Predigt gehalten bei der Wieder-Eröffnung der Deutsch-Evangelisch-Lutherischen Kirche, in der Savoy, zu London, am 16ten Sonntage nach Trinitatis, d. 21. Sept. 1828 [Reprint 2021 ed.] 9783112431085, 9783112431078

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Predigt gehalten bei der Wieder-Eröffnung der Deutsch-Evangelisch-Lutherischen Kirche, in der Savoy, zu London, am 16ten Sonntage nach Trinitatis, d. 21. Sept. 1828 [Reprint 2021 ed.]
 9783112431085, 9783112431078

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Predigt, gehalten bei der

Wieder - Eröffnung d er

Deutsch-Evangelisch-Lutherischen Kirche, in der SAVOY, zu London, am 16tfn Sonntage nach Trinitatis, d. 21. Sept. 1828, von

Dr. Fr. Schleiermacher.

Berlin, 1829. Gedruckt und verlegt bei G. Reimer.

Dis Savoy / Kirche war mehrere Monate eines Baues we­ gen gesperrt gewesen, und da eS sich traf, daß grade während meines kurzen Aufenthaltes in London zum ersten Male wieder Gottesdienst gehalten werden sollte: so hatte Hr. Dr. Steinkopff die Freundlichkeit mir vorzufchlagen, daß ich die Predigt übernehmen möchte. Ein solcher gelegentlicher Vortrag mitten unter den Zerstreuungen eines solchen Aufenthaltes vor einer ganz fremden Gemeine gehalten, eignet sich freilich weniger für ein größeres Publicum; indeß da diese Predigt schon in London aus einer im Ganzen recht getreuen Nachschrift gedrukt worden ist: so konnte ich gegen eine neue Bekanntmachung derselben hier auch nicht- bedeutende- einwenden.

*ytrr, unser Gott und Vater, der du uns durch den

Mund deines Sohnes verheißen hast, daß wo Viele oder

Wenige vor dir versammlet sind in seinem Namen, Er selbst unter ihnen seyn werde,

Er, der Eins ist mit dir,

und in dem alle deine Verheißungen Ja sind und Amen; O! laß denn dieses auch an uns in Erfüllung gehen, so daß wir in dieser Stunde uns seiner geistigen Gegenwart

erfreuen zum Heil unsrer Seelen; und gieb, daß hier und in allen Gemeinden der Gläubigen nichts anders möge ver-

kündigt werden, durch Ihn!

als Er und deine seligmachende Gnade

darum rufen wir dich an in seinem Namen-

Vater unser, u. s. w.

Ephes. 4, 23. Erneuert euch aber im Geist eures Gemüths.

Meine geliebten Freunde in Christo Jesu!

Als eS

mir auf das freundlichste in brüderlicher Liebe vergönnt

ward, mir als einem Fremdlinge, der aber doch euch ver­

wandt ist und befreundet, an diesem besonders erfreulichen Tage zu euch zu reden: so glaubte ich nichts besseres thun

zu können, als mit diesen Worten des Apostels euch anA 2

4 zufprechrn; und in demselbigen Sinne, in welchem er sie ju jener Christen»Gemeinde redete, will ich sie auch für euch anwenden. Es war eine Gemeinde von Christen, welchen der Apostel selbst das Zeugniß gab, daß sie aus GotteS Gnade selig gemacht worden durch den Glauben an Je­ sum. Wenn er ihnen also dennoch hier zuruft, sie sollen sich erneuern im Geist: so meint er damit nicht jenes ur­ sprüngliche geheimnißvolle Wirken des göttlichen Geistes, welches doch immer nur der Anfang bleibt eines neuen Lebens, wenn nämlich der Mensch zuerst von sich sagen kann, Ich glaube, Herr, hilf meinen Unglauben, wenn er zuerst sich in Wahrheit das Zeugniß geben kann. Ich habe ein Wohlgefallen nach dem inwendigen Menschen an dem Gesetze Gottes, ich habe das Wollen und Wünschen, aber das Bollbn'ngen fehlt. Denn wenn er von ihnen sagt und ihnen bezeugt, daß sie selig geworden seien durch den Glau­ ben an Jesum: so mußte auch dieses schon an ihnen ge­ schehen sein. Aber das neue und göttliche Leben, welches Er unser Erlöser .wiedergebracht hat, bedarf einer bestän­ digen Erfrischung und Erneuerung aus seinem Ursprung. Mit jener ersten Hinwendung des Menschen zu Gott im Glauben, beginnt erst der Kampf zwischen dem Geiste und dem Fleische; und eben deswegen, damit der Sieg immer vollständiger werde, bedürfen wir einer sich oft erneuenden Belebung jener geistigen Kräfte. Bon dieser also redet der Apostel in unserm Texte. Eben so nun glaube auch ich, so oft ich vor einer Versammlung von Christen rede, sie ansehen zu müssen als solche, welche sich schon in der seligen Bearbeitung des

