Properz: Gedichte: Lateinisch und Deutsch [3., unveränderte Auflage, Reprint 2022]
 9783112619940, 9783112619933

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SCHRIFTEN UND QUELLEN DER ALTEN WELT HERAUSGEGEBEN VOM ZENTRALINSTITUT FÜR ALTE GESCHICHTE UND ARCHÄOLOGIE DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN DER DDR BAND 18

PROPERZ GEDICHTE LATEINISCH UND DEUTSCH VON RUDOLF HELM

3., unveränderte Auflage

AKADEMIE-VERLAG 1983

• BERLIN

Redaktor der Reihe: Günther Christian Hansen Gutachter dieses Bandes: Wilhelm Hartke und Friedrich WolfT Redaktoren dieses Bandes: Erika Behrend und Peter von Kloch-Kornitz

Erschienen im Akademii!-Verlag, DDR-1086 Berlin, Leipziger Straße 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1965 Lizenznummer: 202 • 100/132/83 Gesamtherstellung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", 5820 Bad Langensalza Bestellnummer: 750 769 3 (2066/18) • LSV 7385 Printed in G D R DDR 1 7 , - M

INHALT Vorwort

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Einführung

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Gedichte, lateinisch und deutsch 1. Buch (Cynthia)

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2. Buch

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j . Buch

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4. Buch

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Erläuterungen

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Register

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VORWORT Die Übersetzung des Properz stellt an den Nachdichter besondere Anforderungen. Der etwas pomphafte und eigenwillige Stil, der vielfach mehr andeutet als ausführt, der sich im Gegensatz zu Tibulls behaglicher Schlichtheit durch gesuchte Kürze auszeichnet und so den Zusammenhang der Gedanken oftmals zwingt zu erraten, bedarf schon an sich häufig mehr des Erklärers als des Poeten. Dazu kommt die Fülle mythologischer Anspielungen aus nicht allgemein bekannten Sagen, die dem damit nicht bis aufs äußerste vertrauten Leser Schwierigkeiten bereiten müssen; zu seiner Zeit erhöhte gerade dieser in eine ferne Vorwelt versetzende romantische Zug den Eindruck des „Alexandrinischen" Dichters, dessen Ruhm es war, als „gelehrt" zu erscheinen. Beides, die gedrängte Kürze und die vielen Beziehungen auf antike Mythologie, erschwert dem poetischen Übersetzer seine Arbeit, die doch zugleich verständlich sein und einen dichterischen Ausdruck zeigen soll. So haben hier die erläuternden Anmerkungen einen erhöhten Wert, bei deren Abfassung wie bei der Herstellung des kurzen kritischen Apparats zum lateinischen Text der von der Akademie bestellte Redaktor Dr. von Kloch-Kornitz in dankenswerter Weise das Seine getan hat. Die Hilfe, die bei der Übersetzung durch unermüdliches Mahnen und energisches Betonen möglicher Anstöße oder Mißverständnisse Frau Erika Behrend geleistet hat, kann der Leser nicht ahnen. Aber der Übersetzer fühlt sich verpflichtet, seinen Dank dafür besonders auszusprechen. So wollt' ich, daß diese mit viel Mühe und viel Freude hergestellte Arbeit trotz der Verschiedenheit der Zeiten und der Anschauungen dazu dient, eine Vorstellung von Roms größtem Elegiker zu erwecken. Rudolf Heim

EINFÜHRUNG Sextus Propertius, für den Goethe in der Elegie 'Hermann und Dorothea', dem Vorwort zum gleichnamigen Epos, offen seine Begeisterung bekannte, ist für uns jetzt der bedeutendste Elegiendichter Roms, da uns zum Vergleich nur Tibull und Ovid und einiges von Catull, darunter freilich das erschütternde Gedicht 76, zur Verfügung stehen. Er war jünger als Tibull und älter als Ovid, dem er in Freundschaft verbunden war und vertrauensvoll seine Gedichte vorlas. Die äußeren Umrisse seines Lebens sind schnell gezeichnet. Ein Kind der umbrischen Landschaft, nannte er Assisi seine Heimat, die auf ansteigendem Berge in nebliger Gegend hochgelegene Stadt, die noch heute den Reisenden, weniger um des römischen Dichters willen als wegen des hl. Franziskus, anzieht mit ihrem gewaltigen, burgartig über der Stadt thronenden Kloster S. Francesco., Wie Horaz seiner Heimat mit dem strömenden Aufidus gern gedenkt, so hat auch Properz, als er sich fern in Rom befand, das Bild der Ebene mit dem Clitumnus liebevoll im Herzen behalten. Von dem Gute, das die Familie dort besaß, hat er zur Zeit der Äckerverteilung nach dem Perusinischen Kriege 41/40 v. Chr. mindestens einen beträchtlichen Teil eingebüßt und so das Schicksal Vergils geteilt, der damals von seiner Scholle vertrieben wurde. Der Kampf um Perusia (das heutige Perugia) hat den Knaben frühzeitig in die Nöte des Krieges eingeweiht; ein naher Verwandter von ihm fand damals den Tod auf der Flucht. Als Properz erwachsen war und die Toga virilis angenommen hatte, lehnte er die für die vornehme römische Jugend übliche weitere rhetorische Ausbildung ab; Ehrgeiz auf politischem oder gar auf militärischem Gebiet kannte er nicht. Ähnlich wie Catull, der ja auch aus der Provinz nach Rom gekommen war, führte er offenbar in der Hauptstadt im Kreise gleichgesinnter Freunde, wie Tibull und Ovid, und in vornehmer Gesellschaft ein sehr freies, nur dem Genuß gewidmetes Leben, bei dem er seiner poetischen Neigung folgen konnte. Der Adressat von vier Gedichten des ersten Buches ist Tullus, wahrscheinlich der Neffe des L. Volcatius Tullus, des Konsuls vom Jahre 33. Lycinna, vermutlich die Zofe seiner späteren Geliebten Cynthia, weihte den jungen Properz in die Freuden Amors ein, bis sie nach Verlauf eines Jahres ihrer Herrin den Platz räumte. Diese wurde dann seine Muse, der er in schwärmerischer Begeisterung versicherte: „Cynthia war es zuerst, Cynthia bleibt's bis zuletzt." Ihr eigentlicher Name war Hostia; sie ist das Beispiel einer vornehm wirkenden, hochbegabten, in Gesang und Tanz geübten, zum Dichten befähigten Kurtisane, deren anmutige Unterhaltung, ebenso wie ihre Schönheit, ein empfind-

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sames Gemüt zu fesseln vermochte. Den Namen „Cynthia" gab ihr der'Dichter nach dem Berge Kynthos, der Geburtsstätte Apolls, der ja selbst oft Cjntbius heißt, und folgte damit dem Beispiel Catulls, der seine Geliebte nach der Insel Lesbos „Lesbia" nannte. Und 'Cynthia* hat dann der Dichter das zuerst herausgegebene Buch seiner Elegien genannt. Das Werk erweckte die Aufmerksamkeit des Gaius Cilnius Maecenas, der ein Hort und Schützer jugendlicher aufstrebender und wertvoller Talente war und deshalb in dem Begriff „Mäzen" bis auf den heutigen Tag im Sprachschatz der Nachwelt weiterlebt. Aber gemäß seinem Bestreben, die Politik des Augustus zu unterstützen und den Aufbau des Reiches zu fördern, suchte er den jungen Dichter von der leichtfertigen Jugendschwärmerei zu höheren und ernsteren Zielen zu leiten; er sollte wie Vergil Roms Größe verkünden und sich nationale Stoffe wählen. Properz lehnte das zunächst in höflicher und bescheidener Weise ab, weil die Abfassung eines Epos zur Verherrlichung des Kaisers seine Kräfte übersteigen würde. Er berief sich dabei auf Maecenas' eigenes Beispiel; denn dieser hat sich ja trotz der engen Beziehungen zum Kaiser stets zurückgehalten und auf glänzende Ehrenstellen verzichtet. Es währte lange, bis der Dichter sich entschloß, dem Drängen nachzugeben und eine poetische Führung durch die Stadt Rom zu verfassen, die ihm genügend Gelegenheit geben konnte, vergangener Heldentaten zu gedenken; aber da versagte er und blieb auf halbem Wege stehen, und nur fünf z. T. dürftige Gedichte sind zustande gekommen, so daß er in der Einleitungselegie zum vierten Buch sich selbst über sich und sein vermessenes Beginnen lustig macht, indem er mitten im Schwall der Begeisterung den seinen Überschwang mäßigenden Astrologen einführt. So verfloß also das Leben des jungen Poeten in lockerer Tändelei, in Hoffen und Sehnen, leichtsinnig, bald himmelhoch jauchzend, bald zu Tode betrübt. Die Zeitanspielungen in den Gedichten reichen bis zum Jahre 16 v. Chr. Setzt man die Geburt des Dichters etwa 47 an — sein Freund Ovid ist 43 geboren —, so muß man vermuten, daß er ebenso wie Catull und Tibull frühzeitig gestorben ist; aber bei Tibull und Properz wird man vielleicht nicht das gleiche Bedauern empfinden wie etwa bei Raffael und Mozart, die dasselbe Los eines allzu frühen Todes getroffen hat. Properz jedenfalls hatte sich offenbar ausgeschrieben, und daß er zu Höherem selbst nicht-die Kraft verspürte, bezeugt sein viertes Buch. Bei der Beurteilung der Elegien des Properz darf man nicht etwa Goethes 'Römische Elegien' danebenstellen, bei denen neben aller Sinnlichkeit doch das Empfinden und Gemüt seiner Zeit sich äußert; aus Properz spricht offen das ungebundene Leben zügelloser Jugend, wie es damals in Rom herrschte. Es bleibt nicht bei der einen Liebe, obwohl er so energisch verkündet, daß Cynthia seine erste Liebe sei und seine letzte bleiben werde. Das verhindert schon das Wesen der Geliebten, die es nicht ablehnt, einem vornehmen Beamten in die Provinz zu folgen, und wenn sie dann doch in Rom bleibt, so hegen wir Zweifel, ob es allein wegen der Bitten des Dichters geschehen ist. Er hat Grund, darüber zu klagen, daß ihr Verhältnis gestört ist und sie sich ihm entzieht, und das nicht nur in den Keuschheitsnächten, welche der Isiskult ihr auferlegt. Aber auch er selber scheut sich nicht, wenn Cynthia fern ist, sich auf seine Weise die Zeit zu ver-

