Preußen - Deutschland und Rußland: vom 18. bis zum 20. Jahrhundert [1 ed.] 9783428472499, 9783428072491

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Preußen - Deutschland und Rußland: vom 18. bis zum 20. Jahrhundert [1 ed.]
 9783428472499, 9783428072491

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PREUSSEN - DEUTSCHLAND UND RUSSLAND

ABHANDLUNGEN DES GÖTTINGER ARBEITSKREISES Herausgegeben vom Göttinger Arbeitskreis BAND 9

Preußen - Deutschland und Rußland vom 18. bis zum 20. Jahrhundert

Mit Beiträgen von Winfried Baumgart, Uwe Liszkowski, Werner Markert und Richard Nürnberger

Duncker & Humblot . Berlin

Die in dieser Reihe verötTentlichten Beiträge geben ausschließlich die Ansichten der Verfasser wieder.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Preussen - Deutschland und Russland: / vom 18. bis zum 20. Jahrhundert / mit Beitr. von Winfried Baumgart ... - Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Abhandlungen des Göttinger Arbeitskreises ; Bd. 9) (Veröffentlichung / Göttinger Arbeitskreis ; Nr. 440) ISBN 3-428-07249-9 NE: Baumgart, Winfried; Göttinger Arbeitskreis: Abhandlungen des Göttinger ... ; Göttinger Arbeitskreis: Veröffentlichung

Der Göttinger Arbeitskreis: Veröffentlichung Nr. 440 Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0720-6844 ISBN 3-428-07249-9

INHALT Zur Einführung Von Prof. Dr. Richard Nürnberger, GöUingen ...................................

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Friedrich der Große als Staatsmann Von Prof. Dr. Richard Nürnberger, Göuingen ...................................

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Preußisch-russische Verhandlungen um einen europäischen Sicherheitspakt im Zeichen der Heiligen Allianz Von Prof. Dr. Werner Markert ..............................................................

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Die russische Deutschlandpolitik nach dem Krimkrieg bis zum Abschluß des Zweibundes mit Frankreich im Spannungsfeld von innenpolitischer Modernisierung und imperialem Machtanspruch Von Dr. Uwe Liszkowski, Kiel...............................................................

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Rußland in der Politik Bismarcks Von Prof. Dr. Richard Nürnberger, Göttingen ...................................

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Deutsch-russische Beziehungen 1890-1914/18 Von Prof. Dr. Winfried Baumgart, Mainz............................................

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ZUR EINFÜHRUNG Von Richard Nürnberger Den Abhandlungen dieses Bandes liegen Vorträge zugrunde, die auf der Jahrestagung des Göttinger Arbeitskreises im April 1987 gehalten worden sind. Es sind Beiträge (eines ursprünglich weiter geplanten Programms) zur Geschichte des Verhältnisses Preußen/Deutschlands zu Rußland vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts war der europäische "Osten" im Kampf zwischen Schweden und Polen um das Dominium Maris Baltici zum politischen Begriff geworden, nachdem der ''Westen" durch Frankreich im 14./15. Jahrhundert seinen eigenen historischen Rang gegenüber dem "Reich" errungen hatte. Im Zuge dieser Veränderungen ist für Deutschland die folgenreiche Problematik seiner Lage zwischen "West" und "Ost" entstanden. An den großen Entscheidungen von allgemeiner historischer Bedeutung während des 16. Jahrhunderts in "West" und Ost" ist das Reich im wesentlichen unbeteiligt gewesen: es blieb ohne eigene politische Zielsetzung, ohne eigene politische Initiative. Dagegen stieg das Interesse der "Randgebiete" im Westen und im Osten an den innerdeutschen Auseinandersetzungen.

In diesem Horizont wurde die deutsche Frage erst recht eigentlich zur europäischen Frage durch den Dreißigjährigen Krieg - den großen Grabenbruch in der Mitte Europas. Er schuf die Voraussetzungen für die Verbindung zwischen Frankreich und Schweden auf dem Trümmerfeld des Reiches. Während der vieljährigen Verhandlungen, die dem Westfälischen Frieden vorausgegangen sind, erwiderte einmal dem kaiserlichen Delegationsführer, dem Grafen Trauttmansdorff, der sich über die Einmischung der Schweden in Verhandlungen mit den Reichsständen beschwerte, der Schwede Adler Salvius: die deutsche Frage habe eine hochpolitische europäische Bedeutung; denn auch ihre, der Schweden, Sicherheit beruhe auf des "Römischen Reiches unperturbiertem Staat und dessen Aequilibrium,,·1 . 1Acta pacis Westfalicae publica, ed. Joh. G. v. Meiern, 11, Hannover 1734, p. 317 f.

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Richard Nürnberger

Der Zusammenbruch des Reiches und die Konsolidierung der west-und der osteuropäischen Staatenwelt gehören zusammen. Während Frankreich seine Vorherrschaft in Westeuropa durch seinen Sieg über Spanien im Pyrenäen-Frieden (1659) befestigte, begründete Schweden im Frieden von Oliva (mit Polen) und im Frieden von Karlis (mit Rußland) 1660 seine Vorherrschaft im Osten Europas. Im Kampf gegen Schweden hat Rußland im 18. Jahrhundert sich im europäischen politischen Terrain zur Großmacht entwickelt: der Sieg Peters des Großen über Karl XII. bei Poltawa ist ein Epochenereignis in der Geschichte Europas. In der Nachfolge Schwedens eröffnete die Entscheidung von 17(1) (mit dem Frieden von Nystadt, der den "Nordischen Krieg" beendete (1700/21» Rußland die Chance, in Europa Einfluß zu gewinnen. Die Interdependenz in der Pentarchie der "Großen Mächte" - mit Frankreich, England, Österreich, Rußland und Preußen -, wie sie im 17. und 18. Jahrhundert entstanden ist, löste eine neuartige politische Dynamik in Europa aus. Sie hat auch das Verhältnis Preußens zu Rußland seitdem bestimmt.

FRIEDRICH DER GROSSE ALS STAATSMANN! Von Richard Nürnberger Friedrich der Große war nicht unter anderem auch - er war vor allem Staatsmann und als solcher auch Feldherr - roi connetable. Ich konzentriere mich auf die Grundlinien seiner Politik, die mir zu einer Charakteristik Friedrichs des Großen als Staatsmann wichtig erscheinen auf "konzentrische Momente" seiner Politik. Das ist auch ein biographisches Thema: die Einschmelzung des persönlichen Anspruchs in die Identifikation mit den "Interessen des Staates". Zunächst ist der politische Horizont zu umschreiben, in dem sich die Politik Friedrichs des Großen abgespielt hat, in dem sich seine Kalkulationen bewegt haben: er wird bestimmt von der politischen Neuordnung Europas im 17. und 18. Jahrhundert - jener Vorgang, den Ranke als die Entstehung der europäischen Pentarchie der "Großen Mächte" seit dem Westfälischen Frieden beschrieben hat: Frankreich - England - Österreich - Rußland und Preußen; auf deren "Gleichgewicht" hat die europäische Staatenwelt sanktioniert durch den Wiener Kongreß - einmal beruht.2 Mit der Konstituierung der modernen Staatengesellschaft in Europa hat auch der Begriff des Staatsmannes seine Prägung erhalten, der die höchste Ausformung der neustoischen Lehre von der vita activa darstellt: "il fault estre fort par raison non par passion" (Richelieu)3, d. h. überlegen durch moderation, die Abwägung des Möglichen. Richelieu hat seine politischen Erfolge auf diese Norm seines Handelns zurückgeführt. Diese Politik steht unter dem Anspruch hoher Bewußtheit und Reflexion in der Verantwortung für den Staat - in der Verarbeitung der Erfahrung in den politischen 1 Zuerst in "Friedrich der Große in seiner Zeit", Köln usw. 1987 (Neue Forschungen zur brandenburgisch-preußischen Geschichte. Bd. 8), S. 93ff; zugleich: Hannover, Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung 1986. 2 Leopold v. Ranke, Die Großen Mächte 1833, Leipzig 1872 (Sämtliche Werke [SW] 24), S. 3 -40. 3 Armand du Plessis Cardinal Duc de Richelieu, Lettres, instructions diplomatiques et papiers d'Etat, ed. G. d'Avenel, Paris 1853ff, Vol. III, S. 197 (Januar 1629: Avis au Roy) ... ceux qui agissent plus par leurs mouvemens et impetuosites naturelles que par la raison sont sujets a faire de grandes fautes, qui souvent ne peuvent estre reparees ny par le temps, ny par Pl"\l-