5 göttlichen Geistes befinden, in welchen Christus bereits an« gefangen hat sich zu gestalten. Aber wie weit wir eS auch darin schon gebracht haben mögen, wie stark der Geist sein mag über daS Fleisch; immer bedarf es für] und dieser fortgesetzten und unausgesetzten Erneuerung in dem Geiste deS Gemüthes; und zu dieser soll unS Alles gedei­ hen, waS zu dem christlichen Leben gehört. Dazu soll bei­ tragen die tägliche Uebung in dem göttlichen Gesetze, wie sie einem jeden der Kreis seines Berufs und feiner geselli­ gen Verhältnisse anweist, in welchem wir ja immer Ge­ legenheit haben zu erkennen, wie mächtig schon der Geist Gottes in uns wirkt, oder wie schwach wir noch selbst sind. Dazu soll beitragen die stille Selbstbetrachtung, welche überall jenes gejchäftige Leben unterbricht, so oft der Mensch sich selbst prüft, um zu erkennen, indem er in den Spiegel des göttlichen Wortes hineinschaut, wie er ge­ staltet ist. Aber auch diese unsere Versammlungen, ja alle gemeinschaftliche Ermahnung und Erbauung, wie sie be­ ginnt mit dem vertrauten Verhältniß einzelner Seelen un­ tereinander aber am deutlichsten und wirksamsten sich zu erkennen giebt und sich in ihrem größten Umfange zeigt in unsern christlichen Zusammenkünften, auch diese hat daran ihr eigenes und bescheidnes Theil. Und hierüber mit ein­ ander nachzudenken, fordert uns dieser Tag, an dem ihr euch zuerst in diesen Gott geweihten Räumen wieder zu­ sammen findet, auf besondere Weise auf. Darum möchte ich auch vorzüglich in dieser besondern Beziehung euch die Ermahnung des Apostels ans Herz legen. Laßt unö deshalb Erstens erwägen: Auf welche Weise besonders diese unsere christlichen Zusammenkünfte

6 die Erneuerung im Geist des Gemüths fördern und unterstützcn. Dann aber auch Zweitens: Wie dieser er» fteuliche Tag mit seiner eigenthümlichen Veranlassung euch eine besondere Aufforderung seyn soll, euch dieser Unter­ stützung theilhaftig zu machen, und durch solche Erneue­ rung im geistigen Leben zu wachsen und zuzunehmen.

I. Wenn wir erstlich unS die Frage vorlegen: WaS ist denn die besondere eigenthümliche Wirkung dieser unsrer christlichen Zusammenkünfte zum Behuf der Erneuerung im Geiste deS Gemüths? — so werden wir sie uns nur rich­ tig beantworten können, wenn wir darauf Achtung geben, was denn überhaupt das eigentlich Wirksame in denselben sei. Was wird uns, so oft wir uns hier versammle», vor Augen gehalten, womit beschäftigen wir uns? Es ist nichts anderes, als das Wort Gottes. Was ergreift uns allemal, wenn wir uns in unsern Versammlungshäuscrn vereinigen, auf ganz besondere und eigenthümliche Weise? Es ist das Bewußtsein eines gemeinsamen über Alle ver­ breiteten Lebens, in Beziehung auf welches keiner etwas ist für sich selbst und durch sich selbst. So finden wir uns hier als die Glieder einer christlichen Gemeinde zusam­ men. Diese selbst aber ist wieder nur ein Glied einer größern kirchlichen Gesellschaft; und auch diese, die Gemein­ schaft der evangelischen Bekenner, ist nur ein Glied in je­ ner unsichtbaren Kirche des Herrn, welche überall nur eins ist, und dasselbe. Seht denn, diese beiden Stükke, Wort Gottes und Bewußtsein der geistigen Gemeinschaft, sind das eigentlich

