Pop: Geschichte eines Konzepts 1955-2009 [1. Aufl.] 9783839409824

Pop ist weit mehr als ein Kürzel für »populär«. Der Pop-Begriff führt gleich in mehrere Bereiche hinein, die für die Kul

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Pop: Geschichte eines Konzepts 1955-2009 [1. Aufl.]
 9783839409824

Table of contents :
Inhalt
Einleitung
I. Vorgeschichte: Spuren in der idealistischen, dekadenten und avantgardistischen Ästhetik
Der Reiz des Populären: Garve, Herder, Schiller, Kant
Künstliche Erregung: Gautier, Baudelaire, Huysmans, Wilde, Nietzsche
Unromantische Intensität: Futuristische Avantgarde
Partikulare Reize und massenhafte Konstruktion: Expressionismus, Dadaismus, Surrealismus, Kubofuturismus
Funktionale Lust: Jazz Age und Neue Sachlichkeit
II. Die Entstehung des Pop aus der Pop Art 1955-1964
Wichtige frühe Einschätzungen zu Gegenständen der Populärkultur
Begriffe: Massenkultur und populäre Kultur
Die englische Independent Group und die Popkultur
Zwischenbilanz: Pop Art und die Tradition der Dekadenz und Avantgarde
Die Herausbildung der Pop-art in den USA
III. Die Durchsetzung von Pop Mitte der 60er Jahre
Ein neues Konzept: »Pop«
Camp und Pop
Teenager, Subkultur
Zwischenbilanz: Pop als kapitalistisch-demokratischer Hedonismus
Pop-Zeichen im Film- und Musik-Feuilleton
IV. Underground und Pop 1964-1968
Neoavantgarde
Pop und Rock, Rock gegen Pop
Zwischenbilanz am deutschen Beispiel
V. Die Dimensionen der Pop-Theorie
Einleitung
Oberflächen-Ästhetik
Pop-Gegenkultur
Kommerz-Pop
Konsum-Freiheit
Große Manipulation
Kunst-Welt
Medien-Botschaft
Reiz-Angriff
Anti-Narration
V-Pop
Pop-Populismus
Image-Zeichen
Meta-Pop
VI. Postmoderne im Sinne von Pop 1968-1977
Einleitung
Swinging London und die antifunktionalistische Postmoderne
Bestimmungen des postmodernen Stils in der Architekturtheorie und -kritik
Postmoderne Grenzüberschreitung
Postmoderne Vorzeichen I: Pop-art
Postmoderne Vorzeichen II: Rock-Eklektizismus
Der erweiterte Kanon
Postmoderne Vorzeichen III: Glam
Postmoderne Vorzeichen IV: Punk
VII. Die Vollendung der Pop-Affirmation 1976/77-1985
Pop-Tradition
Postmoderne Mode
Poststrukturalistische Theorie
New Wave-Distinktionen
New Pop und Pop-Theorie 1979-1985
VIII. Rekombinationen der Pop-Theorie
Einleitung
Pop-Postmoderne
Pop-Subversion
Konstrukt-Pop
Avant-Pop
Pop-Hedonismus
IX. Nachgeschichte 1985-2009
Einleitung
Pop und Avantgarde
Pop-Akademisierung
Pop und Politik
Schluss
Literatur
Index
Sachen und Begriffe
Personen, Gruppen, Zeitungen und Zeitschriften

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Thomas Hecken Pop

Thomas Hecken (Dr. phil. habil.) ist Privatdozent für Deutsche Philologie am Germanistischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Veröffentlichungen zuletzt u.a.: »Theorien der Populärkultur« (Bielefeld 2007), »Populäre Kultur. Mit einem Anhang ›Girl und Popkultur‹« (Bochum 2006).

Thomas Hecken Pop. Geschichte eines Konzepts 1955-2009

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2009 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Korrektorat: Mark-Sebastian Schneider; Christian Meier zu Verl, Bielefeld Satz: Thomas Hecken Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-982-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Einleitung

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I. Vorgeschichte: Spuren in der idealistischen, dekadenten und avantgardistischen Ästhetik

Der Reiz des Populären: Garve, Herder, Schiller, Kant Künstliche Erregung: Gautier, Baudelaire, Huysmans, Wilde, Nietzsche Unromantische Intensität: Futuristische Avantgarde Partikulare Reize und massenhafte Konstruktion: Expressionismus, Dadaismus, Surrealismus, Kubofuturismus Funktionale Lust: Jazz Age und Neue Sachlichkeit

17 20 30 35 43

II. Die Entstehung des Pop aus der Pop Art 1955-1964

Wichtige frühe Einschätzungen zu Gegenständen der Populärkultur Begriffe: Massenkultur und populäre Kultur Die englische Independent Group und die Popkultur Zwischenbilanz: Pop Art und die Tradition der Dekadenz und Avantgarde Die Herausbildung der Pop-art in den USA

51 58 60 76 79

III. Die Durchsetzung von Pop Mitte der 60er Jahre

Ein neues Konzept: »Pop« Camp und Pop Teenager, Subkultur Zwischenbilanz: Pop als kapitalistisch-demokratischer Hedonismus Pop-Zeichen im Film- und Musik-Feuilleton

93 103 116 136 151

IV. Underground und Pop 1964-1968

Neoavantgarde Pop und Rock, Rock gegen Pop Zwischenbilanz am deutschen Beispiel

169 184 239

V. Die Dimensionen der Pop-Theorie

Einleitung Oberflächen-Ästhetik Pop-Gegenkultur Kommerz-Pop Konsum-Freiheit Große Manipulation Kunst-Welt Medien-Botschaft Reiz-Angriff Anti-Narration V-Pop Pop-Populismus Image-Zeichen Meta-Pop

259 265 271 278 279 285 286 287 290 292 293 295 298 301

VI. Postmoderne im Sinne von Pop 1968-1977

Einleitung Swinging London und die antifunktionalistische Postmoderne Bestimmungen des postmodernen Stils in der Architekturtheorie und -kritik Postmoderne Grenzüberschreitung Postmoderne Vorzeichen I: Pop-art Postmoderne Vorzeichen II: Rock-Eklektizismus Der erweiterte Kanon Postmoderne Vorzeichen III: Glam Postmoderne Vorzeichen IV: Punk

305 306 309 320 322 326 329 334 337

VII. Die Vollendung der Pop-Affirmation 1976/77-1985

Pop-Tradition Postmoderne Mode Poststrukturalistische Theorie New Wave-Distinktionen New Pop und Pop-Theorie 1979-1985

345 349 356 371 378

VIII. Rekombinationen der Pop-Theorie

Einleitung Pop-Postmoderne Pop-Subversion Konstrukt-Pop Avant-Pop Pop-Hedonismus

425 425 429 431 432 433

IX. Nachgeschichte 1985-2009

Einleitung Pop und Avantgarde Pop-Akademisierung Pop und Politik

437 446 457 466

Schluss

469

Literatur

479

Index

Sachen und Begriffe Personen, Gruppen, Zeitungen und Zeitschriften

547 551

Einleitung

1965 macht die Zeitschrift New Society ein neues Thema unter Wissenschaftlern und Intellektuellen aus: »The historians are after pop art«, heißt es in einem äußerst zukunftsweisenden Artikel. Reyner Banham, von dem der Beitrag stammt, fühlt sich durch den aktuell aufkommenden Erkenntnisdrang in hohem Maße angesprochen, glaubt er doch, als einer der wenigen selbst bei der Gründung des pop movement Mitte der 50er Jahre dabei gewesen zu sein. Banham ist aber keineswegs ein früher Bekannter Elvis Presleys oder James Deans Agent, wie man nach der Aussage vielleicht vermuten könnte. Nein, Banham ist bloß ein englischer Architekturtheoretiker; den Beginn der PopBewegung verlegt er in die Londoner Hanover Gallery, nicht etwa nach Memphis, Hollywood oder Detroit. Dennoch bezieht er sich sehr wohl auf sie, er spricht ausdrücklich von massenproduzierten pop products, etwa von Cornflakes-Packungen und modernen Autos. In die kleine englische Kunstgalerie und in Banhams Geschichte gelangen die Pop-Gegenstände nun hinein, weil auf den Bildern des dort ausgestellten Künstlers Richard Hamilton Schemen amerikanischer Autos zu entdecken sind. Für Banham bilden die Diskussionen, die sich innerhalb einer Gruppe von Intellektuellen am Abend der Ausstellung an diesen Bildern entzündet haben, genau den Ursprung des pop movement. In diesem Sinne zählt auch der vorliegende Band, über fünf Jahrzehnte später, noch dazu, wenn man denn die Pop-Bewegung vor allem in intellektuellen Geschmacksurteilen sowie theoretischen Diskussionen über die Produkte und über die künstlerischen Aneignungen der Pop-Maschinerie erkennen möchte. Die Frage stellt sich dann natürlich, ob die Einordnung wirklich sinnvoll ist, ob, anders gesagt, die in einer speziellen, kleinen intellektuellen Schicht geführten Debatten mit der Wirkung der Pop-Kultur und -Industrie auch nur annähernd vergleichbar sind – und ob man darum nicht besser die Bezeichnung pop movement für die Hersteller und Fans der Autos, Musikgruppen, Werbekampagnen etc. reservieren sollte. Banham selbst markiert 1965 zumindest einen anderen Unterschied deutlich; die Cornflakes-Packungen, neuen Autos usf. betrachtet er als die real pop arts of the world outside, die Bilder Hamiltons in der Galerie nennt er hingegen fine-pop; darin steckt neben pop die schöne Kunst, fine art, zusammen ergibt das nach der Definition Banhams einzigartige, individuell hergestellte Werke, deren Ikonografie sich freilich den massenhaft produzierten pop products verdankt (Banham 1965a: 25). Ein entsprechendes Bild von Hamilton aus dem Jahr 1957 lässt gleich im Titel keinen Zweifel daran, dass es auf die Pop-Welt ›da draußen‹ gerichtet ist, es trägt den Titel Hommage à Chrysler Corporation. Zurück geht das Gemälde auf Anzeigen für die Modelle Plymouth und Imperial des amerikanischen Autokonzerns. Eine angedeutete weibliche Figur wird zudem von zwei Hauptelementen bestimmt, wie man sie ebenfalls häufig in Hochglanz-

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Illustrierten jener Zeit findet. Hamilton orientiert sich dabei an der Werbung für Büstenhalter und Lippenstifte: Exquisite Form Bra und Voluptua. Man weiß dies, weil der Titel des Bildes einen zum Teil darauf lenkt; ganz genau weiß man es, weil Hamilton (1958: 120) selber darüber umfassend Auskunft gegeben hat. Mit diesem Wissen erkennt man die Vorgaben. Ohne die Hinweise bleibt das Bild wahrscheinlich wenigstens auf den ersten Blick eine Ansammlung sparsamer Striche und Farbpartien, in denen man dann vielleicht eigentümlich zusammengesetzte Teile der Rückpartie eines Autos ausmachen kann; die ›weiblichen Formen‹ sind nur schwer vom Bildgrund zu unterscheiden, sie erinnern mehr an eine farblich entkräftete Variante William de Koonings als an eine Werbeanzeige. In der Abwandlung und Verfremdung der Anzeigen zeigt sich das Gemälde als originelles Werk (vgl. Foster 2003). Trotz der beträchtlichen Abweichung von der Werbung in den aktuellen Illustrierten (den glossies) kann man das Gemälde aber sehr gut mit Hamiltons nachträglicher Auskunft in Verbindung bringen, das Fernsehen z.B. sei ein genauso legitimer Einfluss für den Künstler wie der New Yorker Abstrakte Expressionismus (1982: 31). Der angeführte und sogar bejahte Einfluss läuft keineswegs auf ein Eingeständnis mangelnder künstlerischer Originalität hinaus. Einfluss heißt nicht Identifikation, der Bezug auf Anzeigenfotos macht aus einem Gemälde noch lange kein Werbebild. Ganz leicht abzulesen ist dies in Hamiltons Fall daran, dass sein Bild in einer Galerie ausgestellt wird und nicht als Chrysler-Anzeige in einer Zeitschrift erscheint. Innerhalb der bildenden Kunst könnte die Bezugnahme freilich hoch bedeutsam sein, wenn wiederum Hamiltons Bild einen starken Einfluss auf andere Künstler ausübte oder wenn es sich um eine neue, ganz ungewöhnliche Themen- oder Materialfindung handelte. Zumindest Letzteres kann jedoch definitiv ausgeschlossen werden. In der modernen Kunst stellt die Verwendung von Formen und Signets, die z.B. in auflagenstarken Zeitungen und Magazinen geprägt wurden, überhaupt keine Seltenheit dar. Bereits seit den Bildern der Kubisten Gris und Picasso, mit ihren Ausschnitten aus dem viel gelesenen Le Journal der Jahre nach 1910 (vgl. Rosenblum 1990; Weiss 1994), bildet der Verweis auf massenhaft-industriell hergestellte, hochkulturell gering geschätzte Güter eine wirkungsvolle Methode, sich von klassischen Sujets der akademischen Malerei unmittelbar provokativ und zugleich nachhaltig zu distanzieren (zugleich setzt man sich durch den Bezug auf andere Schriften und Bilder, also auf medial gefertigte Wirklichkeiten, von konventionelleren neueren realistischen Richtungen ab). Entsprechende Vorgehensweisen in der Literatur sind in naturalistischen Großstadtromanen zu finden, in die z.B. Reklameslogans einmontiert sind, oder in moderner Lyrik, die andere Formen zeitgenössischer Alltagssprache aufgreift. Selbst der Titel von Hamiltons Werk hält sich im Rahmen moderner Traditionen (von einer solchen Tradition darf man nun, in den 50er Jahren, wohl durchaus sprechen). Die Hommage an spezielle Produkte der großen amerikanischen Autofirma besitzt ein berühmtes futuristisches Vorbild, den viel zitierten Satz F.T. Marinettis, dass ein modernes Automobil schöner sei als die berühmte antike Statue der Nike. Hamilton (1958) weiß das natürlich selber, neben Duchamp beruft er sich ausdrücklich auf den italienischen Futuristen. Zwar schätzt Hamilton Autos und Flugzeuge nicht allein wegen ihrer technischen Modernität, man sieht das gut an seiner Verbindung des Chrys-

Einleitung | 11

ler-Boliden zu den ausgeprägten ›weiblichen Formen‹, eine Verbindung, wie sie in den Anzeigen und auf den Schauen der Automobilindustrie selbst gerne hergestellt wird. Aber sogar diese Kombination findet sich bereits in der dekadenten und futuristischen Tradition. Trotzdem (oder gerade deswegen) schafft Hamilton es, einen neuen Zug in die Debatte zu bringen. Seine Bewunderung beschränkt sich nämlich nicht wie bei den Avantgardisten um Marinetti auf moderne Objekte, die in jedem Fall der futuristischen Feier der (martialischen) Geschwindigkeit entgegenkommen. Hamiltons Originalität findet man zuerst eher in seinen Schriften als in seinen Bildern. Außergewöhnlich an Hamilton ist seine ausdrücklich bekundete Vorliebe für viele weitere Produkte der Konsumgüterindustrien und Medienkonzerne. Im gleichen Jahr, in dem das Bild Hommage à Chrysler entsteht, stellt er eine Liste auf, die angibt, was Pop Art sei. Unter dem zu seiner Zeit noch ganz ungewöhnlichen Begriff versammelt Hamilton elf Eigenschaften. Pop Art ist seiner Anschauung und Begriffsbestimmung nach »Popular (designed for a mass audience) / Transient (short-term solution) / Expendable (easily forgotten) / Low cost / Mass produced / Young (aimed at youth) / Witty / Sexy / Gimmicky / Glamorous / Big business« (1982a). Die Liste steht in einem privaten Brief Hamiltons, sie wird jedoch 1963 publik. Weil sich zu Beginn der 60er Jahre der Begriff Pop-art als Bezeichnung für die Werke bestimmter junger amerikanischer Künstler wie Andy Warhol und Roy Lichtenstein durchsetzt, überrascht es nicht vollständig, dass Hamiltons Liste anfänglich als Beschreibung der neuen Kunstrichtung zitiert wird (vgl. Massey 1995: 116ff.). Diese Auffassung ist aber zumindest für Hamilton und seine englischen Mitstreiter falsch. Zwar notiert Hamilton die Liste, um eine Anregung zum Plan einer Kunstausstellung zu geben – und er hält später sogar fest, dass der Brief ihm als theoretische Grundlage seines Hommage à Chrysler-Bildes gedient habe (1982: 29) –, dennoch führt seine Pop Art-Aufstellung (und erst recht die seines Bekannten Reyner Banham) weit aus der Welt der Galeriekunst hinaus. Eigenschaften wie »mass produced« und »big business« zeigen wenigstens in den 50er Jahren unmissverständlich an, dass die so charakterisierte Pop Art nicht aus den Gemälden Hamiltons und seiner Kollegen bestehen kann. Verwirrend an der Liste ist lediglich der Titel. Was bei Hamilton Pop Art heißt, ist sonst unter der Bezeichnung Massenkultur geläufig, in erster Linie in Amerika tritt zudem mitunter das Wort popular culture an die Seite oder sogar an die Stelle von mass culture. Der eigenwillige Begriffswechsel in Reihen der Independent Group – Pop Art statt mass bzw. popular culture – muss darum ungewöhnliche Gründe haben. Die Gründe bestehen eindeutig in einer neuen Betrachtung und besonders einer Umwertung der Gegenstände und Verfahrenstechniken jener massenkulturellen Pop Art. Der Begriff Art macht dabei deutlich, dass die Umwertung nur eine Hochwertung sein kann. Zur Kunst zählt Hamilton die – wie er meint – flüchtigen, billigen, glamourösen etc. Produkte der Massenherstellung grundsätzlich bereits, bevor sie als Motiv oder Teil etwa eines Gemäldes neu gefasst werden. Er begrüßt also nicht nur ihre Verfremdung und originelle Aneignung (die er selbst mit seinen Bildern betreibt), sondern bejaht sie an sich. Ging der Begriff mass culture (und nicht selten auch, wenn auch weniger häufig, jener der popular culture) bis dahin meist mit einer äußerst negativen

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Bewertung einher, steht Pop Art bei Hamilton für eine affirmative (mindestens neutrale) Haltung zu den gleichen Phänomenen und Objekten. Diese Haltung ist umso bemerkenswerter, als sie nichts mit den ästhetischen Vorlieben und politischen Hoffnungen zu tun hat, die in Amerika (und noch stärker in England) sonst manchmal mit dem Gebrauch des Begriffs popular verknüpft (gewesen) sind. Wird mit ihm nicht nur die Beliebtheit bei einer großen Zahl an Menschen angezeigt, weist popular auf die Eigenheiten einer traditionellen Volks- oder gewöhnlichen Alltagskultur hin – siehe etwa die einschlägigen Bücher Popular Art in Britain (Carrington 1945), English Popular and Traditional Art (Lambert/Marx 1946), The Unsophisticated Arts (Jones 1951) – oder, in sozialistischer Pointierung, auf den Wert der Arbeiterklasse bzw. einer übergreifenderen antikapitalistischen, antifaschistischen Volksfront. Bei Hamilton verhält es sich ganz anders. Vokabeln wie young und gimmicky lassen keinen Zweifel aufkommen, dass seine Pop Art weder mit der Folklore noch mit dem angeblich authentischen Ausdruck des Volkes im Bunde steht. Popular bedeutet bei ihm »designed for a mass of people«. Er schätzt tatsächlich die moderne Massenkultur und führt gegen sie eben nicht im Namen des Populären gemeinschaftlich geteilte Güter und Formen ins Feld, die aus ›ursprünglicheren‹ Erfahrungen hervorgehen und alltäglich von ›den Menschen‹ bzw. den ›niederen Schichten‹ selbst, in ihren Spielen und Gesängen, gepflegt und weitergegeben werden. Mit seiner Verschränkung von moderner, industriell geplanter Massenkultur und ihrer Hochwertung markiert Hamiltons Begriff Pop Art eine wichtige Zäsur in der Debatte um die Erzeugnisse der zeitgenössischen Medienund Maschinenwelt. Ihm und seinen zahlreichen Nachfolgern geht es dabei keineswegs stets in erster Linie (und häufig sogar überhaupt nicht) um eine Übertragung demokratischer Prinzipien auf das Gebiet der Kultur, wie sie von amerikanischen Pragmatisten und manchen Vertretern der Cultural Studies gegen die hundertjährige Tradition der Zivilisations- und Kulturkritik vorgenommen worden ist.1 Überwiegend geht es ihnen um bestimmte Eigen1

Diese Debatten und Traditionen habe ich in den Büchern Populäre Kultur und Theorien der Populärkultur ausführlich dargestellt. Der Band Populäre Kultur liefert eine kritische Analyse verschiedener Bestimmungen der populären Kultur im Ausgang solcher Konzepte wie Volk, Masse und Schicht; er bietet zudem eine Differenzierung zwischen historischen Bestimmungen der Populär- bzw. Massenkultur und jenen der Popkultur sowie eine Beschreibung der populären Kultur als Prinzip und Verfahren, Wahlergebnisse in Ranglisten zu bilanzieren. Das Buch Theorien der Populärkultur versucht, im Zuge der Vorstellung wichtiger Theoretiker und Wissenschaftler (von Schiller und Tocqueville bis hin zu Foucault und Habermas) einen Überblick über die Reflexionen zur Massen- und Populärkultur zu geben. Mit dem vorliegenden Band, der sich ausschließlich einem spezielleren, aber bedeutenden Teil der modernen Populärkultur und ihrer intellektuellen Formierung widmet – der Popkultur –, schließe ich diese Reihe ab. Im Unterschied zu den vorangegangenen Büchern, die überwiegend klassische, viel gelesene philosophische oder soziologische Texte zum Gegenstand haben, werde ich in diesem Band häufig Neuland betreten, da eine ganze Reihe der hier diskutierten Texte in Deutschland wenig bekannt ist. Ein vergleichbar umfassendes Buch gibt es, soweit ich sehe, auch international bislang noch nicht, wohl aber viele exzellente Studien, die bereits zu entscheidenden Bereichen eine vorzügliche Orientierung bieten. Am stärksten zurückgegriffen habe ich auf:

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schaften und Wirkungen des Produkts, die von den Pop-Intellektuellen oftmals in genau dem Maße als positive Qualitäten hervorgehoben werden, in dem sie zuvor von bildungsbürgerlicher Seite aus abgewertet worden sind. Bei Richard Hamilton etwa weisen hier Worte wie sexy und gloss den Weg, bei anderen steht an vergleichbarer Stelle »Reiz«, »Oberfläche«, »künstlich« oder »intensiv«. Der Darstellung und Analyse solcher Überlegungen und Einschätzungen zur modernen Popkultur ist dieses Buch gewidmet. Hamilton spricht noch von Pop Art, um den entscheidenden Abstand zu einer traditionellen, folkloristischen popular culture zu markieren. Damit kann er sich zwar nicht durchsetzen, seine Einschätzungen findet man aber später unter der von anderen geprägten Kurzform pop wieder, deren Gebrauch bald recht zuverlässig anzeigt, dass die Diskussion über Rock ’n’ Roll, Comics etc. nicht mehr vorwiegend von alarmierten Politikern, Lehrern und Leitartiklern geführt wird. Nach 1960 bemüht sich eine rasch anwachsende Zahl von Journalisten und Intellektuellen darum, ihre Sichtweise und Einschätzung der aktuellen kulturellen, künstlerischen und gesellschaftlichen Lage mit Hilfe des Pop-Begriffs auf den Punkt zu bringen. Mit dem Aufstieg der Jugendkultur, mit der weiteren Verbreitung moderner Kommunikationsmedien, mit der industriell gesteigerten Produktion von Konsumgütern, die für viele Haushalte zunehmend erschwinglich sind, und mit der politisch gewährten Chance für eine wesentlich größere Zahl von Arbeiter- und Angestelltenkindern, Gymnasien und Universitäten zu besuchen, geht eine ausgedehntere und mitunter auch sehr positiv gefasste feuilletonistische oder universitäre Betrachtung sog. »Pop«Phänomene einher. Eine ganze Reihe dieser Stellungnahmen und Wertungen übt eine nicht unbeträchtliche Wirkung aus; um akademische Pflichtübungen, um folgenloStuart Hall, The Hippies: An American ›Moment‹; Lucy R. Lippard, Pop Art; George Melly, Revolt into Style; Jost Hermand, Pop International; Simon Frith und Howard Horne, Art into Pop; Dick Hebdige, Hiding in the Light; Robert Pattison, The Triumph of Vulgarity; Nigel Whiteley, Pop Design; Carol A. Mahsun, Pop Art and the Critics; Andrew Ross, No Respect; Ralf Hinz, Cultural Studies und Pop; Cécile Whiting, A Taste for Pop; Kirk Varnedoe und Adam Gopnik, High & Low; Fabio Cleto, Camp; Nigel Whiteley, Reyner Banham; Bernard Gendron, Between Montmartre and the Mudd Club; Sara Doris, Pop Art and the Contest over American Culture; Ralf Hinz, Popdiskurse. Dem Leser möchte ich diese Titel auch deshalb ausdrücklich empfehlen, weil sich von ihnen aus sicherlich am leichtesten die möglichen Versäumnisse und Fehler eines Buches erkennen lassen, das versucht, teilweise sehr unterschiedliche Bereiche zu umgreifen. Wer meine eigene Einschätzung und Bewertung der Pop-Debatte vorab kennen möchte, der sei gleich auf das Schlusskapitel verwiesen. Ich habe jedoch in allen Kapiteln zuvor versucht, sowohl der Länge als auch der Art und Weise der Darstellung nach Zusammenfassungen und Einordnungen der vielen historischen Beiträge zur PopDebatte zu liefern, die dem allgemeinen Stellenwert und den Positionen der jeweiligen Autoren gerecht werden (und nicht meinen eigenen Ansichten und Vorlieben). – Abgeschlossen wurde das Manuskript im Mai 2009. – Für ihre Hilfe beim Korrekturlesen, bei der Recherche und bei der Erstellung des Registers danke ich Agnes Wrazidlo, Eva Dörrenbach und vor allem Isabelle Middeke sehr herzlich. – Gewidmet ist dieses Buch meinen Eltern, ohne deren durchgehende Unterstützung es niemals entstanden wäre.

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se Begriffsbestimmungen handelt es sich bei ihnen keineswegs. Sie tragen wenigstens zu einem kleineren Teil zum Zuschnitt des kulturellen Marktes und der ideologischen Haltungen gegenüber der westlichen, demokratischkapitalistischen Welt bei. Wirkungsvoll ausformuliert werden die Konzepte auf den Seiten von Tageszeitungen und Illustrierten, von essayistischen Zeitschriften und Büchern in großer Zahl und nachhaltiger Weise vor allem um 1966 und um 1980, in den Tagen von new sensibility und underground, von New Wave und Postmoderne. Die Darstellung wird sich darum auf diese Zeitabschnitte konzentrieren, sie wird aber ebenfalls wichtige Vorläufer in den Blick nehmen – sowie im letzten Teil die bedeutendsten Wiederholungen und Neuaneignungen der seit den 80er Jahren in hochgradig differenzierter Form vorliegenden Pop-Bestimmungen schildern. Ein eigener Ansatz wird dabei nicht vorgestellt, weil alles Wichtige zum Thema – hauptsächlich von amerikanischen und englischen Autoren – in den letzten 50 Jahren bereits gesagt worden ist, wenn auch über viele Publikationsorte verstreut und oftmals ein Jahrzehnt später wieder vergessen (oder in provinziellen Zusammenhängen, wie z.B. den meisten deutschen Debatten, unbekannt geblieben). Im wissenschaftlichen historiografischen Rahmen verbietet sich eine scharfe Definition bzw. willkürliche Setzung nach Art von »Pop ist ...« bei einem Gegenstand, der nicht als fest konturiertes materielles Ding vorliegt, sondern als Hervorbringung unterschiedlicher weltanschaulicher und ästhetischer Reden und Interessen jeweils neu oder anders gebildet wird, ohnehin. Dies soll nicht bedeuten, dass es unmöglich wäre, gute von schlechten Beschreibungen, die als solche klassifizierte Pop-Objekte und -Events betreffen, zu unterscheiden. Selbstverständlich kann (und sollte) der Musikwissenschaftler oder -feuilletonist zutreffende Beschreibungen der Musik der Supremes oder der Smiths liefern, der Kunsthistoriker oder -kritiker richtige Analysen der Arbeiten von Roy Lichtenstein oder Jeff Koons usw. Das gilt im Prinzip ebenfalls für Untersuchungen, die den Grund dafür angeben wollen, weshalb bestimmte Werke oder Ereignisse sich so herausgebildet haben, wie es nun einmal geschehen ist. Je stärker solche Begründungen sich jedoch auf Handlungen und Einstellungen richten, die man nicht experimentell isolieren und nachstellen kann, desto geringer fällt deren Beweisbarkeit aus, mit der Konsequenz, dass unterschiedliche groß angelegte ökonomische, soziologische, philosophische u.a. Theorien miteinander konkurrieren, ohne dass eine präzise Antwort auf die Frage, was geschichtliche Entwicklungen genau bestimmt hat, möglich ist; auch hier bereitet es aber keine allzu großen Schwierigkeiten, zumindest bessere von unsinnigen Begründungen zu scheiden. Weshalb eine wissenschaftliche Definition zum Pop-Komplex unterbleiben sollte, besitzt darum einen anderen Grund. »Pop« ist ein Oberbegriff, dessen prägende Bedeutungen sich im Sprachgebrauch außerhalb des Felds der Wissenschaften ergeben haben; zumal als besonders abstrakter Begriff dient er der beschleunigten Kommunikation, viele Phänomene fallen unter ihn. Wie bei allen Begriffen benötigt man Verabredungen oder einen unterstellten Konsens darüber, was mit dem Begriff gemeint sei – welche Gemeinsamkeiten die mit dem Begriff belegten Gegenstände aufweisen –, sonst gäbe es keine Verständigung, sondern nur Privatsprachen. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Popkultur oder zur Popmusik z.B. müssen deshalb zu Be-

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ginn angeben, was sie unter dem Begriff verstehen, einfach um anzuzeigen, auf was sich ihre Analyse richten wird. Ziel der Wissenschaften ist, überprüfbar richtige Aussagen zu treffen; der Satz »Pop ist x« ist aber keine überprüfbare Aussage, sondern eine Selbstfestlegung, eine mitunter sinnvolle Auskunft darüber, wie man einen Begriff verwenden möchte. Die Idee, man solle den Bedeutungsumfang des Begriffs »Pop« mit einem wissenschaftlichen Anspruch auf »Objektivität« begrenzen und allen anderen Sprachteilnehmern dadurch definitiv diktieren, ist hingegen absurd; es gehört nicht zu den Aufgaben der Wissenschaften, anderen etwas vorzuschreiben. Ein Vakuum entsteht durch solch eine Selbstbeschränkung zweifellos nicht, an entsprechenden Versuchen von Journalisten, Essayisten, höheren Beamten, Politikern, Marketingleuten usf., den Lesern, potentiellen Käufern, staatlichen Subjekten Regeln und Orientierung zu geben, mangelt es schließlich nicht. Was allerdings bislang noch fehlt, ist ein zuverlässiger geschichtlicher und analytischer Überblick, welche Überlegungen unter dem Zeichen von »Pop« bisher zu verzeichnen gewesen sind, richten sie sich nun auf die Musik, die Malerei, den Lebensstil oder auf die modernen Medien; der vorliegende Band will dem abhelfen. Zwar können natürlich nicht alle Beiträge zur längst überbordenden Pop-Debatte verzeichnet werden, am Anspruch, alle bedeutenden und historisch entscheidenden Ansätze zu rekapitulieren und analytisch aufzubereiten, möchte sich dieses Buch aber messen lassen. Am Ende sollen dann mit dem Abstand, den solch eine Rekonstruktion hoffentlich ermöglicht, die heutigen Konsequenzen der inzwischen weitgehend in feuilletonistischen und teilweise auch in wissenschaftlichen Kreisen durchgesetzten oder zumindest bekannten Pop-Konzepte beleuchtet werden.

I. Vorgeschichte: Spuren in der idealistischen, dekadenten und avantgardistischen Ästhetik

Der Reiz des Populären: Garve, Herder, Schiller, Kant Es mag vielleicht auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen, dass eine Geschichte, die unter dem Namen »Pop« erst richtig in den 1950er Jahren beginnt, auf ihre Vorläufer bezogen gleich um gute 150 Jahre vordatiert wird. Tatsächlich müsste man schon äußerst tiefliegende, abstrakte Gemeinsamkeiten bemühen, um Ähnlichkeiten von Rock ’n’ Roll oder Bildern der Pop-art zu Tänzen und Stichen der Goethe-Zeit zu behaupten. Eine unmittelbarere Nähe kann man jedoch zwischen den aktuelleren Pop-Konzepten und der Debatte über die Anforderungen und abträglichen Erscheinungen der Popularität erkennen, die im künstlerisch-literarischen Feld mit großer Wirkung Ende des 18. Jahrhunderts anhebt. Die Gründe, weshalb die Debatte auch von Schriftstellern geführt wird, die zu ihrer Zeit als moderne, romantische, geniale Autoren gelten (heute dagegen als Klassiker firmieren), sind vielfältig; zu nennen ist vor allem die zunehmende Alphabetisierung der Bevölkerung und die allmähliche oder zumindest mögliche Lösung des Schriftstellers von religiösen, moralischen, mäzenatischen sowie regelpoetischen Zwängen. Freigesetzt, für den anonymeren Markt zu produzieren, sieht sich der Künstler allerdings schnell mit der einschränkenden Tatsache konfrontiert, dass der in Verkaufszahlen gemessene Popularitätsgrad keinesfalls immer mit seinen Ansichten über den ästhetischen Wert des Werks übereinstimmt (Williams 1972: 56ff.). Innerhalb der Gedankenwelt der Aufklärung kann der Widerspruch ausgeglichen werden, indem man darauf vertraut, dass die allen Menschen gemeinsame Vernunft sich unter den Bedingungen einer für jeden zugänglichen, rational verständlichen, vorurteilsfreien Erziehung durchsetzen wird; dadurch sollten sich dann auch populäre und hohe Kunst annähern. Von einigen Autoren wie etwa Christian Garve wird deshalb sogar für alle philosophischen Schriften sinnlich-anschauliche Popularität gefordert (1985; vgl. Koch-Schwarzer 1998), Hegel hingegen sieht in der seiner Auffassung nach wesenhaft esoterischen Philosophie durchgehend einen Widerpart zur Popularität; die Philosophie sei »weder für den Pöbel gemacht, noch einer Zubereitung für den Pöbel fähig« (1968: 124). Hegels scharfe Trennung erinnert zugleich mit dem deutschen Begriff des »Pöbels« daran, dass »populus«, aber auch »Volk« oftmals ausdrücklich als Differenzbegriff gebraucht wurde, als herabsetzende Bezeichnung für die ›niederen‹ Schichten (vgl. Hecken 2006a: 35ff.).

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Selbst Herder, für den Dichtkunst, wie Goethe festhält, ja gerade eine »Welt- und Völkergabe«, kein »Privaterbteil einiger feinen, gebildeten Männer« ist (1955: 408f.), kommt nicht ohne den Abgrenzungsbegriff »Pöbel« aus: »der Pöbel auf den Gassen, der singt und dichtet niemals, sondern schreit und verstümmelt« (Herder 1990: 239). Wichtig ist aber, dass den Gegenpart zum Pöbel bei Herder nicht etwa der Gelehrte, sondern das »Volk« einnimmt. »Es ist wohl nicht zu zweifeln«, meint Herder, dass Poesie ursprünglich ganz »Volksartig« gewesen sei, »d. i. leicht, einfach, aus Gegenständen und in der Sprache der Menge, so wie der reichen und für alle fühlbaren Natur« (ebd.: 230). Das »lebendige Poetische« erkennt Herder in gleichem (positiven) Sinne darum z.B. in einem »gemeinen, populären Jägerliede« (1993a: 478). Entsprechend fordert er seine Zeitgenossen dazu auf, nicht »ewig für Stubengelehrte« zu schreiben; »der Teil von Literatur, der sich aufs Volk beziehe«, müsse »volksmäßig« sein (1993b: 557). Einer von Herders Lesern, Gottfried August Bürger, fühlt sich folgerichtig dazu verpflichtet, mit seinen Gedichten ein Volk aufzurufen. In mindestens einer Hinsicht gelingt sein Vorhaben tatsächlich, Bürger ist ein sehr erfolgreicher Schriftsteller; Popularität ist hier also nicht wie bei Herder und später bei Romantikern wie Achim von Arnim eine Eigenschaft, die vornehmlich überlieferten Volksliedern zugedacht wird (vgl. Burke 1981; Bausinger 1986), sondern ein ganz aktuelles Datum. Bürger selbst ist jedoch weit davon entfernt, Popularität kategorisch an Verkaufszahlen oder am Bekanntheitsgrad zu messen. In den »Begriff des Volkes« möchte er »nur diejenigen Merkmale« aufgenommen wissen, »worin ungefähr alle oder doch die ansehnlichsten Klassen übereinkommen«. Unter solchen Voraussetzungen gilt ihm »Popularität« sogar als Siegel der »Vollkommenheit«, Bezeichnungen wie »populärer Dichter« sind dann Ruhmestitel (1987a: 14f.), folglich kann die Forderung, dass alle Poesie »volksmäßig« sein solle, mit großem Nachdruck ergehen (1987b: 730). Schiller sieht das ganz genauso. »Popularität« legt Schiller sich als »schwere Aufgabe« vor. Die dem Genie würdige Aufgabe lautet für ihn, den »großen Haufen« und die »gebildete Klasse« erneut – nach der modernen Entzweiung – durch die Poesie zu jener »Einheit« zu bringen, wie sie die Antike noch gekannt habe. Gemessen an diesem Anspruch verfällt interessanterweise gerade Bürger Schillers scharfer Kritik. Schiller hält Bürger vor, kein »Volksdichter« zu sein, weil jener eben nicht »in jedem einzelnen Liede jeder Volksklasse genug« tue, sondern lediglich »jede Volksklasse mit irgendeinem, ihr besonders genießbaren, Liede« versorge. So macht sich Bürger nach Schillers Einschätzung »nicht selten mit dem Volk« gleich, zu dem er sich doch »nur herablassen sollte«, um es »hinaufzuziehen« (1958: 247ff.; vgl. Berghahn 1974; Dainat 2005). Schiller belässt es aber natürlich ebenfalls nicht bei einer solchen (heute würde man sagen: empirisch-soziologischen) Feststellung der allgemeinen Aufnahme von Bürgers Veröffentlichungen. Schiller gibt auch genau an, was ihn an den Liedern und Gedichten stört. Diese Angabe macht deutlich, dass er in die Bezeichnung »Volksklasse« die Gebildeten nicht einschließt – und dass sein »Volk« im Hinblick auf die Rezeption von Werken der Kunst einen einheitlichen Zuschnitt besitzt. Schiller merkt vernichtend an, dass Bürger Leser mit »verfeinertem Kunstsinn« verfehle, er treffe ausschließlich jene, die »nur für das Sinnliche empfänglich sind und, den Kindern gleich, nur das

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Bunte bewundern.« Schiller vermisst bei Bürger die »Idealisierkunst«, er wirft Bürgers Gedichten vor, einen »zu sinnlichen, oft gemein-sinnlichen Charakter« zu tragen; sie böten nie »die Schönheit der Form«, sondern nur »Materie«. Die Schönheit der Form sieht Schiller auch insofern verletzt, als die Gedichte kein einigendes Band aufwiesen: Bürger verwechsle die Idealisierkunst mit einem »Mosaik«, einem »Zusammenwurf von Bildern«, den er aus vielen einzelnen »Reiz[en]« zusammenstelle (ebd.: 253f.). Mit diesen Bestimmungen Schillers sind wir an einem entscheidenden Punkt angekommen. Das Bunte und Sinnliche, die Materie, der Reiz und der Zusammenwurf von Bildern – dies alles sind wichtige Schlagworte und Beschreibungsmomente, um die sich anderthalb Jahrhunderte später der PopDiskurs drehen wird. Sie bilden aber auch den Kern einer Pop-Ästhetik avant la lettre, die man in Ansätzen und Teilen bei einigen inzwischen längst kanonisierten Vertretern der Moderne und der Avantgarde auffinden kann. Zumindest Letzteres mag überraschen, wird doch weit mehr als nur ein Keim moderner ästhetischer Auffassungen von Schiller und von Kant, auf den sich Schiller stützt, geprägt – geht doch das entscheidende moderne Prinzip, die Kunst erst einmal unabhängig von Anforderungen der Moral, des praktischen Nutzens zu sehen, auf Kants Kritik der Urteilskraft zurück. Deren wichtige Botschaft lautet: Wie das künstlerische Genie in seiner Subjektivität frei von poetologischen Regeln und rhetorischen Wirkabsichten sein muss, ist auch das ästhetische Geschmacksurteil nicht an feste Vorgaben, was schön ist und was nicht, gebunden. Kant sieht die ästhetische Freiheit jedoch nicht ganz ohne Einschränkung gegeben. Rein ästhetisch kann seiner Anschauung nach nur derjenige urteilen, der nicht zu stark Reizen und Rührungen ausgesetzt ist. Äußerst Reizvolles kann folglich nicht als schön beurteilt werden, deshalb gehören bestimmte Sujets und Präsentationsweisen aus dem Reich des Ästhetischen kategorisch ausgeschlossen. Schon bei Wiesen und Gärten, die »von Natur gar zu viel Reiz haben«, hat Kant Bedenken (mit der heute einleuchtenderen Klimax »Wiesen, Gärten, Wollust selbst«). Wenn man aber über solche Gegenstände »noch mehr Reiz« verbreiten will (1974a: 112; vgl. Bourdieu 1982: 756ff.), bleibt für Kant endgültig ein unästhetischer Eindruck zurück. Dies hat weitreichende Folgen. So bestimmt Kant etwa, dass in der Malerei die Zeichnung die Grundlage für die ästhetische Wertung sein müsse, nicht die Farben; die Farben gehören für ihn »zum Reiz«, deshalb dürfen sie nicht den »eigentlichen Gegenstand« des interesselosen Geschmacksurteils bilden (1974b: 141). Bei Schiller wird daraus ein allgemeines Idealisierungsgebot; es findet sich nicht allein in der Rezension zu Bürgers Liedern, sondern an zentraler Stelle seiner theoretisch-ästhetischen Schriften; die Aufforderung ergeht an jeden Künstler, den »Stoff« durch die »Form« zu vertilgen (1962: 382). Für eine Frontstellung gegen eine ganze Reihe populärer Gegenstände sind diese Maximen von großer Bedeutung: Nach ihren Maßstäben werden zukünftig eine allzu bunte Farbgebung, die zu deutlich ausgemalte Wollust, aber auch viele kleinere Reize als schlechte Kennzeichen populärer Kultur verurteilt.

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Künstliche Erregung: Gautier, Baudelaire, Huysmans, Wilde, Nietzsche Im 19. Jahrhundert dringt die idealistische Kunstphilosophie weit über den Bereich theoretischer Betrachtungen hinaus. Sie bestimmt zu weiten Teilen das Geschmacksurteil des Bildungsbürgers, für den allzu aktuelle, politischsatirische, triviale oder erregende Stoffe mit hoher Kunst kategorisch unvereinbar sind. Dieses Urteil kann nun ausgesprochen werden, ohne dass man gleich die Moral gegen die Kunst ins Feld führen müsste. Die schöne Kunst zeichnet sich nach Schillers trefflicher Maxime ja gerade dadurch aus, allzu bedrängende Reize und Wirklichkeiten durch ingeniöse Formgebung zu distanzieren. Ganz im Geiste Schillers heißt es etwa im grundlegenden Urteil des Reichsgerichts vom 6. November 1893, die Kunst könne sogar Darstellungen von »Vorgängen geschlechtlichen Charakters« so »durchgeistigen« und »verklären«, dass »beim Betrachter die sinnliche Empfindung durch die interesselose Freude am Schönen zurückgedrängt wird.« Das ästhetische wie juristische Urteil wider unzüchtige Schriften und Bilder erfolgt darum nicht einfach im Namen der Sitte, sondern im Zeichen künstlerischen Vermögens (vgl. Hecken 1997a). Erzählt man die Geschichte auf diese Art und Weise, ergibt sich ein stetiger Zusammenhang zwischen originellen Ideen Schillers und gemeinen Beschlüssen eines hohen Gerichts über hundert Jahre später. Was Schiller als Anforderung gegen zeitgenössische Schriftsteller und die fälschlich populäre Literatur ins Feld führte, wäre demnach zum Gemeinplatz aller hohen Kunst und ihrer bürgerlichen Anhänger geworden, ein Gemeinplatz, der bildungspolitisch und juristisch niedergelegt ist und durchgesetzt wird. Es macht keine Mühe, weitere bedeutende Sentenzen von wichtigen Autoren des 19. Jahrhunderts, die auch heute noch zu Recht als modern gelten, in das einheitliche Bild einzufügen. Ob Wordsworth in England oder Gautier in Frankreich, die avanciert modern-romantischen Schriftsteller stehen oftmals im Banne Kants und Schillers, sie sehen die genial befreite künstlerische Einbildungskraft im Widerstreit zu Vorlieben der breiten Masse und direkt moralischen Imperativen. Im Begriff des l’art pour l’art finden die modernen Bestrebungen ihren zugespitztesten Ausdruck (vgl. Plumpe 1995: 141ff.). Ein Name wie der Gautiers zeigt jedoch bereits an, dass man keineswegs von einer Einhelligkeit zwischen modernen Künstlern und der Bourgeoisie ausgehen darf. Erstens zählt zu der weit über das Proletariat erhobenen bürgerlichen Klasse vor allem jener Besitzbürger, dessen Materialismus und Nützlichkeitsdenken nicht nur von aristokratischen, religiösen und gemeinsinnigen Konservativen, sondern ebenfalls von modernen Ästheten und Künstlern heftig geschmäht wird. Die daraus abgeleiteten Ziele fallen allerdings höchst unterschiedlich aus: Plädieren die Konservativen für eine Rückkehr zur ständischen Gesellschaft, treten die Ästheten vehement für die Autonomie des Werks ein. Die Autonomie des Kunstwerks erkennen sie gerade daran, dass es keinem bürgerlichen Zweck und auch keiner hergebrachten moralischen Verpflichtung dient; dies kann später bis zur Unverständlichkeit vorangetrieben werden, wenn die kommunikative Funktion der Sprache und die Referenzialität der Zeichen hermetisch unterlaufen oder überspielt werden.

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Zweitens bestehen auch zwischen kunstsinnigen Bildungsbürgern und Autoren wie Gautier, Baudelaire, den Gebrüdern Goncourt, Flaubert, Huysmans erhebliche Unterschiede in Fragen der Ästhetik; sie entzünden sich besonders an der Einschätzung, was der »Idealisierkunst« zum einen überhaupt an Stoffen zugänglich ist und welches Formengepräge sie zum anderen grundsätzlich annehmen sollte. Gautier erklärt bereits 1835 in seinem Vorwort zu Mademoiselle de Maupin deutlich, dass erotische Sujets ein legitimer Stoff seien, falls sie zur Schönheit der Darstellung beitrügen. Weil Gautier dem materiellen Nutzen und dem moralischen Zweck im Namen der Schönheit absagt (1955b: 23), muss das Plädoyer für erotische Darstellungen konsequenterweise ebenfalls strikt vom Lob erregender Dichtung oder Malerei getrennt bleiben. Trotzdem geht Gautier über Schiller oder das Reichsgericht weit hinaus, nicht weil er anders argumentierte, sondern weil ihm in deren Augen anstößige Sujets gleichfalls dem Schönen würdig erscheinen. Sieht das Reichsgericht die interesselose ästhetische Freude angesichts von Akten Tizians und Veroneses als möglich an, entdeckt sich das Schöne in Gautiers Roman Mademoiselle de Maupin vorzüglich beim Spiel androgyner, teilweise verdeckt homosexueller Verführung. Große Unterschiede tun sich auch auf, wenn die Frage beantwortet wird, mit welchen künstlerischen Verfahren sich der Schriftsteller über den prinzipiell zweitrangigen Stoff erheben kann. Gautier weist in ganz traditionell anmutender Weise auf den Vorzug des Künstlers hin, seine Werke unabhängig von den bekannten Tatsachen der geschichtlich gegebenen Wirklichkeit zu schaffen; an Baudelaire schätzt er als einen Garanten künstlerischer Autonomie das Vermögen, die poetischen Gegenstände aus der réalité triviale hervorzuheben. Im Gegensatz zur bildungsbürgerlichen Vorliebe für jene Harmonien und Idealisierungen, die längst so eingeschliffen sind, dass sie als natürlich ausgegeben werden, stellt Gautier jedoch das Moment des Künstlichen auffällig in den Vordergrund. In seinem Aufsatz zur dritten Auflage von Baudelaires skandalösen Fleurs du mal kann Gautier über dreißig Jahre nach dem Vorwort zu Mademoiselle de Maupin diesen Zug besonders nachdrücklich präsentieren. Baudelaires weit ausgreifende Einbildungskraft treibe ungewöhnliche, widernatürliche Kombinationen und Dinge hervor, die imaginations baroques, antinaturelles zeugen dann etwa fleurs étranges, aux couleurs métalliques (1901: 20). Zur Artifizialität der Baudelaire’schen Einbildungen tritt nach Auffassung Gautiers grundsätzlich dessen Manier, sich auch bei starken Empfindungen nicht einfach hinzugeben. Baudelaire bleibe immer ein bewusster Zuschauer seines eigenen Lebens, die Selbstverdopplung in Akteur und Beobachter (»il se dédouble«) zerbricht die Einheit der Handlung. Von direkt durchschlagenden Wirkungen kann darum gleichfalls keine Rede sein: Das ›dédoublement‹ zeige sich bei Baudelaire daran, dass die Empfindungen stets zum Gegenstand der Analyse werden: »Toute sensation lui devient motif d’analyse« (ebd.: 12). Auf diese Weise steht der Reizbarkeit zumindest auf einer Ebene ein »Reizschutz« zur Seite (Benjamin 1974a: 615; vgl. LinkHeer 1999). Gautier selbst gibt in der Mademoiselle de Maupin ein gutes Beispiel für die Distanznahme. Obwohl der männliche Held des Romans in höchstem Maße ein Bewunderer der weiblichen, erotischen Schönheit ist, hält die Verschränkung von Beobachtung und Reflexion ihn davon ab, einfach Lust zu empfinden, die »Wirklichkeit« möchte er nicht einfach akzeptie-

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ren; andererseits führt dies dazu, dass auch das gewöhnlich als hässlich oder traurig Empfundene der reflektierten Schönheitssuche begehrenswert erscheinen kann, etwa irgendeine »Dirne«, ein hässliches altes Weib oder eine weinende Frau, deren Tränen ihren Augen »hellsten Glanz« verleihen (1955a: 52, 81). Für Distanz zu den künstlich schimmernden oder moralisch fragwürdigen Stoffen ist demnach immer in einer Hinsicht zweifelsfrei gesorgt. Dennoch genügen diese Abstandsgesten der bürgerlichen Öffentlichkeit nicht. Die ›kühlere‹ Analyse kann nämlich in bestimmter Weise den Grund für eine auffällige Präsentation bereiten, aus der womöglich ›heiße‹ Wirkungen erwachsen. In mehrfacher Hinsicht – nicht zuletzt wegen des Verstoßes gegen das klassizistische Gebot der Harmonie und Einheit des Mannigfaltigen – missfällt deshalb die moderne Manier der »Dekomposition«, die Zerteilung des Buches und sogar der Seite in einzelne, disparat erscheinende Stellen (Bourget 1887: 25). Der einfachste, nachhaltigste Grund des Missbehagens liegt darin, dass man gegenüber bestimmten Sujets weder Abstand wahren kann noch möchte (etwa gegenüber Baudelaires gealterter, verbrauchter Verführerin, der im Gedicht Le Monstre in Galanteries auf ungewöhnliche, verwirrende Weise »eigene Reize«, grâces particulières, zugesprochen werden). Sie eignen sich aus der Sicht des Bildungsbürgers in keinem Fall zur künstlerischen Idealisierung, schon gar nicht in ihrer modernen Variante. Baudelaire verteidigt sich gegen seine Kritiker in offensivem Stil; sie verwechselten die »guten Taten« mit der »schönen Sprache«. Er weiß sich als »Liebhaber des schönen Stils« dem »Haß der Menge« ausgesetzt (1975a: 116). Die Poesie habe aber »keinen anderen Zweck als sich selbst«, der Dichter sei kein Moralist oder Vermittler nützlicher Erkenntnisse, sondern ein »Beherrscher der Worte«. Als selbsternannter großer Einzelner dekretiert Baudelaire dies ungeachtet der herrschenden »bürgerlichen Mittelmäßigkeit«, des »lärmende[n] Haufe[ns] von Käufern und Verkäufern« sowie – in der Nachfolge Tocquevilles – der demokratischen Tyrannei der Mehrheit (1983: 357, 355, 350). So klar diese Worte sind, so wenig aussagekräftig bleiben Baudelaires poetologische Angaben, welchen schönen Stil der wortmächtige Dichter schaffen solle. Baudelaire feiert die geistreichen und überraschenden Analogien und Entsprechungen, was genau klingt, aber den Nachteil besitzt, dass sich Rhetoren und Poeten seit Beginn des Abendlandes – von den Sophisten und den sog. Asianisten über barocke Manieristen bis hin zu den Frühromantikern – auf dieses Prinzip gegen die oft vorherrschenden Aristoteliker oder Rationalisten berufen haben (Hecken 2005). Eine etwas bessere Auskunft, welches besondere Gepräge die fern liegenden Analogien und Metaphern aufweisen sollen, gibt darum Baudelaires Protokoll, welche Gebilde die Imagination bei den feinsinnigen, einigermaßen empfindsamen und originellen Personen hervorbringt, die unter dem Einfluss von Haschisch stehen. Baudelaire spricht von ungewöhnlich glänzenden Farben und intensiven Gemütszuständen, von banalen Alltagsgegenständen, die schnell eine »erschreckende Lebendigkeit« gewinnen: Grob gewirkte Tapeten würden sich wie »herrliche Dioramen höhlen«, Pflanzen, Tiere, Landschaften zeigten sich dem Betrachter als Allegorien, deren Sinn sich ihm gleich offenbare (1991: 89). An dieser Stelle wird noch etwas weiteres deutlich. Auch wenn Baudelaire schließlich anmerkt, dass die Drogen zwar die Einbildungskraft steigern,

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zugleich jedoch die Fähigkeit lähmen, sich diese zunutze zu machen – und wenn es ohnehin die Aufgabe des Dichters ist, durch die Wortkunst, durch die bewusste stilistische Arbeit solche Einbildungen zu fassen –, zeigt sich doch zumindest ein gemeinsamer Nutzen von Droge und Dichtung. Er liegt in der Intensität, im erregenden Moment. Wie bereits am erotischen Beispiel gesehen, ist nicht allen Anhängern der Moderne die proklamierte Autonomie der Kunst gleichbedeutend mit völliger Zwecklosigkeit. Die entschiedene Abgrenzung gegenüber bürgerlichen Anforderungen führt sie zur Lösung von Moral und religiösem Anstand, von materiellem Nutzen, biederem Behagen oder auch leichtem, harmlosen Genuss. Andere, stärkere, ungewohntere Reize werden in ihrer Wirkung hingegen nicht immer zurückgewiesen; als Distinktionsmoment dient dabei, dass sie verfemte oder groteske Züge tragen, der Mehrheit unnatürlich und sogar bedrohlich, widerwärtig oder schlicht reizlos vorkommen. Wegen der grundsätzlichen Verpflichtung auf das Autonomiepostulat muss aber stets umstritten bleiben, wie weit die Hingabe an die ungewöhnlicheren Reize gehen darf. Um ein kleines Beispiel zu geben: Auf das Urteil eines Romanhelden Huysmans’, Topfblümchen seien interessanter als in der freien Natur erblühende Rosen, reagiert Flaubert in einem Brief an den Autor mit dem scharfen Verweis, weder die eine noch die andere Blume sei an sich interessant, interessant sei nur die Art und Weise, in der sie geschildert werde (7. März 1879; zit. n. Baldick 1955: 45). Ein leicht zu betretender, breiter Ausweg besteht dann darin, die Kunst nicht in der Schilderung, sondern in der Schöpfung aufgehen zu lassen. Recht spät wird diese Haltung etwa von Oscar Wilde präsentiert. Originell ist sie da bereits nicht mehr, sie erfährt aber von ihm einen sehr wirkungsvollen Ausdruck. In dem Dialog The Decay of Lying vertritt sein alter ego Vivian den Standpunkt, dass nur nutzlose Dinge schön sein könnten. Er verwendet dieses Argument, um naturalistische, sozialkritische Werke zu diskreditieren, die sich seiner Ansicht nach fälschlich an bedeutende Fragen des gegenwärtigen gesellschaftlichen Lebens hefteten, um so Kunst mit Wissenschaft oder moralischem Aufruf zu verwechseln. Wahre Kunst sei aber vom Leben getrennt, die Aufnahme der alltäglichen, vulgären Formlosigkeit zerstöre sie. Mit der Behauptung verbindet sich folgerichtig die Bestimmung, dass Schönheit in der Verfeinerung und Neuschöpfung liege. Im geglückten Fall dreht sich die Beziehung nun um, das Leben imitiert die schönen, gebundenen Formen der Kunst – reproduziert sie in a popular form, wie Wilde mit Vivian sagt (1966a: 976ff., 982f.). Wichtig ist dabei, noch festzuhalten, dass Wilde keinen prinzipiellen Unterschied zwischen den dekorativen Künsten und der Malerei oder Literatur macht. Im Namen des schönen Stils gilt ihm die dekorative und die »ideale« Kreation gleich viel (ebd.: 978). Seine berühmten und gerne zitierten Maximen, dass nur die »oberflächlichen Qualitäten« Bestand hätten und in wichtigen wie unwichtigen Angelegenheiten allein der Stil, nicht die Aufrichtigkeit zähle (1966b: 1205f.), erklären sich darum leicht als vollkommene Entgrenzung der ästhetischen Einstellung. Auf ähnliche Weise erfährt der Anspruch des l’art pour l’art wiederum eine eigentümliche Pointierung. Bei Wilde wird aus der poetologischen Regel bzw. dem Geschmacksimperativ, der realistischen Beschreibung konsequent abzusagen und dadurch hässliches Leben und schöne Kunstform zu trennen,

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unter der Hand die Aufforderung, schön zu leben; »the true disciples of the great artist are not his studio-imitators, but those who become like his works of art«, heißt es in einer weiteren Sentenz Wildes (1966a: 983). Solche Nachahmung schützt die künstlerische Schöpfung nicht allein vor akademischer Imitation, sondern ebenfalls vor populärer Verflachung. Die schöne Kunst geht ins Leben ein, ohne vorab dessen falschen Anforderungen genügt zu haben. Die Bahn verläuft im besten Fall genau umgekehrt: »Now Art should never try to be popular. The public should try to make itself artistic« (1966c: 1090). Solche Konsequenz ist in den modernen Autonomieforderungen häufig angelegt gewesen, wenn auch zumeist ohne Glauben an die künstlerische Adaptionsfähigkeit des breiteren Publikums. Der Anspruch, Kunst von moralischen und anderen Zwecken zu trennen, hindert nicht daran, manchmal den dekorativen, vor allem aber den lebenskünstlerischen Gebrauchswert schöner Formen zu schätzen. Die starke Abneigung und Frontstellung gegen den pragmatischen und zugleich blassen Konventionen verpflichteten Besitzbürger ermöglicht es zu übersehen, dass die Absicht, aus dem Leben ein vollständig schönes Werk zu machen, die angestrebte Autonomie der Kunst in vielfältiger Weise verletzt. Baudelaire etwa führt Abscheu vor jener Wirklichkeit, die zudem von den biederen Bürgern als einfache moralische Natur ausgeben wird, bis zu einem Lob der weiblichen Schminke. Steht die Frau in seiner verdreht traditionellen Sicht sonst immer auf Seiten der hassenswerten Natur, tritt sie durch die Schminke einmal ins Reich des Künstlichen. In gesteigerter Weise obliegt es aber dem männlichen Dandy, »die Idee des Schönen« in seiner »Person zu kultivieren«. Der elegante, vollends bewusst stilisierte (aber keineswegs exzentrisch auffällige) Aufzug des Dandys ist für Baudelaire nur der symbolische Ausdruck seines erfolgreichen Bemühens, sich von der demokratischen Konventionalität abzusetzen. Entscheidend kennzeichne den Dandy die Überlegenheit des Geistes, eine »Distinktion«, die sich auch in der originellen Künstlichkeit der Kleidung zeigt, aber keineswegs darauf beschränkt (1989: 242ff.; vgl. Gnüg 1988; Bertschik 2005: 127ff.). Auf die Verletzung des Autonomieprinzips durch das Lob dekorativer Künstlichkeit folgt demnach rasch die angestrebte Heilung durch die Kälte übergreifender, bewusst vorgenommener Distinktion. Es soll nicht darum gehen, sich zu verschönern und die anderen zu bezaubern, es geht auch nicht zuerst um den erotischen Reiz eleganten Auftretens. Das Dandytum ist eine »ganze Art zu sein«, wie Barbey d’Aurevilly bereits einige Jahre vor Baudelaire schreibt, sein Wesen liege in der »individuellen Rebellion gegen die bestehende Ordnung, manchmal auch gegen die Natur« (2006: 28, 30). Zum Vorteil der Künstlichkeit hebt Baudelaire den letzten Punkt stärker hervor. Das Dandytum rückt dadurch stark an die schöne Kunst heran, ohne dass der Wert der Distinktion augenscheinlich die angestrebte Nutzlosigkeit des Kunstwerks kontrastiert. Das Lob der Kälte, der behaupteten Interesselosigkeit in erotischen Dingen – der Dandy ist nach Ansicht d’Aurevillys kein Libertin, seine Eitelkeit rühre nicht an »heißes Blut« (ebd.: 49) – verhindert wohl die Einsicht in den Widerspruch. Tatsächlich mildert sie ihn jedoch nur ab. Ganz zum Tragen kommt der Widerspruch in einem Roman Huysmans’ aus dem Jahr 1884, A Rebours. Auch hier haben wir es mit einem hochgebil-

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deten Dandy, der sich dem gewohnten bürgerlichen Alltag radikal verweigert, zu tun. Des Esseintes, dem Huysmans seinen Geschmack und manch anderen autobiografischen Zug leiht, wendet sich von der Welt und den Menschen ab. Die täglichen patriotischen und gesellschaftlichen Berichte der Zeitungen, die bourgeoise Orientierung an Nützlichkeit und Erfolg, die Bemessung des Werts am Verkaufserlös widern ihn an. Die bürgerlich-liberalen Freidenker sind für ihn »gierige und unverschämte Puritaner«, Leute ohne Bildung, die alle Freiheiten bloß fordern, »um die Meinungen der anderen zu ersticken«. Der bürgerliche Exzess vermag ihn zumindest auf längere Sicht ebenso wenig zu befriedigen. Ein Jahr mischt Des Esseintes sich unter die Lebemänner, besucht Operetten und Rennbahnen, wettet, spielt Karten. Am Ende des Jahres steht der Überdruss an diesen Ausschweifungen. Sie erscheinen ihm nun gemein und billig zu sein, er bemerkt das Fehlen aller Distinktion. Ohne »fiebrigen Prunk, ohne Überreizung des Blutes und der Nerven« ist die Ausschweifung für ihn nichts mehr wert. Größere Distinktion beweist er in seiner dandyistischen Phase, einem Dandytum, das nicht in unauffälliger Eleganz, sondern sichtbarer, bewusst herausgestellter Exzentrizität besteht. Wie Gautier mit seinen berühmten bunten Westen oder umgekehrt Baudelaire in seiner konsequent dunklen Kleidung – akzentuiert durch offenen Kragen oder eine ochsenblutfarbene Krawatte (Richardson 1969: 27ff.; Wilson 2000: 164) – setzt Des Esseintes auf starke, nicht auf subtile Unterscheidungsmerkmale; er zieht Anzüge aus weißem Samt an, anstelle der Krawatte steckt er Parmaveilchen in den Ausschnitt seines Hemdes. Er gibt Aufsehen erregende Diners, lässt die Gäste von nackten Negerinnen bedienen, die Rogen von Meeräschen, Wildbret in lakritzen- und schuhwichsfarbigen Saucen, ambraduftende Schokolade und vieles andere mehr servieren. Sein Boudoir stellt auf vergleichbare Weise die gewollte »überhitzte Umgebung« dar; in ihm fällt das Licht durch einen Zeltstoff aus indischem, rosa Satin und verleiht den Leibern einen milden künstlichen Ton, potenziert durch unendliche Vervielfältigungen der einander gegenüber angebrachten Spiegel, berühmt bei »den Mädchen, die Gefallen daran hatten, ihre Nacktheit in dieses laue, rosenrote Bad zu tauchen«. Doch auch diese Genüsse verlieren nach einiger Zeit ihre Anziehung. In den ostentativ ausgestellten Exzentrizitäten mag Des Esseintes nur noch bizarre oder altmodische »Überspanntheiten« erkennen. Der erotisch stilisierte Reiz kann ihn ebenfalls nicht mehr befriedigen, seine Sinne erschöpft die Langeweile. Des Esseintes fasst den Beschluss, von allem abzukehren. Hoch paradox wirkt allerdings, dass ihn die Abkehr vom Pariser Treiben in einen abgeschiedenen Zufluchtsort führt, den er selbst von Beginn an mit allen Mitteln in ein künstliches Paradies verwandelt. Die ländliche Abgeschiedenheit steht nicht für Einfachheit und einen Zustand vor aller Technik. Als Emblem seiner Wünsche erscheinen Des Esseintes die Lokomotiven der Nordroute als wahrhaft faszinierende weibliche Körper. Sie übertreffen die Frau, das von vielen als exquisitestes Produkt der Natur angesehene Geschöpf – wie Des Esseintes weiß –, bei weitem an Schönheit. Der Abschied von der libertinen Stadt steht aber ebenfalls nicht für eine Abkehr von den Außenreizen und eine Hinwendung zu einer fantastischen, imaginativen Aufladung der Dinge ein, die sich von ihren direkten sinnlichen Stimuli abwendet. Nach allen Raffinessen der Kunst muss nämlich auch Des Esseintes’ neues Refugium gestaltet werden. Die ganze Einrichtung wird