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Geschäften. In diesem Sinne heißt es in einer Aufzeichnung Friedrichs des Großen aus dem Herbst 1758: Qu'importe l'exptrience, si elle n'est digtrte par la rtflexion?4 Der enge Zusammenhang, ihre wechselseitige Ergänzung charakterisieren die Politik des Königs: Erfahrung und Nachdenken. So verbindet sich die Frage nach dem politischen Programm des Kronprinzen beim Regierungsantritt mit der Frage, welche Erfahrungen bei der Verfolgung seiner Pläne der König gemacht hat. Brennender Ehrgeiz, eigene Erfahrungen zu machen, beherrschte den Kronprinzen: von Tatendrang erfüllte politische Reflexionen, wie er sie im Frühjahr 1731, 19jährig, als Zusammenfassung vieler Gespräche in dem bekannten Brief an den Kammerjunker von Natzmer entwickelt ha~. Sein "erstes System", wie er es nennt, für die preußische Politik sei die Erhaltung des europäischen Friedens. Ganz im Sinne der Tendenz der modernen Staaten gehört zu den entscheidenden Zielen der preußischen Staatsbildung - das "andere System" preußischer Politik - die Arrondierung der noch ohne inneren Zusammenhang bestehenden brandenburgisch-preußischen Territorien zu einem alle Besitzungen verbindenden möglichst geschlossenen Gesamtstaat, die fortschreitende Vergrößerung des Staates. Diese von der "Convenienz" geleiteten Gedanken verzichten auf die bestehenden Rechtsverhältnisse: "Ich spreche nur als Politiker, ohne Erörterung der Rechtsgründe". In diesem Aspekt entwickelt der Kronprinz die preußische Notwendigkeit (necessitt politique), wie er sagt, Polnisch-Preußen, Schwedisch-Pommern, Mecklenburg oder Jülich-Berg zu erwerben. Von vornherein sehr bezeichnend für diese Planungen ist, daß der König von Preußen unter Vernachlässigung kleinerer Ziele sich konzentrieren müsse auf die großen Ziele - so wie es Prinz Eugen dem Kronprinzen während des Polnischen Erbfolgekrieges empfohlen hat - "Tendez toujours au grand quand vous ferez des plans de campagne" -, dessen sich noch später der König lebhaft erinnerte.6 Für den Prinzen waren das damals die Bedingungen, unter denen der König von Preußen unter den Großen der Welt eine gute Figur machen und dence, ny par aucun art. ibd. 198. 4 Friedrich der Große, Oeuvres de Frederic le Grand [oe], hrsg. von J. D. E. Preuß, Berlin 1846-1857, Voi. XXXVIII, S. 153: Reflexions sur quelques changements dans la fa~on de faire la guerre. 5 oe XVI, S. Uf. 6 Heinrich de Catt, Unterhaltungen mit Friedrich dem Großen. Memoiren und Tagebücher von Heinrich de Catt, hrsg. von R Koser, Leipzig 1889 (Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven [PPStA], Bd. 22), S. 42 (29. April 1758).

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eine bedeutende Rolle spielen könne. Für diese Politik galt es nicht, den Frieden aus Furcht zu erhalten, sondern aus "Gerechtigkeit". Wenn es doch Krieg gebe, dann müsse dieser energisch geführt werden, wenn die Ehre (l'honneur) des Hauses Brandenburg und des Landes es verlangten. Man sieht, von welcher kühnen Entschlossenheit die vagen Gedanken des jungen Prinzen bestimmt gewesen sind! In der Konsequenz der gespannten Erwartungen, mit denen er seiner Zukunft als Thronfolger entgegensah, hat er sicher nicht ohne Koketterie dem alten Intriganten Grumbkow einmal geschrieben (1.11.1737)7: er fürchte, man werde ihm nicht die Vernachlässigung seiner Interessen, vielmehr zu viel Verwegenheit und Lebhaftigkeit vorwerfen. Der Prinz konnte brieflich (an Manteuffel 17.7.1736)8 aus Rheinsberg sogar sagen: er schreibe vom Felde des Friedens, aber er hoffe, irgendwann seine Briefe von einem Schlachtfeld schreiben zu können. Die vibrierende Ungeduld, selbst zu regieren, spricht aus einem Brief aus derselben Zeit: er warte auf seine Stunde, wie der Schauspieler auf das Zeichen seines Auftritts (7.8.1737)9. Eine erste Präzisierung der Beobachtungen über die europäische Gesamtlage unter diesen persönlichen Voraussetzungen enthalten die "Betrachtungen über den gegenwärtigen politischen Zustand Europas" aus dem Spätherbst 173710, für die der Kronprinz durch eine Flugschrift zu werben versuchen wollte. Ganz unabhängig von der Frage, an welche Adresse dieser Aufruf gerichtet gewesen ist, - wichtig ist für das politische Verständnis des Verfassers sein Grundsatz: daß ein geschickter Staatsmann seinen Kalkül auf die permanenten Interessen der Höfe einrichte, d. h. daß er seine Kalkulation nicht dem Zufall anheimstelle, wie es selbstsicher heißt, sondern daß aus der Einsicht in die Ursachen der Ereignisse auf die zukünftigen Entwicklungen geschlossen werden könne. Unter diesen Voraussetzungen besitzt die französische Politik in den Augen des Kronzprinzen ihren Vorrang in der Tatsache, daß sie im Unterschied z. B. zu der Politik des Kaisers auf einem "System" beruhe, d. h. alle Zweige der Staatsverwaltung sind aufeinander abgestimmt - als Bedingung einer aktiven Politik. Die Fortune Frankreichs bestehe in dem Scharfblick und der Fähigkeit zur Voraussicht seiner Minister und den klugen Maßnahmen, die diese treffen. In der Konsequenz dieser Neigung zur Pointierung und zur Überschätzung der französischen Politik liegen freilich auch die Voraussetzungen für die Fehlkalkula7 Friedrich der Große, Briefwechsel Friedrichs des Großen mit Grumbkow und Maupertuis, hrsg. von R Koser, Leipzig 1898 (PPStA 72), S. 170. 8 oe XXV, S. 470. 9 Ranke SW 24, S. 201. 10 oe VIII, S. lff.

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tionen des Königs nach dem Tode Kaiser Karls VI. In seinen "Considerations" erwartet der Kronprinz, daß dieser Moment der große Augenblick für Frankreich sein werde, seinen Einfluß in Europa zu steigern, "Europa Gesetze zu geben". Der Zustand, in dem sich Europa befmde, sei voller Gefahren; es habe gleichsam sein Gleichgewicht verloren. Die labilen Verhältnisse liegen jedoch auch in der Verkennung der wahren Bedingungen des Ruhmes der Fürsten Europas: in der Mißachtung der Pflichten ihres Amtes, das Glück ihrer Völker zu sichern. Und die "Widerlegung Machiavellis" (Refutation du prince de Machiavel) gipfelt in der Apotheose der Verantwortung für den Staat und die Erhaltung seines Ansehens, seiner Kreditwürdigkeit, in deren Dienst der Fürst, der Staatsmann, steht - stehen soll. "Les grands princes se sont toujours oublies eux-memes pour ne sonrer qu'au bien commun ... pour mieux embrasser leurs veritables interets,,1 . In der Erörterung der Frage, was bei Eintritt des Erbfalles in J üIich und Berg preußischerseits zu geschehen habe zur Wahrung seiner Interessen, hatte der Kronprinz bereits General Grumbkow erklärt: er würde durch ein fait accompli in die Herzogtümer einrücken und sie besetzen. Würde es dann zu Unterhandlungen kommen, so könne man weiter nichts tun, als uns zur Räumung von Jülich zu bewegen und uns Berg zu lassen (14.2.1737)12. Die neue Auffassung seiner persönlichen Stellung als König bezeugt ausdrücklich die Ansprache Friedrichs an seine Minister wenige Tage nach seiner Thronbesteigung: Bisher habe es einen Unterschied zwischen den Interessen des Königs und denen des Landes gegeben. "Ich habe andere Grundsätze darüber", erklärte er dieser Versammlung. "Das Interesse des Landes ist auch mein eigenes, und ich kann kein Interesse haben, das dem des Landes entgegenstünde. Ich sehe mein Interesse nur in dem, was zur Erleichterung des Loses meines Volkes und zu seinem Glück beitragen kann" 13. Dem widerspricht nicht die ungestüme Demonstration seiner Politik bei der Wahrnehmung der preußischen Interessen. Er instruierte den preußischen Gesandten am französischen Hofe mit dem herausfordernden Hinweis, dort von seiner, des Königs, lebhaften und stürmischen Sinnesart zu sprechen ("ma fac;on de penser vive et impetueux")14: liEs sei zu fürchten, daß die preußische Heeresvermehrung [eine der ersten Regierungshandlungen König Friedrichs] ein Feuer anzünde, das ganz Europa in Brand zu stecken vermöge; daß es in der Art der Jugend liege, unternehmend zu sein, und daß 11

oe VIII, S. 294.

12 a.a.O. S. 149. 13 Leopold von Ranke, Zwölf Bücher preußischer Geschichte, hrsg. Georg Küntzel, München 1930, Bd. 2, S. 314, Anm. 1. 14 Friedrich der Große, Politische Correspondenz Friedrichs des Großen [PC], Berlin

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die lockenden Bilder des Heldenruhms die Ruhe unzähliger Völker auf der Welt stören könnten und gestört haben". Als "kecken Akt der Selbsthilfe"15 hat man die ersten Maßnahmen einer neuen, aktiven preußischen Politik bezeichnet, mit denen der junge König in den Bahnen bisheriger dynastischer Territorialpolitik die Erbfolge in den niederrheinischen Herzogtümern zu behandeln begann, als die Nachricht von dem Tode Kaiser Karls VI. am 20. Oktober 1740 in Rheinsberg eintraf und der Politik des Königs einen ganz neuen Horizont eröffnete - in dem Bewußtsein, daß es der Augenblick sei, in dem sich eine völlige Veränderung des bisherigen politischen Systems in Europa vollzöge: "il en faut tirer a present tout le parti possible"! (an Voltaire 16.10.1740)16. Es war der Moment, auf den sich in den europäischen Kabinetten seit Jahren in gespannter Erwartung die Kalkulationen richteten - nicht zuletzt des preußischen Kronprinzen, der schon 1737, für den Fall des Todes Karls VI. "in allernächster Zeit", die Frage gestellt hatte, welche Umwälzungen ("revolutions") sich dann wohl einstellen würden. Jeder möchte an seinem Erbe teilhaben, und man sähe ebensoviel Parteien entstehen, wie es Herrscher gibt (an Grumbkow

24.3.1737) 17.