/

wirksame in allen Versammlungen der Christen; aber gemiß auch eben dasjenige, waS am kräftigsten sein muß, um uns im Geiste des Gemüthes zu erneuern, weil gerade davor der alte Mensch am wenigsten bestehen kann. Denn das Wort Gottes ist die ewige und heilige Wahrheit, welche bis tief in das Innere des Gemüthes hineindringt; aber alles, waS in uns noch dem alten Menschen angehört, das hat auch noch einen Theil an der Unwahrheit, das Gefühl des gemeinsamen Lebens, welche- unS hier ergreift, muß unS nothwendig festhalten an der gemeinsa­ men Q-uelle dieses LebenS; aber alles, dem alten Men­ schen Angehörige, hat einen Theil an der Eigenliebe und Selbstsucht. Wenn dieses beides nicht wäre, die Unwahr­ heit in den verborgensten Tiefen der menschlichen Seele auf der einen Seite, und die Selbstsucht, welche an dem Eit­ len des irdischen Daseins hängt, auf der andern: wo hätte jemals die Sünde Raum gewinnen und Gewalt üben kön­ nen in der unsterblichen, nach dem Ebenbilde Gottes ge­ schaffenen Seele? Je ungetrübter wir uns also einerseits das göttliche Wort vorhalten, so daß seine reine himm­ lische Wahrheit unser innerstes Wesen durchdringt; je freu­ diger wir uns von dem gemeinsamen Leben ergreifen las­ sen, so daß was hingebende Thätigkeit, die nicht das ih­ rige sucht, zur Seligkeit wird: desta mehr ringt der alte Mensch in uns mit dem Tode; und eben sein Absterben ist unser zunehmendes, sich immer erneuerndes Leben. Das ist die Erfahrung, meine Freunde, welche alle treuen und gläubigen Thcilnehmer christlicher Versammlun­ gen zu allen Zeiten machen ; das ist die eigenthümliche Art, wie diese zur Erneuerung im Geist des Gemüthes bcitra-

8 gen.

Und der Apostel Paulus bezeugt die- in einem an­

dern, unserm Briefe verwandten Schreiben, auf eine aus­

drückliche Weife, wo er von dieser Erneuerung im Geiste deS Gemüths redet, indem er sagt: Wir sollen den neuen Men­

schen anziehen, der da erneuert wird zu der Erkenntniß nach dem Ebenbilde deß, der ihn geschaffen hat; da nicht ist

Grieche, Jude, Beschneidung, Vorhaut, Ungrieche, Scythe, Knecht, Freier; sondern Alle- und in Allen Christus *).

Ist nun diese brüderliche Gleichheit nur in unserm gemeinsa­

men Leben; ist jene Erkenntniß nur in dem göttlichen Worte: so sehen wir auS diesen Worten des Apostels noch genauer,

was wir besonders durch unsere christlichen Versammlungen für unsere Erneuerung gewinnen sollen.

Es ist die Klarheit

in der Erkenntniß, welches da sei der heilige und wohlgefäl­ lige Gotteswille an unS Alle in Christo Jesu, es ist die

erhöhte lebendige Beziehung auf das gemeinsame Leben der

Christen, in welchem eben Er Alles ist in Allem; so daß

ein Jeder, der also gestärkt und erinnert von dannen geht, sagen kann, daß nun wie auf's neue und in einem höhcrn

Grade nicht mehr er lebe im Fleisch, sondern Christus in

ihm, und daß ihm aufs neue der Geist Christi, was er von Christo genommen, verklärt habe.

Diese Wirkung werden

wir gewiß alle immer reiner, so wie immer reicher erfahren,

je weniger wir glauben, daß es hier etwas anderes wirk­ sames gebe, alS dieses beides, das Wort Gottes und das Bewußtsein der christlichen Gemeinschaft.

So haben auch von Anfang an alle diejenigen gedacht,

welchen der Dienst an dem göttlichen Worte durch die Gnade

)

Soloff. 3, to. 11.