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konsequent darauf abgestimmt, dass sie in der Nacht, bei Kunstlicht, wirkt; die Wahl fällt auf Indigo und verschiedene Orangetöne, besonders Orange, die »aufregende und krankhafte« Farbe der »Überreizten«, wie der Erzähler anmerkt, verfehlt ihre Wirkung auf Des Esseintes nicht. Blumen und Bücher dominieren die Zimmer, viel Zeit (und ganze Kapitel) nimmt ihre genaue Auswahl in Anspruch. Des Esseintes’ ästhetischer Geschmack wird vollständig von der Abneigung gegen den Klassizismus bestimmt, von Petronius bis zu Baudelaire reicht die Kette seiner literarischen Favoriten. Bei den Blumen bevorzugt er entsprechend künstliche Züchtungen. Weil Des Esseintes sich vornehmlich besonderen Reizen überlässt, muss das Nachschmecken immer neuer Nuancen folglich mit einem Angebot immer differenzierterer Reizgegenstände einher gehen. Eine umfangreiche Kollektion an Alkoholika kann er sich über eine »Mundorgel« zuführen, verschiedenste Likör-Mischungen zwischen Curaçao und Branntwein sind ihm dadurch spielerisch zugänglich. Auch bei den Düften stellt er aus einer Vielzahl von Essenzen immer neue Kombinationen her, sie dienen dem Parfumeur Des Esseintes dazu, vor dem inneren Auge unterschiedliche Szenerien, Landschaften und Situationen durch die Einbildungskraft von Ambrosia, Chypre, Weißdorn, Londoner Lindenblüte, Ayapana, Jonquille usf. entstehen zu lassen (1991: 12ff., 28ff., 33f., 24, 109, 61f., 140ff.). Man sieht schnell, weiter von Kants interesselosem Wohlgefallen, dem Garanten eines autonomen ästhetischen Geschmacksurteils, könnte Des Esseintes nicht entfernt sein. Bei vielen avancierten Autoren der Moderne (wie Huysmans), die gleichwohl auf der Autonomie der Kunst bestehen, wird die Interesselosigkeit deshalb auf ganz andere Weise als von Kant angestrebt. Die forcierte Künstlichkeit der Reize, ihre artifiziell erzeugte Form, soll die Interesselosigkeit wenn schon nicht erzeugen, so doch symbolisieren. Tatsächlich besteht die Distinktion aber häufig viel stärker in der Abgrenzung vom konventionellen, scheinbar natürlich-moralisch gegebenen Geschmack des Bürgers als in der Abkehr vom sinnlich stimulierenden Reiz. Huysmans’ Roman schließt jedoch noch auf einer anderen Note. Des Esseintes ist endgültig überreizt, Körper und Geist versagen ihm den Dienst, er wird vom Arzt auf Entzug gesetzt und zieht daraus den (allerdings wiederum exzentrischen) Schluss, in den Armen der Kirche zu entsagen. Die Rede von der Dekadenz sorgt im Rahmen dieses angenommenen Krankheitsbildes im späten 19. Jahrhundert auf ihre Art für Interesselosigkeit. Die libertine »Nervenkunst«, lautet eine weit verbreitete Ansicht, bringe »Schwächlingsnaturen« hervor, deren hohe Sensibilität irgendwann in Agonie umschlage. Dass jener Abstand zwischen Organismus und vielfältig differenziertem, ›perversem‹ Reiz, den das ›dédoublement‹ (die Distanz des reflektierenden Beobachters) und die künstliche Hervorbringung gewährt, vor dem Zusammenbruch schützt, wird von den Kritikern der Dekadenz, die ihre Moral stets von der Wirklichkeit bestätigt wissen, natürlich ausgeschlossen. Die Anhänger des Stils und der Sujets Baudelaires und Huysmans’ tragen allerdings ihrerseits ebenso zu dem Bilde bei, als sie die künstliche Differenzierung regelmäßig mit dem Grund (oder Abgrund) tiefer Langeweile verknüpft sehen (vgl. Kafitz 2004). Bemerkenswert ist zuletzt, in welch hohem Maße diese Nervenreize mit Stereotypen des Weiblichen verknüpft sind, wodurch leicht Verbindungen zur ebenfalls weiblich vorgestellten populären Kultur gezogen werden kön-

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nen. Um jene Lesart der populären Kultur, die sie vorrangig mit dem Feminin-Süßlichen, belanglos Romantischen gleichsetzt (vgl. Hecken 2006a: 17), geht es hier aber selbstverständlich nicht. Dieser Spielart populärer Kultur ist ja die Literatur der Moderne ausdrücklich entgegengesetzt (vgl. Huyssen 1986a). Im Zusammenhang der modernen Dekadenz geht es deshalb um weniger harmlos scheinende Reize. Nietzsche etwa prangert in der Nachfolge Bourgets die »überreizte Sensibilität«, das »Konvulsivische«, den raffiniert leidenschaftlichen Klang, die das Ganze zersetzende, »künstliche« Dekomposition der décadence an. Besonders auffällig bei ihm ist aber, dass er die Dekadenz zu einem überaus erfolgreichen, hysterischen »Massen-Aufstand« stilisiert, ein Aufstand der Masse, welche, wie später auch bei Le Bon, vornehmlich feminisierte Züge trägt. Dadurch wird negativ angezeigt, dass die Hingabe an die Sensation einen Affront des verfeinerten Geschmacks, eine allzu starke Annäherung an die vulgäre Sinnlichkeit darstellt, selbst wenn der dekadente Geschmack sich auf ungewöhnliche Reize richtet und die Hingabe nie ihr ausgesucht kaltes Moment verlieren soll. Die beständige Furcht vor der Überreizung zeigt aber symbolisch an, dass die Dekadenten selbst sich untergründig bewusst sind, in welch starkem Maße sie die Grenze zum Vulgären durchbrochen haben. Ihre Kritiker werfen ihnen darum natürlich gleich unterschiedslos vor, sie seien längst in der Vulgarität aufgegangen. Die ›Entnervung‹ sieht Nietzsche entsprechend kritisch als Entmännlichung, den starken, hypnotischen Reiz als »Unterhalb der Kunst«, als Mittel, dem Geschmack der Menge zu willfahren (1980a: 913, 930ff.; vgl. Helduser 2005: 110f.; Reschke 1992; Gamper 2007). Nietzsche schreibt diese ihrerseits überspannten Thesen nach seinem Abfall von Wagner nieder. Wagner gilt ihm als Musterbeispiel der Dekadenz, seine Musik als »Weib«, sein theatralischer Erfolg als Beweis der »MassenKunst« (1980b: 1045, 1041). Damit vollzieht Nietzsche eine vollkommene Kehrtwendung. Einige Jahrzehnte zuvor, im vierten Stück seiner Unzeitgemäßen Betrachtungen stellte sich ihm Wagners Kunst ganz anders dar, die hochgetriebene »Reizbarkeit« schien ihm dort gerade nicht auf partikulare Effekte hinauszulaufen, sondern durch Wagners Genius zum Ganzen gebunden. Die Verknüpfung im erneuerten Mythos ist zugleich der Grund, aus dem Wagner das »Volk« anspricht und versammelt. Dieses Volk ist weit entfernt von jener Masse, die Nietzsche später als Wagners Publikum denunziert, es ist keineswegs identisch mit jener allgemeinen Menge, die vom Theater »künstlich erzeugte Aufregung« verlangt. Die zeitgenössischen »Kunstfreunde« hingegen stehen nach Nietzsches früher Diagnose ganz im Banne der »Scheinbedürfnisse« einer »Luxus-Gesellschaft«. Auch das beherrschte Volk habe dadurch seinen ursprünglichen Charakter verloren, es sei »unvolkstümlicher« geworden, weil die Mächtigen aus ihm den »modernen ›Arbeiter‹« geschaffen hätten; seine Lieder und seine Sprache hätten sie ihm entzogen, »um daraus ein wollüstiges Mittel gegen die Erschöpfung und die Langeweile ihres Daseins zu destillieren – die modernen Künste.« In Wagner erkennt der junge Nietzsche mit kunstreligiösem Pathos das Ende solcher Moderne und die Zukunft des durch ihn wiederhergestellten Volkes (1980c: 371, 381, 413, 405). Der späte Nietzsche widerruft seine Worte vollständig. Weil ihm Wagner nun als effektvoller Dekadenter gilt, steht Popularität erneut im Zeichen des Verfalls. Dennoch bleibt vielleicht ein Ausweg übrig. Nietzsches Stilisierung

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Wagners zum typischen décadent übergeht, in welch starkem Maße zur künstlerischen Dekadenz, in deren Tradition Nietzsche Wagner sieht, auch der Abstand, die Kälte gehört. Gerade am Beispiel der erotisch sich anbietenden Frau ist diese Distanz seit Baudelaire oftmals genug markiert worden; der Geschmack an Darstellungen von »Freudenmädchen und seidenen Leitern« müsse auf die jugendliche Zeit der Erstkommunion beschränkt bleiben, schreibt jener unmissverständlich (Baudelaire 1975b: 35). Auch bei Huysmans’ Romanhelden Des Esseintes, dieser vollendet dekadent überreizten Gestalt, gehört die Lust auf Schauspielerinnen und Dirnen zur überwundenen Vergangenheit. Im Roman wird dies an Des Esseintes’ neuer Möblierung sinnfällig gemacht: Bestand die Einrichtung seines Schlafzimmers zuvor aus einem großen weißen Lackbett und Möbeln im Stil Louis XV., deren Umrisse die Form weiblicher »Reize« andeuten, gestaltet er es jetzt nach dem Vorbild einer Mönchszelle. Im Übrigen bleibt der Abstand zu einer wirklichen Klosterzelle aber erheblich. Das liegt zuallererst an der Art ihrer Herstellung. Die Schlafzelle ist nicht roh gegeben, sondern wird mit großer künstlicher Raffinesse simuliert. Eine ungebleichte Leinwand ersetzt den Gips der Decke, das kalte Pflaster einer mönchischen Behausung wird durch einen Teppich mit breitem Karomuster nachgebildet, in dem eingearbeitete helle Stellen die Abnutzung durch Sandalen und Stiefel vorgeben. Das Augenmerk auf stilistische Besonderheiten, die Verbindung von ungewöhnlichem Reiz und passendem Gebrauchsobjekt zeigt selbst im asketischen Fall den dekadenten Geschmack. Dergestalt tritt das differenzierte Reizverlangen doch als ›weiblich‹ hervor. Nach der Logik der Geschlechterstereotype, die Aktivität und Passivität strikt verteilt, gehört Konsum und Abhängigkeit von Reizen in den Bereich des Femininen (vgl. Haupt 1997). Unter dem Leitbild muss die moderne Kunst in vielerlei Hinsicht als weiblich erscheinen. Den Mittelpunkt bildet aber nicht mehr die angeblich weibliche Lust am edlen, glänzenden oder süßlichen Luxus (Sombart 1992). Modern wird der Geschmack nun vielmehr entgrenzt, alle möglichen Objekte können dem subtilen Betrachter reizvoll vorkommen. Die romantische Ersetzung des (klassisch abgeschlossenen) Schönen durch das (unendlich) Interessante steht dann geradezu am ideologischen Ursprung des neuen, hoch differenzierten Konsums (Campbell 1987: 205), auch wenn man einschränkend anmerken muss, dass die liberale Lesart des traditionell christlich abgewerteten Luxus als Verfeinerung (Hume) und als gesellschaftlich nützliches Laster (Mandeville) wichtige Vorarbeit geleistet hat (vgl. McKendrick/Brewer/Plump 1982; McKendrick 1997); zudem zeichnen sich die hier vorgestellten dekadenten Artisten dadurch aus, dass ihre kreative Phantasie sich auf die Reize ungewöhnlicher Objekte richtet und nicht auf deren imaginierte Bedeutungen (vgl. Campbell 1987: 77ff.). Die modern-dekadente Distanz gegenüber dem Weiblichen lässt sich insgesamt ebenfalls als Versuch lesen, die eigenen ›femininen‹ Prägungen, die im hoch differenzierten Reizbegehren zum Ausdruck kommen, zu überdecken, obwohl die Suche sich bereits ohnehin wenig romantisch von den Eigenschaften der Gegenstände bestimmen lässt. Offenbar reicht jene Aktivität, die darin besteht, die verlangten Reize und Gegenstände des fein differenzierten Konsums aufzufinden oder sogar künstlich zu schaffen, auf der Ebene allgemeiner Ideologiebildung und Selbstrechtfertigung noch nicht aus, um dem Urteil ›weiblicher‹ Passivität und allgemeiner Vulgarität zu entgehen.

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Das führt zu bemerkenswerten, eigentümlich paradox schillernden Konstellationen: Des Esseintes etwa ersetzt die erotischen Ausschweifungen ausgerechnet durch ein Bonbon. Im Bonbon steckt ein wenig Sarcanthusparfum, nach Auskunft des Erzählers ein Tropfen »weiblicher Essenz in einem Stück Zucker kristallisiert«. Kein Wunder, dass dieser weibliche Süßstoff bei Des Esseintes nicht allein erotische Bilder heraufbeschwört, die interesselosen, erkalteten Imaginationen gleichkommen. Manchmal zerreißt der Schleier der Distanz, und die Bilder der Vergangenheit treten aus ihrem zweidimensionalen Bann heraus, dann ruft der Geschmack des Bonbons ihm die »andrängende, brutal körperliche Wirklichkeit vor Augen«, die Erinnerung an einige seiner ehemaligen Mätressen gewinnt plastische Qualität. Wenn es sich auch stets um Erinnerungen an perverse Gelüste handelt, die sich auf androgyne Körper oder seltene, kompliziert ausgetüftelte Szenerien richten, laufen die Träumereien doch dem Ideal dandyistischer Kälte stark zuwider und erhitzen oder strapazieren die dekadenten Nerven bis zur völligen Erschöpfung (1991: 125ff.). Angesichts solcher Szenen wird ein wenig verständlich, weshalb Nietzsche trotz des raffinierten dekadenten Schönen die Distanznahme des Schöpfers oder Beobachters so leicht übergehen kann. Das künstliche »Raffinement« dient Nietzsche deshalb lediglich als Beweis für seine (fehlgeleitete) Diagnose der dekadenten »Krankheit«. Er erkennt im künstlich reizvollen Spiel nur eine stickige Sinnlichkeit. Die Diagnose firmiert darum als Warnung: Die dekadente Sinnlichkeit greife auf den Geist über und ermüde ihn unheilbar (1980a: 930). Trotz des eindeutigen Ratschlags, dem zu widerstehen, ist Nietzsche jedoch überhaupt kein Parteigänger der Interesselosigkeit. Als Anhänger der strengen, leidenschaftlichen künstlerischen Arbeit an der Form übernimmt auch er zwar die l’art pour l’art-Formel (1980d: 721), dennoch bildet für ihn »Selbstlosigkeit« nur ein weiteres Prinzip der Dekadenz, wenn es ihm, wie bei Flaubert, einem »Haß gegen das Leben« zu entspringen scheint (1980b: 1048). Kant und seinen idealistischen Anhängern hält er immerhin »Unschuld« zugute; trotzdem ist sein negatives Urteil auch hier eindeutig. Über jene Ästhetiker, die zugunsten Kants bemerkten, dass »man unter dem Zauber der Schönheit sogar gewandlose weibliche Statuen ›ohne Interesse‹ anschauen könne«, dürfe »man wohl ein wenig auf ihre Unkosten lachen«, schreibt Nietzsche in der Genealogie der Moral. Im Namen des gesteigerten Lebens bindet er das Schöne stattdessen mit Stendhal an die »Erregung des Willens« (1980e: 846f.). Es wäre deshalb nicht nur interessant gewesen zu erfahren, was Nietzsche über die Wirkungen Wagners, sondern u.a. auch, was er über die Effekte der Huysmans’schen Bonbons gedacht hat. Mangel an ästhetischer Interesselosigkeit kann man an ihnen gut studieren. Unter dem Eindruck des Bonbongenusses tritt eine ehemalige Mätresse jäh vor Des Esseintes’ Auge, die eher das Gegenteil des süßlich-femininen Bonbongeschmacks verkörpert. Es ist eine blonde Amerikanerin, eine berühmte Akrobatin mit glänzender Haut, einer grazilen Nase, athletischen Gliedmaßen. Des Esseintes bewundert an ihr gerade eine Art »künstliche Geschlechtsumwandlung«. In einer ihm bislang unbekannten Regung möchte er sich ihrer männlichen Gewalt ausliefern. Die Enttäuschung ist darum groß, als er feststellen muss, dass sie sich wie ein kokettes Mädchen benimmt und auch im Bett ganz konventionell zurückhaltend

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agiert. Trotz der anhaltenden Begeisterung für den erotischen Reiz ihrer »großartigen Schönheit« beendet er die Liaison rasch (1991: 125ff.). Die Frage, was Nietzsche dazu gesagt hätte – ob er in der dekadenten Szene nicht doch Spuren des bejahten lebenssteigernden Interesses ausgemacht hätte –, muss leider ohne Antwort bleiben. Obwohl er nicht müde wird, seine Verbundenheit mit Frankreich und insbesondere dessen moralistischer Tradition zu betonen, wagt Nietzsche sich mit seinen Anmerkungen nicht einmal in den Bereich der Libertinage vor. Deshalb müssen wir uns an einen anderen, späteren kulturkritischen Vitalisten, D.H. Lawrence, halten. Die Abneigung gegenüber der sexuellen Dekadenz kommt bei ihm deutlich zum Ausdruck. Sie steigert sich sogar noch, da Lawrence die (wenn auch nur vorübergehende, bald vom Zusammenbruch abgelöste) erotische Kälte, diese Fähigkeit und den Willen zur Selbstbeobachtung, zum distanziert-reizvollen ›dédoublement‹ tatsächlich nun bei Frauen feststellen muss: In seinem Roman Women in Love vermisst ein männlicher Held bei der intellektuellen Hermione schmerzlich alle Spontaneität und Leidenschaft. Es handelt sich bei ihr aber nicht um einen traditionell stereotypisierten Blaustrumpf, sondern um eine Verkörperung des dekadent-nervösen Typus, das macht den Vorwurf besonders. Die Anklage des männlichen Helden läuft deshalb auf eine freimütige Darstellung kühler, aber keineswegs interesseloser Künstlichkeit hinaus: »As it is, what you want is pornography – looking at yourself in mirrors, watching your naked animal actions in mirrors, so that you can have it all in your consciousness, make it all mental« (1973: 46). An der Heftigkeit des Angriffs kann man gut ablesen, wie weit die dekadente, bewusst durchgeführte, raffinierte Reizsteigerung bereits in Gebiete vorgedrungen ist, die zuvor nur Einzelnen vorbehalten sein sollten.

Unromantische Intensität: Futuristische Avantgarde Im Zeichen der Avantgarde wird das Verhältnis von Dekadenz, Reiz, Kunst und populärer Kultur neu verhandelt. Ein durchgehender Imperativ der europäischen Avantgarde lautet, die Kunst müsse mit dem Leben vereinigt werden (vgl. Bürger 1974). Angefangen bei den Futuristen über die Dadaisten bis hin zu den Surrealisten, drängen die avantgardistischen Gruppierungen häufig darauf, zur Erfüllung des Imperativs bestimmte, besonders stimulierende Reize einzusetzen. Im intensiven Augenblick sollen sich die Grenzen zwischen Leben und Kunst auflösen (Hecken 1997b; 2006b). Angst vor der Überreizung und der Vulgarität ist nicht vorhanden, umgekehrt wird auch der dekadenten Empfindlichkeit, der Differenzierung abgesagt. Im ersten futuristischen Manifest von Marinetti aus dem Jahr 1909 wird konsequent einer aggressiven Schönheit gehuldigt, die aus dem Aufruhr, der Erregung, dem Angriff ersteht. In einem weiteren Manifest verpflichtet Marinetti die Kunst darauf, nicht nur die Gefahr zu besingen, sondern ihr gleichzukommen. Die Kunst soll sich an dem schnellen, ekstatischen, diskontinuierlichen Ausdruck orientieren, der vorherrscht, wenn man sich in einer »Zone intensiven Lebens (Revolution, Krieg, Schiffbruch, Erdbeben usw.)« befindet (1972a: 123). Modernen Charakter gewinnt Marinettis Verherrlichung des Ausnahmezustandes und des Krieges nicht nur durch den nationalistischen Eifer, der Marinetti politisch

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antreibt. Auch der Nationalismus wird weiter modernisiert. Er muss sich, wie die Kunst und das Leben auch, mit den Mitteln der ultramodernen Technik und in der Geschwindigkeit, die sie hervorbringt, beweisen. Die moderne Geschwindigkeit kann wohl, gemessen an der Intensität, die sie erzeugt, die alten Naturkatastrophen ersetzen, die modernen Boliden und Kriegsmaschinen zerstören in jedem Fall den überkommenen Schönheitssinn. Die neue »Schönheit der Geschwindigkeit« macht in den Augen Marinettis einen ganz neuen Kanon notwendig. Hatte Huysmans’ Held Des Esseintes die Lokomotive gepriesen, dekretiert Marinetti im viel zitierten ersten futuristischen Manifest, dass ein Rennwagen schöner sei als die antike Statue der Nike von Samothrake (1972b: 33). Die Absage an die alte Kunst und ihre Ästhetik, an die Regeln der Akademie und die Maxime des interesselosen Wohlgefallens könnte kaum entschiedener vorgetragen werden. Trotzdem muss aus einer Abweichung von idealistischen Einschätzungen keineswegs eine Huldigung der zeitgenössischen populären Kultur hervorgehen, dies haben wir bereits an den dekadenten Theoretikern gesehen. Die Verachtung der Zeitungen, diesen Organen der ›vulgären Menge‹, ist bei den antidemokratisch gestimmten Ästheten von Gautier über Baudelaire bis Nietzsche ein Gemeinplatz. Das Urteil erstreckt sich auch auf die große Zahl der Romane, die den Lesestoff des breiteren Publikums abgeben. Huysmans’ Protagonist Folantin spricht in der Hinsicht mit der Stimme seines Autors ein klares Wort. Ob es Romane sind, »in denen hochherrschaftliche Damen die Hauptrolle« spielen oder »in Hintertreppenmanier von tragischen Liebesgeschichten, Duellen, Morden und Selbstmorden« berichtet wird, Romane, in denen »alle Laster den gehobenen Ständen, alle Tugenden dem einfachen Volk« zugeschrieben werden, oder solche, in denen mit religiösem Segen »löffelweise Weihwasser in den Brei einer schleimigen Prosa« geschüttet wird – sie alle, moralisch erbauliche, populistische oder unterhaltsam abenteuerliche Schriften, verfallen dem gleichen äußerst kritischen Urteil. Allesamt seien sie von »ausgesprochenen Dummköpfen« geschrieben worden, heißt es erbarmungslos, zwischen moralischen und unmoralischen, salbungsvollen und niedrigen Schriften wird kein Unterschied gemacht. Monsieur Folantin zieht es darum an den Ständen der Bouquinisten zu den Gedichtbänden, die noch kaum jemand aufgeschlagen hat. Folantin, eine ärmliche Variante von Des Esseintes, ergreift Mitleid angesichts der Menge dieser verschmähten Titel, neuere Werke etwa »aus der Schule Victor Hugos, Hymnen auf den sanften Erntemonat Messidor, die schattigen Wälder, die göttlichen Reize einer jungen Frau, die im wirklichen Leben wahrscheinlich auf den Strich ging.« Auf große Verkaufszahlen hätten die Dichter ohnehin nicht gehofft, nur auf eine »kleine Ermutigung seitens sensibler und gebildeter Menschen«, sinniert Folantin; sein Fazit lässt aber keinen Raum für Hoffnung; nicht einmal diese bescheidene Anerkennung werde ihnen zuteil (Huysmans 1988: 38f.). Man ermisst leicht den ungeheuren Abstand der umwälzenden futuristischen Absichten zu solcher (zudem enttäuschten) Bescheidenheit. Auf welchem Grund die kühnen futuristischen Ansprüche ruhen, bleibt aber unklar. Zwar wollen sie keine stillen Poeten mehr sein, doch ihre lauten Töne vermitteln kaum populäre Botschaften. Der Zeitungsreportage zollen sie Lob, dies unterscheidet sie nachhaltig von ihren Vorgängern, das Lob findet allerdings seinen speziellen Grund in der Sprache, die der Fernschreiber einigen Zei-

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tungsberichten diktiere; das Gebot der geschwinden Übermittlung zwinge den »oberflächlichen Erzählungen« eine »lakonische Ausdrucksweise« auf (Marinetti 1972a: 123). Gesteigerte Geschwindigkeit soll auch die futuristischen Texte prägen; Zerbrechung der Syntax, Abschaffung von Adjektiven und Adverbien, Bildung analogischer Verdichtungen zerstören die hergebrachte Ausdrucksweise nachhaltig. Dass die Analogiebildung zur kühnen Metapher verknappt werden soll, sorgt endgültig für große Distanz zum viel gelesenen Zeitungsartikel; es sei unnötig, verstanden zu werden, heißt die entsprechende futuristische Parole (Marinetti 1972c: 80). Die Direktive gilt ebenfalls für andere Kunstgattungen, etwa die futuristische Musik mit ihren Geräusch-Kompositionen. Das Geräusch schätzen die Futuristen genau deshalb, weil es im Gegensatz zum bekannten musikalischen Ton in überraschender Weise aus dem »Gewirr des Lebens« entstehe (Russolo 1972: 107). Auch oder gerade in bewusst komponierter Form dürften die »Geräuschkombinationen« wahrscheinlich für Verwirrung bei den meisten Zuhörern sorgen. Ob eine Überraschung, die beim breiten Publikum mit ›Verständnislosigkeit‹ einhergeht, Intensität erzeugt, muss jedoch fraglich bleiben, besonders wenn man dies mit der Intensität vergleicht, die aus den lebensbedrohlichen Gefahren der Naturkatastrophen und revolutionären Umbrüche erwächst. Entscheidend für unseren Zusammenhang ist darum, dass sich die Futuristen manchmal auch für intensive Momente begeistern können, die weder mit maximaler Anspannung und martialischer Bedrohung noch mit esoterischer Kunstsprache verbunden sind. Den Anstoß, solche harmloseren, gewöhnlicheren Momente im Manifest zu feiern und ästhetisch einzufordern, gibt die Möglichkeit, dadurch besonders radikal gegen die idealistischen Gebote interesselosen Wohlgefallens anzugehen. Wie gesehen, steht seit Kant und Schiller das Bunte und Sinnliche, die Materie, der Reiz und der Zusammenwurf von Bildern aus bildungsbürgerlicher Sicht stets unter Verdacht, den Bezirken unterhalb der Kunst anzugehören. Wie aber gleichfalls gesehen, können selbst die Anhänger moderner Dekadenz der Interesselosigkeit keineswegs entsagen, da ihre ganze Abneigung dem Nützlichkeitsprinzip des Besitzbürgers – aber auch den rührenden oder spektakulären, opulenten Gegenständen seines Amüsierwillens (Maase 2001: 9; 2003: 230) – sowie den harmlosen Vorlieben des Bildungsphilisters gilt. Auf teilweise widersprüchliche Weise greift darum bei Autoren wie Baudelaire das Bekenntnis zur zweckfreien Schönheit und die Hingabe an kalt-nervöse Sensationen ineinander. Die bürgerliche Verdammung der niederen, gemeinen Schriften kehren sie nicht um, weil diese aus Sicht der modernen Ästheten noch viel zu bieder sind: Huysmans’ bescheidenen Helden Folantin führt die Abneigung gegen die offiziellen, religiös-moralischen Volksbelehrungen und Erbauungsschriften ebenso wie den viel dekadenteren Des Esseintes keineswegs zu einem Lob von Abenteuer- und Mordgeschichten. Die vor allem durch Professoren und in manchen Feuilletons betriebene Trennung der Kultur von ihren als populär, demokratisch-plebejisch oder gemein-sinnlich erkannten Elementen (vgl. Levine 1988; Maase/Kaschuba 2001) findet bei den forciert modernen Künstlern keinen Widerspruch. Erst bei den futuristischen Avantgardisten, die sich damit nicht nur von den idealistischen, sondern auch von den modern-dekadenten Ästheten wirkungsvoll absetzen, stößt man nun auf eine Reihe von poetologischen An-

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weisungen und Geschmacksurteilen, die bestimmte Elemente der Populärkultur in ein positives Licht rücken. Ja, man kann ohne jede Übertreibung sagen, dass in einem der futuristischen Manifeste die meisten grundlegenden Standpunkte späterer Pop-Theoretiker bereits in kanonischer Form niedergelegt sind. Il teatro di varietà, so der Titel des Manifests aus dem Jahr 1913, liefert zu Beginn allerdings eine ganz alte Definition. Das futuristische Varieté, als wahrhaft zeitgenössisches Theater, solle zerstreuen und unterhalten, fordert Marinetti (1972d). Zwar klingen die näheren Angaben zu dieser antiken, römischen Funktionsbestimmung der literarischen Kunst moderner – als Mittel der Unterhaltung sollen »Komik, erotischer Reiz oder geistreiches Schockieren« dienen, und zur Zerstreuung kommt nicht mehr wie einst die Belehrung hinzu –, in ihnen liegt aber eine andere Gefahr begründet. Wegen der bevorzugten Mittel des reizvollen, geistreichen Vergnügens rückt das futuristische Theater gefährlich nahe an die gut bekannten, harmlosen Formen bürgerlicher Vergnügungen abseits idealistischer Ansprüche heran. Das ganze weitere Manifest dient deshalb dazu, wieder auf Abstand zu gehen. Die Distanz wird erstens durch eine Verstärkung der Reize, durch potenzierte Vulgarität erfolgreich hergestellt. Marinetti will auf die Bühne »dynamische Effekte« bringen, »schnellen und mitreißenden Tanzrhythmus«, »derbe Gags«, »enorme Brutalität«, »kurz aufblitzenden Zynismus«, »verwirrende und endgültige Symbole«, maximalen »Esprit«, »die ganze Skala der Dummheit, des Blödsinns, des Unsinns und der Absurdität«, »höchste Anspannung der Muskeln der Neger«, »kaum fühlbare und köstliche Ironie«, »die größte anatomische Monstrosität und die höchste Schönheit der Frau«, »Rekorde an Geschicklichkeit, Geschwindigkeit, Kraft, Komplikation und Eleganz«. Das Varieté soll, zusammenfassend gesagt, die Synthese all dessen sein, »was die Menschheit in ihren Nerven herauskristallisiert hat«, um sich lachend, staunend, schockiert oder erregt »vom materiellen und moralischen Schmerz abzulenken.« Man erkennt an vielen dieser Angaben schnell, dass Marinettis Vorstellungen sich stark an aktuellen Varieté- und Vaudeville-Shows ausrichten, auch an älteren Jahrmarkt-Attraktionen und -Aufführungen. Zumindest zu einem Teil ist dadurch ein großer Abstand zum bürgerlichen Anstand garantiert, die Differenz zur bildungsbürgerlichen Maxime ästhetischen interesselosen Wohlgefallens ohnehin in vollem Maße. Amerikanisches Vaudeville und französische music hall bilden mit ihrer schnellen Abfolge unterschiedlicher Sketche und Reize einen starken Kontrast zur geschlossenen Form künstlerischer Funktionslosigkeit (vgl. Snyder 1989). Das Varieté biete hastigen Genuss, schreibt Ludwig Rubiner 1909, die »Varieténerven« schließen die Fähigkeit aus, Zusammenhängen zu folgen, merkt Otto Julius Bierbaum an (zit. n. Kaes 1978: 5); auf (Lebens-)Künstler der Boheme, wie z.B. die Kubisten, kann das Varieté darum häufig beträchtlichen Eindruck machen (vgl. Gendron 2002: 63f.; Weiss 1990). Um das futuristische Theater zu einem avantgardistischen Ort zu machen, muss aber noch etwas hinzukommen; auch vom aktuellen Varieté muss es zumindest leicht unterschieden sein. Diese Unterscheidung bildet zugleich die zweite Voraussetzung, um das futuristische Varieté nachhaltig vor jeder Verwechslung mit bürgerlichen Vergnügungen wie dem Singspiel oder der leichten Komödie zu bewahren (mit denen der Oper oder der Klassiker-

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Inszenierung ohnehin). Als Postmoderner avant la lettre konzipiert Marinetti die Varieté-Aufführung nach dem Vorbild berühmter Dramen und Kompositionen – die Vorbilder taugen bei ihm aber natürlich nur zur Travestie. Was Schiller als kennzeichnende Eigenschaften der Werke populärer Kunst negativ herausgestellt hat – den durch künstlerische Formgebung ungebändigten Stoff, das Bunte und Sinnliche, den Reiz –, möchte Marinetti jetzt aus den großen Klassikern der Formkunst hervortreiben, er möchte aus ihnen einen »Zusammenwurf von Bildern« machen (um wiederum jenen Begriff anzuführen, den Schiller zur Charakterisierung populärer Kunst benutzt hat). Die angeblich »unsterblichen Meisterwerke« will Marinetti deshalb wie eine »x-beliebige Attraktion« präsentieren, das »Ernste und Erhabene in der Kunst« soll dadurch zerstört, jede Tradition, aller Akademismus aufgelöst werden. Würden seine einzelnen Absichten Wirklichkeit, erreichte Marinetti sein grundsätzliches Ziel leichterdings. Er schlägt etwa vor, die klassische Kunst zu »prostituieren«, indem alle antiken und klassizistischen Tragödien an einem Abend in Kurzform oder einer »komischen Mischung« aufgeführt werden, er regt an, eine Beethoven-Symphonie rückwärts zu spielen oder die Werke von Chopin, Wagner, Bach, Bellini durch das »Einfügen neapolitanischer Lieder« zu beleben – in dieser Mischung wahrlich ein »Zusammenwurf von Bildern«, eine Auflösung des Zusammenhangs der Form zugunsten des besonderen stofflichen Reizes, sogar eine Kombination von ›Hohem‹ und ›Niedrigem‹ auf dem Niveau des nach herkömmlich durchgesetzter Kunstauffassung ›Niedrigen‹, nach bewusster Entstellung des ›Hohen‹. Zugleich bleibt dadurch aber ebenfalls der Unterschied zu vielen gängigen Spielarten populärer Unterhaltung außerhalb des Varietés erhalten, die trotz aller unterstellten Buntheit und Reizfülle keineswegs der narrativen und semantischen Geschlossenheit entraten. In der futuristischen Verletzung und Auflösung auch dieser Form zeigt sich die avantgardistische Souveränität gegenüber allen anderen kulturellen (nicht allein den bildungsbürgerlichen) Hervorbringungen. Auch für eine deutliche Abkehr von dem, was Thomas Mann das »Romantische«, die »Vereinigung von Popularität und letzter Ausgesuchtheit, reizverwöhnter ›Verruchtheit‹«, nennt, ist dadurch in einem ersten Schritt bereits gesorgt. Am Beispiel Wagners erläutert Mann diese Vereinigung zuerst als »modern bourgeoisen Einschlag«, als »Geschmack am Üppigen, am Luxus, am Reichtum, Samt und Seide und Gründerzeitpracht«, um aber gleich anzufügen, dass man sich auf Wagners »wunderlichem Gebiete der Stimulation« schnell dem Punkt nähert, »wo das Bourgeoise ins unheimlich Künstlerische, Tolle und Anrüchige zurückschlägt, ein Gepräge rührender und ehrwürdig interessanter Krankhaftigkeit annimmt, worauf das Wort ›bürgerlich‹ schon wieder durchaus nicht mehr passen will.« Mit Hilfe der Assoziation Baudelaires zu Wagner tut sich Mann dieses Gebiet als eine »farbige und phantastische, tod- und schönheitsverliebte Welt abendländischer Hoch- und Spätromantik« auf, als eine »Welt des Pessimismus, der Kennerschaft seltener Rauschgifte und einer Überfeinerung der Sinne, die allerlei synästhetischen Spekulationen schwärmerisch nachhängt, den Träumen HoffmanKreislers von der Entsprechung und innigen Verbindung zwischen den Farben, Klängen und Düften« (Mann 1990: 403, 411f., 424). Bei aller ursprünglichen Faszination für und Abkunft von dieser dekadenten Tradition ziehen die Futuristen mit ihrem Programm sowohl der maschinenhaften Kunst als

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auch des umfassenden Amusements gegen solche äußerst verfeinert bürgerliche, luxuriöse »Krankhaftigkeit« zu Felde. Ihr Gesamtkunstwerk geht mit stählernen Nerven zusammen, ihre Hingabe an die Vulgarität wird dadurch von der Kälte durchdrungen, die vor der ›natürlichen‹ Sinnlichkeit der Menge bewahrt und zugleich jene dekadente Furcht ausschließt, die eigene Reizlust könne von den vulgären, gewöhnlichen Leidenschaften zu wenig unterschieden sein. Zuletzt wird deshalb von futuristischer Seite ein Unterschied gesetzt, der eine deutliche Differenz nicht nur zu leichten bürgerlichen Vergnügungen oder ernsten Prätentionen markiert, sondern auch zum aktuellen Varieté und ebenfalls zu den prekären Formen moderner Dekadenz. Marinetti steht einerseits deutlich in deren Bann, er verherrlicht (in Nachfolge Huysmans’) das elektrische Licht, wie es heftig auf dem (nach Manier Baudelaires bejahten) »geschminkten Fleisch« und dem »falschen Rot der Lippen zurückprallt«, er begeistert sich (ebenfalls im Varieté-Manifest) für ganz unnatürliche weibliche Mittel der Verführung: »Grüne Haare, violette Arme, blaues Dekolleté, orangefarbener Chignon«. Andererseits setzt er in Form des manifesten Dekrets allen Überlegungen zur Bedeutung nervöser Konstitution ein Ende. Psychologischer Differenzierung und Zergliederung wird im Namen der Tat und der »Psychotollheit« abgesagt. Im futuristischen Varieté gibt es nur noch »Karikaturen des Schmerzes und der Sehnsucht«, die Kälte triumphiert problemlos. Sie stellt jedoch selbstverständlich allein eine Perversion der idealistisch geforderten ästhetischen Interesselosigkeit dar; bei den Futuristen bildet die Kälte die Voraussetzung, sich bestimmten, eigens produzierten Stimulantien unbegrenzt auszusetzen. Das Varieté macht es möglich, jedes romantische Gefühl zu mechanisieren, es bricht mit der »Zwangsvorstellung des fleischlichen Besitzes«, es »erniedrigt die Wollust zur natürlichen Funktion des Koitus, beraubt sie jeden Geheimnisses, jeder deprimierenden Angst und jedes anti-hygienischen Idealismus«, so zumindest die Überzeugung Marinettis. An einen drohenden oder gar untergründig wünschenswerten Zusammenbruch nach solch kalter Reizzufuhr verschwendet er keinen (öffentlichen) Gedanken. Das Reich hochgradig künstlich erzeugter Intensitäten steht darum wenigstens in der Theorie und als Programm uneingeschränkt offen; moralische, psychologische, ästhetische Bedenken stehen ihm nach dem Zeugnis Marinettis nicht mehr entgegen.

Partikulare Reize und massenhafte Konstruktion: Expressionismus, Dadaismus, Surrealismus, Kubofuturismus Bei weiteren avantgardistischen Bewegungen wie den Expressionisten, Dadaisten, Surrealisten und Kubofuturisten findet man ähnliche Überzeugungen und Anweisungen wieder. Speziell auf den Bereich populärer Kultur gemünzt, trifft man sie jedoch allenfalls beiläufig, in abgeschwächter Form oder neuer, weniger umfassender Konfiguration an. Weil sie im Hinblick auf spätere Pop-Konzeptionen als Referenzpunkt von Bedeutung sind, seien sie hier dennoch kurz vorgestellt.

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Verschiedene allgemeine Gesichtspunkte zur Bestimmung der Avantgarde bieten sich an: Absolute Neuheit und Modernität, radikales Formexperiment, Vorrang des Prozesses gegenüber dem Werk, starke Verfremdung des Gewohnten, Sinnentzug, Betonung der Materialität gegenüber der kommunikativen Funktion, Hochwertung der Intensität, angestrebte Auflösung der Differenz von Kunst und Leben. In den Manifesten der verschiedenen avantgardistischen Gruppierungen, aber auch in denen einer Bewegung, werden jeweils andere Akzente gesetzt oder Zusammenstellungen vorgeschlagen (und die hervorgebrachten Werke sprechen oft nochmals eine andere Sprache). Wenn man ungeachtet der historischen Gemengelage einen engeren Begriff der Avantgarde etablieren möchte, hat es sich als sinnvoll erwiesen, besonders die angestrebte Diffusion von Kunst und Leben hervorzuheben (Trotzkij 1968: 113ff.). Bei den Futuristen zeigt sich diese Maxime erschreckend eindrucksvoll in der versuchten Angleichung der Kunst an die Geschwindigkeit von Kriegsmaschinen. Aber auch in einem der seltenen weniger martialischen Momente, den Konzepten für ein futuristisches Varieté, trifft man auf angestrebte Überschreitungen, die sich von den traditionelleren Hoffnungen auf intensive, entgrenzende Reizwirkungen abheben. Gemäß den Plänen der Futuristen soll die Barriere zwischen Bühne und Parkett fallen; das Publikum bekommt die Möglichkeit, sich improvisierend zu beteiligen, oder es wird durch Provokationen und Streiche geradezu gezwungen, sich bemerkbar zu machen und einzumischen. Die Dadaisten setzen in ihren späteren Veranstaltungen vor allem auf diese Provokation des Publikums, auf die Enttäuschung seiner Erwartungen. Unruhe, Lärm, Skandal, manchmal kleinere Handgreiflichkeiten sind die Folge. Richard Huelsenbeck (1957: 115) ermahnt zum Auftakt einer der tumultartigen dadaistischen Vorstellungen das protestierende Publikum ausdrücklich, es dürfe nicht erwarten, unterhalten zu werden, wenn man das wolle, solle man besser ins Kino gehen. Die Feindschaft gegenüber der zur Passivität erziehenden Kunst erstreckt sich aber keineswegs allein auf ihre neuen, populären Spielarten. Der Einsatz der Avantgarde, wie hier in der extremen Form des Berliner Dadaismus, besteht zuallererst darin, die nobilitierte, hohe Kunst und ihre Vertreter zu schmähen. Zur alten, verachtenswerten Kunst zählen dann nicht nur Goethe oder Schiller, sondern auch allerneueste Bestrebungen wie der Expressionismus oder sogar die eigene Vergangenheit des Zürcher Dadaismus. In einer Vielzahl von Manifesten und Aufsätzen zeihen Huelsenbeck und Raoul Hausmann um 1918 die Expressionisten (mit denen sie zuvor gut bekannt waren oder zu denen sie selber gehörten), bloße Dichter zu sein; sie werfen ihnen immer wieder vor, weiterhin dem Idealismus, dem »Geist« zu huldigen, anstatt sich der entgrenzten Lebenskunst, der ungebändigten, widerspruchsvollen »Buntheit der Welt« rückhaltlos hinzugeben (Hausmann 1977a; Huelsenbeck 1984: 15ff.). Der Vorwurf trifft, wenn es auch den Expressionismus auszeichnet, den Geist nicht in der Abgemessenheit und Kontemplation zu finden, sondern ihn in der »Intensität«, gar dem »Feuerschweife der Intensität«, zu suchen. Der Abstand zu den »Scharen der Zivilisation«, den »Journalisten, Bankbeamten, Premierenbesuchern, unglücklichen Lotteriespielern« (Rubiner 1912: 647), ein Abstand, den die Expressionisten zu ihrem Erkennungszeichen erheben, sorgt allerdings wiederum für ihre Verachtung durch die Berliner Dadaisten, da diese Distanznahme, erfolgt sie auch

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im Namen der Intensität, zu sehr mit üblichen bildungsbürgerlichen Distinktionen übereinkommt. Weil die Dadaisten als erklärte Kunstfeinde vor allem den Premierenbesucher, viel weniger grundsätzlich den Journalisten angreifen, setzen sie im harten Umkehrschluss schon einmal gerne in futuristischer Tradition auf Produkte der modernen Zivilisation, die sowohl aus Sicht des Bürgers als auch des Expressionisten geistfern sind. Der »Haß gegen die Presse, der Haß gegen die Reklame, der Haß gegen die Sensation« beweist für die Dadaisten deshalb genau die falsche, sentimentale Einstellung von Leuten, »denen ihr Sessel wichtiger ist als der Lärm der Straße« (Tzara u.a. 1984: 31). Noch zugespitzter formuliert: »Der Masse ist Kunst oder Geist wurscht. Uns auch« (Hausmann 1977b: 54). Die Rhetorik vom »Schöpferwerk«, das sich der »gefräßigen Masse« widersetze, eine Rhetorik, wie man sie zeitgleich noch im Zürcher Dadaismus antrifft (Tzara 1992: 40), ist dadurch in Berlin unmöglich gemacht. Mit einer bolschewistischen Pointierung gesagt: Der Vorschlag, die Arbeiter mit idealisierender Kunst zu beglücken – zu der aus neudadaistischer Perspektive selbst die expressionistische Dichtung und die kubistische oder futuristische Malerei gehört –, sei konterrevolutionär; der Versuch, die Arbeiter durch kulturelle Bildung dazu zu bringen, nicht mehr ins Kino zu gehen, komme der Anstrengung gleich, sie von Demonstrationen abzuhalten (Hausmann 1989: 726, 731). Den Lärm der Straße, das sensationelle Gewirr des Lebens möchten die Dadaisten darum auch in ihren Aufführungen übernehmen und potenzieren, wie weit sie auch immer tatsächlich vom zeitgenössischen Film und der Reklame entfernt sein mögen; so weit eben, wie die dadaistische Verwertung und collagenartige Zusammenstellung unterschiedlichster Materialien – »elektrisches Klavier, Gasangriffe, hergestellte Beziehungen, Brüllende in Lazaretten« (Hausmann 1977c: 31) – von ihnen entfernt liegt. Dieser Abstand kommt nicht von ungefähr zustande. Schneidet auch das Kino als Gegengift zur bürgerlichen und expressionistischen »Lügenhaftigkeit« romantisch idealisierender Ästhetik gut ab, so verliert es doch, wie gesehen, als Stätte vorgegebener Unterhaltung andererseits erheblich an dadaistischem Renommee. Umgekehrt gewinnt der Expressionismus aber in den dadaistischen Betrachtungen trotz der geteilten Hochschätzung der Intensität nie an Wert hinzu. Weil es zum guten Ton avantgardistischer Gruppen gehört, ihre direkten künstlerischen Nachbarn ganz und gar nicht als einen Bestandteil des vielgestaltig-sinnlosen modernen Lebens unterschiedslos zu bejahen, sondern diese besonders heftig zu kritisieren, fällt auch die dadaistisch-linkskommunistische Einschätzung der Expressionisten gnadenlos aus; »Spießerdichter« ist noch eine der harmloseren Bezeichnungen für sie (Hausmann 1977a: 68). Zumindest auf den ersten Blick scheint die Einschätzung sogar zutreffend zu sein. Rubiners Bekenntnis zum zivilisationsfeindlichen Geist, das 1912 in der führenden expressionistischen Zeitschrift Aktion erschienen ist, haben wir bereits kennen gelernt. Anhänger und Theoretiker des Expressionismus arbeiten in den 10er Jahren im Einklang mit der »Geist«-Doktrin folgerichtig gerne mit den Begriffen der Ganzheit und Totalität. Zwar stellt man zuerst die urbane Verfassung der Expressionisten heraus, etwa im Gefolge von Simmels These, dass die rasche, gedrängte Abfolge unterschiedlicher Bilder, die der moderne Großstadtmensch erfahre, eine Steigerung des »Nervenlebens« mit

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sich bringe (Simmel 1995). Entsprechend heißt es sogar, die expressionistische Kunst gehe auf »Großstadterregungen« und »Reizungen«, auf den »Nervenzustand der neuen Zeit« zurück (Flake 1987: 60ff.). Angetrieben vom »Zauber« der »freier sich bietenden Geschlechtlichkeit, der von geheimnisvollen Farben, Geräuschen, Gestalten schwirrenden und verwirrenden Straßen, Landschaften, Cafés und Vergnügungspaläste, der rätselhaften Fabriken, Maschinen und Bewegungsmöglichkeiten«, ließen die Expressionisten »Sinne und Nerven lodern« und dichteten »Rausch, Spannung«, »Wirbel«, »Verzweiflung«, »Kater« (Pinthus 1987: 69, 73f.). Ein kühler Dandy ist der Expressionist also gerade nicht, er ist aber – trotz geteilter Nervosität und Anspannung – auch kein moderner décadent, da er die Reize tumultartig erleidet und sie sich nicht auf geordnetere, künstliche Weise zuführt. Der Expressionist kann ebenfalls kein décadent sein, zumindest wenn man den bislang angeführten Essayisten folgt, weil er die Dekomposition, die »Zersetzung« und ›Zerhackung‹, zwar nicht in eine klassizistische Harmonie und Einheit des Mannigfaltigen, aber doch in eine neue »Totalität« überführe, in eine »Wesen[s]«-Schau (ebd.: 77), in eine »Totalität des Persönlichen« (Flake 1987: 62); das »Atomische, Verstückte« weiche nun einem »großen, umspannenden Weltgefühl« (Edschmid 1987: 95). Kritiker des Expressionismus sehen das allerdings ganz anders. Friedrich Gundolf, der als Anhänger Georges die l’art pour l’art-Doktrin mit Ideen heroischen Werk-Schaffens und »ewiger Gestalt« verbindet, sieht in der expressionistischen Kunst genau umgekehrt nur zerschlagene Formen, nur »Atome«. Er diagnostiziert den Expressionisten eine »Wahllosigkeit gegenüber den Reizen«, seien es »Anregungen, Aufregungen, Betäubungen, Entzückungen« oder »Forderungen, Bestrebungen, Verheißungen und Utopien«, er diagnostiziert folglich »Reizsucht und Nutzsucht« zugleich. Die konsequente idealistische Absage an den Reiz führt den modernen Ästheten Gundolf selbstverständlich – wir kennen ja bereits diese historische Logik der Ideologien und Begriffsfelder hinreichend – zu einer harschen Kritik des Populären. Der Übergang der modernen Kunst ins Leben besteht für Gundolf in dem (verurteilenswerten) Vorgang, sich der Presse zu bedienen und Geschäfte zu machen, indem man den »Massen« entgegenkomme (1987: 168, 165, 163f.). Kritiker, die stärker mit klassizistischeren Anschauungen und vor allem auch der herkömmlichen Moral im Bunde stehen, können auf durchaus vergleichbare Weise einen Bezug der Expressionisten zu den zeitgenössischen Massen-Vergnügungen herstellen. Einer von ihnen beklagt mit Hilfe der bekannten Begriffe, dass die expressionistische Dichtung die »Nerven aller Sinne« mit »Farben, Tönen, Gefühlen« jage, das »Herz« aber leer bleibe; an die Stelle von »Liebe« und »Geist« trete »feinästhetisierte Erotik« und jenes »rasende Leben, wie es im Kino ohne jede Psychologie an uns vorüberflimmert« (Paulsen 1987: 150). Der polemische, künstlerisch oder zumeist sittlich empörte Tenor verdeckt so die gravierenden Unterschiede zwischen den psychologischen Gründen oder esoterischen Formen der Expressionisten und den »Massen«-Erfolgen, zwischen expressionistischer »Nerven«-Reizung und rasanter Film-Handlung. Von einigem Wert ist deshalb ausschließlich der Hinweis auf die relative Nähe zwischen Arten moderner Dekomposition und der Struktur von Volks»Vergnügungen« bzw. Produkten der »Oberflächlichkeit und Denkfaulheit«, die man unter solchen und anderen Titeln stets aus der hohen Kultur ausge-

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schlossen hat. Auch in dem expressionistischen Organ Aktion entspricht man lange dieser traditionellen Zweiteilung. Reden konservativere Kreise von »Schund« und beschwören verschiedenste Gefahren für Moral und Volksgesundheit herauf, sieht der Herausgeber der Aktion, Franz Pfemfert, den »Geist« und die »Individualität« von der »Unkultur« und den »Trivialitäten« des Kinos und der Fonografen nachhaltig bedroht (1978: 59ff.). Walter Serner wehrt sich in einer Rezension der Zeitschrift Aktion zum Futuristen Severini ebenfalls vehement dagegen, den »Stoff für Geist« auszugeben (1913: 672). In einem anderen Aufsatz lässt Serner trotz offenkundiger kulturellpädagogischer Bedenken aber immerhin die »Schaulust« grundsätzlich gelten. Wie bei der Rede vom Reiz, der Vergnügung, der Materie, der Masse etc. wird auch dieser eigentlich ganz abstrakte Begriff unausgesprochen stark eingeschränkt gebraucht. Das Wort von der Lust soll gleich anzeigen (und tut dies im gegebenen diskursiven Feld auch hoch erfolgreich), dass solch begeisterter Schau nur bestimmte Sujets verbunden sein können, etwa das »erotische Kino« und vor allem das Kino der Verfolgungsjagden, der Detektive und der »blutigen feurigen Bilder von Brand und Tod«. Bemerkenswert an Serners Verteidigung des Kinos ist aber, dass er manch »blöde Tragödie« und »trübes Liebesdrama« durch eine »ununterbrochen unterbrochene« Handlung gerettet sieht, durch raschen Szenenwechsel, der dazu dient, der Schaulust unterschiedlichste sensationelle Aktionen zu präsentieren; das durchgehende Thema des Liebesfilms dient dann lediglich noch als »der plausibelste Vorwand, Schafe niederzureiten, Pferde umzuknallen, Mauern in die Luft gehen zu lassen« (1978: 55ff.). Avantgardistisch im engeren Sinne moderner Dekomposition und futuristischer Revue ist die Verteidigung populärer Kunst demnach, wenn das intellektuelle Lob partikularer Reize gesungen wird, wenn positiv vermerkt wird, in welch starkem Maße eine Vielzahl einzelner, unverbundener Sensationen das Bemühen um Ganzheit durchkreuzt. Auch der Expressionismus kann ganz gegen den Willen seiner am »Wesen« und der »Totalität« hängenden Theoretiker davon erfasst werden; es reicht dafür schon aus, einen Vergleich zwischen expressionistischer Dramentechnik und dem staccato amerikanischer Vaudeville-Aufführungen oder dem flash und hit-if-you-can des amerikanischen Jazz-Lebens zu ziehen, wie es etwa Robert A. Parker und Stark Young Mitte der 20er Jahre machen (zit. n. Kaes 1975: 143, 137). Kanonische Form gewinnt das Argument endgültig, als Walter Benjamin Mitte der 30er Jahre am Beispiel Dadas auf die Verwandtschaft von Film und Avantgarde hinweist. Bei Benjamin bekommt das Argument eine nicht mehr überbietbare grundsätzliche Fassung; er meint feststellen zu können, dass der Schock, den die Materialcollagen der Dadaisten auslösen, sein Pendant per se im Kino finde, da jeder Film durch die Montage, durch den Wechsel der Einstellungen »stoßweise« auf den Betrachter eindringe und damit eine kontemplative Haltung verhindere. Die Zerstreuung, die der unendlich reproduzierbare Film im Gegensatz zum originalen, an den Ausstellungsort gebundenen dadaistischen Collage-Werk massenhaft bewirke, feiert Benjamin als Haltung, welche dem Wahrnehmungsmodus revolutionärer städtischer Mengen angemessen sei; die neue Kunst erscheint dadurch nicht mehr wie bei den italienischen Futuristen als ein Motor des nationalistischen Kriegs, sondern als Antrieb des linken Umschwungs (1974b: 502ff.).

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Das zweite wichtige avantgardistische Argument zur Hochwertung und Aneignung populärer Momente ist weniger formal und prinzipiell. Es besteht in der Feier bestimmter Reize. Wegen der idealistischen Bestimmung des Reizes als Grund populärer Unkultur und Anti-Ästhetik rückt das avantgardistische Stimulanz-Bedürfnis zwangsläufig in die Nähe massenhafter Sinnlichkeit. Die Umkehrung kann deshalb oftmals so einfach vorgenommen werden, weil die abwertende bildungsbürgerliche Auffassung vom Reiz sich auf ganz bestimmte Reize bezieht, auf starke, bunte, als »Zusammenwurf von Bildern« verabreichte Reize. Auch an ganz modernen Medien gewonnene Anschauungen kommen dem häufig entgegen (vgl. Heller 1985; Kaes 1978): Georg Lukács sieht im Kinofilm grundsätzlich immer Handlungen, Bewegungen, Ereignisse und nie Sinn, Seele, Schicksal gegeben (Lukács 1978: 115); Alfred Döblin meint entschieden, »einfach wie die reflexartige Lust« der Kinogänger sei der »auslösende Reiz« der Filmstoffe (1978: 38); knapp zwanzig Jahre später, 1928, glaubt Thomas Mann immer noch, dass der Film nicht Kunst, sondern »Leben und Wirklichkeit« sei; die Wirkungen des Films seien im Gegensatz zu den geistigen der Kunst »krud sensationell«, lautet seine Begründung (1978: 164). Gegenüber allen wesenhaften Bestimmungen der Masse oder ganz allgemeinen Ansichten über populäre Reize und Genres bewahren viele avantgardistische Umwertungen jedoch zumindest einen Rest an Vorsicht, weil sie berücksichtigen, dass viele Gegenstände reizvoller, massenhafter Unterhaltung sehr wohl sinnhaft organisiert sind und zumindest streckenweise zur ruhigen Kontemplation einladen. Deshalb legen die avantgardistischen Programmatiker großen Wert darauf, ihre Differenz zu den populären Stoffen und Darstellungstechniken zu markieren. Zur Avantgarde zu zählen bedeutet, viel stärkere und vor allem isoliertere Reize einzufordern. Der Anspruch der Künstlichkeit wird dabei nicht mehr wie von den Vertretern moderner Dekadenz stets aufrechterhalten. In expressionistischer Manier feiert Carlo Mierendorff (1920: 18ff.) das Kino als »wildeste Erscheinung«, als »elementarsten Durchbruch des Triebhaften im Demos«, er dreht also die bürgerlichen Befürchtungen vor der ungebildeten Masse einfach ins Positive. Konsequent denunziert er die Versuche, den Film künstlerisch zu ›erheben‹, als theatralischen, mittelmäßigen »Kitsch«; der »Kitzel« sei dadurch »kastriert« worden. Mit Hilfe weiterer chauvinistischer Gegensatzpaare macht Mierendorff überdeutlich, dass er sich das in seiner Sicht massenhafte, wilde Kino zurückwünscht; aktuell gebe man aber leider im verbürgerlichten Film statt »Puff – Bar, statt Hochzeitsnacht – Standesamt, statt Trikot – Decolleté, statt Vergewaltigung – vielleicht noch Umarmung.« Auch der Dadaist Huelsenbeck fordert in ganz ähnlicher Weise, dem Publikum die »Unmittelbarkeit des Lebens« näher zu bringen (1994: 25). Bestimmte Elemente der aktuellen Populärkultur können darum von den Avantgardisten goutiert werden, etwa das ›Primitive‹, dem in Deutschland Expressionisten (vgl. Grimm 1986) wie Dadaisten in mancherlei Variation anhängen: Was in Europa der futuristische Bruitismus, seien in Amerika die »Steps und Rags«, meint beispielsweise Richard Huelsenbeck (1984: 13). Geschätzt, aber auch selbst dargebracht werden deshalb der »wunderschöne Negergesang mit Klappern, Holzklöppeln und vielen primitiven Instrumenten« (Huelsenbeck 1977: 17), »Niggersongs« und »Ragtimetänzer« (Grosz 1918: 26); Kritiker dadaistischer Aufführungen berichten von »schwül-dunklen, halb-

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untermenschlichen Negergesängen« (NZZ, 18.07.1916, zit. n. Sheppard 1992: 15), sie berichten von George Grosz, der mit den Beinen eines anderen Dadaisten einen »Caketrott« (Berliner Börsen-Courier, 02.12.1919, zit. n. Füllner 1986: 33), oder von Huelsenbeck, der einen »foxty-one-step (dadatrot)« tanzt (Deutsche Zeitung Bohemia [Prag], 02.03.1920, zit. n. ebd.: 54; vgl. Partsch 2000: 28ff.; zur Mode des musikalischen »Primitivismus« von Picabia über Soupault und Cendrars bis Cocteau vgl. vor allem Blake 1999; Gendron 2002: 83ff.; siehe auch Schultz 1995: 83, 89, 94ff.,113f.). Auf die Weise des amüsanten oder ärgerlichen dadaistisch-dilettantischen »Caketrotts« büßt die Apologie angeblich negroider Unmittelbarkeit oder des ungehinderten Vitalismus wieder erheblich an Lebens-Pathos und Direktheit ein. Der Vorrang der Künstlichkeit kommt jedoch stärker in einigen avantgardistischen Stellungnahmen zum neuen Medium Film zum Ausdruck, besonders eindrucksvoll in Francis Picabias Maxime, der Film solle »uns in einen Taumel versetzen und eine Art künstliches Paradies sein«. Picabia überbietet damit 1924 noch einmal die bereits weitreichenden dekadenten und futuristischen Haltungen, hofft er doch auf filmisch erzeugte »mächtige Empfindungen, die über das looping the loop mit dem Flugzeug und die Freuden des Opiums hinausgehen« (1995: 338). Man könnte noch einige weitere derartige poetologische Maximen zitieren, trotzdem blieben es verstreute Hinweise. Über das futuristische Manifest zum Varieté hinaus gibt es in jenen Jahren keine konzentrierten avantgardistischen Texte, die eine große Nähe zu einem Teilbereich der populären Kultur aufwiesen. Das gilt auch für die Surrealisten. Der Ekel gegenüber dem konventionell erzählten, ›realistischen‹ Roman hängt mit ihrer Begeisterung für bestimmte Märchen und Gespenstergeschichten zusammen. Breton (1968: 20) ruft sogar aus, »im schlechten Geschmack meiner Zeit gehe ich weiter als jeder andere, ich versuche es jedenfalls«, der nächste Ruf geht jedoch um hundert Jahre zurück: »Für mich war sie bestimmt, hätte ich um 1820 gelebt, ›Die blutige Nonne‹!« Nun ist zwar historisch bekannt, dass die Surrealisten auch einigermaßen vergleichbare zeitgenössische Werke geschätzt haben – im überfüllten Kino Parisiana schauen sie sich nach dem Zeugnis Nadeaus (1986: 74) etwa den Film In den Armen des Riesenpolypen an –, wichtig genug, um diesen antibürgerlichen Geschmack argumentativ zu entfalten oder in einem Manifest anzuzeigen, ist ihnen der Kinobesuch aber offensichtlich nicht. In ihren Werken findet man ohnehin allenfalls Spuren ihrer – dem ostentativ »schlechten Geschmack« geschuldeten – Rezeption populärer Kultur. Hier gilt ihr Interesse viel stärker Flohmarkt-Funden, die beim surrealistischen Betrachter Assoziationen und Erregungen abseits ihres früheren Verwendungszwecks hervorrufen (Breton 1970: 35). Das surrealistische Kunstwerk betreibt häufig gerade diesen Verlust herkömmlicher Bedeutung, diese Verfremdung, indem es, wie Breton (1989: 159) mit einem bekannten Wort Lautréamonts sagt, die Schönheit in einer zufälligen Kombination – in der »Begegnung einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch« – findet. Noch radikaler verwandeln sich populäre Gegenstände in dadaistischen Werken. In sie gehen u.a. Illustriertenfotos, Reklamesprüche, Postkartenmotive zerstückelt, neu kombiniert ein, manchmal sicher auch, um satirische, polemische Aussagen zu treffen, grundsätzlich aber, weil schlichtweg alles in

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sie eingehen kann. Diese absolute Indifferenz gegenüber dem Ausgangsmaterial herrscht sogar vor, wenn überhaupt keine Änderung oder Kombination mit anderen Materialien vorgenommen wird – eine vollständige Pervertierung der Maxime Schillers, der Stoff müsse durch die Form vertilgt werden. Die Indifferenz erledigt jetzt die Vertilgung. Auch das berühmte Beispiel Duchamps, der 1917 ein Pissoir zum Kunstwerk erklärt und zu einer Ausstellung einreicht, steht dafür, allerdings nur, wenn man es von der kritischen Absicht Duchamps gegenüber jedweder ästhetischen Weihe und gegenüber der angemaßten Leitlinie künstlerischer Institutionen, über objektive Kriterien zur Scheidung von Kunst und Unkunst zu verfügen, trennt. Nach Duchamp wird das von unbekannten Handwerken hergestellte Gebrauchsobjekt dadurch zum Artefakt, dass sein gewohnter Verwendungszweck dank der bewussten Platzierung in einer neuen Umgebung – der Galerie – verschwindet. Mr. Mutt – diesen Namen verwendet Duchamp, um das Urinal unter dem Titel Fountain zur Ausstellung vorzuschlagen – habe das Werk zwar nicht mit eigenen Händen geschaffen, aber erwählt: »He CHOSE it. He took an ordinary article of life, placed it so that its useful significance disappeared under the new title and point of view – created a new thought for that object.« Duchamp schreibt diese Zeilen nieder, nachdem seine Wahl, sein neu bedachtes und konstituiertes Werk von den Veranstaltern abgelehnt worden ist, obwohl er die einzige Bedingung der Ausstellung – Begleichung einer Teilnahmegebühr von sechs Dollar – eindeutig erfüllt hat. Eine der Begründungen der Ablehnung – es handle sich lediglich um eine Klempnerarbeit – wischt Duchamp in seinem Schreiben ganz zum Ende vom Tisch: »As for plumbing, that is absurd. The only works of art America has given are her plumbing and her bridges« (Duchamp 1992). Die bolschewistischen Futuristen hätten diese Aussage ebenfalls unterschrieben, allerdings ohne jede Ironie. Ihr Ziel ist es gerade, die bildende Kunst in den Ingenieurwissenschaften und der herstellenden Industrie aufgehen zu lassen. Am künstlerisch betriebenen Verlust herkömmlich nützlicher Bedeutung haben sie keinerlei Interesse mehr, obwohl sie selbst vielfach formalistische und/oder dekadente Wurzeln aufweisen. Die russischen Futuristen Larionov und Zdanevic etwa rufen bereits 1913 (vgl. Ingold 2000) dazu auf, sich das Gesicht auffällig zu bemalen (es nicht natürlich zu schminken), um die Kunst zum »Berichterstatter« und »Dekorateur« zu machen bzw., ganz grundsätzlich gesagt, um die Kunst »mit dem Leben« zu vereinen (1995: 68). Der kubofuturistische Genosse Tretjakov wird die russischen Futuristen mit ihrem ungewöhnlichen Aufzug – »sie trugen grelle, abstoßende Kleider, Majakovskij seine gelbe Bluse, sie malten sich die Gesichter an« – noch 1923 verteidigen, weil sie dadurch die eingebürgerten Konventionen auf den Kopf gestellt und so einen auffälligen »Protest im Namen des kommenden Menschen« angezeigt hätten (1972a: 25f.). Der »kommende« kommunistische Künstler muss sich aber bereits jetzt, zumindest nach den Plänen der bolschewistischen Kubofuturisten, anderen Projekten widmen. Dem Tafelbild und dem Roman wird abgesagt, an ihre Stelle soll die Mitarbeit an der Neugestaltung der Zeitung, der technischen Konstruktion, der Stadtplanung, dem Design, dem Agitvers, dem Plakat treten. Tatsächlich gibt es auch eine Reihe angesehener avantgardistischer Künstler, die Werbeslogans und Typografien für Werbeanzeigen oder Designvorschläge für Gebrauchsgegenstände entwickeln (Bolt 1990). Von Ale-

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xander Rodtschenko stammen einige sehr einprägsame Losungen, die dieses umfassende Programm zugleich präsentieren und antreiben. Zuerst die Absagen: »Nieder mit der Kunst als greller Applikation auf dem unbegabten Leben von besitzenden Menschen« und »Nieder mit der Kunst als Mittel DER FLUCHT AUS EINEM LEBEN, das sich nicht lohnt«. Dann die positiven Feststellungen: »Bewußtes und organisiertes LEBEN, das SEHEN und KONSTRUIEREN kann, ist moderne Kunst«; »Der MENSCH, der sein Leben, seine Arbeit und sich selbst organisiert hat, ist ein MODERNER KÜNSTLER« (2003: 346). Weiter von einem l’art pour l’art-Standpunkt kann man sich augenscheinlich gar nicht entfernen. »Schluss mit dem Reinen«, dekretiert entsprechend Aleksej Gan (2005: 351), die Zeit für das »sozial Zweckmäßige« sei angebrochen. Osip Brik (2003: 363f.) schreibt sogar, dass der neue Künstler seinen »sozialen Auftrag« vom Konsumenten zugeteilt bekomme. Angesichts der maximal weit ausgespannten, hochfliegenden konstruktivistischen Pläne braucht es jedoch keinen besonderen Scharfsinn, um zu erahnen, dass nicht beliebige Konsumwünsche ausgeführt werden sollen. Die Demokratisierung der Kunst, die bislang an der kapitalistischen Ausbeutung und vor allem Arbeitsteilung scheiterte – wie Sergej Tretjakov ausführt –, schließt die bürgerlichen Kunstwerke ohnehin kategorisch aus. Aber auch die proletarischen Massen müssen ihre Bedürfnisse und Ansprüche nicht selten erst ändern, damit sie erfüllt werden. Zwar strebt Tretjakov an einer Stelle in einer sehr affirmativ klingenden Formulierung ausdrücklich an, dass die Kunst dem praktischen Leben immerzu »Farbe« verleihe (1972b: 12ff.), an anderer Stelle verlangt er jedoch, dass die »Massen« die neuen Sprachformen der sowjetischen Futuristen »eben lernen« müssten (1972a: 33). Die Überwindung der Trennung von Kunst und Leben stellt sich in dem Fall als Anpassung der »kommenden Menschen« an die avantgardistischen Theoretiker heraus.