Das große Thema war mit diesem Ereignis dem König gestellt: welche Konsequenzen er aus diesem Vorgang ziehen würde, d. h. in der Frage der Thronfolge, für die mit europäischen Garantien in der "Pragmatischen Sanktion" (von 1713) die weibliche Thronfolge in den habsburgischen Ländern festgelegt worden war. Für Preußen war die Besetzung Schlesiens zunächst ein Schritt in der Richtung einer Abrechnung mit dem Hause Österreich, in der Durchführung eines Planes, den schon der Große Kurfürst 1672 erwogen hatte. Der König, entschlossen, den Zufall zu seinem Zwecke zu gestalten, hat sich in diesen kritischen Wochen mit dem Minister Podewils und General Schwerin beraten18 - ein höchst bemerkenswerter Vorgang! Der Entschluß zu handeln stand für den König fest, während Podewils und Schwerin dagegen empfahlen, zunächst mit Wien über die preußischen Propositionen zu verhandeln und sich militärische Aktionen gegebenenfalls für später vorzubehalten. Der König war im Gegensatz zu diesen Vorschlägen entschlossen, ein fait accompli zu schaffen, Schlesien als "Faustpfand" in Besitz zu nehmen und dann erst unter der neugeschaffenen Lage zu verhandeln über die Abtretung Schlesiens durch Österreich gegen die Zustimmung zu der Kai1879ff, Bd. 1, S. 3f. (11. Juni 1740 Instruktion für Camas). 15 Otto Hintze, Die Hohenzollem und ihr Werk, Berlin 19169, S. 323. 16 PPStA 82, S. 54. 17 a.a.O. 72, S. 154. 18 pe 1, Nr. 119, S. 74-78.

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serwahl des Gemahls der habsburgischen Thronfolgerin Maria Theresia mit dem Angebot militärischer Unterstützung. Die Verhandlungen über diesen Vorschlag endeten in Wien freilich mit dessen Ablehnung. Mit der widerstandslosen Besetzung der schlesischen Gebiete durch preußische Truppen kam nach einer Mißernte Proviant und Geld in das Land mit der Einrichtung einer preußischen Verwaltung - gipfelnd in einem glanzvollen Fest, das der König für die Schlesier in Breslau gab. Unabhängig von seinen hochstilisierten Kommentaren zu dem Einmarsch in Schlesien, in denen seine Ungeduld sich zeigte, die Chancen des Moments zu ergreifen und sich vor der Welt zu präsentieren (als Aufbruch zum "Rendezvous des Ruhmes,,)19, kam dem König alles darauf an, schnell zu handeln, um den Erbansprüchen der Bayern und Sachsen zuvorzukommen (1.11.1740 an Podewils)20. Durch die Besetzung Schlesiens wurde kein grundsätzlich neues Prinzip in die europäische Politik hineingetragen, durch das der König als Aggressor seinem Staat zwangsläufig das Gesetz der Eroberung eingepflanzt hat (W. Bußmann)21. Mit der preußischen Besetzung Schlesiens wurde ein für das 18. Jahrhundert charakteristischer Erbfolgekrieg eröffnet, der im Bereich seiner möglichen politischen Konsequenzen allerdings das bestehende europäische Gleichgewichtssystem in Frage stellte, das von dem englisch-französischen Weltgegensatz bestimmt wurde. Das zeigten bereits die Bündnisverhandlungen der nächsten Monate. Das preußische Vorgehen forderte nach der Ablehnung von Verhandlungen den militärischen Gegenschlag Österreichs heraus, dem mit dem preußischen Sieg bei Mollwitz (10. April 1741) die Anerkennung durch ein preußisch-französisches Bündnis folgte (4. Juni 1741). Die Ungewißheiten der militärischen Verhältnisse, wie sie sich im Sommer 1741 innerhalb der antiösterreichischen Koalition entwickelt hatten, haben zu einer geheimen Verständigung zwischen dem König und den Österreichern in der viel diskutierten und kritisierten Konvention von Klein-Schnellendorf (9. Oktober 1741) geführt, die freilich von den Österreichern bekannt gemacht wurden, um den König zu kompromittieren und dessen Kreditwürdigkeit bei seinen Alliierten in Frage zu stellen. Nach diesen Erfahrungen schloß sich der König wieder den antiösterreichisehen Alliierten an und unterstützte die Kaiserwahl des bayerischen Kandidaten, während die militärischen Erfolge der preußischen Armee im Mai 19 oe 11, S. 59. 20 pe 1, Nr. 125, S. 84 (1.11.1740).

21 Preußen _ eine Herausforderung, hrsg. W. Böhme, Karlsruhe Bd. 32), S. 28.

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(Herrenalber Texte.

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1742 (bei Chotusitz) ZU dem Berliner Frieden (28. Juni 1742) zwischen Österreich und Preußen führten, in dem die schlesische Annektion durch Preußen von den Österreichern zugestanden wurde.

Für diese Politik der "Arrondierung" des zersplitterten territorialen Besitzes, den im Reich der Westfälische Friede sanktioniert hatte, ist es kennzeichnend, daß nach den Friedensschlüssen jeweils sofort mit dem sog. "Retablissement" - so in Schlesien - begonnen wurde. Deshalb müsse jetzt "un heureux quietisme pour quelques annees" die Basis preußischer Politik sein: um den Staat zu konsolidieren, seien einige Friedensjahre nötig. Aus diesem Grunde sei Wachsamkeit das Gesetz der Stunde, um nicht wider Willen in einen Krieg gezogen zu werden22• Im Bewußtsein der "preußischen Revolution" (in Analogie zu der Charakterisierung der Reichsgründung durch Disraeli als "Germ an revolution") erklärte der König in den Tagen vor dem Friedensschluß als seine Aufgabe, die europäischen Kabinette an die durch den Krieg geschaffene Position Preußens zu gewöhnen. Deshalb seien konsequente "moderation" und "douceur" gegenüber Preußens Nachbarn das Gebot der Stunde (23. Juni 1732)23: Grundbegriffe der preußischen Politik, aus den Erfahrungen der Demonstration ihres bisher ungewohnten Anspruchs entwickelt! Der Fortgang des österreichischen Erbfolgekrieges zwang den preußischen König im Juni 1744 allerdings erneut zu dem aus der Konstellation des Krieges sich ergebenden Bündnis mit Frankreich gegen Österreich zum Schutze Kaiser Karls VII., des statt des Gemahls Maria Theresias gewählten Wittelsbachers (5. Juni 1744). Die für die preußischen Bündnispartner militärisch und (nach dem Tode Karls VII. im Januar 1745) auch politisch sich zuspitzende Lage wurde durch den glänzenden militärischen Erfolg bei Hohenfriedberg (am 4. Juni 1745) für die Preußen entspannt und hat nach weiteren militärischen Siegen die Erwartungen der Österreicher enttäuscht und zum Frieden in Dresden geführt (25.12.1745), der den status quo des Berliner Friedens anerkannte und die preußische Zustimmung zu der Wahl des habsburgisch-Iothringisehen Kaisers enthielt, während das russische Mißvergnügen an den preußischen Erfolgen sich (wie nach der Reichsgründung) als drohender Schatten über ihnen zeigte, wenn auch im Aachener Frieden 1748 die europäische Anerkennung nicht nur der österreichisehen Erbfolge, sondern auch der preußischen Stellung vollzogen wurde, wie sie im Dresdner Frieden garantiert worden war. Eine Bilanz der Erfahrungen seiner ersten Regierungsjahre hat der König 22 PC 2, Nr. 902, S. 211 (20. Juni 1742). 23 PC 2, Nr. 905, S. 213 (23. Juni 1742).

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in seinem "Politischen Testament" aus dem Jahre 175224 gezogen - mit der erklärten Absicht, seine Erfahrungen der Nachwelt mitzuteilen. Politik sei die Kunst, mit allen geeigneten Mitteln ("moyens convenables") stets den eigenen Interessen gemäß zu handeln. Kriterien für die politischen Entscheidungen haben die Interessen des Staates zu sein; allerdings müsse man seine Interessen kennen - ein klar bestimmter Imperativ, der in der Praxis freilich oft nur schwer zu erfüllen war und ist! Die Kenntnis seiner Interessen zu erlangen, verlangt von dem Staatsmann das nüchterne, von Vorurteilen freie Studium der Verhältnisse, geistige Konzentration und angestrengten fleiß. Bei seinem tour d'horizon über die europäische Gesamtlage geht der König von der geographischen Lage Preußens aus: die Kerngebiete des Staates, in denen seine Kraft bestehe, umfassen die Kurmark, Pommern, Magdeburg, Halberstadt und Schlesien; sie bilden auch für die militärische Verteidigung die Kerngebiete des Staates. 1752 ist nach seiner Ansicht Frankreich trotz aller Mißstände der mächtigste Staat in Europa. Durch den gemeinsamen Gegensatz zu Österreich ist Preußen auf das Bündnis mit Frankreich angewiesen. Das "System des Königs" beruht auf der Erhaltung des Friedens, solange es möglich ist, ohne die Majestät des Staates zu verletzen. Der König ergänzt diese Auffassung von den Interessen der preußischen Politik mit der bemerkenswerten Erklärung: es liege im Interesse Preußens, nicht noch einmal einen Krieg anzufangen; er fügt die aufschlußreiche Selbsteinschätzung hinzu: eine glänzende Tat wie die Eroberung Schlesiens gleiche den Büchern, deren Originale einschlagen, deren Nachahmung aber abfalle. Hauptziel der preußischen Politik muß nach wie vor sein, die "Macht" des Staates ("La puissance de I'Etat") zu befestigen, denn "unserem Staate fehlt noch die innere Kraft". Das sagt der König im Zusammenhang mit der Aufgabe der "Vervollkommnung" des preußischen Staates - der Aufgabe, ihn über den status quo hinaus zu dem höchsten Rang ("point de grandeur") zu entwikkein, die er in seinen politischen Reflexionen umschrieben hat - und übernimmt mit dieser Zielsetzung Grundgedanken der europäischen "Aufklärung" in seine Politik. Bedingung für die Erreichung dieses Zieles ist der enge Zusammenhang aller Zweige der Staatsverwaltung in einem "System", in dem Finanzen, Politik und Heerwesen untrennbar verbunden sind. In einem glänzenden Bilde hat der König die mitreißende Dynamik 24 pe Ergänzungsband, hrsg. G. B. Volz, Berlin 1920, S. 1-109; vgI. in dt. Übers.: Die politischen Testamente Friedrichs des Großen, Berlin 1922 u.ö. (Klassiker der Politik. Bd. 5) / (Reclam Universalbibliothek. 9723).