9 Gottes zu ihrem Berufe geworden ist; und eben unser Apo­ stel hat dieß am einfältigsten und deutlichsten heraus ge­ sagt, indem er spricht. Er sei nicht gekommen mit Worten menschlicher Weisheit, sondern nur mit dem Worte Got­ tes; er habe sich nicht gedünkt etwas anderes zu wissen, als nur Zesum Christum den Gekreuzigten. Aber eben deßwegen sagt er auch, daß seine Predigt überall gewesen sei im Geist und in der Kraft. Und eben so ermuntert er auch überall die Christen, fest zu halten an der Gemein­ schaft, und weiset hin an diese, als an die rechte Bürg­ schaft und Sicherheit für die Fortdauer und Gesundheit deS geistlichen Lebens. Wo es nun anders geschähe als so, da würde frei­ lich dieser göttliche Segen aus unsern Zusammenkünften weichen; sie würden aber auch nicht mehr dieselben sein. Wer hier reden wollte zu den Christen aus seiner eigenen Weisheit, der würde handeln, wie wir in andern mensch­ lichen Geschäften pflegen; und diejenigen, die hieher kämen, in der Absicht den einen Lehrer vor den Anderen zu unterschei­ den, indem sie nämlich auf die Anmuth und Lieblichkeit oder auf die Stärke und menschliche Weisheit der Rede vorzüglich merkten, die stellen unsere Zusammenkünfte ganz anderen Oertern gleich, wo mit den Waffen der Rede und um anderen Preis gekämpft wird. Beide aber würden auf das Fleisch säen, und vom Fleische nichts anders als daö Vergängliche und das Verderben erndten. Ze mehr wir von allem Menschlichen absehen, und es nur betrachten als die Schale, in der unS die himmlische Gabe dargereicht wird; je mehr wir für nichts anderes Sinn und Ge­ schmack haben, alö für das Wort Gottes, das eben so

10 einfältig ist, als kräftig: um desto mehr werden wir zu­

nehmen in der Klarheit der Erkenntniß.

der hieher kommt

Ze weniger jeder,

in die Gemeinschnft seiner christlichen

Brüder und Schwestern um sich mit ihnen an dem gött­ lichen Worte zu erbauen und zu stärken, eine Rechnung

anlegt,

was

er selbst sei und gelte in dieser Gemein­

schaft der Gläubigen, vielmehr nur darauf bedacht ist, aus der gemeinsamen Quelle zu schöpfen für sich und somit

auch für alle, denen er in seinem Leben wieder darreicht

von den neu gestärkten Kräften der Liebe und der Wahr­ heit: desto mehr werden wir alle gewiß erneut werden im

Geiste unseres Gemüthes, um desto mehr wird alles von uns abfallen, was noch irdisch ist und fleischlich, und waS deswegen eine Feindschaft ist gegen Gott.

Wer aber des­

sen vergißt, daß wie wir alle Glieder sind an demselben geistigen Leibe Christi, so auch jeder, indem er dienen will

mit seiner Gabe, bedürftig ist des freundlichen Hinzutritts

der Gabe des Andern, der wird immer nur jenem gleichen,

welcher, weil er nur in den Tempel Gottes ging um zu dan­ ken für das, was er bereits geworden war, und um sich mit

Anderen zu messen, ungerechtfertigt von dannen ging.

Und

was anders wäre das wieder, als auf daS Fleisch säen, und von dem Fleische das Verderben ernten?

Darum laßt

uns mit unserm ganzen Gemüthe ausschließlich auf diese beiden Hauptstücke gerichtet fein!

Ze mehr unser Herz nur

anfgethan ist, um das Wort Gottes, wie es an uns er­ gangen ist durch seinen Sohn, in uns aufzunehmen; je lie­

ber wir uns durchwehen lassen von dem lebendigen Geiste der Gemeinde, in welcher ein Zeder sich selbst vergißt und

verliert, um sich dadurch hundertfältig wiederzufinden in

11 dem Reiche GotteS, in dem er nicht ein Ganzes ist für sich, sondern nur ein Theil, ein Glied: um desto reichlicher wird aller Segen, der in diesen christlichen Versammlun­ gen liegt, über uns kommen, und keiner von uns wird je von dannen gehen, ohne erneut zu sein in einem höhern Grade im Geiste des Gemüthes. Wenn wir also hierher kommen als solche, die sich be­ wußt sind, daß sie dieser Erneuerung bedürfen: wohlan! so laßt uns denn, indem wir die schöne und erfreuliche Ver­ anlassung des heutigen Tages ins Auge fassen, im zweiten Theile unserer Betrachtung darauf sehen,