Funktionale Lust: Jazz Age und Neue Sachlichkeit Innerhalb der kapitalistischen Länder jener Zeit zeigt sich zum Teil eine vergleichbare Konstellation: Vielen Professoren und Politikern missfällt die Auswahl, die Konsumenten aus dem Angebot der privatwirtschaftlich ungeordneten Warenproduktion treffen, zutiefst. Den falschen Verheißungen, verderblichen Verlockungen oder manipulativen Reizen der niederen Kultur kann in ihrer Sicht die Masse leider nicht widerstehen. Mit dem Begriff der Masse ist nicht einfach die Arbeiterklasse angesprochen, obwohl die arbeitende Bevölkerung natürlich in die Gruppe der Kinogänger und Schundliteraturleser eingeht. Masse meint hier eine Ansammlung isolierter Individuen, die durch die liberal-kapitalistische Konkurrenz aus ihren traditionellen ständischen Gemeinschaften und unhinterfragten moralischen Verpflichtungen herausgelöst worden sind, eine Ansammlung orientierungsloser, bindungsloser Individuen, die jetzt durch verschiedene Konditionierungsangebote zu einer großen, irrationalen, künstlichen, weil nicht ›organisch gewachsenen‹ Masse formiert würden (vgl. König 1992; Hecken 2006a: 50ff.). Dieses Theorem ist in den 10er Jahren jedem Gebildeten gut geläufig. Mit einer schlagenden nationalistischen Formulierung Thomas Manns: »Deutsch ist es vor allen Dingen, das Volk nicht mit der aus Individual-

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Atomen zusammengesetzten Masse zu verwechseln« (1983: 275). Der rechten, aber auch der linken Zivilisationskritik gelten »Mechanisierung, Maschinisierung« und die zum Zwecke des Profits kollektivierten Konsumwaren als Motor der entindividualisierenden Vermassung und der kulturfeindlichen, materialistischen Einstellungen (Sombart 1934: 19, 17, 35). Moderne Technik und kapitalistisches Profitstreben haben die Masse im Griff, weil diese sich leicht manipulieren lässt, kann Werner Sombart 1911 natürlich auch am Beispiel der zeitgenössischen Vergnügungen ausführen. Neue Verfahren der Reproduktionstechnik verstärkten den Zug zum Bild, zum »Sinnlich-Augenfälligen«, zu Lasten des Nachdenkens; im großstädtischen »›Vergnügungspark‹« verdränge das »Raffinement der Technik« die alten »harmlosen Verlustierungen« durch »sinnbetäubende und sinnbetörende Vergnügungstricks«. Die futuristische Begeisterung für neueste Techniken und intensiven, künstlich produzierten Lärm findet in solchen traditionellen, kritischen Zeitdiagnosen ihren exakten negativen Ausgangs- und Abstoßungspunkt. Für Sombart erzeugt der Lärm, die Hektik der Großstadt nichts als eine »harte, kalte, lieblose Musik«, eine »Lärmmusik«, welche den nervösen Stadtmenschen entgegenkomme; diese verlangten entweder »Kitschmusik« oder ebenjene »Lärmmusik, die ihre Nerven erschüttert«. Die Hektik unterliegt aber keinem Zufall; sei das Volkslied noch »organisch« gewachsen, werde die neue, »internationalisierte und egalisierte Gassenhauermusik«, etwa der »Twostep«, »gleichsam mechanisch gemacht«. Recht besehen, ist der Twostep tatsächlich mechanisch hervorgebracht; als Medientheoretiker postuliert Sombart einige Absätze später, dass der Twostep genau den »Inhalt« darstellt, den die »Form« der neuen »Musikmaschine« Grammofon fordert (1911: 340, 343, 345, 347). Es gibt eine unüberschaubare Menge vergleichbarer zeitgenössischer Urteile zu Ragtime und Steptänzen, zu Filmen und Vergnügungsparks. Viele von ihnen kommen auch ohne den Begründungsaufwand aus, der Sombarts Ausführungen zumindest in Maßen auszeichnet; sie gründen einfach auf einer moralisch gefassten Abneigung gegenüber der Sinnlichkeit der niederen Schichten; einer großen Zahl ist aber durchaus die kritische Semantik von Sensation und Nervosität, Mechanisierung und Vermassung, isoliertem Reiz und Großstadt geläufig (vgl. Mooney 2004; Gorman 1996: 20ff.). Bedeutende Gegenkräfte zu der lange vorherrschenden bildungsbürgerlichen Abneigung gegenüber der sog. Massenkultur treten vor allem durch eine stärkere Verschränkung von populären Vergnügungen, mondänen Attraktionen und intellektuell-künstlerischer Aufbereitung hervor. Im amerikanischen Jazz Age der 20er Jahre, das als Zeitalter auch die europäischen Großstädte rasch erfasst, findet man die bekannten modern-avantgardistischen Umwertungen nun in fassbarer Weise wieder. Es geht nicht mehr um große Entwürfe, die Leben und Kunst vereinen sollen, sondern um Vergnügungen, die ihre Modernität und Klasse bereits durch eine Distanz zu allumfassender Moral und älterer Handwerks-Ästhetik beweisen. F. Scott Fitzgerald, der bekannte Propagandist des Jazz Age, ist weit davon entfernt, experimentellen Richtungen zuzuneigen. Bei der Lektüre seiner konventionell erzählten Romane und Kurzgeschichten hätten sich die Futuristen oder Dadaisten wahrscheinlich enorm gelangweilt. Gerade deshalb können seine Schriften Botschaften über die Bars, Cabarets und Partys der großen Städte (vgl. Erenberg 1981) hinaus

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verbreiten, eingängige Botschaften, die trotzdem wenigstens in ihrer allgemeinen Form einigen avantgardistischen Topoi entsprechen. Rückblickend, knapp zusammengefasst, meint das Wort Jazz »first sex, then dancing, then music«. Wie alle anderen auch spricht Fitzgerald davon, dass Jazz mit »nervöser Stimulation« zusammenhänge. Der Unterschied im Ton, in den Absichten und in der Grundstimmung wird jedoch sofort deutlich, wenn er den Spaß, fun, in den Mittelpunkt stellt: »A whole race going hedonistic, deciding on pleasure« (1983: 10ff.). Überreizung oder avantgardistische Übertretung sind dadurch im Einzelnen nicht ausgeschlossen, sie bilden aber keineswegs das Ziel oder den Ausgangspunkt der Hervorbringung oder Aufnahme intensivierter populärer Reize. Bemerkenswert ist besonders, dass Fitzgerald sein wirkungsmächtiges Bild des Jazz Age im Roman an der jungen amerikanischen Frau ausprägt, dem flapper. Der flapper ist die Tochter des Jazz, wie auch Zelda Fitzgerald anmerkt, sie zählt zu den jungen anti-puritans, die Amüsement mit Charme und Grazie verbinden wollen (1997a: 398f.). Eleanor, eine der Heldinnen aus F. Scott Fitzgeralds This Side of Paradise, nennt sich selbst einen romantic little materialist. Von groß angelegter Dekadenz ist das noch weit entfernt, ihr urbaner Geist und ihre Bobfrisur reichen aber aus, um viele junge Männer auf den Pfad der Bohemian naughtiness zu führen, wie der Erzähler weiß (1960: 229ff.). Oder wie es Fitzgeralds Frau Zelda in einem ihrer Artikel zum flapper pointiert festhält: »She refused to be bored chiefly because she wasn’t boring.« Zelda Fitzgerald verbindet mit dem neuen Frauentyp aber auch noch eine anspruchsvollere Haltung, die demokratischen Individualismus und säkulares Gegenwartsbewusstsein in Zusammenhang bringt; sie bezieht sich auf das Recht »to experiment with herself as a transient, poignant figure who will be dead tomorrow« (1997b: 391f.). Die ältere moralische Kritik und pädagogische Aufsicht kann darum an dieses neue Zeitalter des Jazz und des flappers ihre vertrauten puritanischen Maßstäbe anlegen. Ihr Befund ist eindeutig; durch die Zeitungen und das Kino würden die young girls zu unzüchtigem Handeln angeleitet, trägt Miriam van Waters 1921 in ihrer Strafrede über The True Value of Correctional Education auf der 51st American Prison Conference vor (zit. n. Thomas 1967: 84). Die modernen Tänze, besonders »the worst offspring of jazz, the ›camelwalk‹«, trieben die Sinnlichkeit animalisch hervor, klagt ein Leitartikel in der Zeitschrift der Brown University ebenfalls 1921. Das Urteil steht deshalb fest, auch wenn daran nicht allein die »emancipation of woman«, sondern auch die Männer Schuld trügen: Die moderne junge Frau, die rauche, fluche, trinke, sei »a most frivolous, passionate, sensation-seeking little thing« (zit. n. ebd.: 85). Zumindest im Ton gemäßigter fällt eine Diagnose in sozialpsychologisierender Manier aus, die Mary Ide Bentley 1922 bei einer Ansprache in Berkeley vorträgt. Ihrer Beobachtung nach geben sich die flappers dem Wandel, der Maskerade, der Künstlichkeit (artfulness), dem Rollenspiel sowie der unablässigen Suche nach dem höchsten Ziel, der Freude (joy), hin, weil sie im Unterschied zu den vorherigen Generationen über keine Gemeinschaftsbindung (group tie) mehr verfügten. Ungewöhnlich und neu ist auch, dass die junge Hedonistin nicht den niederen Schichten angehört, sondern, wie einem bereits Fitzgeralds Roman zeigt, oftmals eine Ausbildung in höheren Schulen durchläuft (zit. n. ebd.: 85f.; vgl. Cowley 1966: 39ff.).

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Wie die Kinos und Tanzpaläste jetzt in Architektur und Ausstattung zunehmend auf den Mittelschichtsgeschmack ausgerichtet werden, gehen umgekehrt in das Bild der gesitteten romantischen Liebe verstärkt Züge des fun und des ungezwungeneren Selbstausdrucks ein (Illouz 2003: 39ff.). Die Industrie der neuen Medien, nach Film und Fonograf dann Illustrierte und Radio, stellt die Voraussetzung und den Antrieb dar, das Bild und die Semantik der weniger puritanischen Moral in zuvor nie gekannter Ausdehnung zu verbreiten. Auch der Jazz der 20er Jahre ist zu weiten Teilen ein zentral betriebenes Unternehmen der Musikverlage und der – weißen – Komponisten Tin Pan Alleys (Shaw 1987). Die neuen Produkte und Ideologeme treffen auf Abnehmer; Fitzgerald meint sehr genau bilanzieren zu können, dass der jugendliche Trend ab 1923 auch eine große Zahl der Älteren erfasst (1983: 11). Die amerikanische Durchschnittsfamilie geht in den 20er Jahren mindestens einmal in der Woche ins Kino, viele der Jugendlichen ohne Begleitung ihrer Eltern noch wesentlich häufiger; sie sehen dort, in den Kinos der repräsentativen Stadt »Middletown«, etwa »brilliant men, beautiful jazz babies, champagne baths, midnight revels, petting parties in the purple dawn« (Lynd 1929: 266). In Deutschland kommt das Bild des ungezwungeneren Hedonismus und Konsums sowie der mondäneren Künstlichkeit ebenfalls an. Eine bedeutende Neuerung und Abwandlung ist bei manchen intellektuellen Parteigängern des sog. Amerikanismus aber zu erkennen. Zwar lässt sowohl die schon vertraute moralische Missbilligung bestimmter starker Reize als auch ihre avantgardistische Umkehrung im Zeichen enormer Intensität kaum nach, wenn etwa die Jazzmusik als Lärm, Narkotikum, Tanzerregung und heftiger Nervenstimulus wahrgenommen und beschrieben wird (vgl. Steinert 2003: 68ff.). Daneben oder teils an ihre Stelle tritt aber nicht nur die hedonistischere Affirmation glückssuchender junger Menschen, wie sie Fitzgerald festgehalten hat, sondern ebenfalls die Rede einer (noch) kälteren Lust. Diese neue Rede eignet sich auf originelle Weise die bildungsbürgerliche Kritik an der mechanisierten, unorganischen Massenkultur an, eine Kritik, die schon im Ragtime eine Musik des unpersönlichen Maschinenzeitalters und der Fabriken, Hochhäuser, Aufzüge, Flugzeuge gesehen hat, jedoch die von solchen unschöpferischen, unexpressiven Kompositionen bewirkten Bewegungen gleichwohl als wild einstuft (vgl. Mooney 2004). In bezeichnendem Kontrast dazu steht eine Äußerung Max Brods, der bereits 1922 in Der Auftakt. Musikblätter für die tschechoslowakische Republik die »exakten, brennheiß-nützlichen Konstruktionen« der Shimmy- und Foxtrott-Tänze herausstellt (zit. n. Partsch 2000: 65). Solche Einschätzungen bilden den Auftakt zu einer Apologie der Technik und Sachgerechtheit, wie sie in den 20er Jahren ein beachtlicher Teil der Intellektuellen vornimmt. Der entscheidende Unterschied zu den futuristischen Vorläufern der 10er Jahre liegt darin, dass die Technik nun vom Anspruch martialischer Intensität entkoppelt wird. Walter Gropius, der Direktor des Bauhauses, gründet seine Architektur auf Funktionalität, auf die Erfüllung der Ansprüche der Industrie und Wirtschaft, auf Exaktheit und Ausnutzung von »raum, stoff, zeit und geld«; diese Anpassung schließt ausdrücklich die »bejahung der lebendigen umwelt der maschinen und fahrzeuge, ihres tempos und ihres rhythmus« ein. Ornamente haben da keinen Platz mehr; den »äußerlichen, toten schmuckformen« sagt Gropius im Namen des »lebendigen organismus« ab, um mit

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diesem letzten Begriff doch noch eine gewisse Altertümlichkeit zu verraten (1926: 34). Bei Hannes Meyer, dem Nachfolger Gropius’ am Bauhaus, ist auch dieser Begriff getilgt. Meyer ist deutlich den sowjetischen Kubofuturisten verpflichtet, er legt sogar noch etwas stärker als sie Wert auf die Befragung der Konsumenten und die Ausrichtung der Design- und Konstruktionstätigkeit auf den Zweck, allen Leuten eine funktionierende, entlastende Wohnmaschinerie zur Verfügung zu stellen (Droste 2006). Der »Masse« und der »Vereinheitlichung unserer Bedürfnisse« widerspricht Meyer nicht, der Sieg des Stadions über Kunstmuseum und Stadttheater, den er konstatiert, scheint ihn rückhaltlos zu freuen. Schaut man näher hin, sieht man aber schnell, dass auch Meier nur ganz bestimmte Massenbedürfnisse schätzt; es sind die Bedürfnisse, welche seiner Vorstellung folgender Produkte einer emphatischen »Jetztzeit« entsprechen: Bubikopf, Jazz, Radio, Co-op-Produkte, »MusterMesse, Getreide-Silo, Music-Hall, Flug-Platz, Büro-Stuhl, Standard-Ware« (1980: 29). Das ist nicht die Haltung eines avantgardistisch-kommunistischen Außenseiters (wenn Meyer auch 1930 von den städtischen Geldgebern des Dessauer Bauhauses und auf Betreiben von Teilen des Lehrkörpers wie Wassily Kandinsky seines Amtes enthoben wird). Selbst in der gediegenen Zeitschrift der modernen Kunst und Lebensweise Der Querschnitt kann man 1926 lesen, dass die neue Ästhetik ihre Elemente »beim Sport, bei Technik, Zeitung, Kino« suchen müsse. Die »alte, vergilbte Psychologie« des konventionellen Dramas und Romans soll weichen, an ihre Stelle etwas dem Kino Analoges – »Oberflächlichkeit«, »unverklärte Wirklichkeit«, »wunderbares Durcheinander«, »Rhythmisierung des Stoffs« – treten; auch der Jazz, das »Idol der Massen«, dient mit seinem »erbarmungslos rhythmischen Gestampf« als Vorbild. Dies klingt nicht unbedingt neu, der bedeutende Unterschied zu vorherigen, verwandten avantgardistischen Maximen liegt aber darin, dass die angestrebte Intensität überhaupt nicht überwältigend gedacht wird. Nervöse Hysterie ist ohnehin von gestern, und die Stadt erscheint nicht mehr als ein Gewirr. Das Kunstwerk, das dieser kontrollierten Haltung entspricht, ist die Montage; das favorisierte oberflächliche »Durcheinander« entdeckt sich tatsächlich als »notwendigerweise zusammengesetzt« (Wedderkop 1981). Unter dem Zeichen der Neuen Sachlichkeit findet ein entschiedener Bruch mit der alten bürgerlichen Gemeinschafts-Welt, aber auch mit einigen ihrer avantgardistischen Überwindungsversuche statt. Die durchgesetzte Massenkonsumgesellschaft – fließbandmäßige Produktion, ausgedehntes Marketing, steigender Verbrauch von Konsum- und Kulturgütern (Grazia 1997) – trifft bei einer Reihe Intellektueller um 1925 nicht mehr auf die obligate Zurückweisung. Film und Kälte, Masse und Montage, technische Funktionalität und konstruktivistische Gebrauchskunst scheinen Vertretern der Neuen Sachlichkeit vielmehr zusammenzupassen (Lethen 1995): Die Hoffnung des jungen Brecht auf Jazzbands aus »lauter Ingenieuren« (1992: 301). In ihrer Abneigung gegen die überkommenen Werte von Persönlichkeit, Schöpfertum, Geist und Innerlichkeit sind die vielen linken Anhänger der Neuen Sachlichkeit zumindest eine Zeit lang schnell bereit, kapitalistische Kälte, oberflächliche Zerstreuung, urbane Mobilität und industrielle Rationalität als kommunistische Vorboten zu identifizieren (siehe etwa den Verlauf bei Kracauer 1977a; 1977b; 1971: 95ff.; 1990); auf diese Weise werden äs-

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thetische Vorlieben für Montage, antipsychologische Schreibweise, schmucklose Formen etc. oftmals mit ganz anders gearteten und zu bewertenden sozialen Organisationsprinzipien verwechselt. Für unseren Zusammenhang entscheidend ist jedoch, dass diese politischästhetischen Spekulationen und poetologischen Leitlinien einen zeitgenössischen Träger finden, dessen ideologische und stilistische Konstruktion tief in die Alltagsmythologie und (Medien-)Wirklichkeit der zweiten Hälfte der 20er Jahre eingeht. Vergleichbar mit der Bedeutung des flappers für das Jazz Age, bildet in Deutschland das Girl den Punkt, an dem sich viele Momente der funktional-hedonistischen Neuen Sachlichkeit verdichten und zeigen (lassen) (vgl. Hecken 2006c: 148ff.). Sicher zur Überraschung und teilweise zum Entsetzen der dekadenten und futuristischen Künstler und Theoretiker ist die wichtigste Verkörperung des neuen avancierten Habitus nicht der distinguierte, männliche Artist selbst, sondern eine bestimmte Sorte junger Frauen, die zudem in großer Zahl auftritt. Freilich, ihre herausgestellte Künstlichkeit beruht auch auf dem aktuellen Angebot preiswerter, allen zugänglicher Kosmetika (Zielesch 1924: 4; vgl. Beck 1968: 137ff.), doch dabei bleibt es nicht. Selbst wenn sie in Deutschland stark am Vorbild der mechanisch, in Reih und Glied agierenden Tiller-Girls gewonnen ist, verlässt die »Girlkultur« die traditionell angestammte Form der erotisch inszenierten Äußerlichkeit. Der androgyne Look des Girl mit Pagenschnitt und gerader Silhouette (Kessemeier 2000), der mitunter über die Großstädte und ihre Illustrierten hinaus Teil des Straßenbildes wird, scheint den Betrachtern zusammen mit der seelenlosen Schminke und dem Gleichklang der Revue-Maschine die exakte Passform der modernen, technisierten Produktion zu bilden. Girl und Arbeit, Girl und urbaner Rhythmus, Girl und Leistung, Girl und zerstreute, schnelle Reaktion auf oberflächliche Reize werden dadurch eins (Giese 1925: 97ff.). Viel stärker als bei den bereits kritisch gebrochenen Protagonistinnen des Romans der Neuen Sachlichkeit (Becker 1995: 19; Barndt 2003) wird das Girl in manchen Reportagen und intellektuellen Zeitgeistdiagnosen zum Inbegriff der modernen, unsentimental rationalisierten Welt, die Unterhaltung, aber auch Arbeit und Technik umspannt. Das Girl ist dann der Typus der Neuen Sachlichkeit. Es ist »gegennatürlich«, weil »künstlich entmuttert«, es ist materialistisch und unsentimental. Seine Kleidung, nicht zuletzt der »metallische Glanz der kunstseidenen Strümpfe«, und seine Schminke signalisieren »sterile Liebe« und »abstrakten, unproblematischen Sexus«. »Aufdringliche Sinnenreizung« und »künstliches Sterilsein« passen hier perfekt zusammen. All dies steht vollkommen im Einklang mit dem Grundprinzip der Neuen Sachlichkeit, das Maschinenprodukt und das »Artefakt« höher zu schätzen als das »Gewachsene«, die »präzis disponierte Schnelligkeit« wesentlich stärker als die nervöse »Hast«, glatte Passungen der Teile unendlich mehr als die »Unordnung«. Broder Christiansen, von dem diese klaren Entgegensetzungen stammen (1929: 81, 71, 74, 44, 48), ist selbst, wie viele andere kulturkritisch argumentierende Zeitgenossen (vgl. Saldern 1996), allerdings überhaupt kein Freund von Sachlichkeit und Girl. An vielen Stellen seiner Typologie kommt deutlich seine konservative Anschauung hervor, da bezeichnet er das moderne Mädchen in einem Atemzug als »keß, selbstbewußt« und »unbedeutend«, da hofft er auf eine Wiederkehr der innerlichen, romantischen Liebe, auf eine Rückkehr der Frau zum »Weibtum« (ebd.: 14, 82f.).

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Wegen dieser Ansichten ist Christiansen an einigen Stellen nicht in der Lage, die Doktrin der Neuen Sachlichkeit konsequent zu entfalten. Richtig weist er darauf, dass die Neue Sachlichkeit ein Interesse an »starken, äußeren Spannungsreizen« hat, um zu einer zerstreuten, »peripherischen Intensität« zu gelangen, richtig stellt er dar, dass die antibürgerliche Nähe der Neuen Sachlichkeit zur »Masse« (besser gesagt, zur Idee der Masse) damit einher geht, den »Geschmack der Unterschichten« und »die groben Reizungen simplerer Kulturen« hoch zu schätzen. An der Wortwahl kann man schon teilweise erkennen, in welch starkem Maße Christiansen solche Umwertungen missfallen. Wichtiger aber ist, dass er als konservativer Kritiker der Masse den egalisierenden Zug der Neuen Sachlichkeit – plötzlich sei sogar die Frau Masse, stellt Christiansen überrascht fest – nur als politisches Verhängnis deuten kann. Die »Entpersönlichung«, welche aus der »Entwurzelung«, dem Verlust der (familialen) Gemeinschaft entstehe, die Massenhaftigkeit, die mit der schichten- und geschlechtsübergreifenden Mode verbunden ist, muss für ihn zur Diktatur führen, zur Feier des Führers durch schwache, ›herdenhafte‹ Menschen (ebd.: 52, 50, 81, 51, 68). Eine demokratische Interpretation intensiver, künstlicher, funktional konzipierter, massenhaft wirksamer Mode-Reize, abseits dekadenten Elitismus, avantgardistischer Übertretungswünsche und bildungsbürgerlicher Kritik, steht deshalb noch aus.

II. Die Entstehung des Pop aus der Pop Art 1955-1964

Wichtige frühe Einschätzungen zu Gegenständen der Populärkultur Bei der Betrachtung modern-dekadenter, avantgardistischer und neusachlicher Überlegungen zu Künstlichkeit, Intensität, Dekomposition, Reiz stößt man unvermeidlich auf viele Bewertungen zur populären Kultur. Das betrifft die Gegenstände der populären Kultur und ihre Rezipienten gleichermaßen. Manchmal handelt es sich um Zuspitzungen bildungsbürgerlicher Wertungsweisen – gut zu sehen an der dekadenten oder modernistischen Verachtung der Masse, aber auch des Bourgeois –, häufiger um ihre Verkehrung: Fordert der idealistische Ästhet zur Mäßigung und narrativen Einbettung stofflicher Reize auf, bestehen nicht wenige Avantgardisten gerade auf der Steigerung und Isolierung intensiver Impulse; bleibt die Schönheit oder das eigenständige Werk traditionell an den Nachweis der Einzigartigkeit oder modern an den der Verfremdung oder Aufhebung bestimmter Zwecksetzungen gebunden, propagieren neusachliche Theoretiker den Vorrang technischer Funktionalität und massenhafter Gebrauchsfähigkeit auch als künstlerische Leitlinie. Beide Lager ergänzen sich demnach ausgezeichnet. Auch wenn sie sich heftig befehden, sprechen sie doch die gleiche Sprache. Sie nehmen die Dinge ganz ähnlich wahr, unterscheiden sich aber radikal, wenn es um die Bewertung der geteilten Wahrnehmung geht. An den Einschätzungen zur sog. niederen, geschmacklosen oder massenhaften Kultur – seit der Romantik meist geschieden von der Volkskultur der Märchen und Lieder – zeigt sich der Gleichklang vor aller Wertung ebenfalls. Viel mehr, als dass es sich um eine bunte Reihe von Äußerlichkeiten und moralisch verderblichen oder erregenden Reizen handelt, erfährt man von beiden Seiten nicht. Eine eingehendere Betrachtung ist beiden Lagern die Sache nicht wert. Dies ändert sich im 20. Jahrhundert nur sehr langsam. Eine erste Änderung besteht darin, dass nicht mehr allein die gemeine Menge der Ungebildeten für die Sinnlichkeit und Verworfenheit jener Vergnügungen verantwortlich gemacht wird, die ihre knapp bemessene Freizeit ausfüllen (Cunningham 1980). Pädagogische Reformer halten die Vergnügungen der Jahrmärkte, frühen Kinos, billig zu erwerbenden Romanhefte zwar ebenso für minderwertig, sie bestreiten aber, dass diese Schlechtigkeit in der Natur der niederen Schichten begründet liege. Die Anklage gegen die kommerziell vertriebenen Güter und betriebenen Amüsierstätten verlagert die Verantwortung auf jene Kreise, die zur Erzielung von Gewinnen unmoralische Verführungen generalstabsmäßig produzieren und perfektionieren (Gorman 1996: 34ff.).

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Die antikommerzielle Kritik steht mit der romantischen Hochwertung älterer Formen der Volkskultur im Einklang, schätzen die Romantiker doch (scheinbar) ursprünglich entstandene, aus dem Volk und seinen Gemeinschaftsformen hervorgegangene gesellige Sagen und Lieder. Der Unterschied zu den moderneren Ausprägungen der populären Kultur, die auf der kapitalistisch ungeheuer vertieften Arbeitsteilung beruhen, ist sofort zu erkennen, zumal die nicht kollektiv aus dem Volk stammenden, sondern von Spezialisten für ein Publikum erdachten Kulturwaren industriell produziert und massenmedial verbreitet werden können. Umso plausibler erscheint den philanthropischen, aufgeklärt-pädagogischen Reformern die Vorstellung, dass die ›einfachen Leute‹ Opfer einer aus Profitgründen betriebenen Manipulation sind und folglich unter besseren Bedingungen eine andere Haltung annehmen könnten. Auf die Idee, den Aneignungen der massenkulturellen Produkte einen eigenen Wert beizumessen oder deren Folgen eingehender zu studieren, kommen sie darum nicht. Eine Konsequenz dieser Konzeption besteht darin, eine neue, demokratisch-patriotisch mittlere Kultur anzustreben, welche den mechanisch erzeugten, vulgären »trash« weit hinter sich lässt, aber ebenfalls die kalten Höhen intellektueller, moderner Kunst vermeidet (vgl. ebd.: 55ff.). Von Van Wyck Brooks (1915) stammen die Begriffe lowbrow und highbrow, um jene beiden Pole zu bezeichnen, zwischen denen nun ein wahrhafter Ausdruck amerikanischen Lebens etabliert werden soll. Was natürlich im Umkehrschluss bedeutet, dass gegenwärtige Formen der populären Kultur – etwa der Ragtime –, die einige Kommentatoren bereits als Ausprägung solch moderner Volkskultur betrachten (vgl. Mooney 2004), allesamt dem Anspruch längst noch nicht genügen. Der Begriff midbrow, der sich ab den späten 20er Jahren durchsetzt, bezeichnet tatsächlich Gegenstände, die Brooks kaum gefallen hätten: bestimmte Bestseller, populärwissenschaftliche Sachbücher, Lexika, Titel der Buchklubs. Sie verfallen schnell der intellektuellen Massenkritik (vgl. Radway 1990 und 1994; Rubin 1992). Das erste Buch zu Produkten und Favoriten der Populärkultur, Gilbert Seldes’ The Seven Lively Arts aus dem Jahr 1924, beruht genau auf dem Ansatz, eine mittlere, prätentiöse Kultur, wie man sie z.B. in manchem Roman mit (vorgeblichem, vergeblichem) Anspruch, aber auch in vielen Theater- und Opernaufführungen antreffe, nachhaltig abzuwerten. Die Exponenten der lively arts wie Al Jolson, Charlie Chaplin, Irving Berlin, die Ziegfeld-Revuen oder George Harrimans Comic Krazy Kat heben sich dagegen nach Seldes’ Urteil positiv ab; diese neuen, zeitgenössischen popular arts böten einen sehr guten Ersatz für die verschwindenden folk arts; sie seien zwar in intellektueller Hinsicht den great arts selbstverständlich unterlegen, kämen ihnen aber an »Intensität« durchaus gleich, weshalb man ihnen einen Platz eigenen – freilich weniger bedeutenden, flüchtigeren – Rechts zugestehen müsse (1957: 264, 298, 272, 186). Auch wenn es im Lichte dieses Grundsatzes teilweise so aussieht, ist Seldes jedoch sehr weit davon entfernt, einen avantgardistischen Geschmack zu vertreten. Man erkennt das schnell bei der Lektüre seiner einzelnen Darstellungen von Filmen, Musical-Themen, Jazzstücken usw. Hier gilt seine Anerkennung regelmäßig den »großen«, einheitlichen oder »wahrhaftigen, ehrlichen« Werken, seine Wertungsmaßstäbe sind also deutlich traditionell geprägt.

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Von der in vielen Feuilletons inzwischen üblichen Anerkennung besonders der Filme Charlie Chaplins, die dort oftmals sogar mit wesentlich moderneren Gründen als Meisterwerke hervorgehoben werden, unterscheidet Seldes sich ›nur‹ durch den Umfang seiner Betrachtungen. Auf die Art und Weise kommt den Gegenständen der populären Kultur kein zwingendes, ganz eigenständiges Lob zu. Deshalb geht wahrscheinlich der avantgardistische Ansatz weiter, obwohl mit ihm populäre Genres lediglich halb akzeptiert werden, um sie dann als Quelle zu einer forcierten Reizsteigerung zu benutzen. Denkt man das Argument zu Ende, wäre aber sogar eine vollständige Anerkennung möglich, falls populäre Werke stärker der Sinnangebote und narrativen Schließung entrieten. Ab den 30er Jahren verliert das avantgardistische Geschmacksprinzip zunächst aber für einige Zeit an Bedeutung. Clement Greenberg, der stellvertretend für die moderne Kunstkritik stehen kann (und persönlich bis zum Ende der 50er Jahre großen Einfluss auf sie ausübt), identifiziert die Avantgarde mit Werken T.S. Eliots oder Picassos. Als deren exakter Konterpart firmiert bei Greenberg Ende der dreißiger Jahre die popular, commercial art, die ganze zeitgenössische Palette an »magazine covers, illustrations, ads, slick and pulp fiction, comics, Tin Pan Alley Music, tap dancing, Hollywood movies«. Genau wie Seldes sieht er sie von der älteren folk culture getrennt; im genauen Gegensatz zu ihm hält er die neuen, industriell produzierten und massenhaft vertriebenen Formen aber für vollkommen minderwertigen Kitsch (1939: 39; vgl. Hecken 2007a: 32f.). Im Gleichklang mit Greenberg argumentiert und wertet Dwight Macdonald, besonders die ganz aktuellen Produkte der Mass Culture sieht er überaus kritisch. Gerade deren größere Perfektion und Raffinesse trägt für ihn zu dem insgesamt desaströsen Eindruck bei. Unter den neuen Hollywoodfilmen etwa gebe es zwar nicht mehr so schlechte wie früher, die Standardisierung sei aber nun so weit vorangeschritten, dass ebenfalls jede zuvor noch manchmal anzutreffende positive Spur von Avantgardism (z.B. bei Griffith oder Stroheim) oder von Folk Art (Chaplin) getilgt werde. Die Middlebrow Culture bildet für ihn darum den gefährlichsten Zug der Massenkultur. Die »Homogenisierung« von Hochkultur und Massenkultur (unter den Bedingungen Letzterer) zerstöre sogar die Nischen und Sonderstellungen der avantgardistischen kulturellen Elite. Als Beispiel des durchgesetzten allumfassenden Midcult führt Macdonald eine Zeitschrift wie Life an. Hat Marshall McLuhan (1951: 3) die ragtime discontinuity der Tageszeitung mit der Technik eines Picasso oder Joyce verglichen, kommt Macdonald zu einer ganz anderen Einschätzung. Die Illustrierte Life, die in einem Heft Berichte und Fotos über die unterschiedlichsten sozialen und kulturellen Bereiche liefert, gibt für Macdonald das Musterbeispiel einer Massenkultur ab, die alles zusammenmischt und dadurch alle Unterschiede von Wert vernichtet. Macdonald ist allerdings unvorsichtig genug, um das Bild der Standardisierung und Homogenisierung selbst durch sein Beispiel teilweise zu beschädigen. An Life stellt er nicht in erster Linie einen einheitlichen Tonfall und Designstil heraus, sondern das Nebeneinander von Ungleichartigem; neben einer ernsthaften Betrachtung über die Atomenergie stehe ein Artikel über Rita Hayworths Liebesleben, neben Abbildungen von impressionistischen Gemälden das Foto eines roller-skating horse. Die Einschätzung Macdonalds, in der Massenkultur werde alles gleichermaßen mittelmäßig zugerich-

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tet, wird dadurch nicht perfekt illustriert; sein weiteres Urteil, die Vermischungen der Massenkultur, wie man sie in Life betrachten könne, degradierten viel stärker das Seriöse, als dass sie dem Frivolen eine erhebende Note zufügten, liegt auf einer anderen Ebene (1957: 62ff., 71; 1960: 212, 592f.). Solch ein kleinerer Fehler wäre Adorno, auf den sich Macdonald neben Greenberg beruft, sicherlich nicht unterlaufen. Besser gesagt, solch eine Ungenauigkeit ist Adorno nie passiert. Seine Argumentation ist von großer Dichte; in immer neuen Anläufen moniert er den durchgehenden Warencharakter von Werken, die, wie etwa jene der Jazzmusik, aus normierten Teilen, aus »wenigen Grundtypen« bestünden und darum industriell gefertigt werden könnten (1932: 375f.; 1936: 243; 1953: 538; vgl. Partsch 2000: 247ff.); abgesehen von solch schematischen Mustern gebe es kein besser durchgebildetes Ganzes; das einzelne Werk bestehe vor allem aus einer vorgeprägten Abfolge standardisierter Reize, auf welche die Rezipienten mittlerweile längst konditioniert reagierten (1973: 39; 1941: 18ff.). Bedeutsam sind diese vernichtenden Einschätzungen, die Adorno in gleicher Manier auch den anderen Erzeugnissen der »Kulturindustrie«, etwa Hollywoodfilmen, gegenüber vertritt, weil sie nicht im Namen alter harmonischer, klassizistischer Werte vorgebracht werden. Adorno schätzt selber in weitreichendem Maße den Einspruch des besonderen Reizes gegen die Totalität (Horkheimer/Adorno 1988: 133; vgl. Hecken 2007a: 42ff.), umso schwerer wiegt sein Urteil, das, auf einer Höhe mit der sich revolutionär verstehenden Avantgarde, deren spezielle, manchmal an populären Effekten hängende Hoffnungen auf Unmittelbarkeit und antibürgerliche Schockmomente nachhaltig bestreitet. Damit soll keineswegs angedeutet werden, dass solche und ähnliche kritische Positionen die generelle Meinung zur populären Kultur bildeten. Es gibt natürlich in jener Zeit vielfältige andere Einschätzungen unter liberalem, kommunistischem, konservativem oder nationalsozialistischem Vorzeichen. Diese sind jedoch, außer als Abgrenzungsfläche, für unser Thema ohne größeren Belang; zur Etablierung der Pop-Konzepte werden sie (zumindest für viele Jahre) keinen Beitrag leisten. Ansichten wie die von Adorno oder Greenberg gehören hingegen deshalb in den Vordergrund gerückt, weil sie eine beträchtliche Zeit lang innerhalb der Schicht westlicher Intellektueller die avantgardistischen Zuspitzungen und Umwertungen populärer Kultur zu einem großen Teil verdrängen können. Man kann das sogar sehr gut an der feuilletonistischen Aufnahme der Jazzmusik zeigen. Hier setzt sich ab den 30er Jahren eine kontinuierliche, fachmännische Betrachtung durch, die sich von der beständigen ›moralischen Panik‹ angesichts sinnlich aufreizender Rhythmen und Tänze, nun vor allem des Jitterbug-Swing (vgl. Erenberg 1981: 35ff.), weitgehend absetzt; der Kampf modernistischer Kritiker gegen Traditionalisten, die im Namen des aus ihrer Sicht emotional authentischeren New Orleans Jazz die ausgefeilteren Swing-Riffs und -Arrangements ablehnen, gehört bereits dazu (vgl. Gendron 2002: 126ff.). Zur Anerkennung der Jazzmusik unter jungen Künstlern und Intellektuellen unterschiedlicher Ausrichtung (ab Ende der 40er Jahre unter Beatniks und Existenzialisten) trägt jedoch vor allem bei, dass an die Stelle der ungeheuer populären Swing-Musik nun innerhalb des Jazz der viel weniger erfolgreiche Bebop-Stil tritt, dann auch der Cool Jazz. Zwar kann jemand wie Adorno in all diesen Spielarten keinen bedeutenden Unterschied erkennen, andere jedoch in den neuen Stilen gerade eine wichtige künstleri-

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sche Differenz zum populären Swing (Berendt 1950), den sie durch die vorgeblich experimentelleren, komplexeren, zeitgemäß nervösen Bop-Varianten zu Recht überwunden sehen. Mit den Worten des Hipsters Anatole Broyard: »That which you heard in bebop was always something else, not the thing you expected; it was always negatively derived, abstraction from, not to. [...] The remarkable run-on quality of bebop solos suggested the infinite resources of the hipster, who could improvise indefinitely, whose inventions knew no end, who was, in fact, omniscient. [...] Bebop’s style seemed to consist, to a great extent, in evading tension, in connecting, by extreme dexterity, each phrase with another, so that nothing remained, everything was lost in a shuffle of decapitated cadences. [...] The élan of jazz was weeded out of bebop because all enthusiasm was naive, nowhere, too simple. Bebop was the hipster’s seven types of ambiguity, his Laocoön«. (1948: 724f.)

So bleiben die modernen Kriterien von Leuten wie Greenberg oder Adorno zumindest teilweise bewahrt, allerdings auf Gegenstände bezogen, die in ihrer Sicht nicht in den Kanon der Moderne hineingehören. Verschärft wird der Widerspruch durch lebensweltliche Überformungen des neuen Jazz, die es schwerer möglich machen, ihn auf ästhetisch reine Weise wahrzunehmen. Die Hipster und die Beatniks schätzen gerade modische Ausprägungen und konsequente Lebenshaltungen der Bop-Musiker, die in den Augen der strengeren asketischen Kritiker das musikalische Werk noch einmal auf besonders sichtbare Weise als wertlos erweisen. Besondere Sprechweisen, Ticks, bohemehafte Selbststilisierungen bieten den zumeist jüngeren Anhängern umgekehrt genügend avantgardistischen Reiz, um den gewünschten Zusammenhang von Kunst und Leben innerhalb einer Szene, im Rahmen eines alternativen Lebensstils herzustellen. In makelloser Form hat wiederum Anatole Broyard den Stil des Hipsters fixiert, weit über die wattierten Schultern der zoot suits hinaus; Broyard stellt die reduzierte Kunstsprache des jive als entscheidende Möglichkeit des Hipsters vor, sein Unbehagen gegenüber der gesellschaftlichen Welt symbolisch, nicht kriminell zu entbinden; trotzdem zeigt sein Stil strikt an, abseits bleiben zu wollen: »He affected a white streak, made with powder, in his hair. This was the outer sign of a significant, prophetic mutation. And he always wore dark glasses, because normal light offended his eyes. He was an underground man, requiring especial adjustment to ordinary conditions [...]. Jive Music and tea were the two most important components of the hipster’s life. Music was not, as has often been supposed, a stimulus to dancing. For the hipster rarely danced; he was beyond the reach of stimuli. If he did dance, it was half parody – ›second removism‹ – and he danced only to the off-beat, in a morganatic one to two ratio with the music.« (Ebd.: 723)

Die Reserve gegenüber Reizen, stimuli, die coole, verfremdete Attitüde hindert jedoch nicht, sich eine große Zahl an Reizen künstlich zuzuführen, wir kennen das bereits hinlänglich vom nervösen Dandy der Dekadenz. Wie dieser Dandy, so auch der Hipster; auf einer anderen Stufe helfen Drogen bei der träumerischen Überlagerung der Außenwahrnehmung. Broyard weist sehr schön darauf hin, dass der Hipster die fehlenden Möglichkeiten, auf die Au-

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ßenwelt pragmatisch einzuwirken, durch eine Dramatisierung des eigenen Auftritts ersetzt, um manchmal sogar das Rollenbild des Außenstehenden mit krimineller Wirklichkeit aufzuladen bzw. zu verwechseln. Außerhalb der Reichweite von Stimuli befindet sich der Hipster demnach nicht, ihm fehlen vielmehr die Mittel, die Umwelt so zu manipulieren, dass sie ihm die gewünschten Sensationen bietet: »His next step was to abstract himself in action. Tea made this possible. Tea (marihuana) and other drugs supplied the hipster with an indispensable outlet. His situation was too extreme, too tense, to be satisfied with mere fantasy or animistic domination of the environment. Tea provided him with a free world to expatiate in. It had the same function as trance in Bali, where the unbearable flatness and de-emotionalization of ›waking‹ life is compensated for by trance ecstasy. The hipster’s life, like the Balinese’s, became schizoid; whenever possible, he escaped into the richer world of tea, where, for the helpless and humiliating image of a beetle on its back, he could substitute one of himself floating or flying, ›high‹ in spirits, dreamily dissociated, in contrast to the ceaseless pressure exerted on him in real life. Getting high was a form of artificially induced dream catharsis. [...] Sometimes he took his own solipsism too seriously and slipped into criminal assertions of his will. Unconsciously, he still wanted terribly to take part in the cause and effect that determined the real world. Because he had not been allowed to conceive of himself functionally or socially, he had conceived of himself dramatically, and, taken in by his own art, he often enacted it in actual defiance, self-assertion, impulse, or crime.« (Ebd.: 725f.)

In knapperer, prosaischerer Form wird der Hipster ebenfalls 1948 in Milton Klonskys Essay über die Boheme-Szene New Yorks geschildert: Die Figur des Hipsters bilde eine Variante des underground nihilism, der zuvor in Europa u.a. die Gestalt Dadas angenommen habe; die Prinzipien des Hipsters lauteten anti-art und anti-morality, er glaube lediglich an Benzedrin, Marihuana (tea) und Bebop (1955: 26). Die Kürze solch einer kanonischen Typologie lässt manche Subtilität Broyards vermissen, sie besitzt allerdings andererseits den Vorteil, sozialpsychologische Erklärungsmuster zu verdrängen (besonders abschreckend hier neun Jahre später Norman Mailers Charakterisierung der Hip morality als energetische Selbsterfahrung; 1992: 601; s. Baldwin 1961: 221, 229). Leider führt Klonsky aber ebenfalls nicht aus, in welchem Verhältnis der Hipster zu einer anderen Vorliebe mancher Greenwich Village-Bewohner steht, die ebenfalls mit dem europäischen Dadaismus zusammenhängt. Bereits in den 20er Jahren haben New Yorker Anhänger Dadas in kleinen, kurzlebigen Magazinen die Werbung, den Jazz, die Leidenschaften der Sportfans etc. als ›folklore‹ of modern times gefeiert (vgl. Gorman 1996: 71). Klonsky weist nun Ende der 40er Jahre mit großem Nachdruck darauf hin, dass der europäische Versuch, die eigene Kultur durch amerikanische Comics, Filme, Jazzstücke zu »rebarbarisieren«, jetzt auch im Ursprungsland jener popular culture von den Künstlern und Intellektuellen der Boheme übernommen werde: »In the past, these debased forms of popular culture had been something to be poked with a long stick. Now that they had acquired such foreign respectability, their very coarseness was subtly admired. O Polyhymnia, sacred slut, sing for us

Pop Art | 57 (if you don’t mind) of the furious drives of Dick Tracy, L’il Abner, and Moon Mullins struggling in their boxed and aimless worlds; and of the shadowy Olympus of Hollywood where the old forms of Greece are overthrown by a mechanical Prometheus; and of the soap dramas on the radio, where the drabness and stupidity of life is celebrated«. (1955: 23)

Die Bestandsaufnahme ist hochinteressant, da sie offensichtlich auf die Beobachtung von Geschmacksurteilen und Rezeptionsakten der New Yorker Boheme zurückgeht. Sie stellt darum ein wichtiges Dokument dar, entsprechende Texte liegen nämlich zu diesem Zeitpunkt keineswegs in großer Zahl vor. In den einschlägigen Zeitschriften der avanciert modernen Kunst- und Theorieszene trifft man bis in die 50er Jahre viel stärker auf ihren Widerpart; der ironische Ton in Klonskys Darstellung ist bereits ein Beleg dafür. Auch Broyards Artikel bleibt in Partisan Review eine Ausnahme, sonst dominiert hier unverändert der Tenor kritischer Betrachtungen nicht nur zur Massenkultur, sondern ebenfalls zur Bebop-Szene. Weldon Kees erscheint 1948 gerade Bebop als ein Bestandteil jener Middle Culture, die in schlechter Weise High and Popular Culture vermischt; auch die Feststellung, dass der Hipster sich für viele Dinge über Bebop hinaus begeistert (etwa für die Theorien Wilhelm Reichs), die wenig mit einer mittleren Einstellung zu tun haben, hindert ihn nicht an der negativen Bewertung. Sie kulminiert in einem Zitat aus der Herald Tribune, in dem Bebop der recht zusammenhanglosen Aneinanderreihung von effects for their own sake beschuldigt wird (1948: 620f.). Der Ton ist damit auch für die Wertung der Beatniks zehn Jahre später gesetzt. Norman Podhoretz (1958: 308, 306) verurteilt die Abwendung der Beatniks vom »rationalen Diskurs« und ihre Hinwendung zur unzusammenhängenderen, sich spontan gebenden bop language, zu irrationalen Doktrinen und zum left-wing Reichianism – komme der neue Boheme-Vitalismus (ziellose Fahrten, »wild parties«, »talking intensely about love and God and salvation«, »getting high«, »listening feverishly to jazz«) nun auf einer eher begeisterten (Kerouac) oder dunkleren Note (Ginsberg) daher. Für Irving Howe (1959: 433ff.) ist die Beat-Literatur ein bezeichnender Teil der zweifelhaften »post-modern« fiction einer atomisierten Massengesellschaft, in der soziale Bezüge und Verortungen nicht mehr leicht greifbar sind. Die Beatniks ähnelten noch in ihrem Aufbegehren stark dem, gegen das sie rebellierten – der middle class suburbia einer mass society, dem entfremdeten Mittelstand ihrer Eltern. Ihr Bemühen, »cool« zu erscheinen und den anderen von ihren Wonderful Kicks zu berichten, käme einer extremen, inkohärenten Version der amerikanischen Leere gleich. Umso schärfer wirken die Einschätzungen, wenn man bedenkt, dass die Beatniks nicht nur genauso konsumkritisch eingestellt sind wie ihre intellektuellen Kritiker (vgl. Hecken 2006d: 50ff.), sondern immerhin eine künstlerische Alternative zu der vollkommen unakademischen neuen Jugendkultur der 50er Jahre darstellen. Zwar gibt es – abseits der enorm hochgetriebenen konservativ-pädagogischen Panik über eine vermutete delinquente Generation, die sich ab 1955 mit dem enormen Erfolg Elvis Presleys Bahn bricht (vgl. Martin/Segrave 1988: 24ff.) – einigermaßen sinnvolle Versuche, sie zusammen mit James Dean und dem Rock ’n’ Roll zu sehen (Holmes 1988), unverrückbar bleibt aber die Tatsache, dass die Beatniks in allererster Linie Jazzfans sind (Ostendorf 1985) und oftmals der literarischen Boheme angehören,

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wenn sie auch eigene Vorstellungen von einem genuine high-brow writer haben (Rexroth 1971: 330) oder der intellektuellen Moderne nachhaltiger absagen. Sehr auffällig ist deshalb, in welch starkem Maße die kleine, marginale Gruppe der Beatniks, die trotz ihrer extrem anti-akademischen Haltung von der verbreiteten Teenager-Kultur ihrer Zeit hinreichend geschieden ist, medial schließlich zu einer Beat Generation versammelt wird. Die relativ hohe (absolut gesehen jedoch sehr kleine) Zahl jugendlicher Anhänger dieser neuen Boheme, die zudem teilweise einen eigenen, leicht identifizierbaren Kleidungsstil aufweist, befördert die erstaunliche Faszination des zumindest aus Sicht der Mittelschicht sichtbar Abweichenden (vgl. Polsky 1961; Gaylord 1965; Watson 1995: 267ff.; Petrus 1997). Die entschiedenen, oftmals bewusst zurückgezogen, im Abseits lebenden Kritiker des amerikanischen Fernsehens und der amerikanischen Konsumkultur werden dadurch schnell zu deren gerne gezeigtem Bestandteil. Mit einer versteckten oder gar offenen Affirmation hat das aber rein gar nichts zu tun.

Begriffe: Massenkultur und populäre Kultur Mit den Debatten der 50er Jahre sind wir wieder an unserem Ausgangspunkt angekommen. Man kann nun wahrscheinlich ungefähr ermessen, welche Neuerung die Einschätzungen Richard Hamiltons 1957 darstellen. Das fängt bereits mit dem Begriff an. Hamilton spricht von Pop Art, nicht von popular culture oder mass culture. Die originelle Begriffsverwendung ist sicherlich kein Zufall. In dem mit politischen und ästhetischen Wertungen stark aufgeladenen Feld der Diskussionen um eine Kultur abseits oder unterhalb der sog. Hochkultur sollen bereits durch die Begriffswahl bestimmte Einschätzungen signalisiert werden. Selbst wenn man neutral über eine solche Kultur sprechen will, stehen einem erst einmal nur diese gemeinhin mit verschiedenen Wertungen einhergehenden Worte zur Verfügung. Die Geschichte dieser Begriffe ist durchaus überschaubar. Zwar gibt es schon lange die verschiedensten nationalsprachlichen Varianten des lateinischen popularis (populär, populaire, popular etc.), den Begriff popular culture findet man aber erst häufiger seit den 1940er Jahren. Zu dem Zeitpunkt hat popular bereits den Bezug auf lang tradierte, aus dem ›niederen Volk‹ oder der Landsmannschaft ›gewachsene‹ Sitten und Spruchformen teilweise verloren. Der popular song etwa ist im Amerika der 20er Jahre bedenkenlos (auch) der Song, den Broadway- oder Tin Pan Alley-Komponisten geschrieben haben (Seldes 1957: 57f.), popular music ist um 1940 die Musik der vom Swing beherrschten Hitparade (Peatman 1944). Manches aus dieser später so bezeichneten popular culture mag dem Betrachter im Rückblick schon wieder als authentischer Ausdruck eines spezifischen, ›verwurzelten‹ Publikums vorkommen. Um 1960 trennt Oscar Handlin etwa die frühe Jazzmusik oder bestimmte Slapstickfilme kategorisch von den Produkten der neuen mass media, die in viel entfremdeterer Weise für unübersehbare Konsumentenmengen gefertigt würden (1964: 67). Seit den 30er Jahren wird dafür zunehmend der Begriff mass culture verwandt, mit seinen bekannten kritischen Untertönen. Dwight Macdonald etwa tritt 1953 ausdrücklich dafür ein, nicht popular, sondern eben mass cul-

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ture zu sagen, damit kein Zweifel aufkommen könne, dass es sich um Massenprodukte handelt, die aus Profitinteressen von Spezialisten für passive Konsumenten fabriziert werden, und nicht einmal ansatzweise, wie bei der Folk Art, um spontane, eigenständige expressions of the people (Macdonald 1957: 59f.). Doch sogar dieser oftmals in hochgradig negativem Sinne eingesetzte Begriff der mass culture (sowie der verwandte der mass society) kann zumindest manchmal seinen negativen Klang abstreifen; er steht dann nicht mehr für die manipulative ›Vermassung‹ der sozial Atomisierten, sondern – vor allem Ende der 50er Jahre mit neutralem oder demokratischem Oberton – für vier Grundzüge moderner westlicher Gesellschaften ein: Erstens für die stärkere Inklusion weiter Bevölkerungsteile in die gesellschaftlichen Institutionen; zweitens für die in einer differenzierten Gesellschaft auch auf dem Feld der Kultur unumgängliche Trennung von Produzenten und Konsumenten; drittens für die daraus folgende individuelle Wahlfreiheit bzw. für die mit den Produktivitäts- und Spezialisierungsfortschritten verbundenen Konsummöglichkeiten aus einem massenhaft hergestellten, pluralen Angebot von Kulturgütern (Shils 1964; Parsons/White 1960; Bell 2000); sowie viertens für das beachtliche Wachstum der amerikanischen Wohlstandsgesellschaft (vgl. Whiting 1997: 181). Horkheimer und Adorno hingegen wollen in ihrem Hauptwerk Dialektik der Aufklärung selbst diesen insgesamt eher seltenen positiven Anklang des Begriffs kategorisch ausschließen; in ihrer Sicht ist alles, was popularity erlangt, niemals von den Massen selbst, sondern immer von ihren Herrschern bestimmt worden (Horkheimer 1941: 303), sie sprechen deshalb ausdrücklich von der Kulturindustrie und nicht von der Massenkultur (vgl. Adorno 1967: 60); in ihren amerikanischen Aufsätzen verwenden sie allerdings weiterhin sowohl den Begriff mass culture als auch den der popular culture. Auch bei anderen amerikanischen Wissenschaftlern jener Zeit findet man diesen synonymen Gebrauch; einige (noch wenige) Male signalisiert der Begriff popular culture darum folgerichtig eine zumindest neutrale Einstellung zu den damit bezeichneten Phänomenen (Gans 1966: 551), etwa in Leslie Fiedlers Ausführungen zum brutalen und nivellierenden, aber eben nicht sentimentalen oder moralinsauren Grundzug der popular culture (1957). Besonders bedeutsam ist hier David Riesman (1963a), der an einer wichtigen Stelle seines Hauptwerks The Lonely Crowd entgegen des kulturkritischen Buchtitels sogar von einer beträchtlich gestiegenen Klasse und Diversifikation der Massenproduktion und einem entsprechend kompetenten Publikum redet (1950: 361; vgl. Hecken 2007a: 71ff.). In England wird der Begriff der Masse in kultureller Hinsicht hingegen noch durchgängig negativ verwandt (kanonisch Leavis 1930). Auch linke Kritiker wie jene der Cultural Studies, die Kultur nicht mit der Hochkultur, aber auch nicht mit sozialistischem Realismus identifizieren, werten die kommerziellen Produkte der Massenmedien ab (Hoggart 1992; Williams 1961: 336f.), um die positiv gesehene popular art der Arbeiterklasse vor der Zerstörung zu bewahren (Hoggart 1971a). Konservative und sozialistische Kulturkritiker kommen vor allem in ihrer Abneigung gegen die »synthetischen« Erzeugnisse (Williams 1976: 115) des amerikanischen, stromlinienförmigen Designs, der amerikanischen Massenherstellung überein (vgl. Hebdige 1988b). Bei ihnen ist bei der Verwendung des Begriffs popular noch die alte Bedeutung des (niederen) Volks anzutreffen, das hier nicht als negative

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Kontrastfolie für die Hohen, Kultivierten und Gebildeten fungiert, sondern als positive, vorgeblich gemeinschaftsinnige, authentische Instanz, die den künstlichen, industriell hergestellten und mit avancierten medialen Techniken verfassten Gegenständen der neuen mass culture entgegenstehen soll. Das Feld für weitere avantgardistische Eingriffe ist darum zumindest im Sinne des Widerspruchs und der Abweichung ausgezeichnet bereitet. Nach der Logik einer radikal avantgardistischen Abgrenzung von bildungsbürgerlichen (und/oder volksromantischen) Werten tragen zu der Zeit sogar noch die gemäßigteren humanistischen (Panofsky 1993) oder liberalen Anerkennungen (Warshow 2001: xlii) bestimmter Comics und Filme dazu bei, stärkere Umwertungen attraktiv erscheinen zu lassen, auch wenn der Hollywoodfilm in einigen Bereichen bereits seit den 20er Jahren modernistische Rezeptionsweisen auf sich zieht; in den 50er Jahren sind es vor allem die Kritiken in der französischen Zeitschrift Cahiers du Cinema, die von jenen Autoren verfasst werden, die später selbst als Regisseure der Nouvelle Vague Filmgeschichte schreiben werden (etwa Godard 1971a); aber auch hier überwiegt unter Feuilletonisten und Intellektuellen international eine ästhetisch abschätzige und oft ideologiekritische Betrachtung bei weitem. Aufs Ganze gesehen, ist es deshalb in den 50er Jahren noch sehr leicht möglich, im Feld der zeitgenössischen populären Kultur originelle, abweichende Meinungen und Konzepte vorzubringen; der beste Indikator dafür ist das weitgehende Schweigen selbst der Beatniks angesichts der Aufregungen von Rock ’n’ Roll und Rockabilly. Abgesehen von alarmierten Berichten über ihre moralische Gefahr oder ihre neue ökonomische und soziologische Bedeutung (vgl. für Deutschland vor allem Kurme 2006; auch Poiger 2000; Schildt 1993; Maase 1992) steht die neue Teenagerwelle noch weitgehend ebenso für sich – ohne intellektuelle Überformung – wie die neueren Medien und bunten Illustrierten. Die noch nicht kanonisierte Vorarbeit der historischen Dekadenz und Avantgarde verlangt deshalb geradezu danach, wieder aufgenommen und vielleicht sogar gesteigert zu werden.

Die englische Independent Group und die Popkultur Wie die Anekdote es will, bekommen einzelne Mitglieder der Independent Group, eine lose Diskussionsgruppe von englischen Künstlern, Kritikern, Geisteswissenschaftlern, eine wichtige Stoffgrundlage ihrer Arbeit in einem Überseekoffer geliefert. In dem Koffer aus Amerika befinden sich Illustrierte und Groschenmagazine, die den Grundstock späterer Arbeiten und lang anhaltender Begeisterung bilden, »the catalogue of an exotic society, bountiful and generous, where the event of selling tinned pears was transformed into multi-coloured dreams« (Paolozzi 1992: 192). Weniger mythisch, sind es die Fotos aus selbst erstandenen, mittlerweile in Europa vertriebenen Magazinen, die man heraustrennt, als kleine Schätze sammelt und an die Wand hängt. Nicht nur eine Reihe einzelner Bilder, auch ihr mehr oder minder zufälliges Nebeneinander in der Illustrierten gefällt, ein deutlicher Kontrast zu Macdonalds Ablehnung des homogenisierenden Midcults der modernen Zeitschriften. Einzelne Mitglieder der Independent Group sind zugleich genug und zu wenig dadaistisch gestimmt, um bereits in der motivisch wenig kohärenten Ansammlung der Illustriertenbilder ein Kunst-

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werk zu sehen: »food on one page, pyramids in the desert on the next, a good-looking girl on the next; they were like collages.« Die ZeitschriftenCollage ermahnt die künstlerischen Betrachter zu ihrer Aufgabe, sich beim eigenen Denken dem Zufall zu überlassen; »randomizing one’s thinking« lautet die Parole, eine weitere, damit direkt verwandt, fordert den Bruch mit der Logik ein: »breaking down logical thinking« (Turnbull 1992). Das Gründungstreffen der Gruppe bleibt dem Motto und seinem möglichen Ursprung treu. Young Group ist der Titel, den die Leiterin des Institute for Contemporary Art, eines Instituts zur Förderung moderner – noch vornehmlich surrealistischer – Kunst, ins Spiel bringt. Beim ersten Treffen projiziert Eduardo Paolozzi 1952 in willkürlicher Reihenfolge Werbebilder, Postkartenbilder und Ausrisse aus modernen Magazinen an die Wand. Die Schau wird nicht kommentiert, außer gelegentlichen Urteilen wie »this is better; it’s bigger« bekommt man keine Interpretationshilfen oder Einordnungen des ungewöhnlichen Materials an die Hand. Die Gruppe wird sich später selbst den Namen Independent Group geben (Robbins 1992: 20). Man darf nun nicht glauben, die Independent Group sei ausschließlich ein fröhlicher Dia-Club gewesen, der sich freimütig dem Reiz illustrierter Bilder hingibt. Wie es sich für intellektuelle Künstler und Akademiker gehört, entfalten sie zusätzliche, beredtere Tätigkeiten. Die Ausstellung Parallel of Life and Art demonstriert beispielsweise die Verwandtschaft der abstrakten Formensprache moderner Kunst und (mikroskopierter oder schematisierter) Natur. Eine weitere Schau, This Is Tomorrow, möchte in noch ausgiebigerer Weise Zusammenhänge präsentieren, sie lässt sich aber zumindest zum Teil sehr gut in den avantgardistisch bereits bekannten Zusammenhang von dekadenter Stilisierung und avantgardistisch-intensiver Reizüberflutung – unter Adaption populärer Muster – einordnen. Am Eingang der Ausstellung steht eine Installation (u.a. von Richard Hamilton), die in schiefer Perspektive den Blick auf unterschiedliches zeitgenössisches Bildmaterial von Hollywood bis zur Astronomie gewährt, dazu spielt eine Jukebox, verzerrte Stimmen erklingen, verschiedene Gerüche sorgen für weiteren Reiz und Verwirrung (Cooke 1990: 193). Zum Teil ist die Auswahl nicht allein der emphatischen Zeitdiagnose – This Is Tomorrow – geschuldet, sondern geht auch auf persönliche Vorlieben zurück. George Melly (1989: 12), aus dem Umfeld der Gruppe, berichtet, wie erstaunt er anfänglich von dem entschieden vorgetragenen Urteil über die Schönheit amerikanischer Autos gewesen sei, ein ästhetisches Urteil, das den Surrealisten Melly überraschen muss (und sicher auch soll!). Solche Einschätzungen werden nicht nur im Gespräch unter avantgardistischen Künstlern und Intellektuellen geäußert, sondern ab Mitte der 50er Jahre auch schriftlich veröffentlicht. Sie stehen in deutlichem Kontrast zu den Auffassungen der Mutterorganisation ICA – den modernen Kanon des Gründungspräsidenten der ICA Herbert Read greift die IG ausdrücklich an (vgl. Harrison 2001: 49f.) –, verbleiben aber immerhin vom Stil akademischer Reflexion und überraschend avantgardistischer Neuwertung her im Rahmen der Moderne. Bezeichnenderweise ist es allein George Melly, der einmal aus dem Rahmen fällt. Melly arbeitet, nachdem er seinen Job als Assistent in einer Londoner Galerie aufgegeben hat, in erster Linie als Sänger einer Jazz-Band, die dem New Orleans Jazz und dem Blues verpflichtet ist (nicht dem moder-

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nen Swing oder gar Bebop). Da er weiter ein Teil der Kunstszene und nicht nur der Revival Jazz-Boheme bleibt, verbindet er beides in Form eines Vortrags über Erotic Imagery in the Blues bei einer Veranstaltung des ICA; Mellys Hauptthemen lauten »›The Machine as a Sexual Image‹, ›Animal Symbolism in Erotic Blues‹, ›Sexual Metaphors in Rural and Urban Blues‹«. Was so schön verbunden ist, tritt jedoch im Laufe des Abends auseinander, die vom Alkohol befeuerte Jazz-Szene – etwa der Trompeter der Band, in der Melly singt, Mick Mulligan, sowie der exzentrische Dandy David Litvinoff – stößt hart auf die modernen Akademiker: »At the beginning I stuck to my text although, under the effect of Mick’s perpetually renewed gins, I understand I threw back my head and joined in several of the records. [...] After the interval I put aside my subject altogether, and delivered a comparatively incoherent attack on the I.C.A. itself referring to it throughout, with a certain lack of originality, as ›the Institute of Contemporary Farts‹, occasionally relieving the tedium even I felt arising from constant repetition by offering an alternative version, the ›Institute of Contemporary Arseholes‹. When the Chairmen attempted to close down the meeting David Litvinoff pushed them both off the platform and took over. During his struggle he apparently sang his own version of Bessie’s, ›You’ve Been a Good Old Wagon, But You Done Broke Down‹ with the word ›Chairman‹ substituted for ›Wagon‹. [...] The aftermath of the I.C.A. lecture filled the correspondence columns of the Melody Maker for several weeks. One I.C.A. member said that he would have left ›except I was frightened to pass the group of teddy boys near the door‹. Mick Mulligan was one of them as it happened. I wrote in defence citing Dada and Rimbaud«. (Melly 1974: 177f., 132, 178f.)