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umschrieben, die er von der preußischen Staatsführung in ihren Teilbereichen verlangte: "Sie müssen in gradgestreckter Flucht Stirn an Stirn gelenkt werden - wie das Viergespann im olympischen Wettkampf, das mit gleicher Wucht und gleicher Schnelle die vorgezeichnete Bahn zum Ziele durchmaß und seinem Lenker den Sieg gewann". In diesem Bilde hat der König das Wesen des Staatsmannes gezeichnet unter diesen Anspruch sich selbst gestellt! Es lag in der Konsequenz dieser Forderung, daß der König der "Erziehung des Thronfolgers" zum Staatsmann sein besonderes Interesse gewidmet hat. Zu dieser "Erziehung" gehört (wie zu jeder Erziehung) die Ausbildung der Urteilsfähigkeit: "cultiver le jugement" - mit ihr muß ein König von Preußen sich selbst den Staatsgeschäften intensiv widmen, zielstrebig handeln, im Dienste seiner Pflicht einfach leben - aber auch in einer feindlichen Umwelt notwendigerweise den Ehrgeiz der Selbstbehauptung besitzen; dieser muß jedoch weise, maßvoll und von der Vernunft bestimmt sein ("eclairee par la raison"). Der Siebenjährige Krieg, der 3. Krieg um Schlesien, zwischen Österreich und Preußen ist von jeher als die entscheidende Krise in der politischen Geschichte Friedrichs des Großen angesehen worden, deren siegreiche Überwindung mit der Begründung einer neuen Dauerordnung im Hubertusburger Frieden 1763 zum Inbegriff maßhaltender Politik seither geworden ist. Daß der König 1756 nicht auf einen Krieg vorbereitet war, zeigte sich an den Mängeln bei der Mobilisation der Armee seit dem Juni dieses Jahres. Sie sind mit der Unterstützung besonders befähigter Experten durch den König überwunden worden: den Anforderungen der verschiedensten Art in den Kriegsjahren konnte letzten Endes gegenüber der wachsenden Kriegsmüdigkeit der Gegner, vor allem der Österreicher, entsprochen werden, die die Voraussetzungen für die preußische Selbstbehauptung geschaffen haben. Der Entschluß des Königs, auf das englische Angebot im Januar 1756 zu einem Neutralitätsabkommen einzugehen, das den Einmarsch französischer oder russischer Truppen ins Reich verhindern sollte, um die Isolierung Preußens durch die Einkreisungspolitik der Österreicher mit den Franzosen und den Russen zu durchbrechen, erwies sich als Fehlkalkulation. Sie beruhte auf der Unterschätzung der gegnerischen Solidarität in der Frontstellung gegen die Konsolidierung des preußischen Staates im europäischen Staatensystem, deren Zentrum die österreichische Revanchepolitik gegen den Verlust Schlesiens bildete - in untrennbarem Zusammenhang mit der weltweiten französisch-englischen Konfrontation. Angesichts der dem König bekannten, immer deutlicher in Erscheinung tretenden österreichischen Rüstungen hoffte er, dem Angriff der Gegner mit 2 Preußen/Rußland

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dem Einmarsch in Sachsen zuvorzukommen und eine Basis für eine Offensive in Böhmen (Ende August 1756) zu gewinnen. Der Gefahr, der er sich mit diesem Vorstoß aussetzte, war sich der König vollkommen bewußt; er faßte seinen Entschluß im vollen Bewußtsein der Größe des Risikos. Am 12. August 1756 schrieb er an den Prinzen August Wilhelm: "On ne parvient a des grandes choses qu'en affrontant de grands hasards" ~an erreicht große Dinge nur, wenn man großen Wagnissen die Stirn bietet) . Das Kriegsziel war, die Gegner zu Verhandlungen zu zwingen mit dem Ziel der Anerkennung der brandenburgisch-preußischen Staatsbildung im 17. und 18. Jahrhundert. Der Krieg entwickelte sich jedoch zu einem Mehrfrontenkrieg mit der feindlichen Koalition von Österreich, Frankreich und Rußland - im Westen mit englischer Unterstützung gegen Frankreich, im Osten der Angriff der Russen, im Zentrum des Krieges der Kampf um Schlesien gegen Österreich. Militärisch wurde zur gefährlichsten Bedrohung des Königs die Vereinigung der feindlichen Heere - wie andererseits die Spaltung der Koalition die Aussicht auf den Frieden erhöhte. Die Konzentration auf den militärischen Sieg führte im Frühjahr 1757 zur Offensive gegen die Österreicher in Böhmen, die nach dem schwer errungenen Sieg bei Prag (6. Mai) und der Niederlage bei Kolin (18. Juni) für den König mit dem Rückzug in die Lausitz endete. Durch den Sieg bei Roßbach (5. Nov. 1757), der die Lage an der Westfront (mit englischer fmanzieller Unterstützung) stabilisierte, den glänzenden Sieg bei Leuthen (am 5. Dez. 1757) über die Österreicher und den Sieg bei Zorndorf (am 25. Aug. 1758) über die Russen gelang es dem König, die Angriffe auf die preußischen Kernlande abzuwehren - bis am 12. August 1759 der König bei Kunersdorf durch die nun vereinigten Russen und Österreicher seine schwerste Niederlage erlitten hat. Daß sie nicht zur Katastrophe für den preußischen Staat führte, verdankte der König zunächst dem Zögern der Russen, ihren Sieg auszunutzen - dann aber auch, daß in der Erkenntnis dieser Lage der König die persönliche Krise überwand und einige Tage später die Führung der Armee entschlossen wieder übernahm; dem Minister Finckenstein gestand er: "Mes affaires sont affreuses, mais l'ennemi me laisse du temps. Peut-etre pourrai-je par ses fautes me sauver" (16. August 1759)26. Höchst bemerkenswert, daß der König in diesem kritischen Moment d'Argens geschrieben hat, er denke nicht etwa an den Ruhm, sondern allein an die Zukunft des Staates (20. August 1757)27. 25

PC 13, Nr. 7836, S. 205. 26 PC 18, Nr. 11347.

27 oe XIX, S. 82.

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Wie tief die Erfahrungen gerade dieser Tage den König erschüttert und immer wieder sein Nachdenken erfüllt haben, dafür sind die "Reflexionen über den militärischen Charakter Karls XII"28, die der König in den folgenden Monaten niedergeschrieben hat, ein höchst markantes Zeugnis. Die Geschichte Karls XII. von Schweden hatte den König, wie viele seiner Zeitgenossen, schon seit Jahr und Tag beschäftigt; jetzt wurden diese Reflexionen zum Zeugnis seiner Selbstkritik. Lag ein Vergleich zwischen Kunersdorf und Poltawa nicht nahe? Es geht dem König um die Normen des politischen und militärischen Urteils - mit der ätzenden Frage nach seinem eigenen Verhalten. Karl XII. habe den politischen Kalkül seiner "ungestümen Leidenschaft" geopfert, so glänzend seine Taten auch gewesen seien. Der nüchterne Betrachter dürfe sich nicht täuschen lassen; denn nicht nur Kühnheit und Tapferkeit seien entscheidend, zu diesen müsse die Besonnenheit der Planung hinzukommen: der wohlerwogene Plan und die Kühnheit seiner Ausführung gehören zusammen. Gerade an Planung, Kontinuität habe es bei Karl XII. gefehlt; dessen Erfolge seien vielmehr der Laune des Glücks zuzuschreiben. Unternehmungen sind deshalb nicht nach ihrem Ausgang zu beurteilen, sondern nach deren Dispositionen. Friedrich der Große bewunderte Karls XII. Mut, seine Tapferkeit und seine Entschlußkraft. Mut ("courage") und Mäßigung ("moderation") müssen sich jedoch ergänzen. Im Sinne dieser Überlegungen hat der König am 2. April 1758 General Christoph von Dohna instruiert29: "Agissez toujours vigoureusement et offensivement! Consultez les principes de l'honneur et prenez toujours les partis les plus honorables a la nation". Ein General soll gute Dispositionen mit Kühnheit vereinigen. Und dann die für die Gesinnung des Königs überhaupt charakteristischen, souveränen Worte: "Vous n'etes point au dessus de la fortune". Der General könne sicher sein, daß er, der König, ihn nach den Direktiven beurteilen werde, die er unter den gegebenen Umständen gegeben habe. Das waren dieselben Kriterien, nach denen er 1757 seinem Bruder August Wilhelm nach dessen mißglücktem Rückzug aus Böhmen die Identität der persönlichen Ehre mit dem Staatsinteresse vorgehalten hatte: "Sie sprechen von Ihrer Ehre - sie bestand darin, die Armee gut zu führen" (12.8.1757)30. Nachdem im Herbst 1759 die Russen mit ersten Friedensfühlern hervorgetreten waren, ist der weitere Verlauf des Krieges neben den militärischen Kampagnen von immer neuen, gescheiterten Versuchen, zu Friedensver28 oe VII, S. 69-88. 29

PC 16, Nr. 9887, S. 347.