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treiben, wie er später geschildert hat. Manche Gedichte beziehen sich auf die Liebschaft eines Freundes; der Erfahrene gibt andern gute Ratschläge, oder er hält einem Spröden vor, was ihn auch noch einmal erwartet, wenn ihn erst die Leidenschaft ergriffen, und er wehrt sich gegen den Spötter. Unserem Gefühle widerstrebt es freilich, wenn er den Zärtlichkeiten eines Freundes beiwohnt und nicht wie der Goethesche Amor in der 'Brautnacht' sich schalkhaft und bescheiden fest die beiden Augen zuhält, sondern im Gegenteil das Liebesspiel der beiden angeregt verfolgt, obgleich ihm vor Müdigkeit die Augen zufallen wollen. Das höchste Glück findet meist keine Worte; so spricht aus den Gedichten weniger Befriedigung als Bangen, unerfülltes Sehnen oder Kummer über erlittene Kränkung. In der Darstellung dieser seelischen Kämpfe, der wiederkehrenden Zweifel, die doch nur zu erneuter Versicherung der eigenen Liebe führen, liegt das Fesselnde dieser Poesie, soweit sie sich auf dem Gebiet des Erotischen bewegt. Nur einzelne Gedichte fallen aus diesem Rahmen heraus und verraten zum Teil den literarischen Einfluß. So nimmt sich am Ende des ersten Buches das Zwiegespräch des todwunden Kriegers mit dem vorübereilenden Wanderer, das sich an die Grabepigramme anlehnt, inmitten der sonstigen Elegien wie ein kleines Juwel aus. Das ist nur ein kurzes Gedicht; umfassend dagegen ist das reizvolle Schmuckstück, das Goethe zu seinem Gedicht 'Der Besuch' angeregt hat, die anmutige Schilderung, wie der Dichter, in später Nacht vom Zechen heimkehrend, die Geliebte im Schlaf überrascht und sich an der Gestalt der Schlummernden wie an etwas Heiligem erfreut, das er sich scheut zu berühren, und wie die Erwachte dann klagend berichtet, mit welcher Sehnsucht sie seiner geharrt hat. Rein rhetorisch ist die Behandlung des Themas, daß wahre Schönheit nicht durch äußere Mittel erhöht wird oder daß Liebe mehr wert ist als alle Schätze der Welt. Literarisch beeinflußt ist auch das Motiv der Tür, die von den Klagen des Liebhabers erzählt, oder wenn der Dichter einen Freund mahnt, seinen schönen Liebling recht vor den Nymphen zu hüten, und dann in hellenistischer Art halb episch, halb lyrisch die Sage von Hylas, dem Geliebten des Herkules, anknüpft. Schließlich zeugen auch Einzelgedanken und -erfindungen von dem Anschluß an ältere Vorgänger, wie die Verwendung der Zauberinnen, die Verwünschung der Seefahrt, die Flucht des Dichters in die Einsamkeit, um dort sein Herzeleid zu klagen. Es ist immerhin ein buntes Bild, das sich vor uns aufrollt, eine Mannigfaltigkeif von Motiven, die in kraftvoller, geschickter Weise, oftmals voller Leidenschaft, gestaltet werden, so daß man es versteht, wenn der auf die literarischen Erscheinungen aufmerksame Maecenas die Begabung des Jünglings daraus erkannte und ihn seines Interesses für wert erachtete. Charakteristisch ist gleich hier im ersten Buch — was Properz besonders von Tibull unterscheidet —, daß er als gelehrter Dichter einen so ausgedehnten Gebrauch von der Mythologie macht. Ariadne, Andromeda, Antiope, Io, Hebe u. a. erscheinen schon hier, und die häufig umschreibende Bezeichnung verrät, daß der Verfasser mit der vollen Kenntnis der Sagen bei seinen Lesern rechnet. Bei dem zweiten Buch zeigt sich die Ablehnung epischer Poesie um so stärker, als ihn Maecenas dazu auffordert; das Anfangs- und Schlußgedicht äußern sie deutlich.

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Er beruft sich am Ende des Buches allein auf die griechischen Vorbilder, Philetas von Kos und Kallimachos von Kyrene, sowie auf die römischen Vorgänger in der erotischen Poesie, ,Varro, Catull, Calvus und Cornelius Gallus; und wenn er dazwischen einmal den Schein erweckt, als wolle er zum Loblied auf Augustus ansetzen, so bricht er doch sofort wieder ab und verschiebt es auf die Zukunft. Als unerreichbarer epischer Dichter erscheint ihm Vergil, den er preist als geeignet wie keiner, das Verlangen nach einem nationalen Epos zu befriedigen. Sonst variiert das zweite Buch die Gedanken des ersten: Lob der Geliebten, die den berühmtesten Schönheiten und Göttinnen gleich oder über sie gestellt wird, Klage über ihre Untreue, Androhung des eigenen Todes, Weigerung, je von seiner Liebe zu lassen, Eifersucht, Versicherung unwandelbarer Treue, auch wieder Bekenntnis zur Treulosigkeit, wie ja auch Cynthia sie zeigt — das wechselt bunt miteinander. Eine Rolle spielt das drohende Ehegesetz des Augustus, das dem lockeren Verhältnis ein Ende machen könnte; und als es dann doch nicht erlassen wird, ruft die Befreiung den Jubel des Beglückten hervor. Idyllische Züge Tibullischer Art tauchen auf, wenn Cynthia aufs Land geht. Rührt dies an unser Herz, so verletzt es uns andererseits, wenn der Dichter sich seiner männlichen Kraft rühmt und als Parallelen Gestalten des Mythos, ja Juppiter selbst heranzieht. Ein neues Thema bietet Cynthias Erkrankung. Das ist aus dem Leben genommen. Nach der Rhetorenschule dagegen schmeckt die deklamatorische Erörterung über die Zwecklosigkeit, nach der Todesstunde zu fragen, auch die Behandlung des geflügelten Amor sowie die durch Beispiele belegte Erörterung, daß langes Leben nur mehr Kummer und mehr betrübende Todesfälle in der Umgebung in sich schließt. An Anregung durch Bilder darf man denken, wenn der Dichter im Traum Cynthia nach einem Schiffbruch ins Meer sinken sieht, wo ein Delphin sie aufnimmt und wie den Sänger Arion ans Land trägt; auch bei der Szene mit den Eroten, die den spät vom Gelage Heimkehrenden abfangen und ins Haus bringen, wo die Liebste umsonst auf ihn gewartet hat. Aber in einer Elegie macht der Dichter doch einen schwachen Versuch, sich zu nationaler Poesie zu erheben, wenn er die Eröffnung der Halle an dem von Augustus erbauten Tempel des Palatinischen Apoll (Oktober 28) feiert, allerdings dies Motiv mit der Liebeslyrik verbindend ; denn die Betrachtung des Tempels dient ihm als Entschuldigung für seine Verspätung bei der Liebsten, doch wohl bei Cynthia. Herausgegeben ist das Buch nach dem Jahre 26 v. Chr., da in diesem Jahr Cornelius Gallus, beim Kaiser in Ungnade gefallen, durch eigene Hand den Tod fand und in der Aufzählung der Erotiker im Schlußgedicht des Buches als nicht mehr lebend erwähnt wird. Im dritten Buch waltet im allgemeinen nicht mehr die Liebe; es lodert nicht mehr die Glut. Der Dichter verteidigt sich und seine erotische Poesie. Er rühmt Amor als Gott des Friedens, und wenn er von dem beabsichtigten Orientzug redet, so will er selber doch fern bleiben und nur bei der Heimkehr die siegreichen Krieger begrüßen. Maecenas* Wunsch, er möge sich der Epik widmen, weist er abermals zurück mit Berufung auf Maecenas selber, der sich bescheiden zurückgehalten und keine glänzende politische Laufbahn erstrebt hat; im übrigen gibt der Hinweis auf die Verschiedenheit menschlicher Begabung die Möglichke it, zu zeigen, wie auch die

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berühmten Künstler sich einseitig beschränkt haben. Von der Liebesdichtung entfernt sich Properz aber, wenn er sich vielmehr deklamatorischem Vortrag zuwendet. Die Macht der Liebe wird an den Frauen der Sage geschildert; dann aber verursacht die Erwähnung der Kleopatra doch einen Blick auf die jüngst vergangenen Ereignisse und den Sieg des Kaisers. Geradezu eine Art philosophisch-moralischer Predigt ist es, wenn die käufliche Liebe auf die Geldgier zurückgeführt und die Treue der indischen Frauen gepriesen wird, die dem Mann in den Tod folgen; der prophetische Ruf, daß Rom an seinem Luxus zugrunde gehen wird, schließt das Gedicht, das mit den Mitteln dieser Gattung reichlich geschmückt ist. Der Preis der spartanischen Sitte, die auch Frauen an den Kampfspielen teilnehmen läßt, streift die Erotik nur leise. Ein Bruch mit der Liebsten fordert zu einer theoretischen Erörterung heraus über Eifersucht und Streit als Triebkraft zur Steigerung der Liebe. Der ihm angeblich gemachte Vorwurf zu großer Leidenschaft läßt ihn seinerseits diese Anklage gegen die Frauen erheben, und wieder müssen die Gestalten der Sage den Beweis für ungebändigte Sinnlichkeit abgeben; die Liebe der Skylla zu ihrem Vater wird dabei in hellenistischer Weise etwas ausgeführt. Gelegenheitsgedichte an Freunde mischen sich in den Kranz dieser Elegien, ob er nun den einen mit seinen Gedanken auf der Expedition-in den Osten begleitet oder den anderen mahnt, endlich wieder in die Heimat zurückzukehren. Auch hier ist Mythologisches reichlich eingemischt, und besonders in dem zweiten Fall verdeckt es fast das sonst so packende und zu Herzen gehende Lob der Schönheiten Italiens. Neu ist in diesem Buch der scherzhafte Ton, der in dem Gedicht auf seine verlorenen Schreibtafeln zutage tritt, auf denen nun vielleicht irgendein Geizhals seine nüchternen Rechnungen einträgt, während sie vorher zur Mitteilung von Zärtlichkeiten dienten. Aber auch Trauergedichte finden sich hier. Dem Jüngling, der auf einer Handelsreise in Seenot geraten und in den Wellen umgekommen ist, wird ein Nachruf gewidmet mit Verwünschung der Schiffahrt und Klagen über die Gewinnsucht der Menschen, und wenn der Dichter mit der Versicherung schließt, daß er selber dem Meere immer fern bleiben und als Liebender sterben will, so ist die Verknüpfung mit der Liebespoesie nur sehr äußerlich. Von größerer Bedeutung aber ist das Trostgedicht, das bei dem frühen Tode des jungen Marcellus, des kaiserlichen Neffen, entstanden ist als ein Zeugnis der Teilnahme an dem öffentlichen Leid; da wird die Vergänglichkeit alles Irdischen betont und durch mythologische Beispiele belegt. Die Liebeslyrik ist also in diesem Buch verhältnismäßig selten vertreten. Properz ist älter geworden und über sich hinausgewachsen. Was sich etwa Vergleichbares mit den früheren Büchern findet, trägt doch fast durchweg einen andern Charakter. So das Zwiegespräch mit dem Sklaven Lygdamus, der in einem Streit des Dichters mit seiner Liebsten als Bote zu dienen hat, oder wenn der Wunsch, im Wein den Liebeskummer zu ertränken, zu einem Hymnus auf Bacchus führt, oder der Betrübte die Reise sich ausmalt, die er unternehmen will, um zu vergessen. Aber er sucht auch Trost zu finden, indem er ein neues Verhältnis anknüpft. In einem Geburtstagsgedicht verfolgt er den Verlauf des Tages bei der Geliebten, wer dies nun auch sein mag. Sicher auf Cynthia zu deuten sind nur wenige Gedichte. Ein Vorwurf, den der