Solch einer harschen Konfrontation, bei der die eine Seite die akademiefeindlichen Jazz-Revivalisten mit den juvenilen Teddy Boys gleichsetzt, und die andere Seite ihre Attacken in der Tradition der Avantgarde sieht, geht die Independent Group aus dem Weg. Ihre Angriffe sind nicht physischer Natur, die Mitglieder der Gruppe bleiben bei ihrem Rückbezug auf den Dadaismus noch im Rahmen der Werkkunst. Diesen Rahmen dehnen sie allerdings auf eminente Weise. Lawrence Alloway etwa postuliert in einem Artikel über den aktuellen Stellenwert von Dada, dass ein Kunstwerk wie eine Anzeige aussehen dürfe, und er fügt sogar an, dass es eine Anzeige sein könne: »It may look like an advertisement. It may be an ad« (1956: 374). In den Werken der Künstler aus der Independent Group wird diese Möglichkeit jedoch allenfalls zur Hälfte ergriffen. Selbst wenn sie manchmal collagenhaft Illustrierten- und Werbungsfotos einbeziehen, bleiben es (hier wieder ganz in dadaistischer Tradition) stets brutalistische, satirische und andere Verfremdungen oder Umgestaltungen. Diese Verfahrensweise trägt dazu bei, dass die Bilder später, nach dem Aufschwung der neuen amerikanischen Kunstrichtung Anfang der 60er Jahre, als Vorläufer oder Teil der Pop-art eingeordnet werden. Sogar die Independent Group insgesamt wird dann häufig als frühe Verkörperung der schnell etablierten Richtung bildender Kunst betrachtet – dabei fallen selbst die künstlerischen Aktivitäten von Mitgliedern der Gruppe höchst unterschiedlich aus. Nigel Henderson etwa tritt konsequent als fotografischer Chronist des Alltags eines Arbeiterklassenstadtteils auf. Unendlich mondäner, präsentiert Richard Hamilton in der Ausstellung

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Ideal Home Exhibition (1958) seine Gallery for a Collector of Brutalist and Tachiste Art; neben den titelgebenden Kunstwerken lässt er den Blick durch das simulierte Schaufenster auf ein modernes Auto fallen – und auf Galeriemöbel, die der Chefdesigner von General Motors entworfen hat. Wichtiger noch ist aber – wie bereits in der Einleitung ausgeführt –, dass die Analysen der Independent Group zur Pop Art nicht einer avantgardistischen Richtung bildender Kunst gelten, sondern den aktuellen Produkten und Rezeptionsweisen der Massenmedien und Konsumgüterindustrien (vgl. Massey 1995). Von der Pop-art der Independent Group nach Maßgabe der Bilder Warhols etc. zu sprechen, lädt deshalb leicht zu Missverständnissen ein, wenn man darüber vergisst, dass die Independent Group von Pop Art in einem ganz anderen Sinne redet. Wie gesehen, spielt selbst Richard Hamilton, der zweifellos in seinem künstlerischen Werk am stärksten auf die amerikanischen Pop-Artisten vorweg weist, bei den Diskussionen um die Pop Art (im Sinne der populären Kultur) eine führende Rolle. Er ist es ja auch, der den Begriff Pop Art in dem bekannten Brief des Jahres 1957 ausführlich definiert. Vorausgegangen sind dem zahlreiche Vorträge und Diskussionen innerhalb der Independent Group und einige Artikel von Wissenschaftlern und Publizisten, die ihr angehören. Zwar gibt es keine gemeinsamen Erklärungen und Manifeste, trotzdem stößt man schnell auf einige geteilte Positionen im Hinblick auf die Populärkultur. Darum ist es in dem Punkt recht sinnvoll, von einer Gruppe zu reden. Von großer Bedeutung sind hier besonders die Stellungnahmen und Untersuchungen von Lawrence Alloway, Reyner Banham und den Smithsons. Zur Zeit ihrer Entstehung lösen sie keine allzu große Wirkung aus, ihre Veröffentlichungsorte – Architektur-, Design- und Universitätszeitschriften – sind zu speziell. Aber auch in den kommenden PopDebatten werden sie noch nicht genug gewürdigt, obwohl sie alle bereits von dem amerikanischen Aufschwung der Pop-art profitieren, teilweise auch vom Rang der Verfasser in anderen Professionen – die Smithsons sind in Fachzeitschriften stark beachtete moderne Architekten, Banham wird sich einen Namen als Architekturtheoretiker machen, Alloway arbeitet zuerst in England als Kunstkritiker, von 1962-66 als Kurator am Guggenheim Museum New York. In seiner einflussreichen Position kann Alloway in den 60er Jahren entscheidend zur kunsthistorischen Kanonisierung der Independent Group beitragen; in den 50er Jahren hat er sich (jedoch) am stärksten von allen Mitgliedern der Independent Group der Analyse populärkultureller Werke verschrieben. Vorlieben, etwa für SF-Geschichten, erklärt er offen. Es geht aber nicht allein um ein Geschmacksurteil. Sein Personal Statement, weshalb er über Filme, Werbung etc. schreibt, vermeidet sogar in vielen Absätzen jeden subjektiven Tenor. Als Grund für seine Beschäftigung führt Alloway hier die objektive, zeitgenössische Bedeutung der Gegenstände an: Um das gesellschaftliche Leben verstehen und beschreiben zu können, sei gerade die Kenntnis der expendable multitude von Zeichen und Symbolen heute unumgänglich (1988: 31). Wenn man das ganze Feld der Kommunikation untersuchen wolle, dürfe man darum nicht gemäß der herkömmlichen Anforderung »ästhetischer Distanz« die meisten der Symbole von vornherein ausschließen und ignorieren, welche die Leute prägten (that people live by) (1992a: 165; entsprechend McHale 1959a; 1959b). Zur Kultur müsse man deshalb nicht nur die angeblich einzigartigen Kunstwerke, sondern ebenfalls die massen-

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haft verbreiteten Produkte zählen. Alloway geht sogar von einem bruchlosen Zusammenhang zwischen hoher und populärer Kunst aus (1988: 31), von dem fine art/popular art continuum (s. McHale 1992: 182). Alloway öffnet das Feld aber nicht allein im Namen der ausgeweiteten Forschung; er wendet sich auch als Ästhetiker gegen jene Maßstäbe, die mit der Forderung nach Distanz verbunden sind. Die Tendenz der Intellektuellen, sich gegenüber der medialen Symbolfülle abweisend zu verhalten, betrachtet Alloway kritisch, weil er in der flood of symbols ein ganz eigenes Bedeutungssystem und eine ganz eigene Ästhetik vermutet, wie er bereits Mitte der 50er Jahre in einem Bulletin schreibt (1992b: 33). Das Programm ist folglich weit gesteckt, tatsächlich liefert Alloway selber aber in erster Linie (affirmative) Beschreibungen der umfassenden Reizumgebung. Die Nähe zu verschiedenen avantgardistischen Vorläufern ist darum viel größer, als es sein wissenschaftliches Programm vermuten lässt. Symbolisch wirkt die Populärkultur bei ihm lediglich, weil er seine Begeisterung für das moderne, technologisch geprägte Stadt- und Straßenbild nicht konsequent – wie noch die Vertreter der Neuen Sachlichkeit – mit dem Lob der Funktionalität verknüpft. Ob es sich aber nicht doch eher um reine Oberflächen handelt, deren symbolischer Gehalt neben ihrer Richtungsanweisung einzig ihre Modernität ist? Dies muss zumindest nach Lektüre einiger Schilderungen Alloways angenommen werden. In ihnen zeigt sich in hohem Maße die bekannte dekadente Vorliebe für eine umfassend organisierte Reiz-Umgebung, hier wiederum in avantgardistischer Manier von der Furcht vor einer nervösen Überreizung gelöst: »Related to the neon spectacle are other aspects of the popular environment. The drug-stores, with dense displays of small bright packages, arrayed in systems to throw the categorist. The LP environment at airports, bars, and hotel lounges, of light and long-lived pop music that extends radio and TV sound outside the house and into a larger environment. [...] The ride from Chicago’s O’Hare Airport into the Loop at night is a journey along a noisy, narrow corridor of neon. To the compilers of the Architectural Review’s ›Man-Made America‹ this would be ›unintended squalor‹, intolerable to people living the architectural way. In fact, it is one stretch of the lighted street which runs across America...« (1959: 34f.)

Die Abgrenzung von den Prinzipien und Wertungen der angesehenen, vorherrschenden Architekturtheoretiker weitet Alloway in anderen Artikeln noch beträchtlich aus. In ihnen richtet er sich allgemein gegen die Verfechter der Hochkultur und plädiert dafür, die Populärkultur so ernst zu nehmen wie die hergebrachte bildungsbürgerliche sowie die Volkskultur. Die Rede über die Produkte der Populärkultur dürfe sich nicht mehr darauf beschränken, diese im Hinblick auf ihre unterstellte Funktion und Wirkung zu beschreiben, fasst Alloway retrospektiv einen Imperativ der Independent Group zusammen: »One result of our discussions was to take Pop culture out of the realm of ›escapism‹, ›sheer entertainment‹, ›relaxation‹, and to treat it with the seriousness of art. [...] Hollywood, Detroit, and Madison Avenue were, in terms of our interests, producing the best popular culture. Thus expendable art was proposed as no less serious than permanent art; an aesthetics of expendability [...] aggressively countered idealist and absolutist art theories« (1967: 32).

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Die Ablehnung der popular arts einer internationalen, industriellen Zivilisation im Namen zeitloser Werte hält Alloway für vollkommen anachronistisch. Zeitgemäß erscheinen ihm folgerichtig die wandelbaren, durch technologische Neuerungen hervorgerufenen Formen der Populärkultur – Colour TV, colour printing, paper back books, TV plays, radio serials. Zeitgemäß (und damit positiv) erscheinen Alloway die neuen Medien ebenfalls, weil sie auf der Höhe moderner wissenschaftlicher und technischer Entwicklungen blieben; über Kybernetik etwa habe man sich bereits äußerst frühzeitig in SFHeften informieren können. Die traditionellen Künste trügen ganz im Gegensatz dazu nichts an Kenntnissen und bildlichen Verdichtungen bei (1958: 85). Die Architekten und Theoretiker Alison und Peter Smithson stellen in gleicher Manier 1956 fest, dass die Künstler diese neue Welt noch gar nicht bemerkt hätten. Nicht die avantgardistischen Architekten, sondern die mass production industries hätten das moderne Haus bereits stark umgestaltet; nicht die Schriften und Kunstwerke der Hochkultur, sondern die Illustrierten und vor allem die Werbung dokumentierten und prägten zugleich das Bild der Gegenwart: »Mass production advertising is establishing our whole pattern of life – principles, morals, aims, aspirations, and standards of living« (1988: 55). Es ist typisch für Mitglieder der Independent Group, dass die Smithsons aus der Beobachtung nicht den Schluss ziehen, vor dieser ›Manipulation‹ zu warnen, wie es etwa in Amerika Vance Packard mit seinem viel beachteten Buch The Hidden Persuaders 1957 unternimmt. Packard dokumentiert in aller Ausführlichkeit die größtenteils erfolgreichen Anstrengungen der Werbung, den Konsumenten zu immer neuen Käufen anzuleiten; dazu weise sie den Käufer nicht auf die materiellen Vorzüge des jeweiligen Produkts hin, bilanziert Packard in vertrauter Weise die Geschichte der Werbung, sondern lasse das Produkt mit Vorstellungsbildern verschmelzen. Der Kunde kaufe daraufhin weniger eine Sache als vielmehr Bilder und Wünsche, die seine eigenen Lüste, Statusaspirationen und Selbstprojektionen imaginär erfüllen. Dank ausgedehnter sozialpsychologischer Forschungen gelinge diese Art der manipulativen Verführung immer besser, hält Packard fest, um diesen Befund sogleich zu beklagen. Angesichts der zunehmenden Ähnlichkeit und Wertigkeit der massenindustriell hergestellten Güter stimmt er zwar der Auffassung zu, dass die Produkte der einzelnen Firmen kaum mehr rein nach ihrer Beschaffenheit, sondern vornehmlich nach ihren Markennamen und Marketingbildern unterschieden werden können, dennoch lehnt er die Methode ab; solch eine Differenzierung besitzt in seinen Augen keinerlei Wert. Packard hält es schlichtweg für unvernünftig und moralisch verwerflich, emotionale Impulse, geheime intime Sehnsüchte, uneingestandene Ängste zu wecken und unterschwellig anzusprechen, um Waren zu verkaufen (1958: 64, 306f.). Packard hält seine Ablehnung auch gegenüber Argumenten aufrecht, die sich nicht auf den Standpunkt der Interessen jeweils einzelner Firmen stellen, sondern den amerikanischen Wohlstand insgesamt als Zielpunkt anführen. Ökonomen wie Marketingfachleute weisen, wie Packard getreulich notiert, in den 50er Jahren häufig auf die zunehmende Bedeutung der Konsumausgaben privater Haushalte für das Wirtschaftswachstum hin; ihrer Meinung nach muss es deshalb die Aufgabe der Werbung sein, die Kauflust der Amerikaner zu erhalten oder besser zu steigern. Der Durchschnittsamerikaner müsse

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durch die Werbung dahin gebracht werden, zitiert Packard den Firmenberater Ernest Dichter, es mit seiner Moral für vereinbar zu halten, Geld auszugeben, nicht zu sparen, mehrere Urlaubsreisen im Jahr zu machen, sich einen zweiten oder dritten Wagen anzuschaffen usf.; kürzer gesagt, an die Stelle der puritanischen Pflichtenethik müsse die Werbung den Grundsatz rücken, dass eine hedonistische Lebensauffassung keine unmoralische Haltung sei (ebd.: 309, 312; 1961: 39, 193f.). Über die grundsätzliche Haltung hinaus muss dann die Werbung im Besonderen den Konsumenten durch modisch erzeugten Verschleiß, sprich: durch Designvariationen und Imagewechsel, auch in dem Falle zum Kauf anregen, dass er bereits über funktionierende Güter in seinem Haushalt verfügt (ebd.: 27). Packard referiert die Argumentation Dichters u.a. aber nur, um ihr nachhaltig zu widersprechen. Technische, handwerkliche Solidität stellt er über die diversen Operationen, einen künstlichen Verschleiß herbeizuführen (ebd.: 71ff.). Ganz grundsätzlich erscheint ihm sogar die Fülle an Gütern, die bereits jetzt in den amerikanischen Haushalten bereitsteht, kein Zeichen des Fortschritts zu sein (1958: 311). Vieles davon sei überflüssig, ebenso wie jenes Geld falsch investiert sei, welches in Freizeitvergnügungen fließe; dass in Amerika mehr Geld für Uhren und Schmuck ausgegeben wird als für Bücher und Grundlagenforschung, dient ihm als schlagendes Beispiel für den fehlgeleiteten Konsumismus. Den »Hedonismus für die Massen« hält er überwiegend für schädlich, angesichts des zunehmenden Wohlstands und der ihn begleitenden antipuritanischen Haltung hat er lediglich die traditionellen, abträglichen Titel »Vergnügungssucht« und »Materialismus« parat. Auf der noch negativeren Seite schlagen Rastlosigkeit, Aggressivität und Konformismus zu Buche, als Ergebnis des mittlerweile auch in der Mittelschicht durchgesetzten, unablässig gewordenen Versuchs, Status durch den Besitz von Konsumgütern anzuzeigen bzw. zu erlangen (1961: 192, 278f.). Die Werbung ist mit ihren offenen Bildern und teils verdeckten Botschaften sowohl der luxurierende Maler als auch der subtile Poet und manipulative Rhetor dieser neuen, durchgesetzten Form der Unbildung und des oberflächlichen Besitzdenkens, die Abneigung Packards ist ihr deshalb sicher. Die Smithsons hingegen ziehen aus einer vergleichbaren Bestandsaufnahme eine ganz andere Konsequenz. Zwar schreiben sie in äußerst bildungsbeflissener Art und Weise, dass die zeitgenössischen Anzeigen zu ihrem richtigen Verständnis ein akademisches Studium erforderten, ihr eigentliches Interesse an der Werbung liegt jedoch woanders: In den Anzeigen der Magazine erkennen sie wichtige stimuli für ihre eigene Arbeit – Anreize, Informationen, Symbole, die sie mit der Masse der Bevölkerung teilen: »Such ads are packed with information – data of a way of life and a standard of living which they are simultaneously inventing und documenting. Ads which do not try to sell you the product except as a natural accessory of a way of life. They are good ›images‹ and their technical virtuosity is almost magical. [...] The fine artist is often unaware that his patron, or more often his patron’s wife who leafs through the magazines, is living in a different visual world from his own. The pop art of today, the equivalent of the Dutch fruit and flower arrangement, the pictures of second rank of all Renaissance schools, and the plates that first presented to the public the Wonder of the Machine Age and the New Territories,

Pop Art | 67 is to be found in today’s glossies – bound up with the throw-away object.« (1988: 53f.)

Interessant ist daran zunächst, dass in diesem Aufsatz aus dem Jahr 1956 der ungewöhnliche Begriff pop art gebraucht wird. Er ist als Kurzform der popular arts, von denen wir bereits in den 20er Jahren bei Gilbert Seldes gehört haben, eine Wortneuschöpfung analog zum Begriff pop music (Banham 1981f: 96; 1965a), der Mitte der 50er Jahre häufig anzutreffen ist. Popular Music bezeichnet zu dem Zeitpunkt schon länger vornehmlich die Musik, die man in den landesweiten Radioshows und am Broadway hören kann, Stücke, die zum allergrößten Teil von den Komponisten der Tin Pan Alley geschrieben worden sind. Popular Music ist demnach nicht die traditionellere folk music, wie das Branchenblatt Billboard 1946 kategorisch festhält (Anonymus 2005a). Das Kürzel pop – wie vor allem in pop song – steht Mitte der 50er Jahre gleichfalls für diese Form der Musik, nicht selten noch deutlich unterschieden von Hillbilly, Rhythm ’n’ Blues und Rock ’n’ Roll, auch wenn vor allem der Rock ’n’ Roll dann schnell Eingang in die (weißen) Pop-Charts findet. Zusammenfassend gesagt: Der Begriff pop music taucht zwar im Gegensatz zu popular music in den Büchern und Aufsätzen der Intellektuellen noch kaum auf – in der History of Popular Music aus dem Jahr 1948 steht er immerhin in Anführungsstrichen: »pop« songs (Spaeth 1959) –, wird aber sicherlich in Gesprächen (vielleicht auch in Magazinen?) schon länger verwandt (dies müssten einmal die Amerikanisten und Anglisten genauer untersuchen). Bei Allan Kaprow gibt es zumindest den Hinweis darauf, dass bereits in den 30er Jahren in den USA pop als Kurzform für popular gebraucht wurde; Kaprow erinnert sich an eine Radiosendung mit dem Titel Vox Pop. Er erinnert sich aber auch an die lautmalerische Verwendung des Worts in den Anzeigen für Kellogs Rice Krispies: »Snap! Crackle! Pop!« Rückblickend bilanziert er, dass bei all diesen Begriffsverwendungen von popularity eine anti-intellektuelle Bedeutung mitgeschwungen habe; mit dem Begriff pop sei »native innocence and a deep fear of preoccupation with matters of so-called weight and thought« zum Ausdruck gekommen (1989: 63). Hoch interessant ist an dem Begriffsgebrauch der intellektuellen englischen Independent Group ab Mitte der 50er Jahre nun weiter, dass der ganz neue Begriff pop art bei den Smithsons gleich einen positiven Klang bekommt, obwohl sie das damit bezeichnete Phänomen mit weiblicher Lektüre und zweitrangigen Kunstwerken zusammenbringen. Die kurze, einprägsame, effektvolle (Wort-)Form »Pop« ist als neuer Begriff bei der Independent Group zugleich oftmals ein neuer, positiver Wert, dessen Neuheit den damit bezeichneten und ausgezeichneten neuen, technologisch modernen PopArtefakten (den Autos, Billboards, Farbfilmen der amerikanischen 50er Jahre) genau entspricht. Bei den Smithsons treffen wir aber nicht allein auf einen radikalen avantgardistischen Akt ästhetisch-politischer Umwertung, sie geben vielmehr einen neuen Grund für ihre Hochschätzung der pop art an. Nach ihrer Einschätzung hat die zeitgenössische pop art der Werbung in einer wichtigen Hinsicht die hohe Kunst tatsächlich bereits erfolgreich verdrängt: Die Anzeigen dienten nun als Hauptmedium, die Dinge auf bedeutungsvolle Weise sichtbar zu machen.

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Bislang sei es eine der exklusiven Möglichkeiten der Kunst gewesen, aus der Fülle routiniert gebrauchter, trivialer Gegenstände einige herauszugreifen und sie damit überhaupt erst in eine (klassifikatorisch greifbare) Existenz zu überführen: »It has been said that things hardly ›exist‹ before the fine artist has made use of them, they are simply part of the unclassified background material against which we pass our lifes.« Die »Transformation« des zuvor stummen Gegenstands in ein Objekt der hohen Kunst erfolge auf verschiedene Weise, fügen die Smithsons an; das Alltagsding könne unverändert in einen neuen Zusammenhang gebracht oder weitgehend umgestaltet werden; Beispiele dafür existierten in verschiedensten Gattungen und Formen vom literary or folk myth bis zum avantgardistischen objet trouvé. Nun aber sei die Funktion und das Vorrecht der Kunst, Alltagsdinge zu adeln, indem man sie bedeutsam erscheinen lässt, auf die Werbung übergegangen; sie gebe nun in den Augen der Zeitgenossen vor, was interessant und begehrenswert sei; der ad-man ersetze den Künstler (1988: 53), darum müssten sie sich jetzt umstellen und am pop-package orientieren. Trotz dieser unmissverständlichen Aufforderung bleiben die Smithsons selbst aber ihrer modern-brutalistischen Ausrichtung (vgl. Banham 1955) verpflichtet. Im Gegensatz zu Alloway rufen sie zu der Neuorientierung auf, um den Lebensplänen, wie sie die Werbung entwirft, erfolgreich etwas künstlerisch Eigenes entgegensetzen zu können. Ganz ungern scheinen sie jedoch den ersten Teil der Aufgabe nicht zu übernehmen; sloganhaft verkünden sie: »For today we collect ads« (1988: 55). Damit stehen sie freilich noch ziemlich alleine. Das Interesse der modernen Künstler gilt vornehmlich der Abstraktion, die Aufmerksamkeit der ästhetisch avancierten Architekten dem Bauhaus-Stil und die Vorliebe der geisteswissenschaftlichen Professoren der Kulturkritik. Die umgekehrte Kritik von einzelnen Mitgliedern der Independent Group steht folglich fest. Lawrence Alloway spricht vom Versagen der humanistisch gebildeten Massenkritiker, auf der Höhe der technologischen Entwicklungen zu bleiben; darin erblickt er den Hauptgrund, weshalb sie ihre allgemeine Rolle als taste-giver und opinion-leader verloren hätten. Alloways Strategie besteht deshalb (leicht widersprüchlich) darin, ihre besondere Meinungsführerschaft unter anderen Intellektuellen und Bildungsbürgern anzugreifen. Er bestreitet nachdrücklich, dass ihre Einschätzungen zur modernen Populärkultur zutreffen. Vor allem bilde das große Publikum keine Masse, wie die intellektuellen Kritiker annähmen, sondern setze sich aus vielen unterschiedlichen Gruppen zusammen, in denen die Einzelnen sogar die Integrität ihres Geschmacks bewahren könnten. Die hochtechnologische Produktion beliefere keineswegs eine uniforme Masse mit wenigen Durchschnitts- oder Einheitsprodukten, sondern biete eine Vielzahl an Gegenständen und Variationsmöglichkeiten zur Wahl an. Im Gegensatz zu den intellektuellen Kritikern sei das erfahrenere Publikum der popular arts in der Lage, Neuerungen und Distinktionen auch in nur scheinbar invarianten Genres wie dem Western wahrzunehmen und zur Ausbildung eines je abweichenden Geschmacks zu nutzen. Darum setzen, nach dem Urteil Alloways, nicht mehr die kulturellen Eliten die Standards; vielmehr lieferten Massenmedien und popular arts Orientierungen durch Produkte, Symbole, Erzählungen und verbindende Stile (1958: 84f.). Dass solche Angebote häufig wechseln, nehmen die Theoretiker der Independent Group wiederum zum Anlass, um mit den alten Idealen der Dau-

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erhaftigkeit und Zeitlosigkeit zu brechen. Im Ausgang von Leslie Fiedlers Anerkennung jener nicht für die Ewigkeit gemachten Gegenstände der popular culture (1957: 539) rechnet der grundsätzlich futuristisch inspirierte Reyner Banham (1964a: 280ff.) angesichts der throw-away economy und der ständig erneuerten Auswertung von Marktdaten und Publikums- bzw. Käuferreaktionen 1955 mit dem alten platonischen Ideal harsch ab. Gefragt seien jetzt nicht länger ewige, abstrakte, sondern neue Werte, die mit dem Konsum flüchtiger Dinge übereinstimmten (1996a: 4f.). In einem anderen Aufsatz, der ebenfalls bereits 1955 erscheint, weist Banham zudem gängige Auffassungen der standardization zurück. Die Standardisierung bestehe nicht, wie die Kritiker der Massenkultur meinen, in dem wertlosen Pseudo-Platonismus banaler Stereotypisierung; ein standardisiertes Produkt sei vielmehr »a norm, stabilized only for the moment, the very opposite of an ideal«. Weil die massenproduzierten Güter der motorized mechanized cultures zum einen der technologischen Weiterentwicklung unterlägen und zum anderen beständig den wandelbaren Käuferwünschen angepasst würden, seien sie mit platonischen Kategorien überhaupt nicht beschreibbar; das ästhetisch Schöne müsse in der modernen Welt der popular arts am Fortschritt der Technik und an den Möglichkeiten des Gebrauchs durch den Benutzer gemessen werden (1981a: 90). In einer letzten Pointe zählt Banham zum Nutzwert auch und gerade die symbolische Kraft des modernen Gebrauchsobjekts. Den Künstlern wie den Kritikern gibt er darum nicht nur auf, ihre Werke und Geschmacksurteile am Stand der Technik auszurichten, sondern gleichfalls die Bedeutung des Objekts an seiner symbolischen Kraft zu erkennen. Für Banham besteht gelungenes Design keineswegs ausschließlich darin, der materiellen Funktion zu dienen. Bei ihm muss die Form besonders der Funktion folgen, dem zeitgenössischen Begehren nachzukommen: »An example in Italian design is the Alfa Giulietta whose diminutive tail fins might be defended in terms of body fabrication, the need to carry the tail-lights, or the abstract composition of the side elevation. But how much more effective they are in evoking the world of sports-cars and aerodynamic research that is one of the ultimate dreams of automobilism. Not all iconographies are so specific; such concepts as the good life in the open air, the pleasures of sex, and conspicuous consumption are other sources of symbols«. (Ebd.: 93)

An Künstler und Kritiker ergeht schließlich der Aufruf Banhams, in nahem Kontakt mit dem Publikum zu bleiben, um die popular desires nicht nur zu erkennen, wenn sie bereits durch Marktdaten belegbar sind, sondern sie vorab zu erahnen. Dies sei allein möglich, wenn man mit den Kriterien der hohen Künste breche und sich nicht mehr über den (zukünftigen) Geschmack und die Wünsche der Leute erhebe. Banham sieht darin auch einen demokratischen Aufschwung. Die alte elitäre Ansicht, dass nur das Seltene wertvoll sein könne, werde so in schöner, massenhafter Form überwunden (ebd.). Banham dürfte diese Maxime umso leichter fallen, als sein Geschmack zum Teil mit den vermuteten Vorlieben der Menge glänzend übereinstimmt, zum Schrecken jener Kritiker, die das modern-funktionale Design vertreten und folgerichtig von den neuen amerikanischen Trends abgestoßen sind. Gross and flamboyant ist für Pevsner, einen der akademischen Lehrer Ban-

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hams, das amerikanische Auto, typisch für die noisy show, die in Amerika nicht nur dem Geschmack der Neureichen, sondern dem breiter Bevölkerungsschichten entspreche (Pevsner 1955: 317f.). Angriffslustig stellt sich Banham folglich genau auf deren Standpunkt: Sowohl das gegenwärtige Autodesign als auch der Rock ’n’ Roll und andere käufliche Träume gehorchten nicht timeless abstract virtues, sondern maximum glitter und maximum impact, schreibt er mit unmissverständlich bejahendem Ton (1996a: 5f.). Unter der Hand wird sogar deutlich, dass Banham annimmt, solcher glitter sei das typische Zeichen populärer Kultur. Banham ist offensichtlich in viel stärkerem Maße Platoniker, als er es nach eigenem Urteil sein dürfte. Hier steht er weitgehend in der Tradition der Avantgarde, die populäre Kultur in positivem Sinne mit ganz bestimmten Reizen identifiziert. Für Banham sind sie ein notwendiger Ausdruck des technologischen Zeitalters; wenn man das weiß, scheint die Marktforschung nach immer neuen Trends doch weniger wichtig zu sein, schließlich ist ein Ende dieser Zeit kaum abzusehen. Banham kann darum begeistert seine Übereinstimmung mit den Designern und Konstrukteuren erklären. Er fordert für die Alltagswelt »ästhetische Effekte« mit einer hohen Signalwirkung (high immediate signal strength; 1981a: 92). ›Seine‹ Signale erfüllen die Anforderung leichterdings: »The top body stylists – they are the anonymous heads of anonymous teams – aim to give their creations qualities of apparent speed, power, brutalism, luxury, snob-appeal, exoticism, and plain common-or-garden sex. The means at their disposal are symbolic iconographies, whose ultimate power lies in their firm grounding in popular taste and the innate traditions of the product, while the actual symbols are drawn from science fiction, movies, earth-moving equipment, supersonic aircraft, racing cars, heraldry, and certain deep-seated mental dispositions about the great outdoors and the kinship between technology and sex.« (1996a: 6)

Vor dem Hintergrund wird Richard Hamiltons Liste der Pop Art-Eigenschaften, die wir bereits ganz zu Beginn kennen gelernt haben, noch durchsichtiger. Dass sie – vollkommen auf der Linie der Independent GroupMitglieder Alloway, Smithson und Banham – keine Richtung der bildenden Kunst, sondern Merkmale der neuen Populärkultur anzeigt, ist bereits deutlich geworden (das gilt auch, falls Hamiltons spätere Auskunft stimmen sollte, seine Liste habe sich zugleich auf Möglichkeiten der fine art bezogen; etwa sei Rubens big business, Duchamp witty usf.; 1982: 29). Ganz stark tritt aber nach unserem Durchlauf ebenfalls hervor, dass die Liste einen normativen Charakter im Sinne bestimmter dekadenter und avantgardistischer Traditionen besitzt. Zu mass produced, low cost, big business müssen darum noch Schlüsselreiz (sexy), Oberflächlichkeit (transient, glamorous) und Künstlichkeit (gimmicky) hinzukommen (1982a). Sicherlich treffen die angegebenen Eigenschaften manchen Zug des amerikanischen Auto-Designs, der Illustrierten, Anzeigen und Filme der 50er Jahre, sie sind aber viel zu ausgesucht, um ein angemessenes Bild der populären Kultur jener Zeit insgesamt zu bieten. Unter der Beschreibung scheinen mit beträchtlicher Leuchtkraft die Wünsche und Vorlieben Hamiltons hervor. Wie Banham und Alloway fordert Hamilton deshalb im Einklang mit seinen ästhetischen Präferenzen eine eingehende Aufmerksamkeit der Künst-

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ler für die Phänomene der Popkultur ein, für die prägende Traumwelt der Werbung und für die Stilvorgaben der Designer von Autos und Konsumgütern. Es gibt vieles, das Hamilton an ihnen bewundert, etwa die Verbindung von Pin-up und hochtechnologischem Produkt, das luxuriöse und unnatürliche, vom wit bestimmte Spiel zwischen »fleshy plastic and smooth, fleshier metal«; in den Anzeigen die Überlappungen von Fotos, Diagramm und Text (1982b: 35ff.). Ähnlich wie die Smithsons möchte Hamilton dazu beitragen, die Rolle der Kunst als mythmaker und Symbolschöpfer von der Werbung und den Stylisten, von Kino und Fernsehen zurückzugewinnen. Da er viel stärker als die Smithsons von der Popkultur begeistert ist, sieht er paradoxerweise als den vielleicht wichtigsten Schritt zur Rückgewinnung künstlerischer Vorherrschaft die Aufgabe an, sich bei den Bildern und narrativen Mustern der modernen Populärkultur zu bedienen (»to plunder the popular arts«; 1982c: 42). Hamilton beruft sich dabei ausdrücklich auf die Futuristen und deren philosophy of affirmation. Gelöst von der futuristischen Aggression und Autoritätsfixierung, könne der neue Standpunkt einer Pop-Fine-Art den wechselnden Werten der zeitgenössischen Massenkultur gerecht werden: »Affirmation propounded as a avant-garde aesthetic is rare. The history of art is that of a long series of attacks upon social and aesthetic values held to be dead and moribund, although the avant-garde position is frequently nostalgic and absolute. The Pop-Fine-Art standpoint, on the other hand – the expression of popular culture in fine art terms – is, like Futurism, fundamentally a statement of belief in the changing values of society. Pop-Fine-Art is a profession of approbation of mass culture, therefore also antiartistic. It is positive Dada, creative where Dada was destructive. Perhaps it is Mama – a cross-fertilization of Futurism and Dada which upholds a respect for the culture of the masses and a conviction that the artist in 20th century urban life is inevitably a consumer of mass culture and potentially a contributor to it.« (Ebd.: 43)

Pop Art (= popular culture oder mass culture) und Pop-Fine-Art sind demnach voneinander getrennt. Sie kommen lediglich in der Aneignung der Populärkultur durch Künstler wie Hamilton zusammen; die Aneignung schließt aber natürlich eine Identität aus. Immerhin hofft Hamilton jedoch, dass die Pop-Fine-Art auf ihre Weise einen Beitrag zur modernen Populärkultur leisten könne. Seine eigenen Werke, wie etwa das eingangs erwähnte Bild Hommage à Chrysler Corporation, bemüht sich Hamilton darum in Stellungnahmen konsequent vor der Annahme zu schützen, sie seien satirisch gemeint (1982b: 37; vgl. Jacob 1986). Er glaubt offenkundig nicht, dass auch satirische oder dadaistisch-destruktive Überformungen der Popkultur in diese zumindest teilweise eingehen können. In dem Punkt irrt sich Hamilton, wie sich bald zeigen wird. Ähnlich zweifelhaft ist die Annahme, dass die Aneignung der Massenkultur antiartistic sei, sie wird ja bereits von seinem eigenen Werk eindrucksvoll widerlegt. Selbst Hamiltons essayistische Beschreibungen der Popkultur, die auf Anzeigen und Fotografien zurückgehen, sind teilweise von hohem Kunstwillen geprägt. Mama, die Kreuzung von Dada und Futurismus unter dem Banner der modernen Populärkultur, zeigt sich dort wenig mütterlich, sondern in hochgradig künstlich stilisierter Weise, wie es die dekadent-avantgardistische

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Tradition verlangt. Die affirmativ futuristisch gestimmte Pop-Variante von Dada geht weitgehend in einer Schaulust auf, die auf den Möglichkeiten technischer Apparate beruht und ihren voyeuristischen Anteil keineswegs leugnet: »As round, firm and fully as any, Voluptua shapes her lips for a goodnight kiss that sends us off to a dreamy TV fantasy of the sexiest machine that ever took us from point a to point b. In slots between towering glass slabs writhes a sea of jostling metal, fabulously wrought like rocket and space probe, like slipstick sliding out a lacquered brass sleeve, like waffle, like Jello. Passing UNO, NYC, NY, USA (point a), Sophia floats urbanely on waves of triple-dipped, infra-red-baked pressed steel. [...] In real close; what’s in the finder? With a long-focus lens opened up to f2, depth of field is reduced to a few millimetres when you’re not too far from the subject. Definition swings in and out along a lip length. A world of fantasy with unique erotic overtones. Intimacy, trespass yet, on a purely visual plane. Sensuality beyond the simple act of penetration – a dizzy drop into swoonlike coloured fuzz, clicked, detached and still, for appreciative analysis. [...] The scanned image is replacing the screened look in many fields today. Broad coloured stripes add a fashionable sporting touch to chest and loins, though two-colour full block numbering can project collegiate styling more effectively – the doomed fibreglass helmet is, of course, a must for work and play. [...] Mr Universe takes his place by Miss World. They stand side by side, fronting camera, a dawn sun suffusing the sky with an orange glow smeared with puce and violet. As the lens zooms slowly out they recede, minute against the immense void of Space. He murmurs ›Are you ready?‹ Shafts of golden light radiate from them as we await the immaculately dubbed response: ›Affirmative.‹« (1982d: 49f.)

Ganz im Einklang mit Alloway und Banham belässt es Hamilton aber nicht bei solchen artifiziellen Zusammenstellungen, Isolierungen, Verdichtungen, Intensivierungen und Verfremdungen von Vorlagen der Popkultur, wie sie auch die Grundlage mancher seiner Bilder sind. Hamilton konzentriert sich nicht nur auf Pop-Fine-Art, um noch einmal den Begriff zu benutzen, den er selber geprägt hat (der sich freilich nicht durchsetzen konnte). Er denkt ebenfalls direkt über die Möglichkeiten des Designs der neuen Konsumgüter nach, bewegt sich also unmittelbar auf dem Terrain der Pop Art (um auch hier einen Begriff aus Reihen der Independent Group zu verwenden, der sich in der Bedeutung nicht erhalten hat). Hamilton zeigt sich beeindruckt von dem Vermögen der Designer, das Bild der gegenwärtigen Gesellschaft zu bestimmen. Kritikpunkte am modernen Konsum und seiner symbolischen Aufladung in den Seiten der illustrierten glossies weist er zurück. Selbst das rasche, künstlich-modische Veraltern der Güter preist er im Zeichen des Wachstums; er zollt dem big business Respekt dafür, den allgemeinen Lebensstandard zu verbessern. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass die großen Firmen die enorme Bedeutung des Designs für den Absatz der Produkte mittlerweile erkannt hätten. Für den Designer gibt Hamilton die Losung aus, er solle sich von selbstgenügsamen Formfragen lösen und sich auf die Anforderungen der Konsumenten und der Produktionslogik einlassen – um so teilzuhaben an dem Bild, das die ameri-

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kanisierte Gesellschaft präge (»the designed image of our present society«; 1982e: 135ff.). Das Bemühen der Designer, die Konsumwünsche zu forcieren, sieht Hamilton unter dem Zeichen allgemeinen Wirtschaftswachstums als nützliche Anstrengung, den Lebensstandard zu heben und das Maß an Vielfalt zu steigern. Bedenken wie die Vance Packards, dass dieser Wohlstand bereits mit einem zu hohen Maß an materialistischer Einstellung und sogar an überflüssigen Dingen erkauft sei, hegt er offensichtlich nicht. Die Kritik an der zunehmenden Bedeutung des Produktdesigns und der Verpackung ficht ihn darum erstens nicht an, weil er den gloss und glamour solcher Äußerlichkeiten schätzt: »In its efforts to gain and hold the affection of the mass audience a product must aim to project an image of desirability as strong as that of any Hollywood star.« Im Gegensatz zu den Ende der 50er Jahre viel stärker beachteten Kritikern der manipulativen, oberflächlichen populären Kultur wie Vance Packard und Richard Hoggart hält Hamilton das Zurücktreten der sachlichen Anzeige hinter die Image-Werbung für eine äußerst attraktive Entwicklung. Zweitens hält er den Verschleiß der Produkte, der nicht durch ihre physische, sondern ihre modische, vom Marketing-Design geförderte Abnutzung zustande kommt, für einen ästhetischen, aber auch einen demokratischen Vorteil; die Zerstörung des platonischen Ideals einer richtigen Form durch vielfältige Designs betrachtet er als angemessene Zerstörung einer angemaßten Autorität; angesichts der vergangenen Bestimmungen klassischer Form ist er erfreut, dass die Zwänge des Marktes und die kapriziösen Erfindungen der Designer inzwischen kontinuierlich Hunderte von Varianten emporbrächten (1992f: 152ff.). Drittens weist Hamilton die Kritik am Konsumdesign im Namen des modernen Funktionalismus mit dem Argument zurück, dass Konsumgüter in vielerlei Weise Funktionen erfüllen sollten, keineswegs allein die ästhetischen Standards eines vorgeblich »reinen Designs« (1982e: 137). Eine dieser wichtigen Funktionen ist der imaginative Gebrauch der Waren durch die Konsumenten, die mit dem Objekt teilweise einen materiell, aber auch symbolisch vermittelten Lebensstil erwerben. Hamilton setzt freilich die Bedeutung des Konsumenten geringer an als einige andere Autoren der Independent Group. Eine Reihe ihrer Mitglieder zeigt sich fasziniert von den Meldungen aus Detroit, wonach die Konsumenten Farben und andere »variables« bei der Bestellung von Autos im voraus wählen können. Einen von ihnen, John McHale, führt diese industriell vorgeführte Möglichkeit schneller, abgestimmter Produktion unmittelbar zur Idee eines »do-it-yourself construction kit« (vgl. Alloway 1992c: 52), als bedeute die vorgegebene Auswahlmöglichkeit im Rahmen variabler Standardisierung das Gleiche wie eine individuelle oder gar eigene Anfertigung. Ein ähnlicher Widerspruch findet sich bei Lawrence Alloway; zuerst postuliert er, dass u.a. die Cinemascope-Ästhetik die Einstellung ästhetischer Distanz vernichtet und allen modernen Menschen eine neue Raumerfahrung nahe gebracht habe – um wenige Absätze danach zu behaupten, dass einen ein Blick auf die pop art besonders die relative Eigenständigkeit und Multidimensionalität des Rezeptionsaktes lehre (1992d: 168). Hamilton denkt hingegen offen vom Produzenten und Gestalter her. Die mass arts bzw. pop arts unterschieden sich von der älteren populären Kultur vor allem dadurch, dass sie durch professionelle Anstrengungen hervorgebracht würden und nicht den Volksgruppen selbst entsprängen. Diese Unter-

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scheidung stellt natürlich nichts Neues dar, ungewöhnlich ist aber, dass Hamilton sie nicht zur Kritik solch entfremdeter, neuer Populärkultur nutzt. Bei ihm bereitet die Unterscheidung vielmehr das Lob des Designers vor, der sich auf seine eigenen, starken Überzeugungen verlässt. Hamiltons Kritik richtet sich folglich gegen etwas völlig anderes, er zieht vehement die Brauchbarkeit der Marktforschung in Zweifel. Die intensiven Bemühungen der großen Firmen, ihre Produkte nach den Maßgaben groß angelegter Käuferbefragungen und -erkundungen zu gestalten, hält er für eine lächerliche Übersteigerung demokratischer Prinzipien. Hinter dieser ihrerseits grotesk überzogenen Kritik steht ein nüchterneres Argument; solche Marktforschung erstrecke sich auf die Gegenwart, merkt Hamilton an, man müsse aber bereits wissen, wie das erst zu entwickelnde Produkt morgen ankomme. Alles läuft deshalb nach dem Willen Hamiltons auf die futuristische Einsicht des Produktdesigners zu – und auf die systematische Verbesserung jener »Kontrolltechniken«, die es den großen Unternehmen erlauben, dem Käufer selbst momentan noch unbekannte Wünsche zu suggerieren (1960: 30ff.). Ganz am Ende seines Aufsatzes schreibt Hamilton, dass es die Aufgabe des Designers sei, präzisere Lösungen für gesellschaftliche Bedürfnisse zu finden. Das passt gut mit seinem zu Beginn geäußerten Votum zusammen, die Konsumgüterherstellung an der Hebung des Lebensstandards zu messen, und gleichfalls mit seiner Absage an ein einseitig funktionalistisches Designkonzept. Der ausgedehnte Mittelteil des Aufsatzes zeigt jedoch, dass es sich weder um ein kubofuturistisches noch ein sozialdemokratisches Projekt handelt, sondern um eine traditionelle Apologie des großen Künstlers, der bei Hamilton allerdings eine Transformation zum (hochkulturell bislang verfemten) Designer durchlaufen muss, um an die alte Geltung wieder anknüpfen zu können; nun nicht mehr allein angetrieben vom Genie und der Inspiration, sondern auch von den Distributions- und Marketingtechniken großer Unternehmen. Sicher, die mehr oder minder offen ausgesprochenen genieästhetischen Überzeugungen werden nicht nur dadurch gebrochen, dass sie nun für die Produzenten und Designer von Konsumgütern und Anzeigen reklamiert werden. Bei Hamilton erscheinen sie auch insgesamt in einem weniger undemokratischen Licht, weil er annimmt, dass die modernen Waren und Werbebilder tatsächlich den kollektiven Träumen und Begierden (collective desire) entsprechen und sie nicht erst manipulativ hervorbringen (1982b: 35). Trotzdem überrascht es wahrscheinlich zu erfahren, dass Hamilton politisch ein Mann der radikalen Linken ist; 1963 attackiert er sogar mit einem satirischen Gemälde den gerade verstorbenen revisionistischen Führer der Labour Party Hugh Gaitskell. Wenig bereitet einen darauf bei einem Künstler vor, der stets großen Wert auf die Feststellung legt, dass seine Hommage à Chrysler Corporation eben keiner satirischen Absicht folge. Ein Zusammenhang zwischen linkssozialistischer Einstellung und PopAvantgardismus lässt sich allein herstellen, wenn man in der Anerkennung von Gestaltungen und Produkten der Populärkultur als Sujets der bildenden Kunst einen demokratischen Schritt sieht und nicht nur einen interessanten Distinktionsakt innerhalb des künstlerischen Feldes. Einfacher ist es, Hamiltons Begeisterung für eine Vielzahl von massenhaft hergestellten Konsumgütern auf eine (allerdings recht originelle) sozialistische Weise zu deuten; dies

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setzt aber voraus, weniger die Prägekraft des kommerziell durchgesetzten Designs, sondern stärker die erfüllten kollektiven Wünsche herauszustellen. Eine solche Argumentationsfigur findet man vor allem bei Reyner Banham. Banham schildert 1964 im Rückblick sehr anschaulich, wie stark einige Mitglieder der Independent Group selber den Widerspruch zwischen manchen ihrer (amerikanischen) ästhetischen Vorlieben und ihrer politischen Einstellung empfunden haben: »We dig Pop which is acceptance-culture, capitalistic, and yet in our formal politics, if I may use the phrase, most of us belong very firmly on the other side.« Beim Hören der Pop records auf Radio Luxemburg habe sich deshalb die Frage gestellt, auf welcher Seite man eigentlich stehe, sei doch die gängige Einschätzung gewesen, dass Pop und sozialistische Prinzipien unvereinbar seien: »That to accept, to enjoy, the products of Pop, the products of the entertainment industry, Detroit-styling and such things, was to betray one’s political position« (1981b: 85). Banham hebt an der Stelle Richard Hoggart, den Begründer der englischen Cultural Studies, als jemanden hervor, der die traditionelle Kultur der englischen Arbeiterklasse gegen die neue Popkultur verteidigen möchte. Ihm gegenüber empfindet er offensichtlich das Gefühl, einen Verrat zu begehen, besonders stark. Tatsächlich sieht Hoggart in der begrüßenswerten Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen zugleich in hohem Maße die Gefahr, dass die gemeinschaftliche Kultur der Arbeiter aufgelöst werde und an ihre Stelle eine uniforme Massenkultur trete (Hoggart 1992: 343). Als Hauptbestandteile und -gefahren der heraufziehenden Massenkultur nennt Hoggart die klischeebeladene, inauthentische Darstellung, die narzisstische Haltung und den Vorrang des Glatten, Oberflächlichen. Zwar verschwinde zunehmend die ideologische Denunziation aus der Öffentlichkeit, die Wirklichkeit werde aber jetzt auf andere Weise verstellt (1971a: 30, 34, 39). Die freundlicheren, unpolitischeren Agenten der Massenkommunikation würden alles unterschiedslos als Abfolge interessanter Ereignisse gestalten; dieselbe Darstellungsmethode, visual, novel, interesting, lasse man gleichermaßen einer Schauspielerin, einem Nuklearphysiker, einem Teenagerstar angedeihen; Ordnung und Bedeutung weiche damit dem reinen Spektakel (order and significance give way to sheer spectacle; 1971b: 145). In den Illustrierten, in den soap-operas und in den Boulevardzeitungen gebe es vorwiegend eine glänzende, unwirkliche Welt zu sehen, »a smart-young-wife dominated world of young couples moving among contemporary splay-legged furniture to prepare a modish meal out of a modernistic can«: Was die ältere Kultur der Arbeiterklasse ausgezeichnet habe – »the power of resilience, of scepticism, nonconformity and irony« –, solle dadurch verdrängt werden (1971a: 34, 39). Banham antwortet auf diese Diagnose und Wertung auf zweierlei Weise. Erstens, indem er Hoggarts Annahmen zustimmt und sie noch überbietet. Hoggarts Befürchtungen sind für Banham bereits Wirklichkeit; die Kultur der Arbeiterklasse werde längst bestimmt von pulps, comic books etc. Zweitens nutzt Banham die Feststellung zum Ausgangspunkt für eine massive Umwertung; er erklärt sich mit der Entwicklung hin zu dem, was er Pop und Hoggart mass communication society nennt, vollkommen einverstanden. Banham lehnt traditionellere Auffassungen und Ausprägungen der Arbeiterkultur schlicht ab, weil er sie als überholt erachtet. Überholt ist aber in seinen Augen nicht nur diese Kultur, Pop setzt sich nach seiner Beobachtung ganz allgemein durch. Äußerst ungewöhnlich ist nun, dass Banham die neu etablierte

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Kultur weder im Sinne konservativer Furcht vor der Masse und einer alle erhobenen Kulturleistungen bedrohenden Nivellierung noch im Namen des besonderen Klassenbewusstseins der Lohnarbeiter ablehnt. Ganz im Gegenteil begrüßt er Pop als äußerst zeitgemäßen, erfreulichen Grund und Ausdruck der modernen Welt: »It [Pop] has become the common language, musical, visual and (increasingly) literary, by which members of the mechanized urban culture of the Westernized countries can communicate with one another in the most direct, lively and meaningful manner« (1981b: 84f., 89). Bemerkenswert ist daran zudem, dass Banham Pop hier nicht in den bewusst künstlichen Reizen und Designs aufgehen lässt, wie es zu einer langen Tradition dekadent-avantgardistischer Stilisierung gehört, sondern mit direkter, sinnvoller Kommunikation identifiziert. Wo Konservative und intellektuelle, entfremdungskritische Sozialisten eine Gleichschaltung befürchten, freut er sich über allseits geteilte Symbole und Bedeutungen. Wichtiger ist aber die bereits benannte Differenz zur avantgardistischen Pop-Vorstellung, wie man sie unter dem Titel vor allem bei Richard Hamilton vorfindet. Banham setzt nicht allein auf isolierte Reize, sondern schließt in sein Lob gleich eine ganze, gemeinsame Sprache ein. Die Gemeinsamkeiten zwischen Hamilton und Banham sind dadurch jedoch ihrerseits nur zum Teil aufgelöst. Banham schreibt schließlich über die hochtechnologische Pop culture; die mechanisierte, urbane Kultur steht zweifellos für eine schnelle Abfolge intensiver, artifiziell produzierter Reize ein. Und umgekehrt sieht Hamilton offenkundig selbst keinen Widerspruch zwischen seiner Auffassung einer künstlich-witzigen Populärkultur und seinem Bild der Werbung als eines »wahren«, »tiefen« Traums, der auf kollektiven Wünschen beruht (1982b: 35). Noch viel bedeutsamer ist aber die Schnittmenge, die sich in der zweiten Hälfte der 50er Jahre im Zuge der Debatten der Independent Group unter dem Zeichen des neuen Begriffs Pop Art bildet. Sie besteht in der Begeisterung für Produkte der modernen Populärkultur, eine Begeisterung, die ihren ästhetischen und demokratisch-sozialistischen Grund in dem massenhaften Zugang zu den erschwinglichen, wiewohl auffällig reizvoll stilisierten, vergleichsweise glamourösen Konsumgütern findet.

Zwischenbilanz: Pop Art und die Tradition der Dekadenz und Avantgarde Die Mitglieder der englischen Independent Group fixieren nicht nur als Erste das neue Wort Pop Art schriftlich (oder schöpfen es vielleicht sogar). Mit der demokratisch-sozialistischen Prägung der Pop-Affirmation betreten die englischen Mitglieder der Independent Group auch ein weitgehend neues Feld. Direkte Vorläufer gibt es hierfür keine, immerhin aber einige Anknüpfungspunkte. Zwei sind besonders hervorzuheben, zum einen Oscar Wildes ästhetizistische Sozialismus-Konzeption, zum anderen die kubofuturistische sowie neusachliche Verbindung von Kunst mit Massenproduktion und -konsum. Nur um einen Anknüpfungspunkt kann es im ersten Fall, dem Oscar Wildes, gehen, weil die ästhetizistische Kunstauffassung dem Populären stark abgeneigt ist. Die bürgerliche Öffentlichkeit hängt nach der Einschätzung Wildes viel zu sehr an materiellen Interessen, an dem, was sie unmittelbar umgibt und was sie als natürlich oder realistisch einstuft. Wilde hingegen fa-

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vorisiert ganz im Gegensatz dazu eine Kunst, die dem gegebenen Leben so weit abgewandt bleibt, um es verschönern und in eine artifizielle Form bringen zu können. Die Kunst muss sich des Lebens als Rohmaterial bedienen, sie darf also nicht mit ihm verschmelzen. Zwischen der Kunst und der gewöhnlichen Wirklichkeit bleibe immer die scharfe Grenze des schönen Stils, der dekorativen Gestaltung bestehen (1966a: 976ff.). Wilde ist originell genug, um das Prinzip der ästhetischen Interesselosigkeit und der idealisierenden Kunst nicht zuletzt mit dem zu verbinden, was in wahrhaft idealistischer Manier sonst zur Gebrauchskunst herabgewürdigt wird. Wildes Identifizierung idealischer Form mit dekorativer Künstlichkeit schließt tatsächlich das Lob schöner Häuser und Einrichtungsgegenstände ein. Die dekadente Grundbedingung für eine solche Schönheit ist für ihn jedoch durchgehend (sei es beim Möbeldesign oder bei Gedichten), dass der Künstler mit den Vorstellungen der öffentlichen Meinung und des populären Geschmacks bricht; allein die künstlerische Individualität schafft genügend Abstand, um der vorherrschenden Vulgarität zu entkommen (1966c: 1098). Zum Sozialismus bekennt sich Wilde nun, weil er im besten Fall die Quelle solcher der Masse entgegengesetzter Individualität sein könne. Die private Verfügung über das Eigentum hingegen verhindere dies, sie verstricke den reichen Bürger in immer neue geschäftige Aktivitäten und halte die Armen in stumpfem Elend. Erst eine sozialistische Gesellschaft, in der privater Reichtum in allgemeinen Wohlstand überführt und die drückende Arbeit weitgehend maschinell verrichtet wird, befreie den Einzelnen von ökonomischen Abhängigkeiten und Verpflichtungen. Komme im Kapitalismus die Automatisierung der Produktion lediglich dem Inhaber der Maschinen zugute und stürze die überflüssig gewordenen Arbeiter in noch größere Not, ermögliche der Sozialismus eine allseitige Kultivierung abseits der Arbeit. Erst dann könne Individualität (sei sie künstlerischer oder anderer Art) in großer Zahl erstehen: »Just as trees grow while the country gentleman is asleep, so while Humanity will be amusing itself, or enjoying cultivated leisure – which, and not labour, is the aim of man – or making beautiful things, or reading beautiful things, or simply contemplating the world with admiration and delight, machinery will be doing all the necessary and unpleasant work« (ebd.: 1089). Von Wildes Bild einer besseren, sozialistischen Zukunft, das für einen Ästheten bemerkenswert menschenfreundlich ausfällt, sind ein gutes halbes Jahrhundert später die englischen Künstler und Theoretiker der Independent Group weit entfernt und ihm zugleich doch sehr nah. Nah sind sie ihm, weil sie die Kritik an der privaten Verfügungsgewalt über das Eigentum teilen; auch die Hoffnung auf die technischen Maschinen übernehmen sie; einen klaren Bruch mit den ästhetizistischen, individualistischen Prinzipien stellt jedoch die Begeisterung der Independent Group für die maschinell hergestellten Produkte dar. An ihnen schätzen sie ja nicht nur, dass sie das tägliche Leben erleichtern und einem die Zeit geben, sich höheren Tätigkeiten zuzuwenden – in fundamentalem Gegensatz zu Wilde erkennen sie in vielen Massenprodukten auch hochrangige Kunstwerke. Bei Richard Hamilton gibt es zwar einen Hinweis, der Wilde gefallen würde – wenn Hamilton den Vorzug des vorausblickenden Designers gegenüber aktuellen Markterhebungen betont –, die grundsätzliche Einstellung der Independent Group, nach der sich Kunst

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und Populärkultur keineswegs ausschließen, läuft jedoch Wildes Haltung in hohem Maße zuwider. In der Hinsicht gibt es zweifellos einen viel stärkeren Bezug zwischen der Independent Group und dem zweiten möglichen traditionellen Anknüpfungspunkt, der linken Variante von Neuer Sachlichkeit und Konstruktivismus. Bei ihnen findet man genau die Forderung, die Wilde noch unerträglich gewesen wäre und andererseits dem übergreifenderen sozialistischen Impetus der Independent Group nahe kommt: Dass der Künstler seines individuellen, abweichenden Status entsage und sich in den politischen Dienst der Massen und ihrer Medien stelle bzw. einfach Teil der technologisch anspruchsvollen Produktion werde, um an der funktionalen Erfüllung der materiellen Bedürfnisse der Masse mitzuarbeiten. Trotz aller Hinwendung der Künstler und Theoretiker der Independent Group zur modernen Technologie und zu den modernen Medien bleibt aber auch hier eine tiefe Differenz vorhanden. Die Independent Group argumentiert bereits im Horizont der sog. Überflussgesellschaft, in der zumindest Haushaltswaren und Medienangebote auch für den sonst besitzlosen Teil der Bevölkerung zur Verfügung stehen. In den Blickwinkel der Independent Group rückt deshalb viel stärker die ästhetische und symbolische Dimension der massenhaft hergestellten und konsumierten Güter. Mit dem neusachlichen Anspruch vorgeblicher Funktionalität müssen sie folglich ganz bewusst brechen. Von der kubofuturistischen, radikal avantgardistischen Forderung, dass der Künstler in der Produktion unter- bzw. aufgehen müsse, trennt sie zudem ihr traditionellerer künstlerischer Ansatz, der sich im Lob der reizvollen Gegenstände und Oberflächen des populären Designers niederschlägt. Stärker als die (seltenen) demokratisch-sozialistischen Anknüpfungspunkte innerhalb des Ästhetizismus und der Avantgarde scheinen bei der Independent Group demnach die antiidealistischen ästhetischen Prinzipien dieser Richtungen von Bedeutung zu sein. Aber der Eindruck täuscht, auch hier muss man in ähnlichem Maße Abstriche machen und Differenzierungen vornehmen. Einerseits ist besonders Richard Hamilton von der dekadenten Ästhetik beeinflusst, die auffällig stilisierte, künstliche, analytisch dekomponierte Formen als Stimuli bevorzugt; andererseits gewinnt die Independent Group solche vergleichsweise kühlen Reize an populären Gegenständen, an Massenprodukten, dadurch tut sich ein deutlicher Abstand auf zu den elitären, sich vornehmlich aus der Distinktion speisenden Sensationen der dekadenten Ästhetizisten; dass die Anhänger der Independent Group offensichtlich keine Sorge vor einer krankhaften, nervösen Überreizung besitzen, setzt einen weiteren, damit verbundenen Unterschied. Anders verhält es sich in dem Punkt bei der historischen Avantgarde, doch bleiben insgesamt wieder Abstände erhalten: Zwar haben die Futuristen, Dadaisten und Surrealisten gerade keine Angst vor intensiven, überschlagenden Reizen, die sie öfter auch mit bestimmten isolierten Attraktionen und Effekten moderner Medien und Vergnügungen gleichsetzen; diese Hingabe an eine äußerste Intensität widerspricht aber der kühl-dekadenten Vorliebe der Independent Group für glamouröse Oberflächen und die mondänere, von elegantem Witz beherrschte Erotik, wie sie die englische Gruppe in den glossies, Filmen, Anzeigen sowie im Produktdesign der zeitgenössischen, amerikanischen populären Kultur vorfindet.

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Der Begriff Pop Art, den die Independent Group für diese Form der Populärkultur verwendet, ist darum zugleich neu und voraussetzungsreich. Zum einen gehen in ihn (freilich in manchmal modifizierter Manier) ästhetische und lebenskünstlerische Prinzipien der Dekadenz und der Avantgarde ein, zum anderen bringt die Originalität und Neuheit des Pop-Begriffs in vollkommen angemessener Weise zum Ausdruck, wie ungewöhnlich es ist, dass solche dekadenten und avantgardistischen Maßstäbe mit positivem Ergebnis auf die vorherrschende populäre Kultur angewandt werden.