30 PC 15, Nr. 9275, S. 297/98.

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handlungen zu kommen, bestimmt gewesen. Der König setzte seine Hoffnungen auf die wachsende Kriegsmüdigkeit seiner Gegner; er wußte von der Erschöpfung ihrer Finanzkraft: der öffentliche Kredit versagte sich in Österreich, so daß die Regierung sich gezwungen sah, mitten im Kriege ihre Truppeneinheiten zu reduzieren. In der Bedrohung durch die Österreicher und die Russen hat der König einen Ausweg aus seiner Bedrängnis durch Bündnisangebote an die Türkei gesucht, um mit der Aktivierung von deren Balkaninteressen - genauer noch: deren Südosteuropainteressen - die Russen und die Österreicher zu einer militärischen Neuorientierung zu zwingen, während die englische Regierung ihren Vertrag mit Preußen nicht verlängerte. In dieser für den König sich zuspitzenden Ungewißheit über die Aussichten für die nächste Zukunft hat er im Januar 1762 für den Fall seiner militärisch-politischen Katastrophe dem Minister Finckenstein Anweisung gegeben, daß dieser nach seinem Tode für seinen Neffen aus den Trümmern durch Friedensverhandlungen retten sollte, was noch zu retten sei31 . Im Unterschied zu dem Wiener Eingeständnis der eigenen Schwächen hat der König mit verdienten Sachverständigen trotzdem die nächste Kampagne vorbereitet: die preußische Rüstungspolitik hat für das notwendige Kriegsgerät und für die Lebensmittel vorsorgen können und die fmanziellen Mittel beschafft - nicht zuletzt war auch das immer schwierigere Problem des Ersatzes für die kämpfende Truppe zu lösen. In den Tagen, in denen der König in höchster Spannung die Nachrichten aus Konstantinopel mit der Zusage der türkischen Offensive erwartete - "un peu de patience et tout se debrouillera dans un mois", schrieb der König in diesen Tagen an Finckenstein32 -, erreichte ihn am 19. Januar 1762 in Breslau die Nachricht vom Tode der Zarin Elisabeth. Aus der Umgebung des Königs ist uns überliefert, daß er an diesem Tage drei Stunden die Flöte geblasen habe33 • Freilich: die nächste Frage galt der Politik des Thronfolgers. Tage voller Ungewißheit! Daß Rußland unter dem Nachfolger der Zarin aus der antipreußischen Koalition ausschied, mit Preußen im Mai 1762 Frieden schloß und schließlich die Witwe des wenige Monate später ermordeten Zaren als Katharina 11. an dem preußisch-russischen Frieden festhielt - das entlastete die preußische Kriegführung und isolierte Österreich, das nach dem Präliminarfrieden zwischen Frankreich und England im November 1762 bei den Preußen um 31 32

PC 21, Nr. 13 383, S. 166 (6. Januar 1762).

PC 21, Nr. 13 408, S. 188 (17. Januar 1762). 33 C. W. von Hülsen, Unter Friedrich dem Großen. Aus den Memoiren des Aeltervaters 1752-1773, hrsg. Helene von Hülsen, Berlin 1890. S. 110/111.

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Waffenstillstand nachsuchte (bis zum 1.3.1763). Im Rückblick auf diese Vorgänge hat der König (in seiner "Geschichte des Siebenjährigen Krieges") auch hier auf die Grenzen des politischen Kalküls, die Unberechenbarkeit der "Spiele des Zufalls" ("les jeux du hasard", wie er sagte), hingewiesen, der über die "vaine prudence", die törichte Klugheit der Sterblichen, nur lachen könne "und die Hoffnungen der einen erhebt und die der anderen vereitelt,,34. Trotz des politischen Kalküls, sich der Kontingenz der Ereignisse bewußt zu sein, gehört zur Größe des Staatsmannes Friedrich: "11 faut faire des regles de la necessite et s'en remettre de sa conduite au hasard des evenements sans etre de pouvoir suivre les regles de la prudence", bekannte der König seinem Bruder Heinrich (12. April 1760)35. In den Anwandlungen der Verzweiflung, der Resignation sah der König nicht seine letzten "Aushilfen", sondern in der permanenten Spannung, in der Konzentration auf seine Erhaltung, sein "honneur", das Vaterland, den Staat selbst im va banque zu gewinnen, d. h. Aushilfen zu fmden, in der Erwartung der Erschöpfung seiner Feinde, der Spaltung der Koalition, in der Ausschau nach Friedensmöglichkeiten, der Beendigung des Krieges unter der Wahrung seiner Position. Gewiß hat die Wende in Rußland schließlich entscheidend beigetragen zu dem Friedensschluß 1763, jedoch: "Als das Mirakel des Hauses Brandenburg erwies sich der König" - so treffend Gerd Heinrich36 . Am Ende seiner politischen und militärischen Möglichkeiten war der König nicht, ihn beherrschte nicht der blinde Fatalismus des bloßen "Durchhaltens". In diesem Sinne verstehe ich die Bemerkung Jacob Burckhardts: daß alle seitherige mitteleuropäische Geschichte davon bedingt sei, daß Friedrich der Große von 1759 bis 1763 in supremem Grade gewisse Seelenspannungen und Anstrengungen ersten Ranges aushalten konnte, an denen in gewissen Zeiten die Schicksale von Völkern und Staaten, Richtungen von ganzen Zivilisationen hängen37• Als am 25. Februar 1763 im Schloß Hubertusburg mit den Österreichern der Frieden geschlossen worden war, der den Besitz Schlesiens nach dem Dresdner Frieden bestätigte, da hat der König einem ihm persönlich besonders nahe stehenden Menschen, dem Lord-Marschall Keith, wohl gestanden, daß er sich über den Frieden so sehr freue, daß er an ihn manchmal nicht 34 oe V, S.I65. 35

pe 19, Nr. 12002. 36 Gerd Heinrich, Geschichte Preußens. Staat und Dynastie, Frankfurt a. M. usw. 1984 (Ullstein-Buch. 34216), S. 220. 37 Jacob Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen, Stuttgart o. J. (Kröners Taschenausgabe. Bd. 55), S. 234.

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glauben könne38 • Nüchtern und überaus bezeichnend kalkulierend, gestand er dem Prinzen Heinrich, wenn der Staat einige Provinzen erworben hätte, so würde das zweüellos eine gute Sache gewesen sein - aber wie dieses nicht von ihm abhänge, sondern von der "fortune", so störe das seine Ruhe in keiner Weise. Der König fügte hinzu: "Wenn ich die unglücklichen Folgen des Krieges beseiti~e~ werde ich etwas Gutes getan haben". Darauf beschränke sich sein Ehrgeir'9. Ohne Umschweüe machte er sich an diese Arbeit. "Die Fürsten müssen sein wie die Lanze des Achill, die Wunden schlug und sie heilte',4() . Die Frieden, die Friedrich der Große nach den drei Schlesischen Kriegen geschlossen hat, sind Zeugnisse für eine Politik, deren Ziel eine friedliche Dauerordnung war - im Unterschied z. B. zu Napoleons Friedensschlüssen, die ihrem Wesen nach Waffenstillstände gewesen sind. Der Ruhm der Selbstbehauptung in dem Siebenjährigen Kriege und das Retablissement des preußischen Staates, dessen Zentralbegriff die "perfection" gewesen ist, haben den historischen Begriff "Preußen" geprägt. Für den König stand dieser Imperativ im Zusammenhang mit den lange nachwirkenden Folgen des Dreißigjährigen Krieges: er sei Zeuge einer fast gleichen Zerstörung; durch diese Erinnerung belehrt, habe er mit Aufbietung aller Kräfte sich dem Wiederaufbau in den preußischen Ländern gewidmet, denn es sei die Pflicht des Fürsten, seinem Volke beizustehen. Zu den Erfahrungen in den Staatsgeschäften gehörte auch die Einsicht in die permanent bedrohte Lage Preußens. In dem politischen Kalkül des Königs beanspruchte nach den Erfahrungen der Bündnispolitik des Siebenjährigen Krieges nicht mehr, wie im Politischen Testament von 1752, Österreich, sondern im tour d'horizon des Politischen Testamentes von 176841 Rußland vor allen anderen Interessen die konzentrierte Aufmerksamkeit (und Sorge) des Königs: die Bedrohung nicht nur Preußens, sondern der Interessen aller europäischen Staaten! Rußland habe in dem letzten Kriege den Ausschlag für die Partei gegeben, für die es sich jeweils erklärte. "Rußland macht sich unsere Fehler zunutze. Es ist einer Partei in Deutschland gewiß, mehr noch, es sieht sich von Preußen und Österreich umworben". Wie wahnsinnig und verblendet sei Europa, daß es zum Aufstieg eines Volkes beitrage, das ihm eines Tages selbst zum Verhängnis werden könne. Durch unsere Schwäche sei Rußland stark, so maße es sich eine Macht und

38 39 40

oe

xx, S. 292 (28. Januar 1763).

PC 22, Nr. 14455 (19. Februar 1763).

oe VI, S. 73.

