arbeit wird daher an Vertreter der Massenmedien abgegeben.162 Aufgrund der geringen Reichweite der Saalöffentlichkeit wird diese daher sogar zunehmend durch die Medienöffentlichkeit verdrängt.163 a) Die Medien als Komponente der Gerichtsöffentlichkeit Fraglich ist, wie der sehr weite Begriff der Medien als Bezugspunkt der Medienöffentlichkeit zu verstehen ist. Sprachlich betrachtet ist ein Medium ein Vermittler.164 Der linguistische Medienbegriff ist hierbei als entwicklungsoffen anzusehen, so dass neben den ausdrücklich erwähnten klassischen Medienfreiheiten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch neue Medien wie das Internet begrifflich hierunter zu subsumieren sind.165 Dabei ist auch die Konvergenz der Medien zu beachten. Für die Medienöffentlichkeit spielen derzeit primär die Presse und der Rundfunk eine Rolle.166 Insbesondere der Rundfunk besitzt aufgrund der Intensität der eingesetzten Bewegtbilder und seiner 159  So bereits Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, S. 24. Dieser Wandel ist nicht nur in Deutschland erfolgt. Auch in anderen Jurisdiktionen wie in England und Wales hat die „Medienöffentlichkeit“ die „Saalöffentlichkeit“ weitestgehend abgelöst, Morgan, Mass-mediated ‚open justice‘: Court and judicial reports in the Press in England and Wales, Legal Studies Vol. 34 No 1, S. 143, 144. 160  Kreicker, ZIS-Online, 2016, 85, 87. 161  BVerfGE 103, 44, 74. 162  Vgl. Arndt, NJW 1960, 423, 424. 163  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 163. 164  https: /  / www.duden.de / rechtschreibung / Medium_Vermittler_Traeger. 165  Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 42 Rn. 10. 166  Zur Bedeutung der Medien für die Meinungsbildung siehe Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 42, Rn. 36 ff.



C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit177

Aktualität eine hohe Suggestivkraft.167 Hierdurch wird eine weitreichende Breitenwirkung erzielt.168 Rein faktisch ist das Internet, welches ein neues Medium unserer Zeit ist, derzeit von dieser Form der Gerichtsöffentlichkeit ausgeschlossen, es sei denn die klassische Medientrias bedient sich des Internets als Hilfsmittel zur Verbreitung ihrer Angebote. Aus diesem Grund sollte der Begriff der Medienöffentlichkeit überdacht werden. Streng genommen stellt die derzeit bestehende Medienöffentlichkeit nämlich primär eine Presse-, Rundfunk- und Filmöffentlichkeit dar.169 Alternativ bietet sich auch der Begriff der klassischen Medienöffentlichkeit an, da diese derzeit nur für die ausdrücklich in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG genannte klassische Medientrias Anwendung findet. b) Für Medienvertreter zugängliche Verfahrensinformationen Wie jeder Bürger im Rahmen der Saalöffentlichkeit auch erhalten Medienvertreter zunächst einmal Einblick in das Gerichtsverfahren vgl. § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG. Hierbei besteht jedoch die Besonderheit, dass die Zugangsrechte zu der Verhandlung für Medienvertreter insoweit zu gewährleisten sind, dass ein „faires“ Verteilungsverfahren besteht und die Sitzplätze nicht nur – wie dies bei „Normalbürgern“ der Fall ist – nach dem „Windhundprinzip“ vergeben werden.170 Darüber hinaus wurde nach dem EMöGG171 § 169 Abs. 1 GVG dahingehend erweitert, dass neben der Anwesenheit im Sitzungssaal eine Tonübertragung der Verhandlung in einen Nebenraum des Gerichtssaals für Personen, die für Presse, Rundfunk, Fernsehen oder für andere Medien berichten, zugelassen werden kann. Abweichend von Absatz 1 Satz 2 können zudem zukünftig nach § 169 Abs. 3 GVG Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zweck der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts bei der Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs durch Anordnung des Vorsitzenden zugelassen werden. Das derzeit ausnahmslos bestehende Aufnahme- und Veröffentlichungsverbot vor Gericht ist zudem nach § 169 Abs. 2 GVG insoweit geändert worden, dass Ton- und Filmaufnahmen der Verhandlung vor dem erkennenden Ge167  BVerfGE

119, 181, 214 f. m. w. N. 119, 181, 214 f. m. w. N. 169  Im Kaiserreich wurde die Medienöffentlichkeit noch Zeitungsöffentlichkeit genannt, da diese Form der Öffentlichkeit primär über die Printmedien ermöglicht wurde; BVerfGE 103, 44, 74. 170  BVerfG NJW 2013, 1293, 1294 f. 171  BGBl. I 2017, 3546. 168  BVerfGE

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

richt einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken zugelassen werden können, wenn es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung handelt. Dieses Aufnahmerecht gilt jedoch nicht für Medienvertreter, sondern findet lediglich für das Gericht Anwendung. So besagt nämlich § 169 Abs. 2 GVG auch, dass die Aufnahmen nicht zur Akte zu nehmen sind. Sie sind vom Gericht demjenigen zuständigen Bundes- oder Landesarchiv zur Übernahme anzubieten, das nach dem Bundesarchivgesetz oder einem Landesarchivgesetz festzustellen hat, ob den Aufnahmen ein bleibender Wert zukommt. Nimmt das Bundesarchiv oder das jeweilige Landesarchiv die Aufnahmen nicht an, sind die Aufnahmen vom Gericht zu löschen. Daher leitet die letzgenannte Gesetzesänderung zunächst keine neuen Rechte für die Medienlandschaft her. Mittelbar profitieren die Medienvertreter jedoch bei späteren Auswertungen von diesen Aufnahmen. Neben dem leicht modifizierten Zutrittsrecht zur Gerichtsverhandlung ist die herausstechende Besonderheit der Medienöffentlichkeit das Bestehen landespresserechtlicher Auskunftsansprüche für Medienvertreter (vgl. u. a. §§ 3 Abs. 2, 4 BayPrG, § 4 BWPrG, § 4 NdsPresseG).172 Für Mediendienste im Internet gibt § 55 Abs. 3 i. V. m. § 9a RFStV ein entsprechendes Recht. Zudem kann ein Auskunftsanspruch auch direkt aus der Pressefreiheit von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hergeleitet werden.173 Diese Auskunftsansprüche erlauben Medienvertretern den Zugang zu Hintergrundinformationen des Verfahrens sowie zur gerichtlichen Entscheidung174 und ermöglichen hierdurch eine mediale Aufbereitung der Gerichtsverhandlung. Nur soweit Medienvertreter einen Einblick hierin erhalten, können sie nämlich ihre „verfassungsrechtliche Informationspflicht gegenüber der Allgemeinheit“ erfüllen.175 c) Grenzen der Medienöffentlichkeit aa) Faktische Grenzen der Medienöffentlichkeit Für Vertreter der Medien stellen sich vielfach die gleichen Probleme wie für Personen, die die Saalöffentlichkeit nutzen wollen. Ebenso wie bei der Saalöffentlichkeit bestehen in räumlicher und temporärer Hinsicht die unter C II. 1. b) genannten faktischen Grenzen, so dass es nicht möglich ist, dass 172  Zu den verschiedenen einfachgesetzlichen Auskunftsanprüchen vgl. Schmieder, Auskünfte der Justiz über verurteilte Straftäter, S. 123 ff. 173  BVerwG NVwZ 2013, 1006, 1007. 174  BVerfG NJW 2015, 3708, 3709 f. 175  Fuhr, in: Burkei / Polter (Hrsg.), FS Armbruster, S. 117.



C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit179

jedem Verfahren potentiell ein Medienvertreter beiwohnen kann. Lediglich im Rahmen von Zutrittsrechten zu einer Verhandlung, wie dem NSU-Prozess, bei dem u. a. die Tötung ausländischer Opfer Thema ist, hat das Bundesverfassungsgericht erkannt, dass eine Platzvergabe nach dem Prioritätsprinzip – wie sie für normale Bürger Anwendung findet – ein Verstoß gegen das Öffentlichkeitsprinzip sein kann, da hierdurch eine wichtige Gruppe von Medienvertretern (insbesondere aus dem Ausland, die das Platzvergabeverfahren nicht rechtzeitig wahrnehmen konnten), anderenfalls ausgeschlossen wäre.176 In solchen Fällen muss nämlich die Chancengleichheit der Medienvertreter realitätsnah gewährleistet werden.177 In der Praxis wurde daher eine Platzvergabe mittels Losverfahren gewählt. Hierbei wurden verschiedene Rubriken eingeführt, aus denen jeweils eine bestimmte Anzahl von Medienvertretern Zugang zu der Verhandlung erhielt. Anders als die partiell intransparente Saalöffentlichkeit erhält der Medienvertreter zudem grundsätzlich weitergehende Verfahrensinformationen178 und teilweise sogar vor den Verhandlungen eine Liste mit anstehenden Gerichtsverhandlungen übermittelt, so dass das gerichtliche Verfahren im Hinblick auf die inhaltliche Dimension der Öffentlichkeit für Medienvertreter transparenter ist. Jedoch ist zu beachten, dass Medienvertreter erst die bestehenden Informationsansprüche geltend machen müssen.179 In der Pressepraxis wird hiervon wohl nur in ausgewählten Fällen Gebrauch gemacht. Zudem bündelt die Auswertung der Informationen Arbeitskräfte. So bestätigte die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Limbach: „Hier offenbart sich ein in der Mediengesellschaft schwer zu Buche schlagender Mangel der Justiz: es fehlt ihr an einer vernünftigen Informationspolitik.“180 Durch die fundierte mediale Aufarbeitung gerichtlicher Prozesse werden einzelne Gerichtsverhandlungen grundsätzlich transparenter für die Bevölkerung. Dies ermöglicht einen gewissen Ausgleich der fehlenden inhaltlichen Öffentlichkeit im Rahmen der Saalöffentlichkeit. Allerdings hängt dies auch maßgeblich von der jeweiligen medialen Berichterstattung ab. Bei der großen Anzahl gerichtlicher Verfahren besteht das Transparenzdefizit allerdings 176  BVerfG NJW 2013, 1293, 1294; zur Verpflichtung der Schaffung angemessenen Arbeitsmöglichkeiten für die Presse bereits Arndt, NJW 1960, 423, 424. 177  BVerfG NJW 2013, 1293, 1294. 178  Zum presserechtlichen Auskunftsanspruch, vgl. Burkhardt, in: Löffler (Hrsg.), Presserecht, LPG, § 4 Rn. 1 ff., 80 ff. 179  Zudem kann das Gericht die Auskunft bei überwiegendem öffentlichen oder schutzwürdigem privaten Interesse verweigern, Burkhardt, in: Löffler (Hrsg.), Presserecht, LPG, § 4 Rn. 117 ff.; Sagurna, in: Schiwy / Schütz / Dörr (Hrsg.), Medienrecht, S.  36 ff. 180  Limbach, NJ 1995, 281, 281.

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weiter fort.181 Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die klassischen Medien nur selektiv Fälle auswählen und darüber berichten (können).182 Rein faktisch ist die Medienöffentlichkeit daher auch durch die wirtschaftlichen Ressourcen von Medienvertretern beschränkt.183 So werden nur einige Fälle medial aufbereitet, bei denen ein öffentliches Interesse und damit ein bestehender Absatzmarkt vermutet wird.184 Dies ist insbesondere bei Verfahren in den unteren Instanzen häufig nicht der Fall.185 Neben der begrenzten Auswahl der Verfahren, über die berichtet wird, steht zudem häufig die mediale Aufbereitung der inhaltlichen Dimension der Öffentlichkeit entgegen.186 So sagt selbst Schlöndorff als Medienvertreter im weiteren Sinne: „[…] die Wirklichkeit ist immer anders, wenn man sie miterlebt, als wenn man nur darüber [durch Dritte] informiert wird.“187 Unabhängig davon, welches der genannten Massenmedien zum Einsatz kommt, bedeutet Medienöffentlichkeit immer auch einen Filter zu dem tatsächlichen Geschehen.188 Hierdurch kann es sogar zu einer Verzerrung der Wirklichkeit kommen.189 Diese Wirkung liegt an der Auswahl- und Gestaltungshoheit der Medien, die nach eigenem Interesse entscheiden können, über welche Ge181  Die Medien berichten vor allem über die Strafjustiz, so dass das hierüber vermittelte Bild der Justiz vielfach nicht der Wirklichkeit entspricht, Arenhövel, ZRP 2004, 61, 61; Rüping, in: Hanack / Rieß / Wendisch (Hrsg.), FS Dünnebier, S. 396. 182  Vgl. Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 42 Rn. 39; Rüping, in: Hanack / Rieß / Wendisch (Hrsg.), FS Dünnebier, S. 396; Huff, Justiz und Öffentlichkeit, S. 14 f.; vgl. Gerhardt, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Verbots von Rundfunk- und Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal (§ 169 Satz 2 GVG), S. 97. 183  Vgl. BVerfGE 103, 44, 66 f. In Großbritannien hat in den letzten Jahrzehnten die Zahl der Reporter, die für die gerichtsbezogene Berichterstattung zuständig waren deutlich abgenommen, Banks, Court reporting is a dying art – and laywers should be worried, The Guradian, 19.10.2010, https: /  / www.theguardian.com / law / 2010 / oct / 19 /  court-reporting-dying-art-lawyers; Berlins, Loss of court reporters is a blow to open justice, The Guardian, 7.12.2009; https: /  / www.theguardian.com / commentisfree /  2009 / dec / 06 / berlins-writ-large-court-reporters; Morgan, Mass-mediated ‚open justice‘: Court and judicial reports in the Press in England and Wales, Legal Studies Vol. 34 No 1, p. 143, 146. Es bedürfte der Prüfung, ob diese Entwicklung auch in Deutschland erfolgt ist. Darüber hinaus wäre wissenschaftlich interessant, welche Aufgaben Gerichtsreporter neben der Berichterstattung aus den Gerichten haben und über welchen (akademischen) Hintergrund sie verfügen bzw. woher sie ihr juristisches Wissen haben. Arenhövel, ZRP 2004, 61, 62 vermutet, dass es den „Gerichtsreporter alter Prägung“ bei Regionalzeitungen heutzutage nicht mehr gibt. 184  BVerfGE 103, 44, 66; vgl. Jäckel, Medienwirkung, S. 205. 185  Vgl. Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 51. 186  Vgl. Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 20. 187  Zitat abgedruckt in Heckmann, K&R 2010, 1, 1. 188  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 35 f. 189  Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 19.



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richtsentscheidungen sie berichten wollen und in welcher Weise die Berichterstattung geschieht. Beispiele: Viele mietrechtliche Entscheidungen sind in ihrer Konsequenz für einen weiten Teil der Bevölkerung von Bedeutung;190 dennoch wird über diese weitaus weniger berichtet, als dies beispielsweise bei Strafentscheidungen der Fall ist, insbesondere wenn bei diesen eine Person involviert ist, die über eine gewisse mediale Präsenz verfügt.191 Auch die Berichterstattung über (schwere) Gewalttaten überwiegt erheblich die Aufarbeitung der Medien im Bereich der alltäglichen Bagatellkriminalität.192 Diese selektive Auswahl von Gerichtsentscheidungen193, über die von der Boulevardpresse primär zur Unterhaltung berichtet wird, und der Hang der Presse zur Darstellung von Skandalen, werden von der Justiz kritisch gesehen.194 Gleichzeitig sind Medienvertreter durch den bestehenden Wettbewerbsdruck häufig nur daran interessiert, ihre Auflagenzahl durch sensationsheischende Berichterstattung zu mehren.195 Diese Fokussierung an dem, was der Rezipient vermeintlich erfahren will, ist der ansonsten schlicht konstitutiven Wirkung der Medien für die Demokratie abträglich. Es ist vor allem kritisch zu werten, dass insbesondere der Rundfunk durch den durch die Kamera scheinbar vermittelten unmittelbaren Blick in den Gerichtssaal im Gewande der Authentizität der Bild- und Tonaufnahmen erscheint und in Wirklichkeit ein sehr subjektiv geprägtes Bild vermitteln kann.196 Durch die Auswahl der Medieninhalte besteht somit auch eine Gefahr der Beeinflussung sowie Manipulation der Öffentlichkeit.197

190  Auch wenn im deutschen Zivilverfahrensrecht eine formelle Präjudizienbindung nicht vorgesehen ist, folgen rechtswegsübergreifend die meisten Gerichte der Länder der Auffassung der Bundesgerichte. Dies beruht auf der Ausgestaltung der Rechtsmittelsysteme, die ein der Bindungswirkung gegenüberstehendes (materielles) Funktionsäquivalent darstellen, Hau, in: Rüßmann (Hrsg.), FS Käfer, S. 117 f., 122. 191  Vgl. Stapper, Namensnennung in der Presse im Zusammenhang mit dem Verdacht strafbaren Verhaltens, S. 44. 192  Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 20; Rüping, in: Hanack /  Rieß / Wendisch (Hrsg.), FS Dünnebier, S. 396. 193  Vgl. Huff, Justiz und Öffentlichkeit, S. 14. 194  BVerfGE 103, 44, 67. Zur Tendenz des Sensationalismus und der Skandalisierung vgl. Groebel u. a., Bericht zur Lage des Fernsehens, S. 75 f., 79 f. 195  BVerfGE 103, 44, 67; Stapper, Namensnennung in der Presse im Zusammenhang mit dem Verdacht strafbaren Verhaltens, S. 44; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 20; Glaser, Das Verhältnis der Presse zur Justiz, S. 18 f. 196  Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 20 f. 197  Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 21.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

Weil sich ein Teil der Bürger durch die klassischen Medien nicht mehr hinreichend gut informiert sieht,198 greift er auf Informationsangebote aus dem Internet zurück199 und bewirkt auf diese Weise ein Aufbrechen des Meinungsmonopols und eine Erweiterung des öffentlichen Diskurses.200 Im Rahmen der Aufarbeitung von Gerichtsverhandlungen durch die klassischen Medien bringt der Journalist immer auch seine eigene Meinung zum Ausdruck. Diesbezüglich stellt sich die medienwissenschaftliche Kernfrage, inwieweit der aufgeklärte Informationsbürger überhaupt noch eines aufbereitenden Medienorganes bedarf, um sich eine eigenständige Meinung zu bilden, und ob nicht die Massenmedien durch das Internet maßgeblich an Einfluss und partiell auch an Glaubwürdigkeit verlieren. Die wichtige Aufgabe der Massenmedien als Informationsquelle, Kontrollorgan und gegebenenfalls sogar als Unterstützung des Meinungsbildungsprozesses wird immer weiter auf das Internet und die rezipierende Bevölkerung übertragen, so dass das Bedürfnis der Bevölkerung nach einer dazwischen geschalteten Instanz abnehmen wird. Es erscheint ausgesprochen fraglich, ob die praktizierte Öffentlichkeitsgewähr heutzutage aufgrund all dieser faktischen Grenzen noch ihrer Funktion gerecht wird. Aufnahmen durch Medienvertreter außerhalb der Verhandlung sind bisher und sollen weiterhin zulässig sein.201 In diesem Kontext sind auch Aufnahmen von den Verfahrensbeteiligten (Richtern genauso wie Prozessparteien) gestattet.202 Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang ein Zurücktreten des Persönlichkeitsrechts der Verfahrensbeteiligten aus der Jus198  Dies kann auch daran liegen, dass teilweise weit verbreitete Meinungen nicht hinreichend in den Medien repräsentiert werden, wohingegen teilweise partikuläre Meinungen einen breiteren Raum einnehmen. Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 20; Zippelius, Allgemeine Staatslehre S. 232. 199  Das Internet ist inzwischen im Durchschnitt nach dem Fernsehen das zweitwichtigste Informationsmedium und ist damit inzwischen im Informationssektor bedeutsamer als Radio und Zeitungen. Für die Altersgruppe von 14 bis 49 Jahren ist es sogar die wichtigste Informationsquelle, https: /  / www.die-medienanstalten.de / filead min / user_upload / die_medienanstalten / Themen / Forschung / Medienkonvergenzmoni tor / DLM_MedienGewichtungsStudie.pdf S. 16 ff., 20 ff., 27 ff. 200  Der Bedeutungsverlust der Presse und des Rundfunks wird teilweise aber auch kritisch gesehen oder sogar als „beängstigend“ wahrgenommen, da der Rückzug in „bestätigende Peer-Group-Identitäten“ kontraindikatorisch zu einer offenen Gesellschaft und Meinungsbildung sei, Cornils, VVDStRL Band 76 (2017), S. 400 f. 201  BVerfGE 91, 125, 137 f.; BVerfGE 119, 309, 320 f.; BVerfG NJW 2009, 350, 351; BVerfG NJW 2012, 2178, 2179; Kreicker, ZIS-Online, 2017, 85, 87. 202  BVerfG NJW-RR 2007, 986, 987; BVerfG NJW-RR 2007, 1416, 1416  f.; BVerfGE 119, 309, 320, 323 f.; BVerfG NJW 2009, 2117, 2119 f.; Kreicker, ZIS-Online 2017, 85, 87; Kissel / Mayer, GVG, § 169 Rn. 92.



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tizsphäre (Richter, Schöffen, Staatsanwälten und Protokollführer) bereits ausdrücklich bejaht.203 Aber auch die Persönlichkeitsrechte von Verteidigern204 oder sogar Angeklagten205 müssen nach Wertung des Bundesverfassungsgericht gegenüber dem Recht von Medienvertretern, zwischen den Verhandlungen Aufnahmen anzufertigen, grundsätzlich zurücktreten.206 In diesem Kontext kann jedoch in Einzelfällen die Unschuldsvermutung oder eine spätere Resozialisierung gegen eine Veröffentlichung des Angeklagten ins Feld geführt werden, insbesondere wenn sich im Verfahren zeigt, dass dieser im Zustand des § 20 StGB gehandelt hat und damit schuldunfähig war.207 bb) Rechtliche Grenzen der Medienöffentlichkeit Weitere Grenzen der Medienöffentlichkeit normieren § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG und § 174 Abs. 2 GVG. § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG schränkt die Medienöffentlichkeit dahingehend ein, dass Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen der mündlichen Verhandlung zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts unzulässig sind.208 Dieses rechtswegeübergreifende Verbot wird lediglich bei Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht durch § 17a Abs. 1 BVerfGG gelockert.209 Die genaue Reichweite dieser Form der Öffentlichkeit befindet 203  Kreicker, ZIS-Online, 2017, 85, 87; BVerfG NJW-RR 2007, 986, 987; BVerfG NJW 2009, 2117, 2119. Vgl. hierzu auch Stieper, JZ 2014, 271, 279 f.; BVerfG NJWRR 2007, 1416, 1416; BVerfGE 119, 309, 323 f. Vgl. zum Grundrechtsschutz von Grundrechtsverpflichteten ausführlich Kapitel 5 B. IV. 204  BVerfG NJW 2009, 2117, 2119 f. 205  Kreicker, ZIS-Online 2017, 85, 87; BVerfG NJW 2012, 2178, 2178 f.; BVerfG NJW 2009, 2117, 2119. 206  BVerfG NJW 2012, 2178, 2178 f.; BVerfG NJW 2009, 2117, 2119 f. 207  BVerfG NJW 2012, 2179. 208  Diese Verbotsnorm wurde durch das Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß bewertet, BVerfGE 103, 44. Allerdings zeigt die abweichende Meinung des Richters Kühling, der Richterin Hohmann-Dennhardt und des Richters HoffmannRiem, dass ein ausnahmslos geltendes Verbot nicht unbedingt als gerechtfertigt angesehen werden muss, BVerfGE 103, 44, 72 ff. Einen Überblick über die Regelungen zur Gewährung und zum Ausschluss der Medienöffentlichkeit anderer EU-Staaten enthält das Gutachten der Großen Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes, Gutachten zum Thema: Ist das 1964 geschaffene Verbot von Bild- und Tonübertragungen aus Gerichtsverhandlungen noch zeitgemäß?, 2013, S. 36 ff. Zur Geschichte des „Court-TV“ in Amerika und der dortigen rechtlichen Grundlagen siehe HübnerRaddatz, Fernsehöffentlichkeit im Gerichtssaal, S. 43 ff. Kritisch hierzu Pieroth, in: Erichsen / Kollhosser / Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, S. 270 ff., 277. 209  Vgl. BT-Drs. 13 / 7673 S. 6 f.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

sich derzeit jedoch im Umbruch.210 Durch das Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit (EMöGG) ist es nunmehr darüber hinaus gestattet, dass nach § 169 Abs. 3 Satz 1 GVG abweichend von § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zweck der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts bei der Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs durch Anordnung des Vorsitzenden zugelassen werden können. Eine weitere rechtliche Grenze ergibt sich im Bezug auf die presserecht­ lichen Auskunftsansprüche. Diese Grenzen werden aufgrund des zugestandenen Ermessensspielraums von verschiedenen Gerichten unterschiedlich ausgelegt.211 d) Bewertung der Funktionserfüllung von Öffentlichkeit In der selektiven Auswahl der Fälle, die medial aufgearbeitet werden212, kann ein Kritikpunkt der wirksamen Kontrollfunktion gesehen werden. Eine flächendeckende Wahrnehmung der Medienöffentlichkeit ist von den Medien aus Kostengründen nicht möglich. Gleichzeitig hängt die Berichterstattung über ein Gerichtsverfahren auch von dem juristischen Verständnis des einzelnen Journalisten ab.213 Zudem muss beachtet werden, dass für die Presse ein sog. Tendenzschutz besteht, so dass zwar objektiv berichtet werden soll, aber auch klar hierzu Stellung bezogen werden darf.214 Diese Form des Filters hindert eine unmittelbare Erfüllung der Öffentlichkeitsaufgaben. Ferner wird im Rahmen der Medienöffentlichkeit auch regelmäßig eine rechtsstaatswidrige Vorverurteilung von Betroffenen vor der gerichtlichen Hauptverhandlung vorgenommen und in die Öffentlichkeit getragen.215 Diese Vorverurteilung ist teilweise schwer zu revidieren, auch wenn den Betroffenen Entschädigungsansprüche zustehen.216 Diese Vorgehensweise schadet 210  Voßkuhle plädiert beispielsweise für eine Rundfunkübertragung von mündlichen Verhandlungen, FAZ vom. 02.03.2012, Nr. 53 S. 4. 211  Burkhardt, in: Löffler (Hrsg.) Presserecht, LPG, § 4 Rn. 117 ff.; Sagurna, in: Schiwy / Schütz / Dörr (Hrsg.), Medienrecht, S. 36 ff. 212  Vgl. Huff, Justiz und Öffentlichkeit, S. 14 f. 213  Zu den „pressemäßigen“ Sorgfaltspflichten, vgl. AG Mainz NStZ 1995, 347 ff. m. Anm. Otto; Soehring, Presserecht, Rn. 2.8 ff. Diese werden teilweise in der Praxis nicht eingehalten; stattdessen werden Meldungen von Nachrichtenagenturen (unreflektiert und teilweise fehlerhaft) übernommen, Huff, Justiz und Öffentlichkeit, S. 15. 214  Zur Darstellung des Gerichtsverfahrens um Jörg Kachelmann vgl. http: /  / www.ntv.de / politik / Union-will-Medien-zensieren-article3477986.html. 215  Zum Konflikt zwischen der Medienfreiheit und der Unschuldsvermutung vgl. ausführlich Marxen, GA 1980, S. 365, 365 ff. 216  Gounalakis, NJW 2016, 737, 737 ff.



C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit185

dem Ansehen einer Person mehr als das eigentliche Gerichtsverfahren, welches sich an rechtsstaatlichen Maßstäben messen lassen muss. Die Medien müssen sich zudem lediglich mit „pressemäßiger Sorgfalt“ um eine wahre Berichterstattung bemühen, eine Gewährleistung zur Wahrheit besteht demnach nicht, so dass Behauptungen ohne gerichtsfeste Beweise (im Rahmen einer Verdachtsberichterstattung) vorgebracht werden dürfen.217 Somit ist die Medienöffentlichkeit trotz all ihrer Vorteile auch kritisch zu werten. Hinsichtlich der derzeit praktizierten Medienöffentlichkeit ist zudem festzuhalten, dass wohl die gewünschte generalpräventive Wirkung nicht nachweisbar ist.218 Aufgrund einer nur selektiven Aufarbeitung von Gerichtsverfahren werden die aufgezeigten Funktionen der Öffentlichkeit ebenfalls nur teilweise erfüllt. Dies gilt, wie gesehen, für die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, die Herstellung informationeller Gleichberechtigung sowie für eine Herstellung von Vertrauen in die Justiz und deren Akzeptanz in der Bevölkerung. Der Umstand, dass die meisten Medien kostenpflichtig sind, kann ebenfalls gegen die Schaffung einer informationellen Gleichberechtigung sprechen, da hierdurch Teile der Bevölkerung von der Rezeption ausgeschlossen werden. Darüber hinaus werden die lokalen Medien zumeist nur lokal rezipiert, so dass keine flächendeckenden Vergleiche von Rechtsprechung auf diese Weise möglich sind. Zudem ist die Wiedergabe eines Gerichtsverfahrens durch einen Medienvertreter angesichts der Mehrheit jener Prozesse, über die nicht berichtet wird, immer selektiv. Dies kann teilweise auch dazu führen, dass bestimmte Berichte u. U. auch aufgrund einer fehlenden Differenziertheit bei der Betrachtung eines Gerichtsverfahrens oder aufgrund mangelnder Fachkompetenz das Vertrauen in die Justiz unberechtigterweise schwächen.219 Das Abwälzen der Vermittlung staatlicher Informationen auf die Presse kann daher teilweise auch als verfehlt angesehen werden, da die Medien zumeist über weniger juristische Fachkompetenz verfügen, als diese bei Gerichten vorhanden ist.220 Medienunternehmen stehen zudem unter einem 217  BGH NJW 2000, 1036, 1036  f.; Soehring / Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2466, 2470 f. 218  Höbermann, Der Gerichtsbericht in der Lokalzeitung: Theorie und Alltag, S. 34 ff., auch zu der Gestaltung einer Berichterstattungsform, die die generalpräventive Wirkung wahrscheinlich verbessern würde. 219  Wissenschaftlich wäre eine flächendeckende empirische Auswertung der Qualität, Darstellungsweise und Fallauswahl entsprechender gerichtsbezogener Bericht­ erstattungen auch im historischen Kontext wünschenswert. 220  Zur Aufgabe der Presse gegenüber der Justiz vgl. Glaser, Das Verhältnis der Presse zur Justiz, S. 8 ff.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

teilweise enormen Kostendruck. Sie könnten, selbst wenn sie die Aufgabe der Berichterstattung aus den Gerichtssälen umfassender erfüllen wollten, überhaupt nicht flächendeckend jene Voraussetzungen erfüllen, die die Funktionen von Öffentlichkeit fordern.221 3. Das Verhältnis von Saal- und Medienöffentlichkeit Das derzeitige Verhältnis von Saal- und Medienöffentlichkeit ist nicht abschließend erforscht. Teilweise wird vertreten, dass die Saalöffentlichkeit nur durch die Medienöffentlichkeit ergänzt wird, d. h. nur eine weitere Ausprägung und Ergänzung der Saalöffentlichkeit ist.222 Bei der Einordnung dieser beiden Formen von Öffentlichkeit ist jedoch zu beachten, dass sich die Medienöffentlichkeit an einen anderen Adressatenkreis als die für jedermann geltende Saalöffentlichkeit richtet. Die die Medienöffentlichkeit in Anspruch nehmenden „Medienvertreter“ haben zudem aufgrund der Landespressegesetze die Möglichkeit, weitergehende Informationen von den Gerichten einzuholen, als sie ein Zuschauer besitzt, der sich bloß auf die Saalöffentlichkeit berufen kann. Diesbezüglich geht die Medienöffentlichkeit weiter als die Saalöffentlichkeit. Aufgrund der unterschiedlichen Adressatenrichtungen und der weitergehenden Rechte für Medienvertreter in diesem Kontext werden die Medienund die Saalöffentlichkeit vorliegend wertungsfrei als nebeneinander stehend angesehen.223 Für ein Nebeneinander der beiden Formen der Gerichtsöffentlichkeit spricht auch, dass § 169 Abs. 1 Satz 3 GVG224 eine Tonübertragung der Verhandlung in einen Nebenraum nur für Personen gestattet, die für Presse, Rundfunk, Fernsehen oder für andere Medien berichten. § 169 Abs. 3 GVG erlaubt ferner Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen nur zum Zweck der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts bei der Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Aufgrund der intendierten Außenwirkung der Aufnahmen richtet sich diese Vorschrift ausschließlich an Medienvertreter und nicht an den einfachen Zuhörer. Diese Gesetzesänderung zeigt auf, dass der Gesetzgeber ebenfalls von einer eigenständig bestehenden Medienöffentlichkeit ausgeht und diese nicht nur als Erweiterung der Saalöffentlichkeit versteht. 221  Zu

den Funktionen von Öffentlichkeit siehe Kapitel 1 B. 103, 44, 67. 223  A. A. Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, S. 32; Feuerbach, Betrachtungen über Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1, S. 26 f. nimmt an, dass die unmittelbare der mittelbaren Öffentlichkeit vorginge. 224  BT-Drs. 18 / 10144. 222  BVerfGE



C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit187

4. Rechtliche Grenzen der Drittöffentlichkeit Die Drittöffentlichkeit besitzt jedoch nicht nur faktische Grenzen in ihrer derzeitigen Form, sondern es bestehen auch rechtliche Grenzen. a) Vollständiger oder partieller Ausschluss der Gerichtsöffentlichkeit Verfahren, die aufgrund schutzwürdiger Interessen nicht Teil der Drittöffnung sein sollen, können aufgrund verschiedener Vorgaben vor der Öffentlichkeit geschützt werden.225 Derzeit ist ein vollständiger Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 170 Abs. 1 GVG bei Familiensachen sowie in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder bei Jugendstrafsachen nach § 48 Abs. 1 JGG vorgesehen. § 52 Abs. 2 FGO, der dem Steuergeheimnis dient, verpflichtet das Gericht zum Öffentlichkeitsausschluss, wenn dies nur einer der Verfahrensbeteiligten, mit Ausnahme des Finanzamtes, beantragt. Die §§ 171a, 171 b oder 172 GVG stellen die vollständige oder partielle Entfernung der Öffentlichkeit in das Ermessen des Gerichts. Die Öffentlichkeit kann mithin für die Hauptverhandlung oder nur einen Teil davon nach § 171a GVG ausgeschlossen werden, wenn das Verfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt zum Gegenstand hat. § 171b GVG gestattet den Ausschluss der Öffentlichkeit auf Antrag, wenn schutzwürdige Interessen aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, Zeugen oder Verletzten in dem Prozess zur Sprache kommen oder ein Minderjähriger bezüglich einer der in § 171b Abs. 2 GVG genannten Straftaten vernommen wird. Daneben kann das Gericht nach § 172 GVG die Öffentlichkeit für die gesamte Verhandlung oder für einen Teil ausschließen, wenn eine Gefährdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu besorgen ist, eine Gefährdung eines Zeugen oder einer anderen Person möglich ist, ein wichtiges Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnis zur Sprache kommt, durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden sowie private Geheimnisse erörtert werden, dessen unbefugte Offenbarung durch Zeugen oder Sachverständige mit Strafe bedroht sind oder minderjährige Personen vernommen werden.

225  Vgl.

BVerfGE 4, 74, 94.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

b) Kritikpunkte am bisherigen Öffentlichkeitsausschluss Allerdings stehen die gesetzlich normierten Vorgaben für den Ausschluss der Öffentlichkeit auch in der Kritik.226 Wie bei jedem Verfahren, bei dem die Öffentlichkeit gänzlich ausgeschlossen ist, besteht ein Misstrauen der Bevölkerung in die Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens.227 Aus diesem Grund wird auch der gänzliche Ausschluss der Öffentlichkeit in Familiensachen kritisiert.228 Des Weiteren wirkt der Öffentlichkeitsausschluss aus Gründen der öffentlichen Ordnung bzw. der Gefährdung der Staatssicherheit heutzutage antiquiert. Nach dem Vorwurf Ende der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, der BGH fälle Geheimurteile,229 wurden durch diesen alle damaligen Entscheidungen in Staatsschutzangelegenheiten veröffentlicht.230 Im Vorwort der Veröffentlichung schrieb der damalige Bundesanwalt: „… der Leser [soll] gerade durch die Schilderungen der tatsächlichen Vorkommnisse angesprochen und über die unserem Staatswesen drohenden Gefahren unterrichtet werden. Diese Gefahren können nicht ernst genug genommen werden, und es wäre zu wünschen, dass möglichst weite Kreise unseres Volkes von ihnen Kenntnis nehmen und sich nachdrücklich mit ihnen befassen“.231 Vor diesem Hintergrund ist der Ausschluss der Öffentlichkeit aufgrund Sicherheitsbedenken heutzutage kaum mehr nachvollziehbar. Zudem steht der zwingende Öffentlichkeitsausschluss nach § 52 Abs. 2 FGO in der Kritik,232 da auch Personen hiervon profitieren können, deren Interessen an einer Geheimhaltung nicht schutzwürdig erscheinen. Dies gilt etwa für deren kreativen Umgang mit Steuergesetzen, welcher dazu führt, dass Steuern in einem die wirtschaftliche Ordnung erheblich störenden Ausmaß nicht entrichtet werden233 oder „unberechtigte“ Steuervorteile auf die226  Einigen Teilnehmern des 54. Deutschen Juristentag gingen in der Vergangenheit die Regelungen im Hinblick auf die strafgerichtliche Praxis teilweise nicht weit genug, so dass zumindest über eine diesbezügliche Reform bzw. Rechtsfortbildung abgestimmt wurde, vgl. NJW 1982, 2545, 2545 f. 227  Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, S. 145. Der Öffentlichkeitsausschluss ist jedoch keine neue Errungenschaft, vgl. DRGBl. Band 1888, Nr. 19 S. 133 ff. §§ 173–176 GVG a. F. von 1888 und § 184 Abs. 2 StGB a. F. von 1888. 228  So bereits Schiffer, Die deutsche Justiz, S. 163. 229  Vgl. Mitteilung NJW 1959, 376. 230  Mitteilung NJW 1959, 376; Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 31. 231  Wagner, Urteilssammlung des BGH, Hochverrat und Staatsgefährdung, Band II, Vorwort, S. 10. 232  A. A. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 24 III, S. 225. 233  Bei den sog. Cum-Ex-Geschäften wird ein versuchter volkswirtschaftlicher Schaden von 5,3 Milliarden Euro angenommen, http: /  / www.sueddeutsche.de / wirt



C. Modi der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit189

sem Wege genutzt würden, wie dies u. U. bei den Cum-Ex-Geschäften vermutet wird.234 Dies hat zur Folge, dass das entsprechende gemeinschaftsschädliche Vorgehen später bzw. nie in den öffentlichen Diskurs gelangt und damit die Politik entsprechende Steuerschlupflöcher mangels eines entsprechendes Diskurses nicht schließt, u. a. auch weil der Gesetzgeber hiervon keine oder erst verspätet Kenntnis erlangt. Darüber hinaus kann die Inkonsistenz der Ausschlussvorschriften kritisch gesehen werden, die einerseits nach § 171a GVG oder § 172 Nr. 4 GVG einen Ausschluss der Öffentlichkeit bei Mitwirkung eines beschränkt Geschäftsfähigen gestattet, aber andererseits nach § 171b Abs. 4 GVG einen Öffentlichkeitsausschluss nach §§ 171b Abs. 1 und Abs. 2 GVG gegen den Willen der zu schützenden Person nicht erlaubt. Ferner wird kritisiert, dass ein fehlender Öffentlichkeitsausschluss, der gesetzlich geboten wäre, nach ständiger Rechtsprechung nicht als absoluter Revisionsgrund gewertet wird.235 So stellt nur der unberechtigte Öffentlichkeitsausschluss nach Auffassung des Bundesgerichtshofs einen absoluten Revisionsgrund dar, während die Zulassung der Öffentlichkeit, obwohl deren Ausschluss „zwingend vorgeschrieben war“, nicht von § 547 Nr. 5 ZPO, § 338 Nr. 6 StPO erfasst sein soll.236 Lediglich ein relativer Revisionsgrund wird in diesen Fällen bejaht.237 Diese Wertung zeigt, dass in ständiger Rechtsprechung die Bedeutung von Öffentlichkeitsgewähr dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen als übergeordnet angesehen wird. Der Wortlaut von § 338 Nr. 6 StPO lässt hingegen anderes vermuten, zumal er sich auf die „Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens“ und damit auf §§ 169 ff. GVG und nicht nur auf § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG bezieht.238

schaft / cum-ex-skandal-banken-und-boersenhaendler-sollen-staat-um-milliarden-eurobetrogen-haben-1.3819682; http: /  / www.faz.net / aktuell / wirtschaft / steuerhinterzie hung-5-3-milliarden-euro-schaden-durch-cum-ex-15385096.html. 234  http: /  / www.lto.de / recht / hintergruende / h / finanzgerichte-ausschluss-der-oef fentlichkeit / . 235  Alwart, JZ, 1990 883, 887 f.; Roxin, NStZ 1989, 376, 377 m. w. N.; Roxin, JZ 1968, 803, 803 f.; vgl. Schmidt, Justiz und Publizistik, S. 42 ff. in Bezug auf Verstöße gegen § 169 [Abs. 1] Satz 2 GVG. 236  StRspr, vgl. bereits RGSt 3, 295, 297; BGH, Urt. v. 21.11.1969 – 3 StR 249 / 68 juris Rn. 11 m. w. N., BGH, Urt. v. 17.02.1989  – 2 StR 402 / 88, Rn. 26 ff.; so auch Eisenberg, JGG, § 48 Rn. 23. 237  BGH NStZ 1989, 375, 375 m. w. N. Kritisch hierzu Roxin, in: Baumann / Tiedemann (Hrsg.), FS Peters, S. 402 ff. 238  Roxin, NStZ 1989, 376, 377; Roxin, in: Baumann / Tiedemann (Hrsg.), FS Peters, S. 403.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

D. Öffentlichkeitsbedürftige Informationen Im Rahmen einer Neustrukturierung der Gerichtsöffentlichkeit stellt sich die Frage, welche Informationen für die Öffentlichkeit relevant sind, um die Justiz zu kontrollieren und um die weiteren oben genannten Funktionen der justiziellen Öffentlichkeit zu erfüllen. So stellt u. a. das Bundesverfassungsgericht fest, dass „die Information über das Geschehen […] Voraussetzung einer Kontrolle“ beispielsweise im Hinblick auf die Verfahrensgerechtigkeit ist.239 Mit Information ist in diesem Zusammenhang zunächst jedes Datum zu verstehen, das einem Gerichtsverfahren zugrunde liegt und in dessen Verfahrensverlauf von Relevanz ist.

I. Das derzeitige Öffentlichkeitsverständnis i. S. d. § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG besagt, dass derzeit die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse öffentlich ist. Darunter wird zum einen verstanden, dass jedermann der gerichtlichen Hauptverhandlung als Zuhörer beiwohnen darf,240 und zum anderen, dass man die Möglichkeit erhält, von der Durchführung einer Verhandlung Kenntnis zu nehmen.241 Mithin sind primär nur mündliche, d. h. flüchtige Informationen aus der Hauptverhandlung, öffentlich. Auf die der Verhandlung zugrundeliegenden Informationen, wie vorherige Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten, die nicht in der mündlichen Verhandlung verlesen werden, oder nachfolgende Informationen, wie das schriftlich abgefasste Urteil242, hat die Öffentlichkeit – mit Ausnahme von Medienvertretern – zumeist keinen unmittelbaren Zugriff. Die bisherige Form der öffentlichen Informationen ist mithin limitiert. Durch diese Form der Öffentlichkeit erfolgt, wie oben aufgezeigt, keine Transparenz für Verfahrensexterne. Die Bevölkerung besitzt darüber hinaus derzeit keine Einsichts- und Auskunftsrechte im Bereich der Justiz, die für eine wirksame Überprüfung des Verfahrens relevant wären. Es gibt zwar in einigen Ländern wie beispielsweise Brandenburg seit 1998 bereits ein allgemeines Akteneinsichts- und 239  BVerfGE

103, 44, 64. in: Graf (Hrsg.), Beck’OK StPO, GVG § 169 Rn. 3, 7 ff. 241  BVerfG NJW 2002, 814, 814; Walther, in: Graf (Hrsg.), Beck’OK StPO, GVG § 169 Rn. 3 ff. 242  Bezüglich Gerichtsentscheidungen hat nunmehr der BGH festgestellt, dass diese voraussetzungsfrei Dritten zu überlassen sind, BGH NJW 2017, 1819. Dennoch erfolgt die Überlassung von Entscheidungsabschriften außer bei den Bundesgerichten nur auf entsprechenden Antrag des Interessierten. 240  Walther,



D. Öffentlichkeitsbedürftige Informationen191

Informationszugangsgesetz (AIG)243. Auch in Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen bestehen ähnliche Regelungen. Das Interesse der Öffentlichkeit wird durch diese Gesetze indiziert, d. h. es bedarf nicht des Vorliegens eines berechtigten Interesses für einen entsprechenden Informa­ tionszugang.244 Allerdings gelten die Vorschrift des § 299 Abs. 2 ZPO und deren Parallelregelungen in den anderen Prozessordnungen als sachnächstes Bundesrecht, vgl. Art. 31 GG, so dass die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder keine Anwendung im Hinblick auf die Rechtsprechung finden.245 § 299 Abs. 2 ZPO verlangt hingegen die Einwilligung der Verfahrensbeteiligten oder das Vorliegen eines rechtlichen Interesses, welches auf einem bestehenden Rechtsverhältnis des Informationssuchenden mit einer Verfahrenspartei beruht.246

II. Das Öffentlichkeitsbedürfnis anhand der einzelnen gerichtlichen Verfahrensphasen Die bisherigen öffentlichen Informationen im Rahmen von Hauptverhandlungen schaffen – gegebenenfalls mit Ausnahme strafprozessualer Verhandlungen – keine transparente Öffentlichkeit. Aus diesem Grund ist eine weitergehende Veröffentlichung gerichtlicher Informationen erforderlich. Welche Informationen für die Öffentlichkeit von Bedeutung sind, kann anhand der verschiedenen Phasen von Gerichtsverfahren aufgezeigt werden.247 Das gerichtliche Verfahren wird nachfolgend prozessordnungsübergreifend in drei Stadien eingeteilt. Zunächst gibt es die Phase vor der mündlichen Verhandlung. Dieser Phase ist auch die Güteverhandlung nach § 278 Abs. 2 ZPO vor der streitigen Zivilverhandlung zuzuordnen. In dieses Stadium fallen auch alle gerichtlichen Handlungen, die nicht in einer mündlichen Verhandlung münden (z. B. Vorbereitungen von Beschlüssen). An die erste Phase schließt sich die mündliche Verhandlung an, zu der auch direkte Vorbereitungshandlungen wie der gerichtliche Aushang über die Verfahrens­ beteiligten etc. gehören. Die letzte Phase des Prozesses schließt sich an das Ende der mündlichen Verhandlung an und beinhaltet insbesondere die Ur243  GVBl. I 1998, S. 46; vgl. Breidenbach / Palenda, NJW 1999, 1307, 1307 ff.; Partsch, NJW 1998, 2559, 2560 ff. 244  Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 3. 245  Vgl. hierzu die Ausführungen unter C. II. a) bb). 246  Zuck, NJW 2010, 2913, 2916; vgl. hierzu ausführlich C. II. a) bb). 247  Zur historischen Betrachtung der Frage, welche Verfahrensteile der Öffentlichkeit zugänglich sein sollten, vgl. Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, S. 31. Die Verfahrensphasen lehnen sich an die anerkannten Prozessabschnitte (Vorverfahren, Hauptverfahren und Vollstreckungsverfahren) an, vgl. hierzu Sauer, Grundlagen des Prozeßrechts, S. 118.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

teilsabsetzung. Ein wesentlicher Teil dieser dritten Phase ist auch die Entscheidungsverkündung. Insbesondere in Strafverfahren schließt sich diese unmittelbar an die mündliche Verhandlung an. Die vorliegend benannten Phasen sind nicht nur chronologisch, sondern auch funktionell als Einheit zu verstehen. Bisher sind nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG nur Informationen aus der zweiten und dritten Phase öffentlich zugänglich. 1. Phase 1 – Vorstadium bis zur Hauptverhandlung Alle Informationen, die bis zum Zeitpunkt der eigentlichen mündlichen Verhandlung über ein gerichtliches Verfahren anfallen, sind der ersten Phase zuzuordnen. In ihr zeigt sich, ob überhaupt eine Hauptverhandlung durchgeführt wird. Aufgabe dieser ersten Phase ist es zum einen, die relevanten Verfahrensinformationen zusammenzutragen und dem Gericht vorzulegen, und zum anderen, insbesondere im Zivilprozessrecht, durch eine gütliche Einigung für Rechtsfrieden zu sorgen. Alle Informationen, die innerhalb dieser Phase anfallen, sind grundsätzlich zu diesem Zeitpunkt für die Öffentlichkeit noch nicht relevant und daher auch noch nicht bekannt zu geben.248 Eine zu frühe Bekanntgabe von Informationen könnte nämlich der Schaffung von Rechtsfrieden entgegenstehen, und es besteht die Möglichkeit, dass die Ermittlungsarbeit vor einem Verfahren behindert oder unzulässig in eine falsche Richtung gelenkt würde. Auch alle richterlichen Verfügungen in diesem Stadium dienen lediglich der Vorbereitung einer späteren mündlichen Verhandlung und bedürfen daher zu diesem Zeitpunkt noch nicht der öffent­ lichen Kontrolle. Judizielle Fehler in dieser Phase können auch noch im Rahmen der Hauptverhandlung kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert werden. Der Vorschlag von Greger, eine Güteverhandlung nach § 278 Abs. 2 ZPO in das Dienstzimmer des Richters bzw. einen anderen dafür vorgesehenen Raum zu verlegen, um die Streitparteien an einen Tisch zu bringen, ist daher durchaus zu begrüßen.249 Ein nachfolgender Ortswechsel bei fehlender Einigkeit ziviler Prozessparteien kann durchaus auch die Vergleichsbereitschaft in Z ­ ivilverfahren erhöhen.

248  Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, Schramberg, S. 2, 28 f. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Öffentlichkeit dennoch u. a. im Rahmen der Güteverhandlung zugelassen werden könnte. Zwingend erforderlich ist dies nach der Aufgabe von Öffentlichkeit jedoch nicht. Zur Nichtöffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens vgl. auch Becker, Straftäter und Tatverdächtige in den Massenmedien: Die Frage der Rechtmäßigkeit identifizierender Kriminalberichte, S. 208 ff. 249  Greger, in: Zöller, ZPO, § 278 Rn. 10.



D. Öffentlichkeitsbedürftige Informationen193

Findet die (streitige) mündliche Verhandlung jedoch zu einem späteren Zeitpunkt statt, können die in diesem Stadium entstandenen Informationen wieder für die Öffentlichkeit relevant werden. Erst durch die Veröffentlichung dieser Informationen, insbesondere dem Gericht vorliegenden Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten, wird die Verhandlung für Verfahrensexterne transparent und in der Folge für die Öffentlichkeit überprüfbar. 2. Phase 2 – Die mündliche Verhandlung Die zweite Verfahrensphase umfasst die mündliche Verhandlung vom öffentlichen Aushang, wann und wo eine Verhandlung stattfindet, bis zum Schließen der mündlichen Verhandlung. Die Inhalte der Beratungen vor der Urteilsverkündung fallen somit nicht mehr in diese Phase, § 193 GVG. Der Zeitraum der mündlichen Verhandlung bedarf der umfassenden Kontrolle hinsichtlich des richterlichen Wirkens, da sie der Urteilsfindung dient und unmittelbar der Abfassung eines Urteils im Namen des Volkes vorausgeht. Grundsätzlich sind daher jegliche Informationen aus dieser Prozessphase zu veröffentlichen. Um die Informationen, die im Rahmen der zweiten Phase entstehen, nachvollziehen zu können, bedarf es darüber hinaus zeitlich in der zweiten Phase bzw. dieser unmittelbar vorgeschaltet zudem der Veröffentlichung aller relevanten Informationen, die im Rahmen der ersten Phase entstanden sind. Da zukünftig mit Einführung der elektronischen Akte all diese Informationen digital vorliegen, wäre eine entsprechende digitale Veröffentlichung technisch unproblematisch möglich. Die Veröffentlichung dieser Informationen kann temporär beschränkt sein; allerdings muss die Kontrollfunktion insoweit ermöglicht werden, als die Öffentlichkeit die veröffentlichten Dokumente aus der ersten Phase temporär in der zweiten Phase der Verhandlung rezipieren können muss. Hierbei ist zu beachten, dass auch in diesem Zeitpunkt für den Angeklagten in einem Strafverfahren die Unschuldsvermutung gilt, vgl. Art. 6 Abs. 2 EMRK.250 Diesem Umstand muss eine Veröffent­ lichung der Informationen Rechnung tragen. Da die meisten Bürger beispielsweise die Beweisverwertungsverbote nicht kennen, könnten sie aufgrund der Unterlagen aus dem Verfahren zu einer anderen Überzeugung kommen als ein Gericht. Einer darauf beruhenden Vorverurteilung des Angeklagten kann durch eine verständliche Informierung der Rezipienten über die Unschuldsvermutung und bestehende Beweisverwertungsverbote begegnet 250  Die Unschuldsvermutung gilt als ungeschriebenes Prinzip der StPO, Stuckenberg, Untersuchungen zur Unschuldsvermutung, S. 53. Zum Konflikt zwischen der Medienfreiheit und der Unschuldsvermutung im Rahmen der Medienöffentlichkeit vgl. ausführlich Marxen, GA 1980, S. 365, 365 ff.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

werden.251 Zudem sind die Verfahrensunterlagen umfassend zu anonymisieren.252 3. Phase 3 – Die Urteilsverkündung und Niederlegung An die mündliche Verhandlung schließt sich die Verkündung des Urteils an, die nach § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG ebenfalls öffentlich erfolgt. Partiell nachfolgend, zumeist aber bereits vor der Verkündung, erfolgt die Urteilsabfassung. Schließlich wird das vollständig abgefasste Urteil zur Akte gegeben. Das Urteil bedarf als hoheitlicher Akt ebenfalls der Kontrolle durch die ­Öffentlichkeit. Da das gerichtliche Urteil aus sich heraus verständlich sein muss, bedarf es grundsätzlich zum Zeitpunkt der Urteilsveröffentlichung nicht mehr der Zugänglichkeit der Informationen aus Phase eins und zwei.253 Allerdings kann mit Blick auf die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit ebenfalls argumentiert werden, dass eine fundierte Kontrolle nur bei Vorlage der genannten Informationen und dem Abgleich dieser mit dem Urteil möglich ist.254

III. Das Öffentlichkeitsbedürfnis anhand von Informationstypen Innerhalb eines Gerichtsprozesses werden verschiedene Typen von Informationen generiert. Mit Ausnahme von Art. 82 GG, der die Veröffentlichung der Gesetze vorschreibt, hat der Gesetzgeber die Veröffentlichung allgemeiner Justizinformationen bzw. verfahrensimmanenter Informationen bisher nur unzureichend geregelt. Dies verwundert vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung einzelner Urteile für die judizielle Kontrolle. Stattdessen wird die Frage, ob ein Urteil veröffentlicht wird, primär dem Richter überlassen, der dieses gefällt hat.255

251  Zum Dilemma der Unschuldsvermutung bei öffentlichen Verhandlungen, vgl. auch Kapitel 5 B. II. 1. b). 252  Siehe ausführlich zur Begrenzung der Öffentlichkeitsgewähr u. a. aus Gründen der informationellen Selbstbestimmung Kapitel 5 B. III. 2. 253  Ausnahmen bestehen insbesondere bei Säumnisentscheidungen oder im vereinfachten Verfahren (§ 495a ZPO) und abgekürzten Urteilen (§ 267 Abs. 4 und 5 StPO). 254  Das Vollstreckungsverfahren, welches ebenfalls einen wesentlichen Prozessabschnitt bei Gerichtsverfahren darstellt, wird vorliegend ausgeblendet, zumal dieses der Justizverwaltung bzw. teilweise sogar der Exekutive zugeordnet ist. Daher gelten hierfür die Open Data-Regelungen der Länder. § 169 GVG findet hierauf keine Anwendung. 255  Auf dem Aktendeckel befindet sich hierfür eine entsprechende Auswahlmöglichkeit.



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1. Gesetzliche Grundlagen Bereits Art. 82 GG statuiert die Publikation von Rechtsnormen, um den „Willensäußerungen“ der Legislative Gehör zu verschaffen.256 Diese Veröffentlichungspflicht ist auch eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. Die Veröffentlichung schafft Rechtssicherheit, da jeder sein Verhalten an die bekannten, da öffentlichen Gesetze anpassen kann. Aus diesem Grund war bereits vor Geltung des Grundgesetzes die Gesetzespublikation zwingend.257 Als Ausgangspunkt für die judizielle Arbeit sind das Bundesgesetzblatt258 und die Bundesgesetze inzwischen auch online veröffentlicht.259 Die Suche nach Landesgesetzen gestaltet sich dagegen bereits komplizierter, da jedes Bundesland über eigene, optisch unterschiedlich gestaltete Portale verfügt.260 Auch Richtlinien und Verordnungen der EU sind öffentlich abrufbar.261 Diese Form der Schaffung von Öffentlichkeit besitzt jedoch ein deutliches Transparenzdefizit, da es aufgrund der Vielzahl von Gesetzen insbesondere für einen juristischen Laien kaum möglich ist, sich eigenständig die relevanten Vorschriften herauszusuchen. 2. Allgemeine Justizinformationen Allgemeine Justizinformationen wie Öffnungszeiten und der Geschäftsverteilungsplan eines Gerichts bedürfen ebenfalls der Publikation, um es den 256  Lukas, Über die Gesetzes-Publikation in Österreichisch und dem Deutschen Reiche, S. 1. 257  Hierzu Seydel, Bayerisches Staatsrecht, 2. Band, S. 313 f.; Lukas, Über die Gesetzes-Publikation in Österreich und dem Deutschen Reiche. Zur Geschichte der Normenpublikation vgl. Wittling, Die Publikation der Rechtsnormen einschließlich der Verwaltungsvorschriften, S.  11 ff.; Lewinski, in: Kahl / Waldhoff / Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 82 Rn. 46 ff.; Berkemann, in: Herberger /  Berkemann (Hrsg.), FS zum 10jährigen Bestehen der juris GmbH, S. 83 ff. 258  https: /  / www.bgbl.de / . 259  Abrufbar unter http: /  / www.gesetze-im-internet.de /  einem Projekt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zusammen mit der Juris GmbH. Es fehlt allerdings an einer sinnstiftenden Systematisierung der einzelnen Gesetze. 260  http: /  / www.landesrecht-bw.de / jportal / portal / page / bsbawueprod.psml, http: /  /  www.gesetze-bayern.de / , https: /  / www.berlin.de / sen / soziales / berliner-sozialrecht /  verzeichnisse / lg-vo / index.php, http: /  / recht.brandenburg.de, http: /  / transparenz.bremen.de, http: /  / www.landesrecht-hamburg.de, http: /  / www.rv.hessenrecht.hessen.de, http: /  / www.landesrecht-mv.de, http: /  / www.nds-voris.de, https: /  / recht.nrw.de / lmi /  owa / br_start, http: /  / www.landesrecht.rlp.de, http: /  / www.saarland.de / landesrecht. htm, http: /  / www.revosax.sachsen.de / , http: /  / www.landesrecht.sachsen-anhalt.de, http: /  / www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de, http: /  / landesrecht.thueringen.de. 261  Über www.eur-lex.europa.eu.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

Parteien wie auch der Öffentlichkeit zu ermöglichen, davon Kenntnis zu nehmen.262 Nur auf diesem Wege kann beispielsweise überprüft werden, ob das Justizgrundrecht des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) eingehalten wurde. Ein Informationsanspruch des Bürgers auf Zugang zu Telefon- (und EMail-)Verzeichnissen von Behörden nach Maßgabe des IFG ist vom Bundesverwaltungsgericht abgelehnt worden, da die Preisgabe der Durchwahl des Sachbearbeiters die Funktionsfähigkeit der Behörde beeinträchtigen kann.263 Allerdings sind nach Auffassung des Gerichts Behörden dazu befugt, dienstliche Kontaktdaten nach eigenem Ermessen zu veröffentlichen.264 „Kein Bediensteter einer Behörde hat Anspruch darauf, von Publikumsverkehr und von der Möglichkeit, postalisch oder elektronisch von außen mit ihm Kontakt aufzunehmen, abgeschirmt zu werden, es sei denn, legitime Interessen z. B. der Sicherheit gebieten dies. Mit der Nennung des Namens, der Dienstbezeichnung, der dienstlichen Telefonnummer und der dienstlichen E-MailAdresse des Beamten werden keine in irgendeiner Hinsicht schützenswerten personenbezogenen Daten preisgegeben, so dass sich die Frage einer für Eingriffe in individuelle Rechte erforderlichen Ermächtigungsgrundlage nicht stellt. Der [Beamte] wird durch diese Dritten zugänglichen Angaben auch nicht zu irgendwelchen dienstlichen Handlungen gezwungen, die ihren Ursprung außerhalb seiner allgemeinen Gehorsamspflicht haben. Ob und wie er auf ihn erreichende Briefe, Anrufe oder E-Mails zu reagieren hat, bestimmt nicht der Absender der E-Mail, sondern der Dienstherr.“265 Diese in sich schlüssige Argumentation lässt sich nicht ohne Weiteres auf die Richter übertragen. Es liegt im Wesen richterlicher Tätigkeit (Art. 92, 97 GG) begründet, dass der richterliche Arbeitsplatz nicht einem Publikumsverkehr geöffnet wird. Richter sprechen mit den Verfahrensbeteiligten, aber 262  Dies ist bereits in der Schweiz gängige Praxis, vgl. Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 749, 755; http: /  / www.gerichte-zh.ch / or ganisation / handelsgericht / personelles / handelsrichter.html. Dort werden beispielsweise im Kanton Zürich systematisch die Nebentätigkeit von Richtern und potentielle Interessenbindungen gemäß den dortigen gesetzlichen Vorschriften (§ 334a PBG, § 7 GOG) dargestellt, vgl. https: /  / vgr.zh.ch / internet / verwaltungsgericht / de / ueber_uns /  organisation.html; http: /  / www.baurekursgericht-zh.ch / ueber-uns / mitglieder-des-ge richts.html. Dies beruht jedoch u. a. auch darauf, dass dort nicht alle Richter vollamtlich tätig sind, sondern die Rechtsprechung als Nebentätigkeit ausüben, Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 755. 263  BVerwG NJW 2017, 1256, BVerwG NJW 2017, 1258, 1259; OVG Münster DVBl. 2015, 1262, 1265 f.; VGH München ZD 2016, 34, 35 f.; Guckelberger, NJW 2017, 1210, 1211. 264  BVerwG NJW 2017, 1256, 1957; BVerwG, Beschl. v. 12.03.2008 – 2 B 131.07, 2 B 131 / 07. 265  BVerwG, Beschl. v. 12.03.2008 – 2 B 131.07, 2 B 131 / 07.



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auch gegenüber der Öffentlichkeit, über die von der Rechtsordnung bereitgestellten Verfahren. Insofern muss man nicht einmal mit einer zusätzlichen Arbeitsbelastung für Richter durch die bei Veröffentlichung einer Telefondurchwahl zu befürchtenden Zunahme fernmündlicher Kontaktaufnahmen durch Parteien oder Dritte argumentieren.266 3. Verfahrensbezogene Informationen So selbstverständlich wie die Veröffentlichung von Gesetzestexten sollte auch die Veröffentlichung von verfahrensbezogenen Informationen sein. Hinsichtlich verfahrensbezogener Informationen ist zwischen verkörperten Informationen, die sich aus der Verfahrensakte ergeben, und unverkörperten Informationen zu unterscheiden. Nach bisheriger Praxis erhält der Zuschauer im Rahmen der Saalöffentlichkeit ausschließlich Einblick in unverkörperte Informationen aus der mündlichen Verhandlung (sog. Verhandlungsöffent­ ­ lichkeit).267 Darüber hinaus sind allerdings die verkörperten Informationen, die vor bzw. nach der mündlichen Verhandlung erstellt werden, ebenfalls für die Öffentlichkeit von Relevanz, um eine effektive Kontrolle zu ermöglichen. a) Unverkörperte Informationen Bisher hat die Öffentlichkeit primär Einblick in die Handlungen und Aussagen aus der mündlichen Verhandlung. Auch die Entscheidungsverkündung enthält nur flüchtige Informationen, da diese mündlich erfolgt. Dem einzelnen Zuschauer ist es allerdings gestattet, sich schriftliche Notizen zu machen.268 Auch eine eigenständige Fixierung der unverkörperten Information mittels Ton- und Bildaufnahme ist nach § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG grundsätzlich wohl nicht verboten, sofern diese nicht zur Veröffentlichung vorgesehen sind;269 dennoch kann davon ausgegangen werden, dass ein entsprechendes Verhalten durch das Gericht unterbunden wird.

266  A. A. Debus, NJW 2015, 981, 984, der demgegenüber einen Anspruch auf Informationen über die dienstlichen Kontaktdaten von Richtern anerkennt. 267  Vgl. Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 84, 165. 268  Erdsiek, NJW 1960, 1048, 1049; Schmitt, in: Meyer-Goßner / Schmitt (Hrsg.), StPO, § 169 Abs. 1 GVG Rn. 15. 269  Zu den derzeit drohenden rechtlichen Konsequenzen einer erfolgten Aufnahme durch Private, vgl. C. II. 1. a) cc).

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

b) Verkörperte Informationen Verkörperte Informationen bestehen einerseits aus allgemeinen verfahrensbezogenen gerichtlichen Dokumenten wie Sitzungsplänen, die bereits heutzutage der Öffentlichkeit zugänglich sind.270 Andererseits gibt es die Informationen, die innerhalb eines konkreten Verfahrens von Relevanz sind. Hierzu gehören die Inhalte, die sich aus den Prozessakten ergeben, wie beispielsweise die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten, Beweismittel (insb. Urkunden, Lichtbilder) sowie Protokolle, Beschlüsse und Urteile des Gerichts.271 Die Informationen aus den Prozessakten lassen sich wiederum in originär hoheitliche Inhalte und Inhalte, die ursprünglich aus der privaten Sphäre stammen, unterteilen. Abhängig davon welche Information betroffen ist, ergeben sich bei einer Veröffentlichung unterschiedliche rechtliche Fragestellungen. aa) Staatliche Verfahrensinformationen Die unterschiedlichen staatlichen Verfahrensinformationen besitzen eine abgestufte Wertigkeit für die öffentliche Kontrolle der Justiz.272 Einzelne standardisierte gerichtliche Schriftsätze, bei denen Stellungnahmen von den Parteien angefordert, gegnerische Dokumente zur Kenntnis übersandt, Sitzungstermine festgesetzt werden oder Ladungen ergehen, erfolgen in der ersten Phase des Verfahrens und sind daher zunächst einmal für die Öffentlichkeit nicht relevant. Des Weiteren besitzen sie im Nachhinein zumeist nur fristwahrende Funktion, so dass vielfach einzig die entsprechenden (Übermittlungs-)Daten für die Öffentlichkeit von Bedeutung sind, um den rechtmäßigen Gang eines Verfahrens nachprüfen zu können. Für die Herstellung transparenter Öffentlichkeit genügt demnach eine stichpunktartige Inhaltsdarstellung (z. B. Ladung, Gewährung einer Fristverlängerung am TT.MM.JJJJ etc.). Der konkrete Wortlaut dieser Schreiben wird hingegen in den allermeisten Fällen nur von untergeordneter Bedeutung sein, so dass die Veröffentlichung nicht zwingend geboten ist. Eine entsprechende statistische Auf270  Vgl. zu der digitalen Bereitstellung die Homepage des AG Köln http: /  / www. ag-koeln.nrw.de / behoerde / sitzungstermine / index.php. 271  In den USA werden Gerichtsakten grundsätzlich vollumfänglich öffentlich zugänglich gemacht, Stürner, in: Heckmann / Schenke / Sydow (Hrsg.), FS Würtenberger, S. 930. 272  Den Umstand, dass viele dieser Dokumente dezeit nicht öffentlich zugänglich gemacht werden, kritisiert auch Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 747. Er begründet dies jedoch mit dem kontinentealeuropäischen „Rechtsverständnis, welches stark am (materiellen) Verfahrensergebnis ausgerichtet ist.“



D. Öffentlichkeitsbedürftige Informationen199

arbeitung, wie lange Verfahren an den einzelnen Gerichten benötigen, um in die nächste Verfahrensphase zu gelangen, kann darüber hinaus für Transparenz sorgen. Von deutlich höherer Relevanz für die Öffentlichkeit sind die staatlichen Verfahrensinformationen in Form von gerichtlichen Entscheidungen (d. h. Beschlüsse und Urteile) sowie den Sitzungsprotokollen, welche auch als Grundlage der nachfolgenden Urteile dienen.273 Allerdings sind Sitzungsprotokolle mit Ausnahme der wesentlichen Förmlichkeiten274 und bei einer etwaigen Anordnung einer Wortprotokollierung, § 273 Abs. 3 StPO, inhaltlich häufig nicht sehr ergiebig. Dennoch besitzen sie in verschiedener Hinsicht, beispielsweise zu den Auswertungen von Zeugenaussagen durch das Gericht (§ 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO), Aussagekraft, wodurch deren Bedeutung für die Öffentlichkeit gefolgert werden kann. Die in diesen Dokumenten enthaltenen Informationen sind daher aufgrund ihrer Bedeutung im (anonymisierten) Volltext öffentlich zugänglich zu machen, da diese nur ein Abbild der per Gesetz öffentlich zugänglichen Verhandlung darstellen. Auch Entscheidungen des Gerichts in Form von Hinweisbeschlüssen (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO), die weder der Rechtskraft fähig sind oder prozessbeendend wirken, können für die Öffentlichkeit von Bedeutung sein, da diese als „Orientierungshilfe und Maßstab für den Rechtssuchenden in einem Parallelfall“ dienen können.275 Entsprechende Hinweise ergehen nämlich häufig im schriftlichen Wege ohne Einbeziehung der Öffentlichkeit, vgl. u. a. § 139 Abs. 3, 4 ZPO.276 Diese Form der richterlichen Tätigkeit sollte jedoch nicht eine Geheimhaltung dieses Verhandlungsteils gegenüber der Öffentlichkeit nach sich ziehen, daher sind Hinweisbeschlüsse ebenfalls öffentlich zugänglich zu machen.277 Von überragend wichtiger Bedeutung für die Öffentlichkeit ist die Veröffentlichung von verfahrensbeendenden gerichtlichen Entscheidungen, deren Inhalt „wie das Verfahren generell (§§ 169, 173 GVG)“ öffentlich zu machen ist.278 Erst die öffentliche Zugänglichmachung erlaubt eine abschließende 273  So im Ergebnis auch Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S.  751 f. 274  Das Sitzungsprotokoll kann hinsichtlich der wesentlichen Förmlichkeiten einzig als Beweismittel herangezogen werden, § 274 StPO, § 165 ZPO, oder um Sachverhaltsfehler im Urteil zu widerlegen, § 314 ZPO. 275  BGH NJW 2017, 1819, 1820. 276  Vgl. BGH NJW 2017, 1819, 1820. 277  Vgl. BGH NJW 2017, 1819, 1820. 278  BGH NJW 2017, 1819, 1819; Hirte, NJW 1988, 1698, 1700 f.; Putzke / Zenthöfer, NJW 2015, 1777, 1777; Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 753 f. betont, dass es keine unwichtigen Urteile für die Öffentlichkeit gibt

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

Kontrolle der Justiz durch die Öffentlichkeit. Ein Urteil hat zwar unmittelbar nur Auswirkungen auf die Verfahrensbeteiligten; eine vollstreckbare gerichtliche Entscheidung hat über Rechtsweggrenzen hinweg aber auch weitere Aufgaben, die sich an den in Kapitel 1 B. aufgeführten Funktionen von Öffentlichkeit anlehnen bzw. diese erst ermöglichen. Damit haben gerichtliche Entscheidungen trotz ihrer vordergründigen inter partes-Wirkung auch eine weiterreichende Bedeutung für die Gesellschaft.279 Urteile werden nämlich einerseits „Im Namen des Volkes“ gesprochen und beziehen sich damit auf ihre demokratische Legitimation – den Staatssouverän. Gleichzeitig zeugen sie von der staatlichen Justizhoheit. Dieses Machtmonopol bedarf in unserer demokratischen Gesellschaftsordnung der öffentlichen Kontrolle.280 Andererseits wird die von einem Gericht vorgenommene Rechtsauslegung häufig durch andere Gerichte herangezogen, so dass jede gerichtliche Entscheidung potentiell die Kraft hat, den Normtext zu präzisieren, auszugestalten und teilweise sogar das bestehende Recht fortzubilden.281 Insbesondere wenn unbestimmte Rechtsbegriffe durch den Gesetzgeber verwendet werden, erhält die Rechtsprechung eine bedeutsame konkretisierende Wirkung.282 Aus diesem Grund räumt das Bundesverwaltungsgericht der Publikation von gerichtlichen Entscheidungen eine vergleichbare Bedeutung wie die öffentliche Gesetzesverkündung ein.283 Nur so bleibt die Rechtsprechung, die zwar auf Gesetzen beruht, die jedoch auch häufig auf bereits erfolgte Auslegungen anderer Gerichte zurückgreift, für den Bürger transparent.284 und daher instanzenübergreifend eine vollumfängliche Entscheidungspublikation erforderlich ist. 279  Brüggemann, Die richterliche Begründungspflicht, S. 131; Kapp, BB 1981, 567, 568; Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S. 12 f. A.  A. in Bezug auf die Bindung von Staatsanwaltschaften durch höchstrichterliche Entscheidungen Sarstedt, NJW 1964, 1752, 1756. 280  Hierzu auch Huff, Justiz und Öffentlichkeit, S. 6. Insbesondere kann eine Differenzierung der Entscheidungen nach vermeintlicher Wichtigkeit heutzutage für die Publikationen nicht mehr angebracht sein, Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 754. 281  BVerwGE 104, 105, 109. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass gerichtliche Entscheidungen für Dritte aufgrund der Regelungen zur Streitgegenstandsbeschränkung grundsätzlich keine präjudizierende Wirkung besitzen, vgl. Bettermann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 73 Rn. 15. Bettermann, in: FS Meilicke, S. 1, 17; zur Bindung der Verwaltung an zivilgerichtliche Urteile, Bettermann, in: Grunsky u. a. (Hrsg.), FS Baur, S. 273 ff. 282  Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kon­ trolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, S.  12 f. 283  BVerwGE 104, 105, 109. 284  BVerwGE 104, 105, 109.



D. Öffentlichkeitsbedürftige Informationen201

Damit gehört das Urteil nicht allein den streitgegenständlichen Parteien, die dieses erwirkt haben, so dass sie Dritte von der Rezeption dessen nicht ausschließen können.285 Noch weniger als den Verfahrensbeteiligten gehört das Urteil jedoch dem rechtsprechenden Richter bzw. Spruchkörper, so dass von gerichtlicher Seite erst Recht keine Möglichkeit besteht, eine Veröffentlichung (u. a. aus erwerbswirtschaftlichen Interessen) zu unterbinden.286 Vor dem Hintergrund der Bedeutung der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen287 auch im verfassungsrechtlichen Kontext überrascht, dass zumindest in der Vergangenheit teilweise Richter für die Übersendung der von ihnen verfassten Entscheidungen ein Honorar durch den publizierenden Verlag erwarteten,288 obwohl sie bereits durch den Staat für die Abfassung dieses Urteils entlohnt wurden.289 Noch mehr erstaunt jedoch, dass diese Praxis nicht unterbunden wird. So enthält § 5 UrhG die gesetzgeberische Wertung, dass Gerichtsentscheidungen für die freie Rezeption in der Öffentlichkeit bestimmt sind und daher als gemeinfrei, d. h. frei von urheberrechtlichen Schutzrechten und damit auch von Vergütungsansprüchen sind.290 Dies sollte entweder durch Normvollzug oder durch eine konkretisierende Normergänzung durchgesetzt werden. Aufgrund der Bedeutung von gerichtlichen Entscheidungen, zum einen für die Ermöglichung der Kontrolle der Justiz, zum anderen aber auch zur Verbesserung der Effizienz des Gerichtswesens, der Rechtsprechung und teilweise sogar des Rechts selbst, müssen daher Gerichtsentscheidungen zumindest in anonymisierter Form öffentlich zugänglich gemacht werden.291 Insbesondere sind die Anforderungen von § 299 Abs. 2 ZPO, der die Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses für die Akteneinsicht fordert, hier nicht anwendbar.292 Die Weitergabebefugnis gerichtlicher Entscheidungen 285  BPatG, GRUR 1992, 53, 54; Hirte, NJW 1988, 1698, 1700; Albrecht, CR 1998, 373, 375. 286  Vgl. Albrecht, CR 1998, 373, 375, der jedoch darstellt, dass zumindest in der Vergangenheit gegen den Willen des entscheidenden Richters bzw. Spruchkörpers keine „amtliche“ Veröffentlichung erfolgte. 287  Vgl. EGMR, Urt. v. 08.12.1983  – 3 / 1982 / 49 / 78  – NJW 1986, 2178, EuGRZ 1985, 548. 288  Hierzu Meilicke, DB 1997, 1, 1; Soehring, AfP 1995, 449, 452. 289  Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 51 ff. 290  Vgl. auch VGH Mannheim, Urt. v. 07.05.2013 – 10 S 281 / 12, Koch, jurisPRITR 16 / 2013 Anm. 4; Hirte, NJW 1988, 1698, 1700, zur Verfassungskonformität von § 5 UrhG siehe Arnold, ZUM 1999, 283, 290. 291  BVerwG NJW 1997, 2694, 2694 f. m. w. N. 292  BGH NJW 2017, 1819, 1819 m. w. N.; Putzke / Zenthöfer, NJW 2015, 1777, 1779; Kissel / Mayer, GVG, § 12 Rn. 119; a. A. OLG Karlsruhe NStZ 1994, 50, 51; BPatG GRUR 1984, 342, 343; OLG München NStZ 2017, 311, 312; OLG München OLGZ 1984, 477, 478.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

erstreckt sich dabei nicht nur auf die durch das Gericht selbst als veröffentlichungswürdig eingestuften gerichtlichen Entscheidungen. Auch weitere gerichtliche Beschlüsse können für die Öffentlichkeit von Interesse sein.293 Die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen ist zudem „Teil der öffentlichen Aufgabe der Gerichte“.294 Diese Publikationspflicht ergibt sich unmittelbar aus dem Rechtstaatsgebot, der Justizgewährleistungspflicht, dem Demokratieprinzip sowie dem Grundsatz der Gewaltenteilung.295 Die Einhaltung des Gebotes, dass über jeden ohne Ansehen seiner Person von deutschen Gerichten geurteilt wird, kann nämlich nur durch die Veröffentlichung dieser Dokumente überprüft werden. Gleichsam sichert das Bewusstsein der Verfahrensgerechtigkeit den Rechtsfrieden in der Gesellschaft. Darüber hinaus hilft die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen bei der Wahrung der Rechtseinheit auch rechtswegübergreifend.296 Die öffentliche Zugänglichkeit von Entscheidungen steht somit primär im öffentlichen Interesse.297 Es besteht allerdings derzeit298 keine einfachgesetzliche allgemeine Pflicht zur Veröffentlichung dieser Informationen. Dies ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofes auch nicht erforderlich, da einer entsprechenden Regelung wohl nur klarstellende Wirkung zukommen würde.299 Dennoch würde eine solche Vorschrift die vielfach bestehende Rechtsunsicherheit verbessern. Eine eng umgrenzte Veröffentlichungspflicht gilt lediglich nach Art. 94 Abs. 2 GG i. V. m. § 31 Abs. 2 BVerfGG für Entscheidungen, denen Gesetzeskraft zukommt. Entsprechende Vorgaben gibt es darüber hinaus auf Länderebene für die Landesverfassungsgerichte bzw. Verfassungsgerichtshöfe. Diese haben ebenfalls Entscheidungen mit Gesetzeskraft zu veröffentlichen, d. h. wenn sie eine Rechtsvorschrift für verfassungswidrig, nichtig oder nur in bestimmter Auslegung für verfassungsgemäß erklären, vgl. u. a. § 23 Abs. 1 S. 2 StGHG (Baden-Württemberg), Art. 25 Abs. 7 VfGHG (Bayern).300 Aufgrund der ebenfalls weitreichenden Bedeutung von Normenkontrollverfahren nach der VwGO, bei denen Rechtsvorschriften für ungültig erklärt 293  BGH

NJW 2017, 1819, 1820. NJW 2017, 1819, 1819 f. m. w. N.; BPatG GRUR 1992, 53, 53 f.; vgl. auch BVerfG NJW 2015, 3708, 3709 f.; Putzke / Zenthöfer, NJW 2015, 1777, 1777. 295  BVerwG NJW 1997, 2694, 2695; BGH NJW 2017, 1819, 1819 f.; Putzke / Zenthöfer, NJW 2015, 1777, 1777. 296  Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 45 f., 65. 297  Vgl. BGH NJW 2017, 1819, 1820. 298  Bis zum 31.12.1965 gab es zumindest noch für den BFH eine gesetzliche Normierung in § 64 AO a. F. 299  BVerwG NJW 1997, 2694, 2695; BGH NJW 2017, 1819, 1820. 300  Vgl. ausführlich Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S.  117 ff. 294  BGH



D. Öffentlichkeitsbedürftige Informationen203

werden, sind diese gerichtlichen Entscheidungen zu publizieren, § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Auch das Landessozialgericht hat Entscheidungen über für unwirksam erklärte Rechtsvorschriften zu veröffentlichen, § 55a Abs. 5 SGG. Darüber hinaus wird in Massenverfahren eine Veröffentlichungspflicht angeordnet. Die kritische Größe in diesem Zusammenhang wird auf fünfzig Personen festgelegt, vgl. § 56a VwGO, § 30a FGO. Nach Art. 8 Satz 1 AGVwGO hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Pflicht, Entscheidungen mit grundsätzlicher Bedeutung zu veröffentlichen.301 Diese Pflicht lässt sich jedoch aufgrund der landesrechtlichen Normierung nicht auf andere Gerichte übertragen. Zudem steht die in dieser Regelung beinhaltete Einschränkung auf grundsätzlich bedeutsame Entscheidungen einer generellen Veröffentlichungspflicht entgegen. Auch in diesem Fall sollen die zu kontrollierenden Richter selbst die Auswahl treffen, welche Entscheidungen zu publizieren sind, vgl. Art. 8 Satz 2 AGVwGO. Weder für die ordentliche noch für die verwaltungsrechtliche Instanzenrechtsprechung kann eine Veröffentlichungspflicht aus den oben genannten Normen hergeleitet werden. Auch weitere öffentlichkeitsherstellende Normen sind nicht einschlägig. Insbesondere § 299 Abs. 2 ZPO kann weder direkt noch analog für die Veröffentlichungsverpflichtung der Gerichte als Rechtsgrundlage herangezogen werden,302 da diese Vorschrift ein rechtliches Inte­ 301  Zur weiteren Veröffentlichungspraxis der Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe nach den Ausführungsgesetzen zur VwGO vgl. Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 120. 302  BGH NJW 2017, 1819, 1819 m. w. N.; Lames, Rechtsfortbildung als Prozesszweck, S. 45. Diese Vorschrift gewährt Dritten ein Einsichtsrecht in die Verfahrensakten und gleichzeitig auch in das Urteil, Hirte, NJW 1988, 1698, 1699; es besteht lediglich ein Anspruch des Dritten auf pflichtgemäße Ermessensausübung der Gerichte, Leipold, in: Stein / Jonas, ZPO, Band 4, § 299 Rn. 42; allerdings steht dieses Recht im Ermessen des Gerichtes, was einer generellen Veröffentlichungspflicht diametral entgegensteht, vgl. Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 104. Ein grundsätzliches Interesse an der behandelten Rechtsmaterie bzw. sogar konkreten Rechtsfrage genügt beispielsweise nicht für § 299 Abs. 2 ZPO, so dass sogar interessierten Rechtsanwälten die Akteneinsicht zur Kenntnisnahme ähnlich gelagerter Fälle verwehrt wird, Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 105; Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, S. 68 bejaht in Parallelfällen aus Rechtzschutzgründen ein Einsichtsrecht. Das OLG München OLZ 1984, 477, 482 f., stützt hingegen einen Auskunftsanspruch auf eine extensive Auslegung des § 299 Abs. 2 ZPO. Allerdings stammen die Entscheidungen, die ein Einsichtsrecht in vielen Fällen in der Vergangenheit verwehrt haben, aus einer Zeit, in der die Anonymisierung noch händisch und damit nur zeitintensiv möglich war. Es ist davon auszugehen, dass die Reduzierung der Arbeitslast bei den Gerichten auch ein – jedoch ungeschriebener – Erwägungsgrund für eine Ablehnung des Gesuches war. Im Hinblick auf die heute bestehenden technischen Möglichkeiten wären u. U. viele dieser Entscheidungen anders ausgegangen.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

resse fordert, während Gerichtsentscheidungen voraussetzungsfrei zu überlassen sind.303 Der Umstand, dass die öffentliche Zugänglichmachung von gerichtlichen Entscheidungen erst die Aufgabenerfüllung durch die Justiz abschließend ermöglicht, ist bereits ein hinreichend verfassungsrechtlich ­legitimiertes Ziel, so dass das von § 299 Abs. 2 ZPO geforderte Interesse eine ungerechtfertigte Hürde darstellen würde und mithin diese Regelung nicht einschlägig ist.304 Auch § 169 Abs. 1 GVG bietet keine Anspruchsgrundlage für eine entsprechende Verpflichtung.305 § 5 Abs. 1 UrhG stellt ebenfalls unmittelbar keine Veröffentlichungspflicht auf. Allerdings vertritt das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, dass aufgrund der Gemeinfreizeichnung von Entscheidungen sowie deren amtlicher Leitsätze durch diese Norm, der Gesetzgeber (stillschweigend) von einer Veröffentlichungspflicht ausgeht.306 Bedenkt man die hohe gesellschaftliche Relevanz von Gerichtsentscheidungen, erstaunt es, dass ihre Veröffentlichung lediglich von den obersten Gerichten im Rahmen einer Selbstverpflichtung durch die Geschäftsordnung vorgesehen ist.307 Mangels fehlender gesetzlicher Vorgaben unterscheidet sich die analoge Veröffentlichungspraxis der obersten Gerichte teilweise erheblich.308 Es versteht sich von selbst, dass eine Veröffentlichungspflicht bei Gerichtsentscheidungen an rechtliche und faktische Grenzen stößt. Einschränkungen bei der Veröffentlichung können aus rechtlichen Gründen insbesondere hinsichtlich solcher Entscheidungen und Daten gemacht werden, deren Veröffentlichung verfassungsrechtlich geschützte Interessen entgegenstehen.309 Sollten beispielsweise die informationelle Selbstbestimmung oder Geschäftsgeheimnisse gebieten, dass Stellen in gerichtlichen Dokumenten 303  BGH

NJW 2017, 1819, 1819 f. BGH NJW 2017, 1819, 1819 f. m. w. N.; Lames, Rechtsfortbildung als Prozesszweck, S.  45 f. 305  Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S.  111; BGH NJW 2017, 1819, 1820. 306  BVerwG NJW 1997, 2694, 2694  f. m. w. N.; OLG Celle NJW 1990, 2570, 2571. 307  §§ 31 ff. BVerfGGO 2015, § 18 GeschO des BGH, § 18 GeschO des BAG, § 5 Abs. 3 GeschO des BFH, § 9 GeschO des BVerwG, § 13 GO BSG; ausführlich hierzu Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 121 ff. Es sind jeweils die einzelnen Richter für die Veröffentlichung verantwortlich. 308  Vgl. Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 29 ff.; rechtshistorisch bietet Leistner, Über die Veröffentlichungspraxis oberster und höherer Gerichte in Westeuropa, einen umfassenden Überblick über die damalige Veröffent­ lichungspraxis der obersten Gerichte in Europa. 309  Vgl. zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Öffentlichkeit Kapitel 5 B. 304  Vgl.



D. Öffentlichkeitsbedürftige Informationen205

nicht veröffentlicht werden, ist von der Veröffentlichung abzusehen und ein entsprechender Hinweis aufzunehmen, der für hinreichende Transparenz sorgt. Im Übrigen kann eine Pflicht zur Anonymisierung bestehen, die allerdings gerade bei elektronischen Dokumenten relativ leicht bewerkstelligt werden kann.310 In faktischer Hinsicht war es in vordigitaler Zeit noch schier unmöglich, alle (insbesondere untergerichtlichen) Entscheidungen in (amtlichen) Sammlungen in Buch- oder Zeitschriftenform zu veröffentlichen. Selbst bei der noch relativ überschaubaren Anzahl der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts findet eine Auswahl statt; die Veröffentlichung kann ausgeschlossen werden, vgl. § 31 Abs. 2 BVerfGGO 2015. Dies muss erst recht für die Instanzenrechtsprechung gelten. Gleichwohl betreffen die rechtlichen und faktischen Hürden nur das „Wie“ und „Welche“, nicht aber das generelle, aus dem Öffentlichkeitsgrundsatz herleitbare Publizitätsgebot. Die Digitalisierung hat die Zugänglichkeit von gerichtlichen Entscheidungen nicht nur vereinfacht, sondern insbesondere bei den Obergerichten auch vereinheitlicht, so dass inzwischen viele dieser Entscheidungen online abrufbar sind. Eine Vorreiterrolle hierbei hat das Bundesverfassungsgericht übernommen, als dieses im Jahr 1998 begann, seine Entscheidungen zum kostenfreien Abruf über das Internet öffentlich zugänglich zu machen.311 In der Zwischenzeit sind alle Bundesgerichte diesem Beispiel gefolgt.312 Darüber hinaus besteht über verschiedene kostenfreie313 oder kostenpflichtige314 Portale im Internet auch Zugang zu Entscheidungen der Instanzenrechtsprechung. Der Großteil der amts- und landgerichtlichen Entscheidungen ist allerdings nicht online abrufbar und erst recht nicht analog veröffentlicht. Insbesondere 310  Hierzu

Kapitel 5 B. III. 2. Entscheidungen des BVerfG sind seit dem Jahr 1998 über die Seite http: /  / www.bundesverfassungsgericht.de abrufbar. Hierbei fördert die Anordnung der Entscheidungen nach Einstellungs- bzw. Entscheidungsdatum oder Aktenzeichen nicht unbedingt die Transparenz. 312  Der BGH veröffentlicht seit dem 01.01.2000 (http: /  / www.bundesgerichtshof. de / DE / Entscheidungen / entscheidungen_node.html), das BVerwG seit dem 01.01. 2002 (http: /  / www.bverwg.de / entscheidungen / entscheidungen.php), die Entscheidungen des BPatG seit dem 01.01.2006 (http: /  / juris.bundespatentgericht.de / cgi-bin /  rechtsprechung / list.py?Gericht=bpatg&Art=en&Sort=12288&Datum=Aktuell), die Entscheidungen von BSG, BAG, BPatG und BFH kann man seit dem Jahr 2010 online abrufen (http: /  / juris.bundessozialgericht.de / cgi-bin / rechtsprechung / list.py?Ge richt=bsg&Art=en, http: /  / juris.bundesarbeitsgericht.de, http: /  / www.bundesfinanzhof. de / entscheidungen). Die gesamten Entscheidungen sind einheitlich über http: /  / www. rechtsprechung-im-internet.de abrufbar. 313  Vgl. http: /  / openjur.de, http: /  / lexetius.com. 314  www.juris.de; https: /  / beck-online.beck.de. 311  Die

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

die Veröffentlichung der Instanzenrechtsprechung ist mithin noch ausbau­ fähig, um dem Vorwurf einer Geheim- oder Interessenjustiz entgegenzutreten.315 Die heutige Informationspolitik der Gerichte wird daher vielfach kritisch gesehen.316 Neben der Erfüllung öffentlicher Interessen ermöglicht eine vollständige Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen auch die Erfüllung privat(wirtschaftlich)er Bedürfnisse. Ferner dient die Veröffent­ lichung entsprechender Informationen auch der effizienteren Arbeit von Gerichten, Rechtsanwälten und Behörden und damit auch einer bundesweit einheitlicheren Rechtsprechung.317 Durch die Digitalisierung des Gerichtswesens und die elektronische Akte wird eine die informationelle Selbstbestimmung der Verfahrensbeteiligten wahrende Veröffentlichung in den nächsten Jahren noch deutlich leichter technisch möglich sein. Unproblematisch werden von der durch das Verfassungsrecht gebotenen Veröffentlichungspflicht rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen erfasst.318 Hierbei darf nicht nach dem „Wert“ des Urteils unterschieden werden.319 Insbesondere Stimmen, die dafür plädieren, nur Präzedenzfälle zu veröffentlichen, verkennen, dass sich die Veröffentlichungspflicht aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip ableitet. Dies hat zur Folge, dass auch gewöhnliche Gerichtsentscheidungen zur Ermöglichung des demokratischen Kontrollprozesses im judiziellen Kontext veröffentlicht werden müssen. Mithin ist jede gerichtliche Entscheidung, die Ausdruck der staatlichen Gewalt ist, vollständig zu veröffentlichen. Auch Kapazitäts- und Übersichtlichkeitsgründe dürften für die Einschränkungen der Veröffentlichungen nicht von Relevanz sein, da es die technischen Gegebenheiten heutzutage ermöglichen, unbegrenzt Gerichtsentscheidungen zu speichern, zu systematisieren und

315  Vgl. entsprechende Vorwürfe gegenüber BGH und BFH aufgrund unvollständiger Entscheidungsveröffentlichung: Mitteilung NJW 1959, 376; Der Verdacht, NJW 1959, 325; Risse, BB 1965, 614; Strunz, Stbg 1983, 225, 225 f.; Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 31, 34 f., 51. Vgl. Meilicke, Das Bundesarbeitsgericht – Selbsternannter Sondergesetzgeber zu Lasten der Arbeitgeber. 316  Simitis, Informationskrise des Rechts und Datenverarbeitung, S. 26  f.; Huff, Justiz und Öffentlichkeit, S. 6; Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 51 ff.; zur formalen Publikationsdichte aus den Jahren 1987–1993 vgl. Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 77 ff.; Kapp, BB 1981, 567, 568. 317  Vgl. Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 39 mit Verweis auf Süsterhenn, Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz Koblenz (AS Rh-PF), Band 1, Vorwort; aufgegriffen von Süsterhenn / Luxemburger, Amtliche Sammlung von Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Rheinland-Pfalz und Saarland, Band 6, Vorwort. 318  BVerwGE 104, 105, 108 f. 319  Vgl. BGH NJW 2017, 1819, 1820.



D. Öffentlichkeitsbedürftige Informationen207

­ ffentlich zugänglich zu machen.320 Es bedarf vielmehr eines intelligenten ö Suchsystems, das „Ordnung“ in die bereits heute bestehende Vielzahl von Gerichtsentscheidungen bringt. Dies mag nicht „von heute auf morgen“ gelingen. Die Justizsysteme müssen aber in diese Richtung entwickelt werden. War es in „analogen Zeiten“ noch eine Frage des „Wie“ und „Welche“, ist es unter den Bedingungen einer digitalen Justiz nur noch eine Frage des „Wann“. Fraglich ist allerdings, ob auch nicht-rechtskräftige Gerichtsentscheidungen bereits veröffentlicht werden dürfen bzw. sogar veröffentlicht werden müssen. Es könnte befürchtet werden, dass veröffentlichte nicht-rechtskräftige Entscheidungen aufgrund eines Diskurses in der Öffentlichkeit die nachfolgende Instanz beeinflussen könnten. Dieses Risiko ist allerdings aufgrund des deutschen Justizsystems und der Bindung der Richter an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) als gering anzusehen. Zudem muss es ein Richter aushalten können, dass Menschen anderer (Rechts-)Auffassung sind als er und sich von Beeinflussungsversuchen frei machen können.321 Darüber hi­ naus ergeben sich keine Gründe, die eine Gefährdung des nächsten Verfahrens mit sich bringen könnten. Sollte sich als Folge der Veröffentlichung ein weiterer Zeuge melden oder ein sonstiges neues Beweismittel auftauchen, ist dies eher als Gewinn für die Wahrheitsfindung anzusehen. Ob und auf welchem Wege weitere Tatsachen in einer zweiten Instanz eingeführt werden dürfen, ist zudem bereits hinreichend prozessrechtlich geregelt. Somit sind auch nicht-rechtskräftige Entscheidungen im Volltext veröffentlichungsbedürftig.322 Soweit es insbesondere um den Persönlichkeitsschutz von Verfahrensbeteiligten geht, wird dieser durch die gebotene und technisch auch leicht umsetzbare Anonymisierung gewahrt. Zudem sind alle gerichtlichen Beschlüsse, aus denen ein Machtmissbrauch ersichtlich sein kann, beispielsweise Beschlüsse zur Verteilung von Geldauflagen, öffentlich zugänglich zu machen, um ein bestehendes Missbrauchs­ potential einzudämmen.323

320  Walker,

Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 50. heute gibt es in Ausnahmefällen Gewalt gegen Justizangestellte und Richter, die aufgrund ihres Amtes unter Polizeischutz stehen und bedroht werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass eine Veröffentlichung nicht-rechtskräftiger Entscheidungen eine weitergehende Eskalation der derzeitigen Situation bewirken wird. 322  So auch BVerfG NJW 2015, 3708, 3710; BGH NJW 2017, 1819, 1820; OLG München OLGZ 1984, 477, 483; Putzke / Zenthöfer, NJW 2015, 1777, 1778; Albrecht, CR 1998, 373, 375. 323  Vgl. http: /  / www.spiegel.de / spiegel / print / d-43018821.html, http: /  / www.fo cus.de / politik / deutschland / 20-000-euro-dank-vetternwirtschaft-richter-schanzt-reit verein-der-tochter-bussgelder-zu_id_3660578.html. 321  Bereits

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

Darüber hinaus besitzen alle Dokumente aus der staatlichen Sphäre, die in einer öffentlichen Verhandlung von Relevanz sind und ein Über- / Unterordnungsverhältnis von Staat und Betroffenen – d. h. eine fehlende (prozessrechtliche) Gleichstellung von Privatem und Öffentlichem gewährleisten, ebenfalls ein übergeordnetes Interesse für die Öffentlichkeit. So sind in der Phase 2 des Verfahrens die Anklageschrift sowie alle verfahrensrelevanten staatsanwaltschaftlichen Beschlüsse öffentlich zugänglich zu machen. Auch aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes erbrachte Beweise von staatlicher Stelle müssen in verfassungsrechtlich gebotenem Umfang öffentlich zugänglich bzw. für den Bürger einsehbar gemacht werden. Dies geschieht vielfach in ausreichendem Maße in der mündlichen Verhandlung. Wird jedoch bei Urkunden auf das Selbstleseverfahren verwiesen, hat der Bürger keine Möglichkeit, diesen Verfahrensschritt und eine darauf basierende gerichtliche Entscheidung zu kontrollieren. Ebenfalls der staatlichen Sphäre zugeordnete öffentlichkeitsbedürftige Beweismittel sind insbesondere in Strafverfahren durch die Gerichte beantragte Gutachten. Der vereidigte und (zumeist) öffentlich bestellte Sachverständige (vgl. § 73 Abs. 3 StPO, § 404 Abs. 3 ZPO) erstellt sein Gutachten als Privatperson und wird durch die Vereidigung / öffentliche Bestellung nicht unmittelbarer Bestandteil des Staates. Er handelt jedoch mittelbar als eine Art „Gehilfe“ in der staatlichen Sphäre, da er dem Gericht die entsprechende Fachkenntnis vermittelt und dadurch erst ein entsprechendes Urteil ermöglicht.324 Das Gericht bestimmt einerseits den Sachverständigen(kreis) eigenständig (§ 73 StPO, § 404 Abs. 1 ZPO) und soll diesen (an)leiten bzw. ist diesem gegenüber weisungsbefugt (§ 78 StPO, § 404a Abs. 1 ZPO). Andererseits wird seine Stellung im Verfahren dadurch aufgezeigt, dass dieser wie ein Richter abgelehnt werden kann (§ 74 StPO, § 406 ZPO). Aufgrund der besonderen Sachkunde von Sachverständigen stützen sich Gerichte bei fachspezifischen Fragen auf die erfolgte Begutachtung, und dadurch prägen Sachverständige Verfahren und Entscheidungen wesentlich mit. Selbst die Beurteilung der Schuldfähigkeit eines Angeklagten oder der Glaubwürdigkeit von Zeugen beruhen in gewissen Fällen im Wesentlichen auf der Begutachtung eines Sachverständigen. Aufgrund dieser herausgehobenen Stellung im Verfahren für Gerichtssachverständige und des Umstandes, dass Sachverständigengutachten für die gerichtliche Entscheidung von weitreichender Bedeutung sind, sind diese grundsätzlich wie Unterlagen, die aus der staatlichen Sphäre stammen, von entsprechender öffentlicher Relevanz. Die Grenzen 324  Rüping, Zur Rolle des Sachverständigen im Strafverfahren, S. 1 abrufbar unter http: /  / www.pknds.de / fileadmin / user_upload / Dokumente / Sonstiges / Berichte / Herr_ Prof._Dr._Hinrich_Rueping_2.pdf; vgl. Schreiber, in: Broda u. a. (Hrsg.), FS Wassermann, S. 1007 f., der vom Gutachter als ein Mittel für den Beweis spricht.