Die Herausbildung der Pop-art in den USA Der originelle Begriffsgebrauch und die unter Künstlern und Theoretikern noch ungewöhnliche Hochwertung der modernen Populärkultur durch die Independent Group führt keineswegs zu einer massenhaften Anerkennung der Gruppe. Zwar setzen sich ihre Prinzipien in der Folgezeit oftmals durch, allerdings zumeist auf allenfalls indirekte Art und Weise – und wenn auch die Wertungsweise der Gruppe später Schule machen wird, nimmt der Begriff Pop Art jedoch allgemein eine andere Bedeutung an. Sehr viel stärker als die Überlegungen der Independent Group werden zu Beginn der 60er Jahre Aufsätze und Rezensionen öffentlich wahrgenommen, die zu Ausstellungen junger amerikanischer Künstler wie Roy Lichtenstein, Andy Warhol u.a. geschrieben werden. Erst mit ihnen setzt sich der Begriff Pop Art durch, nicht nur im anglo-amerikanischen Sprachraum, sondern international. Auch auf die englische Independent Group fällt im Zuge dessen nachträglich ein helleres Licht. Im Gegensatz zum Begriffsgebrauch von Hamilton, Banham, Alloway etc. bezeichnet Pop Art nun aber nicht die reizvollen Produkte der zeitgenössischen Massen- bzw. Populärkultur, sondern eine aktuelle Stilrichtung der bildenden Kunst. Bevor die Bezeichnung und das mit ihr verbundene Konzept in den allgemeinen Sprachgebrauch übergeht, braucht es aber selbst in den USA etwas Zeit. Besser gesagt, erst nach vielfältigen Diskussionen setzt sich ein Begriff durch, unter den dann die meisten Angehörigen der Kunstwelt bestimmte künstlerische Verfahrensweisen, Sujets, Bilder und Maler fallen lassen (vgl. Mahsun 1987). Im Katalog zu einer Ausstellung in der New Yorker Sidney Janis Gallery, die im Herbst 1962 verschiedene amerikanische (u.a. Warhol, Thibaud, Dine, Wesselmann) und europäische factual artists präsentiert, heißt es, dass die Engländer solche Künstler, die mit vorgegebenem städtischalltäglichem Material arbeiteten, Pop Artists nennen würden (Janis 1997). Dies stimmt zwar erst seit kurzer Zeit (vgl. Seago 1995: 189ff.) – auch jüngere Maler wie Allen Jones und David Hockney werden um 1960 in England so noch nicht bezeichnet (vgl. Alloway 1967: 53) –, bringt den Begriff aber in Amerika überzeugend ins Spiel. In einer Besprechung zur Ausstellung wird die Anmerkung von Janis aufgenommen und zum Titel einer Kunstrichtung erhoben: »With this show, ›pop‹ art is officially here«, lautet der entscheidende Satz in der Schlusspassage des Artikels der New York Times (O’Doherty 1997). An den Anführungsstrichen rund um das Wort pop kann man leicht erkennen, wie ungewöhnlich der Begriff in dem Zusammenhang noch klingt. Er setzt sich aber von nun an mit großem Tempo durch. Eine Veranstaltung

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im Museum of Modern Art im Dezember 1962 ist bereits Symposium on Pop Art betitelt, danach wird der Begriff von den meisten anderen Kunstkritikern und Kuratoren schnell übernommen, vorher verwandte Bezeichnungen wie New Realist, neo-Dada, commonism, sign painters, factual artist geraten außer Gebrauch. Zu klären ist dann die Frage, ob mit dem neuen Begriff auch neue Gehalte verbunden sind, ob er sich auf die gleichen Gegenstände bezieht, ob verschiedene Künstler wie etwa Jasper Johns und Andy Warhol der gleichen Klasse angehören oder nicht. Eines ist zumindest leicht erklärt; die starke Vorherrschaft der abstrakten Malerei macht figurative Abweichungen zu einem bemerkenswerten Ereignis. Natürlich bedeutet dies nicht, dass es keine zeitgenössische figurative oder realistische Malerei mehr gegeben hätte. Sie wird aber vorwiegend außerhalb der Welt der Hochkunst, wie sie von Galeristen und Galeriekünstlern, modernen Museen, Fachzeitschriften, Feuilletons gebildet wird, betrieben, in der Werbung, bei akademischen Übungen, in der Hobby-Malerei. Um in der Kunstwelt selber wieder mit ansatzweise realistischen Gemälden bestehen zu können, bedarf es, grundsätzlich gedacht, entweder der aggressiven Gebärde, des ostentativen Bruchs mit den vorherrschenden abstrakten Stilen oder eines neuen Realismus, der abstrakte Stilelemente aufnimmt. Im aktuellen amerikanischen Moment heißt das, sich in irgendeiner Form auf die Spielarten des Abstrakten Expressionismus zu beziehen. Der einflussreiche Kunstkritiker Robert Rosenblum benennt die hier gegebenen Möglichkeiten 1960 in klarer, zugespitzter Weise, die sogleich eine starke Wertung zum Ausdruck bringt. Die von vielen jungen Malern gewählte Möglichkeit, die traditionellen Motive des Stilllebens, des Porträts oder der Landschaftsmalerei mit dem Gestus des action paintings zu traktieren, missbilligt er. Rosenblum bevorzugt eine Variante, die er an Jasper Johns’ Bild der amerikanischen Flagge erläutert. Johns orientiere sich richtigerweise nicht an den oberflächlichen Techniken des Abstrakten Expressionismus, sondern an dessen fundamentalen Voraussetzungen, die er freilich auf den Bereich der commonplace objects ausdehne. Wie Pollock oder Kline reduziere Johns seine Malerei auf die wesentlichsten Basiselemente; neben den Flaggenbildern erwähnt Rosenblum mit besonderem Lob noch Johns’ Gemälde einer Zielscheibe; sie alle bieten für Rosenblum in kanonischer Form »the awesome simplicity of irreducible colour and shape that presumes the experience of masters like Rothko, Still and Newman« (1997a: 11f.). Sogar Clement Greenberg, der als Kritiker führend an der Spitzenstellung dieser Maler gearbeitet hat, kann sich dem Urteil Rosenblums nicht ganz verschließen, obwohl ihm jeder realistische Bezug, jeder traditionelle malerische Ansatz, in dem zweidimensionalen Bild die Illusion des dreidimensionalen Raumes herzustellen, in der Moderne vollkommen überholt erscheint. Greenberg hat bereits in den 30er Jahren mit diesem Kriterium Avantgarde und Kitsch, moderne und populäre Kultur kategorisch voneinander geschieden. In den populären, realistischen Werken gebe es eine Kontinuität zwischen »Kunst und Leben«, die es selbst dem ungebildeten Betrachter erlaube, sich und seine Welt wiederzufinden und sich in das Abgebildete hineinzuversetzen; alle wahre, moderne Kunst sei jedoch genau umgekehrt eine illusionslose Übung in Diskontinuität (1939: 43f.; vgl. Hecken 2007a: 31ff.). Auch Johns’ Bilder fallen nach Greenbergs Urteil in die positive Abteilung, weil ihr Realismus sich auf die Darstellung von flachen, der Leinwand entspre-

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chenden beinahe zweidimensionalen Gegenständen beschränkt, eben den Flaggen und Zielscheiben. Die im besten Fall kräftigen Farben Johns’ verstärken für Greenberg den abstrakten Eindruck noch, weil sie im Unterschied zum schattierend nuancierenden Schwarz und Grau die Bilder oberflächlicher machen; hier gibt es also sogar Gemeinsamkeiten mit den hochgeschätzten Barnett Newman und Mark Rothko, die – so Greenberg – mit einfacher, reduzierter Formgebung, dünnem, uniformem Farbauftrag die Autonomie der Farbe betonten und dadurch einen Farbraum (colour-space) schafften, der taktile Assoziationen und räumliche Denotationen ausschließe. Trotz dieser Nähe von Johns zu Newman bleibt Greenbergs Einschätzung aber zwiespältig, letztlich stört ihn Johns’ raffiniert abstraktes Spiel mit konkreten Objekten doch; weil Johns’ Bilder nach seiner Auffassung zu wenig Distanz gegenüber einer wenn auch stark abgeschwächten Kunst der Repräsentation bewahren, muss ihnen Greenberg den Status höchster Modernität absprechen (1962: 27, 29). Robert Rosenblum sieht das anders, seine Einschätzung läuft der Greenbergs zuwider. Gut vergleichen kann man ihre Positionen, weil sie dieselben abstrakten Maßstäbe anlegen. Während Greenberg aber zuletzt den Unterschied von Johns und Rothko etc. hervorhebt, betont Rosenblum deren Gemeinsamkeiten: »Just as Pollock, Kline, or Rothko reduced their art to the most primary sensuous facts – an athletic tangle of paint, a jagged black scrawl, a tinted and glowing rectangle – so, too, does Johns reduce his art to rockbottom statements of fact.« Ebenfalls ganz auf der Höhe von Greenbergs Maßstäben, mit denen jener moderne und populäre Kunst voneinander trennt, argumentiert Rosenblum in einem zweiten Schritt. Wiederum lässt er dabei keinen Zweifel aufkommen, dass Johns rein auf der wertvollen Seite verbleibt. Ganz im Sinne der idealistischen Ästhetik behauptet Rosenblum, dass Johns’ Gemälde der amerikanischen Flagge das nationale Sternenbanner von allen politisch interessegeleiteten Bezügen entferne. Herausgelöst aus ihrem alltäglichen Zusammenhang (everyday context), mache Johns’ Flagge die gewöhnlichen Reaktionen unmöglich; sie existiere nun »as a work of art rather than a symbol of nationalism«; der Betrachter nehme überrascht zum ersten Mal die visuell-ästhetischen Qualitäten der Flagge wahr. Gleiches gelte für Johns’ Bild der Zielscheibe, auch hier werde der pragmatische Bezug unterbunden und dadurch die gemäß idealistischer Auffassung notwendige Voraussetzung geschaffen, um ins Reich der Kunst einzutreten. »If we expect to salute flags, we expect to shoot at targets. Johns, however, would have us to realize that targets, like flags, can be the objects of esthetic contemplation and variation« (1997: 11f.). Wie üblich bei solchen Einschätzungen, schweigt sich der Autor aus, woher er (ohne es empirisch zu überprüfen) weiß, dass dies die Wirkungen des Bildes (bzw. die Reaktionen eines nicht näher unterschiedenen Betrachters) sind. Wie üblich, verzichtet der Autor ebenfalls darauf, die benannten Objekte (die Flaggen und Zielscheiben) auch außerhalb der Galerien zum Gegenstand »ästhetischer Kontemplation« zu machen; es bleibt bei der Bildbetrachtung. Während Greenberg bei der Rezeption von Johns’ Werk feststellt, dass es die modernen Kriterien der Flachheit und illusionslosen Materialität trotz der Objektrepräsentation erfüllt, und ihn letztlich dennoch das geschickte Spiel mit den abstrakten Qualitäten des konkreten Objekts nicht vollkommen überzeugt, schätzt Rosenblum die (politisch oder sonstwie

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pragmatisch) interesselose Qualität der Bilder ungebrochen hoch ein; ebenso schätzt er ganz und gar, dass dank der verfremdenden Neukontextualisierung der Bildvorlagen diese Objekte einer neuen, ästhetischen Betrachtung zugänglich werden. Am Umstand, dass solch eine Betrachtung überhaupt nicht durchgeführt wird, kann man allerdings sehr gut die Nähe zwischen Rosenblum und Greenberg erkennen, die sich beide nur für das reine Bild interessieren, wenn auch Greenberg kompromissloser und puristischer oder (je nach Standpunkt) Rosenblum subtiler bzw. widersprüchlicher argumentiert und bewertet. Den Abstand zwischen Johns’ Bildern und ihren stark vergleichbaren, nahezu zweidimensionalen Vorlagen betont Rosenblum an einer Stelle sogar auf eine sehr traditionelle Art und Weise, als er über Johns’ mühsame Maltechnik spricht, bei der jeder Pinselstrich nach und nach in eine Wachsmasse gesetzt wird. Für Rosenblum macht dies den Unterschied zwischen »loved, handmade transcriptions« und »unloved, machine-made images« aus (1997a: 12). Von einem Kunstwerk auf der Höhe des Zeitalters technischer Reproduzierbarkeit kann demnach keineswegs die Rede sein; nach Rosenblums Wertung, die Liebe mit Handarbeit gleichsetzt, gereicht dies Johns besonders zur Ehre. Handarbeit kommt auch bei Johns’ Adaptionen von massenhaft hergestellten Gebrauchsgütern und Lebensmittelbehältern zum Einsatz. Der Künstler überzieht eine Taschenlampe mit einem Formmetall, er bildet zwei Bierdosen mit Bronze nach und stellt sie auf ein kleines Podest (vgl. Hess 2007: 33ff.). Die Bearbeitungen sorgen für eine deutliche Differenz zu den täglich benutzten oder konsumierten Produkten, der unter dem Metallüberzug liegenden Taschenlampe und den Ballantine Ale-Dosen, deren Logo Johns mit Ölfarbe nachmalt. Um ready-mades handelt es sich demnach nicht, da nicht einfach nur Güter durch eine Künstlersignatur und die Transponierung in eine Galerie zum Kunstwerk erklärt werden. Auf seine Weise nimmt Johns so an einem bedeutenden Trend innerhalb der zweiten Hälfte der 50er Jahre teil, der Wendung hin zu vorgegebenen Gegenständen, wie man sie in Geschäften, aber auch auf der Straße oder im Müll findet. Zumeist finden diese Dinge ihren Platz in Assemblagen und, in noch ausgedehnterer Manier, in großen Environments (die wiederum den Schauplatz für Happenings bilden können); entweder werden vorgefundene Objekte wie bei Johns auch dort in noch zusätzlich bearbeiteter oder in ungewöhnlichem Material nachgearbeiteter Form präsentiert – oder sie bleiben als Objekt unverändert, bekommen aber durch ungewöhnliche Kombinationen mit anderen Objekten einen originellen Zug (vgl. Haskell 1984). Grundsätzlich heben sie sich ohnehin durch den Platz, an dem sie nun ausgestellt werden – der Galerie –, von ihren gewohnten Zusammenhängen – für die Orte wie das Geschäft, das Lager, die Werkstatt, die Küche, der Gerümpelhaufen, die Müllkippe einstehen – ab. Dass Dinge an ungewohnten Orten auftauchen, ist ganz allgemein ein Auslöser überraschter Reaktionen. Potenziert wird die Überraschung jedoch, wenn sich herausstellt, dass die durchbrochene Ordnung nicht den Zufällen der Natur und dem Chaos menschlichen Lebens geschuldet ist, sondern sich einem gezielten Eingriff verdankt. Dies ist offensichtlich bei der Galeriekunst der Fall. Die Überführung von massenhaft hergestellten oder abgenutzten Gegenständen in ein Kunstwerk, also ein traditionell hoch gewertetes, weil

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individuell erarbeitetes oder sogar originell-singulär erscheinendes Gut, verweist deutlich auf eine bewusste Handlung. Dadurch wird denjenigen, welche die ihnen normal vorkommende Ordnung der Dinge wiederherstellen wollen, bedeutet, dass sie diese Ordnung nicht ohne Widerstand errichten können. Weil das ungewohnte Arrangement seinen Platz in einer Galerie besitzt, ist klar, dass es sich nicht um eine zufällige Abweichung oder natürliche Verunreinigung handelt, die einer üblichen Säuberungsaktion unterzogen werden kann. Selbst wenn die Künstler, wie es häufiger vorkommt, sich bei ihrer Auswahl der zumindest zum Teil vorgefertigten, von anderen oder von Maschinen produzierten Gegenstände auf den Zufall berufen, heißt dies keineswegs, dass sie ihre Fundstücke freiwillig aus der Galerie entfernen und an ihren angestammten Platz zurückbringen würden. Ganz im Gegenteil halten sie vielmehr den Zufall für wert, über die Gestalt ihrer Kunstwerke mitzuentscheiden. Liberalere Verfechter einer bestimmten Ordnung verfügen allerdings immerhin über ein probates Mittel, das Dilemma zwar nicht aufzulösen, aber doch zu umgehen. Sie nutzen die Möglichkeit, eine Ausnahme zuzulassen, weil sie im Gegensatz zu fundamentalistischen Vertretern solch eine Ausnahme ertragen können und zudem damit rechnen, dass die Regel dadurch nicht beschädigt werde. Im konkreten Fall besteht die Operation darin, die Galerie zu einem besonderen Ort zu erklären, an dem die Ordnung der übrigen Welt durcheinander gebracht werden kann – im Vertrauen darauf, dass die Abgeschiedenheit des Galerienortes die Folgenlosigkeit der dort anzutreffenden ungewöhnlichen Unordnung bzw. Neuordnung garantiert. Jene idealistische Doktrin, die das Ästhetische mit dem Interesselosen verbindet, erhebt solche Folgenlosigkeit sogar zum Gesetz der Kunstbetrachtung. Selbst die Tradition, sprich die Permanenz des Regelverstoßes, kann dann für Beruhigung sorgen. Was sonst das Problem erheblich vertieft, führt hier zu seiner Glättung. Der dem Kunstpublikum und besonders den Kunstkritikern gut geläufige Umstand, dass die Adaption von Dingen, die traditionellerweise keinen Kunststatus oder wie im Falle des Mülls, der verbrauchten Objekte überhaupt keinen Wert besitzen, bereits von den Dadaisten und Surrealisten vorgenommen wurde, trägt bei einem liberalen Beobachter zur Gewöhnung, zur erheblichen Verringerung der Aufregung bei. Dies gilt jedoch nur solange, wie die Unordnung bestimmter Konfigurationen der modernen Kunst sich zwar ständig negativ an der Ordnung der übrigen Welt bemisst, sie aber kaum auf diese verändernd und verwirrend übergreift. Innerhalb der Kunstwelt selber trägt auf andere Weise zur Beruhigung (und ab einem kritischen Punkt zur Langeweile) bei, dass der Kritiker und Kurator bzw. dessen Leser und Museumsbesucher die relative Unordnung als künstlerische Ordnung erkennen. Um 1960 werden z.B. die verschiedenen Bearbeitungen und Transponierungen von Alltagsgegenständen von einigen Kunstkritikern unter den Titel neo-Dada gebracht. Zwar wird häufig angemerkt, dass der Begriff insofern irreführend sei, als die zeitgenössischen Künstler im Gegensatz zu den historischen Dadaisten keine radikal politische, avantgardistisch antikünstlerische Haltung einnähmen (Janis 1997: 40; Solomon 1997a: 20; Coplands 1997: 55), der gemeinsame Bezug auf vorgefundene, von den anderen als unwürdig und banal empfundene Objekte gibt dem Begriff neo-Dada jedoch Anhalt; »the neo-Dadaists expropriate from the world around them commonplace items – forks, hangers, umbrellas, fur-

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niture, old clothes and rubbish«, bilanziert Barbara Rose (1997a; vgl. Dezeuze 2006), die als Vertreter einer solchen Arbeitsweise bzw. Kunstrichtung Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Jim Dine, Andy Warhol, Claes Oldenburg, Allan Kaprow, James Rosenquist, Tom Wesselmann u.a. nennt. Andere Kritiker benutzen angesichts der gleichen Phänomene und Künstler andere Oberbegriffe; unter Hinweis auf die assoziationsgeladenen Sujets dieser Kunst, als da wären ordinary oder commonplace objects, trade marks und commercial symbols, reden sie etwa vom »sign painting« (Swenson 1997) oder von der Kunst des neuen, ›primitivistischen‹ Amerika; Sidney Tillim zählt zum künstlerischen Inhalt des New American Dreamer den »mass man and his artifacts, his cigarettes and beer cans and the library of refuse scattered along the highways of the land with their signs, supermarkets and drive-in motels« (1997a: 26). Auffällig daran ist, dass Produkte der Populärkultur (von Comics bis Marketingsignets), alltägliche Gebrauchsgegenstände (Mäntel, Regenschirme, unmodische Schlipse, Dosen, Esswaren) und auch Müll bei diesen Autoren in eine Klasse fallen; dadurch finden sich im Folgeschritt Künstler wie Rauschenberg, Dine, Lichtenstein und Warhol als Vertreter einer Richtung wieder, sei sie nun neo-Dada, commonism oder sign painting betitelt. Ein Grund solcher Klassifikation liegt sicher darin, dass nach der Vorherrschaft der Abstraktion all die neue, ungewohnte künstlerische Objekthaftigkeit abseits der vertrauten realistisch-illusionistischen Malerei dem mehr oder minder überraschten Kunstkenner erst einmal einheitlich erscheint; ein zweiter, dass außerhalb des Zusammenhangs moderner Kunst all diese Gegenstände den Kritikern gleichermaßen wertlos vorkommen, nicht nur der buchstäbliche Abfall, sondern auch die Produkte der Massen- bzw. Populärkultur. Die Durchsetzung des Begriffs pop art geht darum wenigstens zu einem kleineren Teil mit einer neutraleren oder gar positiven Einstellung zur Populärkultur einher. Mit dem Begriff ist eine neue Klassifikationsweise verbunden. Henry Geldzahler definiert bei dem Symposium des Museum of Modern Art pop art als eine Kunstrichtung, die auf die gegenwärtige visuelle Umgebung (visual environment) reagiere; deren Sinnesreize seien hauptsächlich künstlich (secondhand). »We live in an urban society, ceaselessly exposed to mass media«, merkt Geldzahler an, ohne dies gleich kulturkritisch zu kommentieren. Die Pop-Artisten – Geldzahler nennt Wesselmann, Warhol, Rosenquist, Lichtenstein – arbeiteten mit dem Bildangebot (imagery) der modernen Medien: »popular press, especially and most typically Life magazine, the movie close-up, black and white, technicolor and wide screen, the billboard extravaganzas, and finally the introduction, through television, of this blatant appeal to our eye into the home« (1997: 65ff.). Hatte Alloway noch 1961 in der Tradition des Begriffsgebrauchs der Independent Group anlässlich der englischen Ausstellung Young Contemporaries von der modernen popular art als Hintergrund und Anreiz für Künstler wie Boshier, Hockney, Jones, Kitaj gesprochen (zit. n. Alloway 1967: 53), bezeichnet pop art von nun an in Amerika die Aufnahme der Populärkultur durch die bildende Kunst. Richard Hamiltons Bilder wie Hommage à Chrysler Corp. werden dann ab 1962, u.a. auch von Alloway selbst, rückblickend als pop art-Gemälde klassifiziert (Alloway 1962: 1085; Reichardt 1997: 16). Der Begriff setzt sich von New York aus schnell international durch (für Westdeutschland vgl. den äußerst informativen Überblick: Link 2000). Pop-

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art – um jetzt die deutsche Schreibweise zu benutzen – bezeichnet ab 1963 ausschließlich eine Richtung der bildenden Kunst, die sich durchgehend auf Gegenstände und Darstellungsweisen der zeitgenössischen Populärkultur bezieht. Max Kozloff (1997: 29) hatte Anfang 1962 angesichts der neuen Künstler bereits vom übergreifenden Thema der popular culture gesprochen (im Titel seines Aufsatzes steht sogar »pop« culture), aber z.B. auch die bearbeiteten Mäntel und Schlipse Jim Dines dazu gezählt. Mit den Verweisen auf die Werbung, auf Hollywood, auf Fernsehsendungen etc. ist diese Populärkultur – und mit ihr auch die Pop-art – nun fester umrissen; bei Peter Selz etwa treten Pop-art und die Fundstücke der »junk-artists« ausdrücklich auseinander (1997: 85). Verweist Tillim bei seiner Betrachtung des sog. neoDadaism bzw. der New American Dreamers noch auf den Gemischtwarenladen, in dem man Brote und Korsette, Eier und Sakkos kaufen kann (1997a: 27), dient für die Pop-art nun der Supermarkt als engeres, moderneres Vorbild. Die Nähe der Pop-art zur modernen Populärkultur macht die neue Kunstrichtung zwangsläufig umstritten. Das gilt nicht nur für Objekte, die sich lediglich vom Material her von ihrem Vorbild unterscheiden (etwa Warhols in Holz gefertigte Nachbildung eines Waschmittelkartons), sondern auch für die gemalten oder mit anderen bildtechnischen Verfahren erzeugten Aneignungen von Vorlagen aus Comics, Illustrierten, Werbetafeln, Hollywoodfilmen, Fernsehserien etc. Da diese populären Vorlagen unter Intellektuellen und Kunstkritikern zumeist als schlechte, minderwertige Kunst oder als Unkunst eingestuft werden, kann nicht ausbleiben, dass die Pop-art von vielen Verächtern der Populärkultur ebenfalls qualitativ herabgesetzt wird. Selbst Alloway tadelt Ende 1962 den jungen englischen Maler Peter Phillips dafür, dass er bei seinem Bezug auf die Gegenstände der Populärkultur vergesse, diese in einen fine art context zu stellen. Für Phillips seien die modern-alltäglichen Gegenstände offensichtlich bereits an sich wert genug, vermutet Alloway nach Ansicht von dessen Bildern. Phillips »seems to use pop art literally, believing in it as teenager believe in the ›top twenty‹«, lautet seine überraschend konservative Einschätzung, die ganz im Einklang mit den gängigen Standards moderner Kunst auch von der Pop-art formale Strenge verlangt (1962: 1087; vgl. Whiteley 2004; s. auch Banham 1963a). Wenn bereits der Parteigänger der Popkultur Alloway zu solch einem Urteil gelangt, wie soll das dann erst bei anderen Kunstkritikern aussehen? Die Frage, ob die Pop-art ihre Vorlagen in ausreichendem Maße künstlerisch umwandelt, um sich qualitativ von ihnen abzusetzen, verneinen folgerichtig viele der ersten amerikanischen Rezensenten der neuen Kunstrichtung (Loran 1989); eine Transformation finde nicht statt, nur eine »Transposition« (Kunitz 1997: 75), etwa vom Supermarkt in die Galerie. Um aber mit den »brute visual facts of popular culture« auf eine Weise zu arbeiten, welche die mittlerweile allgegenwärtige »world of commodities, banalities and vulgarities« übersteige, brauche es eine große imaginative und künstlerische Kraft, ein Vermögen, über das die Pop-art nicht verfüge (Kramer 1997). Die Werke von Warhol u.a. seien cool, seien slick und chic, deshalb gehörten sie weder einer von unten kommenden, natürlich gewachsenen Volkskunst noch der Avantgarde, sondern als synthetic art dem kulturindustriell hergestellten Kitsch an (Selz 1997: 86f.).

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Das bleibt aber nicht das letzte Wort in der Sache. Andere Kritiker, die ebenfalls die Populärkultur gering schätzen, retten die Pop-art, indem sie die Nähe zwischen populärkultureller Vorlage und Pop-art aus deren satirischer oder anklagender Absicht erklären (O’Doherty 1997; Rose 1997a: 59). Subtiler und weniger spekulativ sind die Rettungen derjenigen, die in der Tradition der Anhänger von ready-made und objet trouvé auf die Differenz hinweisen, welche bereits durch leichte Bearbeitung oder bloße Transponierung entstehe (Langsner 1997; Janis 1997); die kommerziellen Zeichen würden so verfremdet (Hess 1963: 23), verlören ihre gewöhnliche Bedeutung (Swenson 1997: 34), der Betrachter erlerne dadurch ganz allgemein einen neuen Blick (Solomon 1997b: 96). Auch Alloway (1963) ist sich angesichts der Bilder Warhols und Lichtensteins ganz sicher, dass hier eine überzeugende, starke »Transformation« und Neukontextualisierung der populären Vorlagen am Werk sei. Zweifellos sind das die entscheidenden Argumente, damit man von einer Pop-art reden kann, damit man, anders gesagt, zuerst einen Galeristen und dann ein geneigtes Kunstpublikum finden kann, die aufgrund des neuen Kunstverständnisses selbst weitgehend unveränderte Objekte der Massenkultur innerhalb einer Galerie als Kunst (an)erkennen (Danto 1997; vgl. Plumpe 2002; eine interessante Variante bildet im Oktober 1963 in Deutschland Konrad Luegs und Gerhard Richters Ernennung eines Möbelhauses zu einem Ausstellungsort unter dem Titel Leben mit Pop – eine Demonstration für den kapitalistischen Realismus; vgl. Hentschel 2002). Dank des Vorlaufs von dadaistischem ready made und surrealistischem objet trouvé geht diese Anerkennung Anfang der 60er Jahre recht schnell voran, wenn auch nicht über Nacht. Andy Warhol berichtet in seinem autobiografischen Rückblick auf die 60er Jahre, dass es für ihn schwer gewesen sei, ausgestellt zu werden, obwohl sich immerhin bereits Henry Geldzahler, Kurator des Museum of Modern Art, für ihn bei New Yorker Galerien einsetzt. Geldzahlers Begründung, weshalb Warhol Anfang der 60er Jahre noch nicht einfach als Teil der Kunstwelt gesehen wird, trifft sicherlich zu: Warhols Bilder würden zurückgewiesen, weil die Kontinuität zwischen Warhols Arbeit als Werbezeichner und seinem künstlerischen Werk derart offensichtlich sei (Warhol/Hackett 1980: 23; vgl. Zahner 2006: 147ff.). Die Vermutung klingt stichhaltig, weil es den Galerien nicht darum geht, Objekte der sog. Gebrauchskunst, Zeichnungen aus dem Bereich der Werbung und des Designs zu präsentieren und zu hoher Kunst zu erheben. Trotz des Bezugs der Pop-art darauf soll die Differenz zur Populärkultur erhalten bleiben, soll (in der doppelten Bedeutung des Wortes) ein Wertunterschied behauptet werden. Die Einschätzungen der Galeristen und ihrer Berater, in welchem Maße (und ob überhaupt) eine solche Differenz gegeben sei, sind deshalb für die Konstituierung der neuen Kunst von großer Bedeutung. Die Herausbildung der Pop-art betreiben danach vor allem die Museumskuratoren und Kunstkritiker; das betrifft nicht nur den Begriff, durch sie (im teilweisen Zusammenspiel mit den Sammlern) wird auch die Möglichkeit geschaffen, dass weitere Werke derselben Richtung auf dem Kunstmarkt platziert werden können und stetig in der Kunstwelt Beachtung finden. Wie gesehen, sind es die Kritiker und Katalogautoren, welche die Werke unterschiedlicher Künstler schließlich auf den Begriff pop art bringen. Wie aber auch gesehen, steht der Rang der Richtung, die nach anderen begrifflichen Durchläufen bzw. in Konkurrenz zu

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verschiedenen anderen Klassifikationen diskursiv etabliert wird, damit noch keineswegs fest. Obwohl nun ein Begriff vorhanden ist, mit dem eine Kunstrichtung bezeichnet wird – Pop-art – , verweigert sich eine Reihe von Kritikern, die immerhin begrifflich fixierte Differenz zur Populärkultur als Unterschied der Sache und des Werts nach aufzufassen. Die Künstler selber haben an der diskursiven Herausbildung der Richtung, unter deren Namen sie ab 1962 im Guten oder Schlechten versammelt werden, lange nicht teilgenommen. Von ihnen gibt es im Unterschied zu vorherigen Avantgarden keine Manifeste, in denen sie ihr Schaffen benennen und einordnen. Erst Ende 1963 bringt ein Kunstmagazin die nun als PopArtisten eingestuften Künstler auf eine geordnete, konzentrierte Weise zum Reden, indem es ihnen in Einzelgesprächen eine Reihe ähnlicher Fragen vorlegt und die (wohl auch schriftlich bearbeiteten) Interviews zwar separiert, aber hintereinander in zwei Blöcken unter dem Obertitel What Is Pop Art? veröffentlicht. Die Künstler nutzen die Gelegenheit zur Antwort, um deutlich herauszustellen, dass die Pop-art keine Verlängerung der Populärkultur sei. Nur Robert Indiana betont die Direktheit, mit der die Pop-Artisten auf die Objekte und Techniken des modernen Alltags eingingen; er stellt aber diese Operation bereits in einen kunsthistorischen Zusammenhang, gibt sie als Reaktion auf den erschöpften Abstrakten Expressionismus aus, deren selbstbewusster Farbauftrag per Pinsel oder drip-Methode in der Pop-art vermieden werden solle (1997: 105f.). Hinter solchen Bezügen tritt das Sujet der Populärkultur schnell wieder zurück. Andere Künstler lassen gar keinen Zweifel daran, dass sie eine Rezeption, die sich an die bekannten Gegenstände heftet, missbilligen. Tom Wesselmann distanziert sich ausdrücklich von den Bewunderern der neuen Malerei, welche die Pop-art schätzen, weil sie einige der benutzten Gegenstände oder Bildvorlagen bewundern. »They really worship Marilyn Monroe or Coca-Cola«, wundert sich Wesselmann, um gleich hart anzufügen: »The importance people attach to things the artist uses is irrelevant« (1997: 113). Roy Lichtenstein meint, dass Pop-art die Welt da draußen als gegeben hinnehme und in ihren Arbeiten darauf, nicht nach innen schaue (»Pop art looks into the world; it appears to accept its environment, which is not good or bad, but different«; 1997: 107). Das klingt sicherlich weniger unfreundlich als bei Wesselmann, läuft aber auch nur auf die naturalistische Maxime hinaus, schlichtweg alles (auch das gemeinhin als böse oder hässlich erachtete) unterschiedslos als Gegenstand künstlerischer Aneignung in Betracht zu ziehen. Von Betrachtern am Rande der Kunstkritik wird daraus manchmal eine ganz bestimmte affirmative Aussage zum Gepräge der amerikanischen Gesellschaft und Konsumkultur gemacht, John Rublowsky etwa sieht in der Pop-art eine höchst lebendige, zuversichtliche, demokratische Richtung, welche die Schönheiten in der gegenwärtigen, alltäglichen Massenkultur entdeckt (1965: 7). Das lässt sich Lichtensteins Einschätzung aber beim besten Willen nicht entnehmen. Lichtenstein zollt vielmehr auf seine Weise dem Gebot ästhetischer Interesselosigkeit Tribut, indem er sich zwar auf den Reiz, welche die von ihm bearbeiteten Comic-Vorlagen bei ihm auslösen, beruft, seine Pop-art-Variante aber als eine stilistische Intensivierung charakterisiert, bei der die unmittelbare Bedeutung sich schnell auflöse; zudem bezeichnet er diesen Stil als cool (1997: 109).

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Lichtenstein stellt damit (wahrscheinlich ohne es zu wissen) in knappen Sätzen ein Problem als gelöst dar, das die dekadenten Künstler in Bann gehalten hat: Wie man auf künstliche Weise die Intensität des Lebens erhöhen kann, ohne einer Überreizung zum Opfer zu fallen. Ein Teil der Problemlösung wäre bei den Dekadenten sicher auf Überraschung oder auf Ablehnung gestoßen. Im Gegensatz zu ihrer Methode, sich die Reize seltener Objekte und Versuchsanordnungen zuzuführen, setzt Lichtenstein auf die Isolierung und mitunter kaum merkliche Bearbeitung massenhaft hergestellter Gegenstände. Andy Warhol schließlich steigert die Idee massenhafter, kühler Intensität ins Extreme. Pop-art definiert er als liking things, mit der Pointe, dass kein Ding (und auch kein Mensch) von solcher Anteilnahme ausgenommen werden solle. Von verwandten religiös-humanistischen Visionen und moralischen Geboten hebt sich Warhol aber selbstverständlich sofort entschieden ab. In futuristisch dekadenter Manier setzt er die umfassende Solidarität mit einem maschinellen Zugriff gleich. »I think everybody should be a machine. I think everybody should like everybody«, lautet sein äußerst bekanntes Mantra (1997: 103). Ganz der Moderne verpflichtet ist dieser Satz insofern, als auch Theoretiker des modernen Designs in der Nachfolge Le Corbusiers die maschinelle Standardisierung und Serialisierung hoch geschätzt haben. Allerdings geht es Warhol offensichtlich nicht wie noch etwa J.M. Richards (1935: 216) um eine puristische Befreiung vom Unwesentlichen und Verspielten, dafür sind seine Wiederholungen zu dekorativ. Bei Warhol bleibt aber zumindest der erste Teil der Aussage kein bloßer, interessanter Ausspruch. Mit der Reproduktionsmethode des silkscreenVerfahrens sieht er sich dem Status des Maschinen-Menschen sehr nahe gekommen. Die Absage an eine persönliche Handschrift, wie sie sich bei Indiana im Kontrast zum Abstrakten Expressionismus ankündigte, ist dadurch technisch vollendet. Weil die Idee Warhols im Rahmen der Kunstgeschichte ungewöhnlich ist, kommt seinen Bildern aber ein hohes Maß an Originalität zu (selbst wenn sie von seinen Mitarbeitern bzw. der silkscreen-Technik hergestellt wurden). Der Kunstmarkt bleibt demnach weiter intakt (Voraussetzung ist dafür allerdings, dass die Bilder in ganz geringer Stückzahl reproduziert werden und der Künstler mit seiner Signatur die Urheberschaft feststellt). Aus der Galerie wird kein Supermarkt, sie wird nicht zum Umschlagsplatz anonymer und beliebig reproduzierter Ware, sondern ist unverändert ein exklusiver Ort, an dem Originale von identifizierten Schöpfern bzw. eigenwilligen Konzept-Künstlern zur Auswahl stehen (vgl. Whiting 30ff.). Im Zusammenhang der Kunstgeschichte besitzt gerade die Nähe der Popart zu populärkulturellen Vorlagen einerseits eine große Originalität, andererseits jedoch genau wieder nicht – gehört doch zur modernen Kunst der Bruch mit dem Vorhergehenden oft zentral dazu. Eben weil die Gegenstände und Sujets der Pop-art innerhalb der Massenkultur so gewöhnlich sind, sind sie es bislang in der Kunstwelt nicht gewesen, selbst nicht in der modernen Kunst, die bisher ihren Originalitätswert noch immer auch im Abstand zur Massenkultur bewiesen hatte. Amerikanische Kunstkritiker haben bereits frühzeitig herausgestellt, dass die Pop-art-Bewegung so schockierend wirke, weil sie überhaupt nicht so revolutionär, so forciert nonkonformistisch erscheine wie die avantgardistischen Kunstströmungen zuvor. Die Zeichen und Kunstgriffe

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der Pop-art kämen geradewegs aus dem kapitalistischen Zentrum der bürgerlichen Gesellschaft, »out of the citadel of bourgeois society, the communications stronghold where the images and desires of man are produced, usually in plastic« (Kunitz 1997: 75). Genau dieser Konformismus, das scheinbare Einverständnis mit der nützlichen, kommerziellen Welt wirke in einer antibourgeoisen, anti-repräsentativen Kunstszene aber wiederum anstößig nonkonform (Steinberg 1997: 80). Die letzte Chance zur modernen Tradition des Traditionsbruchs liegt demnach (allerdings nur innerhalb der Kunstwelt) genau in der Konformität, in der Verwendung oder sogar bloßen Transponierung massenkultureller Objekte. Auf weniger paradox klingende Weise steht die Pop-art zudem in der modernen Tradition des ready-made, an dem sich die Fähigkeit des Betrachters, ein gewöhnliches, materiell gegebenes, keineswegs mit den Mitteln der Malerei oder der Skulptur repräsentiertes Objekt nicht pragmatisch, sondern wie ein Kunstwerk zu betrachten, in allerhöchstem Maße erweist. Dies verträgt sich zwar nicht mit Duchamps Angriff auf die Kategorien des Werks und des Schönen, die er mit seiner Signatur des gewöhnlichen Handwerkprodukts Urinal durchgeführt hat (Bürger 1974: 77), es verträgt sich aber schon besser mit surrealistischen Projekten, Fundstücke aus ihrem Funktionszusammenhang herauszunehmen und in ihnen eine große Quelle lebenskünstlerischer Intensität zu entdecken. Nochmals verkürzt wird der Anlauf gegen die traditionelle Kunst, wenn Fundstücke einfach als schön bezeichnet werden. Jim Dine etwa kann um 1960 in dadaistischen oder surrealistischen Fundstücken, Verfremdungen und Montagen überhaupt keine Anti-Kunst mehr erkennen, sondern nur noch beautiful objects (1997: 110). Ein anderer Künstler aus dem Um- und Vorfeld der Pop-art, Pierre Restany, sieht in gleicher Manier im Verfahren des ready-made einen schöpferischen Akt, der ein gewöhnliches Objekt in ein künstlerisches Werk verwandelt; in solcher Metamorphose erblickt Restany (gegen Duchamps Absicht) ein vorzügliches poetisches Mittel, um den ihm angemessen erscheinenden »neuen modernen Sinn für die Großstadtnatur« zu dokumentieren (1965: 101, 105). Warhols oder Lichtensteins Anlehnungen an kommerzielle Zeichnungen schließt Restany aber bezeichnenderweise davon aus; deren Trockenheit und Plattitüdenhaftigkeit gefällt ihm schlicht nicht (vgl. Lippard 1967a: 174). In der Form der Campbell-Suppendose oder Brillo-Box bildet die Pop-art in den 60er Jahren darum offenkundig den ultimativen Test auf das ästhetische Vermögen des Betrachters, zumindest im Sinne der Kondition ästhetischer Erhebung und interesselosen Wohlgefallens. Im professoralen Kreis der deutschen Gruppe Poetik und Hermeneutik wird das von vielen Beiträgern 1966 geradezu als Intention der Pop-art hingestellt. Max Imdahl rechnet damit, dass »die ›brutal‹ hingestellten Dinge der ›Pop-Art‹ den Beschauer paradigmatisch auf die Frage konzentrieren, wie die Dinge der Dingwelt eigentlich aussehen und was sie eigentlich sind« (1968: 694); Jürgen Wissmann nimmt an, dass der Betrachter vor den Werken der Pop-art »die Differenz zwischen dem praktischen Zweck und der neuen Zwecklosigkeit des Präsentierten zum Gegenstand der Reflexion machen soll« (1968: 695); Hans Blumenberg teilt diese Einschätzungen bzw. Normen, er sieht es durch den Vorlauf der abstrakten Kunst als gewährleistet an, dass die Gegenständlichkeit der Pop-art nicht auf eine realistische, sinnlich-materiell interessierte Weise aufgenommen wird. Nach der »völlig durchgespielten Entgegenständlichung

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der abstrakten Phase« könne der Gegenstand wie in der Pop-art erneut »hervorgeholt und ohne Vermittlung brutal hingestellt und ausgestellt« werden, weil in der Kunstwelt nun eine »mutierte Sichtweise« vorausgesetzt werden dürfe, die nicht mehr »in Gefahr steht, das faktisch hingestellte ›Objekt‹ als Träger der ästhetisch zu erfahrenden Qualität gelten und wirken zu lassen.« Die Pop-art könne man deshalb als das »experimentum crucis auf den geschichtlichen Wandel der ästhetischen Einstellung« ansehen (1968: 691; s. auch später Iser 1976: 24f.; Jauß 1982: 123). Betrachtern, die sich in ihrem Urteil in erster Linie auf den Wert oder (wie viele Kritiker der Pop-art) auf den Unwert der Vorlage beziehen, kann deshalb vorgehalten werden, dass sie es sind, die sich außerhalb des Reichs der Ästhetik bewegen, nicht die Pop-Artisten, schließlich gewönnen selbst vollkommen unbearbeitete, bloß transponierte Objekte aus dem Supermarkt im Kunstraum eine andere, ästhetisch erfahrbare Dimension. Derart grundsätzlich geführt, weist die Debatte allerdings den für die Kunstkritik entscheidenden Nachteil auf, dass man nach dem Prinzip lediglich den Kunststatus der Pop-art feststellen, aber kein Urteil über den Rang der einzelnen Kunstwerke äußern kann. Für die Pop-art sind solche Urteile jedoch schon deshalb von Bedeutung, weil sie häufig aus leicht erkennbaren Bearbeitungen ihrer Vorlagen besteht. Zur Qualität kann (und wird) folgerichtig von Kritikern, Galeristen, Sammlern, Kuratoren jeweils ein besonderes, unterschiedenes Werturteil gefällt. Für unseren Zusammenhang von Interesse ist dabei, dass ein Charakteristikum, welches nach Einschätzung der kunstinteressierten Beobachter viele Pop-art-Bilder gemeinsam haben, zumeist auch als wichtiger Grund zur Hochwertung der entsprechenden Bilder angeführt wird. Es ist bezeichnenderweise gerade die Nähe zu vorherigen abstrakten Malweisen, die zum Lob der Pop-art in der Kunstwelt einen wichtigen Beitrag leistet. Die Konkretion der populärkulturellen Gegenstände tritt im Auge nicht weniger Betrachter hinter eine abstrakte Formgebung zurück. Die amerikanischen Kritiker heben häufig den Beitrag der Pop-art zum durchgehend modernen Versuch hervor, eine um die (realistische) Illusion räumlicher Tiefe bemühte Malerei hinter sich zu lassen. Die »Flachheit« der Pop-art wird ungeachtet der Rückkehr zur Figuration früh herausgestellt, auch die Nähe zu einzelnen Vertretern der abstrakten Malerei, der Farbfeldmalerei; Jill Johnston etwa zieht den Vergleich von Wesselmanns Aktbildern zur »clean hard edge of Mondrian in stripes and divisions of areas« (1989: 44), Frank O’Hara erinnert die Strenge der figurativen Malerei von Alex Katz (smooth, hard surface) an die Bilder von Barnett Newman und Kenneth Noland (1975: 144). Ab Mitte der 60er Jahre gewinnt diese Sichtweise bereits beinahe kanonische Geltung (Lippard 1967b). Deren Stoßrichtung ist nicht schwer zu erraten, sie dient dazu, die Pop-art im Namen hoher Kunst nachhaltig von der ihr von anderen unterstellten Nähe zur zeitgenössischen Populärkultur loszusprechen. Robert Rosenblum etwa äußert noch ein schwaches Verständnis dafür, dass pop imagery Journalisten momentan besonders interessiere, entscheidend an den Pop-art-Bildern sei aus Sicht der Kunstwelt jedoch die auf originelle Weise hergestellte Zugehörigkeit der Pop-Künstler zur moderngegenstandslosen Richtung. Ebenso wie bei Johns’ Bild der amerikanischen Flagge betont Rosenblum jetzt bei den Adaptionen von Comic-Bildern und Starfotografien deren zweckfreie, abstrakte Qualität (1997b: 134). Aus der

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non art der scheußlichsten kommerziellen Bilder würde so Kunst (1997c: 190): »The most inventive Pop artists share with their abstract contemporaries a sensibility to bold magnifications of simple, regularized forms – rows of dots, stripes, chevrons, concentric circles; to taut, brushless surfaces that often reject traditional oil techniques in favor of new industrial media of metallic, plastic, enamel quality; to expansive areas of flat, unmodulated color.« Da macht es nicht einmal etwas aus, dass einige dieser Techniken und Farbvaleurs dem Bereich der Werbung und der slick-magazine-Fotografie entnommen sind, dient doch hier das Unnuancierte, künstlich Oberflächliche der antirealistischen, abstrakt-flachen Illusionslosigkeit, dem in der Kunstkritik seit längerer Zeit zuverlässig das höchste Lob zukommt (1997b: 134, 132). Auch Richard Hamilton, den wir als Apologeten des populären amerikanischen Designs der 50er Jahre kennen gelernt haben, übernimmt diese Argumentation angesichts der Pop-art der 60er Jahre. Die »banalen«, überaus bekannten Themen (Hot Dog, Cola-Flasche etc.) führen in seinen Augen dazu, so etwas wie einen Bildgegenstand mehr oder minder verschwinden zu lassen. Besonders wichtig ist für Hamilton, dass sich seit der Wendung der Abstraktion gegen die Naturnachahmung die visuelle Umgebung des westlichen Menschen radikal geändert hat. Sie besteht jetzt vorwiegend aus Bildern, aus Fernseh-, Film-, Zeitungs-, Zeitschriften- und Comic-Bildern, also aus einer künstlichen, zweidimensionalen Welt. Sich auf sie in der bildenden Kunst zu beziehen, komme der abstrakten Malerei gleich. Bei Lichtenstein und seinen konsequent stilisierten Bildern, in denen der Konflikt zwischen flatness und illusory space zum Gegenstand werde, ist sich Hamilton deshalb sicher: »They excite a purely aesthetic response. He’s really cool« (1982g: 250ff.). Sogar Hamilton steht an dem Punkt zu wenig in der dekadenten Tradition, um verspüren zu können, dass gerade die mit den Mitteln der Abstraktion, der hard-edge- und color-field-Malerei dargestellten und bearbeiteten Vorlagen der Massenmedien einen besonders intensiven, freilich künstlichen Reiz ausüben. Es gibt jedoch eine Reihe von Kritikern, die auf ihre Weise der Pop-art das Zeugnis hoher Ästhetik (im Sinne interesseloser Noten) verweigern. Sie verbinden das aber nicht mit einem Lob intensiver Künstlichkeit, die aus der Isolation und oberflächlichen Bearbeitung populärkultureller Gegenstände herrührt, sondern mit einer Abwertung der Pop-art. Die mäßige Note erteilen sie, obwohl sie die Nähe der Pop-art zu ihren abstrakten Vorläufern nicht leugnen. Für einen Teil von ihnen überwiegt allerdings die Nähe der Pop-art zur Popkultur bei weitem – und weil sie die moderne Populärkultur gering schätzen, hält sich auch ihre Begeisterung für die Pop-art in engen Grenzen. Barbara Rose etwa gesteht am Ende durchaus zu, dass es sich bei Lichtensteins hochgradig formalisierten Oberflächen-Strukturen um Kunst und nicht um Werbung handle, dennoch nimmt sie ihre vorab geäußerten Bedenken, etwas in der Galerie sehen zu müssen, dessen Anblick ihr sonst im Supermarkt aufgezwungen werde, nicht vollkommen zurück (1997b: 84). Bei Peter Selz ist die Abneigung eindeutiger begründet; Selz hält nicht nur die Kontamination durch die populärkulturelle Vorlage für gefährlich, er schätzt auch die formale Qualität der Pop-art gering. Der Bezug zu Techniken der Abstraktion bleibe oberflächlich und inhaltslos, die Pop-art bilde darum ein typisches Produkt des Midcult, wie ihn Dwight Macdonald beschrieben habe, eine vulgarisierte und banale Version moderner Kunst; als synthetic art, die

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kulturindustriell betrieben werde, ebenso weit entfernt von der folk art wie von der avantgardistischen Moderne (1997: 85, 87). Die Fronten innerhalb der Kunstkritik sind damit deutlich genug erklärt. Auf der einen Seite stehen diejenigen, denen die Transformation der Popkultur durch die Pop-art nicht weit genug geht, auf der anderen Seite jene, die in der Pop-art eine raffinierte Variante der modernen Abstraktion sehen, eine Variante, die sogar an bekannten, populären Gegenständen das exekutiert, was andere rein auf nicht-figurative Weise anstreben: Den Bruch mit der wirksam hervorgebrachten, malerisch erzeugten Illusion des Realismus. Auf eine Feier der Pop-art als Richtung, die mit teilweise verwandten kommerziellen Techniken Objekte und Bilder der modernen Populärkultur aufgreift und diese künstlich präpariert oder sogar intensiviert, trifft man bei beiden Lagern nicht. Im Höchstfall argumentiert man in naturalistischer Manier, dass die Pop-art sich auf Phänomene beziehe, an denen man nicht mehr vorbeigehen könne, weil sie in den modernen Städten sowie der Welt moderner Medien allgegenwärtig seien; auf die Art und Weise kann die Pop-art als zeitgenössische Kunst gerühmt werden. Auch diese Einschätzung muss aber keineswegs auf die Vorlagen, die alltäglichen Konsumobjekte, übergreifen, nicht einmal bei denen, die sie künstlerisch bearbeiten oder zitieren. Bei den frühen Kritikern der Pop-art findet man zwar immer wieder die abfällige oder deprimierte Einschätzung, dass die Wirkung der Pop-art genau wie die der Reklame darin bestehe, den Betrachter mit einer Welt der Gebrauchsartikel, Banalitäten und Vulgaritäten zu versöhnen (Kramer 1997) – ein Bekenntnis von Seiten der Pop-Artisten oder ihrer Anhänger, genau solch ein Ziel zu verfolgen, sucht man jedoch vergebens.

III. Die Durchsetzung von Pop Mitte der 60er Jahre

Ein neues Konzept: »Pop« Die sehr häufig von der Kunstkritik durchgeführte Trennung der Pop-art und der ihr angemessenen ästhetischen Aufnahme von den Gegenständen der modernen Populärkultur und deren reizvollen Rezeptionsweisen besitzt einen einfachen Grund. Er liegt in der Geringschätzung der populären Kultur. Der denkbare Ansatz, die Pop-art zu preisen, weil sie massenhaft vertriebene Produkte und Bilder eindringlich herausstelle und substanziell porträtiere, kommt darum für die Kritiker der Populärkultur überhaupt nicht in Betracht. Die Abgrenzung erscheint den Kunstkritikern umso bedeutsamer, als die Pop-art beim breiteren amerikanischen Publikum auf Resonanz stößt. Von den Gegnern der Pop-art wird dieser Umstand natürlich als weiterer Beweis aufgefasst, dass die Pop-art zu wenig von der Populärkultur unterschieden sei; Peter Selz verweist etwa in Partisan Review mit bitterem Unterton auf Illustrierte wie Vogue, welche aus der Pop-art eine Kunstmode machten (1997: 86). Die kunstsinnigen Befürworter der Pop-art halten die positive Aufnahme der Pop-art durch ein Mittelschichts-Publikum, das durch Blätter wie Time oder Newsweek mit Warhol, Lichtenstein etc. vertraut gemacht wird, für den Ausdruck einer falschen Rezeption, für das sichere Anzeichen des Banausentums. Wer an der Pop-art deren Sujets schätze, sei offenkundig wegen der Fixierung auf die vulgar trees nicht in der Lage, den abstract forest zu sehen, schreibt Robert Rosenblum pointiert (1997b: 133). Folgt man dieser Auffassung, sehen sich die Kritiker der Pop-art durch die Pop-art-Formalisten auf eine Stufe mit dem banausischen Publikum gestellt. Wenn etwa der Kritiker Jost Hermand noch Anfang der 70er Jahre die Pop-art der »Vulgarität« zeiht (1971: 12), dann gibt er im Sinne Rosenblums bloß selber über seine vulgäre Fixierung auf bestimmte Gegenstände (bzw. deren angeblich einfache Repräsentationen) Auskunft. Genau wie jene Kunstkritiker aber, welche die Pop-art wegen ihrer allzu großen Nähe zur modernen Populärkultur niedrig bewerten, würde auch das Massenpublikum nicht erkennen, dass die Pop-art viel stärker der Abstraktion als der representational art verpflichtet sei, hält Barbara Rose entsprechend fest. Beim mass public laufe die Verkennung freilich auf eine Hochwertung der Pop-art hinaus, bei ihm verfüge die Pop-art über popular appeal, weil ihre (zum Teil beliebten) Themen (in jedem Fall) leicht wiedererkannt werden könnten: »The public loves it because it is intelligible in everyday terms« (1997b: 82). Nicht allen Kritikern ist jedoch so klar wie Barbara Rose, weshalb die Pop-art direkt als populär angesehen werden kann. Max Kozloff meint ange-

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sichts der von ihm konstatierten stärkeren Hinwendung der Pop-art zu neutralen Alltagsgegenständen wie Nahrungsmitteln und Telefonen (im Gegensatz zu den kommerziellen Motiven der kitsch culture), dass es zunehmend schwieriger werde, von der Pop-art als einer populären Kunst zu sprechen (1964: 549). Herbert Read hält ebenfalls Mitte der 60er Jahre noch grundsätzlicher dagegen, dass der Begriff pop art zwar in Anlehnung an pop music gebildet worden sei, jede inhaltliche Analogie aber trüge. Für Read ist die pop music als eine moderne Version der folk music noch wahrhaft populär. Leider nennt Read keine Beispiele, deshalb weiß man nicht, ob er als Muster solch populärer Musik Stücke von Cole Porter oder von Elvis Presley, von Muddy Waters, Hank Ballard, Pete Seeger, Bob Dylan oder aus der Tradition der englischen music-hall ansieht. Seine Beschreibung der pop music lautet jedenfalls allgemein: »It may be sophisticated and it may contradict all the canons of academic music, but it springs from the people and serves their needs for stimulation and emotional release.« Im Gegensatz dazu weist die Pop-art keinen Halt in den im Sinne Reads authentischen Bedürfnissen des Volkes auf. Sie beziehe sich überhaupt nicht auf popular images, sondern lediglich auf kommerzielle Bilder, auf Bilder, die zu Marketingzwecken erdacht worden seien, »devised by cunning publicity agents to persuade the public to buy mass-produced goods (beverages, processed foods, cosmetics, gadgets of every kind), or, alternatively, persuade the same public to patronize some kind of entertainment (sport, cinema, dancing).« Auch eine weitere Bezugsgröße der Pop-art, der Comic-strip, verfällt der kritischen Einschätzung, obwohl er nicht unmittelbar der Produktwerbung dient; die Comics beuteten die Gefühle der Massen aus, nicht um sie emotional zu befriedigen, sondern um sie dazu zu bringen, Magazine zu kaufen, die Anzeigen verbreiten. Werbebilder und Comics seien deshalb gleichermaßen ein Nebenprodukt des wettbewerbsintensiven Kapitalismus (1989: 100). Read sagt demnach das Gleiche wie die Mitglieder der Independent Group, allerdings unter genau umgekehrten Wertungszeichen. Unter Anspielung auf die Independent Group hat Read bereits 1956 beklagt, dass nach Ansicht einiger Kritiker die Künstler und Designer den Massengeschmack als eine neue Ästhetik, als Ausdruck einer populären Kunst begrüßen sollten. Read selber kann in solch einem vulgarism, der den Supermarkt an die Stelle des Museums setze, nichts als eine pseudophilosophische, antizivilisatorische Hingabe an die blinden Instinkte des Mobs sehen (1956: 17). Mitte der 60er Jahre macht er weiterhin deutlich, dass er von der Masse aber nicht nur die gebildete Welt, sondern ebenfalls das Volk absetzt. Ist die Werbung, das Produktdesign, das Starimage für die Independent Group bedeutender und integraler Teil der modernen Welt und ihrer äußerst ansehnlichen Massenkultur, ist sie für Read nur ein Manipulationsinstrument, um die wahrhaft im Volk wurzelnde Kultur zu verdrängen. Eine Pop-art, die sich mit einem neutralen und indifferent-nihilistischen Gestus auf die Werbebilder bezieht, kann nach den Maßstäben Reads folglich nie populär sein. Wenn Barbara Rose davon spricht, dass das Publikum die Pop-art liebe, weil es sie im Rahmen seines Alltagsverstandes verstehen könne, muss Read eine solche Aussage entweder als Irrtum oder als bedrohliche Diagnose betrachten; richtig kann die Aussage ja nur sein, wenn man den Alltag und das kapitalistische Marketing als bereits deckungsgleich ansieht.

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Richtig kann die Aussage zudem nur sein, wenn das Publikum tatsächlich auch noch die nach traditionellen Maßstäben kalte Adaption der Film- und Werbebilder durch die Pop-art schätzt. Gemessen daran, sind selbst die kommerziellen Vorlagen »humaner«, in dem Sinne, dass sie sich, wie kalkuliert auch immer, sinnstiftend präsentieren und lesbare Botschaften enthalten. Der abstrakte, oberflächliche, dadurch verfremdende, sinnentleerende Zugriff und Zuschnitt der Pop-art sollte also sogar dann ihre Popularität verhindern, wenn eine weitgehende Durchdringung des Alltagslebens mit kommerziellen Überformungen gegeben wäre. Trotzdem geht aber kein Weg an der Feststellung von Barbara Rose vorbei, dass die Pop-art nicht allein bei den nouveau riche collectors und innerhalb der mass media als beliebtes Kauf- oder Zeigeobjekt fungiere, sondern vom Publikum wirklich geliebt werde (auch wenn man, wahrscheinlich im Sinne Reads, einwenden muss, dass dieses Publikum sich vorwiegend aus Angehörigen der städtischen Mittelschicht, nicht aus der gesamten Bevölkerung zusammensetzt). Wie geht diese Tatsache jedoch mit Rose’ weiterer Feststellung zusammen, dass die Pop-Künstler sich im gleichen Feld wie die jüngeren abstrakten Maler bewegen (»like them, pop artists work in the flat, on the surface, usually with closed, two-dimensional shapes having legible contours«)? Dass die Pop-Artisten teilweise mit Reproduktionstechniken arbeiten, die es jedem erlauben würden, aus der Vorlage (den Zeitschriftenfotos und Comicbildern) ein Werk zu machen, wird wohl kaum zu ihrer Popularität beitragen. Rose gibt denn auch einen anderen Grund an. Sie charakterisiert die pop artists als distanziert ironische, »educated spectators of mass culture«, um sie dadurch von den »glazed participants« der massenkulturellen Rituale abzusetzen. Als Schlussfolgerung, weshalb die Pop-art dennoch Popularität erringen kann, bleibt ihr demnach nur noch die eigenartige Diagnose übrig, das breitere Publikum amüsiere sich auf eine gewissermaßen krankhafte Art und Weise: »It seems some tribute to the masochism built into our public life that this ironic, perverse, hostile art, based on the same pictorial conventions as contemporary abstract art, which remains an élite art, has found for itself a mass public« (1989: 193ff.). Aufgrund ihrer niedrigen Einschätzung der allgemeinen Öffentlichkeit kann sich Rose den Erfolg der Pop-art nur als Selbstbestrafung des Massenpublikums erklären. Die Annahme, dass breitere Teile der Öffentlichkeit nicht zuletzt die bewusste Künstlichkeit und Oberflächlichkeit der Pop-art schätzen, liegt ihr vollkommen fern; eine solche Annahme kann sie nicht formulieren, weil sie ihrer Auffassung von der unkultivierten, verblendeten Masse zuwiderliefe. Verbinden kann sie die kalte, überhaupt nicht nervöse Dekadenz und die spielerische Distanziertheit, mit der ihrer Meinung nach sich die Pop-Artisten auf die sie umgebende Vulgarität beziehen, nur mit aktuellen Tendenzen der abstrakten Kunst: »Linking the pop artists again to the abstract artists of their generation is the bland impersonality, aloofness, disavowal of emotion or ›message‹, and the amount of playing with vulgarity, unpleasantness and bad taste which tends to characterize the art of all these young painters, both pop and abstract« (ebd.: 195). Zweitens muss Rose der Erfolg der Pop-art letztlich rätselhaft bleiben, weil sie die Pop-art (und mit ihr den Bereich der aktuellen abstrakten Malerei) von der Marketing-Gebrauchskunst strikt getrennt sieht. Zwar konstatiert sie, dass sich die Pop-art mechanisierbarer, kommerzieller Techniken bediene

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– »photo-engraving dots, billboard paint-handling, stencils and silk screens«, »›nasty‹, brash commercial colors« (ebd.: 193, 195) –, doch unternimmt sie keinen Versuch, die Nähe der Pop-art (und mancher Abstraktion) etwa zu Teilen der Werbung herauszustellen, weil ihr der künstlerische Wertunterschied beider von vornherein wohl zu deutlich erscheint. Darum ist ihr auch der Weg verbaut, die Popularität der Pop-art aus der Vertrautheit des Publikums mit bestimmten Formen der Werbung, der Comics, der Hollywoodfilme zu erklären. Diesen Weg betritt innerhalb der Kunstwelt in der ersten Hälfte der 60er Jahre allein der Kritiker und Happening-Künstler Allan Kaprow. In seiner Schrift zu Assemblages, Environments and Happenings, die nach Kaprows Zeugnis in den Jahren 1959-1961 verfasst worden ist, werden bereits wichtige Antriebe zu solch einer ungewöhnlichen Argumentation sichtbar. Dort beklagt Kaprow jene don’t touch-Atmosphäre, wie sie in den Kunstinstitutionen Museum und Galerie vorherrsche, er beklagt in vertrauter allgemeiner avantgardistischer Manier die Trennung der Kunst von der Gesellschaft, die Kluft zwischen Kunst und Leben. Folgerichtig sucht er eine neue Kunst, die ihre Substanz und ihre Begeisterung aus der common world zieht. Er findet sie (und begründet sie selbst mit) in den titelgebenden Happenings und Environments: Environments als Umgebungen, in denen sich Personen frei bewegen können, um sich den sinnlichen Eindrücken von vorab lose arrangierten Tönen, Dingen, Materialien hinzugeben oder diese selbst zu verändern bzw. zu schaffen; Happenings als teilweise improvisierte Schauspiele, bei denen Akteure aufeinander sowie auf die Gegebenheiten des Environments oder spärlicher dramaturgischer Vorgaben reagieren und bei denen das Publikum im idealen Fall ebenfalls eingreift. Wie weit sich Kaprow von der herkömmlichen Kunst entfernt hat, kann man daran erkennen, dass er sogar für die Happenings gerne auf das Wort art verzichten würde. Definitiv soll der Bezug zur Hochkultur abgeschnitten werden. Wichtig und nützlich sei für das Happening nicht das Studium klassischer Werke, sondern die Kenntnis ganz anderer Güter und Abläufe: »A United States Marine Corps manual on jungle-fighting tactics, a tour of a laboratory where polyethylene kidneys are made, the daily traffic jams on the Long Island Expressway, are more useful than Beethoven, Racine, or Michelangelo« (1966: 190). Diese in der Tradition von Futurismus und Dadaismus stehenden Ansichten weisen auch den Weg zur Beurteilung der Pop-art. Von einer Bewertung der Pop-art nach Maßgabe eines freien Spiels der Formen, im Sinne eines Bruchs mit dem Alltäglichen, Vulgären, Sinnlichen ist Kaprow weit entfernt: Kaprow schätzt die Pop-art gerade wegen ihrer Verwandtschaft mit der Populärkultur. In den Bildern der Populärkultur nämlich erkennt er Werke von hohem, eigenständigem Rang; in viel stärkerem Maße als die bildende Kunst des 20. Jahrhunderts illuminiere die commercial art, die »real« popular art nicht nur die gegenwärtige wirkliche Welt, sondern auch unsere Einstellungen zu dieser Welt. Wahrscheinlich ohne Kenntnis der Schriften der Independent Group, vielleicht aber angeregt durch Äußerungen des inzwischen in New York arbeitenden Lawrence Alloway sieht Kaprow sogar in der Werbung einen erhabenen Schöpfer mythologischer Bilder; die Werbung könne auf ihre Weise ebenso großartig das Image eines modernen Autos schaffen wie die Kirche einst das Bild Gottes (»advertising in its own way can become

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as great imaging a Buick, as the Church once was in proclaiming God«). In weiteren Vergleichen rückt dann an die Stelle der Kirche die bildende Kunst. Auf den Plakatwänden, den billboards, erkennt Kaprow im historischen Moment visual statements, die genauso originell und fantasievoll seien wie die Werke der zeitgenössischen Kunst. Die commercial art schlechthin stellt Kaprow darum mit der fine art, mit den »useless« arts auf eine Stufe (1989: 70f., 68). Natürlich ist das im Moment in den USA noch eine äußerst ungewöhnliche Einschätzung. Kaprow glaubt jedoch, dass sie schnell Schule machen werde. Die Museen würden bald beginnen, Comic-strips und Plakate auszustellen, sagt Kaprow in einer Weise voraus, die man auch als Aufforderung lesen kann. Vorbereitet sieht er diese Entwicklung (oder Notwendigkeit) durch die bekannten Ausprägungen der bildenden Kunst jener Tage. Im Abstrakten Expressionismus macht er erkennbare Bezüge zu commercial paint surfaces aus, und in der Pop-art sieht er die Aufnahme kommerzieller und industrieller Methoden und Bilder selbstverständlich erst recht am Werk. Wegen seiner Hochschätzung der zeitgenössischen Populärkultur stellt die Tatsache, dass einige der Pop-Artisten selbst zuvor als commercial artists gearbeitet haben, für Kaprow nichts Negatives dar, ebenso wenig der Umstand, dass die Verbreitung der Pop-art sich zu einem beachtlichen Teil dem Einfluss jener art-directors großer Magazine verdankt, die in dieser künstlerischen Avantgarderichtung einen Teil ihrer eigenen Ästhetik wiederfinden (ebd.: 62, 68). Kaprow geht sogar soweit zu sagen, dass die Übereinstimmungen zwischen Pop-art und gegenwärtiger kommerzieller Gebrauchskunst Ersterer viel stärker zum Vorteil gereichen als die Unterschiede, die sie setzt. Dass viele Pop-art-Bilder vergangene Motive aufgreifen – Lichtensteins Bilder entstammten der Ikonografie der 40er Jahre, Robert Indianas Schilder nicht der Madison Avenue, sondern dem kleinstädtischen Flipper-Automaten, Oldenburgs Objekte seien Varianten der Waren eines schäbigen alten Ladens –, weckt bei ihm romantische Erinnerungen und bringt darum noch keine direkte Kritik im Namen der kommerziellen Moderne hervor, auch wenn Kaprow später kurz die nostalgische Atmosphäre vieler Bilder durchaus als Fehler benennt. Äußerst kritisch bewertet Kaprow aber die aus seiner Sicht ironische Attitüde der Pop-art, mit der die Künstler signalisierten, in welch beträchtlichem Maße sie letztlich doch Abstand zur everyday world und ihren populären Bildern und Werten halten wollten. Die wirklich populären Künste hingegen akzeptierten diese Alltagswelt ungebrochen und könnten deshalb einen bedeutenden Beitrag zu ihr leisten; die Pop-art jedoch beziehe sich lediglich auf die kommerzielle Kunst und nicht direkt auf die Welt und ihre Umgestaltung, darum bleibe sie in der Galerie und dem Museum gefangen, in der Welt der Kunst, der Ästheten, aber ebenfalls des smart set und der Moderedakteure (ebd.: 63, 71, 70, 72). Wenn Kaprow auch fest annimmt, dass die Pop-art diese Beschränkung rasch überwinden werde, fällt sein Urteil über ihren jetzigen Zustand harsch aus. Noch ist sie ihm zu chic, zu sehr vom Leben getrennt, sie erscheint ihm »slightly effete, and now and then only titillating, because it does not dare touch the daily power that courses around us. Thus the pop artist puns, reminisces with mock-seriousness, swaggers a little as though part of the crowd, often not entirely funny, nor sad, nor sharply, nor clearly philosophical. The

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result is, consequently, part vers-de-société, part slumming and part daring. This is why persons of culture and refinement love it so much« (ebd.: 70). Die Pop-art ist nach dem Urteil Kaprows zu weit von der Menge entfernt, sie begibt sich nur vorübergehend, mit touristischem Abstand in die wirkliche, kraftvolle Welt, in niedere soziale Sphären hinein (slumming), bleibt spielerisch und ironisch von ihr distanziert, ohne richtiges Gefühl oder philosophischen Ernst auf sie bezogen. Kultur und Verfeinerung, die in den Augen Kaprows die Anhänger der Pop-art auszeichnen, sind demnach hier keine Ehrentitel. Die Umkehrung der Werte vollzieht sich bei Kaprow aber nicht allein aus avantgardistischen Gründen. In seiner nachdrücklichen Kritik der dekadenten, inauthentischen Pop-art steckt auch eine deutliche Abneigung gegenüber einer wichtigen Ausprägung homosexueller Stilisierung. Auf eine ungewöhnliche Weise kehrt so die Abneigung der bewusst traditionell männlich auftretenden Abstrakten Expressionisten (nicht nur der action painter) vor allem gegen Warhols Naivität und Outriertheit wieder (the »swish« thing; Warhol 1980: 12; vgl. Cresap 1999; Whiting 1997: 133f.), eine Abneigung, die auch von Warhols antiexpressiver, temperamentloser, unpersönlichkünstlicher Auslegung dieser Rolle keineswegs gemildert wird. Ungewöhnlich ist das, weil Kaprow die Pop-art ja nicht im Namen der abstrakten Kunst kritisiert, sondern im Namen der zeitgenössischen Populärkultur. Die commercial art ist nach seiner Einschätzung »truer to life« und more virile, Lebensnähe ist für ihn gleichbedeutend mit größerer Männlichkeit. Traditionell der Populärkultur zugeschriebene feminine Anteile – das Schwächliche, Süßliche, Neckische, Kitzelnde – verschwinden aus Kaprows commercial art und kehren als Eigenschaften der Pop-art wieder (titillating; a little cute). Den Zug jener im Namen der interesselosen Abstraktion argumentierenden Anhänger der Pop-art, den kühlen, potenziell entgegenständlichten Zugriff der Pop-art auf die Populärkultur als männliche Überwindung der als weiblich erachteten Konsumkultur auszugeben (vgl. Whiting 1997: 136f.), vollzieht Kaprow nicht nach. Er entscheidet sich vielmehr dafür, der Pop-art aufzutragen, sie solle sich von ihren künstlichen Züchtungen lösen und dem (angeblich) wilden Leben des Marktes zuwenden, sie solle das hothouse milieu zugunsten des alltäglichen städtischen Treibens verlassen. Die Aufgaben, welche die Pop-art nach dem Willen Kaprows dort zu erfüllen hätte, sind von den laufenden Projekten der Werbung grundsätzlich nicht verschieden, einen besonderen Zuschnitt erfahren sie jedoch durch die futuristische Beschleunigung und Vergrößerung, auf deren Maße Kaprow sie abstimmen möchte: »In order for pop art to overcome its preciosity, it must move out into the open. The place for it is in the streets, in Mr. Goodbar ice-cream trucks, all lit up and blaring Ray Charles. I can see it covering huge walls and billboards with Marilyn Monroe or Anita Ekberg selling milk (as in Fellini’s recent film). The carnivals are dying out and whole of Times Square needs the shot in the arm the pop artist can give them. Imagine painting enormous ads amongst the girders of the George Washington Bridge, having the task, like a Renaissance artist, of gauging the perspective from a car below moving at fifty miles an hour. Consider the possibilities in sky-writing, in dropping leaflets, in blimp paintings, or displays dragged through the air. I understand they have developed powerful search lights that can project images against a cloudy sky or on a mountainside. The