41 PC Ergänzungsband a.a.O., S. 110-237, bes. S. 196ff.

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Gewalt an, der man in der Folge nur mit Mühe werde Schranken setzen können. Das ist der geistig-politische Hintergrund für die preußische Rußlandpolitik, die mit dem Bündnisvertrag von 1764 die preußisch-deutsch-russische Bündnistradition des 18. und 19. Jahrhunderts eröffnet hat. Zu den Erfahrungen seiner Zeit gehörte auch, daß die Russen die Bündnisse, die sie mit anderen Völkern schließen, wie einen ihren Klienten zugestandenen Schutz betrachten42 : er lasse dagegen die Russen den Unterschied fühlen, der zwischen einem verbündeten Fürsten und einem unterwürfigen Sklaven bestehe (an Prinz Heinrich 9.2.1770)43. In der Kontinuität dieser Erfahrungen steht die "meisterhafte Reisedirektive" (nach den Worten von Botschafter v. Schweinitz)44, die Bismarck im Sommer 1888 für Kaiser Wilhelm 11. vor dessen erstem Zarenbesuch entworfen hat: man habe uns in Petersburg die Gleichberechtigung versagt, und jedes freundschaftliche Entgegenkommen unsererseits sei aufgefaßt worden nicht wie ein Ausdruck der Freundschaft, sondern der Dienstbarkeit. "Wir laufen Gefahr, diesen russischen Hochmut wiederum zu pflegen, wenn wir jetzt irgendeinen politischen Dienst leisten oder anbieten, ohne darum gebeten zu sein,,45. Unter der Voraussetzung der Erfahrungen und Einsichten des Königs ist es zu den Begegnungen zwischen ihm und Kaiser Joseph 11. im August 1769 in Neiße und im September 1770 in Mährisch-Neustadt gekommen - in der Sorge vor dem wachsenden Druck der Russen in der Konsequenz ihres Vordringens in Südosteuropa (im Kriege mit den Türken) und in dessen Folge vor der Gefahr eines Krieges zwischen Rußland und Österreich, der zu einem europäischen Kriege zu werden drohte. Diese Gefahr ist durch einen Ausgleich unter preußischer Vermittlung auf Kosten Polens gebannt worden in den Teilungsverträgen zwischen Rußland und Preußen, ergänzt durch den Dreiervertrag mit Österreich im Februar und Juli 1772. Die Besetzung polnischen Gebietes durch die Österreicher, veranlaßt durch Joseph 11., hatte Rußland und Preußen bewogen, über entsprechende Maßnahmen sich zu verständigen. Preußen erhielt Polnisch-Preußen und den Netzedistrikt (ohne Danzig und Thorn), d. h. die Landverbindung mit (Ost)Preußen, auf die sich seit langem das preußische Interesse an dem Arrondissement des Gesamtstaates gerichtet hatte - als die "necessite politi42 oe 11, s. 24 (1775); vgi. bereits die Fassung von 1746, S. 181 = PPStA 4. 43 pe 29, Nr. 18788, S. 337. 44 Hans Lothar von Schweinitz, Denkwürdigkeiten des Botschafters General von Schweinitz, Bd. 2, Berlin 1927, S. 367. 45 Die Große Politik der europäischen Kabinette 1871-1914. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes, Bd. 6, Berlin 1925, S. 313.

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que" des Natzmer-Briefes von 1731. Als ein Seitenstück zu dem Retablissement Ostpreußens unter Friedrich Wilhelm I. hat man das Kolonisationswerk in Westpreußen bezeichnet, das der König sofort nach der Besitznahme in Angriff nahm46• Im politischen Kalkül des Königs ist Rußland von zentraler Bedeutung geblieben. Auf diesem Hintergrund hat sich die preußische Politik auch in ihrer Stellung zu den aktiven Vorstößen J osephs 11. zur Arrondierung und Konsolidierung der österreichisehen Staatsbildung im Reich bewegt, als dieser bei der Erbfolge in Bayern Ansprüche auf bayerisches Gebiet erhob. Daß unter russischem Druck und französischer Vermittlung, ohne daß es zu einer militärischen Entscheidung kam, die Verhandlungen in Teschen 1779 zu der Wiederherstellung des Friedens im Reich führte, geschah nicht nur durch die Garantie des Friedens durch Frankreich, sondern auch und vor allem durch Rußland; es trat hier zum ersten Male als Garant eines europäischen Friedens auf. In seinem Widerstand gegen die Expansionspläne Josephs 11. im Reich ging es Rußland nicht nur um seine SchiedsrichtersteIlung im Reich, sondern auch - anstelle von Schweden - um diese im Konzert der europäischen Mächte47• Die Spannung, in der der König die politische Entwicklung verfolgte, bestimmt seine Korrespondenz mit seinem Bruder Heinrich in diesen Jahren. "Soviel ich kann, predige ich mir Geduld, aber ich weiß nicht die Apathie oder vielmehr die stoische Indolenz zu gewinnen; ich liebe mein Vaterlande zu sehr, um gefühllos das Schicksal zu betrachten, das es bedroht. Sie werden mir vielleicht sagen: weshalb erregen Sie sich so? Das Sprichwort sagt: Apres moi le deluge. Das ist wahr. Wenn es nur um mich selbst ginge, würde ich so denken, aber es handelt sich um den Staat, dessen Steuermann ich bin und den ich so lenken muß, daß ich die Klippen umschiffe, solange die Regierung in meinen Händen liegt" (3.10.1782)48. Ein einzigartiges Zeugnis für die Beurteilung der Lage Preußens, während J oseph 11. und die Zarin Katharina sich über ihre Interessen verständigten, ist das Gespräch, das der König mit seinen ahnungslosen Tischgästen im chinesischen Teehäuschen im Park von Sanssouci im Mai 1781 führte. In pikanter Pointierung machte sich der König - "mit außerordentlicher Anmut", wie der Marchese Lucchesini seinem Tagebuch anvertraute - über die Statuten der Orden europäischer Fürsten lustig. Er schlug eine Reform vor: für das Haus Österreich einen Jupiter tonans, für England den Piraten 46 OUo Hintze, a.a.O., S. 390. 47 vgl. Wolfgang Stribrny, Die Rußlandpolitik Friedrichs des Großen 1764-1786, Wünburg 1968 (Beihefte zum Jahrbuch der A1bertus-Universität Königsberg/Pr. XXVI), S. 233. 48 oe XXVI., S. 492.

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häuptling Merkur, für Frankreich den Stern der Venus "und für uns" - fügte der König bedeutungsvoll hinzu - "für uns einen Affen; denn wir äffen die Großmächte nach, ohne es zu sein,.49. In der Erkenntnis seiner außenpolitischen Isolierung hat der König die Bemühungen der kleineren Reichsfürsten unterstützt, sich in einem deutschen Fürstenbund gegen die aggressive Reichspolitik des Kaisers, der seine Stellung im Reich durch einen Ländertausch mit den Wittelsbachern verstärken wollte, zusammenzuschließen, um durch die Beförderung dieses Bundes seiner eigenen Selbstbehauptung zu dienen. Bemerkenswert bleibt an diesem Vorgang, daß ohne fremde Garantiernacht eine interkonfessionelle Union deutscher Fürsten damals wenigstens vorübergehend zustande gekommen ist, die das moralische Ansehen Preußens im Reich erhöhte. Immer wieder hat die Erfahrung von den Grenzen des rationalen politischen Kalküls das Nachdenken des Königs beschäftigt - gegenüber den Unberechenbarkeiten der Ereignisse, der Undurchschaubarkeit der Zukunft. Die Bedrohung der europäischen Politik durch Rußland beruhte für ihn nicht zuletzt auf dieser Erfahrung: wenn der König in der Bilanz seiner Erfahrungen (in seinen Memoiren über die Nachkriegszeif~ erwähnt, die Russen seien nach ihrem Sieg über die Türken 1770 "ivre de la fortune" (betrunken von ihrem Glück), so gehört diese Erfahrung zu den Belastungen des politischen Geschäftes als ein höchst bedenklicher Umstand. Trotzdem: die politische Reflexion blieb für den König eine permanente Aufgabe "dans ce chaos de la politique europeenne" (26.10.1782) }\ denn für jeden Staatsmann sei das erste Gesetz in dem Verkehr mit anderen Staaten, die Interessen des eigenen Staates nicht außer acht zu lassen (9.11.1782 an Prinz Heinrich)52. Das Scandalon für viele Kritiker der Politik des Königs ist seine Leistung in 46 Regierungsjahren, die eine Tradition inauguriert hat, die entscheidend mit seiner Person verbunden ist - in Verbindung mit dem, was er selbst durch seine Erfahrungen geworden ist -, d. h. daß er nicht gescheitert ist wie Karl XII. von Schweden. In der Krise der Institutionen in unserer Gegenwart ist nicht allein die alte Erfahrung aufs Neue bestätigt worden, daß "nur der von Tugenden getragene moderne Staat ein freiheitlicher sein kann" (Ernst Forsthoff)53, sondern mit ihr auch, daß die Anerkennung des Vorbildes Zukunft 49 Marchese Girolamo Lucchesini, Das Tagebuch des Marchese Lucchesini (1780-1782),

hrs~l' v. Oppeln-Bronikowski/G. B. Volz, München 1926, S. 83.

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oe VI, S. 28. oe XXVI, S. 492.

52 oe XXVI, S. 497/98.

53 Ernst Forsthoff, Der modeme Staat und die Tugend, zuerst in: Tyrnbos für Wolfgang

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verspricht. "Jeder Staat braucht eine Tradition", hat Carlo Schmid im Deutschen Bundestag 1956 gesagt, "man kann einen Staat nicht nur auf Prinzipien aufbauen. Man braucht auch Vorbilder. Das ist der Sinn der Tradition',54 . Sie ist es, mit der der Imrerativ preußischer Vorbildlichkeit - "Hingabe an das Amt und Charakter'oS - das allgemein Menschliche meint: "Die wirklich Vornehmen, die gehorchen - nicht einem Machthaber, sondern dem Gefühl ihrer Pflicht,oS6. Die Weisheit Fontanes bezeichnet die Garantie der inneren Freiheit und Unabhängigkeit auch, wie sich gezeigt hat, in unserer Zeit.

Ahlmann, Berlin 1950, S. SOff (= Verfassungsrechtliche Abhandlungen, Stuttgart 1964, S. 26.) 54 Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Stenographische Berichte, Bd.29, S.7207 (18. April 1956). 55 A. Ernst von Ernsthausen, Erinnerungen eines preußischen Beamten, Bielefeld/Leipzig 1894, S. 232. 56 Theodor Fontane, "Der Stechlin" c. 10.