D. Öffentlichkeitsbedürftige Informationen209

hinsichtlich der Veröffentlichung von Sachverständigengutachten sind (verfassungs-)rechtlich indiziert. Insbesondere verfassungsrechtlich geschützte Interessen wie die informationelle Selbstbestimmung Begutachteter oder ein eigentumsrechtlicher Geheimnisschutz können einer vollständigen Veröffentlichung entgegenstehen.325 Bei „einfach“ gelagerten Gutachten, beispielsweise über die Belastbarkeit von Photovoltaikanlagen bei Schneebelastung o. ä., ist nach grundsätzlicher Wertung allerdings nicht einzusehen, dass die Gutachten geheim bleiben. In den meisten Fällen ist, sofern erforderlich, eine Anonymisierung des Gutachtens problemlos möglich, so dass das Datenschutzrecht oder weitere Vorgaben, die dem Geheimnisschutz dienen, einer Publizierung nicht im Wege stehen. Sachverständigengutachten können allerdings urheberrechtlichen Schutz genießen, wenn diese über die reine schematische Darstellung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Lehrsätze eine eigene Leistung des Verfassers erkennen lassen, so dass die erforderliche Schöpfungshöhe erreicht wird.326 Der rein technische Inhalt eines solchen Dokuments wird grundsätzlich nämlich nicht als persönliche geistige Schöpfung i. S. d. § 2 Abs. 2 UrhG angesehen,327 insbesondere bei medizinischen328 oder auch unfallanalytischen329 Gutachten.330 In solchen Fällen ist eine öffentliche Zugänglichmachung des Sachverständigengutachtens ohne Verstoß gegen das Urheberrecht möglich.331 Bei einer Bejahung der Schöpfungshöhe des Werkes könnte der Urheber eine öffentliche Zugänglichmachung seines Werkes durch Dritte grundsätzlich unterbinden.332 Hier wird überlegt, ob bei urheberrechtlich geschützten Gerichtsgutachten eine erweiterte Nutzungsmöglichkeit aufgrund einer konkludenten Einwilligung des Erstellers besteht und somit eine „Online-Veröffentlichung des Gutachtens auf einer öffentlich zugänglichen Plattform“ ebenfalls möglich ist, § 31 Abs. 5 UrhG.333 325  Hierzu

ausführlich Kapitel 5 B. III. LG Berlin NJOZ 2012, 2122, 2123, 327  Vgl. zum Schutz wissenschaftlicher Werke, Schulze, in: Dreier / Schulze (Hrsg.), UrhG § 2 Rn. 93 ff. m. w. N. 328  Schur, MED SACH 2009, 162, 163. 329  IfS Informationen 4 / 2011 S. 4, abrufbar unter http: /  / www.vbd-ev.de / in halte / Mitgliederbereich / images / 2011 / IfS / Ifs-2011-04-Gutachten-Urheberrecht.pdf. 330  KG Berlin Beschl. v. 11.05.2011  – 24 U 28 / 11 zu Gutachten über den Verkehrswert von Grundstücken. 331  Demgegenüber können Lichtbilder, die ein Gutachter gemacht hat, vom Leistungsschutz des § 72 UrhG erfasst sein. 332  Ein (Wertermittlungs-)Gutachten ist zumindest nicht als amtliches Werk i. S. d. § 5 UrhG anzusehen, Hauck, ZUM 2011, 542, 548. 333  IfS Informationen 4 / 2011 S. 4, abrufbar unter http: /  / www.vbd-ev.de / in halte / Mitgliederbereich / images / 2011 / IfS / Ifs-2011-04-Gutachten-Urheberrecht.pdf. 326  Vgl.

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

Dieser Konstruktion bedarf es jedoch nicht, da der Gesetzgeber mit § 45 Abs. 3 UrhG bereits für solche Fälle vorgesorgt hat.334 Dieser gestattet der Rechtspflege die Verbreitung, öffentliche Ausstellung und öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken. Unter Rechtspflege versteht man alle durch Gerichte sowie weitere in die Anwendung des Rechts involvierte staatliche Institutionen ausgeführte Aufgaben im Rahmen der Durchsetzung des Rechts.335 Über die enumerativ aufgezählten Nutzungen fällt hierunter nach herrschender Auffassung auch die öffentliche Zugänglichmachung im Internet nach § 19a UrhG.336 Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 UrhG, der die Nutzungsarten der öffentlichen Wiedergabe aufzählt und dabei auch § 19a UrhG nennt.337 Darüber hinaus spricht hierfür, dass § 19a UrhG erst nachträglich mit dem Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10.09.2003338 eingefügt wurde. § 45 UrhG sollte jede Verwertungshandlung abdecken,339 um die Gerichte in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht zu behindern. Allerdings gestattet § 45 UrhG nicht, dass Parteien oder Dritte entsprechende Werke eigenmächtig öffentlich zugänglich machen.340 Für die Veröffentlichung im Rahmen des Gerichtsverfahrens besteht ferner keine Vergütungspflicht.341 Enthalten entsprechende Gutachten oder auch Beweismittel die Aufnahmen von Personen, so wäre eine Veröffentlichung über § 45 Abs. 3 UrhG zwar grundsätzlich möglich. In dieser Konstellation ist jedoch das Persön334  Hauck,

ZUM 2011, 542, 548; Ulrich, DS 2011, 308, 315.

335  http: /  / www.bpb.de / nachschlagen / lexika / recht-a-z / 22774 / rechtspflege.

336  Melichar, in: Schricker / Loewenheim (Hrsg.), Urheberrecht, § 45 Rn. 1, 8; Dreier, in: Dreier / Schulze (Hrsg.), UrhG, § 45 Rn. 15; Dustmann, in: Fromm / Nordemann (Hrsg.), Urheberrecht, § 45 Rn. 11; Lüft, in: Wandtke / Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, § 45 Rn. 6; Wiebe, in: Spindler / Schuster (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien, § 45 UrhG, Rn. 3; Dreyer, in: Dreyer / Kotthoff / Meckel (Hrsg.), Urheberrecht, § 45 Rn. 6. 337  Dreyer, in: Dreyer / Kotthoff / Meckel (Hrsg.), Urheberrecht, § 45 Rn. 6. 338  BGBl. I 2003, 1774. 339  Melichar, in: Schricker / Loewenheim (Hrsg.), Urheberrecht, § 45 Rn. 1. 340  Dustmann, in: Fromm / Nordemann (Hrsg.), Urheberrecht, § 45 Rn. 11. 341  Dreyer, in: Dreyer / Kotthoff / Meckel (Hrsg.), Urheberrecht, § 45 Rn. 21. Die Frage, ob auf diesem Wege veröffentlichte Gutachten über eine häufig vor Gericht auftretende Frage mehrfach verwendet werden dürfen, da die Sachkunde in diesem Themenbereich durch das Gutachten dem Gericht bereits hinreichend vermittelt wurde, wird von Ulrich, DS 2011, 308, 315 grundsätzlich bejaht. Die Nutzung „geborgter Gutachten“ wird durch ihre Veröffentlichung in der Praxis wahrscheinlich deutlich zunehmen. Allerdings beruhen die meisten Gutachten auf konkreten Sachverhaltsbegebenheiten (z. B. bei Verkehrsunfällen oder Arzthaftungsfragen), so dass „geborgte Gutachten“ eher die Ausnahme bleiben werden und den Gutachtern durch eine Veröffentlichung von erstellten Begutachtungen nicht die erwerbswirtschaftliche Grundlage entzogen wird.



D. Öffentlichkeitsbedürftige Informationen211

lichkeitsrecht des Abgebildeten zu beachten, der zusätzlich noch den Schutz des § 22 KUG besitzt.342 Allerdings gestattet § 24 KUG den Behörden für Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche zur Schaustellung von Bildnissen ohne Einwilligung des Berechtigten sowie des Abgebildeten oder seiner Angehörigen. Hiernach ist neben einem Auslegen der Bilder im Verhandlungssaal auch eine öffentliche Zugänglichmachung (i. S. d. § 19a UrhG) über das Internet gestattet.343 Allerdings kann eine zeitliche Befristung der öffentlichen Zurschaustellung aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich sein.344 Zudem kann eine Anonymisierung der Betroffenen angebracht sein, soweit deren Identifizierung nicht durch das öffentliche Interesse gedeckt ist.345 bb) Unterlagen der Verfahrensbeteiligten Unterlagen, die durch die Verfahrensbeteiligten beigebracht wurden, sind zwar im Rahmen der Verfahrensakten Teil des staatlichen Verfahrens. Sie werden dadurch jedoch noch nicht hoheitlich, sind also nicht als originär staatlich zu werten. Daher stellen sich in diesem Kontext weitere Rechtsfragen für die Veröffentlichung, zumal beispielsweise § 5 UrhG für diese Dokumente keine Anwendung findet. Die Schriftsätze von Verfahrensbeteiligten (z. B. Klageschrift, Klageerwiderung etc.) sowie Beweismittel können bisher grundsätzlich weder im Rahmen der Hauptverhandlung noch danach durch die Öffentlichkeit eingesehen werden. Hierdurch besteht insbesondere in Zivilverhandlungen nicht die verfassungsrechtlich gebotene Verhandlungstransparenz.346 Die Verfahrensbeteiligten, die sich zur Lösung eines Rechtsstreits an ein Gericht wenden, treten aus der privaten in die öffentliche Sphäre ein. Dieser Umstand hat zur Folge, dass die entsprechenden Schriftsätze ebenfalls im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang in die Öffentlichkeit zu holen sind.347 In sehr umfangreichen Verfahren kann die vollständige Veröffentlichung der Parteidokumente der Transparenz des Verfahrens entgegenstehen. In diesen Fällen erscheint eine entsprechende sinnvolle Aufarbeitung des Streitgegenstandes möglich.

342  OLG

Frankfurt NJW 1971, 47, 47 ff. in: Dreier / Schulze (Hrsg.), UrhG § 24 KUG Rn. 10. 344  Specht, in: Dreier / Schulze (Hrsg.), UrhG § 24 KUG Rn. 10. 345  Vgl. hierzu ausführlich Kapitel 5 B. III. 2. 346  Vgl. hierzu Kapitel 1 C. I. 5. 347  So im Ergebnis auch Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 751. 343  Specht,

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

Bereits heute erlaubt § 299 Abs. 2 ZPO (bzw. § 13 Abs. 2 FamFG, § 24 Abs. 3 S. 1 PatG u. a.) Dritten mit Erlaubnis der Parteien die Einsicht der Akten. Darüber hinaus kann ohne eine entsprechende Erlaubnis in die Akten eingesehen werden, wenn ein rechtliches Interesse vorliegt. Das Vorliegen eines rechtlichen Interesses ist in der Vergangenheit jedoch sehr eng ausgelegt worden.348 Daher stützt diese Norm keine allgemeine Veröffentlichungspflicht. Vielmehr bedürfte es im Hinblick auf das Öffentlichkeitsbedürfnis im Kontext hoheitlichen Handelns einer Anpassung der Prozessordnungen, um ein Veröffentlichungshindernis zur Ausnahme zu machen, während die Veröffentlichungspflicht die Regel wird. Hierfür spricht bereits die Wertung des Gesetzgebers in anderen Gesetzen. Obwohl die Unterlagen der Verfahrensbeteiligten zumeist (kunst-)urheberrechtliche Schutz genießen, ist deren öffentliche Zugänglichmachung – wie bereits unter D. III 3. b) aa) ausgeführt – durch die Gerichte zu Zwecken der Rechtspflege gestattet, vgl. § 45 UrhG, § 24 KUG. Diese Ausnahme im öffentlichen Interesse ist weit zu verstehen und setzt keine besondere Interessenabwägung im Einzelfall voraus. Vielmehr hat der Gesetzgeber diese bereits in der Vorschrift selbst vorgenommen.349 Gleichzeitig erfordern das Demokratie- sowie Rechtsstaatsprinzip eine transparente Öffentlichkeit gerichtlicher Verfahren, die nur auf diesem Wege möglich ist. Die auf diesem Wege öffentlich zugänglich gemachten Werke sind jedoch weiterhin urheberrechtlich geschützt, so dass § 13 UrhG zu beachten und damit der Urheber zu benennen ist.350 Dem kann jedoch die informationelle Selbstbestimmung des Urhebers entgegenstehen, soweit er eine Anonymisierung seiner personenbezogenen Daten wünscht. Diese Überlegungen sind bei einer Veröffentlichung zu berücksichtigen.351 Zudem gibt es auch öffentlichkeitsermöglichende Techniken,352 die weitestgehend das Persönlichkeitsrecht der Abgebildeten sowie das Urheberrecht von eingereichten Schriftwerken schonen, so dass die wirtschaftlichen Inte­ ressen von Anwälten gewahrt werden. Es ist beispielsweise möglich, dass die Schriftsätze nur über einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum elektronisch eingesehen werden können und ein Kopierschutz auf dieser Seite implementiert ist, so dass technisch sogar die Funktion sog. Screenshots verhindert wird.353 Das Abfotografieren von Bildschirminhalten kann gegebenenfalls 348  Vgl.

Zuck, NJW 2010, 2913. in: Dreier / Schulze (Hrsg.), UrhG § 24 KUG Rn. 7. Ohrmann, Der Schutz der Persönlichkeit in Online-Medien, S. 69 f. hierzu ausführlich Kapitel 5 B. III. 2., 4. hierzu Kapitel 4 C. II. 2., 3. hierzu Kapitel 4 C. II. 2., 3.

349  Specht, 350  Vgl. 351  Vgl. 352  Vgl. 353  Vgl.



D. Öffentlichkeitsbedürftige Informationen213

durch innovative Sperrtechnologien oder auch strafrechtlich zu unterbinden versucht werden.354

IV. Das Öffentlichkeitsbedürfnis von Gerichtsverfahren ohne mündliche Verhandlung Neben dem Öffentlichkeitsbedürfnis innerhalb der mündlichen Verhandlung355 stellt sich auch die Frage, wie weit das Öffentlichkeitsbedürfnis bei Verfahren reicht, die prozessrechtlich ohne mündliche Verhandlung auskommen.356 Strafbefehle (§§ 407 ff. StPO)357, Gerichtsentscheide (§ 84 VwGO), Mahnbescheide (§§ 688 ff. ZPO) und verschiedene Beschlussverfahren (vgl. u. a. §§ 80 ff. ArbGG) ergehen zwar nach Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs der Betroffenen, schließen allerdings die Öffentlichkeit gänzlich aus. In Zivilverfahren kann das Gericht zudem nach § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit Zustimmung der Parteien eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und damit ohne öffentliche Beteiligung treffen. Ferner können Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist, § 128 Abs. 4 ZPO. Darüber hinaus kann der Richter bei einem Zivilverfahren mit einem Streitwert bis 600 Euro den Prozess nach billigem Ermessen gestalten und damit auf die mündliche Verhandlung (oder die Entscheidungsverkündung) verzichten, vgl. § 495a Satz 1 ZPO (sog. vereinfachtes Verfahren).358 Ein solches Vorgehen könnte vor dem Hintergrund des Öffentlichkeitsprinzips als problematisch angesehen werden. Allerdings kann der Betroffenen hierbei immer auch eine öffentliche Verhandlung forcieren, sei es nach der Entscheidung (§§ 694 Abs. 1, 696 ZPO, § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, §§ 410 f. StPO) oder bereits zuvor (§ 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG, § 495a Satz 2 ZPO). Verzichtet der Betroffene hierauf, kann 354  Hierzu

näher Kapitel 4 C. 3. c), Kapitel 5 C. II. 1. in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 742 ff. zeigt die enge Verknüpfung des öffentlichen Verfahrens zum Mündlichkeitsprinzip auf. 356  Kritisch zum faktischen Öffentlichkeitsausschluss in solchen Verfahren aus schweizerischem Blickwinkel auch Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 745 f. 357  Zipf, Gutachten C zum 54. Deutschen Juristentag 1982, C 70 f., sieht in diesen Konstellationen keinen Bedarf für die Herstellung von Öffentlichkeit. Er bejaht jedoch eine Kontrollpflicht und damit ein Öffentlichkeitsbedürfnis bei einer Anwendung von § 153a StPO, da dem Beschuldigten hierbei keine Rechtsmittel zur Verfügung stehen. 358  Wittschier, in: Musielak / Voit (Hrsg.), ZPO, § 495a Rn. 6; so können Zeugen und Sachverständige telefonisch vernommen werden, Fischer MDR 1994, 978, 981. 355  Schindler,

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

daher vertreten werden, dass er des Schutzes der Öffentlichkeit nicht bedarf und entsprechende Dokumente aus diesem Grund nicht veröffentlicht werden müssen. Macht ein Betroffener seine Rechte nach einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung hingegen geltend und mündet das Verfahren daher in eine öffentliche Verhandlung, sind spätestens zu diesem Zeitpunkt die entsprechenden Gerichtsentscheidungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.359 Allerdings stellt sich die Frage, ob Gericht und Betroffener auf diesem Wege die Öffentlichkeit ausschließen dürfen, oder ob ein entsprechender Verzicht des Betroffenen überhaupt nicht in seiner Dispositionsbefugnis liegen kann.360 Auch diese Form der richterlichen Handlung ist als Hoheitsakt zu werten. Auf Grundlage des Open Data-Gedankens, der öffentliches Staatshandeln fordert, wäre damit auch in dieser Situation eine Veröffentlichung der Unterlagen zu fordern.361 Dies gilt insbesondere auch dann, wenn ein Richter nach eigenem Ermessen im vereinfachten Verfahren statt eines öffentlichen Verkündungstermins die Entscheidung lediglich den Verfahrensbeteiligten zustellt.362 Wie bereits oben festgestellt, gehören gerichtliche Entscheidungen nicht alleine den Verfahrensbeteiligten oder dem Richter; somit können diese nicht eine Veröffentlichung verhindern.363 Aus diesem Grund sind auch Informationen aus rein schriftlichen Verfahren als öffentlichkeitsbedürftig anzusehen. So hat bereits Savigny 1846 vor dem Hintergrund einer unvollständigen Alphabetisierung der Bevölkerung und fehlender Ressourcen in jeder Hinsicht364 zur Öffentlichkeit in schriftlichen Verfahren festgestellt, dass sich Öffentlichkeit auch auf diesem Wege bewerkstelligen ließe, „[s]ie würde jedoch hierbei nur in einer solchen Beschränkung stattfinden und darum nur eine so untergeordnete Bedeutung erlangen können, daß es sich vorerst [Hervorhebung durch die Verf.] nicht der Mühe lohnen würde, die Oeffentlichkeit in Verbindung mit dem schriftlichen Verfahren […] in Erwägung zu ziehen“.365 Nunmehr bestehen jedoch die faktischen Hindernisse aus 359  Vgl.

D. II. 2.

360  Zimmermann,

in: Krüger / Rauscher (Hrsg.), MüKo ZPO, Band 3, § 169 GVG Rn. 24, 28 lehnt eine Parteidispositionsbefugnis ab. 361  So im Ergebnis auch Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 746. 362  Wittschier, in: Musielak / Voit (Hrsg.), ZPO, § 495a Rn. 6. 363  Vgl. D. III. 3. b) aa); BPatG GRUR 1992, 53, 54; so auch Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 748 m. w. N. 364  In den Jahren 1846 / 1847 herrschte in Europa die letzte große Hungersnot der vorindustrialisierten Zeit, die auch sonst von Mangel geprägt war und in der Revolution 1848 / 1849 mündete, vgl. https: /  / www.dhm.de / lemo / kapitel / vormaerz-und-re volution / alltagsleben / die-krisenjahre-184647.html. 365  Savigny, Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, S. 27.



D. Öffentlichkeitsbedürftige Informationen215

der Zeit Savignys für eine schriftliche Form der Öffentlichkeitsgewähr nicht mehr. Zur Einführung der Öffentlichkeit in schriftlichen Verfahren bedürfte es heute noch der klarstellenden einfachgesetzlichen Regelung, um eine voraussetzungfreie Veröffentlichungspflicht zu postulieren und damit Rechts­ sicherheit zu schaffen.

V. Öffentlichkeit bei Gericht – ein Fazit Das Öffentlichkeitsprinzip prägt maßgeblich die dritte Gewalt, welche einerseits durch Streitschlichtung bzw. Streitbeendigung den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt und andererseits die Exekutive sowie Legislative kon­ trolliert und hierdurch mäßigt. Die Herstellung von Öffentlichkeit ist als Organisationsgrundsatz innerhalb der Justiz anzusehen und damit Teil der Gerichtsverwaltung. Daher obliegt es auch nicht der Rechtsprechung in Form der Richter, eine Öffentlichkeitsbegrenzung eigenständig vorzunehmen, es sei denn, dass das Gesetz ein solches Vorgehen vorschreibt bzw. erlaubt (vgl. u. a. §§ 171a ff. GVG). Mithin hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, die Gerichtsöffentlichkeit näher zu modifizieren. Ein solches Vorgehen darf jedoch das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip nicht konterkarieren. Einer gesetzlichen Konturierung von Öffentlichkeit steht insbesondere nicht der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit entgegen, da durch Gerichtsöffentlichkeit grundsätzlich kein unmittelbarer Einfluss auf die Entscheidungsfindung ausgeübt werden kann. Der Begriff der Öffentlichkeit findet sowohl für den Zugang von Rechtssuchenden als Verfahrensparteien (sog. Parteiöffentlichkeit) als auch den Zugang von Dritten als Zuschauern (sog. Drittöffentlichkeit) zu einem Gerichtsverfahren Anwendung. Unter Drittöffentlichkeit wird die grundsätzliche Zugänglichkeit einer mündlichen Verhandlung durch jedermann verstanden, der nicht Beteiligter des Verfahrens ist, sowie das Recht, der Verkündung von Urteilen und Beschlüssen beizuwohnen (sog. Sitzungsöffentlichkeit). Die derzeitigen Formen der Drittöffentlichkeit sind die Saalöffentlichkeit und die Medienöffentlichkeit. Während die Saalöffentlichkeit eine unmittelbare Öffentlichkeitsform ist, da die Zuschauer unmittelbar vor Ort das Geschehen erleben können, ist die Medienöffentlichkeit als mittelbar zu werten, da die auf diesem Wege hergestellte Öffentlichkeit über die klassischen Medien als Intermediäre erfolgt. Bei der Saalöffentlichkeit erhält der Zuschauer (lediglich) einen Einblick in die mündliche Verhandlung öffentlicher Sitzungen. Da einfache Zuschauer keine Auskunfts- und Einsichtsrechte in Gerichtsakten erhalten, ist die Informationskundgabe über diese Öffentlichkeitsform nur als bedingt transparent

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Kap. 2: Gerichtsöffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz

zu werten. Vorher ausgetauschte Schriftsätze darf der Zuschauer grundsätzlich nicht einsehen. Zudem werden Gerichtsentscheidungen nach der Verhandlung trotz bestehender Rechtspflicht zumeist durch die Gerichte nicht veröffentlicht. Die Saalöffentlichkeit wird zudem in der Praxis immer seltener durch unparteiische Dritte wahrgenommen, wodurch die Funktionen von Öffentlichkeit wie beispielsweise die Herstellung von Kontrolle, Schaffung von Akzeptanz und Vertrauen und Disziplinierung der Beteiligten faktisch leerlaufen.366 Zudem ergeben sich neben der inhaltlichen Öffentlichkeitsbeschränkung auch räumliche Grenzen. Viele Gerichtssäle sind verhältnismäßig klein und die damit zusammenhängenden Zuschauerkapazitäten folglich begrenzt. Neben diesen tatsächlichen Grenzen ergeben sich zudem weitere Zutrittshemmnisse. So wird das Stattfinden eines Gerichtsverfahrens in einer Art und Weise bekanntgegeben, dass Zuschauer vielfach nicht vorab erfahren, was für ein Verfahren mit welchem Inhalt wann stattfindet. Die Medienöffentlichkeit gestattet Medienvertretern die ungehinderte Wahrnehmung ihrer verfassungsrechtlich gesicherten Presse- bzw. Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) im Rahmen gerichtlicher Verfahren. Auf diesem Wege sollen die Bürger erreicht werden, die nicht als Zuschauer vor Ort ein Verfahren wahrgenommen haben bzw. wahrnehmen können. Im Gegensatz zum gewöhnlichen Zuschauer besitzen Medienvertreter zudem durch die landespresserechtlichen Auskunftsansprüche einen Zugang zu Verfahrensakten, um fundierter über ein Verfahren berichten zu können. Aber auch die Medienöffentlichkeit ist beschränkt. Insbesondere faktische Hemmnisse stehen einer umfänglichen Erfüllung der in Kapitel 1 B. genannten Funktionen entgegen. Einerseits bestehen die örtlich bedingten Kapazitätsgrenzen auch hier. Andererseits ist die Berichterstattung über Gerichtsverfahren ressourcenbedingt für die klassischen Medien nicht flächendeckend umsetzbar. Lediglich über einen geringen Bruchteil von Verhandlungen wird durch Journalisten berichtet. Neben der hierfür erfolgten redaktionellen Vorselektion kann die Berichterstattung an sich ein weiteres Hindernis bei der Herstellung von umfassender Gerichtsöffentlichkeit sein. Die Mittelbarkeit der Medienöffentlichkeit ermöglicht einerseits erst das Erreichen eines größeren Rezipientenkreises, andererseits ist sie jedoch als Schwäche dieser Öffentlichkeitsform zu werten. Mit Blick auf die bestehenden Mängel der heutigen Formen von Gerichts­ öffentlichkeit und die bestehenden Funktionen, die Öffentlichkeit im Rahmen staatlichen Handels besitzt, wird die derzeitige Öffentlichkeitsgewährleistung vorliegend als nicht ausreichend gewertet. Insbesondere die Informationen, 366  Velten, in: SK-StPO, Band IX, § 169 GVG Rn. 17 fordert zur Erfüllung der Funktionen von Öffentlichkeit die Anwesenheit von Zuschauern in gewisser quantitativer Stärke und Differenziertheit.



D. Öffentlichkeitsbedürftige Informationen217

die nach dem derzeitigen Öffentlichkeitsverständnis Bürgern zugänglich gemacht werden, sorgen nicht für Transparenz, was zur Folge hat, dass die heutige Gerichtsöffentlichkeit der inhaltlichen Öffentlichkeitsdimension nicht gerecht wird. Neben den flüchtigen Inhalten aus einer Gerichtsverhandlung sind nämlich auch viele der verkörperten Informationen aus einem Gerichtsverfahren öffentlichkeitsbedürftig, da ohne sie ein Verfahren für unbeteiligte Zuschauer nicht verständlich ist. Abhängig vom Ursprung dieser Dokumente stellen sich in diesem Kontext unterschiedliche Fragen. Einerseits muss hierbei das Datenschutzrecht beachtet werden, andererseits können primär bei privaten Dokumenten, welche in Gerichtsverfahren auch eine bedeutende Rolle spielen (können), (kunst-)urheberrechtliche Fragestellungen zu beachten sein. Darüber hinaus besitzen nach Maßgabe des Open Data-Gedankens auch Gerichtsverfahren, die ohne mündliche Verhandlung ablaufen, ein Öffentlichkeitsbedürfnis, dem heutzutage nicht genug Rechnung getragen wird.

Kapitel 3

Digitalisierung als rechtlich relevante Größe A. Technologische Entwicklung und digitale Transformation I. Digitale Transformation in der Gesellschaft Durch die technologische Entwicklung ist ein weltweiter Veränderungsprozess angestoßen worden, der die Wirtschaft, die Gesellschaften und auch Staaten einem umfassenden Wandel unterwirft.1 Der Ausbau einer digitalen Infrastruktur und die fortwährende Entwicklung neuer Anwendungen in dieser Infrastruktur berühren inzwischen fast jeden Aspekt in unserer Lebenswirklichkeit.2 Daher wird nicht nur der Einzelne hiervon beeinflusst, sondern die Technik bestimmt inzwischen in nicht minder wichtigem Umfang die Entwicklung der gesamten Gesellschaft.3 Dieser umfassende Wandel wird auch als digitale Transformation bezeichnet.4 Durch diesen Prozess bedingt, stellt jeder Teilnehmer des digitalen Wandels wiederum Anforderungen an seine Umwelt, so dass Einfluss und Auswirkung durch die Technik selbst vorangetrieben werden. Gleichzeitig führt der technische Wandel zu neuen Anforderungen an das Recht, das ebenfalls eine der tragenden Säulen gesellschaftlicher Entwicklungen darstellt. Die Erforschung des Verhältnisses von technischer Innovation und dem Recht übernimmt die durch Hoffmann-Riem entscheidend mitgeprägte rechtswissenschaftliche Innovationsforschung.5 1  So wurden beispielsweise personenbezogene Daten zum Wirtschaftsobjekt, vgl. zur zivilrechtlichen Dimension dieser Entwicklung grundlegend Specht, Konsequenzen der
Ökonomisierung informationeller Selbstbestimmung: Die zivilrechtliche Erfassung des Datenhandels. 2  Boehme-Neßler, Unscharfes Recht, S. 103. 3  Hornung, Die digitale Identität, S. 87. 4  Vgl. Pyrcek, BB 2017, 939, 939. 5  Vgl. Hoffmann-Riem, in: Eifert / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovation und rechtliche Regulierung, S. 26 ff.; Hoffmann-Riem, in: Eifert / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovation, Recht und öffentliche Kommunikation, S. 9 ff., 295 ff.; Hoffmann-Riem, AöR Band 131 (2006), S. 255, 261; Hoffmann-Riem, in: Sauer / Lang (Hrsg.), Parado-



A. Technologische Entwicklung und digitale Transformation219

Die Gesellschaft wurde in der Vergangenheit vor allem durch das Recht oder historische Ereignisse und Katastrophen geprägt. Heutzutage stellt die Technik ein bisher teilweise ungezähmtes menschengemachtes „Ereignis“ dar, welches neue Fakten schafft und bestehende Grenzen niederreißt.6 Um nachfolgende Entwicklungen zu gestalten, bedarf es der Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die Informationstechnologie.7 Gleichsam müssen bereits bestehende Rechtsnormen in Frage gestellt und gegebenenfalls neu ausgelegt oder reformiert werden.8 Durch (internationale) technische Entwicklungen werden Recht und Technik in einem permanenten Spannungsund Weiterentwicklungsverhältnis stehen. Zudem hat dies immer auch eine soziale Komponente.9 Neue Technologien und gesellschaftliche Entwicklungen müssen in das Recht aufgenommen werden und gleichzeitig in einer Weise Bändigung erfahren, damit sie der Gesellschaft nicht schaden. Da die Technik sehr schnelllebige Entwicklungszyklen besitzt, wird für die Zukunft eine ständige Wechselwirkung der beiden prägenden Einflüsse auf die Gesellschaft zu erwarten sein. Ein Kernelement der Kommunikations- und Informationstechnologie ist die auf diesem Wege erfolgte Beschleunigung von Informationsflüssen sowie die Eröffnung neuer Verbreitungswege für Informationen.10 Dies erzeugt einen Erwartungsdruck der Nutzer, die relevante Informationen möglichst schnell und unabhängig vom Ort ihres Entstehens erhalten wollen. Wartete man im „Postkuschenzeitalter“ noch geduldig tagelang auf einen Brief, wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Zustellformel „E+1“ zum Qualitätsversprechen der Deutschen Post. Im digitalen Zeitalter avanciert selbst asynchrone Kommunikation wie E-Mail oder ein Messengerxien der Innovation, S. 229 ff.; Roßnagel, in: Sauer / Lang (Hrsg.), Paradoxien der Innovation, S. 193, 198 ff. 6  Übersicht über verschiedene Herausforderungen durch und Reaktionen auf den gesellschaftlichen Wandel für das Recht Hoffmann-Riem, Innovation und Recht – Recht und Innovation, S. 14 f. 7  Graf von Westphalen / Neubert, CR 1988, 761, 765. Zur Techniksteuerung durch Recht Roßnagel, Rechtswissenschaftliche Technikfolgenabschätzung, S. 241 ff. 8  Zum Verfassungswandel siehe Roßnagel, Der Staat 1983, 551, 552 ff. m. w. N.; dabei handelt es sich um ein allgemeines Problem des Verhältnisses von Norm und Tatsache, das allerdings im Bereich des Technikrechts besonders ausgeprägt ist. Da technische Veränderungen den normativen Gehalt rechtlicher Vorschriften verändern können, ohne ihren Wortlaut anzutasten, ist auch der bloße Hinweis, eine bestimmte Entwicklung sei heute rechtswidrig, perspektivisch gesehen eine ungenügende Aussage, vgl. Hornung, Die digitale Identität, S. 87 f.; im Kontext der Kernenergie, Roßnagel, Radioaktiver Zerfall der Grundrechte?, S. 17 ff.; 222 ff. 9  Hornung, Grundrechtsinnovationen, S. 161 f. 10  Albrecht, in: Albrecht (Hrsg.), Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 1.

220

Kap. 3: Digitalisierung als rechtlich relevante Größe

Dienst zur Echtzeitkommunikation, weil elektronische Eingangsbestätigungen das Verlangen nach sofortiger Antwort schüren. Die digitale Technik hat aufgrund der Arbeitserleichterung, die sie mit sich bringt, bereits in vielen Unternehmen Einzug gefunden; dies zeigt sich etwa an intelligenten Stromzählern (sog. Smart Meter), die eine effizientere Stromnutzung gewährleisten sollen, oder im Rahmen der Industrie 4.0, die einen reibungslosen hochautomatisierten Produktionsprozess ermöglicht.11 Nach einer erfolgreichen Digitalisierung der Unternehmen verändern sich auch die Produktionsabläufe. So bieten immer mehr Unternehmen digitale Produkte an oder pflegen ihre Kundenbeziehungen auf diesem Wege. Die hierdurch geschaffene digitale Wertschöpfungskette verändert damit die Unternehmenslandschaft. Ein weiteres Beispiel für die digitale Transformation ist der Gesundheitssektor, der aufgrund des E-Health-Gesetzes12 eine Digitalisierung verschiedener Bereiche erlebt.13 Gleichzeitig vollzieht sich die digitale Transformation auch im Privaten. Ein Großteil der Deutschen besitzt einen eigenen Zugang zum Internet und nutzt diesen regelmäßig, um hierüber aktuelle Informationen zu erlangen, zu konsumieren oder sogar das Alltagsleben beispielsweise durch Smart HomeAnwendungen zu vereinfachen. Künftige Generationen werden sich mithilfe von Smart Cars fortbewegen, die den Straßenverkehr insgesamt sicherer machen sollen.14 Die wichtigste Komponente des digitalen Wandels ist jedoch noch immer die Rezeption von Informationen über das Internet. Auch das Bundesverfassungsgericht hat daher festgestellt, dass wir in einer technischen Informationsgesellschaft leben.15

11  Zur Änderung der Arbeitswelt durch Industrie 4.0, siehe Niebauer / Riemath, in: Andelfinger / Hänisch (Hrsg.), Industrie 4.0, S. 215 ff.; Hermann u. a., in: Andelfinger / Hänisch (Hrsg.), Industrie 4.0, S. 229 ff. 12  BGBl. I 2015, 2408. 13  Zu den weiteren rechtlichen Rahmenbedingungen von eHealth vgl. Leupold / Glosser / Peintinger, in: Fischer / Krämer (Hrsg.), eHealth in Deutschland, S.  49 ff. 14  Zu den ethischen Grenzen des automatisierten und vernetzten Fahrens vgl. den Abschlussbericht der Ethikkommission des BMVI von Juni 2017, abrufbar unter https: /  / www.bmvi.de / SharedDocs / DE / Publikationen / G / bericht-der-ethik-kommis sion.html. 15  BVerfGE 125, 175, 224 BVerfGE 103, 44, 73; vgl. auch Spindler, in: Rüßmann (Hrsg.), FS Käfer, S. 341; Lederer, Open Data, S. 141 f.



A. Technologische Entwicklung und digitale Transformation221

II. Verhältnis von Staat und Gesellschaft im Informationszeitalter Das historisch gewachsene Über- / Unterordnungsverhältnis16 zwischen Staat und Gesellschaft wird durch die Informationsgesellschaft immer mehr in Frage gestellt.17 Während der Staat zur Durchsetzung der gesellschaftlichen Interessen in bestimmten Bereichen auf ein Über- / Unterverhältnis angewiesen ist, erwartet die Gesellschaft im alltäglichen Diskurs die Möglichkeit, sich an den Staat wenden zu können, um Informationen zu erhalten, ohne ihm untergeordnet begegnen zu müssen.18 Die Digitalisierung hat nämlich mit der Gesellschaft auch vielfach deren Blickwinkel auf die Welt bzw. deren Teilbereiche verändert.19 Allerdings scheint die Gesellschaft in Zeiten digitaler Transformation, in der Menschen unabhängig von Kulturkreis, Religion oder Weltbild ihre Auffassung vertreten können, auch heterogener als in der Vergangenheit. Hinzu kommt der „Digitale Divide“, d. h. die Spaltung der Gesellschaft in Nutzer und Profiteure des Internets einerseits und solche, die dieses Medium nicht nutzen oder hiervon sich bedroht sehen, andererseits.20 Während die einen sich immer stärker vernetzen und neue Absatzmärkte suchen, gibt es andere, die das globale Zusammenwachsen mit Argwohn betrachten. Die Gesellschaft ist daher heute aus unterschiedlichen Gründen stärker diversifiziert als vor der globalen Digitalisierung. Viele Menschen suchen sich in diesem Geflecht von Meinungen ein (digitales) Umfeld, zu dem sie sich zugehörig fühlen.21 Der Staat wird vor diesem Hintergrund immer weniger als Identi16  Dreier,

Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, S. 4. Geschichte des Unterschiedes von Staat und Gesellschaft siehe Rupp, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band II, § 31 Rn. 3 ff. 18  So bereits Vanscheidt, in: Picot / Quadt (Hrsg.), Verwaltung ans Netz!, S. 52. Die Beteiligung von Bürgern ist darüber hinaus vielfach entscheidend für die Akzeptanz staatlichen Handelns, Kipker, Informationelle Freiheit und staatliche Sicherheit, S. 65. 19  Vgl. Schmidt, in: Heckmann / Schenke / Sydow (Hrsg.), FS Würtenberger, S.  399 f.; Rupp, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Band II, § 31 Rn. 63 ff. sieht in der zunehmenden Globalisierung einen Entstaatlichungsfaktor. Er spricht daher allgemein von einem „eigenartig paradoxen Prozeß der Wucherung und gleichzeitigen Schrumpfung staatlicher Souveränität“, Rupp, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Band II, § 31 Rn. 55. 20  Zur Verhinderung der Vertiefung dieses Phänomens Holznagel / Verhulst / Grünwald / Hahne, K&R 2000, 425, 425 ff. 21  Hepp, in: Hitzler / Honer / Pfanhauer (Hrsg.), Posttraditionelle Gemeinschaften S.  133 ff.; Cornils, VVDStRL Band 76 (2017), S. 394, 401; Hoffmann-Riem, JZ 2012, 1081, 1082. Diese digitalen Kollektive schotten sich teilweise vor fremden Einflüssen ab. 17  Zur

222

Kap. 3: Digitalisierung als rechtlich relevante Größe

fikationsgröße gesehen und wird in diesem Konglomerat teilweise als ein sich von den Bürgern losgelöstes Gebilde gewertet. Dies könnte darin begründet sein, dass der Staat in der Vergangenheit die digitale Transformation eher von außen betrachtet hat, als diese lenkend zu steuern oder sich selbst umfassend zu digitalisieren. Der Staat selbst nutzt die Informationstechnologie als Kommunikationsmittel mit dem Bürger erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit. Die Verpflichtung eines Einsatzes elektronischer Kommunikation gegenüber dem Bürger im Bund besteht erst seit 2013 über das E-Government-Gesetz (§ 2 EGovG) und die anschließend erlassenen E-Government-Gesetze der Länder. Der Einsatz von Technik ist allerdings nicht nur die Erweiterung eines (Fern-) Kommunikationsmitteleinsatzes; vielmehr geht dies auch mit einem Kulturwandel einher, in dem der Servicegedanke und ein „Begegnen auf Augenhöhe“ von Staat und Gesellschaft verstärkt wird.22 Hierzu gehört auch die verständliche Erklärung der staatlichen Funktionsweise, wie dies beispielsweise das Europäische Justizportal für die Funktionsweise der Judikative in den einzelnen europäischen Ländern übernimmt.23 Das Europäische Justizportal hat die Aufgabe, grenzüberschreitend die verschiedenen Rechtssysteme der europäischen Nationalstaaten allgemein darzustellen und aufzuzeigen, wie man im europäischen Raum Rechtsschutz erlangen kann. Gleichsam beinhaltet das Portal Arbeitshilfen für die Justiz.24 Im Hinblick auf die Verbesserung der „Sicherheit“ seiner Bürger und Durchsetzung bestehender Rechte setzt der Staat weitreichend neue Technologien ein. So werden beispielsweise international zwischen Staaten steuerrelevante Daten ausgetauscht.25 Zudem werden Daten von Bürgern mit Blick auf ihre Online-Aktivitäten gesammelt,26 und die Politik setzt verstärkt auf die Videoüberwachung im öffentlichen Raum, vgl. § 6b BDSG a. F.27 bzw. seit dem 25.05.2018 in § 4 BDSG n. F. Darüber hinaus werden die technischen Möglichkeiten zur Gewährleistung von Sicherheit ausgeschöpft, sei es im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung28, (Quellen-)Telekommunikationsüberwachung29 oder anderer Überwachungsmaßnahmen.30 22  Vgl.

Habbel, in: Picot / Quadt (Hrsg.), Verwaltung ans Netz!, S. 169.

23  https: /  / e-justice.europa.eu.

24  https: /  / e-justice.europa.eu / content_tools_for_courts_and_practitioners-68-de.do. 25  http: /  / www.oecd.org / tax / automatic-exchange / common-reporting-standard / .

26  Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten (VerkdHSpFruSpPflEG) vom 10.12.2015, BGBl. I 2015, 2218. 27  Videoüberwachungsverbesserungsgesetz vom 28.04.2017, BGBl. I 2017, 968. 28  BGBl. I 2015, 2218 ff. 29  Vgl. § 100a StPO bzw. in den Polizeigesetzen der Länder vgl. u. a. Art. 34a BayPAG http: /  / www.sueddeutsche.de / digital / ueberwachung-regierung-gibt-neuenbundestrojaner-frei-1.2875186.



A. Technologische Entwicklung und digitale Transformation223

III. Anpassungsbedarf des Staates an die Informationsgesellschaft Es stellt sich die Frage, inwieweit der Staat den gesellschaftlichen Wandel mit zu gestalten und den Rechtsrahmen an die veränderte Lebenswirklichkeit anzupassen hat. Das Grundgesetz enthält keine ausdrücklich normierte Handlungspflicht für den Gesetzgeber. Eine gesetzgeberische Handlungspflicht kann sich jedoch aus der Schutzpflichtenkomponente der Grundrechte ableiten lassen. Die Grundrechte schützen nämlich nicht nur den Bürger vor einem Handeln des Staates im Rahmen des status negativus, sondern stellen auch Handlungspflichten des Staates als status positivus auf, um dem ebenfalls enthaltenen objektiv-rechtlichen Wertegehalt eines Grundrechts zu entsprechen.31 Der Umfang dieser Leistungs- und Schutzpflichten des Staates ist jedoch sehr umstritten.32 Insbesondere aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches durch die Digitalisierung weitreichend berührt wird, ebenso wie dem Fernmelde- bzw. Telekommunikationsgeheimnis wird jedoch eine entsprechende Schutzpflicht abgeleitet.33 Gleichzeitig kann aus dem Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme34 eine dahingehende Schutzpflicht angenommen, dass ein gewisses Mindestniveau an IT-Sicherheit zu wahren ist.35 Trotz der allgemeinen Bejahung der Schutzpflichtenkomponente einzelner Grundrechte muss im Einzelfall geprüft werden, wann eine Handlungspflicht angenommen werden kann und auf welchem Wege der Staat agieren muss, um seinem grundrechtlichen Auftrag gerecht zu werden.36 Eine aktive Handlungspflicht kann demnach 30  http: /  / www.faz.net / aktuell / politik / staat-und-recht / videoueberwachung-mehrvertrauen-in-die-kameras-11111734.html; vgl. zur Überwachungsgesamtrechnung Starnecker, Videoüberwachung zur Risikovorsorge, S. 365 ff.; Roßnagel, NJW 2010, 1238. 31  Klein, NJW 1989, 1633, 1633, 1637 f.; Heckmann, in: Rüßmann (Hrsg.), FS Käfer, S. 131. 32  Klein, DVBl. 1994, 489, 493 ff.; https: /  / www.baywidi.de / wiki / verfassungs rechtliche-grundlagen / . 33  Hornung, CR 2008, 299, 305; Hoffmann-Riem, AöR Band 134 (2009), S. 513, 533 f. 34  BVerfG, NJW 2008, 822; vgl. hierzu auch Roßnagel / Schnabel, NJW 2008, 3534. 35  Vgl. Heckmann, in: Rüßmann (Hrsg.), FS Käfer, S. 135 ff.; Möllers / Pflug, in: Kloepfer (Hrsg.), Schutz kritischer Infrastrukturen, S. 61. 36  Vgl. Lerche, in: Burgmeister (Hrsg.), FS Stern, S. 206, entlockt gewissen „Verfassungsaussagen ein Gebot der Optimierung“. „Optimierung“ meint hierbei jedoch nicht zwingend die nächste „Annäherung an den ideellen Punkt, sondern […] [die] Verpflichtung des Gesetzgebers, sich in vorgegebener Richtung ‚nach besten Kräften‘ zu bemühen.“; https: /  / www.baywidi.de / wiki / verfassungsrechtliche-grund lagen / .

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Kap. 3: Digitalisierung als rechtlich relevante Größe

zwar einzelfallbezogen beurteilt werden, bei der Mitgestaltung der digitalen Transformation ist diese jedoch grundsätzlich (im Hinblick auf das „Ob“ des Tätigwerdens) zu bejahen, da hiervon ein weitreichender Einfluss auf die gesamte Gesellschaft ausgeht und die grundrechtlich getroffenen Wertungen beim Nichteinschreiten des Gesetzgebers teilweise an Bedeutung verlieren könnten. Die grundgesetzlichen Schutzpflichten richten sich zwar an alle Staatsgewalten, vgl. Art. 1 Abs. 3 GG, allerdings ist der Gesetzgeber vorrangiger Adressat, da nur er die grundrechtlichen Schutzpflichten durch das einfachgesetzliche Recht derart konturieren kann, dass diese für die Praxis anwendbar sind.37 Diese Pflicht im Hinblick auf ein Tätigwerden des Gesetzgebers kann jedoch nicht durch den Einzelnen geltend gemacht werden, da das konkrete Tätigwerden einer Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers obliegt.38 Dieser Handlungspflicht in Bezug auf die gesetzgeberische Begleitung der digitalen Transformation ist die Legislative in gewissem Umfang durch die Schaffung eines gesetzlichen Rahmens beim Einsatz der Informationstechnologie und der Anpassung des bestehenden Rechtsrahmens an die veränderten Lebenswirklichkeiten bereits begegnet.39 Auf diesem Wege aufgestellte klare Vorgaben schaffen Rechtssicherheit und sind in der Folge zumeist ein Innovations- und Wirtschaftsvorteil, sofern sie im Einklang mit Art. 12, 14 GG stehen. Dies zeigt bereits das Dilemma des Gesetzgebers auf, der verschiedenen grundrechtlich geschützten Akteuren gerecht werden muss und daher neben verständlichen, klar konturierten Regelungen immer auch Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte wahren muss, wodurch viele Regelungen an Präzision verlieren. Erst durch die Rechtsprechung werden durch konkrete Fälle aus der Praxis und Anregungen aus der Wissenschaft Fallgruppen he­ rausgebildet, für die die Vorschriften (nicht) anwendbar sind, so dass die meisten Gesetze erst in der Praxis und vor den Gerichten ihren „gerechtigkeitswahrenden“ Feinschliff erhalten.40 Dieser Umstand zeigt auch die Bedeutung der Gerichte für die Rechtsordnung auf, da diese als verlängerter Arm der Legislative gesetzesgestaltend tätig sind.41 37  Stern, DÖV 2010, 241, 247; Möllers / Pflug, in: Kloepfer (Hrsg.), Schutz kritischer Infrastrukturen, S. 62. 38  Vgl. Stern, DÖV 2010, 241, 248. 39  Zur Internetregulierung allgemein vgl. Geczy-Sparwasser, Die Gesetzgebungsgeschichte des Internets. 40  Köstlin, Der Wendepunkt des deutschen Strafverfahrens im neunzehnten Jahrhundert, S. 27; vgl. OLG München OLGZ 1984, 477, 479. 41  Köstlin, Der Wendepunkt des deutschen Strafverfahrens im neunzehnten Jahrhundert, S. 27 spricht von der Rechtsprechung daher als der „Vollendung der Gesetzgebung“; vgl. auch Limbach, NJ 1995, 281, 282.



A. Technologische Entwicklung und digitale Transformation225

Daneben erkennt die Rechtsprechung den Anpassungsbedarf bestehender Gesetze an die digitale Transformation und interpretiert geltende Regelungen, die ohne Bezug zur Digitalisierung erlassen wurden, vor deren Hintergrund neu. Das Verfassungsrecht ist aufgrund des weitgehend unbestimmten und interpretationsoffenen Wortlauts vielfach das Einfallstor der digitalen Transformation. Die Auslegung verfassungsrechtlicher Vorschriften bedarf ebenfalls einer Anpassung an faktische Gegebenheiten, da die hinter ihnen stehende Werteordnung jeweils Ausdruck des bestehenden Gesellschaftsbildes ist, in dessen Mittelpunkt die Menschenwürde steht. Dieser Aufgabe wird vorrangig das Bundesverfassungsgericht durch eine einzelfallbezogene, aber vielfach dennoch der Generalisierung zugänglichen Auslegung der einzelnen Grundrechte gerecht. Es hat die Auslegung des Grundgesetzes maßgeblich geprägt und auf diese Weise die faktischen technischen Veränderungen bereits umfangreich in den Grundrechtsschutz miteinbezogen. Als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat das Bundesverfassungsgericht in jüngerer Vergangenheit das Recht am eigenen Bild, am gesprochenen42 und geschriebenen Wort, die informationelle Selbstbestimmung43 und das Recht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme44 anerkannt. Die Rechtsprechung kann allerdings die Unätigkeit des Gesetzgebers nicht ausgleichen, da diesem hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ seiner Entscheidungen ein weiter Gestaltungsspielraum zuerkannt wird.45 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wann der Gesetzgeber die durch die Digitalisierung veränderten Verhältnisse durch Gesetzesänderungen regulieren muss (Parlamentsvorbehalt) und wann er diesen Anpassungsprozess der Rechtspraxis, insbesondere der Rechtsprechung überlassen darf. Das kann nicht verallgemeinernd beantwortet werden, sondern bedarf einer genauen Abgrenzung und Abwägung im Einzelfall. Ob sich insbesondere die Veränderung der Gerichtsöffentlichkeit im Kontext der Digitalisierung46 als so „wesentlich“ herausstellt, dass es einer gesetzgeberischen Weichenstellung bedarf, kann erst näher betrachtet werden, wenn das Ausmaß der digitalen Transformation näher untersucht wurde.

42  BVerfGE

106, 28. 65, 1. 44  BVerfGE 120, 274. 45  Vgl. BVerfGE 77, 170, 214 f.; BVerfGE 79, 174, 201 f. 46  Vgl. hierzu Kapitel 4 D. IV. 3. 43  BVerfGE

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Kap. 3: Digitalisierung als rechtlich relevante Größe

B. Digitalisierung als Thema der Rechtsordnung I. Verfassungsrechtliche Regelung zum Einsatz der Informationstechnologie Als das Grundgesetz 1949 in Kraft trat, gab es die Informationstechnologie, d. h. die elektronische Datenverarbeitung in ihrer heutigen Form und erst recht die Möglichkeit des Zugangs zu weltweiten Informationen über das Internet noch nicht. Der Vorgänger der heutigen Computer war allerdings in Form von mechanischen Rechenmaschinen bereits in der Antike entwickelt und von Wilhelm Schickard im 17. Jahrhundert verfeinert worden. Konrad Zuse baute bereits 1941 mit dem Z3 seinen ersten Computer, während Alan Turing in England auf Grundlage seiner mathematischen Erkenntnisse die Turingmaschine als Rechnermodell entwickelte und damit die Funktionsweise von Computern entscheidend prägte. Bis zur heutigen Funktionsweise dieser Maschinen war es aber noch ein weiter Weg. Das Internet ging erst über 20 Jahre später aus dem Forschungsprojekt ARPA-Net hervor, welches 1966 begann und zunächst ausschließlich Forschungseinrichtungen vernetzte, um Rechnerkapazitäten zu sparen.47 Heute wird das Internet unter anderem dazu genutzt, große Datenmengen zu analysieren, was wiederum weitere Kapazitäten erforderlich macht. Erst 1973 wurde damit begonnen, verschiedene Arten von Rechnern auf diesem Wege zu verbinden, um eine Kommunikation der Computer untereinander zu ermöglichen. Es verwundert deshalb nicht, dass der Begriff „Informationstechnik“ erst im Jahr 2009 Eingang in das Grundgesetz fand, vgl. Art. 91c GG. Dies bedeutet aber nicht, dass das Grundgesetz keine Aussagen zur IT-Nutzung treffen würde. So kann der Einsatz der Informationstechnologie die Verfassung durch ihre unmittelbare Wirkweise berühren. Dies wird bereits dadurch deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht den Technikeinsatz durch den Staat in verschiedener Weise auf Grundlage der Grundrechte in seine Schranken gewiesen hat.48 Darüber hinaus wurden in Art. 13 Abs. 3, 5, 6 GG ausdrückliche Vorgaben für den Technikeinsatz bei der Wohnraumüberwachung eingeführt. Die Verfassung wird damit ihrer Aufgabe gerecht, einerseits eine bewahrende Haltung einzunehmen, um Stabilität zu erzeugen, und andererseits dynamisch die Entwicklungen zu assimilieren.49 Daher schadet es auch nicht, dass das 47  Kube,

in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Band IV, § 91, Rn. 3. u. a. BVerfG, Urt v. 27.02.2008  – 1 BvR 370 / 07; BVerfG, Urt v. 11.03.2008 – 1 BvR 2074 / 05; BVerfG, Urt. v. 2.3.2010 – 1 BvR 256 / 08. 49  Hornung, Grundrechtsinnovationen, S. 76. 48  Vgl.



B. Digitalisierung als Thema der Rechtsordnung227

Grundgesetz den Einsatz der Informationstechnologie bzw. digitalen Datenverarbeitung kaum ausdrücklich normiert hat. Einzig Art. 91c GG, der die Zusammenarbeit der Länder beim Technikeinsatz betrifft, benennt, wie aufgezeigt, ausdrücklich die Informationstechnologie.50 Diese Vorschrift regelt allerdings primär verschiedene freiwillige organisatorische Vorgaben („können“) der Länder in diesem Kontext. Art. 91c Abs. 4 GG besagt allerdings, dass der Bund zur Verbindung der informa­ tionstechnischen Netze des Bundes und der Länder ein Verbindungsnetz errichtet. Der länderübergreifende informationstechnische Zugang zu den Verwaltungsleistungen von Bund und Ländern wird durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz geregelt (Art. 91c Abs. 5 GG). Art. 91c GG zeigt damit auf, dass dem verfassungsändernden Gesetzgeber bewusst ist, dass die Informationstechnologie eine Bedeutung bei staatlichen Aufgaben hat, grundsätzlich eingesetzt werden darf und die Schaffung länderübergreifender Regelungen erforderlich ist, da ein „IT-Flickenteppich“ einen länderübergreifenden Datenaustausch verkompliziert und den effektiven Rechtsstaat behindern kann.51 Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wurde zudem das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme52 in den Kanon der Grundrechte aufgenommen. Das sogenannte IT-Grundrecht stellt eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar.53 1. Verfassungsrechtliche Pflicht zum Einsatz der Informationstechnologie Zu der Frage, ob die Informationstechnologie durch den Staat auch eingesetzt werden muss, enthält das Grundgesetz über die oben erwähnten Schutzpflichten der Grundrechte hinaus keine ausdrückliche Regelung, die die Digitalisierung des Staatswesens oder der Gesellschaft verpflichtend fordert. Immerhin bietet die im Jahr 2017 erfolgte Erweiterung des Art. 91c GG um einen Absatz 5 eine verfassungsrechtliche Grundlage54 für ein Verbundportal von Bund und Ländern, über das Bürger einen einheitlichen Zugang zu Verwaltungsleistungen erhalten. Den neuen Kompetenztitel hat der Bund mit Heckmann, K&R 2009, 1, 1 ff. in: Heckmann, jurisPK Internetrecht, Kap. 5, Rn. 84. 52  BVerfGE 120, 274, 274 ff.; ausführlich hierzu Herrmann, Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme: Entstehung und Perspektiven, 2010. 53  Heckmann, in: Rüßmann (Hrsg.), FS Käfer, S. 132. 54  Zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung vgl. WD 3 – 3000 – 132 / 17, S. 3 f. 50  Hierzu

51  Heckmann,

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Kap. 3: Digitalisierung als rechtlich relevante Größe

dem Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (sog. Onlinezugangsgesetz)55 umgesetzt. Obwohl das Grundgesetz weitergehende Handlungspflichten nicht ausdrücklich aufstellt, kann der grundsätzlich sehr weitreichende Handlungsspielraum des Gesetzgebers aufgrund von verfassungsrechtlichen Schutzpflichten eingeschränkt sein. Daraus könnte sich eine mittelbare Pflicht zum Technikeinsatz aufgrund einer Gefahrenabwehr für geschützte Interessen ableiten. Allerdings wird eine solche Pflicht nur in ganz eng gefassten Bereichen anzunehmen sein und keine allgemeine Einsatzpflicht der Informationstechnologie begründen können. Ist beispielsweise der effektive Rechtsschutz gefährdet und eine Justizgewährleistung ohne den Einsatz der Informationstechnologie nicht mehr realisierbar (was derzeit aber nicht ersichtlich ist), wird man von einer diesbezüglichen Einsatzpflicht unter Umständen ausgehen können. Allemal dürften die neuen Regelungen zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten (siehe etwa § 55a VwGO) dazu führen, dass Rechtsschutz künftig verstärkt auf elektronischem Wege erfolgt. Ähnliches gilt für grenzüberschreitenden Rechtsschutz. In diesem Sinne beeinflusst die technische Entwicklung auch die Auslegung und Reichweite des Art. 19 Abs. 4 GG. Der Einsatz entsprechender Informations- und Kommunikationstechnologien ist in der Praxis häufig auch mit Personaleinsparungen gekoppelt, da die Technik vielfach die Arbeitswelt effizienter und mit weniger Personal gestaltet.56 Eine Abschaffung der Technik in diesen Einsatzfeldern wäre in der Folge ohne eine grundlegende Aufstockung von Personalressourcen nicht mehr möglich, so dass teilweise auch eine Pflicht der Weiterverwendung bzw. -entwicklung der Technik angenommen werden könnte, um den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen. Auch originär haushaltstechnische Gründe für Personaleinsparungen können in der Folge Behörden und Gerichte bei der rechtsstaatlichen Ausübung ihrer Pflichten beeinträchtigen. Da vielfach die entstandenen Lücken nicht mehr aufzufüllen sind, könnte daher mittelbar eine Pflicht zum Einsatz der Informationstechnologie entstehen, wenn dies die einzige Möglichkeit wäre, fehlende Ressourcen abzudecken. Maßgabe einer Einsatzpflicht kann daher beispielsweise die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates sein.

55  Gesetz

vom 14.8.2017 (BGBl. I 2017, 3122, 3138). gilt allerdings wohl erst langfristig. Kurzfristig führt die Digitalisierung zu einem Personalmehrbedarf, was alle diesbezüglichen Untersuchungen belegen. Denn zunächst müssen beide Systeme – Papier wie Elektronik – „bedient“ werden. 56  Dies



B. Digitalisierung als Thema der Rechtsordnung229

2. Verfassungsrechtliche Handlungsvorgaben für die Digitalisierung Beim Einsatz der Informationstechnologie geben daher die Regelungen des Grundgesetzes, allen voran die Grundrechte, daher vor allem verfassungsrechtlichen Leitlinien vor, die das „Wie“ des Einsatzes näher präzisieren. Hierfür ist unerheblich, dass die Informationstechnologie nur ganz begrenzt im Grundgesetz genannt wird. Es bedarf auch keiner näheren wortlaut­ ändernden Präzisierung. Aufgrund der sehr offen formulierten verfassungsrechtlichen Vorgaben aus dem Jahr 1949 können diese auch in Zeiten digitaler Transformation von Relevanz sein.57 Bei der Entstehung des Grundgesetzes sind die Staatsstrukturmerkmale und die Grundrechte mit klaren Zielen, aber ohne konkrete Handlungsvorgaben formuliert worden, so dass die Regelungen entwicklungsoffen sind. Diese Innovationsoffenheit toleriert technische Neuerungen und fördert diese sogar.58 Gleichsam sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben mangels ausdrücklicher Nennung des Technikeinsatzes als technikneutral anzusehen.59 Die grundrechtlich gewährleistete Entfaltungsfreiheit jedes Einzelnen muss jedoch zum Schutze anderer mit klaren Verantwortlichkeiten abgesichert werden.60 Daher kann und muss der Gesetzgeber die Informationstechnologie sowie ihren Einsatz steuernd lenken. Hierbei hat er jedoch zu beachten, dass die Reglementierung technischer Innovationen komplex ist, da eine zielsichere Determinierung nicht immer möglich ist. Zudem ist die Reichweite entsprechender Regelungen oder Technologien oder deren Wechselspiel nicht unbedingt im Vorhinein absehbar.61

II. Technik im Recht Auch wenn erst das Handeln der Exekutive die Lebenswirklichkeit gestaltet, sind es im Rechtsstaat die Gesetze, die staatliche Eingriffe und Paradigmenwechsel legitimieren. Die Informationstechnologie ist daher bereits partiell in das Recht aufgenommen worden. Hierdurch wird einerseits die Infor57  Zur Entwicklungsoffenkeit grundrechtlicher Schutzbereiche vgl. auch Schliesky u. a., Schutzpflichten und Drittwirkung im Internet, S. 80 ff.; Hoffmann /  Luch / Schluz / Borchers: Die digitale Dimension der Grundrechte, S. 25 ff. 58  Hoffmann-Riem, Innovation und Recht – Recht und Innovation, S. 29. 59  Zum Verständnis des Begriffs der Technikneutralität vgl. Roßnagel, in: Eifert /  Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovationsfördernde Regulierung, S. 324 ff. 60  Hoffmann-Riem, Innovation und Recht – Recht und Innovation, S. 29 f. Beispielsweise können Haftungsregeln Innovationsverantwortung zuweisen Röthel, in: Eifert / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovationsverantwortung, S. 335 ff. 61  Vgl. Hornung, Grundrechtsinnovationen, S. 162; Roßnagel, in: Sauer / Lang (Hrsg.) Paradoxien der Innovation, 193, 198 ff.

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Kap. 3: Digitalisierung als rechtlich relevante Größe

mationstechnologie an sich sowie ihre Nutzung reguliert, um bestehende Risiken abzuwenden, die durch ihren Einsatz entstehen (können). Andererseits verändert der Einsatz der Technik bestehende faktische Hürden im Bereich bereits regulierter Sachverhalte, was zur Folge hat, dass eine Implementierung dessen in bestehende Gesetze erforderlich ist. 1. Regulierung des Einsatzes der Informationstechnologie Da der Einsatz der Informationstechnologie viele verschiedene Lebensbereiche und damit auch Rechtsgebiete abdeckt, gibt es kein Internet- bzw. Informations- und Kommunikationstechnikgesetzbuch. Vielmehr ist das IT- bzw. Internetrecht als Querschnittsmaterie zu werten, das sich aus unterschiedlichen Rechtsgebieten zusammensetzt. Neben einer selektiven Ergänzung bestehender Gesetze wurden aber auch neue Gesetze und Rechtsbereiche wie beispielsweise das Datenschutzrecht und das IT-Sicherheitsrecht geschaffen. Das Datenschutzrecht ist einerseits einheitlich in eigenen Gesetzen (DSGVO, BDSG, den Landesdatenschutzgesetzen) geregelt. Es findet sich andererseits jedoch auch in weiteren bereichsspezifischen Gesetzen. Um eine weitgehende europäische Vereinheitlichung zu bewirken, wird das Datenschutzrecht auch auf europäischer Ebene vorangetrieben, vgl. u. a. RL 95 / 46 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr62 sowie die DS-GVO63, die ab dem 25.05.2018 in allen Mitgliedsstaaten der europäischen Union unmittelbar anwendbar ist. Der Datenschutz im Anwendungskontext von Polizei und Strafjustiz wird zukünftig durch die Richtlinie 2016 / 680 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr vorgegeben, welche im Rahmen des BDSG n. F. bereits umgesetzt wurde. Durch das Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSIG) wurde das BSI 1991 errichtet, welches in allen Fragen zur IT-Sicherheit zuständig ist und gleichzeitig der Wirtschaft gewisse Pflichten auferlegt, um das Sicherheitsniveau zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Baustein der IT-Regulierung ist das Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme (IT-Sicherheitsgesetz) vom 17.07.201564, welches als Artikelgesetz das BSI-Gesetz partiell ändert. Durch die auf die62  ABl.

L 281 vom 23.11.1995, 31–50. L 119 vom 04.05.2016. 64  BGBl. I 2015, 1324. 63  ABl.



B. Digitalisierung als Thema der Rechtsordnung231

sem Wege verstärkten Anforderungen an die Sicherheit beim Einsatz informationstechnischer Systeme soll das Schutzniveau bei der Nutzung der Informationstechnologie verbessert werden, um diese vor Angriffen zu schützen.65 Abhängig von der Kritikalität des Einsatzgebietes der Informationstechnologie bestehen für die Betreiber unterschiedliche IT-Sicherheitspflichten. Auch im Bereich der IT-Sicherheit hat die Europäische Union zur Vereinheitlichung des IT-Sicherheitsrechts in den europäischen Mitgliedsstaaten mit der NIS-RL66 weitreichende Regelungen vorgenommen. Daneben besteht als einheitliches Gesetz zur Regelung des Informationsund vor allem des Kommunikationsrechts das Telekommunikationsgesetz. Dieses reguliert den Markt der Telekommunikationsanbieter. Hierunter fällt auch der Markt der Anbieter von Internetzugängen. Zudem wird die OnlinePräsenz weitreichend durch das Telemediengesetz reguliert. In diesem Bereich wird zukünftig die ePrivacy-Verordnung neue Regelungen einführen. Darüber hinaus gibt es verschiedene branchenspezifische Regulierungen der Informationstechnologie oder Vorgaben für besondere Formen von informations- und datenverarbeitenden Systemen. 2. Implementierung der Technik in das (bestehende) Recht Der Gesetzgeber hat neben der Schaffung neuer Gesetze, um der Vielgestaltigkeit des Regelungsbereichs der digitalen Transformation gerecht zu werden, ergänzende Normen zum Einsatz der Informationstechnologie in bestehende Gesetze eingeführt. Dies macht es allerdings auch relativ komplex, den Überblick über alle Regelungen des IT-Rechts zu wahren. Wichtige Ergänzungen bestehender Gesetze ergeben sich im Hinblick auf strafrechtliche Normen beispielsweise aus §§ 202a bis 202d oder §§ 303a, 303b StGB. Im Bürgerlichen Gesetzbuch wurden die zivilrechtlichen Formvorschriften der §§ 126a, 126b BGB sowie Regelungen des Fernabsatzvertrages, der §§ 312c ff. BGB und damit verbunden viele Informationspflichten im BGB und EGBGB (früher: InfoV) zum Schutze des Verbrauchers im Digital Commerce ergänzt.67 Viele dieser regulativen Impulse wurden in jüngster Vergangenheit durch den europäischen Gesetzgeber angestoßen, um das Gesetz der digitalen Wirklichkeit anzupassen.68 Derzeit wird beispielsweise über Verträge mit 65  BT-Drs.

18 / 5121 S. 1; BT-Drs. 18 / 4096 S. 1. L 194 / 1 vom 19.07.2016. 67  Vgl. zu Rechtsfragen des Digital Commerce Paschke, in: Albrecht (Hrsg.) Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 6. 68  Richtlinie 2000 / 31 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesell66  ABl.

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Kap. 3: Digitalisierung als rechtlich relevante Größe

digitalen Inhalten in Europa diskutiert.69 Hierbei besteht die Frage, ob Daten „eigentumsfähig“ bzw. zivilrechtlich zuordenbar sind und wie man die Gegenleistung eines digitalen Inhalts fixieren kann.70 Darüber hinaus gibt es einen Verordnungsentwurf der EU-Kommission zur Einführung eines zentralen digitalen Zugangstors zu Informationen zur Verbesserung der Transparenz staatlichen Handelns.71 Auch der Gesundheitssektor wurde durch das Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer Gesetze (E-Health-Gesetz)72 offener gestaltet. Der Einsatz der Informationstechnologie in der Verwaltung soll über das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften (E-Government-Gesetz)73 sowie deren Äquivalente in den Ländern stärker vorangetrieben werden, damit in stärkerem Maße digital mit dem Bürger kommuniziert wird. Auch das allgemeine Verwaltungsrecht enthält bereits solche Formvorschriften, vgl. § 3a VwVfG. Insbesondere die Finanzbehörden profitieren von einem inzwischen sogar internationalen automatisierten Datenaustausch.74 Auch die Justiz soll aufgrund des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (E-Justice-Gesetz)75 und des Gesetzes zur Einführung der elek­ tronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 05.07.201776 verstärkt elektronisch kommunizieren und zukünftig elektronisch ihre Akten führen. Auf der anderen Seite werden aber auch Regelungen aufgenommen, die den Einsatz der Informationstechnologie ausdrücklich beschränken, vgl. u. a. Art. 68 Abs. 2 Satz 1 a. E. BayBO. Dennoch besteht eindeutig die gesetzgeberische Tendenz, den Einsatz der Informationstechnologie sowohl im Zivilrecht als auch im Öffentlichen Recht auszuweiten.

schaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), Verordnung (EU) Nr. 910 / 2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999 / 93 / EG. 69  COM(2015) 634 final. 70  Vgl. hierzu, Specht, JZ 2017, 763, 763 ff. 71  https: /  / ec.europa.eu / info / law / better-regulation / initiatives / com-2017-256-0_ de. 72  BGBl. I 2015, 2408. 73  BGBl. I 2013, 2749. 74  OECD-Abkommen zum internationalen Austausch von Steuerdaten; Faz. net / finanzen / finanzamt-hat-mehr-einsicht-als-bisher-gedacht-15035357.html. 75  BGBl. I 2013, 3786. 76  BGBl. I 2017, 2208.



B. Digitalisierung als Thema der Rechtsordnung233

III. Recht durch Technik Technik kann dabei helfen, (unbemerkt) das Recht zu umgehen; sie kann aber auch Rechtskonformität implementieren und damit zur Selbstverständlichkeit machen. Gerade Letzteres sollte stärker gesetzlich verankert und Verstöße hiergegen sanktioniert werden. Anderenfalls wird die technische Realität zur Folge haben, dass das Recht in vielen Fällen durch IT-Nutzer (unbewusst) umgangen wird und dadurch an Steuerungskraft verliert.77 1. Risiken durch Komplexität Der Einsatz der Informationstechnologie bietet aufgrund der vorhandenen Komplexität für den Einzelnen verschiedene Gefahren, da er die Technik im besten Fall nur bedienen kann, aber die damit verbundenen informationstechnischen Abläufe und Mechanismen nicht versteht. Hierdurch besteht das Risiko, dass eine eingesetzte Software nicht das tut, was sie auf den ersten Blick vorgibt und dadurch entweder Daten der Nutzer unbemerkt und unberechtigt weitergibt oder unbemerkt vom Nutzer illegale Handlungen ausführt. Aufgrund des von den Entwicklern häufig geschaffenen spielerischen Erlebnisses im Umgang mit der IT ist der Nutzer sich zumeist des damit verbundenen Risikos nicht mehr bewusst. Diese „Plug and Play-Falle“ führt häufig auch zur Sorglosigkeit des Nutzers im Umgang mit der Informationstechnologie und seinen personenbezogenen Daten, die aufgrund einer Kosten-Nutzen-Rechnung gegenüber dem IT-Einsatz zumeist das Nachsehen haben.78 Die Auswirkung dessen wird man bald in China erleben können, wo die Behörden in Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft dabei sind, Profile ihrer Bürger anzulegen und diese anhand ihrer personenbezogenen Daten sowie weiterer Informationen auch aus der Wirtschaft hinsichtlich der Kreditwürdigkeit des Einzelnen auszuwerten, um Bürger in Kategorien einzuteilen (sog. Social Credit System).79 Die auf der IT-Nutzung beruhende Kategorisierung hat zur Folge, dass Menschen in vielen Lebensbereichen ausgegrenzt werden könnten, so dass auf diesem Wege eine IT-Diktatur entstehen kann.80 Der einzelne hat in einem solchen System keine Chance, selbst zu

77  Heckmann, NJW 2012, 2631, 2631; allgemein zum Schwund des Rechtsgehorsams der Bürger, Würtenberger, Zeitgeist und Recht, S. 122 ff. 78  Heckmann, NJW 2012, 2631, 2631, 2633. 79  https: /  / netzpolitik.org / 2015 / dystopia-wird-wirklichkeit-was-ist-dran-an-chinassocial-credit-system / ; http: /  / www.spiegel.de / netzwelt / netzpolitik / china-social-creditsystem-ein-punktekonto-sie-alle-zu-kontrollieren-a-1185313.html. 80  http: /  / www.fr.de / panorama / ueberwachung-china-etabliert-die-perfekte-it-dikta tur-a-1249767.

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Kap. 3: Digitalisierung als rechtlich relevante Größe

überprüfen, ob ein Score richtig ermittelt wurde81 oder ob die genutzten Daten rechtskonform erhoben wurden. Auch wenn ein solches System nach unserem Rechtsverständnis unzulässig wäre, ist eine zumindest teilweise (und möglicherweise heimliche) Übernahme von Systemkomponenten auch in Deutschland nicht ganz auszuschließen, sobald entsprechende Technologien und Funktionalitäten erst einmal etabliert sind. Allemal könnten Begehrlichkeiten bei der (Kredit-)Wirtschaft und bei Sicherheitsbehörden geweckt werden. 2. Compliance by Design Da eine Reduzierung der Komplexität im Bereich der Technik kaum möglich ist und die flächendeckende Anhebung des Bildungsniveaus, um bestehende Risiken durch jedermann identifizierbar zu machen, auch utopisch erscheint, gibt es berechtigte Überlegungen nicht nur der Technik, Rechtskonformität (im Umgang mit Nutzerdaten) vorzuschreiben, sondern auch den Einsatz der Technik lediglich zu rechtskonformen Handlungen zu gestatten.82 Diese Form des Technikeinsatzes kann auch als Compliance by Design bezeichnet werden. Dieser Ansatz verlagert die Handlungsverpflichtung auf den Technikentwickler bzw. Programmierer83 und entlastet damit den einzelnen Nutzer, der teilweise unbedacht urheberrechtswidrige Inhalte konsumiert und gleichzeitig diese auch noch ohne sein Wissen mit Dritten teilt. Die Technik kann daher dabei helfen, die Steuerungskraft des Rechts, die durch die Einführung neuer Techniken partiell gelitten hat,84 wieder zu stärken und dieses durchzusetzen.85 Hoffmann-Riem sieht daher in der technischen Durchsetzung rechtlich geschützter Interessen einen Systemschutz für unsere Gesellschaftsordnung.86

81  Auch in Deutschland muss die Scoreformel, auf deren Grundlage Bewertungen der Schufa vorgenommen werden, nicht bekanntgegeben werden, BGH MMR 2014, 489, 490 f. 82  Hoffmann-Riem, AöR 142. Band (2017), S. 20. 83  Damit ist nicht der einzelne Programmierer gemeint, sondern der Software­ hersteller, der die Programmierziele und -inhalte entwickelt und vorgibt. 84  Hildebrandt, Smart Technologies and the End(s) of Law, S. 133 ff. 85  So können künstliche Intelligenz und Big Data-Auswertungen auch dazu eingesetzt werden, um Compliance Verstöße vorherzusehen, Neufang, IRZ 2017, 249, 251 f. 86  Hoffmann-Riem, AöR Band 142 (2017), S. 20.



C. Digitalisierung der Rechtsanwendung und Weiterentwicklung der Justiz235

C. Digitalisierung der Rechtsanwendung und Weiterentwicklung der Justiz I. Von der Digitalisierung zur Automatisierung der Rechtsanwendung Das Recht ist auch durch die Europäisierung und den Hang zu kleinteiliger Regulierung in vielen Bereichen deutlich komplexer geworden, so dass es für einen Menschen unmöglich ist, einen Überblick über die gesamte deutsche und europäische Gesetzgebung sowie die diese präzisierende Rechtsprechung zu behalten. Als Hilfestellung wurden bereits in der Vergangenheit die Texte von Gesetzen und Urteilen weitreichend digitalisiert. Auf diese Weise entstehen große Datenbanken, deren Auswertung durch neue Technologien erleichtert wird. Hierauf aufbauende IT-Systeme können zukünftig dem Nutzer die jeweiligen Vorgaben, die für ein rechtskonformes Handeln in einem bestimmten Bereich erforderlich sind, aufzeigen und zusätzlich eigenständig rechtskonforme Vertragsentwürfe erstellen. Darüber hinaus können in einem weiteren Schritt sogenannte Smart oder Self-executing Contracts dabei helfen, die Privatwirtschaft und gleichzeitig auch die Rechtspflege zu entlasten, da vertragliche Pflichten dergestalt in die zugrundeliegende Technik implementiert sind, dass diese die Einhaltung der Vertragsinhalte eigenständig überwachen und auch umsetzen kann.87 Das wiederum ermöglicht eine zunehmende Automatisierung der Rechtsanwendung. 1. Anwendung von Datenbanken Bereits seit einiger Zeit dienen juristische Datenbanken dazu, das Recht, die darauf ergangene Rechtsprechung und die bestehende juristische Fach­ literatur zu verwalten. Diese technische Errungenschaft hat die Rechtsanwendung in den letzten Jahrzehnten verbessert und teilweise auch vereinfacht, da sich auf diese Weise der Rechtsanwender einfacher einen Überblick über bestehende Gesetze und etwaige (Gesetzes-)Änderungen verschaffen kann.88 87  Blocher, AnwBl. 2016, 612, 612, 617  f.; Börding / Jülich / Röttgen / Schönfeld, CR 2017, 134, 138. 88  Kritisch hierzu Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, S. 158, da diese „digitale Dokumentationsmöglichkeit“ für jedermann zugänglich einzelfallbezogene Präzisierungen der gesetzlichen Spielräume offenbart, die durch die Praxis wieder aufgegriffen werden. „Mag auch das Gesetz zahlreiche Spielräume lassen, so wird doch die Gesellschaft langsam, aber sicher von einem Netz von Entscheidungen überzogen, in dem tendenziell nichts ungeregelt bleibt. Der Bürger ahnt hiervon nichts, weil er allenfalls winzige Ausschnitte kennt. Aber der Jurist entwickelt sich unaufhaltsam von einem Garanten der bürgerlichen Freiheit zu einem Verwalter der zahllosen feinen

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Kap. 3: Digitalisierung als rechtlich relevante Größe

Zugleich erhält er hierüber einen Einblick in die bisherige Rechtsprechung und Kommentarliteratur, so dass er sich nicht für jeden Fall selbständig alle Argumente für und wider eine Anwendung von Gesetzen überlegen muss.89 Gleichzeitig gibt es auch für den einzelnen Bürger im Internet immer mehr Möglichkeiten, sich über die Rechtslage zu informieren. Hierdurch verringert sich das bisherige Gefälle in der Rechtskenntnis zwischen Juristen und juristischen Laien. Auch Bürgern wird es auf diese Weise ermöglicht, von ihrem Recht leichter und teilweise ohne anwaltliche Hilfe und damit kostengünstiger Gebrauch zu machen.90 Die juristischen Datenbanken waren jedoch nur der erste Schritt einer digitalen Transformation im Rechtssektor.91 2. Big Data-Auswertung juristischer Sachverhalte Durch die Big Data-Technologie, die es ermöglicht, große Datenmengen schnell auszuwerten, wird sich die Rechtspraxis weiter verändern.92 Bereits heute können in gewissen Rechtsgebieten, die viele Konstanten in der Regulierung besitzen und keine wertenden Entscheidungen verlangen, wie dies beispielsweise bei Entschädigungen wegen Flugverzögerungen der Fall ist93, aufgrund einer Datenanalyse nach Maßgabe der Gesetze und entsprechender Rechtsprechung automatisiert festgestellt werden, ob ein Fall erKetten, in welche diese Freiheit geschlagen wird.“ Der Einfluss dieser Entwicklung auf bürgerliche Freiheiten bedürfte der weiteren Erforschung. 89  Vgl. Strauch, in: Rüßmann (Hrsg.), FS Käfer, S. 388 f.; kritisch zu dieser Tendenz Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, S. 158. Zur dogmatischen Einordnung von Rechtsdatenbanken im Staatsgefüge, vgl. Flück, in: Müller u. a. (Hrsg.), FS Eichenberger, S.  693 ff. 90  Bevor es dazu kam, die Datenbank von juris für die kostenlose Nutzung im Internet (partiell) zu öffnen, gab es einen langen Kampf, denn Bundesanzeiger und juris hatten die Vermarktung von Gesetzen bzw. Rechtsprechung zu ihrem Geschäftsmodell gemacht. Vgl. zum früheren (rechtswidrigen) Bezugsmonopol von juris bezüglich der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts VGH Mannheim NJW 2013, 2045, 2045 ff. 91  Zur Veränderung der juristischen Kommunikation durch elektronische Medien, Walker, in: Rüßmann (Hrsg.), FS Käfer, S. 435 ff. 92  Frese, NJW 2015, 2090, 2090 ff. Zum anschließenden Einsatz von künstlicher Intelligenz und Machine Learning in der Rechtspraxis, u. a. um Vorhersagen zu treffen, vgl. Surden, Machine Learning and Law, 89 University of Washington Law School Law Review 87 (2014) p. 101 ff. Die ersten Kanzelein machen sich diese Technologien bereits zunutze und „beschäftigen“ Roboter als Zuarbeiter, Postinett, Die Robo-Anwälte kommen, abrufbar unter http: /  / www.handelsblatt.com / unterneh men / beruf-und-buero / buero-special / kuenstliche-intelligenz-die-robo-anwaelte-kom men / 13601888.html. 93  https: /  / www.flightright.de / ; https: /  / www.fairplane.de / ; https: /  / www.wirkaufen deinenflug.de / en / ; https: /  / www.airhelp.com / en / ; https: /  / www.flug-verspaetet.de / .



C. Digitalisierung der Rechtsanwendung und Weiterentwicklung der Justiz237

folgreich sein wird oder nicht.94 Die Auswertung von Sachverhalten und Abgleichung mit weiteren Fällen über Big Data wird bereits heute weitreichend praktiziert.95 Sogenannte Legal Tech-Unternehmen versuchen, den juristischen Markt immer weiter zu erobern.96 Einige Unternehmen sowie Forschungsvorhaben trachten danach, die Rechtsprechung voraussehbar(er) zu gestalten;97 andere übernehmen bereits selbständig nach einer erfolgten Rechtsanalyse die Schlichtung und entlasten auf diese Weise die Justiz.98 Hierbei zeigt sich zumeist ein hoher Grad der Spezialisierung der Unternehmen. Das Unternehmen Modria aus den USA schlichtet im Bereich ECommerce nach eigener Aussage für Unternehmen wie PayPal und eBay mehr als 400 Millionen Fälle.99 Dieser Trend des Einsatzes der Informa­ tionstechnologie für die Auswertung der Rechtslage und zur Beseitigung von Rechtsunsicherheit wird sich vermutlich in den nächsten Jahr(zehnt)en weiter fortsetzen.100 Allerdings wirft er auch ganz neue (Rechts-)Fragen auf.101 Gleichzeitig hat dies eine Privatisierung der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten zur Folge, so dass die Justiz in ihrer Aufgabe als Friedensstifter in der bürgerlichen Sphäre in gewissen Teilbereichen an Bedeu-

94  Zu

664.

den Bemühungen einer Rechtsautomation Grupp, in: AnwBl. 2014, 660,

95  Hoffmann-Riem,

AöR Band 142 (2017), S. 16 m. w. N. Deutschland sind beispielsweise die Unternehmen Knowledge Tools ­(https: /  / www.knowledgetools.de / ) und Leverton (https: /  / www.leverton.ai) dabei das Vertragsmanagement zu digitalisieren. Darüber hinaus gibt es die Legal Tech-Unternehmen Jurato (https: /  / www.jurato.de / ), Lexalgo (http: /  / lexalgo.com / ) und Helpcheck (https: /  / www.helpcheck.de / ). 97  Beispielsweise über Bewertungsplattformen für Richter wie www.richterscore. de sollen Tendenzen in der Rechtsprechung offenbart werden. In den USA wird zudem künstliche Intelligenz eingesetzt, um Gerichtsentscheidungen vorauszusagen (sog. Quantitative Legal Prediction), Surden, Machine Learning and Law, 89 University of Washington Law School Law Review 87 (2014) S. 101 ff., 105 ff.; Surden, Predicting supreme courts decisions using artifical intelligence, abrufbar unter: http: /  / www.harrysurden.com / wordpress / archives / category / legal-prediction. 98  Das Unternehmen Modria hatte sich diesbezüglich etabliert. Allerdings wurde dieses in der Zwischenzeit von Tyler Technologies übernommen (https: /  / www.tyler tech.com / solutions-products / modria), vgl. https: /  / www.lawsitesblog.com / 2017 / 06 /  modria-innovator-online-dispute-resolution-acquired-tyler-technologies.html). Aber auch Reval law (www.revallaw.com) leistet seinen Beitrag, indem es das amerikanische Case law auswertet, digitalisiert und damit Unternehmen Anknüpfungspunkte für eine Big Data-Analyse liefert. 99  www.modria.com. 100  Vgl. Kuhlmann, in: Taeger (Hrsg.), Smart World – Smart Law?, S. 1039, 1049 f. 101  Vgl. Rott, in: Blocher / Heckmann / Zech (Hrsg.), DGRI Jahrbuch 2016, S. 111. Rn.  16 ff. 96  In

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Kap. 3: Digitalisierung als rechtlich relevante Größe

tung verliert.102 Die Digitalisierung des Rechts und damit auch der Rechtspflege tangiert die Judikative damit unmittelbar. Der Vorteil entsprechender privater Anbieter ist ihre Reaktionsschnelligkeit, die der Erwartungshaltung der Informationsgesellschaft heutzutage eher entspricht als ein über Monate andauerndes gerichtliches Verfahren.103 Umgekehrt dürften jedoch nicht weniger Normadressaten eher dem Richter vertrauen als einer Rechts-­ Maschine, besonders wenn es um komplexe Interessenabwägungen geht. 3. Smart and Self-executing Contracts Eine neue Form der Rechtsanwendung besteht in der Implementierung von Vertragsinformationen in Software.104 Dies hat zur Konsequenz, dass beim Eintritt vorbestimmter Voraussetzungen diese eine „vollstreckende bzw. vertragserfüllende Wirkung“ übernimmt, ohne dass es der Inanspruchnahme von Gerichten bedarf.105 Hierdurch können Risiken bei Vertragsbeziehungen minimiert werden und innerhalb sehr geringer Zeitspannen eine Umsetzung vertraglicher Regelungen erreicht werden.106 Der Einsatz von Self-executing Contracts bietet sich insbesondere im grenzüberschreitenden Verkehr an, wo kaum gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung steht, da er zeitnahe Lösungen bietet. Beispielsweise kann auf diesem Wege eine Maschine ihre Produktion einstellen, wenn eine Zahlungsrate ausgeblieben ist. Neben der Verwirklichung einer Zahlungsdurchsetzung oder Durchsetzung anderer Vertragsbedingungen werden Smart Contracts in solchen Bereichen eingesetzt, in denen die Technik dem Menschen aufgrund ihrer perfekten Ausführung programmierter Handlungsweisen innerhalb von Sekundenbruchteilen weit überlegen ist. Im Rahmen des Börsenhandelns nehmen daher Smart Transactions einen großen Bereich ein.107 Es gibt bereits selbständig agierende Systeme, über die beispielsweise die digitale Währung Bitcoin transferiert werden kann. 102  Zum Bedeutungsverlust der Justiz in Bezug auf „Friedensgerichte“ vgl. Wittreck, VVDStRL Band 74 (2015), S. 120 ff.; im Hinblick auf Schiedsgerichte und alternative Streitbeilegung vgl. Brosius-Gersdorf, VVDStRL Band  74 (2015), S.  171 ff., 183 ff. 103  Zur Verfahrensdauer an deutschen Gerichten vgl. Einleitung, I. 104  Fries, AnwBl. 2018, 86, 86; Kuhlmann, in: Taeger (Hrsg.), Smart World – Smart Law?, S. 1045. 105  Kölvart / Poola / Rull, in: Kerikmäe / Rull (Hrsg.), The Future of Law and eTechnologies, S. 135, 136; technisch kann dieses System durch die Blockchain-Technologie abgesichert werden: Heckmann / Schmid, Studie: Blockchain und Smart Contracts – Recht und Technik im Überblick, S. 13 ff.; Blocher, AnwBl. 2016, 612, 612, 617; Simmchen, MMR 2017, 162, 164; Schrey / Thalhofer, NJW 2017, 1431, 1431; Glatz, in: Blocher / Heckmann / Zech (Hrsg.), DGRI Jahrbuch 2016, S. 81 ff. Rn. 17 ff. 106  Kölvart / Poola / Rull, in: Kerikmäe / Rull (Hrsg.), The Future of Law and eTechnologies, S. 133, 134.



C. Digitalisierung der Rechtsanwendung und Weiterentwicklung der Justiz239

Diese Technologie kann nicht nur die Gerichte entlasten, sondern auch weitergehende Rechtssicherheit schaffen.

II. Digitalisierung und Weiterentwicklung der Justiz Die Digitalisierung in der Justiz erfolgt gegenüber den privatwirtschaftlichen Entwicklungen eher gemächlich, auch wenn die Rechtsprechung vielfach von diesen Entwicklungen profitiert.108 Insbesondere die Rechtsprechungs-Datenbanken werden innerhalb der Justiz weitreichend genutzt. Die eigentliche Digitalisierung in der Justizsphäre bezieht sich bisher jedoch lediglich auf die Arbeitsweise und die gerichtsinterne Interaktion beziehungsweise die Kommunikation mit Verfahrensbeteiligten. Die Schriftform wird somit weitreichend durch eine qualifizierte (IT-sicherheitswahrende) elektronische Form ersetzt. Es geht dabei vorrangig um einen Wandel hinsichtlich des verwendeten Trägermediums in justiziellen Kontexten, um Gerichtsverfahren effektiver zu gestalten. Durch die Digitalisierung der Prozesse sollen Zeit und Kosten gespart werden, so dass in der bürgerlichen Sphäre der Prozess der Befriedung beschleunigt und dadurch auch die Belastung eines Gerichtsverfahrens für den Einzelnen reduziert wird.109 Hierbei ist zwischen der Digitalisierung des Rechtsverkehrs mit den Gerichten und der Anwaltschaft sowie weiteren Akteuren der Rechtspflege auf der einen Seite und einer justizinternen Digitalisierung auf der anderen Seite zu differenzieren.110 Für letztere wurden bisher vorrangig bestehende analoge Prozesse digitalisiert. Anders als in der Privatwirtschaft ist eine Automatisierung der Rechtsanwendung im Sinne eines Subsumtionsautomaten in der Justiz weder anvisiert noch gewollt.111 1. Elektronischer Rechtsverkehr Eine der wichtigsten Erscheinungsformen der Digitalisierung innerhalb der Justiz ist der elektronische Rechtsverkehr. Dieser beschreibt die Kommunikation mit und von den Gerichten. Die rechtsverbindliche Kommunikation 107  Kölvart / Poola / Rull, in: Kerikmäe / Rull (Hrsg.), The Future of Law and eTechnologies, S. 133, 134. 108  Zur Digitalisierung der Justiz umfassend Ballhausen, IT-Einsatz in der Justiz. 109  Ballhausen, IT-Einsatz in der Justiz, S. 42; Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 104. 110  Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 1. 111  Allenfalls ist demnächst ein automatisiertes Mahnverfahren vorstellbar, bei dem keine Rechtspfleger, sondern nur Maschinen die Entscheidung treffen. Dazu bedarf es aber einer Neuregelung in der ZPO, die sich an § 35a VwVfG anlehnen könnte.

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Kap. 3: Digitalisierung als rechtlich relevante Größe

mit Gerichten war lange Zeit auf die Schriftform begrenzt. Mit zunehmender digitaler Transformation verlangte jedoch die Bevölkerung auch digitale Kommunikationswege. Daher wurden im Laufe der letzten Jahre immer mehr technische Möglichkeiten zur Kommunikation zugelassen, die Bürger nutzen können, um mit der Justiz zu kommunizieren.112 Der elektronische Weg wurde, anders als in Österreich, die den elektronischen Rechtsverkehr bereits seit 1990 gleichwertig zur papiergebundenen Kommunikation nut­ zen,113 jedoch eher zögerlich verfolgt.114 Lediglich einzelne Elemente wurden zu dieser Zeit durch die deutsche Justiz digitalisiert. 2001 wurde die Möglichkeit geschaffen, die Schriftform durch die elektronische Form zu ersetzen.115 § 130a ZPO (in der Fassung vom 01.08.2001)116 gestattete jedoch deren Nutzung nicht unmittelbar, sondern bestimmte, dass Rechtsverordnungen des Bundes und der jeweiligen Länder die Rahmenbedingungen und damit auch den Zeitpunkt vorgeben sollen, ab wann entsprechende elektronische Dokumente genutzt werden sollen, vgl. § 130a Abs. 2 ZPO.117 Während der Bund hiervon umfassend für die Bundesgerichte Gebrauch gemacht hat, hatten die Länder diese Regelung in der Vergangenheit nur teilweise umgesetzt und zudem divergierende Vorgaben geschaffen.118 Dieser frühere rechtliche Flickenteppich in Deutschland ist dem föderalen System geschuldet, schafft aber in einer immer stärker vernetzten Justizumgebung Rechtsunsicherheit.119 § 130a ZPO (in der Fassung vom 01.01.2018) öffnet nunmehr bundeseinheitlich für alle Zivilgerichte den Zugang für den elektronischen Rechtsverkehr.120 Hierbei muss das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Verantwortlichen versehen sein oder durch diesen signiert und über einen sicheren Übermittlungsweg i. S. d. § 130a Abs. 4 ZPO übermittelt worden sein, vgl. § 130a Abs. 3 ZPO. Rechts112  Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap.  6 Rn. 53 mit Beispielen und m. w. N. 113  https: /  / www.justiz.gv.at / web2013 / home / e-government / elektronischer_rechts verkehr_erv~2c9484852308c2a60123708554d203e7.de.html. 114  Vgl. hierzu Bernhardt, in: Gottwald (Hrsg.), FS Schneider, S. 649 ff. 115  Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr (FormVorAnpG) vom 13.07.2001, BGBl. I 2001, 1542. 116  Entsprechende Regelungen für andere Rechtswege finden sich in § 41a StPO, § 46c ArbGG, § 52a FGO, § 65a SGG, § 55a VwGO, oder es gelten über verweisende Vorschriften die Vorgaben der ZPO, vgl. § 14 Abs. 2 FamFG. 117  Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 57. 118  Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 57; Brosch, K&R 2014, 9, 9; Hadid / Mödl, NJW 2010, 2097, 2097. 119  Eine Übersicht der Rechtsverordnungen nach § 130a Abs. 2 ZPO findet sich bei Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 231. 120  Für Strafverfahren enthält § 32a StPO eine entsprechende Regelung.



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sicherheit von elektronisch übermittelten Dokumenten soll unter anderem durch die Beachtung der eIDAS-VO121 und des Vertrauensdienstegesetzes geschaffen werden, die für die Gewährleistung von IT-Sicherheit in der elektronischen Kommunikation als erforderlich angesehen wird.122 Nach Art. 2 Abs. 2 VO (EU) 910 / 2014 gilt die eIDAS-VO allerdings nicht unmittelbar für geschlossene Nutzergruppen (also die Kommunikation der Anwälte mit den Gerichten).123 Während Bürger und Anwaltschaft unter bestimmten Voraussetzungen rechtsverbindlich mit Gerichten elektronisch kommunizieren dürfen, gestattet § 174 Abs. 3, 4 ZPO auch den Gerichten die Nutzung elektronischer Kommunikationswege.124 Das Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG)125 hat den elektronischen Kommunikationsvorgang mit und von den Gerichten weiter reguliert; der Einführungszeitpunkt wird jedoch zunächst wieder durch Rechtsverordnung den einzelnen Ländern überlassen. § 298a Abs. 1a ZPO sieht allerdings als bundeseinheitliches fixes Enddatum für die Einführung der elektronischen Gerichtsakte bei den Zivilgerichten den 01.01.2026 vor.126 Die Kommunikationsform mit und von den Gerichten wird sich in den nächsten Jahren dennoch grundlegend wandeln. Das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten127, welches für die Einführung der Informations- und Kommunikationstechnologie bei den Gerichten verantwortlich ist, wurde insoweit ergänzt, dass sich die Kommunikation nach Ablauf der Übergangsfristen128 maßgeblich verändern wird. Die Kommunikation sollte ab 01.01.2018 über gesonderte elektronische Postfächer wie das besondere elektronische Anwaltspost121  VO (EU) Nr. 910 / 2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.07.2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999 / 93 / EG, ABl. L 257 / 73. 122  Vgl. zur Verbesserung der Beweissicherung Jandt, NJW 2015, 1205, 1205 ff.; zu Vertrauensdiensteanbietern in der Portalkommunikation Heckmann, CR 2016, 684, 691 ff. 123  Roßnagel, NJW 2014, 3686, 3687. 124  Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (ZustRG) vom 25.06.2001, BGBl. I 2001, 1206. 125  BGBl. I 2005, 837. 126  Für Strafverfahren gilt die gleiche zeitliche Planung vgl. § 32 StPO (in der Fassung ab 01.01.2026). 127  BGBl. I 2013, 3786. 128  Vgl. den sehr guten Überblick zu der Einführung der einzelnen elektronischen Kommunikationsmittel der elektronischen Justizkommunikationen in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten in Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 191.