II. Wie wir uns eben hierdurch um so kräftiger sol­ len aufgefordert finden, an jener Unterstützung in der Heili­ gung und Erneuerung, an jenem besondern göttlichen Gna­ denmittel immer aufs Neue zu unserer Seelen Heile theilzunehmen. Bedenkt, deswegen, meine theuren Freude: 1) Wie diese ganze schöne Erneuerung eures Gottes­ hauses etwas vergängliches sein würde und leeres, nichtiger als irgend ein anderes menschliches Werk, wenn ihr nicht zu dem ausgesprochenen großen Zwekke zusammcnkommt. Denn alles andere fast, was Menschen unternehmen und allein oder durch vereinigte Kräfte ausführen, hat mannigfaltige Abzwekkungen, und dient zu gar verschiedenem Gebrauche. Ze zusammengeseztcr jedes ist, je mehr mit Verstand erdacht und ausgcführt und je mehr Kräfte dazu verwandt worden, um desto vielseitiger ist der Gebrauch und die Anwendung. Hier aber giebt es nur dieses Eine, die Erneuerung im Geiste des Gemüthes; und wird dies verfehlt, so ist nichts

12 leerer und vergeblicher, als dies Zusammenkommen, weil es eben keinen andern Nuzcn und Gebrauch.haben, weil es unS

in keinem Theil unseres weltlichen LcbenS fördern, weil sonst nicht- dadurch ausgcrichtet und geübt werden kann, wenn

nicht eben daS Eine, Erneuerung im Geiste deS Gemüthedurch daS Wort Gottes.

Wenn wir unsere Kirchen und Versammlungs-Häuser be­ zeichnen als Gott geweihte Stätten, so haben wir wohl recht;

vorausgesetzt daß wir dabei bedenken das Wort des Apo­ stels, daß der Gott, der Himmel und Erde erschaffen, nicht wohnet in Tempeln mit Händen gemacht, und nicht bedarf, daß man sein pflege.

Wenn also doch diese Gebäude ihm

geweihet sind, wenn wir sie ansehen als die Stätten seiner

Wohnung, worauf beruht das, als darauf, daß während

wir hier versammlet sind im Namen seines Sohnes, Er unter uns sein, in uns wohnen will, daß sein Geist zur Erneuerung im Geiste des Gemüthes, und zur Heiligung unseres Lebens wirksam ist; und daß eben dadurch das Band unserer christlichen Gemeinschaft, in welcher jeder gehalten

wird durch da- Ganze auf Christum gebaut, immer mehr befestiget wird. Darum, schmücken wir und erneuern wir unsere Got­

teshäuser, finden wir uns darin ein als fleißige Besucher;

eS fehlt aber der Segen der Erneuerung im Geist des Ge­ müths, eben weil wir irgend etwas anderes dabei wollen oder suchen, — denn sonst kann er uns niemals fehlen:

so sind Mühe und Arbeit, Zeit und Kosten umsonst auf­ gewendet.

Eine Gemeinde von Christen, die sich ihr Got-

trohaus auf das sorgfältigste ordnet, es auf das schönste und angemessenste verziert, ja auch fleißig ist im Besuch

13 desselben; sie glaubt aber, daß hiedurch an und für sich etwas bewirkt wäre, abgesehen von dem, was im Innern des Gemüthes geschehen soll, die wäre nicht besser als jene, von welchen Christus sagt, sie wären wie die übertünch­ ten Gräber, welche von außen zwar ein stattliches Anschn hätten, aber inwendig wären sie voller Todtengebeine. Denn rechnet zusammen die Schönheit deö Gebäudes, die Fülle der Anwesenden, den Wohllaut der Rede und des Gesanges; alles das ist nur ein Aeußeres und warli'ch nur ein Todtengehäuse, wenn es an dem Innern fehlt. Denn wenn in dem Gemüthe die Sehnsucht nicht ist sich zu er­ neuern, in der Erkenntniß zuzunehmen nach dem Ebenbild dessen, durch den wir alle geschaffen sind in der neuen Creatur: was kann anderes darin sein als Staub und Verwesung, und was anders als Liebe und Anhänglich­ keit (ohne sie kann der Mensch nicht sein) da nicht zu dem Geistigen und Ewigen, folglich zu dem Irdischen und Nichtigen. 2) Aber eben so laßt euch besonders auffordern, meine theure Freunde, euch hier immer nur zu der Erneuerung im Geiste des Gemüths zu versammeln, dadurch, daß eben dieses Werk ein Werk der Liebe ist. Ihr seid dieses euch gewohnten und befreundeten Rau­ mes lange Zeit beraubt gewesen, ihr wäret ungewiß, ob es würde durchzuführen sein, ihn auf so erfreuliche Weise herzustellen; und wären nicht die Gaben der Liebe, wäre nicht die freundliche auf diesen Zweck gerichtete Gesinnung der Mitglieder dieser und andrer Gemeinden gewesen, so wäre auch das, waS uns heute mit so dankbarer Freude erfüllt, nicht zu Stande gekommen.