Die Durchsetzung des Pop-Konzepts | 99 Macy Parade would offer unlimited opportunities. Chew on the marvels that could be done right in the aisles of America’s supermarkets! If TV programs are not so interesting, the medium is a gold mine to dig! The roads to take are almost unlimited.« (Ebd.: 72)

An solchen möglichen zukünftigen Projekten will Kaprow die jetzige Pop-art blamieren. Erst eine im städtischen Leben und massenmedial präsente Variante der Pop-art könnte aus seiner Sicht die Beschränkungen der preziösen, unmännlichen Kunst überwinden und wahrhaft populär werden. Mit dieser Auffassung und Forderung steht Kaprow in der Kunstwelt aber weitgehend allein, an solch einer expandierenden Gebrauchskunst ist dort kaum jemand interessiert. Recht nahe bei Kaprow liegen allein noch die Maximen eines wichtigen Vertreters der Fluxus-Bewegung, George Maciunas. Maciunas steht wie Kaprow in der avantgardistischen Tradition, die Grenze zwischen Kunst und Leben aufheben zu wollen. Maciunas orientiert sich dabei vor allem an der sowjetischen, kubofuturistischen Variante, auch wenn die FluxusPraxis der Happenings und ready-mades eigentlich anderes vermuten lässt. In der Theorie, in den Absichtserklärungen der Jahre 1963/64 streicht Maciunas jedoch im Bemühen, mit den isolierten Kunstwerken und der Ideologie der »Selbstverwirklichung des Künstlers« zu brechen, besonders die angestrebte Funktionalität der Fluxus-Bestrebungen heraus; die schönen Kunstgattungen sollen eliminiert werden (1996a: 110f.), und damit auch solche modernen Opern und Theateraufführungen wie die Stockhausens oder Kaprows, wie Maciunas ausdrücklich anmerkt (die nicht ganz ungeplanten Happenings Kaprows verbleiben für ihn offensichtlich einfach im Rahmen herkömmlicher theatralischer Inszenierungen; Maciunas 1996b: 42); an ihre Stelle sollen sozial nützliche, angewandte Künste wie industrielles Design, Typografie, Journalismus, Architektur, Ingenieurwissenschaften treten (1996a: 110). Im Kampf gegen die seriöse, reine Kunst macht Maciunas genau wie Kaprow einen großen Schritt auf deren traditionellen Widerpart zu, in Maciunas Fall speziell auf »Vaudeville oder Zirkus, die mehr die populäre Kultur oder gar nicht-künstlerisches Engagement repräsentieren (und von ›kultivierten‹ Intellektuellen schief angesehen werden)«. Eines teilt Maciunas aber mit seinen eigentlichen Gegnern, den kultivierten Anhängern der Hochkultur; auch er hat keinerlei Sympathie für eine Kunst als »kommerzialisierten Artikel« (1996b: 42); zudem zeigen die Beispiele von Vaudeville und Zirkus bereits, dass Maciunas im Gegensatz zu Kaprow bei seiner Annäherung an die populäre Kultur nicht an die Popkultur der Gegenwart, an Billboards, HollywoodStars, Supermärkte denkt. Großen Anhalt findet darum insgesamt nur eine von Kaprows Einschätzungen zur momentan eingeschränkten Rezeption der Pop-art. Viele weitere Kunstkritiker stimmen zumindest mit Kaprows Beobachtung überein, das Publikum der Pop-art sei überwiegend arrogant und »arriviste« (Tillim 1997b: 135), den neureichen Sammlern stünden aufstrebende Galeristen und junge Kritiker zur Seite, welche die Chance nutzten, sich in einem kühnen Akt der Distinktion und ästhetischen Umwertung aus dem Griff der etablierten, anerkannten Kräfte der Kunstwelt zu befreien (Canaday 1997: 120). Freilich gibt es unterschiedliche Angaben zum Zuschnitt dieses Publikums. Canaday sieht in ihm doch nur eine weitere Auflage des art-conscious public, das in der Moderne stets auf Überraschungen und Neuerungen warte;

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darum sei es auch bereit, den von ihm gegenüber den Gegenständen der kommerziellen Kunst empfundenen Horror angesichts der Bearbeitungen durch die Pop-art in einen »artificially induced frisson of pleasure« umzuwandeln; von Pop sei das folglich weit entfernt: »›Pop‹ is short for ›popular‹, in the sense of ›of the people‹ or ›of the common herd‹, and by definition Pop is thus opposed to fine art created for the cultivated few« (ebd.: 119). Tillim hingegen erkennt in den Anhängern der Pop-art einen ganz neuen Typus des American art public; dieses neue Publikum sei überdrüssig, belehrt zu werden, es wehre sich gegen ihm fremde kulturelle Ansprüche und versuche nicht länger, sich an sie anzupassen. Für Tillim ist das eine teilweise bedenkliche Entwicklung, der neue American taste missachte zunehmend die Maßstäbe der Kunst und damit der Qualität. Andere Kritiker sehen die Emanzipation von den Maßgaben der europäischen Moderne zwar positiver, und selbst Tillim verteidigt das Publikum gegen Susan Sontags Vorwurf, die New Yorker Kunstwelt gebe sich der nationalistischen Anmaßung hin (1997b: 135f.) – trotz der amerikanischen Emphase stimmen sie alle aber mit Kaprow in der Aussage überein, die Anhängerschaft der Pop-art sei gegenwärtig auf ein kleines Kunstpublikum beschränkt. Dies mutet merkwürdig an, weisen viele von ihnen doch ebenfalls mit kritischem Unterton darauf hin, dass die Pop-art auch außerhalb der Kataloge und Kunstzeitschriften ein beliebtes Thema ist. Die Berichte in den Illustrierten scheinen sie aber wohl allesamt eher als schickes Phänomen aufzufassen, das viel mehr über die Redakteure als über die Vorlieben eines breiteren Publikums aussagt. In dem Punkt täuschen sie sich jedoch, wie spätestens die weitere Entwicklung belegt. Auch Teile der Pop-art sind pop im Sinne Canadays, wenn man denn bereit ist, Popularität an den Vorlieben der Mittelschicht zu messen (und nicht nur an einem veralteten Volks-Modell). Wichtiger ist aber in dem Zusammenhang, dass pop als Begriff nicht nur zur Abkürzung für Popularität fungiert, sondern substanzieller gebraucht wird. Die Pop-art leistet einen wichtigen Beitrag dazu, dass Pop (um ab jetzt die deutsche ›Übersetzung‹ zu benutzen) Mitte der 60er Jahre etwas ganz Bestimmtes bezeichnet. Dass diese Form von Pop und mit ihr ein bedeutender Teil der Pop-art populär (also bei vielen beliebt) ist, steht Mitte der 60er Jahre ebenfalls schnell fest. Die Berichte über Bilder der Pop-art in Magazinen mit hoher Auflagenzahl sind dafür nur ein Indiz. Ein weiterer guter Indikator ist, dass einige der Pop-Artisten als neue Persönlichkeiten und Verkörperungen des Zeitgeistes porträtiert werden. Das Phänomen lässt sich bereits 1962 in England beobachten; in Ken Russells Film Pop Goes the Easel (vgl. Brauer 2001: 65ff.) über die Künstler Peter Blake, Pauline Boty u.a. werden die Maler direkt als Teil dessen dargestellt, was Jahre später von den Nachrichtenmagazinen als Swinging London betitelt werden wird, »as part of a youthful group, visually and sonically at ease with mass culture, moving through a festive London of parties, circuses, wrestling matches and street markets to the background of Pop music, the first use of such a soundtrack in an arts documentary« (Mellor 1997: 13). In Amerika heften sich entsprechende Berichte besonders an die Person Andy Warhols. Dessen Lebensstil und der seiner Anhänger scheint den Journalisten großer Magazine mindestens in gleicher Weise berichtenswert zu sein wie dessen Bilder. In einer Newsweek-Reportage aus dem Jahr 1964 wird beides eng zusammengerückt; Warhol male nicht nur den gamy glamour

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der Massengesellschaft – »Campbell’s Soup cans, Marilyn Monroe, tabloid front pages and American ways of dying« – mit jenem »lobotomized glee that characterizes the cooled-off generation«, bei seinen Vernissagen versammle sich auch ein Publikum, das sich selbst genau nach diesem Muster kühl-perverser, ironischer Dekadenz präsentiere: »The elegance of his soup cans, his silk-screened serried ranks of Marilyn pouts or Troy Donahue smirks – even the elegance of his stark, silvery electric chairs and joltingly smudged car crashes, all have brought Warhol success (his bigger pictures sell for about $5,000) and easy entry to that new hip world of blurred genders and sharp characters, the polyestered successors to Scott Fitzgerald’s golden youth« (Anonymus 1964a). Eine deutsche New York-Korrespondentin weiß von der Künstlerparty im Anschluss an die Vernissage knapper, aber mit ähnlichem Tenor zu berichten: »An der Wand Elisabeth Taylors Doppelporträt von Warhol – ein grünaeugiges kühles Wahrzeichen der Zeit. Aus dem Tongeraet tobte Rock and Roll und Beatle-Songs [sic]. Eine Pop-Party par excellence« (Picard 1965: 97). Andy Warhol bietet sich für Berichte dieser Art, in denen Kunstbetrachtung, Zeitgeistdiagnose, Modeschilderung und im Laufe der Zeit immer stärker auch Klatschbericht ineinander übergehen, hervorragend an, weil er seinen Stilisierungswillen über die traditionelle bildende Kunst hinaus weit ausgreifen lässt. In dem komplett silbrig gestalteten Environment seiner Factory stehen dann nicht nur silberne Möbel und Gebrauchsgegenstände, in ihm bewegt sich auch der Künstler selbst mit entsprechend eingefärbtem Haar, wie es der Reporter 1965 in einem Superpop betitelten Zeitungsartikel gleich zu Beginn breit ausmalt (Vaughan 1997). Die zeitweiligen Mitarbeiter oder Partygäste in dieser Lifestyle-Factory werden, sofern sie auffällig genug sind, ebenfalls Warhols Kunstwollen bzw. Stilwillen zugerechnet, zu Beginn vor allem das »Girl of the Year« 1964, Jane Holzer. »›Baby Jane‹, called by Vogue editor Diane Vreeland ›the most contemporary girl I know‹, is a Warhol superstar«, weiß ein Newsweek-Artikel, um sich der Einschätzung gleich argumentativ anzuschließen: »With her mane of blond hair, her hyperthyroid drive and buckshot hedonism, she epitomizes the pants-wearing young set who feed on the hybrid world of pop, flick, and hip« (Anonymus 1997: 280). Oder mit den Worten Tom Wolfes, der mit seinen Reportagen über diese neue Pop Society, wie er sie nennt, selbst schnell einer ihrer bekannten Bestandteile wird: »New Yorks ›Girl of the Year‹ – Baby Jane Holzer – is the most incredible socialite in history. Here in this one girl is a living embodiment of almost pure ›pop‹ sensation, a kind of corn-haired essence of the new styles of life« (1965f: xvi). Nicht zuletzt dank der Aktivitäten Andy Warhols, der Vertreter des neuen Lebensstils in der Factory und auf Parties um sich sammelt, verliert Pop stärker seinen Kunstbezug. Zwar haben Kunstkritiker zuvor bereits manchmal abkürzend von der Pop-art als »Pop« gesprochen, nun aber, ab 1964, umgreift der Begriff »Pop« weitere Gebiete (vgl. Doris 2007: 146ff.). Die Pop-art spielt dabei freilich weiterhin eine wichtige Rolle. »Pop« bezeichnet nicht einfach in abgekürzter Form alles, was populär ist. Diejenigen, die den neuen Begriff einführen, bezeichnen mit ihm häufig Objekte und Lebensstile, denen aus ihrer Sicht ein Zusammenhang mit der Pop-art eigen ist. Zu den Charakteristika der Pop-art, die sie nun außerhalb der bildenden Kunst wiederfinden, zählt für sie neben dem plakativen auch der ironische Gestus; ge-

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rade das Zusammenspiel von unnuancierten Farben, klar abgegrenzten Formen und der (leicht) verfremdenden, aber keineswegs aggressiv entstellenden Referenz auf bekannte Vorlagen, den myths of its time (Fried 1997), prägt für sie dann Pop über die Pop-art hinaus. Recht nahe liegend ist das Konzept, weil in Fernsehserien und in der Werbung schnell Übernahmen aus Pop-art-Bildern oder Nachbearbeitungen im Stile der Pop-art auftauchen (Alloway 1997: 171f.), die zitierende Verfahrensweise der Pop-art also von Teilen der Massenmedien und der zeitgenössischen Gebrauchskunst übernommen wird (vgl. Doris 2007: 140ff., 167ff.). Häufig sind es Werke von Roy Lichtenstein, die man sich dabei zum Vorbild nimmt. Dessen Isolierung und Bearbeitung einzelner Bilder aus Comic-strips, die als Methode selbst innerhalb der im Zeichen der Moderne wertenden Kunstkritik beträchtliche Anerkennung gewinnt (zuletzt Rosenberg 1997), wirkt sogar in erheblichem Umfang auf die Entwicklung der Comics in den 60er Jahren zurück. Lichtensteins Stil, die Absage an »das ›realistische‹ Detail, die Akzentuierung wogender, schwarzer Kurven, die in die Tiefe sausenden Räume, die Ironie«, wird bei den Marvel Comics ebenso deutlich sichtbar wie die von Lichtenstein herausgestellte Technik der Benday-Punkte in der kommerziellen Illustration (Varnedoe/Gopnik 1990: 134, 166f.). Kritiker, die stärker von der bildenden Kunst her kommen, verwenden in den 70er Jahren schon einmal für solch eine teilweise (Rück-)Aneignung der Pop-art durch die üblicherweise abwertend benannte Gebrauchskunst und populäre Kultur rückblickend originelle Begriffe wie mass-pop-art, pop-pop (Eco 1989: 230) oder pop art/3 (Alloway 1989: 178); diese Begriffe können sich jedoch nicht durchsetzen. In den 60er Jahren hätten sie es aber sicherlich noch schwerer gehabt, hier dominiert unter dem Begriff »Pop« eine Sichtweise, die den Zusammenhang der Bereiche betont und nicht deren Unterschiede. Zu einem kleineren Teil wird dabei Pop als schnell wechselnder Trend gefasst, dessen einzelne Ausprägungen von den tastemakers der Pop Society vorgegeben und vom breiten Publikum nachvollzogen werden, um dadurch schnell wieder als out dazustehen und von neuen in-Gegenständen abgelöst zu werden; Pop zeichnet sich in dieser Version gerade durch die Schnelligkeit aus, mit der sich der Zeitgeist wandelt, durch seine Aktualität und Gegenwärtigkeit. Die Life-Essayistin Gloria Steinem illustriert dies in einem ausgedehnten Artikel u.a. an der unterschiedlichen Geschwindigkeit, mit der Pop-art und Op-art verbreitet worden sind. Habe es im Falle der Pop-art noch fünf Jahre gedauert, bis sie aus kleineren in die schickeren Galerien vorgestoßen sei, und weitere Jahre »to reach the full-blown commercialism that has put Pop Art on refrigerator doors«, sei der komplette Zyklus bei der Op-art in zwei Jahren durchlaufen worden: »Millions can now buy Op designs on dresses, bathing suits, umbrellas, book jackets, sport shirts, sofa pillows« etc. (1965: 79). Die überwiegende Zahl der Kommentatoren verwendet Mitte der 60er Jahre jedoch essenziellere, inhaltlich ausgerichtetere Bestimmungen, um Pop eine Kontur zu geben. Es ist keine große Überraschung, dass sich ein solcher Ansatz auch bei Steinem findet – zu Pop (als Kürzel für Pop Culture) zählt sie etwa die Op-art, weil deren Wirkung auf den Sehsinn physical und deshalb demokratisch sei (ebd.: 73) –, meistens liegen ja den Berufungen auf den Mehrheitsgeschmack feste Annahmen zugrunde, wie die Vorlieben der Mas-

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se nun einmal beschaffen sind. In seiner überwiegenden ersten Ausprägung steht Pop jedoch genauer für ein Konzept ein, das sich aus dem herausgestellten Zusammenspiel von Pop-art und Gebrauchskunst ergibt. Newsweek definiert Pop in der Einleitung zu einem weiteren großen Artikel im April 1966 anhand einer Reihe schlagender Beispiele. Pop ist demnach »a $5,000 Roy Lichtenstein painting of an underwater kiss hanging in a businessman’s living room«, Pop ist aber gleichfalls »30 million viewers dialing ›Batman‹ on ABC every week«, es ist ein »Pow! Bam! commercial for Life Savers on TV and a huge comic-strip billboard for No-Cal glaring down on Times Sqare. It’s lion-maned Baby Jane Holzer in a short-skirted wedding dress. It’s the nobra-bra and the no-back dress.« Näher ausgeführt, zeigt sich Pop dem Nachrichtenmagazin als ein neuer Stil in der Werbung – quick, staccato, jump-cut –, als ironische Ausstellung von Klischees (wie in der immens erfolgreichen Fernsehserie Batman), als eine junge Mode, die dem Diktat der Haute Couture absagt, als oberflächliche, antipsychologische Figuration wie im Falle James Bonds – »He is completely in the pop mainstream of anti-tradition, anti-authority. He lives for now and laughs at himself« – und als künstlerische Reizüberflutung, bei der »music, dancing, movies, everything happens at once and assaults all the senses«. Pop ist, zusammengefasst, what’s happening, »anything that is imaginative, nonserious, rebellious, new, or nostalgic; anything, basically, fun« (Benchley 1997). Jenes Konzept der Pop Art, das die Independent Group sich anhand amerikanischer Illustrierten Mitte der 50er Jahre zurechtgelegt hat, findet sich damit zehn Jahre später in genau jenen Magazinen in teilweise neuer, ausgeweiteter Form als »Pop« auf den Begriff gebracht.

Camp und Pop Es ist bemerkenswert, dass die erste wirkungsvolle Fassung eines PopKonzepts, dem über Amerika hinaus auch gleich in anderen westlichen Ländern starke Beachtung geschenkt wird (für Deutschland vgl. Link 2000: 140ff.), großen Illustrierten und Nachrichtenmagazinen entstammt. Das hängt mit der Zurückhaltung der Pop-Artisten zusammen, von denen keiner ein eigenes Manifest vorlegt (auch wenn ohne deren künstlerische Praxis wahrscheinlich anders zugeschnittene Pop-Konzepte aufgekommen wären). Ebenfalls in Zusammenhang steht es mit der weitgehenden Abwehrhaltung der Kunstkritiker gegenüber der sog. kommerziellen Kunst. Die Reserve der Kunstkritiker ist dabei nur ein Indiz für eine weitergehende Abwehr. Unter den meisten Professoren, aber auch unter vielen Intellektuellen abseits der Akademie herrscht weiterhin die Geringschätzung der populären Kultur vor. Andererseits muss man freilich bedenken, dass die Pop-Artikel in Life, Newsweek, Esquire u.a. von vergangenen avantgardistischen, intellektuellen Entwürfen keineswegs vollkommen verschieden sind. Man denke etwa an Marinettis Entwurf eines futuristischen Varietés, in dem dynamische Effekte, Ironie, Travestie, reizvolle Schockmomente dominieren sollen; man denke natürlich auch an Hamiltons Liste zur Pop Art (im Sinne von Pop Culture), auf der Eigenschaften wie »Mass produced / Young (aimed at youth) / Witty / Sexy / Gimmicky / Glamorous / Big business« hervorgehoben stehen. Der mögliche Einwand, dass diese Ansätze den amerikanischen Journalisten im

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Einzelnen nicht bekannt gewesen sind, ist zwar aller Wahrscheinlichkeit nach richtig, besagt aber nicht viel, sind die avantgardistischen Interventionen doch in kritischer, negativer Weise untrennbar mit den allgemein bekannten, in den Akademien und Organen der Hochkultur bestimmenden Maximen der idealistischen Ästhetik verbunden. Legt man etwa Schillers Kritik am Populären – am Bunten und Sinnlichen, am Reiz und an dem Zusammenwurf von Bildern – zugrunde, dann besitzt man eine recht genaue, über die Jahrzehnte im Feuilleton und in den Universitäten getreulich fortgeführte Kontrastfolie, vor deren Hintergrund sich die Pop-Konzeption der Mitt-60er-Jahre deutlich abhebt und darum mit avantgardistischen Absichten übereinstimmt. Einen wichtigen Unterschied gibt es allerdings zwischen den verschiedenen, mit einigem intellektuellen Aufwand betriebenen avantgardistischen Annäherungen an die Populärkultur und dem Pop-Konzept, wie es einem in den amerikanischen Magazinen begegnet. Das Lob der Kälte, mit der sich etwa die Futuristen von der romantischen Seite der Populärkultur schneidend distanzieren, verliert in ihren Seiten seinen bedeutenden Rang. Auch die viel weniger auf Abgrenzung bedachte Feier des glamourösen, nicht modernfunktionalen Designs, wie sie die Independent Group im Hinblick auf die Massenkultur vornimmt, bekommt nun im Zeichen des fun einen weniger ernsten Witz zugewiesen. Auf die Frage »But how outrageous can pop get?« lautet die Antwort im Newsweek-Artikel: »Among the current season’s items are: aluminium wigs, vinyl bangs, vinyl knee decorations, ›neon‹ dresses, huge geometric earrings« etc. Das Künstliche nimmt so einen eher harmlosen Zug an. Weder erschrickt man in traditioneller, konservativer Manier ob seiner Widernatürlichkeit noch entdeckt man darin eine hoch bedeutungsvolle, umfassende Durchdringung des Alltagslebens; es bleibt einfach ein auffälliges modisches Accessoire. Folgt man der Newsweek-Definition, zählt zu Pop allerdings auch das Rebellische, aber letztlich ist doch alles nur ein Spaß. Die Sorge vor den bedenklichen Folgen solch eines Hedonismus ist wie weggeblasen, obwohl doch darauf hingewiesen wird, dass es sich bei diesem modernen um ein massenhaftes Phänomen handelt. Selbst die Männer, heißt es in dem Newsweek-Artikel, scheinen nun Gefallen an der bunten oder sonstwie auffälligen Pop-Mode zu finden, um sich zu dandies in an industrial society zu wandeln (Benchley 1997: 151). An dem Punkt immerhin macht die Pop-Konzeption einmal deutliche Anleihen bei einem zeitgenössischen intellektuellen Entwurf. In dem Organ der linken Moderne, Partisan Review, ist nämlich bereits 1964 zwar nicht von Pop, wohl aber von der gegenwärtigen Gestalt des Dandytums zu lesen gewesen, von seiner Gestalt unter den Bedingungen der Massenkultur. Überraschenderweise hält die Essayistin Susan Sontag die Frage »how to be a dandy in the age of mass culture« für eine problematische Frage, wo man doch meinen könnte, dass es gerade im Zeitalter der Massenkultur besonders leicht sei, sich von der standardisierten Menge abzuheben. Sontag will aber beweisen, dass mittlerweile die Populärkultur selbst auf den Dandy übergegriffen hat. Sontags Lösung des Problems zeigt allerdings sofort den offensichtlichen Abstand zur Pop-Konzeption à la Newsweek auf; während man dort zum Dandy erklärt wird, wenn man in großer Zahl dem auffälligen PopTrend folgt, behält der Dandy bei Sontag seine vereinzelte Gestalt und seinen distinguierten Geschmack.

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Das Besondere an Sontags zeitgenössischem Dandy ist, dass er seine abgehobene Position unangefochten behält, obwohl er seinen Geschmackssinn auf die Gegenstände der Massenkultur richtet. Der neue Dandy suche nicht länger wie seine Vorgänger »seltene, vom Geschmack der Massen unbefleckte Sensationen«, sondern delektiere sich vielmehr an den »derbsten und gemeinsten Vergnügungen, an den Künsten der Masse«. Der zeitgenössische Dandy, hält Sontag mit einer weiteren Formulierung fest, die am äußerst niedrigen Rang der Populärkultur keinerlei Zweifel lässt, sauge den »Gestank« ein und rühme sich darob seiner »starken Nerven«. Einen Unterschied gibt es aber selbstverständlich nicht nur zum Dandy Huysmans’ oder Oscar Wildes. Die Differenz zwischen Dandy und Masse ist unendlich viel größer, obwohl sie nun die gleichen Objekte wahrnehmen. Der Dandy wird bei Sontag keinesfalls Teil der Masse, erkennbar und singulär bleibt er in ihrer Sicht, weil er sich das Massengut auf eine ungewöhnliche, originelle Weise aneignet (1982a: 337f.). Diese seltene Rezeptionsweise, diese bestimmende Art und Weise des »modernen Dandyismus«, führt Sontag unter dem Titel camp. Den Ausdruck übernimmt sie aus dem Vokabular der männlichen homosexuellen Szene (vgl. Booth 1983; Cleto 1999b), ebenso wie viele Beispiele für den speziellen Stil des Camp. Das erste Mal schreibt Sontag 1962 über Camp, als sie in einem kurzen Absatz neben der Verbindung von Camp mit der surrealistischen Vorliebe für zweckentfremdete Alltagsgegenstände vor allem den überlegenen Camp-Witz, der sich bewusst auf Gegenstände abseits der hohen Kunst und des guten Geschmacks richtet, hervorhebt (1982f: 317f.). Trotz dieser frühen eigenen Bestimmungen Sontags ist aber nicht unwahrscheinlich, dass sie für ihren ausführlichen Camp-Essay aus dem Jahr 1964 zusätzliche Anregungen zwischenzeitlich einem Essay des Filmemachers Jack Smith zum Hollywood-Star Maria Montez entnommen hat. Sontag selbst gibt freilich keinen Hinweis auf Smiths Essay, der im Winter 1962/63 in der Zeitschrift Film Culture erschienen ist; die Übereinstimmungen sind allerdings eklatant (1964 wird Sontag immerhin einen Film von Smith mit Nachdruck verteidigen). Smith selber feiert den exaltierten Star Maria Montez nicht unter dem Titel »Camp«, dafür liegt sie ihm zu persönlich am Herzen; in einer charmanten, egozentrischen Formulierung bringt er den Begriff aber unter: Montez’ Filme seien »hilarious to serious persons, beloved to Puerto-Ricans, magic for me, beauty for many, a camp to homos, Fauve American unconsciousness to Europeans«. All diese Wirkungen erzielt Montez nach Meinung Smiths, weil sie die Grenzen des guten Geschmacks und den Vorrang einer konventionellen Handlungsführung hinter sich lässt. Stattdessen ergibt sich Smith ihrer Schönheit, aber auch der Schönheit ihrer künstlichen Film-Sets: »Don’t slander her beautiful womanliness», ruft er aus, »that took joy in her own beauty and all beauty – or whatever in her that turned plaster cornball sets to beauty. Her eye saw not just beauty but incredible, delirious, drug-like hallucinatory beauty.« Von einer klassischen, harmonischen Schönheit redet Smith hier selbstverständlich nicht, das wird schnell deutlich. Der überwältigende Eindruck ihrer Filme stamme aus ganz anderen Quellen, Ausgangspunkt sei bei Montez wie bei den Filmen von Sternbergs »an inflexible person committed to an obsession«. Wenn solche Leute aus seltenen Umständen heraus die Möglichkeit bekämen, ihre Manie zu verfolgen, entstünden höchst

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ungewöhnliche Werke, die mit klassischen Maßstäben nicht zu messen seien: »Results of this sort transcend film technique. Not barely – but resoundingly, meaningfully, with magnificence, with the vigor that one exposed human being always has – and with failure«. Damit nimmt Smith neben der Betonung der künstlich stilisierten, anti-klassischen, obsessiv verfolgten Schönheit einen weiteren Grundzug von Sontags Camp-Konzept vorweg; jedoch mustert er das Scheitern nicht mit distanziertem, ironisch heiterem Blick, sondern sieht darin im Gegenteil einen weiteren Grund gesteigerter Anteilnahme: »Trash is true of Maria Montez flix but so are jewels, Cobra jewels and so is wondrous refinement« – oder mit einer begeisterten Reihung: »Glamorous Rapture, schizophrenic delight, hopeless naivete, and glittering technicolored trash!« (Smith 1997a: 25ff.) Bei Susan Sontag wird aus dem glamourösen trash über ein Jahr später der amüsantere Camp-Geschmack. Als Camp bezeichnet Sontag grundsätzlich eine »konsequent ästhetische Erfahrung der Welt«, eine Erfahrung und Erlebnisweise (sensibility), die vom vollkommenen Vorrang des Stils über den Inhalt gekennzeichnet ist (1982a: 335), damit ist es ihr freilich ernst. Auf den Inhalt der massenkulturellen Produkte, auf ihre Handlungen, auf ihre moralischen Botschaften, auf den Charakter ihrer Protagonisten etc. legt der moderne Dandy keinen Wert, soviel zumindest kann man aus der allgemeinen Bestimmung Sontags wohl ableiten. Von dem gewöhnlichen, in großer Zahl auftretenden Rezipienten der Massenkultur wäre der Dandy demnach elementar geschieden, weil er sich jedes Moment der Identifikation und Einstimmung versagt. Geht man von dieser ersten allgemeinen Bestimmung aus, kann man im Dandy Susan Sontag selbst wiedererkennen. Ihr wichtigstes Anliegen als Kritikerin, mit dem sie sich tatsächlich große Geltung verschafft, besteht darin, die ihrer Meinung nach vorherrschende Ansicht zurückzuweisen, dass ein Kunstwerk in erster Linie aus seinem Inhalt bestehe (1982b: 13). Zu ihrem kritischen Projekt gehört es folgerichtig, den Wert der realistischen Kunst herabzusetzen. Anders gesagt: Sontag möchte die Auffassung diskreditieren, dass es die entscheidende Aufgabe der Kunst sei, die Wirklichkeit darzustellen, ohne durch auffällige, verfremdende Kunstmittel das Bild des (nach Ansicht Sontags vielmehr illusionistischen) künstlerischen Realismus in Frage zu stellen (1982c: 157). Für Sontag verfehlt man das Wesen der Kunst, wenn man ein Werk vornehmlich auf seine manifeste oder verdecktere Aussage hin liest. Das entscheidende Merkmal der Kunst bestehe darin, nicht zu begrifflichem Wissen, zu wahren Aussagen über die Wirklichkeit zu führen, sondern zu einer »Art von Erregung«, zu einem Zustand der Faszination (1982d: 30). Deshalb lenkt Sontag den Blick auf den Stil, um den Rang eines Kunstwerks zu beurteilen, nicht auf dessen Moral oder Wahrheit. Auch die Angabe, es handle sich um realistische Kunst, zeigt dann einen spezifischen Stil an, nicht einen von äußerlicher Form zu trennenden substanziellen Inhalt. Sontags scharfe Kritik gilt darum jenen Kunstbetrachtern, die Werke auf ihre Entsprechung mit der Wirklichkeit hin untersuchen oder auf ihren symbolischen Gehalt hin interpretieren, und selbstverständlich jenen Künstlern, die ihre Werke bereits auf eine solche realistische oder allegorische Lesart hin anlegen, ohne einen Sinn für die eigenständigen, formalen Möglichkeiten der Kunst zu entwickeln (ebd.: 29; 1982b: 19). Sontag sagt damit freilich

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nichts Neues. Auch wenn es zweifellos starke realistische und hermeneutische Lager unter den Künstlern und Kritikern gibt, stellt sich die Sachlage in weiten Bereichen der bildenden Kunst und speziell unter den Kritikern, die wie Sontag u.a. für Partisan Review schreiben, schon seit beträchtlicher Zeit ganz anders dar; Clement Greenbergs scharfe Zurückweisung des realistischidentifikatorischen Zusammenhangs von Leben und Kunst hat dort schließlich bereits Ende der 30er Jahre Schule gemacht. Sontag weiß das natürlich. Selber spricht sie von der abstrakten Kunst als dem Versuch, »keinen Inhalt im gewöhnlichen Sinn zu haben«; ohne Inhalt könne es auch keine Interpretation geben. Gleiches gelte auf umgekehrte Weise für die Pop-art; »indem sie einen so marktschreierischen Inhalt wählt [using a content so blatant, so »what it is«], ist auch sie letztlich nicht interpretierbar«, meint Sontag (ebd.: 18). Dies stimmt zwar nicht, wie einem ein Blick in viele Aufsätze zur abstrakten Kunst und zur Pop-art schnell zeigt, als normative Sätze gewinnen Sontags Aussagen aber ihren Sinn: Die Werke von Johns, Warhol u.a. dürfen nach Einschätzung und Anordnung Sontags nicht als Darstellung populärer Sujets angesehen werden, will man nicht als »oberflächlich« abgestempelt werden: »What makes it possible for a label like Pop Art to stick, and for much new work to be marketed wholesale, is something superficial and misleading: an apparently common ›subject matter‹. It’s possible if one thinks that Lichtenstein’s paintings really are about comic strips, that Andy Warhol’s Marilyn Monroe and Campbell soup cans and electric chairs really are about Marilyn Monroe, Campbell’s soup, and electric chairs, or (to take a senior example) that Jasper Johns’s flag paintings have anything to do with the American flag. In fact, the merit of these paintings is not as an anthology or inventory of Americana, but as a visual experience, a research, if you will, into ways of seeing more rigorously and precisely. (The banal subject-matter is simply an interesting ›given‹ in that experience.) The detachment of the so-called Pop artists is a complex kind of irony; and their work, the best of it, does not depart from the formalist tradition which has been established in modern painting since Cézanne.« (Sontag 1966: 156)

Mit der Angabe, worin die eigentliche Substanz und Qualität der Werke Lichtensteins und Warhols liegt, ist natürlich auch zweifelsfrei festgelegt, worauf sich die Wahrnehmung und Wertschätzung des Betrachters richten soll. Noch nicht beantwortet ist damit jedoch die Frage, worin die Originalität Sontags besteht. Die von ihr hergestellte Nähe von Abstraktion und Pop-art reicht noch nicht aus, um ihren Rang zu erklären. Wenn auch Greenberg selbst in der Pop-art nur eine mindere Kunstanstrengung erkennt, gibt es doch bereits andere Kritiker, die durchaus im Sinne von Greenbergs grundsätzlichem Ansatz die antirealistische Qualität der Pop-art herausstellen. Im gewohnten Rahmen idealistischer, abstrakt interesseloser Argumentation verbleibt auf den zweiten Blick ebenfalls Sontags Aufruf, den Wert eines Kunstwerks an seiner Fähigkeit zu messen, so etwas wie Erregung auszulösen. Diese Erregung ist nämlich stark sublimiert, sie ist vollkommen mit Kants ästhetischem Wohlgefallen vereinbar, das an Formen, nicht an materiellen Reizen gewonnen wird. Wenn Sontag ultimativ fordert, an die Stelle der Interpretation und Auslegung solle eine »Erotik der Kunst« treten (1982b: 22), dann meint sie eine Erotik, die »distanziert, ruhig, kontemplativ, unen-

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gagiert« ist (1982d: 36). Die Differenz zu Kant und seinen Nachfolgern (wie Greenberg) muss demnach woanders liegen. Sie liegt nicht in der Konzeption ästhetischer Erfahrung (auch wenn die Rede von der Erotik anderes suggeriert), sondern in der Bestimmung, was sich als Kunstwerk besonders wert erweist, solche Erfahrung anzuleiten. Die von ihren Zeitgenossen rasch gewürdigte Originalität Sontags zeigt sich in hohem Maße daran, dass sie als Gegenstände jener erotischen Rezeption stilistischer Qualitäten auch Produkte der Massenkultur anführt. Wie bei dem von ihr beschriebenen modernen Dandy stellt es offensichtlich für ihre Nerven gleichfalls kein Problem dar, sich deren Reizen auszusetzen, ohne sofort alle Ruhe zu verlieren (dies hatte die Schule Kants noch für unmöglich gehalten). Und ganz im Gegensatz zur Schule Greenbergs zieht sie als Objekte einer Kunstbetrachtung, die nicht in der Illusion eines realistischen Inhalts aufgeht oder symbolischem Gehalt nachgeht, keineswegs allein abstraktavantgardistische Werke heran. Gerade in der neuen, lange als Teil der niederen Kultur angesehenen Gattung des Films erkennt sie in reicher Zahl jene Kunstwerke, »deren Oberfläche so geschlossen und klar [clean], deren Impuls so stark und direkt ist, daß das Werk sein kann ... nun, einfach sein kann, was es ist.« Als Beispiel dafür nennt Sontag Filme Ingmar Bergmanns, die in ihren Augen über die »prätentiösen Ziele des Regisseurs« triumphieren. Obwohl Filme wie Das Schweigen mit »lahmen Botschaften« geradezu vollgestopft seien, überwände doch »die Schönheit und die Differenziertheit der Bilder« die »öde Pseudointellektualität der Story und einiger Dialoge«. Als Beispiele nennt sie aber sofort anschließend auch »alte Hollywoodfilme« wie die von Howard Hawks und Raoul Walsh, deren Werke gleichfalls einen »befreienden, antisymbolischen Zug« besäßen (1982b: 19f.). Der Einwand, Sontag ziehe als Beispiele für einen Stil, der die eminente Qualität einer geschlossenen Oberfläche garantiert, lediglich besonders avancierte europäische Filme heran, die sich von denen der Populärkultur absetzen, kann darum nicht erhoben werden. Auf ihre spezielle Art vertritt Sontag hier die These Alloways vom Kontinuum zwischen Massenkultur und hoher Kunst. In einem weiteren ihrer Aufsätze, die allesamt in schneller Abfolge 1964/65 erscheinen, kommt dies sogar noch stärker zum Ausdruck. Dort rückt sie ihre ästhetischen Vorstellungen in die Nähe des »Vergnügens in einem althergebrachten Sinne«. Da die »moderne Erlebnisweise« nach ihrer Beobachtung von der Kunst »weniger ›Inhalt‹ verlangt und mehr auf die Vergnügungen der ›Form‹ und des Stils ausgerichtet ist«, sei sie »zugleich weniger snobistisch, weniger moralisch«, verbinde das »Vergnügen in der Kunst« nicht unbedingt mit »Erbauung«. Weshalb ein Mehr an Stilempfinden ausgerechnet mit einem Rückgang des Snobismus einhergehen sollte, verrät Sontag jedoch nicht. Ihre nachfolgenden Ausführungen zeigen allenfalls, dass einer breiteren Auswahl an Gegenständen eine sehr distinktive Aneignungsweise gegenübersteht. Dort geht sie von dem für sie bedeutsamen Umstand aus, dass viele amerikanische Maler »begeisterte Anhänger des ›new sound‹ in der Schlagermusik [popular music]« seien. Diese Tatsache sei nicht das »Ergebnis der Suche nach bloßer Zerstreuung und Entspannung«, sondern reflektiere »eine neue, offene Betrachtung der Welt und der Dinge der Welt, unserer Welt. Sie läßt nicht auf eine Zurückweisung aller Normen schließen; genauso wie es

Die Durchsetzung des Pop-Konzepts | 109 schwache und prätentiöse [pretentious »avant-garde«] Bilder und Filme gibt, gibt es auch mehr als genug stumpfsinnige Schlagermusik [popular music]. Entscheidend ist, daß sich neue Normen entwickelt haben, neue Normen der Schönheit, des Stils und des Geschmacks. Die neue Erlebnisweise ist herausfordernd pluralistisch; sie kennt den quälenden Ernst wie den Spaß, den Witz und die Wehmut. Dazu ist sie außerordentlich geschichtsbewußt; und ihr Enthusiasmus (und seine Verdrängung) ist von rasendem Tempo und Hektik gekennzeichnet. Dieser neuen Erlebnisweise ist die Schönheit einer Maschine oder der Lösung eines mathematischen Problems, eines Bildes von Jasper Johns, eines Films von Godard und der Persönlichkeit wie der Musik der Beatles gleichermaßen zugänglich.« (1982e: 353f.)

Selbst wenn Sontag nicht angibt, worin denn die Norm besteht, die innerhalb des ausgeweiteten, pluralistischen Geländes zwischen guten und schlechten Werken trennt, macht ihre Aufzählung der unterschiedlichsten, aber unisono schönen Werke von eleganten mathematischen Formeln über Jasper Johns’ Bilder bis hin zum Auftritt der Beatles eines deutlich: Der Unterschied zwischen den Vertretern der neuen Sensibilität und den Millionen Beatles-Fans muss sehr groß sein. Man braucht wohl kaum zu erwähnen, dass Letztere keinen Zusammenhang zwischen mathematischer Abstraktion, moderner Kunst und den Beatles-Songs erkennen; ihre Erlebnisweise sollte von jener der neuen Sensibilität demnach weit entfernt sein, auch wenn beide sich im Falle mancher Interpreten der neuen Beat-Musik einmal auf die gleichen Gegenstände richten. Sontag schreibt zwar angesichts der von ihr favorisierten Kunstbetrachtung, die sich auf die Schönheit des Stils, der Oberfläche konzentriert, treffend: »Wenn die Kunst als eine Form der Schulung unserer Gefühle und der Programmierung unserer Sinneswahrnehmung verstanden wird, dann könnte das Gefühl, das von einem Bild Rauschenbergs evoziert wird, von der gleichen Art sein, wie jenes, das ein Lied der ›Supremes‹ erweckt« (ebd.: 353) – sie unterlässt es aber zu erwähnen, dass solche Wahrnehmungen ganz sicher nicht bei der Mehrheit der Supremes-Anhänger zu finden sein werden, für die ein Rauschenberg-Bild, wenn sie ihm denn ausgesetzt würden, keine Anklänge an den Motown-Sound bereit hielte. Die Distanz zwischen der Masse bzw. ihrer Aneignung der Populärkultur und jener speziellen modernen Erlebnisweise, wie sie Sontag etwa bei vielen zeitgenössischen amerikanischen Malern, die sich teilweise an den »Künsten der Masse« erfreuen, und bei sich selbst ausmacht, wäre somit erklärt. Der Unterschied entspringt auf Seiten der modernen Ästheten aus einer Sensibilität, die erstens viel stärker auf den Stil, auf die Oberfläche des Werks ausgerichtet ist und zweitens Werke der Populärkultur nur schätzt, wenn sie etwas Ähnliches auslösen wie Werke der modernen Kunst oder intellektuellen Raffinements. Sontags im Rückblick, dreißig Jahre später getroffene Einschätzung, mittlerweile seien ihre Wertungen auf eine Weise Gemeingut geworden, die sie bereits damals hätte vorhersehen und zu vorsichtigeren Formulierungen greifen lassen müssen, schießt darum weit über das Ziel hinaus. Sontag schreibt 1996: »The ever more triumphant values of consumer capitalism promote – indeed, impose – the cultural mixes and insolence and defense of pleasure that I was advocating for quite different reasons.« Ihre teilweise Selbstanklage, sie habe in den 60er Jahren mit den Boden des gegenwärtigen »Zeitalters des Nihilismus« bereitet (2001a: 311), ist aber nicht allein deshalb

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übertrieben, weil ihre damaligen Gründe andere waren (und ihre heutige Zeitdiagnose, nebenbei gesagt, fragwürdig ist), sondern auch weil sie eine andere Art von Lust vertreten hat. Dass Sontag Mitte der 60er Jahre und oft darüber hinaus als Verfechterin der Pop-Kultur gilt, sagt mehr über die hochkulturellen Einstellungen der übrigen intellektuellen Kritiker als über Sontag selbst aus. Offen ist dann noch die Frage, ob die neue Kunst und die neue Erlebnisweise, die Sontag in ihren Aufsätzen Mitte der 60er Jahre vorstellt und propagiert, mit den Vergnügungen des Camp-Dandys und den Objekten seines Genusses übereinstimmt. Von den Betrachtungen Sontags zum zeitgenössischen Dandyismus und zu den »Künsten der Massen« sind wir ja ausgegangen, um schnell festzustellen, dass die Postulate zum Vorrang des Stils über den Inhalt, die dort als Charakteristikum des Camp-Intellektualismus verzeichnet werden, Sontags eigenes kritisches Programm dominieren. Trotz dieser Übereinstimmung muss man aber festhalten, dass der CampGeschmack einige Unterschiede zu der neuen Erlebnisweise aufweist, von der Sontag sonst spricht. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass Sontag im Camp-Aufsatz einiges dazu beiträgt, die Differenzen zu verwischen; so zählt sie etwa die aktuelle popular music – »das, was nach Rock ’n’ Roll kam und von den Franzosen yé yé genannt wird« – bzw. ganz undifferenziert »das Gebräu aus der Tin Pan Alley und aus Liverpool« zum Camp (1982a: 325), genau die Musik also (in der deutschen Übersetzung steht 1980 [!] an Stelle von popular music noch »Schlagermusik«), die sie in ihrem Aufsatz zur neuen Sensibilität im Falle der Beatles auf eine Stufe mit Godard-Filmen, mathematischen Formeln und Bildern von Jasper Johns’ gestellt hatte; so spricht sie vor allem jene in ihren Aufsätzen Über den Stil und Gegen Interpretation äußerst positiv veranschlagte Vernachlässigung inhaltlicher Momente bei der Kunstbetrachtung ebenfalls der Camp-Sensibilität zu. Auch wenn die Beispiele sich in dem Fall einmal aus unbekannten Gründen überschneiden (vielleicht liegt es am prekären Status der Beat-Musik), lässt sich der Unterschied zwischen neuer und Camp-Sensibilität aus Sontags Aufsätzen insgesamt aber zweifelsfrei entnehmen. Erstere verortet sie durchweg auf der positiven Seite der Norm, Camp hingegen besitzt einen zwielichtigeren Status. Sontag bekennt, von Camp fast ebenso stark abgestoßen wie angezogen zu werden (ebd.: 322). Eine ihrer Definitionen von Camp spiegelt diese Ambivalenz getreulich wider: Etwas sei gut, weil es schrecklich sei, lautet nach Sontag eine typische Camp-Aussage – was aber keineswegs zwangsläufig bedeute, dass alles Schlechte, Minderwertige zum Camp geschlagen werden könne; Camp bestehe nicht aus einer einfachen Umwertung aller ästhetischen Wertmaßstäbe. Die Objekte, auf die sich der CampGeschmack richte, zeichneten sich vielmehr durch bestimmte Merkmale aus, sie seien in ihrer Formensprache und ihrem Ausdruck übertrieben zugespitzt oder ungemein dekorativ ausgeführt, entweder auf eine bewusst spielerische oder missglückt ernsthafte Weise; ihr äußerst hoher Grad an Kunstmäßigkeit überwuchere den Inhalt, die Botschaften der Werke und dementiere dadurch die Seriosität ihres Anliegens (ebd.: 322, 341, 325, 334, 331). Weil die Camp-Gegenstände auf ihre besondere Art einen Gegenentwurf zu einer inhaltsfixierten realistischen Kunst und Ästhetik bilden, nehmen sie einen Platz in Sontags Kanon ein. Der »überentwickelte Stil« tritt für sie noch nicht aus dem Reich des Stils heraus. Selbst die »Überspanntheiten [ec-

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centricities] der stilisierten Kunst« des Camp bieten nach Sontags Einschätzung der ästhetischen Sensibilität »wertvolle Befriedigungen«. Im Kontinuum von Stil und Stilisierung gibt es aber dennoch Wertunterschiede. Es liege auf der Hand, dass eine stark stilisierte Kunst wie die des Camp, welche »eindeutig eine Kunst des Exzesses ist und keine Harmonie kennt, niemals höchste Kunst sein kann«, dekretiert Sontag (1982d: 37, 28). Trotz dieser ganz und gar klassizistischen Position erfährt Sontag jedoch in einem Leserbrief an Partisan Review von einem anderen Anfang der 60er Jahre stark beachteten Feuilletonisten eine scharfe Kritik; sie trage dazu bei, das Gute in moralischer wie ästhetischer Hinsicht vom Schlechten ununterscheidbar zu machen, lautet der dort erhobene Vorwurf (Simon 1965). Der Vorwurf ist aber allenfalls zur Hälfte berechtigt (Sontag 1965: 157f.). Er ist verständlich, weil Sontag in ihrem Aufsatz derart viele CampBeispiele mit Sympathie (oder zumindest ohne Antipathie) anführt, dass man vielleicht ihre Wertabstufungen übersehen kann. Ansatzweise berechtigt ist er aber nur insofern, als Sontag trotz des von ihr behaupteten Vorrangs klassizistischer Harmonie und Mäßigung den Verstößen gegen die Norm keineswegs jeden Wert abspricht, sondern sehr vielen Beispielen starker Stilisierung positive Geltung zuspricht. Ganz traditionell führt sie dabei zum einen alle wichtigen historischen Ausprägungen antiklassizistischer Kunst an, den Manierismus und vor allem die Kunst der Preziösen und des Rokoko sowie zuletzt den Jugendstil. Zum anderen – und das macht in den Augen des konservativeren Geschmacks erst den Skandal aus – stellt sie aber auch viele Beispiele aus der Populärkultur in diese Reihe. Bestimmte Comics, B-Filme, outrierte Schauspieler, extravagante Inszenierungen der Stars zählen für Sontag ebenfalls zu jener stilistischen Überformung, die sie mit dem neuen Titel Camp belegt. Unter den Begriff »Camp« fällt jedoch nicht nur eine bestimmte Klasse von Gegenständen. Als »Camp« bezeichnet Sontag ebenfalls eine eigentümliche Wahrnehmungsweise, die genau zu der übermäßigen Stilisierung der Gegenstände passt. Die Camp-Sensibilität besteht freilich aus mehr als dem Vergnügen an übertrieben dekorativen oder ernsthaft angelegten, aber auf nicht tragische, naive, unbeabsichtigt ironische Weise scheiternden Werken. Sie zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie die Welt als ästhetisches Phänomen betrachtet und nicht als Anlass moralischen oder politischen Engagements; die Camp-Sensibilität ist geprägt von dem Verfahren, den Inhalt zugunsten der Oberfläche zu vernachlässigen, um so das Ernste ins Frivole zu verwandeln; die Substanz wird dabei als spielerische Konstruktion kenntlich gemacht; die dafür nötige (nicht interesselose) Distanz läuft der gewohnten, als essenziell und notwendig gedachten Auffassung und Identifikation zuwider: »Camp sieht alles in Anführungsstrichen«, wie Sontag pointiert anmerkt (1982a: 324, 322, 327). An anderer Stelle hält sie jedoch fest, dass die Macht des Betrachters nicht grenzenlos sei; nicht alles könne als Camp gesehen werden (ebd.: 324). Der Widerspruch löst sich auf, wenn man den Unterschied deutlicher formuliert: Auf der Seite des Objekts müssen die manieristischen Eigenschaften gegeben sein, um es als Camp klassifizieren zu können – der CampSensibilität ist es hingegen möglich, in allem das Uneigentliche, Künstliche zu erkennen. In klaren eigenen Worten weist Sontag wiederum auf einen weniger grundsätzlichen Unterschied hin; ihr geht es um die Erklärung, weshalb

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der Camp-Geschmack sich tatsächlich so häufig auf Dinge und Werke bezieht, die aus der Mode gekommen sind; den Grund sieht sie darin, dass im Unterschied zu aktuellen Phänomenen, deren inhaltlichem Gewicht und moralischer Bedeutung man sich nur schwer entziehen könne, ältere Themen einen weniger zur Stellungnahme zwingen und folglich einen ästhetischspielerischeren Umgang erlauben. Als Beispiel führt sie die Imitation eines historischen Crooners durch eine zeitgenössische Band an; die ursprünglich diskreditierende Banalität des schmalzigen Gesangs stelle nun kein Hindernis der Wertschätzung mehr dar: »Viele von denen, die heute an dem von der englischen Pop-Gruppe ›The Temperance Seven‹ wiederbelebten Stil Rudy Vallees ihr Vergnügen haben, hätten vor Vallee in seinen besten Jahren binnen kurzem die Flucht ergriffen« (ebd.: 333). Wie lässt sich diese Beobachtung aber mit Sontags bereits zitiertem Diktum vereinbaren, Camp sei der moderne Dandyismus? Dem Dandy als dem »Kenner des Camp« billigt sie ja zu, dass er gerade an den gewöhnlichsten Vergnügungen, sprich den Künsten der Masse, sein ungewöhnliches Gefallen finde. Eindeutig ist damit festgestellt, dass die Camp-Sensibilität sich nur bei wenigen antreffen lässt, neben dem Dandy nennt Sontag alternativ an auseinander liegenden Stellen »kleine urbane Gruppen« und Homosexuelle als ausgezeichnete, snobistische Träger des esoterischen Camp-Geschmacks (ebd.: 337f., 322). Eindeutig ist damit auch markiert, dass der Camp-Dandy über ein äußerst weitreichendes Vermögen der originellen, distanzierenden Rezeption der Massenkultur verfügt; Sontags Hinweis auf die bevorzugt altmodischen Gegenstände des Camp-Geschmacks steht dazu allerdings in klarem (wenn auch unerklärtem) Widerspruch. Befremdlich ist ebenfalls Sontags Konzeption der Populärkultur. Viele ihrer Hinweise zeigen, dass sie in der stilistischen Übersteigerung ein häufig anzutreffendes Merkmal der Produkte der Massenkultur sieht. Aber ist, um nur ein Beispiel anzuführen, das Genre der Beatmusik, wie Sontag meint, wirklich von Camp durchsetzt (ebd.: 325)? Noch fragwürdiger ist jedoch ohnehin die für sie wichtige Trennung von Dandys (bzw. der Vorhut kleiner, oftmals homosexueller, städtischer Gruppen) und den Anhängern der Populärkultur, denen nach Sontags Beobachtung das intellektuelle und vor allem ästhetische Raffinement fehlt, um die Produkte der Massenkultur im Sinne der Camp-Sensibilität wahrzunehmen. Es geht hier nicht einmal darum, die postulierte Trennung aus politischen Gründen zu kritisieren (Ross 1989: 152f.). Die These von der Trennung, die Sontag 1964 als Tatsachenfeststellung trifft, ist bereits in dem Moment ihrer Formulierung von der Wirklichkeit überholt. Ironischerweise kann man das sehr schön an der Aufnahme von Sontags Camp-Aufsatz selbst ablesen. Sontags Aufsatz wird unmittelbar von zahlreichen anderen Kritikern und Essayisten aufgegriffen. Den Ausdruck camp, der zuvor zumindest schriftlich kaum gebraucht worden ist, findet man nun plötzlich in zahlreichen Artikeln zur Pop-art und zur Popkultur. Sontag selber hat die Pop-art weitgehend von Camp getrennt, obwohl beide in ihrer Sicht einer verwandten Haltung entspringen; beide setzen die Produkte der Massenkultur in Anführungsstriche, könnte man Sontags Anmerkung zu Camp ausweiten, schließlich schreibt sie in einem ihrer Aufsätze selbst, dass die Pop-art »Artefakte einer Massenzivilisation« aufgreift, ohne sich dabei der Pflicht zu unterwerfen, »stets entweder gutzuheißen oder zu tadeln, was in der Kunst dargestellt oder – im weite-

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ren Sinne – im Leben erfahren wird« (1968: 481). Trotz dieser Einschätzung fällt Sontag die Trennung der Pop-art von der Camp-Sensibilität aber nicht schwer; in ihrem Hinweis auf die von ihr erkannte Weigerung der Pop-art, sich affirmativ zu den Gegenständen der Massenkultur zu verhalten, steckt bereits der Kern dieser Operation: Die meisten Pop-art-Bilder seien im Vergleich zu Camp »fader und trockener, ernster und gleichgültiger, letztlich nihilistisch«, heißt es kurz und prägnant am Ende von Sontags Camp-Notizen (1982a: 340). Von der Kunstkritik wird der deutliche Trennungsstrich jedoch oft ignoriert. Unter direkter Berufung auf Sontags Camp-Aufsatz schreibt John A. Richardson im Journal of Aesthetics and Art Criticism, auf dem Gebiet der Malerei überschneide sich Camp mit Pop (1997: 157). Sidney Tillim überträgt seine Feststellung, dass Sontag Camp als wichtigen Aspekt der contemporary scene eingeführt habe, direkt auf die Pop-art-Szenerie (1997b: 136). Mario Amaya sieht den »twisted or ironic humour called ›Camp‹« ebenfalls in der Pop-art am Werke, selbst High Camp und Indifferenz bilden für ihn keinen Widerspruch (1965: 20, 103); Parker Tyler definiert in seinem Essay zu den Filmen Warhols Pop wörtlich als parodistischen »cult of the readymade re-processed for the uses of camp entertainment« (1989: 94). Gedeckt wird die Ausdehnung von Sontags Bestimmungen neben der Annahme, dass die Pop-art in genügendem Maße spielerisch und ironisch-affirmativ agiere, wohl auch durch die Tatsache, dass sie, wie bereits Kaprow herausgestellt hat, in ihren Bildern oft auf bereits wieder nostalgische Themen der Massenkultur zurückgreift, auf ’forties pin-up girls und cars of the ’fifties (Amaya 1965: 20); immerhin, neben dem Design der Haifischflossen, das die Independent Group bereits an den amerikanischen Autos so sehr bewundert hat, taucht etwa im Werk Wesselmanns auch häufiger der moderne Volkswagen auf (vgl. Mamiya 1992: 19ff.). Doch es geht noch weiter. Werbung und Design beziehen sich zunehmend auf Bilder der Pop-art, das Kontinuum von traditionell als hoher und niederer getrennter Kunst ist damit von beiden Seiten hergestellt (Alloway 1989: 178f.); die Annahme, dass die Pop-art beim breiteren Publikum Erfolg habe, weil sich dieses in den Gemälden unmittelbar an jener Bildwelt erfreue, welche die Pop-art der kommerziellen Kunst entnehme (Amaya 1965: 18), wird dadurch zugleich widerlegt und nur auf einer höheren Ebene bestätigt. Widerlegt wird sie, da Teile der Werbung und der Gebrauchskunst Farbgebungen und Formprinzipien der Pop-art selbst aufgreifen; die Popularität der Pop-art rührt also nicht allein daher, dass sie Motive aus Hollywood-Filmen, aus Illustrierten-Fotos und -Anzeigen etc. übernimmt. Sogar ein deutscher Feuilletonist sieht deshalb, nachdem er eine Pop-artAusstellung verlassen hat, in der alltäglichen Szenerie »nichts als Pop«, die Kaffeemaschine, die Dusche, das Mädchen in der Slip-Reklame: »alles Pop« (Sello 1964). Es geht aber schnell nicht allein darum, dass die Pop-art einen die eigene Alltagswelt neu entdecken lässt, sondern um die Überformung dieser Alltagswelt nach Vorgaben, die der Pop-art entnommen sind. Der New York Herald Tribune kann das schon 1965 in einer Sonntagsbeilage ausbreiten: »What starts with Pop art, like Andy Warhol’s tomato soup cans has suddenly become Pop living! It’s the far out in fashion, decorating, design and beauty: crocheted sweatshirts, jack of hearts refrigerators [...], the High Camp Look of lucite furniture« (zit. n. Amaya 1965: 72).

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Die großen amerikanischen Magazine und Illustrierten greifen das neue Pop-Konzept folgerichtig auf, weil sie in ihm einen wichtigen Zug des Zeitgeistes erkennen. Von den Pop-Artisten, die immerhin Sontags Annahme, dass Camp ein Spiel kleiner, dandyistischer Cliquen sei, bewahrheiten, geht es damit in wesentlich größere Kreise hinein. Ohne Angabe der Urheberin übernimmt Gloria Steinem in Life Sontags Camp-Ansatz, um Camp im Umfeld der pop culture zu situieren (1965: 84, 80), für andere zielt Camp sogar direkt ins Zentrum der zeitgenössischen Populärkultur (Nachweise bei Torres 1996: 245). Im Gegensatz zu Sontag stellt für sie der Zusammenhang von Camp und Massenkultur überhaupt keinen Gegensatz dar; sie führen keinen stilbewussten Ästheten und Dandy ein, der sich aus seiner distanzierten Position einen ungewöhnlichen Camp-Zugriff auf die Gegenstände der Populärkultur erlaubt; von ihrer Warte aus gesehen ist Camp vielmehr ein Massenphänomen; der Camp-Geschmack setze sich zunehmend über den good taste durch, heißt es ohne besorgten Unterton etwa im New York Times Magazine (Meehan 1965: 114). Die ironisch gebrochene, aber dennoch spielerisch-begeisterte Aufnahme teils bereits nostalgischer populärer Objekte, teils neuer, bunt stilisierter, einer Lektüre der Oberfläche entgegenkommender Artefakte ist in den Augen der Zeitgeist-Kommentatoren Mitte der 60er Jahre kein Privileg eines abgeschlossenen, alternativ-elitären Zirkels (von den späteren Interpretatoren der Camp-Historie, die an politischer und/oder Gender-Subversion ausgerichtet sind, werden diese popularisierenden Camp-Artikel natürlich fast immer kritisiert oder zumindest keiner näheren Erörterung für wert befunden: Ross 1989: 150; Cleto 1999b; vgl. Robertson 1996: 120; andere sehen bereits in Sontags Camp-Aufsatz bloß eine »unter dem Banner von Pop« vorgenommene missliche, heterosexuelle, entpolitisierende Entwendung der queerparodistischen Auflösung bourgeoiser Gender-Identitäten: Meyer 1994: 10). Die weit fortgeschrittene Annäherung von Avantgarde und amerikanischer Gesellschaft, die Albert Goldman 1965 feststellt, kann man darum von zwei Seiten aus beobachten. Zum einen kann im Camp-Geschmack die nur leicht verdeckte Einverständniserklärung der Boheme mit den regressiven Zügen der populären Kultur entdeckt werden. »The whole tendency of the avant-garde ›revolution‹ is toward an ever greater degree of infantilism and regression, an acting out of ever more rudimentary fantasies of sex, anger and narcissism«, glaubt Goldman, um von dieser Behauptung aus über die CampÄsthetik einen Bogen zu den Vorlieben des amerikanischen Mainstreams zu schlagen: »As these are precisely the same tendencies that are slowly coming to the surface of middle-class conformity, the avant-garde is merely a projection of the mass unconscious. Surely it is no accident that in its latest and best publicized phase, called ›camp‹, the avant-garde has embraced with the nostalgia of unrelinquished childhood all the most blatant and banal aspects of American popular culture from the comic strips to horror films, from the cut-outs on the back of cereal boxes to the flaring poster of the unattainable movie queen.« (Goldman 1971a: 207)

Zum anderen braucht der Camp-Geschmack gar nicht avantgardistischen Kreisen als Trägerschicht zugeordnet werden, sondern kann als Allgemein-

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eigentum der ersten amerikanischen Generation aufgefasst werden, deren Wirklichkeit weitgehend von der zweiten Realität der Medien bestimmt gewesen ist. Es ist wiederum Albert Goldman, der auf dieses schichtenübergreifende Phänomen hinweist und es bereits in das Jahrzehnt vor der Durchsetzung des Camp-Begriffs datiert: Bereits in den 50er Jahren habe in Amerika eine Abkehr von dem Purismus der Moderne eingesetzt und sich eine enorme Welle der Nostalgie ausgebreitet, »as the first generation ever to receive its magic visions and fairy tales exclusively from late-afternoon radio, evening newspapers and Saturday movies gradually recalled – with embarassed joy – the emblems of its relinquished childhood« (1971c: 330). Das Musterbeispiel der Zusammenführung von Camp und Popkultur liefert in der Gegenwart der 60er Jahre die Adaption des Comic-strips Batman durch den Fernsehsender ABC. Nicht einmal die moralisch besorgte Denunziation, die Fernsehserie bediene einen homosexuellen Geschmack und verwirre die Gender-Ordnung (vgl. Benchley 1997: 151f.; Torres 1996) – ein Vorwurf, der bereits in den 50er Jahren im Falle Batmans mit zu der Anklage gegen die jugendverderbenden Comics insgesamt gehörte (Wertham 1954) und nun durch die Camp-Stilisierung neue, andere Nahrung erhält (Gornick 1966; vgl. Whiting 1997: 178f.; Medhurst 1991) – kann etwas an dem enormen Erfolg der Serie ändern. 30 Millionen Zuschauer verfolgen die seit Januar 1966 ausgestrahlten Folgen; mit hunderten Produkten, die sich in einzelnen Fällen über hunderttausend Mal verkaufen, ist Batman der bis dahin größte Lizensierungs- und Merchandising-Erfolg in der Geschichte der Unterhaltungs- und Konsumgüterindustrie (Benchley 1997: 150). Zumindest den erwachsenen Zuschauern der Serie wird stets zugestanden, dass sie Batman nicht als Wirklichkeitsrepräsentation, sondern als Camp auffassen würden (vgl. Torres 1996: 254). Unter dem Titel The Caped Crusader of Camp stellt die New York Times Anfang 1966 entsprechend heraus, dass in der Fernsehserie die »pop art technique of the exaggerated cliché« so weit getrieben werde, bis sie zum Amusement der Erwachsenen beitrage (Stone 1966). Die außerordentlich hohen Einschaltquoten lassen zumindest keinen Zweifel daran, dass die antirealistische, spielerisch bunte Stilisierung der Serie im Sinne der Pop-art (vgl. Linck 2004: 37ff.) keineswegs auf den Widerstand großer Zuschauermengen stößt. Deshalb ist es erstaunlich, dass die vertraute Reaktion der moral panic (um den treffenden Ausdruck von Stanley Cohen zu benutzen), wie man sie aus den 50er Jahren auch angesichts von Rock ’n’ Roll und Rowdys bzw. Halbstarken kennt, jetzt ausbleibt. Da im Weltbild der moral panic Comics, Schundhefte, B-Filme, aggressive Musik für junge Menschen gefährlich sind, ist damit ja nicht die Schlussfolgerung verbunden, sie seien Erwachsenen freigestellt. Vielmehr herrscht die Gewissheit vor, ein anständig erzogener Erwachsener greife darauf ohnehin nicht zurück. Ab Mitte der 60er Jahre wird diese Gewissheit nun auf breiter Front widerlegt, dennoch machen die großen Illustrierten und Nachrichtenmagazine keine Anstalten, sich besorgt oder kritisch dazu zu verhalten. Ganz im Gegenteil, in ihrer Pop-Variante wird die Massenkultur für die Moral und Ästhetik der Mittelschicht mehr als nur hinnehmbar. Pop infiltriere jetzt auch die hinterlands, heißt es April 1966 in Newsweek in durchaus euphorischem Ton (Benchley 1997: 148); die Überwindung der alten kleinbürgerlichen Pflichtvorstellungen durch das neue fun-Ethos ei-

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ner jüngeren Mittelschichts-Generation geht unter dem Zeichen von Pop rasch voran. Der mangelnde Ernst, der es Camp ermöglicht, sich vornehmlich ältere Produkte der Massenkultur auf spielerische Art neu anzueignen, führt Mitte der 60er Jahre nach Einschätzung vieler Kommentatoren in der anwachsenden Popkultur nicht zu einer unverantwortlichen Frivolität, sondern zu einem bunten Spektakel der Oberfläche, dessen fehlende Tiefendimension viel stärker als positiver Ausdruck überwundener Zwänge und Gefahren denn als alarmierendes Symptom gefährlicher Lüste und bedrohlicher Bildungsverluste angesehen wird. »Aside from a certain built-in-democracy, the most crucial requirement in all areas of Pop Culture is that it really reflects the spirit of Now«, schreibt Gloria Steinem in affirmativem Ton; ausgezeichnet sieht sie die Gegenwart durch eine stetig ansteigende Internationalität, durch die Haltung einer ganzen Generation, die ohne direkte Erinnerung an einen Krieg aufgewachsen ist, durch »the final shedding of prewar morality, freedom of movement in clothes as well as travel, affluence, vitality and a wholesale blossoming of idiosyncrasy in the face of big problems and bland governments« (1965: 75). Wohlstand, Übersteigung national-kultureller Grenzen, Bewegungsfreiheit, individuelle Wahlmöglichkeiten gehen in das Bild einer Popkultur ein, die dem liberalen Beobachter überhaupt nicht mehr bedrohlich erscheint, obwohl auch Elemente der negro subculture und der Rebellion zu ihr geschlagen werden. Steinem meint den Life-Lesern darum 1965 noch Ratschläge erteilen zu müssen, wie man Teil der Popkultur, damit Teil dessen, was in ist, wird; ein eigentlich unmögliches Unterfangen, schreibt sie doch selbst, dass die in-Welt des Pop gerade daraus bestehe, mit den Vorstellungen und den jeweils aktuellen Geschmacksvorlieben der Mittelschicht zu brechen (ebd.: 80ff.). Wenige Monate später ist angesichts des Erfolgs neuer Fernsehserien, Kleidungsmoden, Werbekampagnen, die teilweise auf den Farben und Zitierweisen von Pop-art und Camp beruhen, für Newsweek das Paradox bereits aufgelöst. Pop erscheint hier als ein Trend, der im Moment Teile der Avantgarde, der Mode und des breiten Publikums versöhnt. Die Abneigung gegen die traditionellen Werte der Mittelschicht ist nicht länger der exklusive Besitz der Boheme und der urbanen Oberschicht, sondern hat die Mittelschicht selbst durchdrungen. Pop ist der Name für diese Umkehrung.