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Kap. 3: Digitalisierung als rechtlich relevante Größe

fach129 erfolgen.130 Das elektronische Anwaltspostfach wurde jedoch aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht wie geplant im Januar 2018 in Betrieb genommen.131 Zur Beschleunigung der Digitalisierung des Justizwesens wurde im Bereich des ordentlichen Rechtsweges zudem eine Pflicht für Rechtsanwälte und Behörden eingeführt, ab dem 01.01.2022 mit den Zivilgerichten auf elektronischem Wege zu kommunizieren, § 130d ZPO.132 Auch in den anderen Rechtswegen sind entsprechende Vorgaben enthalten.133 Zur Vereinfachung der Kommunikation mit Gerichten enthält § 130c ZPO zudem die Möglichkeit der Nutzung von weiteren elektronischen Formularen, die durch Rechtsverordnung eingeführt werden können. Neben der Kommunikation hat der Gesetzgeber weitere Teilbereiche digitalisiert. Anträge im Mahnwesen werden inzwischen fast vollständig elektronisch übermittelt134 bzw. ausgewertet135.136 Die verpflichtende Nutzung der elektronischen Kommunikationswege gibt es für Anwälte im Bereich des Mahnwesens bereits seit dem 01.12.2008.137 Um den Änderungen im Kommunikationsverfahren auch im öffentlichen Raum Rechnung zu tragen, hat der Gesetzgeber zudem das Beweisrecht reformiert. Während früher für alle elektronischen Dokumente die Beweisregelungen des Augenscheins Anwendung fanden, gilt nunmehr für elektronische 129  Das EGVP ist im Gesetz nicht genannt, wobei diese Postfächer nicht als einzige Kommunikationsform vorgeschrieben sind. Die Nutzung der qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) ist genauso möglich wie eine Kommunikation über DEMail, bei der auf die Nutzung von qualifizierten elektronischen Signaturen verzichtet werden kann, vgl. § 130a ZPO. 130  Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 57, 176; die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde durch das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG, Beschl. v. 20.12.2017 – 1 BvR 2233 / 17. 131  http: /  / www.cr-online.de / blog / 2017 / 12 / 23 / warnung-vor-dem-besonderen-elek tronischen-anwaltspostfach-bea / ; https: /  / www.juve.de / nachrichten / namenundnach richten / 2017 / 12 / sicherheitsprobleme-anwaltspostfach-bleibt-vorerst-offline. 132  Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 78. 133  § 46g ArbGG, § 14b FamFG, § 52d FGG, § 65d SGG, § 55d VwGO. 134  Für Rechtsanwälte ergibt sich die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung aus § 690 Abs. 3 ZPO. 135  Es gibt sogar bereits ein automatisiertes Mahnverfahren, bei dem software­ gestützt der Antrag geprüft und ein entsprechender Mahnbescheid erstellt wird, vgl. ­https: /  / www.rummel-ag.de / produkte / wm-augema / ; Ballhausen, IT-Einsatz in der Justiz S.  15 ff.; Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 497. 136  Zu den unterschiedlichen Übermittlungsmethoden vgl. Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 482 ff. 137  Art. 10 des Zweiten Gesetz zur Modernisierung der Justiz (2. Justizmodernisierungsgesetz), BGBl. I 2006, 3416.



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Dokumente die Beweiskraft von Urkunden, wenn diese mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind (§ 371a ZPO) oder wenn eine öffentliche Urkunde durch eine öffentliche Stelle eingescannt und auf diesem Wege in ein elektronisches Dokument übertragen wurde (§ 371b ZPO). Der gleiche Beweiswert trifft auch den Ausdruck eines öffentlichen elektronischen Dokuments, vgl. § 416a ZPO. Gleichzeitig wird die Informationstechnologie zur Verbesserung der Barrierefreiheit für Verfahrensbeteiligte eingesetzt. Dies wird durch die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0)138 gefordert, die entsprechende Anforderungen formuliert. Zudem enthält § 191a GVG Erleichterungen für die Kommunikation von blinden oder sehbehinderten Personen mit Gerichten.139 Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ist E-Justice ein wichtiges Thema, welches die Union voranbringen will.140 2. Justizinterne Digitalisierung Ohne eine umfassende justizinterne Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien wäre ein elektronischer Rechtsverkehr mit den Gerichten nicht denkbar. Damit Daten und Dokumente aus der elektronischen Kommunikation im Justizwesen auch frei von Medienbrüchen weiterverarbeitet werden können, wird die Justiz intern weitreichend digitalisiert. a) Digitalisierung von Registern und staatlichen Angeboten Neben der Zurverfügungstellung der Technologie zur Bewältigung des Arbeitsalltags innerhalb der Justiz wurden in den letzten Jahren bestehende Register digitalisiert141 oder neue Register geschaffen142. Hierdurch wird 138  BGBl. I

2011, 1843, zuletzt geändert 2016 BGBl. I 2016, 2659. hierzu Sorge / Krüger, NJW 2015, 2764, 2765 ff. 140  Aktionsplan 2009-2013 für die europäische E-Justiz, vgl. ABl. 2009 / C 75 / 01 v. 31.03.2009, http: /  / eur-lex.europa.eu / LexUriServ / LexUriServ.do?uri=OJ:C:2009:0 75:0001:0012:DE:PDF; ENTWURF EINER STRATEGIE FÜR DIE EUROPÄISCHE E-JUSTIZ (2014–2018) 2013 / C 376 / 06 Amtsbl. Der EU v. 21.12.2013  – C 376 / 7; ausführlich zum europäischen Kontext von E-Justice Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 5 ff. 141  Abrufbar über das Gemeinsames Registerportal der Länder www.handelsre gister.de. 142  Zentrales Schutzschriftenregister nach § 945a Abs. 1 ZPO, https: /  / schutzschrif tenregister.hessen.de /  oder das Zentrale Testamentsregister nach §§ 78a–f BNotO http: /  / www.testamentsregister.de / . 139  Vgl.

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Kap. 3: Digitalisierung als rechtlich relevante Größe

eine Online-Abfrage ermöglicht, die für alle Beteiligten Ressourcen schont. Insbesondere das Zentrale Schutzschriftenregister143 vereinfacht die Arbeit von Rechtsanwälten, aber auch Gerichten, da Anwälte nicht mehr an jedes potentiell zuständige Gericht prophylaktisch Schutzschriften übersenden müssen. Das gemeinsame Justizportal des Bundes und der Länder bietet zudem eine weitreichende Vernetzung bzw. Verlinkung bestehender staatlicher Online-Dienste.144 Vom digital einsehbaren Grundbuch145 bis zur Teilnahme an Online-Justiz-Auktionen146 findet eine Digitalisierung staatlicher Verfahren statt. Die elektronische Abfrage- und Recherchemöglichkeit vereinfacht das Suchen durch private und öffentliche Stellen. Vor allem entfallen durch die digitale Transformation dieses staatlichen Bereichs zeitintensive Anfragen bei anderen Behörden. b) Elektronische Aktenführung Während die Digitalisierung des Registerwesens in der Praxis als arbeitserleichternde Maßnahme grundsätzlich auf Akzeptanz gestoßen ist, muss sich die gesetzlich vorangetriebene elektronische Aktenführung noch beweisen.147 Die elektronische Akte ist für die Gerichte derzeit noch als Kann-Vorschrift geregelt, vgl. u. a. § 298a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Lediglich für Behörden des Bundes148 und in einigen Ländern149 besteht eine diesbezügliche Soll-Vorschrift150. Ab dem 1. Januar 2026 ist die elektronische Prozessaktenführung jedoch nach § 298a Abs. 1a ZPO bei Gericht verpflichtend. Dennoch wird die Einführung der Digitalisierung des inneren Gerichtswesens weiter vorangetrieben. Sie wird die Arbeitsabläufe bei Gericht zukünftig nachhaltig prä143  https: /  / schutzschriftenregister.hessen.de / . 144  http: /  / www.justiz.de / index.php.

145  Grundlage hierfür ist das Gesetz zur Einführung eines Datenbankgrundbuchs (DaBaGG) BGBl. I 2013, 3719. 146  https: /  / www.justiz-auktion.de / . 147  Hierzu Ballhausen, IT-Einsatz in der Justiz, S. 26 ff. 148  Für die Behörden der Länder richtet sich die elektronische Aktenführung nach den jeweiligen Landesgesetzen. 149  Entsprechende Regelungen finden sich in den EGovG der Länder Sachsen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SächsEGovG), Bayern (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayEGovG), BadenWürttemberg (§ 7 Abs. 1 BW EGovG), Bremen (§ 7 Abs. 1 Brem. EGovG), Mecklenburg-Vorpommern (§ 10 Abs. 1 Satz 1 EGovG M-V) und NRW (§ 9 Abs. 3 EGovG NRW ab 01.01.2022). 150  Vgl. §  6 Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (EGovG) BGBl. I 2013, 2749. Darüber hinaus haben einige Länder in ihren EGovernmentGesetzen Soll-Vorschriften für ihre Behörden geschaffen, u. a. in Bayern, BadenWürttemberg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen.



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gen.151 Auch in Strafverfahren wird die Digitalisierung von Verfahrensabläufen durch das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs152 forciert, vgl. §§ 32 ff. StPO. Die elektronische Gerichtsakte wird in diversen Pilotprojekten deutschlandweit erprobt, bevor ihre flächendeckende Einführung im Jahr 2022 erfolgt. Obwohl die Justiz maßgeblich von den Ländern geprägt ist und hierdurch teilweise die flächendeckende Digitalisierung gehemmt wird153, fordert die Digitalisierung die Schaffung einheitlicher Standards, um einen länderübergreifenden Austausch von elektronischen Gerichtsakten bzw. Datensätzen zu ermöglichen.154 Dies wird durch den XJustiz-Standard gewährleistet,155 der für die Schaffung von Schnittstellen relevant ist.156 Da mit einer Digitalisierung des schriftlichen Elements eines Gerichtsverfahrens auch die gerichtlichen Dokumente betroffen sind, wurden bereits verschiedene gesetz­ liche Vorgaben in diesem Kontext geschaffen, die neben der Ausfertigung und Zustellung157 auch die Erstellung von Auszügen158 oder Berichtigungen entsprechender Dokumente regeln159. Um auch in der Übergangsphase der digitalen Transformation in der Justiz dem Gebot auf effektiven Rechtsschutz Genüge zu tun, werden auch weiterhin Schriftsätze von Privatpersonen in Papierform akzeptiert, die von den Gerichten für die Akten eingescannt werden.160 Solange die Justiz noch nicht verpflichtend die elektronische Akte führt, ist zudem unter gewissen Voraussetzungen ein Ausdruck elektronischer Dokumente gestattet, § 298 ZPO. Der Umstand, dass die Justizkommunikation vor der Einführung der verpflichtenden elektronischen Aktenführung angesiedelt ist, beruht u. a. darauf, dass die elektronische Akte von Richtern kritisch gesehen wird, weil sie eine Leistungskontrolle auf diesem Wege befürchten161 und es nicht so leicht ist, alle bei Gericht eingespielten organisatorischen Abläufe digital abzubilden. 151  Bernhardt / Heckmann,

in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 279. 2017, 2208. 153  Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 99. 154  Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 90; Viefhues, in: Hoeren / Sieber / Holznagel (Hrsg.), Multimedia-Recht, Teil 24 F. Rn. 99. 155  Vgl. hierzu Ballhausen, IT-Einsatz in der Justiz, S. 25 f. 156  Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 101. 157  Z. B. § 315 Abs. 3 ZPO. 158  Z. B. § 317 Abs. 3 ZPO, § 37 StPO i. V. m. § 317 Abs. 3 ZPO. 159  Z. B. § 319 Abs. 2, 320 Abs. 4 ZPO, § 489 StPO. 160  Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 102. 161  Janisch, Digitalisierte Wahrheit, 04.07.2016, http: /  / www.sueddeutsche.de / di gital / akte-e-vom-stapel-lassen-1.3061120. 152  BGBl. I

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Kap. 3: Digitalisierung als rechtlich relevante Größe

Ein Argument vieler Richter gegen die elektronische Akte ist nämlich auch, dass sie keine Verwaltungsaufgaben übernehmen möchten, die bisher ihren Serviceeinheiten zugeordnet sind. Darüber hinaus wird die mündliche Verhandlung weitestgehend „vom ­ rozess der Elektronifizierung ausgenommen“.162 So wird eine mündliche P Aussage vor Gericht nicht durch die elektronische Form ersetzt werden können. Allerdings kann eine mündliche Form durch eine digital übertragene mündliche Form weitreichend ersetzt werden, vgl. u. a. § 128a ZPO.163 c) Änderung der justizinternen Aufgabenzuweisung Es wäre technisch ohne großen Zeitverlust möglich, dass Arbeiten, die bisher von den Geschäftsstellen übernommen wurden, eigenständig durch den Richter erfolgen könnten.164 Durch die eingesetzte Diktiersoftware, die das Diktierte in einen Text umsetzt, werden bereits heute die Geschäftsstellen teilweise hinsichtlich der Schreibarbeit entlastet.165 Darüber hinaus werden einige Aufgaben selbstständig durch die Software der elektronischen Akte übernommen, wie das Verarbeiten des elektronischen Posteingangs und das Beifügen elektronischer Dokumente zu der elektronisch geführten Akte. Die technisch bedingte Arbeitsentlastung der Geschäftsstellen führt vielerorts bereits vor Einführung der elektronischen Akte zu weniger Neueinstellungen in diesem Bereich und aufgrund von Pensionierungen zu weniger Personal in den Serviceeinheiten.166 Darüber hinaus werden sich die Gerichte auf Änderungen im Arbeitsablauf einstellen müssen.167 Dass Richter selbst entsprechende Aufgaben übernehmen müssen, verletzt ihre richterliche Unabhängigkeit nicht. Insbesondere ein Anspruch auf ­Nichtarbeit mit digitalisierten Unterlagen168 bzw. deren verpflichtender Ausdruck von Geschäftsstellenseite besteht nicht.169 162  Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 6 Rn. 103; Geis / Berlit, DVBl. 2014, 14, 19. 163  Vgl. hierzu ausführlich C. II. 3. 164  Von Richterseite wird diese Aufgabenverlagerung hingegen kritisch gesehen, vgl. Gundlach, DRiZ, 2015, 96, 98 f. 165  Vgl. das Plädoyer von Dreiocker, DRiZ 2005, 19, 19 ff. zur Einführung dieser Technik. 166  Frei werdende Ressourcen für Bedienstete der Serviceeinheiten könnten im Rahmen der Erweiterung der Öffentlichkeit und deren Digitalisierung genutzt werden. Vgl. hierzu Kapitel 4 D. 167  Allgemein zum informationstechnisch bedingten Strukturwandel im Rahmen der öffentlichen Verwaltung Zypries, in: Picot / Quadt (Hrsg.), Verwaltung ans Netz!, S.  5 f. 168  Vgl. Heckmann, MMR 2006, 3, 5.



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3. Digitalisierung der mündlichen Verhandlung Neben der digitalen Transformation des gerichtlichen Arbeitsalltags bestehen auch Tendenzen, die mündliche Verhandlung in entsprechender Weise umzugestalten.170 Die technische Justizöffnung in diesem Bereich ist in der Vergangenheit für die Öffentlichkeit fast unbemerkt erfolgt. Bereits im Jahr 2001 wurde mit § 128a ZPO (a. F.) die Möglichkeit geschaffen, dass alle Verfahrensbeteiligten mit Ausnahme des Gerichts, d. h. Parteien, Bevollmächtigte, Beistände, Zeugen und Sachverständige digital zur mündlichen Gerichtsverhandlung hinzugeschaltet werden können und nicht mehr zwingend vor Ort sein müssen.171 Entsprechende Vorgaben gibt es nunmehr über das zivilgerichtliche Verfahren hinaus auch für das patentrechtliche Verfahren in § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 128a Abs. 1 ZPO, für das arbeitsgerichtliche Verfahren in § 46 ArbGG i. V. m. § 128a Abs. 1 ZPO und für das sozialrechtliche Verfahren in § 110a SGG. In Familiensachen ist der Einsatz dieser ­Telekommunikationsmittel in § 32 Abs. 3 FamFG i. V. m. § 128a Abs. 1 ZPO nur für geeignete Verfahren vorgesehen. § 32 FamFG findet hingegen bei Ehe- und Familienstreitsachen keine Anwendung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Stattdessen gelten in diesem Fall über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG die Regelungen des § 128a Abs. 1 ZPO.172 Im Strafprozess ist der Einsatz von bild- und tonübertragenden Telekommunikationsmitteln in folgenden Vorschriften geregelt: § 118a; § 163a Abs. 1 i. V. m. §§ 58a, 58b; § 233 Abs. 2 Satz 3 StPO.173 Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kann ein Verfahrensbeteiligter nach § 102a Abs. 1 VwGO das Verfahren mittels Telekommunikationsmitteln verfolgen. Im finanzgerichtlichen Verfahren ist nach § 91a FGO diese Art des Technikeinsatzes bereits an der Tagesordnung. Durch den rechtsstaatsadäquaten und -gebotenen Technikeinsatz wird die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens für ortsabwesende Parteien wesentlich erleichtert. Das staatliche Angebot der Einbindung neuer technischer Möglichkeiten für die Wahrnehmung der eigenen Rechte stärkt zudem die Akzeptanz des Rechtsstaates. Gleichzeitig dient es den Gerichten als Hilfsmittel, um Verfahren trotz ortsabwesender Parteien oder Zeugen zu beschleunigen bzw. schneller zum Abschluss zu bringen, und erfüllt somit auch Anforderun169  BGH, Urt. v. 21.10.2010  – RiZ(R) 5 / 09; vgl. auch Roggenkamp K&R 2011, 115, 115 f. 170  Zu Videokonferenzen im Zivilprozess vgl. Schultzky, NJW 2003, 313. 171  BGBl. I 2001, 1887; zur Frage der Öffentlichkeitsgewähr in solchen Fällen vgl. Kussel, Die Digitalisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 165 ff. 172  Kemper, in: Saenger (Hrsg.), Zivilprozessordnung, § 32 FamFG, Rn. 3; vgl. Rüntz, in: Bahrenfuss (Hrsg.), FamFG, § 32 Rn. 2 f. 173  Vgl. ausführlich zum Videotechnikeinsatz im Strafverfahren: Swoboda, Videotechnik im Strafverfahren; Leitner, Videotechnik im Strafverfahren.

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Kap. 3: Digitalisierung als rechtlich relevante Größe

gen im Hinblick auf eine prozessökonomische Verfahrensgestaltung.174 Daher stößt diese Möglichkeit in der Praxis ebenfalls weitreichend auf Akzeptanz.175 4. Automatisierung der Rechtsanwendung Die Idee der Automatisierung gerichtlicher Entscheidungen mithilfe eines digitalen Subsumtionsautomaten bzw. die justizielle Automationsunterstützung ist nicht neu176 – die Bereitschaft der Justiz, entsprechende Verfahren tatsächlich einzusetzen, dagegen schon.177 Derzeit wird durch das Bayerische Staatsministerium der Justiz überlegt, inwieweit man Kleinstdelikte automatisiert bei der Staatsanwaltschaft bearbeiten könnte, um dadurch Ressourcen zu schonen. Hierbei ist zu beachten, dass alle Weichenstellungen, d. h. ob ein Verfahren eingestellt, Anklage erhoben oder ein Strafbefehl ausgefertigt wird, sowie die weiteren Vorgaben, klar determiniert sein müssen, damit diese programmierbar sind. Sobald weiche Kriterien eine Rolle spielen, wie dies beispielsweise im Jugendstrafrecht häufig der Fall ist, eignet sich eine Automatisierung entsprechender Verfahren nicht einmal auf Seiten der Staatsanwaltschaft. Strafrechtliche Verfahren müssen jedoch nicht zwingend durch einen Staatsanwalt bearbeitet werden.178 Dies zeigt bereits die Praxis, in der sogenannte Amtsanwälte in einigen Teilen Deutschlands mit der Bearbeitung von Strafsachen im Bereich der leichten Kriminalität (z. B. Verkehrs174  Bachmann,

ZZP 118 (2005), 133, 138. besitzen bisher in Deutschland – anders als in Österreich – noch nicht alle Instanzgerichte die hierfür erforderliche technische Ausstattung; vgl. https: /  / www.justiz.gv.at / web2013 / home / justiz / aktuelles / aeltere_beitraege / 2012 / die_justiz_und_die_videokonferenz__eine_erfolgsgeschichte~2c94848534238345013 4cd9be45e0304.de.html. 176  Herberger, Justiz Automaten in Zeiten justizieller Umbrüche, https: /  / www. edvgt.de / engagement / gemeinsame-kommission-elektronischer-rechtsverkehr / be richte-aufsaetze-nachrichten / maximilian-herberger-justiz-automation-in-zeiten-justi zieller-umbrueche / ; zum Einsatz von Machine Learning in der Rechtspraxis vgl., Surden, Machine Learning and Law, 89 University of Washington Law School Law Review 87 (2014) S. 101 ff., 105 ff. 177  Im Rahmen der Verbrechungsbekämpfung werden Big Data-Auswertungen durch Polizeibeamte hingegen bereits genutzt, https: /  / www.heise.de / newsticker / me ldung / Predictive-Policing-Die-deutsche-Polizei-zwischen-Cyber-CSI-und-MinorityReport-3685873.html. Vgl. zu den sich hierbei stellenden rechtlichen Fragen, Hofmann, Predictive Policing; Meinicke, K&R 2015, 377, 377 ff. 178  Im Rahmen der Verwaltungskommunikation wurde bereits längere Zeit die „automatische Erstellung von Verwaltungsentscheidungen“ diskutiert, vgl. Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 349, 398 f. m. w. N. Mit § 35a VwVfG hat nunmehr auch eine Regelung in das VwVfG Einzug gehalten, die die vollautomatische Erstellung von Verwaltungsakten gestattet, vgl. hierzu Guckelberger, in: Oostrom / Weth (Hrsg.), FS Herberger, S.  401 ff. 175  Allerdings



D. Digitalisierung und Recht – ein Fazit249

delikte) betraut sind, vgl. auch § 36 Abs. 2 JGG. Amtsanwälte sind Rechtspfleger, die sich in einem bestimmten Bereich sehr spezialisiert mit der Bearbeitung vorgegebener Strafsachen befassen.179 Aufgrund der Vorgaben des Grundgesetzes und der Zuweisung der Rechtsprechung an menschliche Richter (Art. 92 GG) wäre eine vollständige Automatisierung der Rechtsprechung verfassungswidrig.180 Allerdings besteht die Möglichkeit der unterstützenden Assistenz der Rechtsprechung durch digitale Systeme.181 Der Einsatz sogenannter „Entscheidungsunterstützungssys teme“182 kann die Beschleunigung gerichtlicher Verfahren bewirken und darüber hinaus eine Gleichbehandlung in gleichgelagerten Fällen herstellen.183 Ebenso ist eine IT-Unterstützung durch ein (voll-)automatisiertes Mahnverfahren denkbar, weil und soweit es den Rechtsschutz bei einem mit Menschen besetzten Gericht nicht ersetzen, sondern nur ergänzen würde. Allemal ist bei jeglicher Digitalisierung und Automatisierung staatlicher Eingriffsakte darauf zu achten, dass die Programmierung der dieser zugrundeliegenden Software durch entsprechend geschulte Menschen erfolgt, Inhalt, Zweck und Ausmaß der Algorithmen durch ein hinreichend bestimmtes Gesetz vorgegeben werden und eine wirksame Kontrolle wiederum durch sach- und rechtskundige Menschen erfolgt, die eine „technologische Verselbständigung“ von Grundrechtseingriffen unterbinden. In ähnlicher Weise räumt Art. 22 DSGVO einen Schutz vor automatisierten Entscheidungen ein: „Die betroffene Person hat das Recht, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung […] beruhenden Entscheidung unterworfen zu sein, die ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt.“

D. Digitalisierung und Recht – ein Fazit Die digitale Transformation hat die Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten maßgeblich geprägt. Die hierdurch bedingte veränderte Lebenswirklichkeit 179  Brunner / Dölling,

Jugendgerichtsgesetz (JGG), § 36, Rn. 7. in: Blocher / Heckmann / Zech (Hrsg.), DGRI Jahrbuch 2016, S. 45 ff., Rn. 46; Ballhausen, IT-Einsatz in der Justiz, S. 83 ff. 181  A. A. Ballhausen, IT-Einsatz in der Justiz, S. 82, wenn der Richter durch die Programmgestaltung in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt wird, beispielsweise dahingehend vorformulierte Textbausteine zu verwenden. 182  Herberger, Can computing in the law contribute to more justice? JurPC WebDok. 84 / 1998, Abs. 1–26, abrufbar unter http: /  / www.jurpc.de / aufsatz / 19980084.htm. 183  Herberger, Justiz Automaten in Zeiten justizieller Umbrüche, Fn. 1 https: /  /  www.edvgt.de / engagement / gemeinsame-kommission-elektronischer-rechtsver kehr / berichte-aufsaetze-nachrichten / maximilian-herberger-justiz-automation-in-zei ten-justizieller-umbrueche / . 180  Rademacher,

250

Kap. 3: Digitalisierung als rechtlich relevante Größe

betrifft fast jeden menschlichen Lebensbereich. Die informationstechnische Entwicklung beeinflusst jedoch nicht nur die Gesellschaft und schafft damit neue Herausforderungen für das Recht als Gesellschaftsordnung, sondern wandelt auch das Verhältnis von Staat und Gesellschaft. Auch der Staat selbst setzt die Informationstechnologie aktiv ein. Dies geschah in der Vergangenheit primär zur Gestaltung der Arbeitsweise, d. h. Technisierung der Arbeitsplätze von Staatsbediensteten, und zur Verbesserung der Sicherheit der Bevölkerung. Seit verhältnismäßig kurzer Zeit wird diese technische Errungenschaft zudem auch als Kommunikationsmittel mit dem Bürger genutzt. Der durch die Informationstechnologie bedingte Wandel muss vom Staat mitbegleitet werden. Dies lässt sich aus der Schutzpflichtenkomponente verschiedener Grundrechte ableiten. Inwieweit sich hieraus eine Handlungspflicht für den Gesetzgeber ergibt, damit dieser seinem grundrechtlichen Auftrag gerecht wird, bedarf der Einzelfallprüfung. Die Judikative, die häufig als erste mit veränderten Lebenswirklichkeiten in der Praxis konfrontiert wird, hat bereits viele Gesetze, die ohne Bezug zur Digitalisierung erlassen wurden, durch Auslegung auch für die digitale Transformation zugänglich gemacht. Darüber hinaus hat die Legislative den Rechtsrahmen partiell an die veränderten Lebenswirklichkeiten angepasst. So wurde über Art. 91c GG der IT-Planungsrat ins Leben gerufen. Gleichsam wurde dem Technikeinsatz durch den Staat Grenzen gesetzt, vgl. u. a. Art. 13 Abs. 3, 5, 6 GG sowie die Datenschutzgesetze. Aber auch der Technikeinsatz zwischen Privaten wurde durch das TMG, TKG, BDSG184 oder die Fernabsatzvorschriften des BGB reguliert. Gleichsam kann jedoch durch den Technikeinsatz geltendes Recht umgangen werden, da viele zuvor bestehende faktische Grenzen hierdurch wegfallen.185 Eine weitere Gefahr in diesem Zusammenhang ist die Komplexität der Informationstechnologie. Die Gestaltung vieler technischer Geräte, Dienste und Prozesse verleitet den Nutzer dazu, die Technologie sorglos, ohne jegliche Kritik einzusetzen, da die sichtbaren Vorteile gegenüber den unsichtbaren Risiken auf den ersten Blick überwiegen (sog. „Plug and PlayFalle“).186 Allerdings kann das Recht durch die Technik auch umgesetzt werden, wenn der Code eines Programms für eine rechtskonforme Nutzung sorgt oder Rechtsverstöße vorhersieht.187 184  Zukünftig übernehmen die europäischen DS-GVO und ePrivacyVO partiell diese Funktion. 185  Zu den faktischen Grenzen vgl. auch Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 743. 186  Heckmann, NJW 2012, 2631, 2631, 2633. 187  Neufang, IRZ 2017, 249, 251 f.



D. Digitalisierung und Recht – ein Fazit251

Neben dem Recht wandelt sich auch die Rechtsanwendung durch die Digitalisierung. Dies erfolgt sowohl auf Seiten der Justiz als auch durch Private. Begonnen hat dieser Prozess mit einer Digitalisierung der Arbeitsweise der Rechtspraxis, d. h. die Einbindung von Computern in den Arbeitsalltag und die Zuhilfenahme von juristischen Datenbanken. Nunmehr entwickeln mehr und mehr Unternehmen allerdings auch Algorithmen, um die bestehenden Datenmengen elektronisch auszuwerten. Gleichsam drängen diese Unternehmen mit Softwareprodukten auf den Markt, um ihre Innovationen gewinnbringend im Rahmen der Rechtsanwendung bzw. -beratung einsetzen zu können. In einem nächsten Schritt kann die Informationstechnologie dazu dienen, Verträge intelligent bzw. selbsterfüllend zu gestalten, um anschließende Rechtsstreitigkeiten über den Vertragsinhalt bzw. deren Vollstreckung zu verhindern. Gleichsam entwickeln Legal Tech-Unternehmen Programme, die zukünftig den Menschen im Rahmen der Rechtsberatung ersetzen sollen.188 Verglichen mit diesen Entwicklungen in der Rechtsanwendung durch die Wirtschaft, ist die (geplante) digitale Transformation der Justiz als moderat anzusehen.189 Zunächst wird vor allem die Papiergebundenheit von Gerichtsverfahren aufgehoben. Hierfür wird die Möglichkeit geschaffen, die Schriftform vor Gericht nunmehr durch die (qualifizierte) elektronische Form zu ersetzen. Ferner wird die (verpflichtende) elektronische Kommunikation zwischen den Gerichten und der Anwaltschaft eingeführt. Darüber hinaus wurden die bestehenden Register digitalisiert und weitere Register eingeführt, um die Rechtsanwendung zu vereinfachen. Ab 2022 soll zudem die elektronische Akte flächendeckend bei deutschen Gerichten eingeführt werden. Zuvor wurde zur Verfahrensbeschleunigung 2001 die Möglichkeit geschaffen, ortsabwesende Verfahrensbeteiligte digital zur mündlichen Gerichtsverhandlung hinzuzuschalten. Eine Automatisierung der Rechtsanwendung durch die Gerichte ist jedoch mit Blick auf Art. 92 GG, der die Rechtsprechung in die Hände menschlicher Richter legt, nicht zu erwarten.190

188  Erste Überlegungen zur Schaffung einer hierfür zuständigen Aufsichtsbehörde sind bereits in Planung, http: /  / www.handelsblatt.com / my / politik / deutschland / legaltech-soll-aufsicht-bekommen-juristerei-per-mausklick / 20635374.html. 189  Erst vereinzelt werden Stimmen laut, die die Einführung von Online-Gerichtsverfahren (bei geringen Streitwerten) anregen, Brosius-Gersdorf, VVDStRL Band 74 (2015), S. 204. Eidenmüller / Engel, ZIP 2013, 1704, 1709 regt an, dass die Amtsgerichte verständliche Online-Tools zur Hilfestellung potentieller Kläger bei der Klageerhebung bereithalten sollen. 190  Vgl. hierzu Ballhausen, IT-Einsatz in der Justiz, S. 83 ff.

Kapitel 4

Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit A. Der virtuelle Raum als öffentlicher Raum I. (Potentiell) freier Zugang für „jedermann“ über das Internet Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Öffentlichkeitsgewähr.1 Das wesentliche Hilfsmittel, um Öffentlichkeit herzustellen, ist heutzutage das Internet.2 Dieses hat in Verbindung mit Errungenschaften im Rahmen der ­IT-Infrastruktur in der Vergangenheit die Veröffentlichung von Informationen revolutioniert und wird die Bereitstellung von Daten in den nächsten Jahren maßgeblich weiter prägen.3 Das Internet als „Ort der Öffentlichkeit“ ist eine der effizientesten Möglichkeiten der Herstellung derselben,4 da scheinbar unbegrenzt Daten hierüber übermittelt, vernetzt, gespeichert und abgerufen werden können. Das Internet basiert auf einer globalen Vernetzung von (selbstständigen) elektronischen Systemen, die miteinander kommunizieren. Aufgrund der technischen Gestaltung besteht faktisch keine Möglichkeit, diese Infrastruktur vollständig auszuschalten. Zudem gibt es keine absolut wirkenden Zensurmöglichkeiten.5 Lediglich der Zugriff be1  Voßkuhle plädiert beispielsweise für eine Rundfunkübertragung von mündlichen Verhandlungen, FAZ vom. 02.03.2012, Nr. 53 S. 4. 2  Kube, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Band IV, § 91 Rn. 6; Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 5 Rn. 19, 31; Hoffmann-Riem, in: Eifert /  Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovation, Recht und öffentliche Kommunikation, S. 17; Gusy, DVBl. 2013, 941, 942; Albrecht, in: Albrecht (Hrsg.) Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 1. Insbesondere junge Menschen informieren sich über diese Quelle, https: /  / www.die-medienanstalten.de / fileadmin / user_upload / die_me dienanstalten / Themen / Forschung / Medienkonvergenzmonitor / DLM_MedienGewich tungsStudie.pdf S. 18, 22, 24, 28 f.; so auch Schmidt, in: Heckmann / Schenke / Sydow (Hrsg.), FS Würtenberger, S. 408. Vgl. auch REC (2002) 2 – Europarat Rn. 58, 59, wonach die Nutzung des Internets als Veröffentlichungsmittel bewusst eingesetzt wird. Der Gesetzgeber kommt dieser Erwartungshaltung durch eine Anpassung der Gesetzgebung zur Informationsgewährung über das Internet partiell nach vgl. Bräutigam, Rechtsvergleichung als Konfliktvergleich, S. 358. 3  Zu den Chancen der Entfaltung grundrechtlicher Freiheiten durch das Internet, vgl. Kube, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Band IV, § 91 Rn. 83 ff. 4  Lederer, Open Data, S. 203. 5  Zur Freiheitsgewährung durch das Internet, Lessig, CODE, S. 3 f.



A. Der virtuelle Raum als öffentlicher Raum253

stimmter Nutzer(-gruppen) kann aufgrund einer IP-Adressen-Erkennung ausgeschlossen werden.6 Darüber hinaus ist deutschlandweit eine hohe Vernetzung der Bevölkerung über das Internet gegeben, die immer weiter ausgebaut wird.7 Damit erreicht man über das Internet mehr Bürger, als dies auf dem analogen Weg möglich wäre. Ca. 79 % der deutschen Bürger sind im Jahr 2016 über das Internet verknüpft.8 Aufgrund der heutzutage üblichen Flatrate-Verträge ist die Nutzung des Internets auch kein unerschwinglicher Luxus mehr. Darüber hinaus gibt es immer mehr freie WLAN-Netze, sog. Hotspots, z. B. bei der Bahn, an Flughäfen, in Hotels, Restaurants etc., oder bestimmte Zugänge, wie beispielsweise für Universitäten. Bei einem durch Dritte verursachten Ausfall des Internets wird inzwischen zivilrechtlich sogar aufgrund der Bedeutung dieses Mediums ein ersatzfähiger Vermögensschaden unabhängig davon angenommen, ob dem Betroffenen hierdurch Mehraufwendungen entstanden oder Einnahmen entgangen sind.9 Einzig das Vorliegen eines Nutzungswillens und der Nutzungsmöglichkeit sind erforderlich.10 Diese pauschalierte Nutzungsausfallsentschädigung war zuvor nur beim schadensbedingten Ausfall einer Wohngelegenheit oder privat sowie gewerblich genutzten PKWs bejaht worden.11 Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs offenbart die zunehmende Bedeutung des Internets in der Gesellschaft. Da jedermann über einen Internetzugang ein Zutritt zu virtuellen Räumen gewährt ist, schafft das Internet Gleichberechtigung. Es ermöglicht zudem eine Form von Barrierefreiheit / Barrierearmut, die in der analogen Praxis nur durch sehr große Kraftanstrengungen ermöglicht werden könnte.

II. Unabhängigkeit von Raum, Zeit und Inhalt Das Internet schafft jedoch nicht nur einen personell unbeschränkten Zugang zu Inhalten. Es ermöglicht auch eine Unabhängigkeit von Raum, Zeit und Inhalt.12 Faktische Hürden bestehen bei der Herstellung von Öffentlich6  Eine technische Umgehung dessen ist in diesen Fällen jedoch mittels Proxyservern möglich. 7  https: /  / de.statista.com / statistik / daten / studie / 13070 / umfrage / entwicklung-derinternetnutzung-in-deutschland-seit-2001 / . 8  https: /  / de.statista.com / statistik / daten / studie / 13070 / umfrage / entwicklung-derinternetnutzung-in-deutschland-seit-2001 / . 9  BGH MMR 2013, 611, 612 f. 10  Vgl. BGH NJW 1966, 1260, 1260 ff.; BGH NJW 1968, 1778, 1780. 11  BGH NJW 1964, 542, 542 ff.; BGH NJW 1984, 724, 724 f. m. w. N. Umfassend zur Nutzungsausfallentschädigung Knerr, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 3. Kap. Rn.  95 ff. m. w. N. 12  Heckmann, in: Heinrich (Hrsg.), FS Musielak, S. 211.

254

Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

keit derzeit vor allem noch in der Ortsgebundenheit staatlichen Handelns. Aufgrund der bisherigen Öffentlichkeitsform können nur Ortsanwesende Zeugen des Geschehens werden. Mittels der Informationstechnologie könnten nunmehr auch Menschen an jedem anderen Ort mit Internetverbindung (sofern eine digitale Übertragung über das Internet stattfindet) das staatliche Handeln sinnlich wahrnehmen. Darüber hinaus bestehen räumliche Kapazitätsgrenzen. Die sechs Besuchertribünen im Plenarsaal des Deutschen Bundestags bieten beispielsweise nur Platz für 430 Zuhörer.13 Gerichtssäle sind zumeist deutlich kleiner. Online hingegen könnte ein viel größerer Rezipientenkreis entsprechenden Sitzungen beiwohnen, da für die Wahrnehmung eines online übertragenen staatlichen Verhaltens lediglich ein Empfangsgerät und ein Onlineanschluss erforderlich sind. Der Staat müsste dann keinen ­realen Raum mehr zur Verfügung stellen. Eine weitere Hürde ist derzeit temporärer Natur, da man grundsätzlich nur live, d. h. im Zeitpunkt des Geschehens Erlebnisse wahrnehmen kann. Kameraaufnahmen und technische Möglichkeiten der Bild- und Tonübertragung weichen diese Grenze auf, indem sie ein späteres audiovisuelles Wahrnehmen erlauben. Das Internet beseitigt damit örtliche, räumliche und temporäre Grenzen. Darüber hinaus kann die Informationstechnik Barrierefreiheit herstellen, indem auf diesem Wege durch die Bereitstellung weiterer anders wahrnehmbarer Informationen fehlende Möglichkeiten akustischer oder optischer Sinneswahrnehmungen weitgehend kompensiert werden können. So kann die textliche Einblendung von getätigten Äußerungen ein Ton-Äquivalent für Gehörlose darstellen und Menschen mit Sehbehinderungen können anders als bei Alltagsgeschehnissen ohne fremde Hilfe Texte vorgelesen oder Situationen akustisch bildlich beschrieben werden. Die Beseitigung dieser analogen Grenzen der Öffentlichkeit, würde eine völlig neue Form der Transparenz staatlichen Handelns ermöglichen und bestehende faktische Diskriminierungen beseitigen. Die Digitalisierung reißt jedoch auch die bislang bestehenden faktischen Grenzen ein, die bei der Gewährleistung von Öffentlichkeit und Zugänglichkeit von staatlichen Informationen in der Vergangenheit bestanden haben. Durch das Internet werden ganz neue Möglichkeiten bei der medialen Vermittlung und Aufbereitung von staatlichen Informationen durch den Staat und / oder die (Zivil-)Gesellschaft geschaffen. Darüber hinaus verändern sich Informations- und Kommunikationsflüsse durch die Technik. Diese können hierdurch einerseits transparenter und nachvollziehbarer gestaltet werden, da sie für jedermann zugänglich und rückverfolgbar sind, andererseits können Aussagen auf digitalem Wege beweissicherer erfolgen als dies bei vielen 13  https: /  / www.btg-bestellservice.de / pdf / 40410000.pdf

S. 40.



A. Der virtuelle Raum als öffentlicher Raum255

analogen Verfahren der Fall ist.14 Zudem ist die Verbreitung von Informationen nicht mehr nur eindimensional möglich, sondern sie kann multipolar erfolgen. Gleichsam bestehen neue Chancen im Rahmen der Teilhabe und Partizipation, da digital vorhandene Informationen sich grundsätzlich nicht verbrauchen und damit vielfach Verwendung finden können. In technischer Hinsicht erlauben die unterschiedlichen Internetprotokolle die Informationsübermittlung in den unterschiedlichsten Formen. So ist nicht nur die Unterrichtung in Textform, sondern auch eine Informationsvermittlung in Bild- und Ton möglich. Zudem können Dokumente und Dateien auf diesem Wege übermittelt werden. Durch spezielle Druckanleitungen für 3D-Drucker und die entsprechende technische Hardware wäre über das Internet theoretisch auch eine Übermittlung verkörperter Informationen denkbar.

III. Ausprägungsformen von Öffentlichkeit im digitalen Zeitalter Die Vorteile der Digitalisierung von Öffentlichkeit ist teilweise bereits durch den Staat erkannt und umgesetzt worden. Daher prägt der technische Wandel heutzutage bereits die Gestaltung der Öffentlichkeit. So nutzt beispielsweise die deutsche Legislative bereits das Parlamentsfernsehen, um Sitzungen öffentlich zugänglich zu machen.15 Darüber hinaus stellen die Legislative und Exekutive Dokumente, die keine Rechte Dritter verletzten, vielfach online, um dem Open Data-Gedanken gerecht zu werden. Es gibt ganz verschiedene Open Data-Angebote.16 Einerseits gibt es Anwendungen, die durch den Staat selbst betrieben werden. Der Bundeswahlleiter informiert auf seiner Webseite über die Wahlergebnisse.17 Hierbei kann man sogar das Abstimmungsverhalten in den einzelnen Wahlkreisen einsehen.18 Frankfurt will auf diesem Wege die kommunale Bürgerbeteiligung 14  Bei dem Einsatz der Blockchain-Technologie, wird nach bisherigem Erkenntnisstand, eine in der Blockchain gespeicherten Informationen als nicht manipulierbar angesehen, vgl. zur technischen Gestaltung Satoshi Nakamoto, „Bitcoin: A Peer-toPeer Electronic Cash System“, abrufbar unter https: /  / bitcoin.org / bitcoin.pdf. Zum Einsatz in der Rechtswissenschaft, vgl. Blocher, AnwBl. 2016, 612, 617 f.; Simmchen, MMR 2017, 162; Schrey / Thalhofer, NJW 2017, 1431; Glatz, in: Blocher / Heckmann /  Zech (Hrsg.), DGRI Jahrbuch 2016, S. 81 ff.; Ankenbrand, in: Blocher / Heckmann /  Zech (Hrsg.), DGRI Jahrbuch 2016, S. 93 ff. 15  Vgl. ausführlich Kapitel 1 A. II. 16  Eine gute Übersicht findet man auf http: /  / opendata-showroom.org / de / . 17  https: /  / www.bundeswahlleiter.de / bundestagswahlen / 2017 / ergebnisse.html. 18  Vgl. https: /  / www.bundeswahlleiter.de / bundestagswahlen / 2017 / ergebnisse / bund -99 / land-16.html.

256

Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

stärken.19 Andererseits gibt es auch Angebote privater Organisationen, die sich für mehr Transparenz staatlichen Handelns einsetzen. LobbyControl – Initiative für Transparenz und Demokratie e. V. hält eine Datenbank für Parteispenden bereit und informiert Bürger über Akteure, die durch Lobbyismus versuchen Einfluss auf die Politik zu nehmen.20 Die Open Knowledge Foundation Deutschland e. V. hat grafisch aufbereitet online aufgezeigt, über welche Summen der Bund, die einzelnen Ministerien und die Länder in den letzten Jahren verfügt haben und wofür der Staat dieses Geld ausgegeben hat.21 Mit dem Open Data-Gedanken geht zudem ein Wandel der Informationsbzw. Öffentlichkeitsgewähr einher. Informationen, deren Öffentlichkeitsbedürftigkeit der Staat auf Grundlage des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips festgestellt hat, sollen danach ohne das Erfordernis einer gesonderten verfahrensbezogenen Geltendmachung von Informationsansprüchen bereitgestellt werden.22 Die digitale Öffentlichkeit bewirkt damit auch einen Wandel des bisherigen Informationsverhaltens des Staates. Bisher ist nämlich die Verpflichtung zur anlasslosen staatlichen Veröffentlichung von Informa­ tionen eher die Ausnahme. Die genannten Ausprägungsformen digitaler Öffentlichkeit erlauben zudem die Wahrung der Funktionen von Öffentlichkeit in einem viel umfangreicheren Maß gegenüber den zuvor dargestellten Formen der Öffentlichkeit, da bestehende faktische Hindernisse keine Rolle mehr spielen. Zur Herstellung digitaler Öffentlichkeit können potentiell alle Informa­ tionstechnologien genutzt werden, die eine Übermittlung eines Geschehens an einen anderen Ort erlauben. Während im analogen Zeitalter primär textbasierte Informationen veröffentlicht wurden, erlaubt die digitale Transformation nunmehr auch eine Verbreitung weiterer multimedialer Informations­ arten. Hierzu zählen besonders auch die Aufnahme und Übertragung von Bewegtbildern. Darüber hinaus sind Verfahren der (simultanen) Bild- und Tonübertragung sowie die Möglichkeit der Dateien- und Dokumentenübertragung23 von praktischer Relevanz. Gleichzeitig erlaubt das Internet neue Darstellungsformen und eine Kombination von multimedialen Inhalten. Dennoch oder gerade daher beschränkt 19  http: /  / www.frankfurt-gestalten.de / .

20  https: /  / lobbypedia.de / wiki / Hauptseite. 21  Die

Seite https: /  / offenerhaushalt.de /  wird leider nicht mehr aktiv gepflegt. „Bringschuld“ des Staates Lederer, Open Data, S. 206; Dix, in: Möller /  Zezschwitz, Verwaltung im Zeitalter des Internets, S. 85, 90. 23  Dies gilt insbesondere bei Verfahren, bei denen derzeit mangels mündlicher Verhandlung ein Öffentlichkeitsdefizit besteht, vgl. Kapitel 2 D. IV. 22  Zur



B. IT als Garant der Öffentlichkeitsfunktionen!?257

sich die Bedeutung des Technologiewandels für die Schaffung von Öffentlichkeit nicht nur auf den Einsatz dieser Technologien. Darüber hinaus bedarf es einer verständlichen und transparenten Gestaltung, und es müssen bei der Umsetzung der oben genannten Funktionen vertrauenswürdige Zugänge zu öffentlichkeitsbedürftigen Informationen geschaffen werden. Mithin kann eine stärkere Fokussierung der digitalen Öffentlichkeit auf die inhaltliche Dimension gesehen werden. Bei der Herstellung von Öffentlichkeit im digitalen Zeitalter ist neben den technischen Möglichkeiten auch der gesellschaftliche Wandel auf der Grundlage der neuen Medien zu beachten, der sich in geänderten Rezeptionsformen der Bevölkerung niederschlägt. Viele Menschen möchten sich nicht mehr einem linear vorgegebenen (Sende-)Programm unterwerfen, sondern die Rezeption ihren eigenen Bedürfnissen und ihrer Tagesplanung anpassen. Dies ist ein Faktor, der auch für die Ausprägung von Öffentlichkeit im digitalen Zeitalter eine Rolle spielen kann.

B. IT als Garant der Öffentlichkeitsfunktionen!? I. Schaffung und Nutzung digitaler Zugänge Informations- und Kommunikationstechnologien sind im digitalen Zeitalter weitaus mehr als ein bloßes mediales Werkzeug im praktischen Einsatz. Sie haben durch ihre weitreichende Funktionalität und ihre Breitenwirkung eine unmittelbar rechtsgestaltende und zum Teil gar rechtsändernde Wirkung. Das zeigt sich gerade bei der Öffentlichkeitsgewähr. So ist etwa die konventionelle Saalöffentlichkeit durch natürliche Kapazitätsschranken und eine ad hoc Regelung des Zugangs zum Gerichtssaal geprägt. Demgegenüber vermag der IT-Einsatz diese Grenzen zu überwinden. So ermöglicht die Schaffung digitaler Zugänge zum Justizgeschehen eine breitere Öffentlichkeit. Schon dies mag die Partizipation der Bürger im Sinne einer faktischen Wahrnehmungsmöglichkeit verbessern, womit Gerichtsöffentlichkeit nicht nur formal (also „auf dem Papier“) besteht, sondern die mit ihr verbundenen Funktionen auch tatsächlich erfüllt. Öffentlichkeitsgewähr, so wie sie hier als verfassungsrechtliches Gebot verstanden wird24, ist jedoch mehr als eine quantifizierende Größe. Es geht nicht darum, beliebig vielen Menschen Zugang zu verschaffen. Der (Verfassungs-)Wert digitaler Gerichtsöffentlichkeit besteht (gleichsam qualitativ) auch in der Steuerung der digitalen Zugänge und ihrer tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit und damit auch des rechtlich gebotenen

B.

24  Siehe

zu Begriff und Funktionen der Öffentlichkeitsgewähr Kapitel 1 A. und

258

Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

und zugelassenen Teilnehmerkreises.25 Erst dann wird IT auch zum Garanten der Öffentlichkeitsfunktionen. Dies schafft freilich neue Hürden durch die Notwendigkeit der Programmierung. Hat nämlich der Richter noch eine faktische Einwirkungsmöglichkeit auf den Zugang zu seinem Sitzungssaal, werden digitale Zugänge – etwa im Rahmen eines Internetportals – durch die Codierung innerhalb der Portalgestaltung gesteuert. Ob etwa ein Minderjähriger einem Mordprozess mit Schilderung eines grauenvollen Sachverhalts zuschauen kann, hängt alleine davon ab, ob das Portal eine wirksame Altersverifikation vorsieht. Und selbst, wenn dies der Fall ist, lässt sich faktisch nicht verhindern, dass ein Volljähriger sich einloggt und den Minderjährigen vor dem gleichen Bildschirm zuschauen lässt. Dies alles muss berücksichtigt werden, wenn man Notwendigkeit und Grenzen des IT-Einsatzes bei der Öffentlichkeitsgewähr betrachtet. So gerät die Steuerungssoftware (etwa einer Justizplattform im Internet) in den Mittelpunkt der Betrachtung.

II. Gestaltungsmöglichkeiten von Software Recht dient der Verhaltenssteuerung und wirkt so auf die tatsächlichen Verhältnisse ein. Das Recht verwirklicht sich in der Realität. Umgekehrt wirkt Realität auch auf das Recht (als „normative Kraft des Faktischen“).26 Recht und Realität stehen in einem ständigen Spannungsverhältnis, die Frage nach einer jeweiligen Anpassung an die Lebenswirklichkeit ist virulent. Die Digitalisierung mit ihrer tiefgreifenden gesellschaftsverändernden Wirkung zeigt die daraus folgenden Konsequenzen in einer besonders deutlichen Weise auf. Der virtuelle Raum wurde in seiner Anfangszeit als unregierbar und frei wahrgenommen. Dieser anarchische Zustand besteht jedoch schon länger nicht mehr, das Internet wird immer mehr zu einem gesetzlich regulierten Bereich.27 Gleichsam kann das Internet in Form der dort angebotenen Programme diese Funktion teilweise selbst übernehmen, in dem die Software bestimmte Handlungsweisen von sich aus unterbindet bzw. bei der unmittelbaren Rechtsdurchsetzung zur Anwendung kommt.28 Aber nicht nur Gesetze können Bürger im digitalen Kontext in ihre Schranken weisen. Durch 25  Siehe

zu den Grenzen der Öffentlichkeitsgewähr Kapitel 5 B. ist schon länger Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung. Allgemein Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtnormen, S. 173 ff. Umfassend zur Thematik der Technikfolgenabschätzung Roßnagel, Rechtswissenschaftliche Technikfolgenforschung, S.  105 ff. 27  Lessig, CODE, S. 5. 28  Lessig, CODE, S. 311. 26  Dies



B. IT als Garant der Öffentlichkeitsfunktionen!?259

eine Programmierung, die die Handlungsmöglichkeiten von Nutzern beschränkt, ist darüber hinaus auch eine Gestaltung des virtuellen Raums möglich. Die bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten beim Einsatz von Software sind fast grenzenlos. Hierbei ist zu beachten, dass jede Nutzungsmöglichkeit vorhergesehen und dementsprechend vorab programmiert werden muss. Nur wenige Codezeilen können darüber bestimmen, ob bestimmte Handlungsweisen ermöglicht oder unterbunden werden. Für die Digitalisierung von gerichtlicher Informationen sollte ein Bereitstellungsportal derart gestaltet werden, dass die unterschiedlichsten Formen von Informationen, sei es in Wort, Bild oder Ton, hierüber vermittelt werden können. Gleichzeitig soll ein Einblick in die schriftlichen Verfahrensinformationen gewährt werden.29 Die Verfügbarkeit von Informationen kann jedoch auch durch den Anbieter von Informationen durch informationstechnische Schutzmaßnahmen (u. a. Kopierschutz von Dokumenten oder Bildern) eingeschränkt werden. Bei der konkreten Gestaltung eines solchen Portals kann die eingesetzte Software weitgehende Steuerungsfunktionen wahrnehmen. Diese Steuerungsfunktion durch die Informationstechnologie kann auch mit dem Schlagwort „Code is Law“30 zusammengefasst werden, da die Technik teilweise wirksamer und unmittelbarer als das Recht aufzeigen kann, was erlaubt und was verboten ist.31 Während im Rahmen der analogen Öffentlichkeit in vielerlei Hinsicht faktische Grenzen und kaum Gestaltungsmöglichkeiten durch die Justiz bestehen, kann es im Rahmen einer Übertragung der Gerichtsöffentlichkeit in den digitalen Raum geboten sein, technische Grenzen zu setzen.32 Diese digitalen Grenzen sind einerseits durch den Stand der Technik vorgegeben, können aber andererseits auch eigenständig programmiert werden und müssen dies teilweise sogar auch aufgrund der rechtlichen Vorgaben. Die digitale Technik erlaubt nämlich nicht nur eine Erweiterung von Öffentlichkeit, sondern auch deren Begrenzung.

29  Vgl.

bezüglich der öffentlichkeitsbedürftigen Informationen Kapitel 2 C. III. CODE, S. 5. 31  Der partielle Kontrollverlust des Rechts im digitalen Raum kann nicht alleine durch das Recht, sondern vor allem durch eine rechtskonforme Technikgestaltung behoben werden. 32  Bereits 1960 zweifelte Arndt, NJW 1960, 423, 424 an, dass die Begegnung des „Eindringen[s] der Technik in alle Lebensbereiche“ mit Verboten fragwürdig sei und es besserer Steuerungsmöglichkeiten bedürfte. 30  Lessig,

260

Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

Von der aktiven Gestaltung des Internets hängt die Wahrung und der Fortbestand unserer verfassungsrechtlichen Werte ab.33 Dies zeigt bereits, dass die technische Umsetzung der digitalen Öffentlichkeitserweiterung aufgrund ihrer Unmittelbarkeit die Auswirkungen in der Praxis maßgeblich prägt,34 mehr noch als alle in diesem Zusammenhang stehenden und noch zu schaffende rechtlichen Vorgaben.

C. Öffentlichkeitsermöglichende und -begrenzende technische Lösungen Für die Veröffentlichung relevanter Informationen des gerichtlichen Verfahrens bedarf es der Nutzung öffentlichkeitsermöglichender Techniklösungen. Hierbei ist danach zu differenzieren, ob eine informationstechnische Lösung in erster Linie dazu dient, Öffentlichkeit herzustellen und dadurch das Vorhaben einer digitalen Öffentlichkeit zu unterstützen, oder ob auf Grundlage einer bestimmten technischen Entwicklung eine technische Beschränkung der ansonsten unbegrenzten Öffentlichkeit vorgenommen wird, um die Gewährleistung von Öffentlichkeit verfassungskonform zu gestalten.35 Die nachfolgenden Ausführungen zeigen wichtige Bausteine auf dem Weg zur digitalen Öffentlichkeit auf. Die Aufzählung hat aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit; aufgrund der Schnelllebigkeit der Forschung und des Digitalmarktes, die bei der Informationstechnologie weltweit stattfinden, entwickeln sich diese Technologien ständig weiter, so dass immer nur kurze Momentaufnahmen verschriftlicht werden könnten. Daher werden auch nur abstrakte Techniklösungen aufgezeigt, die in der jeweiligen Anwendungspraxis auf unterschiedliche Weise eingesetzt werden können.

I. Digitale Verfahren zur Herstellung von Öffentlichkeit 1. Portallösung zur Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit Ein ganzheitliches Konzept zur Veröffentlichung von Informationen bieten Portallösungen bzw. Internet-Plattformen. Der Begriff ist bisher nicht legaldefiniert, daher wird er im Folgenden als ein im Internet über eine Webseite 33  Lessig, CODE, S. 6  f.; zur schwindenden Bereitschaft des Rechtsgehorsams der Bürger Würtenberger, Zeitgeist und Recht, S. 122 ff. 34  Lessig, CODE, S. 311. 35  Zum verfassungskonformen Einsatz der technischen Möglichkeiten siehe Kapitel 5 B.



C. Öffentlichkeitsermöglichende und -begrenzende technische Lösungen261

aufrufbares Konglomerat an unterschiedlichen Diensten bzw. Nutzungsmöglichkeiten verstanden.36 Bei der Gestaltung einer Justizplattform zur Erweiterung der Öffentlichkeit bestehen zwei mögliche Konstellationen der Verantwortlichkeit. Zum einen könnte ein solches Portal durch einen privaten Anbieter betrieben werden, zum anderen käme ein Angebot über die Justiz in Betracht.37 Hierbei muss beachtet werden, dass es „die Justiz“ formal in Deutschland nicht gibt, sondern neben den Bundesgerichten die Instanzgerichte durch die einzelnen Länder verwaltet werden. Diese Hoheitsbefugnisse müssten bei der Gestaltung mitbeachtet werden. Abhängig von der Verantwortlichkeit einer solchen Plattform gestaltet sich die Form der Öffentlichkeit. Gestattet die Justiz hierüber einen eigenen Einblick in ihre Arbeitsweise, spricht man von einer unmittelbaren Öffentlichkeitsgestaltung; ermöglicht ein Dritter die digitale Einsicht in eigener Verantwortung, stellt dies lediglich eine mittelbare Öffentlichkeitsgewähr dar. 2. Bild- und Tonaufnahmen oder -übertragungen Ein Kernbestandteil der digitalen Öffentlichkeit ist die Übertragung vom Geschehen im Gerichtssaal. Hierfür bedarf es der Hardwarekomponenten Kamera und Mikrofon, sowie der dazugehörigen Software, die eine temporäre Gleichschaltung ermöglicht und auf diesem Wege eine bestmögliche Abbildung des Geschehens widerspiegelt. Hierbei besteht die Möglichkeit, tatsächlich Videos herzustellen, die abgespeichert werden können oder nur eine flüchtige Rezeption mithilfe des Streamings zu ermöglichen. Die auf diesem Wege erzeugten Videosequenzen könnten über die Plattform online eingestellt und für Nutzer zum Download oder Streaming on Demand bereitgestellt werden. Gleichzeitig bestünde die Möglichkeit, nur eine Bild- und Tonübertragung auf diesem Wege mittels Live-Streamings ohne Aufzeichnung herzustellen. Streaming bezeichnet den „kontinuierlichen multimedialen ‚Datenstrom‘, der im Rahmen eines Netzwerkes gesendet, von einem Nutzer gleichzeitig empfangen und bei diesem nahezu in Echtzeit wiedergegeben wird“.38 Der Nutzer muss mithin nicht erst die Daten, die er in Form eines Videos wahrnehmen möchte, auf seinem Gerät vollständig herunterladen, sondern kann unmittelbar live das Ereignis wahrnehmen.39 Hierfür werden Datenpakete im Zwischenspeicher des Datenempfängers abgespeichert, die durch ein ProBilling, in: Bräutigam / Rücker (Hrsg.), E-Commerce, 4. Teil, Rn. 1. ausführlich Kapitel 5 B. V. 4. 38  Schapiro, in: Bräutigam / Rücker (Hrsg.), E-Commerce, 6. Teil C Rn. 4. 39  Schapiro, in: Bräutigam / Rücker (Hrsg.), E-Commerce, 6. Teil C. Rn. 4; Bullinger, in: Wandtke / Bullinger (Hrsg.), UrhG § 19a Rn. 34. 36  Vgl.

37  Hierzu

262

Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

gramm anschließend ausgelesen und wiedergegeben werden. Technisch ist eine nach Wiedergabe erfolgte unmittelbare Löschung dieser Daten möglich; diese werden häufig auch unmittelbar durch neue Datenpakete überschrieben. Eine kurzzeitige Zwischenspeicherung ist jedoch für eine fehlerfreie und ununterbrochene Übertragung erforderlich. Eine vollständige in Zusammenhang stehende Kopie des Übertragenen auf dem Computer des Datenempfängers findet grundsätzlich nicht statt (sog. True Streaming).40 Auf diese Art und Weise kann auch fast ohne temporäre Verzögerungen ein Liveerlebnis übertragen werden. Die konkrete Art des Datenumgangs bestimmt sich nach der Gestaltung des Streamingvorgangs. Beim Live-Streaming ist der Nutzer zeitlich gebunden und kann nur den Moment an einem anderen Ort miterleben und besitzt nicht die Möglichkeit einer erneuten Rezeption oder kann die Pause-Funktion nutzen. Es handelt sich somit um ein flüchtiges Erlebnis. Neben dem LiveStreaming (sog. Webcasts), bei der sich der Nutzer nur in eine laufende Übertragung einschalten kann und nicht über die Möglichkeit des Vor- oder Zurückspulens verfügt und sich das Gesehene auch nicht noch einmal anschauen kann, gibt es zudem die Möglichkeit des Streamings von hinterlegten Videos „on demand“.41 Beim On-Demand-Streaming kann der Nutzer ein bereitgehaltenes Video nach einer entsprechenden technischen Anfrage abspielen lassen. Er hat die Möglichkeit jederzeit die Übertragung zu unterbrechen oder zu wiederholen. Letzteres hat den Vorteil, dass sich hierbei der Nutzer zwar keine Kopie des zur Ansicht bereitgestellten Videos anfertigen kann, die bereitgehaltene Mediendatei sich aber beliebig oft anschauen kann. Die Zeitdauer, wie lange entsprechende Videos zur Ansicht zur Verfügung stehen, kann der Anbieter hierbei frei bestimmen. Dies hat zur Folge, dass der Nutzer jeweils nur für den Zeitraum der Onlinestellung Zugriff auf das Bild- und Tonmaterial hat. Zudem besteht die Möglichkeit des progressiven Downloads, bei dem Videos während des Download-Vorgangs bereits abgespielt werden können, ohne dass es einer vorherigen vollständigen Speicherung bedarf.42 Lediglich ein gewisser Puffer muss geladen werden, um ein möglichst störungsfreies Abspielen zu gewährleisten.43 Unabhängig vom gewählten technischen Verfahren bedarf es für die störungsfreie Übertragung von Bild und 40  Busch, GRUR 2011, 496, 497; Schapiro, in: Bräutigam / Rücker (Hrsg.), ECommerce, 6. Teil C. Rn. 5. 41  Schapiro, in: Bräutigam / Rücker (Hrsg.), E-Commerce, 6. Teil C. Rn. 6; Busch, GRUR 2011, 496, 497; Ensthaler, NJW 2014, 1553, 1553. 42  Hilgert / Hilgert, MMR 2014, 85, 86; Busch, GRUR 2011, 496, 497 f. 43  Busch, GRUR 2011, 496, 497 f.; Schapiro, in: Bräutigam / Rücker (Hrsg.), ECommerce, 6. Teil C. Rn. 17.



C. Öffentlichkeitsermöglichende und -begrenzende technische Lösungen263

Ton einer ausreichenden Übertragungsgeschwindigkeit. Beim klassischen Download wird im Hauptspeicher des Empfangsgeräts des Nutzers eine Kopie der Datei hinterlegt. Beim frei zur Verfügung stehenden Download kann jedoch nicht sichergestellt werden, was mit dem Video in der Folge passiert. Neben Manipulationen bestünde die Möglichkeit grenzenloser Kopien und Abspeicherungen. Eine die Privatsphäre schonende technische Gestaltung würde daher auf eine Aufzeichnung von Verhandlungen verzichten oder zumindest nur einen Stream bereithalten.44 Aber auch in dieser Konstellation besteht das Risiko der Aufzeichnung entsprechender Ton- und Bildübertragungen, einerseits mithilfe eines anderen technischen Gerätes (Kamera) oder mittels entsprechender Software, die im Zwischenspeicher befindliche Dateien im Hauptspeicher abspeichert (sog. Converter).45 Diese Programme stehen frei im Internet zur Verfügung. Auf diesem Wege erzeugte Kopien sind von der Rechtsordnung als Privatkopie über § 53 UrhG grundsätzlich urheberrechtlich gerechtfertigt.46 Wie aufgezeigt, gibt es bei der Übertragung von Bild und Ton verschiedene technische Umsetzungsmöglichkeiten. Diese reichen von der Herstellung eines Videos, welches frei zum Download angeboten wird, bis zu einem Live-Streaming-Verfahren, bei dem der Betrachter nur zum ausgestrahlten Zeitpunkt einmalig die staatliche Handlung wahrnehmen kann. In diesem Verfahren wird kein Video erzeugt, das nochmals abgespielt werden könnte. Während bei der erstgenannten Lösung erst der vollständige Download auf das Abspielgerät des Bürgers erforderlich ist und der Nutzer eine eigene Abspielsoftware wie den QuickTime-Player oder den Windows Media Player etc. benötigt, erlaubt das Streaming-Verfahren eine fast zeitäquivalente Liveübertragung eines Geschehens ohne lokale Abspeicherung des Videos auf der Festplatte des Rezipienten. Stattdessen wird das Video über die Webseite des Anbieters oder eines Dritten gezeigt, auf der bereits die Abspielsoftware implementiert ist und gegebenenfalls nur eine Installation von Plug-Ins für den genutzten Browser durch den Nutzer erforderlich ist, um ein Video hierüber abspielen zu können. Die Übertragung von Dateien kann die Informationstechnologie inzwischen standardmäßig abbilden, und Grafikkarten von Computern haben heutzutage ein entsprechendes Niveau, so dass eine Wahrnehmung digitaler Tonund Bildübertragungen durch die Rezipienten unproblematisch möglich ist.

44  Hierzu

ausführlich Kapitel 5 B. III. 2. c) aa) (2) (c). in: Bräutigam / Rücker (Hrsg.), E-Commerce, 6. Teil C. Rn. 19. 46  Schapiro, in: Bräutigam / Rücker (Hrsg.), E-Commerce, 6. Teil C. Rn. 19. 45  Schapiro,

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Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

3. Digitalisierungsmöglichkeiten von (schriftlichen) Dokumenten Um Urteile und andere schriftliche Dokumente elektronisch zugänglich zu machen, müssen diese erst rechtssicher eingescannt und in ein elektronisches Format umgewandelt werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden, so dass beispielsweise nicht einfach eine Kopie erstellt werden kann oder ein Dokumententyp gewählt wird, der eine freie Bearbeitung zulässt (z. B. docx- sowie inzwischen auch pdf-47Dateien). Durch die elektronische Akte werden immer mehr Dokumente bereits in elektronischer Form bereitgehalten.48 Diese Dokumente können über einen Dokument-Viewer auf einer Webseite eingebunden werden oder auch zum Download bereitgehalten werden. Beweismittel können mittels Bildaufnahmen oder auch Bild- und Tonaufnahmen der Öffentlichkeit digital zur Verfügung gestellt werden. Durch den Einsatz des Internets wird ein viel weiterer Personenkreis angesprochen, als dies bei der Saalöffentlichkeit der Fall ist. Nur noch Sprachbarrieren stellen faktisch Hindernisse an der Beteiligung an einem öffentlichen Diskurs dar. Doch auch diese Herausforderung wird aufgrund entsprechender Techniklösungen zukünftig beseitigt werden können. Insbesondere schrift­ liche Dokumente können mithilfe von Übersetzungstools heutzutage mehr oder weniger verständlich übersetzt werden.49

II. Digitale Verfahren zum (partiellen) Ausschluss von Öffentlichkeit Allerdings ermöglichen erst Techniklösungen, die die Öffentlichkeit ausschließen (z. B. durch das Unkenntlichmachen von Betroffenen) oder die Verhinderung einer unbegrenzten Weitergabe von Verfahrensinformationen eine verfassungsgerechte Form der digitalen Gerichtsöffentlichkeit.50 Die bereits aufgezeigte Skalierbarkeit der Technik wird in praktischen technischen Lösungen im Folgenden dargestellt. Die nachfolgenden Ausführungen erfolgen in dem Wissen, dass die Überwindung technischer Grenzen

47  Vgl. Frederichs, Möglichkeiten der Mehrfachnutzung digitaler Daten zur paralellen Herstellung von Print- und elektronischen Medien, S. 41. 48  Siehe zur Weiterverwendung dieser elektronischen Dokumente auch Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 743. 49  Z. B. https: /  / www.deepl.com/translator; https: /  / translate.google.de / ?hl=de; http: /  / www.worldlingo.com / de / products_services / worldlingo_translator.html; http: /  / de.pons.com / ; http: /  / free-website-translation.com / ?de. 50  Ausführlich zu den verfassungsrechtlichen Grenzen Kapitel 5 B.



C. Öffentlichkeitsermöglichende und -begrenzende technische Lösungen265

vielfach möglich ist und gleichzeitig neue andere Grenzen errichtet werden können. 1. Digitale Zutrittskontrollen Um den Zuschauerkreis einzuschränken, bietet sich eine technische Umsetzung gegebenenfalls verfassungsrechtlich gebotener Zutrittsbeschränkungen an, um beispielsweise Zeugen eines Verfahrens von einer Rezeption der digital übertragenen Verhandlung auszuschließen. Hierfür gibt es verschiedene technische Möglichkeiten. Einerseits könnte die Zutrittsbeschränkung durch das Auslesen der eID des neuen elektronischen Personalausweises erfolgen. Ein solches Authentifizierungsverfahren, das ausschließlich Deutschen einen Zugang gewährt, würde jedoch eine Diskriminierung anderer EU-Bürger darstellen. Daher sollten zumindest auch die anderen europäischen IDs zur Authentifizierung genutzt werden können, wie es die eIDAS-VO ohnehin ab September 2018 vorsieht. Ein solches Verfahren würde durch das Demokratieprinzip gebilligt, zumal EU-Bürger nach entsprechendem Aufenthalt in der Bundesrepublik auch bei Kommunalwahlen wählen dürfen. Andererseits bestünde die Möglichkeit, Personen, die sich nicht innerhalb europäischer Grenzen bzw. der Grenzen der Bundesrepublik oder sogar des Gerichtsbezirks befinden, mittels Geolokalisation auszuschließen.51 Hierbei kommt es nicht auf das Auslesen der eID an; maßgeblich ist insoweit die IP-Adresse des Nutzers. a) Ortsbezogene Zutrittsbeschränkungen Der Zuschauerkreis kann durch technische Maßnahmen lokal eingegrenzt werden.52 Die technische Begrenzung des Zuschauerkreises erfolgt mithilfe der IP-Adresse (Internet-Protocoll-Adresse), die jedem Gerät im Internet von dem zuständigen Internetdiensteanbieter (sog. Internet-Access-Provider oder

51  https: /  / ec.europa.eu / digital-single-market / en / e-identification; http: /  / eur-lex.eu ropa.eu / legal-content / DE / TXT / HTML / ?uri=CELEX:32015D0296&from=EN; http: /  / eur-lex.europa.eu / legal-content / DE / TXT / PDF / ?uri=CELEX:32015R1502& from=EN. 52  Hoeren, MMR 2007, 3, 3 ff.; vgl. TGI K&R 2001, 63, 63 f.; TGI K&R 2000, 365, 366 f.; die teilweise anderslautenden Entscheidungen deutscher Gerichte aus der Vergangenheit zeigen die hierzulande bestehende Vernachlässigung technischer Begebenheiten auf: BayVGH, Beschl. v. 07.05.2007 – 24 CS 07.10, Rn. 21 ff.; VG Ansbach, Beschl. v. 17.12.2007 – AN 4S 06.03253, Rn. 15, 17, 19 f.; VG Karlsruhe, Urt. v. 17.12.2007 – 3 K 2901 / 06, Rn. 24; Hoeren, ZfWG 2008, 311, 313 f.

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Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

Internet-Service-Provider)53 zugewiesen wird.54 Die IP-Adresse ist notwendig, damit der im Internet befindliche Computer adressierbar ist. Daher wird jede IP-Adresse auch nur einmal vergeben,55 damit eine zuordnungsgerechte Adressierung, aber auch die Rückverfolgbarkeit versandter Datenpakete ermöglicht wird. Erst durch diese eindeutige Identifikation werden der Empfang und die (Weiter-)Versendung von Daten über das Internet ermöglicht. Nur aufgrund der IP-Adresse kann die betreffende Person über ihr mit dem Internet verbundenes Gerät die Informationen erhalten, die sie anfragt. Diese Internet-Adressen sind jedoch nur in den seltensten Fällen statisch. Statt gleichbleibender IP-Adressen56 werden überwiegend dynamische IPAdressen durch die Access-Provider vergeben.57 Das Zeitintervall des Wechsels ist dabei variabel (z. B. sitzungsbezogen oder temporär). Nichtsdestotrotz ist diese Zuordnungsfunktion, die Rückverfolgung und die Auswertung von Antwortgeschwindigkeiten über eine bestimmte IP-Adresse, die beste Möglichkeit, den geografischen Standort eines Computers herauszufinden.58 Im Rahmen von Geolokalisationsverfahren wird zunächst ausgewertet, welche Internetdienstanbieter die IP-Adresse vergeben haben, da die IP-­ Adresse, die sich aus 32 (IPv4) oder 128 (IPv6) Binärzahlen zusammensetzt, immer auch Rückschlüsse auf den Provider erlaubt. Der Internetdiensteanbieter besitzt nämlich einen zuvor durch eine übergeordnete regionale bzw. lokale Vergabestelle festgesetzten IP-Adressen-Bereich.59 Durch die Rückverfolgbarkeit des Providers kann häufig bereits ein erster Schluss auf die geografische Zuordnung eines anfragenden Rechners erfolgen.60 Es gibt IPWHOIS-Datenbanken, die die registrierten Besitzer von (statischen) IPAdressen ausweisen können, und damit auch eine Zuordnung dynamischer IP-Adressen hinsichtlich der geografischen Zuordnung erlauben. Allerdings ermöglicht der Rückbezug auf den Internetserviceprovider zumeist keine geografische Zuordnung des dahinter befindlichen Endnutzers, womit eine Geolokalisierung heruntergebrochen auf einzelne Gerichtsbezirke auf diesem Wege schwierig bzw. unmöglich ist.

53  In Deutschland sind dies u. a. die Deutsche Telekom AG, die Telefonica o2 Germany GmbH & Co. OHG, die Kabel Deutschland GmbH und 1 & 1 Internet SE. 54  Hoeren, MMR 2007, 3, 3. 55  Mitsdörffer / Gutfleisch, MMR 2009, 731, 731.
 56  Diese nutzen z. B. Webseiten, damit diese durch die Nutzer unter der gleichen Kennung wieder erreicht werden können. 57  Vgl. Mitsdörffer / Gutfleisch, MMR 2009, 731, 731. 58  Hoeren, ZfWG 2008, 229, 229. 59  Hoeren, ZfWG 2008, 229, 230. 60  Hoeren, ZfWG 2008, 229, 229; Mitsdörffer / Gutfleisch, MMR 2009, 731, 731.



C. Öffentlichkeitsermöglichende und -begrenzende technische Lösungen267

Darüber hinaus kann mittels einer Rückverfolgung (sog. Tracing) von Datenpaketen der Ursprungsort eines versandten Datums ermittelt werden.61 Datenpakete werden über das Internet zumeist nicht direkt zum Empfänger gesandt. Stattdessen erfolgt eine Weiterleitung der versandten Datenpakete durch verschiedene dynamisch während der Übermittlung festgelegte Server, um den kürzesten Weg zum Empfänger zu gewährleisten.62 Mithilfe des Trac­ings kann der Weg jedes Datenpakets grundsätzlich zurückverfolgt werden.63 Dieses Verfahren erlaubt Rückschlüsse auf den geografischen Ursprung des Versenders. Zudem kann durch eine Auswertung des Zeitraums, der benötigt wird, damit ein Datenpaket vom Sender zum Empfänger gelangt, ein Rückschluss auf dessen geografischen Ursprung gezogen werden, da die räumliche Entfernung häufig mit der Übertragungszeit korrespondiert.64 Zur Prüfung des genannten Zeitraums werden sog. ICMP-„Echo-Request“-Pakete an die Adresse des ursprünglichen Senders in der Erwartung einer entsprechenden Rückantwort übermittelt.65 Um ein bestmögliches Ergebnis zu generieren, muss der Prozess mehrere Male wiederholt werden, da die Routen im Internet variieren.66 Dieses Ergebnis wird teilweise mit fixen Vergleichspunkten (sog. Landmarken) abgeglichen, deren geografische Lage bereits feststeht, so dass anhand ähnlicher Antwortzeiten eine lokale Eingrenzung vorgenommen werden kann (sog. GeoPing).67 Eine weitere Methode zur geografischen Bestimmung der Herkunft der Anfrage geschieht durch eine systematische Eingrenzung der Anfrage (sog. Contained-Based Geolocation).68 Auch hierbei werden bereits zuvor geografisch festgelegte Punkte genutzt und systematisch nach ihren Antwortzeiten auf erfolgte Anfragen überprüft. Der anfragende Nutzer wird nach mehrmaligen Abfragen einem bereits zuvor festgelegten geografischen Bereich zugeordnet, dessen Antwortzeit seinem Standpunkt am ehesten entspricht. Abhängig von der Anzahl der festgesetzten Landmarken kann die Genauigkeit der geografischen Zuordnung erfolgen.69 Statt der Rückverfolgung auf diesem Wege besteht auch die Möglichkeit eines sog. HTTP-Refresh, bei

61  Hoeren, 62  Hoeren, 63  Hoeren, 64  Hoeren, 65  Hoeren, 66  Hoeren, 67  Hoeren, 68  Hoeren, 69  Hoeren,

ZfWG ZfWG ZfWG ZfWG ZfWG ZfWG ZfWG ZfWG ZfWG

2008, 2008, 2008, 2008, 2008, 2008, 2008, 2008, 2008,

229, 229, 229, 229, 229, 229, 229, 229, 229,

230. 230. 230. 231. 230. 231. 232. 232. 232.

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Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

dem das gleiche Prinzip verwandt wird.70 Hierbei wird der Nutzer, ohne dass er dies bemerkt, auf mehrere interne Seiten umgeleitet. Auf diesem Wege kann ebenfalls die jeweilige Aufrufzeit der neuen Seite unter Zuordnung bestehender Landmarken überprüft werden, ohne dass es einer Überprüfung der IP-Adresse bedarf.71 Für eine verlässliche Geolokalisation sollten die verschiedenen oben genannten Methoden daher kombiniert werden.72 In diesem Zusammenhang gibt es verschiedene Anbieter, die sich auf die Standortbestimmung von Nutzern spezialisiert haben.73 Technisch bedingt ist innerhalb Deutschlands eine Geolokalisation mit annähernd 100 %iger Genauigkeit möglich.74 Die oben genannten Methoden werden immer weiter verbessert; dennoch ist eine genaue Zuordnung eines anfragenden Nutzers zu einem Gerichtsbezirk derzeit wohl noch nicht umsetzbar.75 Lediglich eine Begrenzung auf das jeweilige Bundesland wäre technisch eine Option.76 Diese Verfahren zur territorialen Einschränkung der Zugänglichkeit von Informationen im virtuellen Raum wird auch als Geoblocking bezeichnet.77 Um den virtuellen Zugang auf den jeweiligen Gerichtsbezirk zu beschränken, käme für eine solch engmaschig begrenzte Form der digitalen Gerichts­ öffentlichkeit nur eine Verknüpfung eines Gerichtsportals mit den Meldedaten des Gerichtsbezirks oder einer Anmeldung jedes einzelnen Zuschauers mithilfe der Wohnortdaten auf der eID in Betracht. Allerdings entspricht eine solche Registrierung eines Gerichtszuschauers bzw. der Datenabgleich nicht dem Grundsatz der Datensparsamkeit und der derzeit gängigen analogen Praxis, wonach auch Gerichtsbezirksexterne Verhandlungen beiwohnen können. Ein Portal, bei dem man sich zuvor registrieren müsste, würde in der Praxis wahrscheinlich von einem Gros der Bevölkerung nicht angenommen werden, so dass der Schaffung von materieller Öffentlichkeit hierdurch zu große Hindernisse bereitet werden.

70  Hoeren,

ZfWG 2008, 311, 312. ZfWG 2008, 311, 312. 72  Zu weiteren Geolokalisationsverfahren und der Verifikation von IP-Adressen, vgl. Stiemert / Gottschalk, Geolokalisation und Verifikation von IP-Adressen, abrufbar unter https: /  / azslide.com / geolokalisation-und-verifikation-von-ip-adressen_59c3c58 51723ddea6f1a6a37.html. 73  U. a. http: /  / info.digitalelement.com. 74  Hoeren, ZfWG 2008, 311, 312. 75  Die bisherigen Techniken erlauben zwar eine recht genaue regionale Eingrenzung, vgl. Hoeren, ZfWG 2008, 311, 312. Gerichtsbezirke korrespondieren jedoch nicht zwangsläufig mit Stadtgrenzen. 76  Hoeren, ZfWG 2008, 311, 312 f. 77  Wiebe, ZUM 2015, 932. 71  Hoeren,



C. Öffentlichkeitsermöglichende und -begrenzende technische Lösungen269

Allerdings besitzt die Geolokalisation auch eine Schwachstelle. Es ist mit verschiedenen Methoden möglich, seine wahre IP-Adresse bzw. deren Herkunft zu verschleiern (z. B. mittels VPN-Diensten, Tor-Netzwerken oder Proxy Servern).78 Manche der oben genannten Verfahren verhindern besser als andere den Einsatz von Verschleierungsmethoden der IP-Adresse bzw. decken eine entsprechende Täuschung über die wahre Herkunft eher auf.79 In der Praxis wird der Anteil der Bevölkerung, der eine technische Umgehung nutzt, sehr gering sein,80 so dass allein hierauf keine Begründung für die Verhinderung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit gestützt werden dürfte. b) Adressatenbezogene Zutrittskontrollen aa) Klassische Identifikationsmanagementverfahren Statt einer Nutzung der IP-Adresse könnte der Staat auch auf die eID des neuen Personalausweises zurückgreifen. Die eID kann zumindest nicht – wie die IP-Adresse über Proxy Server etc. – verschleiert oder modifiziert werden. Zudem hätte ein solches Vorgehen den Vorteil, dass eine konkrete Rückverfolgung der Anfragen möglich ist und daher der Ausschluss bestimmter Personen wie beispielsweise geladener Zeugen erleichtert würde, für die gegebenenfalls sichergestellt werden soll, dass diese nicht vor ihrer Zeugenaussage die digitale Übertragung der Gerichtsverhandlung einsehen können. Stattdessen bestünde auch die Möglichkeit einer Authentifizierung über die Anmeldung in dem Portal über eine De-Mail bzw. ein entsprechendes Äquivalent. bb) Attributsbasierte Berechtigungsnachweise Jede technische Vorkehrung sollte jedoch dem in der Datenschutzgrundverordnung vorgesehenen Grundsatz des Privacy by Design bzw. des Datenschutzes durch Technikgestaltung und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen gerecht werden, Art. 25 DS-GVO. Statt eines vollständigen Aus­ lesens der eID wäre daher ein Abgleich mit attributsbasierten Berechtigungsnachweisen eine datenschutzfreundlichere Option. Dieses technische Konzept, die Anonymität des Attributsinhabers weitestgehend zu schützen und

78  Schapiro, in: Bräutigam / Rücker (Hrsg.), E-Commerce, 6. Teil C. Rn. 25; Mits­ dörffer / Gutfleisch, MMR 2009, 731, 732; Hoeren, MMR 2007, 3, 6. 79  Hoeren, ZfWG 2008, 311, 312 ff. 80  Hoge Raad der Nederlanden v. 18.02.2005  – C03 / 306HR; Hoeren, ZfWG 2008, 311, 314.

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Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

dennoch eine verlässliche Informationsquelle zu haben,81 bedarf jedoch noch der Erprobung in der Praxis. Insbesondere im Bereich der Altersverifikation bzw. Staatsangehörigkeit könnte dieses bisher wissenschaftliche Modell Verwendung finden. cc) Digitale Blockchain-Identität Die neueste Form des Identifikationsmanagements bietet die BlockchainTechnologie.82 Hierbei werden (beliebig viele) persönliche Informationen wie beispielsweise das Alter oder auch Verwandtschaftsverhältnisse digital beweissicher in der Blockchain gespeichert. Allerdings bedürften diese Informationen anschließend noch der staatlichen Überprüfung und Beglaubigung, um die Daten zu verifizieren.83 Durch eine vom Bürger eigenständig verwaltete Crypto-Adresse, die mit den hinterlegten Daten in der Blockchain verknüpft ist, ist das Aufrufen der Informationen jederzeit möglich. Da die Blockchain informationstechnisch nicht manipulierbar ist, handelt es sich auch um eine sehr sichere Form der Authentifizierung. Über eine App wäre es Bürgern damit zukünftig möglich sich zu identifizieren. Die BlockchainIdentität ist allerdings noch in der Entwicklung. Daher wäre der Einsatz dieser Technologie erst in einigen Jahren flächendeckend in Deutschland zu erwarten.84 Die Identitätserfassung in der dezentralen Blockchain wird jedoch in datenschutzrechtlicher Hinsicht kritisch gesehen.85 c) Quantitative Zutrittsbeschränkung Neben der adressatenbezogenen Zutrittsbeschränkung käme immer auch eine quantitative Zutrittsbeschränkung in Betracht. Um diese möglichst diskriminierungsfrei zu gestalten, könnte hierbei das „Windhundprinzip“ zum 81  https: /  / abc4trust.eu / ; Trust and Security FP7 Success Stories and Handbook, 2015, S. 10 ff., abrufbar unter https: /  / ec.europa.eu / digital-single-market / news / trustand-security-fp7-success-stories-and-handbook; https: /  / www.enisa.europa.eu / publi cations / privacy-and-data-protection-by-design. 82  Satoshi Nakamoto, „Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System“, abrufbar unter https: /  / bitcoin.org / bitcoin.pdf. Blocher, AnwBl. 2016, 612; Simmchen, MMR 2017, 162; Schrey / Thalhofer, NJW 2017, 1431. 83  Sollten digitale Geburtenregister bzw. digitale Geburtsurkunden auf dieser Technologie zukünftig aufbauen, würde dieser Beglaubigungsschritt wegfallen. 84  Die Stadt Zug in der Schweiz ist die erste Gemeinde weltweit, die diese Form des Identitätsmanagements im Jahr 2017 eingeführt hat, http: /  / www.stadtzug.ch /  de / ueberzug / ueberzugrubrik / aktuelles / aktuellesinformationen / ?action=showinfo& info_id=383355. 85  Marnau, INFORMATIK 2017, 1025, 1032, 1034 f.



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Einsatz kommen, so dass nur den ersten 50, 100 oder 1000 Teilnehmern eine Übertragung ermöglicht wird. Daneben sollte aber die Konfiguration bestehen, dass Medienvertreter und gegebenenfalls Wissenschaftler nach erfolgter Akkreditierung ohne zahlenmäßige Beschränkung einen digitalen Verhandlungszugang erhalten. Allerdings muss bei dieser Konstellation das Risiko von Bot-Netzen berücksichtigt werden. Damit Computer nicht die Zuschauerplätze von Bürgern besetzen, muss sichergestellt werden, dass nur Menschen von dem Zugang Gebrauch machen können. Dies kann durch Sicherheitsabfragen wie die sogenannten „Captchas“ erfolgen.86 Der „Com­pletely Automated Public Turing test to tell Computers and Humans Apart“ nutzt Bilder, auf denen Zahlen und Buchstaben in zufälliger Reihenfolge abgebildet sind und die durch den Menschen in einem Eingabefeld in Text übertragen werden müssen.87 Allerdings wird die künstliche Intelligenz immer weiter fortentwickelt, so dass verschiedene Programme inzwischen viele Tests zu einem hohen Prozentsatz lösen können.88 Google hat die Ausfilterung von Bots in den letzten Jahren modernisiert, so dass das Unternehmen nunmehr ein System namens „reCAPTCHA“89 verwendet.90 Hierbei bedarf es nicht der Erkennung von Zeichen. Der Nutzer muss lediglich über eine Checkbox mittels Anklicken bestätigen, dass er kein Roboter ist.91 Wichtig ist bei der Nutzung solcher Tests zudem, dass diese auch barrierefrei genutzt werden können. 2. Sicherungsmöglichkeiten grundrechtlich geschützter Interessen (Privacy Management) a) Kameraperspektive Die Sicherung verfassungsrechtlich geschützter Interessen kann mithilfe verschiedener technischer Komponenten im Rahmen einer digitalen Gerichts­ öffentlichkeit erreicht werden. Die Kameraperspektive nimmt in diesem 86  Ausführlich Athanasopoulos / Antonatos, in: Leitold / Markatos (eds.), Communications and Multimedia Security, S. 97 ff. 87  Vgl. http: /  / www.captcha.net / . 88  Vgl. https: /  / gigaom.com / 2013 / 10 / 28 / time-to-abandon-the-captcha-ai-softwaresolves-them-with-90-percent-accuracy / . 89  https: /  / www.google.com / recaptcha / intro / android.html. 90  http: /  / www.zeit.de / digital / internet / 2014-12 / google-captcha-recaptcha-daten schutz. 91  https: /  / www.google.com / recaptcha / intro / android.html; http: /  / www.zeit.de / di gital / internet / 2014-12 / google-captcha-recaptcha-datenschutz; http: /  / www.spiegel. de / netzwelt / web / no-captcha-google-stellt-neue-virtuelle-zutrittskontrolle-vor-a-1006 532.html.

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Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

Kontext eine bedeutende Stellung ein.92 So besteht die Möglichkeit, die Kamera derart auszurichten, dass sie dem heute üblichen Blickwinkel eines ortsanwesenden Zuschauers entspricht. Hierbei werden beispielsweise aussagende Personen lediglich von hinten gezeigt. Nur der Richter wird hierbei frontal gesehen. Zudem könnte die Kamera die richterliche Perspektive einnehmen und damit die Gefühlsregungen eines Aussagenden unmittelbar aufzeigen. Darüber hinaus wäre der Einsatz vieler verschiedener Kameras mit unterschiedlicher Platzierung denkbar, um eine vollständige Einsicht jedes Winkels des Gerichtssaals zu ermöglichen. Statt fest vorgegebener Perspektiven bestünde auch die Möglichkeit frei einsetzbarer Kameras. b) Granular modellierte Qualität der Bild- und Tonübertragung Auch die Kameraeinstellung kann den Datenschutz fördern. In diesem Zusammenhang muss sichergestellt werden, dass das Bild eine solche Auf­ lösung besitzt, dass der Zuschauer das Geschehen weitgehend so verfolgen kann, als wäre er tatsächlich im Gerichtssaal anwesend. Technisch gibt es zudem die Möglichkeit, die Qualität einer Aufnahme derart zu gestalten, dass ein Hineinzoomen in das Bild eine Vergrößerung des Geschehens ermöglicht. Allerdings kann auch (partiell) eine weniger hochauflösende Qualität gewählt werden. Das gleiche Kriterium gilt für die Tonübertragung. In diesem Zusammenhang ist darauf zu achten, dass deren Qualität ein Verfolgen der Verhandlung ermöglicht. Hierbei können beispielsweise Mikrofone helfen. Diese müssten jedoch auch abgeschaltet werden können bzw. eine andere Möglichkeit muss gefunden werden, um beispielsweise in Verhandlungspausen vertrauliche Gespräche zwischen Anwälten und ihren Mandanten zu ermöglichen, die den digitalen Zuschauer nicht zu interessieren haben. c) Audiovisuelle Unkenntlichmachung von Personen sowie Identifikationsnachweisen Auch Techniklösungen, die die Öffentlichkeit ausschließen, z. B. durch das Unkenntlichmachen von Betroffenen aufgrund bestimmter Bildeinstellungen wie Unschärfe oder Verpixelung, ermöglichen erst eine verfassungsgerechte digitale Gerichtsöffentlichkeit. Hierdurch können Verfahren, die ansonsten 92  So kann die Wahl der Kameraperspektive nach Erkenntnissen der Kommunikationswissenschaft darüber entscheiden, ob der Betroffene als eher positiv oder eher negativ bewertet wird, vgl. Kepplinger, in: Noelle-Neumann / Schulz / Wilke (Hrsg.), Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation. S. 397, 402, 413 ff.; Noelle-Neumann, Die Schweigespirale, S. 235 f.; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S.  35 f.



C. Öffentlichkeitsermöglichende und -begrenzende technische Lösungen273

ausschließlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, beispielsweise um Beteiligte zu schützen, wenigsten teilweise in die Öffentlichkeit getragen werden. Um den Schaden von unautorisiert weiterverbreiteten Bildern möglichst gering zu halten, kann beispielsweise auch ein algorithmusbasiertes „privacy-preserving photo sharing system“ mit der Bezeichnung P393 verwandt werden. Der P3-Algorithmus erschwert automatische Gesichtserkennungen und soll das Auslesen von Informationen, die auf Bildern abgespeichert werden, unmöglich machen, indem es entsprechende Bilder in zwei Teile aufteilt – in einen privaten und einen öffentlichen Bereich.94 Während das menschliche Auge nach einer entsprechenden Bildbearbeitung den dahinter befindlichen Menschen zwar nicht mehr erkennen kann, kann künstliche Intelligenz weiterhin Rückschlüsse auf die Identität des Betroffenen ziehen.95 Allerdings bedarf es dafür einer Vergleichsdatenbank der Abgebildeten.96 Daher können auch weitere Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Personen erforderlich sein. Allerdings ist diese Gefahr wohl eher als theoretisch zu werten, da die Originalbilder wohl kaum unverpixelt Dritten zugänglich sind. Bisher ist die Umkehr einer Methode zur Unkenntlichmachung nämlich noch nicht möglich.97 Neben der Bearbeitung von (Bewegt-)Bildern kann auch beispielsweise über die Tonspur ein Filter gelegt werden, der die Stimme der betreffenden Person verzerrt, was zur Folge hat, dass der Aussagende für Zuschauer nicht erkennbar ist.98 Die Verfahrensbeteiligten vor Ort können jedoch ungehindert weiter verhandeln. Für eine sichere Umsetzung der Anonymisierung einer betreffenden Person auf diesem Wege bedürfte es heutzutage jedoch noch einer Aufzeichnung der Verhandlung sowie Nachbearbeitung und Prüfung des Videos vor der Veröffentlichung. Daher könnte eine zeitversetzte Übertragung aus technischen Gründen geboten sein. 93  Ra / Govindan / Ortega, P3: Toward Privacy-Preserving Photo Sharing, ­USENIX Association, 10th USENIX Symposium on Networked Systems Design and Implementation (NSDI ’13), S. 515 ff., abrufbar unter https: /  / www.usenix.org / system / files /  conference / nsdi13 / nsdi13-final165.pdf. 94  Ra / Govindan / Ortega, P3: Toward Privacy-Preserving Photo Sharing, ­USENIX Association, 10th USENIX Symposium on Networked Systems Design and Implementation (NSDI ’13) S. 515, 515, abrufbar unter https: /  / www.usenix.org / system / files / conference / nsdi13 / nsdi13-final165.pdf. 95  McPherson / Shokri / Shmatikov, Defeating Image Obfuscation with Deep Learn­ ing, arXiv:1609.00408v2 [cs.CR] 6 Sep 2016, abrufbar unter: https: /  / arxiv.org /abs /  1609.00408. 96  McPherson / Shokri / Shmatikov, Defeating Image Obfuscation with Deep Learn­ ing, arXiv:1609.00408v2 [cs.CR] 6 Sep 2016, abrufbar unter: https: /  / arxiv.org /abs /  1609.00408. 97  https: /  / netzpolitik.org / 2016 / verpixelung-macht-unsichtbar-oder-doch-nicht / . 98  http: /  / www.nchsoftware.com / voicechanger / de / index.html.

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Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

Standardmäßig besitzen inzwischen verschiedene Textverarbeitungsprogramme wie beispielsweise Adobe Acrobat Pro eine Anonymisierungsfunktion von Texten, indem man zum Beispiel Namen schwärzen kann. Hierbei ist wichtig, dass die Schwärzung mit einem Löschen des entsprechenden Datums in der Datei einhergeht und nicht nur einen schwarzen digitalen Balken der Datei beifügt, der leicht wieder entfernt werden kann, so dass auf diesem Wege eine Deanonymisierung möglich wäre. Bei einer fehlerhaften Anonymisierung kann bereits durch einfaches Kopieren des anonymisierten Textes und Einfügen des Textes in ein neues Dokument der entsprechende Text wieder sichtbar gemacht werden. Daher ist es wichtig, dass entsprechende Texte nur über die Webseite der Justiz eingesehen werden können, ohne dass die Möglichkeit besteht, eine Kopie anzufertigen und einzusehen. Alternativ könnten auch nur pdf-Dateien zur Verfügung gestellt werden,99 aus denen keine deanonymisierenden Metadaten in Form der Änderungshistorie absehbar sind.100 d) Zeitverzögerte Übertragung Eine zeitverzögerte Übertragung kann auch genutzt werden, um Namen auszublenden, die in einer Gerichtsverhandlung genannt werden. Inwieweit sich die Notwendigkeit eines solchen asynchronen Vorgehens ergibt, muss nach Maßgabe von Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und dem einfachgesetzlichen Datenschutzrecht geprüft werden.101 Rechtlich bedeutsam ist hier auch die Frage, wer die Videoübertragung aus einer Verhandlung vor der Sendung bearbeiten wird. Man könnte die Zeitversetzung theoretisch auch dafür nutzen, die Aufnahme zu manipulieren, was wiederum den Anspruch auf eine (authentische) Gerichtsöffentlichkeit gefährden könnte. In einem solchen Fall wäre wohl ein Mangel an Öffentlichkeit zu bejahen, so dass ein Revisionsgrund anzunehmen ist. Deshalb bedarf es einer rechtlichen und technischen Kontrolle der Videoübertragung zur Einhaltung von IT-Sicherheitsstandards. e) Automatische Löschfunktion von Dateien Zudem besteht die technische Möglichkeit, alle Dateien, seien es Bilder, schriftliche Dokumente oder Videos der Verhandlung, nach Ablauf einer ge99  Da pdf-Dateien in der Regel nicht barrierefrei sind, ist jedoch auf eine entsprechende technische Bearbeitung zu beachten, die sehbehinderten Menschen eine Wahrnehmung des Inhalts ermöglicht, vgl. https: /  / www.einfach-fuer-alle.de / artikel /  checkliste-barrierefreie-pdf / Checkliste-Barrierefreies-PDF.pdf. 100  https: /  / www.datenschutz-praxis.de / fachartikel / so-machen-sie-personenbezo gene-daten-in-digitalen-dokumenten-unsichtbar / . 101  Vgl. hierzu Kapitel 5 B. III. 2. c) aa) (2).