PREUSSISCH-RUSSISCHE VERHANDLUNGEN UM EINEN EUROPÄISCHEN SICHERHEITSPAKT IM ZEICHEN DER HEILIGEN ALLIANZ· Zu einer unveröffentlichten Denkschrift Ancillons aus dem Winter 1815/16 Von Werner Markert Die Sicherung Europas gegen eine erneute Bedrohung durch das unruhige Frankreich unter dem noch nicht gefestigten bourbonischen Königtum war das zentrale Thema der Verhandlungen, das die alliierten Monarchen und Staatsmänner in Paris nach der Verbannung Napoleons Ende Juli 1815 wieder zusammenführte. Bereits in dem ersten Memorandum des russischen Bevollmächtigten Graf Capodistrias vom 28. Juli 18151 war das Problem der erforderlichen "Garantien" aufgeworfen worden; Zar Alexander ließ darin die Unterscheidung treffen zwischen "garanties morales", die eine weitgehende Schonung Frankreichs erheischten, um Ludwig XVIII. die Autorität im Inneren gewinnen zu lassen, und den "garanties reelles", den Gebietsabtretungen, Grenzbefestigungen, Reparationen und einer Besatzungszeit zu ihrer Sicherstellung, die die anderen Mächte im Interesse ihrer Sicherheit zu fordern berechtigt sein sollten. Preußen, das nach den Erfahrungen der Jahre 1807-1812 Napoleon mit Frankreich zu identifizieren geneigt war, stand mit seinen weitgehenden Sicherheitswünschen allein. Castlereagh war zwar mit nüchternem Realismus bemüht, die "rheinische Verteidigungslinie,,2 zu verstärken, konnte sich aber den russischen Argumenten hinsichtlich der erwünschten Stabilisierung der inneren Verhältnisse Frankreichs nicht verschließen. Metternich bewegte sich ohne reale Zielsetzung im diplomatischen Milieu des Verhandlers und wies alle Hoffnungen auf Elsaß und Lothringen zurück3. Hardenberg und • Zuerst erschienen in "Festschrift für H. Aubin" 1956; hier nach Wemer Markert: "Osteuropa und die abendländische Welt" 1966, S. 145ff. 1 Memoire de M. Le Comte de Capa d'Istria, 28 Juillet 1815, in: A. F. H. Schaumann, Geschichte des zweiten Pariser Friedens für Deutschland, Göttingen 1844. Aktenstücke, I. 2 Vgl. K. Rheindorf, Englische Rheinpalitik 1813-15, in: Elsaß-Lothringisches Jahrbuch 7. Bd. 1928, 158ff., 190. 3 Vgl. K. Griewank, Der Wiener Kongreß und die europäische Restauration. 2. Aufl. Leip-

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Humboldt konnten sich nicht durchsetzen4 • König Friedrich Wilhelm III. gab dem persönlichen Drängen Alexanders nach, um die vom Zaren so gern betonte "union intime" der Monarchen und Regierungen nicht zu gefährden. Die grundlegenden Vereinbarungen vom 19. September, die zu Talleyrands Sturz und zur Berufung Richelieus führten, sahen die preußischen Erwartungen nur ungenügend erfüllt. Dem Zusammenspiel zwischen dem Zaren und dem Herzog von Richelieu, seinem Gouverneur von Südrußland in den Jahren 1804-1812, war es zu verdanken, daß weitere Veränderungen zugunsten Frankreichs im endgültigen Friedensvertrag vom 20. November 1815 vorgenommen wurden5. So sahen sich die preußischen Staatsmänner nicht nur in ihren Hoffnungen enttäuscht, sondern ernstlich um die Sicherheit Preußens in der Zukunft besorgt. Diese Sorgen galten freilich nicht nur dem Westen, sondern auch dem Osten. Erst auf dringliche Vorstellungen wurde im September 1815 die Festung Thorn von den russischen Truppen geräumt. Eine Sicherung des in diesem Jahre in Wien ausgehandelten territorialen Bestandes der preußischen Monarchie erschien den Berliner Staatsmännern als ein höchst aktuelles Problem6. Das Problem einer territorialen Garantie aller neu festgesetzten Staatsgrenzen war zwar in Wien von den Vertretern der Großmächte diskutiert worden. Castlereagh hatte sich im Februar 1815 nach der Regelung der polnischen Frage und der Ostgrenze Preußens einer solchen Verpflichtung geneigt gezeigt, um den gefürchteten Expansionsdrang des Zaren zu bändigen. Eine von Gentz verfaßte Erklärung war aber Entwurf geblieben7 und nach Castlereaghs Abreise zunächst nicht weiter verfolgt worden. Napoleons Rückkehr von Elba verhinderte auch weitere Vereinbarungen über ein neues "politisches System" der europäischen Staaten. Es entsprach aber dem allgemeinen Ruhebedürfnis nach der Epoche zwanzigjähriger Umwälzungen, daß der Gedanke einer "Garantie des in Wien erreichten Zustandes der europäischen Staaten" weiterhin lebhaft diskutiert wurde8. In den letzten Wochen der Pariser Verhandlungen hatte der Gedanke zig 1954, 312ff., 376. 4 Humboldts Antwort auf Capodistrias' Vorschläge und Hardenbergs Denkschriften vom 28. Aug. u. 8. Sept. 1815 bei Schaumann, a.a.O., Aktenstücke, III, VII, XIII. 5 Neben Bekanntem neuerdings J. Fouques Duparc, Der dritte Richelieu. Befreier des Landes im Jahre 1815, Freiburg 1949, 59ff., 201 6 Einen späteren Versuch, die Provinz Posen durch eine engere Bindung an den Deutschen Bund im Osten zu schützen, hat der Zar im November 1819 höchst ungnädig aufgenommen. Schöler an den König 12. Nov. 1819. 7 F. v. Gentz, Tagebücher (Aus dem Nachlasse Varnhagens van Ense). 4 Bde., Leipzig 1873-74, I, 443ff. 8 F. Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat, in: Werke, 5. Aufl., München 1%2, Bd. 5, 179 Anm. 2 weist auf das Garantie-Problem in der öffentlichen Meinung jener Jahre besonders hin. Zahlreiche weitere Beispiele von Europa-Plänen der Zeit bei J. Ter Meulen, Der Gedanke der internationalen Organisation in seiner Entwicklung 1789-1889. Haag 1920, 11.

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einer "Garantie" des territorialen Bestandes durch das Beispiel der Schweiz neue Aktualität bekommen, deren Vertreter sich um eine ausdrückliche Sicherung der in mühevollen Verhandlungen gewonnenen Grenzen bemühte. Wenn wir Pictet de Rochemont folgen können, so war es sein Verdienst und das der Unterstützung durch Capodistrias, daß es gegen die passive Resistenz des britischen Vertreters im Schweizer Komitee doch dazu kam, daß zusätzlich zu der Wiener Neutralitätserklärung der Mächte vom 20. März 1815 eine Neutralitätsakte am 20. November 1815 von den Großmächten unterzeichnet wurde, die die "Unverletzlichkeit des Territoriums in den neuen Grenzen" garantierte9• Im ersten Friedenswinter stand nächst dem vieldiskutierten Verfassungsproblem und allen Maßnahmen der Überleitung in einen Friedenszustand die Sorge um die künftige Sicherung des neu zusammengefügten preußischen Staatsgebietes noch im Vordergrunde der Überlegungen um einen dauerhaften Friedenszustand. Zu Hardenbergs Mitarbeitern im Außenministerium gehörte seit 1814 der Geheime Rat Ancillon, der beim König in hoher Gunst stand. Er hatte der Partei der Patrioten stets ferngestanden und den König im Dezember 1811 auch beim Abschluß des Bündnisses mit Napoleon bestärkt10• Friedrich Ancillon, der Sohn des aus einer Berliner Hugenottenfamilie stammenden Geheimen Rates und Französischen Predigers und selbst Theologell , hatte sich schon in jungen Jahren durch philosophische Beiträge in Berlin einen Namen gemacht. 1804 war er, im gleichen Jahre wie Alexander von Humboldt, in die Philosophische Klasse der Kgl. Akademie der Wissenschaften aufgenommen worden, der schon sein Vater angehörte (gest. 1814) und deren Sekretariat er 1810 übernahm. Auch nachdem er dieses Amt beim Eintritt in das Außenministerium 1814 an Schleiermacher abgegeben hatte, trug er in den folgenden Jahren noch eine Reihe von Abhandlungen12 zur politischen Theorie der Restaurationszeit in der Akademie vor. Seine 1801 veröffentlichte "Histoire des revolutions du systeme politique de I'Europe pendant les trois dernieres siecles", die er 1823 in einer neuen vier-

9 E. Pictet, Biographie et correspondance diplomatique de C. Pictet de Rochemont. Genf 1892, 439, 316. Zur völkerrechtlichen Problematik jener Kollektiv-Garantie s. L. v. Muralt, in: Neue Zürcher Zeitung, 21.2.53 sowie: Die 'Garantie' der Neutralität. NZZ, 1.1.56; auch M. Bourquinm, Histoire de I Saint-Alliance. Genf 1954. 10 U. Seyffarth, Zur Außenpolitik des Staatskanzlers Fürsten von Hardenberg von 18101812. Würzburg 1939, 28; H. Hausherr, Die Stunde Hardenbergs. Hamburg 1943, 323. 11 F. Ancillon, geb. 30. April 1767 in Berlin, preußischer Außenminister vom Mai 1832 bis zu seinem Tode am 19. April 1837. 12 Sur la legislation de la Presse (16.3.1816); Über die bewegenden Triebfedern in den verschiedenen Staatsverfassungen und über Gemeinsinn in alten und neuen Staaten (24.1.1817), in: Abhandlungen der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften aus den Jahren 1816 und 1817, Berlin 1819.