Teenager, Subkultur Mit dem neuen Begriff »Pop« sind verschiedene Träger des zeitgenössisch vorherrschenden Geschmacks verbunden. Durch den Bezug zur Pop-art und den ganz anders gelagerten Bezug zu den Umwandlungsprozessen innerhalb der Mittelschicht ist ausgeschlossen, dass Pop ein reines Teenager-Phänomen darstellt. Zumindest auf Seiten der Konsumenten ist das so. Als Inspiratoren, als treibende Kraft der Popkultur werden allerdings die Teenager häufig, die erwachsene Mittelschicht nie genannt. Newsweek verweist auf die Kleidermode als den Bereich, in dem jugendliche Vorlieben entscheidend dazu beitragen, ein Gegengewicht zum Diktat der Haute Couture zu bilden (Benchley 1997: 151), Life stellt die teen subculture noch allgemeiner heraus: »Who keeps on inventing dances, buying the records, making or breaking movie stars, dictating the dress of their mothers and, possibly, dominating the entire

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American economy? The young, that’s who, but it’s not their fault. There are just more of them. In the past five years, for instance, the teen-age population has gone up 24% while the total population increased only 8%«. Steinem belässt es aber nicht bei einem Blick auf die demografischen Zahlen, in ihrem Life-Artikel ist ebenfalls von der speziellen Gegenwärtigkeit der Jugend die Rede; die Jugend steht nach ihrer Einschätzung mit dem Neuen, dem wirklich Zeitgenössischen im Bunde (1965: 80, 72). Richtig ermessen, ob sich speziell beim Bilde des Teenagers Mitte der 60er Jahre etwas geändert hat, kann man natürlich erst, wenn man in die 50er Jahre, das Jahrzehnt, in dem der Begriff sich durchsetzt, zurückschaut. Wenn man die 60er Jahre für einige Momente verlässt, lässt man augenblicklich wieder den optimistischen, affirmativen Pop-Zeitgeist der Illustrierten hinter sich und tritt im Gegenzug schnell in eine zweifelhaftere Gedankenwelt ein. Die Neuheit des Teenagers bleibt einerseits stark verbunden mit den älteren Anschauungen zur Massenkultur – und was nicht in den vertrauten Ansichten über die Masse aufgeht, wird andererseits zu einem beträchtlichen Teil von der noch wesentlichen negativeren Rede über abweichende Subkulturen gebunden. Am stärksten vorangebracht hat den Teenager-Diskurs die Marktforschung. Eugene Gilbert, der bereits Mitte der 40er Jahre beginnt, Daten aus Meinungsumfragen unter Jugendlichen zu verkaufen, ist hier die dominante Kraft. Mitte der 50er Jahre beliefern er und seine zahlreichen Mitarbeiter bereits Firmen wie Esso oder Mars, Organisationen wie die amerikanische Armee und natürlich die Werbeagenturen; seine Kolumne What Young People Think wird von über dreihundert Zeitungen gedruckt. Gilbert weist unablässig auf die gestiegene Kaufkraft der Jugendlichen hin, die Summe beträgt im Jahr 1958 nahezu 10 Milliarden Dollar. Die beachtliche Größe ist keineswegs allein auf den ebenso beachtlichen Anstieg der Geburtenrate nach dem Zweiten Weltkrieg zurückzuführen; Gilbert führt Buch, dass der amerikanische Jugendliche 1944 durchschnittlich in der Woche über zweieinhalb, 1958 jedoch bereits über zehn Dollar verfügen kann (Macdonald 1958a: 57, 73, 60). Die angestiegenen Barmittel des Jugendlichen wären im allgemeinen Aufschwung der affluent society jedoch nur eine Randnotiz wert, wenn nicht ein weiteres Moment hinzukäme. Die Pointe an Gilberts Unternehmen ist, dass er in den amerikanischen Jugendlichen seiner Zeit eine ganz spezielle Gruppe entdeckt. Der Begriff des Teenagers zeigt an, dass es sich um eine Kohorte handelt, die über eigenwillige Vorlieben verfügt, die den Erwachsenen erst einmal fremd sind. Die Meinungen und favorisierten Gegenstände der Teenager sind nicht einfach jugendliche Varianten der erwachsenen Präferenzen. Folgerichtig benötigt man ein besonderes Wissen, um über die (sich wandelnden) Haltungen und Konsumobjekte der Teenager im Bilde zu sein und sie als Kunden oder moralisches Subjekt in ihrer Sprache zu erreichen. Wenn man sich die Anzahl der Firmen anschaut, die auf Gilberts Marktstudien zurückgreifen, muss man zu dem Schluss kommen, dass sich die Ansicht, man brauche spezielle Expertise, um die jugendlichen Absichten und Wünsche zu erkennen, in der ökonomischen Sphäre in den 50er Jahren rasch durchgesetzt hat. Das trifft ebenfalls auf die Publizistik zu; Zeitschriften, die sich ausschließlich an Jugendliche richten, entstehen; Illustrierte stellen den Teenager besonders heraus, ein umfangreicher Life-Artikel (31.08.1959) lobt den neuen Sektor als »$10-Billion Power« aus. Auch Intellektuelle überneh-

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men die Diagnose: Dwight Macdonald sieht den Teenager kategorisch von früheren Jugendlichen geschieden. Die Übergangsphase von der Pubertät zum Erwachsenenalter zeichne sich seit der Zeit nach 1945 dadurch aus, dass sie sich nun in großem Abstand zur Welt der Erwachsenen herausbilde. Am stärksten manifestiere sich die Eigenständigkeit und Abgeschlossenheit des neuen teenism in der Vorliebe der Teenager für den Rock ’n’ Roll (1958b: 91); die früheren Jugendlichen seien eher Kinder gewesen, welche die Autorität und Kontrolle der Erwachsenen fraglos hingenommen hätten, die jetzigen Teenager setzten sich hingegen nachhaltig vom Rest der Bevölkerung ab, sie prägten einen ganz eigenen Lebensstil. Soziologisch gesprochen, handle es sich um eine Subkultur, zitiert Macdonald (1958a: 57f.) Robin M. Williams Abhandlung über die American Society. Damit sind gleich zwei eminent wichtige Konzepte in einem benannt: Das neue Gepräge der Jugendkultur und ihre feste, abgeschlossene Kontur. Der Begriff »Teenager«, mit dem dies angezeigt werden soll, besitzt vergleichsweise harmlose Obertöne, nicht aber der Begriff »Subkultur«. Der Ausdruck »Subkultur« zeigt nicht allein an, dass es um eine eigenständige Kultur neben anderen geht (Gordon 1997), sondern im Sprachgebrauch oftmals auch, dass sich die so benannte Subkultur von der Kultur der Mehrheit absetzt oder dieser feindlich gegenübersteht, dass sie von den zentralen Werten der Gesellschaft abweicht – eine Devianz, der grundsätzliche kriminelle Züge attestiert werden, wenn auch die Abgrenzungsbemühungen der Jugendlichen gegenüber Eltern und Lehrern nur in extremeren Fällen diesen Stempel bekommen (Parsons 1961, vgl. Müller-Bachmann 2002: 42ff.). Die Frage bleibt dann natürlich, was die institutionalisierten Leitwerte sind, deren Verletzung man als gefährlich einstufen und ggf. verfolgen sollte. Talcott Parsons benennt als obersten Wert die rational organisierte, individuelle Leistung im Dienste einer egalitär, nach Verdiensten, nicht nach Herkunft, verfassten Gesellschaft. Verstöße gegen das Leistungsprinzip, eine Abkehr von den Organisationen, in denen Bildung und Arbeit rational erworben und ausgeübt wird, gelten ihm in der amerikanischen Gesellschaft als Ausdruck von sub-cultures, von deviant movements, die der main culture widerstreben (1979: 286; 1964: 254f.). Konservativere Naturen sehen solche bedrohlichen Abweichungen einfach in Verstößen gegen ihre Auffassungen von Sexualmoral und schicklichem Verhalten gegeben. In den 50er Jahren stehen die Teenager allgemein oder zumindest spezielle Teenager-Gruppen oftmals unter dem Verdacht oder der Anklage, aus der Gesellschaft herauszufallen. Was aber führt Dwight Macdonald dazu, sich solchen Überlegungen anzuschließen? Schließlich handelt es sich bei ihm doch um einen strikten Verfechter der Theorie der Massenkultur, nach der die isolierten, aus ihren ständischen Bezügen herausgelösten Einzelnen in der modernen Gesellschaft der manipulativen Homogenisierung durch die Kulturindustrie zum Opfer fallen (1960: 212ff.). Wenn Macdonald in seinen Betrachtungen zum amerikanischen Teenager von einer jugendlichen Subkultur, von einem gesunkenen age level of rebellion und von einem eigenständigen style of life spricht (1958a: 57, 62), ist das mit seiner Diagnose der vereinheitlichten Massengesellschaft freilich nicht vereinbar, zumal Macdonald die Teenager gerade als Konsumenten von Hollywoodfilmen, Hitparadenmusik etc. ins Auge fasst. Eigentlich läge hier Colemans überraschte Feststel-

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lung näher, dass selbst im Zeitalter der Massenkultur eine separate Subkultur entstehen konnte (1961: 3). Macdonald aber legt sich das Problem nicht zur Lösung vor, die Überlegungen zur Jugend- und zur Massenkultur stehen unverbunden nebeneinander. Möglich wäre es immerhin, einen Verbindungsweg aus Macdonalds Aufsatz zur neuen jugendlichen Subkultur zu gewinnen. Dort weist er darauf hin, dass die Teenager als style-setter für die Erwachsenen fungierten, und erklärt dies – ganz im Sinne Eugene Gilberts (1957: 28) – mit den Umschwüngen in der amerikanischen Konsumgüterindustrie und bei der Konsummoral; die jungen Leute seien noch stärker als die Erwachsenen bereit, von älteren puritanischen Tugenden abzusehen; was die älteren Leute noch als Luxus betrachteten, sei für die jüngeren eine Notwendigkeit; Möbel, eine Hi-Fi-Anlage, ein Auto würden von ihnen nicht mehr unter den Gesichtspunkten der Sparsamkeit, Haltbarkeit, Nützlichkeit ausgesucht. Spitzt man die Beobachtung zu, könnte man – wie Edgar Morin (1965: 199ff.) es ausführlich vorführt – argumentieren, die Einheit der Massenkultur bekäme nun einen jugendlichen Zuschnitt. Der Zusammenhang der Anschauungen Macdonalds wäre damit hergestellt. Dagegen spricht jedoch, dass Macdonald selbst an einer Stelle sogar die wenig einheitliche Zusammensetzung des Teenager-Segments hervorhebt (the heterogenity of teenagers; 1958a: 80, 74, 87). Macdonalds Überlegungen überschneiden sich hier mit denen David Riesmans, dessen Ansatz zumindest in seinem Hauptwerk jedoch wesentlich konsistenter ausfällt. In Riesmans schnell Berühmtheit erlangendem Buch The Lonely Crowd aus dem Jahr 1950 geht es genau um die These, dass die puritanische Moral, die traditionell und durch die Erziehung der Eltern eingepflanzt und weitergegeben wird, einer flexibleren Orientierung an wechselnden Trends und Moden Platz macht. Dieser Umschwung bildet sich nach Riesmans Urteil gegenwärtig besonders stark an den Kindern und Jugendlichen aus, die sich unter dem Einfluss der neuen Massenkommunikationsmittel wie Radio und Fernsehen leichter von den Ansichten der Eltern emanzipieren könnten. Im Gegensatz zu Macdonald, der kommerzielle Segmentierungen des Massenpublikums nur im Falle von »quality« paperbacks and recordings begrüßen kann (1960: 629), sieht Riesman Beispiele einer classmass production auch bei Soap Operas und Fernsehsendungen am Werk (1950: 361). Bei der popular music konzentriert sich Riesmans Analyse auf die Teenager, ein Grund dafür ist die von ihm konstatierte youth orientation der Kultur allgemein. Nicht in dieses Bild passt jedoch seine Feststellung, dass die Mehrheit der jugendlichen Anhänger der populären Musik den erwachsenen Vorstellungen über die Jugend recht unkritisch entsprechen würde. Neben den Hörern der Hitparade und den Fans der Stars macht Riesman eine small minority aus, die eigenwilligere Varianten der populären Musik bevorzuge und damit eine rebellische Haltung verbände; ihre Vorlieben gälten ausdrücklich der unkommerziellen (uncommercialized) Musik. Diese Musik der Minderheit zählt Riesman ebenfalls zur populären Musik; recht paradox spricht er sogar davon, dass die minoritäre popular music deren Anhänger von der Populärkultur allgemein distanziere (1963a: 186ff.). Als Beispiel dafür nennt er am Ende der 40er Jahre den hot jazz sowie die Ansichten und Abgrenzungen, die mit diesem abweichenden Geschmack verknüpft werden:

120 | Pop »Dissident attitudes toward competition and cooperation in our culture might be represented in feelings about improvisation and small ›combos‹; an appreciation for idiosyncrasy of performance goes together with a dislike of ›star‹ performers and an insistence that the improvisation be a group-generated phenomenon. There are still other ways in which the minority may use popular music to polarize itself from the majority group, and thereby from American popular culture generally: a sympathetic attitude or even preference for Negro musicians; an equalitarian attitude toward the roles, in love and work, of the two sexes; a more international outlook, with or without awareness, for example, of French interest in American Jazz; an identification with disadvantaged groups, not only Negroes, from which Jazz springs, with or without a romantic cult of proletarianism; a dislike of romantic pseudosexuality in music, even without any articulate awareness of being exploited; similarly a reaction against the stylized body image and limitations of physical self-expression which ›sweet‹ music and its lyrics are felt as conveying; a feeling that music is too important to serve as a backdrop for dancing, small talk, studying and the like; a diffuse resentment of the image of the teen-ager provided by the mass media.« (Ebd.: 189)

Riesmans Entwurf des abweichenden Teenagers, der seine Distanz gegenüber der Populärkultur durch minoritäre Formen der populären Musik zum Ausdruck bringt, ähnelt in vielen Zügen äußerst stark der hergebrachten Beschreibung der Boheme; er weist damit zugleich auf die Beatniks voraus. Dadurch weicht Riesmans Konzept des Teenagers beträchtlich von den kommenden, geläufigeren Anschauungen der 50er Jahre ab. Als dissidente Gruppen werden dann Rowdys und Halbstarke markiert, die ohne intellektuelle, an die libertäre Boheme gemahnende Eigenschaften auskommen müssen – oder, zweite Variante, die Teenager finden sich insgesamt zur auffälligen, von der Mehrheit der Erwachsenen geschiedenen Subkultur erhoben. Bei Riesman gibt es immerhin einen Ansatz, der zumindest leicht in letztere Richtung deutet; er hebt den nach ihm noch tausende Male beschriebenen Weg hervor, wie die Majorität sich Merkmale der minoritären Kultur, die sich gerade dem Konformismus der Mehrheit verweigern möchte, aneigne: »It is not unlikely that we will discover that the majority role represents in many of its aspects a pattern of ›restriction by partial incorporation‹. That is, the majority is continuously engaged in the process of adapting elements of the minority’s musical outlook, while overtly ignoring or denigrating minority patterns. Jazz itself, many of the dance steps, and lyrical images are almost entirely minority products to begin with. But they undergo significant changes in being incorporated into the majority style, just as radical intellectual and ideological developments are modified by academic acceptance.« (Ebd.: 188)

Die Einverleibung von Elementen einer abweichenden Kultur wird als eine Übernahme vorgestellt, die im Zuge der Adaption die widerständigen Momente auslöscht; die Adaption ist demnach immer nur teilweise möglich, sie bedeutet eine erhebliche Veränderung, Verwässerung der ursprünglich reinen minoritären Kultur. Auf die Weise rückt auch bei Riesman eine Einheit der Teenager-Kultur ins Bild; es handelt sich jedoch um eine prekäre Einheit, deren Bruchstellen jederzeit offen gelegt werden können. Von Macdonalds Aussage, die Teenager bildeten einen eigenen Stil aus, ist das weit entfernt.

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Nun haben wir aber gesehen, dass Macdonald ebenfalls auf erhebliche Differenzierungen im Teenager-Geschmack hinweist, wenn sie auch nicht so gegensätzlich ausfallen wie bei Riesman. Wir haben zudem gesehen, dass Macdonald in anderem, größerem Zusammenhang sogar von der Einheitlichkeit einer Massenkultur redet. Unabweisbar stellt sich darum das Problem, wie das zusammenpassen soll. Streng logisch gedacht, gibt es keine Lösung dafür. Wenn man die Ungereimtheit aber nicht einfach als Denkfehler und begriffliche Unschärfe abtun möchte, muss man sich um eine vermitteltere, spekulativere Form des Verständnisses bemühen. Dann liegt die Erklärung nahe, dass Macdonald zugleich von der Subkultur der Teenager und einer homogenen Massenkultur sprechen kann, weil es sich für ihn bei den Produkten, die von den Teenagern nachgefragt werden, allein um eine zwar zielgruppengemäße, aber dennoch nur leichte Variante eines übergreifenden Schemas handelt, um letztlich illusionäre Unterschiede, wie Horkheimer und Adorno sagen würden, um Differenzierungen, die nicht »aus der Sache«, sondern aus den Planungen der Kulturindustrie hervorgehen, die dadurch eine lückenlose »Klassifikation, Organisation und Erfassung der Konsumenten« erzielt (1988: 131). Genau diese Argumentation trägt in England Frank Cordell vor. Cordell gehört zum Umfeld der Independent Group, er geht aber nicht von einem Kontinuum zwischen hoher und populärer Kultur aus, sondern im Gegenteil von dem continuum of production-consumption controls im Bereich der Massenkultur. Die Massenkultur sieht er 1957 von der hohen Kultur genau deshalb geschieden, weil die massenhaft hergestellten Produkte einem starren Schema gehorchten, das immer nur graduell variiert würde, um sich Differenzierungen im Konsumentengeschmack anzupassen. Die Herstellung von popular songs vergleicht Cordell mit der Fließbandarbeit, die variable Justierung sieht er durch die sorgfältige Arbeit von musikalischen Technikern (nicht Künstlern) gewährleistet. Cordells popular song hat darum nur wenig Ähnlichkeit mit dem Volkslied, der Begriff des pop song, den Cordell ebenfalls gebraucht, dient wohl auch einer entsprechenden Abgrenzung. Dass der pop song bei Cordell außerhalb des Feldes der schönen Künste steht, braucht nach dem Gesagten schwerlich betont werden; die kommerzielle Planung und Konsumsteuerung macht das für ihn unmöglich: »Like other mass-produced products, the Pop song and its performers exhibit ›product differentiation‹ characteristics typical of competitive product design. As, say, cigarette manufacturers play their variations within rigorous limits of leaf, paper and packaging – so the pop song producer plays his within general limits of a thirtytwo-bar chorus, a few basic harmonies and a specific tribal language« (1995: 72). Cordell spricht vom zeitgenössischen populären Lied als einem commercial product Tin Pan Alleys, der New Yorker Adresse einschlägiger Musikverlage, Komponisten und Arrangeure. Auch den Rock ’n’ Roll sortiert er hier ein, als einen der dance crazes, die, angefangen beim Turkey Trot, dem fortgeführten Muster wandelnder Moden folgen und für Abwechslung innerhalb des Grundschemas sorgen (ebd.: 74). Dadurch ordnet Cordell den Rock ’n’ Roll in altbekannter Manier bei den Tanzvergnügungen ein (er verzichtet jedoch auf die moralisch alarmierte Einschätzung, wie sie seit den 10er, 20er Jahren angesichts körperlich undiszipliniert, ausschweifend wirkender Bewegungen bei vielen Kommentatoren der neuen Tänze üblich ist). Gewöhnlich

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wirkt ebenfalls, dass er den Rock ’n’ Roll als Variante eines bekannten Ablaufs einstuft; das geht bei Cordell sogar soweit, dass die Abkunft des Rock ’n’ Roll aus ganz anderen Quellen als denen Tin Pan Alleys unerwähnt bleibt. Die meisten anderen Kommentatoren stimmen allerdings in den 50er Jahren Cordells Panorama der Gewöhnlichkeit nicht zu. Sie tun dies keineswegs, weil sie den Rock ’n’ Roll als authentisch gewachsene Liedform oder gar als Teil moderner Hochkultur einstufen. Sie tun dies vielmehr, weil sie die spezifische Form des Rock ’n’ Roll für so spektakulär halten, dass ihnen der Bezug zu einem Grundschema bedeutungslos erscheint. Das Spektakuläre, Ungewöhnliche des Rock ’n’ Roll wird ihnen natürlich vor allem oder wenigstens in gesteigerter Art und Weise an dem Zuschnitt und der Reaktion seiner Anhänger sichtbar. Dass ganz überwiegend junge Leute die Anhänger des Rock ’n’ Roll stellen, ist für sie der schlagendste Beweis für die subkulturelle Absonderung der Teenager. Ein gutes Beispiel dafür ist die Reaktion der Musiker einer englischen Revival-Jazzband, als sie zum ersten Mal den Auftritt eines Rock ’n’ RollSängers sehen. Natürlich wissen sie, dass Rock ’n’ Roll die Charts dominiert, sie wissen von der begeisterten Anhängerschaft, sehen darin jedoch nichts Besonderes. »What we failed to understand was the age of the audience«, schreibt George Melly im Rückblick. Die Rock ’n’ Roll-Fans sind wesentlich jünger – um die 16 –, und sie erscheinen Melly in außergewöhnlichem Maße als einheitliche Gruppe: »There had, of course, always been young jazz fans, but they’d just liked jazz and happened to be young. What was different about the teenagers was that they were young first and foremost, and everything they did and said, everything they liked or rejected, was useful in that it identified them as a group. At that time the boys were faced with conscription. This meant that they knew their ›real life‹ as adults was not in question. Between leaving school and going into the army, they could live out a fantasy life, their pockets full of money from a deadend job. Circling round them and quick to move in were various interested adults: agents, record companies, clothing manufacturers, concert promoters, but the invention of the teenage thing was initially the work of the teenagers themselves. It was they who chose Haley and Presley as their heroes«. (1965: 163f.)

Den intellektuellen Betrachtern der neuen Szenerie Mitte und Ende der 50er Jahre stellt sich die Lage jedoch zumeist bedrohlicher dar. Ganz überwiegend sind es Pädagogen, Soziologen und Leitartikler, die sich mit dem Phänomen beschäftigen. Sie sehen in der Art und Weise, wie die Teenager ihre gestiegenen materiellen Möglichkeiten und ihren Freiraum außerhalb der Familie bzw. zwischen Schule und Beruf nutzen, einen bedeutenden negativen Ausdruck der modernen Welt. Sowohl die Eigenständigkeit der Teenager als auch ihre Abhängigkeit von der neuen Freizeit- und Massenkommunikationsindustrie rückt bei ihnen wechselweise oder zugleich in ein düsteres Licht. Dabei gibt es unterschiedliche Varianten und Abstufungen. In Deutschland sieht Helmut Schelsky in den »Halbstarken« keine erschreckende Wirklichkeit, sondern bloß ein »aus publizistischen Gründen aufgeblasenes Schlagwort«. Verallgemeinerungen sind ihm allerdings selbst nicht fremd; in

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den Waren der Konsumgüter- und Freizeitindustrie erblickt er lediglich soziale Zwänge, die der Freizeit der Jugendlichen die Kreativität nehmen; trotz der gestiegenen Individualitätschancen, die aus dem insgesamt erweiterten Angebot und den liberalisierten Geschmacksnormen erwachsen, konstatiert Schelsky eine beträchtliche Konformität des Konsums. Die Krawalle der sog. Halbstarken hält er für spontane Proteste gegen einen solchen nicht auf repressive, sondern auf unterschwellige Weise erzeugten Zwang zum Konformismus (1957: 495, 335, 381f.). Friedrich Tenbruck hingegen verbindet die jugendlichen Ausschreitungen in genau umgekehrter Manier mit der industriell erzeugten Kultur. Zwar besitzen nach seiner Einschätzung die aggressiven Auswüchse lediglich vereinzelten Charakter, trotzdem verweisen sie für ihn auf die »allgemeine Radikalisierung der Jugendphase«. Radikal sei die heutige Jugend in ihrer Gesamtheit, weil sie eine eigene »Teilkultur« bilde, die sich gegenüber der Gesamtgesellschaft durch ein hohes Maß an Unabhängigkeit auszeichne; ein Zusammenhang mit der umfassenden Kultur ergibt sich nach Tenbruck allenfalls bzw. immerhin dadurch, dass die Gesamtkultur verstärkt von den jugendlichen Idealen und Haltungen beherrscht werde. Als Kennzeichen des entsprechenden (allmählich übergreifenden) jugendlichen Verhaltens nennt Tenbruck »Formverlust« und »Erlebnisdrang«. In dem Bemühen, immer wieder an aufregenden Ereignissen teilzuhaben, zeigt sich Tenbruck auf negative Weise der mangelnde Ernst, die fehlende integrative Sammlung der heutigen Jugend, ihre Hingabe an isolierte, aufregende Ereignisse; folgerichtig kann er etwa in der gegenwärtigen Musik und im jugendlichen Verhalten allgemein nur einen Formverlust erkennen (1962: 48ff.). Nähere Angaben zu den prekären »in Musik, Tanz, Sprache, Umgang gepflegten Formen« findet man bei Tenbruck aber nicht, was offensichtlich nicht daran liegen kann, dass der behauptete Formverlust eine Beschreibung unmöglich machte. Die Distanz zu den jugendlichen Verhaltensweisen und zu den Objekten jugendlichen Konsums muss jedoch keineswegs automatisch zum Verzicht auf ihr Studium führen, wie man einer ganz ähnlich angelegten englischen Monografie entnehmen kann. Auch sie ist angeregt von den medial Aufsehen erregenden Ereignissen ab Mitte der 50er Jahre, auch sie versucht sich an einer Bestimmung des Verhältnisses von jugendlichen Ausschreitungen und moderner Konsum- und Freizeitsphäre. Ihr Autor Fyvel bilanziert ebenfalls den Verlust der Formen; er benennt sogar ausführlicher den Ort solcher Vorstellungen einer formvollendeten Integration der Teile – die haut bourgeosie, die well-to-do middle class. Ihre Kultur, die herrschende, eigentlich allein als solche anerkannte Kultur verliere nun unter dem Druck der industriellen Massenproduktion und der mit ihr verbundenen Konsumkultur zunehmend an Bedeutung und Rang. Aus der englischen Sicht Fyvels lässt sich dieser Prozess auch als Amerikanisierung beschreiben, als Ersatz der traditional figures of British authority durch American publicity figures wie vor allem Filmstars und pop singers (1961: 198, 201). Umso ironischer mutet an, dass am Anfang dieser Geschichte ein auffälliger Kleidungsstil von einigen jugendlichen Mitgliedern der Arbeiterklasse steht, die einen älteren, traditionell englischen, aristokratischen Aufzug übernehmen. Wie so viele andere auch lässt Fyvel seine Erzählung von jugendlicher Abweichung im Geiste der Populärkultur mit den Teds, den Teddy boys, beginnen, die sich über eine Zwischenstation den his-

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torischen Edwardian style aneignen. Fyvel geht dabei ins Detail, er beschreibt den Kleidungsstil mit großer Sorgfalt, der Eindruck eines Formverlusts kann darum keineswegs aufkommen; verloren geht aber die alte Bedeutung des Stils, wie Fyvel bereits an der ersten Adaption durch junge Angehörige der Oberschicht direkt nach dem Zweiten Weltkrieg hervorhebt: »The young dandies who after the war strolled through the West End, wearing longer jackets, tighter trousers, curled bowler hats, with their hair worn at exaggerated length and carefully brushed, were also making a proclamation. Their fashion was an announcement that the war with its uniformed heroes and general drabness was now over and done with, that it had become a bore and now a new era of youth had begun« (ebd.: 48f.). Die Interpretation Fyvels läuft auf die hiernach noch oft zu hörende Einschätzung hinaus, die jugendliche Kleidung symbolisiere eine Art Revolte (im speziellen Fall spricht Fyvel vom symbol of a slightly pretentious revolt); die Kleidung bilde nicht nur das Kennzeichen für Jugendlichkeit, sondern stehe für eine viel tiefergehende Abgrenzung von erwachsenen Werten ein. Dass solche Bedeutungen nicht ein für alle Mal festliegen, zeigt Fyvels historische Darstellung ebenfalls schnell. Mit der Übernahme des Edwardian look durch Jugendliche aus der Arbeiterklasse wird er als Träger von symbolischen Aussagen junger Dandys der upper class unbrauchbar. Fyvel beschreibt diese Annäherung der Teds an einen Stil, der ihrer Klasse nach den ungeschriebenen Gesetzen der symbolischen Ordnung nicht zusteht, äußerst präzise, obwohl er sie, als Anhänger der vorgegebenen Ordnung, nur als »Maskerade« empfinden kann: »Among the clothes it was the jacket of the suit which came nearest to true ›Edwardian‹. It was very long and fully draped, usually black, though light colours were also permitted; with a single button in front with extra pockets and flaps and, in the case of those who could afford it, topped by a velvet collar. The shirts were usually white. One popular kind was called a ›Billy Eckstein shirt‹, with a long fly-over collar worn frequently with a black knotted string tie or a ›Slim Jim‹. Waistcoats were usually plain, though particularly opulent Teddy boys displayed some flowery showpieces. The Edwardian trousers were tight fitting and narrow and called ›strides‹. Socks again could be ornate, and with them, initially, went heavy shoes with round toe-caps, or so-called ›creepers‹ with thick crêpe soles.« (Ebd.: 52)

Der Bruch mit der Tradition kommt demnach nicht nur wegen der Aneignung historischer Insignien durch damals wie gegenwärtig Unberufene zustande, sondern auch dadurch, dass einzelne Kleidungsstücke auf ungewohnte, überraschende Weise mit anderen modischen Elementen kombiniert werden. Neben creepers, string tie etc. ist hier vor allem die Frisur zu nennen; Fyvel beschreibt sie erneut mit großer Sorgfalt: »In the hair-styles the influence was American and plainly acquired from ›the pictures‹. The basic elements were mostly aggressive sideboards, with masses of hair at the back and a fuzzy shock of it above the brow.« Noch auffälliger sind einige Varianten: »Early individual styles were the Tony Curtis, distinguished by a jutting wave over the forehead; the so-called D.A. – very soigné and combed together at the back; in the Boston, the back of the neck was by contrast closely shaved;

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most extreme of the early styles was probably the Mohican, involving a fiercely shaved skull« (ebd.). Worauf deuten aber die modischen Zeichen hin? Mit ein wenig Sympathie, meint Fyvel, könne man in ihnen eine Art Aufstand erkennen, »the confused revolt against the drabness of industrial England« (ebd.: 58). Ohne Sympathie wird ihre Revolte gegen ihre soziale Umgebung betrachtet. Die sub-culture der Teds, mit ihren eigenen Gesetzen des Kleidungs- und Verhaltensstils, führe zu nichts: »On the whole it was a primitive performance. The early Teddy boys were working-class youths with a grudge against society and an itch to assert themselves – this was the new element – but mostly they were just young toughs on the road to nowhere. As a result, the rebellion was one without core.« Die aggressive Selbstbehauptung könne nicht den Rang erlangen, den ihre Kleidung behaupte; so auffällig ihr Stil sei, so Angst und Aufsehen erregend auch ihr gewalttätiges und schamloses Verhalten sei – letztlich blieben das alles Dokumente eines gescheiterten Lebens: »The elaborate dress might be intended as a defiant declaration of status, but even that was spurious. There were perhaps moments when the romance of Teddy boy gang life seemed to become real. There was perhaps some satisfaction in the obsessive banding together, in wreaking vengeance against anyone who disparaged the uniform; in adopting a threatening attitude in public places; in leading an indiscriminate sex life; in baiting such victims as café owners and bus conductors, in defiance of the police and being in on the knowledge of local crime. But as this did not help the Teddy boys to get on as their adolescence passed, and did not bring them new status, with all the dressing up and the gang organization, most of them in actual fact led a dreary life.« (Ebd.: 54)

Natürlich ist das Argument nur vorgeschoben. Nicht weil damit die Frage umgangen wird, ob die zugestandenen momentanen oder teilweisen Befriedigungen die Erlangung eines respektablen, sicheren gesellschaftlichen Status aufwiegen, sondern weil Fyvel keinerlei Interesse an einem Erfolg der Teds hat. Die delinquenten Arbeiterjugendlichen sind für ihn ein Problem, sie zu studieren dient dem Zweck, sie pädagogisch zu bessern und ihnen den Weg der Bildung zu weisen. Die gewalttätigen Jugendlichen sind im Sinne des Bildungsziels sogar nur ein spektakuläres Beispiel. Ihre kleine Zahl rechtfertigt allein das besorgte Studium oder die alarmierte Anklage nicht, das weiß auch Fyvel. Immense Bedeutung kommt ihnen aus einem anderen Grund zu; Fyvel sieht in dem kriminell abweichenden Verhalten nur ein Symptom für einen viel weiterreichenden Verfallsprozess (ebd.: 311), der sich zwar zumeist nicht in gewalttätigen Akten äußert, aber auch und gerade in seinen pazifierten, angenehmeren allgemeinen Formen eine Gefahr darstellt. Darum sind für Fyvel auch die weiteren, zivilisierteren Ausprägungen des jugendlich-eigensinnigen Stils innerhalb der Arbeiterklasse letztlich Anlass zur Besorgnis, selbst wenn er sie mit einiger Sympathie und wiederum mit großer Hingabe zum Detail betrachtet. Der Italian bzw. modernist style (vgl. Barnes 1979; Gorman 2001: 28ff.) setzt sich zusammen aus kurzen, in den Schultern rund gepolsterten Sakkos mit Seitenschlitzen, »fully draped at the back and at first often broadly striped on the Italian pattern«, engen Hosen, einfarbigen bunten oder weißen Hemden, schmalen Schuhen. »With this went the elaborate but now shorter and rather attractive hair-styles which

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had also come into fashion among students on the Continent: the James Dean, the Marlon Brando, the Crew Cut, the Crop«. Fyvel gefällt das entschieden besser als der Aufzug der Teds, jener pathetically grotesque dandies, wie er meint. Trotzdem lässt er die Entwicklung mit den Teds beginnen, wenn er auch die Ansicht vertritt, dass sie sich nach ihnen zum Besseren, Maßvolleren wendet: »As the sartorial Teddy boy fashion spread, its exaggerations were also spontaneously reduced. In the guise of the ›Italian style‹ it became eventually the smart walking-out wear, with Continental touches, for a majority of English working-class boys. And this signified a breach in class tradition: for the first time, English working-class boys had not merely imitated an upper-class fashion, but developed it independently into their own dandyism« (Fyvel 1961: 59, 50). Zugleich ergeben sich durch die Übernahme des Italian style Überschneidungen mit der Kleidung kontinentaler Studenten und in wachsendem Maße sogar auch mit der englischer junger Leute aus den höheren Schichten, wie Fyvel verzeichnet: »Furthermore, well-dressed working-class youths had also broken through into the week-end informality of colourful jeans and modern sports clothes, away from their former week-end awkwardness of either rolled-up shirt-sleeves or stiff Sunday best. In this particular they had actually fallen into line with English upper-middle-class habits – but this also for the first time« (ebd.: 60). Das klingt – nicht allein nach Fyvels Werten – gut. In Gerichtsurteilen zu randalierenden Teds war Mitte der 50er Jahre dekretiert worden, dass die Edwardian suits auf gewöhnliche Leute einen lächerlichen Eindruck machten; der Sprecher eines Magistrats wird in der Times vom 25. März 1954 mit den Worten wiedergegeben, der Aufzug der Teds sei flashy, cheap and nasty und stempele seinen Träger zu einem particularly undesirable type ab (zit.n. Steele-Perkins/Smith 1979: o.S.). Die Mäßigung des Ted-Stils und die teilweise Übereinstimmung mit Kleidungs-Gewohnheiten der Mittelschicht deutet nach dieser juristisch und alltäglich stigmatisierenden Logik auf eine Abschwächung des kriminellen Protests aus Reihen der jugendlichen Arbeiterklasse hin. Dennoch kann der Befund Fyvel keineswegs zufriedenstellen. So positiv für ihn die Mäßigung der maßlos stilisierten, expressiven und aggressiven Ted-Haltung auch erscheinen mag, so bedenklich wirkt aus einer anderen, grundsätzlicheren Perspektive die Annäherung der jugendlichen Schichten. Selbst für sich genommen wäre für Fyvel der modernist style der englischen Arbeiterklasse-Jugendlichen überhaupt kein zweifelsfreies Zeichen des Besseren. Die größere Perspektive, in der Fyvel seine Bedenken formuliert, ist die der Kritik an der affluent society. Die Übernahme des Ausdrucks von Kenneth Galbraith, dessen bekanntes Buch aus dem Jahr 1956 das Wort im Titel führt, ist kein Zufall. Amerikanische Zeiten sieht Fyvel auch in England anbrechen, eine Diagnose, die ihn viel weniger aus nationalistischen denn aus noch allgemeineren Gründen beunruhigt. Zu einem Teil ist der Verweis auf die Wohlstandsgesellschaft direkt gerechtfertigt, hebt Fyvel doch wie so viele andere auch die gestiegene Kaufkraft der Teenager hervor, die besonders von einigen neuen Märkten abgeschöpft würde; ein Großteil des Geldes gäben die Teenager für pop records, Schallplattenspieler, distinctive clothes, Kosmetika, soft drinks, glossy magazines, Kinobesuche und andere Freizeitaktivitäten aus. In größerem Stil macht für Fyvel die Wohlstandsgesellschaft aus, dass

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jeder Bürger stetig an der Produktion, aber auch an dem Verbrauch der Waren teilnimmt; der Massenkonsum dürfe nicht nur nie abreißen, sondern müsse sich sogar ständig steigern, deshalb schaffe die Industrie im Verbund mit der Werbung unablässig neue Bedürfnisse. Als hervorgehobener Adressat und Motor stetig neuer Ansprüche fungierten dabei die verstärkt von der Kontrolle der Eltern freigesetzten Jugendlichen; die lautesten Imperative, die den jungen Menschen heute erreichten, seien die anonymen Stimmen der Medien und des Marketing; sie forderten ihn beständig auf, das zu konsumieren, was gerade besonders up to date sei (1961: 220, 202ff., 341f., 190). Zum anderen verbindet sich mit der Diagnose der Wohlstandsgesellschaft die ältere Kritik an der Massenkultur. Ein neues Gepräge bekommt die Kritik allein deshalb, weil sie sich nun bevorzugt auf die jugendliche Variante des mass entertainment richtet, auf die pop music und auf das, was mit ihr zusammenhängt, die Jukeboxen, die Cafés mit ihrem glamour, die auffälligeren Kleidungsstile (ebd.: 341, 98f.). Fyvel bringt diese Kritik sehr anschaulich am Beispiel eines neuen Vergnügungsviertels, wie es sich ihm in London Ende der 50er Jahre präsentiert, vor. Die neu errichteten Blocks üben auf ihn als Vertreter der älteren Generation keine Anziehungskraft aus, sie erscheinen ihm anonym, ohne Sorgfalt errichtet. Der Ort verdichtet sich für ihn deshalb zum Musterbeispiel der traditionslosen, kommerzialisierten Freizeit. Hinter schimmernden Fassaden entdeckt er sogleich die großen Kosten solch vordergründiger Architektur. Sein Urteil muss darum negativ ausfallen, er fühlt sich von den Straßenzügen, die für ihn keinerlei Versprechen auf ein befriedigendes neues Gemeinschaftsleben enthalten, abgestoßen. Gleiches gilt aber überhaupt nicht für die Jugendlichen, wie Fyvel sofort feststellt. Sie sehen das Viertel mit ganz anderen Augen: »In the main streets, at any rate, the young felt surrounded by a full tide of confident life. The confidence of the age was reflected in the ultra-modern layout of the chain stores; in shop windows crammed with radios, television sets, recordplayers, streamlined tape-recorders and musical instruments, in others offering modern furniture to make any young couple happy at only so much down and so much per week. Confident commercial voices addressed the young from newspaper headlines, cinema posters and perhaps most insistently from the skillfully designed glossy pop-record covers: here were Presley, Sinatra, Steele and Wilde, expressing sentiments of love, anguish and desire, and explicitly for you, if you were young. Here, too, was the neighbourhood pleasure ground: the plush cinemas, the modernized dance-halls, the pubs with a singing trade, the latenight cafés with juke-boxes blaring and girls to be talked to at the tables. For many of the boys from the Estate, this London, offering its pleasures freely to those with money, spoke with the only voice of authority that mattered. The importance of their homes had dwindled; work meant little. Their one emphatic link with society lay through its entertainments, from treble-chance pool to the Week’s Top Ten: these they understood and clung to.« (Ebd.: 15)

Fyvel lässt sich von dem jugendlichen Einverständnis mit der zeitgenössischen Massenkultur natürlich nicht beirren. Allzu neu erscheint ihm die Welt der pop-Vergnügungen ohnehin nicht, außer dass sie nach seiner Einschätzung in beträchtlich erhöhtem Maße kommerziell und artifiziell ist. Was man bei Macdonald vermuten konnte, ist hier folglich klar formuliert: Die Subkul-

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tur der Teenager bzw. die noch begrenztere Kultur abweichender Gruppen wie der Teds ist nur eine Variante der übergreifenden Massenkultur. Die Kritik an der Massenkultur kann deshalb leichterdings auch die neue Jugendkultur erfassen. Fyvels Kritik klingt allerdings in gewisser Weise überzeugender als die lange Reihe vorheriger, ganz ähnlicher Einschätzungen – etwa Hoggarts (1992: 203) abschätziges Urteil zu den modernen Cafés: »glaring showiness«, »nastiness of their modernistic knick-knacks« –, weil Fyvel nicht alles einer harschen Kritik unterzieht, sondern in eingeschränktem Maße durchaus Sympathien für die neue Version der massenhaften Unterhaltung erkennen lässt. Die glänzende Jukebox sticht für ihn positiv vom englischen Grau ab, die pop music nennt er demokratisch, weil sie keine besondere Kenntnis vom Hörer verlangt. Zwar ist das ein höchst zwiespältiges Lob aus dem Munde eines Bildungsbürgers, dennoch setzt sich Fyvel damit immerhin von den gängigen Beurteilungen des Rock ’n’ Roll durch sonstige Autoritäten, die Meinungen veröffentlichen können, ab. Wenn sie in den Rhythmen des Rock etwas Wildes, (sexuell) Primitives erkennen (vgl. für Amerika Krume 2006: 161ff.), sieht Fyvel darin wesentlich positiver jugendliche Lebendigkeit zum Ausdruck kommen (1961: 95, 113). Positivere Einschätzungen wird man abseits von Teenager-Illustrierten schwerlich finden. Eine bemerkenswerte Ausnahme bilden allerdings die Artikel von Colin MacInnes, der für Zeitschriften der englischen liberalen und linksliberalen Intelligenz wie Encounter und New Left Review schreibt. Seine Minderheitenposition macht er gleich kenntlich, um offensiv für sie werben zu können. Auf die vertraute ältere Popmusik Tin Pan Alleys, von der die weiße amerikanische Hitparade bis Mitte der 50er Jahre bestimmt worden ist, schaut MacInnes nicht sentimental zurück. Diese Einstellung kennzeichnet sogar seine Haltung gegenüber weiterreichender Kritik. Er schreibt über die pop songs der 50er Jahre – diese »amerikanische Erfindung«, die er mit Namen wie Johnny Ray und Elvis Presley belegt –, im Wissen, dass sie sowohl von gebildeten Menschen (educated persons) als auch von Anhängern ernsthafter Jazzmusik verachtet werden (der Unterschied zwischen beiden Gruppen liege darin, dass Erstere sie nie und Letztere sie zumindest manchmal, wenn auch äußerst widerwillig anhörten). Trotzdem behauptet MacInnes 1957, man könne nicht bestreiten, dass die pop songs eine gewisse künstlerische Qualität besäßen. Freilich geht das Lob nicht allzu weit, es bezieht sich nicht auf die Songs oder ihren Text, sondern in erster Linie auf die Darbietung durch einzelne, besonders fesselnde Interpreten: »The tunes and lyrics in themselves are often of meagre quality – although manufactured with extreme competence – and the emotions they evoke are almost invariably synthetic: that is, they are songs about the idea of life, but rarely about life itself. Yet when projected from the larynx of a compulsive pop singer, they acquire an obsessive power to hold the mind and feelings, even if at the most superficial levels« (1986a: 13f.). In einem weiteren Artikel aus dem Jahr 1958 wird das Wortfeld der bezwingenden Qualitäten des pop song zugleich umfangreicher und präziser. Beat, Ekstase, animalische Vulgarität, fehlende Zurückhaltung, Jugendlichkeit zählen zu den Schlüsselworten MacInnes’, als er Paul Ankas Hit Diana beschreibt: »The tune has a slick, quick blare and beat, with crescendo passages of agonized ecstasy, and Paul puts it over with smack attack, total con-

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viction, absolutely minimal subtlety and a triumphal, unrestrained, juvenile animal vulgarity« (1986b: 48). Ohne Begriffe wie »triumphal« und vor allem ohne Kenntnis des gesamten Artikels könnte man die Beschreibung leicht für eine Verurteilung halten, so wenig unterscheidet sie sich in der Wortwahl von den üblichen konservativen, intellektuellen und pädagogischen Kritiken. Bei MacInnes gewinnen die Qualitäten des Wilden, Animalischen etc., bezogen auf den Rock ’n’ Roll, jedoch wieder eine positive Dimension. Ein Vergleich lohnt ebenfalls mit dem Berichtstil der Nachrichtenmagazine. In Time heißt es im Mai 1956 unter der Überschrift Teeners’ Hero über Elvis Presley: »His throat seems full of desperate aspirates (›Hi want you, hi need you, hi luh-huv-huh-huv yew-hew‹) or hiccuping glottis strokes, and his diction is poor. But his movements suggest, in a word, sex« (Anonymus 1956: 53). In ganz ähnlicher, aber letztlich dennoch deutlich emphatischer Manier schreibt MacInnes über Presley: »His songs seem, melodically, absolutely identical, with words, where comprehensible, that are loaded with mildly smutty innuendo. You may not admire the frantic agitation of his hunched shoulders as he laces his electric guitar with loving arms, or the equivocal motion of his over-expressive shark-skin slacks, or even, for that matter, his ear-cracking, plexus-shaking voice. But there’s no denying the punch, verve and gusto of his performace – its utter certainty that what he gives, they need.« Das Resümee über Elvis wird dann wieder vollständig mit den umgewendeten Begriffen seiner Verächter gezogen: »His act, in short, has all the frenzy of a jungle dance and war cry without their dignity« (1986b: 49f.). Die von den Kritikern sonst bemängelte Wildheit dient so immerhin hier dazu, den anderen oftmals herausgestellten Mangel der Massenkultur wie der pop songs – ihre stereotype, synthetische Form und Machart – teilweise auszugleichen. Im Gegensatz zu jenen Mitgliedern der Independent Group, die zur gleichen Zeit ihre Anerkennung der popular culture bzw. der pop art u.a. auf dem Wert der Künstlichkeit gründen, geht MacInnes Wertschätzung der pop songs mit dem Lob der unbezähmbaren Vitalität und des leidenschaftlich bewegten Ausdrucks einher. Mit der Independent Group trifft er sich jedoch in der Einschätzung, dass pop art und fine art nicht strikt als getrennt angesehen werden sollten. Die gängige Ignoranz der zeitgenössischen popular music gegenüber ist für ihn darum ein unverzeihlicher Fehler. Erstens könne pop music auf ihre eigene, nicht hochwertige Weise sehr ansprechend sein, zweitens sei ihre Kenntnis zum Verständnis der modernen Welt unabdingbar: »For that music is our culture« (ebd.: 46). Noch treffender wäre es, den Zusatz anzufügen, dass diese Musik unsere Jugendkultur sei. Gleiches gilt für eine weitere Aussage von MacInnes, als er seinen erwachsenen, gebildeten Lesern erklärt, was der neue Begriff pop bedeutet. »So: pop = popular«, erläutert er in Form einer einfachen Gleichung. Auch hier muss man aber hinzufügen, dass pop in erster Linie Popularität bei den Teenagern bedeutet. Im weiteren Verlauf seines Artikels lässt MacInnes daran selbst keinen Zweifel. In Übertragung der Einschätzungen Eugene Gilberts auf die englischen Verhältnisse führt er die bekannten amerikanischen Ergebnisse an: Die Jugendlichen bildeten nun eine Klasse für sich – this new, classless class –, sie verfügten jetzt alle über ein beachtliches Budget, das sie vor allem für ihre spezielle Kleidung, ihre pop discs und andere Konsumgüter

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aus dem Massenkommunikations- und Freizeitbereich ausgäben (ebd.: 45, 47, 54; 1986a: 11). Ziemlich genau zur gleichen Zeit wie Fyvel widmet sich MacInnes in einem weiteren Artikel ebenfalls besonders den auffälligen jugendlichen Kleidungsstilen mit großer Sorgfalt. Präzise beschreibt er den Aufzug der Teds, wenn er ihren Stil auch bereits als archaisch bezeichnet (1986c: 149f., 153); anders als Fyvel (1961: 17ff.), der darauf in erster Linie in Hinblick auf die deutschen »Halbstarken« und die französischen »blouson noir« eingeht, hebt MacInnes jedoch auch für England den Einfluss der amerikanischen Mode jugendlicher Rebellion hervor. Gemeint ist natürlich der bekannte Stil, der nicht nur in Amerika von Marlon Brando, James Dean und Elvis Presley popularisiert wird: »These ›heroes‹, however different, have in common a certain degree of anti-social (or, at any rate, anti-parental) frustration, expressed sartorically by a sort of casual, erotic elegance. Examples of this are, of course, jeans, ›Wild One‹ leather jackets, short hair cuts, ›moccasin‹ shoes«, hält MacInnes fest, um die Darstellung schließlich mit einem deutenden Bild zu bilanzieren: »a general appearance, in fact, like that of an urban, motorised cowboy« (1986c: 154). Besonders ausführlich beschreibt MacInnes den sich seit dem Sommer 1958 schnell durchsetzenden Stil der modernists, jenen Italian style, den wir bereits bei Fyvel kennen gelernt haben; daneben hat MacInnes aber noch zusätzlich ein Auge für kleinere vogues, etwa jene »vogue for camp, rather too pretty garments«, die sich noch einmal deutlich von der virilen Eleganz des modernistischen Italian style unterscheide. Als ein Beispiel für die CampWelle führt er Pop male jewellery an, »heavy ›identity‹ wrist chains« würden durch »delicate silver neck chains« abgelöst. Die besorgte Frage, ob dies ein Zeichen dafür sei, dass die männlichen Jugendlichen ihre Maskulinität verlören und die Mädchen frivoler würden, lässt er einfach unbeantwortet bzw. wehrt sie von vornherein ab. »I cannot see that to feel it’s wonderful to be young, energetic, and handsome or pretty is in any way reprehensible«, lautet seine zentrale Einschätzung, die den gegen die Eltern und den englischen Puritanismus gerichteten Ausdruck der Kleidung und Frisur nicht mit einer asozialen Haltung verwechseln möchte (ebd.: 153, 155f.). In der jugendlichen Begeisterung für Mode und Popmusik sieht er einen instinct for enjoyment, der einem teenage neutralism, einer Indifferenz gegenüber der Politik gleichkommt (1986b: 59), in der Absage an die offiziellen Politikformen jedoch indirekt eine politisch wirksame Liberalisierung der herrschenden Verhältnisse bedeutet. MacInnes legt sich in dem Zusammenhang erneut eine Frage zum Status des jugendlichen Interesses für auffällige Kleidungs- und Frisurmoden vor: »Isn’t it rather a minor (and pleasant) part of an international upheaval which is changing, behind the lock-jawed deadlocks of the politically mighty, all forms of social intercourse, the world’s boundaries, thought, art – everything, almost?« (1986c: 157) Die Frage ist jedoch nur eine rhetorische. MacInnes’ Antwort (oder Hoffnung) ist zweifelsfrei, dass der jugendliche Antipuritanismus, die modisch zum Ausdruck gebrachte Absage an die strikten Grenzen der auch symbolisch stark befestigten englischen Klassengesellschaften Teil eines solchen Umschwungs sei. In MacInnes’ Roman Absolute Beginners aus dem Jahr 1959 wird aus der Sicht der jugendlichen Hauptfiguren dieser Umbruch emphatisch behauptet.

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Auf die Kritik seines sozialistischen Bruders hin, der die allgemein abwehrende Haltung der Teenager gegenüber politischen Betreuungsversuchen als Anzeichen eines Verrats an der Arbeiterklasse deutet, äußert der Held des Romans mit aller Entschiedenheit, er habe einfach kein Interesse mehr in the whole class crap. Genauso entschieden fällt die Absage an erwachsene Bevormundungen überhaupt aus. Die erstmalige freie Verfügung der Jugendlichen über eine größere Summe eigenen Geldes befreie sie erheblich von der Macht der Eltern und Aufseher, räsoniert der Ich-Erzähler schließlich in der übergreifenden Ersten Person Plural: »Yes, I tell you, it had a real savage splendour in the days when we found that no one couldn’t sit on our faces any more because we’d loot to spend at last, and our world was to be our world«. Zuvor habe es gar keine Teenager geben können, man sei lediglich entweder ein over-grown boy oder ein under-grown man gewesen, jetzt aber existiere der teenage dream, das Verlangen nach kicks and fantasy (1960: 39f., 10, 37, 11). Kaum dass der Teenager-Traum Wirklichkeit geworden ist, ist er jedoch in Sicht der Absolute Beginners mehr als nur bedroht. Interessanterweise liegt das weniger an den ›archaischen‹ Teds, obwohl deren chauvinistische, xenophobe Gewalt im Roman ausführlich geschildert wird, sondern nach dem Urteil der Protagonisten vor allem an der Indienstnahme der Teenager durch die Kulturindustrie. Die Begeisterung über die Macht der Teenager muss deshalb nach kürzester Zeit bereits in der Vergangenheitsform stehen: Der teen-age ball, der mit der jugendlichen Verfügungsgewalt über eigenes Geld anbricht, ist schnell wieder zu Ende, er liegt in der Zeit »before the newspapers and telly got hold of this teenage fable and prostituted it as conscripts«, wie der Held des Romans meint, der sich darum vom gegenwärtigen teenage thing ab- und mit demokratischem, liberalem Impetus der Jazz-Welt zuwendet: »In the jazz world, you meet all kinds of cats, on absolutely equal terms, who can clue you up in all kinds of directions – in social directions, in culture directions, in sexual directions, and in racial directions«. Der Weg in die Jazz-Welt ist jedoch kein Weg in eine erwachsene Welt, auch er verbleibt im Rahmen der reinen Teenager-Ideologie; die demokratischen Ideale werden mit jugendlichem Impetus verbunden und sind direkt an eine konkrete Szene geknüpft: »But the great thing about the jazz world, and all the kids that enter into it, is that no one, not a soul, cares what your class is, or what your race is, or what your income, or if you’re boy, or girl, or bent, or versatile, or what you are – so long as you dig the scene and can behave yourself, and have left all that crap behind you, too, when you come in the jazz club door« (ebd.: 10, 64). Ins Akademische gewendet, löst sich die Verbindung von Jazz und emphatischer Jugendlichkeit aber schnell wieder auf. In der ersten großen englischen Monografie zu den Popular Arts aus dem Jahr 1964, die ihren zeitgenössischen Gegenstand nicht von der Höhe der schönen Künste oder der Kulturkritik herab betrachtet, wird zwar genau wie im Roman von MacInnes der Jazz der pop-music vorgezogen, eine direkte Übereinstimmung von modernem Jazz mit jugendlichen modernists kommt hier aber wesentlich weniger zur Geltung. Die Autoren dieses frühen Standardwerks über die populären Künste, Paddy Whannel und der später als Leiter des Birminghamer Centre for Contemporary Cultural Studies hervortretende Stuart Hall, unterscheiden high bzw. serious art, popular art und the ›art‹ of the mass media voneinan-

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der; im Bereich der popular art trennen sie weiter die traditionelle anonymous folk culture von der neuen individuellen Kunst z.B. eines Chaplin. Gemeinsam sei der popular art, auch wenn ihre gegenwärtige Variante unter enorm veränderten technologischen und gesellschaftlichen Bedingungen stattfinde, die eine starrere Grenze zwischen Künstler und Publikum zur Folge hätten, dass bei ihr ein wirklicher Zusammenhang zwischen Aufführenden und Publikum bestehe. Die popular art ist demnach in den Augen Halls und Whannels eine Form der Kunst, zwar tief verschieden von der hohen Kunst, aber ausgestattet mit eigenen Qualitäten, die das Wort von der Kunst (im Sinne eines Werturteils) auch im Zeitalter neuer Medien erlaubt (1964: 55ff.). Beim Ausdruck ›art‹ of the mass media zeigen hingegen die Anführungsstriche um das Wort »Kunst« bereits an, dass Hall und Whannel hier zu einem anderen Urteil gelangen. In der Tradition links-humanistischer englischer Literaturkritik und Pädagogik (vgl. Anonymus 1964b: 30f.) ziehen sie ausdrücklich eine scharfe Linie zwischen der popular art und jener Pseudokunst der Massenmedien. Zwischen beiden gebe es keine Kontinuität, Letztere stelle bloß eine Korruption der populären Kunst dar, ihr mangele es sowohl an der Verwurzelung in einer hergebrachten, gewachsenen Lebensweise als auch an den persönlichen Eigenschaften neuerer popular artists wie eben Charlie Chaplin. Die ›art‹ of the mass media bestehe im Gegensatz dazu lediglich aus Charakterstereotypen, aus manipulativ eingesetzten, formelhaften Elementen, die vorgefertigte, vereinfachte Erfahrungen vermittelten (ebd.: 68f.). Die Beschreibung bzw. Kritik der sog. massenmedialen Kunst findet man bei Hall und Whannel in einem späteren Kapitel ihres Buches unter der Überschrift »The Young Audience« wieder. Die Musik der jungen Leute wird dort unter dem Begriff pop music eingeführt. Im Vergleich zum Jazz erkennen Hall/Whannel in der pop music eine formelhafte, monotone, fließbandartig hergestellte Musik. Ganz im Einklang mit ihrer Absetzung der ›art‹ of the mass media von der popular art müssen sie darum zu der Schlussfolgerung gelangen, dass die Aussichten der Popmusik, zu einer Form wahrhafter Populärkunst aufzusteigen, sehr gering seien. Dies steht auch logisch mit ihrer Beobachtung in Verbindung, dass die Entwicklung der Medien nach dem Zweiten Weltkrieg und die Herausbildung einer in Sachen Stil und Konsumchancen selbstbewussten sub-culture der Teenager Hand in Hand gehe (ebd.: 307ff., 269ff.). Dennoch gestehen sie (recht widersprüchlich) der Popmusik und den Teenagern zumindest einen gewissen Grad an Wert und Authentizität, an Lebendigkeit und rebellischem Potenzial zu. Grundsätzlich weisen sie darauf hin, dass der Gebrauch, den das Publikum von den angebotenen Produkten macht, von den Absichten seiner Hersteller stets abweichen könne. An der Teenager-Kultur speziell schätzen sie den vollzogenen Bruch mit der puritanischen Tradition, den sie u.a. mit dem Hinweis auf die verschiedenen, nun schon gut bekannten Stile der Mods, Rocker, Beatniks etc. illustrieren. Der Verweis auf die kommerzielle Überformung der Teenager-Kultur muss von den Kritikern der Massenmedien jedoch sogleich und verstärkt erfolgen: Hall/Whannel malen die Gefahr einer konformistischen consumer identity mit kräftigen Farben an die Wand. Deshalb muss es für sie insgesamt gesehen eine Überraschung darstellen (wie sie selbst anmerken), dass aus der

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standardisierten Produktion der Musikindustrie ein Presley hervorgehen konnte (ebd.: 285, 295, 269f., 279, 311). In einer angefügten Notiz zu ihrem 1964 erscheinenden Buch weisen Hall und Whannel auf eine weitere Überraschung solcher Art hin, auf den Erfolg der Beatles. Zum einen halten sie es für recht bemerkenswert, dass es kein einzelnes Idol mehr gibt (den hervorgehobenen Sänger), sondern die Gruppe im Vordergrund steht. Zum anderen meinen sie vermehrt Kennzeichen des Authentischen zu entdecken, zum Teil, was das Ausmaß des Schematischen anbelangt – »there is still a remarkable conformity in the texture of the sounds produced, but they seem less relentlessly ›tooled‹ and manufactured« –, und besonders im Hinblick auf die Entstehung der Musik im populären Zusammenhang: »The new sound was created, first, in the clubs, and the dances devised on the spot [...]. In accent, in texture, in inflection, in attack, something of the native quality of life comes through; audiences and performers seem less shielded from one another by the screen of publicity or Big Business« (ebd.: 312). Mit den Beatles bewegt sich nach dem Urteil von Hall und Whannel die pop music offenkundig fort von der ›art‹ of the mass media nah an eine zeitgenössische Form der populären Kultur heran. Ihr Urteil ist im Sinne eines anderen englischen linksliberalen Autors, Paul Johnson, Anzeichen einer gewandelten Einstellung von Intellektuellen gegenüber der Popkultur, die in den 40er Jahren mit der positiven Aufnahme des Jazz begonnen hat und nun sogar auf Gruppen wie die Beatles übergreift. Johnson selber ist allerdings ein guter Beweis dafür, dass dieser Wandel längst nicht die Ausmaße besitzt, die er am Werke sieht. Zum einen kann eine popkulturelle Begeisterung unter Intellektuellen nur konstatiert werden, wenn man sie stark übertreibt; von einem Jugendkult, den Johnson alarmiert kritisiert, sind beispielsweise Hall und Whannel denkbar weit entfernt. Zum anderen verschwinden die kritischen Stimmen zur Massenkultur und Kulturindustrie angesichts der Beatles keineswegs. In Deutschland etwa sind die Beatles mit ihren »heruntergekommenen Ausdrucksmitteln« für Adorno einfach Teil der »dirigistischen Massenkultur« (Adorno/Haselberg 1965: 494). In England ist Johnson 1964 selbst ein prominenter Kritiker der neuen ›pop culture‹. Auch die Beatles bilden für ihn lediglich ein weiteres Produkt der Kulturindustrie. In den Teenagern, die den Beatles anhängen, erblickt er das erschreckende Dokument einer Generation, die von einem kommerziellen Apparat eingefangen worden sei. Am Fernsehen studiert er bei Popmusiksendungen das Gesicht dieser manipulierten Generation – und sieht in eine gespenstische, bedrohliche Leere: »What a bottomless chasm of vacuity they reveal!«, ruft Johnson aus: »The huge faces, bloated with cheap confectionery and smeared with chain-store makeup, the open, sagging mouths and glazed eyes, the hands mindlessly drumming in time to the music, the broken stiletto heels, the shoddy, stereotyped, ›with-it‹ clothes: here, apparently, is a collective portrait of a generation enslaved by a commercial machine« (1995: 196f.). Höchstwahrscheinlich hat Johnson hier die Bilder aus der wöchentlichen Fernsehshow von I.T.V., Ready, Steady, Go!, vor Augen. In ihr treten die englischen Sänger Tom Jones und Cliff Richard, aber auch die Rolling Stones, die Beatles und die Who auf. Vor allem ist die Sendung der einzige Platz, an dem man die amerikanischen Favoriten der englischen Mods, die

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Protagonisten des schwarzen Soul, James Brown, The Miracles, Stevie Wonder, Otis Redding etc., sehen kann. Die Mods prägen auch das Bild der Show. Sie sind es offenkundig, die Johnson solche Abneigung einflößen. In Ready, Steady, Go! sieht man ausgesuchte Mods, wie sie dicht um die auftretenden Gruppen herumstehen und -tanzen. Als Abkömmlinge der kleinen Gruppe der jazzbegeisterten Modernists und ihres Italian style haben die Mods von 1962 bis 1964 die Zahl Hunderttausend beträchtlich überschritten; an die Stelle der Anzüge treten dabei zunehmend schmal geschnittene Jeans, TShirts und Kleidungsstücke, die der Sportbekleidung (Tennis, Radfahren) entlehnt sind. In England bestimmt der Stil das Aussehen der (zunächst proletarischen) Jugendkultur, der kurzfristige Aufschwung schnell international bekannter englischer Mode aus der Carnaby Street steht damit in unmittelbarem Zusammenhang (Barnes 1979; Hewitt 2000). Der amerikanische Journalist Tom Wolfe bekommt die Londoner Mods zwar spät, 1965, aber immer noch rechtzeitig genug zu Gesicht, um ihren hedonistischen, ganz an Stil und Mode ausgerichteten Alltag zu porträtieren. Auf den alarmistischen Ton, der die Berichterstattung über die Mods seit ihren Auseinandersetzungen mit den Rockern prägt (Cohen 1972), verzichtet Wolfe dabei vollkommen. Auch die Abneigung Johnsons teilt Wolfe offenkundig nicht, mit den Worten Johnsons muss man ihn darum zu jenen Intellektuellen zählen, »who have turned their backs on their trade and begun to worship at the shrine of ›pop culture‹« (1995: 196). Ob es sich tatsächlich um eine Art Verrat an der intellektuellen Berufung handelt, sei dahingestellt, im Falle von Tom Wolfe trifft jedoch erstmals zu, dass er (im Gegensatz zu Hall/Whannel und selbst zu MacInnes) auf kritische Distanz gegenüber seinem Gegenstand verzichtet, zumindest legt das seine atemlose Prosa nahe, wenn er Porträts einzelner Mods aus der Menge der Tänzer in einem Londoner Club liefert: »Berry Slee, a 19-year-old fellow from Brixton«, heißt es da, »is out there, in the darkness at noon, heh, going like a maniac, doing a dance called Rudy, by himself, with this maniacal suit on, with flaps on the pockets hanging down about eight inches, messes your mind right up«. Oder über die 17-jährige Linda: »Linda McCarthy from the Ravel store is out there, dancing with some guy, ratcheting her hips about in their sockets. Linda, with ... The Eyes, is about to make it, as a model or something, it could happen, but just now she is 17 and she works in the Ravel shop and one moment she sells a pair of jesuschristyellow shoes and then the music gets her like a VibroMassage and she leaves the store and she goes out there and dances it out« (1968a: 102). Distanz wahrt Wolfe aber insofern, als er selber nie als Stimme in dem Treiben untergeht. Immer wieder nimmt er sich Zeit und Abstand, um zurückzutreten und seine eigenen Reflexionen über das manchmal aus der Nahsicht oder aus der vorgeblichen Innensicht der Beteiligten Beschriebene zu formulieren. Diese Überlegungen unterscheiden sich in ihrem Abstraktionsgrad und in ihrer Wortwahl deutlich von dem, was die jugendlichen Akteure selbst sagen (würden) bzw. was Wolfe ihnen in den Mund legt. Sie unterscheiden sich ebenfalls von den Passagen, in denen Wolfe das aufgeregte Szenario zeitgenössischen Lebens in Diskotheken und anderen modischen Stätten bietet. In den nachdenklicheren Partien bemüht sich Wolfe, die geschilderten Ereignisse nicht nur als Manifestationen des aktuellen Zeitgeists

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(als »in«-Phänomene) zu charakterisieren, sondern sie sogar als Beispiele für viel tiefergehende und längerfristige Wandlungsprozesse anzuführen. Wolfes zentrale These lautet, dass seit dem Zweiten Weltkrieg, verstärkt seit Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre eine bedeutende Änderung im sozialen Gefüge zu verzeichnen sei. Der allgemein gestiegene Wohlstand erlaube es nun auch den Arbeitern und Angestellten, sich in ihrer Freizeit eigene Welten zu erschaffen. Die Teenager, seien es die Londoner Mods oder die kalifornischen Surfer, porträtiert Wolfe äußerst gerne als Avantgarde der neuen Möglichkeiten, die sich darin zeigen, dass z.B. die Kleidungsvorschriften der Arbeitssphäre und der traditionellen Klassen- oder Schichtenordnung ihre materielle und symbolische Vorherrschaft verlieren. Jetzt gebe es vielmehr bereits eine ganze Reihe von Gruppen (angefangen mit den Beatniks und den Rock ’n’ Roll-Anhängern), deren auffälliges Aussehen und deren mitunter spektakulärer Konsum nicht ihren beruflichen oder ökonomischen Status zum Ausdruck bringen solle, sondern einen aufregenden, besonderen Lebensstil: »In every case they made a point of devising new fashions, role clothes, to symbolize their new life styles«, bilanziert Wolfe die neue Entwicklung, als deren Grund er die wachsende Freizeit und die vergrößerten Konsumchancen angibt (1968b: 128f.). Diese These ist keineswegs originell, sie hat ihren Platz in dem bereits vertrauten Dreieck der Rede über Teenager, Subkultur, Popkultur. Originell ist jedoch eine zweite damit verbundene These Wolfes. In vielen seiner Reportagen kommt Wolfe immer wieder darauf zu sprechen, dass nun auch die herrschende Schicht sich den Moden weitab von Haute Couture und überkommener Etikette öffne: »Once it was power that created high style. But now high styles come from low places, from people who have no power, who slink away from it, in fact, who are marginal, who carve out worlds for themselves in the nether depths, in tainted ›undergrounds‹« (1965a: 206f.). Zu diesem Untergrund rechnet Wolfe nicht allein die Boheme, sondern ebenfalls Werbeleute, Fotografen und camp culturati – und auch die Teile der vormals mehr oder minder unsichtbaren Schichten der Kleinbürger und Arbeiter, die sich jetzt in ihrer Freizeit eigene Kunstwelten erschaffen; Wolfes Beispiel dafür ist das der Hot Rod-Fans, die ihre Autos fantasievoll und stilfixiert umgestalten; die Absage der Detroiter Designer (und der Independent Group) an ein funktionales Autodesign wird von ihnen auf individuellere Weise noch einmal gesteigert; in der Kombination von Geld (materiellen Möglichkeiten) und ausgeprägtem Formbewusstsein erkennt Wolfe eine Kombination, die bislang der hohen, stilisierten Kunst zugrunde gelegen habe und nun auch den Klassen weit unterhalb der (Geld-)Aristokratie erstmals zu Eigen sei (1965b: 77, 95; 1965c: xv). Zum Untergrund zählt Wolfe vor allem die Welt des Rock ’n’ Roll und der Teenager. Die Teenager und ihre verschiedenen Modestile werden dadurch weiterhin als eine Subkultur angesehen, zugleich aber fällt alles Gefährliche von ihnen ab. In der ausgeweiteten neuen Popkultur im Sinne Wolfes finden sich alle wieder, von keinen pädagogischen oder moralischen Bedenken mehr begleitet. Nur dem Bildungsbürger kann die Nähe von niederen Freizeitvergnügungen, Teenagerstilen und Moden der höheren Schichten Sorge bereiten, den anderen zeigt sie die Integration des sog. Untergrunds an. Mit dem Begriff der Pop Society belegt Wolfe diese Verbreitung der vormals als vulgär abgestempelten Phänomene in Bereiche der oberen Gesellschafts-

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schicht: »Socialites in New York seem to have no natural, aristocratic styles of their own«, stellt Wolfe fest, »they are taking all their styles from ›pop‹ groups, which stands for popular, or ›vulgar‹ or ›bohemian‹ groups« (ebd.: xvi). Der Aufstieg der netherworld (zu der u.a. die Teenager gehören), der englischen oder amerikanischen pariah styles (1968c: 217; 1968d: 233) ins Licht gesellschaftlicher Anerkennung wird von Wolfe mehr als nur konstatiert. Mit sichtlichem Vergnügen verzeichnet er die Wendung gegen den alten puritanischen Stil hin zum Popstil, die Abwendung der einfachen Leute bzw. der happy people von den cultivated, educated classes (1968e: 13). Auch der moderne Jazz eines Monk oder Miles Davis erscheint in diesem Umschwung als Gegenstand eines veralteten bürgerlichen Geschmacks; mit positivem Unterton verzeichnet Wolfe, dass Intellektuelle auf ihren Partys zunehmend Platten von den Shirelles, den Beach Boys oder Dionne Warwick auflegen würden (1965d: 47f.; 1965e: 64f.). Ob Wolfe selbst diese Musik mag (etwa die Beatles oder die Rolling Stones, über die er beide berichtet), bleibt unklar, deutlich wird hingegen die Faszination, die für ihn von der Architektur Las Vegas’ ausgeht (a prole vision ... Glamor! ... of style; 1965c: xvii). In jedem Falle sichtbar ist aber Wolfes Begeisterung, dass sich hier insgesamt eine neue Welt auftut, die mit dem modern-asketischen oder bildungsbürgerlichen Geschmacks- und Kastenprinzip bricht. Zum Werk der ›pop‹ groups, die den Wandel betreiben, gehören nach Ansicht Wolfes die Favoriten der Teenager ebenso wie die der Werbung oder der (neu-)reichen urbanen Partygänger; in immer größerem Maße handelt es sich sogar um dieselben Favoriten, nur in unterschiedlicher Aneignung und Anmutung, etwa wenn man sie kurz hintereinander in einer Teenager-Zeitschrift, einer Sonntagsbeilage, einem Modejournal oder manchmal sogar einer Kunstzeitschrift sieht; der Stil der ›pop‹ groups umfasst nach einer Auflistung Wolfes aus dem Jahr 1964 »rock and roll, underground movies, decaying lofts, models, photographers, Living Pop Art, the twist, the frug, the mashed potatoes, stretch pants, pre Raphaelite hair, Le Style Camp« (1965a: 206). Die Angst vor dem Teenager als Ausdruck einer abweichenden, gefährlichen Subkultur oder als Verkörperung einer hedonistischen, materialistischen Konsumkultur verliert sich darüber vollkommen. Wolfe feiert die gewonnenen Freiheitsspielräume materieller und geschmacklicher Art, die neuen Möglichkeiten der Teenager wie der Kleinbürger, ihre eigenen statuspheres und Stilräume zu schaffen und durchzusetzen. Unter dem Zeichen von Pop bietet sich Wolfe darum selbst 1968 das Bild einer Happiness Explosion (1968e: 7, 13f.).