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wissen Zeit automatisch löschen zu lassen.102 Je nach Programm, das für die Löschung genutzt wird, kann durch Überschreiben der Dateien eine sehr sichere Löschung erfolgen.103 Hierbei ist es unerheblich, ob die Daten bereits 24 Stunden nach der Verhandlung gelöscht werden sollen oder erst bei Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung oder mit Beginn der Vollstreckungsverjährung. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass die unterschiedlichen Systeme teilweise mehrere Kopien von Dateien hinterlegen.104 Insbesondere Backups bedürfen einer dementsprechenden Löschung, damit im Hauptsystem gelöschte Daten hierüber nicht immer wieder (neu) eingespielt werden. 3. Technische Schutzmechanismen zur Begrenzung von Öffentlichkeit a) Vorgabe von Übertragungsplattform und -kanal Statt eines Hochladens entsprechender Videos auf Youtube zur allgemeinen Verfügbarkeit, die auf der Plattform der Justiz geframt werden105, sollte ein eigener Video-Player eingebunden werden; außerdem müssten die Videos auf einem Server im eigenen Verantwortungsbereich bereitgehalten werden, so dass eine eigenständige Löschung jederzeit vorgenommen werden kann. Darüber hinaus besteht ferner die technische Möglichkeit, das Abspielen dieser Videos sowie deren Einbetten in anderen Domains zu verhindern („domain restricted videos“). b) Verschlüsselung Im Rahmen der Verschlüsselung wird zwischen einer Transportverschlüsselung über TLS / SSL und Speicherverschlüsselung differenziert.106 Erstere schützt davor, dass die verschlüsselte Informationsübertragung von Dritten 102  Vgl.

Programme wie Eraser: https: /  / eraser.heidi.ie / . DuD 2009, 110, 111, mit Verweis auf National Institute of Standards and Technology (NIST): Guidelines for Media Sanitization. NIST Recommendations, Special Publication NIST SP 800-88 vom 11.09.2006, http: /  / ws680.nist.gov / publica tion / get_pdf.cfm?pub_id=50819. 104  Fox, DuD 2009, 110, 111. 105  Zur Funktionsweise des Framings vgl. EuGH, EuZW 2015, 28, 29; Micklitz / Namysłowska, in: Spindler / Schuster (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien, UWG § 5 Rn. 134. 106  Zudem wird in der Kyptographie zwischen symmetrischen und asymmetrischen Verfahren unterschieden, Pape, in: Blocher / Heckmann / Zeck (Hrsg.), DGRI Jahrbuch 2016, S. 71 Rn. 1 ff. 103  Fox,

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Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

eingesehen werden kann.107 Derlei verhindert eine Rezeption durch Unbefugte. Die Speicherverschlüsselung erlaubt nur berechtigten Nutzern einen Zugriff auf abgespeicherte Daten. Auch dies kann einem Missbrauch durch Nichtberechtigte entgegenwirken. c) Digital Rights and Privacy Management Eine weitere wichtige technische Komponente ist die Implementierung eines wirksamen Digital Rights Management108, das beispielsweise Screen­ shots von der Webseite unterbindet und auch den Einsatz jedweder Software zum Mitschneiden der Verhandlung durch Dritte verhindert. Nur durch ein effektives Rechtemanagement kann verhindert werden, dass entsprechende Dateien aus dem Kontext gerissen werden. Die technischen Maßnahmen zur Verhinderung von Kopien in jeder Form sollten daher genutzt werden.109 Allerdings bleibt das Risiko des Abfilmens der Verhandlung mithilfe andere Geräte bestehen.110 Zur Verhinderung einer Weiterverbreitung von Dokumenten kann insbesondere das Fingerprinting- oder das Watermarking-Verfahren eingesetzt werden.111 Bei diesen Verfahren wird Dateien eine einmalige bzw. wieder­ erkennbare digitale „Signatur“ beigefügt, so dass der Ersteller der Datei (mithilfe spezieller Suchprogramme) auch Kopien seines Werks im Internet auffinden kann. Während beim Fingerprinting-Verfahren jeder Datei eine einzigartige Kennzeichnung bzw. ein „Fingerabdruck“ beigefügt wird, wird im Rahmen des Watermarking-Verfahrens ein unternehmens- bzw. behördenbezogenes Wasserzeichen in der Datei implementiert, welches bei mehreren Dateien angebracht werden kann. So gekennzeichnete Dateien können in den 107  Schippan, ZUM 2004, 188, 189 f.; Schulz, GRUR 2006, 470, 471 ff.; Arlt, in: Hoeren / Sieber / Holznagel (Hrsg.), Multimedia-Recht, Teil 7.7 Rn. 3. 108  Vgl. hierzu Arlt, GRUR 2004, 548, 548 ff. 109  Es gibt verschiedene Patente, die den Kopierschutz von Dateien herstellen sollen: WO2009061302 A1 (https: /  / www.google.com / patents / WO2009061302A1? cl=de); EP1237369 A2 (http: /  / www.google.com / patents / EP1237369A2?cl=de); EP1737224 A1 (https: /  / www.google.com / patents / EP1737224A1?cl=de); EP1830582 A1 (https: /  / www.google.com / patents / EP1830582A1?cl=de). 110  Auch hiergegen wurden allerdings bereits technische Verfahren entwickelt: WO2014083473 A1 (https: /  / www.google.com / patents / WO2014083473A1?cl=de); WO2000074366 A2 (https: /  / www.google.com / patents / WO2000074366A2?cl=de); WO2001056279 A2 (https: /  / www.google.com / patents / WO2001056279A2?cl=de); US5757910 A (https: /  / www.google.com / patents / US5757910), EP0851678 A1 (https: /  / www.google.com / patents / EP0851678A1?cl=de). 111  Vgl. Wandtke / Ohst, in: Wandtke / Bullinger (Hrsg.), UrhG, § 95a Rn. 24 ff.; Steinebach / Zmudzinski, c’t 2009, 142, 142 ff.; EP1237369 A2 (http: /  / www.google. com / patents / EP1237369A2?cl=de).



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meisten privaten Plattformen online geschaltet werden, ohne dass diese öffentlich sind,112 oder es wird nur ein „digital Fingerprint“ des Werkes in einer Datenbank113 angegeben.114 Sollte von einem anderen Nutzer nun eine Datei mit dem gleichen digital Fingerprint hochgeladen werden, wird der Inhaber der Kennung informiert, und dieser hat die Möglichkeit zu entscheiden, wie mit der Datei, für welche er die digitalen Rechte besitzt, umgegangen werden darf. So kann der Staat eine weitere Veröffentlichung von entsprechenden Dateien, insbesondere Videos, verhindern. Die Fingerprinting-Methode funktioniert inzwischen sehr feingranular, d. h. selbst wenn nur kurze Verhandlungsteile online abgefilmt werden oder das Dokument bearbeitet wird, indem die Tonspur manipuliert wird oder eine Spiegelung des Videos erfolgt, kann die eingesetzte Software das Dokument erkennen und herausfiltern. Es gibt inzwischen auch Programme, die das Internet nach Dateien mit entsprechenden Kennungen durchsuchen können, so dass bei einem erfolgreichen Treffer, d. h. einem Auffinden einer gekennzeichneten Datei, ein Vorgehen gegen den Veröffentlichenden ermöglicht wird. Darüber hinaus gibt es auch andere technische Lösungen zum Auffinden unberechtigter Kopien von digitalen Dokumenten oder auch nur Fragmenten hieraus.115 Das Watermarking ermöglicht, dass in einer Datei weitere Inhalte versteckt werden können, um diese noch eindeutiger wiederzuerkennen, selbst wenn weitergehende Modifikationen mit ihr erfolgt sind.116 Der Vorteil eines digitalen Wasserzeichens ist dessen beliebige Gestaltung, so dass gut nachvollzogen werden kann, woher die Datei stammt.117 Dass man diese eindeutige 112  Dieses Verfahren nutzt beispielsweise die Plattform YouTube, um Urheberrechtsverletzungen bestmöglich einzudämmen, https: /  / support.google.com / youtube /  answer / 2797370?hl=de; Assion, Interview: Digital Fingerprinting, https: /  / www.tele medicus.info / article / 422-Interview-Digital-Fingerprinting.html. 113  Sog. Content-Management-Systeme (CMS) werden zur gemeinschaftlichen Verwaltung von Inhalten auf Webseiten zur Verfügung gestellt. Lediglich der Hashwert eines Videos / Bildes bzw. sein Fingerabdruck werden hier maschinenlesbar abgelegt. Das eigentliche Video ist hierüber nicht mehr abrufbar. 114  Facebook versucht auf ähnlichem Wege das Onlinestellen von Nacktbildern gegen den Willen der Abgebildeten zu unterbinden, vgl. http: /  / www.zeit.de / digital /  datenschutz / 2017-11 / nacktfotos-facebook-rachepornos-hash-details. Hierbei erzeugt Facebook eigenständig einen Hashwert von dem Bild und speichert diesen. 115  Vgl. u. a. Brin / Davis / García-Molina, Copy detection mechanisms for digital documents, CA 94305-2140; abrufbar unter: http: /  / citeseerx.ist.psu.edu / viewdoc / down load?doi=10.1.1.461.9013&rep=rep1&type=pdf. 116  Assion, Interview: Digital Fingerprinting, abrufbar unter: https: /  / www.teleme dicus.info / article / 422-Interview-Digital-Fingerprinting.html. 117  Assion, Interview: Digital Fingerprinting, abrufbar unter https: /  / www.teleme dicus.info / article / 422-Interview-Digital-Fingerprinting.html.

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Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

Kennzeichnung jedoch auch leicht wieder entfernen kann, stellt einen Nachteil dieser Markierungsmöglichkeit dar.118 Bei entsprechender Programmierung eines Videoplayers kann auch ein Abspielen rechtswidrig kopierter Dateien, die über entsprechende Identifizierungsmerkmale verfügen, unmöglich sein.119 Ein ähnliches Verfahren ist das sogenannte Content Scramble System (CSS), welches genutzt wird, um urheberrechtlich geschützte DVD-Inhalte zu verschlüsseln, und damit einen Kopierschutz darstellt. Darüber hinaus wurde eine Maßnahme zur Verhinderung des Abfilmens von gesicherten Bewegtbildern erfunden. Das Video Encoded Invisible Light-Verfahren beruht darauf, dass dem zu schützenden Werk eine für Menschen faktisch unsichtbare Markierung beigefügt wird, die jedoch durch Kameras erkannt wird. Es handelt sich somit ebenfalls um steganografische Wasserzeichen.120 Diese bereits seit längerem bestehende Technologie kann darüber hinaus auch zu anderen Zwecken genutzt werden.121 Bei entsprechender Programmierung des Aufnahmegeräts überprüft dieses den Aufnahmegegenstand auf entsprechende Signale hin und verweigert die Aufnahme bzw. deren Wiedergabe bei Erkennung einer solchen Markierung. Allerdings ist dieses Verfahren auf die Mitwirkung der Kamerahersteller angewiesen. Darüber hinaus käme auch ein browser-basiertes Digital Rights and Privacy Management in Betracht. Da Browser einen sehr breiten Anwendungsbereich besitzen, kann auf diesem Wege das Kopieren eines Verhandlungsstreamings durch entsprechende Softwarelösungen unterbunden werden. Diese Verknüpfung von Webbrowsern und dem Digital Rights Management wurde durch das World Wide Web Consortium122 geschaffen, welches die Web-Standardisierung zur Aufgabe hat.123 Dieses Verfahren wird Encrypted Media Extensions genannt.124 Der Einsatz dieser Technik könnte theoretisch auch auf den Persönlichkeitsrechtsschutz ausgeweitet werden.

118  Assion, Interview: Digital Fingerprinting, abrufbar unter https: /  / www.teleme dicus.info / article / 422-Interview-Digital-Fingerprinting.html. 119  Bei selbstgebrannten DVDs mit entsprechendem digitalen Wasserzeichen als Kopierschutz, verhindern reguläre DVD-Player beispielsweise bereits heute die Wiedergabe, Wandtke / Ohst, in: Wandtke / Bullinger (Hrsg.), UrhG, § 95a Rn. 26. 120  http: /  / www.itwissen.info / VEIL-video-encoding-invisible-light.html. 121  Bachem, Fernsehen in den USA, Neuer Entwicklungen von Fernsehmarkt und Fernsehwerbung, S. 194. 122  https: /  / www.w3.org / Consortium / . 123  https: /  / www.w3.org / TR / 2016 / CR-encrypted-media-20160705 / . 124  https: /  / www.w3.org / TR / 2016 / CR-encrypted-media-20160705 / .



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d) Weitere Mechanismen zur Absicherung von Privacy by Design Die europäische Datenschutzgrundverordnung fordert die Gewährleistung von Privacy by Design bzw. Datenschutz durch Technikgestaltung (Art. 25 DS-GVO).125 In diesem Kontext sollte das Portal derart gestaltet werden, dass weitreichend personenbezogene Daten nicht automatisiert verarbeitet werden. Auch Richter genießen Datenschutz; daher sollte darauf geachtet werden, dass eine Listung nach Richtern, Staatsanwälten oder sonstigen Verfahrensbeteiligten in der Suchfunktion vermieden wird. Dies kann technisch abgebildet werden. Darüber hinaus sollten die einzelnen Verfahren nicht über eine Suchmaschine wie Google auffindbar sein, sondern nur innerhalb des Portals mittels Gerichtsorten, Aktenzeichen oder sonstigen Schlagworten gefunden werden können. Hierfür können beispielsweise im Rahmen der Programmierung des Portals die Unterseiten derart gestaltet werden, dass diese aufgrund eines entsprechenden Meta-Tags im Quellcode nicht durch die Google-Bots indexiert werden und in der Folge nicht über diese Suchmaschine auffindbar sind. Der hierfür erforderliche Code 126 ist im head-Bereich der Seite einzubinden, damit dieser ausgelesen wird.127

III. Technische Risiken Neben all den Chancen und Möglichkeiten, die das Internet bietet, ergeben sich trotz bestehender Sicherheitsmechanismen durch die Technik auch Risiken, die in einer Gesamtbetrachtung miteinbezogen werden müssen. Hierbei gilt es die entsprechenden Gefährdungslagen bei der analogen Gerichts­ öffentlichkeit ebenfalls aufzuzeigen, um nachvollziehen zu können, ob sich darüber hinaus gehend auch neue technische Gefährdungslagen ergeben.128

125  Zu der Idee des technischen Datenschutzes bzw. Privacy by Design vgl. Schaar, Privacy by Design, abrufbar unter: http: /  / www.bfdi.bund.de / SharedDocs / Pu blikationen /  %22PrivacyByDesign %22.pdf?__blob=publicationFile. 126  US 6253198 B1 (https: /  / www.google.com / patents / US6253198). 127  Snyder / Rosenbaum, How Public is the Web?: Robots, Access, and Scholarly Communication, Journal of the American Society for Information Science, 1998, 35, abrufbar unter http: /  / hdl.handle.net / 2022 / 1099; http: /  / www.netzstrategen.com / sa gen / seiten-nicht-indexieren / ; zu Privacy Management unter Zuhilfenahme von Sticky Policies vgl. Pearson / Casassa-Mont, Computer Vol. 44, 2011, pp. 60 ff. 128  Ein weiteres derzeitiges allgegenwärtiges Risiko, dass Presseberichte in Bezug auf Rechtsstreite, über die die Bevölkerung sich teilweise ein Bild der Rechtsprechung macht, häufig fehlerhaft und damit unwahr sind bzw. unberechtigte mediale „Anklagen“, vgl. Soehring / Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2466, 2470 f., wird heutzutage als selbstverständlich hingenommen. Bereits 1914 wurde die Fehlerhaftigkeit

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Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

1. (Vollständiges) Versagen der Technik Durch einen Stromausfall oder einen Server- oder Softwarefehler ist es möglich, dass die digitale Gerichtsöffentlichkeit vollständig ausfällt. Hierbei besteht die Möglichkeit, dass die gesamte Technik innerhalb eines Gerichts versagt oder nur die Technik, die für die Herstellung der Öffentlichkeit benötigt wird. Der bereitgehaltene digitale Raum zur Herstellung von Öffentlichkeit in Form einer Webseite könnte zudem bei einer zu großen Anzahl von Anfragen „abstürzen“ und danach für keinen Zuschauer mehr erreichbar sein. Ein solches Versagen der Technik müsste gerichtsfest protokolliert werden, so dass die Verfahrensbeteiligten hierauf beruhende rechtliche Maßnahmen ergreifen könnten. Allerdings besteht ein solches Risiko grundsätzlich erst ab einer sehr hohen Anzahl von Anfragen innerhalb eines kurzen Zeitraums. Ohnehin ist die Gewährleistung von IT-Sicherheit (hier: in Form der Verfügbarkeit) eine auch verfassungsrechtlich vorgegebene Anforderung an IT-Systeme.129 Der Umfang von Anfragen, mit dem eine Seite umgehen kann, hängt auch von den dahinter befindlichen Ressourcen und dem verwendeten technischen System zusammen. Google als einer der größten Online-Dienstanbieter hat im Jahr 2016 beispielsweise über 3,29 Billiarden Suchanfragen weltweit erhalten und verarbeitet damit tausende von Anfragen pro Sekunde.130 Mithin ist dies zwar eine Frage der Technik, die aber vielfach auf ökonomischen Erwägungen beruht. 2. Bestehen von IT-Sicherheitsrisiken Ein weiteres Risiko besteht in der IT-Unsicherheit. IT-Sicherheit ist „gewährleistet, wenn die in einem informationstechnischen System hinterlegten Informationen verfügbar sind, und zwar einschränkend immer dann, wenn dies erforderlich (und vereinbart) ist [Zugänglichkeit], für jeden Nutzer, der hierzu berechtigt ist (und dies nachweist), und zwar nur für diesen [Vertraulichkeit], mit genau dem Inhalt, den der Urheber geschaffen hat [Unversehrtheit]. Zusätzlich müssen die Informationen jedem Urheber in dem Maße zurechenbar sein, in dem der Zweck der Informationsverarbeitung diese ­ ­Zurechnung fordert [Zurechenbarkeit]“.131 Das Fehlen eines dieser Vorausund die mangelnde Rechtskenntnis in der Presse kritisiert, Glaser, Das Verhältnis der Presse zur Justiz, S. 3 f., 14 f. 129  Hierzu auch Heckmann, in: Heckmann, jurisPK Internetrecht, Kap. 5, Rn. 219; Heckmann, MMR 2006, 280, 281; Heckmann, K&R 2009, 1, 6. 130  https: /  / de.statista.com / statistik / daten / studie / 71769 / umfrage / anzahl-dergoogle-suchanfragen-pro-jahr / .



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setzungen kann bereits in IT-Unsicherheit münden. IT-Unsicherheit kann einerseits Ursache einer mangelhaften Hard- und Software sein, oder andererseits durch ein Fehlverhalten von justizinternen und -externen Personen ausgelöst werden. Die bestehenden Risiken in diesem Kontext sind mannigfaltig. Jedes System ist potentiell kompromittierbar, und es gibt genügend Personen, die sich mit dem Finden und Ausnutzen von Schwachstellen befassen. Hierbei besteht das Risiko, dass Hacker in das System eindringen, um Daten abzugreifen, oder Trojaner die Funktionalität von Systemen lahmlegen, um ein „Lösegeld“ zu erpressen. Aufgrund der Ereignisse der letzten Jahre, bei denen sogar der Bundestag Opfer von Hackerangriffen geworden ist, ist jedem IT-Nutzer bewusst, dass es keine absolute IT-Sicherheit geben kann. So „verseuchen“ Schadprogramme, die in den letzten Jahren immer kommerzialisierter geworden sind (sog. „Malware as a Service“) den virtuellen Raum. Bei der Verbreitung und dem Befall von Computern spielen deren Nutzer eine große Rolle. Sie können durch das Anklicken (sei es im Internet oder einer E-Mail) oder Ausführen einer Datei (z. B. durch Nutzung eines kompromittierten Speichermediums) ihr IT-System für Schadsoftware (sei es Spy-, Ad- oder Ransomware) zugänglich machen. Die Verschlüsselung von IT-Systemen mit anschließender Erpressung der Inhaber der IT-Systeme mittels Ransomware erfreut sich seit einigen Jahren immer größerer Beliebtheit.132 Die gängigen Verbreitungsmethoden für Malware sind Viren, Trojaner und Würmer. Darüber hinaus besitzt Software häufig Sicherheitslücken oder auch absichtlich von den Softwareanbietern eingerichtete Backdoors, über die sich Dritte Zugang zu einem IT-System verschaffen und dieses übernehmen können. Zudem wurde kürzlich entdeckt, dass die für Rechenprozesse erforderlichen Mikroprozessoren in Computern und Smartphones ebenfalls sicherheitsrelevante Schwachstellen besitzen.133 Öffentlich zugängliche Seiten können überdies von Distributed (Reflected) Denial of Service-Angriffen (DDoS-Angriff) betroffen sein. Unzählige Anfragen eines Internetservices führen in der Folge zu einer Serverüberlastung, so dass Dritte, die ein tatsächliches Interesse besitzen diese Seite zu besuchen, keinen Zugriff hierauf mehr erhalten. Während in der Vergangenheit 131  Heckmann,

in: Heckmann, jurisPK Internetrecht, Kap. 5, Rn. 219. Sicherheitsmaßnahme hiergegen ist neben einem IT-Sicherheitskonzepts mit einer geeigneten Backup-Strategie die Förderung der Medien- bzw. IT-Sicherheitskompetenz der IT-Nutzer. 133  http: /  / www.handelsblatt.com / my / unternehmen / it-medien / sicherheitslueckein-computerchips-teure-fehlkonstruktion / 20812802.html?ticket=ST-375918-W4u9 kZldY4dLLVLWYefd-ap4; http: /  / www.faz.net / aktuell / wirtschaft / diginomics / melt down-und-spectre-was-hinter-der-chip-luecke-steckt-15373753.html; http: /  / www.faz. net / aktuell / wirtschaft / diginomics / wie-forscher-die-groesste-sicherheitsluecke-allerzeiten-entdeckten-15379125.html. 132  Als

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Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

viele Internetnutzer sich für einen DDoS-Angriff zusammentun mussten, kann dies inzwischen durch einige wenige Personen erfolgen. Hierfür bedienen sich die Angreifer sogenannter Botnetze. Ein Botnetz besteht aus vielen Computern, die durch ein Schadprogramm infiziert wurden und dadurch durch einen Dritten steuerbar geworden sind. Die zunehmende Digitalisierung von Gegenständen des täglichen Gebrauchs und deren Vernetzung (sog. Internet der Dinge) sowie ein niedriges IT-Sicherheitsniveau und mangelndes IT-Sicherheitsbewusstsein der Nutzer, führt dazu, dass die Botnetze der Zukunft deutlich größer werden könnten, da es mehr unsichere Computer gibt und diese Netzstrukturen damit ein deutlich größeres Schadpotential besitzen könnten.134 Das IT-Sicherheitsniveau in der Justiz ist derzeit grundsätzlich als sehr hoch einzustufen. Eine Plattform, die zur Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit genutzt wird, kann zudem als designierte kritische Infrastruktur gewertet werden, sodass davon auszugehen ist, dass zukünftig auch für eine Plattform „der Justiz“ ein hohes IT-Sicherheitsniveau gelten wird. Bei Berücksichtigung des allgemeinen Stands der Technik, dem regelmäßigen Schließen von Sicherheitslücken, dem Vorhalten eines IT-Sicherheitskonzepts, das sowohl technische als auch organisatorische Vorkehrungen trifft und einen verantwortungsbewussten IT-Umgang aufzeigt, kann das Risiko einer Kompromittierung als gering eingestuft werden. Aber auch im realen Raum besteht immer ein gewisses allgemeines Lebensrisiko, dem sich jeder aussetzt. Wichtig ist jedoch, dass eine entsprechende öffentlichkeitsgewährende Plattform derart gestaltet würde, dass ein Angriff hierauf lediglich Einfluss auf diese Webseite haben würde und die Funktionsweise der Justiz nicht darüber hinaus gehend beeinträchtigt würde. Daher sind beispielsweise über die Plattform abrufbare hoheitliche Dokumente auch auf einem anderen Server zu speichern. Allerdings kann eine bestehende IT-Unsicherheit in der Justiz unabhängig von rechtlichen Auswirkungen auch zu einem großen Vertrauensverlust bei der Bevölkerung führen. Die Justiz hat schließlich auch die Aufgabe, einen Vertrauensverlust bei rechtwidrigem Handeln der anderen Gewalten, Legislative und Exekutive auszugleichen sowie Private in ihre rechtlichen Schranken zu weisen. Der Bürger verlässt sich also in besonderer Weise auf die Justiz.

134  https: /  / www.cebit.de / de / news-trends / news / internet-der-dinge-das-groesstebotnet-aller-zeiten-1817.



C. Öffentlichkeitsermöglichende und -begrenzende technische Lösungen283

3. Weitreichende Speicher- und Vernetzungsmöglichkeiten Der virtuelle Raum ermöglicht die potentiell ewige Speicherung, Neukontextuierung und auch Vernetzung von Inhalten. Werden Inhalte vor dem unberechtigten Zugriff Dritter technisch geschützt und nur auf Servern abgespeichert, auf die die Justiz Zugriff besitzt, besteht die Möglichkeit, bestehende Löschpflichten eigenständig umzusetzen. Eine Löschung muss auch im Hinblick auf Backup-Systeme sichergestellt werden, damit entsprechende Informationen nicht erneut in das System übertragen werden, indem bereits eine Löschung erfolgt ist. Eine Löschung bzw. ein Überschreiben von Daten in den Backupsystemen ist teilweise jedoch nur mit zeitlicher Verzögerung möglich. In diesem Zusammenhang besteht zudem ein Risiko durch Einzelne, die Informationen beispielsweise durch Screenshots in andere Systeme übertragen und dort abspeichern oder verbreiten. Einem solchen Vorgehen kann jedoch durch die oben genannten technischen Möglichkeiten und gegebenenfalls durch rechtliche Löschpflichten oder Strafbarkeitsregelungen begegnet werden. Daran sieht man, dass das Ineinandergreifen von Technik und Recht heutzutage oftmals notwendig ist. In der heutigen Zeit werten jedoch auch darauf spezialisierte Unternehmen professionell das Internet mit besonderem Fokus auf soziale Medien mithilfe des sogenannten Screen-Scraping oder anderen Verfahren aus.135 Hierbei werden die Inhalte von Webseiten innerhalb vorgegebener Zeiträume beispielsweise einmal täglich oder seltener abgespeichert und anschließend im Rahmen von Big Data-Verfahren aufgrund verschiedener Parameter ausgewertet.136 Dieser professionellen Auswertung einer zukünftigen Justizplattform kann ebenfalls mit technischen und rechtlichen Mitteln, wie sie beispielweise von Facebook genutzt werden, begegnet werden, indem technische Schutzmaßnahmen die ungefragte Auswertung untersagen können und entsprechende Auswertungslizenzen nur unter gewissen vertraglichen Rahmenbedingungen gewährt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit die kommerzielle Nutzung entsprechender Informationen rechtlich zu unterbinden.137 Es gibt Profilingsoftware, die eine Auswertung aller frei zur Verfügung stehenden Informationen einer Person im Internet vornehmen kann. Darauf aufbauend könnte technisch jeder Person ein entsprechender Score zugewiesen werden. Die Kategorisierung einer Person auf Grundlage ihrer Daten, 135  Bitter / Buchmüller / Uecker, in: Hoeren (Hrsg.), Big Data und Recht, S. 49. Vgl. u. a. die uberMetrics Technologies GmbH (https: /  / www.ubermetrics-technolo gies.com / de / ). 136  Goldschmidt / Bunk, DuD 2016, 463, 463 f. 137  Vgl. Kapitel 5 C. II. 1.

284

Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

wozu beispielsweise auch ihr Kaufverhalten oder etwaigenfalls von ihr begangene Straftaten gehören, ist in China geplant.138 Ein solches Vorgehen wäre technisch ebenso in Deutschland umsetzbar. Allerdings bestehen gesetzliche Regelungen wie beispielsweise die Datenschutz-Grundverordnung sowie das Bundesdatenschutzgesetz, die dies vorliegend verhindern. Es existieren aber auch weitere Möglichkeiten, diese Risiken insoweit zu unterbinden, dass beispielsweise ein automatisches Auslesen der Informationen auf dem Portal, wie oben genannt, technisch abgewehrt wird. 4. Digitale Kluft – partieller Ausschluss von Personengruppen Ein weiteres Risiko besteht darin, dass gewisse Personengruppen vom Internet nicht profitieren können. Einerseits ist der Breitbandausbau in Deutschland noch nicht abgeschlossen, so dass keine flächendeckend hohe Internetgeschwindigkeit gewährleistet ist.139 Die Bundesnetzagentur geht zumindest inzwischen gegen absichtliche Drosselungen der Internetanbieter bzw. zu langsames Internet vor.140 Die digitale Kluft kann damit durch ein regional langsames Internet örtlich bedingt sein. Andererseits können andere Faktoren eine digitale Spaltung der Gesellschaft bewirken.141 Unabhängig von der weitgreifenden digitalen Transformation142 hat ein gewisser Bevölkerungsanteil diese Entwicklung nämlich nicht mitvollzogen. Die Gruppe der über 60-jährigen Internetnutzer hat inzwischen deutlich zugenommen.143 Allerdings nutzen in der Altersgruppe ab 70 Jahren im Jahr 2016 immer noch lediglich 36 % das Internet.144 Hinsicht138  http: /  / www.sueddeutsche.de / politik / neuer-ueberwachungsstaat-chinas-digita ler-plan-fuer-den-besseren-menschen-1.3517017. 139  https: /  / www.bundesnetzagentur.de / DE / Sachgebiete / Telekommunikation /  Verbraucher / Breitbandmessung / Breitbandmessung-node.html. 140  http: /  / www.faz.net / aktuell / wirtschaft / macht-im-internet / bundesnetzagenturstrafen-fuer-zu-langsames-internet-14957437.html. 141  Kube, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Band IV, § 91 Rn. 28 weist da­rauf hin, dass die Internetnutzung auch vom Bildungsgrad der Bevölkerung abhängt. Zur Verhinderung eines Digital Divide vgl. Holznagel / Verhulst / Grünwald / Hahne, K&R 2000, 425, 425 ff. 142  Im Jahr 2016 nutzten 79 % der Deutschen das Internet, https: /  / de.statista.com /  statistik / daten / studie / 13070 / umfrage / entwicklung-der-internetnutzung-in-deutsch land-seit-2001 / . 143  https: /  / de.statista.com / statistik / daten / studie / 36151 / umfrage / anzahl-der-internetnutzer-in-deutschland-nach-altersgruppen-seit-1997 / ; https: /  / de.statista.com / sta tistik / daten / studie / 72312 / umfrage / altersverteilung-der-internetnutzer-in-deutschland / . 144  https: /  / de.statista.com / statistik / daten / studie / 3101 / umfrage / internetnutzungin-deutschland-nach-altersgruppen / .



C. Öffentlichkeitsermöglichende und -begrenzende technische Lösungen285

lich der unterschiedlichen Geschlechter ist jedoch keine nennenswerte Differenzierung zu verzeichnen.145 Die altersbezogene digitale Kluft wird in den nächsten 25 Jahren schrittweise abflachen. Zudem ist davon auszugehen, dass der Ausbau schneller Internetleitungen deutschlandweit voranschreiten wird.

IV. Folgenabschätzung der Digitalisierung im Öffentlichkeitskontext 1. Risikofolgenabschätzung zwischen digitaler und präsenter Öffentlichkeit Durch die Digitalisierung und eine damit einhergehende Erreichung einer potentiell größeren Öffentlichkeit wird diese Errungenschaft heutzutage teilweise jedoch auch negativ gewertet. Die anonyme körperlich abwesende Masse im Internet wird anscheinend mehr gefürchtet, als die vor Ort befindliche, gesichtszeigende anonyme Zuschauerschaft.146 Dabei werden die vermuteten Gefahren nach dem hiesigen Verständnis fehlerhaft gewichtet. Die Risiken, die von einem anwesenden Zuschauer ausgehen können, sind mannigfaltig. Anwesenden ist die Ausübung körperlicher Gewalt möglich und auch die Einflussnahme auf andere Personen oder das gesamte staatliche Verfahren kann so viel einfacher erfolgen. So haben in der Vergangenheit Zuschauer eine Parlamentssitzung unterbrochen, indem jene Flugblätter ins Plenum geworfen haben und von der Tribüne gesprungen sind;147 Staatsdiener wurden in Ausübung ihrer öffentlich zugänglichen Tätigkeit beleidigt, bedroht, körperlich angegriffen148 oder sogar getötet149.150 Zudem kam es zu Diebstählen151 und Sachbeschädigungen. Diesem leider inzwischen alltäglich gewordenen Risiko eines Beamten wird im Rahmen des Polizeidienstes 145  https: /  / de.statista.com / statistik / daten / studie / 72314 / umfrage / internetnutzerin-deutschland-nach-alter-und-geschlecht / . 146  Ernst, NJW 2001, 1624, 1626 leitet daher ein berechtigtes Interesse der Richterschaft her, „nicht anonym von jedermann wahrgenommen zu werden, ohne den Kreis der Betrachter überblicken zu können“. 147  http: /  / www.zeit.de / online / 2007 / 18 / bundestag-demonstranten. 148  https: /  / web.de / magazine / panorama / solothurner-obergericht-richter-gerichts schreiber-angegriffen-spitalspflege-31651292. 149  http: /  / www.ksta.de / region / euskirchen-eifel / euskirchen / -vor-20-jahren-sie ben-opfer-bei-amoklauf-1323452. 150  Mitteilungen des Hamburgerischen Richtervereins (MHR) Nr. 2 / 2015 S. 17 m. w. N. (abrufbar unter: http: /  / www.richterverein.de / mhr / mhr052 / m05210.htm). 151  http: /  / www.sueddeutsche.de / bayern / kaufbeuren-stoerer-verursachen-chaosim-gerichtssaal-angeklagte-klaut-akten-1.2916759.

286

Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

durch sog. BodyCams zur Eigensicherung begegnet.152 Dem Einsatz entsprechender Technik wird jedoch in anderen staatlichen Einsatzgebieten skeptisch begegnet. Trotz der genannten Risiken wird die, durch formale Voraussetzungen begrenzte, örtlich anwesende grundsätzlich ebenfalls anonyme Öffentlichkeit als Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens gewertet und einer nur digital anwesenden Öffentlichkeit vorgezogen. Eine bloß virtuelle Öffentlichkeit, bei der niemand weiß, ob, wer und wie viele Menschen dem Verfahren digital beiwohnen, wird teilweise als Bedrohung wahrgenommen.153 Diese Befürchtung ist irrational, da die Technik heutzutage bereits potentiell die Anonymität der Zuschauer weitestgehend aufheben könnte. Es gibt verschiedene Softwarelösungen, die anzeigen könnten, wie viele Empfangsgeräte auf eine Verhandlung zugreifen, und damit mittelbar auch dem Betrachteten mitteilen, mit wie vielen Zuschauern er rechnen kann, oder ob gegebenfalls sogar kein Zuschauer die Möglichkeit der Einsicht wahrnimmt. Es bestünde auch die Möglichkeit, dass Zuschauer nur digital Zugang zu einer Verhandlung erhalten könnten, wenn diese sich mit dem neuen elektronischen Personalausweis anmelden bzw. registrieren würden und damit nicht mehr anonym wären. Selbst wenn diese anonymitätsaufhebenden technischen Lösungen nicht umgesetzt würden, sind die Risiken durch Anwesende deutlich höher zu gewichten als durch örtlich abwesende Zuschauer. Letztere könnten im schlimmsten Fall nämlich lediglich die öffentliche staatliche Verhandlung aufzeichnen, weiterverbreiten und entstellen. Dem kann durch technische Lösungen, wie dem Implementieren eines virtuellen Kopierschutzes und weiterer technischer Maßnahmen sowie entsprechender gesetzlicher Vor­ schriften, entgegengewirkt werden. Darüber hinaus besteht bei anwesenden Zuschauern auch das Risiko, dass diese heimlich Ton- und / oder Bildaufnahmen von dem Geschehen machen und dieses weiterverbreiten. Nach geltender Rechtslage ist jedoch die Anfertigung von Fotografien bzw. die Tonund Bild­aufnahme zu Privatzwecken, d. h. ohne Weiterverbreitungsabsicht, grundsätzlich bereits erlaubt.154 Daher können auch anwesende Zuschauern heimlich oder sogar in einer den Verfahrensgang störenden Weise die Verhandlung offen aufnehmen. Eine entsprechende Weiterverbreitung über Plattformen wie YouTube ist zwar bereits heute untersagt, wird aber dennoch 152  Hierzu ausführlich Starnecker, Videoüberwachung zur Risikovorsorge, S.  41 ff. 153  Dennoch besitzen Richter keinen Anspruch darauf, nur von ortsanwesenden Personen wahrgenommen zu werden, BVerfG NJW-RR 2007, 1416, 1416 m. w. N. 154  Vgl. OLG Stuttgart NStZ-RR 2016, 383, 384 f.; BT-Drs. 4 / 178, S. 45; Coelln, AfP 2014, 193, 198; Kreicker, ZIS-Online 2017, 85, 86.



C. Öffentlichkeitsermöglichende und -begrenzende technische Lösungen287

vorgenommen, so dass eine strafrechtliche Absicherung dieses Verhaltens eine zu erwägende Lösung wäre.155 Zudem artikulieren Richter häufig, dass sie die Verhandlung je nach Zuschauerkreis anders gestalten würden und mangels diesbezüglicher Anhaltspunkte bei einer potentiellen Übertragung der Verhandlung verunsichert sind. Das rechtsstaatliche Verfahren sollte sich jedoch zu keinem Zeitpunkt an den anwesenden Zuschauern orientieren, sondern lediglich aufgrund der unter Kapitel 1 B. dargestellten Funktionen von Öffentlichkeit öffentlich stattfinden. Die Ängste vor einem zwar körperlich abwesenden, aber doch medial vermittelt anonym teilhabenden Zuschauer sind in der Justiz besonders ausgeprägt. Dies ist jedoch schwerlich nachvollziehbar, da insbesondere in der Instanzenrechtsprechung der Zuschauer für das Justizpersonal und die Verfahrensbeteiligten zumeist anonym bleibt. Insbesondere bei einer Vielzahl von Zuschauern können Verfahrensbeteiligte kaum nachvollziehen, wer die Verhandlung einsieht, wenn die Zuschauer nicht den Verfahrensbeteiligten bekannt sind. Die Anonymität des Internets verstärkt nur die Unsicherheit, da keine Folgenabschätzung über den Zuschauerkreis stattfinden kann. Ein Richter kann beispielsweise bei abwesenden Zuschauern nicht erkennen, welche Verhandlung sich der Präsident zur regelmäßigen Beurteilung anschaut, und könnte sich damit gezwungen sehen, grundsätzlich ein vorbild­ liches Verfahren zu führen.156 Das ebenfalls erwähnte Risiko eines nach einer Verhandlung begangenen Übergriffs durch einen Zuschauer ist sowohl bei anwesenden wie auch abwesenden Zuschauern gegeben. Dennoch ist die potentielle Gefahr, die von einem anwesenden Zuschauer ausgeht, als deutlich höher einzustufen. Abwesende Zuschauer können vor allem nicht unmittelbar physisch in das Geschehen eingreifen. Die Vorbehalte vieler Staatsdiener sind daher diffuser Natur, wie es für Ängste charakteristisch ist. Das Risiko eines übergriffigen Zeugens in der Wirklichkeit ist zwar flächendeckend als gering einzustufen; da die Folgen jedoch um ein vielfaches höher sind als bei den bestehenden virtuellen Gefahren, müssen diese im Rahmen der Folgenabschätzung genannt werden. Die aufgezeigten Risiken eines digitalen Zuschauers sind zwar weitreichender, da hierbei die Hemmschwelle der Beteiligten als herabgesetzt zu werten ist, zumal eine Durchsetzung der Rechtslage nur mit Zeitverzögerung erfolgen würde; allerdings

155  Vgl.

Kapitel 5 C. II. 1. Vereinbarkeit dienstlicher Beurteilungen bei Richtern mit der richterlichen Unabhängigkeit vgl. Haberland, DRiZ 2002, 301, 306 ff. 156  Zur

288

Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

können durch vielfache Sicherheitsmechanismen rechtlicher und technischer Natur die genannten Risiken wirkungsvoll eingedämmt werden. 2. Folgenabschätzung der technischen Risiken für den Grundsatz der Öffentlichkeit Wird der Mensch durch die Technik als Risikofaktor für die ungestörte Ausübung staatlicher Tätigkeit ausgeschlossen, muss der nun neu entstandene Risikofaktor Technik im Hinblick auf die Gerichtsöffentlichkeit näher beleuchtet werden. Da mit zunehmender Digitalisierung staatlicher Prozesse eine Abhängigkeit von der modernen Technik zu bejahen ist, wird der Ausfall von Strom bzw. ein Versagen der Technik wahrscheinlich das gesamte Verfahren zum Erliegen bringen. Bei einem vollständigen Ausfall der Technik an einem Gericht wird daher die Frage nach dem Einhalten des Öffentlichkeitsgrundsatzes nur eine von vielen sein. Dieses Risiko ist der Staat jedoch bewusst eingegangen, da die Digitalisierung verschiedener Verfahrensprozesse auch eine Steigerung der Effizienz mit sich bringt. Erfolgt ein Ausfall der Techniken, die Gerichtsöffentlichkeit herstellen sollen, ist zu differenzieren, in welcher Herrschaftssphäre es zum Ausfall kommt. Erfolgt der Übertragungsfehler vor Ort bei einem Rezipienten, trägt er das Risiko. Solange weiterhin ein möglicher Rezipientenkreises Zugang zu Strom und der hierfür erforderlichen Technik besitzt und der Verhandlung folgen kann, stellt der Technikausfall einzelner Rezipienten keine Gefahr für die Gerichtsöffentlichkeit dar. Liegt der Ausfall der Technik jedoch in der Sphäre der Gerichte, findet keine Öffentlichkeit statt, so dass entsprechende Verfahren einen absoluten Revisionsgrund begründen (vgl. u. a. § 547 Nr. 5 ZPO, § 338 Nr. 6 StPO). Aufgrund dieser rechtlichen Vorkehrungen zur Absicherung entsprechender Fälle sind die Betroffenen hinreichend geschützt. Auch der partielle Ausfall, bei dem entweder nur Ton oder nur Bild versagen, wird als Ausfall der Öffentlichkeit zu werten sein, da der erforderliche Gesamteindruck zählt, damit die Kontrollfunktion erfüllt ist. Für die Gerichtsöffentlichkeit wird sowohl ein Totalausfall der Technik als auch ein partieller Ausfall der Öffentlichkeit, sei es in Bild oder Ton, wohl nur eine geringe Bedeutung haben. Fällt nämlich ein Gerichtsverfahren aufgrund eines Technikversagens aus, bedarf es der Gerichtsöffentlichkeit auch nicht; fällt lediglich die Technik für die Herstellung von Öffentlichkeit vollständig aus, wird dies, wie oben aufgezeigt, den Parteien offen zu legen sein. Diese können das ergangene Urteil, wie unter III. 1. aufgezeigt, über ein Revisionsverfahren danach angreifen. Über die Rechtsweggrenzen hinweg ist nämlich ein Mangel an Öffentlichkeit als absoluter Revisionsgrund



C. Öffentlichkeitsermöglichende und -begrenzende technische Lösungen289

zu werten. Mithin ist das sich aus einem Technikausfall ergebene Risiko kein Hinderungsgrund für die Einführung einer digitalen Gerichtsöffentlichkeit. Auch die weiteren unter III. aufgeführten technischen Risiken müssen im Rahmen der Folgenabschätzung beachtet werden. Der Einsatz der Technik bietet beispielsweise im Bereich der IT-Sicherheit Risiken. Beispielsweise könnten die über das Portal veröffentlichten Daten „gestohlen“ werden oder derart in der Verfügbarkeit eingeschränkt werden, dass diese nicht mehr einsehbar sind. Letztlich könnten die betroffenen Verfahrensbeteiligten hiernach gegen die unter Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes ergangene Entscheidung Revision einlegen. Daher sind bei einem entsprechenden Ausfall die Verfahrensbeteiligten über den Wegfall der Öffentlichkeit in ihrem Ver­ fahren zu informieren. Hierbei wird jedoch nicht jede Einschränkung der Verfahrensinformationen als Öffentlichkeitsausschluss im Sinne eines absoluten Revisionsgrundes zu werten sein. Hierfür sprechen beispielsweise die Fristen zum Rechtskrafteintritt. Daher kann je nach Gestaltung des Portals lediglich eine Störung der Öffentlichkeit einen Revisionsgrund auslösen, wenn die Live-Übertragung der Verhandlungen gestört war und die ebenfalls veröffentlichten Dokumente innerhalb eines gewissen Zeitraums, die in engem zeitlichen Zusammenhang zu der Verhandlung stehen, nicht abrufbar waren. Werden statt eines Live-Streamings zeitverzögert Videodateien aus der Verhandlung zur Verfügung gestellt, müssen diese am Tag der Entscheidung ebenfalls für einen gewissen Zeitraum abrufbar sein. Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung besitzen einen entsprechenden Handlungsspielraum hinsichtlich der Frage, innerhalb welches Zeitraums diejenigen Informationen abrufbar sein müssen, deren Einsehbarkeit zwingend erforderlich ist, um die sodann ergehende Entscheidung nicht erfolgreich mit dem Rechtsmittel der Revision angreifen zu können. Allerdings kann hierin auch kein Risiko gesehen werden, das eine Einbindung der Technik in die Gerichtsöffentlichkeit verhindert. Vielmehr können Betroffene sich mit den bestehenden rechtlichen Mitteln wirksam schützen. Bei dem Risiko des „Datendiebstahls“ muss im Rahmen der Folgenabschätzung betrachtet werden, welche Form der Daten in einem Portal bereitgestellt werden. Werden über das Portal alle Informationen bereits zum freien Abruf bereitgehalten, ist ein vermeintlicher „Datendiebstahl“ bereits kein Risiko. Sollen aber Informationen hierüber nur eingesehen und nicht heruntergeladen werden können, stellt sich die Frage, ob ein digitales Beschaffen der Daten ein erhebliches Risiko für das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen darstellt. Es kann über das Portal ein Live-Stream oder alternativ ein Video der mündlichen Verhandlung eingebunden werden. Erfolgt ein Live-Stream­ ing, sind die Erlebnisse flüchtig. Dies würde einen „Datendiebstahl“ wesentlich erschweren. Im Vergleich dazu wäre ein Mitschnitt aus dem Zuschauer-

290

Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

raum einer Verhandlung mit einer Kamera oder einem Aufnahmegerät heutzutage wohl deutlich einfacher. Darüber hinaus sollen über das Portal Informationen wie Urteile oder Schriftsätze der Parteien abrufbar sein, um die Öffentlichkeit transparent zu gestalten. Wenn diese Dokumente lediglich anonymisiert bzw. pseudonymisiert dort abgespeichert werden, ist dies im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen zumeist unproblematisch. Im Rahmen von gerichtlichen Schriftsätzen werden bereits heute die Bezeichnungen Kläger, Beklagter oder Angeklagte u. a.m. verwendet, um die Verfahrensbeteiligten zu benennen. Insbesondere bei anonymisierten Schriftsätzen ist kein Rückbezug zur betroffenen Person mehr möglich, so dass die Veröffent­ lichung entsprechender Daten oder deren „Diebstahl“ keine Risikoerhöhung für das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen darstellt. Selbst, wenn aufgrund eines bestimmten Sachverhaltes ein Personenbezug konstruierbar ist, kann der potentielle Einblick eines Nichtberechtigten nicht als Risiko ausreichen, eine negative Beurteilung bei der Folgenabschätzung abzugeben. Gerichtsverhandlungen sowie die Urteilsverkündung haben aufgrund der zugrundeliegenden Verfassungsprinzipien sowie der einfachgesetzlichen Vorgaben öffentlich zu erfolgen. Auch die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen ist daher nach Auffassung der Bundesgerichte erforderlich.157 Dieser Wertung folgend kann eine potentielle Möglichkeit der Rückbeziehung eines Sachverhaltes auf eine bestimmte Person nicht ausreichen, um die Veröffentlichung entsprechender Gerichtsdokumente über das Internet abzulehnen. Allerdings sind vor einer Veröffentlichung Maßnahmen zu treffen, die den Persönlichkeitsrechtsschutz bestmöglich wahren. Als eine solche Maßnahme kann beispielsweise das Löschen von Namen und Orten im Sachverhalt und Rubrum angesehen werden. Ein solches Vorgehen wird bereits durch die Bundesgerichte vorgenommen, die über ihre jeweiligen Webseiten ihre Entscheidungen ohne Begrenzung (weltweit) öffentlich zugänglich machen. Die derzeitige Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen durch die Bundesgerichte, erlaubt sogar den Download entsprechender Dokumente. Mithin ist das Hacken eines solchen Portals zur Datenbeschaffung ein eher fernliegendes Szenario. Ein Profiling Einzelner mithilfe anonymisierter Dokumente ist darüber hinaus ebenfalls ausgeschlossen. Insbesondere ist danach keine Verknüpfung mit anderen Daten möglich. Bei der Implementierung digitaler Ausprägungsformen der Öffentlichkeit sollte zudem das Risiko eines Ausschlusses bestimmter Personengruppen 157  Vgl. BGH NJW 2017, 1819, 1819  f.; BVerwG NJW 1997, 2694, 2694 f. m. w. N.



D. Digitalisierung und Gerichtsöffentlichkeit291

berücksichtigt werden, um eine demokratische Legitimation staatlichen Handelns weitestmöglich zu gewährleisten. Diesem Umstand kann beispielsweise technisch durch die Einrichtung öffentlicher Internetzugänge begegnet werden oder auch durch eine graduelle Übertragung der analogen Öffentlichkeit in den digitalen Raum, während gleichzeitig nach wie vor Personen Gerichtsverhandlungen unmittelbar vor Ort als Zuschauer beiwohnen können.

D. Digitalisierung und Gerichtsöffentlichkeit I. Digitale Öffnung der Justiz Die Digitalisierung der Justiz beruht, wie in Kapitel 3 C. II. aufgezeigt, bisher auf einer Digitalisierung des Arbeitsalltags der Gerichte und dient durch die Einbindung der Technik in die mündliche Verhandlung den Verfahrensbeteiligten. Bereits dies wird teilweise als Kulturwandel in der Justiz gewertet. Allerdings ist die derzeitige Betrachtung der Funktionsweise der Informationstechnologie mit dem Fokus auf Effizienz sowie Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte zu eindimensional. Der Technikeinsatz kann nämlich auch eine weitere Öffnungsmöglichkeit für staatliches Handeln bewirken. Die Digitalisierung staatlicher Informationen und Verfahrensweisen kann bekanntermaßen auch genutzt werden, um einer weiteren Forderung der ­Informationsgesellschaft Rechnung zu tragen – dem Open Data-Gedanken. Dieser wird bisher primär im Bereich der Legislative und Exekutive gefördert. Aber auch im Rahmen der Judikative kann diese Idee auf Grundlage der Digitalisierung vorangetrieben werden. 1. Öffnung für die IuK-Technik Die Gesetzgeber von Bund und Ländern haben durch ihr Handeln den Anstoß zu einer Digitalisierung der Justiz gegeben.158 Die Anpassung an die gesellschaftlich stattfindende digitale Transformation soll einerseits interne Prozesse vereinfachen, ist andererseits aber auch den Bedürfnissen der Gesellschaft geschuldet. Auch wenn die Justiz häufig als konservativ beschrieben wird, besteht inzwischen wohl ein weitreichendes Verständnis für den und die Bereitschaft zum Technikeinsatz. Richter als Teil der Gesellschaft durchleben auch im Privaten die alle Lebensbereiche betreffende digitale Transformation. Im Rahmen von E-Justice, d. h. der Digitalisierung von gerichtlichen Prozessen in Bezug auf die Verfahrensbeteiligten, ist bereits eine 158  Zur staatlichen Nutzung des Internets allgemein siehe Kube, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Band IV, § 91, Rn. 60 ff.

292

Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

Öffnung für die Informations- und Kommunikationstechnologie gesetzlich forciert worden.159 Derzeit profitieren allerdings nur Verfahrensbeteiligte von der digitalen Transformation. Beispielsweise wird die Einsicht in Verfahrensakten nach derzeitiger Rechtslage bisher lediglich den involvierten Prozessparteien und nach deren Einwilligung Dritten gewährt bzw. wenn der Anfragende ein sehr restriktiv ausgelegtes rechtliches Interesse glaubhaft machen kann, vgl. u. a. § 299 Abs. 1, 2 ZPO160.161 Auch nach der Digitalisierung von Gerichtsakten soll lediglich eine Möglichkeit der elektronischen Akteneinsicht bzw. die elektronische Übermittlung für Verfahrensbeteiligte bestehen, vgl. u. a. § 299 Abs. 3 ZPO162. Der Wortlaut des § 299 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist zwar sehr offen formuliert, dennoch gelten die Voraussetzungen des § 299 Abs. 2 ZPO weiter, der ein rechtliches Interesse fordert.163 Eine Öffnung der Prozessakten für jedermann ist damit nicht verbunden.164 2. Öffnung durch die IuK-Technik Die unter dem Schlagwort E-Justice bereits erfolgte und derzeit umgesetzte Digitalisierung der Justiz schafft allerdings gleichzeitig den Motor für eine weitergehende Öffnung der Justiz auf der Grundlage dieser Technik.165 Durch die Digitalisierung von Akten werden weitreichende Möglichkeiten geschaffen, auch Dokumente gegenüber der Öffentlichkeit zu publizieren. In der Vergangenheit konnte einer entsprechenden Öffnung entgegengehalten werden, dass dem faktische Grenzen entgegenstehen würden. Diese Grenzen hat die Informationstechnologie, vor allem das Internet, jedoch beseitigt. Gegen eine weitergehende Veröffentlichung wurde früher zudem angeführt, dass eine Anonymisierung per Hand zeitaufwendig sei und Personalressourcen binde. Des Weiteren war es faktisch nicht möglich, unbeschränkt papiergebundene Kopien zu verteilen, da Papier eine beschränkte Ressource ist. Nunmehr kann die Anonymisierung durch eine Software abgebildet werden Begriff E-Justiz siehe Ballhausen, IT-Einsatz in der Justiz, S. 13 ff. auch § 78 Abs. 1 FGO, § 100 Abs. 1 VwGO, § 120 Abs. 1 SGG. 161  Vgl. Zuck, NJW 2010, 2913, 2913 f.; Huber, in: Musielak / Voit (Hrsg.), ZPO, § 299, Rn. 3a, 3c. 162  Siehe auch § 78 Abs. 2 FGO, § 100 Abs. 2 VwGO, § 120 Abs. 2 SGG. 163  Zur Reichweite des öffentlichen Interesses, siehe Assmann, in: Wieczorek /  Schütze (Hrsg.), ZPO und Nebengesetze, Band 4, § 299 Rn. 38. 164  Vgl. Bernhardt / Heckmann, in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht Kap.  6, Rn. 301, der jedoch von einem Akteneinsichtsrecht für „jedermann“ ausgeht. 165  Zu eGovernment als Motor einer Verwaltungsmodernisierung bereits, Heckmann, in: Heckmann, jurisPK Internetrecht, Kap. 5 Rn. 3; Heckmann, Verw 2013, 1, 4 ff. 159  Zum

160  Siehe



D. Digitalisierung und Gerichtsöffentlichkeit293

und mittels eines Ausführbefehls binnen Sekunden erfolgen.166 Zudem sind endliche Ressourcen wie Papier im digitalen Zeitalter nicht mehr erforderlich, da der Einblick über das Internet erfolgt, zu dem jeder Zugang hat, der ein Empfangsgerät besitzt.167 Hierdurch wird eine weitergehende Öffnung der Justiz möglich.168

II. Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit Diese weitergehende Öffnung der Justiz könnte sich in einer Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit niederschlagen. Neben den dargestellten, bestehenden Formen der Drittöffentlichkeit bei Gericht sind aufgrund des unbestimmten Öffentlichkeitsbegriffs in § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG nämlich bereits heute auch andere Auslegungen für die Herstellung von Öffentlichkeit möglich.169 Somit wäre die Schaffung von Öffentlichkeit auch grundsätzlich auf digitalem Wege denkbar. Bei der Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit kann aus einer Vielzahl von technischen Maßnahmen zur Ermöglichung und zum Schutz der Betroffenen ausgewählt werden. Im 21. Jahrhundert drängt sich das Bedürfnis nach einer digitalen Gerichts­ öffentlichkeit als neue Form der Öffentlichkeit auf, bei der das Gericht derart multimedial ausgestattet wird, dass der Zuschauer nicht mehr in den Gerichtssaal gehen muss, sondern über das Internet die Möglichkeit erhält, das auf diesem Wege übertragene gerichtliche Verfahren zu verfolgen. Bei der digitalen Gerichtsöffentlichkeit handelt es sich somit einerseits um eine digitalisierte Saal- und damit Sitzungsöffentlichkeit, die dem Betrachter eine möglichst unverfälschte und unmittelbare Verhandlungsbetrachtung zu ermöglichen hat. Andererseits soll zur Gewährleistung der Funktionen von Öffentlichkeit auf diesem Wege jedermann die Möglichkeit erhalten, weiter166  Schindler, in: Gschwend u.  a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 752 schlägt bei den Schriftsätzen der Verfahrensbeteiligten vor, auf diese den Anonymisierungsaufwand abzuwälzen. 167  2017 hatten in Deutschland 93 % der Haushalte einen Internetzugang, https: /  /  de.statista.com / statistik / daten / studie / 153257 / umfrage / haushalte-mit-internetzugangin-deutschland-seit-2002 / . 168  Gegen die Ausweitung durch eine „technisch vermittelte Öffentlichkeit“ und die damit verbundene Intensität der modernen Berichterstattung, spricht sich unter Bezugnahme auf den „Prozeß Jesu“ und „die Pilatus-Frage nach der Wahrheit“, Arndt, in: Die neue Gesellschaft, 1956, S. 338, 340 f. pauschalierend aus. 169  Kissel / Mayer, GVG, § 169 Rn. 3 verweist jedoch darauf, dass neben der mittelbaren immer auch die unmittelbare vor Ort gegebene Öffentlichkeit gestattet sein muss. Ob für die Digitalisierung von Öffentlichkeit ein weiteres Gesetz geschaffen werden muss, ob § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG neuinterpretiert herangezogen werden kann oder ob es einer entsprechenden Gesetzesreform bedarf, wird unter D. IV. ausführlich behandelt.

294

Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

gehende Verfahrensinformationen – ähnlich den Auskunftsansprüchen, die bisher nur für Medienvertreter bestehen – einholen zu können, wobei jedoch entsprechend dem Open Data-Gedanken es nicht erst der Geltendmachung dieser Ansprüche bedürfen soll, sondern von Amts wegen eine Veröffent­ lichung erfolgt. Neben der Schaffung einer weitreichenden Gerichtsöffentlichkeit kommt es auf diesem Wege gleichzeitig zur Herstellung größtmög­ licher Transparenz. Die neuen Medien werden zur Öffentlichkeitsherstellung im Bereich der Legislative genutzt. Auch die Open Data-Bewegung fordert eine entsprechende Einbeziehung des Internets im Rahmen der Exekutive und will eine Veröffentlichung staatlicher Informationen, denen keine Belange Dritter entgegenstehen, für Bundesbehörden über § 12a EGovG gesetzlich stützen. Die deutsche Judikative hingegen hat historisch eher eine gegenläufige Tendenz zu verzeichnen.170 Seit 1964 sind Ton- und Bildaufnahmen aus der Hauptverhandlung zur Veröffentlichung durch § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG verboten. In der Judikative gibt es derzeit noch keine gesetzlichen Vorhaben zur Implementierung neuer Medien in den Öffentlichkeits- bzw. Öffnungsprozess. Allerdings muss sich die Gerichtsöffentlichkeit, die aufgrund der historischen Entwicklung von besonderer Bedeutung ist, auch der Digitalisierung stellen. Insbesondere wenn faktisch die Öffentlichkeit bei staatlichen Verfahren in den jetzigen Gestaltungen versagt171, müssen neue Wege angedacht werden, um den verfassungsmäßigen Umgang vor Gericht auch für die Zukunft zu sichern. Wie schnell ein Land demokratischen Umbrüchen ausgesetzt sein kann, hat sich in den USA, Polen sowie der Türkei in der jüngsten Vergangenheit gezeigt. Auch wenn derzeit in Deutschland (trotz des Einzugs rechtspopulistischer Strömungen in den Bundestag) derartige Entwicklungen fernliegend erscheinen, befreit dies nicht von rechtsstaatlichen Sicherungsmechanismen. Das Grundgesetz als Antwort auf ein Unrechtsregime, das seinen Ursprung gleichermaßen in demokratischen Verhältnissen hatte, kann seinen in den Grundrechten und Staatsstrukturbestimmungen liegenden hohen Anspruch nur erfüllen, wenn es selbst legitime Machtausübung begrenzt und kontrolliert. Solcher Kontrolle (wie sie auch die Öffentlichkeitsgewähr bewerkstelligen soll) kann die Justiz also nicht entgegenhalten, sie verkörpere ihrerseits den Rechtsstaat und sei deshalb (außerhalb des Instanzen­ zuges) nicht kontrollbedürftig. Die Menschenwürde aus Art. 1 GG, die über die Ewigkeitsklausel aus Art. 79 GG zeitlich unbegrenzten Schutz genießt, schützt nicht nur den Einzelnen, sondern enthält auch die Pflicht, effektive Kontrollen zum Schutze 170  Kapitel 1 171  Siehe

A. II. Kapitel 2 C. II. 1. b), c) und 2. c), d).



D. Digitalisierung und Gerichtsöffentlichkeit295

aller (auch vor zukünftigen Grundrechtsverstößen) zu gewährleisten.172 Aus diesem Grund kann das bestehende Ermessen des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung seiner Verfahrensöffentlichkeit insoweit als reduziert angesehen werden, dass zumindest eine Prüfpflicht dahingehend besteht, inwieweit ein diesbezüglicher gesetzlicher Anpassungsbedarf besteht. In welcher Gestalt die Digitalisierung gewinnbringend zur Verfahrensöffnung eingesetzt werden könnte, wird im Folgenden näher konturiert.

III. Die digitale Gerichtsöffentlichkeit Die digitale Gerichtsöffentlichkeit besitzt nach der vorliegend vertretenen Auffassung sowohl unmittelbare als auch mittelbare Komponenten und kann die bestehenden Formen der Öffentlichkeitsgewähr ergänzen. Sie soll über zwei Elemente verfügen. Zum einen soll die mündliche Verhandlung in Bildund Ton durch das Gericht über das Internet öffentlich zugänglich gemacht werden.173 Zum anderen sind die Verfahrensakten in grundrechtsverträglicher Form ebenfalls über das Internet für jedermann einsehbar bereitzuhalten.174 1. Unmittelbare Komponenten Je nach Ausgestaltung ermöglicht es die digitale Öffentlichkeit dem Zuschauer, die Gerichtsverhandlung (nahezu) in Echtzeit mitzuerleben, wie dies auch ein Zuschauer vor Ort könnte.175 Das Element der Bild- und Tonübertragung entspricht somit der digitalisierten Saalöffentlichkeit und ist damit grundsätzlich als unmittelbar einzustufen. Werden die Bild- und Tonübertragung sowie die Veröffentlichung der relevanten Unterlagen durch die Justiz selbst veranlasst, fördert dies auf einer anderen Ebene ebenfalls die Unmittelbarkeit der digitalen Öffentlichkeit. Intermediäre, die den Inhalt einer Verhandlung (selbstständig) wiedergeben und 172  Vgl. Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 78; Seibel, in: Alemann / Loss / Vowe (Hrsg.), Politik, S. 86 f. 173  Ein Bedarf nach dieser Form der Öffentlichkeitsgewähr wird auch von Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 750 f. thematisiert. Schindler lehnt aufgrund bestehender Risiken eine digitale Übertragung der Gerichtsverhandlung ab, ohne jedoch technische und rechtliche Schutzmaßnahmemöglichkeiten überhaupt zu berücksichtigen. 174  Zur genauen Ausgestaltung vgl. Kapitel 5 B. Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 753 befürwortet diese Form der Justizöffentlichkeit instanzenübergreifend in Zeiten digitaler Transformation. 175  Die Nutzung des Internets erleichtert eine unmittelbare Informierung der Öffentlichkeit, Kube, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Band IV, § 91, Rn. 63.

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damit das Risiko einer Inhaltsverfälschung mit sich bringen, werden hierdurch zurückgedrängt.176 Indem die Gerichtsunterlagen dem Zuschauer vor Augen geführt werden und die Originalunterlagen in einer grundrechtskonformen Art und Weise bereitgestellt werden, kann der Rezipient ohne eine fremde Deutung in das Verfahren einsteigen und sich ein eigenes Bild von der Verhandlung machen. Gleichzeitig besteht für die Justiz die Möglichkeit, unmittelbar den Bürger zu erreichen, in dem sie das Gerichtsgeschehen authentisch präsentiert und gegebenenfalls partiell kommentiert, um die Verhandlung für Verfahrensexterne transparent zu gestalten. 2. Mittelbare Komponenten Da der Zuschauer bei der Wahrnehmung einer Verhandlung durch die digitale Gerichtsöffentlichkeit das Geschehen nicht vor Ort erlebt und damit nur ein Abbild der Verhandlung im Gerichtssaal erhält, kann diese Öffentlichkeitsform auch als mittelbar gewertet werden.177 Das Ausmaß des Filters des Internets hängt allerdings maßgeblich von der technischen Umsetzung der digitalen Öffentlichkeit ab. Nach dem vorliegenden Verständnis der digitalen Öffentlichkeit soll mittels technischer Möglichkeiten nur das analoge Erlebnis einer Verhandlungsteilnahme ins heimische Wohnzimmer übertragen werden können. Hierfür bedarf es beispielsweise nicht des Heranzoomens der Beteiligten. Der technische Filter ist daher als eher gering anzusehen. Überträgt man die Überlegungen zur Öffentlichkeit von Feuerbach in die heutige Zeit, wäre das Element der digitalen Gerichtsöffentlichkeit, welches die Veröffentlichung der Verfahrensakten beinhaltet, als mittelbare Öffentlichkeitsform zu werten.178 Würden neben der Justiz auch noch andere Akteure in die Übertragung der Verhandlung und die hiermit verbundene Schaffung von Transparenz involviert, ist die digitale Öffentlichkeit auch auf der Ebene der Akteure als mittelbare Öffentlichkeit zu qualifizieren.

176  Vgl. Töpper, DRiZ 1995, 242, der allerdings eine TV-Liveübertragung von herausragenden Urteilen fordert. 177  Vgl. Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1, S. 25 f. für den die körperliche Abwesenheit der Öffentlichkeit eine mittelbare Öffentlichkeitsform darstellte. 178  Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Band 1, S. 25 f.



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3. Einordnung in die bisherige Terminologie Das Internet ist nach seiner Definition eindeutig als Medium zu klassifizieren; daher böte sich anstelle der Neuschaffung einer zusätzlichen Öffentlichkeitsform auch eine weitere Auslegung der Medienöffentlichkeit an. Allerdings verbietet sich ein Umkehrschluss, der alleine auf der Tatsache beruht, dass das Internet ein Medium ist, dahingehend, dass jede über das Internet gewährleistete Form der Öffentlichkeit automatisch Medienöffentlichkeit darstellt. Dem Medium Internet fehlt es nämlich an dem für die Medienöffentlichkeit immanenten festumgrenzten Adressatenkreis von „Medienvertretern“, namentlich Journalisten, Redakteuren u. a.m., die bei einer Aufbereitung der gerichtlichen Verfahren durch Presse und Rundfunk tätig sind. Inhalte im Internet können hingegen durch jeden Weltbürger, der hierauf Zugriff hat, genutzt und ohne eine Kontrollinstanz inhaltlich ergänzt oder abgeändert werden. Aufgrund der globalen Reichweite und Schnelllebigkeit des Internets passt dieses nicht in die bestehenden Begrifflichkeiten. Daher wird im Rahmen dieser Arbeit die digitale Öffentlichkeit als eigene Öffentlichkeitsform angesehen, die zwischen der Saal- und Medienöffentlichkeit angesiedelt ist. Die vorliegend aufgezeigte Gestaltung der digitalen Öffentlichkeit im 21. Jahrhundert besteht aus zwei Kernelementen: Zunächst stellt sie eine rein digitale Form der Saalöffentlichkeit dar (1.), und gleichzeitig besitzt sie einen Anteil medialer Informationsgewährung, wie sie der klassischen Medienöffentlichkeit immanent ist (2.).179 Eine solche Erweiterung der digitalen Öffentlichkeit ist notwendig, da die reine Verlagerung von analogen Prozessen in den digitalen Raum alleine nicht gewinnbringend erscheint. Vielmehr bedarf es der Neugestaltung der Öffentlichkeitsausprägungen im Informationszeitalter. Während die Öffentlichkeit gerichtlicher Verfahren zweifellos anerkannt wird, ist das Bedürfnis transparenten Staatshandelns erst in der jüngeren Vergangenheit in den Fokus gerückt. Hierbei muss nach der Reichweite von Transparenz unterschieden werden. Rechtswegübergreifend sind die gerichtlichen Verfahren grundsätzlich als transparent zu werten, da der Verfahrensgang gesetzlich festgelegt ist. Allerdings sind die einzelnen Verfahren für Verfahrensexterne inhaltlich nicht transparent gestaltet. Ob die digitale Öffentlichkeit mehr als unmittelbare oder als mittelbare Öffentlichkeit angesehen wird, hängt von der jeweiligen technischen und organisatorischen Gestaltung ab. Die digitale Öffentlichkeit ist, weil sie sowohl mittelbare als auch unmittelbare Komponenten beinhaltet, systematisch neben der Saal- und der Medienöffentlichkeit einzuordnen. Die Justiz kann 179  Coelln,

Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 2.

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nämlich nicht nur eigenständig die digitale Öffentlichkeit schaffen, sondern partiell die Öffentlichkeitsgewähr an die Massenmedien übertragen. Welche organisatorischen Vorkehrungen hierbei zu treffen sind, beruht dabei wesentlich auf den verfassungsrechtlichen Grundlagen, die einerseits die Öffentlichkeit gebieten180 und andererseits dieser auch Grenzen setzen181.

4. Verhältnis der digitalen Gerichtsöffentlichkeit zu den bestehenden Öffentlichkeitsformen Wie bereits bei der terminologischen Perspektive aufgezeigt, soll die digitale Gerichtsöffentlichkeit die bestehenden Öffentlichkeitsformen derzeit nur ergänzen. Die bestehenden Öffentlichkeitsformen sollen hierdurch keinem Wandel unterliegen. Personen, die die Saalöffentlichkeit wahrnehmen, können über den Online-Zugang die Unterlagen des Verfahrens einsehen. Gleiches gilt für Medienvertreter, die sich auf die Medienöffentlichkeit berufen können. Nicht beabsichtigt ist hingegen, dass Medienvertreter selbst die Verhandlung über ihre Kanäle übertragen können. Sie können zwar selbst von einer Plattform profitieren, über die eine digitale Gerichtsöffentlichkeit hergestellt werden kann; allerdings soll aufgrund der bestehenden verfassungsrechtlichen Grenzen182 die Herrschaftsgewalt über die Übertragung der 180  Ausführlich

hierzu Kapitel 1 A. III. 3. b). hierzu Kapitel 5 B. 182  Vgl. ausführlich Kapitel 5 B. 181  Ausführlich



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mündlichen Verhandlung bei der Justiz verbleiben.183 Darüber hinaus kann die digitale Gerichtsöffentlichkeit dazu genutzt werden, bei Verfahren, die bisher rein schriftlich erfolgen und damit nicht-öffentlich sind,184 die Verfahrensdokumente erstmalig öffentlich zugänglich und damit kontrollierbar zu machen.185 Wenn sich die digitale Gerichtsöffentlichkeit bewährt hat, könnte zukünftig diese Öffentlichkeitsform auch die bestehende Saalöffentlichkeit ersetzen.186 Dieser Wandel des physisch präsenten Zuschauers zu einem lediglich virtuell anwesenden Betrachter hätte den Vorteil, dass man zukünftig nicht mehr den heutigen Stand von Gerichtsgebäuden vorhalten müsste. Alleine in Bayern wurde im Haushaltsplan 2015 / 2016 für die Jahre 2015 und 2016 für die Bewirtschaftung der Grundstücke, Gebäude und Räume der Justiz jeweils eine Summe von 24,2 Mio. Euro angesetzt.187 Für die Bewirtschaftung durch Heizung, Beleuchtung und elektrische Kraft sind weitere 10,4 Mio. Euro pro Jahr veranschlagt.188 5. Bewertung der Funktionserfüllung von Öffentlichkeit Die digitale Öffentlichkeit spricht nicht mehr nur ein regional begrenztes Publikum an, sondern erlaubt einem deutlich größeren Publikum die Teilnahme an der Verhandlung. Hiermit geht auch die Möglichkeit einher, justizielle Kontrolle zu erweitern. Aufgrund des potentiell erweiterten Publikums findet auch eine heterogenere Betrachtung der Gerichtsverhandlung statt. Erst diese Form der Öffentlichkeit verdient auch ihren Namen und trägt in besonderer Weise zur Legitimation des staatlichen Handelns bei. Zudem

183  Insgesamt ist die digitale Gerichtsöffentlichkeit damit die von Stürner, in: Heckmann / Schenke / Sydow (Hrsg.), FS Würtenberger, S. 933 geforderte „vorsichtige Zwischenlösung“ zwischen traditioneller Saalöffentlichkeit und Medienöffentlichkeit in Form eines amerikanischen Court-TV sowie zwischen Informierung der Öffentlichkeit zur Ermöglichung öffentlicher Kritik und Schutz der Beteiligten. Bzgl. Letzterem vgl. die Grenzen und Gestaltungsvorgaben der digitalen Gerichtsöffentlichkeit in Kapitel 5. 184  Die Öffentlichkeitsgewähr bei schriftlichen Verfahren wurde bereits grundsätzlich von Savigny, Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue StrafprozeßOrdnung, S. 27 angedacht, auch wenn er im Jahr 1846 „vorerst“ ein solches Vorgehen als nicht praktikabel ansah. 185  Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 751. 186  Vgl. Schlussbetrachtung, II. 187  https: /  / www.stmflh.bayern.de / haushalt / staatshaushalt_2015 / haushaltsplan / Ep l04.pdf, S. 36. 188  https: /  / www.stmflh.bayern.de / haushalt / staatshaushalt_2015 / haushaltsplan / Ep l04.pdf, S. 36.

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kann auch in temporärer Hinsicht vorliegend flexibler Öffentlichkeit gewährt werden. Bereits seit einigen Jahren besteht das sogenannte Semantic Web bzw. Web 3.0, das eine Interaktion aller Beteiligten erlaubt. Theoretisch kann auf diesem Wege am einfachsten ein großer Kreis von Teilnehmern generiert werden, die aktiv in einen Prozess integriert werden und diesen mitgestalten könnten. Die Frage, ob ein solches Vorgehen zulässig ist, wird im nachfolgenden Kapitel ausführlich behandelt. Ferner kann durch die Verbesserung der Transparenz ein digital übertragenes Verfahren das Verständnis für Gerichtsverfahren verbessern und gleichzeitig auch das Vertrauen in den Rechtsstaat fördern, da jeder Verhandlungsschritt offengelegt wird und damit staatliches Handeln auch vorhersehbar wird. Alle genannten Dimensionen könnten durch die digitale Öffentlichkeit bedient werden, damit deren Funktionen erfüllt werden. Dies hilft insbesondere bei der Kontrolle der Justiz. Darüber hinaus schafft das Internet informationelle Gleichberechtigung. Durch eine digitale Gerichtsöffentlichkeit können viele in der analogen Welt bestehende Barrieren abgebaut und Inklusion geschaffen werden. Eine bloße digitale Übertragung der Gerichtsverhandlung schafft allerdings noch keine weitergehende Transparenz. Lediglich der potentielle Publikumskreis wird erweitert. Erst durch die zusätzliche Komponente der Veröffentlichung von verfahrensrelevanten Informationen erhält der Zuschauer einen weitergehenden Eindruck von der Verhandlung, so dass er sich ein entsprechendes Bild machen kann. Wird die digitale Öffentlichkeit um diesen Aspekt ergänzt, besteht auf diesem Wege erstmalig die Möglichkeit, eine bisher nie dagewesenen Form von Transparenz zu schaffen. Unter Transparenzgesichtspunkten, aber auch hinsichtlich der Schaffung von Barrierefreiheit, ist diese Form der Gerichtsöffentlichkeit den bestehenden Öffentlichkeitsformen vorzuziehen. Gleichzeitig kann durch die auf diesem Wege hergestellte informationelle Gleichstellung der Bevölkerung auch eine Verbesserung von Akzeptanz und Vertrauen gegenüber den Gerichten und damit auch in den gesamten Staatsapparat erreicht werden. Zudem erlaubt die Veröffentlichung vieler Entscheidungen eine wissenschaftliche Breitenanalyse, die sich auch in neuen Geschäftsmodellen für die Verbesserung der Rechtsverteidigung oder in anderen Geschäftszweigen niederschlagen können. Dies kann zu mehr Gerechtigkeit führen. Die digitale Gerichtsöffentlichkeit erlaubt es ferner Pressevertretern, mit weniger Aufwand mehr Entscheidungen zu rezipieren und anhand entsprechender Auswertungen Mängel in der Gesetzgebung leichter zu identifizieren. Kritisch ist allerdings anzumerken, dass auch die digitale Gerichtsöffentlichkeit mittelbar kostenpflichtig ist, da die hierfür erforderlichen Emp-



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fangsgeräte sowie der Internetzugang Kosten verursachen. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Großteil der Bürger inzwischen über entsprechende Endgeräte verfügt und Flatrateverträge für den Internetzugang üblich sind. Durch die Anonymität des digital anwesenden Zuschauerkreises werden Richter, die bisher die Prozessordnungen als unverbindliche Leitlinien eines Verfahrens angesehen haben, sich gegebenenfalls wieder in stärkerem Maße ihrer Bindung an Recht und Gesetz besinnen. Zudem ist davon auszugehen, dass Justizangehörige genauso wie Rechtsanwälte durch einen größeren Zuschauerkreis sich ausnahmslos (besser) auf Gerichtsverfahren vorbereiten würden. Dies könnte zudem die Effizienz der Verhandlungsführung vor Gericht verbessern. Dass ein solches, weitergehendes Verständnis von Transparenz gerichtlicher Verfahren dem Selbstverständnis der Justiz nicht entgegensteht, zeigt der Blick auf die europäischen und internationalen Gerichte, die bereits heute ein stärkeres Maß an Öffentlichkeitsgewähr als deutsche Gerichte bieten. Die nationalen Gerichte sollten hier auch deshalb nicht zurückstehen, weil sich infolge der Europäisierung der Rechtsentwicklung ohnehin verstärkt grenzüberschreitende Instanzenzüge ergeben. Auch auf die Verfahrensbeteiligten wird diese Form der Öffentlichkeit Einfluss haben. Dies ist bei der Gestaltung von digitaler Gerichtsöffentlichkeit zu berücksichtigen. Die einzelnen Auswirkungen sind jedoch derzeit noch nicht absehbar; daher sollte im Rahmen einer entsprechenden Pilotierung mit Begleitforschung das Verhalten von Verfahrensbeteiligten im Rahmen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit ausgewertet werden. Vorliegend wird lediglich die Vermutung aufgestellt, dass die digitale Gerichtsöffentlichkeit in Zivilprozessen die Vergleichsbereitschaft von Verfahrensbeteiligten erhöht. Dies jedenfalls, wenn erst die Hauptverhandlung öffentlich zugänglich gemacht wird, während dies für Güteverhandlungen anders als bisher in der Praxis nicht der Fall ist. Darüber hinaus scheitern manche Vergleiche aufgrund einer verhältnismäßig geringen Divergenz der Auffassungen. Es kann sein, dass sich der Handlungsspielraum von wirtschaftlich denkenden Menschen vor einer größeren Öffentlichkeit verschiebt. Dies wäre aber ein vorliegend nicht originär bezweckter Nebeneffekt.

IV. Rechtsgrundlage der digitalen Gerichtsöffentlichkeit Sowohl das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip aus dem Rechtsstaats- sowie Demokratieprinzip189 als auch das einfachgesetzlich normierte Öffentlichkeitsprinzip aus § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG sind als entwicklungs­ 189  Vgl.

Kapitel 1 A. III. 3. b) aa), bb).

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offen anzusehen. Daher bedürfen beide einer näheren Betrachtung, inwieweit sich die digitale Gerichtsöffentlichkeit auf diese Vorgaben stützen kann. 1. Verankerung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit im Grundgesetz Für staatliches Handeln gilt das verfassungsrechtliche allgemeine Öffentlichkeitsprinzip190 Dieses leitet sich unmittelbar aus dem Rechtsstaats- sowie Demokratieprinzip ab. Das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip stützt eine materielle Öffentlichkeitsgewähr. Mit Bezug auf dieses Prinzip hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahre 1997 entschieden, dass dem Bürger unmittelbar auf Grundlage des Rechtstaats- und des Demokratieprinzips ein Anspruch auf Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen zusteht.191 Dieser Anspruch ist zudem voraussetzungsfrei.192 Die hierdurch zum Ausdruck kommende „Expansion grundrechtlicher Gehalte“ bzw. staatsstruktureller Erwägungen in das einfache Recht und die damit verbundene „materielle Konstitutionalisierung“ der Rechtsordnung kann kritisch gesehen werden.193 Die dogmatisch geschaffene Ubiquität materieller Verfassungsgehalte hat in den letzten Jahrzehnten in Deutschland erheblich zugenommen und wirft damit neue Fragen insbesondere mit Blick auf die formellen Folgen der Konstitutionalisierung auf.194 Die im Rahmen dieser Entwicklung erfolgte Umwandlung der in der Verfassung enthaltenen Grundsätze zur „Grundordnung des Gemeinwesens“195 prägt zwar immer mehr das Recht, dennoch bleibt zu beachten, dass die Steuerungskraft der Staatsstrukturprinzipien und der Grundrechte eine unmittelbare aktive Handlungspflicht nicht gewähren können. Vielmehr bieten sie nach der Alexy’schen Spielraumdogmatik einen mehrgliedrigen komplexen „Rahmen“, in dem der Gesetzgeber handeln kann bzw. sogar muss.196 Daher verbietet sich ein Rückschluss aus dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip auf die unmittelbaren Modalitäten der Öffentlichkeit in staatlichen Verfahren.197 Der Gesetzgeber ist in der Ausgestaltung der Verfahrensöffentlichkeit bei der Mittelwahl grundsätzlich frei. Er kann daher im 190  Kapitel 1

A. III. 3. b) aa). NJW 1997, 2694, 2695. 192  BGH NJW 2017, 1819. 193  Alexy, in: VVDStV, Band 61 (2002), S. 10, 12. 194  Alexy, in: VVDStV, Band 61 (2002), S. 9; vgl. hierzu auch Ossenbühl, in: Stödter / Thieme (Hrsg.), FS Ipsen, S. 137 ff.; Schumann, Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde gegen richterliche Entscheidungen, S. 196 ff., 206 ff. 195  Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S. 198. 196  Alexy, in: VVDStV, Band 61 (2002), S. 13 f. 197  BVerfGE 103, 44, 64. 191  BVerwG



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Rahmen198 der bestehenden verfassungsrechtlichen Schranken die Öffentlichkeit verhältnismäßig öffnen sowie weiter begrenzen. Jedoch darf er keine Einschränkungen vornehmen, die den Öffentlichkeitsgrundsatz als solchen konterkarieren würden.199 2. Einbeziehung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit in § 169 GVG200 Die aus dem Jahre 1879201 stammende einfachgesetzliche Regelung der Gerichtsöffentlichkeit für den ordentlichen Rechtsweg in § 169 [Abs. 1 Satz 1] GVG schweigt zum Einsatz der Informationstechnologie. Die bereits bei der Entstehung der Norm intendierte Öffnung von Gerichtsverfahren für Zuschauer sollte das lange Zeit stattfindende heimliche Gerichtsverfahren abschaffen und Verfahrensunbeteiligten, insbesondere zum Schutze der Verfahrensbeteiligten, Zugang zu Gerichtsverhandlungen gewähren. Ursprünglich regelte diese Vorschrift somit nur die Saalöffentlichkeit. Durch die technischen Errungenschaften in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde der unbestimmte öffentlichkeitsermöglichende Wortlaut der Norm auch genutzt, um die technischen Neuerungen in die Verhandlung einzubeziehen und hierdurch die Verhandlung auch für Personen außerhalb des Gerichtssaals rezipierbar zu machen. Wenn bis dahin Pressevertretern eine freie Berichterstattung aus dem Gericht erlaubt war, wurde die anerkannte Medienöffentlichkeit nunmehr um Bild- und Tonaufnahmen erweitert. Als in Deutschland 1949 das Grundgesetz in Kraft trat, wurde die Presse- und Rundfunkfreiheit auch grundrechtlich garantiert. Die Einbindung des technischen Wandels in das Öffentlichkeitsverständnis wurde vielfach kritisiert, entsprach aber auch der Auffassung einiger Gerichte.202 Spätestens im Jahre 1964 wurde die Existenz der Medienöffentlichkeit durch den Gesetzgeber indirekt bestätigt, als dieser die Übertragung der Verhandlungsinhalte in Bild und Ton verboten hat. Daher wird § 169 GVG eine Öffentlichkeitsgewähr in Form der Saal- und Medienöffentlichkeit bei Gerichtsverfahren des ordentlichen Rechtsweges zugeschrieben.

198  Die Rahmenbeschreibung greift auf das von Alexy, in: VVDStV, Band 61 (2002), S. 14 vermittelte Rahmenordnungsverständnis zurück. 199  Zimmermann, in: Krüger / Rauscher (Hrsg.), MüKo ZPO, Band 3, § 169 GVG Rn. 4. 200  Es wird exemplarisch auf § 169 GVG Bezug genommen, dabei sind auch die Regelungen § 52 Satz 1 ArbGG mitgedacht. 201  RGBl. 1877, 41, 72. 202  Arndt, in: Die neue Gesellschaft, 1956, S. 338, 338 f.

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Nunmehr stellt sich die Frage, ob die dichotome digitale Gerichtsöffentlichkeit ebenfalls vom Wortlaut des § 169 GVG getragen wird.203 Hierbei ist zwischen der Veröffentlichung der öffentlichkeitsrelevanten Verfahrensdokumente und der Übertragung der Verhandlung in Bild und Ton über das Internet zu unterscheiden. a) Die Veröffentlichung verfahrensbezogener Dokumente Heute wie damals ermöglichen die technischen Neuerungen eine Erweiterung bzw. Ergänzung der bisherigen Öffentlichkeitsformen. Da § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG lediglich die Öffentlichkeit von Verhandlungen und der Verkündung von Urteilen und Beschlüssen erfasst, kann man dem Wortlaut nicht entnehmen, dass eine Veröffentlichungspflicht weiterer gerichtlicher Dokumente besteht.204 Die Vorschrift hindert die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen durch ein Gericht aber auch nicht. Vielmehr wird das Veröffentlichungserfordernis entsprechender Entscheidungen bereits heute aus dem Öffentlichkeitsprinzip der Verfassung hergeleitet.205 Einer Veröffentlichung der Gerichtsakten steht § 169 GVG ebenfalls nicht im Wege. Lediglich § 299 ZPO bzw. § 475 StPO206 könnten als Hürde dieser Form der Öffentlichkeitsgewähr gewertet werden, da es für eine Akteneinsicht nach bisheriger Gesetzeslage eines in der Praxis restriktiv ausgelegten rechtlichen Inte­ resses bedarf. Allerdings ist es Pressevertretern als Teil der Medienöffentlichkeit erlaubt, über die landespressegesetzlichen Auskunftsansprüche Einsicht in die Gerichtsakten zu nehmen und deren Inhalte entsprechend den presserechtlichen Vorgaben zu publizieren. Mithin bedarf es für die Einführung dieses Elements der digitalen Gerichts­ öffentlichkeit der Schaffung einer neuen einfachgesetzlichen Grundlage. b) Die digitale Übertragung der öffentlichen mündlichen Verhandlung in Ton und Bild Eine digitale Übertragung der öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung von Urteilen und Beschlüssen in Bild und Ton über das Internet durch das Gericht könnte aufgrund des unbestimmten Wortlauts des § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG grundsätzlich gestattet sein. Allerdings verbietet § 169 203  Zum „Wandel der Normsituation“ Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  350 ff. 204  Vgl. Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 84 f. 205  BVerwG NJW 1997, 2694, 2694 f. m. w. N. Auch der BGH bejaht inzwischen die Veröffentlichungspflicht, BGH NJW 2017, 1819, 1819 f. 206  Sowie weitere Regelungen in anderen Rechtswegen.



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Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich ein solches Vorgehen. Die zeitgerechte Neuregelung dieses Verbots wird vorliegend als erforderlich angesehen.207 Daher wird diese Regelung im Folgenden kurz ausgeblendet, während die Frage behandelt wird, ob auch § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG einer Reformierung bedürfte oder Bild- und Tonübertragungen der Verhandlungen durch die Gerichte als Teil der digitalen Gerichtsöffentlichkeit basierend auf einer (verfassungskonformen) Auslegung gestattet wären, wenn Satz 2 aufgehoben bzw. abgeändert würde. Nach den anerkannten Auslegungsmethoden ist eine Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit auf Grundlage des § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG denkbar; dies ist jedoch nicht zwingend. Technische Neuerungen wie das Internet können die Wirkweise von bestehenden Normen verändern und einen weitreichenden Anpassungsbedarf vieler Gesetze bewirken, in deren Wirkungskreis sie fallen.208 Vielfach reicht damit bereits eine andere Auslegung bestehender Normen, um sie in neuen Kontexten fruchtbar zu machen. Einer entsprechenden Auslegung der Norm könnte jedoch der Parlamentsvorbehalt Einhalt gebieten. Es gibt nämlich auch gute Argumente dafür, dass die digitale Gerichtsöffentlichkeit nicht auf der Grundlage der bisherigen Gesetzesfassung eingeführt werden soll, sondern nach einem parlamentarischen Willensbildungsprozess erst eine dezidierte gesetzliche Grundlage erhält. 3. Parlamentsvorbehalt, Klarstellungsfunktion und Konkretisierungsgebot a) Parlamentarische Entscheidungshoheit aufgrund Parlamentsvorbehalts und Wesentlichkeitstheorie Hierbei stellt sich die Frage, wie weitreichend es einer schriftlich fixierten Vorgabe der Öffentlichkeitsgewähr durch den Gesetzgeber bedarf. Die Reichweite der normativen Konkretisierung bestimmt sich nach dem Verständnis des Parlamentsvorbehalts. Der Parlamentsvorbehalt besagt, dass eine parlamentarische Entscheidung für das Staatshandeln erforderlich ist, soweit eine (besondere) demokratische Legitimation notwendig ist. Solche „wesentlichen“ Entscheidungen hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Gesetzgeber eigenständig vorzunehmen. Als „wesentliche“ Entscheidungen sind solche zu verstehen, die grundrechtsrelevant oder – im Duktus des Bundesverfassungsgerichts – „wesentlich für die Verwirklichung 207  Vgl.

zum Neufassungsvorschlag: Kapitel 5 C. I. 1. Die digitale Identität, S. 87.

208  Hornung,

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der Grundrechte“ sind (sog. Wesentlichkeitstheorie).209 „Als wesentlich sind also Regelungen zu verstehen, die für die Verwirklichung von Grundrechten erhebliche Bedeutung haben [BVerfGE 95, 267 (308)] und sie besonders intensiv betreffen [vgl. BVerfGE 58, 257 (274)]. Die Tatsache, dass eine Frage politisch umstritten ist, führt dagegen für sich genommen nicht dazu, dass diese als wesentlich verstanden werden müsste [vgl. BVerfGE 49, 89 (126); 98, 218 (251); 108, 282 (312)].“210 Der Parlamentsvorbehalt wird aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip hergeleitet. Er verpflichtet „den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen [vgl. BVerfGE 49, 89 (126); 61, 260 (275); 83, 130 (142); 108, 282 (311); stRspr]“.211 Die parlamentarische Entscheidungsfindung darf auch nicht der Judikative vollständig überlassen werden. Diese darf lediglich Gesetze entsprechend dem Willen des Gesetzgebers interpretieren. Über die wesentlichen Grundsätze des staatlichen Handelns muss sich der Gesetzgeber daher „im Wesentlichen“ eigenständig Gedanken machen. Der Verwaltung verbleibt die Ausgestaltung der Details. b) Digitale Gerichtsöffentlichkeit als Paradigmenwechsel  – Das Erfordernis einer (neuen) Rechtsgrundlage für die digitale Gerichtsöffentlichkeit Da sich § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht eindeutig entnehmen lässt, dass die Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit auf digitalem Wege mittels einer Bild- und Tonübertragung erfolgen darf, stellt sich die Frage, ob die Einführung einer obligatorischen digitalen Gerichtsöffentlichkeit der Schaffung einer entsprechenden eindeutigen rechtlichen Grundlage bedarf oder ob eine inhaltlich präzisierende Auslegung der bestehenden Vorschriften ausreicht. Wäre letzteres der Fall, könnte die Justiz nach selbst geschaffenen Kriterien die Öffentlichkeitsgewähr gestalten. Dies wiederum würde potentiell zu einer Vielzahl von Öffentlichkeitsausgestaltungen innerhalb Deutschlands führen. Das Erfordernis einer Gesetzesänderung wäre hingegen zu bejahen, wenn die Übertragung von Bild- und Tonaufnahmen aus der mündlichen Verhandlung einen erheblichen Grundrechtseingriff bei den (Verfahrens-)Beteiligten darstellen würde und die derzeitige Fassung des § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG keine dafür ausreichende gesetzliche Schrankenbestimmung wäre. Für die 209  BVerfGE 139, 19, 45; BVerfGE 47, 46, 78 m. w. N.; BVerfGE 98, 218, 251 m. w. N. 210  BVerfGE 139, 19, 45 f. 211  BVerfGE 139, 19, 45.



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Frage, ob der Parlamentsvorbehalt für die Ermöglichung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit in Form der Übertragung der öffentlichen mündlichen Verhandlung in Bild und Ton einschlägig ist, muss nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts nämlich überprüft werden, wie grundrechtsrelevant diese Form der Öffentlichkeitsgewähr für die Verfahrensbeteiligten ist. Es ist mithin von Bedeutung, welche verfassungsrechtlichen Wertungen sich hier vor allem aus den Grundrechten ergeben. Auf den ersten Blick könnte die Wesentlichkeit für die Grundrechtsverwirklichung abgelehnt werden, da nur eine technische Abbildung der bereits bestehenden Saalöffentlichkeit im virtuellen Raum erfolgt. Bereits heute ist die Öffentlichkeitsvorgabe von gewisser Grundrechtsrelevanz, da Zuschauer auf diesem Wege auch mittelbar ursprünglich vertrauliche Inhalte erfahren, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt. Dies beruht insbesondere darauf, dass Zeugen gesetzlich zur Aussage vor Gericht und der Wahrheit verpflichtet sind. Das Vorliegen einer Grundrechtsrelevanz für sich alleine genügt für die Bejahung des Parlamentvorbehalts allerdings noch nicht. Es muss ergänzend noch eine Gewichtung hinzukommen, die die zu regelnde Materie originär dem Parlament zuweist. In Betracht kommt vorliegend die Bemessung der Intensität des Grundrechtseingriffs. Der informationstechnisch erzeugte Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung der informationellen Selbstbestimmung sowie des Rechts am eigenen Wort und Bild ist unabhängig von der konkreten technischen Gestaltung von erheblicher Intensität, da die Betroffenen einem potentiell unbegrenzten Personenkreis vor Augen geführt werden und daher nicht wissen, wer die Übertragung der Verhandlung rezipiert, an der sie mitwirken.212 Deshalb kann von einer wesentlichen Entscheidung gesprochen werden, für die eine entsprechende Ermächtigung geschaffen werden muss. Das Bundesverfassungsgericht hat ferner festgestellt, dass der parlamentarische Gesetzgeber eine Pflicht zum Tätigwerden „insbesondere in mehrdimensionalen, komplexen Grundrechtskonstellationen [hat], in denen miteinander konkurrierende Freiheitsrechte aufeinander treffen und deren jeweilige Grenzen fließend und nur schwer auszumachen sind [vgl. BVerfGE 108, 282 (311)]“.213 Komplexe Wertungsfragen stellen sich aber nicht nur bei reinen Grundrechtsbeziehungen, sondern auch im Kontext mit Staatsstrukturprinzi­ pien.214 Daher ist die Wesentlichkeit ebenfalls zu bejahen, wenn Staatsstrukturprinzipien mit Grundrechten kollidieren oder deren Gewährleistungsgehalt als verfassungsimmanente Schranken konkretisieren. Auch dies ist hier der 212  Vgl.

Kapitel 5 B. III. 2. 139, 19, 46. Zur Primärkompetenz des Gesetzgebers zur Kollisionslösung bei Grundrechten vgl. umfassend Bethge, HGR, Band III, § 72 Rn. 61 ff. 214  Vgl. Kapitel 5 B. I. / II. 213  BVerfGE

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Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

Fall. Vorliegend enthält das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip die Wertung, dass staatliches Handeln öffentlich stattfinden muss.215 Diese Öffentlichkeitsgewähr mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und anderen Freiheitsrechten abzuwägen, ist Aufgabe des parlamentarischen Gesetzgebers. Wegen der Komplexität der Wertungsfragen216 genügt eine Auslegung des § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht, die digitale Gerichtsöffentlichkeit einführen zu dürfen. „Denn nach der Verfassung sind die Einschränkung von grundrechtlichen Freiheiten und der Ausgleich zwischen kollidierenden Grundrechten [sowie Staatsstrukturprinzipien] dem Parlament vorbehalten, um zu gewährleisten, dass Entscheidungen von solcher Tragweite aus einem Verfahren hervorgehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten, und die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären [vgl. BVerfGE 85, 386 (403 f.); 108, 282 (312)].“217 Die ursprüngliche Wertung des § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG, dass eine Verhandlung öffentlich stattzufinden hat, deckt eine Digitalisierung der Öffentlichkeit nicht, da der damalige Gesetzgeber lediglich die Verhältnisse vorausgesetzt hat, die er vorgefunden hat. Die Digitalisierung war damals noch nicht absehbar und die digitale Transformation stellt daher ein disruptives Element und keine vom gesetzgeberischen Willen umfasste, gewöhnliche öffentlichkeitsbezogene Weiterentwicklung dar. Vielmehr bedarf es einer neuen gesetzgeberischen Entscheidung, die einer vorangehenden akzeptanzstiftenden Parlamentsdebatte bedarf. Würde keine einheitliche Regelung aufgrund einer parlamentarischen Entscheidung geschaffen, bestünde darüber hinaus das Risiko des Auseinanderdriftens der Öffentlichkeitsgewähr gerichtlicher Verfahren in Deutschland. Gerade das Gerichtsverfassungsgesetz will demgegenüber auch in einer föderalen Struktur einheitliche Verfahrensvoraussetzungen festschreiben, von denen nur in dem dort vorgesehenen Umfang abgewichen werden kann. Deshalb ist auch die länderübergreifende Gleichbehandlung von Verfahrensbeteiligten bei Gericht in diesem Kontext von Bedeutung. Grundsätzlich ist der Staat bei der Umsetzung seiner Handlungspflichten, d. h. auch bei der Herstellung von Öffentlichkeit, frei. Aufgrund der Einzigartigkeit des Mediums Internet und der bereits bestehenden partiellen Nutzung dessen durch staatliche Einrichtungen ist eine Einbindung des Internets zur justizgeleiteten Erweiterung der Öffentlichkeit und deren transparenteren 215  Vgl.

Kapitel 1 A. III. 3. b) aa), bb). BVerfGE 139, 19, 46; BVerfGE 108, 282, 311; BVerfGE 83, 130, 142. 217  BVerfGE 139, 19, 46. 216  Vgl.