14 Wohlan! so laßt unS denn fragen: WaS will und was sucht denn die Liebe in diesem, wie in Allem? Sie sucht nicht das ihrige, aber sie sucht alles und hoffet alles, was wahr ist und gut; sie sucht und will nichts anders, als daß Alle ungeschieden bleiben mögen von der Liebe Gottes, die da ist in Jesu Christo; denn es giebt keine andere wahre Liebe, alS die, welche in Ihm war, und durch Ihn in uns aufgerichtet ist. Was hat also auch diese christliche Liebe gewollt, die euch dies schöne Gottes­ haus erbaut hat? Nichts anderes, als daß ihr aufs Neue möchtet zusammengefaßt werden in Liebe, daß es auch Euch nicht fehlen möge an einer Stätte, wo das erneuernde Wort Gottes verkündiget wird, an einem Vereinigungs­ ort, um gestärkt zu werden in dem Bewußtsein der christ­ lichen Gemeinschaft. So ehrt denn, meine theuren Freunde, das Werk der Liebe! Es kann bei dem, was diese thut, niemals die Frage sein, ob wir mehr oder weniger verdienen es zu empfan­ gen, — denn die Liebe wartet nicht auf das verdienen, so wenig sie es erfordert, — aber ob wir fähig sind es zu gebrauchen, diese Frage haben wir überall uns vorzulegen, wo irgend etwas uns als eine Gabe der Liebe dargebo­ ten wird. Wenn Ihr nun anders hier zusammen kämet, als um Euch zu erneuern im Geiste des Gemüthes: so wäret ihr unfähig zu einem solchen Gebrauch; so würde der Zweck der Liebe verfehlt werden. Und so gewiß Ihr glaubet, daß es nichts anders gewesen ist als sie, als diese reine Luft und Freude an der Erhaltung und Verbreitung jedes lebendigen Werkes christlicher Gemeinschaft, was Euch diesen Tempel erneuert hat: desto mehr sollt ihr suchen das

15 Werk der Siebe dadurch zu ehren, daß ihr eS würdig ge­ brauchet. — So wächst, nach der heiligen Ordnung GotteS, die Liebe, dieser Inbegriff alles göttlichen SegenS, durch sich selbst. Auch der Apostel, wenn er der Ge­ meinde an welche die Worte unseres Textes gerichtet sind daS Zeugniß giebt, daß sie schon selig geworden durch den Glauben an Jesum, was meint er anders, als daß der Glaube in ihnen die Liebe gewirkt habe; denn das ist die Seligkeit des Menschen. So laßt euch denn zurufen in diesen erneuerten Mauern den großen und einzigen Wahlspruch aller Chri­ sten: Wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott, und Gott in ihm. In der Liebe zu bleiben, dazu ladet uns ein jedes Werk der Liebe ein; aber wie nur durch Chri­ stum die Liebe ausgegoffen ist in unsre Herzen, so wissen wir, giebt es auch kein anderes Bleiben in der Liebe, als wenn Er in uns lebt. Und das ist ja nichts anders, als eben die selige Erneuerung im Geiste des Gemüthes. 3) Wenn wir aber irgend eins von den Versamm­ lungshausern der Christen betreten, so können wir nicht umhin auch an die mannigfaltigen Zcrtheilungen der christ­ lichen Gemeinschaft zu denken. Denn ein jedes solches Gebäude ist nur einem bestimmten Bekenntnisse, einer Ge­ meinschaft, die sich als eine abgeschlossene geschichtlich er­ halten hat, zunächst geweiht. Wir wissen, wie wenig dies daS Festhalten der Einigkeit im Geiste hindert, wir wissen, wie ohnerachtet des Anscheins vom Gegentheil doch diese Trennung und Verschiedenheit durch göttliche Ordnung be­ steht. Und alle göttliche Ordnung stimmt zusammen, und keine stört und hindert die andere.