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Dichter wegen seiner ersten Beziehung zu Lycinna erfahren hat, weckt bei ihm die Erinnerung an Dirke und Antiope, deren Sage in Alexan drinischer Art erzählt wird. Und die Aufforderung der Geliebten, sie sofort in Tibur zu besuchen, löst eine Schilderung der Gefahren aus, welche er des Nachts laufen könnte, und die Bestimmung seiner Grabstätte für den Fall, daß ihn unterwegs der Tod ereilen sollte. A n den Schluß des Buches aber, in welchem Cynthias Bild schon ziemlich verblaßt ist, tritt die entschiedene Absage an diese Frau, die ihn fünf Jahre an ihrem Narrenseil gezogen hat und nie daran dachte, ihm die Treue zu wahren. Die Abfassungszeit des Buches ist bestimmt durch den Tod des Marcellus im Jahre 23 und die Tatsache, daß die Rückgabe der von den Parthern bei Karrhai erbeuteten römischen Feldzeichen noch nicht erfolgt ist, was im Jahre 20 auf diplomatischem Wege erreicht wurde. Die zu Beginn des dritten Buches ausgesprochene Absicht, bei der Liebeslyrik zu bleiben, ist also nur sehr mangelhaft durchgeführt. U m so weniger werden wir uns wundern über den vollständig anderen Geist, der im vierten Buch herrscht. Zunächst erinnert sich der Dichter der dringenden Aufforderung, sich nationaler Epik zu widmen; in der Form einer Führung durch Rom sollte das Ziel erreicht werden. Zustande gekommen sind nur fünf Gedichte dieser A r t : die Erklärung der Statue des alten Gottes Vertumnus, die dieser selbst gibt, die an den Tarpejischen Felsen sich knüpfende Sage von der in den Feind verliebten und zur Verräterin gewordenen Tarpeia, die Gründung der Ära maxima auf dem Rindermarkt durch Herkules mit der Deutung des Verbots für die Frauen, sich dort zu nahen, der Kult des Juppiter Feretrius, den Augustus wiederhergestellt hatte, und schließlich der Bau des Apollotempels auf dem Palatin auf Grund des mit der Hilfe des Gottes gewonnenen Sieges bei Aktium. In all diesen Gedichten verrät sich der Einfluß hellenistischer Poesie in der mehr oder weniger breit ausgeführten Erzählung. Aber des Dichters Neigung zu dieser Gattung war schnell erloschen — die Elegie auf den Juppiter Feretrius ist schon recht dürftig und nüchtern —, und so schrieb er das scherzhafte Einleitungsgedicht oder bog ein ursprünglich anders gedachtes durch eine scherzhafte Fortsetzung um; denn mitten in der pathetischen Ankündigung des hochgesteckten Zieles unterbricht der plötzlich erscheinende Astrolog seine Begeisterung und weist den Dichter auf Liebeselegien zurück. Was übrig bleibt, ist noch eine schwache Erinnerung an Cynthia, die nur zwei Gedichte betreffen. Humorvoll ist die Szene, da der Dichter die Abwesenheit der Liebsten, die nach Lanuvium zu dem mit seinen Bräuchen eingehend geschilderten Heiligtum gefahren ist, zu einem Gelage mit zwei lockeren Dirnen benutzt, aber von der unerwartet Zurückgekehrten überrascht wird und nun ein schweres Strafgericht über sich ergehen lassen muß. Ein Gedicht auf Cynthias T o d weist ebenfalls in die Vergangenheit und ruft sie im Herzen des Dichters zurück; die Verstorbene beklagt sich, daß man sie vergiftet habe, schuldigt ihre Dienerschaft an und empfiehlt der Fürsorge und Pflege diejenigen, die ihr immer treu gedient haben. Wie nah das Gedicht trotz allem unserem Empfinden steht, beweist am besten die Tatsache, daß Goethe für seine Elegie 'Euphrosyne' daraus Anregung gewonnen und das Motiv des Wiedererscheinens der jugendlich Dahingegangenen entlehnt hat; schon die Ver-

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wertung mythologischer Personen, wie Penelope, Euadne, Antigone, Polyxena, in dem einen Gedicht verrät deutlich den Leser des Properz. Eines der Gedichte dieses Buches verdankt seine Entstehung rein literarischem Einfluß, es ist die Unterweisung einer Kupplerin an die Mädchen; da tritt eine Komödienfigur auf, deren Wirken nur äußerlich mit den Erlebnissen und Leiden des Dichters in Verbindung gebracht wird. Ganz anders sind die beiden Elegien, die sich zu höchster Poesie erheben. Es ist zunächst die sehnsuchtsvolle Klage einer zurückgebliebenen Gattin, die den nun schon durch soviel Feldzüge von ihr getrennten Mann mit allen Fasern ihres Herzens zurückruft und des Tages harrt, da sie ihn am Tore jubelnd begrüßen kann; ein tiefes, ungekünsteltes Gefühl klingt aus den Versen, so daß hier Herz zum Herzen spricht. Properz hat der Schreiberin dieses Briefes an den fernen Geliebten den mythologischen Namen Arethusa und damit Ovid einen Fingerzeig für seine Heroidenbriefe gegeben. Ebenso wie dies Gedicht ist der Nachruf geartet, welcher der Cornelia gewidmet ist, der Stieftochter des Augustus, die ihm Scribonia, seine zweite Gemahlin, mit in die Ehe gebracht hatte; es ist zugleich ein Trost für den hinterbliebenen Gatten Paulus. Vor dem Totenrichter gibt die Verstorbene Rechenschaft über ihr Leben, und liebevoll, in Treue und Selbstlosigkeit, mütterlich spricht sie dabei; und daß der Dichter nicht immer die einmal angenommene Situation der Rede in der Unterwelt festgehalten hat, wird man ihm gern verzeihen; zu menschlich und herzlich spricht er ja zu uns durch die Gestalt, die er geschaffen hat. Diese Elegie bleibt ein ehrendes Beispiel antiker Poesie neben all dem Lockeren und Schlüpfrigen, das sonst den Inhalt römischer Gedichte, auch der des Properz, bildet. Nicht mit Unrecht hat man sie als „regina elegiarum" bezeichnet. Die Erwähnung des Konsulats ihres Bruders in der Rede der Cornelia verweist uns auf das Jahr 16 v. Chr. Danach also ist das Buch abgeschlossen, und damit hat die Dichtung des Properz ihr Ende gefunden. Die Elegien sind sorgfältig geordnet; Zusammengehöriges ist beieinander geblieben, Ähnliches getrennt. Am deutlichsten äußert sich das im vierten Buch, in welchem die nationalen Gedichte von andern unterbrochen werden, obwohl dadurch das in die Mitte gestellte mit dem Preis des Augustus und der Verherrlichung des Apollotempels auf dem Palatin unmittelbar neben den Hetärenkatechismus geraten ist. Gerade diese ätiologischen Elegien verraten die Entwicklung des Dichters. Vom Urerlebnis schreitet er mehr und mehr zum literarischen vor; man kann auch sagen, vom Jüngling wird er zum Mann. Gewiß wirken imCynthiabuch die Äußerungen heißen Empfindens, das in dem jungen Herzen nach dem ein Jahr lang währenden Harren auf Erfüllung der Sehnsucht lodert, und Kraft und Leidenschaft wird man zugestehen; die sanfte Schwärmerei Tibulls ist Properz fremd, aber auch die schlichte, natürliche Ausdrucksweise der Liebe und Verzweiflung, wie sie sich in den kleinen Gedichten Catulls äußert. Und der Schmerz über die Untreue der Angebeteten wirkt bei Properz nicht so tief und ergreifend wie etwa in dem Catullischen Gedicht mit dem Schluß: „Ach, ich wünsch' ja nicht mehr, sie solle noch wieder mich lieben oder, was nicht sein kann, sittsam zu sein sich bemühn, wollt' nur, ich wäre gesund und ledig des schrecklichen Leides, Götter gewährt mir nur diesl War ich doch allezeit fromm!"