D. Digitalisierung und Gerichtsöffentlichkeit309

Gestaltung allerdings zumindest politisch zu diskutieren.218 Die jüngsten Gesetzesänderungen des § 169 GVG durch das EMÖGG stellen auch keine entsprechende Wertentscheidung dar. Zwar hat der Gesetzgeber das generelle Übertragungsverbot über § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG aufrechterhalten, welches insbesondere die klassische Medienöffentlichkeit in ihre Schranken weist. Allerdings hat der Gesetzgeber, wie aus den Gesetzgebungsunterlagen ersichtlich wird, die technischen Möglichkeiten, die das Internet bietet, auch im Lichte des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzips nicht hinreichend gewürdigt und eine hierüber von der Justiz gesteuerte Öffentlichkeitsherstellung überhaupt nicht in Betracht gezogen.219 c) Klarstellungsfunktion und Konkretisierungsgebot Ein Gesetz, welches die Digitalisierung erlaubt, besitzt eine Klarstellungsfunktion hinsichtlich der Art und Weise der Öffentlichkeitsgewähr. Allerdings besagt der Parlamentsvorbehalt auch, dass eine Neukonturierung der Öffentlichkeit nicht alleine aus der Verfassung abgeleitet werden kann, sondern eines aktiven parlamentarischen Prozesses bedarf, zumal auch die Gestaltung in verschiedener Hinsicht die Verfassungskonformität der digitalen Öffentlichkeit bestimmt. Selbst wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Einbeziehung des Internets in die Ermöglichung von öffentlichen Verfahren hinsichtlich des „Ob“ in der Verfassung angelegt sein sollte, muss der Gesetzgeber dies auch vor dem Hintergrund der Gestaltungsprärogative ausdrücklich bestätigen. Darüber hinaus hat er die wesentlichen Vorgaben des „Wie“ der Übertragung der Verhandlung in Bild und Ton vorzunehmen. Der Konkretisierungsgrad entsprechender Vorgaben wird durch den rechtsstaatlichen Grundsatz der Bestimmtheit geprägt. Dieser steht in engem Zusammenhang mit dem Gebot der Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns. Das Vorausdenken der Gestaltung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit ist von Bedeutung, da die Digitalisierung unendliche Darstellungsoptionen ermöglicht, die zu programmieren sind, bevor eine entsprechende Software eingesetzt wird. Solche technischen Gestaltungsprozesse sind teilweise langwierig. Alle Entscheidungen, die der Richter heute mit Fingerspitzengefühl 218  Vgl. Lerche, in: Burgmeister (Hrsg.), FS Stern, S. 206, manche Verfassungsaussagen beinhalten ein gesetzgeberisches Optimierungsgebot, danach muss nicht zwingend ein Umsetzungsideal geschaffen werden, aber es besteht zumindest die „Verpflichtung des Gesetzgebers, sich in vorgegebener Richtung ‚nach besten Kräften‘ zu bemühen“. 219  Vgl. http: /  / dipbt.bundestag.de / extrakt / ba / WP18 / 764 / 76490.html.

310

Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

spontan trifft, bedürfen bei der technischen Umsetzung der vorherigen systemischen Abbildung. Das Konkretisierungsgebot parlamentarischer Entscheidungen reicht jedoch nicht so weit, dass alle Konfigurationen der IT-Systeme gesetzlich zu bestimmen sind. Stattdessen wäre lediglich die Vorgabe der Leitlinien erforderlich.220 Damit diese entsprechend dem parlamentarischen Willen durchgesetzt werden, bedarf es einer nachvollziehbaren Vorgabe, die auch der gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. „Die parlamentarische Leitentscheidung ist an den rechtsstaatlichen Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen.“221 Alle über diese Leitentscheidungen hinausgehenden Gestaltungsregelungen könnten der Exekutive überlassen werden, welche Näheres durch Rechtsverordnungen regeln oder im Rahmen der Verwaltungs- bzw. hier der Justizpraxis bestimmen kann. „Das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage bei Delegation einer Entscheidung auf den Verordnungsgeber stellt insoweit eine notwendige Ergänzung und Konkretisierung des Gesetzesvorbehalts und des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dar [BVerfGE 7, 282 (302 f.); 41, 251 (265 f.); 48, 210 (221 ff.); 56, 1 (13); 58, 257 (278)].“222 „Die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm muss der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird: Je erheblicher diese in die Rechtsstellung des Betroffenen eingreift, desto höhere Anforderungen müssen an den Bestimmtheitsgrad der Ermächtigung gestellt werden [vgl. BVerfGE 56, 1 (13); 58, 257 (278); 62, 203 (210)]. Eine Ermächtigung darf daher nicht so unbestimmt sein, dass nicht mehr vorausgesehen werden kann, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können [BVerfGE 7, 282, (302 f.); 19, 354 (361); 55, 207 (225 f.)]. Schon aus der Ermächtigung muss daher erkennbar und vorhersehbar sein, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll [BVerfGE 113, 167, (269)].“223 Die Einzelheiten der Übertragung u. a. hinsichtlich der Ausgestaltung eines Justizportals darf der Gesetzgeber daher mittels einer Verordnungsermächtigung der Exekutive überlassen. Die Rechtsprechung darf anschließend ledig220  Vgl. BVerfGE 139, 19, 47; BVerfGE 83, 130, 142, 152. Allerdings muss die Regelung so bestimmt wie möglich „nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck“ gefasst werden, BVerfGE 102, 254, 337; vgl. auch BVerfGE 58, 257, 277 f. 221  BVerfGE 139, 19, 47. 222  BVerfGE 139, 19, 47. 223  BVerfGE 139, 19, 47.



D. Digitalisierung und Gerichtsöffentlichkeit311

lich für den Einzelfall bestimmte Wertentscheidungen eigenständig treffen, d. h. darüber entscheiden, inwieweit die gesetzlichen Vorgaben auf vorgebrachte Fälle anwendbar oder eben nicht anwendbar sind. 4. Gestaltungskompetenz für die Gerichtsöffentlichkeit Wie bereits aufgezeigt, besteht ein gesetzgeberischer Gestaltungsbedarf.224 Die Gesetzgebungskompetenz für die Einführung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit, dies bedeutet die Normierungskompetenz zur Einführung einer Veröffentlichung der öffentlichkeitsrelevanten Verfahrensdokumente und zur Einführung einer Bild- und Tonübertragung der öffentlichen Verhandlung durch die Gerichte, ist konkurrierender Natur, Art. 74, 72 GG. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG nennt ausdrücklich das Gebiet der Gerichtsverfassung. Sowohl eine Regelung zur Veröffentlichung der Verfahrensunterlagen als auch eine Regelung zur Art und Weise der Öffentlichkeitsgewähr kann im GVG verortet werden.225 Sollte eine Regelung in den entsprechenden Prozessordnungen (ZPO, StPO) aufgenommen werden, würde dies ebenfalls von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG umfasst („das gerichtliche Verfahren“). Mithin ist ein Tätigwerden durch den Bund grundsätzlich möglich, Art. 72 Abs. 1, 74 GG. Das Handeln des Bundes ist nach Art. 72 Abs. 2 GG gerechtfertigt, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechtseinheit oder die Wahrung der Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich macht. Überließe man die Regulierung der Prozess- und Verfahrensregelungen den Ländern, würde dies auch im Hinblick auf öffentlichkeitsbezogene Regelungen zu einer nicht hinnehmbaren Rechtszersplitterung führen.226 Zudem hat der Bundesgesetzgeber die öffentlichkeitsbezogenen Regelungen in §§ 169 ff. GVG bereits weitreichend normiert, so dass die Modifikation entsprechender Regelungen ebenfalls durch ihn möglich sein muss.

V. Menschliche vs. technische Kontrolle Technische Innovationen werfen auch die Frage auf, inwieweit mensch­ liches Handeln durch Technik ersetzt werden kann oder darf. So könnte die Informationstechnologie nicht nur neue Formen der Öffentlichkeit gewähren, sondern in einem gewissen Rahmen auch zugleich so manche Funktion erfül224  Zur

konkreten Formulierung einer solchen Vorgabe vgl. Kapitel 5 C. I. hierzu ausführlich Kapitel 5 C. I. 1. und 2. 226  Vgl. BVerfGE 106, 62, 145 f. 225  Vgl.

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Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

len, die mit der Herstellung von (digitaler) Öffentlichkeit gewährleistet werden soll. Überspitzt formuliert: Würde es gelingen, mittels künstlicher Intelligenz richterliche Entscheidungen (die ohnehin in den neuen E-Justice-­ Systemen digitalisiert sind) automatisiert auf Rechtskonformität (oder sogar Gerechtigkeit) zu prüfen, entfiele dann auch der Rechtfertigungsgrund zur Herstellung von Öffentlichkeit im Hinblick auf deren Kontrollfunktion?227 So denkbar dieses Szenario in der Zukunft sein mag, derzeit würde man die Leistungsfähigkeit von künstlicher Intelligenz überschreiten. Letztlich würde sich selbst dann aber die Pflicht zur Herstellung von Öffentlichkeit in diesem Fall vorverlagern – nämlich zur Veröffentlichung der Algorithmen, die zu automatisierten Entscheidungen führen.228 Die Öffentlichkeit, d. h. die menschliche Bevölkerung bleibt allerdings auch in Zeiten der Digitalisierung sämtlicher Prozesse, bei der immer mehr Aufgaben Maschinen übertragen oder Entscheidungen auf menschlich kaum mehr nachprüfbare informationstechnische Datenauswertungen gestützt werden, die beste Kontrollinstanz zur Wahrung rechtsstaatlicher Demokratie. Dies beruht grundlegend auch auf der Wertung des Grundgesetzes, das das Volk zum Souverän erklärt hat, Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG. Darüber hinaus ist rechtsstaatliches Handeln immer auch von einer Vielzahl von Vorschriften und staatlicher Verhaltensweisen abhängig, welche nicht ausschließlich durch zwingendes Recht vorgegeben sind, sondern häufig durch eine Abwägung zu erfolgen hat. Diese komplexe Leistung kann bisher nur der menschliche Richter und keine Maschine leisten, geschweige denn überprüfen.

VI. Ausschluss der (digitalen) Gerichtsöffentlichkeit am Maßstab staatlicher Partizipation Bei einer Neuordnung der Gerichtsöffentlichkeit im Zuge der Digitalisierung kann auch der derzeitige Ausschluss der Öffentlichkeit – sei es hinsichtlich des vollständigen Ausschlusses oder bei einer partiellen Entfernung der Öffentlichkeit – dahingehend angepasst werden, dass nicht mehr ein durchgehender Öffentlichkeitsausschluss, sei es auf Antrag oder von Amts wegen, in einem Rechtsgebiet fixiert wird. Vielmehr sollte der Grundsatz der Gerichtsöffentlichkeit danach ausgerichtet werden, wieviel staatliche Partizipation im Rahmen des Verfahrens besteht. Erst in einem zweiten Schritt dürfen die für einen Öffentlichkeitsausschluss sprechenden Interessen beachtet wer227  Im Gegenteil ist natürlich auch die Frage zu stellen, inwieweit LegaltechSysteme wie modria u. a.m. einer Kontrolle durch die Öffentlichkeit bedürfen. 228  Zur Algorithmentransparenz und Diskriminierungsgefahren bei algorithmischen Klassifikationen von Informationen vgl. Schaar, in: Dix u.a. (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht, S. 23 ff.



D. Digitalisierung und Gerichtsöffentlichkeit313

den und nach richterlichem Ermessen ein solcher zugelassen werden. Nur so kann insbesondere der Kontrollfunktion von Öffentlichkeit hinreichend Rechnung getragen werden. 1. Gerichtsverfahren mit staatlicher Beteiligung Bei gerichtlichen Verfahren, die ein hohes Maß staatlicher Partizipation besitzen, wie dies beispielsweise im Rahmen des Verwaltungs- oder ordentlichen Rechtswegs im Bereich der Strafrechtspflege zu bejahen ist, müssen umso gewichtigere Gründe für einen Öffentlichkeitsausschluss sprechen, als dies bei Verfahren unter Privatpersonen der Fall ist. Die bisher bestehenden Ausnahmen vom Grundsatz der Gerichtsöffentlichkeit behalten auch bei der digitalen Öffentlichkeit grundsätzlich ihre Daseinsberechtigung229; allerdings können auch mildere technische Maßnahmen einen vollständigen Öffentlichkeitsausschluss verhindern. So bietet die digitale Öffentlichkeit beispielsweise die Möglichkeit, Personen unkenntlich zu machen, so dass diese genauso geschützt wären, als ob die Öffentlichkeit gänzlich ausgeschlossen wäre. Die Öffentlichkeit dient nämlich immer auch dem Schutze des Einzelnen. Aus diesem Grund müsste § 52 Abs. 2 FGO dahingehend reformiert werden, dass ein Öffentlichkeitsausschluss insbesondere bei Entscheidungen vor dem BFH im Ermessen des Gerichts steht. Insbesondere, wenn diese Verfahren von weitreichender Bedeutung sind, kann das öffentliche Interesse gegenüber dem zu schützenden Steuergeheimnis überwiegen.230 Ein vollständiger Ausschluss der Öffentlichkeit bei Familiensachen, insbesondere nach einer Inobhutnahme von Kindern und der daran anschließenden Entziehung des Aufenthaltsbestimmungs- oder Sorgerechts der Eltern, kann aufgrund des weitreichenden staatlichen Eingriffs in das Leben seiner Bürger nicht geboten sein. Hier könnte die Öffentlichkeit sowohl die Justiz kontrollieren und dabei die Rechte betroffener Eltern aber auch Kinder stärken, als auch bei hinreichender Evidenz das Vertrauen in das rechtsstaatliche Handeln der Justiz stärken. Der grundsätzliche Ausschluss der Öffentlichkeit bei Unterbringungssachen muss ebenfalls überdacht wer229  Lediglich die Anwendung des Öffentlichkeitsausschlusses aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, der ursprünglich bei Straftaten wie Majestätsbeleidung, Aufruhr und Tumult sowie Hochverrath verhängt wurde (vgl. Savigny, Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, S. 33), ist fraglich, ob dieser Regelung heutzutage noch Bedeutung zukommt. 230  http: /  / www.lto.de / recht / hintergruende / h / finanzgerichte-ausschluss-der-oef fentlichkeit / .

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Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

den.231 In einem solchen Fall liegt ein erheblicher staatlicher Eingriff vor, der ohne die öffentliche Kontrolle ein Missbrauchsrisiko bietet. Stattdessen muss der dem Öffentlichkeitsausschluss zugrundeliegende Schutz der involvierten Personen auf einem anderen Weg ermöglicht werden. Dies ist durch die verschiedenen technischen Möglichkeiten gegeben, die eine digitale Öffentlichkeit bietet. 2. Gerichtsverfahren zwischen Privaten Handelt es sich hingegen um ein Gerichtsverfahren, das sich ausnahmslos mit der Klärung von Streitigkeiten zwischen privaten Parteien befasst, wie dies in der Arbeits- und Zivilgerichtsbarkeit der Fall ist, ist das Bedürfnis nach Gerichtsöffentlichkeit nicht in dem Maße bedeutend, wie bei Verfahren, bei denen eine Verfahrenspartei staatlichen Ursprungs ist.232 Dennoch ist auch hierbei der Grundsatz der öffentlichen Verhandlung anerkannt, da die Gerichte durch ihre Rechtsprechung Gesetze formen können und damit die Entscheidung für jeden Bürger potentiell von Bedeutung ist. Der Grundsatz des Ausschlusses der Öffentlichkeit bei Familiensachen muss zudem zumindest partiell überdacht werden. Sofern beide Parteien die Öffentlichkeit wollen und auch diesbezüglich einwilligungsfähig sind, sollte das Gericht dem nur aus den anderweitig geregelten Ausschlussgründen widersprechen können, vgl. § 171b GVG.233 3. Ausnahmen vom Öffentlichkeitspostulat und Dispositionsbefugnisse Die Ausnahmen des Öffentlichkeitspostulats sind auch im Rahmen einer digitalen Öffentlichkeit zu beachten. Dennoch hat der Richter bei der Interessenabwägung technische Beschränkungsmöglichkeiten in seine Überlegungsgründe mit einzubeziehen. Aus Gründen der Sicherheit für Zeugen käme auch der Ausschluss der Saalöffentlichkeit und die alleinige Zulassung der digitalen Öffentlichkeit in Betracht. Um auch kurzfristig einen Öffent231  Spätestens der Fall Mollath zeigt bestehende Schwachstellen in diesem Verfahren sowie den Einfluss der Öffentlichkeit auf, zuletzt OLG Nürnberg NJW 2013, 2692. 232  Brosius-Gersdorf, VVDStRL Band 74 (2015), S. 204  f. sieht daher entsprechenden Reformbedarf im Rahmen gerichtlicher Verfahren dahingehend, dass Gerichtsverhandlungen auf Wunsch der Parteien auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden können sollen. Vgl. bereits Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 24 III, S. 225. 233  Auf dem 58. Deutschen Juristentag wurde sich sogar dafür ausgesprochen, § 169 [Abs. 1] Satz 2 GVG dahingehend zu ändern, „daß das Gericht bei Zustimmung der Verfahrensbeteiligten Ausnahmen zulassen kann“, NJW 1990, 2991, 2992.



D. Digitalisierung und Gerichtsöffentlichkeit315

lichkeitsausschluss bei Bedarf zu ermöglichen, sollte die digitale Öffentlichkeit durch die Justiz insoweit betrieben werden, dass der die Sitzung leitende Richter eigenständig nach einem entsprechenden Beschluss die digitale Öffentlichkeit ausschließen kann. Der Ausschluss der Öffentlichkeit bei minderjährigen (Opfer-)Zeugen ist gegen deren Willen nicht zulässig, § 171b Abs. 4 GVG. Vor diesem Hintergrund sollte auch § 48 Abs. 1 JGG dahingehend reformiert werden, dass jugendliche Täter i. S. d. § 1 Abs. 2 JGG ebenfalls den Schutz der Öffentlichkeit suchen können.234 Denn auch im Jugendstrafrecht unterscheiden sich die Verurteilungen bundeslandübergreifend teilweise signifikant, so dass es eines entsprechenden öffentlichen Diskurses über bestehende Missstände bedürfte. Ein Öffentlichkeitsausschluss gegen den Willen des Betroffenen ist durchweg als kritisch zu sehen. Bei Minderjährigen kann zwar teilweise deren Einsichtsfähigkeit in Frage gestellt werden und danach ein paternalistisches Handeln des Staates gerechtfertigt sein; allerdings wird bereits heutzutage das Interesse der Öffentlichkeit an einem Jugendstrafprozess, bei dem ein Heranwachsender oder Erwachsener mitangeklagt sind, höher als der Persönlichkeitsschutz des ebenfalls mitangeklagten Jugendlichen gewertet. Diese rechtliche Wertung hat zur Folge, dass entsprechende Verfahren nach § 48 Abs. 3 S. 1 JGG grundsätzlich öffentlich sind. Vorliegend ist jedoch nicht ersichtlich, warum ein Jugendlicher, der sich alleine oder zusammen mit Gleichaltrigen strafbar gemacht hat, schutzbedürftiger sein soll, als dies ein Jugendlicher ist, der zusammen mit einem Heranwachsenden oder Erwachsenen straffällig geworden ist. Diese gesetzgeberische Wertung zeigt auf, dass bereits heutzutage das Öffentlichkeitsbedürfnis dem Jugendschutz teilweise vorgeht. Darüber hinaus ist insbesondere auch der aufoktroyierte Schutz eines Erwachsenen gegen seinen ausdrücklichen Willen, u. a. bei der Unterbringung in einem psychischen Krankenhaus, als kritisch zu sehen. Gerade Personen, denen teilweise die Fähigkeit zur Bildung eines entsprechenden Willens abgesprochen wird, bedürften des größtmöglichen Schutzes durch die Gesellschaft.235 Bei Vorliegen einer digitalen Öffentlichkeit besteht zudem auch kein Risiko einer erheblichen Störung der Ordnung in der Sitzung bei einer öffentlichen Verkündung des Öffentlichkeitsausschlusses, so dass es der Regelung 234  Bisher wird eine Parteidisposition über Zulassung oder Ausschluss der Öffentlichkeit zumindest im Zivilverfahren abgelehnt, Zimmermann, in: Krüger / Rauscher (Hrsg.), MüKo ZPO, Band 3, § 169 GVG Rn. 24, 28. 235  Eine Aufhebung des verpflichtenden Öffentlichkeitsausschlusses in solchen Fällen könnte eine Enttabuisierung psychischer Erkrankungen in der Gesellschaft bewirken.

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Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

des § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG für die digitale Öffentlichkeit nicht weiter bedarf.

E. Gesellschaftlicher Wandel und Öffentlichkeit – ein Fazit I. Informationstechnisch bedingter Wandel bei den Anforderungen an Öffentlichkeit Die Gerichtsöffentlichkeit wird derzeit (noch) faktisch durch die Gegebenheiten vor Ort bestimmt. Durch eine Einbindung des Internets wären diese tatsächlichen Hemmnisse wie Gerichtssaalgröße236 und Verhandlungszeiten als Öffentlichkeitshindernisse nicht mehr von Bedeutung. Damit ist die Informationstechnik einerseits ein Instrument, das die Erweiterung von Öffentlichkeit und Veränderung des kommunikativen Verhaltens gestattet, aber andererseits auch die Ursache für einen sich abzeichnenden Wandel und damit ein gewichtiger Faktor für ein verändertes Staatsverständnis.237 Die durch die Technik bedingten möglichen Änderungen im Rahmen der Öffentlichkeit müssen auch im rechtswissenschaftlichen Kontext durch die Schaffung einer neuen Dogmatik für das das Verfahren bestimmende Öffentlichkeitsverständnis Beachtung finden. Das Internet ermöglicht nämlich erstmalig wieder die Einbeziehung der gesamten (deutschen / europäischen) Gesellschaft in politische oder rechtliche Entscheidungen, wie dies zu Beginn der demokratischen Strukturbildung für die betroffenen Gesellschaften der Fall war.238 Mithin ist eine Rückkehr zu einer materiellen Öffentlichkeitsform möglich. Dies wird bereits durch die Legislative und Exekutive partiell genutzt. 236  In Großbritannien hat u. a. auch die Architektur neuerer Gerichtsgebäude dafür gesorgt, dass die Saalöffentlichkeit weiter zurückgedrängt wurde, Morgan, Mass-mediated ‚open justice‘: Court and judicial reports in the Press in England and Wales, Legal Studies Vol. 34 No 1, S. 143, 144, mit Verweis auf Mulcahy, Legal Architecture: Justice, Due Process and the Place of Law, chap. 5. Dieser Trend wird sich im Vereinten Königreich, wenn es nach der dortigen Justiz geht, bis zur vollständigen Verdrängung der Öffentlichkeit fortsetzen. Die dort geplante digitale Transformation soll mit einer weitgehenden Verlagerung des gesamten Rechtsstreites in den virtuellen Raum und Umwidmung bzw. Schließung vieler Gerichtsgebäude einhergehen, vgl. hierzu: https: /  / www.gov.uk / government / uploads / system / uploads / attachment_data /  file / 553261 / joint-vision-statement.pdf, S. 6 f. Inwieweit im letzten Jahrhundert architektonisch die Saalöffentlichkeit unbemerkt auch in Deutschland zurückgedrängt wurde, wäre ebenfalls einer Überprüfung wert. 237  Lederer, Open Data, S. 87. 238  Boehme-Neßler, Unscharfes Recht, S. 50 stellt bei einem Vergleich der Architektur des Internets mit der „Architektur der Demokratie“ Überschneidungen fest.



E. Gesellschaftlicher Wandel und Öffentlichkeit – ein Fazit317

In technischer Hinsicht gibt es unzählige Möglichkeiten, Öffentlichkeit zu gewähren, aber auch – sofern erforderlich – Öffentlichkeit auszuschließen. So erlauben die Kameraperspektive, die Übertragungsqualität und der Zeitpunkt von Bild- und Tonübertragungen sowie die Möglichkeit einer automatischen Löschung von Dokumenten einen weitreichenden Schutz von Verfahrensbeteiligten. Darüber hinaus gibt es technische Schutzmaßnahmen, beginnend bei einer genauen Vorgabe der Übertragungsplattform bzw. des Übertragungskanals über die Verschlüsselung bis zu einem technischen Digital Rights and Privacy Management, das helfen kann, Rechte Dritter zu wahren. Allerdings sind mit der Technik auch Risiken verbunden, welche jedoch nach einer Folgenabschätzung der Digitalisierung gegenüber den bestehenden Risiken präsenter Zuschauer als gering einzustufen und vielfach theoretischer Natur sind. Wird die Öffentlichkeit in einem Verfahren aufgrund technischer Fehler ausgeschlossen, bestehen bereits heute rechtliche Möglichkeiten der Parteien, die hieraufhin ergangene Entscheidung aufgrund dieses Fehlers anzugreifen.

II. Gesellschaftliche Erwartungshaltung und staatliche Reaktionsmöglichkeiten Aber auch der mit den technischen Neuerungen geschaffene gesellschaft­ liche Wandel spricht für eine Digitalisierung der Öffentlichkeit. Wie bereits in Kapitel 3 A. I. aufgezeigt, haben sich die Gesellschaft und damit auch ihre Erwartungshaltung durch die technischen Umbrüche der letzten Jahrzehnte weitreichend gewandelt.239 Dem ubiquitären Techniknutzen der Gesellschaft ist der Staat insoweit begegnet, dass er nunmehr auch den Technikeinsatz bei Gericht fördert. Die Modernisierung bezieht sich insbesondere auf die Vereinfachung und Beschleunigung von Gerichtsverfahren und eine effizientere Gestaltung der Prozesse und der Gerichtsorganisation sowohl in den internen Geschäftsabläufen als auch in der Kommunikation mit den Prozessbeteiligten.240 Bereits 2005 wurde beispielsweise infolge des Justizkommunikationsgesetzes die elektronische Kommunikation in der Justiz geregelt. Jedoch werden die technischen Möglichkeiten erst durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs (sog. E-Justice-Gesetz) aus dem Jahr 2013 239  Heckmann, in: Heinrich (Hrsg.), FS Musielak, S. 207 f.; vgl. Heckmann, in: Büchner / Büllesbach (Hrsg.), E-Government. Staatliches Handeln in der Informa­ tionsgesellschaft, S. 66; vgl. zu dem Wunsch nach digitalen Behördenleistungen, Habbel, in: Picot / Quadt (Hrsg.), Verwaltung ans Netz!, S. 170. 240  Staatliches Handeln soll durch die Digitalisierung allerding nicht nur effizienter werden, sondern auch neue Strukturen und Abläufe schaffen, Zypries, in: Picot /  Quandt (Hrsg.), Verwaltung ans Netz!, S. 5 f.

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Kap. 4: Digitalisierung und (Gerichts-)Öffentlichkeit

aufgegriffen. Dieses Gesetz hat damit umfangreich das Zeitalter der Digitalisierung der Justiz eingeläutet und bewirkt den vielleicht größten Organisa­ tionswandel in der Justizgeschichte. Dieser generelle Wandel ist auch für die Gerichtsöffentlichkeit weiter zu denken. Insbesondere das oben genannte Öffentlichkeitsprinzip, welches sich aus dem Demokratie-241 und Rechtsstaatsprinzip ableitet, stützt die Forderung nach einem Technikeinsatz zur Schaffung eines transparenteren Staates. Da der Bürger in jedem Lebensbereich und nunmehr auch bei der Justiz immer mehr technische Zugänge vorfindet, erwartet er eine umfangreiche Digitalisierung. Dies gilt auch für die Gewährung von Öffentlichkeit staatlichen Handelns.

III. Öffentlichkeitsgewähr in Form digitaler Gerichtsöffentlichkeit Eine digitale Gerichtsöffentlichkeit würde einerseits die gesellschaftliche Erwartung befriedigen und andererseits die verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllen, die das Öffentlichkeitsprinzip an staatliches Handeln stellt. Die digitale Gerichtsöffentlichkeit verbindet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Elemente der Öffentlichkeitsgewähr. Sie besteht nach dem hiesigen Verständnis aus zwei Komponenten – der digitalen Übertragung der mündlichen Verhandlung in den virtuellen Raum, so dass die derzeitige Saalöffentlichkeit digital abgebildet wird, und der digitalen Zurverfügungstellung der öffentlichkeitsbedürftigen Informationen aus den Verfahrensakten.242 Dies ermöglicht, dass jeder Bürger sich eigenständig von jedem auf diese Weise dargestellten Verfahren ein umfängliches Bild machen kann. Aufgrund des auf diesem Wege potentiell erweiterten Zuschauerkreises ist davon auszugehen, dass die Funktionen von Öffentlichkeit durch die digitale Gerichtsöffentlichkeit besser als durch die bestehenden Öffentlichkeitsformen erfüllt werden. Allerdings stellen sich durch die Digitalisierung auch ganz neue Fragen, beispielsweise wie diese Öffentlichkeitsform auf den un-

241  Vgl.

BVerfGE 70, 324, 355, 358. öffentliche Zugänglichmachung von Verfahrensakten gibt es bereits heute in den USA, Stürner, in: Heckmann / Schenke / Sydow (Hrsg.), FS Würtenberger, S. 930. Diese Gestaltung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit wird den Forderungen von Principle 20 der ALI / UNIDROIT Principles of Transnational Civil Procure gerecht, der die allgemeinen Grundprinzipien zum Öffentlichkeitsgrundsatz im Zivilprozessrecht verkörpert, abrufbar unter https: /  / www.unidroit.org / instruments / transnatio nal-civil-procedure; hierzu allgemein Stürner, in: Heckmann / Schenke / Sydow(Hrsg.), FS Würtenberger, S.  933 f. 242  Die



E. Gesellschaftlicher Wandel und Öffentlichkeit – ein Fazit319

terschiedlichen Ebenen in personeller, örtlicher, temporärer und inhaltlicher Hinsicht näher zu gestalten ist. Das verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip stützt zumindest auch eine Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit. Da nur durch die Einbindung der Informationstechnologie und des Internets der Staat in der Lage ist, die aufgezeigten Ebenen von Öffentlichkeit zu gewährleisten, sollte die Einbindung dieser Technologie zur Öffentlichkeitsgewähr grundsätzlich erfolgen.243 Obwohl § 169 GVG vom Wortlaut her unbestimmt und damit als entwicklungsoffen anzusehen ist, kann die Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit in den dargestellten Ausprägungen hierauf nicht (alleine) mithilfe einer entsprechenden Auslegung gestützt werden. Vielmehr ist der Gesetzgeber aufgrund des Parlamentsvorbehalts gefordert, die Digitalisierung selbst lenkend zu steuern und die hierfür erforderlichen Grundentscheidungen nach einer diesbezüglichen parlamentarischen Auseinandersetzung zu fällen. Selbst wenn davon auszugehen ist, dass sich aus dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip eine Veröffentlichungspflicht von Urteilen ergibt, wäre gleichwohl aufgrund der Klarstellungsfunktion des Rechts die einfachgesetzliche Festlegung einer entsprechenden Publikationsverpflichtung gericht­ licher Entscheidungen ratsam. Das Konkretisierungsgebot parlamentarischer Entscheidungen hat jedoch nicht zur Folge, dass der Gesetzgeber alle Konfigurationen der IT-Systeme zur Öffentlichkeitsgewähr gesetzlich zu bestimmen hat. Während der parlamentarische Gesetzgeber lediglich die Leitlinien vorgeben muss, kann er die detaillierte Ausgestaltung der digitalen Gerichts­ öffentlichkeit mithilfe einer Verordnungsermächtigung der Exekutive überlassen.

243  Vgl. REC (2002) 2 – Europarat Rn. 58, 59, wonach die Nutzung des Internets als Veröffentlichungsmittel ausdrücklich benannt ist und damit die Technik nicht mehr als reines Medium angesehen wird.

Kapitel 5

(Verfassungs-)Rechtliche Grenzen bei der Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit A. Digitale Gerichtsöffentlichkeit im Lichte des Grundgesetzes I. Verfassungskontext von digitaler Gerichtsöffentlichkeit Die Öffentlichkeit staatlichen Handelns besitzt eine weitreichende normative Verankerung.1 Sie findet ihre Stütze in den verfassungsrechtlichen Staatsstrukturprinzipien. Einerseits wird die Gerichtsöffentlichkeit durch das Demokratieprinzip determiniert. Darüber hinaus kann besonders im Rechtsprechungszusammenhang das Öffentlichkeitsgebot als Unterprinzip zum Rechtsstaatsprinzip abgeleitet werden. Zudem lässt sich auch aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz mit Betrachtung der Funktionen der Justiz und deren tatsächlichem Handlungsrahmen2 ein entsprechendes Öffentlichkeitsbedürf­ nis herleiten. Eine Pflicht zur Digitalisierung bzw. zum Technikeinsatz kann allerdings nur angenommen werden, wenn ohne die Ausschöpfung dieser Möglichkeit das oben genannte verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsgebot verletzt wäre. Die derzeitige Handhabung der Gerichtsöffentlichkeit erfüllt nur defizitär die Funktionen, die öffentliches Staatshandeln ermöglichen sollen.3 Dieser Umstand beruht maßgeblich auf den bestehenden faktischen Grenzen und erzeugt einen Mangel an Transparenz, d. h. eine tatsächliche Begrenzung des inhaltlichen Elements. Um dem Betrachter fehlende Informationen zu gewähren und den letztgenannten Missstand abzuschaffen, eignen sich neben der Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit teilweise auch andere Verfahren, wie beispielsweise die Auslegung der „Handakten“ für Sitzungszuschauer oder auch eine Ausweitung der Medienöffentlichkeit. Allerdings bietet die Digitalisierung einen deutlich größeren Handlungsspielraum der Justiz, beseitigt umfassend bestehende faktische Grenzen der Öffentlichkeit 1  Siehe

allgemein Kapitel 1 A. III. Kapitel 1 B. IX., Kapitel 2 A. 3  Kapitel 2 C. II. 1. b), c) und 2. c), d). 2  Siehe



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit321

und erreicht zudem ein größeres Publikum, als bei einer Modifizierung der Saalöffentlichkeit zu erwarten wären, da diese verschiedene weitere Hindernisse besitzt.4

II. Digitalisierung als Verstärker der verfassungsrechtlich garantierten Öffentlichkeitsgewähr Die Digitalisierung stellt vielfach einen Verstärker und Beschleuniger für Handlungen und Zustände dar, indem über das Internet mehr Menschen in immer kürzerer Zeit interagieren und immer mehr Informationen schneller austauschen können. Dieser Umstand gilt auch für die Herstellung von Öffentlichkeit. Gleichzeitig erlaubt es die Informationstechnologie aufgrund der großen Speichermöglichkeiten, viele Informationen und deren Reaktionen zurück zum Ursprung zu verfolgen. Die digitale Gerichtsöffentlichkeit kann beispielsweise die oben genannten Dimensionen der Öffentlichkeit in einem bisher nicht gekannten Maß ausfüllen.5 Beispielsweise wird auf diese Weise Menschen der Zugang zu Gerichtsverfahren als Zuschauer gewährt, die bisher nicht diese Chance hatten, da sie unter der Woche tagsüber zeitlich verhindert oder örtlich nicht flexibel sind. Ferner werden durch die Herstellung von Transparenz Gerichtsverfahren allgemein verständlicher. Hierdurch werden das Recht und dessen Umsetzung weniger abstrakt. Allerdings bedeutet ein Mehr an Öffentlichkeit, welches auf digitalem Wege erzeugt wird, nicht zwangsläufig ein Mehr an Rechtsstaatlichkeit. Risiken und Nebenwirkungen einer möglicherweise zu weitreichenden Öffentlichkeit können darin bestehen, dass Betroffenenrechte leichter verletzt werden und gerichtliche Verfahren eine stigmatisierende Wirkung erhalten. Aus diesem Grund müssen auch die Schranken der Öffentlichkeit gewahrt und gegebenenfalls sogar nachjustiert werden, weil die Digitalisierung der Öffentlichkeit entsprechende Auswirkungen sogar noch verstärken kann.

B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit Nur weil technisch verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten der Gerichtsöffentlichkeit zur Verfügung stehen, bedeutet dies nicht, dass diese alle umgesetzt werden dürfen. Die Gerichtsöffentlichkeit kann nämlich nicht schrankenlos gewährleistet werden.6 Die verschiedenen Dimensionen von 4  Siehe

Kapitel 2 C. II. 1. b). hierzu Kapitel 1 C. 6  Vgl. BVerfGE 4, 74, 94; BVerfGE 103, 44, 63. 5  Siehe

322 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Öffentlichkeit müssen die (verfassungs-)rechtlich gebotenen Grenzen wahren. Diese Schranken können sich sowohl direkt aus den Staatstrukturprinzipien ergeben, die die verfassungsrechtliche Basis der Öffentlichkeit darstellen, als auch aus den Grundrechten Betroffener sowie deren einfachgesetz­ lichen Ausprägungen. Letztgenannte bedürfen bei einer Digitalisierung von Öffentlichkeit gegebenenfalls entsprechender Anpassung, um ihrem Schutzziel weiterhin gerecht zu werden. Besondere Grenzen findet die Digitalisierung bei der Öffentlichkeit im Rahmen der Rechtsprechung, soweit verfassungsrechtliche Garantien und Schutzfunktionen den Technikeinsatz einschränken. Wegen der Möglichkeiten der IT-Gestaltung muss dies aber keineswegs den Technikeinsatz und die Digitalisierung in diesem Bereich insgesamt verhindern. Im Folgenden werden bestehende Schranken aufgezeigt, Kritikpunkte einer Erweiterung von Öffentlichkeit aufgegriffen und juristische sowie technische Lösungsmöglichkeiten vorgestellt.

I. Öffentlichkeit und Demokratieprinzip 1. Öffentlichkeitsgewähr als Ausdruck von Volkssouveränität Das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG ist wie oben aufgezeigt die verfassungsrechtliche Grundlage für die Öffentlichkeit staatlicher Prozesse. Da die Demokratie unterschiedlich ausgestaltet werden kann, kann eine weitere Konkretisierung dieser Staatsstrukturnorm nur durch die Betrachtung weiterer Vorgaben des Grundgesetzes erfolgen.7 In diesem Kontext muss insbesondere auch Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG Beachtung finden.8 Auf dieser Grundlage muss alle Staatsgewalt (und damit auch demokratische Legitimation und Kontrolle staatlicher Organe) vom Volke ausgehen. 2. Gerichtsöffentlichkeit und Staatsangehörigkeit Mit Volk i. S. d. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG ist das Staatsvolk gemeint, welches sich aus deutschen Staatsangehörigen sowie den ihnen gleichgestellten Personen zusammensetzt, Art. 116 Abs. 1 GG.9 Während das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG die Öffentlichkeit staatlichen Handelns erforderlich macht, schränkt Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG das Öffentlichkeitsprin7  Huster / Rux,

in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), Beck’OK Grundgesetz, Art. 20 Rn. 61. in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), Beck’OK Grundgesetz, Art. 20 Rn. 62. 9  Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 90; Huster /  Rux, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), Beck’OK Grundgesetz, Art. 20 Rn. 66. 8  Huster / Rux,



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit323

zip und damit auch die Gerichtsöffentlichkeit hinsichtlich des Adressatenbereichs wieder ein. Personen, die sich nicht auf das Demokratieprinzip stützen können, können sich im Umkehrschluss auch nicht auf die Emanation hieraus in Form des Öffentlichkeitsprinzips berufen. Wenn man den Wortlaut ernst nimmt, kann nämlich einzig das Staatsvolk ein Öffentlichkeitsbedürfnis für sich in Anspruch nehmen.10 Nur dieses kann mittels Wahlen und damit ausgeübter Kontrolle das Demokratieprinzip mit Leben füllen. a) Mögliche Adressatenbeschränkung bei der Gerichtsöffentlichkeit Aus dem Demokratieprinzip könnte daher abgeleitet werden, dass grundsätzlich nur Personen, die dieser Personengruppe angehören, Zugang zu einer Gerichtsverhandlung haben dürfen. Hierfür spricht zunächst auch § 31 Satz 2 GVG, der das Amt des Schöffen nur durch einen Deutschen ausüben lässt. In der Folge wäre eine weltweite Zugänglichkeit von digital übertragenen Gerichtsverhandlungen unzulässig. Um dies zu verhindern, müssten technische Verfahren eingesetzt werden, die nur Personen einen Zugriff erlauben, die durch das auf dem Demokratieprinzip fußende Öffentlichkeitsprinzip hierzu berechtigt sind. Es besteht zum einen die Möglichkeit, eine digitale Übertragung auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik mit Hilfe von Geolokalisation zu beschränken. Dies würde jedoch dem Grundsatz nicht vollständig gerecht, da sich auch Personen auf dem Staatsgebiet befinden, die nicht als Staatsvolk anzusehen sind. Zudem muss ein Staatsbürger sich nicht zwingend immer auf dem Gebiet der Bundesrepublik aufhalten. Daher könnte stattdessen eine Authentifizierung der Zuschauer mittels elektronischen Berechtigungsnachweises (z. B. des elektronischen Identitätsnachweises des Personalausweises, § 18 PAuswG oder des elektronischen Aufenthaltstitels, EU-Verordnungen Nr. 1030 / 2002 und Nr. 380 / 2008) für die Einsehbarkeit der digitalen Gerichtsöffentlichkeit erfolgen. Ein solches Verfahren würde es auch deutschen Staatsbürgern ermöglichen, die sich außerhalb des Bundesgebietes befinden, Verhandlungen wahrzunehmen. Darüber hinaus können Geolokalisationsschranken durch die Verschleierung der echten IP-Adresse, über die die örtliche Zuordnung erfolgt, umgangen werden (u. a. durch VPN- oder DNSServices11). Vor diesem Hintergrund wäre die Nutzung von Ausweispapieren zur Identifikation eines Zuschauers gegebenenfalls zu bevorzugen. Der Grundsatz der Öffentlichkeit bei gerichtlichen Verfahren gestattet zudem auch Identitätsprüfungen bei Zuschauern, um eine sichere und unge10  Vgl. Fögen, Der Kampf um die Gerichtsöffentlichkeit, S. 24  f. zum historischen Kontext der Gleichsetzung von Gerichtsöffentlichkeit und Staatsvolk. 11  https: /  / www.netzwelt.de / laendersperren-umgehen / 155172-ratgeber-geo-sper ren-laenderrestriktion-internet-umgehen.html.

324 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

störte Durchführung gerichtlicher Verfahren zu ermöglichen.12 Die zutrittsbeschränkenden Maßnahmen dürfen jedoch den Zugang zu der Verhandlung für Berechtigte nicht wesentlich erschweren.13 Dies ist bei einem digitalen „Vorzeigen des Ausweises“ wohl nicht anzunehmen. Auch entsprechende Sicherheitskontrollen14 bei Zuhörern und folglich auch Prüfungen, ob der sich Anmeldende aufgrund seines Zeugenstatus in dem Verfahren nicht an der Öffentlichkeit dieser Verhandlung partizipieren sollte, würden die Öffentlichkeit des Verfahrens nicht berühren. Mit dieser Argumentation ließe sich eine Beschränkung des Rezipientenkreises vertreten. b) Staatsangehörigkeit und Diskriminierungsverbot Ein wichtiger Grundsatz innerhalb der Europäischen Union ist allerdings das Verbot der Diskriminierung eines Unionsbürgers (Art. 20 Abs. 1 Satz 2 AEUV) gegenüber Inländern aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, vgl. Art. 18 Abs. 1 AEUV. Diese Vorschrift ist unmittelbar geltendes Recht15, die den Binnenmarkt stärken soll.16 Hiernach muss auch jedem EU-Bürger ein Zugang zur digitalen Gerichtsöffentlichkeit ermöglicht werden. Erfolgt eine digitale Anmeldung mittels elektronischem Personalausweises, ist danach die Möglichkeit einzuräumen, dass sich Bürger europäischer Mitgliedsstaaten ebenfalls mithilfe ihrer Ausweispapiere Zugang zu einer Übertragung einer Gerichtsverhandlung verschaffen können. Bei der Verwendung der technischen Möglichkeit der Geolokalisation bedürfte es hingegen nicht der Erstreckung des Übertragungsgebietes auf den gesamten europäischen Raum; vielmehr kann eine diskriminierungsfreie Zugänglichkeit digital übertragener gerichtlicher Verfahren im deutschen Bundesgebiet genügen. Einer solchen technischen Beschränkung des Übertragungsraumes könnte allerdings entgegengehalten werden, dass der deutsche Gesetzgeber mit ausdrücklicher Ermächtigung des Grundgesetzes Hoheitsrechte auf die Europäi­ sche Union übertragen hat und diese immer weiter durch den europäischen Gesetzgeber ausgefüllt werden. Dies hat zur Folge, dass es zu einer immer weitergehenden rechtlichen Annäherung des europäischen Raums kommt, was durch eine Interaktion der nationalen Gerichte mit dem Europäischen Gerichtshof weiter 12  BVerfG

NJW 2012, 1863, 1865. NJW 2012, 1863, 1864 m. w. N. 14  EMRK v. 14.11.2000  – 35115 / 97  – Riepan v. Austria Rn. 28; EGMR, Urt. v. 29. 11. 2007  – 9852 / 03, 13413 / 04  – Hummatov / Aserbaidschan Rn. 143; OLG Koblenz, NJW 1975, 1333, 1333. 15  Streinz, in: Streinz, EUV / AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 18 AEUV (ex-Art. 12 EGV), Rn. 9. 16  Streinz, in: Streinz, EUV / AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 18 AEUV (ex-Art. 12 EGV), Rn. 11. 13  BVerfG



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit325

gefördert wird. Da eine europaweite einheitliche Gesetzesauslegung entsprechender europäischer Regelungen intendiert ist, könnte zumindest eine europaweite Zugänglichkeit entsprechender Entscheidungen17, gegebenenfalls aber auch die Übertragung von Verhandlungen befürwortet werden, zumal die Rechtsprechung zu Normen mit europäischem Ursprung in den verschiedenen Nationalstaaten auch unser Rechtsverständis teilweise prägen. Erfolgt eine digitale Ausweiskontrolle, erweitert die Möglichkeit, sich auch außerhalb des Staatsgebiets der Bundesrepublik als Zuschauer in eine Verhandlung einloggen zu können, potentiell den Zuschauerkreis um ein Vielfaches. Aufgrund der bestehenden Sprachbarriere stellt sich jedoch die Frage, wie viele EU-Bürger überhaupt hiervon Gebrauch machen würden. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass eine Anmeldung mit den eigenen Daten eine gewisse Hürde darstellt. Mithin ist unabhängig von der Wahl der technischen Beschränkungsmöglichkeiten mit keiner signifikanten Erhöhung der Zuschauerzahl zu rechnen. Zudem würde auch die Möglichkeit bestehen, diese Techniken zu kombinieren, so dass auch EU-Bürger nur innerhalb der Bundesrepublik bzw. Europas aufgrund von Geolokalisations-Verfahren von der digitalen Gerichtsöffentlichkeit profitieren können. c) Adressatenbeschränkte Gerichtsöffentlichkeit im Lichte der Informationsfreiheit Allerdings stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Gesetzgeber noch anderen Personen als dem oben genannten Adressatenkreis Zugang zu einer online übertragenen Gerichtsverhandlung einräumen darf oder gegebenenfalls sogar muss. Hier stellt sich die Frage, inwieweit Grundrechte die Reichweite eines Staatsstrukturprinzips begrenzen können. Aufgrund der Einheit der Verfassung und der Bindung aller Staatsorgane an die Grundrechte spielen diese auch bei der Ausgestaltung der Staatsstrukturprinzipien eine Rolle. Die Grundrechte und Staatsstrukturprinzipien ergänzen sich gegenseitig, konkretisieren sich, können aber auch konfligieren.18 Sie stehen damit teilweise sogar in einem wechselbezüglichen Spannungsverhältnis, welches es im Wege der Auslegung aufzuheben gilt.19 17  Bereits heute wird über das Europäische Justizportal eine europaweite Zugänglichkeit von Gerichtsverfahren gefördert (European Case Law Identifier – ECLI), https: /  / beta.e-justice.europa.eu / 13 / DE / national_case_law. 18  Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 I Rn. 2. 19  Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 I Rn. 2; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band II, Art. 20 (Einführung) Rn. 13 f., Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 20 Rn. 6.

326 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Das Demokratieprinzip wurde durch den Verfassungsgeber nicht abschließend bestimmt; somit bedarf es einer weiteren Konturierung. Diese kann besonders durch Vorgaben des Grundgesetzes wie die Informations- und Meinungsfreiheit erfolgen, die durch das Bundesverfassungsgericht als schlicht konstitutiv für die Demokratie bezeichnet wurden.20 Diese wechselseitige Beeinflussung kann einerseits in der Ausweitung oder Begrenzung des Demokratieprinzips wie andererseits in der Konturierung von Grundrechten liegen. Dies geschieht zum einen durch die Auslegung des Verfassungsrechts und zum anderen durch die mögliche rechtfertigende Wirkung von Staatsstrukturprinzipen bei Eingriffen in Grundrechte. Die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 GG gestattet jedermann, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Erst hierdurch wird die selbständige Meinungsbildung des Rezipierenden ermöglicht.21 Auch für die Medien ist ein ungehinderter Zugang zu Informationen entscheidend, da es ihnen dieser ermöglicht, die einer „freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wahrzunehmen“.22 Eine allgemein zugäng­ liche Quelle i. S. d. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 GG ist „technisch geeignet und bestimmt […], der Allgemeinheit, d. h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen“23. Das Internet ist als Paradebeispiel der allgemein zugänglichen Informationsquellen anzusehen.24 Ein Gerichtsverfahren stellt ebenfalls eine Informationsquelle dar, d. h. es ist als Träger von Informationen zu werten.25 Ist eine Gerichtsverhandlung aufgrund rechtlicher Bestimmungen öffentlich zugänglich, gilt diese unproblematisch als allgemein zugängliche Quelle.26 Eine Skalierung der Reichweite der öffentlichen Zugänglichkeit darf jedoch durch den Gesetzgeber vorgenommen werden.27 Den Staat trifft nämlich keine Pflicht zur Öffnung bzw. Offenhaltung einer Informationsquelle aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.28 Daher ist auch bei öffentlich zugänglichen Quellen eine Schließung bzw. Beschränkung der Informationszugänglichkeit möglich.29 20  BVerfG,

Urt. v. 15.01.1958 – 1 BvR 400 / 51, Rn. 33. in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Art. 5 GG, Rn. 13; zur historischen Bedeutung der Informationsfreiheit vgl. BVerfGE 27, 71, 80 ff. 22  BVerfG NJW 2001, 1633, 1634. 23  BVerfGE 27, 71, 83; BVerfG NJW 2001, 503, 504. 24  Bethge, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 5, Rn. 54. 25  BVerfGE 103, 44, 60; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band I, Art. 5 I, II Rn. 77; Schemmer, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), Beck’OK Grundgesetz, Art. 5 Rn. 27. 26  BVerfGE 103, 44, 61; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band I, Art. 5 I, II Rn. 79; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 141 ff. 27  Schemmer, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), Beck’OK Grundgesetz, Art. 5 Rn. 27. 28  BVerfG NJW 2001, 1633. 21  Schmidt,



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit327

Daher wäre eine Zugangsbeschränkung mittels Authentifizierung denkbar, um beispielsweise einen digitalen Zutritt für Zeugen zu einer Verhandlung zu unterbinden. Ein solches Vorgehen wird bereits heute in der analogen Gerichtspraxis praktiziert und wird wohl auch weiterhin als Modalität des Informationszugriffs gestattet sein. Diese schutzbereichsbezogene Konkretisierungsmöglichkeit des Gesetzgebers hinsichtlich der Allgemeinheit der Quelle ist nicht mit der Beschränkung von Art. 5 Abs. 2 GG im Rahmen einer Rechtfertigung zu verwechseln und bedarf daher keiner entsprechenden Verhältnismäßigkeitsprüfung. An die oben genannte Definition anknüpfend ist auch ein Portal, auf dem öffentliche Verhandlungen digital zugänglich gemacht werden, als allgemein zugängliche Quelle zu werten. Aufgrund der Konkretisierungsmöglichkeit des Gesetzgebers ist nur eine temporäre Bereitstellung von Informationen zu einer bestimmten Verhandlung hierüber grundsätzlich verfassungskonform möglich. Dennoch stellt sich die Frage, ob aufgrund der Informationsfreiheit auch anderen Personengruppen als den oben genannten ein Zugang zu einer Gerichtsverhandlung ermöglicht werden muss. Heutzutage besteht eine faktische territoriale Begrenzung der Gerichtsöffentlichkeit, da nur solche Personen ein Gerichtsverfahren wahrnehmen können, die tatsächlich vor Ort sind. Durch die technischen Gegebenheiten werden jedoch die faktischen Öffentlichkeitshürden aufgelöst, und die Frage nach den rechtlichen Grenzen rückt in den Mittelpunkt. Telos des Grundrechtes aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Var 2 GG ist die freie Unterrichtungsmöglichkeit der Betroffenen, damit sich eine „möglichst gut informierte demokratische Öffentlichkeit“30 bildet.31 Wesensbestimmend für die Informationsfreiheit ist eine Rückkopplung des Grundrechts an das Demokratieprinzip, da nur eine freie Beschaffung von Informationen, ein freiheitliches Denken und damit eine freiheitliche Demokratie gewährleisten kann.32 In diesem Kontext könnte statuiert werden, dass die Informationsfreiheit aufgrund ihres engen Bezuges zum Demokratieprinzip keine weitergehende Öffnung als durch die Strukturregelung vorgegeben gestattet. Allerdings ist zu beachten, dass der Verfassungsgeber bewusst Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht als Deutschen-Grundrecht verfasst hat, sondern Jedermann ein 29  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band I, Art. 5 I, II Rn. 79; Starck, in: Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Band 1, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 45, 52 ff.; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 5 Rn. 56a. 30  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band I, Art. 5 I, II Rn. 76. 31  BVerfGE 27, 71, 81 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band I, Art. 5 I, II Rn. 76. 32  Vgl. BVerfGE 27, 71, 81 f.; BVerfGE 7, 198, 208.

328 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

entsprechendes Informationsrecht zubilligt. Damit würde ein Rückbezug auf das Demokratieprinzip im Rahmen des sachlichen Schutzbereichs faktisch zu einer dem Wortlaut zuwiderlaufenden Einschränkung des persönlichen Schutzbereichs führen. Eine entsprechende Auslegung würde dem Wortlaut und damit auch dem Willen des Verfassungsgebers entgegenstehen. Somit gewährt die Informationsfreiheit auch Personen ein Zugangsrecht zu Informationen, die nicht Deutsche sind. Aus diesem Grund besteht auch innerhalb der Bundesrepublik das Recht für Inländer (unabhängig von deren Staatsangehörigkeit), sich grenzüberschreitend Informationen aus dem Ausland zu besorgen.33 In diesem Kontext muss zudem beachtet werden, dass die deutsche Gerichtsöffentlichkeit nicht alleine auf dem Demokratieprinzip beruht, sondern auch Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips ist. Ausländische Personen können Partei eines deutschen Gerichtsprozesses sein. Somit sollten sie bzw. ihre Angehörigen grundsätzlich auch dem Verfahren als Zuschauer beiwohnen können. Daher verlangt der Schutzbereich des Grundrechts auf Informationsfreiheit grundsätzlich eine erweiternde Auslegung der digitalen Gerichts­ öffentlichkeit. Aus diesem Grund muss zumindest innerhalb des deutschen Staatsgebiets diskriminierungsfrei jedermann ein digitaler Zugang zu einer Gerichtsverhandlung unabhängig von dessen Staatsangehörigkeit gewährt werden, vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 GG. Daher können sich auch Personen hierauf berufen, die sich u. U. nicht über eine elektronische ID authentifizieren können.34 Darüber hinaus ist fraglich, welchen territorialen Schutzumfang Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG besitzt. Es stellt sich nämlich die Frage, ob auch im Ausland befindliche EU-Ausländer einen Anspruch auf Einsicht in eine deutsche Gerichtsverhandlung besitzen. Deutsche Grundrechte können grundsätzlich auch außerhalb des deutschen Staatsgebietes zur Anwendung kommen.35 In dem Fall, in dem das Bundesverfassungsgericht diese Frage geklärt hat, hat der BND mit in Deutschland befindlichen Empfangseinrichtungen im Ausland Kommunikation erfasst und ausgewertet. Dieser Fall lässt sich jedoch nicht unmittelbar auf die Frage des territorialen Schutzumfangs von Art. 5 Abs. 1 GG übertragen. In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ging es nämlich um den Schutz vor dem deutschen Staat und nicht um eine faktische Begünstigung durch diesen in Form der Informa­tionsgewährung.

33  Vgl. BVerfGE 90, 27, 32; BVerfGE 27, 71, 81 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band I, Art. 5 I, II Rn. 78. 34  Innerhalb der EU werden die eIDs durch die eIDas VO vereinheitlicht. 35  Vgl. in Hinblick auf Art. 10 GG, BVerfGE 100, 313, 363  f.; Huber, NJW 2013, 2572, 2574; Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band I, Art. 10, Rn. 43.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit329

Hierbei muss zudem noch die nach innen gerichtete demokratieorientierte Schutzrichtung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 GG betrachtet werden. Die Informationsfreiheit soll gerade nicht dazu dienen, der Welt unsere Werteordnung vor Augen zu führen. Unabhängig davon, dass die weltweite Bereitstellung von Videos deutscher Gerichtsverhandlungen aufgrund bestehender Sprachbarrieren keine Vertiefung eines potentiellen Eingriffs in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Betroffenen darstellt, da der Anteil von internationalen Rezipienten, die ein solches Verfahren verfolgen können oder werden, hierdurch wohl nicht zunehmen wird, wird vorliegend die Auffassung vertreten, dass es keiner weltweiten Zurverfügungstellung der digital übertragenen Gerichtsverhandlungen bedarf. Lediglich eine staatsangehörigkeitsunabhängige digitale Zurverfügungstellung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik ist demnach erforderlich. Die entsprechende Begrenzung kann aufgrund einer technischen Geolokalisation erfolgen. Diese regionale Begrenzung rechtfertigt sich auch durch ein erweitertes und rechtlich unkontrollierbares Missbrauchsrisiko bei einer internationalen Übertragung. Einerseits wird der Nutzen einer weltweiten Zurverfügungstellung der Informationen aus einer deutschen Gerichtsverhandlung die Funk­ tionen von Öffentlichkeit nicht wesentlich bereichern. Andererseits ist hiermit aber das Risiko verbunden, dass entsprechende Aufnahmen von Verfahrensbeteiligten leichter missbraucht werden könnten, da die deutsche Jurisdiktion außerhalb der deutschen Staatsgrenzen kaum Einwirkungspotential besitzt.36 Somit können in einem Missbrauchsfall wohl weder strafrechtliche Sanktionierungen37 erfolgen,38 noch wäre ein zivilrechtlicher Anspruch wahrscheinlich gerichtlich durchsetzbar. Zudem gilt für die Informationsfreiheit die Schranke des Art. 5 Abs. 2 GG, wonach eine Einschränkung der digitalen Anwesenheit an einer Gerichtsverhandlung durch die Vorschriften der allgemeinen Gesetze, der gesetzlichen 36  Vgl.

u. a. BGH NStZ 2015, 81. entsprechender Straftatbestand müsste in Deutschland noch geschaffen werden. Je nach Missbrauch entsprechender Aufnahmen kämen ggf. auch die Regelungen aus §§ 185 ff. StGB zur Anwendung. 38  Das deutsche Strafrecht gilt nach dem Territorialprinzip nämlich nur für Taten, die im Inland begangen wurden (§ 3 StGB). Für den Tatort kann nach § 9 Abs. 1 StGB grundsätzlich sowohl auf den Handlungs- als auch auf den Erfolgsort abgestellt werden. Allerdings wird bei abstrakten Gefährdungsdelikten das Bestehen eines Erfolgsortes verneint, vgl. BGH NStZ 2015, 81. Gleiches gilt für schlichte Tätigkeitsdelikte oder Delikte mit überschießender Innentendenz, Heintschel-Heinegg, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), StGB, § 9 Rn. 10. Bei den anderen Deliktsarten, bei denen das Bestehen eines Erfolgsorts zwar bejaht wird, stellt sich jedoch vielfach das Problem, dass eine strafrechtliche Verfolgung wohl nicht international durchsetzbar ist und damit an faktische Grenzen stößt. 37  Ein

330 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre gefunden werden kann. Wie diese Schranke ausgeprägt werden kann und muss, wird sich im Folgenden aufgrund der näher dargestellten grundrechtlichen Positionen der Beteiligten am Gerichtsverfahren zeigen. 3. Die (Zugangs-)Gestaltung der Gerichtsöffentlichkeit a) Orientierung an den Wahlrechtsgrundsätzen Es könnte in diesem Zusammenhang angedacht werden, die Konturen der Öffentlichkeit zumindest teilweise aus dem Rechtsgedanken des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG zu präzisieren, der das Demokratieprinzip durch die Konkretisierung der Wahl als direkteste Ausprägung der demokratischen Staatsform weitreichend prägt. Für eine Anlehnung der Öffentlichkeitsgestaltung an die Wahlgrundsätze spricht, dass diese unser Verständnis von Demokratie teilweise definieren. Das Demokratieverständnis ist zudem auch für Öffentlichkeit als Unterprinzip des Demokratiegedankens von elementarer Bedeutung. Darüber hinaus besitzen sowohl die Wahl als auch die Öffentlichkeit eine legitimierende Wirkung staatlichen Handelns. Auch die Vertreter des Bundestages, die auf dieser Grundlage gewählt werden, üben wie die Öffentlichkeit eine Kontrollfunktion aus.39 Sich daran orientierend, welche Merkmale eine demokratische Wahl in der Bundesrepublik prägt, wird im Folgenden nach weiteren verfassungsrecht­ lichen Vorgaben gesucht, die die Öffentlichkeitsgestaltung konturieren. Diese Überlegungen könnten für die rechtliche Beschränkung einer technisch zunächst grenzenlosen Öffentlichkeit hilfreich sein. Klarstellend ist festzuhalten, dass hierdurch die Wahlrechtsgrundsätze nicht unmittelbar zur Anwendung gelangen können. Die Ausgestaltung digitaler Öffentlichkeit wird lediglich auf die dahinterstehende konzeptionelle Idee der Ausprägung des Demokratieprinzips argumentativ gestützt. b) Allgemeine verfassungskonforme Gestaltung der Gerichtsöffentlichkeit Die Wahlrechtsgrundsätze aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG fordern die allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Möglichkeit des Volkes zur Ausübung ihres demokratischen Wahlrechts. Diese als Aufbauhilfe zugrundelegend wird im Folgenden aufgezeigt, inwieweit diese Charakteristika auch für die Gerichtsöffentlichkeit relevant sind.

39  Klein,

in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 51.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit331

aa) Das Erfordernis eines nicht diskriminierenden Zugangs Die Grundsätze der Allgemeinheit und der Gleichheit sind auch im Rahmen der Gerichtsöffentlichkeit von Bedeutung. Dem Allgemeinheitsgrundsatz wird insbesondere dann entsprochen, wenn es keine Beschränkung dahingehend gibt, dass Personen aufgrund ihrer Eigenschaften (sei es Geschlecht, Beruf, politische oder religiöse Überzeugung) von der Teilnahme ausgeschlossen werden können.40 Der Gleichheitsgrundsatz verfolgt dasselbe Ziel wie das Erfordernis des allgemeinen Zugangs. Trotz ihres Zusammenhangs ist der Anwendungsbereich von allgemein und gleich nicht deckungsgleich.41 Hiernach ist sicherzustellen, dass es – egal aus welchen Gründen – zu keiner Zugangsvorenthaltung oder -privilegierung für Einzelne kommen darf. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit die Allgemeinheit sowie die Gleichheit der Wahl als Anwendungsfälle des Art. 3 Abs. 1 GG eingestuft.42 Aufgrund eines Rechtsprechungswandels ist das Bundesverfassungsgericht hiervon jedoch wieder abgerückt, so dass im Anwendungsbereich des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG kein Rückgriff auf den allgemeinen Gleichheitssatz mehr möglich ist.43 Für die Gestaltung der Gerichtsöffentlichkeit ist jedoch die Anwendung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes möglich und auch erforderlich. Mithin muss technisch und rechtlich sichergestellt sein, dass den berechtigten Personenkreisen ein diskriminierungsfreier Zugang gewährt wird. Verhältnismäßige Einschränkungen beispielsweise in Bezug auf Altersgrenzen sind jedoch möglich und teilweise sogar geboten.44 bb) Unmittelbare Form der Gerichtsöffentlichkeit Der Unmittelbarkeitsgrundsatz hat im Wahlzusammenhang die Funktion, das Wahlmännersystem abzuschaffen.45 Mithin genügt es nicht, wenn ein anderer die Kontrolle potentiell für einen selbst ausüben kann; der Bürger ist danach selbst gefordert. 40  Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 88; vgl. BVerfGE 36, 139, 141; BVerfG NJW 1982, 817, 817. 41  Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 116. 42  BVerfGE 99, 1, 8  f. m. w. N.; Achterberg / Schulte in: Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), GG, Band 2, Art. 38 II Rn. 121 m. w. N. – zustimmend: Badura, in: Kahl /  Waldhoff / Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz. Anh. zu Art. 38 Rn. 8; kritische Stimmen hierzu sind aufgeführt in BVerfGE 99, 1, 10. 43  BVerfGE 99, 1, 10; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 117. 44  Vgl. Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 117. 45  Vgl. Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 100.

332 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Auch im Rahmen der Gerichtsöffentlichkeit darf es nicht zu einer Übertragung bürgerlicher Verantwortung auf die Presse oder andere Institutionen kommen. Die Gerichtsöffentlichkeit muss von der Bevölkerung selbst weiterhin unmittelbar wahrgenommen werden können. Danach muss jedem die gleiche Möglichkeit des Zugangs gewährt werden. Eine Äquivalenz dieser Anforderung findet sich nicht in anderen grundrechtlichen Vorgaben. Daher muss der Leitgedanke aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG dahingehend herangezogen werden, dass eine digitale Gerichtsöffentlichkeit des Kollektivs als Korrektiv bedarf und es zu keiner Ablösung des Menschen durch die Technik in diesem Zusammenhang kommen darf.46 Für die Organisation der digitalen Gerichtsöffentlichkeit ergibt sich aus dem Unmittelbarkeitsgrundsatz zudem auch die Überlegung, ob die Gerichtsöffentlichkeit nicht derart zu gestalten ist, dass auch jeder diese potentiell wahrnehmen kann. Aufgrund der politisch intendierten Vollzeitbeschäftigung wäre bei einer reinen Live-Übertragung weiterhin ein Großteil der Beschäftigten ausgeschlossen, zumal der Internetanschluss am Arbeitsplatz zumeist nicht zur freien Verfügung der Beschäftigten steht. Daraus könnte abgeleitet werden, dass die Informationen der Gerichtsöffentlichkeit temporär derart bereitzuhalten sind, dass sie potentiell für jeden Bürger abrufbar sind. Dies könnte durch eine Bereitstellung entsprechender Verhandlungsaufzeichnungen für einen ganzen Tag oder länger erreicht werden. cc) Freie Gerichtsöffentlichkeit Freiheit bedeutet in diesem Kontext, dass die Bürger frei von Druck und Zwang bei der Wahrnehmung der Öffentlichkeit bleiben müssen.47 Zudem wäre die Einführung einer Rezeptionspflicht von Verhandlungen für die Öffentlichkeit nicht zulässig.48 Die Einführung einer solchen Pflicht würde einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Informationsfreiheit bzw. die allgemeine Handlungsfreiheit der Zuschauer darstellen. Gleichzeitig muss die Öffentlichkeit so gestaltet werden, dass die Betroffenen frei von Beeinflussung sind, die geeignet ist, ihre Meinungsbildung unzulässigerweise zu behindern.49 Daraus kann beispielsweise abgeleitet wer­den, dass die Gerichte keine weitere Deutung eines richterlichen Urteils über die Urteilsgründe hinaus vornehmen oder eine Wertung der richterlichen Entscheidung abgeben dürfen. Das sich u. a. aus dem Rechtsgedanken der 46  Siehe

hierzu auch Kapitel 4 D. V. BVerfGE 44, 125, 139; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 107. 48  Vgl. Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 108. 49  Vgl. BVerfG NJW 1989, 1347, 1347; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 107. 47  Vgl.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit333

Freiheit vor staatlicher Beeinflussung ergebende Neutralitätsgebot des Staates50 ist umfassend bei der Informationsaufarbeitung und Öffentlichkeitsarbeit der Justiz bzw. der Gerichte zu beachten. Das Neutralitätsgebot besagt, dass Staatsbedienstete in amtlicher Funktion insbesondere die Chancengleichheit der Parteien im Wahlkontext nicht verletzen dürfen.51 Allerdings darf auch die Rechtsprechung pointiert auf Missstände hinweisen, soweit es mit ihrer Funktions- und Aufgabenerfüllung in Einklang steht.52 Lediglich Äußerungen sind als unzulässig zu werten, die mit einer sachlichen Fallbetrachtung nicht mehr in Einklang stehen. Unzulässig sind danach insbesondere Ausführungen, die geeignet sind, die Befangenheit eines Richters im Sinne der § 42 Abs. 1 ZPO, § 24 StPO zu begründen. Insbesondere bei der Äußerung von Beleidigungen oder sogar „Schmähkritik“ ist dies anzunehmen.53 Allgemeine Erklärungen über die Aufgaben der Gerichte und den Ablauf eines Gerichtsverfahrens sind hingegen nicht als unzulässige Beeinflussung zu werten. dd) Anonymer Zugang zur Gerichtsöffentlichkeit Als Wahlrechtsgrundsatz bietet der Grundsatz der geheimen Wahl Schutz davor, dass das Wahlverhalten des Bürgers offengelegt wird, damit die Wahlentscheidung unabhängig und unbeeinflusst erfolgen kann.54 Aufgrund seiner institutionellen Bedeutung kann auf diesen Schutz auch durch den Wähler nicht verzichtet werden.55 Die hier einschlägige informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erlaubt dem einzelnen Bürger, über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten selbst bestimmen zu können.56 Auf der informationellen Selbstbestimmung beruhend ist eine identifizierende Registrierungspflicht für den Zugangserhalt einer digitalen Gerichts­ öffentlichkeit grundsätzlich abzulehnen,57 sofern nicht andere verfassungsrechtlich gebotene Interessen an einer Identifizierung bestünden. Auch eine bloße digitale Ausweiskontrolle würde einen Eingriff in die informationelle Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 109. BVerfG NJW 1977, 751. 52  Vgl. BVerfG NVwZ 2014, 1156, 1158 f. 53  Vgl. BVerfGE 93, 266, 294 m. w. N. 54  Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 110. 55  Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 111. 56  BVerfGE 65, 1, 41 f. 57  Velten, in: SK-StPO, Band IX, § 169 GVG Rn. 13 geht daher von einem Verbot der Registrierung der Zuschaueridentität aus § 169 GVG aus. 50  Vgl. 51  Vgl.

334 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Selbstbestimmung der Bürger darstellen, der einer Rechtfertigung bedürfte.58 Die derzeitigen analogen Ausweiskontrollen sind aufgrund von Sicherheitserwägungen gerechtfertigt.59 Ein solches Vorgehen wäre bei der digitalen Gerichtsöffentlichkeit, wie in Kapitel 4 C. IV. aufgezeigt wurde, allerdings wohl nicht mehr relevant, da der digitale Zuschauer im Vergleich zum präsenten Zuschauer ein deutlich geringeres Risikopotential entfaltet.60 Es ist aber davon auszugehen, dass eine anonyme Statistik der Zuschauerzahlen gestattet ist, sofern hiernach nur die Zuschauer der Gerichtsverfahren ohne Identifizierung gezählt werden.61 4. Zutrittsbeschränkung der Gerichtsöffentlichkeit durch Altersgrenzen Es stellt sich die Frage, ob der Staat Altersgrenzen für die digitale Gerichts­ öffentlichkeit vorgeben muss. Im Rahmen der Bundestagswahl normiert Art. 38 Abs. 2 GG, der das Demokratieprinzip weiter konturiert, ein Mindestalter für die Wahlberechtigung. Danach ist eine Teilnahme an dieser Wahl erst bei Vollendung des achtzehnten Lebensjahres möglich. Diese Mündigkeitsgrenze könnte übertragen auf die virtuelle Gerichtsöffentlichkeit eine weitere zulässige Beschränkung des Zuschauerkreises darstellen. a) Gerichtsöffentlichkeit und die Schranken des Jugend(medien)schutzes Neben dieser Altersbegrenzung im Rahmen der Wahlgrundsätze kennt die Verfassung ebenfalls bei der Meinungs- und Informationsfreiheit sowie den klassischen Medienfreiheiten den Jugendschutz als Schranke, Art. 5 Abs. 2 GG. Zur Wahrung der freien Entfaltung der kindlichen Persönlichkeit darf der Gesetzgeber im Rahmen seines Auswahlermessens schädliche Einflüsse von Kindern und Jugendlichen fernhalten, welche eine nachteilige Auswirkung auf deren Persönlichkeitsentwicklung besitzen.62 Hierzu zählen vor allem „Einstellungen zum Geschlechtlichen“63, Inhalte, die „Gewalttätigkeiten 58  Eine entsprechende Rechtfertigung könnte der Jugendschutz oder die Verfahrensdurchführbarkeit darstellen, vgl. hierzu B. I. 4. b) bb) (1), B. II. 1. c) bb). 59  OLG Koblenz NJW 1975, 1333. Diese Bürgerkontrollen dürfen jedoch keine diskriminierende Wirkung besitzen oder die Öffentlichkeit gänzlich ausschließen, vgl. Albrecht, Aufrüstung gegen die Bürger, https: /  / www.lto.de / recht / hintergruende / h / gerichte-sicherheit-kontrollen-dachau / . 60  Vgl. auch Heckmann, in: Hill / Schliesky (Hrsg.), Herausforderung e-Government, S. 137. 61  Vgl. Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 38 Rn. 113. 62  BVerfGE 83, 130, 140; BVerfGE 30, 336, 347 f.; Schemmer, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 5 Rn. 108. 63  BVerfG, NJW 1991, 1471, 1472.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit335

oder Verbrechen glorifizieren, Rassenhass provozieren, den Krieg verherr­ lichen oder sexuelle Vorgänge in grob schamverletzender Weise darstellen und deswegen zu erheblichen, schwer oder gar nicht korrigierbaren Fehlentwicklungen führen können“.64 aa) Dürfen Minderjährige die Gerichtsöffentlichkeit wahrnehmen? Vor dem Hintergrund der Beschränkung von Grundrechten und Staatsstrukturprinzipien durch den Jugendschutz stellt sich die Frage, ob nicht bereits das der Öffnung des Gerichtsprozesses für Dritte zugrundeliegende Demokratieprinzip ein Mindestalter für die Teilnahme an der digitalen Gerichtsöffentlichkeit voraussetzt. Eine solche pauschale Altersbeschränkung ist allerdings abzulehnen. Weder Art. 20 Abs. 2 GG noch Art. 116 Abs. 1 GG stellen für die Zugehörigkeit zum Staatsvolk ausdrücklich auf ein bestimmtes Mindestalter ab. Die aktive Bürgerbeteiligung findet jedoch ihren Ausdruck in Wahlen und Abstimmungen. Nach einfachem Recht muss der Bürger volljährig (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 BWG) oder in einzelnen Bundesländern für Wahlen auf Landesebene 16 Jahre alt sein (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BbgLWahlG; § 1 Abs. 1 Nr. 1 BremWahlG; § 6 Abs. 1 Nr. 1 BüWG; § 5 Abs. 1 Nr. 1 SH LWahlG). Würde man diese Altersgrenzen als Bestandteil des Begriffs des Staatsvolkes ansehen, wäre ein Ausschluss von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren möglich. Allerdings darf nicht vom einfachen Recht auf Verfassungsrecht geschlossen werden. Eine diesbezügliche zwingende Altersgrenze besteht mithin für den Öffentlichkeitsgrundsatz nicht. Auch bisher ist Minderjährigen der Zutritt zu analogen Gerichtsverhandlungen gestattet. Feste Altersgrenzen gibt es nicht. Lediglich § 175 Abs. 1 GVG gestattet Richtern präventiv, „unerwachsenen“ Personen den Zutritt nach pflichtgemäßem Ermessen zu verweigern.65 Unerwachsene Personen sind Minderjährige, die für die Anwesenheit bei einem Gerichtsverfahren nicht „die erforderliche Reife besitzen“.66 Da nach § 175 Abs. 1 GVG auch volljährigen Gesellschaftsmitgliedern die Teilnahme an der Gerichtsöffentlichkeit verwehrt werden kann, wenn sie in einer der Würde des Gerichts nicht entsprechenden Weise erscheinen, basiert der Ausschluss der in § 175 GVG genannten Personen primär auf Verfahrensschutzgesichtspunkten und 64  Schemmer,

in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 5 Rn. 108. in SK-StPO, Band IX, GVG, § 175, Rn. 1. 66  Velten, in SK-StPO, Band IX, GVG, § 175, Rn. 4. Der Vorsitzende kann vorab in einer sitzungspolizeilichen Verfügung grundsätzlich eine generelle Altersgrenze, z. B. „jünger als 16 Jahre“ festlegen, eine (zusätzliche) individuelle Prüfung wäre danach nicht erforderlich, BGH NStZ 2006, 652; a. A. Velten, in SK-StPO, Band IX, GVG, § 175, Rn. 4. Walther, in: Graf (Hrsg.), Beck’OK StPO, § 175 GVG Rn. 1. 65  Velten,

336 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

nur sekundär auf Gründen des Jugendschutzes. Durch die Möglichkeit des Ausschlusses soll zunächst die Aufrechterhaltung der Ordnung eines Verfahrens gesichert werden, § 176 GVG. Es gibt mithin keine vernünftigen Gründe, die für einen strengen Zutrittsausschluss für Minderjährige sprechen. Grundsätzlich dürfen daher Minderjährige Gerichtsverfahren als Zuschauer beiwohnen. Allerdings können einzelne Verhandlungen aufgrund ihrer Verfahrensinhalte für Minderjährige als ungeeignet anzusehen sein. Während die meisten Verfahren inhaltlich auch von Minderjährigen unproblematisch rezipiert werden können, könnten einige Gerichtsverfahren insbesondere im Bereich des Strafrechts die kindliche Entwicklung gefährden. Daher stellt sich die Frage, welche Schutzpflicht den Staat in diesem Zusammenhang trifft und ob es bereits öffentlichkeitsbezogene jugend(medien)schutzrechtliche Vorgaben heutzutage gibt, die auch für eine digitale Gerichtsöffentlichkeit Anwendung finden könnten. bb) Können Minderjährige überhaupt eine staatsbürgerliche Kontrolle ausüben? Unerwachsenen und damit minderjährigen Personen wird die demokratische Kontrollkompetenz abgesprochen.67 Die Frage, wer die Kontrolle über gerichtliche Verfahren ausüben kann, ist jedoch keine, die sich an strengen Altersgrenzen messen lassen kann.68 Vielmehr bedarf es des Vorhandenseins einer gewissen geistigen Reife. Allerdings ist die Kontrolle nicht die einzige Funktion, die die Öffentlichkeit staatlichen Handelns besitzt. Auch andere Funktionen wie die Förderung von Vertrauen und Akzeptanz, Schaffung einer informationellen Gleichberechtigung und die Steigerung von Effizienz können bei der Einbindung von Minderjährigen gefördert werden. Gleichsam wird der Anwesenheit von Minderjährigen auch ein „gewisser disziplinierender Effekt“ für die Verhandlung zugesprochen.69 Insbesondere die frühzeitige politische, aber auch juristische Bildung ist für die Verständnisbildung von jungen Menschen wichtig. Somit bedarf es für ein generelles Zutrittsrecht auch nicht des Status des Wahlberechtigten. Auch Menschen, denen per Richterspruch zeitweise die Befähigung zum Wählen aberkannt wurde (§§ 45 Abs. 5, 101, 102 Abs. 2, 108c, 108e Abs. 5, 67  Velten,

in SK-StPO, Band IX, GVG, § 175, Rn. 4. Hamm NJW 1967, 1289, 1290. Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, bei dem ein 19-jähriger (zum damaligen Zeitpunkt noch minderjähriger) Reporter einer Tageszeitung aufgrund seines Alters von einem Amtsrichter aus einer Gerichtsverhandlung verwiesen wurde. Der Richter befürchtete aufgrund des Alters des Reporters eine „unsachliche Berichterstattung“. 69  Velten, in SK-StPO, Band IX, GVG, § 175, Rn. 4. 68  OLG



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit337

109i StGB), dürfen mithin Zuschauer eines Gerichtsprozesses sein. Zumindest zu edukativen Zwecken ist die Zutrittsgestattung für Minderjährige daher sinnvoll, sofern keine Interessen dem entgegenstehen. Der Gesetzgeber hat jedoch einen Handlungsspielraum und kann daher auch Altersgrenzen für Zuschauer digital übertragener Verhandlungen aufzeigen. Anders als bei vor Ort anwesenden Kindern ist hierbei zu berücksichtigen, dass von diesen in einer digitalen Konstellation kein Störpotential für die Verhandlung ausgeht. Allerdings sollten insbesondere Gerichtsverhandlungen, die sich mit Kapitaldelikten beschäftigen, aus Jugendschutzgründen nicht für jedes Alter im Internet frei zugänglich sein. b) Gefährdung von Minderjährigen durch die Gerichtsöffentlichkeit aa) Schutz des Gerichtsverfahrens vor Minderjährigen Bisher hat der Gesetzgeber im Rahmen des Gerichtsverfahrensgesetzes Minderjährige als ein Gefährdungspotential für den reibungslosen Ablauf des Verfahrens betrachtet.70 Wie gesehen erlaubt § 175 Abs. 1 GVG dem Vorsitzenden71 als sitzungspolizeiliche Maßnahme, „unerwachsenen“ Personen präventiv den Zutritt zu gerichtlichen Verhandlung zu untersagen, ohne dass eine Störung erfolgt ist.72 Diese sitzungspolizeiliche Maßnahme steht im Ermessen des Vorsitzenden. bb) Schutz der Minderjährigen vor Gerichtsverfahren Der Minderjährige als Störquelle einer mündlichen Verhandlung wird nach einer Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit der Vergangenheit angehören. Nunmehr kommt ein weiterer Gesichtspunkt der Ausschlussmöglichkeit zum Tragen: der Jugendschutz.73 Ein Verfahrensausschluss Minderjähriger nach § 175 GVG ist im virtuellen Raum nur noch zu ihrem Schutz erforderlich. Bei der digitalen Gerichtsöffentlichkeit nimmt dieser Gesichtspunkt einen weitaus größeren Raum ein, da mit der Digitalisierung ein größerer und heterogenerer Adressatenkreis von Internetnutzern – zu denen auch Kinder gehören können – erreicht wird. Dieser Segen ist im Hinblick auf den Jugendschutz zugleich auch sein Fluch. Der Staat besitzt nämlich insbesondere bei jugendgefährdenden Inhalten eine gewisse Schutzpflicht, welcher er gerecht 70  Velten,

in in 72  Velten, in 73  Velten, in 71  Velten,

SK-StPO, SK-StPO, SK-StPO, SK-StPO,

Band IX, Band IX, Band IX, Band IX,

GVG, GVG, GVG, GVG,

§ 175, § 175, § 175, § 175,

Rn. 1, 4. Rn. 2. Rn. 1. Rn. 4.

338 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

werden muss. Hierbei hat die Ermessensentscheidung des Vorsitzenden den nachfolgend dargestellten Regelungen des geltenden Jugendschutzrechts Rechnung zu tragen. Zugleich ist bei der technischen Gestaltung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit zu berücksichtigen, dass die praktische Umsetzung des Jugendschutzes digital ungleich komplizierter ist. Werden keine technischen Altersverifikationssysteme errichtet, ist es dem Vorsitzenden nicht möglich, das Alter oder das Attribut der Volljährigkeit seiner virtuellen Zuschauer festzustellen, so dass er seiner Aufgabe aus § 175 GVG nicht gerecht werden kann. Die Ermessensentscheidung des Vorsitzenden zum Ausschluss von „unerwachsenen“ Personen aus § 175 GVG ist daher derart auszulegen, dass die Jugendschutzvorschriften Geltung erlangen müssen. Dies ist im virtuellen Verhandlungskontext technisch abzubilden. (1) Rechtliche Schutzvorschriften Der einfachgesetzliche Jugendmedienschutz ist im JugendmedienschutzStaatsvertrag geregelt (JMStV).74 Dieser soll Kinder und Jugendliche vor Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien schützen, die deren Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen. Ferner dient er dem Schutz von Minderjährigen vor solchen Angeboten, die die Menschenwürde oder sonstige durch das Strafgesetzbuch geschützten Rechtgüter verletzen, § 1 JMStV. Auch eine digital übertragene Gerichtsverhandlung kann einen solchen jugendgefährdenden Inhalt besitzen. Unabhängig von der Frage, ob die digitale Gerichtsöffentlichkeit ein Telemedium oder Rundfunk darstellt,75 kommt es für die Anwendbarkeit des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags auf den konkreten Inhalt an. Nur wenn dieser jugendgefährdend ist, kommen die verschiedenen Schutzvorschriften zur Anwendung. Es gibt einzelne Gerichtsverfahren, insbesondere im Strafrecht bei Sexualdelikten und vor allem Kapitalverbrechen, die einen negativen Einfluss auf Minderjährige haben.76 Gleiches gilt für Verfahren, die ein in § 4 JMStV enumerativ aufgeführtes unzulässiges Angebot darstellen, beispielsweise ein 74  GBl.

2016, 126 in der Fassung vom 01.10.2016. wird ausführlich unter III. dargestellt. 76  Bereits die Sachverhaltsdarstellungen mancher Tötungsdelikte offenbaren, dass im Rahmen der mündlichen Verhandlungen insbesondere in der ersten Instanz unvorstellbare Grausamkeiten en detail gewürdigt worden sein müssen, vgl. u. a. BGH NStZ 2017, 218; BGH NStZ 2015, 33; BGH NStZ 2008, 29; BGH NJW 1994, 2629; BGH NJW 1990, 2623; BGH NJW 1986, 265. 75  Dies



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit339

Verfahren, welches sich mit (kinder)pornografischen Inhalten befasst. In solchen Fällen ist ein Ausschluss der Rezeption solcher Verfahren durch Minderjährige nicht nur gerechtfertigt, sondern auch verpflichtend erforderlich. Es bestünde die Möglichkeit, dass von vorneherein in solchen Fällen nur ein digitaler Zutritt zur Verhandlung gewährt wird, wenn der Zuschauer seine Volljährigkeit nachweist, um den Minderjährigenschutz zu wahren. Hierfür bedürfte es einer verpflichtenden technischen Altersverifikation. Dabei ist jedoch sicherzustellen, dass die oben genannten „erwachsenen“ Personengruppen diskriminierungsfrei Zutritt zu der Verhandlung erhalten. Aus Gründen des Jugendschutzes ist eine solche Form der Zutrittsbeschränkung gerechtfertigt. Diese Beschränkung ist auf alle Informationen, d. h. nicht nur die Übertragung der mündlichen Verhandlung, sondern auch auf Gutachten oder gegebenenfalls sogar das Urteil aus den jugendgefährdenden Verhandlungen zu erstrecken. Gegenüber jugendgefährdenden Verhandlungen stehen jedoch die meisten anderen Arbeits-, Sozial-, Steuer- Verwaltungs- und Zivilverfahren, die keinerlei Gefahrenpotential für einen Jugendlichen darstellen. In solchen Fällen ist eine Zutrittsbeschränkung aufgrund von Altersgrenzen nicht indiziert. Problematisch ist allerdings, dass vor allem in zivilgerichtlichen Verfahren jugendgefährdende Inhalte auch einen wesentlichen Teil einer Gerichtsverhandlung einnehmen können. In diesem Fall sollte es Richtern, die aufgrund der Aktenlage einschätzen können, inwieweit die Fälle ein jugendgefährdendes Potential besitzen, möglich sein, den digitalen Zutritt zu dieser Verhandlung präventiv durch einen Altersnachweis zu beschränken. (2) Technische Schutzmaßnahmen Aufgrund der bestehenden Regelungen bedürfte es keiner flächendeckenden technischen Zutrittsbeschränkung für alle digital übertragenen Gerichtsverfahren. Technisch wäre dies auch schwerlich umsetzbar, weil nicht alle Minderjährigen über entsprechende Altersverifikationsnachweise verfügen. Wird der Zugang zur digitalen Gerichtsöffentlichkeit nur unter Nutzung des elektronischen Personalausweises gewährt, muss nämlich beachtet werden, dass der elektronische Identitätsnachweis nach § 18 Abs. 1 PAuswG nur Personalausweisinhabern mit einem Mindestalter von 16 Jahren eingeräumt wird. Dies hätte faktisch zur Folge, dass jüngere Staatsbürger an der digitalen Gerichtsöffentlichkeit nicht partizipieren könnten, würde diese Vorgabe nicht geändert. Technisch gibt es verschiedene Möglichkeiten, eine Altersverifikation für die jugendgefährdenden Inhalte umzusetzen. Hierfür könnte beispielsweise der heute übliche Abgleich der Identifikationsnummern auf dem Personalaus-

340 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

weis zum Einsatz kommen. Dieses Verfahren gilt jedoch als unsicher, da entsprechende Identifikationsnummern reproduzierbar sind. Stattdessen könnten auch eine medienbruchfreie Überprüfung des Alters auf Grundlage der eID über den neuen Personalausweis oder andere attributsbasierte Berechtigungsnachweise genutzt werden. Für letzteres käme die Nutzung der Geldkarte in Betracht, auf welcher das Altersmerkmal als Information hinterlegt werden kann. Die Kommission für Jugendmedienschutz empfiehlt hingegen ein zweistufiges Verfahren, bei dem in einem ersten Schritt eine Alterskontrolle mittels persönlichem Kontakt stattfindet; alternativ käme ­ auch ein Webcam-Einsatz in Betracht. Nachfolgend wäre als zweiter Schritt bei jedem Nutzungsvorgang eine weitere Authentifizierung erforderlich.77 In weiter Zukunft käme auch die Nutzung der Blockchain-Identität in Betracht.78

II. Öffentlichkeit und Rechtsstaatsprinzip Das Rechtsstaatsprinzip als Ursprung der Öffentlichkeit staatlichen Handelns begrenzt gleichzeitig die Gerichtsöffentlichkeit. Verfassungstheoretisch ist nämlich die Aufgabe dieses Verfassungsprinzips, dass „politische und gesellschaftliche Macht im Gemeinwesen primär nach Maßgabe von Recht und Gerechtigkeit“ ausgeübt wird.79 Besonders relevante Kernelemente des Rechtsstaatsprinzips zum Schutze eines rechtstaatlichen Gerichtsverfahrens, die in diesem Kontext zu berücksichtigen sind, sind die Wahrung eines fairen Verfahrens, die Wahrung der Unabhängigkeit der Richter und die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). 1. Gerichtsöffentlichkeit und rechtsstaatliches Verfahren Der Rechtsstaatlichkeitsgedanke ist die wesentliche Grundlage jedes Gerichtsverfahrens. Allerdings muss dieses sich in konkretisierenden Ausprägungen und Geboten realisieren, um einen praktischen Anwendungsbereich zu schaffen. Der aus dem europäischen Kontext stammende fair trial-Grundsatz aus Art. 6 Abs. 1 EMRK ist darüber hinaus als Auslegungshilfe mit zu berücksichtigen.80 Das Recht auf ein faires Verfahren besitzt verschiedene Aus77  https: /  / www.kjm-online.de / service / glossar / ausdruck / altersverifikationssystem-

avs / .

78  Siehe

Kapitel 4 C. II. 1. b) cc). in: Dreier (Hrsg.), GG, Band II, Art. 20 Rn. 1. 80  Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band II, Art. 20 Rn. 26. In den USA wird die Fernsehübertragung von Gerichtsverhandlungen im Strafverfahren bei Ein79  Schulze-Fielitz,



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit341

prägungsformen, die bei der Gestaltung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit zu berücksichtigen sind. a) Das Recht auf Verteidigung Das Recht auf Verteidigung ist Teil des Rechts auf ein faires Verfahren, welches „keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- oder Verbote [enthält]; vielmehr bedarf es der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Fachgerichte ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben worden ist.“81 In diesem Zusammenhang ist es somit von Bedeutung, dass durch die staatlich hergestellte Öffentlichkeit das Recht der Verteidigung nicht konterkariert wird, in dem über die Schaffung von Öffentlichkeit unzulässigerweise an Dokumente gelangt wird, die der anwaltlichen Schweigepflicht unterliegen und bei deren Preisgabe sich der Geheimnisträger strafbar machen würde, vgl. § 203 StGB. Eine entsprechende gesetzgeberische Wertung findet sich § 97 StPO i. V. m. §§ 52, 53 Abs. 1 Nr. 1–3b StPO. b) Rechtsstaatlichkeit durch Schutz der Verfahrensmaximen Ferner dürfen auf diesem Wege bestehende Prozessmaximen nicht umgangen werden, d. h. die Nutzung des Öffentlichkeitsprinzips zur „Geltendmachung“ eines unzulässigen Ausforschungsbeweisantrags ist zu unterbinden.82 Darüber hinaus ist auch die Unschuldsvermutung (vgl. Art. 6 Abs. 2 EMRK) im Strafverfahren als wichtiger Teil des fairen Verfahrens im Rahmen der Neukonturierung von Öffentlichkeit zu schützen und aufrechtzuerhalten.83 Die Strafverfolungsbehörden und insbesondere der Strafrichter sind haltung bestimmter Voraussetzungen hingegen grundsätzlich nicht als Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gesehen, vgl. Lorz, in: Haratsch / Kugelmann /  Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, S.  73 ff. 81  BVerfG, Beschl. v. 07.12.2011 – 2 BvR 2500 / 09 Rz. 130. 82  Zur Unzulässigkeit des Ausforschungsbeweises vgl. Prütting, in: Krüger / Rauscher (Hrsg.), MüKO ZPO, Band 1, § 284, Rn. 79 m. w. N.; Büttner ZZP 67 (1954), 73, 78 ff.; Dunz, NJW 1956, 769, 769 ff. Kritisch zum Verbot des Ausforschungsbeweis Peters, Ausforschungsbeweis im Zivilprozeß, S. 121 ff., 126. Nach seiner Auffassung lässt sich das Verbot des Ausforschungsbeweises nicht aufrechterhalten. 83  Zur rechtlichen Herleitung der Unschuldsvermutung vgl. ausführlich Stuckenberg, Untersuchungen zur Unschuldsvermutung, S. 46 ff.; Marxen, GA 1980, 365, 372 f.

342 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

durch das Prinzip der Unschuldsvermutung als „Verfahrensregulativ“ bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten zunächst adressiert.84 Es gibt allerdings auch die Auffassung, dass die Unschuldsvermutung „die Exklusivität der verfahrensmäßigen Schuldfeststellung“ sichert und damit eine Vorverurteilung jedweder Art durch den Staat zu unterbinden sei.85 Neben den bereits bestehenden straf- sowie zivilrechtlichen Möglichkeiten des Betroffenen, mit diffamierenden Vorverurteilungen86 durch Private umzugehen (vgl. §§ 185 ff. StPO bzw. §§  823 ff. BGB),87 könnte daher auch die Unschuldsvermutung bei der Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit zu beachten sein. Zunächst ist jedoch zu überprüfen, inwieweit eine Digitalisierung der Öffentlichkeitsgewähr die Unschuldsvermutung in dieser Hinsicht tangiert. Durch eine nicht juristisch gebildete Öffentlichkeit kann dieser Grundsatz verletzt und Vorverurteilungen ausgesprochen und verbreitet werden. Das Risiko einer Vorverurteilung von Menschen, die Adressaten von Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden geworden sind, wird durch die Digitalisierung jedoch nicht neu geschaffen. Vielmehr erfolgt eine entsprechende verfahrensfremde „Schuldfeststellung“ bereits heutzutage durch die klassischen Medien. Durch sensationsheischende Darstellung können diese Intermediäre bei der Informationsübermittlung das Bild einer Person in der Öffentlichkeit maßgeblich für einen großen Rezipientenkreis prägen. Der Konflikt zwischen der Meinungsfreiheit und der Unschuldsvermutung stellt daher seit langem ein Dilemma dar88 und ist damit nicht originär auf die Digitalisierung zurückzuführen. Durch die Digitalisierung von Öffentlichkeit kann dieses Problem jedoch verstärkt werden, da nicht nur die Medien Ursache dieses Dilemmas sind, sondern auch die Gesellschaft, welche ihre Vorurteile bestätigt sieht und nicht bereit ist, vermeintlichen Straftätern zu verzeihen.89 Während bisher die meisten mündlichen Verhandlungen ohne die Anwesenheit von Dritten erfolgen, wird durch eine Digitalisierung ein größerer Rezipientenkreis angesprochen, was die Wahrscheinlichkeit der Wahrnehmung einer entsprechen84  Stuckenberg, Untersuchungen zur Unschuldsvermutung, S. 66; Marxen, GA 1980, 365, 373. 85  Marxen, GA 1980, 365, 373; vgl. umfassend zu den verschiedenen Adressaten und Ausprägungen der Unschuldsvermutung Stuckenberg, Untersuchungen zur ­Unschuldsvermutung, S. 66 f. m. w. N., 68; a. A. Rüping, in: Hanack / Rieß / Wendisch (Hrsg.), FS Dünnebier, S. 396. 86  Zur schwierigen Begriffsbestimmung der „öffentliche Vorverurteilung“, vgl. Hassemer, NJW 1985, 1921, 1922 ff. 87  Stuckenberg, Untersuchungen zur Unschuldsvermutung, S. 66. 88  Marxen, GA 1980, 365, 365 ff. 89  Vgl. Becker, Straftäter und Tatverdächtige in den Massenmedien: Die Frage der Rechtmäßigkeit identifizierender Kriminalberichte, S. 190.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit343

den Gerichtsverhandlung erhöht. Vor dem Hintergrund, dass täglich in Deutschland hunderte Strafverfahren verhandelt werden, ist eine tatsächliche Rezeption des einzelnen übertragenen Verfahrens allerdings weiterhin als gering zu werten. Zudem ist bisher nicht erwiesen, ob der einzelne virtuelle Zuschauer einer Gerichtsverhandlung auch seine Wahrnehmung verbreiten wird.90 Die Risiken einer Verletzung der Unschuldsvermutung durch die ­Öffentlichkeit bleiben daher diffus. In einem ersten Schritt kann die Unschuldsvermutung institutionell durch die Justiz insbesondere dadurch geschützt werden, dass die öffentlichkeitsrelevanten Unterlagen umfassend anonymisiert werden.91 Ohne Rückbezug zur Person des Angeklagten sind Persönlichkeitsrechtsverletzungen sowie diffamierende Vorverurteilungen Dritter unwahrscheinlich bzw. unmöglich. Zudem sind die Verfahrensunterlagen nicht ohne ein besonderes Bedürfnis vor dem Eintritt eines Gerichtsverfahrens in Phase zwei der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.92 Hierdurch würde eine sehr frühe mediale Vorverurteilung entfallen, so dass eine auf diesem Wege erfolgte potentielle Beeinflussung von Verfahrensbeteiligten oder Zeugen abgemildert wird.93 Soweit keine vollständige Anonymität der Beteiligten in einem Gerichtsverfahren hergestellt werden kann, ist zu überlegen, wie und ob überhaupt Angeklagte wirksam vor einer „Schuldfeststellung“ durch Private geschützt werden können. Hierbei ist insbesondere auch der Grundsatz „ultra posse nemo obligatur“ zu beachten. Die Ausführung dieser Frage würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen und muss daher im Folgenden ausgeblendet 90  Entsprechende Äußerungen über Social Media-Portale besitzen einerseits nicht die Reichweite wie überregionale klassische Medien, andererseits ist zu beachten, dass viele Nutzer unter Accounts, die ihre Klarnamen enthalten bzw. an eine vorherige Registrierung beim Portalbetreiber gebunden sind (zu Registrierungspflichten vgl. Specht / Eickhoff, CR 2016, 740, 744), sich vorsichtiger im Internet äußern. Aufgrund der Vorgabe des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) sind diffamierende Äußerungen in Sozialen Medien zudem innerhalb von 24 Stunden durch den Portalbetreiber zu löschen, vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 2 NetzDG. 91  Hierzu ausführlich B. III. 2. c) bb). Zu den Schutzmaßnahmen zur Wahrung des Persönlichkeitsrechts bei einer digitalen Übertragung der mündlichen Verhandlung siehe ausführlich B. III. 2. c) aa). 92  Siehe zu den Phasen eines Verfahrens die Ausführungen in Kapitel 2 D. II. So auch Meyer, in: Eser / Meyer (Hrsg.), Öffentliche Vorverurteilung und faires Strafverfahren, S.  331 f. 93  Vgl. hierzu B. II. 1. c). Allerdings können auch mediale „Nachverurteilungen“ für den Betroffenen belastend wirken, Hassemer, NJW 1985, 1921, 1924. Der Schutz von Verfahrensbeteiligten gegenüber „Nachverurteilungen“, die u. U. eine Resozialisierung gefährden, beruht allerdings auf dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und steht nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Frage der Verfahrensdurchführbarkeit. Vgl. zum Persönlichkeitsrechtsschutz von Verfahrensbeteiligten B. III. 2.