16 So sind denn auch die hiesigen Gemeinden unsres deutsch-evangelischen Bekenntnisses für dieses unsrer Sprache fremde Land ein lebendes Denkmal jenes großen Werkes Gottes, nämlich der Verbesserung und Reinigung der christ­ lichen Kirche, welche in unserm deutschen Vaterlande begon­ nen wurde. Indem nun Ihr meine hiesigen deutschen Brü­ der Euch großentheils in den Geschäften eures Berufes der Sprache dieses Landes bedient, indem Ihr an dieses Land mit manchen theuern Banden gefesselt seid, und Euch man­ nigfaltiger Segnungen und göttlicher Wohlthaten erfreut in der bürgerlichen Gemeinschaft mit dem christlichen Volke, unter dem ihr lebet; so laßt ihr euch dennoch hier anreden in der Sprache unsers Vaterlandes, so übt Ihr hier die Form des evangelischen Gottesdienstes wie er in unserm Deutschland besteht, so befindet Ihr Euch hier fortwährend in einer besonderen Gemeinschaft mit denen, die im Vater­ lande derselbe Glaube und dieselbe Art und Weise des Be­ kenntnisses christlicher Wahrheit vereinigt. Und wohl muß es auch etwas Gutes und Gottgefäl­ liges sein, daß dieses Denkmal bis jezt erhalten worden; denn es ist der gnädige Wille Gottes, daß dieses Werk der Verbesserung der Kirche, wie es in Deutschland begon­ nen hat, nicht in demselben eingeschränkt bleibe. Wie viele Bemühnngrn das Evangelium zu verkündigen sind von dieser unserer evangelischen Kirchen-Gemeinschaft ausgegangen! wie viele Boten des Friedens, die ursprünglich keine andre Sprache redeten als die unsrige, haben sich zerstreut in alle Theile der Erde! Und wie auch das deutsche Volk mannigfaltig verbreitet ist in diesem unserm gesitteten und gebildeten Welttheile r so giebt es fast in allen Landm des­ selben

17 selben solche Denkmale dieser Begebenheit in einer größer» oder geringern Anzahl Evangelischer Gemeinden. Laßt es uns als etwas Gottgefälliges betrachten, daß, indem wir so erinnert werden an jene weitverbreitete Segnung, wir unö immermehr darauf stärken, nach dieser väterlichen Weise Bekenner Christi zu sein und mit allen Kräften znr Erhal­ tung und Verbreitung seines göttlichen Wortes zu wir­ ken. — Darum laßt Euch von mir, der ich unserm gemein­ schaftlichen Vaterlande angehöre, das Wort der Ermahnung nicht mißfallen, daß auch Ihr festhalten möget an dieser besondern Gemeinschaft unter den mannigfaltigen Hindernis­ sen, die einem solchen Zusammenhalten entgegentreten in einem fremden Lande; daß ihr diese Versammlungen fleißig besuchen möget und Euch bemühen zu khrem Bestehen mitzuwirkcn. Dazu ist Euch heute noch eine besondere Gelegenheit er­ öffnet; und wie und weshalb es für diese Gemeinde be­ sonders wünschenswerth fei, daß sie treulich benuzt werde, davon giebt Euch der würdige Lehrer derselben mit einigen geschichtlichen Worten jezt noch besondere Nachweisung. So bedenkt denn Alle das Wort des Herrn, daß er lieb hat einen willigen Geber; zumal, wenn es gilt zur Unterhaltung der Gemeinschaft der Gläubigen; zumal, wenn eö ein Werk ist, das da beiträgt in unfern christlichen Ver­ sammlungen die Heiligung und die Erneuerung im Geiste des Gemüthes zu befördern. Dann wird auf Allen, welche dieses gute Werk thätig fördern, dann wird auf dem Wort der Verkündigung, welches hier an den Tagen des Herrn erschallt, so wie auf der brüderlichen Gemeinschaft, die hier besteht, der göttliche Segen ruhen, an den unö die Worte B

18 unsers TerteS erinnern; und der Wunsch, mit welchem ich diese Stätte betreten habe, daß Ihr hier erneuert werden möget von einem Tage deS Herrn zum andern im (Stifte des Gemüths, und immer kräftiger anziehen und ausschmükken den neuen Menschen in rechtschaffner Gerechtig­ keit und Heiligkeit, — dieser Wunsch wird immer mehr in Erfüllung gehn, jum Preise des Herrn, zur Förderung seiner Kirche, zum Heil einer jeden einzelnen gläubigen Seele. Amen.