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Was bei Catull Natur, bei Tibull träumerisch ist, wirkt bei Properz durch die Einmischung der Mythologie leicht gelehrt; und diese Mythologie wirkt ermüdend, weil es so häufig dieselben Beispiele sind, die zur Belebung des Gedichtes dienen sollen. Goethe ist doch nur einmal in seinen 'Elegien' so verfahren, daß er Venus und Anchises, Luna und Endymion, Hero und Leander, Rhea Silvia und Mars hintereinander anführt, geschickt die Sagen andeutend und, da er in Rom weilte, mit dem Preise Roms, der „Fürstin der Welt", endend. Auf alle Fälle rechnet Properz mit einem gelehrten Publikum, das die Andeutungen sofort versteht. Selbst wo eine gewisse Ausführlichkeit scheinbar in der Darstellung der Sage sich zeigt, ist doch in der Weise Alexandrinischer Dichtung nicht etwa geradlinig vorgegangen, sondern der Leser muß Zusammenhänge ergänzen. Es war ja auch die Kenntnis mythologischer Gestalten und Erzählungen durch zahlreiche Skulpturen und Bilder in Rom der Allgemeinheit nahegebracht und vertraut geworden. A m deutlichsten verrät sich die eigenwillige Art der Darstellung in der Erzählung der Geschichte der Tarpeia, wo es sich ja nicht um einen Einschub in ein Stimmungsbild handelt, sondern um den Bericht der Ereignisse selber. Daß der Dichter nicht ohne Humor ist, erkennen wir, sobald nicht die Leidenschaft allein den Inhalt der Elegie bildet. Am besten bezeugt dies die Szene mit dem Astrologen zu Beginn des vierten Buches; der spaßige, aufgeblasene Schwätzer mit seiner Großtuerei ist durchaus eine komische Figur. Und ein Bild aus dem Lustspiel bietet auch das nächtliche Bacchanal, das der Dichter angeblich in Abwesenheit der Cynthia, um sich über ihr Fernsein zu trösten, veranstaltet hat und bei dem er so unsanft von der Zurückgekehrten überrascht wird. Auch der Kummer über die verlorenen Schreibtafeln, die nun wohl ein Geizhals für seine Konten benutzt, entbehrt nicht des Schalkhaften. Die Verwendung mythologischer Namen im komischen Sinn fällt zwar bei Properz nicht so auf wie etwa bei Horaz; doch wenn er seinen Freund Postumus mit Versen in den Krieg entläßt, so wird dieser ihm zum zweiten Odysseus; immerhin wird der heitere Ton dann wieder verwischt durch die zum Selbstzweck werdende Aufzählung der Irrfahrten des alten Helden und das Lob der zurückbleibenden Gattin, das durchaus in ernstem Ton gehalten ist. Es fehlt in den Elegien auch nicht ganz an stimmungsvollem Eingehen auf die Landschaft, obwohl sie nicht mit der Innigkeit betrachtet ist, die wir bei Tibull finden. Anschaulich schildert der Dichter die Gegend, in der er geboren, wenn er Assisi uns malt, wie es aus der Tiefe emporsteigt; in der Ebene das nebeldurchwogte Tal, die schönen Fluten des Clitumnus, der Hain und die schneeweißen Rinder. Begeistert preist er Italien, und wenn er den Freund am Ufer des Tiber ruhend sich vorstellt, so sieht er das Laub dort und auf dem Flusse die Schiffe vorübergleiten. Er flüchtet auch in die Einsamkeit, um dort sein Leid zu klagen, wo die Vögel ihn hören und Wald und Fels den Ruf „Cynthia" widerhallen. Liebevoll zeichnet er den Platz, an welchem die Nymphen weilen, und wenn Cynthia aufs Land geht, so tritt das Treiben dort lebendig vor seine Augen. Ganz romantisch aber ersehnt er sich die Ruhestätte fern vom Getriebe des weltstädtischen Verkehrs unter Bäumen oder selbst in abgelegenem Lande. Das sind idyllische Züge.

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Manchmal berührt sich seine Elegie auch mit den Stoffen der Satire. So wird über die Verzierung der Wände mit unzüchtigen Bildern geklagt, die schon die Jugend verderben. Der Verkehr mit einer Dame der Halbwelt und der mit einer einfachen Dirne wird gegeneinander abgewogen. Die Sinnlichkeit der Frauen bildet das Thema eines Gedichtes, oder der Dichter stellt die Habsucht an den Pranger, weil sie zum Kriege führt. Rom wird als Lehrmeisterin des Luxus getadelt und das Gold verwünscht als Anlaß zu einem unruhigen und lasterhaften Leben. Das Bild der Cynthia schließlich, die auf der Via Appia dahinfährt, selbst den Wagen kutschierend, den Ponys mit gestutzten Mähnen ziehen, während neben ihr ein weichlicher Geck als Galan sitzt, der seine Lieblingshunde mit Halsschmuck bei sich hat, läßt uns völlig an die Straßenskizzen Juvenals in der ersten Satire denken. Es ist seltsam, daß aus all dem Menschlichen, allzu Menschlichen, all der jugendlichen Leichtfertigkeit und dem Sumpf römischen Treibens sich gerade das Schlußgedicht der Sammlung so licht und glanzvoll erhebt; da tritt uns ein vorbildliches römisches Familienleben vor Augen, wie es edler und schöner nicht gedacht werden kann. Die Zeichnung der sorgenden Hausfrau, der liebevollen Mutter, der treuen, uneigennützigen Gattin steht in scharfem Gegensatz zu dem, was die vielen Gedichte voller Leichtsinn uns bieten, und ergänzt die Darstellung der in fraulicher Liebe sehnsüchtig den Gemahl erwartenden Gattin, die der Arethusabrief uns vorführt. Es ist gewiß kein Zufall, daß dieser „Abschied der Cornelia" an den Schluß der Sammlung gestellt ist; er zeigt den Dichter auf der Höhe seines Schaffens. Von dort konnte er zu den manchmal etwas frivolen Dichtungen seiner Jugend schwerlich den Weg zurückfinden; und zu nationaler Dichtung, zum Epos, wie Maecenas es von ihm wünschte, fühlte er sich nicht geschaffen. Man möchte vermuten, daß ein zeitiger Tod ihm einen längeren inneren Kampf zwischen Wollen und Vollbringen, zwischen dem, was er konnte, und dem, was man von ihm erwartete, erspart hat. Selbst seine Leidenschaft scheint erdrückt zu werden durch die hellenistischen Vorbilder, denen er nacheiferte und die ihn zu gehäufter Verwendung mythologischer Beispiele veranlaßten, aber auch zu einer gewissen Sprunghaftigkeit der Gedankenführung. Diese äußert sich aber nicht nur in erzählenden Abschnitten, sondern entspringt auch in rein lyrischen Gedichten der Aufwallung der Gefühle und schafft hier und da eine brüchige Satzform: gesuchte Kürze, poetische Kunstmittel, volkstümliche Wendungen —, alles steht nebeneinander und zeugt von der Eigenwilligkeit einer ausgeprägten Persönlichkeit. So ist die Ausdrucksweise schwer und gezwungen gegenüber der leicht dahinfließenden Sprache Tibulls. Auch der Versbau ist härter als der gefällig wogende Strom Tibullischer Lyrik, und Ovids Wort: „Was ich zu sagen versucht, wurde von selber zum Vers" wird man auf Properz nur sehr bedingt anwenden können. Doch hat er sicherlich am meisten dazu beigetragen, daß das .elegische Versmaß, die Verbindung des daktylischen Hexameters mit dem sogenannten Pentameter im Zweizeiler, auch bei uns gebräuchlich wurde. Ursprünglich wohl für Klagelieder bestimmt, wurde es dann zum Ausdruck mannigfacher Empfindungen benutzt, ob es nun galt, politisch zu wirken, ob zum Kampf anzuspornen, ob Liebesschmerz und Sehnsucht, ja auch Widerwillen und Haß zu äußern; auch für Auf 2

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Schriften, seien sie ernst, seien sie scherzhaft und bissig, bot das Distichon mit seiner pointierten Gegenüberstellung der beiden Verse oder der Vershälften im Pentameter eine geeignete Form. So hat ja nicht nur Goethe in seinen 'Elegien' für die Liebeslyrik und Schiller in dem 'Spaziergang' für die Gedankenlyrik das elegische Distichon gewählt, sondern beide haben auch in den 'Xenien', Martials Spuren folgend, Satire und Kritik in diesem Versmaß ausgedrückt. In dem Gedicht 'Hermann und Dorothea' konnte Goethe darum sagen: „Also das wäre Verbrechen, daß einst Properz mich begeistert, daß Martial sich zu mir auch, der Verwegne, gesellt?" Das Cynthiabuch, das Properz, fast noch ein Knabe, verfaßt hat, verschaffte ihm Ruhm und hat ihm das Nachleben gesichert. Die Liste der Stellen bei späteren Dichtern, die seinen Sprachschatz benutzt haben und Anklänge an ihn aufweisen, ist beträchtlich. Am Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts konnte Quintilian noch sagen, daß manche den Properz dem Tibull vorziehen, und in derselben Zeit etwa führt Martial ihn unter den Geschenken an, die man den Gästen mitgab. Allmählich aber erlischt dann das Interesse an ihm, und die Benutzung seiner Verse ebbt ab, und im Mittelalter ist er ebenso wie Catull und Tibull so gut wie verschollen. Der älteste Zeuge für seine Verse ist uns heute die Neapeler Handschrift (12. Jh.), die, wohl in der Gegend von Metz geschrieben, vermutlich von Poggio während des Konstanzer Konzils entdeckt und nach Italien gebracht wurde, um dann später auf Umwegen in die Bibliothek von Wolfenbüttel zu gelangen. Fehlerfrei ist sie nicht, hat auch im letzten Gedicht eine Lücke, aber andrerseits ist sie auch von Humanistenkonjekturen verschont. Die anderen Handschriften gehören dem 14. oder 15. Jahrhundert an. Ihre Gesamtzahl beträgt mehr als hundert. Die erste Ausgabe erschien 1472 in Venedig. Nach mannigfachen, besonders auch durch Scaliger veranlaßten Irrungen hat Karl Lachmann zuerst den Grund zu einer kritischen Ausgabe gelegt (Berlin 1816). In Deutschland sind die letzten Textausgaben die von C. Hosius (3. Aufl. Leipzig 1931) und die von Schuster-Dornseiff (Leipzig 1958), die beide eher zu konservativ als zu frei gestaltet sind. Das gleiche gilt für die erklärende Ausgabe von Max Rothstein (2. Aufl. Berlin 1924), die aber für die Aufhellung des Verständnisses durchaus wertvoll ist. In England erschien die gleichfalls kommentierte Ausgabe der beiden Gelehrten H. E . Butler und E . A . Barber (Oxford 1933); von E . A . Barber ist dann Properz noch einmal in der Clarendon Press (Oxford 1953) herausgegeben worden. Die große erklärende Ausgabe von P. J . Enk in Holland ist in Leiden 1946/62 erschienen. Übersetzt hat den Properz K . L. von Knebel (Leipzig 1798), an dessen Übertragung Goethe den lebhaftesten Anteil nahm, dann außer andern auch Joh. H. Voß (Braunschweig 1830).

Einführung

ABKÜRZUNGEN N N2 CD

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[...]

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Neapolitanus, 12. Jahrhundert Korrektor im Codex N alle Handschriften oder die besten (einschließlich N) jüngere Handschriften Humanistenhandschriften Ergänzung Tilgung

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SEX. PROPERTII ELEGI ARVM LIBER PRIMUS (MONOBIBLOS) 1

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Cynthia prima suis miserum me cepit ocellis contactum nullis ante cupidinibus. tum mihi constantis deiecit lumina fastus, et caput inpositis pressit Amor pedibus, donee me docuit castas odisse puellas inprobus et nullo vivere Consilio, et mihi iam toto furor hic non deficit anno cum tamen adversos cogor habere deos. Milanion nullos fugiendo, Tulle, labores saevitiam durae contudit Iasidos. nam modo Partheniis amens errabat in antris, ibat et hirsutas ille videre feras ; ille etiam Hylaei percussus vulnere rami saucius Arcadiis rupibus ingemuit. ergo velocem potuit domuisse puellam: tantum in amore preces et benefacta valent. in me tardus Amor non ullas cogitat artes, nec meminit notas, ut prius, ire vias. at vos, deductae quibus est fallacia lunae et labor in magicis sacra piare focis, en agedum dominae mentem convertite nostrae et facite illa meo palleat ore magis ! tunc ego crediderim vobis et sidera et amnes posse Cytaeines ducere carminibus. aut vos, qui sero lapsum revocatis, amici, quaerite non sani pectoris auxilia. fortiter et ferrum saevos patiemur et ignes, sit modo libertas, quae velit ira, loqui.