344 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

werden, zumal es sich hierbei nicht um ein originäres Problem der Digitalisierung von Gerichtsöffentlichkeit handelt. c) Fortbestand der Verfahrensdurchführbarkeit Die Justiz darf durch die Öffentlichkeit nicht in der Wahrheits- oder Rechtsfindung,94 die sich unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitet, maßgeblich beeinträchtigt werden.95 Auf Tagungen und Kongressen behaupten Richter jeder Instanz gerne, dass die Öffentlichkeit das Verhalten von Verfahrensbeteiligten, Zeugen oder sogar des Richters bzw. Spruchkörpers beeinflussen kann.96 Dem kann jedoch durch Modifizierungsmöglichkeiten der digitalen Gerichtsöffentlichkeit begegnet werden.97 aa) Änderung des Verhaltens von Angeklagten / Verfahrensbeteiligten Eine Gefahr für die Wahrheitsfindung wird in der möglichen Beeinflussung von Verfahrensbeteiligten gesehen.98 Diese könnten sich bei Ihrer Aussage vor Gericht gehemmt sehen bzw. ihr Aussageverhalten ändern. Allerdings gibt es bereits verschiedene amerikanische Studien zum Verhalten von Verfahrensbeteiligten in Anwesenheit von Kameras, die festgestellt haben, dass die „Kamerapräsenz im Gerichtssaal“ „das Verhalten aller Verfahrensbeteiligten gar nicht bis kaum verändert“.99 Es wird zudem auch befürchtet, dass Verteidiger bzw. Rechtsbeistände nicht mehr das Gericht, sondern die Öffentlichkeit zu überzeugen versuchten. Letzteres kann dadurch entkräftet werden, dass weiterhin das Gericht entscheidet. Die ständige Präsenz einer Kamera mag zwar anfänglich tatsächlich für Irritationen sorgen.100 Durch den Einsatz einer statischen Kamera bei94  Hinsichtlich dessen Erforderlichkeit vgl. BVerfGE 80, 367, 378; BVerfGE 77, 65, 76; BVerfGE 33, 367, 383. 95  Mohr, Fernsehberichterstattung aus der Hauptverhandlung, S. 18. 96  So beispielsweise auf dem 22. Deutschen Richtertag 2017 in Weimar bei Streitpunkt IV: Transparente Justiz – Menschen am Pranger? 97  Zudem weisen amerikanische Studien daraufhin, dass diese Befürchtungen wohl unbegründet sind, vgl. Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, S.  153 ff. m. w. N. 98  Diese Befürchtung beruht jedoch nicht auf gesicherten empirischen Erkenntnissen, Kuß, Öffentlichkeitsmaxime der Judikative und das Verbot von Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, S. 215 m. w. N. 99  Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, S. 153 f. m. w. N. 100  Arndt, in: Die neue Gesellschaft, 1956, S. 338, 339 bejaht eine Verfahrensbeeinträchtigung bei aktiver Einbindung des Rundfunks in das Gerichtsverfahren. In den 50er Jahren erlaubte die Technik Bild- und Tonübertragungen und Rundfunk­



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spielsweise aus dem Bereich, der heute als Zuschauerraum genutzt wird, kann dem jedoch am schonendsten begegnet werden.101 Hierdurch wird ein Aussagender wie in den meisten Gerichtssälen üblich lediglich von hinten gezeigt. Die Ablenkung der Aussagenden wird hierdurch auf ein Minimum reduziert.102 Die aufgestellte Behauptung bezüglich der Beeinflussung von Verfahrensbeteiligten und Zeugen durch den Umstand, dass diese die Identität der Zuschauer bei digitaler bzw. Medienöffentlichkeit nicht mehr kennen würden und nicht wüssten, wer ihrer Aussage beiwohnt, entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage.103 Bereits heute findet im Gerichtssaal keine (öffentliche) Identitätskontrolle von Zuschauern statt, so dass für die meisten Verfahrensbeteiligten, sofern Zuschauer das Verfahren begleiten, diese unbekannt sein dürften. Darüber hinaus ließe sich gegen diese These die gesetzgeberische Wertung des § 128a ZPO und deren Parallelvorschriften in den anderen Prozessordnungen anbringen. Diese Regelungen erlauben, dass Verfahrensbeteiligten, Rechtsbeiständen und Zeugen mittels Videovernehmung einer Verhandlung zugeschaltet werden dürfen. Die hinzugeschalten Personen erhalten keinen Überblick über den gesamten Gerichtssaal, so dass diesen auch nicht bewusst ist, ob und wenn ja, wer die vorgenommenen Aussagen als Zuschauer verfolgt hat. Diese gesetzgeberische Gestattung zeigt auf, dass es der Gesetzgeber als unproblematisch angesehen hat, dass es Zeugen und Verfahrensbeteiligte zuweilen mit einem ihnen unbekannten Publikum zu tun haben. Die inzwischen seit über einem Jahrzehnt bestehende Möglichkeit der Verhandlung mithilfe der Videokonferenztechnik wird in der Justiz und durch Verfahrensbeteiligte zudem als (sehr) positiv gewürdigt. bb) (Potentielle) Beeinflussung von Zeugen(aussagen) Eine Kamera, die das gerichtliche Geschehen aus der Sicht eines heutigen Zuschauers überträgt, würde auch die Gefahr einer (potentiellen) Beeinflusreporter nutzen dies, um ihre Kameras und Mikrophone in den Mittelpunkt des Geschehens bei Gerichtsverfahren zu rücken. Die hierdurch erzeugten Irritationen führten 1964 schließlich zur Einführung von § 169 [Abs. 1] Satz 2 GVG. 101  „Es gibt […] Hinweise dafür, daß […]kameras die Verhandlung weniger stören, als die Präsenz von Pressevertretern.“ Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, S. 234. 102  Das Ablenkungspotential bei der Einbindung von Rundfunk in der mündlichen Verhandlung wurde u. a. im Rahmen der Änderung des § 17a BVerfGG vorgebracht, vgl. BR-Drs. 165 / 97 S. 10 f. 103  Vielmehr lassen die bisherigen Studien über das Beeinflussungspotential von Kameras auf Verfahrensbeteiligte Gegenteiliges vermuten, vgl. Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, S. 153 ff. m. w. N.

346 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

sung von Zeugenaussagen reduzieren, da der Aussagende nicht direkt mit der Kamera konfrontiert wird. Anders als Richter sind es viele Zeugen nämlich nicht gewohnt, im Gerichtssaal zu agieren, was ihre Nervosität steigern könnte.104 Darüber hinaus wird befürchtet, dass Zeugen bei einer Live-Übertragung einer Verhandlung, wenn sie das vorherige Geschehen wahrnehmen könnten, in ihrer Aussage beeinflusst werden.105 Dies würde u. a. gegen die Intention der Regelungen § 58 Abs. 1 StPO und § 243 Abs. 2 Satz 1 StPO verstoßen und könnte eine Gefährdung bei der Wahrheitsfindung darstellen.106 Diesem Risiko könnte durch eine zeitversetzte Übertragung begegnet werden. Alternativ käme auch in Betracht, dass Zeugen vor ihrer Aussage in einen geschützten Gerichtsraum geleitet werden, in dem beispielsweise infolge des Einsatzes von Störsendern kein Internetzugang besteht und damit keine Möglichkeit einer Rezeption des online übertragenen Verfahrens gegeben ist. Wird eine Verhandlung digital übertragen, bestünde zudem die Möglichkeit, mit Hilfe technischer Hilfsmittel wie Identifizierungsprogrammen107 sicher104  Allerdings hat bereits Savigny, Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, S. 29 festgestellt, „[i]m Allgemeinen wird sich die Scheu vor dem öffentlichen Erscheinen bei länger bestehender Oeffentlichkeit mehr und mehr verlieren.“ Dies gilt nicht nur im Kontext der Einführung der Gerichtsöffentlichkeit (bei der davon ausgegangen wurde, dass die Gerichtssäle immer durch Zuschauer gefüllt sein werden), sondern auch im Rahmen der Neugestaltung der Öffentlichkeitsgewähr bei Gericht. Gehring, ZRP 1998, 8, 9 m. w. N. geht daher davon aus, dass unter Kameraeinfluss Verfahrensbeteiligten entsprechend dem „Zuschauereffekt“ im Alltag geübte Verhaltensweisen häufiger ausführen werden. 105  Vgl. BR-Drs. 254 / 17, S. 12; Mohr, Fernsehberichterstattung aus der Hauptverhandlung, S. 19; Kuß, Öffentlichkeitsmaxime der Judikative und das Verbot von Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, S. 217; Savigny, Die Prinzipienfragen in Beziehung auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, S. 29 sieht zumindest die Befürchtung, dass Zeugen vor einer größeren Öffentlichkeit nicht die Wahrheit sagen werden, als unbegründet an. 106  BR-Drs. 254 / 17, S. 12. 107  In der Vergangenheit wurden Ausweiskontrollen bei Gericht eingeführt, um den Geschäfts- und Sitzungsbetrieb bei Gericht nach der nationalsozialistischen Übernahme und dem damit einhergehenden „Meinungskampf“ vor Gericht zu unterbinden und Personen den Zugang zu Verhandlungen zu verwehren. Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, S. 32. Die Zulässigkeit der Ausweiskontrollen und damit die „Überwachung des Besucherverkehrs an Gerichten“ ist jedoch weiterhin von der Rechtsprechung als „Vorbeugemaßnahme gegenüber Anschlägen von politisch-kriminellen Banden“ anerkannt, OLG Koblenz NJW 1975, 1333; vgl. auch BGHSt 27, 13, 14. Bei drohenden Ausschreitungen den Zutritt zu einer Gerichtsverhandlung davon abhängig zu machen, dass vor einer Verhandlung die Ausweispapiere durch die Zuschauer hinterlegt werden müssen, wird von der Rechtsprechung als zulässig gewertet, vgl. OLG Karlsruhe NJW 1975, 2080 (kritisch hierzu Roxin, JR 1976, 385, 385 ff.). Das Bundesverfassungsgericht hat einen Antrag auf einstweilige Anordnung, der ein solches Vorgehen im Rahmen des



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zustellen, dass Zeugen keinen Zugriff auf die Verhandlung haben.108 Andererseits kann aber auch über ein Verwertungsverbot hinsichtlich der Aussage eines Zeugen nachgedacht werden, der zuvor Einblick in die digitale Übertragung genommen hat. Der unbeeinflusste Zeuge ist für ein Verfahren wünschenswert, aber dieses Ideal wird bereits heute in der analogen Gerichtspraxis selten erreicht. Zeugen lügen täglich vor Gericht aus den unterschiedlichsten Gründen und es werden Aussagen abgesprochen. Dieser Umstand ist Personen in der Gerichtssphäre bekannt. Es obliegt daher immer dem Richter, die Glaubwürdigkeit eines Zeugen sowie dessen Aussage zu würdigen. Das Risiko, dass Zeugen sich bei einer Verhandlung mit mehreren Sitzungstagen absprechen oder selbst im Zuschauerraum bei einigen Verhandlungen sitzen, ist auch heute gegeben und kann daher nicht als Argument gegen die digitale Gerichts­ öffentlichkeit herangezogen werden. Gleichsam gibt es in manchen Prozessen, wie beispielsweise dem NSU-Verfahren, eine sehr detaillierte, potentiell beeinflussende Medienberichterstattung über den Verhandlungsablauf. Die genannten Missstände kann die digitale Gerichtsöffentlichkeit nicht beseitigen, sie vertieft sie aber auch nicht. Vorliegend wird allerdings die These vertreten, dass ein anschließendes Strafverfahren und damit die öffentliche Sanktionierung eines vor Gericht lügenden Zeugen eine Präventionswirkung besitzen kann. Zudem bietet sich eine mediendidaktische Aufbereitung dieses Themas an. Beispielsweise kann über das Portal, welches digitale Gerichtsöffentlichkeit herstellt, ein entsprechendes anonymisiertes Urteil bzw. eine Statistik zu Verurteilungen nach §§ 153, 154 StGB derart eingebunden werden, dass den Zuschauern vor Augen geführt wird, dass die richterlichen Belehrungen bezüglich der Wahrheitspflicht nicht nur leere Worte sind, sondern bei einem Verstoß hiergegen auch tatsächlich Konsequenzen drohen. Die Gerichte sind natürlich auch gefordert, bei dem Verdacht, dass ein Zeuge lügt, das Verfahren an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Da­ rüber hinaus kann die Einbindung eines didaktischen Erklärvideos mit freiwillig mitwirkenden Personen, die ihre negative Erfahrung zu dem Thema schildern und dem Betrachter vor Augen führen, welche Auswirkungen eine solche Verurteilung auf ihr Leben hat bzw. haben kann, hilfreich sein.

NSU-Verfahrens verhindern wollte, abgelehnt, BVerfG, Beschl. v. 11.03.2013 – 2 BvR 722 / 13. 108  Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, S. 26.

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cc) (Potentielle) Beeinflussung des Gerichts Ferner besteht die Befürchtung, dass Justizangehörige durch die Öffentlichkeit (bzw. die vorher erfolgte mediale Vorverurteilung eines Betroffenen109) beeinflusst werden könnten.110 Der Richter ist durch die Verfassung vor staatlicher Einflussnahme geschützt und damit unabhängig (Art. 97 Abs. 1 GG). Er ist nur den Gesetzen unterworfen. Dieser Umstand ist durch eine Ausweitung der Öffentlichkeit auch nicht in Gefahr.111 Daher wird das Risiko der Beeinflussung des Gerichts nur auf Private zurückgeführt werden können.112 Diesem Umstand könnte dadurch begegnet werden, dass Gerichtsdokumente nicht weit vor, sondern erst während eines Verfahrens erstmalig veröffentlicht werden.113 Sollte dennoch eine öffentliche Vorverurteilung erfolgt sein, wie dies vorrangig in Strafverfahren der Fall sein kann, dann muss der Richter sich gegen den Druck einer ihm entgegengebrachten Meinung zur Wehr setzen.114 109  Entsprechende Vorverurteilungen erfolgen regelmäßig durch die Massenmedien und stellen häufig eine erhebliche Belastung für die Betroffenen dar; Gounalakis, NJW 2016, 737, 737. 110  Alwart, JZ 1990, 883, 884; Ernst, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, S. 80 f. In der Vergangenheit sollte daher die Störung der Strafrechtspflege pönalisiert werden vgl. hierzu Schmidt, Justiz und Publizistik, S. 61 ff. Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, S. 164, 224 stellt aufgrund der Auswertung verschiedener Studien über das Verhalten von Verfahrensbeteiligten vor einer Kamera im Gerichtssaal jedoch fest, dass Richter grundsätzlich ihr Verhalten durch die Präsenz einer Kamera nicht (negativ) verändern, sondern allenfalls ihr Verhalten im Hinblick auf ihre Verfahrensrolle optimieren. Vgl. hierzu auch Barber, News Cameras in the Courtroom, S.  75 f. 111  So auch Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, S. 317 ff.; a. A. Ernst, NJW 2001, 1624, 1626; Ernst, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, S. 81; Stürner, JZ 1978, 161, 164 f. mit der Begründung, dass Richter durch die öffentliche Meinung beeinflusst werden können, so dass jegliche Form der öffentlichen Meinungsäußerung prinzipiell auch geeignet ist, die richterliche Unabhängigkeit zu behindern. Dem muss entgegengehalten werden, dass bereits heute Aufnahmen vor oder nach der Verhandlung mit Bezug auf die Medienöffentlichkeit zugelassen sind und hierüber eine Identifizierung des Gerichts ermöglicht wird, ohne dass dies bisher die Entscheidungsfreiheit des Richters tangiert hat, vgl. Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, S.  317 f. 112  Zum Einfluss der öffentlichen Meinung auf die Rechtsprechung, Kloepfer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Band III, § 42 Rn. 34. 113  Vgl. die Überlegungen in Kap. 4. B. II. 1., 2. 114  Fischer, Recht und Richter, abrufbar unter http: /  / www.zeit.de / gesellschaft /  2016-08 / rechtsbeugung-recht-und-richter-fischer-im-recht / seite-6; Tschentscner, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 158; Ballhausen, IT-Einsatz in der Justiz, S. 70 f. Zur Zulässigkeit und den Grenzen der Justizkritik vgl. Wassermann, in: Wassermann (Hrsg.), Justiz und Medien, S. 30, 30 ff.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit349

Aufgrund der bereits heutzutage durch die Massenmedien erfolgten teilweise voreingenommenen Berichterstattung kann eine digitale Erweiterung öffentlichen Staatshandelns viel eher dazu dienen, ein differenzierteres Bild der Betroffenen zu schaffen und gleichsam den Zuschauern die (zuweilen mühsame) Arbeitsweise der Justiz vor Augen führen. Richter sind zudem durch ihren Arbeitsalltag daran gewöhnt, umstrittene Sachverhalte zu klären und über diese zu richten, so dass eine entgegenstehende öffentliche Meinung als kein Hindernis eines fairen Prozesses angesehen wird.115 Ein Richter, der es aber allen Recht machen will und sich schwer mit Entscheidungen tut, hat seinen Beruf verfehlt. Solche Personen sollten nicht durch das System vor der Öffentlichkeit geschützt werden. Die verlautbarte Befürchtung, dass Personen aus der Sphäre des Gerichts sich durch das Agieren vor einer größeren Öffentlichkeit gehemmt fühlen könnten,116 sich so zu verhalten, wie es das Gesetz ihnen vorgibt, verkennt, dass bereits heute eine Gerichtsöffentlichkeit besteht und Journalisten teilweise wörtlich die getroffenen Aussagen vor Gericht mitschreiben und anschließend veröffentlichen.117 Bereits heute nutzen Richter zudem die Urteilsverkündung, um auf Missstände in der zuvor erfolgten Berichterstattung hinzuweisen.118 Strafrechtlich sanktionierte Bedrohungen oder Übergriffe gegenüber der Justiz oder Betroffenen sind darüber hinaus nicht zu dulden und entsprechend zu ahnden. Die Nötigung eines Amtsträgers in einem solchen Fall wird von der Rechtsordnung besonders missbilligt, §§ 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2, 105 Abs. 1. Nr. 3 StGB.119 In diesem Zusammenhang stellt sich sogar die Frage, ob die heute stattfindenden Prozesse mit präsenter Saalöffentlichkeit in manchen Fällen sogar für Richter belastender sind als eine digitale Öffentlichkeit, da teilweise die Saalöffentlichkeit sich auch akustisch und physisch bemerkbar macht. Bei einer einzelnen Kamera im Gerichtssaal ist hingegen davon auszugehen, dass sich das Gericht hieran schnell gewöhnen wird. 115  Zum Begriffsverständnis der öffentlichen Meinung siehe Kloepfer, in: Isensee /  Kirchhof, HdbStR Band III, § 42 Rn. 1 ff. 116  Vgl. Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, S. 150; Ernst, NJW 2001, 1624, 1626. 117  Bräutigam, Stellungnahme zum EMöGG v. 16.06.2016, S. 3; https: /  / www. bmjv.de / SharedDocs / Gesetzgebungsverfahren / Stellungnahmen / 2016 / Downloads /  06162016_Stellungnahme_ARD_RefE_EMoeGG.pdf?__blob=publicationFile&v=3. 118  http: /  / www.badische-zeitung.de / panorama / milde-strafen-nach-teufelsaustrei bung—133746324.html. 119  Tschentschner, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, S. 158. Auch andere Formen der Beeinflussung von Richtern werden gem. §§ 334 Abs. 2, 333 Abs. 2 StGB strafrechtlich sanktioniert.

350 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Die Gefahr einer verkürzten und damit verfälschenden Darstellung, die die Justiz in ein schlechtes Licht rücken würde, ist aufgrund einer vollständigen Übertragung der Verhandlung zu verneinen. Das Risiko, dass Teile einer Verhandlung aus dem Kontext gerissen in anderen Medien erscheinen könnten, soll vorliegend durch entsprechende gesetzliche Verbote unterbunden werden.120 Es ist zudem auch nicht gewollt, dass der Richter sich in einem anderen Licht zeigt oder seine Urteile kommentiert. Er soll lediglich seine Arbeit wie üblich abhalten – nur mit dem Unterschied, dass die öffentliche Verhandlung nun auch von virtuellen Zuschauern verfolgt werden kann. Inwieweit ein unbekannter nur virtuell anwesender Zuschauer nun einen Gerichtsprozess stärker beeinflussen sollte, als ein tatsächlich vor Ort befind­ licher Zuschauer, ist bisher noch nicht belegt worden.121 Um Verfahrensbeteiligte und Justizpersonen besser zu schützen, bietet sich der Erlass eines neuen Straftatbestandes an, der das befürchtete Abfilmen und Einstellen von Verhandlungssequenzen auf Youtube und anderen Plattformen pönalisiert.122 Eine solche Vorschrift würde neben dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Betroffenen auch dem Schutz der Verhandlungsdurchführung und der Wahrheitssuche dienen. 2. Wahrung der Justizgrundrechte – Gesetzlicher Richter Eine weitere Grenze bei der Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit findet sich darüber hinaus in den Justizgrundrechten. So muss vor allem gewährleistet bleiben, dass das Recht auf den gesetzlichen Richter, Art. 101 GG gewahrt ist,123 d. h. der Betroffene darf nicht durch die Allgemeinheit eine bindende Verurteilung erfahren. Der Umstand, dass Zuschauer sich eine Meinung von den Verfahrensbeteiligten auf diesem Wege bilden können, verletzt dieses Justizgrundrecht nicht. Jedem Betroffenen ist zudem rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 Abs. 1 GG), und es darf keine Doppelbestrafung vorgenommen werden (Art. 103 Abs. 2 GG). Eine solche ist bei einer Präsentation eines Verfahrens vor einer größeren Öffentlichkeit grundsätzlich nicht gegeben, sondern bezieht sich auf eine doppelte gerichtliche Aburteilung eines strafrechtsrelevanten Sachverhaltes. Ein Verfahren muss darüber hinaus noch durchführbar sein und darf aufgrund der Öffentlichkeit seine Funktionstüchtigkeit nicht verlieren. Daher ist 120  Vgl.

ausführlich C. II. 1. entsprechende wissenschaftliche Auswertung wäre allerdings wünschenswert. Zur Risikobewertung analoger und digitaler Zuschauer vgl. Kapitel 4 C. IV. 122  Siehe C. II. 1. 123  Zur Historie des gesetzlichen Richters in Deutschland und dem daraus folgenden Verständnis dieser Figur siehe Seif, in: Heinrich (Hrsg.), FS Musielak, S. 544 ff. 121  Eine



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eine partizipative Öffentlichkeit, die über den bisherigen Rahmen partizipativer Beteiligungsrechte der Allgemeinheit in Form von Laienrichtern hinausgeht, abzulehnen. Zudem ist einzig den Richtern durch Art. 92 GG die rechtsprechende Gewalt anvertraut worden. Somit ist eine weitergehende Partizipation der Bevölkerung weder geboten noch überhaupt gestattet, da der Verfassungsgeber eine klare Verantwortungszuteilung vorgenommen hat. 3. Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes Die Gewährleistung des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG ist ebenfalls im Rahmen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit zu achten. Zum effektiven Rechtsschutz gehört auch der Erhalt einer gerichtlichen Entscheidung innerhalb eines angemessenen Zeitraums. Daher darf die Neugestaltung der Öffentlichkeit eines Gerichtsverfahrens nicht dazu führen, dass der Beschleunigungsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) bei gerichtlichen Verfahren unterlaufen wird. Sollten Richter für die bessere Vorbereitung ihrer Verfahren mehr Zeit benötigen, darf dies nicht zu Lasten der Verfahrensbeteiligten gehen.

III. Öffentlichkeit und Grundrechte von verfahrensbeteiligten Privatpersonen Die Rechtsstaatlichkeit eines Verfahrens bemisst sich auch an der Einhaltung grundrechtlicher Freiheits- und Gleichheitsrechte.124 Diese sind aber nicht alleine als Kernelement des Rechtsstaatsprinzips zu werten, sondern besitzen einen eigenen, für sich stehenden Wert. Die mit dem Prinzip der Öffentlichkeit konfligierenden Grundrechtspositionen konturieren die Gestaltung der Digitalisierung von Öffentlichkeit. Verschiedene grundrechtlich geschützte Interessen wie beispielsweise das Persönlichkeitsrecht oder die Eigentumsfreiheit stehen einer grenzenlosen Öffnung und Digitalisierung des Gerichtsverfahrens entgegen. Neben allgemeinen Schranken müssen nämlich auch die Rechte aller Verfahrensbeteiligten hinreichend beachtet werden. Insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seinen unterschiedlichen Ausprägungen kann die Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit beschränken. Aber auch andere Grundrechte wie die Berufsfreiheit von Parteien oder beteiligter Anwälte müssen gewahrt werden.

124  Schulze-Fielitz,

in: Dreier (Hrsg.), GG, Band II, Art. 20 Rn. 39.

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1. Erweiterte Gerichtsöffentlichkeit ≠ menschenunwürdiger Schauprozess Das Recht auf ein faires Verfahren ist insbesondere dann verletzt, wenn der Mensch in einem Gerichtsprozess in seiner Menschenwürde angetastet werden würde. Die Menschenwürde, aus der sich auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht ableitet, gilt im Rahmen justiziellen Handelns als verletzt, wenn der Betroffene im Rahmen eines sogenannten Schauprozesses vorgeführt wird.125 Hierfür bedarf es allerdings der vorrangigen Prüfung, ob die Menschenwürde durch eine Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit und einer damit einhergehenden Erweiterung der Öffentlichkeit überhaupt tangiert ist.126 Durch seine Bindung an die Menschenwürde hat der Staat nicht nur sicherzustellen, dass er diese achtet, er muss auch Verletzungen von Seiten Privater verhindern.127 Da dieses Grundrecht als absolut (bzw. als „unantastbar“) gewertet wird, kann eine Verletzung dessen nicht gerechtfertigt werden.128 In diesem Kontext ist zu klären, was die Charakteristika eines verbotenen Schauprozesses sind und ob Öffentlichkeit überhaupt eine relevante Größe hierfür spielen kann.129 a) Charakteristika eines verbotenen Schauprozesses Der Begriff des Schauprozesses fällt häufig als Argument gegen eine Erweiterung der (Medien-)Öffentlichkeit bei Gerichtsverhandlungen130, ohne diesen näher zu präzisieren.131 Das Verb schauen findet seinen Ursprung im 125  Dies beruht auf dem Umstand, dass die öffentliche Prangerstrafe früherer Zeiten heute als Verstoß gegen die Menschenwürde angesehen wird, vgl. Rinsche, ZRP 1987, 384, 384. 126  Arndt, in: Die neue Gesellschaft, 1956, S. 338, 339 geht von einem Konflikt zwischen der „technisierten Öffentlichkeit“ (mit der er sich auf die Übertragung von Verhandlungen durch den Rundfunk bezog) und dem Grundrecht auf Menschenwürde aus. 127  BVerfGE 1, 97, 104; BVerfGE 115, 118, 153; Hillgruber, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 1 Rn. 7. 128  BVerfGE 75, 369, 380; BVerfGE 93, 266, 293; Hillgruber, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 1 Rn. 7. 129  So wohl Hassemer, ZRP 2013, 149, 150, der im (fehlerhaften) Einsatz der Kommunikationstechnologie die Gefahr der Errichtung einer unzulässigen Prangerstrafe vermutet; Roxin / Schünemann, Strafverfahrensrecht, Kap. 8 Rn. 4; Kuß, Öffentlichkeitsmaxime der Judikative und das Verbot von Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, S. 16 f.; kritisch zur Vergrößerung des Zuschauerkreises Roxin, in: Baumann / Tiedemann (Hrsg.), FS Peters, S. 403 f. 130  Wickern, in: Erb u. a. (Hrsg.), Löwe-Rosenberg, StPO, Band 10, § 169 GVG Rn. 10 m. w. N. spricht insoweit von einem „Spektal“.



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althochdeutschen „scouwōn“132, was sehen oder betrachten bedeutet.133 Allerdings hilft die etymologische Herleitung kaum, da jede öffentliche Verhandlung „angeschaut“ werden kann. Vielmehr sollte daher das Substantiv im Rahmen des neueren Begriffsverständnisses herangezogen werden, um die Charakteristika eines Schauprozesses zu definieren, da auch dieser zusammengesetzte Begriff verhältnismäßig jung ist. Das Substantiv der „Schau“ wird synonym auch für Spektakel, Spiel, Aufführung und Darbietung verwendet134 und beschreibt mithin ein Schauspiel bzw. eine Vorführung. Schauprozesse sind daher auch eine andere Bezeichnung für einen öffentlichen Scheinprozess.135 Die erniedrigende öffentliche Vorführung von politisch Verfolgten beispielsweise zu Zeiten des Nationalsozialismus, bei der Betroffene ohne echte Verteidigungsmöglichkeit waren, die rechtsstaatlichen Grundsätze einer Beweisaufnahme nicht berücksichtigt wurden und häufig bereits zuvor festgelegte Urteile mit unmenschlichen Strafen erwarteten, dienten der Abschreckung sowie Disziplinierung der Bevölkerung. Die „Medialisierung“ hat hierbei vor allem die Aufgabe, diese „Botschaft“ des dahinterstehenden Regimes zu vermitteln. Eine öffentliche Bloßstellung der Angeklagten kann zudem eine weitere Intention gewesen sein. Allerdings beruht eine entsprechende Demütigung lediglich auf dem Umgang des Gerichts mit dem Betroffenen. Damit ein Eingriff und somit auch eine Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) vorliegt, verlangt nach der heutigen Objektformel des Bundesverfassungsgerichts die Rechtsprechung, dass „der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird“.136 Folglich bedarf es für das Vorliegen eines Schauprozesses (1) einer Abwertung des Betroffenen in seiner Selbstgeltung als Mensch im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, (2) welches sich nicht nach rechtsstaatlichen Maßstäben richtet.

131  Unter vielen Alwart, JZ, 1990 883, 892, 894; Roxin / Schünemann, Strafverfahrensrecht, Kap. 8 Rn. 4 sieht hierin eine „Pervetierung der Öffentlichkeit“; Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 308. 132  Im Mittelhochdeutschen änderte sich dann die Schreibweise in „schouwe“ vgl. Benecke / Müller / Zarncke, Mittelhochdeutsches Wörterbuch, S. 197 f. 133  https: /  / www.duden.de / rechtschreibung / schauen. 134  https: /  / www.duden.de / rechtschreibung / Schau. 135  KG, Beschl. v. 15.03.1954  – 1 RHE AR 7 / 54  – 1 a Ws 26 / 54; VG Bremen, Urt. v. 08.10.1959 – II A 47 / 59. 136  Dürig, AöR 81 (1956), S. 127; BVerfGE 30, 1, 40 m. w. N., 42.

354 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

aa) Menschliche Degradierung zum Objekt staatlichen Handelns Die Objektformel des Bundesverfassungsgerichts137 besagt, dass „dem Menschen in der Gemeinschaft ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch“ zukommt.138 „Es widerspricht daher der menschlichen Würde, den Menschen zum bloßen Objekt im Staate zu machen.“139 Die Verobjektivierung eines Bürgers und damit dessen Missachtung seiner Stellung als Rechtssubjekt wurde daher angenommen, wenn der Staat das Kollektiv der Gesellschaft einem einzelnen Menschenleben vorzieht140 oder allgemein eine Abwägung von Leben gegen Leben erfolgt.141 Aber auch jede weitere Behandlung „der öffentliche[n] Gewalt [verstößt gegen die Menschenwürde, die] die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jeden Menschen um seiner selbst willen zukommt“.142 Hierbei bedarf es jedoch insoweit einer differenzierten Betrachtungsweise, so dass eine Menschenwürdeverletzung nicht „vorschnell bejaht werden [darf, sondern] vielmehr […] die Subjektqualität eines jeden einzelnen Menschen oder des Menschen allgemein, prinzipiell in Frage gestellt werden“ muss.143 bb) Nichtachtung rechtsstaatlicher Vorgaben im Gerichtsverfahren Vielfach wird vorgebracht, dass ein Verfahrensbeteiligter durch eine ausgeweitete Öffentlichkeit zum bloßen Objekt staatlichen Zwangs wird. Hierfür wird als Negativbeispiel der Missbrauch der Nationalsozialisten angeführt, die Gerichtsverhandlungen aus Propagandazwecken per Rundfunk144 übertragen haben.145 Allerdings wird häufig übersehen, dass die Nationalsozialisten ihr Augenmerk nicht auf die Schaffung von Öffentlichkeit zur Kontrolle der Gerichte gelegt und daher mittels Rundfunkübertragung „normale“ Streitfälle 137  StRspr BVerfGE 27, 1, 6; BVerfGE 45, 187, 228; BVerfG NJW 1998, 519, 521; BVerfGE 115, 118, 153; BVerfG NJW 2015, 1083, 1083; BVerfG NJW 2017, 611, 619 f. 138  BVerfGE 27, 1, 6. 139  BVerfGE 27, 1, 6; Dürig, AöR 81 (1956), S. 127. 140  BVerfG, Urt. v. 17.01.2017  – 2 BvB 1 / 13; Hillgruber, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), Beck’OK Grundgesetz, Art. 1 Rn. 13. 141  BVerfG, Urt. v. 15.02.2006 – 1 BvR 357 / 05. 142  BVerfGE 109, 279, 313. 143  Schapiro, in: Bräutigam / Rücker (Hrsg.), E-Commerce, 6. Teil  H Rn. 8; BVerfG NJW 1993, 1457, 1458 f. 144  Hierbei handelte es sich allerdings nur um akustische Übertragungen (sog. Hörfunk). 145  Z. B. die Aburteilung des Reichstagsbrandes vom 27.02.1933, Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, S. 24.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit355

beispielsweise aus der Zivilgerichtsbarkeit publik gemacht haben, sondern es vorrangig um Verfahren des Volksgerichtshofes und daher eines Sondergerichts ging, das Hoch- und Landesverrat aburteilte und damit politisch tätig wurde. Die Richter dieses Gerichts handelten menschenunwürdig und beriefen sich hierfür auf Gesetze, die ebenfalls nicht dem heutigen rechtsstaat­ lichen Niveau entsprachen. Die unter dem Grundgesetz und seinen rechtsstaatlichen Sicherungen etablierte Rechtsordnung bietet jedoch nicht mehr den Raum für Willkür, wie dies früher der Fall war.146 So führte das Kammer­ gericht im Jahr 1954 aus: „Zu den [damaligen] Hauptverstößen dieser Art rechnet vor allem die Tatsache, daß den Angekl. durchweg eine ausreichende Verteidigung nicht zugebilligt oder ermöglicht, eine Offizialverteidigung nur in den Fällen zugelassen wurde, in denen ein Todesurteil gesprochen werden sollte, daß eine der StPO entsprechende Beweisaufnahme nicht durchgeführt, der Verurteilung vielmehr fast ausschließlich nur mehr oder weniger unvollkommene polizeiliche Protokolle oder Denunziationen zugrunde gelegt wurden, so daß sicher fundierte Schuldfeststellungen nicht getroffen werden konnten, daß der Grundsatz der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung nur in den wenigen Fällen Beachtung fand, in denen sog. Schauprozesse durchgeführt wurden, daß die Urteile schon vorher und nach bestimmten Richtlinien festgelegt waren, daß die verhängten hohen und höchsten Zuchthausstrafen und Todesstrafen überwiegend in keinem gerechten Verhältnis zu den angeblichen Verfehlungen standen und in ihrer Unmäßigkeit jedem rechtsstaatlich anerkannten Grundsatz und auch den Prinzipien der Kontrollratsproklamation Nr. 3 widersprachen, usw. usw.“147 Entsprechende Schauprozesse fanden im Nationalsozialismus aufgrund politischer Motivation statt. Diese „Verfahren [waren] mit einer Fülle von Verstößen gegen die elementarsten Rechtsprinzipien behaftet […].“148 Die Veröffentlichung der Verfahren sollte einerseits den Schein einer Gerichtsverhandlung erfüllen und andererseits Angst vor und auch Anpassung an das System in der Bevölkerung erzeugen und nicht wie heute Rechtsfrieden herstellen oder eine effektive Kontrolle der anderen Gewalten sein. Aus diesem Grund ist der Vergleich mit der Epoche der Nationalsozialisten unpassend, da diese nicht die heutige Wirklichkeit abbildet. Die damaligen öffentlich übertragenen Verfahren waren ohne Zweifel menschenunwürdig, die reine mediale Übertragung jedoch hat diese Verletzung nicht hervorgerufen, sondern das Schauspiel des Gerichtsverfahrens als solches. Die Öffentlichkeit ist damit keine Voraussetzung für einen Schauprozess, sondern nur Mittel zum Zweck. In der derzeitigen Epoche besteht zudem eher die Tendenz, 146  Wettstein,

Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, S. 41. Beschl. v. 15.03.1954 – 1 RHE AR 7 / 54 – 1 a Ws 26 / 54. 148  KG, Beschl. v. 15.03.1954 – 1 RHE AR 7 / 54 – 1 a Ws 26 / 54. 147  KG,

356 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

dass bei politisch motivierten Prozessen, die Todesurteile nach sich ziehen, die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird.149 b) Dimensionen einer quantitativen und qualitativen Erweiterung von Öffentlichkeit Der Schauprozess ist damit als ein Scheinprozess zu werten, bei dem die Öffentlichkeit nur passiv rezipiert. Vor diesem Hintergrund ist zu überlegen, ob es überhaupt ein Zuviel an Öffentlichkeit geben kann,150 da die nunmehr bestehende deutsche Rechtsordnung nicht mehr den Raum für Willkür oder Unrecht gewährt, wie dies früher der Fall war.151 Hierbei stellt sich die Frage, ob eine Verletzung der Menschenwürde alleine durch die Erweiterung der Gerichtsöffentlichkeit, sei es durch quantitative oder sei es durch qualitative Elemente, ausgelöst werden kann.152 Ein menschenwürdiger Umgang bemisst sich nach der hier vertretenen Auffassung nicht an der Quantität der Zuschauer, sondern an der rechtsstaatlichen Prägung des Richters und den seinem Handeln zugrundeliegenden Gesetzen.153 Der Umstand, dass ein Verfahren einem großen Publikum vorgeführt wird, kann nach der hier vertretenen Auffassung alleine nicht dazu führen, staatliches Recht in Unrecht umkehren zu lassen.154 Inzwischen werden daher auch Gerichtsverfahren, die eine große Aufmerksamkeit mit sich bringen, außerhalb des Gerichtsgebäudes abgehalten. Dies ist beispielsweise der Fall bei dem Verfahren vor dem Landgericht Duisburg um die Massenpanik und die damit in Zusammenhang stehenden (vermeintlichen) Planungsmängel bei der Loveparade 2010 in Duisburg, wo die mündlichen Verhandlungen in einer angemieteten Düsseldorfer Messehalle stattfinden, welche mehrere hundert Personen fassen soll, damit alle Verfahrensbeteiligten, aber auch viele interessierte Zuschauer das Verfahren verfolgen können.155

149  Vgl. https: /  / www.welt.de / politik / ausland / article119266119 / Schauprozess-inchinesischem-Polit-Krimi-beginnt.html; http: /  / www.abendblatt.de / politik / ausland /  article108731386 / Schauprozess-in-China-endet-mit-Todesurteil.html. 150  Kuß, Öffentlichkeitsmaxime der Judikative und das Verbot von Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, S. 16 f. So wohl Roxin, in: Baumann / Tiedemann (Hrsg.), FS Peters, S.  403 f.; Roxin / Schünemann, Strafverfahrensrecht, Kap. 8 Rn. 4. 151  Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, S. 41. 152  So Roxin / Schünemann, Strafverfahrensrecht, Kap. 8 Rn. 4. 153  Alwart, JZ 1990, 883, 894. 154  So auch Seibert, NJW 1970, 1535, 1536. 155  http: /  / www.lg-duisburg.nrw.de / behoerde / loveparade / ; https: /  / www.lto.de /  recht / nachrichten / n / lg-duisburg-loveparade-prozess-gerichtssaal-messegelaende-



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit357

Die Frage nach der Qualität des Verfahrens und dessen öffentliche Darstellung, d. h. einer authentischen Wiedergabe kann anders als die Anzahl der Zuschauer für die Wahrung der Menschenwürde von Bedeutung sein. Ein öffentliches Gerichtsverfahren wird der Vorgabe der Menschenwürde nur gerecht, wenn den Verfahrensbeteiligten als Mensch begegnet wird und keine verzerrende Darstellung und Aburteilung stattfindet. Zudem muss ein authentisches Auditorium gegeben sein. Dieses darf insbesondere nicht durch „Statisten“ besetzt sein, die den Schein eines öffentlichen Verfahrens vorgeben, da in diesem Fall keine wirkliche Öffentlichkeit und damit kein rechtsstaatliches Verfahren gegeben ist.156 Der einzelne wahrhafte Zuschauer sowie das Kollektiv tangieren damit die Menschenwürde von Verfahrensbeteiligten nicht. Die vorliegend untersuchte digitale Gerichtsöffentlichkeit soll nur ein authentisches Bild der Reaktionen der Verfahrensbeteiligten widerspiegeln und damit keine verobjektivierende Stellungnahmen bezüglich der Verfahrensbeteiligten vornehmen. Mangels kommerzieller Interessen einer Öffentlichkeit wird hierüber auch die Banalität vieler Verhandlungen und die Komplexität vieler Fragestellungen und der Beweiswürdigung darstellbar, während diese Aspekt in der Presse vielfach nur sehr verkürzt dargestellt werden. Die Erweiterung einer authentischen Öffentlichkeit bei rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren stellt damit keine Verletzung der Menschenwürde dar.157 Vielmehr muss beachtet werden, dass die Menschenwürde in enger Korrelation zum Demokratieprinzip steht und damit einen Anspruch „des Einzelnen auf freie und gleiche Teilhabe an der öffentlichen Gewalt verankert“ und diese fördert.158 Eine Beeinträchtigung der Menschenwürde könnte lediglich angenommen werden, wenn der Richter diese Plattform nutzt, um ein Exempel zu statuieren und um die Betreffenden auf willkürliche Art und Weise vorzuführen. Dies ist jedoch heutzutage kaum denkbar. Die verschiedenen fein konturierten Verfahrensordnungen sind rechtswegeübergreifend derart konkret am Maßstab des fairen Verfahrens und den bestehenden verfassungsrechtlich geschützten Interessen ausgestaltet, dass sie einen rechtsstaatlichen menschenwürdigen Umgang mit den Verfahrensbeteiligten en detail vorgeben. Darüber hinaus wird durch die Öffentlichkeit ein dem entgegenstehendes richterliches Verhalten eher gemäßigt, so dass eine digitale Öffentlichkeit die Menschenwürde vielmehr schützt als diese zu verletzten. Der urteilende Richter kann sich nämlich nie sicher sein, wer gerade die Verhandlung verduesseldorf / ; https: /  / www.merkur.de / welt / loveparade-katastrophe-prozess-mit-600sitzplaetzen-zr-8839119.html. 156  So auch Seibert, NJW 1970, 1535, 1536. 157  So auch Seibert, NJW 1970, 1535, 1536. 158  Hillgruber, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 1 Rn. 15.

358 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

folgt und ob dies nicht gegebenfalls sogar ein Gerichtspräsident oder das Ministerium ist, das über seine nächste Bewertung oder Beförderung entscheidet. Zudem soll gerade die Öffentlichkeit jede menschenunwürdige Veränderung in der Gesetzgebung aufzeigen und verhüten. Öffentlichkeit allein kann daher ein Verfahren nicht menschenwürdeverletzend gestalten, allenfalls besteht die Möglichkeit, dass sie eine potenzierende Wirkung besitzt, wenn das Verfahren als solches bereits die Menschenwürde verletzt. Daraus wird ersichtlich, dass ein Schauprozess zwar durch die Übertragung einer Verhandlung leichter publik gemacht wird und sich hierdurch gegebenenfalls erlebte Verletzungen vertiefen. Allerdings zeigt dieser Umstand auch auf, dass Öffentlichkeit alleine kein Grund für die Annahme eines Schauprozesses sein kann. Ein Verobjektivierungsrisiko eines Angeklagten ist lediglich denkbar, wenn dieser einer juristisch unbegleiteten Entscheidung der Bevölkerung überlassen wird. Zudem birgt ein Laienurteil immer auch ein Willkürrisiko, da zu vermuten ist, dass nicht die bestehenden Gesetze angewendet werden können und dadurch die Rechtsprechung ihren hohen Standard verlieren würde. Somit ist sicherzustellen, dass eine partitive Form der Öffentlichkeit nur unter der Aufsicht eines Berufsrichters erfolgt. Darüber hinausgehende Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung bergen hingegen zu hohe Risiken einer Menschenwürdeverletzung. Eine weitere Fallgruppe, die eine Verletzung der Menschenwürde darstellen kann, ist die Verletzung des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung eines Verfahrensbeteiligten.159 Solchen Verletzungen kann bereits durch einen vollständigen Ausschluss der Öffentlichkeit vorgebeugt werden, wie dies § 170 GVG vorsieht. Die digitale Öffentlichkeit tangiert diese Fallgruppe jedoch nicht, da Sachverhalte, die nicht diesem Kernbereich originär zugeordnet sind, auch nicht durch eine neue Form der Öffentlichkeit zu dieser Fallgruppe hinzugerechnet werden können. Daher kann die Menschenwürde einen Ausschluss der Öffentlichkeit nur in bestimmten Fällen vorgeben, die den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung betreffen, grundsätzlich jedoch nicht eine Digitalisierung der Öffentlichkeit gänzlich unterbinden. Darüber hinaus verbietet die Menschenwürde degradierende und damit unmenschliche Strafen.160 Allerdings stellt der bloße Prozess nach den derzeitigen Verfahrensvorgaben lediglich die Erforschung der Wahrheit und die anschließende Verurteilung dar und ist damit nicht Teil des zur Verfügung 159  BVerfGE 6, 32, 41; BVerfGE 109, 279, 313 ff., 319 ff.; BVerfGE 130, 1, 22; Hillgruber, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 1 Rn. 27. 160  BVerfGE 109, 133, 150; BVerfG NJW 2016, 389, 390; Hillgruber, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 1 Rn. 31.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit359

stehenden Strafkanons. Mithin ist auch diese Fallgruppe von Menschenwürdeverletzungen im vorliegenden Kontext nicht berührt. Weder das verankerte Schuldprinzip noch der Grundsatz auf ein faires Verfahren,161 welcher auch in der Menschenwürde wurzelt, werden durch die im Rahmen dieser Arbeit vorgesehenen Modernisierungen der Justiz angetastet.162 Somit besteht das zuweilen postulierte verbotene Übermaß von Öffentlichkeit nicht, wenn Prozesse live im Internet übertragen werden. Der menschenwürdewidrige Schauprozess ist vielmehr Ausdruck eines Gerichtsverfahrens, in dem die Verfahrensbeteiligten keinen menschenwürdigen Umgang erfahren. Aufgrund der heutigen feintarierten Abstimmung der Prozessordnungen wird vorliegend davon ausgegangen, dass eine Degradierung einer Prozesspartei zum Objekt staatlichen Handelns bei Wahrung der gesetzlichen Vorgaben nicht mehr denkbar ist. Daher stellt eine dennoch stattfindende Degradierung einer Partei im Rahmen eines Verfahrens verbunden mit der Verwehrung ihrer gesetzlichen Rechte gerade ein Argument für die erweiterte Zulassung des kontrollierenden Blickes der Öffentlichkeit dar. 2. Allgemeines Persönlichkeitsrecht – Wirklichkeit und Modifizierungsbedarf Das Öffentlichkeitsprinzip wurde im letzten Jahrhundert immer weiter mit der Begründung eingeschränkt, dass Aspekte des Persönlichkeitsschutzes derlei gebieten würden.163 Diese Entwicklung wird der Berichterstattung durch die klassischen Medien angelastet.164 Erst in den letzten Jahren hat wieder eine weitere Öffnung der Gerichte begonnen.165 Wie zaghaft dieser Wandel jedoch ist, spiegelt sich in dem Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunika­ tionshilfen für Sprach- und Hörbehinderte (EMöGG) aus dem Jahr 2017 wider. Die Bedeutung und Reichweite des Persönlichkeitsschutzes sollen im Folgenden aufgezeigt werden, um die hieraus erwachsenen Schranken für die digitale Gerichtsöffentlichkeit greifbar zu machen.166 161  Siehe

B. II. 1. zu Anforderungen an ein faires Verfahren BVerfGE 57, 250, 274 f.; Hillgruber, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 1 Rn. 33, 37.2. 163  Stutz, Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafverfahren, S. 115 f. 164  Stutz, Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafverfahren, S. 115 f.; vgl. Böttcher, DRiZ 84, 17, 17. 165  Vgl. Lechner / Zuck, BVerfGG, § 17a Rn. 5. 166  Der Persönlichkeitsrechtsschutz wurde u.  a. durch folgende Entscheidungen maßgeblich geprägt: BVerfGE 34, 238 ff. – Tonband; BVerfGE 35, 202 ff. – Lebach; BVerfGE 65, 1 ff. – Volkszählung; BVerfGE 120, 274 ff. – Online-Durchsuchung. 162  Vgl.

360 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG167 ist eines der prägenden Grundrechte in Deutschland, da dieses jedem einzelnen die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit sichert. Hierfür haben sich verschiedene Fallgruppen des Persönlichkeitsrechtes herausgebildet, die eine Konturierung dieses weiten Grundrechts erlauben.168 Zunächst ist das Recht am eigenen Bild zu wahren, wonach bei der Darstellung seiner Person jeder das Recht hat, frei darüber zu bestimmen, wie er sich selbst darstellen möchte.169 Des Weiteren besteht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.170 Dieses gestattet jedem Bürger, eigenständig darüber zu entscheiden, welche persönlichen Informationen er über sich preisgibt und wie mit diesen weiter umgegangen wird. Insbesondere darf jedes personenbezogene Datum nur nach Zustimmung des Betroffenen (oder aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigungsnorm, die ebenfalls geschützten Interessen dient) verarbeitet werden.171 Hierzu gehören beispielsweise der Name und die Anschrift von Betroffenen. Es steht demnach im Ermessen jedes Einzelnen, über Informationen über seine Person, Aufnahmen seiner Person172 oder Veröffentlichung seiner Akten, die Rückschlüsse über höchstpersönliche Lebensumstände offenbaren,173 zu bestimmen.174 Gleiches gilt für das gesprochene sowie das geschriebene Wort. Aufgrund des Rechts am eigenen Wort kann jeder bestimmen, ob seine Worte überhaupt aufgezeichnet werden dürfen und wer diese aufzeichnen darf.175 Wenn Kinder in einem Verfahren beteiligt sind, bedarf es eines weiteren Schutzes, um diese nicht in ihrer Entwicklung zu beeinträchtigen, da der Entwicklungsschutz für Kinder ebenfalls ein verfassungsrechtlich geschütztes Interesse aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 6 GG ist.176 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt somit auch Kinder in ihrer Entwicklung.177 Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist das 167  BVerfGE 54, 148, 155; BVerfGE 63, 131, 142; BVerfGE 101, 361, 379 ff.; siehe hierzu auch Brandner, JZ 1983, 689, 689 ff. 168  Ausführlich hierzu Jarass, NJW 1989, 857, 858. 169  BVerfGE 54, 148, 155; BVerfGE 63, 131, 142; Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG Art. 2 Rn. 193. 170  BVerfGE 65, 1, 38 ff.; BVerfGE 101, 361, 381; BGH NJW 1991, 2651. 171  Vgl. BVerfGE 65, 1, 38 ff. 172  BGH NJW 1985, 1617, 1618 ff. 173  In Bezug auf ein Scheidungsverfahren bei dem die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist, vgl. BVerfGE 27, 344, 350 f. Zur höchstpersönlichen Sphäre werden auch Steuerdaten gezählt, vgl. BVerfG NJW 1984, 2271, 2275. 174  Jarass, NJW 1989, 857, 858. 175  BVerfG NJW 1980, 2070, 2071; BVerfG NJW 1992, 815, 815  f.; BVerfG NJW 2002, 3619, 3621. 176  Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 208 f.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit361

Recht auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft, d. h. auf Resozialisierung, das besonders in Strafverfahren von Bedeutung ist.178 Jede dieser Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts stellt eine Schranke für die digitale Gerichtsöffentlichkeit dar und muss im Folgenden in verfassungsmäßiger Weise Berücksichtigung finden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist in all seinen Ausprägungen ein Jedermanngrundrecht,179 so dass jede natürliche (Privat-)Person, die in einem Gerichtsverfahren involviert ist, sich hierauf berufen kann. Juristische Personen können sich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht hingegen nicht stützen. Ein Unterbleiben einer Namensnennung kann nach Maßgabe von Art. 14, 12 GG dennoch gefordert werden.180 a) Schutzbereichsausprägungen im Kontext der Digitalisierung von Öffentlichkeit Verschiedene Schutzbereichsausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts können im Hinblick auf die digitale Gerichtsöffentlichkeit tangiert sein, allen voran die Autonomie der Selbstdarstellung.181 Besondere Ausformungen des Selbstdarstellungsschutzes als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind die informationelle Selbstbestimmung182, das Recht am eigenen Bild und das Recht am eigenen Wort.183 Die Autonomie der Selbstdarstellung berechtigt jeden Grundrechtsträger, frei zu bestimmen, wie mit seinen Daten, (nicht-öffentlich) gesprochenen Worten und Bildern zu verfahren ist.184 Dieser Form des Schutzes des Persönlichkeitsrechts wird vielfach auch von der Ausprägung des Schutzes der Privatsphäre flankiert,185 welche aufgrund ihrer untergeordneten Bedeutung für die bloße Digitalisie-

177  BVerfG

NJW 2000, 2191, 2192. NJW 1973, 1226, 1231 f. 179  Hufen, Staatsrecht II, S. 197; Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 319. 180  Vgl. B. III. 3 und 4. 181  Ausführlich zu dessen Herleitung Amelung, Der Schutz der Privatheit im Zivilrecht, S. 37 ff.; vgl. auch Schwetzler, Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkon­ trolle, S.  75 f. 182  BVerfGE 65, 1. 183  Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 166. 184  Vgl. Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 199. 185  Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 166. Dieser Aspekt ist in einem öffentlichen Gerichtsverfahren ebenfalls von Bedeutung, beispielsweise wenn im Rahmen eines Prozesses in die Intimsphäre eines Verfahrensbeteiligten eingedrungen wird. Zum Schutz der Intim- und Privatsphäre im Kontext medialer Berichterstattung vgl. Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, Rn. 36 ff. 178  BVerfG

362 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

rung von Öffentlichkeit in dieser Arbeit weitestgehend ausgeklammert wird.186 Aufgabe des Selbstdarstellungsschutzes ist es, „grundsätzlich selbst und allein bestimmen [zu können], ob und wieweit andere sein Lebensbild im Ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen“.187 Allerdings reicht dieser Schutz nicht so weit, dass der Betroffene beanspruchen kann, nur in der Art und Weise dargestellt zu werden, wie er sich selbst gerne sehen würde.188 Insbesondere hat der Täter eines Kapitalverbrechens keinen Anspruch darauf mit seiner Tat in der Öffentlichkeit nicht mehr konfrontiert zu werden und nachträglich „vollständig immunisiert“ zu werden.189 Die Ausprägung des Selbstdarstellungsschutzes wird als Haupt­ argument für das Verbot der Übertragung von mündlichen Verhandlungen i. S. d. § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG angeführt.190 Daneben ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen im Hinblick auf deren Entwicklung von besonderer Bedeutung. Neben dem Schutz über Art. 6 GG kommt ihnen auch ein Schutz im Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu. Hiernach soll ihre Entwicklung nicht durch äußere Faktoren nachhaltig beeinflusst werden und sie so in der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit hindern. Eine Übertragung von kindlichen (Opfer-)Zeugen, auf der diese erkennbar sind, sowie eine Speicherung entsprechender Aufnahmen, mit denen die Betroffenen später erneut konfrontiert werden (können), würde einen Eingriff in diese Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen. Auch diese Ausprägung wird für die weiteren Vorkehrungen zum Großteil ausgeklammert. Gleiches gilt für die weitere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Gestalt des Rechts auf Resozialisierung eines Straftäters. Betroffenen steht daher ein Recht auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu.191 Dies muss im Rahmen der Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit insbesondere bei Bereitstellungsfristen von Unterlagen aus der Verhandlung beachtet werden. Allerdings wird der Schwerpunkt der nachfolgenden Ausführungen auf dem Selbstdarstellungsschutz liegen. 186  Die Möglichkeit des Öffentlichkeitsausschlusses (vgl. Kapitel 2 C. II. 4.) soll durch die Digitalisierung zwar angepasst werden (vgl. Kapitel 4 C. IV.), allerdings ist dem Kernbereich privater Lebensführung weiterhin ein hohes Schutzniveau einzuräumen. Lediglich die Dispositionsbefugnisse jedes Einzelnen sollen ergänzend weiter gestärkt werden. 187  BGH NJW 1973, 1226, 1227 f. 188  Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 168 m. w. N. 189  Dieser Anspruch besteht nicht einmal nach der Verbüßung der Haftstrafe, BVerfG NJW 2000, 1859, 1859 ff.; BGH GRUR 2010, 549, 552. 190  Vgl. u. a. BR-Drs. 165 / 97, S. 11. 191  BVerfGE 35, 202, 235.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit363

aa) Die informationelle Selbstbestimmung Das informationelle Selbstbestimmungsrecht als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährt dem Einzelnen das Recht, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und in welchem Kontext seine persönlichen Informationen preisgegeben und verwendet werden dürfen. Diese Ausprägung wurde durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der aufkommenden Automatisierung der Datenverarbeitung geprägt. Danach ist „jede Form der Erhebung, schlichter Kenntnisnahme, Speicherung, Verwendung, Weitergabe oder Veröffentlichung von persönlichen – d. h. individualisierten oder individualisierbaren – Informationen“ geschützt.192 Einfachgesetzlich wird der Schutzbereich durch das Datenschutzrecht konturiert.193 In heutigen öffentlichen Verhandlungen werden die Personalien der Beteiligten zu Beginn der Verhandlung öffentlich, mündlich und damit flüchtig genannt. Auch während der Verhandlung kann es immer wieder zu Namensnennungen kommen. Dies stellt insbesondere vor dem Hintergrund einer digitalen Gerichtsöffentlichkeit einen Eingriff in den Schutzbereich der informationellen Selbstbestimmung dar. Gleiches gilt für die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen im Nachgang der Verhandlung. Allerdings werden die Parteien grundsätzlich nur im Rubrum genannt und in der folgenden Entscheidung als Kläger und Beklagter bzw. in Strafverfahren als Angeklagter bezeichnet. Auch heute gibt es bereits weitreichende einfachgesetzliche Regelungen zum Schutze der informationellen Selbstbestimmung (auch bei Gericht), die im Rahmen einer Digitalisierung von Öffentlichkeit ebenfalls zu beachten sind. In erster Linie sind in diesem Kontext die Vorgaben des Datenschutzrechts zu wahren. Derzeit finden sich entsprechende maßgebliche Regelungen im BDSG, den Landesdatenschutzgesetzen, dem TMG und TKG sowie spezialgesetzlichen Regelungen. Die Datenschutzgrundverordnung, welche ab 25.05.2018 Geltung erlangen wird, wird das Datenschutzrecht vielfach neu prägen und in Europa eine weitere Harmonisierung in diesem Bereich bewirken. Diese Regelungen dienen aufgrund ihres europäischen Ursprungs maßgeblich der Ausprägung des Art. 8 GrCh. Dieser schützt ausdrücklich personenbezogene Daten. Trotz der unterschiedlichen Bezeichnung ist die Funktion der Vorschrift mit der der informationellen Selbstbestimmung vergleichbar. Mithin schützt die DS-GVO auch die informationelle Selbstbestimmung.194 Soweit Spezifizierungsklauseln den nationalen Gesetzgebern 192  Di

Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 176; BVerfGE 65, 1, 43. DSGVO stützt sich jedoch aufgrund ihres europäischen Ursprungs auf Art. 8 EU-GRCh. 194  Vgl. hierzu Heckmann / Paschke, in: Ehmann / Selmayr (Hrsg.), DSGVO, Art. 7 Rn. 1. 193  Die

364 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

eine Modifizierung gestatten, besitzt auch der deutsche Gesetzgeber einen gewissen Normierungsspielraum, welchen er u. a. im BDSG n. F. umgesetzt hat. Dieses Gesetz muss im Lichte der DS-GVO verstanden und damit im Einklang mit Art. 8 GrCH ausgelegt werden. Es dient aber auch der informationellen Selbstbestimmung. Darüber hinaus soll die ePrivacyVO zukünftig eine wichtige Funktion im Datenschutzrecht übernehmen.195 Ebenfalls zu beachten sind in diesem Zusammenhang die Datensicherheit sowie das ITSicherheitsrecht. bb) Das Recht am eigenen Bild Das Recht am eigenen Bild gewährt dem Betroffenen Schutz vor der „Aufnahme seines Abbildes durch Fotografie und Film sowie deren Darbietung, Verbreitung oder sonstiger Verwertung, wenn dies ohne oder gegen seinen Willen geschieht“.196 Hierdurch soll verhindert werden, dass das Bild einer Person in einer Situation fixiert wird und jederzeit in einem anderen Kontext vor einem in der besagten Situation nicht anwesenden Personenkreis öffentlich gemacht wird.197 Für das Recht am eigenen Bild ist es nicht entscheidend, in welchem Kontext dieses angefertigt wurde oder ob der Sinngehalt der Aufnahme verändert wird.198 „Der Schutzbereich ist also selbst dann betroffen, wenn die Ablichtungen Situationen darstellen, wie sie auch ein anwesender Beobachter hätte wahrnehmen können.“199 Jede Form von (Live-)Aufnahmen einer Person im Gerichtssaal fällt damit in den Schutzbereich des Rechts am eigenen Bild. Das Recht am eigenen Bild wird einfachgesetzlich durch das Kunsturhebergesetz geschützt. Eine Verletzung der dort normierten Vorgaben (§§ 22, 23 KUG) führt sogar zu einer strafrechtlichen Sanktionierung, § 33 Abs. 1 KUG.200

195  Zum Anwendungsbereich der ePrivacyVO vgl. Herbrich, jurisPR-ITR 18 /  2017 Anm. 2. 196  Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 193. Vgl. auch BVerfGE 34, 238, 246; BVerfGE 101, 361, 381. 197  BVerfGE 101, 361, 381 f.; Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 193. 198  Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 195. 199  Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 195. 200  Vgl. zur Abgrenzung von § 201a StGB und § 33 KUG u. a. Paschke / Halder, jurisPR-ITR 15 / 2017 Anm. 2.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit365

cc) Das Recht am eigenen Wort Das Recht am eigenen Wort schützt die „Vertraulichkeit des nicht öffentlich gesprochenen Wortes“.201 Hierdurch soll die unbefangene zwischenmensch­ liche Kommunikation geschützt werden.202 Für Äußerungen, die im Rahmen eines öffentlichen Gerichtsverfahrens getätigt werden, ist dieses Grundrecht daher nicht einschlägig. Allerdings ist vom Schutzbereich auch das Recht des Grundrechtsträgers umfasst, selbst darüber entscheiden zu können, wer das von ihm gesprochene Wort aufnehmen, sowie ob und von wem die aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf. Letzteres ist ebenfalls durch eine digitale Übertragung der mündlichen Verhandlung berührt. Das Recht am eigenen nichtöffentlich gesprochenen Wort wird durch § 201 StGB einfachgesetzlich geschützt. b) Eingriffsqualität der digitalen Gerichtsöffentlichkeit Nach dem modernen Eingriffsbegriff ist ein Grundrechtseingriff in jedem staatlichen Handeln zu sehen, das dem einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht (unabhängig davon, ob dies final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder tatsächlich, mit oder ohne Zwang erfolgt).203 Für die Frage nach einem Eingriff sind die zwei maßgeblichen Ausprägungsformen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit zu unterscheiden. aa) Übertragung der mündlichen Verhandlung in Bild und Ton Die digitale Gerichtsöffentlichkeit ist zu einem Großteil durch die Übertragung der mündlichen Verhandlung gekennzeichnet. Durch die digitale Übertragung einer mündlichen Verhandlung in Ton und Bild wird in den Selbstdarstellungsschutz des Betroffenen eingegriffen. Insbesondere die Ausprägungen des Rechtes am eigenen Bild und Wort werden durch die virtuelle Erweiterung der Gerichtsöffentlichkeit tangiert. Die Verfahrensbeteiligten würden durch die zwingende Übertragung einer mündlichen Verhandlung über keine Dispositionsbefugnis hinsichtlich der Aufnahmen ihres Abbildes oder Wortes in dieser Situation verfügen. Gleichsam besitzen Verfahrensbeteiligte wie Zeugen aufgrund der Anwesenheits- und teilweise bestehenden Aussagepflicht vor Gericht (vgl. u. a. §§ 52 ff. StPO, §§ 383 ff. 201  Di

Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 196. Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 196. 203  Vgl. statt vieler BVerfGE 105, 279, 299  ff.; Bethge, VVDStRL Band 57 (1998), S.  37 ff. 202  Di

366 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

ZPO, § 84 FGO i. V. m. §§ 101 ff. AO e contrario) vielfach auch keine Möglichkeit, sich einem Gerichtsverfahren zu entziehen.204 Dies verstärkt die Eingriffstiefe.205 bb) Veröffentlichung von (schriftlichen) Verfahrensinformationen Ein weiteres Charakteristikum der hier dargestellten digitalen Gerichtsöffentlichkeit ist die virtuelle Zurverfügungstellung der oben identifizierten öffentlichkeitsrelevanten Informationen (Gerichtsentscheidungen, Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten etc.).206 Hierin kann insbesondere bei einer nichtanonymisierten Veröffentlichung ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Verfahrensbeteiligten gesehen werden. Die Gewährung des Zugriffs auf Verfahrensunterlagen mitsamt Beweismitteln können aber abhängig von der darin enthaltenen Information auch einen Eingriff in das Recht am eigenen Bild und Wort zur Folge haben, wenn hierüber Tonbandaufnahmen oder Bilder öffentlich zugänglich gemacht werden. c) Eingriffsrechtfertigung bei digitaler Öffentlichkeitsgewähr Auch hinsichtlich der Rechtfertigung der Eingriffe in die oben genannten Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist zwischen den zwei Ausprägungsarten der digitalen Gerichtsöffentlichkeit (Übertragung der mündlichen Verhandlung in Bild und Ton und Veröffentlichung der schrift­ lichen Verfahrensinformationen) zu unterscheiden. aa) Übertragung der mündlichen Verhandlung in Bild und Ton (1) Schranken Das allgemeine Persönlichkeitsrecht steht unter dem Vorbehalt der Schrankentrias – der Verletzung von Rechten anderer, der verfassungsmäßigen Ordnung und dem Sittengesetz. Diese gehen seit der Elfes-Entscheidung207 des Bundesverfassungsgerichts in der verfassungsmäßigen Ordnung als Schranke auf.208 Unter verfassungsmäßiger Ordnung i. S. d. Art. 2 Abs. 1 GG ist „die Gesamtheit der Normen, die formell und materiell der Verfas204  Entsprechende Äußerungen würden die Betroffenen nicht gegenüber Fremden tätigen, vgl. Köbl, in: Hubmann / Hübner (Hrsg.), FS Schnorr von Carolsfeld, S. 237 f. 205  So bereits Schiffer, Die deutsche Justiz, S. 165. 206  Kapitel 2 D. III. 207  BVerfGE 6, 32. 208  Für die informationelle Selbstbestimmung vgl. BVerfGE 65, 1, 43 f.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit367

sung“ entsprechen, zu verstehen.209 In der Folge gilt damit ein einfacher Gesetzesvorbehalt. Wie in Kapitel 4 D. IV. aufgezeigt, bedarf es für die Einführung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit auf Grundlage des Parlamentsvorbehalts einer neuen einfachgesetzlichen Gesetzesgrundlage, welche auch als taugliche Schranke anzusehen ist.210 (2) Schranken-Schranken  – Verhältnismäßigkeit (a) Legitimer Zweck Die Digitalisierung von Gerichtsöffentlichkeit hat die Aufgabe, die Wahrnehmung der Gerichtsöffentlichkeit jedermann zu ermöglichen, um den Funktionen von Öffentlichkeit im justiziellen Kontext bestmöglich gerecht zu werden. Die Übertragung der mündlichen Verhandlung in Bild und Ton ins Internet soll die Wahrnehmung und Kontrolle gerichtlicher Verfahren erleichtern, aber auch ein umfassendes Bild eines Gerichtsverfahrens vermitteln. Das ist ein legitimer Zweck. (b) Geeignetheit Die Übertragung von Gerichtsverfahren in Ton und Bild ist geeignet, den genannten Zweck zu fördern.211 (c) Erforderlichkeit Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Videoübertragung einer Verhandlung auch erforderlich ist. Es ist nämlich von mehreren gleich geeigneten Maßnahmen diejenige zu wählen, welche die geringste Eingriffstiefe besitzt. Die Ton- und Bildübertragung einer mündlichen Verhandlung beeinträchtigt je nach Gestaltung das Recht am eigenen Bild und Ton in der Form, dass durch eine Aufnahme eine Perpetuierungswirkung des Gesagten vor Gericht stattfindet.212 Die schwerste Beeinträchtigung ist anzunehmen, wenn eine Aufnahme der Verhandlung erfolgt und diese für jeden im Internet frei zu209  BVerfGE

6, 32. möglichen Wortlaut einer solchen Norm siehe C. I. 1. 211  Vgl. zur Funktionserfüllung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit Kapitel 4. D. III. 5. 212  Vgl. Arndt, in: Die neue Gesellschaft, 1956, S. 338, 339, der daher die aktive Einbindung des Rundfunks in das Gerichtsverfahren ablehnt. 210  Zum

368 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

gänglich heruntergeladen werden kann. Hierdurch ist nämlich nicht mehr wirklich kontrollierbar, was mit den Aufnahmen geschieht, und das Recht am eigenen Wort und Bild wird schwerwiegend tangiert, zumal die Betroffenen vor Gericht zumeist eine Anwesenheits- und Aussagepflicht besitzen. Weniger schwerwiegend ist die Beeinträchtigung, wenn die Aufnahmen nur zum Abruf bereitgehalten werden und nicht heruntergeladen werden können. Dies könnte durch die Vorgabe eines (kurzen) Zeitraumes (z. B. 24 Stunden oder eine Woche), in der ein solches Video zur Verfügung steht, gewährleistet werden. Technisch käme auch die Möglichkeit des Live-Streamings in Betracht. Dieses hätte den geringsten Einfluss auf das Recht am Bild und Ton, da die Flüchtigkeit der Handlungen vor Gericht beibehalten wird. Mithin würde bei letztgenanntem keine Perpetuierungswirkung eintreten. Der virtuelle Blick in den Gerichtssaal würde der heute bestehenden Möglichkeit der Wahrnehmung der Gerichtsöffentlichkeit am ehesten entsprechen. Allerdings ist die letztgenannte Variante nicht gleich wirksam gegenüber den beiden vorherigen. Ein Grund dafür, dass die Saalöffentlichkeit heute kaum mehr Zuschauer anzieht, besteht darin, dass die temporäre Gebundenheit für einen Großteil der beschäftigten Bevölkerung ein unüberwindbares Hindernis darstellt und dadurch eine Wahrnehmung eines Gerichtsverfahrens nicht realisiert werden kann. Hinzu kommt ein sich wandelndes Rezeptionsverhalten der Bevölkerung, die aufgrund von on demand-Angeboten im Internet sich nicht mehr an vorgegebene Sendepläne hält, sondern selbst über den Zeitpunkt ihrer Wahrnehmung von Inhalten entscheiden möchte. Vor diesem Hintergrund erscheint als die passendste Maßnahme die Zurverfügungstellung einer Videoaufnahme aus der mündlichen Verhandlung für einen vorgegebenen Zeitraum. Der Gesetzgeber besitzt hinsichtlich des Zeitraums der Zurverfügungstellung einen gewissen Gestaltungsspielraum. Die Zurverfügungstellung muss jedoch temporär begrenzt werden.213 Dies ist insbesondere im Hinblick auf das Recht auf Vergessenwerden und das Recht auf Resozialisierung von erheblicher Bedeutung. Hierfür müssen klare Vorgaben für den Bereitstellungszeitraum und die Löschung entsprechender ­Videos gemacht werden.214 Wichtig ist zudem, dass in technischer Hinsicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um einen Missbrauch dieser Aufnahmen zu verhindern, vgl. Kapitel 4 C. II. Darüber hinaus sollten die Betroffenen auch rechtlichen Schutz erhalten. Insbesondere bietet sich eine strafrechtliche Absicherung der 213  Siehe

hierzu C. II. 2. hierzu C. II. 2. Inwieweit entsprechende Aufnahmen auch zur Protokollierung herangezogen werden können, bedürfte noch einer weiteren Prüfung. 214  Siehe



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit369

Aufnahmen an, wonach eine öffentliche Weiterverbreitung durch Dritte pönalisiert wird.215 Neben der Frage der Bereitstellungsmodalitäten stellt sich in diesem Kontext auch die des „Wie“ der Videoherstellung. Der Anspruch einer Übertragung des wirklichen Geschehens in den digitalen Raum ist hoch. Daher muss gewährleistet werden, dass eine akustische oder optische Übertragung dem Liveerlebnis vor Ort so nah wie möglich kommt. Hierfür besteht die Möglichkeit, den Gerichtssaal mit dutzenden Kameras auszustatten und aus jedem Winkel des Gerichts Bilder in den virtuellen Raum zu übertragen. Ein solches Vorgehen würde die Verfahrensbeteiligten, auf die daher zu jederzeit ein „Close up“ vorgenommen werden könnte, in ihren Rechten am eigenen Bild schwer beeinträchtigen. Hiernach könnte jede Gefühlsregung in Nahaufnahme durch die Zuschauer mitverfolgt werden. Gleiches gilt für die Übertragung des Tons aus der Verhandlung. Hierfür könnten Mikrophone eingebaut werden, die jedes Murmeln erfassen. Ein solches „Ausleuchten“ des Gerichtssaals ist jedoch nach den Funktionen von Öffentlichkeit nicht erforderlich. Die Beurteilung, ob ein Verfahrensbeteiligter lügt, obliegt dem Richter. Jenen gilt es für die Öffentlichkeit vorrangig zu kontrollieren. Die oben beschriebene Ausgestaltung ist daher im Rahmen der Verhältnismäßigkeit als nicht erforderlich einzuschätzen. Bei der Wahl der Kameraperspektive ist stattdessen zu beachten, dass die Perspektive bereits eine Person in einem positiveren oder negativeren Licht erscheinen lassen kann.216 Dieser Umstand kann unter Umständen eine wirklichkeitsverzerrende Darstellung einer Person in der Öffentlichkeit auslösen.217 Nach den unter Kapitel 1 B. dargestellten Funktionen der Gerichtsöffentlichkeit geht es jedoch nicht primär um die Befriedigung der Sensationslust der Bevölkerung oder den einzelnen Verfahrensbeteiligten, sondern um das Prozesserleben als solches. Nur bei einer wirklichkeitsgetreuen Darstellung wird die Technikeinbindung den Funktionen des grundrechtlich abgesicherten Öffentlichkeitsprinzips gerecht. Es genügt eine einzelne Kameraperspektive, die aber das gesamte Geschehen als Ganzes darstellen sollte, so wie ein Zuschauer im Gericht grundsätzlich auch den gesamten Gerichtssaal einsehen kann. Diese Kamera kann dort platziert werden, wo bereits heute die Zuschauer eines Gerichtsverfahrens Platz nehmen können. Eine Kameraaufstellung, die dem heutigen Zuschauerblickwinkel entspricht und die Verfahrensbeteiligten nur aus einer Distanz bzw. von hinten 215  Siehe

hierzu C. II. 1. in: Noelle-Neumann / Schulz / Wilke (Hrsg.), Fischer Lexikon Pu­ blizistik Massenkommunikation, S. 413 f. 217  Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 20. 216  Kepplinger,

370 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

zeigt, stellt bereits einen gewissen Schutz des Aussagenden insoweit dar, dass er seine Gefühle nicht direkt gegenüber der Öffentlichkeit preisgeben muss. Die Nutzung verschiedener Kameraperspektiven ist für eine Gerichtsöffentlichkeit nicht zwingend erforderlich. Eine einzelne Kamera im Zuschauerraum würde die Verhandlung auch nicht mehr tangieren als die örtliche Anwesenheit von Zuschauern. Wichtig ist lediglich, dass der gesamte Gerichtssaal durch die Kamera erfasst und ein realistisches Bild vermittelt wird. Damit ist die Kamera zumeist im Rücken des Aussagenden, so dass dieser hierdurch kaum beeinträchtigt wird. Dies verhindert gleichzeitig eine Ablenkung der Verfahrensbeteiligten. Eine heimliche Aufnahme könnte zwar letzteres gänzlich verhindern, würde jedoch gegenüber den Betroffenen eine nicht erforderliche Beeinträchtigung darstellen. Gleichzeitig darf die Auflösung der Videoübertragung nicht so gut sein, dass ein Hineinzoomen in das Bild ermöglicht wird und auf diesem Wege einzelne Gefühlsregungen der Verfahrensbeteiligten oder die Unterlagen der Verfahrensbeteiligten gelesen werden können. Das gleiche Kriterium gilt für die Tonübertragung. Hierbei ist darauf zu achten, dass deren Qualität ein Verfolgen der Verhandlung ohne Anstrengung ermöglichen muss. Hierbei können beispielsweise Mikrofone helfen. Diese müssten jedoch auch abgeschaltet werden können, um in Verhandlungspausen ein Flüstern zwischen Anwälten und ihren Mandanten zu ermöglichen, die den digitalen Zuschauer nicht zu interessieren haben. Die digitale Öffentlichkeit soll nämlich nur die bereits bestehende Saalöffentlichkeit in die digitale Sphäre spiegeln. Werden die genannten Kriterien beachtet, ist von einer erforderlichen Gestaltung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit auszugehen. Darüber hinaus muss die Gestaltung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit auch im Hinblick auf den Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen als erforderlich eingestuft werden können. Auch wenn bereits heute personenbezogene Daten in der mündlichen Verhandlung genannt werden, würde dies im digitalen Raum eine stärkere Eingriffstiefe besitzen, da die Übertragung der Namen und Adressen von Verfahrensbeteiligten gegenüber einem größeren Publikum erfolgt. Die Namen von Verfahrensbeteiligten sind jedoch zum Großteil im Rahmen der analogen sowie digitalen Gerichtsöffentlichkeit für die genannten Funktionen der Öffentlichkeit von derart untergeordneter Relevanz, dass eine Anonymisierung ohne Verluste der Öffentlichkeitsgewähr möglich wäre. Ein weiterer Erkenntnisgewinn ergibt sich aus dem Namen der Betroffenen zumeist nicht, so dass diese für die Öffentlichkeit nicht von Bedeutung sind. Daher kann weitestmöglich auf diese verzichtet werden. Technisch bestünde für die digitale Gerichtsöffentlichkeit die Möglichkeit, jedes „personenbezogene Datum“ akustisch auszublenden. Dies ist je-



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit371

doch mit einem enormen Zeitaufwand verbunden und nur bei einer zeitlich versetzten Übertragung der Verhandlung möglich. Wird ein Live-Streaming als Übertragungsmethode gewählt, wäre ein solches Vorgehen nicht prak­ tikabel. Wird ein Verhandlungsvideo hingegen on demand zur Verfügung gestellt, ist bereits darin eine größere Beeinträchtigung zu sehen, dass der Inhalt wiederholt rezipiert werden kann und damit eine Perpetuierungs­ wirkung besteht. Daher kann in solchen Fällen eine (weitgehende) Ano­ nymisierung der Verfahrensbeteiligten erforderlich sein. In den meisten Schriftsätzen bei Gericht und auch in der Verhandlung ist vom Kläger, Beoder Angeklagten die Rede (anders bei Zeugen, die jeweils namentlich benannt werden). Allerdings stößt die gänzlich anonyme Verhandlungsübertragung auf faktische Grenzen.218 Ein gänzlich anonymes Auftreten vor Gericht ist nicht möglich, da auch das Gesicht der Beteiligten zur Identifizierung dienen kann. Jedoch sollte bei der Feststellung der Personalien, bei der weitergehende Informationen wie die Adresse oder das Alter der Verfahrensbeteiligten bekannt werden, ein akustischer Öffentlichkeitsausschluss vorgenommen werden oder die Identifizierung auf anderem Wege erfolgen. § 243 Abs. 2 StPO (i. V. m. 13 RiStBV) sieht zwar die „Vernehmung“ über die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten vor; aber die mündliche Abfrage der Personalien könnte nach einer entsprechenden Reformierung auch durch eine Ausweiskontrolle o. ä. erfolgen. Wird dies beachtet und fallen nur wie heute vereinzelt zufällig personenbezogene Daten beispielsweise durch Namensnennung in der Verhandlung, ist eine Videoübertragung der gerichtlichen Verhandlung in Ermangelung von zuverlässigen automatisch agierenden Wortfiltern als erforderlich zu werten. Auch die Identifizierung der Zeugen bedarf nicht der mündlichen Personalienabfrage. In diesem Zusammenhang käme ebenso ein Abgleich von amtlichen Papieren in Betracht.219 Nur in bestimmten Ausnahmefällen (beispielsweise zum Schutz von verdeckten Ermittlern oder Kindern) kann zusätzlich der Einsatz von technischen Filtern angebracht sein, um das Gesicht einer Person unkenntlich zu machen. Hierfür bedarf es einer kurzfristig verzögerten Übertragung. Der IStGH nutzt bereit heutzutage Technologien, um Zeugen, deren Identität verborgen bleiben soll, im Rahmen der öffentlich zugänglichen Videos zu

218  Dies ist bei schriftlichen Informationen hingegen anders zu werten, vgl. 2. c) bb) (2) (c), (d). 219  Der 62. Deutsche Juristentag hat sich bereits 1999 dafür ausgesprochen, dass §§ 68 Abs. 1, 200 Abs. 1 Satz 3 StPO derart geändert werden, dass der Wohnort von Zeugen nur noch bei berechtigtem Interesse (mündlich) anzugeben ist, um Zeugen zu schützen, NJW 1999, 117, 120 f.

372 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

verpixeln.220 Zudem werden ihre Stimmen verzerrt.221 Hierdurch erhält der Betroffene einen größeren Schutz, als dies im Rahmen der derzeit gelebten Saalöffentlichkeit der Fall ist. Bereits im Rahmen der heutigen Öffentlichkeit verlassen Verfahrensbeteiligte in öffentlichen Gerichtsverfahren ihre private Sphäre, und ihr Disput kann vor Ort mitverfolgt werden. Somit kann die digitale Gerichtsöffentlichkeit sogar datenschutzfreundlicher als die bisherige Saalöffentlichkeit gestaltet werden, so dass ein maximales Maß an Öffentlichkeit verbunden mit einem minimalen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen möglich erscheint. Zudem ist durch technische und rechtliche Sicherheitsmechanismen weitestgehend sicherzustellen, dass keine Kopien der Übertragung vorgenommen und weiterverbreitet werden, um der informationellen Selbstbestimmung der Verfahrensbeteiligten hinreichend Rechnung zu tragen.222 Trotz Einbindung technischer Schutzmaßnahmen besteht das Risiko des Abfilmens und der Weiterverbreitung einer digital übertragenen Gerichtsverhandlung. Diesem Risiko kann durch eine Pönalisierung der Veröffentlichung dieser Informa­ tionen durch Dritte begegnet werden.223 Entsprechende Gesetzesvorschläge wurden bereits in der Vergangenheit (vor einem anderen Hintergrund) diskutiert.224 (d) Angemessenheit Die Digitalisierung von Gerichtsöffentlichkeit in Form der virtuellen Übertragung der Gerichtsverhandlung in Bild und Ton ist angemessen, wenn der hierdurch verfolgte Zweck, die Verbesserung der Öffentlichkeitsgewähr, nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht steht. 220  Vgl. u. a. im Rahmen des Verfahrens gegen Laurent und Simone Gbagbo und Charles Blé Goudé: https: /  / www.icc-cpi.int / avgallery / Pages / AVItemPage.aspx?item Type=videos&id=198; https: /  / www.icc-cpi.int / avgallery / Pages / AVItemPage.aspx? itemType=videos&id=186. 221  Vgl. u. a. im Rahmen des Verfahrens gegen Laurent und Simone Gbagbo und Charles Blé Goudé: https: /  / www.icc-cpi.int / avgallery / Pages / AVItemPage.aspx?item Type=videos&id=198; https: /  / www.icc-cpi.int / avgallery / Pages / AVItemPage.aspx? itemType=videos&id=186. 222  Vgl. ausführlich Kapitel 4 C. II. 2, 3.; Kapitel 5 C. II. 1. 223  Vgl. Kapitel 5 C. II. 1. 224  Vgl. http: /  / www.bundesrat.de / SharedDocs / beratungsvorgaenge / 2017 / 02010300 / 0254-17.html; hierzu auch Bausback zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Verbotene Bild- und Tonaufnahmen in Gerichtsverhandlungen im Bundesrat am 12.05.2017 abrufbar unter https: /  / www.youtube.com /  watch?v=LpIikEmmRkM.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit373

Der Grundsatz der Öffentlichkeit staatlichen Handelns kann sich auf das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip stützen.225 Hieraus wird bereits die fundamentale Bedeutung dieses Prinzips für unsere Gesellschaftsordnung offensichtlich. Diese Gewichtung wird durch die Funktionen des Öffentlichkeitsprinzips unterstrichen.226 Öffentlichkeit ist mithin ein Faktor, der staatliches Handeln erst legitimiert aber gleichsam kontrollierbar macht und damit auch Akzeptanz schafft. Die Schaffung einer möglichst transparenten und in jeder Hinsicht unbeschränkten Öffentlichkeit würde jedoch eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten der Verfahrensbeteiligten bewirken. Während das Öffentlichkeitsprinzip der Gesellschaft dient, schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seinen verschiedenen Ausprägungen das Individuum vor dem Staat, aber auch vor der Gesellschaft. Das Recht am eigenen Bild und am eigenen Wort verschafft dem Einzelnen eine Rückzugsmöglichkeit vor der Gesellschaft und dient damit seiner freien Entfaltung. Der Eingriff in das letztgenannte Grundrecht erfolgt im Rahmen von Gerichtsverhandlungen, die sich in der staatlichen Organisationssphäre befinden. Mithin begibt sich der Einzelne hier in die Öffentlichkeit. Dass dabei auch Inhalte aus der Intimsphäre betroffen sein können, für die das allgemeine Persönlichkeitsrecht einen besonderen Schutz gewährleistet,227 ist in diesem Zusammenhang unproblematisch, weil öffentlichkeitsausschließende Regelungen diesem Umstand ausreichend Rechnung tragen. Daher ist dieser Erwägungsgrund im Rahmen der nachfolgenden Abwägung nicht von Relevanz.228 225  Siehe

Kapitel A. III. 3. b). Kapitel 1 B. 227  Jarass, NJW 1989, 857, 859. 228  Bei einer Neuordnung der Gerichtsöffentlichkeit im Zuge ihrer Digitalisierung müsste jedoch der derzeitige Ausschluss der Öffentlichkeit den technischen Möglichkeiten angepasst werden. Danach wäre ein solcher nur noch erforderlich, wenn keine technischen Schutzmaßnahmen greifen, die den Sinn und Zweck des Öffentlichkeitsausschlusses hinreichend absichern. Als technische Schutzmaßnahme käme beispielsweise die Unkenntlichmachung von Verfahrensbeteiligten oder die Unterbrechung der Tonübertragung in Betracht. Ein vollständiger Ausschluss der Öffentlichkeit ist in diesen Fällen wohl nicht mehr geboten. Im Rahmen einer digitalen Öffentlichkeit kann das richterliche Ermessen hinsichtlich eines Öffentlichkeitsausschlusses als fehlerhaft ausgeübt gelten, wenn die Möglichkeit einer gleich wirksamen digitalen Anonymisierung beispielsweise eines Zeugen nicht vorgenommen wird, so dass ein gänzlicher Ausschluss der Öffentlichkeit nicht erforderlich wäre. Die Gerichtsöffentlichkeit stellt, wie oben aufgezeigt, nämlich nicht nur potentiell eine Gefahr für Zeugen oder Verfahrensbeteiligte dar, sondern dient gerade auch deren Schutz. Hierbei sollte zudem der Rechtsgedanke aus § 171b Abs. 4 GVG umfassend Berücksichtigung finden, der besagt, dass ein Öffentlichkeitsausschluss nicht gegen den Willen der schutzwürdigen Person vorgenommen werden darf. Die Regelung des § 171b Abs. 4 GVG 226  Vgl.

374 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Bereits heute sind Gerichtsverfahren grundsätzlich öffentlich, so dass sich jeder eine Verhandlung ansehen kann und die Presse hierüber ohne Einwilligung des Betroffenen berichten darf. Vorliegend geht es um die Übertragung der Verhandlung über das Internet, so dass Rezipienten grundsätzlich unabhängig von Ort und Zeit die Möglichkeit erhalten, Einsicht in diese zu nehmen. Die einzige neue Komponente zu bereits bestehenden Öffentlichkeitsformen ist der Einsatz von Technik und damit eine Loslösung von Raum und Zeit. Bereits im Rahmen der Erforderlichkeit wurde aufgezeigt, wie die mildestmögliche Gestaltung der Übertragung der Videoverhandlung aussehen kann. Diese Ausgestaltung zugrunde gelegt, kann der Eingriff in das Recht am eigenen Bild, das Recht am eigenen Wort und die informationelle Selbstbestimmung verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. Der Betroffene befindet sich in der öffentlichen Sphäre, weiß um die Übertragung seiner Aussage und hat teilweise auch die Möglichkeit, sich dem Gerichtsverfahren zu entziehen; dies gilt insbesondere für Parteien im Rahmen von Zivilverfahren. Darüber hinaus sind die meisten Menschen in Deutschland eher selten bei Gericht. Die Videoübertragung ist auf die mündliche Verhandlung und die Entscheidungsverkündung beschränkt. Zudem gibt es verschiedene technische sowie rechtliche Vorkehrungen, die dem Schutz des Einzelnen dienen. In der Gesamtbetrachtung ist die Beeinträchtigung des individuumschützenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts mithin durch die Übertragung einer Gerichtsverhandlung in den virtuellen Raum zur Verbesserung des gesellschaftsbezogenen Öffentlichkeitsprinzips als gering oder zumindest rechtfertigungsfähig anzusehen. Die Übertragung der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsverkündung dient zudem dem Schutze der Betroffenen vor weitaus schwerwiegenderen Eingriffen des Staates beispielsweise in die Freiheit von Angeklagten. Die heutzutage bestehenden Formen von Öffentlichkeit besitzen zudem viele Defizite im Hinblick auf die Erfüllung ihrer originären Funktionen, so dass eine Weiterentwicklung und Anpassung der Öffentlichkeit erforderlich ist. Die Intensität des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seinen verschiedenen Ausprägungen steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung von Öffentlichkeit als demokratisch-rechtsstaatliche Errungenschaft für die Gesellschaft.

ist nicht als stringent anzusehen, da sie u. a. einem minderjährigen Zeugen in einem Strafverfahren ein solches Recht für den Verfahrensausschluss nach § 171b Abs. 1 oder 2 GVG zuerkennt, für § 171a oder § 172 Nr. 4 GVG ein Öffentlichkeitsausschluss wider Willen jedoch möglich ist.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit375

In diesem Kontext muss auch die Wertung der ständigen Rechtsprechung zum Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes mit Bezug zum Öffentlichkeitsprinzip in die Abwägung miteinfließen. Findet eine unberechtigte Erweiterung von Öffentlichkeit als Verstoß gegen § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG statt oder wird die Öffentlichkeit zugelassen, obwohl ein Öffentlichkeitsausschluss nach geltendem Recht geboten wäre, liegt nach ständiger Rechtsprechung für die Verfahrensbeteiligten kein absoluter, sondern lediglich ein relativer Revisionsgrund vor.229 Ein absoluter Revisionsgrund wird hingegen bei einem unberechtigten Öffentlichkeitsausschluss unstreitig anerkannt, vgl. § 547 Nr. 5 ZPO, § 338 Nr. 6 StPO.230 Absolute Revisionsgründe indizieren einen schwerwiegenden Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze bzw. eine gewichtige Rechtsverletzung, die von herausgehobener Bedeutung. Beim Vorliegen eines entsprechenden Fehlers wird davon ausgegangen, dass das Urteil auf dem Rechtsverstoß beruht, so dass eine Neuaufnahme der Verhandlungen geboten ist. Relative Revisionsgründe sind Rechtsverletzungen von untergeordneter Bedeutung, bei deren Vorliegen der Revisionsführer vortragepflichtig ist, inwieweit das Urteil auf diesem Fehler beruht. Diese aufgezeigte Wertung der Rechtsprechung und weiter Teile der Literatur zeigt, dass die Öffentlichkeitsgewähr als bedeutsamer für das gericht­ liche Verfahren als das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingestuft wird. Obwohl sich bereits der Wortlaut von § 338 Nr. 6 StPO auf die gesamten „Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens“ und damit auf §§ 169 ff. GVG und nicht nur auf § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG bezieht, wurde das allgemeine Persönlichkeitsrecht in diesem Kontext durch Rechtsprechung und Literatur nicht so hoch wie das allgemeine Öffentlichkeitsgebot gewichtet. Überträgt man die zugrundeliegende Wertung auf die digitale Gerichtsöffentlichkeit, hat das allgemeine Persönlichkeitsrecht gegenüber der „höherwertigen“ digitalen Öffentlichkeitsgewähr in der hier aufgezeigten persönlichkeitsrechtsfreundlichen Gestaltung zurückzutreten. Die technisch und rechtlich abgesicherte Übertragung der Bild- und Tonaufnahmen aus der mündlichen Verhandlung in den virtuellen Raum ist somit auch angemessen. Hierfür sprechen auch die bereits getroffenen Wertungen des Gesetzgebers aus § 24 KUG, wonach zu Zwecken der Rechtspflege Bildnisse von Betroffenen ohne Einwilligung veröffentlicht werden dürfen.231

229  BGH,

Urt. v. 17.02.1989 – 2 StR 402 / 88, Rn. 24 m. w. N., 26 ff. vgl. bereits RGSt 3, 295, 297; BGH, Urt. v. 21.11.1969  – 3 StR 249 /  68, Rn. 11 m. w. N., BGH, Urt. v. 17.02.1989  – 2 StR 402 / 88, Rn. 26 ff.; Eisenberg, JGG, § 48 Rn. 23. 231  Siehe Specht, in: Dreier / Schulze (Hrsg.), UrhG, § 24 KUG Rn. 7. 230  StRspr,

376 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

bb) Veröffentlichung von (schriftlichen) Verfahrensinformationen Neben der Übertragung der mündlichen Verhandlung und der Urteilsverkündung über das Internet ist die vorliegend beschriebene digitale Gerichts­ öffentlichkeit durch die Veröffentlichung von öffentlichkeitsrelevanten Dokumenten (z. B. Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten, Gutachten und gericht­ liche Entscheidungen) geprägt. Findet eine unbearbeitete Veröffentlichung statt, ist dies ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung. (1) Schranke Die Schranke der Selbstdarstellungsautonomie vor allem im Hinblick auf die informationelle Selbstbestimmung ist die Gesamtheit der Normen, die formell und materiell der Verfassung entsprechen.232 Die Pflicht zur Veröffentlichung von gerichtlichen Entscheidungen lässt sich nach Auffassung der Rechtsprechung bereits aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip ableiten.233 Inwieweit diese Aussage auch für streitgegenständliche Schriftsätze Geltung besitzt, ist fraglich. Daher bedarf es zumindest aus Klarstellungsgründen auch in diesem Kontext der Schaffung einer eigenständigen einfachgesetzlichen Regelung234, welche in der Folge als taugliche Schranke angesehen werden kann.235 (2) Schranken-Schranken  – Verhältnismäßigkeit (a) Legitimer Zweck Die Herstellung von Transparenz, d. h. der inhaltlichen Verbesserung von Gerichtsöffentlichkeit, dient die Veröffentlichung von verfahrensgegenständlichen Dokumenten. Dies stellt zudem einen legitimen Zweck dar. (b) Geeignetheit Während in der mündlichen Verhandlung teilweise nur auf die schriftlichen Dokumente Bezug genommen wird, kann nach einer Veröffentlichung der Dokumente jeder Interessierte diese einsehen und mit dem Urteil und dem Lauf der Verhandlung abgleichen. Durch die Veröffentlichung, d. h. die 232  Vgl.

hierzu III. 2. c) aa) (1). NJW 1997, 2694, 2695. 234  Vgl. Kapitel 4 D. IV. 2. a). 235  Siehe für einen Formulierungsvorschlag C. I. 2. 233  BVerwG



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit377

Einsehbarkeit der dem Gerichtsverfahren zugrundeliegenden Dokumente, wird daher auch die inhaltliche Dimension von Öffentlichkeit verbessert, so dass eine Zweckförderung bejaht werden kann. (c) Erforderlichkeit Um Gerichtsverfahren transparenter zu gestalten, bestünde darüber hinaus die Möglichkeit, dass ähnlich dem Strafverfahren zu Beginn der Verhandlung die streitenden Parteien eine Übersicht über den Streitstand aus ihrer Sicht geben. Ein solches Vorgehen wäre jedoch nicht milder. Zudem ist dieser in vielen Verfahren sehr komplex, so dass dies viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Eine öffentlichkeitsbezogene Verlangsamung von Verfahren kann nicht beabsichtigt werden. Auch eine Verpflichtung des Richters zu einer entsprechenden Einführung in die Verhandlung wäre nicht umsetzbar, da dies einen Verstoß gegen die richterliche Unabhängigkeit darstellen würde. Die Abschaffung des Selbstleseverfahrens wäre zwar eine Möglichkeit, würde jedoch ebenfalls wieder dem Grundsatz der Prozessbeschleunigung zuwiderlaufen. Dies würde zudem nur einen kleinen Teilbereich an Transparenz herstellen. Mithin gibt es neben der umfassenden Veröffentlichung der verfahrensrelevanten Dokumente, auf die sich das Urteil stützt, keine andere Möglichkeit, die Transparenz gerichtlicher Verfahren zu erhöhen. Im Hinblick auf die Funktion der Gerichtsöffentlichkeit und eine damit verknüpfte Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen sowie entscheidungsrelevanten Schriftsätzen hat das Ziel der Kontrollierbarkeit staatlichen Handelns Vorrang. Die Identität der vor Gericht agierenden Parteien ist nebensächlich, da vor Gericht jeder ohne Ansehung seiner Person behandelt wird. Mithin ist eine Anonymisierung aller zu veröffentlichenden Unterlagen vorzunehmen.236 Dies gilt insbesondere für alle Namen von Klägern, Beklagten, Angeklagten und sonstigen Verfahrensbeteiligten. Wird dies konsequent umgesetzt, so dass eine Identifizierung nicht mehr möglich ist, ist die informationelle Selbstbestimmung der Grundrechtsträger nicht weiter berührt. Die Umsetzung der Anonymisierung kann durch geeignete organisatorische Maßnahmen durch die Geschäftsstellen frühzeitig bei der Anlegung einer (elektronischen) Akte erfolgen und damit auf durch die Digitalisierung freiwerdende Ressourcen zurückgreifen.237 236  Putzke / Zenthöfer, NJW 2015, 1777, 1780  f. Nach Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 748 m. w. N. ist zumindest in der Schweiz eine Anonymisierung „verfassungsrechtlich nicht geboten und sie darf […] nicht dazu führen, dass das Urteil unverständlich wird“. 237  Diese Gestaltung orientiert sich an § 8 HmbTG. Das dort normierte Trennungsgebot sieht eine Trennung von geheimhaltungsbedürftigen Informationen mög-

378 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Allerdings kann durch gewisse Sachverhaltsschilderungen vielfach noch eine Identifizierung vorgenommen werden. Sind diese Inhalte für das Verfahren relevant, ist eine Veröffentlichung dennoch erforderlich, da anderenfalls keine umfassende Kontrolle ermöglicht würde. Daneben kann es geboten sein, neben der Anonymisierung im Einzelfall weitere Schwärzungen von Gerichtsunterlagen vorzunehmen oder sogar vollständig eine Veröffentlichung zu unterbinden, um dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Rechnung zu tragen.238 Ist ein Ausschluss der Gerichtsöffentlichkeit geboten, kann eine Veröffentlichung der Unterlagen, die diesem Verfahren bzw. diesem Prozessabschnitt zugrundeliegen, nicht geboten sein.239 Um die informationelle Selbstbestimmung von Rechtsbeiständen zu schützen, bestünde ebenfalls die Möglichkeit, ihre Namen und Logos in Schriftsätzen zu anonymisieren. Obwohl Rechtsanwälte Organe der Rechtspflege sind, ist deren Identität vor Gericht ebenfalls unerheblich. Anders als ihre Mandanten können diese jedoch ein Interesse an der Namensnennung besitzen. Insbesondere können Ihre Schriftsätze vor Gericht ihrem geistigen Eigentum zugeordnet werden. Dies hat zur Folge, dass einfachgesetzlich diesen Schriftsätzen ein urheberrechtlicher Schutz zukommen kann. Im einfachgesetzlichen Kontext besteht in diesem Fall ein Anspruch auf Anerkennung der Urheberschaft in Form der Nennung des Schöpfers, vgl. § 13 UrhG. Vor diesem Hintergrund ist eine pauschale Anonymisierung jedes personenbezogenen Datums nicht geboten. Vielmehr könnte man Rechtsanwälten hier ein Wahlrecht einräumen, ob die von Ihnen veröffentlichten Schriftsätze mit oder ohne Briefkopf veröffentlicht werden sollen. Sofern in den Unterlagen Fotos vorhanden sind, ist eine Anonymisierung der Abgebildeten vorzunehmen.240 (d) Angemessenheit Die Digitalisierung von Gerichtsöffentlichkeit in Form der Veröffent­ lichung von verfahrensbezogenen Unterlagen ist angemessen, wenn der lichst zum Zeitpunkt der erstmaligen Verarbeitung vor, um Ressourcen bei der Veröffentlichung zu schonen. Jauch, DVBl. 2013, 16, 20 f.; Albrecht, in: Albrecht (Hrsg.) Kommunikations- und Informationsrecht, Kap. 1, Rn. 34. 238  BGH NJW 2017, 1819, 1820; allgemein zu den Eckpunkten einer Abstimmung zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Informa­ tionsfreiheit, Gallwas, NJW 1992, 2785, 2789 f.; Putzke / Zenthöfer, NJW 2015, 1777, 1781. 239  So im Ergebnis auch Trüg, NJW 2011, 1040, 1042 f., der die Sphärentheorie des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 109, 279, 313 f.), auf die Medienarbeit der Strafjustiz überträgt. 240  Vgl. die Ausführungen unter III. 2. c) aa) (2) (c).