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bändigen Bearbeitung herausgab13, wies ihn durch dieses bald bekannte Handbuch der Diplomaten als systematischen Kopf im Stile der vergangenen Jahrzehnte aus. Der König hatte ihm die Erziehung des Kronprinzen anvertraut l4 • Wenn Ancillons rationalistische, in der Spätaufklärung wurzelnde Auffassung vom monarchischen Staatsabsolutismus und von der Mechanik der "Gegenkräfte" im europäischen Staatensystem bei Friedrich Wilhelm IV. wenig Widerhall fand und dieser sich vielmehr den universalen patrimonialen, wenn auch ebenso der Aufklärung verhafteten Gedanken Karl Ludwig von Hallers erschloß, mit dem sich Ancillon seit dem Erscheinen des ersten Bandes der "Restauration der Staatswissenschaften" im Herbst 1816 heftig befehdete15 , so genoß er weiterhin, als Absolutist und Gegner aller Verfassungsplänel6, um so mehr das Vertrauen des Königs, der ihm schließlich im Mai 1832 nach der Erkrankung des Grafen Bernstorff sogar das Außenministerium übertrug. Gewiß folgte Hardenberg einer Anregung des federgewandten Mitarbeiters Ancillon, wenn er ihm nach dem Berliner Besuch des Zaren Ende November 1815 den Auftrag gab, seine Gedanken über ein künftiges "politisches System" Europas auf der Grundlage einer allseitigen Garantie des legitimen Besitzstandes und der Sicherung der monarchischen Autorität zur Weiterleitung an den Zaren niederzuschreiben und dabei an die 'Heilige Allianz' anzuknüpfen. Auf diese Weise hoffte Hardenberg, den Zaren für das Sicherheitsbedürfnis Preußens gewinnen zu können, und meinte wohl, der Weg hierzu könne durch den Appell an das christliche Monarchenbündnis geebnet sein, offensichtlich eine Lieblingsidee Alexanders, von der im Dezember 1815 noch keiner der wenigen Eingeweihten sagen konnte, welche Absichten Alexander I. eigentlich mit seiner Initiative verfolge. Seitdem der Zar am 28. September 1815 die alliierten Monarchen in Paris verlassen hatte, wenige Tage nach der Unterzeichnung des christlichen Monarchenbekenntnisses und der mit Kaiser Franz und Castlereagh vereinbarten Einladung zum Beitritt an den Prinzregenten17, war in Berlin nur dessen rasch erfolgte, zustimmende persönliche Antwort an den Zaren bekanntge13 Tableau des revolutions du systeme politique de l'Europe depuis la fin du quinzieme siede par Frederic Ancillon de l'Academie des Sciences et Belles-Lettres de Berlin. Paris 1823. 14 P. Haake, Joh. P. F. Ancillon und Kronprinz Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. München 1920, modifIZiert das harte Urteil H. v. Treitschkes, der die Schale verachtenden Zornes über ihn ergießt: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Leipzig 1927, I, 390 und passim. 15 Ancillons Gegenschrift: Über die Staatswissenschaft. Abhandlungen über den Zweck des Staats, die Form des Staats, die bewegenden Prinzipien des Staats. Berlin 1820, 18-24. 16 Über die Souveränität und Staatsverfassung. Ein Versuch zur Berichtigung einiger politischer Grundbegriffe. Berlin 1815; auch die Akademieabhandlung: Sur la legislation de la Presse. 17 Vg1. hierzu den Beitrag des Verf.: Metternich und Alexander I. Die Rivalität der Mächte in der europäischen Allianz. ·Osteuropa und die abendländische Welt·, S. 122ff.

Preußisch-russische Verhandlungen im Zeichen der Heiligen Allianz

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wordenl8 . Hardenberg und Ancillon meinten danach, auch hinsichtlich der 'Heiligen Allianz' mit den vier alliierten Mächten rechnen zu können. Die Aufforderung an Ludwig XVIII., die Alexander nach Absprache mit Capodistrias und Richelieu durch seinen Botschafter Pozzo di Borgo hatte übermitteln lassen, und ebenso dessen noch am Tage vor dem Abschluß des zweiten Pariser Friedens vollzogene Beitrittserklärung waren nicht bekanntgegeben worden. Als sich der preußische Gesandte am Petersburger Hofe, General Friedrich von Schöler, im Dezember 1815 beim Staatskanzler abmeldete, um sich auf seinen Posten an der Neva zu begeben, erhielt er den Auftrag, vorsichtig beim Zaren zu sondieren, ob er geneigt sei, eine Aufzeichnung Ancillons persönlich entgegenzunehmen. Schöler mußte hierfür die Eignung besitzen; denn er war in den Jahren 1807 - 1813 neben dem Gesandten von Schladen als beauftragter Offtzier dem Zaren attachiert gewesen und auch während des Kriegsjahres 1812 in Petersburg in einer Vertrauensstellung bei Alexander I. geblieben. Bereits in seinem ersten Bericht aus St. Petersburg an den König vom 26. Januar 1816 konnte Schöler zugleich mit der Nachricht von der eben in Rußland erfolgten Veröffentlichung der 'Heiligen Allianz' nach Berlin mitteilen der Zar werde gern "Ie travail de Mr. Ancillons" in Empfang nehmen l9. Auf die verwunderte Rückfrage des Königs um Auskunft über die erwähnte Arbeit Ancillon berichtete ihm Hardenberg am 12. Februar 1816 entschuldigend und aufklärend20 : Votre Majeste a voulu avoir des renseignements sur le memoire de Mr. Ancillon dont le General de Schoeler fait mention dans son dernier rapport. Je m'etais reserve de les Lui donner de bouche, la premiere fois que j'aurais l'honneur de venir au rapport et je m'empresse de le faire maintenant par ecrit. M'entretenant lors du depart du General Schoeler avec Mr. Ancillon, il rot question entre nous de l'utilite d'etendre le Traite chretien, qui vient, d'etre publie, pour mieux assurer encore la tranquillitee de l'Europe. Je priais M. Ancillon de coucher ces idees par ecrit pour les remettre au GI. Schoeler d'une maniere non offtcielle afm qu'il puisse occasionellement sonder des intentions de I'Empereur Alexandre dans une conversation particuliere avec ce Prince. S'il les goßte, - pensai-je - nous pourrons peutetre parvenir ales realiser. Ce n'etoit nullement mon intention que le General Schoeler parlat 18 Brief des Prinzregenten an den Zaren vom 6. Okt. 1815 bei W. Näf, Zur Geschichte der Heiligen Allianz. Bem 1928 (Bemer UntersUChungen zur allgemeinen Geschichte, 1),41. Beitrittserklärung Ludwigs XVIII. vom 19. Nov. 1815 bei Näf, a.a.O., 42. 19 Schöler an den König, 26. Jan. 1816. 20 Pr. Geh. St. A., Rep. 131 2. C. a. K. 602 G. (Kopie).

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Werner Markert

de cette affaire dans une depeche; elle n'etoit pas assez preparee pour cela. Votre Majeste daignera voir dans le memoire meme, que j'ajoute a la presente feuille, que son contenu est parfaitement conforme aux sentiments et aux voeux qu'Elle a souvent enonces Elle meme, mais il est necessaire d'user d'une grande delicatesse et air conspection a l'egard de cet objet. Conjointement avec I'Empereur de Russie I'on pourroit l'extamer avec un juste espoir du succes. Berlin, le 12. de fevr. 1816

Hardenberg

J'ai pris connaissance deja en autonne dernier du contenu de la piece cijointe. Elle a obtenu mon suffrage comme elle le merite, et je le commende beaucoup de l'utiliser autant que possible. Hbg. Am 10. März 1816 sandte Hardenberg das Memorandum Ancillons21 mit der Zustimmung des Königs an Schöler ab, die dieser am 26. März dem Monarchen überreichte. Der Staatskanzler fügte hinzu, der König wünsche die Vorschläge des Memorandums beim Kaiser in Anregung zu bringen und dessen Meinung zu erfahren, "wie die Sache nunmehr bei den Höfen offiziell einzuleiten sei, um solche gemeinschaftlich mit dem russischen Hofe bestens zu unterstützen." A la fin d'une guerre entreprise pour retablir l'independance politique des etats de I'Europe et pour consacrer le principe de la Iegitimite, il etoit digne des souverains a qui l'humanite doit ce double bienfait de couronner leur ouvrage en etendant leurs soins a I'avenir et en prevenant par une association protectrice des guerres et des revolutions. Tel a ete le motif et l'objet du Traite propose par l'empereur de Russie et adopte par le Roi de Prusse, l'empereur d'Autriche et le Prince Regent; Traite qui repose tout entier sur I'idee aussi simple que sublime que la societe des princes et des etats Chretiens doit etre regardee et se considerer elle-meme, comme une societe de familie, dont tous les membres ont des droits et des obligations reciproques, Oll le bonheur general ne peut naitre que de la paix et Oll la paix ne peut reposer que sur la justice. Ce traite d'un genre nouveau dans les annales du monde, qui seul suffIrait pour immortaliser l'epoque Oll nous vivons, consacrera, sous la forme actuelle les sentimens et les principes des souverains qui l'ont conclu, mais pour assurer la paix du monde, il a besoin de developpements, il faut lui donner des formes plus determinees et le tirer du champ des abstractions en lui 21 Pr. Geh. St. A., Rep. 131 2. C. a. K. 602 G. sowie Rep. 81, Petersburg, I, 84. Die Denkschrift befindet sich nicht bei den Petersburger Berichten Schölers und ist infolgedessen Bernhardi und Schiemann unbekannt geblieben. Abschriften konnten bei den Petersburger Gesandtschaftsakten und in Hardenbergs Papieren gefunden werden; der Passus in Klammern, S. 151 u., nur in letzterer, nicht in der Petersburger Kopie.

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imprimant un caractere plus precis et plus prononce. Afm de connaitre avec precision ce qu'on peut desirer, atten