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PROPERZ GEDICHTE ERSTES BUCH (CYNTHIA) i. Unglückliche Liebe Cynthia war es zuerst, die mich Ärmsten mit Blicken gefangen; Hatte mich doch noch nie früher die Liebe berührt. Da hat mich Amor gezwungen, die Augen in Demut zu senken, Die so verachtend geschaut, setzte den Fuß mir aufs Haupt, Bis er mich schließlich gelehrt, die züchtigen Mädchen zu hassen, Daß ich so ganz ohne Ziel lebe, der grausame Gott. Und nun verläßt schon ein Jahr mich nie die Glut dieser Liebe, Da ich zu dulden verdammt, daß mir die Götter nur feind. Tullus, Milanion zwang doch der grausamen Iasostochter Fühlloses Herz, da er selbst keinerlei Mühe gescheut; Irrte er doch, wie von Sinnen, bald auf des Parthenion Schroffen, Ging auch, dem wilden Getier mutig ins Auge zu schaun, Ja, er seufzte um sie, selbst wund auf Arkadiens Felsen, Als Hylaios ihn dort schwer mit dem Aste verletzt. Also vermochte er doch die hurtige Maid zu bezwingen; Ach, in der Liebe vermag Flehen und Güte so viel. Nur bei mir, da will Amor nicht irgendwie Schliche erfinden, Denkt nicht dran, Wege zu gehn, wie man sie sonst bei ihm kennt. Nun, so wandelt denn ihr, die ihr listig den Mond selbst herabzieht, Die ihr auf magischem Herd Opfer zum Zauber vollbringt, Ja, so wandelt denn ihr den Sinn meiner Herrin zum Guten, Macht,' daß sie blasser noch wird, als es mein eigen Gesicht! Dann will ich Glauben euch schenken, daß ihr die Gestirne und Flüsse Mit eurem Kolchischen Sang wirklich zu leiten vermögt. Oder auch ihr, die zu spät den Gestürzten vom Abgrund ihr fortruft, Freunde, nach Mitteln nun sucht für mein erkranktes Gemüt! Tapfer will ich den Stahl und das grimmige Feuer ertragen, Steht mir zu sagen nur frei, was die Entrüstung gebeut.

I. Buch

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ferte per extremas gentes et ferte per undas, qua non ulla meum femina norit iter: vos remanete, quibus facili deus annuii aure, sitis et in tuto semper amore pares! in me nostra Venus noctes exercet amaras, et nullo vacuus tempore defit Amor. » hoc, moneo, vitate malum: sua quemque moretur cura, neque assueto mutet amore locum, quodsi quis monitis tardas adverterit aures, heu referet quanto verba dolore mea! jo

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Quid iuvat ornato procedere, vita, capillo, et tenues Coa veste movere sinus, aut quid Orontea crines perfundere murra, teque peregrinis vendere muneribus, naturaeque decus mercato perdere cultu, nec sinere in propriis membra nitere bonis? crede mihi, non ulla tuae est medicina figurae: nudus Amor formae non amat artificem. aspice, quos summittat humus formosa colores, ut veniant hederae sponte sua melius, surgat et in solis formosius arbutus antris, et sciat indociles currere lympha vias. litora nativis persuadent pietà lapillis, et volucres nulla dulcius arte canunt. non sic Leucippis succendit Castora Phoebe, Pollucem cultu non Hilaira soror, non, Idae et cupido quondam discordia Phoebo, Eueni patriis filia litoribus, nec Phrygium falso traxit candore maritum avecta externis Hippodamia rotis: sed facies aderat nullis obnoxia gemmis, qualis Apelleis est color in tabulis. non illis Studium vulgo conquirere amantes : illis ampia satis forma pudicitia. non ego nunc vereor, ne sis tibi vilior istis : uni si qua placet, eulta puella sat est; et a>

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2. Elegie

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Schafft mich zu fernsten Völkern und schafft mich über die Wasser, Wo auch kein einziges Weib je meine Wege erfährt! Ihr jedoch bleibt daheim, denen Amor Erhörung jetzt zuwinkt, Sicher der Liebe, so bleibt immer ein glückliches Paar I Aber für mich hat Venus in bitteren Nächten nur Qualen; Amor verläßt mich nie, doch er befriedigt mich nicht, j; Meidet, ich mahn' euch, mein trauriges Los, und bleibe ein jeder Bei seinem Lieb; was er sein nannte, vertausche er nicht! Sollt' aber einer zu spät erst Gehör leihn dem, was ich sage, O wie weh wird's ihm tun, ruft er mein Wort sich zurück.

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2. Kein Putz Was erfreut's dich, mein Lieb, daß du wandelst mit Schmuck in den Haaren, Daß sich der Busen dir fein fältelt am Koischen Kleid, Daß du die Locken begießt mit Myrrhenparfüm vom Orontes Und dich mit Waren empfiehlst, welche die Fremde uns schickt, Deine natürliche Zier mit erkünsteltem Putz nur vernichtest Und deine Glieder nicht mehr strahlen läßt, schön wie sie sind? Glaub, für deine Gestalt braucht's nicht eines Mittels, das nachhilft; Amor, der nackt ist, er liebt nicht, daß man künstlich sich schmückt. Schau, wie die Erde so schön die buntesten Farben hervorbringt! Efeu entwickelt sich auch trefflicher, kommt er von selbst; Schöner erhebt sich der Erdbeerbaum an einsamer Grotte, Findet auch seinen Weg, lenkt man ihn nicht erst, der Bach. Mit natürlichen Steinchen geschmückt, lockt bunt das Gestade. Vögel singen so süß, ob man sie gleich es nicht lehrt. Nicht hat die Tochter Leukipps so Kastor gewonnen, die Phoebe, Noch Hilaira, die ihr Schwester war, Pollux durch Schmuck, Auch nicht Euenos' Kind, das am Strande des Vaters zum Kampfpreis Einst für den Idas ward und den verliebten Apoll. Hippodameia hat nicht den Phrygischen Gatten durch Schminke An sich gelockt, als vom Heim fremdes Gefährt sie entführt; Nicht war's. Schuld der Juwelen, allein ihr Angesicht reizte, Zart, wie die Farbe im Bild, das ein Apelles gemalt. Alle bemühten sich nicht, nach Liebenden rings erst zu suchen; Schon ihre Keuschheit allein war für sie reichliche Zier. Und nun fürchte ich nicht, du erscheinst dir schlechter als jene; Reizend genug ist die Maid, wenn sie nur einem gefällt.

i. Buch

cum tibi praesertim Phoebus sua carmina donet Aoniamque libens Calliopea lyram, unica nec desit iucundis gratia verbis, omnia quaeque Venus quaeque Minerva probat. his tu semper eris nostrae gratissima vitae, taedia dum miserae sint tibi luxuriae.

3 Qualis Thesea iacuit cedente carina languida desertis Gnosia litoribus, qualis et accubuit primo Cepheia somno libera iam duris cotibus Andromede, nec minus assiduis Edonis fessa choreis qualis in herboso concidit Apidano: t^lis visa mihi mollem spirare quietem Cynthia non certis nixa caput manibus, ebria cum multo traherem vestigia Baccho et quaterent sera nocte facem pueri. hanc ego, nondum etiam sensus deperditus omnes, molliter inpresso conor adire toro, et quamvis duplici correptum ardore iuberent hac Amor hac Liber, durus uterque deus, subiecto leviter positam temtpare lacerto, osculaque admota sumere et arma manu, non tamen ausus eram dominae turbare quietem expertae metuens iurgia saevitiae; sed sic intentis haerebam fixus ocellis, Argus ut ignotis cornibus Inachidos. et modo solvebam nostra de fronte corollas ponebamque tuis, Cynthia, temporibus, et modo gaudebam lapsos formare capillos, nunc furtiva cavis poma dabam manibus, omniaque ingrato largibar munera somno, munera de prono saepe voluta sinu. et quotiens raro duxti suspiria motu, obstupui vano credulus auspicio, ne qua tibi insolitos portarent visa timores, neve quis invitam cogeret esse suam: donec diversas praecurrens luna fenestras, luna moraturis sedula luminibus,

3. Elegie

Schenkt dir doch Phoebus dazu noch die Kunst seines Sangs, und die Leier Gibt Kalliope dir gern zum Aonischen Lied. Und deine freundliche Rede beweist eine einzige Anmut, Alles, was Venus, und auch, was der Minerva gefällt. All dies läßt dich allein mir immer lieblich erscheinen; Nur sei der elende Prunk stets deiner Seele verhaßt. 3. Nächtliche Überraschung

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Wie am verlassenen Strand still ruhte das Mädchen aus Knossos, Während des Theseus Schiff schon in die Ferne entschwand, Wie des Kepheus Tochter, Andromeda, frei schon, sich streckte, Als sie auf hartem Gestein eben der Schlummer umfing, Wie die Edonerin auch, ermüdet vom dauernden Tanze, Niedergesunken im Kraut, das am Apidanos sprießt, So schien Cynthia mir die sanfteste Ruhe zu atmen, Wie sie da lag, das Haupt stützend auf schwankender Hand, Als ich nach reichlichem Wein nur trunken den Fuß zu ihr schleppte Unter der Fackeln Geleit; war's doch schon spät in der Nacht. Ihr versuch' ich zu nahn, nicht völlig beraubt meiner Sinne, Um auf dem Polster mich dort leise zu betten bei ihr. Hier trieb mich Amor, dort Bacchus, sie beide sehr herrische Götter, Der ich von doppelter Glut tief in dem Innern gepackt, Ihr untern Nacken den Arm zu schieben und sie zu berühren, Küsse zu rauben und so selbst mich zu rüsten zum Kampf, Dennoch wagte ich nicht, den Schlaf meiner Liebsten zu stören; Hatt ich doch Angst vor dem Groll, der mir bekannt, wenn sie zankt. Aber ich hielt mich starr, die Augen gespannt, so wie Argos Inachos' Tochter beschaut, als sie die Hörner bekam. Und bald löste ich da von meiner Stirne die Kränze, Und um die Schläfe darauf tat ich sie, Cynthia, dir. Bald erfreute ich mich, die gefallenen Locken zu ordnen, Gab bald Äpfel dir sacht in die geöffnete Hand, Was ich auch tat, ich gewährt' es dem Schlaf, der mir es nicht dankte; Oftmals glitt, was ich gab, ihr von dem hängenden Kleid. Und sooft du einmal mit tiefem Seufzer dicht rührtest, Ward ich bestürzt, und ich Tor glaubte, daß Böses dir droht, Daß vielleicht irgendein Traum dir besondere Sorge bereitet, Jemand, obwohl du dich sträubst, ihm zu gehören, dich zwingt, Bis gegenüber am Fenscer der Mond im Wandern vorbeizog — Ach der eilende Mond! Gern wär' sein Licht noch verweilt —

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i . Buch

compositos levibus radiis patefecit ocellos. sic ait in molli fixa toro cubitum: 3j .Tandem te nostro referens iniuria lecto alterius clausis expulit e foribus ? namque ubi longa meae consumpsti tempora noctis languidus exactis, ei mihi, sideribus? 0 utinam tales perducas, inprobe, noctes, 40 me miseram quales semper habere iubes! nam modo purpureo fallebam stamine somnum, rursus et Orpheae carmine fessa lyrae; interdum leviter mecum deserta querebar externo longas saepe in amore moras: 4j dum me iocundis lapsam Sopor inpulit alis. ilia fuit lacrimis ultima cura meis.'