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit379

hierdurch verfolgte Zweck, die Verbesserung der Öffentlichkeitsgewähr, nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht steht. Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist ein elementarer Bestandteil des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips.241 Dem gegenüber steht ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung insoweit, als die vorgenommenen Sachverhaltsschilderungen teilweise geeignet sind, eine Identifizierung des dahinterstehenden Betroffenen zu ermöglichen. Wenn nach einer Anonymisierung überhaupt ein Eingriff in dieses Grundrecht bejaht werden kann, dann nur einer von geringer Tiefe. Aus der Identifikationsmöglichkeit aufgrund von Sachverhaltsschilderungen alleine ergeben sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofes noch keine Bedenken gegen die Veröffentlichung dieser Informationen.242 Ein Rückschluss auf beteiligte Personen ist „wegen der grundsätzlichen Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens [auch sonst] nicht aus[zu]schließen“.243 Daher ist es nach Auffassung des Gerichts vielmehr erforderlich, dass „unabweisbare höhere Interessen, die eine Abweichung vom Grundsatz der Öffentlichkeit gebieten“, verletzt sind und im Rahmen einer Abwägung keine andere Alternative möglich ist.244 Spiegelt sich der Öffentlichkeitsausschluss auch in einer fehlenden Veröffentlichung von Entscheidungen wider, ist diesem Grundsatz Genüge getan. Zudem ist zu bedenken, dass die Sachverhaltsschilderungen zumeist nur wenigen Personen einen Rückschluss auf den Betroffenen ermöglichen. Daher ist eine Veröffentlichung von entscheidungsrelevanten Unterlagen als angemessen zu werten.245 In diesem Kontext bietet sich ein Rechtsvergleich zum angelsächsischen Common-Law-System an. Obwohl es auch in Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika Datenschutzgesetze gibt, wird in den dortigen Rechtssystemen jeder Fall nicht anhand eines Aktenzeichens oder einer literarischen Fundstelle identifiziert, sondern jeder Jurist kennt die wichtigen 241  Siehe

die Ausführungen unter Kapitel 5 B. III. 2. c) aa) (2) (d). NJW 2017, 1819, 1820; so auch VGH Baden-Württemberg MMR 2011, 277, 278 f., der jedoch, wenn eine Identifizierungsmöglichkeit der Verfahrensbeteiligten besteht, in Ausnahmefällen ein Überwiegen der Betroffenenrechte bejaht, insbesondere wenn hierdurch ärztliche Befunde öffentlich werden. 243  BGH NJW 2017, 1819, 1820. 244  BGH NJW 2017, 1819, 1820. 245  Vgl. auch Hirte, NJW 1988, 1698, 1702, der bei getroffenen Anonymisierungsmaßnahmen das Publizitätsgebot staatlichen Handelns als vorrangig gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht bzw. der Ausprägung der informationellen Selbstbestimmung ansieht. 242  BGH

380 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Fälle anhand der Namen der Parteien.246 Auch auf bei den europäischen Gerichten ist die Namensnennung die Regel. Dies wird sich auch mit Einführung der Datenschutzgrundverordnung sowie der RL (EU) 2016 / 680 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafverfolgung sowie zum freien Datenverkehr wohl nicht ändern. Die durch den EuGH und den EGMR getroffenen Wertungen hinsichtlich der Namensnennung von Verfahrensbeteiligten beruhen zwar nicht auf dem Grundgesetz, entsprechen aber dem dennoch hohen Datenschutzniveau, die Art. 8 GrCh bzw. Art. 8 EMRK vermitteln und welche auch in Deutschland von Bedeutung sind. Vor diesem Hintergrund könnte sogar angedacht werden, dass zumindest in Entscheidungen von erheblicher Bedeutung eine ­Namensnennung der Verfahrensbeteiligten erfolgt.247 3. Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme – Gewährleistung von IT-Sicherheit Die Grundrechte beinhalten sowohl Abwehransprüche des Bürgers gegen hoheitliches Handeln als auch Leistungsrechte bzw. Schutzpflichten.248 Aufgrund der Schutzpflichtendimension hat der Staat sicherzustellen, dass grundrechtliche Schutzgüter vor Beeinträchtigungen durch Dritte verschont bleibt.249 Der Gewährleistungsanspruch auf IT-Sicherheit250 wird aus dem Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (sog. IT-Grundrecht) hergeleitet.251 Das IT-Grundrecht stellt eine weitere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Die Wahrung der Authentizität, Integrität, Zuverlässigkeit und Vertraulichkeit sind die Maßstäbe, an denen sich eine IT-sichere Herstellung digitaler 246  Hirte,

NJW 1988, 1698, 1705. das Bundesverfassungsgericht gibt einigen Entscheidungen die Namen der Betroffenen bzw. ermöglicht durch die Bezeichnung erst die Identifikation der Verfahrensbeteiligten, vgl. die Caroline-Entscheidungen, u. a. BVerfGE 101, 361, 361 ff. 248  Vgl. hierzu Kapitel 3 A. III.; vgl. auch Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 33. 249  Heckmann, in: Rüßmann (Hrsg.), FS Käfer, S. 131; Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 33. 250  Zur Begriffsbestimmung Heckmann, in: Heckmann, jurisPK Internetrecht, Kap. 5 Rn. 219. 251  Zur Herleitung der Schutzpflicht vgl. ausführlich Heckmann, in: Rüßmann (Hrsg.), FS Käfer, S. 133 ff. 247  Selbst



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit381

Gerichtsöffentlichkeit messen lassen muss. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Öffentlichkeit nicht technisch ausgeschlossen werden und dadurch das Vertrauen in die Justiz schaden nehmen kann.252 IT-Sicherheit ist aufgrund des Einsatzes der Informationstechnologie durch den Staat und deren Eindringen in fast jeden Lebensbereich nicht nur ein technisches Problemfeld. Vielmehr besitzt die Gewährleistung der Sicherheit in der Informationstechnologie auch verfassungsrechtliche Implikationen. Die Grundrechte beinhalten nämlich neben ihrem abwehrrechtlichen Zuschnitt auch grundrechtliche Gewährleistungen, die der Staat zu achten hat.253 Die ubiquitäre Einbindung der Informationstechnologie macht die Schaffung sicherer Infrastrukturen maßgeblich für die Ausübung einer Vielzahl grundrechtlicher Freiheiten, wie der Berufsfreiheit und Eigentumsfreiheit, aber auch dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung der informationellen Selbstbestimmung sowie dem Recht am eigenen Bild und Wort. Somit gewinnt die grundrechtliche Schutzpflicht bei Einbindung der Informationstechnologie durch den Staat eine besondere Bedeutung.254 Auch die digitale Gerichtsöffentlichkeit muss daher IT-sicher erfolgen. In erster Linie müssen für jeden Berechtigten aber auch nur für diesen, die Bild- und Tonaufnahmen aus der Verhandlung sowie die öffentlichkeitsrelevanten Verfahrensinformationen so lange wie erforderlich verfügbar sein. Zudem ist sicherzustellen, dass die bereitgestellten Informationen integer sind. Darüber hinaus müssen die Informationen authentisch sein, d. h. dass diese lediglich die Wirklichkeit abbilden. Erfolgt die digitale Gerichtsöffentlichkeit nicht IT-sicher und können über ein Justizportal zur Verfügung gestellte Informationen manipuliert oder „gestohlen“ werden, würden alle anderen genannten Grundrechte der konkret betroffenen Verfahrensbeteiligten beeinträchtigt. Zudem würde die Öffentlichkeitsgewähr den Funktionen von Öffentlichkeit nicht gerecht werden. Der Bürger in Form des Verfahrensbeteiligten kann als Grundrechtsträger auf Grundlage des Gewährleistungsanspruchs auf IT-Sicherheit durch den Staat Maßnahmen zur Herstellung von IT-Sicherheit einfordern. Hieraus ergibt sich jedoch kein umfassender „IT-Sicherheitsgewährleistungsanspruch des Bürgers in dem Sinne, dass der Staat jegliche Maßnahme wahrzunehmen hätte, die tatsächlich oder aus Sicht des Bürgers vermeintlich zur Erhöhung des (abstrakten oder konkreten) IT-Sicherheitsniveaus […] führt. Umfang und Reichweite des staatlichen Schutzauftrages und der staatlichen Schutzpflichten stehen vielmehr in einem permanenten Spannungsverhältnis zu den 252  Zu

den IT-Sicherheitsrisiken vgl. Kapitel 4 C. III. 2. zu den (subjektiven) Schutz- und Förderpflichten im Hinblick auf IT-Sicherheit vgl. Heckmann, in: Rüßmann (Hrsg.), FS Käfer, S. 129 ff. 254  Heckmann, in: Rüßmann (Hrsg.), FS Käfer, S. 135. 253  Ausführlich

382 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

übrigen Verfassungsbestimmungen des Grundgesetzes und deren spezifischem Ziel- und Regelungsgehalt.“255 Danach besteht eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Vornahme grundlegender Strukturentscheidungen zur Gewährleistung von IT-Sicherheit.256 In der praktischen Anwendung bedeutet dies zudem, dass die Gerichte bzw. die Justizverwaltung zur Wahrung der IT-Sicherheit die erforderlichen aber auch angemessenen technischen sowie organisatorischen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen haben. Hierfür bedarf es eines IT-Sicherheitskonzepts. Außerdem sollte ein IT-Sicherheitsbeauftragter für die Einhaltung der technischen sowie organisatorischen Maßnahmen verantwortlich zeichnen. Technisch ist darauf zu achten, dass nur Informationstechnologie zu verwenden ist, die auf dem aktuellen Stand der Technik ist. Insbesondere Software ist regelmäßig zu aktualisieren, so dass bestehende Sicherheitslücken geschlossen werden können. Es sind sich ständig aktualisierende und an die Gefahrenlage anzupassende Virenscanner sowie Firewalls einzusetzen, um eine Infiltration durch Schadsoftware möglichst gering zu halten. Gleichsam sind technisch die Risiken, die durch Nutzer ausgehen, durch die Beschränkung von Nutzungsrechten zu minimieren. Die Begrenzung des Handlungsrahmens eines Nutzers beschränkt auch die Reichweite über ihn eingedrungener Schadprogramme. Beispielsweise muss nicht jeder Richter einen Zugriff auf ein Portal besitzen, über das die digitale Gerichtsöffentlichkeit hergestellt wird. Die Zugriffsrechte sind zudem so eng wie nötig zu begrenzen. Intruder Detection Systeme können Angriffe eigenständig wahrnehmen und den Administrator informieren, so dass dieser gegebenenfalls schnelle Gegenmaßnahmen ergreifen kann. Die IT-Systeme sind mittels einer Backup-Strategie und deren Umsetzung gegen Datenverlust abzusichern.257 Hierbei ist grundsätzlich zwischen vollständigen und differentiellen Computersicherungen zu unterschieden. Es ist darauf zu achten, dass die zu sichernden Daten komplett abgesichert sind. 255  Heckmann,

in: Rüßmann (Hrsg.), FS Käfer, S. 141. in: Rüßmann (Hrsg.), FS Käfer, S. 143. Der gesetzliche Rahmen zur Datensicherheit befand sich bisher in § 9 BDSG a. F. bzw. in der Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG a. F. Seit dem 25.05.2018 gilt bei der Datenverarbeitung durch die Justiz und die Polizei im Bund Art. 64 BDSG n. F. bzw. in Bayern Art. 32 BayDSG. Weitere Sicherheitsvorgaben für digitale Dienste ergeben sich aus der ePrivacyVO. 257  Abhängig von dem gewählten Übertragungsmodell der Gerichtsverhandlung in Bild und Ton kann es hierbei zu einer (kurzfristigen) Speicherung der entsprechenden Videoaufnahmen kommen. Es ist jedoch sicherzustellen, dass die Bild- und Tonaufnahmen keine darüber hinausgehende Verwendung in der Justiz finden und auch aus dem Backup-System nach einem zuvor festgelegten Zeitraum wieder gelöscht bzw. überschrieben werden, so dass es zu keiner erneuten Übertragung eines bereits im Portal gelöschten Videos in das System kommt. 256  Heckmann,



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit383

Bei einem vollständigen Backup werden die ausgewählten Daten unabhängig von bestehenden Backups vollständig kopiert, während bei einer differentiellen Sicherung lediglich die seit Erstellung des letzten Backups hinzugekommenen Daten, dem bestehenden vollständigen Backup hinzugefügt werden. Die Datensicherung erfolgt zumeist auf externen Datenspeichern. Ferner können Festplatten bzw. ganze Server gespiegelt werden (sog. Mirroring). Durch das simultane Vorhalten der Daten kann einem Serverausfall im Betrieb vorgebeugt werden, da technisch beim Ausfall eines Systems auf das andere zurückgegriffen werden kann. In organisatorischer Hinsicht sind klare Verantwortungsbereiche zu generieren und ein IT-Sicherheitsbeauftragter sowie ein Informationsmanagementteam zu benennen. Diese haben zur Aufgabe, das IT-Sicherheitskonzept auch organisatorisch in den Betriebsablauf der Gerichte einzubinden. Zudem sind die Konzepte regelmäßig auf Aktualität zu überprüfen und an die bestehenden Gefahrenlagen anzupassen.258 Des Weiteren bedarf es eines qualifizierten Notfallplans, der bei einem IT-Sicherheitsvorfall eine Anleitung zur Fehlerbehebung beinhaltet. Ferner sind die Justizangehörigen, die technisch bei der digitalen Gerichtsöffentlichkeit mitwirken, in die Organisation der IT-Sicherheit durch regelmäßige Schulungen und der Sensibilisierung hinsichtlich dieses Erfordernisses miteinzubeziehen. In diesem Kontext ist die Erstellung einer Risikofolgenabschätzung vorzunehmen. Je bedeutender die digitale Gerichtsöffentlichkeit ist, desto größere Anstrengungen müssen zur Gewährung der IT-Sicherheitsvoraussetzungen vorgenommen werden. Würde die digitale Gerichtsöffentlichkeit exklusiv die Öffentlichkeitsgewähr bei Gericht übernehmen, könnte man in der öffentlichkeitsermöglichenden Plattform und der entsprechenden technischen Infrastruktur bei Gerichten eine designierte kritische Infrastruktur sehen, für die ein besonders hohes IT-Sicherheitsniveau zu wahren ist (§ 8a BSI-Gesetz). Wird diese Öffentlichkeitsform hingegen nur als Ergänzung angeboten, wird das IT-Sicherheitsniveau bezogen auf die Verfügbarkeit geringer sein dürfen. Für die Gewährleistung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit besitzen der Gesetzgeber und die Justiz sowohl für die konkrete Ausgestaltung, als auch für die zu treffenden IT-Sicherheitsmaßnahmen innerhalb der genannten Grenzen nach Maßgabe des technisch Möglichen einen Gestaltungsspielraum. 4. Eigentumsfreiheit Die Eigentumsfreiheit fordert, dass Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit ein öffentliches Gerichtsverfahren keine existenzvernichtende 258  Hierbei

kann auf den IT-Grundschutzkatalog des BSI zurückgegriffen werden.

384 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Wirkung besitzt. Auf Art. 14 Abs. 1 GG können sich nach Art. 19 Abs. 3 GG auch juristische Personen des Privatrechts berufen. Die Achtung des Geheimnisschutzes ist ebenfalls im Rahmen der Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit von Bedeutung. Nach § 172 Nr. 2 GVG kann für den Fall, dass wichtige Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnisse zur Sprache kommen, bereits heute die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn durch deren öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Inte­ ressen verletzt würden, insbesondere wenn die Offenlegung von Betriebs­ geheimnissen die Existenz eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbe­ betriebs gefährdet und damit der Bestand eines Betriebs bedroht wird, weil beispielsweise streitgegenständliche Kalkulationsgrundlagen, Geschäftsmodelle oder andere relevante Informationen, die die geschäftliche Grundlage des Betroffenen darstellen, erörtert werden.259 Daher ist der Betrieb vor einer zwingenden Verpflichtung zur Offenlegung aller Dokumente in einem Gerichtsverfahren durch entsprechende Ausnahmeregelungen zu schützen. Ist der Ausschluss der Öffentlichkeit in bestimmten Konstellationen gerechtfertigt, muss hinsichtlich der gleichen Umstände die Möglichkeit bestehen, Dokumente, die einen Öffentlichkeitsausschluss rechtfertigen, nicht für die Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen.260 Statt allerdings die Öffentlichkeit vollständig bei entsprechenden Verfahren auszublenden, kann durch die Informationstechnologie ein milderes Mittel in Form des Tonabschaltens oder die Schwärzung von Passagen261 in Gutachten, Schriftsätzen von Parteien und gerichtlichen Hinweisen oder Entscheidungen erfolgen, soweit dies zur Wahrung von Art. 14 Abs. 1 GG erforderlich ist. Zudem muss beachtet werden, dass Rechtsanwälte und Gutachter auch ein wirtschaftliches Interesse an ihren anwaltlichen Schriftsätzen bzw. Sachverständigengutachten haben. Diese Erwerbsgrundlage sollte zumindest in der Art geschont werden, dass entsprechende Schriftsätze nicht beliebig durch die Öffentlichkeit kopiert und weiterverwendet werden können. Neben der Implementierung eines Kopierschutzes könnte man andere Schutzmaßnahmen andenken, wie beispielsweise eine temporär beschränkte Veröffent­ lichung, um ein etwaiges Urheberrecht der Betroffenen zu schonen.262 5. Berufsfreiheit Gleiches gilt für die Wahrung der Berufsfreiheit in Zeiten digitaler Veröffentlichung von Rechtsprechungsinformationen. Besonders Anwälte, deren 259  Vgl.

BGH NJW-RR 2015, 606, 606 ff. Kissel / Mayer, GVG, § 12 Rn. 119. 261  Vgl. Kissel / Mayer, GVG, § 12 Rn. 119. 262  Vgl. zu möglichen technischen Schutzmaßnahmen Kapitel 4 C. II. 3. 260  Vgl.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit385

Erwerbsgrundlage ihr Auftreten vor Gericht darstellt, dürfen durch die Öffentlichkeit nicht in ihrer Berufsausübungsfreiheit ungerechtfertigt behindert werden, Art. 12 Abs. 1 GG. Insbesondere darf ihnen keine über die Regelungen der Prozessordnungen hinausgehenden Verhaltensvorschriften gemacht werden. Allerdings ist der Umstand, dass das Verhalten vor Gericht einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wird, allenfalls als Berufsausübungsregelung anzusehen, die durch vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls zu rechtfertigen ist. Die Herstellung bzw. Verbesserung der Erfüllung der Funktionen der Öffentlichkeit und eine transparentere Rechtspflege sind in diesem Zusammenhang ein hinreichender Rechtfertigungsgrund. 6. Meinungsfreiheit Die Meinungsfreiheit stellt im Rahmen der Verhandlung für Verfahrensbeteiligte und Zeugen grundsätzlich mangels Einschlägigkeit keine taugliche Schranke dar. Einer Erweiterung der digitalen Öffentlichkeit kann keine faktische Begrenzung der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG vorgehalten werden. Verfahrensbeteiligte sollen vor Gericht keine Meinungen austauschen, sondern die Tatsachen dem Richter vorbringen, die eine Entscheidung einer Streitfrage erlauben. Zwar können Rechtsauffassungen als Meinungen gewertet werden, allerdings findet keine Unterbindung oder Lenkung der Meinung statt, nur weil einem größeren Rezipientenkreis der Zugang zu den Gerichtsverhandlungen und den Gerichtsakten durch die virtuelle Gerichtsöffentlichkeit ermöglicht wird. Es findet vorliegend eine Wahrnehmung der Gerichtsverhandlung durch Dritte vor allem zum Schutz der Verfahrensbeteiligten statt. Darüber hinaus wird keine Meinung beschränkt. Lediglich vereinzelt könnten sich Menschen in einer Aussage durch die Öffentlichkeit als solche gehemmt fühlen. Dieses Argument könnte jedoch für das gesamte Konzept der Öffentlichkeit angeführt werden und trägt daher für die Digitalisierung von Öffentlichkeit nicht. Würde man dieser Überlegung folgen, würde damit die Öffentlichkeit staatlichen Handelns als solche konterkariert. 7. Auswirkungen der digitalen Öffentlichkeitserweiterung auf die Allgemeinheit Auch wenn durch eine rechtliche und technische Gestaltung die digitale Gerichtsöffentlichkeit im Einklang mit der Verfassung steht, stellt sich die Frage, ob die digitale Gerichtsöffentlichkeit, die auch eine Erweiterung der „(staatlichen) Überwachung“ ihrer Bürger darstellt, weitere Folgen für die Justiz und bürgerliche Rechte haben kann. In diesem Kontext ist die Rechts-

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figur der „Chilling Effects“263 oder „Einschüchterungseffekte“264 zu nennen.265 Diese wird vorrangig bei einer staatlichen Überwachung266 von Bürgern verwendet.267 Die Betroffenen nehmen aufgrund des staatlichen Handelns freiwillig selbstschädigend die Ausübung ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechte nicht wahr.268 Die durch die Erweiterung von Öffentlichkeit potentiell einschüchternde Wirkung würde vorliegend auch eine „große, undefinierbare Personengruppe“ betreffen, da jeder Bürger mit der Justiz in Deutschland konfrontiert werden kann. Damit besitzt die Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit auch eine erhebliche Breitenwirkung.269 Es stellt sich mithin die Frage, ob die Schaffung der Möglichkeit der erweiterten Rezeption öffentlicher Verhandlungen einen kontraindizierten Wirkmechanismus besitzt, wie beispielsweise die Abnahme der Inanspruchnahme der Justiz von Betroffenen (insbesondere in Zivilverfahren) und die Privatisierung der Streitschlichtung in diesem Bereich weiter zunehmen wird;270 zumal auch in der richterlichen Sphäre Nebenwirkungen wie öffentlichkeitsbegründete Entscheidungshemmungen bei einer Erweiterung von Öffentlichkeit drohen könnten.271 Allerdings sind die Gründe für vermeidendes Verhalten 263  Assion, in: Telemedicus e. V. (Hrsg.), Überwachung und Recht  – Tagungsband zur Telemedicus Sommerkonferenz 2014, S. 31 ff.; mit Verweis auf den angloamerikanischen Ursprung der Lehre des „Chilling Effects“ im Verfassungsrecht, Columbia Law Review 1969, 808, 808 ff.; vgl. auch Schauer, Fear, Risk and the First Amendment: Unraveling the Chilling Effect, Boston University Law Review 1978, 685, 685 ff.; Youn, Vanderbilt Law Review, 2013, 1473, 1481 ff. 264  BVerfGE 109, 279, 354 f.; BVerfGE 115, 166, 188; BVerfGE 120, 378, 402; BVerfGE 125, 260, 299 f., 332; Rath, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, S. 65 ff. 265  Zur Verwendung der Begriffe in der Rechtsprechung: Assion, in: Telemedicus e. V. (Hrsg.), Überwachung und Recht  – Tagungsband zur Telemedicus Sommerkonferenz 2014; S. 39 ff. Darüber hinaus gibt es die Bezeichnung additiver Grundrechtseingriff, BVerfGE 112, 304, 319 f.; Starnecker, Videoüberwachung zur Risikovorsorge, S. 365 m. w. N. sowie die von Roßnagel begründete Bezeichnung der „Überwachungsgesamtrechnung“, Roßnagel, NJW 2010, 1238, 1242. 266  Zur Zeitgebundenheit des Überwachungsgefühls Lewinski, in: Telemedicus e. V. (Hrsg.), Überwachung und Recht  – Tagungsband zur Telemedicus Sommerkonferenz 2014, S. 4 ff. 267  Starnecker, Videoüberwachung zur Risikovorsorge, S. 366, 368. 268  Assion, Telemedicus e. V. (Hrsg.), Überwachung und Recht – Tagungsband zur Telemedicus Sommerkonferenz 2014, S. 31, 34. 269  Ausführlich hierzu Assion, in: Telemedicus e. V. (Hrsg.), Überwachung und Recht – Tagungsband zur Telemedicus Sommerkonferenz 2014, S. 31, 33. 270  Zur privaten Gerichtsbarkeit vgl. Eisenmenger, Privatisierung der Justiz aus rechtlicher und ökonomischer Sicht, S. 48 ff. Zu den Verfahrensmöglichkeiten, die Zivilrechtsprechung zu privatisieren Zado, Privatisierung der Justiz, S. 85 ff. Eine vollständige Privatisierung der Rechtsprechung ist jedoch nicht zulässig, BrosiusGersdorf, VVDStRL Band 74 (2015), S. 180.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit387

zumeist nicht monokausal, so dass die Neugestaltung von Öffentlichkeit nicht alleine für eine potentielle Abkehr der Bevölkerung von staatlicher Streitschlichtung ursächlich gemacht werden kann. Dennoch sollte die digitale Gerichtsöffentlichkeit zunächst nur befristet eingeführt und nach einer gewissen Zeit evaluiert werden, um zu überprüfen, ob die beschriebenen Effekte eintreten und welche Folgen sich hieraus ergeben. Eine Evaluation von Gesetzen bietet sich immer an, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Folgen bzw. die Fernwirkungen der Neuregelungen unklar sind, so dass spätere Korrekturen erforderlich werden können. Dies ist auch im vorliegenden Kontext denkbar. Besonders im Hinblick auf die zahlreichen Anforderungen an die Technikgestaltung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Begrenzung ist zu beobachten, ob die gewünschte Schutzwirkung tatsächlich eintritt. Die Einzelheiten einer gesetzlich intendierten Evaluation liegen im Ermessen des Gesetzgebers.272 Es ist nicht davon auszugehen, dass die Digitalisierung von einer bereits bestehenden Öffentlichkeit zu einer Erosion des Justizapparates führt, zumal die Ton- und Bildaufnahmen nicht heimlich stattfinden und öffentlich zugänglich gemacht werden. Es ist vorliegend davon auszugehen, dass die sogenannten „Chilling Effects“ oder im Duktus des Bundesverfassungsgerichts die „einschüchternde Wirkung“273 bei einer Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit überhaupt nicht einschlägig sind bzw. ist. Die erzielte Einschüchterung muss nämlich unmittelbar aus der staatlichen Sphäre stammen und nicht, wie dem vorliegend der Fall wäre, durch Privatpersonen aufgrund deren erweiterter Rezeptionsmöglichkeit.274

IV. Öffentlichkeit und Grundrechte von Personen aus der Justizsphäre 1. Grundrechtsfähigkeit von Funktionsträgern Die im Gerichtsverfahren involvierten Richter und Beamte, die in Ausübung ihres Amtes tätig und damit der staatlichen Sphäre zurechenbar sind, werden ebenfalls grundsätzlich durch das Grundgesetz geschützt.275 Die 271  Vgl. Heckmann, in: Slapio / Habbel / Huber (Hrsg.), Wertschöpfung für die Wirtschaft, S. 50. 272  Vgl. zur Durchführung einer Evalution eines Gesetzes am Beispiel der ButtonLösung Spindler / Thorun / Blom, MMR 2015, 3, 3 f. 273  BVerfGE 43, 130, 136; Grimm, NJW 1995, 1697, 1703. 274  Assion, in: Telemedicus e. V. (Hrsg.), Überwachung und Recht  – Tagungsband zur Telemedicus Sommerkonferenz 2014, S. 52 ff. 275  BVerwG NJW 2015, 807, 809; BVerfGE 19, 303, 311 f.; BVerfGE 39, 334, 366 f.; BVerfG NJW 2000, 2890, 2891; OVG Münster NVwZ 2012, 890, 891; Graf

388 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Grundrechte stellen zwar in erster Linie Abwehrrechte gegen den Staat dar, weshalb die Auffassung vertreten wird, dass Staatsbedienstete und damit Grundrechtsverpflichtete bei der Ausübung ihres Amtes keinen entsprechenden Schutz genießen.276 Außerhalb ihres Berufs besitzen Beamte als Privatpersonen selbstverständlich den Schutz der Grundrechte.277 Dennoch kann sich ein Beamter bei der Ausübung seines Amtes auch auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen, da die Privatperson bei der Ausübung hoheitlicher Aufgaben mitwirkt.278 Daher bejahen das Bundesverfassungsgericht und verschiedene Literaturstimmen für Beamte die Grundrechtsfähigkeit zumindest in Bezug auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht.279 Vitzthum, in: Merten / Papier (Hrsg.), HdbGR, Band II, § 48, Rn. 19, 35; Spitzer, Persönlichkeitsschutz von Amtsträgern? Zur Kennzeichnungspflicht von Polizeivollzugsbeamten, S.  106 ff. 276  Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 427; Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, S. 312; Spitzer, Persönlichkeitsschutz von Amtsträgern? Zur Kennzeichnungspflicht von Polizeivollzugsbeamten, S. 107 m. w. N.; Gündisch / Dany, NJW 1999, 256, 259; VG Minden, Beschl. v. 25.02.2009 – 2 L 66 / 09, juris Rn. 6; Globig, DÖD 1991, 217, 218; Lopacki, PersV 2005, 134, 136; Gola / Pötters / Wronka, Handbuch Arbeitnehmerdatenschutz, Rn.  28 f.; Hartig, in: Roßnagel (Hrsg.), Handbuch des Datenschutzrechts, 6.2, Rn. 46. 277  Spitzer, Persönlichkeitsschutz von Amtsträgern? Zur Kennzeichnungspflicht von Polizeivollzugsbeamten, S. 107 f. 278  BVerfG NJW 2014, 3013, 3014; BVerwG NJW 2015, 807, 809; BVerfGE 119, 309, 323 f.; Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, S. 312 f.; Fink, Bild- und Tonaufnahmen im Umfeld der strafgerichtlichen Hauptverhandlung, S. 199; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 428; BVerfG NJW 2000, 2890, 2891; BVerfG StraFo 2007, 286, 287, mit Anm. Eisenberg; Ernst, NJW 2001, 1624, 1626; vgl. Maul, MDR 1970, 286, 287. Zudem sind Richter nicht als Personen der Zeitgeschichte i. S. d. § 23 KUG anzusehen, vgl. Ernst, ZUM 1996, 187, 191. 279  BVerfG NJW 2014, 3013, 3014; BVerfGE 119, 309, 323  f.; BVerfG NJW 2009, 2117, 2119 f.; BVerwG NJW 2015, 807, 809. Ausführlich hierzu auch Spitzer, Persönlichkeitsschutz von Amtsträgern? Zur Kennzeichnungspflicht von Polizeivollzugsbeamten, S. 106 ff. in Bezug auf die informationelle Selbstbestimmung von Polizeibeamten. Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, S. 313; Rupprecht, ZRP 1989, 93, 94; Guckelberger, ZBR 2009, S. 332, 335; Barczak, NVwZ 2011, 852, 853; Barczak, LKV 2014, S. 391, 393; Däubler, Gläserne Belegschaften, Rn. 108; Kuß, Öffentlichkeitsmaxime der Judikative und das Verbot von Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, S. 209 f. bejaht zumindest die Anwendbarkeit des Kunsturhebergesetzes; a. A. Stutz, Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafverfahren, S. 3, mit Verweis auf Schmidt, Justiz und Publizistik, S. 61, mit der Begründung, dass persönliche Lebensbereiche von Organen der Rechtspflege in der Hauptverhandlung nicht berührt werden; im Gegensatz zu Zeugen, die zu Indiskretionen aufgrund der Aussage- und Wahrheitspflicht verpflichtet sind. Globig, DÖD 1991, 217, 218 verneint hingegen



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit389

Vor allem das allgemeine Persönlichkeitsrecht der staatsfernen Prozessparteien wird als Grenze von Öffentlichkeit herangezogen. Aber auch Richter sowie die in der staatlichen Sphäre befindlichen Justizangehörigen können sich auf dieses Grundrecht in Ausübung ihrer Tätigkeit in abgeschwächter Form berufen.280 Hierauf beruhend muss der die digitale Gerichtsöffentlichkeit formende Gesetzgeber die heutige Praxis der Gerichtsöffentlichkeit, die Wirkung eines auf digitalem Wege öffentlich zugänglichen Gerichtsverfahrens sowie technische Möglichkeiten zur Wahrung der informationellen Selbstbestimmung im Blick haben. 2. Spannungsverhältnis von Persönlichkeitsrecht und Gerichtsöffentlichkeit Nachdem die Eröffnung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei einer Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit für Personen aus der Justizsphäre zu bejahen ist, stellt sich die Frage, ob ein Eingriff in dieses (Grund)Recht gerechtfertigt werden kann. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich dabei lediglich auf den Selbstdarstellungsschutz.281 Ein diesbezüglicher Anspruch auf Schutz erstreckt sich grundsätzlich auch auf Personen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft, die „kraft der ihnen obliegenden Aufgaben anlässlich ihrer Teilnahme an einer öffentlichen Gerichtsverhandlung im Blickfeld der Öffentlichkeit und der Medien stehen“.282 Allerdings ist dieses Recht gegenüber der dem Richter gegenüberstehenden Privatpersonen abgeschwächt.283 Daher muss im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen dem Gewähren und Verändern der Gerichtsöffentlichkeit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Staatsbediensteter eine etwas andere Gewichtung der Interessen vorgenommen werden, als dies zum Schutz von zivilen Privatpersonen der Fall ist.

die Anwendbarkeit der informationellen Selbstbestimmung für Amtsträger bei Ausübung ihrer Amtspflicht. 280  So stRspr BVerfG NJW 2014, 3013, 3014; BVerfG NJW 2009, 2117, 2119 f. m. w. N.; BVerfGE 119, 309, 323 f. Vgl. die Ausführungen zum Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts C. III. 2. a). 281  Anders als bei Verfahrensbeteiligten wird der Schutz der Privatsphäre bei Organen der Rechtspflege in der mündlichen Verhandlung nicht tangiert, Stutz, Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafverfahren, S. 3. 282  BVerfG NJW 2014, 3013, 3014; BVerfGE 119, 309, 323 f. 283  stRspr, so etwa BVerfG NJW 2014, 3013, 3014; BVerfG NJW 2009, 2117, 2119 f. m. w. N.; BVerfGE 119, 309, 323 f.; Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, S. 313; BR-Drs. 254 / 17, S. 11.

390 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Insbesondere die Übertragung der Verhandlung in Bild und Ton greift in das Recht am eigenen Bild und Wort der Gerichtspersonen ein. Vorliegend wird auf die Gestaltung der digitalen Übertragung, wie unter III. 2. c) aa) (2) (c) dargestellt, Bezug genommen. Wenn diese Form der Gerichtsöffentlichkeit für Privatpersonen verhältnismäßig ist, muss dies erst Recht für Personen aus der Justizsphäre gelten.284 Öffentlichkeit hat nämlich die Aufgabe, den einzelnen vor unberechtigten staatlichen Einflüssen (auch bei Gericht) zu schützen. Auch hier ist die gesetzgeberische Wertung zu berücksichtigen, die beispielsweise nach § 24 KUG zu Zwecken der Rechtspflege eine Veröffentlichung von Bildnissen ohne Einwilligung erlaubt. Jeder Richter hat aufgrund der Geschäftsordnung und des Grundsatzes des gesetzlichen Richters potentiell über einen medienträchtigen Fall zu richten, was zur Folge hat, dass es Aufnahmen von ihm vor und auch nach der Verhandlung geben kann, die eine (optische) Identifizierung ermöglichen.285 Teil einer im öffentlichen Interesse stehenden Verhandlung zu sein, wurde nach Auffassung von Kujath von Personen in der Sphäre des Gerichts eigenständig durch ihre Berufswahl gewählt.286 So muss ein selbst gewähltes Urteil mit dem Richter auch in Verbindung gebracht werden können,287 zumal ihm aufgrund des Richterprivilegs nach § 839 Abs. 2 BGB rechtlich grundsätzlich keine Konsequenzen hieraus erwachsen können. Dennoch kann es in bestimmten Konstellationen gerechtfertigt sein, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Gerichtsperson gegenüber einem Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegen zu lassen.288 Zum Schutz von Personen in der Justizsphäre im Gerichtsverfahren gibt es die Robe, die gleichzeitig den Effekt hat, den Richter als Privatperson unkenntlich zu machen.289 Die Kleidungswahl vor Gericht hat damit gleichsam schützende Wirkung in Anbetracht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Eine darüber hinaus gehende Unkenntlichmachung ist nicht erforderlich, da der Richter mit seiner Person auch den Rechtsstaat verkörpert und Recht im 284  So im Ergebnis auch Schmidt / Temming, in: Gercke u. a. (Hrsg.), Strafprozessordnung, § 169 Rn. 14 („Gerichtsmitglieder müssen die Übertragung ihrer Abbildung regelmäßig hinnehmen (BVerfG NJW 2008, 977, 2000, 2890; StraFo 2007, 284“)). 285  Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, S. 317 f. 286  Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, S. 318. 287  Vgl. Kissel / Mayer, GVG, § 12 Rn. 126, § 169 Rn. 92; vgl. Kohlhaas, DRiZ 1956, 2, 2; a. A. Wolf, ZRP 1994, 187, 191. 288  BVerfG NJW 2000, 2890, 2891. 289  Auch die Ansprache mit dem Familiennamen eines Richters ist unüblich. Stattdessen ist die Bezeichnung „Herr Vorsitzender / Frau Vorsitzende“ üblich. Zur früheren angemessenen Anrede von Richtern vgl. OLG Nürnberg JZ 1968, 150, 152 mit Anm. Sarstedt.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit391

Namen der Allgemeinheit sprechen muss.290 Dem stehen auch keine verfassungsrechtlich geschützten überwiegenden Interessen von Gerichtspersonen entgegen.291 So hat bereits das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass „[e]in Interesse der Richter und Schöffen, in ihrer Person nur durch die in der Sitzung Anwesenden wahrgenommen zu werden, […] angesichts der Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit für ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren regelmäßig nicht anzunehmen [ist]. Das Persönlichkeitsrecht überwiegt das Berichterstattungsinteresse aber, wenn besondere Umstände Anlass zu der Befürchtung geben, eine Übertragung der Abbildung der Mitglieder des Spruchkörpers über das Fernsehen werde dazu führen, dass sie künftig erheblichen Beeinträchtigungen ausgesetzt sein werden.“292 Dies ist nicht der Fall, wenn die digitale Gerichtsöffentlichkeit die aufgezeigten technischen und rechtlichen Möglichkeiten zur Wahrung der informationellen Selbstbestimmung beachtet.293 Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob eine Veröffentlichung der verfahrensrelevanten Unterlagen ebenfalls nur verhältnismäßig ist, wenn vorher eine Anonymisierung hinsichtlich des entscheidenden Richters oder Spruchkörpers erfolgt ist. Die schriftliche Namensnennung hat bei Justizpersonen die gleiche Perpetuierungswirkung. Eine Namensnennung der Verantwortlichen zumindest in Unterlagen wie dem Geschäftsverteilungsplan ist jedoch zu Kontrollzwecken erforderlich.294 Auch ein Anonymisierungsbedarf hinsichtlich der Namen der mitwirkenden Richter bei der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen wird abgelehnt.295 Die Namensnennung auf dem Urteil zeugt nämlich ebenfalls von dem Recht des einzelnen auf den gesetzlichen Richter und ist somit als erforderliches Kontrollinstrument anzusehen. Darüber hinaus widerspräche die Anonymisierung der Richternamen bei Urteilen „dem Grundsatz der öffentlichen Urteilsverkündung durch das erkennende Gericht“ sowie „dem Richterbild des GG und des DRiG, das in Konsequenz der ausgeprägten richterlichen Freiheit und Unabhängigkeit auch das personelle Eintreten des Richters in der Öffentlichkeit für seine Entscheidung beinhaltet“.296 290  Debus, NJW 2015, 981, 984 erkennt sogar einen Informationsanspruch auf die dienstlichen Kontaktinformationen von Richtern an. 291  A. A. Ernst, NJW 2001, 1624 1626. 292  BVerfG NJW 2000, 2890, 2891. 293  Vgl. Kapitel 4 C. II., Kapitel 5 B. III. 2., C. II. 1. 294  Vgl. auch Schindler, in: Gschwend u. a. (Hrsg.), Recht im digitalen Zeitalter, S. 749. 295  Kissel / Mayer, GVG, § 12 Rn. 126, so auch BVerwG NJW 2015, 807, 808 ff. bzgl. der Namen von Staatsanwälten und Verteidigern. 296  Kissel / Mayer, GVG, § 12 Rn. 126; zur verpflichtenden namenlichen Zuweisung von Gerichtsentscheidung an die erkennenden Richter vgl. auch Foth, MDR 1987, 199.

392 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Von diesem Grundsatz ist auch im Rahmen einer Digitalisierung der Gerichtsentscheidungen nicht abzuweichen. Allerdings müssen Richter durch die neue Form von Öffentlichkeit, in der sie aufgrund einer Digitalisierung stehen, bestmöglich technisch297 und rechtlich vor einer Profilbildung geschützt werden.298 Auch die Nennung des Namens von Urkundsbeamten der Geschäftsstellen ist für die Öffentlichkeit von Relevanz, da diese mit ihrem Namen dafür einstehen, dass sie ein Protokoll eines Richters richtig vom Tonträger übertragen haben. Neben einer Namensnennung und nachfolgenden Beeinflussungsversuchen durch Dritte wird vor allem die Gefahr von internen Leistungskontrollen in einer Erweiterung der Gerichtsöffentlichkeit gesehen.299 Die staatlichen öffentlichkeitsbedürftigen Informationen stehen zumeist in engem Zusammenhang mit dem informationserzeugenden Funktionsträger.300 Diesem wiederum billigt das Bundesverfassungsgericht auch in Ausführung seiner Tätigkeit den Schutz der Grundrechte zu. Aus einer digitalen Einsicht in Gerichtsverhandlungen sowie den Gerichtsentscheidungen ist eine Überprüfung der Arbeitsweise eines Richters und damit eine Leistungskontrolle möglich.301 Die Ermöglichung einer Leistungskontrolle als Argument gegen Öffentlichkeit, welche als Funktion die Schaffung von Kontrollmöglichkeiten besitzt, ist jedoch zu undifferenziert. Nicht jede Form der Kontrolle ist ein Eingriff in die Grundrechte des Funktionsträgers. Eine öffentliche Kontrolle auch der Arbeitsweise eines Richters, welche in eine öffentliche Diskussion münden kann, ist durchaus intendiert und verfassungsrechtlich gestattet. Dies zeigt auch Art. 91d GG, der zur Feststellung und Förderung der Leistungsfähigkeit der Verwaltungen in Bund und Ländern Vergleichsstudien und die Veröffentlichung der Ergebnisse erlaubt, wonach die Leistungsfähigkeit in der staatlichen Sphäre (selbst durch den Staat) durchaus geprüft werden kann. Allerdings darf die digitale Gerichtsöffentlichkeit auch für Richter keine Prangerwirkung besitzen.302 Daher ist ein schonender Ausgleich der involvierten 297  Technisch sollten alle Möglichkeiten ausgenutzt werden, um Persönlichkeitsverletzungen und Verhaltensanalysen durch Dritte zu unterbinden, vgl. Kapitel 4. C. II. 2., 3. 298  In rechtlicher Hinsicht besteht die Möglichkeit der Pönalisierung einer entsprechenden Profilbildung, vgl. hierzu C. II. 1. 299  Heckmann, in: Slapio / Habbel / Huber (Hrsg.), Wertschöpfung für die Wirtschaft, S. 49. 300  Heckmann, in: Slapio / Habbel / Huber (Hrsg.), Wertschöpfung für die Wirtschaft, S. 49. 301  Vgl. Heckmann, in: Slapio / Habbel / Huber (Hrsg.), Wertschöpfung für die Wirtschaft, S. 49. 302  Die Prangerwirkung wird nicht durch die bloße Öffentlichkeit, sondern primär durch Berichterstattung, damit einhergehende Informationskürzungen und damit durch die derzeitige Medienöffentlichkeit erzeugt, so auch Zuck, DRiZ 1997, 23, 31.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit393

Interessen bei der Umsetzung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit vorzunehmen, so dass Richter und sonstige Justizangehörige nicht in ihren Grundrechten verletzt werden.303 Beispielsweise sollte auf einem entsprechenden Portal die Suchfunktion lediglich Fälle (z. B. anhand von Aktenzeichen und Daten), nicht aber Richter auffindbar machen. Namen der Funktionsträger bedürfen daher auch bei der Gestaltung des Portals nicht der Hervorhebung. Anders sieht es mit einer internen Leistungskontrolle aus. Aufgrund der Unabhängigkeit der Richter, denen die Rechtsprechung anvertraut wurde, dürfen sie wegen ihrer (im Einklang mit Recht und Gesetz stehenden) Entscheidungen keine gewaltfremden Repressionen erwarten. Solche sind aufgrund der aktuellen Gesetzeslage wohl auch nicht zu befürchten.304 Dienstliche Ermahnungen aufgrund geringer Erledigungszahlen, Sonderprüfungen oder weitere disziplinarrechtliche Maßnahmen durch die Justiz selbst, können jedoch gegenüber Richtern in Einzelfällen gestattet sein.305 Allerdings stellt sich die Frage, ob permanente Leistungskontrollen den Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit erodieren lassen. In diesem Kontext kann auf die Rechtsfigur der sogenannten „Chilling Effects“ geblickt werden.306 Diese ist vorliegend jedoch nicht einschlägig. Die erzielte Einschüchterung muss nämlich unmittelbar aus der staatlichen Sphäre stammen307 und nicht, wie dem vorliegend der Fall wäre, aufgrund deren erweiterter Rezeptionsmöglichkeit durch Privatpersonen.308 Stichprobenartige Kontrollen durch „übergeordnete“ Gerichtspräsidenten sind bereits heute für die wiederkehrenden Bewertungen in der Justiz üblich. 303  Heckmann, in: Slapio / Habbel / Huber (Hrsg.), Wertschöpfung für die Wirtschaft, S. 49. 304  Vgl. Wittreck, VVDStRL Band  74 (2015), S. 137  f. Zur Zulässigkeit von dienstaufsichtsrechtlichen Maßnahmen vgl. Kapitel 2 B. III. 305  Vgl. BGH, Urt. v. 07.09.2017 – RiZ (R) 1 / 15; RiZ (R) 2 / 15; RiZ (R) 3 / 15. 306  Vgl. hierzu auch B III. 7. 307  Starnecker, Videoüberwachung zur Risikovorsorge, S. 366, 368. 308  Der Umstand, dass in eine Überwachungsgesamtrechnung nach Moser-Knierim auch die Überwachung durch Private miteinbezogen werden sollte, führt dennoch nicht zu einer Anwendung dieser Theorie, da es vorliegend nicht um Überwachung geht, sondern um eine kurzfristige digitale Erweiterung von Öffentlichkeit, vgl. Moser-Knierim, Vorratsdatenspeicherung, S. 239 f. Die mögliche Perpetuierungswirkung einer Ton- und Bildaufnahme führt an sich noch nicht zu einer Überwachungsmaßnahme, zumal vorliegend nur eine simultane Übertragung oder kurzfristige Zurverfügungstellung entsprechender Aufnahmen mit anschließender Löschung erfolgen soll. Die übermittelten gerichtlichen Inhalte spielen sich bereits in der öffentlichen Sphäre ab. Darüber hinaus ist aufgrund der derzeitigen Gestalt der Theorie der Überwachungsgesamtrechnung davon auszugehen, dass diese sich lediglich an den Gesetzgeber richtet und an diesen appelliert, tätig zu werden, Hornung / Schnabel, DVBl. 2010, 824, 827 f.; Starnecker, Videoüberwachung zur Risikovorsorge, S. 379.

394 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Auch hierbei kann zukünftig statt des analogen Verfolgens einer Verhandlung eine digitale Zuschaltung erfolgen.309 Allerdings könnte in solchen Fällen eine Information des zu Bewertenden über die anstehende Begutachtung angedacht werden. Die derzeit genutzten Statistiken über Akteneingänge und Rückstände pro Referat erlauben bereits seit Jahren eine permanente Leistungskontrolle der Richter. Dennoch ist einer öffentlichkeitsbedingten entscheidungshemmenden Wirkung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit durch technische und organisatorische Schutzmaßnahmen310 entgegenzutreten, indem beispielsweise eine Weiterverbreitung entsprechender Verhandlungsvideos rechtlich zu untersagen ist. Zudem können auch Staatbedienstete im Rahmen der Ausübung ihres Amtes einen menschenwürdigen Umgang erwarten, da auch sie bei Ausübung ihrer Tätigkeit nicht Objekt staatlicher Willkür werden dürfen. Eine Verobjektivierung, wie dies Art. 1 GG verbietet, ist jedoch durch die Einführung einer Kontrollinstanz in Form der erweiterten Öffentlichkeit nicht anzunehmen.

V. Öffentlichkeit und Medien Die verfassungsrechtlichen Medienfreiheiten schützen Institutionen wie Rundfunk, Presse und Film weitreichend, geben ihnen jedoch auch gesetz­ liche Verpflichtungen wie beispielsweise den Jugendmedienschutz auf. Im Folgenden soll untersucht werden, ob die digitale Gerichtsöffentlichkeit selbst als Rundfunk oder lediglich als Telemedium einzustufen ist und welche Folgen sich hieraus für die Gestaltung einer Plattform ergeben, über die die Gerichtsöffentlichkeit virtuell ermöglicht wird. 1. Digitale Gerichtsöffentlichkeit im Lichte der Rundfunkfreiheit Zunächst stellt sich die Frage, ob die Herstellung von digitaler Gerichtsöffentlichkeit in der Form, in der Verhandlungen (live) über das Internet über309  Es gibt keinen „allgemeinen Grundsatz, dass eine Geschäftsprüfung ohne Wissen des betroffenen Richters die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt“, BGH, Urt. v. 07.09.2017 – RiZ (R) 3 / 15 Rn. 28. „Allein durch die Prüfung ohne Kenntnis des betroffenen Richters werden weder Einfluss oder Druck gegenüber der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit des Richters ausgeübt noch ein solcher Anschein hervorgerufen.“ BGH, Urt. v. 07.09.2017 – RiZ (R) 3 / 15 Rn. 28. Danach dürfte eine entsprechende Einsichtnahme in die mündliche Verhandlung auch ohne Wissen des Überprüften erfolgen. 310  Vgl. Heckmann, in: Slapio / Habbel / Huber (Hrsg.), Wertschöpfung für die Wirtschaft, S. 49.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit395

tragen werden, Rundfunk i. S. d. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt. Hieraus könnte sich nämlich eine weitere Begrenzung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit ergeben, insbesondere unter Beachtung des durch das Bundesverfassungsgericht geprägten Gebots der Staatsferne.311 Hiernach darf Rundfunk weder durch den Staat betrieben werden312 noch durch diesen maßgeblich beeinflusst sein,313 um die öffentliche Meinungsbildung nicht einseitig zu lenken und als Propagandamittel missbraucht zu werden, wie dies in den 1930er Jahren erfolgte.314 Darüber hinaus ist die Frage nach der verfassungsrechtlichen Einordnung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit aufgrund der weitreichenden einfachgesetzlichen Prägung der unterschiedlichen Medienarten für die weitere Ausgestaltung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit von Relevanz. Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff ist aufgrund einer sehr knappen Darstellung der Freiheitsgewähr in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG maßgeblich durch das Bundesverfassungsgericht geprägt worden.315 Aufgrund der Einschätzung des Gerichts kommt dem Rundfunk als „Medium und Faktor“ für die individuelle sowie öffentliche Meinungsbildung eine hohe Bedeutung im demokratischen Rechtsstaat zu, so dass sich der Rundfunkbegriff seiner Funktion entsprechend dynamisch entfalten können muss.316 Diese überragende Bedeutung des Rundfunks basiert auf der hohen Authentizität audio­ visueller Darstellungen, der besonderen Breitenwirkung, die sich auf der gleichzeitigen Rezeptionsmöglichkeit vieler Zuschauer ergibt, und der Aktualität sowie einer besonderen Suggestivkraft, da auf diesem Wege erfolgte Manipulationen durch die Rezipienten häufig nicht bewusst wahrgenommen werden (können).317 Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff richtet sich daher primär nach der Aufgabe und Funktion des Rundfunks selbst.318 Das Bundesverfassungsgericht hat einige wichtige Kriterien, die für das Vorliegen von Rundfunk erforderlich sind, herausgearbeitet. Zunächst muss er an die Allgemeinheit gerichtet sein. Darüber hinaus hat die Übertragung 311  Paulus / Nölscher, ZUM 2017, 177, 179 m.  w. N.; BVerfGE 12, 205, 262 f.; BVerfGE 121, 30, 50, 52 f., 61. Vgl. hierzu auch Gersdorf, Staatsfreiheit des Rundfunks, S.  50 ff. 312  BVerfGE 12, 205, 262 f.; BVerfGE 90, 60, 88; BVerfGE 121, 30, 52 f. 313  BVerfGE 121, 30, 50, 52 f.; BVerfGE 73, 118, 152. 314  Paulus / Nölscher, ZUM 2017, 177, 180. 315  Vgl. die Aufstellung bei Kühling, in: Gersdorf / Paal (Hrsg.), BeckOK Informations- und Medienrecht, GG, Art. 5 Rn. 58 ff. 316  BVerfGE 74, 297, 350 f.; BVerfGE 83, 238, 299. 317  Vgl. BVerfGE 90, 60, 87. 318  Gitter, in: Roßnagel, Beck’scher Kommentar zum Recht der Telemediendienste, TMG § 1 Rn. 12 f.; Holznagel in: Spindler / Schuster (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien, RStV § 2 Rn. 6 ff.

396 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

des Angebots mittels körperloser Signale zu erfolgen und muss eine Darbietung darstellen.319 Die verfassungsrechtliche Begriffsbestimmung des Rundfunks befindet sich allerdings aufgrund neuer Rezeptionsformen über das Internet derzeit in einem Wandel mit nicht absehbarem Ergebnis.320 Ein Angebot ist nach dem bisherigen Verständnis an die Allgemeinheit gerichtet, wenn die Informationen für eine beliebige Vielzahl von Rezipienten bestimmt sind.321 Teilweise wird in diesem Kontext auch die Möglichkeit einer gleichzeitigen Rezeption des Übertragenen gefordert.322 Diese Erfordernisse würde die digitale Gerichtsöffentlichkeit bisher erfüllen. Lediglich individualisierte Angebote (im Internet) wären hierdurch ausgenommen. Das Erfordernis der körperlosen Übertragung diente primär der Abgrenzung des Rundfunks von Presse oder Film, bei denen früher ein Trägermedium der Informationen zwingend erforderlich war. Das Kriterium der Fokussierung auf die Körperlosigkeit stellt in Zeiten der Konvergenz der Medien unter Zuhilfenahme des Internets kaum ein taugliches Abgrenzungskriterium des Rundfunks zu anderen (Massen-)Medien dar, da aufgrund der zunehmenden Digitalisierung von Presse- oder Filminhalten auch diese das genannte Abgrenzungskriterium aufweisen. Aufgrund der Entwicklungsoffenheit des Rundfunkbegriffes können auch neue Übertragungswege geschützt werden. Der klassische Rundfunk, der über elektrische bzw. elektromagnetische Schwingungen übertragen wird, wird immer weiter durch digitales Fernsehen und Mediatheken im Internet zurückgedrängt. Wird beim Rundfunk das Internet als Übertragungsweg anerkannt, erfüllt die digitale Gerichtsöffentlichkeit auch diese Voraussetzung. Die konkrete Bedeutung sowie das Erfordernis einer Darbietung zur Bejahung von Rundfunk sind umstritten.323 Das Vorliegen einer Darbietung ist zu bejahen, wenn eine publizistische Relevanz des Angebotes, d. h. eine Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung vorliegt.324 Ein wichtiges Ele319  Zur redaktionellen Darbietung siehe Jarass, Online-Dienste und Funktionsbereich des ZDF, S. 11 ff. 320  Kühling, in: Gersdorf / Paal (Hrsg.), BeckOK Informations- und Medienrecht, GG, Art. 5 Rn. 8, 94. 321  Kühling, in: Gersdorf / Paal (Hrsg.), BeckOK Informations- und Medienrecht, GG, Art. 5 Rn. 74. 322  A. A. BVerfGE 74, 297, 350 ff. 323  Holznagel in: Spindler / Schuster (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien, RStV § 2 Rn. 7, 10; Janik, AfP 2000, 7, 8 m. w. N.; Castendyk / Böttcher, MMR 2008, 13, 15 lehnen das Erfordernis der Darbietung für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff ab. 324  Holznagel, in: Hoeren / Sieber / Holznagel (Hrsg.), Multimedia-Recht, Teil  3 Rn. 63.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit397

ment dessen ist zumindest die redaktionelle Arbeit, die den Rundfunk erst zu dem macht, was er ist. Dies bedeutet, dass eine „planvoll[e] redaktionelle Zusammenstellung und Gestaltung unterschiedlicher Inhalte und Informationen zu einem umfassenden Kommunikationsangebot“ vorliegen muss.325 Vorliegend wird dieser engen Auslegung des Rundfunkbegriffs gefolgt, der eine redaktionelle Bearbeitung von Inhalten erfordert.326 Liegt eine bloße Tatsachenübermittlung beispielsweise in Form der Abbildung von Börsen­ daten vor oder zeigt eine Liveübertragung ausschließlich die Wetterlage von einem Ort, ist danach keine Darstellung anzunehmen, so dass kein Rundfunk vorliegt.327 Nunmehr stellt sich die Frage, wie die (zeitnahe) Übertragung einer realen Gerichtsverhandlung einzuschätzen ist. Aufgabe der digitalen Gerichtsöffentlichkeit ist die Schaffung eines Abbildes der Wirklichkeit, wobei neue Techniken eingesetzt werden, um analog feststellbare Gegebenheiten über den digitalen Raum für einen größeren Rezipientenkreis wahrnehmbar zu machen. Im Rahmen einer negativen Abgrenzung ist festzustellen, dass eine planvolle Programmzusammenstellung, die als Grundlage einer Darbietung genannt wird, abgelehnt wird, wenn der Rezipient eine Auswahlfreiheit bezüglich des Programmablaufs besitzt.328 Wird die digitale Gerichtsöffentlichkeit derart gestaltet, dass am Ende eines Verhandlungstages alle Videos gleichzeitig für einen gewissen Zeitraum eingestellt werden und der Rezi­ pient die freie Wahl hat, welche Videos er in welcher Reihenfolge betrachtet, liegt kein Rundfunk vor.329 Fraglich ist, wie eine Liveübertragung der Verhandlung im Hinblick auf die Voraussetzung der Darbietung zu bewerten wäre. Die thematische Beschränkung auf die Darstellung von Gerichtsverhandlungen hindert für sich genommen noch nicht die Einordnung als Rundfunk (Zulässigkeit des soge325  Holznagel, in: Hoeren / Sieber / Holznagel (Hrsg.), Multimedia-Recht, Teil  3 Rn. 63; Jarass, AfP 1998, 133, 134 f.; ferner Libertus, K&R 2000, 119, 121; Michel, ZUM 1998, 350, 351. 326  Schemmer, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, Art. 5 Rn. 69. 327  So auch Holznagel, in: Hoeren / Sieber / Holznagel (Hrsg.), Multimedia-Recht, Teil 3 Rn. 63; Janik, AfP 2000, 7, 8; Jarass, AfP 1998, 133, 134 f.; a. A. Castendyk / Böttcher, MMR 2008, 13, 15, die das Erfordernis der Darbietung für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff negieren. 328  BVerfGE 97, 298, 310; Kühling, in: Gersdorf / Paal (Hrsg.), BeckOK Informations- und Medienrecht, GG, Art. 5 Rn. 75 mit Verweis auf BVerfGE 90, 60, 87; Holznagel, in: Hoeren / Sieber / Holznagel (Hrsg.), Multimedia-Recht, Teil  3 Rn. 63. A. A. Jarass, AfP 1998, 133, 136. 329  Vgl. Martini, in: Gersdorf / Paal (Hrsg.), BeckOK Informations- und Medienrecht, RStV, § 2 Rn. 11.

398 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

nannten Spartenrundfunks).330 Die für eine Darbietung erforderliche Relevanz für die öffentliche Meinungsbildung wird allerdings primär angenommen, wenn der Sendeinhalt redaktionell geprägt ist. Eine redaktionelle planmäßige Gestaltung erfüllt jedoch weder der Ablauf einer konkreten Gerichtsverhandlung, da dieser durch die jeweiligen Prozessordnungen vorgegeben wird, noch der die Tagesordnung prägende Sitzungsplan. Der konkrete Sitzungsplan, der durch das erkennende Gericht (u. U. in Rücksprache mit beteiligten Prozessvertretern, da diese temporär teilweise stärker eingebunden sind) zuvor festgelegt wurde, besitzt nicht unmittelbar die Funktion, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen. Vielmehr dient die Gerichtsverhandlung anderen Funktionen wie beispielsweise der Wahrheitsfindung.331 Zudem hätten Richter aufgrund der klaren Zuordnung ihres Verantwortungsbereichs und aufgrund des bereichsspezifischen „zufälligen“ Verfahrenseingangs auch nur begrenzte Möglichkeiten, mithilfe der Terminierung von Verfahren redaktionell tätig zu sein. Darüber hinaus hängt das Stattfinden bzw. der Inhalt eines Termins mitunter auch vom Erscheinen der Verfahrensbeteiligten, Verfahrensvertreter und Zeugen ab. Ein spontaner Wegfall einer Gerichtsverhandlung ist in der Instanzrechtsprechung daher keine Seltenheit. Vorliegend wird folglich die bloße Übertragung der Gerichtsverhandlung nicht als Rundfunk eingestuft. Eine weitergehende „redaktionelle“ Kommentierung des Geschehens vor Gericht könnte jedoch zu einer Bejahung der Anwendbarkeit des Rundfunkbegriffs führen. Vor diesem Hintergrund sollte beachtet werden, dass der Richter nur dem Gesetz verpflichtet ist und er auf seine Verfahrensbeteiligten sowie den vorgebrachten Einzelfall einzugehen hat. Eine Kommentierung seiner Entscheidung über die Angabe der Entscheidungsgründe hinaus oder eine aktive Beeinflussung der öffentlichen Meinungsbildung hat im Rahmen der Verhandlung daher nicht durch ihn zu erfolgen.332 Die unkommentierte (Live-)Übertragung erfüllt damit nicht die Voraussetzungen des Rundfunks.333 Aufgrund der Pluralität der Richtercharaktere, der vor Gericht erscheinenden Zivilpersönlichkeiten, der zu verhandelnden Einzelfälle, der gesetzlich vorgegebenen Verfahrensordnung und sich dennoch häufig spontan gestaltenden Gerichtsverfahren besteht bei einer digitalen Gerichtsöffentlichkeit keine 330  BVerfGE 74, 297, 345  f.; Holznagel, in: Hoeren / Sieber / Holznagel (Hrsg.), Multimedia-Recht, Teil 3 Rn. 64; Jarass, Online-Dienste und Funktionsbereich des ZDF, S. 11. 331  Arndt, in: Die neue Gesellschaft, 1956, S. 338, 339. 332  Darüber hinaus würde es bereits dem „richterlichen Takt“ zuwiderlaufen, wenn ein Richter sein „eigenes Urteil ‚bespricht‘ “, Arndt, NJW 1963, 2064, 2064. 333  Vgl. BT-WD 10  – 3000  – 021 / 14, Bedingungen für den Verzicht auf Rundfunklizenzen für Livestreams über das Internet, 02.04.2014, S. 10.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit399

Vergleichbarkeit mit regulärem Rundfunk oder auch mit dem noch eher planbaren Parlamentsfernsehen, welches seit Jahren betrieben wird. Zudem haben Richter im Gegensatz zu den Parlamenten lediglich das bestehende Gesetz anzuwenden und keine neuen gesellschaftsprägenden Gesetze zu erstellen. Aber auch im Zusammenhang mit dem Parlamentsfernsehen wird das Vorliegen von Rundfunk bereits verneint.334 Auch das Gebot der Staatsferne hat keine anderweitige Auswirkung auf die digitale Gerichtsöffentlichkeit. Gegen das Staatsfernegebot wird vorgebracht, dass dieses „kein absolutes Trennungsgebot zwischen Staat und Rundfunk aufstellt“, sondern lediglich eine „politische Instrumentalisierung des Rundfunks“ verhindern soll.335 Das Gebot der Staatsferne kann daher nicht verletzt sein, wenn sich der Staat authentisch präsentiert. Authentizität bedeutet in diesem Zusammenhang die kritische Abbildung von wahrheitsvermittelnden Inhalten. Das ungeschönte Aufzeigen der Realität und des staatlichen Alltags ohne redaktionellen, kommentierenden Kern stellt ein Argument gegen die Staatsferne in diesen Konstellationen dar. Dieser Grundsatz wurde nämlich in einem anderen Kontext durch das Bundesverfassungsgericht entwickelt und sollte eine einseitige Beeinflussung der Rezipienten verhindern und eine unabhängige und plurale Berichterstattung gewährleisten.336 Darüber hinaus gebietet das Öffentlichkeitsgebot, welches sich aus den verschiedenen Staatsstrukturprinzipien herleiten lässt337, dass gerichtliches Handeln, insbesondere die Hauptverhandlung öffentlich stattzufinden hat. Aus dem demokratischen Öffentlichkeitsgebot wird zumindest in Bezug auf das Parlamentsfernsehen abgeleitet, dass Sitzungen aufgezeichnet werden können und mithilfe von Übertragungen die Öffentlichkeit erweitert wird.338 Die Pflicht und daraus folgend das Recht öffentlichen staatlichen Handelns können nicht durch die Rundfunkfreiheit torpediert werden, deren Ziel einer 334  BT-WD 10  – 3000  – 021 / 14, Bedingungen für den Verzicht auf Rundfunk­ lizenzen für Livestreams über das Internet, 02.04.2014, S. 10. Gersdorf geht in dieser Konstellation zudem davon aus, dass es sich hierbei um eine zulässige Form der Selbstdarstellung des Parlaments unabhängig von der Frage handele, ob der Rundfunkbegriff bejaht werden könne, so dass das Gebot der Staatsferne vorliegend nicht einschlägig sei, vgl. Feidt, Hintergrund: Streit über Bundestagskanal beigelegt, abrufbar unter https: /  / www.telemedicus.info / article / 883-Hintergrund-Streit-ueber-Bundes tagskanal-beigelegt.html. 335  BT-WD 10  – 3000  – 021 / 14, Bedingungen für den Verzicht auf Rundfunk­ lizenzen für Livestreams über das Internet, 02.04.2014, S. 10. 336  BVerfGE 12, 205, 223 ff.; Paulus / Nölscher, ZUM 2017, 177, 177 f., 179 f. 337  Vgl. hierzu Kapitel 1 A. III. 3. b). 338  BT-WD 10  – 3000  – 021 / 14, Bedingungen für den Verzicht auf Rundfunk­ lizenzen für Livestreams über das Internet, 02.04.2014, S. 10.

400 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

umfassend pluralen Informierung der Bevölkerung anderenfalls konterkariert würde.339 Zudem muss bei der Auslegung des Rundfunkbegriffs das Telos des Grundrechts beachtet werden. In der Vergangenheit war Rundfunk aus technischer Hinsicht nur für eine beschränkte Anzahl von Anbietern möglich. Auf Grundlage knapper Ressourcen erklärte das Bundesverfassungsgericht, dass eine weitere Aufgabe des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG darin besteht, eine Institutsgarantie darzustellen und damit dafür zu sorgen, dass eine unabhängige Informationsquelle gewahrt bleibt.340 Durch die Rundfunkfreiheit soll nämlich die individuelle sowie die öffentliche Meinungsbildung frei von staatlichen Zwängen ermöglicht und unterstützt werden. Daher ist Aufgabe des Gebots der Staatsferne, dass eine unabhängige Meinungsbildung der Öffentlichkeit garantiert und eine plurale Berichterstattung ermöglicht wird.341 Der Rundfunk muss daher staatsfern organisiert sein.342 In der Praxis bedeutet dies, dass nur ein gewisses Quorum an Vertretern des Staates in den Aufsichtsräten und Gremien der verschiedenen Rundfunkanstalten vertreten sein darf.343 Dies dient dazu, dass unterschiedliche Meinungen demnach möglichst vollständig abgebildet werden können.344 Eine Gewährleistung der Meinungspluralität ist nunmehr auch über das Internet in Form von Videoübertragungen möglich. Die Rundfunkfreiheit kann jedoch nicht die Aufgabe haben, den Staat daran zu hindern, sich zu digitalisieren und bei der Öffnung staatlicher Verfahren neue Medien zu nutzen. Zudem wird auf diesem Wege nicht die Meinungsbildung eingeschränkt, sondern staatliches Handeln weiter geöffnet. Richter sind nach Art. 97 GG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Zudem zeigen Gerichtsverfahren das Leben in Deutschland in seiner gesamten Bandbreite, da jeder Bürger potentiell Teil eines solchen Verfahrens sein kann. Damit stellen die hieraus gewonnenen Informationen auch wichtige Bausteine für den Rundfunk oder die Presse dar, die, mit Hintergrundinformationen versehen, ein Verfahren redaktionell aufarbeiten können. Der Umstand, dass entsprechende Informationen oder Livebilder auch über ein Portal der Justiz abrufbar sind, ist eher eine Hilfe für den Rundfunk als eine unzulässigerweise meinungsbildungsbeschränkende staatliche Einrichtung. Eine digitale Übertragung der Gerichtsöffentlichkeit verletzt damit auch nicht die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewähr339  BT-WD 10  – 3000  – 021 / 14, Bedingungen für den Verzicht auf Rundfunk­ lizenzen für Livestreams über das Internet, 02.04.2014, S. 10. 340  Vgl. BVerfG NJW 1961, 547, 553. 341  Paulus / Nölscher, ZUM 2017, 177, 177 f. 342  BVerfG NJW 1961, 547, 553; Paulus / Nölscher, ZUM 2017, 177, 179. 343  BVerfG NJW 1961, 547, 552 f.; Paulus / Nölscher, ZUM 2017, 177, 179. 344  Paulus / Nölscher, ZUM 2017, 177, 177 f.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit401

leistete Institutsgarantie der Rundfunkfreiheit. Niemand wird aufgrund der möglichen Rezeption von digital übertragenen Gerichtsverhandlungen gehindert, auf das bestehende Rundfunkangebot zurückgreifen. Vielmehr bietet die digitale Gerichtsöffentlichkeit auch Rundfunkvertretern eine weitere Einsicht in das Handeln des Staates. Das Interesse der Öffentlichkeit wird insbesondere bei sehr komplexen Fragestellungen bei einer Live-Übertragung von Verhandlungen sehr überschaubar sein.345 Für eine Kommentierung und Verständlichmachung von gerichtlichem Handeln und Entscheidungen ist die Öffentlichkeit weiterhin auf Fachjournalisten angewiesen.346 Auch nach dem einfachrechtlichen Rundfunkbegriff aus § 2 Abs. 1 RFStV ist die digitale Gerichtsöffentlichkeit nicht als Rundfunk zu werten. Rundfunk ist danach nämlich die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen. Die Voraussetzung des Angebots, das entlang eines Sendeplans zur Verfügung steht, ist aufgrund der oben genannten Gestaltung abzulehnen.347 Dies gilt vor allem bei einer textbasierten Plattform mit einzelnen Verhandlungsvideos, die der Nutzer eigenständig abspielen kann. Der Livestream von Gerichtsverhandlungen könnte als ein Grenzfall zwischen Rundfunk und Telemedium angesehen werden.348 Allerdings erfüllt auch diese Konstellation, wie bereits im Rahmen des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs aufgezeigt wurde, nicht die genannten Voraussetzungen für Rundfunk. Dies ist insbesondere der Fall, wenn jedes Verfahren für sich alleine als Stream begonnen wird und nicht der gesamte Sitzungstag en bloc hintereinander gestreamt wird. Allerdings ist auch in der letztgenannten Variante der einfachgesetzliche Rundfunkbegriff nicht erfüllt. Dieser ist nämlich enger als der verfassungsrechtliche.349 In diesem Fall liegt weder ein lineares Programm vor, noch ist der Sitzungsplan als Sendeplan anzusehen. Der Sendeplan begründet nämlich eine redaktionelle Auseinandersetzung mit der Materie.350 345  Vgl. Schraft-Huber, in: Umbach / Clemens / Dollinger (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 17a Rn. 17 Die Zahlen sind jedoch bereits über zehn Jahre alt. 346  Vgl. Lechner / Zuck, BVerfGG, § 17a Rn. 5. 347  Zur Digitalisierung und Konvergenz der Medien vgl. Jungheim, Medienordnung und Wettbewerbsrecht im Zeitalter der Digitalisierung und Globalisierung S.  5 ff. 348  Martini, in: Gersdorf / Paal (Hrsg.), BeckOK Informations- und Medienrecht, RStV, § 2 Rn. 11. 349  Martini, in: Gersdorf / Paal (Hrsg.), BeckOK Informations- und Medienrecht, RStV, § 2 Rn. 1. 350  Schulz in: Hahn / Vesting (Hrsg.), Rundfunkrecht, RStV § 2 Rn. 42b; Holznagel, in: Spindler / Schuster (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien, RStV, § 2 Rn. 17.

402 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

2. Digitale Gerichtsöffentlichkeit als Telemedium Digitale Gerichtsöffentlichkeit ist somit nicht als Rundfunk einzuordnen. Stattdessen stellt sich die Frage, ob es eine andere rechtlich relevante Einordnung gibt, die einen weiteren zu beachtenden Rechtsrahmen vorgibt. Eine solche kann sich daraus ergeben, dass die digitale Gerichtsöffentlichkeit nicht für sich alleine steht, sondern über eine Trägerplattform in Form einer Webseite bzw. eines Portals im Internet Gerichtsverhandlungen einem größeren Publikum zugänglich macht. Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG sind Telemedien elektronische Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 TKG sind, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 TKG oder Rundfunk nach § 2 RFStV sind. Die reine Plattform, auf der Dokumente und auch Videos abrufbar sind, stellt zweifellos ein Telemedium dar, weil diese Form der digitalen Gerichtsöffentlichkeit zumindest kein Telekommunikationsdienst nach § 3 Nr. 24 TKG ist. Solche werden in der Regel gegen Entgelt erbracht und bestehen ganz oder überwiegend in der technischen Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze, einschließlich der Übertragung in Rundfunknetze.351 Vorliegend geht es jedoch gerade nicht um die Übertragung von reinen Signalen, sondern um die Vermittlung von Inhalten. Auch die Negativabgrenzung zu § 3 Nr. 25 TKG fällt zugunsten des Telemediums aus. Da die Be­ reitstellung von Informationen auf einer Homepage kein „telekommunika­ tionsgestützter Dienst“ ist, der keinen räumlich und zeitlich trennbaren Leistungsfluss auslöst, sondern bei dem die Inhaltsleistung noch während der Telekommunikationsverbindung erfüllt wird. Ferner ist die Ermöglichung ­ digitaler Gerichtsöffentlichkeit bei Einhaltung der genannten Voraussetzungen, wie unter B. V. 1. aufgezeigt, nicht als Rundfunk anzusehen. Aufgrund der Einordnung einer Plattform, über die die digitale Gerichtsöffentlichkeit ermöglicht wird, als Telemedium sind die Vorgaben des Telemediengesetzes zu beachten. Der hierfür verantwortliche Diensteanbieter muss jedoch eine natürliche oder juristische Person nach § 2 Nr. 1 TMG sein. Aufgrund der gewollten weitreichenden Definition gilt die Vorschrift auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts.352 Gerichte sind lediglich organisationsrechtliche nicht selbständige Einheiten und damit keine juristi351  Ricke, in: Spindler / Schuster (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien, TKG, § 3 Rn. 43. 352  Vgl. Martini, in: Gersdorf / Paal (Hrsg.), BeckOK Informations- und Medienrecht, TMG, § 2 Rn. 5.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit403

schen Personen des öffentlichen Rechts, da diese selbst nicht rechtsfähig sind. Die anonyme Bereitstellung der Informationen im Internet scheint aber im Hinblick auf den Gedanken einer transparenten Rechtsprechung kontraproduktiv. Je nach Gestaltung der Plattform ist zumindest das jeweilige Bundesland als Gebietskörperschaft als Diensteanbieter i. S. d. Telemediengesetzes zu verstehen. Das Land muss damit als Diensteanbieter ein Impressum nach § 5 TMG für die Plattform bereitstellen. Die bloße Angabe des jeweiligen Gerichts ist nach den Vorgaben des Telemediengesetzes hingegen nicht rechtskonform. Gleichsam schafft dies eine Verstärkung der Anonymität der Beteiligten und ist daher zu begrüßen. Darüber hinaus sind nach § 13 TMG Nutzer, sofern ihre Daten über diese Plattform erhoben werden, in Form einer Datenschutzerklärung (vgl. ab 25.05.2018 Art. 12 f. DS-GVO) umfassend und transparent über die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung zu informieren. 3. Jugend(medien)schutz Die Erweiterung der Gerichtsöffentlichkeit auf digitalem Wege hat zudem zur Folge, dass potentiell jeder, d. h. auch Kinder und Jugendliche eine Verhandlung verfolgen können. Dies wird, wie bereits unter B. I. 4. aufgezeigt, bei einem Großteil der Verhandlungen auch unproblematisch sein; allerdings können einzelne, vorrangig strafrechtliche Verhandlungen auch für gewisse Altersgruppen ungeeignet sein. Hierbei stellt sich die Frage, welche Vorgaben der Jugendmedienschutz diesbezüglich vorsieht. Telemedien wird durch den Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (JMStV) ein gewisser Rahmen für den Umgang mit dieser Zielgruppe aufgezeigt, vgl. § 2 Abs. 1 JMStV i. V. m. § 2 RFStV. Zunächst ist darauf zu achten, dass gewisse Angebote überhaupt nicht online zugänglich sind. Diese werden von § 4 JMStV enumerativ aufgezählt. Es können zwar vor allem in strafrechtlichen Gerichtsverhandlungen entsprechende Inhalte thematisiert werden. Hierbei ist jedoch Wert darauf zu legen, dass beispielsweise kinderpornografische Bilder überhaupt nicht in den Bereich der aufzeichnenden Kamera fallen oder nur zur Unkenntlichkeit ver­ pixelt der Öffentlichkeit gezeigt werden. Gleichsam müssten entsprechende akustische Beweismittel ausgeblendet werden. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 8 JMStV sind auch Programme unzulässig, die die Menschenwürde verletzen. Wie bereits oben aufgezeigt, verletzt die reine Übertragung einer Gerichtsverhandlung die Verfahrensbeteiligten nicht in ihrer Menschenwürde, so dass kein Risiko eines Verstoßes vorliegend gegeben ist. Bei Gewalttaten ist sicherzustellen, dass keine Verherrlichung der Tat vor Gericht durch den Täter

404 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

oder ortsanwesende Zuschauer erfolgt. Hier sind die Richter stärker noch als sonst gehalten, die Sitzungsordnung aufrecht zu erhalten und ihre Sitzungsgewalt auszuüben. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 JMStV wird gefordert, dass Anbieter Inhalte, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, verbreiten oder zugänglich machen, dafür Sorge zu tragen haben, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen (ab 6, 12, 16 oder 18 Jahre) sie üblicherweise nicht wahrnehmen. In diesem Kontext kann bereits festgestellt werden, dass Kinder jeder Altersstufe auf eine Webseite oder ein Portal, über das Gerichtsöffentlichkeit digital hergestellt wird, grundsätzlich zugreifen können. Allerdings wird der bewusste Zugriff frühestens ab dem sechsten Lebensjahr und einer bestehenden Alphabetisierung hier angenommen. Wahrscheinlich wird das Alter für einen bewussten Zugriff auf ein Portal, welches Gerichtsöffentlichkeit digital vermittelt, jedoch deutlich höher liegen. Der Großteil der Verhandlungen besitzt keinen gefährdenden Inhalt. Lediglich in wenigen (strafrechtlichen) Verhandlungen wird man ein entwicklungsbeeinträchtigendes Angebot partiell erkennen können. Unabhängig von der Frage, ob die digitale Bereitstellung einer bereits heute öffentlich zugänglichen Gerichtsverhandlung überhaupt einen jugendgefährdenden Inhalt besitzt, da diese Inhalte immer auch in eine formalisierte Gerichtsverhandlung eingebettet sind, haben insbesondere strafrechtliche Verhandlungen einen erzieherischen Charakter, da diese aufzeigen, dass man für ein von der Gesellschaft nicht gebilligtes Verhalten Konsequenzen zu befürchten hat. Sollte dennoch ein solcher Inhalt angenommen werden, muss in der Praxis differenziert werden, inwieweit durch das Ausblenden von Inhalten (u. a. Bildern auch aus Opferschutzgesichtspunkten) ein Verfahren trotzdem für Jugendliche zugänglich sein darf, oder ob für andere Verfahren ein sicheres Altersverifikationsverfahren erforderlich ist, um einen Zugang unberechtigter Minderjähriger gänzlich zu verhindern.353 Es ist auch eine technische Kennzeichnung entsprechender Inhalte möglich, damit diese von Jugendschutzprogrammen i. S. d. § 11 JMStV ausgelesen werden können und bei entsprechenden Einstellungen den Zugang für Kinder- und Jugendliche verhindern. Letzteres ist jedoch nicht erforderlich, wenn man vorliegend § 5 Abs. 6 JMStV für einschlägig erachtet. Hiernach besteht eine Ausnahme von der jugendschützenden Handlungspflicht der Anbieter für Nachrichtensendungen, Sendungen zum politischen Zeitgeschehen im Rundfunk und vergleichbare Angebote bei Telemedien, es sei denn, es besteht kein berechtigtes Interesse an dieser Form der Darstellung oder 353  Vgl.

hierzu die Ausführungen bei B. I. 4.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit405

Berichterstattung. Die digitale Gerichtsöffentlichkeit entspricht dem verfassungsrechtlichen Gebot des öffentlichen Staatshandelns und ist ein bloßes Abbild des tatsächlichen Geschehens in einem Gerichtssaal. Die Gestaltung ist nicht darauf gerichtet, Kinder und Jugendliche anzusprechen. Daher kann sich ein Portal, über das digitale Gerichtsöffentlichkeit hergestellt wird, grundsätzlich auch auf diese Ausnahmevorschrift berufen. Mithin bedarf es nicht der strikten Ausweitung der öffentlichkeitsbehindernden Altersverifikation.354 Allerdings kann ein digitaler Sitzungsausschluss Minderjähriger über § 175 Abs. 1 GVG geboten sein. Dieser dient nämlich nicht nur dazu, „unerwachsenen“ Personen den Zutritt zu öffentlichen Verhandlungen zur Aufrechterhaltung der Sitzungsordnung und dem ungestörten Verfahrensablauf zu verwehren. Er dient gleichzeitig auch dem Jugendschutz, vgl. B. I. 4. 4. Das Justizportal zur Öffentlichkeitsgewähr Das Internet hat in den letzten Jahren das Kommunikationsverhalten und die Lebenswirklichkeit unserer Gesellschaft stark verändert. Diese Wandlung muss sich auch in der öffentlichen Sphäre, d. h. dem öffentlichen Handeln staatlicher Institutionen und deren Arbeitsalltag widerspiegeln. Durch die Einbindung des Internets in staatliches Handeln kann erstmals seit der griechischen Antike355 die Gerichtsöffentlichkeit in Form der materiellen Öffentlichkeit ermöglicht werden. Hierdurch wird die vielfach kritisierte Entfernung der Politik und des Staates vom Alltag der Bevölkerung aufgehoben. Zur Verwirklichung dessen bedarf es neben dem Ausbau der bestehenden technischen Infrastruktur, beispielsweise in Form des Breitbandausbaus insbesondere in ländlichen Regionen, der Schaffung einer Vermittlungsplattform für entsprechende Informationen. a) Portallösung(en) durch die Justiz Hinsichtlich der Frage, wie eine digitale Öffentlichkeit im Internet am besten gestaltet werden kann356, bieten sich verschiedene Lösungen an. Vorliegend wird eine einheitliche (ggf. nach Bundesländern getrennte) öffentliche Portallösung favorisiert, über die die entsprechenden Informationen voll354  Dennoch kann bei jugendgefährdenden Inhalten die Einbindung technischer Schutzmaßnahmen in Form von Altersverifikationen geboten sein, vgl. B. I. 4. b) bb) (2). 355  Gröschner, in: VVDStRL, Band 63 (2004), S. 351 f. 356  Vgl. Kapitel 4 C. I. 1.

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ständig abrufbar sind.357 Wer ein solches Portal zu betreiben hat, kann hier nicht abschließend behandelt werden. Bei der Erstellung eines Justizportals jedoch muss beachtet werden, dass die Justizverwaltungen den einzelnen Ländern zugeordnet sind. Daher bestünde die Möglichkeit der Schaffung eines Bundesportals für alle Bundesgerichte, die bereits heute ihre Entscheidungen auf ihrer Homepage öffentlich zugänglich machen. Dieses Portal müsste durch Schnittstellen so konfiguriert werden, dass die Länder hieran anknüpfen und ebenfalls ihre Daten veröffentlichen können. Vorstellbar ist etwa die Schaffung eines Portalverbunds – wie beim Handelsregister oder wie der vom Onlinezugangsgesetz vorgesehene Portalverbund. Wünschenswert wäre in diesem Kontext auch die Möglichkeit einer kategorisierten metadatenbasierten Suche,358 die es ermöglicht, Entscheidungen aus unterschiedlichen Instanzen länderübergreifend aufzurufen und vergleichend zu betrachten. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die unterschiedlichen Rechtswege unterschiedlichen Ministerien exekutiv zugeordnet sind. Auch dies kann ein Hindernis in Bezug auf eine einheitliche Lösung darstellen. Daher ist eine einheitliche bzw. sind mehrere nach Bundesländern getrennte kostenfreie Plattform(en)359 für die Schaffung von Publizität zu wählen und nicht, wie dies derzeit erfolgt, ein Flickenteppich an Veröffent­ lichungskanälen zu nutzen.360 Letztere Veröffentlichungspraxis ist weder transparent noch effizient, sondern diese ist vielmehr bezeichnend für das Bestehen eines Informationsdefizits.361 Die über das Portal erfolgte Öffentlichkeitsarbeit sollte aufgrund der dort konzentrierten Rechtskenntnisse durch die Justiz bzw. Gerichte selbst erfolgen.362 Nur auf diesem Wege kann sichergestellt werden, dass die Informa357  Hierbei kann man sich grob am Informationsregister der Stadt Hamburg nach § 10 Hamburgisches Transparenzgesetz orientieren. Zu den Rechtsfragen, die sich bei Internetplattformen stellen, Schmücker, in: Paschke / Berlit / Meyer (Hrsg.), Gesamtes Medienrecht, S.  1396 ff. 358  Im europäischen Kontext soll der Europäische Urteilsidentifikator (European Case Law Identifier – ECLI) ein Auffinden von Urteilen erleichtern, https: /  / e-justice. europa.eu / content_european_case_law_identifier_ecli-175-de.do. 359  Die juristischen Datenbanken juris und beck-online gestatten nur einen kostenpflichtigen Einblick in Gerichtsurteile. Als Portallösung für NRW könnte beispielsweise auf das Justizportal NRW zurückgegriffen werden https: /  / www.justiz. nrw / . 360  Die Bundesgerichte sowie einige weitere Gerichte erlauben auf ihrer Homepage einen kaum aufbereiteten Einblick in die erlassenen Entscheidungen. 361  Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 50. 362  Zur Zulässigkeit aktiver Öffentlichkeitsarbeit durch die Rechtsprechung vgl. Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 515 ff. Zur internetbasierten Öffentlichkeitsarbeit vgl. Kube, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Band IV, § 91 Rn. 66.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit407

tionen zu den erforderlichen Zwecken im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang verwendet werden. Sofern die Informationen in der Verantwortungssphäre der Gerichte verbleiben, kann sichergestellt werden, dass diese auch nur in verfassungsrechtlich zulässigem Umfang Verwendung finden. Richter müssen nämlich, um die (verfassungs-)rechtlichen Grenzen der Gerichtsöffentlichkeit wahren zu können, selbstständig Bild- und Tonübertragungen unterbrechen bzw. anhalten können. Zudem kann sichergestellt werden, dass eine etwaige Authentifizierung von Zuschauern hierüber rechtssicher erfolgt, um beispielsweise eine verfassungsrechtlich gebotene Beschränkung der Öffentlichkeit auf diesem Wege durchzusetzen.363 Darüber hinaus kann bei einem im Verantwortungsbereich der Justiz befindlichen Portal am besten sichergestellt werden, dass die vorhandenen Daten rechtmäßig auch wieder innerhalb der vorgesehenen Fristen gelöscht bzw. für die Öffentlichkeit gesperrt werden. Eine Vermittlung der Informa­ tionen an Private, die anschließend eigenständig für die Veröffentlichung verantwortlich sind und gegebenenfalls sogar darüber entscheiden könnten, welche Informationen sie publizieren und welche nicht, würde nur zur Verbesserung der mittelbaren Öffentlichkeit beitragen und keine unmittelbare Form der Öffentlichkeit gewähren. Zudem kann bei einer Öffentlichkeitsgewähr durch die Justiz verhindert werden, dass es zu einer verkürzten Darstellung der Verhandlung kommt oder die Live-Übertragung aufgrund einer besonderen Schnitt- oder Zoomtechnik sensationsheischend dargestellt wird.364 Gerade dies wäre für eine Gerichtsverhandlung schädlich und würde die Glaubwürdigkeit der Justiz beschädigen. Eine mediale Inszenierung von Gerechtigkeit hat nämlich wenig mit Aufklärung und noch weniger mit Transparenz zu tun. Wichtig ist hierbei auch, dass die digitale Öffentlichkeit die richterliche Unabhängigkeit und das Recht auf den gesetzlichen Richter wahren muss.365 Die Veröffentlichung von gerichtlichen Entscheidungen gehört nach Auffassung der Rechtsprechung zur „richterlichen Amtspflicht“.366 Die Urteile wären daher über das Portal unbearbeitet zu veröffentlichen. Allerdings wird teilweise die ungefilterte digitale Veröffentlichungspraxis kritisiert.367 Dieser Kritik muss durch ergänzende Aufbereitung der Urteile begegnet werden, 363  Vgl.

zum Schutz Minderjähriger die Ausführungen unter B. I. 4. der Wirkung von Aufnahme- und Editionstechniken vgl. Kepplinger, in: Noelle-Neumann / Schulz / Wilke (Hrsg.), Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation, S.  413 ff. 365  Vgl. hierzu B. II. 2. 366  OVG Lüneburg NJW 1996, 1489, 1498 f. m. w. N.; OVG Bremen NJW 1989, 926, 927; Huff, Justiz und Öffentlichkeit, S. 19. 367  Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 50. 364  Zu

408 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

um dem Transparenzgesichtspunkt Genüge zu tun. Neben der reinen Veröffentlichung von Prozessinformationen kann über diese Plattform auch eine weitergehende Öffentlichkeitsarbeit (z. B. durch Presseinformationen oder weitere allgemeine Verfahrensinformationen) erfolgen.368 Diese aufgearbeitete Form der Inkenntnissetzung der Öffentlichkeit ist auch zur Herstellung von Transparenz und Vermittlung von Rechtsbewusstsein erforderlich369 und kann gleichzeitig Akzeptanz in der Bevölkerung schaffen.370 Selbst Medienvertreter wie Huff sprechen sich dafür aus, dass ein Gericht „für eine möglichst umfassende Information über seine Rechtsprechung zu sorgen“ hat.371 Hierbei sind die Gerichte im Gegensatz zu Privaten auch an das staatliche Sachlichkeitsgebot gebunden.372 Öffentlichkeitsarbeit durch die Justiz wird bereits seit einiger Zeit betrieben.373 Die Rechtsgrundlage für dieses Handeln wird aus dem Öffentlichkeitsgrundsatz abgeleitet, der sich wiederum aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip herleitet.374 Somit wird justizielle Öffentlichkeitsarbeit als grundsätzlich statthaft gewertet.375 Allerdings gibt es hierfür keine einfachgesetzliche Rechtsgrundlage; diese wird auch nicht als erforderlich angesehen.376

368  Zu den diesbezüglichen Grenzen siehe B. V. 1., damit die digitale Erweiterung von Öffentlichkeit nicht als Rundfunk klassifiziert wird. 369  Huff, Justiz und Öffentlichkeit, S. 8. 370  Kritisch zur derzeitigen Öffentlichkeitsarbeit bzw. dem Verhältnis von Medien und Justiz Prinz, in: Prinz / Butz (Hrsg.), FS Engelschall, S. 250 ff. 371  Huff, Justiz und Öffentlichkeit, S. 21. 372  Vgl. BayVerfGH NVwZ-RR 1994, 529, 533; Arndt, NJW 1963, 2064, 2066. 373  Hau, in: Rüßmann (Hrsg.), FS Käfer, S. 113 ff.; Zülch, DRiZ 1994, 36, 37; Zuck, NJW, 1995, 2903, 2903; kritisch zur Informationspolitik der Justiz, Limbach, NJ 1995, 281, 281. 374  Vgl. hierzu Kapitel 1 A. III. 3. b); BVerwGE 104, 105, 108 ff. 375  Kritisch hingegen wird (länderübergreifend) der Einsatz von (privaten) Social Media-Kanälen durch Justizpersonen gesehen, wenn diese Kanäle zur Verbreitung von dienstlichen Informationen genutzt werden; vgl. zur Rechtslage im Vereinigten Königreich, Bartels / Lee, Jurors using social media in our courts: Challenges and responses, (2013) 23 JJA 35; zu australischen Rechtslage, Buckley, „Pre-trial publicity, social media and the fair trial: Protecting impartiality in the Queensland criminal justice system“ (2013) 33 Qld Lawyer 38; Buckley, In defence of „take-down“ orders: Analysing the alleged futility of the court-ordered removal of archived online prejudicial publicity (2014) 23 JJA 203; Krawitz, May it tweet the court: Ethical considerations involving Australian lawyers’ social media use, (2013) 2 J Civ LP 85; Krawitz, Can Australian judges keep their „friends“ close and their ethical obligations closer? An analysis of the issues regarding Australian judges’ use of social media (2013) 23 JJA 14. Getätigte öffentliche Äußerungen über Social Media-Accounts in bestimmtem Kontexten können zudem die Befangenheit eines Richters verdeutlichen, vgl. BGH MMR 2016, 279, 279 f. 376  Vgl. Huff, NJW 2004, 403, 403 f.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit409

Die Berichterstattung, d. h. die laiengerechte Aufarbeitung von Verfahren durch die Justiz selbst (z. B. in Form von Pressemitteilungen377) in diesem Portal hätte den Vorteil, dass vertiefte Kenntnisse des Rechts allgemein und der jeweiligen Akten im Besonderen vorliegen, so dass Falschmeldungen aufgrund von Unwissenheit durch Dritte auf ein Minimum reduziert würden.378 Dagegen sind die „pressemäßigen“ Sorgfaltspflichten bei der Überprüfung einer wahrheitsgemäßen Berichterstattung nicht derart strengen Maßstäben unterworfen,379 und Medienvertreter besitzen zumeist nicht dieselbe Expertise wie die Justiz.380 Die „pressemäßigen“ Prüfpflichten richten sich vielfach an den für Massenmedien bestehenden „Arbeitsmöglichkeiten und -bedingungen“ aus.381 Darüber hinaus greifen viele Journalisten bei der Berichterstattung auf Pressemitteilungen oder Meldungen von Nachrichtenagenturen zurück,382 so dass bereits heute vielfach die Gerichte für die Weiterverbreitung von Entscheidungen unverzichtbar sind.383 Die Aufbereitung von Prozessen oder die Strukturierung allgemeiner Verfahrensinformationen384 müssen jedoch nicht zwingend durch die Justiz selbst erfolgen. Auch eine weitere Darstellung relevanter Entscheidungen und deren Besprechung sind weiterhin durch private Dritte möglich und sogar gewünscht. Auf Finanzierungsfragen eines solchen Portals wird vorliegend nicht näher eingegangen. Soweit bestimmte Formen der Gerichtsöffentlichkeit verfassungsrechtlich geboten sind, können damit einhergehende Mehrkosten dem nicht entgegengehalten werden. Zudem muss die digitale Gerichtsöffentlichkeit im Kontext der E-Justice-Entwicklung gesehen werden, die ganz unabhängig von der Gerichtsöffentlichkeit zur umfassenden Digitalisierung der Justiz, der Verbesserung der technischen Ausstattung der Gerichte und einer medienbruchfreien elektronischen Aktenführung führen wird. An diese technischen Neuerungen kann bei der Digitalisierung von Öffentlichkeit angeknüpft werden. Im Übrigen könnte die digitale Gerichtsöffentlichkeit zur Einsparung in anderen Bereichen führen, weil beispielsweise das Vorhalten zahlreicher Sitzungssäle entbehrlich wird.385 377  Zu höchstrichterlichen Presseerklärungen vgl. Hau, in: Rüßmann (Hrsg.), FS Käfer, S.  113 ff. 378  Vgl. Meier, in: Amelung u. a. (Hrsg.), FS Schreiber, S. 331. 379  AG Mainz NStZ 1995, 347, 349 m. Anm. Otto. 380  Vgl. Huff, Justiz und Öffentlichkeit, S. 15. 381  AG Mainz NStZ 1995, 347, 349 m. Anm. Otto. 382  Meier, in: Amelung u. a. (Hrsg.), FS Schreiber, S. 332. 383  Huff, Justiz und Öffentlichkeit, S. 16, 21 f. 384  Zur Veröffentlichung entsprechender Informationen im Internet bereits Bergmann, DRiZ 2001, 288, 289. 385  Vgl. zu den Bewirtschaftungskosten bei bayerischen Gerichten Kapitel 4 D. III. 4.