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Quid mihi tam multas laudando, Basse, puellas mutatum domina cogis abire mea? quid me non pateris, vitae quodcumque sequetur, hoc magis assueto ducere servitio ? tu licet Antiopae formam Nycteidos et tu Spartanae referas laudibus Hermionae et quascumque tulit formosi corporis aetas, Cynthia non illas nomen habere sinat: nedum, si levibus fuerit collata figuris, inferior duro iudice turpis eat haec sed forma mei pars est extrema furoris; sunt maiora, quibus, Basse, perire iuvat: ingenuus color et multis decus artibus et quae gaudia sub tacita dicere veste libet. quo magis et nostros contendis solvere amores, hoc magis accepta fallit uterque fide, non inpune feres: seiet haec insana puella, et tibi non tacitis vocibus hostis erit, nec tibi me post haec committet Cynthia nec te quaeret; erit tanti criminis ilia memor, et te circum omnes alias irata puellas differet: heu nullo limine carus eris!

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4- Elegie

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Und die geschlossenen Augen mit sanften Strahlen dir auftrat. Wejch auf das Polster den Arm lehnend, begann sie darauf: ,Tat es die andre dir an, verwies dich und schloß dir die Türe, D a ß du nun endlich zurück findest ans Lager zu mir ? W o nur warst du die Stunden der Nacht, die mir nur gehörte, Schlaff bist du jetzt für mich; ach, und die Sterne vergehn! Müßtest auch du solche Nächte, du Böser, jemals erleben, W i e ich Ärmste sie hier immer erdulde durch dichl Denn bald mußte den Schlaf mir das Weben mit Purpur verscheuchen, Bald, wenn ich dessen dann müd', Orphischer Leier Gesang, Manchmal klagt' ich auch leise bei mir, daß Liebschaft mit andern Dich so oft und so lang' fesselt und fern von mir hält, Bis mich mit holdem Fittich der Schlummer berührt und ich umsank. Das hat in Tränen mir dann endlich die Hilfe gebracht.'

4. Abgewiesene Freundesmabnung Warum preist du mir, Bassus, der Mädchen so viele und drängst mich, Daß ich veränderten Sinns nun meine Liebste verlass' ? Warum läßt du mich nicht, was immer mir bleibt noch vom Leben, Lieber verbringen im Dienst, den ich ja doch schon gewohnt? Preise der Nykteustochter Antiope Schönheit und Reize, Preise du auch im Lied Spartas Hermione hoch, Alle die Schönheiten selbst, die je die Vorzeit geschaffen, V o r meiner Cynthia kann nimmer ihr Ruhm noch bestehn, Gar nicht zu denken, sie stände, mit leichten Mädchen verglichen, Jemals als häßlich zurück, wäre der Richter auch streng. D o c h ist ihr Äußeres nur ein winziges Stück meiner Liebe; Bassus, Größeres gibt's, das mich mit Wonne berauscht: Ihre natürliche Farbe, in zahlreichen Künsten die Anmut Und was man gerne sich sagt unter dem schweigenden Tuch. J a , je mehr du dich mühst, unsre Liebe zu lösen, du irrst dich, U m so höher nur gilt uns das empfangene Wort. Straflos kommst du nicht fort, voll Zorn wird mein Mädchen es hören, Wird dann nicht nur geheim, nein, auch in Reden dir feind; Und sie läßt mich mit dir hinfort nicht verkehren und fragt nicht Länger nach dir, sie behält solch eine Kränkung im Sinn, Bringt bei allen den Mädchen dich rings erbost ins Gerede; Ach, und dann gibt es kein Haus, wo man hinfort dich noch mag;

i. Buch

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nullas illa suis contemnet fletibus aras, et quicumque sacer, qualis ubique, lapis. 2j non ullo gravius temptatur Cynthia damno, quam sibi cum rapto cessat amore decus, praecipue nostri, maneat sic semper, adoro, nec quicquam ex illa, quod querar, inveniam!

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30 26 decus Kraffert 5 , 9 votis N 2

Invide, tu tandem voces compesce molestas et sine nos cursu, quo sumus, ire pares ! quid tibi vis, insane ? meos sentire furores ? infelix, properas ultima nosse mala, et miser ignotos vestigia ferre per ignes, et bibere e tota toxica Thessalia. non est illa vagis similis collata puellis : molliter irasci non solet illa tibi. quodsi forte tuis non est contraria votis, at tibi curarum milia quanta dabit! non tibi iam somnos, non illa relinquet ocellos: illa feros animis alligat una viros. ah, mea contemptus quotiens ad limina curres, cum tibi singultu fortia verba cadent, et tremulus maestis orietur fletibus horror, et timor informem ducet in ore notam, et quaecumque voles, fugient tibi verba querenti, nec poteris, qui sis aut ubi, nosse miser! tum grave servitium nostrae cogere puellae discere et exclusum quid sit abire domum; nec iam pallorem totiens mirabere nostrum, aut cur sim toto corpore nullus ego. nec tibi nobilitas poterit succurrere amanti: nescit Amor priscis cedere imaginibus. quodsi parva tuae dederis vestigia culpae, quam cito de tanto nomine rumor eris ! non ego tum potero solacia ferre roganti, cum mihi nulla mei sit medicina mali, sed pariter miseri socio cogemur amore alter in alterius mutua Aere sinu. deus OJ nostris co

5. Elegie

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Und einen jeden Altar wird sie mit Tränen benetzen Und jeden heiligen Stein, sei er auch wie oder wo. Denn kein schwereres Leid kann Cynthia jemals betreffen, Als daß ihr Reiz sie verläßt, weil man die Liebschaft ihr nahm, Grade mit mir. Nein, möge, so fleh' ich, es immer so bleiben, Daß ich nie einen Grund finde, zu klagen um sie.

5. Der Nebenbuhler Neider du, halt doch endlich nun ein mit dem lästigen Reden! Laß uns den Weg, den wir gehn, ruhig doch schreiten vereint I Tor, was begehrst du für dich ? Mein glühend Verlangen zu fühlen ? Mein Leid möchtest du gern, Elender, spüren an dir, Denkst durch Gluten, wie du sie nicht kennst, du Ärmster, zu wandern, Was nur Thessalien birgt, in dich zu schlürfen an Gift? Nein, sie ist ja nicht ähnlich, verglichen mit streifenden Mädchen, Und wenn jemand sie reizt, ist ihre Rache nicht sanft. Ist sie jedoch deinen Wünschen vielleicht auch nicht völlig entgegen, Ach, wieviel tausenderlei Sorgen verschafft sie dir dann! Sie wird dir nicht mehr den Schlaf, nicht frei zu blicken dir lassen; Männer selbst herrischen Sinns, sie allein fesselt ihr Herz. O wie oft wirst du noch verschmäht meiner Schwelle dich nahen, Während beim Schluchzen dir dann trotzige Worte vergehen Und unter bitteren Tränen ein zitternder Schauer dich ankommt Und die Angst dich entstellt und im Gesichte sich prägt, Und, ob du klagen auch möchtest, die Worte dir alle versagen Und du Ärmster nicht weißt, wer oder wo du noch bist, Dann wirst du lernen, wie schwer es drückt, meinem Mädchen zu dienen, Und was es heißt, verschmäht wieder nach Hause zu gehn. Nicht mehr so oft wirst du dann ob meiner Blässe dich wundern Und warum ich am Leib gänzlich zu nichts schon geschrumpft. Auch dein Adel wird dir bei dieser Liebe nichts nützen; Ahnen aus uralter Zeit scheuchen den Amor nicht fort. Zeigst du'jedoch die winzigste Spur, daß du treulos, wie eilig Kommt dein Name, so stolz, dann ins Gerede des Volks! Dann kann ich, und bittest du gleich, keinen Trost dir gewähren; Hab' ich doch keine Arznei selbst für mein eigenes Leid. Und so werden wir beide in gleicher Liebe dann weinen, Wechselweis' einer dabei stets an des anderen Brust.

i. tìuch quare, quid possit mea Cynthia, desine, Galle, quaerere: non inpune ilia rogata venit.

6 Non ego nunc Hadriae vereor mare noscere tecum, Tulle, neque Aegaeo ducere vela salo, cum quo Ripaeos possim conscendere montes ulteriusque domos vadere Memnonias. sed me complexae remorantur verba puellae mutatoque graves saepe colore preces. ilia mihi totis argutat noctibus ignes et queritur nullos esse relicta deos; ilia meam mihi iam se denegat, ilia minatur, quae solet irato tristis amica viro, his ego non horam possum durare querelis: ah pereat, si quis lentus amare potest! an mihi sit tanti doctas cognoscere Athenas atqùe Asiae veteres cernere divitias, ut mihi deducta faciat convicia puppi Cynthia et insanis ora notet manibus, osculaque opposito dicat sibi debita vento et nihil infido durius esse viro ? tu patrui meritas conare anteire secures, et vetera oblitis iura refer sociis : nam tua non aetas umquam cessavit amori, semper at armatae cura fuit patriae; et tibi non umquam nostros puer iste labores adferat et lacrimis omnia nota meis ! me sine, quem semper voluit fortuna iacere, hanc animam extremae reddere nequitiae. multi longinquo periere in amore libenter, in quorum numero me quoque terra tegat. non ego sum laudi, non natus idoneus armis: hanc me militiam fata subire volunt. at tu seu mollis qua tendit Ionia seu qua Lydia Pactoli tingit arata liquor, seu pedibus terras seu pontum carpere remis ibis et accepti pars eris imperii: tum tibi si qua mei veniet non inmemor hora, vivere me duro sidere certus eris.

6. Elegie

Darum erforsche nicht länger, was meiner Cynthia möglich, Gallus! Denn nicht ohne Qual geht's, wenn man ruft und sie kommt.

6. Ablehnung einer Reise Tullus, nicht scheu ich mit dir der Hadria Meer zu erleben Noch auch zu segeln mit dir auf der Ägäischen See, Könnt' ich mit dir ja doch die Rhipäischen Berge ersteigen Und auch weiter noch ziehn als bis in Memnons Gebiet. Aber mich hindert mein Lieb, den Arm um mich schlingend, mit Reden Und mit heftigem Flehn, wechselt die Farbe dabei, Und sie schwatzt mir die Nächte hindurch von der feurigen Liebe, Und, verlass' ich sie, gibt's, klagt sie, die Götter nicht mehr. Ja, sie behauptet schon jetzt, sie sei nicht mehr mein, und sie droht mir Wie nur ein Lieb, das betrübt, weil sie im Zwist mit dem Mann. Und bei Klagen der Art kann ich's keine Stunde ertragen. Fort mit jedem, der liebt und doch gelassen sein kann! Oder lohnt sich's für mich, das weise Athen zu besuchen Oder den alten Prunk Asiens etwa zu schaun, Daß mir, verläßt das Schiff den Hafen, Cynthia Flüche Nachruft und ihr Gesicht wild mit den Händen entstellt Und dem brausenden Wind von den Küssen klagt, die ich schulde, Daß es nichts Schlimmeres gibt als einen treulosen Mann? Du übertriff das Verdienst, das dein Ohm im Amt sich errungen, Gib das frühere Recht, das sie vergaß, der Provinz; Denn deine Jugend hat nie für Liebe die Zeit sich genommen, Stets auf der Heimat Wehr nur ihre Sorge gestellt, Und so möge dir nie der grausame Knabe die Mühen Bringen und alles, was ich nur unter Tränen erfuhr. Laß mich — es will ja Fortuna, ich soll in der Tiefe stets bleiben — So bis zum letzten Hauch in meiner Nichtigkeit sein. Viele ja haben sich schon verzehrt in endloser Liebe, Zähle man ihnen mich zu, wenn mich die Erde einst deckt, Denn ich bin nicht für Ruhm, bin nicht für die Waffen geschaffen, Dies ist allein nur mein Dienst, den mir das Schicksal befiehlt. Du aber, ob du nun weilst, wo Ionien üppig sich ausdehnt Oder die Lydische Flur Naß des Paktolos benetzt, Ob du die Länder zu Fuß, das Meer mit den Rudern durchziehn wirst Und ein gewichtiger Teil bist von dem Amt, das euch ward, — Kommt dir jemals die Stunde, in der du meiner gedenkst, Sei versichert, ich leb' hier unter bösem Gestirn.

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I. Buch

7 D u m tibi Cadmeae dicuntur, Pontice, Thebae armaque fraternae tristia militiae, atque, ita sim felix, primo coatendis Homero (sint modo fata tuis mollia carminibus): nos, ut consuemus, nostros agitamus amores atque aliquid duram quaerimus in dominam; nec tantum ingenio, quantum servire dolori cogor et aetatis tempora dura queri. hic mihi conteritur vitae modus, haec mea fama est, hinc cupio nomen carminis ire mei. me laudent doctae solum placuisse puellae, Pontice, et iniustas saepe tulisse minas; me légat assidue post haec neglectus amator, et prosint illi cognito nostra mala! te quoque si certo puer hic concusserit arcu (quod nolim nostros te violasse deos), longe castra tibi, longe miser agmina septem flebis in aeterno surda iacere situ; et frustra cupies mollem componere versum, nec tibi subiciet carmina serus Amor, tum me non humilem mirabere saepe poetam, tune ego Romanis praeferar ingeniis; nec poterunt iuvenes nostro reticere sepulcro : ,Ardoris nostri magne poeta, iaces.' tu cave nostra tuo contemnas carmina fastu: saepe venit magno fenore tardus Amor.

8 Tune igitur demens, nec te mea cura moratur? an tibi sum gelida vilior Illyria, et tibi iam tanti, quicumque est, iste videtur, ut sine me vento quolibet ire velis ? tune audire potes vesani murmura ponti fortis, et in dura nave iacere potes ? tu pedibus teneris positas fulcire pruinas, tu potes insolitas, Cynthia, ferre nives? o utinam hibernae duplicentur tempora brumae, et sit iners tardis navita Vergiliis,

7 . - 8 . Elegie

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7. Gegensatz %um epischen Dichter

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Während, Ponticus, du vom kadmeischen Theben jetzt kündest Und von dem Waffengang traurigen Brudergefechts Und es — ich schwöre darauf — mit dem Meister Homer sogar aufnimmst, Wenn nur ein gnädig Geschick deinem Gesänge geneigt, Da bin ich, wie gewöhnlich, in meiner Liebe befangen, Such' in das steinerne Herz meiner Geliebten den Weg. Leider dien* ich dabei dem Kummer mehr als dem Geiste; Stets muß ich klagen, wie hart zeit meines Lebens mein Los. Das ist der Weg, den ich wandle, mein Name ist darauf gegründet; Daher, wünsch' ich mir, soll Ruhm meinen Liedern erstehn. Loben die Mädchen mich nur, die gescheit, daß ich ihnen gefallen, Und daß ich, Ponticus, oft Kränkung geduldig ertrug, Lese mich ständig hinfort, wen seine Geliebte mißachtet; Daß er Trost daraus schöpft, wenn er mein Leiden vernimmt. Du auch, trifft dich der Knabe mit sicherem Pfeile, du Ärmster, — Hättest du, wollt' ich, doch achl nie meine Götter gekränkt 1 — Weinst dann, daß fern dir das Lager und fern die Scharen der Sieben Lautlos für ewige Zeit in der Vergessenheit ruhn. Und dann suchst du umsonst auch zärtliche Verse zu dichten, Amor, der säumig erscheint, hilft dir zu keinem Gedicht. Oftmals bestaunst du mich dann als keinen so niedrigen Dichter; Allen den Köpfen in Rom ziehst du dann sicher mich vor. Und es muß auch die Jugend an meinem Grabe es sagen: ,Sänger einst unserer Glut, Trefflicher, ruhst du nun hier!' Also mißachte du nicht voll Hochmut unsere Lieder! Oft kommt Amor erst spät, holt es mit Zinsen dann nach.

8. Abschied Bist du also verblendet, und sorgst du um mich dich jetzt nimmer ? Bin ich dir weniger wert als das Illyrische Eis ? Und wer immer es ist, kann der Mensch so viel schon dir gelten, Daß du, welch Wind nun auch weht, reisen jetzt willst ohne mich? 5 Du hast den Mut, das Brausen des tobenden Meeres zu hören ? Und auf dem harten Schiff bringst du es fertig zu ruhn ? Du kannst mit zartem Fuß den frostigen Boden betreten, Du gar ertragen den Schnee, Cynthia, den du nicht kennst? Ach ich wollte, die Zeit des Winters gäbe es doppelt 10 Und der Schiffer säß' still, weil die Plejaden gesäumt,

Helm-Properz

i.Buch nec tibi Tyrrhena solvatur funis harena, neve inimica meas elevet aura preces! atque ego non videam tales subsidere ventos, cum tibi provectas auferet unda rates, ij ut me defìxum vacua patiatur in ora crudelem infesta saepe vocare manu! sed quocumque modo de me, periura, mereris, sit Galatea tuae non aliena viae: ut te, felici praevecta Ceraunia remo, 20 accipiat placidis Oricos aequoribus. nam me non ullae poterunt corrumpere, de te quin ego, vita, tuo limine verba querar; nec me deficiet nautas rogitare citatos : 'Dicite, quo portu clausa puella mea est?' ij et dicam: 'Licet Atraciis considat in oris et licet Hylleis, illa futura mea est'.

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ut Hemsterbuys

Hic erat, hic iurata manet: rumpantur iniqui! vicimus: assiduas non tulit illa preces, falsa licet cupidus deponat gaudia livor: destitit ire novas Cynthia nostra vias. illi carus ego et per me carissima Roma dicitur, et sine me dulcia regna negat. illa vel angusto mecum requiescere lecto et quocumque modo maluit esse mea, quam sibi dotatae regnum vetus Hippodamiae et quas Elis opes ante pararat equis, quamvis magna daret, quamvis maiora datufus, non tamen illa meos fugit avara sinus. hanc ego non auro, non Indis flectere conchis, sed potui blandi carminis obsequio. sunt igitur Musae, neque amanti tardus Apollo, quis ego fretus amo : Cynthia rara mea est ! nunc mihi summa licet contingere sidera plantrs sive dies seu nox venerit, illa mea est! nec mihi rivalis certos subducit amores: ista meam norit gloria canitiem. et to

2 2 limine ?

8 a , 27 Beginn einer neuen Elegie: Lips

lumine co

8. Elegie

Und man löste für dich am Tyrrhenischen Meer nicht die Taue Und die feindliche Luft trüge mein Flehn nicht davon 1 Müßte ich doch nicht erleben, daß sich die Stürme jetzt legen Und dann die Welle zur Fahrt dich mit der Flotte entführt Und ich am einsamen Strand wie gebannt der herzlosen Liebsten Lange noch nachrufen darf, drohend erhoben die Handl — Doch was immer du auch, Meineidige, um mich verdientest, Sei Galatea dir nicht feindlich gesinnt auf der Fahrt, Daß am Keraunischen Fels das Ruder dich glücklich vorbeiführt Und in ruhiger Flut Orikos dann dich empfängt. Mich wird ja keine Verlocken, so daß ich um dich, du mein Leben, An deiner Schwelle nicht mehr traurige Klagen erhob'. Und nie werde ich müd', mir Schiffer zur Frage zu holen: .Welcher Hafen, o sagt, hält meine Liebste jetzt fest ?' Und dann sag ich: ,Ob nun an Atrakischer Küste sie weile, O b an Hylleischer auch, immer doch bleibt sie mein Lieb!'