410 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Allemal wäre eine Finanzierung durch den einzelnen Bürger, der hierüber mehr über Gerichtsverhandlungen erfahren will, nicht zulässig, da anderenfalls ein unzulässiges Hemmnis zur Wahrnehmung von Gerichtsverhandlungen errichtet würde. Vorliegend wird die Auffassung vertreten, dass das Öffentlichkeitsprinzip gegenüber dem einzelnen Bürger daher nicht zu monetarisieren ist. Hierfür spricht auch der Rechtsgedanke des § 12a EGovG, der Open Data in der Verwaltung vorantreiben soll und eine unentgeltliche Veröffentlichungspflicht vorsieht. Das Justizwesen wird bereits durch Steuergelder sowie Prozesskosten getragen. Eine weitere Finanzierung durch den Bürger wäre vor diesem Hintergrund zu verneinen. Für Private wie beispielsweise Journalisten oder Anwälte, die mit den Informationen, die über das Portal zugänglich gemacht werden, Geld verdienen, könnten gegebenenfalls kostenpflichtige Zugänge386 geschaffen werden.387 b) Portallösungen durch Private Darüber hinaus wäre eine Portallösung unter der eigenständigen Verantwortung einer privaten Stelle potentiell denkbar.388 Allerdings steht hierbei wieder die Mittelbarkeit der Informationen im Vordergrund, wie dies bei der Medienöffentlichkeit der Fall ist und was teilweise kritisiert wird. In der Vergangenheit wurde durch die Medien vielfach aus Unwissenheit oder ressourcenbedingt kein wirkliches Abbild der Gerichtsverhandlung dargestellt. Bei einer solchen Gestaltung hat die Justiz zudem nur einen beschränkten Einfluss darauf, wo die Daten abgespeichert werden und ob beispielsweise Löschfristen eingehalten werden. Eine Portallösung gänzlich durch Private ist zudem kritisch zu werten, da die Justiz die Bild- und Tonübertragung sowie die Gerichtsdokumente nach dem hiesigen Verständnis als sachnächster Akteur selbständig bereitstellen muss. Zur wirksamen Einhaltung der (verfassungs-)rechtlichen Grenzen der 386  Da bei diesen Adressatenkreisen von einer Weiterverwendung auszugehen ist, sind hierbei die Vorgaben der RL 2003 / 98 / EG insbesondere Art. 6 ff. zu beachten. Diese Richtlinie wurde in Deutschland durch das IWG umgesetzt. Auch hiernach ist die Entgelterhebung transparent zu gestalten, und sie ist auf die Kosten zu beschränken, die durch die Erfassung, Erstellung, Reproduktion, Bereitstellung und Weiterverbreitung verursacht werden, vgl. § 5 IWG. 387  Zu weiteren Rechtsfragen bei der Informationsweiterverwendung entsprechender öffentlicher Plattform-Daten vgl. Beyer-Katzenberger, DÖV, 2014, 144, 147 ff. 388  Kritisch zur staatlichen Nutzung von privaten Portalen wie Facebook und Twitter Wewer, ZRP 2016, 23, 23 ff.; positiv zur Nutzung von Social Media durch Gerichte aus australischer Sicht Krawitz, Summoned by social media: Why Australian courts should have social media accounts (2014) 23 JJA 182, 182 ff.



B. Grenzen der digitalen Gerichtsöffentlichkeit411

Öffentlichkeit sollte zum Schutz aller Verfahrensbeteiligten daher auch ein solches Portal in der Verantwortung der öffentlichen Hand belassen werden. Aus diesem Grund wird eine alleinige öffentlichkeitsgewährende Portal­ lösung durch Private vorliegend abgelehnt. Private könnten lediglich die Aufgabe der Ausgestaltung und Aufbereitung der Materialien übernehmen, nachdem diese durch die Justiz veröffentlicht wurden. Hierbei darf es jedoch nicht zu einer (unbeabsichtigten) tatsachenverfälschenden Darstellung kommen. Die digitale Öffentlichkeit soll nämlich den Bürger wieder näher an das eigentliche Gerichtsverfahren heranführen und die mittelbare, häufig verkürzte und dadurch nicht der Wirklichkeit entsprechende Medienöffentlichkeit in den Hintergrund stellen. Nur wenn der Bürger vorselektierte oder versiertere Informationen zur Rechtslage oder zu tatsächlichen Gegebenheiten sucht, soll er weiterhin auf (Fach-)Medien zurückgreifen müssen. Insbesondere die zunehmende Komplexität des Rechts und die Europäisierung erfordern eine mediale Aufarbeitung und auch Systematisierung der betreffenden Materie.389 Die Aufarbeitung des gerichtlichen Verfahrens sollte in der Art und Weise erfolgen, dass keine Wissensvoraussetzungen an den Rezipienten gestellt werden und diese aus sich heraus verständlich sind.390 Private können daher insbesondere im Rahmen eines IT-Outsourcings dieses Teilbereichs in die Justiz(öffentlichkeits)arbeit eingebunden werden. Insbesondere § 497 StPO n. F. erlaubt unter bestimmten Auflagen ein diesbezügliches Outsourcing bzw. die damit verbundene Auftragsverarbeitung über Daten nunmehr auch für den Umgang mit strafrechtlichen elektronischen Akten. Daraus kann abgeleitet werden, dass auch eine Auftragsverarbeitung personenbezogener Daten für die Herstellung digitaler Öffentlichkeit zulässig sein muss. Für die anderen Rechtswege ist dies bereits vor dieser Regelung möglich gewesen. Insgesamt ist im Rahmen eines entsprechenden Auftrags sicherzustellen, dass die Weisungen der Justiz umgesetzt werden und die öffentliche Stelle jederzeit Zugang zu den Datenverarbeitungsanlagen besitzt. Zudem sind die weiteren Voraussetzungen bei einer Auftragsverarbeitung von Daten zu berücksichtigen, vgl. Art. 28 DS-GVO bzw. § 62 BDSG n. F. c) Alternativen zu Portallösungen Da es bereits verschiedene privatwirtschaftliche Portale gibt, über die die Bevölkerung kommuniziert und rezipiert, könnte der Gesetzgeber versucht sein, eine Portallösung abzulehnen und alles der freien Macht der Kräfte zu überlassen. Aufgrund fehlender Vertrauenswürdigkeit vieler Quellen schafft 389  Huff, 390  Huff,

Justiz und Öffentlichkeit, S. 21. Justiz und Öffentlichkeit, S. 21.

412 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

eine angebotsübergreifende Veröffentlichung allerdings keine wirkliche Transparenz. Gleichzeitig kann keine wirkliche Förderung der Funktionen von Öffentlichkeit hergestellt werden. Die digitale Berichterstattung der Bevölkerung zu übertragen und damit einhergehend einen digitalen Laienjournalismus zu fördern,391 wird hier abgelehnt. Mangels eines flächendeckenden Einsatzes kompetenter Berichterstatter kann keine einheitliche Öffentlichkeit auf diesem Wege geschaffen werden.

C. Förderung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit – de lege ferenda Ein Gesetz zur Förderung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit könnte zur Ermöglichung des genannten Konzepts, der Herstellung von Rechtssicherheit und Verbesserung der verfassungsrechtlich immanenten Garantien die nachfolgend benannten Regelungen beinhalten.

I. Anpassung der öffentlichkeitsregelnden Verfahrensvorschriften 1. Anpassungen zur Ermöglichung der Übertragung der mündlichen Verhandlung Für die Einführung einer erweiterten digitalen Öffentlichkeit, wie sie zuvor aufgezeigt wurde, kann partiell auf bestehende Normen zurückgegriffen werden. Allerdings ist die Übertragung der mündlichen Verhandlung in Bild und Ton aufgrund des Parlamentsvorbehalts durch den Gesetzgeber selbst gesetzlich vorzugeben.392 Eine entsprechende Normierung wäre ebenfalls im Gerichtsverfassungsgesetz aus systematischen Gründen im Rahmen des § 169 GVG aufzunehmen.393 Die Ergänzung des § 169 GVG könnte wie folgt formuliert werden: § 169 Abs. 1 GVG-E 2

Eine zeitgleiche elektronische Übertragung der Verhandlung einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse in Bild und Ton findet durch das erkennende Gericht statt. 3Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts durch Dritte sind unzulässig. 391  Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren. 392  Vgl. hierzu B. III. 2. c). 393  Zu Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Gerichtsverfassungsrecht, vgl. Kissel / Mayer, GVG, Einl. Rn. 2, 10 ff.



C. Förderung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit – de lege ferenda413

2. Anpassung der Verfahrensregelungen zur Gewährleistung von Informationsfreiheit Obwohl nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts eine einfachgesetzliche Regelung zur verpflichtenden Publikation nicht erforderlich sei, da sich diese Verpflichtung in Bezug auf gerichtliche Entscheidungen bereits aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaats-, dem Demokratieprinzip und dem Gewaltenteilungsgrundsatz herleitet, ist zumindest aus Klarstellungsgründen eine entsprechende Regelung begrüßenswert.394 Der bisherige Wortlaut des § 169 Abs. 1 GVG umfasst nach überwiegender Auffassung bisher nur Öffentlichkeit hinsichtlich des gesprochenen Wortes in der mündlichen Verhandlung.395 Soll ein Anspruch des Einzelnen auf Akteneinsicht normiert werden, könnte überlegt werden, ob dieser im Informationsfreiheitsgesetz oder den einzelnen Prozessordnungen aufzunehmen ist. Die Prozessordnungen könnten als grundsätzlich sachnäher beschrieben werden, zumal es bereits mit § 299 ZPO, § 13 Abs. 2 FamFG und § 24 Abs. 3 S. 1 PatG auch Vorgaben gibt, an die man anknüpfen könnte. Allerdings besitzen die Zugänglichkeitsregelungen der Prozessordnungen eine andere Zielrichtung. Lediglich bestimmte Dritte können Einsicht in (ungeschwärzte) Verfahrensakten nehmen. In den anderen Rechtswegen ist die Gewährung der Akteneinsicht für Nichtbetroffene hingegen überhaupt nicht ausdrücklich geregelt, vgl. § 100 VwGO, § 147 StPO, § 406e StPO, § 120 SGG. Eine entsprechende Regelung könnte stattdessen auch in unmittelbarer Nähe zu § 169 GVG eingefügt werden. Für letztgenannte Variante spricht, dass der Umgang mit Öffentlichkeit für den ordentlichen Rechtsweg bei §§ 169 ff. GVG geregelt ist und eine Regelung an anderer Stelle das bestehende System durchbrechen würde. Zudem verweisen bereits fast alle Prozessordnungen auf §§ 169 ff. GVG, so dass eine entsprechende Ergänzung einen weiteren Wirkkreis hätte und es nicht einer Anpassung aller Prozessordnungen bedürfte. Dies hätte ferner den Vorteil, dass es deutschlandweit eine einheitlichere Regelung im Umgang mit dem Zugang zu Gerichtsakten gibt.396 394  BVerwGE 104, 105, 109; Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 492 f. hält eine entsprechende Regelung für wünschenswert, da sich aus den Staatsstrukturprinzipien die „Reichweite und Grenze der Veröffentlichungspflicht“ nicht vollständig entnehmen lässt. 395  Walker, Die Publikation von Gerichtsentscheidungen, S. 111. 396  Hirte, NJW 1988, 1698, 1705 schlägt eine Gesetzesänderung von § 299 Abs. 3 ZPO vor, jedoch lediglich mit dem Ziel, anonymisierte Gerichtsentscheidungen öffentlich zugänglich zu machen.

414 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Die Regelung zur Veröffentlichung der Prozessakten mitsamt den Gerichtsentscheidungen könnte im Hinblick auf die unter B. III. genannten Grenzen wie folgt umgesetzt werden: § 169a GVG-E 1

Die Prozessakten werden öffentlich zugänglich gemacht. 2§§ 170, 171a bis 172, 175 geltend entsprechend. 3Die Vorschriften des Datenschutzrechts sind zu beachten. 4§ 13 Urhebergesetz bleibt hiervon unberührt.

Bei der Veröffentlichung der Dokumente ist insbesondere darauf zu achten, dass es zu keiner Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, der Eigentums- oder Berufsfreiheit der Beteiligten kommt. Somit sind neben der Anonymisierung entsprechender Akten diese auch insoweit zu schwärzen, dass, sofern Inhalte vorliegen, die einen Öffentlichkeitsausschluss rechtfertigen, diese Aktenteile nicht öffentlich zu machen sind. Die Schwärzung der Passagen muss erkennbar sein. Dies führt dazu, dass nach derzeitigem Recht auch kein Recht zur Akteneinsicht in Familiensachen (vgl. § 170 GVG) und Jugendstrafsachen besteht.397 Einer Neuregelung der Vorschriften zur Akteneinsicht Verfahrensexterner u. a. in § 299 ZPO oder § 475 StPO bedarf es grundsätzlich nicht. Über diese Vorschriften können zukünftig weiterhin Akten mit Klarnamen ohne geschwärzte Passagen nur in ausgewählten Fällen bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses oder bei Gestattung durch die Verfahrensbeteiligten eingesehen werden. 3. Anpassung der übrigen Rechtswege Neben der Regelung im Gerichtsverfassungsgesetz müssen die parallelen Regelungen für die anderen Rechtswege bzw. deren Verweise auf das GVG entsprechend angepasst werden. Eine solche Anpassung könnte beispielsweise wie folgt gestaltet sein: § 52 Satz 4 ArbGG-E § 169 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 169a sowie die § 173 bis § 175 des Gerichtsverfahrensgesetzes sind entsprechend anzuwenden.

II. Rechtliche Grenzziehung zur Verbesserung des Persönlichkeitsrechtsschutzes Dort, wo technische Lösungen keine vollständige Sicherheit bieten und daher das Risiko von Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 397  Zu Überlegungen einer Reformierung des Öffentlichkeitsausschlusses, vgl. Kapitel 4 D. VI.



C. Förderung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit – de lege ferenda415

bestehen bleibt, bedarf es zusätzlich der Errichtung rechtlicher Grenzen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie mit dem Risiko umzugehen ist, dass jemand ein digital übertragenes Gerichtsverfahren trotz technischer Schutzmechanismen abfilmen und den Inhalt auf anderem Wege öffentlich zugänglich machen kann. Insbesondere die Weiterverwendung von entsprechenden Gerichtsvideos in einem anderen Kontext und zur Verächtlichmachung der Abgebildeten wird befürchtet. Die bloße Anfertigung von Privatkopien wird mangels Nachweisbarkeit faktisch wohl kaum geahndet werden können, zumal bereits heute die Anfertigung entsprechender Aufnahmen rechtlich möglich ist und ebenfalls nicht sanktioniert wird. Um dem Schutz der Prozessparteien allerdings in der Öffentlichkeit weitestmöglich Geltung zu verschaffen, bestünde die Möglichkeit einer Pönalisierung der Weiterverbreitung entsprechender Aufnahmen außerhalb der Justizplattform. Darüber hinaus müsste der Gesetzgeber sich darüber Gedanken machen, wie lange die Verfahrensinformationen (Textdokumente und das Video) online zugänglich zu halten sind, um beispielsweise dem Recht auf Resozialisierung von aufgezeichneten Straftätern gerecht zu werden. 1. Straf- und ordnungsrechtliche Schutzvorschriften Wird die Gerichtsverhandlung öffentlich über ein Portal im Internet zugänglich gemacht, besteht die Gefahr, dass ein Dritter die Verhandlung aufnehmen und in einem anderen Kontext weiterverwenden kann.398 Hiervor schützt das Recht am eigenen Bild und Wort. § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG, der durch die Digitalisierung unberührt bleiben soll, verbietet zwar die Aufnahme zu Zwecken der Veröffentlichung und die öffentliche Zugänglichmachung selbst, beinhaltet aber keine weitere Rechtsfolge. Die Vornahme sitzungs­ polizeilicher Maßnahmen in Form der Festsetzung eines Ordnungsgeldes (von bis zu eintausend Euro) oder Ordnungshaft (bis zu einer Woche) (vgl. § 178 Abs. 1 GVG) ist bei ortsabwesenden Personen nicht umsetzbar. Es bestehen zudem bereits strafrechtliche Normen, um das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts am eigenen Bild zu schützen, vgl. §§ 201, 201a StGB, § 33 KUG. Allerdings findet § 201 StGB bei öffent­ lichen Verhandlungen keine Anwendung.399 Auch die Regelung des § 201a StGB schützt nur bei Aufnahmen, die den höchstpersönlichen Lebensbereich durch Bildaufnahmen verletzen.400

398  So

bereits BGHSt 16, 111, 114. ausführlich Kapitel 2 C. II. 1. a) cc); BR-Drs. 254 / 17, S. 5. 400  Vgl. BR-Drs. 254 / 17, S. 4 f. 399  Hierzu

416 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

§ 33 KUG stellt bereits die Verbreitung oder öffentliche zur Schaustellung von kunsturheberrechtlich geschützten Werken unter Strafe. Zu Rechtspflegezwecken dürfen (kunst-)urheberrechtlich geschützte Inhalte durch die Gerichte allerdings öffentlich zugänglich gemacht werden, vgl. § 24 KUG, § 45 UrhG.401 Diese Aufnahmen können in der Folge auch durch Dritte aufgegriffen und weiterverbreitet werden,402 so dass § 33 KUG in solchen Konstellationen ebenfalls ins Leere läuft. Eine der wirksamsten Möglichkeiten, eine Weiterverbreitung zu unterbinden, ist das Strafrecht.403 In diesem Kontext könnte die Weiterverbreitung einer öffentlichen Videoverhandlung wie folgt pönalisiert werden: § 201b StGB – Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Bild- oder Tonaufnahmen aus Gerichtsverfahren Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Bildoder Tonaufnahmen von einer Gerichtsverhandlung herstellt und unbefugt die Aufnahmen öffentlich zugänglich macht.

Die Aufnahme einer entsprechenden Vorschrift ist sinnvoll, da eine Person im Gerichtssaal sich in einer öffentlichen Sondersituation befindet.404 Häufig stellen sich Verfahrensbeteiligte der Öffentlichkeit im Gerichtsverfahren nicht freiwillig, sind aber u. a. aufgrund der Regelung der §§ 141 ZPO, 236 StPO nach entsprechender Anordnung des Gerichts zum persönlichen Erscheinen405 und einer wahrheitsgemäßen Aussage vor Gericht (§ 153 StGB) verpflichtet406.407 „Mit dieser hoheitlich auferlegten Anwesenheits- und Mitwirkungspflicht korrespondiert die Pflicht des Staates, die Verfahrensbeteiligten effektiv vor Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu schützen.“408 Vor dem Hintergrund, dass über user generated content-Plattformen heutzutage jeder Internetnutzer Informationen weltweit zugänglich machen kann,409 und angesichts der weiten Verbreitung von Aufnahmegeräten (Smartphones, Kameras etc.) ist neben den oben genannten technischen Schutzmaßnahmen auch ein entsprechender rechtlicher Schutz zur Wahrung der Rechte der Beteiligten erforderlich. 401  Für

Fahndungsmaßnahmen siehe auch § 131b StPO. Strafbarkeit nach § 33 KUG vgl. Mitsch, ZRP 2014, 137, 140. 403  Vgl. hierzu auch Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Verbotene Bild- und Tonaufnahmen in Gerichtsverhandlungen, BR-Drs. 254 / 17, S. 4. 404  BR-Drs. 254 / 17, S. 10. 405  Für Zeugen gilt ebenfalls eine Anwesenheitspflicht, vgl. § 51 StPO; § 380 ZPO. 406  Ausnahmen bestehen bei zeugnisverweigerungsberechtigten Personen, vgl. u. a. §§ 383, 384 ZPO, §§ 52 ff. StPO. 407  BR-Drs. 254 / 17, S. 10. 408  BR-Drs. 254 / 17, S. 11. 409  Kube, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Band IV, § 91 Rn. 5. 402  Zur



C. Förderung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit – de lege ferenda417

Tatbestandsmäßig ist nach dem oben genannten Entwurf nur die unbefugte öffentliche Zugänglichmachung entsprechender Aufnahmen. Somit fällt die berechtigte Übertragung der Verhandlung durch die Justiz nicht hierunter, vgl. § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG-E.410 Die Vorschrift würde neben dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch dem Schutz der Verhandlungsdurchführung und der Wahrheitssuche dienen. Daher sollte § 205 StGB derart angepasst werden, dass für § 201b StGB-E das Erfordernis eines Strafantrags entfällt. Hierdurch wird deutlich, dass die Norm nicht nur dem Individualrechtsschutz, sondern auch öffentlichen Belangen dient.411 Wird eine solche Vorschrift eingefügt, bietet sich ein hierauf verweisender Hinweis im Rahmen der Plattform an. Die derzeitige mediale Berichterstattung wird durch die Norm nicht unterbunden. Es wird lediglich eine weitere Verbreitung von Gerichtsverhandlungen in Ton- und Bild unter Strafe gestellt. Hierdurch kann insbesondere verhindert werden, dass eine verkürzte sensationsheischende Darstellung einer Verhandlung erfolgt. Die Forderung einer medialen Weiterverbreitung (Art. 5 Abs. 1 GG)412 würde mit den grundrechtlich geschützten Positionen der Verfahrensbeteiligten aus Art. 14 GG und Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG kollidieren, so dass eine entsprechende Unterbindung der Weiterverbreitung gerechtfertigt sein kann.413 Ein deutlich weitergehendes Gesetzesvorhaben zur Pönalisierung von heimlichen Aufnahmen aus der Gerichtsverhandlung sowie deren Weiterverbreitung wurde insbesondere aufgrund der Reichsbürgerproblematik im Jahr 2017 im Bundesrat diskutiert.414 Jedoch hat der Bundesrat in seiner Sitzung vom 12.05.2017 beschlossen, diesen Gesetzesentwurf nicht beim Deutschen Bundestag einzubringen.415 410  Für

I. 1.

411  Vgl.

den Wortlaut der Norm zur Befugnis der staatlichen Übertragung siehe C.

BR-Drs. 254 / 17, S. 10 ff. Verhältnis der klassischen Medien zur digitalen Gerichtsöffentlichkeit vgl. Kapitel 4 D. III. 4. 413  Olbertz, Fernsehöffentlichkeit von Gerichtsverfahren unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, S. 116 f. 414  Vgl. hierzu Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Verbotene Bild- und Tonaufnahmen in Gerichtsverhandlungen, BR-Drs. 254 / 17, abrufbar unter https: /  / www.bundesrat.de / SharedDocs / beratungsvorgaenge / 2017 / 0201-0300 /  0254-17.html; hierzu auch Bausback zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Verbotene Bild- und Tonaufnahmen in Gerichtsverhandlungen im Bundesrat am 12.05.2017 abrufbar unter https: /  / www.youtube.com / watch?v=LpIik EmmRkM. 415  Vgl. hierzu auch BR-Drs. 254 / 17(B), abrufbar unter https: /  / www.bundesrat. de / SharedDocs / drucksachen / 2017 / 0201-0300 / 254-17(B).pdf?__blob=publication File&v=5. 412  Zum

418 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Ein weiteres Risiko für den Persönlichkeitsrechtsschutz können Geschäftsmodelle sein, welche die automatische Auswertung von (öffentlichen) Plattformen vornehmen und die auf diesem Wege entstandenen (Nutzer-)Profile veräußern bzw. Dritten zugänglich machen. Inwieweit digital veröffentlichte Daten entsprechend gespeichert, systematisch verarbeitet und so dem digitalen Wertschöpfungsprozess zugeführt werden dürfen, ist rechtlich umstritten.416 Hinsichtlich Open Data, die die Exekutive digital zur Verfügung stellt, wird dies umfassend angenommen.417 Zum Schutze von Betroffenen würde es sich anbieten, die Erstellung von (Schuldner- / Straftäter- / Richter-) Profilen aus kommerziellen Gründen durch informationstechnische Auswertungen der öffentlichen Gerichtsplattform gesetzlich zu unterbinden.418 Da solche Big Data-Auswertungen (beispielsweise mithilfe von Gesichtserkennungssoftware und Verknüpfung dieser Informationen mit weiteren Datensätzen) ausschließlich von Unternehmen vorgenommen werden, wäre die Klassifizierung eines solchen Vergehens als Ordnungswidrigkeit mit einem entsprechenden wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Bußgeldrahmen zu präferieren (vgl. Art. 84 DS-GVO419). Alternativ käme aber auch die Ergänzung des Strafkatalogs in § 42 BDSG n. F. durch eine entsprechende Regelung in Betracht. Die Festsetzung entsprechender nationalstaatlicher Regelungen wird durch Art. 84 DS-GVO auch gestattet.420 Bisher erfasst § 42 Abs. 1 BDSG n. F. lediglich die unberechtigte vorsätzliche gewerbsmäßige Übermittlung und öffentliche Zugänglichmachung von nicht allgemein zugänglichen personenbezogenen Daten gegenüber einer großen Zahl von Personen. 2. Speicherhöchstfristen und Löschpflichten Zum Schutze betroffener Bürger hat der Staat zudem Höchstfristen für die Bereitstellung von Verfahrensakten und Videos zu bestimmen, sofern er letztere nicht nur als flüchtiges Live-Streaming anbietet. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass private Online-Archive Zeitungsberichte über Straftaten, in denen Täter mit Bild und Namen identifiziert werden konnten, nach einer Interessenabwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen die Informationen auch über einen langen Zeitraum online abrufbar ausführlich Goldschmidt / Bunk, DuD 2016, 463, 463 ff. DuD 2016, 463, 463. 418  Zur Big Data-Auswertung öffentlicher Daten vgl. Goldschmidt / Bunk, DuD 2016, 463. 419  Vgl. Erwägungsgrund 150 der DS-GVO. 420  Vgl. auch die Erwägungsgründe 149, 152 der DS-GVO. 416  Vgl.

417  Goldschmidt / Bunk,



C. Förderung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit – de lege ferenda419

sein dürfen.421 Hierfür wird angeführt, dass die Informationen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung rechtmäßig erfolgt waren und ein Auffinden entsprechender Nachrichten nur nach einer gezielten Suche und nicht über Suchmaschinen möglich war. Zudem waren die Informationen als „Altmeldungen erkennbar“. Dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit an vergangenen Ereignissen steht zudem die Unzumutbarkeit einer nachträglichen Prüfpflicht für private Archive bei.422 Daran änderte auch der Umstand nichts, dass entsprechende Presseberichte eine Gefährdung der Resozialisierung des Täters darstellen können. Lediglich im Falle einer erheblichen Breitenwirkung, die eine Stigmatisierung des Täters sowie seine Ausgrenzung zur Folge hat, ist hiervon abzuweichen.423 Dies ist insbesondere der Fall, wenn über Suchmaschinen die entsprechende archivierte Information abrufbar ist424.425 Wird statt in einer Strafsache über andere rufschädigende wahre Tatsachen eines Betroffenen insbesondere in Zivilsachen berichtet (z. B. Privatinsolvenz, schlechte Zahlungsmoral etc.), ist die Abwägungsfrage in Deutschland noch nicht höchstrichterlich geklärt.426 Auch hier wird man jedoch von einem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit ausgehen können. Insbesondere bestehende Vollstreckungstitel können Änderungen in der finanziellen Liquidität eines Geschäftspartners offenbaren. Der Europäische Gerichtshof hat in einer solchen Konstellation gegenüber Suchmaschinenbetreibern das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen überwiegen lassen und diesen auferlegt, entsprechende Treffer nicht mehr im Rahmen der Suchergebnisse anzuzeigen.427 Daher sollten entsprechende staatliche Archive derart voreingestellt sein, dass diese von Suchmaschinen nicht ausgelesen werden.428 Diese technischen Einstellungen werden auch durch die Suchmaschinenbetreiber beachtet.

421  Schapiro, in: Bräutigam / Rücker (Hrsg.), E-Commerce, 6. Teil  D. Rn. 18; BGH NJW 2013, 229, 231 f.; BGH GRUR 2013, 200, 201 f.; BGH NJW 2010, 757, 758 f. 422  Schapiro, in: Bräutigam / Rücker (Hrsg.), E-Commerce, 6. Teil  D. Rn. 18; BGH GRUR 2010, 549, 552. 423  Schapiro, in: Bräutigam / Rücker (Hrsg.), E-Commerce, 6. Teil  D. Rn. 18; BGH GRUR 2010, 549, 551; BGH NJW 2013, 229, 230 f. 424  EuGH NJW 2014, 2257, 2263. 425  Vgl. EuGH NJW 2014, 2257. 426  Schapiro, in: Bräutigam / Rücker (Hrsg.), E-Commerce, 6. Teil D. Rn. 19. 427  Schapiro, in: Bräutigam / Rücker (Hrsg.), E-Commerce, 6. Teil  D. Rn. 19; EuGH NJW 2014, 2257, 2263; Nolte, NJW 2014, 2238, 2240 f.; Boehme-Neßler, NVwZ 2014, 825, 826 ff. 428  Zu entsprechenden Voreinstellungen, dass Suchmaschinen die Webseiten nicht durchsuchen bzw. Ergebnisse daraus anzeigen, vgl. BGH NJW 2012, 1886, 1887; BGH NJW 2010, 2731, 2735 f. Das Recht auf Vergessenwerden ist nunmehr durch Art. 17 DS-GVO ausdrücklich normiert.

420 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Neben einer Verhinderung des Auslesens der Datenbank durch Suchmaschinen gilt für den Staat in einem zu errichtenden Online-Archiv keine grenzenlose Aufbewahrungsmöglichkeit. Dieser hat sich im digitalen Bereich zum Schutze des Persönlichkeitsrechts seiner Bürger an Höchstgrenzen zu halten, da eine umfassende Gerichtsplattform auch nicht ein gewöhnliches Online-Archiv darstellt, sondern man je nach technischer Umsetzung aufgrund seiner weitreichenden Inhalte ein Profil der Betroffenen hierüber herstellen kann.429 Bei der Festsetzung der Höchstfristen kann auf bereits bestehende Regelungen zurückgegriffen werden, wobei jeweils zu hinterfragen ist, ob die elektronische Speicherung eine andere Wertung erfordert. Beispielhaft werden im Folgenden einige bayerische Vorgaben aufgezeigt. Nach der Anlage der Verordnung über die Aufbewahrung von Schriftgut der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsbehörden in Bayern430 wird bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit nach Aktenarten als auch den einzelnen Unterlagentypen unterschieden. Abhängig hiervon divergieren die Aufbewahrungsfristen stark. Manche der Unterlagen besitzen keine Aufbewahrungsfristen, während andere 120 Jahre lang oder sogar dauernd aufzubewahren sind. Zur Zwangsvollstreckung geeignete Titel und Entscheidungen sind grundsätzlich 30 Jahre vorzuhalten. Bei den Gerichten der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit des Freistaates Bayern betragen nach Teil 2 Abschnitt 1 bis 4 der Anlage der AufbewV ansonsten die Aufbewahrungsfristen für Verfahrensakten fünf bzw. zehn Jahre. Auch bei der Finanzgerichtsbarkeit des Freistaates Bayern gilt nach Teil 2 Abschnitt 6 der Anlage der AufbewV für Verfahrensakten eine grundsätzliche Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren. Für Verfahrensakten an den Verwaltungsgerichten bestehen Aufbewahrungspflichten von zehn oder 30 Jahren, Teil 2 Abschnitt 5 der Anlage der AufbewV. Die im Rahmen der Aufbewahrungsverordnung vorgegeben Aufbewahrungsfristen dürfen auch im Rahmen einer Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit nicht überschritten werden. Die jeweiligen Fristen können als Höchstfristen für die Bereitstellung entsprechender Daten herangezogen werden. Es ist aber auch eine deutlich kürzere Bereitstellung möglich. Insbesondere die in Strafsachen vorgegebenen Löschpflichten des Bundeszentralregisters nach §§ 45, 46 BZRG sind hierbei zu beachten. Die jeweiligen Tilgungsfristen bemessen sich nach der Höhe der Verurteilung bzw. teilweise nach dem verwirklichten Delikt und betragen zwischen fünf und 20 429  In Anlehnung an EuGH NJW 2014, 2257, 2263; vgl. auch Mann, AfP 2014, 210, 213. 430  Aufbewahrungsverordnung (AufbewV) vom 29.07.2010 (GVBl. 2010, S. 644, BayRS 300-12-6-J), die durch Verordnung vom 30.05.2017 (GVBl. 2017, S. 283) geändert worden ist.



D. Folgen verfassungsimmanenter Schranken für die Öffentlichkeit421

Jahren. Auch diese Fristen zeigen eine gesetzgeberische Wertung auf, die im Rahmen der Ausgestaltung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit zu beachten ist. Sind Eintragungen aus dem Bundeszentralregister zu löschen, hat die Öffentlichkeit keinen Anspruch mehr, hiervon zu erfahren. Dem Betroffenen soll auf diesem Wege die Resozialisierung ermöglicht werden. Entsprechende gesetzliche Vorgaben dienen zudem der Rechtssicherheit.

D. Folgen der verfassungsimmanenten Schranken für die unterschiedlichen Dimensionen der Öffentlichkeit Die aufgezeigten verfassungsrechtlich gebotenen Grenzen der Öffentlichkeit haben auf die verschiedenen Dimensionen einen divergierenden Einfluss. Diese Beschränkungen ermöglichen aber erst eine faire Form der Öffentlichkeit, die sich nicht nur an den Bedürfnissen der Öffentlichkeit ausrichtet, sondern auch den Personen, die im öffentlichen Fokus stehen, gerecht wird. Gerade verfahrensbeteiligte Privatpersonen sollen durch die Öffentlichkeit Schutz (vor staatlichem Unrecht) erfahren. Diese Funktion der Öffentlichkeit muss sich auch in seiner Gestaltung wiederfinden.

I. Personelle Grenzen Durch die Informationstechnologie fallen die bisherigen räumlichen oder ressourcenbedingten Kapazitätsgrenzen weg, so dass auf digitalem Wege grundsätzlich jeder Einzelne potentiell jede staatliche Information wahrnehmen könnte. Eine künstliche Kapazitätsgrenze kann jedoch zum Schutze anderer Interessen geboten sein. Der Umstand, dass eine diskriminierungsfreie Öffentlichkeit in personeller Hinsicht herzustellen ist, bedeutet nicht, dass grundsätzlich niemand von der Rezeption staatlicher Informationen ausgeschlossen werden dürfte. Aufgrund der Funktion der Öffentlichkeit und deren Ursprungs aus dem Demokratieprinzip kann mit Betrachtung der Verfassung der Ausschluss verschiedener Gesellschaftsgruppen jedoch nicht gerechtfertigt sein. Hierbei ist zu beachten, dass bei unterschiedlichen Sachverhalten unterschiedliche Kontrollbedürfnisse bestehen. Aus diesem Grunde kann eine konkrete pauschalierte Obergrenze von Rezipienten nicht festgelegt werden. Da eine einzelfallbezogene Festsetzung praktisch kaum umsetzbar ist und gleichsam Rechtsunsicherheit auslösen würde, könnte – wenn überhaupt eine Einschränkung des Rezipientenkreises erforderlich ist – mit Typologien gearbeitet werden. Danach dürfte für den normalen Zuschauerkreis eine Kapazitätsgrenze eingeführt werden, während beispielsweise für Medienvertreter, Juristen in Ausbildung und Angehörige der Verfahrensbeteiligten immer auch der Zugang möglich sein muss. Während für die Medienvertreter, Studenten

422 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

und Referendare rechtskonform spezielle Accounts eingerichtet werden könnten, über die sie sich freien Zugriff auf alle Verhandlungen verschaffen könnten, ist der Nachweis einer Familienzugehörigkeit technisch jedoch nicht so einfach abbildbar, zumal der normale digitale Zugang registrierungsfrei und geheim erfolgen sollte. Bei einer personellen Beschränkung in Form einer technischen Kapazitätsgrenze müsste zudem sichergestellt sein, dass dies diskriminierungsfrei erfolgt. Daher bietet sich beispielsweise eine Vergabe der digitalen Zuschauerplätze nach dem Prioritätsprinzip an. Hierbei müsste sichergestellt sein, dass solche Kapazitätsgrenzen nicht durch Bots befüllt werden können oder die gewählte Zuschauerobergrenze nicht zu gering angesetzt würde. Anderenfalls bestünde das Risiko, dass Teilnehmer der Öffentlichkeit beispielsweise unbemerkt durch Nutzer aus der staatlichen Sphäre blockiert werden könnten. Daher ist eine zahlenmäßige Form der Öffentlichkeitsbeschränkung über ein Medium, das deutschlandweit abrufbar ist, grundsätzlich eher abzulehnen.

II. Örtliche Grenzen Die Wahl des Ausstrahlungsorts einer Gerichtsverhandlung kann informationstechnologiebedingt grundsätzlich weltweit erfolgen. Allerdings ist in diesem Kontext sicherzustellen, dass sich die Server, die eine entsprechende Übertragung ermöglichen, innerhalb der deutschen Jurisdiktion befinden, um ein möglichst hohes IT-Sicherheitsniveau zu gewährleisten und eine erforderliche Löschung von Daten sicherstellen zu können, vgl. § 497 StPO n. F. Insbesondere, wenn personenbezogene Daten aus Gerichtsverhandlungen gespeichert sind, ist auf einen sicheren Speicherort abzustellen, da diese Daten keine lebenslange Stigmatisierung von Betroffenen ermöglichen sollen, sondern nur für einen gewissen Zeitraum von Relevanz sind und anschließend mithilfe des Rechts auf Vergessenwerden auch wieder eine Resozialisierung des Betroffenen ermöglicht werden soll. Eine Beschränkung des Ausstrahlungsortes ist auf Grundlage des Demokratieprinzips ebenfalls gerechtfertigt.431 Diese Umsetzung könnte in erster Linie technisch erfolgen. Die rechtlichen Möglichkeiten und verfassungsrechtlichen Vorgaben können diesen Rahmen weiter konturieren. Zudem sollte die Publizität auf einen bestimmten kontrollierbaren Bereich im Internet beispielsweise in Form einer Plattform, die sich im Verantwortungsbereich des Staates befindet, beschränkt werden, um das Risiko eines Herrschaftsverlustes über entsprechende Daten zu verringern. Auch die Auffind431  Siehe

hierzu B. I.



D. Folgen verfassungsimmanenter Schranken für die Öffentlichkeit423

barkeit einzelner Fälle ist gegebenenfalls insoweit einzuschränken, dass diese außerhalb der Plattform nicht durch Suchmaschinen aufgefunden werden können.

III. Temporäre Grenzen Erst durch die örtliche Ausdehnung der Öffentlichkeit in den virtuellen Raum erhält sie aufgrund der Möglichkeiten die die Informationstechnologie bietet, die neue Dimension der Zeit. Hieran knüpft die Frage an, ob der Öffentlichkeit gegenüber immer ein absolut übereinstimmendes Abbild der Wirklichkeit erfolgen muss, oder inwieweit in zeitlicher Hinsicht von der Wirklichkeit abgewichen werden kann oder sogar muss. Die zeitgleiche Übertragung von Informationen bietet das größtmögliche Äquivalent zum real vor Ort erlebten Staatshandeln. Allerdings besteht nach Maßgabe der Funktionen von Öffentlichkeit auch eine gewisse temporäre Toleranz, die eine zeitversetzte Übertragung von staatlichen Verhandlungen gestatten kann, da Konstellationen denkbar sind, die Gefahren für die Wahrheitsfindung bei simultaner Übertragung bieten können. Insbesondere Zeugen können durch die Wahrnehmung von der Gerichtsverhandlung, bei der sie selbst aussagen sollen, durch bereits vor Gericht getätigte Äußerungen beeinflusst werden. Daher könnte auch eine zeitversetzte Übertragung eingesetzt werden, wenn keine anderen verhältnismäßigen organisatorischen, rechtlichen oder technischen Mittel zur Behebung dieser Gefahr greifen. So käme beispielsweise die „Unterbringung“ von Zeugen in einem besonderen Gerichtsraum vor ihren Aussagen am Verhandlungstag in Betracht. Es muss beachtet werden, dass eine Einschränkung der Öffentlichkeit, egal auf welcher Ebene, ultima ratio ist und das Vorliegen von Öffentlichkeit gänzlich negieren kann432, so dass ein Revisionsgrund in einem solchen Fall vorliegen kann. Sind keine Möglichkeiten gegeben, auf anderem Wege Risiken von der Durchführung eines Verfahrens abzuwenden, so ist der Zeitraum, der zwischen dem tatsächlichen Beginn der Verhandlung und dem der Aufzeichnung liegt, so zu bemessen, wie dies für das Verfahren erforderlich ist, beispielsweise auch um Personen unkenntlich zu machen. Allerdings ist die zeitversetzte Preisgabe der Informationen auf ein Minimum zu beschränken. Eine mehrtägige Zurückhaltung von Informationen bei langen Verhandlungen, die sich über mehrere Verhandlungstage ziehen, würde daher nicht mehr dem Öffentlichkeitsbedürfnis genügen. Staatliche Informationen sind nämlich so schnell wie möglich der Öffentlichkeit bereitzustellen, nachdem diese als öffentlichkeitsbedürftig identifiziert wurden. 432  Vgl.

Kapitel 1 C. II., III.

424 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie lange Öffentlichkeit zu bestimmten Informationen gewährt werden muss. Genügt die flüchtige Wahrnehmung einer Information oder zwingt die Informationstechnologie dazu, eine anhaltende Form der Einsicht in staatliche Verfahren zu gewähren? Auch in diesem Kontext ist auf das jeweilige Öffentlichkeitsbedürfnis der staatlichen Informationen abzustellen. Während einige Informationen für lange Zeit von Relevanz für die Allgemeinheit sind, besitzen andere Informationen nur eine kurze Halbwertszeit für das öffentliche Interesse. Hieran anknüpfend bedarf es auch einer Betrachtung, inwieweit es eine temporäre Höchstgrenze der Bereitstellung allgemeiner oder bestimmter staatlicher Informationen geben muss, oder ob staatliche Informationen für die Ewigkeit bereitzuhalten sind. Die Schaffung eines vollständigen digitalen Gedächtnisses unseres Staates auf diesem Wege ist zum Schutze bürgerlicher Freiheiten nicht erforderlich und noch weniger erstrebenswert. Daher sollten für die unterschiedlichsten Daten aus verschiedenen staatlichen Quellen divergierende Höchstgrenzen festgesetzt werden, um auf diesem Wege bürgerliche Freiheiten zu schützen und weiterhin zu ermöglichen.

IV. Partizipative Grenzen Die technischen Möglichkeiten bei der Schaffung von Partizipation können zwar vielfach gesellschaftlich genutzt werden; nach der vorliegenden technologiebasierten Dogmatik für die Gerichtsöffentlichkeit wird jedoch kein Bedürfnis gesehen, ein weiteres partizipatives Element im Rahmen der Gerichtsöffentlichkeit vorzusehen. Dieses beinhaltet zudem die Gefahr einer Verletzung der Würde derjenigen Person, über die die partizipierende Masse richtet. Die rechtsprechende Gewalt ist nämlich im Gegensatz zur Allgemeinheit an Recht und Gesetz gebunden. Bei fehlender Rechtskenntnis der aktiv Beteiligten stellt sich darüber hinaus das praktische Problem, dass Entscheidungen hierdurch willkürlich werden können und Beweisverwertungsverbote wahrscheinlich nicht hinreichend mit Blick auf die Rechte von Angeklagten gewahrt würden, so dass in der Folge bürgerliche Freiheiten bedroht wären. Gleichsam hätte die Beteiligung von „ungeführten“ Laien­ voten Rechtsunsicherheit zur Folge. Die rechtsprechende Gewalt ist in Art. 92 GG ausdrücklich den Richtern anvertraut worden. Diese Wertung lässt zudem keinen Raum für eine digitale, partizipative Erweiterung öffentlichen Handelns im Gerichtssaal.433 Die Zeiten, in denen eine aktive Mitwirkung des Publikums bei der Ahndung von richterlichen Gesetzesverstößen befürwortet wurden, sind damit vor433  Vgl.

Ballhausen, IT-Einsatz in der Justiz, S. 76.



D. Folgen verfassungsimmanenter Schranken für die Öffentlichkeit425

bei.434 Darüber hinaus gibt es bereits im judikativen Kontext die Möglichkeit der aktiven Beteiligung der Öffentlichkeit bei Gerichtsverfahren in Form von Laienrichtern, die unter der (An-)Leitung des Berufsrichters an staatlichen Entscheidungen partizipieren. Gegen eine Ausweitung der Partizipation sprechen auch die Funktionen der Öffentlichkeit, die lediglich eine Kontrolle und keine Übernahme der richterlichen Tätigkeit fordern. Nach der hier vertretenen Auffassung genügt die Anstoßfunktion der Öffentlichkeit, die bei offensichtlichen Missständen die Einschaltung anderer Institutionen erwirken kann.

V. Inhaltliche Grenzen Die Informationstechnologie gewährleistet faktisch jede Form der Bereitstellung staatlicher Informationen. Eine Eingrenzung der öffentlichkeitsbedürftigen Informationen ist jedoch verfassungsrechtlich geboten. Hierbei ist zu differenzieren, welche Daten für die Erfüllung der oben genannten Funktionen von Bedeutung sind. Die Namen von Prozessbeteiligten spielen zumeist keine Rolle, so dass eine weitreichende Anonymisierung zumindest in den Textdokumenten vorzunehmen ist. In der Verhandlung werden die Personalien der Beteiligten zumeist am Anfang des Verfahrens oder ihrer Aussage geklärt. Auch diese Preisgabe der Identität des Betroffenen ist grundsätzlich nicht für die Öffentlichkeit relevant, so dass diese kurze Phase zumindest akustisch bei einer Übertragung ausgeblendet werden kann. Innerhalb der Verhandlung werden die Verfahrensbeteiligten häufig nicht mit ihren Namen, sondern ihrer Verfahrensbezeichnung (Beklagter, Kläger, Angeklagter, Staatsanwalt) bezeichnet. Sollten dennoch im Rahmen der Verhandlung Namen fallen, sind diese zumeist flüchtig. Auch ein präsenter Zuschauer, der die Saalöffentlichkeit wahrnimmt, kann diese Daten heutzutage erfahren. Für die weitere konkrete inhaltliche Ausgestaltung und Zuordnung von Öffentlichkeitsbedürftigkeit kommt es auf den Einzelfall an. Hierbei sind insbesondere auch die bereits bestehenden Möglichkeiten des Öffentlichkeitsausschlusses auf Dokumente zu übertragen und insoweit eine Beschränkung der inhaltlichen Dimension von Öffentlichkeit vorzunehmen.

434  Höbermann, Der Gerichtsbericht in der Lokalzeitung: Theorie und Alltag, S.  30 m. w. N.

426 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

E. Verfassungsrechtliche Konturen und Spielräume für die digitale Gerichtsöffentlichkeit – ein Fazit Die Erweiterung von Gerichtsöffentlichkeit wird insbesondere aus der Sphäre der Justiz kritisch gewürdigt. Manche der aufgeworfenen Bedenken435 in diesem Kontext stehen in engem Zusammenhang mit den Grundrechten von Verfahrensbeteiligten. Um den verfassungsrechtlichen Schranken gerecht zu werden, bedarf es einer grundrechtsschützenden technischen Ausgestaltung der digitalen Öffentlichkeit und einer entsprechenden rechtlichen Ab­ sicherung. Sowohl die Staatsstrukturprinzipien in Form des Demokratieprinzips und des Rechtsstaatsprinzips als auch die individuumschützenden Grundrechte sind bei der Gestaltung einer digitalen Gerichtsöffentlichkeit zu achten. Das Demokratieprinzip mit unmittelbarem Bezug zum Wahlvolk und damit der deutschen (bzw. einer europäischen) Staatsangehörigkeit kann eine Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips in personeller Hinsicht begründen. Jene Beschränkung muss aber wiederum im Lichte des Grundgesetzes erfolgen, so dass ein Ausschluss von Zuschauern nicht anhand ihrer Staatsangehörigkeit, sondern in Bezug auf ihren Aufenthaltsort zu erfolgen hat. Ein dahingehender Öffentlichkeitsausschluss ist grundsätzlich auch erforderlich, da außerhalb der deutschen Jurisdiktion die Wahrung deutscher Grundrechtserfordernisse kaum möglich ist. Technisch kann dieses rechtliche Bedürfnis nach einer territorialen Begrenzung durch eine Geolokalisation umgesetzt werden. Hierdurch kann der Zugang zu einer digital übertragenen Gerichtsverhandlung diskriminierungsfrei innerhalb der Bundesrepublik gewährt werden. Ansonsten ist der Zugang zu einer digitalen Gerichtsöffentlichkeit derart zu gestalten, dass hierdurch kein Hindernis für die virtuelle Wahrnehmung einer Gerichtsverhandlung geschaffen wird. Ausnahmen können sich lediglich aus Jugendschutzgründen ergeben. Der Zugang zu Verfahren, deren Inhalt für die Rezeption durch Minderjährige nicht geeignet ist, ist so zu gestalten, dass dem Minderjährigenschutz Rechnung getragen wird. Dies kann insbesondere technisch durch Altersverifikationssysteme erfolgen. In solchen Fällen muss die informationelle Selbstbestimmung der Zuschauer hinter den Minderjährigenschutz treten. Daneben ist bei der Gestaltung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit dem Rechtsstaatsprinzip Rechnung zu tragen. Danach darf keine Gefährdung des 435  Vgl. hierzu die unterschiedlichen Stellungnahmen zum EMöGG, https: /  / www. bmjv.de / SharedDocs / Gesetzgebungsverfahren / DE / Erweiterung_Medienoeffentlich keit_Gerichtsverfahren.html.



E. Verfassungsrechtliche Konturen und Spielräume – ein Fazit427

Rechts auf Verteidigung und keine Behinderung der Wahrheitsfindung erfolgen. Gleichsam darf die Durchführung von Verfahren nicht beeinträchtigt werden. Zum einen kann diesem Erfordernis durch organisatorische Maßnahmen Rechnung getragen werden. Zeugen, die durch die Wahrnehmung anderer Aussagen vor Gericht beeinflusst werden könnten, könnten beispielsweise in einen (beaufsichtigten) Raum innerhalb des Gerichtsgebäudes vor ihrer Aussage verbracht werden. Zum anderen können technische Maßnahmen der Wahrung des Rechtsstaatsprinzips dienen. Hierzu gehört die Wahl der Kameraeinstellungen, aber auch der Ort der Kameraplatzierung. Daneben müssen die schutzwürdigen Interessen der Verfahrensbeteiligten und auch der Gerichtspersonen gewahrt bleiben. Allen voran wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht in den Ausprägungen des Rechts am eigenen Wort und Bild sowie der informationellen Selbstbestimmung als Schranke der (Gerichts-)Öffentlichkeit genannt. Durch die Anonymisierung von gerichtlichen Unterlagen und dem virtuell entsprechend angewendeten Öffentlichkeitsausschluss ist eine das allgemeine Persönlichkeitsrecht schonende Ausgestaltung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit möglich. Der vorherrschende Kritikpunkt im Rahmen der Medienöffentlichkeit, nämlich die Unkontrollierbarkeit entsprechender Bild- und Tonaufnahmen, wenn diese durch Medienvertreter gemacht werden, greift vorliegend nicht. Die entsprechenden Aufnahmen sollen in der Herrschaftssphäre der Justiz verbleiben. Sie soll vorliegend auch alleine berechtigt sein, den virtuellen Zugang als virtuelles Äquivalent der Saalöffentlichkeit zu gewähren. Gleichsam ist die Pönalisierung der Weiterverbreitung etwaiger Kopien eines Videos aus dem Gerichtssaal ratsam. Die Gefahr einer wirklichkeitsverzerrenden Darstellung der Verhandlung durch Dritte wird hierdurch gebannt.436 Als technische Umsetzungshilfe bieten sich eine Kombination der verschiedenen in Kapitel 4 C. II. 3. aufgeführten persönlichkeitsrechtswahrenden Maßnahmen an. Der immer wieder vorgebrachte digitale Pranger kann ebenfalls durch die Gestaltung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit verhindert werden. Das Risiko eines virtuellen Schandpfahles, wie er beispielsweise in den USA437 und nunmehr auch in Polen438 in Form von Sexualstraftäterdatenbanken existiert, ist nicht gegeben, wenn eine grundrechtskonforme Plattformgestaltung zur Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit erfolgt. Die digitale Vermittlung eines realistischen Bildes aus einer Gerichtsverhandlung hat genauso viel oder wenig Prangerwirkung wie die klassische Saalöffentlichkeit.

436  Diese

Befürchtung wurde ausdrücklich durch BVerfGE 103, 44, 67 f. benannt.

437  https: /  / www.nsopw.gov.

438  https: /  / rps.ms.gov.pl / en-US / Public# / home; http: /  / www.tagesschau.de / ausland /  polen-sexualstraftaeter-103.html.

428 Kap. 5: Rechtliche Grenzen bei Digitalisierung der Gerichtsöffentlichkeit

Darüber hinaus sind die Eigentums- und Berufsfreiheit taugliche Schranken der Öffentlichkeit, welche es bei der Umsetzung zu beachten gilt. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Frage, welche Passagen in Verfahrensakten zu schwärzen sind, bevor diese veröffentlicht werden dürfen. Die Rundfunkfreiheit schränkt die digitale Öffentlichkeit hingegen nur mittelbar insoweit ein, dass digital übertragene Gerichtsverhandlungen ohne Kommentierung erfolgen müssen und wirklich nur das Geschehen abbilden dürfen. Dies ist jedoch bereits für ein authentisches Bild aus dem Gerichtssaal zwingend. Durch diese Gestaltung wird sichergestellt, dass die digitale Gerichtsöffentlichkeit nicht selbst dem verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff unterfällt. Dies könnte auch durch die Einstellung einzelner getrennter Verfahrensvideos beispielsweise auf einzelnen verfahrensbezogenen Unterseiten auf der Plattform sichergestellt werden. Insbesondere mit Blick auf das durch das Bundesverfassungsgericht entwickelte Gebot der Staatsferne ist nämlich ein staatliches, redaktionell aufbereitetes Gerichtsfernsehen kritisch zu sehen. Der partielle Ausschluss der Öffentlichkeit in den unterschiedlichen Dimensionen ist geboten, wenn dieser den verfassungsrechtlichen Interessen der Beteiligten dient. So besitzt die partizipative Ebene im Rahmen der digitalen Öffentlichkeit keinen Raum. Sowohl die aktive Teilnahme an der Urteilsfindung als auch die aktive Bestärkung eines Einzelnen in Form von Likes etc. ist daher zu verhindern.439 Dem technisch bedingten Wegfall jeglicher Kapazitätsgrenzen kann jedoch gegebenenfalls mit künstlichen Beschränkungen für Zuschauer begegnet werden, um Rechte Dritter zu schützen. Für alle anderen Dimensionen von Öffentlichkeit müssen die Grenzen im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung bestimmt werden, da eine unberechtigte Beschränkung der Öffentlichkeit in diesen Ausprägungsformen einen kompletten Ausschluss der Öffentlichkeit vermuten lässt.440 Im Gesamtkontext wird deutlich, dass die verfassungskonforme Öffentlichkeit in einer Wechselbeziehung zwischen den Verfahrensbeteiligten sowie den Gerichtspersonen und den Zuschauern bestehen muss.

439  Da der Bürger nur Zuhörer und damit stiller Beobachter öffentlichen Handelns ist, darf er auch im Rahmen analoger exekutiver oder legislativer Tätigkeit durch seine Kundgaben das staatliche Handeln nicht stören, vgl. Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 77. 440  Vgl. Kapitel 1 C. II. und III.

Schlussbetrachtung I. Zusammenfassung1 Öffentlichkeit – im Verfahrenskontext hier verstanden als das Vorhandensein von Zugänglichkeit zu einem staatlichen Verfahren und dessen Informationen – ist ein diffuser Begriff mit pluraler Bedeutung und verschiedenen Funktionen und Dimensionen. Sie hat eine Kontrollfunktion gegenüber dem Handeln staatlicher Akteure, erzeugt informationelle Gleichberechtigung, ermöglicht Information und Partizipation der Bürger und dient damit auch der demokratischen Legitimation. Überdies hat Öffentlichkeitsgewähr eine vertrauensbildende und eine akzeptanzstiftende Wirkung. Die Öffentlichkeit staatlichen Handelns, insbesondere der Gerichte, bewegt seit Jahrhunderten Autoren, von Feuerbach und Kant über Luhmann und Habermas bis Coelln und ist ein viel behandeltes Thema der Forschung aus rechtlicher, philosophischer und sozialwissenschaftlicher Perspektive. Von allen wird das Prinzip öffentlichen staatlichen Handelns über alle Gewalten hinweg als eine elementare Errungenschaft rechtsstaatlicher Verfahren gewertet. Insbesondere im Hinblick auf Gerichtsverfahren besitzt das Öffentlichkeitsprinzip eine lange Tradition. Die hieraus gewachsenen Ausgestaltungsmodalitäten haben sich seit Generationen nur marginal geändert, wurden dabei aber immer an die Möglichkeiten und Bedürfnisse der jeweiligen Zeit angepasst. Im 20. Jahrhundert ist die Bedeutung der klassischen Medien (Presse und Rundfunk) in diesem Zusammenhang exponentiell gewachsen. Dass nunmehr im 21. Jahrhundert das Internet in den Fokus von Reformüberlegungen gerät, ist insofern eine logische Konsequenz. Die neuen technologischen Möglichkeiten zur Übertragung, zur Speicherung und zum Abruf von Informationen für jeden Bürger erweitern auch die Dimensionen der Öffentlichkeitsgewähr. Dies wiederum wirft die folgenden Grundfragen neu auf: Hat Öffentlichkeitsgewähr formell oder materiell zu erfolgen? Welchen quantitativen bzw. qualitativen Anspruch besitzt sie? Im Ergebnis genügt es nicht, dass überhaupt irgendeine Möglichkeit des Zugangs zu einem staatlichen, insbesondere gerichtlichen Verfahren besteht. Vielmehr muss Öffentlichkeit in dem Sinne gewährleistet sein, dass die Funktionen der Kontrolle, der Information und der Legitimation ernsthaft 1  Siehe

ergänzend die Zusammenfassungen am Ende jedes Kapitels.

430 Schlussbetrachtung

erfüllt werden können. Es ist nämlich von dem Leitbild einer kontrollbedürftigen Justiz auszugehen, wobei sich die Ausübung der Kontrolle nicht auf den „justizeigenen“ Instanzenzug beschränkt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz („checks and balances“) gilt in alle Richtungen; im Rechtsstaat ist jegliche Macht zu begrenzen, auch jene der Gerichte. Zur Kontrolle, die von den (klassischen) Medien ausgeübt wird, gesellt sich die (breite) Öffentlichkeit als Ausdruck von Volkssouveränität. Informationen, die aus Gerichtsverfahren über die Öffentlichkeit an den Gesetzgeber gelangen, ermöglichen diesem auch eine Kontrolle dergestalt, dass Fehlentwicklungen bei der Auslegung und Anwendung der Gesetze legislativ korrigiert werden können. Öffentlichkeitsgewähr ist integraler Bestandteil von Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung und besitzt disziplinierenden Charakter. Auch weil die Bedeutung der klassischen Medien (deren Kontrollfunktion aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeit von Auflagenhöhe, Einschaltquoten und Werbeverträgen ohnehin in Frage gestellt werden kann) im digitalen Zeitalter abnimmt, wird zunehmend eine internetbasierte Transparenz staatlichen Wirkens verlangt (Open Data, Open Government). Dies gilt selbst dann, wenn man – insbesondere bei der Justiz – keine konkreten Missstände ausmachen könnte. Rechtsstaatliche Gewaltenkontrolle wirkt nämlich institutionell und proaktiv. Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, dass die Digitalisierung alle Lebensbereiche unserer Gesellschaft verändert und sich damit sowohl auf die Gegenstände gerichtlicher Streitigkeiten als auch auf die Justizorganisation selbst auswirkt. Es ist noch gar nicht abzusehen, welchen Einfluss der Einsatz selbstlernender Algorithmen (sog. künstliche Intelligenz) auf die Rechtsprechung haben wird; mittlerweile sind bereits die ersten „Roboter-Anwälte“ im Einsatz. Die Justiz muss sich dieser Herausforderung stellen und bedarf insofern auch einer kritischen Begleitung durch die Öffentlichkeit, deren Belange hierdurch unmittelbar betroffen sind. Der Öffentlichkeitsgrundsatz darf daher insbesondere bei den Gerichten nicht nur auf dem Papier stehen, sondern muss „mit Leben erfüllt“ werden. Daran mangelt es derzeit aber noch. Die heutigen Formen der Gerichtsöffentlichkeit, die Saal- und Medienöffentlichkeit, wie sie aus § 169 GVG, der maßgeblichen einfachgesetzlichen Regelung zur Öffentlichkeitsgewähr, herausgelesen werden, geraten immer mehr an faktische Grenzen und erfüllen bei genauerer Betrachtung die Funktionen von Öffentlichkeit nur partiell. Die Saalöffentlichkeit als eine Form der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit entspricht nicht der Lebenswirklichkeit der Bürger (besonders, wenn diese sich tagsüber ihrem Beruf, Haushalt und Familie und vermehrt auch Freizeitaktivitäten widmen), so dass sie kaum mehr wahrgenommen wird. Die Medienöffentlichkeit, die durch die klassischen Medien umgesetzt wird, stößt neben faktischen ressourcenbedingten Hürden in der Sphäre der Medien bei der Vermittlung des Geschehens vor Gericht auch auf rechtliche

Schlussbetrachtung431

Hemmnisse. Um dem Öffentlichkeitsbedürfnis im 21. Jahrhundert gerecht zu werden, zeigt sich mit Blick auf die informationstechnischen Möglichkeiten und die gesellschaftliche Erwartung, dass eine Reform der Gerichtsöffentlichkeit erforderlich ist. Gleichsam kann die Informationstechnologie zur Verbesserung der Öffentlichkeitsgewähr beitragen. Während die Justiz bereits in anderem Kontext die digitale Transformation erfolgreich begonnen hat, wird die digitale Öffentlichkeitsgewähr unterdessen vollständig ausgeblendet. Grundsätzlich ist der Staat bei seiner Aufgabenerledigung, d. h. auch bei der Herstellung von Öffentlichkeit, zwar frei. Aufgrund der mit dem Internet verbundenen potentiellen Reichweite bei der Informationsverbreitung, der bestehenden partiellen Nutzung dieses Mediums durch staatliche Einrichtungen sowie der hiermit eng verknüpften gesellschaftlichen Erwartungshaltung ist aber eine Einbindung des Internets bei der Schaffung von Öffentlichkeit geboten. Das Recht wird nicht nur zur Steuerung der technischen Entwicklung genutzt, sondern die Technik hat vice versa auch Einfluss auf das Recht. Das betrifft insbesondere die qualitative Dimension der Öffentlichkeitsgewähr: Lief die Öffnung der Justiz hin zu einer echten Kontrollmöglichkeit durch Öffentlichkeit, die diesen Namen auch verdient, durch faktische räumliche und zeitliche Grenzen bislang weitgehend leer, kann dieses Defizit nunmehr durch die erweiterten informationstechnischen Möglichkeiten zur Gewähr digitaler Gerichtsöffentlichkeit ausgeglichen werden. Die bisherige Berufung auf diese faktischen Grenzen (entsprechend dem Grundsatz „ultra posse nemo obligatur“) ist demnach ausgeschlossen, weil und soweit eine funk­ tionsgerecht eingesetzte Informationstechnologie eben diese Grenzen überwindet. Diese digitale Form der Herstellung von Gerichtsöffentlichkeit setzt sich in Anbetracht der bestehenden Funktionen und Dimensionen von Öffentlichkeit nach der vorliegenden Auffassung aus zwei Elementen zusammen. Zunächst kann die mündliche Verhandlung digital in den virtuellen Raum übertragen werden. Dies stellt die digitale Erweiterung der Saalöffentlichkeit dar. Darüber hinaus könnten dem virtuellen Zuschauer die (um schutzwürdige persönliche Daten oder Geschäftsgeheimnisse bereinigten) Verfahrensakten oder zumindest komprimierte Verfahrensinformationen auf gleichem Wege zugänglich gemacht werden, damit er der Verhandlung folgen kann und überhaupt erst in die Lage versetzt wird, eine Kontrollfunktion gegenüber dem Gericht auszuüben. Das Gegenargument, dass der „einfache Bürger“, der juristisch nicht vorgebildet sei, keine Kontrolle ausüben könne, verfängt hierbei nicht. Es geht nicht um eine juristische Kontrolle im engeren Sinne, sondern um die Nachvollziehbarkeit der Rechtsprechung im Großen und Ganzen und um eine Missbrauchskontrolle, wie es letztlich auch durch

432 Schlussbetrachtung

die allgemein anerkannte Saalöffentlichkeit im Ansatz intendiert ist. Digitale Gerichtsöffentlichkeit soll keine „Superrevisionsinstanz“ erzeugen, sondern eine Vielzahl von Bürgern als Adressaten der Rechtsordnung ansprechen. Das Grundgesetz bezieht alle Bürger in die Volkssouveränität ein, unabhängig von ihrem Bildungsgrad oder ihren fachspezifischen Kenntnissen. Ihnen gemeinsam obliegt die in der Öffentlichkeitsgewähr innewohnende Kontrollfunktion. Pointiert ausgedrückt: Alle Staatsgewalt geht nicht nur vom rechtskundigen Bürger aus. Der Umstand, dass die Liveübertragung von Gerichtsverhandlungen zu Zeiten der Nationalsozialisten als Propaganda missbraucht wurde, wirkt heute noch in Deutschland nach. Die Tatsache, dass eine Technik missbraucht werden kann, sollte jedoch nicht davon abhalten, diese in rechtsstaatlichen Zeiten einzusetzen, um tatsächliche Missstände abzuschalten oder ihnen vorzubeugen. Trotz des unbestimmten Wortlauts des § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG kann die digitale Transformation der Gerichtsöffentlichkeit hieraus nicht mittels Auslegung abgeleitet werden. Ebensowenig kommt eine alleinige Berufung auf das verfassungsrechtliche Rechtsstaats- und Demokratieprinzip zur Umsetzung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit in Betracht. Vielmehr obliegt es dem Gesetzgeber aufgrund des Parlamentsvorbehalts, die digitale Transformation staatlichen Handelns selbst zu gestalten, auch wenn das bestehende Ermessen eingeschränkt ist. Dieser gesetzgeberischen Verantwortung ist auch der Erlass von Klarstellungsnormen zuzurechnen. Die Reichweite der Konkretisierung muss sich nach den Umständen des Einzelfalls bestimmen. Da sich Technik sehr schnell wandelt, bietet es sich an, dass der Gesetzgeber zukunftsoffene Regelungen trifft und entsprechende Verordnungsermächtigungen erlässt, in denen er nur die wesentlichen Grundzüge vorgibt. Verordnungen können von der Exekutive deutlich schneller und passgenauer modifiziert werden, als dies bei gesetzgeberischen Vorgaben der Fall ist. Aufgrund der Tatsache, dass die Länder die Verantwortung für die Instanzenrechtsprechung und damit verbunden für die dortige Öffentlichkeitsgewähr besitzen, sind ihnen gegenüber entsprechende Handlungsmöglichkeiten einzuräumen. Dennoch wäre die Mitwirkung aller Länder an einem gemeinsamen öffentlichkeitsgewährenden Justizportal wünschenswert. Dies könnte beispielsweise durch einen Staatsvertrag geregelt werden. Durch den Einsatz der Informationstechnologie fallen – wie gesehen – faktische Hürden bei der Öffentlichkeitsgewähr weg. Daher gilt es, die einer grenzenlosen Öffentlichkeit entgegenstehenden verfassungsrechtlichen Garantien durch die Gestaltung der Technik (hierbei bedarf es einer Unterscheidung von öffentlichkeitsermöglichenden und öffentlichkeitseinschränkenden technischen Maßnahmen) und die Errichtung rechtlicher Grenzen zu schützen.

Schlussbetrachtung433

Einerseits muss der digitale Zugang zu einer Gerichtsverhandlung diskriminierungsfrei gewährleistet werden, andererseits kann eine Zugangsbeschränkung in bestimmten Verfahren für Minderjährige aus Jugendschutzgesichtspunkten erforderlich sein. Um das Persönlichkeitsrecht der Verfahrensbeteiligten zu schonen, bietet es sich zudem an, die Gerichtsöffentlichkeit mittels technischer Vorkehrungen nur aus Deutschland bzw. nur auf dem Gebiet der Europäischen Union zugänglich zu machen. Darüber hinaus sollten Höchstfristen der digitalen Zugänglichkeit entsprechender Informationen normiert werden. Neben der technischen Möglichkeit, die Weiterverbreitung entsprechender digital zugänglicher Informationen zu unterbinden, kann es zudem geboten sein, eine unberechtigte öffentliche Zugänglichmachung zu pönalisieren. Soweit der Gesetzgeber schutzwürdige Interessen von Verfahrensbeteiligten zu berücksichtigen hat, bieten sich neben einer weitgehenden Anonymisierung ergänzende technische Lösungen (wie Kameraeinstellungen, Filter, Löschroutinen etc.) an (Rechtsschutz durch Technikgestaltung). Dabei kann die Weiterentwicklung der elektronischen Aktenführung hilfreich sein, deren strukturierte Datensätze und Metadaten die zulässige Freigabe von Verfahrensinformationen erleichtern. Die digitale Gerichtsöffentlichkeit steht im Kontext der E-Justice-Entwicklung, an deren technische Komponenten (wie etwa einem Justizportal oder den elektronischen Akten) angeknüpft werden kann. Überdies kann durch Pilotprojekte und Evaluationspflichten sichergestellt werden, dass sich unerwünschte Nebenwirkungen oder unerkannte Risiken nur geringfügig einstellen. Trotz der mit der Digitalisierung verbundenen Änderungen bei der Schaffung von Öffentlichkeit kann hinsichtlich des Öffentlichkeitsausschlusses auf die bestehenden Gesetze zurückgegriffen werden. Soweit für bestimmte Verfahrensabschnitte ein Öffentlichkeitsausschluss geboten ist, gilt dies auch für die virtuelle Zurverfügungstellung. Ferner ist sicherzustellen, dass nicht nur Teile der mündlichen Verhandlungen nicht für die Öffentlichkeit einsehbar sind, entsprechende Abschnitte müssen auch in den öffentlich zugänglichen Verfahrensakten vor der Öffentlichkeit verborgen werden. Die Kernthese dieser Arbeit hat sich somit bestätigt. Die mithilfe der Informationstechnologie geschaffene „digitale Gerichtsöffentlichkeit“ kann und muss die Drittöffentlichkeit des 21. Jahrhunderts ergänzen, damit die Justiz dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip in der heutigen digitalen Gesellschaft gerecht wird („Ob“). Wie dies im Detail auszugestalten ist („Wie“), obliegt dem Gestaltungsermessen des Gesetzgebers. Die vorliegenden Ausführungen sollen hierfür als Anregung und Diskussionsgrundlage dienen.

434 Schlussbetrachtung

II. Ausblick: Der vollständige digitale Wandel – die (partielle) Abschaffung der Saalöffentlichkeit Die Saalöffentlichkeit ist als unmittelbare Öffentlichkeitsform die älteste Form der Gerichtsöffentlichkeit i. S. d. § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG. Sie stößt in unserer urbanen Gesellschaft jedoch auf räumliche Grenzen. Auch die kapitalistische Marktwirtschaft, die die Bürger heutzutage für sich als Arbeitskraft einspannt, verhindert vielfach die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Pflichten wie die Teilnahme an gerichtlichen Verfahren. Daher stellt sich die Frage, ob ein Fortbestand der Saalöffentlichkeit zwingend ist. Unter Umständen könnte diese Öffentlichkeitsform durch die digitale Öffentlichkeit auch vollständig oder zumindest partiell abgelöst werden. 1. Die vollständige Ersetzung der Saalöffentlichkeit durch die digitale Gerichtsöffentlichkeit Die Gewährleistung der Saalöffentlichkeit wird durch das Bereithalten (großer) Sitzungssäle ermöglicht. Diese zusätzlichen Flächen sind beim Bau von Gerichten mit einzukalkulieren, aber auch die ständige Bereitstellung erfordert wirtschaftlichen und zeitlichen Aufwand. Dennoch entspricht die Saalöffentlichkeit nicht mehr den Bedürfnissen der Bevölkerung, die zu den viel frequentierten Gerichtsverfahren aufgrund des hohen Andrangs vielfach keinen Zutritt mehr erlangt oder die von dem Angebot der Justiz aus unterschiedlichen Gründen keinen Gebrauch (mehr) macht. Das Internet hat das Konsum- sowie das Kommunikationsverhalten der Deutschen2 nachhaltig verändert. Diese Verhaltensbeeinflussung reicht allerdings weiter und kann auch auf das staatsbürgerliche Verhalten übertragen werden.3 Nach dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitspostulat besteht grundsätzlich keine Determination auf eine bestimmte Form der Öffentlichkeit. Wichtig ist jedoch, dass die Öffentlichkeit die oben genannten Funktionen 2  Krell, Wie das Internet unseren Konsum verändert, abrufbar unter http: /  / www. augsburger-allgemeine.de / wirtschaft / Wie-das-Internet-unseren-Konsum-veraendertid18464621.html; vgl. zum Konsumverhalten: https: /  / de.statista.com / statistik / studie /  id / 43363 / dokument / handel-offline-vs-online-entwicklung-vergleiche-konsumenten / ; https: /  / de.statista.com / statistik / daten / studie / 680177 / umfrage / einkaufspraeferenzenonline-vs-offline-nach-produktkategorien / ; zur Mediennutzung in Deutschland vgl. https: /  / de.statista.com / themen / 101 / medien / ; https: /  / de.statista.com / statistik / daten /  studie / 616143 / umfrage / taegliche-nutzungsdauer-von-kommunikationsmedien-indeutschland / . 3  Immer mehr Bürger in Europa kommunizieren über das Internet mit Behörden, vgl. https: /  / de.statista.com / statistik / daten / studie / 73560 / umfrage / ineraktionmit-staatlichen-behoerden-ueber-das-internet-im-laendervergleich / .

Schlussbetrachtung435

erfüllen können muss.4 Dies ist bei einer reinen Medienöffentlichkeit nicht der Fall, da der Intermediär der Bevölkerung keine unmittelbare Wahrnehmung der Verhandlung erlaubt und daher ein großes Manipulationsrisiko beinhaltet. Mithin wäre eine vollständige Ersetzung der Saalöffentlichkeit durch die Medienöffentlichkeit nicht möglich.5 Wichtig ist vielmehr eine unmittelbare Form der Öffentlichkeit, bei der der Bürger „durch die unmittelbare Tätigkeit des Beobachtens und Hörens, also durch sinnliche Wahrnehmung ‚in dem Moment des Vorgangs selbst und gleichzeitig mit diesem fortschreitend‘6, (…) sich die Gesamtheit der Volksgenossen von der gerechten und unparteiischen Anwendung der Gesetze überzeugen“ kann.7 Wird also die Saalöffentlichkeit in einer Verhandlung vollständig abgeschafft, bedarf es der Einhaltung des unmittelbaren Moments. Unmittelbarkeit wird durch ein optisches und akustisches sowie ein temporäres Element charakterisiert. Das Dabeisein muss daher so wirklichkeitsgetreu wie möglich abgebildet werden. Die simultane Übertragung von Bild und Ton, wie dies über das Internet mithilfe von Kamerasystemen heutzutage möglich ist, gestattet grundsätzlich die Einhaltung der genannten Voraussetzungen von Unmittelbarkeit, sofern verschiedene Kriterien bei der Übertragung eingehalten werden. Daher ist wichtig, dass die Kamera räumlich und temporär das gesamte Geschehen erfasst und keine manipulierende Kameraführung, Schnitttechnik und Auswahl von Verhandlungsausschnitten den Zuschauer beeinflusst. Auch der Gerichtszuschauer vor Ort ist nicht mobil, daher genügt wie oben aufgezeigt eine fest installierte Kamera im Zuschauerbereich des Gerichtssaals. Darüber hinaus stellt sich, wenn die Saalöffentlichkeit vollständig abgeschafft wird, die Frage, ob die Übertragung wirklich simultan erfolgen muss, d. h. ob dieses Element von derart großer Bedeutung ist, dass hiervon nicht abgewichen werden darf oder, ob eine zeitversetzte Verhandlungsübertragung dem Unmittelbarkeitserfordernis auch noch genügt. Das Risiko einer zeitgleichen Übermittlung besteht darin, dass Zeugen hierdurch in ihrem Aussageverhalten beeinflusst werden könnten, und damit bestünde die Gefahr, dass der Ausgang des Verfahrens negativ beeinflusst würde. Dieses Risiko könnte einfach umgangen werden, wenn die Verhandlung erst nach der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Urteilsverkündung abrufbar wäre.

4  Siehe

hierzu Kapitel 1 B. GVG, § 169 Rn. 3 unter der Verwendung der Terminologie unmittelbare und mittelbare Öffentlichkeit. 6  Kleinfeller, Die Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens, S. 419. 7  Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, S. 24. 5  Kissel / Mayer,

436 Schlussbetrachtung

Inwieweit eine solche zeitversetzte Übertragung noch dem Unmittelbarkeitsgebot entspricht, richtet sich auch danach, ob die Kontrollfunktion der Justiz schwerpunktmäßig präventiver oder repressiver Natur ist. Ist sie schwerpunktmäßig repressiver Natur, wäre ein Abweichen von der unmittelbar temporären Komponente möglich. Soweit der Öffentlichkeitsgrundsatz auch eine präventive Funktion besitzt, ist eine wirksame Kontrolle auf diesem Wege unmöglich. Vorliegend besitzt das Öffentlichkeitsprinzip auch eine präventive Funktion. Zudem würde das Vertrauen in die Justiz schwer beschädigt, wenn erst nach Ablauf einer gewissen Zeit Verfahren öffentlich gemacht würden. Dies würde mit einer Geheimjustiz und dem Ausschluss der Öffentlichkeit in Verbindung gebracht. Daher muss die Unmittelbarkeit sich auch auf das temporäre Element erstrecken. Die Gefahr der Zeugenbeeinflussung durch eine Wahrnehmung der Übertragung vor der eigenen Aussage kann zudem durch ein Identitätsmanagement oder andere Maßnahmen umgangen werden.8 Bereits heute gestattet § 128a ZPO die Abwesenheit von Verfahrensbeteiligten (Partei sowie Rechtsbeistand), aber auch Zeugen müssen nicht zwingend dem Verfahren vor Ort beiwohnen.9 Wenn bereits der Gesetzgeber die Wertung getroffen hat, dass die örtliche Anwesenheit von Parteien, Rechtsanwälten oder Zeugen keine zwingende Voraussetzung mehr für die Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens ist, dann darf für die Öffentlichkeit, die das Verfahren kontrollieren soll, grundsätzlich kein strengerer Maßstab gelten. Allerdings besteht derzeit noch eine digitale Lücke, so dass in verschiedenen ländlichen Regionen kein schnelles Internet besteht und damit eine Übertragung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit heutzutage hier zumindest nicht möglich erscheint. Zu dieser Digital Gap kommt hinzu, dass derzeit noch nicht alle Bürger einen Internetanschluss besitzen. Eine flächendeckende Ersetzung der Saalöffentlichkeit ist vor diesem Hintergrund in naher Zukunft wohl noch nicht vorstellbar. Dennoch ist die Pilotierung entsprechender Projekte anzustreben und zumindest in einer Übergangszeit von der Saal- zur digitalen Öffentlichkeit ein duales System zu nutzen. Für die vollständige Ersetzung der digitalen Öffentlichkeit bedarf es grundsätzlich keines 100-prozentigen Breitbandausbaus deutschlandweit bzw. des Anschlusses jedes Haushaltes an das Internet. Bereits heute kann aus gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht jeder an der Saalöffentlichkeit partizipieren. Auch zu Zeiten der aktiv gelebten materiellen Öffentlichkeit war eine Informierung jedes einzelnen Beteiligten wahrscheinlich nicht möglich und auch nicht erforderlich. Die kritische Größe, die eine Ablösung der Saalöffentlichkeit durch die digitale Öffentlichkeit gestattet, sollte bei 8  Vgl.

die Ausführungen hierzu in Kapitel 5 B. II. 1. c) bb). Kapitel 3 C. II. 3.

9  Siehe

Schlussbetrachtung437

einem Internetzugang von ca. 80 Prozent der Bevölkerung im jeweiligen Gerichtsbezirk angenommen werden, um einen demokratischen Diskurs vor Ort zu ermöglichen. Insbesondere Personen aus den jeweiligen Gerichtsbezirken sind nämlich Adressaten der Gerichtsöffentlichkeit. Ein mangelnder Internetausbau in anderen Teilen Deutschlands sollte daher den Wandel hin zu einer digitalen Gerichtsöffentlichkeit an anderen Orten nicht behindern. 2. Die Beschränkung der Saalöffentlichkeit Eine flächendeckende Abschaffung der Saalöffentlichkeit und deren Ersetzung durch die digitale Öffentlichkeit ist technisch zwar möglich, wird allerdings in den nächsten Jahr(zehnt)en wohl nicht realisiert werden können, da derzeit (noch) ein erhebliches Misstrauen in den technischen Fortschritt und die Authentizität entsprechender Übertragungen besteht.10 Statt einer kompletten Abschaffung der Saalöffentlichkeit käme auch ein partieller nicht diskriminierender Ausschluss der Öffentlichkeit differenziert nach Personengruppen in Betracht, um die wenigen vorhandenen Gerichtsplätze für Angehörige von Verfahrensbeteiligten, Medienvertreter oder Personen aus der Sphäre der Justiz zu reservieren. Allerdings ist auch hierbei zu beachten, dass eine kritische Größe im Gerichtsbezirk über einen hinreichend schnellen Internetanschluss verfügen muss. Bei einer partiellen Ersetzung der Saalöffentlichkeit durch die digitale Gerichtsöffentlichkeit käme statt einer personellen Differenzierung ebenfalls eine Unterscheidung nach der Art der Gerichtsverfahren in Betracht. Insbesondere Verfahren, die aus Sicherheitsgründen derzeit die Bevölkerung grundsätzlich ausschließen, könnten unter Ausschluss des Saalpublikums im Rahmen der digitalen Öffentlichkeit öffentlich stattfinden. a) Differenzierung anhand des Rechtsweges bzw. des jeweiligen Verfahren Vor dem Hintergrund der Verlagerung der Saalöffentlichkeit in den digitalen Raum bietet sich in einem ersten Schritt eine Differenzierung nach Rechtswegen an. aa) Verfahren ausschließlich zwischen Privaten Verfahren, die ausschließlich zwischen Privaten stattfinden, insbesondere bei zivilgerichtlichen Verfahren, sind bereits heute selten das Ziel der inte­ 10  Vgl.

Kissel / Mayer, GVG, § 169 Rn. 3.

438 Schlussbetrachtung

ressierten Saalöffentlichkeit. Da der Eingriffscharakter des Staates in solchen Fällen weniger einschneidend ist, wäre ein Ausschluss der Saalöffentlichkeit zugunsten der digitalen Öffentlichkeit eine überlegenswerte Option. bb) Verfahren mit staatlicher Partizipation Verfahren, die aufgrund staatlicher Partizipation deutlich weiterreichende Einschnitte in das Leben der Betroffenen haben können, wie Strafverfahren, die grundlegend die Freiheit von Betroffenen beschneiden können, oder Verwaltungsverfahren, die beispielsweise über Asylanträge entscheiden, werden heute weitaus häufiger von der Öffentlichkeit kritisch in Augenschein genommen. In diesen Konstellationen könnte zumindest derzeit noch eine duale Form der Öffentlichkeit bleiben, da auf diesem Wege ein Schutz der Betroffenen notwendiger erscheint als in Zivilverfahren, bei denen das Betreiben und der Fortgang des Verfahrens in den Händen der Parteien liegt. cc) Derzeit nicht öffentliche Verfahren Insbesondere bei Verfahren, bei denen die Saalöffentlichkeit zum (physischen) Schutze von Verfahrensbeteiligten ausgeschlossen ist, oder Verfahren, die in Hochsicherheitssälen stattfinden, um einen Ausbruch der Angeklagten zu verhindern, bietet sich die Ersetzung der (faktisch) nicht vorhandenen Saalöffentlichkeit durch die digitale Öffentlichkeit an. Hierdurch wird erstmalig ermöglicht, dass die Öffentlichkeit auch ihre Funktion in diesen Verfahren erfüllen kann und nicht der Eindruck einer Bestrafung hinter verschlossenen Türen im Rahmen von sicherheitsrechtlichen Verfahren entsteht.11 b) Differenzierung nach Personengruppen Statt bzw. neben einer Beschränkung der Saalöffentlichkeit nach Verfahrensarten käme auch eine Differenzierung nach Personen, die die Saalöffentlichkeit vor Ort wahrnehmen dürfen, in Betracht. Bei einer dahingehenden Beschränkung bedarf es insbesondere der Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG. Nur bei dem Vorliegen 11  Beispielsweise könnte dies in den Verfahren erfolgen, die in Hochsicherheitsgefängnissen stattfinden, um die Ausbruchsgefahr der Angeklagten zu minimieren, http: /  / www.muenchen.de / aktuell / 2016-09 / hochsicherheitsgerichtssaal-jva-stadel heim.html. Der Gerichtssaal wird jedoch derzeit nicht genutzt, vgl. http: /  / www.sued deutsche.de / muenchen / justiz-neuer-hochsicherheitssaal-in-stadelheim-auf-unbe stimmte-zeit-geschlossen-1.3251986.

Schlussbetrachtung439

eines hinreichenden Rechtfertigungsgrundes ist eine entsprechende Differenzierung möglich und der Ausschluss aller weiteren Personengruppen gerechtfertigt. aa) Personen in der Justizsphäre Sowohl Justizangehörige sowie zur Ausbildung zugewiesene Personen wie beispielsweise Referendare und Studierende müssen immer auch das Recht der Anwesenheit im Gerichtssaal besitzen. Dies ist ein wesentlicher Faktor für die entsprechende Ausbildung und relevant für das Erlernen der justiziellen Arbeit. Nur die unmittelbare Anwesenheit ermöglicht einen direkten Diskurs mit dem Ausbilder. Ein örtliches Anwesenheitsrecht ergibt sich auch aus der Wertung, dass beispielsweise Referendare teilweise selbstständig bzw. unter Aufsicht im Rahmen der Rechtspflege tätig werden dürfen, §§ 10, 142 GVG, § 157 ZPO. Aufgrund der bestehenden Verpflichtung zum Geheimnisschutz dürfen die in § 193 GVG genannten in Ausbildung befindlichen Personen bei ansonsten für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen geheimen Beratungen und Abstimmungen ebenfalls teilnehmen. Wer Teil des Gerichts ist, ist zudem nicht Öffentlichkeit, da aufgrund des bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses eine wirksame Kontrolle kaum möglich ist. Personen aus der Sphäre der Justiz müssen mithin auch immer an gerichtlichen Verfahren am Gerichtsort vor Ort Einsicht nehmen können. bb) Angehörige von Verfahrensbeteiligten Fraglich ist, ob eine Ausnahme von einem generellen Ausschluss der Saalöffentlichkeit auch für Personen möglich wäre, die mit den Betroffenen in einer engen familiären Beziehung stehen. Diese Personen aus der Sphäre von Verfahrensbeteiligten, könnten den Betroffenen vor Ort „beistehen“, da Gerichtsverfahren häufig auch für die Angehörigen eine psychische Belastung darstellen. Der Kreis könnte auf solche Personen beschränkt werden, die ein Zeugnisverweigerungsrecht in dem betreffenden Verfahren besitzen. Die Gestattung der Anwesenheit dieser Personen vor Ort würde keine Diskriminierung anderer Personen darstellen. cc) Medienvertreter Darüber hinaus bestünde die Möglichkeit, Medienvertretern den örtlichen Zugang zu Gerichtsverfahren zu gestatten, damit diese sich einen umfassenden Eindruck auch vor Ort von der Verhandlung machen können. Die Medienöffentlichkeit soll nicht durch die digitale Öffentlichkeit beschnitten

440 Schlussbetrachtung

werden. Vor dem Hintergrund der dogmatischen Einordnung der Öffentlichkeitsformen soll die Medienöffentlichkeit gleichberechtigt neben der digitalen Öffentlichkeit bestehen bleiben. Lediglich die Saalöffentlichkeit soll in ihrer heutigen Form in den Hintergrund gedrängt werden, da sie nur eine mangelhafte Transparenz ermöglicht und den bestehenden Öffentlichkeitsfunktionen nicht gerecht wird.

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Stichwortverzeichnis Akteneinsicht  siehe Einsichtsrecht Allgemeines Persönlichkeitsrecht  359, 414 –– von Gerichtspersonen  389 –– von Verfahrensbeteiligten  359 Anonymisierung  272 –– von Bild- und Tonaufnahmen  273, 370 –– von Texten  274, 377, 379, 391 Anonymität  301 Arkantradition  54 Auskunftsrecht  163, 165 Ausschluss der Öffentlichkeit  187 Automatisierung –– der Justiz  248 –– der Rechtsanwendung  238 –– der Vollstreckung  238 Barrierefreiheit  113, 130, 138, 172, 243, 254 Beeinflussung –– des Gerichts  348 –– von Verfahrensbeteiligten  344 –– von Zeugen  345 Berufsfreiheit  384 Big Data-Auswertung  236 Bild- und Tonaufnahme  261, 304 –– Ausfall  289 –– Kameraperspektive  369 –– Live-Streaming  262, 368 –– On-Demand-Streaming  262 –– progressiver Download  262 –– Strafbarkeit  166 –– Streaming  368 –– Verbot von  58

Bild- und Tonübertragung  263, 272, 274, 304, 365, 397 Blockchain-Identität  270 Bürgererwartung  221 Chilling Effects  siehe Einschüchterungseffekte Compliance by Design  234 Computer  226 Datenbanken  235 Datendiebstahl  289 Demokratieprinzip  322 digitale Ausweiskontrolle  325 digitale Datenverarbeitung  227 digitale Divide  221, 284 Digitale Gerichtsöffentlichkeit  295 –– Ausschluss  312 –– Einordnung  297 –– gesetzliche Grundlage  412 –– Parlamentsvorbehalt  305 –– rechtliche Grenzen  321 –– Rechtsgrundlage  301 –– Verhältnis zur Medienöffentlichkeit  298 –– Verhältnis zur Saalöffentlichkeit  298 digitale Infrastruktur  218 Digitale Öffentlichkeit –– Funktionserfüllung  299 digitale Transformation  218, 221 Digitalisierung  218 –– Aktenführung  244 –– der Rechtsanwendung  235 –– Folgenabschätzung  285 –– Gerichtsöffentlichkeit  291, 493 –– Justiz  239 –– mündliche Verhandlung  247

Stichwortverzeichnis483 –– Nutzererwartung  221 –– Öffentlichkeit  285, 321 –– Öffentlichkeitsausschluss  264 –– Rechtsrahmen  230 –– Register  243 –– technische Sicherungsmöglichkeiten  271 –– Texte  264 –– Zutrittskontrolle  265 Digital Rights Management  276 Drittöffentlichkeit  161 Eigentumsfreiheit  383 Einschüchterungseffekte  386 Einsichtsrecht  195, 197, 304 –– für Dritte  94, 163, 164, 413 –– für Medienvertreter  96, 177 –– für Verfahrensbeteiligte  89 –– Urteilsabschrift  164 –– von Dritten  212 elektronische Aktenführung  244 elektronischer Rechtsverkehr  239 EMöGG  61 Europäisches Justizportal  222 Faires Verfahren –– Recht auf Verteidigung  341 –– Unschuldsvermutung  341 –– Verfahrensdurchführbarkeit  344 Fingerprinting-Verfahren  276 Gebot der Staatsferne  400 Geoblocking  268 Geolokalisation  265 Gerechtigkeit  115, 152 Gerichtsentscheidung  164, 199 –– Veröffentlichungspflicht  202 Gerichtsöffentlichkeit  93, 159 –– Adressatenbeschränkung  323 –– Allgemeines Persönlichkeitsrecht  359 –– Altersgrenzen  334 –– anonymer Zugang  333

–– Ausschluss  187, 312 –– Berufsfreiheit  384 –– Bundesgerichte  60 –– Datendiebstahl  289 –– Demokratieprinzip  322 –– Digitale Gerichtsöffentlichkeit  295 –– diskriminierungsfreier Zugang  331 –– Diskriminierungsverbot  324 –– Eigentumsfreiheit  383 –– Folgenabschätzung  285 –– freier Zugang  332 –– gesetzgeberische Gestaltungskompetenz  311 –– Informationsfreiheit  325 –– Inhaltliche Grenze  425 –– internationale Gerichtshöfe  62 –– Internet  252 –– Justizportal  405 –– Kontrolle  311 –– Leistungskontrolle  393 –– Medienöffentlichkeit  174 –– Meinungsfreiheit  385 –– Minderjährige  335 –– örtliche Grenze  422 –– Parteiöffentlichkeit  160 –– partizipative Grenze  424 –– personelle Grenze  421 –– Rechtsstaatsprinzip  340 –– richterliche Unabhängigkeit  158 –– Risiken  285 –– Rundfunkfreiheit  394 –– Saalöffentlichkeit  161 –– Technikausfall  288 –– Techniklösungen  260 –– technische Begrenzung  275 –– Telemedium  402 –– temporäre Grenze  423 –– Unmittelbarkeit  331 –– Verkündungstermin  170

484 Stichwortverzeichnis Gerichtsverfahren –– Aufgaben  152 gesellschaftliche Entwicklung  219 gesetzgeberische Handlungspflicht  223 Gesetzlicher Richter  350 Identifikationsmöglichkeit  379 Identitätskontrolle  345 Informationelle Gleichberechtigung  112, 300 informationelle Selbstbestimmung  363 Informationsfreiheit  325, 413 Informationsgesellschaft  221, 223 Informationszugang  90 Internet  252 –– als Medium  177 –– Barrierefreiheit  254 –– Funktionsweise  252 –– Gestaltungsmöglichkeiten  258 –– Partizipation  255 –– Reichweite  253 –– Verfügbarkeit  254 IP-Adresse  265 IT-Grundrecht  380 IT-Sicherheit  380 IT-Sicherheitskonzept  382 IT-Sicherheitsrisiken  280 Judikative –– Aufgabe  127, 151 –– Kontrolle  311 –– Stellung  126 Jugendschutz  334, 403 Justiz –– demokratische Legitimation  99 –– Kontrolle  104 Justizgrundrechte  350 Justizportal  260, 405 Klarstellungsfunktion  309 Komplexität  233 Konkretisierungsgebot  309 Kontrolle –– Justiz  104

–– Minderjährige  336 –– Öffentlichkeit  102 kritische Infrastruktur  282 Leistungskontrolle  393 Löschfunktion  274 Löschpflichten  418 Massenmedien  174 Medienberichterstattung  28 Medienöffentlichkeit  174 –– Auswahlhoheit  180 –– Funktionserfüllung  184 –– Grenzen, faktische  178 –– Grenzen, rechtliche  183 –– Verhältnis zur Saalöffentlichkeit  186 –– Vorverurteilung  184 Meinungsfreiheit  385 Menschenwürde  352 Neukontextuierung  283 Nutzererwartung  219 Öffentlichkeit –– Adressat  137 –– Akzeptanz  116 –– Begriffsbestimmung  39 –– Demokratieprinzip  76 –– demokratische Legitimation  97 –– digitale Zugänge  257 –– Disziplinierung  120 –– Effizienz  119 –– einfachgesetzliche Regelungen  87 –– Europarecht  69 –– Folgenabschätzung  285 –– Form  49 –– formelle  143 –– Funktionen  96 –– Gestaltungsmöglichkeiten  258 –– Grundrechte  84 –– Historie  51 –– im Gerichtsverfahren  92 –– im Verwaltungsverfahren  88

Stichwortverzeichnis485 –– in der Informationsgesellschaft  255 –– inhaltliche Dimension  134 –– Internet  255 –– Kameraperspektive  271 –– Kontrolle  102, 311 –– materielle  143 –– örtliche Dimension  131 –– partizipative  96 –– partizipative Dimension  133 –– personelle Dimension  130 –– qualitativ  143, 356 –– quantitativ  140, 356 –– Rechtsbegriff  38 –– Rechtsstaatsprinzip  78, 340 –– Risiken  285 –– Sozialstaatsprinzip  82 –– Techniklösungen  260 –– technische Begrenzung  275 –– technischer Ausschluss  264 –– temporäre Dimension  133 –– Transparenz  135 –– Verfassungsrecht  72 –– Verhaltenssteuerung  121 –– Vertrauen  116 –– Völkerrecht  65 –– Zutrittsbeschränkung  265 Öffentlichkeitsbedürfnis  72 –– Allgemeine Justizinformationen  195 –– Anklageschrift  208 –– Beweismittel  208 –– Gerichtsentscheidung  199 –– Informationstypen  194 –– Rechtsnormen  195 –– Sachverständigengutachten  208 –– Schriftsätze von Verfahrensbeteiligten  211 –– Sitzungsprotokoll  199 –– Verfahren ohne mündliche Verhandlung  213 –– Verfahrensabschnitte  191 –– Verfahrensbezogene Informationen  197

Öffentlichkeitsgebot  87 Öffentlichkeitsprinzip  73 Open Data  57, 255 Parlamentsfernsehen  56 Parlamentsvorbehalt  305 Parteiöffentlichkeit  160 Personaleinsparung  228 Persönlichkeitsrecht  290 Privacy by Design  272, 279 Privacy Management  271, 276 Recht am eigenen Bild  361, 364 Recht am eigenen Wort  361, 365 Recht auf gesetzlichen Richter  350 Rechtsprechung –– Aufgaben  151 –– Begriff  155 Rechtsprechungsdatenbanken  61 Rechtsprechungsverwaltung  157 Rechtsstaatsprinzip  340 Richterbild  109 Richterliche Unabhängigkeit  158 Rundfunkfreiheit  394 Saalöffentlichkeit  161 –– Funktionserfüllung  173 –– Grenzen, faktische  169 –– Grenzen, räumliche  171 –– Verhältnis zur Medienöffentlichkeit  186 –– zugängliche Verfahrensinformationen  162 Sachverständigengutachten  208 –– Urheberrecht   209 Schauprozess  352 Schriftsätze von Verfahrensbeteiligten  211 –– Urheberrecht  212 Schutz von Verfahrensbeteiligten  110 Selbstdarstellungsschutz  362 Sitzungspläne  169 Smart Contract  238

486 Stichwortverzeichnis Speicherhöchstfristen  418 staatliche Handlungspflichten  228 staatlicher Technikeinsatz  226 Steuerungskraft des Rechts  234 Streaming  siehe Bild- und Tonaufnahme Technikausfall  288 Technikversagen  280 Technische Risiken  279 technologische Entwicklung  218 Telefon-, E-Mailverzeichnisse  196 Transparenz  135, 300 Übersetzungstool  264 Überwachung  31, 222 Unkenntlichmachung  272 Unschuldsvermutung  341 Verdachtsberichterstattung  185 Verfahrensdauer  22 Verfahrensinformationen  366 –– für Medienvertreter  177 –– staatlich  198

–– von Verfahrensbeteiligten  211 Verhandlungsinformationen –– Weiterverwertung  165 Verhandlungsöffentlichkeit  161 Veröffentlichungspflicht  202, 413 Veröffentlichung von Verfahrensdokumenten  304 Verschlüsselung  275 Videoaufnahme  siehe Bild- und Tonaufnahme Videoverhandlung  247 Videovernehmung  247 Volkssouveränität  322 Vorverurteilung  184, 342 Wahlrechtsgrundsätze  330 Wahrheitsfindung  152 Watermarking-Verfahren  276 Wesentlichkeitstheorie  305 Zutrittsbeschränkung  265, 270 –– adressatenbezogen  269 –– ortsbezogen  265 Zutrittskontrolle  265