8a. Wandlung der

'Liebsten

Nein, hier war sie, hier bleibt siel Sie schwur's. Nun berstet, ihr Feinde! Mein ist der Sieg, sie ertrug nicht mehr das dauernde Flehn. Mag nun der gierige Neid enttäuscht auf die Freuden verzichten; Denn meine Cynthia denkt jetzt an die Reise nicht mehr. Nein, ich bin ihr noch lieb, und um mich heißt Rom ihr das Liebste, Und sie schwört, ohne mich sei ihr kein Königreich recht, Und sie wählte, mit mir auf kärglichem Lager zu ruhen Und, wie immer es sei, lieber die Meine zu sein, Als selbst ein Reich zu besitzen, wie Hippodameia es erbte, Und was an Schätzen sich einst Elis durch Rosse gewann. Ob er auch Großes ihr bot und Größres zu bieten entschlossen, Nicht trieb häßlicher Geiz aus meinen Armen sie fort. Nicht vermocht' ich mit Gold ihren Sinn noch mit Indischen Perlen Neu zu gewinnen, sie folgt nur meinem schmeichelnden Lied. Also die Musen nur sind es, Apoll ist dem Liebenden Helfer; Ihnen vertraut mein Herz, Cynthias Reiz ist nun mein. Und so darf mein Fuß hoch über den Sternen jetzt wandeln; Ob nun der Tag erscheint oder die Nacht, — sie ist mein. Kein Rivale wird je die sichere Liebe mir rauben, Und noch mit greisem Haar rühm' ich mich dessen dereinst.

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i. Buch

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Dicebam tibi venturos, irrisor, amores, nec tibi perpetuo libera verba fore: ecce iaces supplexque venis ad iura puellae, et tibi nunc quaevis imperat empta modo, non me Chaoniae vincant in amore columbae dicere, quos iuvenes quaeque puella domet. me dolor et lacrimae merito fecere peritum: atque utinam posito dicar amore radis! quid tibi nunc misero prodest grave dicere carmen aut Amphioniae moenia Aere lyrae? plus in amore valet Mimnermi versus Homero: carmina mansuetus lenia quaerit Amor, i quaeso et tristis istos compone libellos, et cane, quod quaevis nosse puella velit! quid si non esset facilis tibi copia? nunc tu insanus medio flumine quaeris aquam. necdum etiam palles vero nec tangeris igni: haec est venturi prima favilla mali, tum magis Armenias cupies accedere tigres et magis infernae vincula nosse rotae, quam pueri totiens arcum sentire medullis et nihil iratae posse negare tuae". nullus Amor cuiquam faciles ita praebuit alas, ut non alterna presserit ille manu. nec te decipiat, quod sit satis illa parata: acrius ille subit, Pontice, si qua tua est; quippe ubi non liceat vacuos seducere ocellos, nec vigilare alio nomine cedat Amor, qui non ante patet, donec manus attigit ossa: quisquis es, assiduas ah fuge blanditias! illis et silices et possint cedere quercus, nedum tu possis, spiritus iste levis. quare, si pudor est quam primum errata fatere: dicere, quo pereas, saepe in amore levat.

2 9 malus de la Matilde

9- Elegie

9. Der verliebte Freund Sagt' ich dir doch, du Spötter, es wird dir die Liebe noch kommen, Und erklärte, auch du redest nicht ewig so frei. Demütig liegst du nun da, und das Mädchen übt seine Rechte; Sie, die du eben gekauft, heischt von dir jetzt, was sie will. Nicht die Chaonischen Tauben verkünden bei Liebschaften besser, Welcher Jüngling es ist, den jedes Mädchen beherrscht. Denn mir gaben natürlich das Leid und die Tränen Erfahrung — Wär' ich von Liebe doch frei, hieße ein Neuling nur noch I Ärmster, was nützt es dir jetzt, verfaßt du nur ernste Gesänge, Weinst um Amphions Wall, den seine Laute erschuf? Höher doch steht als Homer in der Liebe der Vers des Mimnermos; Amor ist sanft und verlangt auch nur ein friedliches Lied. Nun, so geh denn und pack die traurigen Bücher zusammen, Singe, was jegliche Maid immer zu hören sich wünscht! Schlimm wohl wär' es, wenn dir die Möglichkeit fehlte! So aber Bist du ja toll, in des Stroms Mitte nach Wasser zu schaun. Aber noch bist du nicht bleich, noch packt dich nicht wahrhaftes Feuer; Dies ist der Funke ja nur kommenden Herzeleids erst. Dann wirst du lieber es wünschen, Armenischen Tigern zu nahen, Lieber im Hades das Rad jenes Gefesselten schaun, Als den Bogen des Knaben so oft im Mark zu verspüren, Daß du dem zornigen Lieb gar nichts zu weigern vermagst. Keinem hat Amor je so gefällig die Schwingen geboten, Daß ihn im Wechsel die Hand nicht mit dem Pfeile verletzt. Laß dich nicht täuschen, wenn's heißt, daß sie gern in alles sich füge! Ponticus, ist eine dein, dringt er noch tiefer ins Herz. Darfst du doch nicht mehr frei die Augen zur Seite noch wenden; Auch läßt Amor nicht zu, wachst du aus anderem Grund. Ja, man merkt von ihm nichts, bis sein Pfeil auf den Knochen gelangte, Hüte sich, wer es auch sei, kost eine ständig mit ihm! Dem können Felsen sogar und Eichen selber sich fügen Und vor allem auch du bei dem empfindsamen Sinn. Darum, hast du noch Scham, so gesteh nur rasch die Verirrung! Sagen, um wen man sich quält, hilft in der Liebe gar oft.

I. Buch

10 O iucunda quies, primo cum testis amori adfueram vestris conscius in lacrimisi o noctem meminisse mihi iocunda voluptas, o quotiens votis ilia vocanda meis, cum te complexa morientem, Galle, puella vidimus et longa ducere verba mora ! quamvis labentes premerei mihi somnus ocellos et mediis caelo Luna ruberet equis, non tamen a vestro potui secedere lusu: tantus in alternis vocibus ardor erat. sed quoniam non es veritus concredere nobis, accipe commissae munera laetitiae. non solum vestros didici reticere dolores: est quiddam in nobis maius, amice, fide, possum ego diversos iterum coniungere amantes et dominae tardas possum aperire fores, et possum alterius curas sanare recentis, nec levis in verbis est medicina meis. Cynthia me docuit, semper quaecumque petenda quaeque cavenda forent: non nihil egit Amor, tu cave ne tristi cupias pugnare puellae, neve superba loqui neve tacere diu, neu, si quid petiit, ingrata fronte negaris, neu tibi pro vano verba benigna cadant. irritata venit, quando contemnitur ilia, nec meminit iustas ponere laesa minas: at quo sis humilis magis et subiectus amori, hoc magis effectu saepe fruare bono, is poterit felix una remanere puella, qui numquam vacuo pectore liber erit. 11 Gcquid te mediis cessantem, Cynthia, Bais, qua iacet Herculeis semita litoribus, et modo Thesproti mirantem subdita regno proxima Misenis aequora nobilibus,

io.—Ii. Elegie

10. Verhaltungsmaßregeln O du selige Nacht, da ich bei Beginn eurer Liebe Als ein Zeuge bewußt euere Tränen erlebt 1 O du selige Lust, mich jener Nacht zu erinnern, Wert, daß ich sie, o wie oft! rufe mit Wünschen zurück, Als ich, Gallus, dich sah, im Arme des Mädchens vergehend, Wie du in Pausen allein stöhnend nur sagtest ein Wort. Schloß mir auch schon der Schlaf die müde gewordenen Augen, Stand auf der Mitte des Wegs rötlich auch Lunas Gespann, Könnt' ich mich doch von eurem Spiel der Liebe nicht wenden; War ja so groß die Glut, spracht ihr im Wechsel ein Wort. Hast du mir so ohne Scheu erlaubt, eure Lust zu erleben, Nimm auch die Gabe nun an für das Vertraun bei dem Glück. Hab' ich doch nicht nur gelernt, von Liebesschmerzen zu schweigen, Etwas Größeres noch kenn' ich als Treue, mein Freund: Liebende, die sich entzweit, ich kann sie wieder vereinen, Kann der Geliebten Tür öffnen, die etwa sich schloß, Kann auch, ergreift den einen ein neuer Kummer, ihn heilen, Und nicht geringe Arznei liegt in den Worten von mir. Cynthia hat mich gelehrt, was man jedesmal dürfe verlangen, Was zu vermeiden gescheit; Amor hat manches erreicht. Hüte dich ja, mit dem Mädchen zu streiten, wenn trüb seine Laune, Rede nicht gar zu stolz, hüll dich in Schweigen nicht lang' I Fordert sie etwas, so sage nicht nein mit finsterer Stirne; Spricht sie ein freundliches Wort, gelt' es dir niemals für nichts! Immer ja ist sie gereizt, wenn man sie irgend mißachtet, Und den berechtigten Groll gibt die Gekränkte nicht auf. Doch je bescheidner du tust, je unterwürfiger Amor, Um so mehr hast du dann oft den gewünschten Erfolg. Der nur vermag es ja, dauernd mit einer glücklich zu leben, Wer sein Herz hinfort anderer Liebe verschließt.

11. Gruß an die Liebste nach Baiae Da du, Cynthia, jetzt schon mitten in Baiae zu Hause, Wo des Herkules Weg sich am Gestade erstreckt, Und die Fluten bestaunst, die nah dem berühmten Misenum Und zu Füßen des Reichs, welches Thesprotos besaß,

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i . Buch

j nostri cura subit memores, ah, ducere noctes? ecquis in extremo restat amore locus ? an te nescio quis simulatis ignibus hostis sustulit e nostris, Cynthia, carminibus ? atque utinam mage te, remis confisa minutis, io parvula Lucrina cumba moretur aqua, aut teneat clausam tenui Teuthrantis in unda, alternae facilis cedere lympha manu, quam vacet alterius blandos audire susurros molliter in tacito litore compositam, u ut solet amoto labi custode puella perfida, communes nec meminisse deos; non quia perspecta non es mihi cognita fama, sed quod in hac hostis parte timetur Amor, ignosces igitur, si quid tibi triste libelli 20 attulerint nostri: culpa timoris erit. an mihi nunc maior carae custodia matris aut sine te vitae cura sit ulla meae? tu mihi sola domus, tu, Cynthia, sola parentes, omnia tu nostrae tempora laetitiae. 25 seu tristis veniam seu contra laetus amicis, quicquid ero, dicam: 'Cynthia causa fuit.' tu modo quam primum corruptas desere Baias: multis ista dabant litora discidium, litora, quae fuerant castis inimica puellis. 30 ah, pereant Baiae, crimen Amoris, aquae!

12 Q u i d mihi desidiae non cessas fingere crimen, quod faciat nobis, Pontice, Roma moram? tam multa illa meo divisa est milia lecto, quantum Hypanis Veneto dissidet Eridano, s nec mihi consuetos amplexu nutrit amores Cynthia, nec nostra dulcis in aure sonat. olim gratus eram: non ilio tempore cuiquam contigit, ut simili posset amare fide, invidiae fuimus. nunc me deus obruit? an quae 10 lecta Prometheis dividit herba iugis ? 5 ah ducere Scaliger

adducere co

1 8 hostis He/m

omnis co

dabunt

4 1 seducet Birt

me ducet