Zwischenbilanz: Pop als kapitalistisch-demokratischer Hedonismus Mitte der 60er Jahre hat der junge Begriff pop in England und vor allem in Amerika bereits eine beachtliche Geschichte hinter sich. Der Begriff kommt als Bestandteil von pop music auf, der Abkürzung des älteren, sehr gebräuchlichen Begriffs popular music. Obwohl er mit der älteren Popmusik Tin Pan Alleys bricht, geht auch und gerade der Rock ’n’ Roll nach 1955 in diese vergleichsweise neue, knappe Kategorie ein. Selbst die Annahme, dass die Teen-ager, als Anhänger dieser neuen Musik, eine Gruppe für sich bilden, ei-

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ne Subkultur mit eigenen Werten und Vorlieben, hindert daran nur zu Beginn. Die nicht allein zahlenmäßige Stärke der Teenager erweist sich bereits daran, dass ihre pop music weite Bereiche der Charts und des Sendeplatzes im Radio einnimmt, also über einen abgeschlossenen Kreis hinaus in die größere Öffentlichkeit gelangt. U.a. an der raschen Verbreitung des Begriffs pop art ab 1962 zeigt sich jedoch auf andere Weise, dass sich pop teilweise wieder von den Teenagern ablösen und in den Augen der Zeitgenossen weitere Bereiche umfassen kann. Pop, als Kurzform für pop art, bezieht sich dann auf die planen Oberflächen des einheitlichen Farbauftrags und illusionslosen, zweidimensionalen Raums der neuen Malerei – und vor allem zunehmend auch auf deren Sujets und Vorlagen aus den Bereichen der Werbung, des Produktdesigns, der Illustrierten, des Hollywoodfilms, der Fernsehserien etc. Eine teilweise Ablösung ist das aber nur, weil die Teenager erstens als geschmacksbildende Schicht in manchen dieser Bereiche bereits berücksichtigt werden und zweitens ebenfalls ins Bild der Pop-Artisten mit eingehen. Andy Warhol ist dabei auf Seiten der Pop-art der auffällige Verbindungspunkt; die Berichte über ihn sparen nicht mit Hinweisen, dass er bei der Arbeit gerne die neuesten Hits, etwa der Supremes, in großer Lautstärke hört. In England wiederum sind die Hintergründe des Studio-Designs der Popmusiksendung Ready, Steady, Go! von den Techniken eines Peter Blake oder Derek Boshier beeinflusst (Mellor 1997: 16). Die Gruppe The Who, von der eine Zeit lang die Titelmelodie der Sendung stammt, geht sogar 1965 in Gestalt ihres Gitarristen und Art School-Studenten Pete Townshend so weit zu sagen, dass sie in ihrer Musik, ihrem Styling und in ihrem Verhalten ein Ausdruck der Pop-art sei. Als Beispiele geben sie jene zu Kleidungsstücken umfunktionierte britische Flagge an, die sie tragen, sowie die Flugzeuggeräusche und elektrischen Signale, die sie in ihren Stücken einsetzen. »We live pop-art«, ist Townshends kurz gefasste, zentrale Aussage (Jones 1995: 239f.; vgl. Thompson 2008: 227ff.). Die avantgardistische Zuspitzung der Who ist aber nur ein besonders spektakuläres Beispiel für die Auswirkungen der Pop-art. Die Nachrichtenmagazine und Illustrierten sind voll mit Artikeln, welche die Nähe von Popart und Werbung oder Produktdesign hervorheben und damit anzeigen, wie stark bereits die Pop-Mode ein Publikum abseits der Boheme- oder JugendSubkultur erreicht; dass der Camp-Geschmack sich durch die Fernsehserie Batman als vereinbar mit einem immens großen Publikum erweist, belegt diesen Trend eindrücklich. Obwohl im Feld der Musik durch die BeatGruppen die Popmusik wieder ein eindeutig jugendliches Gepräge bekommt – nach den auch Erwachsenen von Beginn an zugänglichen, kurzzeitigen Erfolgen des Twist und des Bossa Nova Anfang der 60er Jahre –, firmiert Pop Mitte der 60er Jahre keineswegs nur als Marke der Teenager. Pop steht zwar für Jugendlichkeit, diese vermutet man aber in den Nachrichtenmagazinen nicht allein bei 16-jährigen. Die Aktualität von Pop, der inCharakter von Pop scheint den Kommentatoren weder ein flüchtiges noch ein auf Teenager beschränktes Phänomen zu sein, auch wenn die alten Generationen ihm ablehnend gegenüberstehen. Die Erklärung der Popkultur aus liberal-kapitalistischen Fortschritten lässt den Schluss zu, dass die junge Generation nur die erste von kommenden Generationen ist, die der Popkultur über den Tag hinaus verbunden sein werden. Gloria Steinem schließt in Life die

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Pop Culture eng an den spirit of Now an, um sofort jedoch herauszustellen, dass dieser Zeitgeist sich tiefliegenden, beständigen Entwicklungen verdankt, gebunden ist an die Übersteigung nationaler Grenzen, an eine Generation, die ohne Kriegserinnerungen aufwächst, an die Ablösung von puritanischer Moral, an die vergrößerten Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Wohlstand teilzuhaben, zu reisen, sich frei zu bewegen und auszudrücken (1965: 75). Als Produkte dieser Entwicklung stellt Steinem wie so viele andere auch neben der Musik der Beatles und der Rolling Stones und neben Filmen wie denen James Bonds viele Trends im Bereich der Kleidung, der Frisuren und der ungezwungeneren Verhaltensweisen heraus, seien sie nun ironisch gebrochen wie in der Camp-Mode oder rebellischer gemeint. Verschränkungen zwischen der neuesten Galeriekunst und Massenprodukten durch rasch erfolgende Adaptionen der Pop-art und Op-art sowohl beim Design von Verpackungen oder Gebrauchsgütern als auch in der Gestaltung von Fernsehserien zeigen die enorme Spannbreite der Popkultur an. Außergewöhnlich an dieser Konzeption einer Popkultur, wie man sie Mitte der 60er Jahre in den großen Illustrierten und Wochenendbeilagen findet, ist, dass sie ohne den vertrauten kritischen Ton auskommt. Pop steht nun – wie Cécile Whiting als Erste eindringlich herausgearbeitet hat – für eine Ästhetik »that cut across high art and consumer culture through its emphasis on fashionability, youthfulness, and fun« (1997: 179). Weder wird die Leere, Frivolität oder Aggressivität der Jugend oder der hedonistischen Massenkultur beklagt noch eine Verflachung und Kommerzialisierung authentischer, abweichender Impulse bedauert. Unter dem Namen von Pop tritt so die erste positive Einschätzung und Einordnung der amerikanischen und schnell auch westlichen Wohlstandskultur hervor. Bei Steinem klingt die entscheidende Vokabel der vorherigen Debatten bereits an: affluence. Das hört sich zuerst uneingeschränkt gut an, tatsächlich aber zeichnen die entsprechenden Debatten am Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre keineswegs ein einhellig positives Bild der Lage. In seinem einschlägigen Buch zur Affluent Society bestreitet John Kenneth Galbraith zwar überhaupt nicht, dass Güter im Überfluss vorhanden seien, er bestreitet jedoch entschieden, dass man an der steigenden Güterproduktion einen zivilisatorischen Fortschritt abmessen könne. Galbraith bezweifelt z.B. in traditioneller Manier, dass man den Wert eines Menschen an seinem Lebensstandard, sprich an der Menge der Güter, die er besitzt, ablesen kann (1958: 123f., 155). Noch entschiedener bestreitet Galbraith, dass man aus diesem vorhandenen Wohlstand den Schluss ziehen könne, der Konsum der Güter gehe auf erst unbefriedigte, dann erfüllte Wünsche zurück. Von einer Bedürfnisbefriedigung dürfe man nur angesichts einer Welt reden, in der die Produktion auf die Notwendigkeit antworte, die tägliche Reproduktion zu gewährleisten. Von einem Bedürfnis nach eleganten Autos, exotischen Speisen etc. zu sprechen, hält Galbraith hingegen für sachlich falsch und sogar für gefährlich. Von einem Bedürfnis möchte er nur sprechen, wenn es authentisch ist. Die modernen, sinnlichen Bedürfnisse erfüllen in seiner Sicht dieses Merkmal aber nicht, sie seien lediglich indirekt von der Produktion hervorgebracht worden. Direkt erzeugt würde die Illusion, man brauche diese neuen, eigentlich überflüssigen Güter, durch die Werbung, die von den Güterproduzenten bezahlt wird. Auf die Art und Weise stellt die Güterindustrie in der Sicht

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Galbraiths nicht allein die Waren her, sondern ebenfalls den Wunsch nach ihnen (ebd.: 140, 152, 155f.). Mit der Verfertigung der Bedürfnisse ist in Galbraiths kritischem Blick nicht nur ein manipulativer Eingriff verbunden, sondern auch eine ökonomische Gefahr. Die Gefahr geht von der Überwältigung des puritanischen Ethos durch das zeitgenössische Marketing aus. Mit der Übertretung des alten puritanischen Gebots, keine Schulden zu machen, sei zwar kurzfristig ein Anwachsen des Wirtschaftswachstums möglich, mittelfristig stiegen jedoch die Risiken einer Rezession, wenn die angehäuften Konsumentenkredite zuerst eine Inflation und dann eine Kaufzurückhaltung auslösten. Zudem birgt jene Produktion, die durch die Werbung und die individuelle Verschuldung vorangebracht wird, nach Galbraith ebenfalls ein großes politisches Risiko. Die Ausrichtung der Produktion auf Konsumgüter vernachlässige die Anforderungen des Gemeinwesens; die bedeutenden Grundlagen, die für die gesellschaftliche Reproduktion im öffentlichen Sektor, in den Schulen, Hospitälern, Büchereien usw., geleistet würden, geräten dadurch in Gefahr (ebd.: 199ff.). Galbraiths Überlegungen finden nicht nur in seinem Fach, den Wirtschaftswissenschaften, Gehör. Das Buch über die Wohlstandsgesellschaft wird ein Sachbuch-Bestseller, zusammen mit der noch erfolgreicheren Abhandlung Packards über die geheime Verführung der Werbung setzt es Ende der 50er Jahre den Ton, der zur konsumistischen Freude einen attraktiv formulierten, neuen kulturkritischen Kontrapunkt liefert. Die Begeisterung über einen relativen Wohlstand, der u.a. in Form von Gebrauchsgütern erstmalig breitere Teile der Bevölkerung erfasst, bleibt deshalb ohne feuilletonistischintellektuellen Resonanzboden. Schlagworte und Slogans wie das deutsche »Wirtschaftswunder« oder die im englischen Wahlkampf von den regierenden Konservativen erfolgreich ins Feld geführte Feststellung »You’ve never had it so good« (Harold Macmillan) erfahren kaum eine kulturelle Überhöhung. Beiträge von Leitartiklern im New York Times Magazine oder in Fortune, die den pessimistischen Betrachtungen zur Massenkultur widersprechen, indem sie auf die deutlich gestiegenen Ausgaben für traditionelle Kultur- und Bildungsgüter hinweisen (Lynes 1961; Toffler 1961), helfen dabei mit ihrer überwiegend quantitativen Beweisführung nicht wesentlich weiter. Auch die zahlreichen, über den universitären Kreis hinaus bekannten Untersuchungen des Wirtschaftspsychologen George Katona schaffen letztlich keine Abhilfe. Zwar konstatiert Katona die enorm gewachsene Bedeutung der Konsumentenausgaben für den Wirtschaftszyklus im Gegensatz zu Galbraith ohne alarmierten Unterton, weil er aus seinen Erhebungen den Schluss zieht, dass der amerikanische Verbraucher durchaus umsichtig agiert; zwar sieht Katona den Verbraucher keinesfalls als willenloses Objekt der Werbung (1964: 333; vgl. Stehr 2007: 225ff.); als Wissenschaftler weist er aber lediglich darauf hin, dass in der amerikanischen Gesellschaft eher nach materiellen denn geistigen Dingen gestrebt werde, ohne selbst eine Verteidigung dieses Materialismus zu liefern; mehr als die Aufforderung, dass man diese Entwicklung anerkennen müsse, selbst wenn einige sie beklagten, liefert er nicht (1962: 251). Am stärksten in die Richtung einer intellektuellen Verteidigung des neuen Konsums geht der bekannte Marketingexperte Ernest Dichter. Dichter äußert sich in zahlreichen Schriften, Gutachten, Beiträgen; zusammengefasst

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liegen seine Auffassungen 1960 in dem Buch The Strategy of Desire vor. Seine Argumentation ist direkt gegen Galbraith und Packard gerichtet. Dichter baut seine Apologie des zeitgenössischen Materialismus äußerst grundsätzlich auf, beim unumgänglich menschlichen Bezug auf Gegenstände setzt er an. Menschliche Entwicklung definiert er folglich als den Kontakt mit einer stetig wachsenden Vielzahl an Objekten. Dabei geht es ihm keineswegs nur um einen instrumentellen Bezug, um eine funktionale Qualität; wichtig ist ihm besonders die symbolische Ausdeutung, Auslegung der Gegenstände. Diese grundsätzlichen anthropologischen Überlegungen dienen Dichter im nächsten Schritt gleich zur Feier der gegenwärtigen Verhältnisse. Die gewachsene Möglichkeit, sich auf dem Kaufwege Produkte anzueignen, erscheint ihm gerade nach der symbolischen Aufladung der Waren durch die Werbung dazu angetan, dem Konsumenten »neue Erfahrungen« und Horizonte zu eröffnen; der Käufer wird in der Sicht Dichters darüber zum kreativen Menschen (1960: 90ff., 109, 170). Dichter hat deshalb keinerlei Scheu, auch den Kauf eines neuen Autos, Radios etc. als positiven Akt auszugeben, selbst wenn sich im Haushalt bereits ein funktionstüchtiges älteres Gerät befindet. Er tut dies nicht nur im Namen von Wirtschaftswachstum und demokratischer Wahlfreiheit, sondern gleichfalls im Namen erfüllter Wünsche. Im Gegensatz zu Galbraith postuliert Dichter eine grundsätzliche Plastizität und Ausweitung menschlicher Bedürfnisse über die Gegebenheiten täglicher Reproduktion hinaus. Die Werbung schafft darum für ihn nicht auf manipulative Weise neue Begierden, sondern baut eine Brücke zwischen Produzent und Konsument, die es Letzterem ermöglicht, sich mit neuen Waren veränderte Wünsche zu erfüllen, sich dank der modisch veränderten images der Produkte von bloß funktionalen Überlegungen zu lösen. Die von den unmittelbar lebensnotwendigen Gesichtspunkten gelösten psychischen Bedürfnisse der Kunden sieht Dichter zudem nicht einfach von den symbolischen Produkt-Bildern der Werbung bestimmt; in Absetzung von gängiger Kommunikationstheorie und behaviouristischer Psychologie definiert er den individuellen Käufer und Nutzer als einen active respondent, nicht als einen passive recipient, der Reize unverwandelt aufnehme (ebd.: 256f.). Auf der Wertseite münden diese Feststellungen Dichters in den Aufruf, die puritanische Tradition hinter sich zu lassen. Dichter plädiert dafür, sich von den Schuldgefühlen der alten Moral freizumachen und im Hedonismus, garantiert durch Komfort, Freizeit, technologisch und materiell vereinfachte Lebensweisen, einen neuen, uneingeschränkt positiven Wert zu sehen. Zugleich präsentiert Dichter ein Panorama der modernen amerikanischen Gesellschaft, das seinen Aufruf bereits gegenstandslos erscheinen lässt; so sieht er eine Entwicklung am Werk, in der Status-Erfolg hinter das Ziel der Glücks-Erfahrung zurücktritt, in der die Kunden sich von lediglich praktischen Erwägungen befreien und in der das Selbstwertgefühl sich von der Arbeitsanstrengung emanzipiert (ebd.: 253f., 178, 259, 263). An manchen Stellen bekommt der radikal antipuritanische Zug Dichters eine wenig hedonistische Grundierung. Dann heißt es schlicht, dass die amerikanische Wirtschaft zusammenbrechen würde, wenn die Leute nur ihre notwendigsten Bedürfnisse erfüllten. Der starke Affekt gegen die alte Moral, die ausgestellte Bewunderung des kreativen Verbrauchers wäre demnach nur ein rhetorisches Beiwerk des entscheidenden Ziels, das Wirtschaftswachstum

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kontinuierlich voranzutreiben. »The real defenders of a positive outlook on life, the real salesmen of prosperity, and therefore of democracy, are the individuals who defend the right to buy a new car, a new home, a new radio« (ebd.: 169), heißt es mit einigem Pathos bei Dichter. Die Frage bleibt aber, ob die in einer Klammer angefügte Verbindung zur Demokratie mehr als nur eine Floskel ist. Anknüpfen kann Dichter zweifellos an die liberale Tradition, nach der das Recht auf Privateigentum zentraler Bestandteil einer demokratischen Verfassung ist. Das Recht, sich nach Belieben neue Konsumgüter zuzulegen, könnte man wohl als eine banale, massendemokratische Variante der überkommenen liberalen Freiheitsidee auffassen. Im Anklang an ein exzentrisches, individualistisches Freiheitsverständnis, allerdings um die Bildungsgehalte etwa eines John Stuart Mill gekürzt, hat David Riesman bereits 1947 die Möglichkeit, selbst unter nutzlosen und frivolen Gegenständen eine Wahl treffen zu können, als bemerkenswerte Eigenschaft einer freien Gesellschaft ausgegeben (Riesman 1963b: 85). Dichter nimmt diese Postulate insofern auf und verknüpft sie zugleich mit seiner Apologie der technologisch entfesselten Konsumenten-Kreativität, als er in einer hedonistischen Grundhaltung die Bedingung erkennt, dass sich die menschlichen Möglichkeiten über das Lebensnotwendige hinaus entfalten können. Deshalb kann er nicht nur behaupten, dass ein großes Warenangebot und eine tolerante, offene, kreative Lebensführung zusammengehören, er kann gleichfalls behaupten, dass repräsentative Demokratie und liberal-kapitalistische Wirtschaft, democracy and free enterprise, einzig bestehen könnten, wenn ein hedonistischer Konsumismus obsiege (Dichter 1960: 254, 263). Ganz grundsätzlich ist damit im Namen einer Trias aus Demokratie, Kapitalismus und Konsumismus kulturkritischen Positionen konservativer, bildungsbürgerlicher oder sozialistischer Provenienz eine deutliche Absage zuteil geworden. Weil zum bevorzugten Ziel der Kulturkritik zuerst die Phänomene der Massen- und später der Popkultur gehören, liegt der Gedanke nahe, dass Dichter im Gegenzug zu einer Feier entsprechender Produkte ansetzt, analog etwa zur Feier der amerikanischen Illustrierten, Anzeigen und Autos der Mitt-50er Jahre, wie man sie aus den Schriften der Independent Group kennt. Vergleichbares findet man jedoch bei Dichter nicht. Dichter verbleibt dafür zu stark im Grundsätzlichen. Weil zu seiner Konzeption zentral die Bedeutung der Abwechslung, des Geschmacks- und Produktwandels zählt, unterlässt er Ansätze zu einer normativen ästhetischen Typologie. In genau diese Lücke stoßen nun die Leitartikler amerikanischer Wochenendbeilagen und Magazine in der Mitte der 60er Jahre, die ihre Verteidigung der demokratisch-kapitalistischen Verhältnisse an konkretere Objekte binden. Diese Verteidigung und ihre Gegenstände werden oftmals unter dem neuen Begriff pop geführt. Pop steht dabei für eine Kultur, die massenhaft produziert wird, die bunt, modisch, unseriös und aufgeregt ist, aber zugleich einen gewissen widerständigen Anschein bewahrt, Pop steht für eine Kultur, die von der Camp-Ästhetik und der Pop-art durchdrungen wird, ohne bloßer Teil der Kunst- und Boheme-Szene zu bleiben. Life spricht in genau dem Sinne davon, dass Pop-art und Camp Superman und Batman zu Mitgliedern der intellectual community gemacht haben (Prideux 1966); Time bezeichnet Camp als eine Art tounge-in-cheek philosophy der pop culture (Anonymus 1966a). In seiner Story of Pop bilanziert Newsweek ebenfalls 1966, dass Pop sich in fünf Jahren von einem Etikett für einen scheinbar kleinen Trend in-

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nerhalb der Kunstgeschichte zu einem Massenphänomen entwickelt habe. Pop als ironisch-effektheischendes ästhetisches Stilprinzip zeige sich überall: In der Adaption und Rezeption von Comics, im Fernsehen – Batman, »the twice-weekly TV serial has become the hottest property in Hollywood, with both weekly episodes consistently in the Nielsen top twenty. ›Everything is deadly serious‹, Dozier says, explaining its appeal. ›One cliché on a TV show is not funny, but ten in one show is funny. Pop culture is wildness, something freewheeling‹« –, in der Mode – »in fashion, haute couture has been replaced by ›fun‹ clothes« –, in der Werbung – »the way to move pop products in a pop society is, naturally, with pop ads, and in the past year TV and the print media have been saturated with the ›Zonk! Pow! Blam!‹ approach to selling« – und im Kino: »the current form of the pop movie, the James Bond superhero. ›It is the idea of the stylized person who is invincible and inviolate‹, says Ivan Karp. ›He has no faults, no introspection, no self-realization‹. He is completely in the pop mainstream of anti-tradition, anti-authority. He lives for now and laughs for himself« (Benchley 1997). Auch im alten Europa kommt die Botschaft an. In Deutschland informiert die SZ ihre Leser über das amerikanische »weite Feld der pop culture«; im Gegensatz zur »Fließband- und Massenkultur«, die alles auf stereotype Formeln reduziere und den Regeln des »Konsummarktes« gehorche, besäße die amerikanische pop culture eine »authentische und volkstümliche Vitalität«; zu ihr gehörten »die Comic-Strips, die Form der populären Musicals, die Gesänge Bob Dylans und Ray Charles’, Mad Magazin oder die originelleren Spielarten der Pop Art« (Berg 1965). Einige Monate später erweitert die SZ das Feld noch um »Pop-Schreiber« wie Tom Wolfe, Op-Art-Modekünstler wie Rudi Gernreich, vor allem um eine »mächtig anwachsende Pop-Flut« im Theater und Fernsehen sowie um jene »Anhänger des in New York grassierenden Insider-Kults«, die sich einen »Spaß« daraus machen, »das Abgeschmackte und Vulgäre zu feiern und ihm den Glanz intellektueller Weihe zu geben« (Berg 1966). Rasch findet man das auch in Deutschland selbst vor, zumindest auf der Bühne. In einer Aufführung Bazon Brocks erkennt die Welt ein »Pop-Theater«: »Im Eingang duftige Arrangements von Sachen und schönen Mädchen, Kaufhausrezeption, auf der Bühne ein immenses Kunterbunt von lächelnd stehenden Mannequins, Waschmittelpackungen, lesenden Bildungsbeflissenen, Selbstbedienungskörbchen, Medikamenten, Fernsehapparaten in Funktion, Shakespeare deklamierenden Schauspielern, unentwegt abrollenden Filmen auf mehreren Leinwänden, Rugbyspielern voller PlatoZitate und Brutalitäten, lebenden Reizreklamebildern« (Krämer-Badoni 1966). Auch Klassiker werden davon erfasst, die FAZ berichtet etwa über eine Adaption der Lysistrata, deren Prinzip das »Pop-Zitat« ist, die durchgängige Verwendung von »Spielmaterial der sekundären Welt«: »Die jungen Frauen um Lysistrata traten in bunten zweiteiligen Strandkleidern auf – wie aus dem Warenhauskatalog. Nach dem Friedensschluß der Athener und Spartaner warfen sie Papierbänder, Luftballons, eine britische Beat-Combo erkletterte den vordersten Hügel und machte Musik zum Friedensfest, zur PopPartie« (Rühle 1966). Die Aneinanderreihungen von zeitgenössischen Beispielen aus der Werbung, dem Produktdesign, der Supermarkt-Konsumsphäre, den Massenmedien, der Jugendmode und der Pop-art werden in einem nächsten Schritt von anderen Autoren nicht bloß in beschreibender Manier oder auf versteckt fas-

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zinierte Weise vorgenommen, sondern stärker wertend und einordnend als Ausdruck einer positiv veränderten gesellschaftlichen Lage formuliert. In der Independent Group der 50er Jahre ist das bereits üblich gewesen; jemand wie Reyner Banham führt es in den 60er Jahren fort, wenn er sich etwa gegen professional alarmists wie Vance Packard richtet und vor allem die Pop Art (also die moderne Massenkultur) in positivem Sinne von der Folk Art trennt: Die Pop Art unterscheidet sich von der früheren Volkskunst für Banham positiv durch ihre Teilhabe am enormen Fortschritt der Technik sowie durch den Professionalismus und die Expertise ihrer Akteure, beispielsweise der Rock ’n’ Roll-Sänger und der TV-Stars (1981d: 98, 106). Den traditionellen Volkskünsten fehlt nach Ansicht Banhams darum vieles, was die Produkte der Popkultur in hohem Maße auszeichne: »They lack the imagery of dreams that money can buy that characterizes Pop Art; desirable possessions and accessible gratifications, handily packaged, seductively displayed, massproduced and ubiquitously available« (1981e: 61). Mitte der 60er Jahre werden solche Einschätzungen erstmals im Sinne einer Pop-Mode, eines Pop-Trends von den großen Illustrierten selbst verbreitet, nachdem man zuvor bloß die Fotos und Werbeanzeigen geliefert hat, die Banham und seine Mitstreiter von der Independent Group zu ihren an verschwiegener Stelle publizierten Verallgemeinerungen und Ansichten angeregt haben. Jetzt ziehen die Magazine ihrerseits in ihren Texten nach. In der berühmten Titelgeschichte über Swinging London lässt es sich Time Anfang 1966 natürlich ohnehin nicht nehmen, auf ausgedehnten Fotostrecken Diskotheken, Boutiquen, Galerien und junge Frauen in kurzen Röcken, Bell Bottom-Hosenanzügen, bunten Plastik-Capes abzubilden und im Text nachzubuchstabieren: »everything new, inhibited, kinky is blooming at the top of London life [...] a new art of living – eccentric, bohemian, simple and gay [...] the haystack hair, the suspiciously brilliant clothes, the chatter about sex and the cheery vulgarity [...] the latest In look for girls is the very skinny look, striped jersey dresses, a lot of yellow [...] beautiful gals with long blonde hair and slimly handsome men go gracefully through their explosive, hedonistic, totally invidualistic dances, surrounded by mirrors so that they can see what a good time they’re having.« Das ist aber nicht alles. Time hebt nun im Text als Deutung und Weltanschauung hervor, dass die permissivbelebende Stimmung eine viel tiefere Dimension besitze, als es die überschäumende und farbenfrohe pop culture selbst, mit der diese Belebung verbunden sei, auf den ersten Blick annehmen ließe. Der Grundton dieser bunten Oberfläche lautet demokratischer Wandel, lautet new society, Bruch mit dem alten arroganten Establishment, folgt man dem Time-Artikel. Pop culture sei eine Kultur liberated by affluence, geprägt durch eine neue Generation, charakterisiert durch verringerte Schranken zwischen den sozialen Klassen; sogar die traditionelle Geschlechterhierarchie gerät dabei ins Wanken, fasst ein Star der neuen, von der Mod-Bewegung ausgehenden Generation für Time zusammen: »›Youth has become emancipated‹, says Mick Jagger, ›and the girls have become as emancipated as the boys‹« (Halasz 1966). Die positiv gedeutete neue liberale Seite der Popkultur fällt den amerikanischen Magazinen selbstverständlich nicht allein beim Blick auf England auf. Zuerst findet man die Einschätzung in einem Artikel über die vornehmlich amerikanische, aber auch internationale Popkultur in dem großen LifeArtikel aus dem August 1965. Wie bereits gezeigt, sieht man dort die Pop

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Culture durch die Überwindung der alten puritanischen Moral ausgezeichnet, durch affluence, Vitalität, Bewegungsfreiheit, durch vergrößerte Möglichkeiten bei der Wahl der Reiseziele und Kleidungsstile. Als Beispiele der freilich dem modischen Wechsel stark ausgesetzten Popkultur firmieren so unterschiedliche Dinge wie Op-art, Twist, Rolling Stones, Pop-art-Motive auf Kühlschranktüren, die Filme Andy Warhols, Viva Maria-Röcke, Coca Cola, Dave Brubeck, Beatles (die letzten drei als Classic Pop). In einem quantitativen Ansatz lässt Life unter den Begriff pop culture alle Gegenstände fallen, deren Bestandteile einem großen Publikum bekannt sind. Soziologisch durchbrochen bzw. in Spannung versetzt wird der Ansatz jedoch dadurch, dass ein großes Publikum im Sinne der Pop Culture keineswegs immer ein schichtenübergreifendes Publikum sein muss. So werden etwa die neuen Tänze wie der Twist als perfektes Beispiel für ein Phänomen angeführt, das einem breiten Publikum vertraut sei: »because they came from the public in the first place – from the Negro subculture via the teen-agers«. Vom publicat-large geht es damit zum public als subculture. Der sachliche Grund für diese begriffliche Verwirrung liegt in der Neuheit des Phänomens. Die Popkultur spaltet die Bevölkerung in Klassen, die den antipuritanischen Geschmack verkörpern oder ablehnen. Die Spaltung kommt zuerst mit dem Unterschied der Generationen weitgehend überein, wie Life zu entnehmen ist: Ein Gegenstand müsse genügend aufregend oder neu sein, um die populäre Einbildungskraft und/oder die jungen Leute ergreifen zu können, heißt die allgemeine Regel, der ein interessantes Beispiel folgt: »This may explain why, for instance, the civil rights movement has become part of Pop Culture, but the last presidential campaign barely touched it.« Die Popkultur ist demnach gar nicht an absoluten großen Zahlen ausgerichtet, ganz im Gegenteil steht sie Life zufolge bewusst im Gegensatz zum white mainstream und zur traditionelleren middle class. Im Moment, wo dies ausgesprochen wird, kann es jedoch bereits nicht mehr richtig sein: Der Life-Artikel selbst ist der beste Beweis dafür, dass auch die weiße dominante, erwachsene Kultur beginnt, sich der jüngeren Popkultur stark zuzuneigen (Steinem 1965). Von Tom Wolfe, dem bekanntesten Beiträger zur Pop-Berichterstattung der amerikanischen Wochenendbeilagen und Magazine der Mitt-60er Jahre, wird diese Entwicklung bereits nachdrücklich ausgemalt und bejaht. Bei ihm stehen nur noch die educated classes in hartem Gegensatz zur Popkultur, die weiße Mainstream-Kultur hingegen sieht er – neben den Teenagern, Teilen der Boheme und der teilweise mit ihnen verbundenen jüngeren High Society – bereits zumindest in ihrer kleinbürgerlichen Ausrichtung von der neuen antipuritanischen Popkultur ergriffen. Wolfe macht sich nun zum Chronisten, aber auch Propagandisten dieser Entwicklung, obwohl er in einem Artikel sogar mit aller zweifelhaften Vehemenz des Zeitgeist-Kolumnisten der neuen (sexuellen) Amoral eine puritanische Absage erteilt (Wolfe 1965f). In seinen anderen Artikeln ist davon allerdings wenig zu spüren; immerhin kann man die Reserve gegenüber einer mittelständisch-intellektuellen Libertinage aber wohl in der Hinwendung zu unreflektierteren Genüssen entdecken. Im Vorwort zu dem höchst erfolgreichen Buch The Kandy-Kolored Tangerine-Flake Streamline Baby, das 1965 seine in den Jahren 1963 und 1964 Aufsehen erregenden Reportagen versammelt, sieht Wolfe seinen eigenen Erfolg direkt damit verknüpft, dass er als Erster die journalistische Distanz und akademische Herablassung gegenüber den Gegenständen der Popkultur abge-

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legt habe. So feiert er denn die alle Grenzen des guten, moderaten Geschmacks verletzenden Eigenkreationen amerikanischer Autofans – »crazy baroque custom cars, sitting in little nests of pink angora angel’s hair for the purpose of ›glamorous‹ display« – als künstlerische Objekte, anstatt sie dem Spott preiszugeben (1965c: xiif.). Die Anführungsstriche um glamorous verschwinden darüber, sie weichen der euphorisch manierierten Kaskade von Adjektiven und Ausrufungszeichen, wie sie zum Teil bereits im Titel des Buches zu finden sind. Wolfe selber lässt es aber nicht mit der faszinierten Schilderung bislang vernachlässigter und gering geschätzter Gegenstände der neuen amerikanischen Popkultur bewenden. Seiner ästhetischen Feier von spektakulären Autos, Frisuren, Kleidungsstücken etc. liegt eine Theorie und Verklärung der sozio-ökonomischen Veränderung der amerikanischen Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg zugrunde. Wie so viele andere auch verweist Wolfe auf die Tatsache der Wohlstandsgesellschaft; er sieht in der entsprechenden Wohlstandskultur jedoch nicht eine durch die Massenmedien und die Konsumgüterindustrie erzeugte Einheitskultur, die aus trivialisierten, herabgesunkenen Produkten der einstigen Hochkultur besteht. Wolfe erkennt vielmehr in der neuen Popkultur eine Kultur, die auf den Geschmacksvorlieben und Artefakten einer Unterschicht beruht, deren Mitgliedern durch den nach 1945 allgemein gestiegenen Lebensstandard nun erstmals die Möglichkeit gegeben wird, ihre eigenen Stilvorstellungen materiell sichtbar zu machen. Besonders auffällig bei den Teenagern, den teenage styles of life rund um neue Tänze, Moden und um Rock-Musik allgemein, aber auch bei den proles und petty burghers, deren Vorlieben im Gegensatz zu denen der Teenager allerdings nie einer genaueren, vorurteilslosen Betrachtung gewürdigt worden seien. Die vorherrschenden ästhetischen Prinzipien – die Präferenzen der herrschenden Klassen – hätten es verhindert, dass die enormen Veränderungen nach 1945 in den Medien überhaupt Beachtung finden konnten: »Practically nobody has bothered to see what these changes are all about. People have been looking at the new money since the war in economic terms only. Nobody will even take a look at our incredible new national pastimes, things like stock-car racing, drag racing, demolition derbies, sports that attract five to ten million more spectators than football, baseball, and basketball each year. Part of it is a built-in class bias. The educated classes in this country, as in every country, the people who grow up to control visual and printed communication media, are all plugged into what is, when one gets down to it, an ancient, aristocratic aesthetic. Stock-car racing, custom cars – and, for that matter, the Jerk, the Monkey, rock music – still seem beneath serious consideration, still the preserve of ratty people with ratty hair and dermatitis and corroded thoracic boxes and so forth. Yet all these rancid people are creating new styles all the time and changing the life of the whole country in ways that nobody even seems to bother to record, much less analyze.« (Ebd.: xvf.)

Nach dem Gesagten ist es keine Überraschung, dass Wolfe diese bedeutende Lücke füllen will; mit der Beschreibung und soziologischen Einordnung der neuen Popkultur möchte er zugleich andere ästhetische Wertmaßstäbe geltend machen. Wolfe trägt dadurch freilich selbst zur Widerlegung der eigenen These bei, kann er doch schnell mit Erfolg seinen Platz in der Presse und in

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den Buchverlagen finden. Wolfe berücksichtigt dies aber bereits insofern in seinen eigenen Reportagen, als er schon 1964 herausstellt, dass eine Synthese aus Beat, Mode und Pop-art nicht allein Neureiche begeistern kann, sondern ebenfalls die jüngeren und mittleren Kreise der alten Oberschichten zu erreichen beginnt (1965a). Die High Society wandelt sich in Wolfes Augen darum zur antipuritanischen Pop Society, die sich ihren Geschmack nicht mehr von traditioneller Handwerks- oder Schneiderkunst sowie von den respektablen klassizistischen Meisterwerken der alten Künste oder von den formstrengen Entwürfen der klassischen Moderne bestimmen lässt, sondern an vormals gänzlich diskreditierten Gruppen und Berufen wie den Teenagern, den Fotografen, den Unterhaltungsstars orientiert. An der New Yorker Gesellschaft zeigt Wolfe, in welch starkem Maße sie sich von »pop« groups – popular, or »vulgar« or »bohemian« groups – beeinflussen lasse, von deren Tänzen, Looks und Stilen: »They [the socialites] dance the Jerk, the Monkey, the Shake, they listen to rock music, the women wear teen-age and even ›subteen‹ styles, such as stretch pants and decal eyes, they draw their taste in art, such as ›underground‹ movies and ›pop‹ painting, from various bohos and camp culturati« (1965c: xvi) – und, möchte man anfügen, sie lesen auch mit einem gewissen Vergnügen Wolfes Gesellschaftsreportagen, die ihm selber rasch den Titel des Pop-Journalisten einbringen. Jene Abdichtung gegenüber den Vorlieben der niederen Schichten, die Wolfe als Grund anführt, weshalb es bis Anfang der 60er Jahre nicht einmal eingehendere Schilderungen oder Analysen der neueren populären Kultur gegeben habe, ist damit durchbrochen. Wolfe bringt das schnell wieder auf eine vollkommen zugespitzte Formel, 1964 kommen für ihn die high styles gleich apodiktisch aus low places (1965a: 206f.). Am Beispiel der Kleidungsmode fällt das vielen zeitgenössischen Betrachtern auf. Bei Mary Quant heißt es etwa in ihrer frühen Autobiografie Mitte der 60er Jahre, dass das Vermögen, Mode-Trends zu etablieren, von der Oberschicht (bzw. der Haute Couture) auf selbstbewusste junge Frauen und ihre in Boutiquen günstig erworbenen oder aus zweiter Hand kombinierten Kleidungsstücke übergegangen sei: »Once only the rich, the Establishment, set the fashion. Now it is the inexpensive little dress seen on the girls in the High Street« (1966: 75). Wolfe wird angesichts solcher Annahmen – dass sich, auch nach seiner eigenen Einschätzung, in der Pop Society die Teenager, Fotografen, Rockstars, Camp-Bohemiens durchgesetzt haben – jedoch nicht blind für weiter bestehende Ungleichheiten zwischen den sozialen Schichten. Besonders nachdrücklich widerspricht er der Auffassung, dass im sog. Swinging London sich auch die Klassenunterschiede aufgelöst hätten. An den wichtigen neuen Stellen, an denen über die Verbreitung der einzelnen geschmackssetzenden, hedonistischen Trends entschieden werde – in den Bereichen der Unterhaltungsindustrie, der Modefotografie, des Designs, des Journalismus und des Marketing –, säßen in erster Linie junge Angehörige der oberen Mittelschicht, die weit von der Szene der englischen working-class mods entfernt seien; nur bei einigen Beat-Gruppen sieht Wolfe Protagonisten der Arbeiterklasse auf dem Weg zu sozialem Aufstieg (Wolfe 1968a: 106). Damit widerspricht er energisch dem optimistischen Bild, das die berühmte titelgebende Time-Geschichte über das swingende London zeichnet. Time meint sogar, interessanterweise unter Verwendung eines Zitats von Richard Hoggart, dem Begründer der sozialistischen Cultural Studies, eine unblutige Revolution

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ausmachen zu können, die im Zeichen der Popkultur in London stattfinde; an die Stelle des alten Tory-Liberal Establishments und der Vertreter des Londoner Finanzplatzes sowie der Oxbridge-Absolventen trete nun eine überraschende neue Führungsschicht, eine swinging meritocracy aus Schauspielern, Sängern, Werbeleuten, TV-Verantwortlichen, Schreibern, Fotografen und nicht-elitären Akademikern. Gemeinsam sei den meisten von ihnen, dass sie unter 40 Jahre alt seien und dem britischen Kleinbürgertum oder der Arbeiterklasse entstammten: »Says Sociologist Richard Hoggart, 47, himself a slum orphan from industrial Leeds: ›A new group of people is emerging into society, creating a kind of classlessness and a verve which has not been seen before‹« (Halasz 1966: 30; vgl. Green 1999: 69ff.). Wolfe hingegen sieht lediglich das alte konservative Netzwerk durch ein »New Boy Network« ergänzt, das Mitgliedern der Unterschicht genauso wenig Aufstiegsmöglichkeiten biete wie die traditionellen Klubs (1968a: 106). Die gleiche Schlussfolgerung zieht Wolfe für die USA jedoch nicht, obwohl er als neue stilbildende Schichten dort die der Teen-agers, bohos, camp culturati nennt (1965a: 207), die vom Blickwinkel der alten Führungsschichten zwar zweifellos eine marginale Position einnehmen, mit der Arbeiterklasse aber (im Falle der Teenager) nur teilweise oder (im Falle der Bohemiens und Camp-Anhänger) gar nichts zu tun haben (jedenfalls genauso wenig wie das neue Londoner Netzwerk aus Mode- und Medienleuten mit der britischen Unterschicht). Als wollte er diese Inkonsequenz auf anderen Feldern wieder ausgleichen, streicht Wolfe in weiteren Zusammenhängen Beobachtungen heraus, die das Amerika der Popkultur tatsächlich in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten. Erstens stellt Wolfe ins Zentrum seines ästhetischen Kanons ausgerechnet die vom Glücksspiel- und Gangster-Kapital errichteten Bauten und sensorischen Umgebungen Las Vegas’. Den Klang des immer währenden Muzak und der unablässig rotierenden Spielautomaten, gemischt mit den Neon-Zeichen und Lichtkaskaden, vergleicht er mit John Cages random sound radio symphonies und Frank Loyd Wrights Baroque Modern forms, stets zum Vorteil des sinnlichen Gesamtkunstwerks Las Vegas: »The wheeps, beeps, freeps, electronic lulus, Boomerang Modern and Flash Gordon sunbursts soar on through the night over the billowing hernia-hernia sounds«, stimmt Wolfe das Lob von Vegas’ dekadent-futuristischem Bombardement der Sinne an, einer Bewusstseinserweiterung, die statt auf psychedelischen Drogen auf Licht-Zeichen und Klang-Landschaften beruhe. All die Bezüge zu den modernsten Spielarten der zeitgenössischen Avantgarde in Kunst und Leben werden bei Wolfe aber nicht nur bemüht, um mit etwas Renommiertem das wenn auch Ungewöhnliche, so doch Banale zu adeln, sondern vorrangig um die Überlegenheit dieser anonymen, von Handwerkern und zweifelhaften Geschäftsleuten verfertigten Kultur über die avancierte Hochkunst zu behaupten (1965g: 5ff.). Solche kreativen Spielräume, die abseits von ausgewiesenen künstlerischen Orten eindrucksvolle Ergebnisse liefern, stellt Wolfe auch – zweitens – in alltäglicheren Dimensionen heraus. Immer wieder betont er, dass es sich bei den neuen amerikanischen Stilen um Ausprägungen handelt, die nicht einfach als Konsumobjekte oder Modeimperative bereits von entsprechenden Industrien und Medienagenturen fertig produziert oder vorformuliert worden sind, sondern das Ergebnis von gewöhnlichen Bemühungen darstellen, sich

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eigene Freiräume zu verschaffen. Das Zauberwort, weshalb diese Bemühungen seit den 50er Jahren so häufig von Erfolg gekrönt sind, lautet auch für Wolfe Wohlstand. In den Surfern, den Hippies, aber eben auch den Autofreaks, den Motorradclubs und sogar denen, die sich ein eigenes Häuschen ganz nach ihren Vorlieben einrichten können, erblickt Wolfe die nun gewöhnliche, alltägliche Avantgarde derjenigen, die auch als Angehörige der unteren Mittelschicht oder der Arbeiterklasse über genügend Zeit und Geld verfügen, sich eigene kleine Welten und Stiluniversen zu schaffen (1968b; 1968c). Der erstmalig auch für weitere Kreise der Bevölkerung zugängliche kapitalistische Reichtum und die liberale Möglichkeit, ohne gemeinschaftliche Aufsicht die eigene Person und häusliche Umgebung nach privatem Belieben gestalten zu können, tragen nach dieser Lesart zu einer ganz bestimmten, neuen Kultur bei. Unter dem Namen »Pop« wird diese Kultur in den 60er Jahren zuerst geläufig, in den Illustrierten und Magazinen fasziniert beobachtet und sogar nicht selten zugleich mit einem positiven demokratischen oder ästhetischen Vorzeichen versehen. Die Frage bleibt dann noch, ob diese Überlegungen und Wertungen auch in die Kunstkritik und soziologische Traktate Eingang finden oder ob sie charakteristisch für einen bestimmten, aus akademischer und traditionell feuilletonistischer Sicht wenig respektablen Zweig des Journalismus bleiben. Wolfe selbst gibt sich skeptisch; den Titel des pop journalist, den ihm zuerst das Time Magazin zuspricht, schätzt er nicht, obwohl er von der Themenwahl und einiger auffälliger literarischer Mittel her die Bezeichnung durchaus provoziert hat; ihm behagt die Einordnung aber nicht, weil er darin eine Abwertung erkennt; da pop stark mit trivial gleichgesetzt werde, zeige der Begriff »Popjournalist« an, dass man ihn für einen wenig ernsthaften Autor halte (1990: 24). Wolfe verwendet darum in Interviews der 60er Jahre und als Herausgeber einer kanonischen Anthologie 1974 den Begriff New Journalism, nicht Pop Journalism. Als wichtigste Charakteristika und Techniken des New Journalism führt Wolfe das szenische Erzählen, die ausführliche Schilderung der Gegenstände, mit denen sich Menschen umgeben und durch die ihre Statusaspirationen zum Vorschein kommen, sowie die personale Erzählperspektive an (1980: 46ff.). Gerade der letzte Punkt hat ihm häufig harte Kritik eingebracht, weil er mit der Methode, wie ein Autor fiktionaler Geschichten aus der Sicht der Figuren und sogar mit Hilfe der erlebten Rede und des inneren Monologs zu berichten, gegen das journalistische Prinzip verstößt, nur empirisch feststellbare Tatsachen zu reportieren. Bemerkenwert ist aber erstens, dass Wolfe bereits in den 60er Jahren keineswegs bloß als Popjournalist, sondern wegen genau dieser journalistischen Grenzüberschreitung häufig positiv als personal journalist (Vonnegut 1992), als poet journalist (Capouya 1992) oder als New Journalist im Sinne eines new Wild Man of American literature vorgestellt wird (Dundy 1990: 7) – und mindestens genauso interessant ist zweitens, dass Wolfe selbst sich strikt als realistischen, keineswegs als imaginativen Schriftsteller einordnet und darum ausgesprochen großen Wert darauf legt, die Gedankenwiedergabe seiner Helden durch vorherige, ausgiebige Interviews faktisch abgesichert zu haben (Wolfe 1968h: 415f.). Dazu passt indirekt ebenfalls gut, dass Wolfe stets eine ausgesprochene Abneigung gegen die dem Reporter eingeräumte Möglichkeit bekundet, das Geschehen und die porträtierten Personen aus seinem eigenen Blickwinkel, mit

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der Färbung der eigenen Subjektivität wiederzugeben (1980: 46f.). Auf diesen Aspekt legen vielmehr die jungen, ersten Journalisten der Rock- und Gegenkultur ihr besonderes Augenmerk; für sie besteht der New Journalism vor allem in solch einer jeweils subjektiven Perspektive, im bewussten Gegensatz zu der lediglich vorgeblichen, sich unangreifbar gebenden Nüchternheit des (pseudo-)objektiven Berichts (etwa Goldstein 1989c: xvf.; Willis 1992a: 85; Goldman 1982: 353; Christgau 2000a: xv; vgl. Johnson 1971; Newfield 1974); Wolfe erscheint diesen jungen Verfechtern des New Journalism wegen seiner Absage ans subjektive Prinzip bloß ein konservativer Vertreter des neuen Journalismus der 60er Jahre zu sein (Goldstein 1989c: xvi). Trotzdem muss sich Tom Wolfe als bekanntestes Beispiel des New bzw. Pop Journalism von den älteren Kritikern der Massenkultur immer wieder vorhalten lassen, dass er bei allem Erfolg wichtige journalistische Grundsätze und Sorgfaltspflichten verletze. Dazu trägt sicher auch Wolfes Form des Journalismus bei, die fraglos weniger im Feld des Realismus angesiedelt ist, als es seinen eigenen Bekundungen nach sein dürfte (vgl. Cudlik 2005). Vermutlich trägt dazu aber wenigstens in genauso großem Maße jene offen erklärte Faszination bei, die für Wolfe von vielen Gegenständen der neuen Popkultur ausgeht. Mit ihrer emphatischen oder ironischen Schilderung sowie ihrer teilweisen intellektuellen Nobilitierung und Einordnung kann man zwar in den Magazinen und den großzügig illustrierten Beilagen der Wochenendausgaben Mitte der 60er Jahre rasch einen eminenten publizistischen Erfolg verzeichnen, in den älteren Zirkeln der akademisch-feuilletonistischen Welt stößt man aber genau damit noch auf eine unüberwindbare Reserve. Richard Hoggart etwa kritisiert den Stilwillen, die Haltung Wolfes scharf, sie gehe auf Kosten der Genauigkeit und Akkuratesse; der Stil sei Wolfe leider wichtiger als eine verantwortungsbewusste Botschaft, es bleibe bei einem raffinierten Tanz auf der glitzernden Oberfläche, der nie zur Sache vorstoße (1966: 64ff.). Für Dwight Macdonald betreibt Wolfe deshalb lediglich parajournalism, eine höchst zweifelhafte Mischung aus Fakten und Fiktionen, die weniger zur Information als zur Unterhaltung beitrage und sich an ein Publikum richte, das zwar im Zuge der seit den 50er Jahren abgebauten universitären Zugangsschranken in großer Zahl über akademische Abschlüsse, dennoch aber über keine Kultur verfüge; ein Beweis der Unbildung sind für ihn auch die ambitionierten Überlegungen Wolfes zur kreativen und geschmackssetzenden Kraft der Popkultur; die entsprechenden Einlassungen Wolfes stuft er abfällig als mock-sociological pronouncements ein; der Diagnose Wolfes, es gebe beachtliche neue Stile, stimmt Macdonald darum nur insofern zu, als er in Produkten der Popkultur wie Wolfes Schriften bloß eine neue Form des alten kitsch sieht, der nicht an die Intelligenz, sondern an niedere Reflexe gerichtet sei (Macdonald 1982: 459, 462, 467; Macdonald 1966: 18). Die Einschätzung ist symptomatisch, mit ihr an der Hand kann man die Frage, ob die positive Grundeinstellung der amerikanischen Magazine zur Popkultur sich bereits in Reihen des Bildungsbürgertums durchsetzt, negativ beantworten. Sogar in der Kunstkritik, die der Pop-art positiv gegenüber eingestellt ist, findet man nur selten Stimmen, die mit der Pop-art ebenfalls die wichtige Quelle ihrer Motive, die Popkultur, feiern. Newsweek kann immerhin auf Lawrence Alloway verweisen, der seiner bekannten, im Rahmen der Independent Group vorgetragenen Einstellung auch als einflussreicher Kurator des New Yorker Guggenheim Museums treu bleibt. Auf die Frage

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»What’s pop?« hält er die Definition »an affectionate way of referring to mass culture, the whole man-made environment« bereit. Die Definition ist durchaus von persönlichen Antrieben getragen: »I wanted to remove the snobbishness in art«, erläutert Alloway dem Nachrichtenmagazin, »to stress that even an ad could be art – entertainment art – because it was real, it was there« (Benchley 1997: 148). Diese Einstellung bleibt aber innerhalb der Kunstkritik eine Ausnahme, die doch zumeist lieber die Verwandlung betont, welche das banale Motiv aus der Werbung, den Illustrierten etc. in den höher eingestuften Bildern der Pop-art erfahre. Ansichten, die in der Pop-art einfach den ästhetischen Ausdruck einer demokratischen, industrialisierten und kommerzialisierten Gesellschaft entdecken, findet man folglich eher am Rande der Kunstkritik. Alloways früherer Mitstreiter aus der Independent Group, Reyner Banham spricht mit noch stärkerer demokratischer Emphase davon, dass es sich beim Attribut vulgar nicht um ein vernichtendes Urteil, sondern um ein notwendiges, positives Merkmal handle; zeitgemäßes Design müsse vulgär sein, denn es richte sich an den vulgus, an »the common crowd (including you and me) who are the final arbiters of everything in the pure theory of democracy«. Wenn man ein Pop design haben wolle, das nicht flashy and vulgar, sondern schön und geschmackvoll sei, müsse man eine tiefgreifende, illiberale Veränderung der Gesellschaft anstreben, eine Änderung, die Banham schon deshalb nicht begrüßen würde, weil ihm an herkömmlichem guten Geschmack und klassischer Schönheit wenig liegt; darum kann er sich bedenkenlos und mit demokratischem Impetus den vulgären Vorlieben anheim geben (1963b: 21). Über den ästhetischen Vorrang des Geschmacks einer großen Zahl hinaus geht noch eine qualitative Ansicht, die auf andere Weise geprägt ist von demokratischem (und nationalem) Stolz, in einem Moment, da auch die europäischen und einige andere Nationen sich erkennbar auf dem amerikanischen Weg befinden. Die coca colonization sei nicht aufzuhalten, heißt es bündig, und mit Coca Cola auch »supermarket, hot dogs and hamburgers, massproduced automobiles and appliances, rock and roll, canned foods, television, central heating, ready-made clothes«. Das demokratische Element dieser baren Aufzählung von neuen Gegenständen des alltäglichen Gebrauchs und der Freizeitunterhaltung liegt nicht allein darin, dass Massenproduktion, Techniken massenmedialer Verbreitung und gestiegener Wohlstand es vielen Haushalten ermöglichen, auf diese Gegenstände zuzugreifen; die Aufzählung soll ebenfalls deutlich machen, dass mit der größeren Anonymität, die der Massenkultur eignet, auch eine größere Freiheit einhergehe; so sei der Supermarkt nicht nur effizienter in der Bereitstellung von Waren als das sympathische kleine Geschäft, in dem man speziell beraten und bedient werde, sondern auch demokratisch-egalitärer: »If gracious service is rapidly disappearing from the world, so are the servers and the servile«, lautet die mit einigem Pathos vorgetragene Schlussfolgerung in einem allgemein einführenden Werk zur Pop-art aus dem Jahr 1965, eine Einschätzung, die man in der Kunstkritik in dieser Form schwerlich finden wird, genauso wenig wie die gleich darauf folgende allgemeine Bilanz, mit der Pop-art, Demokratie und gegenwärtige Popkultur affirmativ zusammengeschweißt werden: »Pop art is the esthetic expression of this drift. Democratic, expansive, irreverent, brimming over with confidence and vitality, pop art accepts our world and seeks the beauties produced by this world« (Rublowsky 1965: 7).

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Pop-Zeichen im Film- und Musik-Feuilleton Vergleicht man die von den Magazinen und Sonntagsbeilagen betriebene und inspirierte Feier der bunten Pop-Demokratie mit den bekannten Äußerungen Andy Warhols, wird unmittelbar der Abstand zwischen der im Zeichen von Wohlstand, Massenproduktion und liberal-hedonistischer Gesellschaft erfolgten Bejahung der gegenwärtigen amerikanischen Zustände und der viel kühleren, abstrakteren Affirmation, wie sie oft im Namen der Pop-art erfolgt, deutlich. Warhol spricht auch von liking things als dem Grundzug der Popart, seine Bejahung fällt aber ganz und gar indifferent aus, sie soll den Charakter des Maschinellen tragen. Natürlich gibt es trotzdem auch bei Warhol erkennbare Präferenzen, im gleichen Interview aus dem Jahr 1963 zeigt sich Warhol besonders begeistert von dem James Bond-Film Dr. No – »It’s a fantastic movie. So cool« (1997: 104) –, das Attribut cool weist im Zusammenhang James Bonds aber auf eine speziellere Wertschätzung zeitgenössischer Popkultur hin, die sich weniger optimistisch-demokratischen als bestimmten technologisch-ästhetischen Einstellungen verdankt. Bei dem mit Warhol eng verbundenen Kunsthändler Ivan Karp konnten wir bereits nähere Kriterien dieser speziellen Hochwertung von Pop-Phänomenen, dieses coolen Hedonismus kennen lernen: Dass es sich bei James Bond um eine hochgradig stilisierte Figur ohne Innerlichkeit handle, stellt Karp in dem Newsweek-Artikel zur Story of Pop als außergewöhnlich bemerkenswert heraus (Benchley 1997: 152). Diese Einschätzung bildet weit mehr als eine persönliche Vorliebe. Der anti-psychologische Affekt, das ausgeprägte Interesse an stilisierten Oberflächen – weitgehend im futuristischen und neu-sachlichen, teilweise im dekadenten Sinne – bildet den Hauptzug, bestimmte Produkte der Popkultur auf eine ästhetisch avancierte Weise zu schätzen, die Eingang ins moderne Feuilleton und in die avantgardistische Rede über Kunst finden kann. Das ist aber nur ein teilweiser Eingang, keineswegs eine vollständige Übernahme. Das moderne Interesse an psychologischer Tiefe und narrativer Komplexität steht einem durchgesetzten PopDiskurs machtvoll entgegen, ebenso wie die entweder konservativ oder sozialistisch grundierte kulturkritische oder etwas stärker politisch ausgestaltete Abneigung gegen die kapitalistische Massenkultur und den liberalen Hedonismus. Nach dem bedeutungsvollen Vorspiel jener französischen Filmkritiker, die in den 50er Jahren mit modernen Argumenten Howard Hawks und Alfred Hitchcock preisen und kurze Zeit später selbst als Regisseure die Nouvelle Vague begründen, gibt es aber gerade in Teilbereichen der intellektuell fortgeschrittenen Filmkritik in den 60er Jahren wichtige Ansätze, zumindest mit dem Vorrang von Innerlichkeit und Tiefe zu brechen. Dabei kann man durchaus auf ältere Bestrebungen einer anspruchsvollen Kulturkritik zurückgreifen, wenn man sie von konservativen, übergreifenden Verfallsdiagnosen und durchgehender sozialistischer Ideologiekritik löst. Dazu eignen sich auch und gerade die ungemein bedeutenden und wirkungsmächtigen Losungen der sog. kritischen Theorie Horkheimers und Adornos. Gegen vorgebliche Tiefe und gegen die klassische Harmonie und Abgeschlossenheit des Kunstwerks halten auch Horkheimer/Adorno die Idee einer verstörenden, glücklich sinnfernen Kraft isolierter Details hoch; die Emanzipation des Einzelnen, Besonderen vom Ganzen, von der »Organisation« erkennen sie nicht nur durch Be-

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strebungen der Moderne, sondern auch durch einige Frühwerke Hollywoods eingelöst. In den zeitgenössischen Produkten der Kulturindustrie jedoch sehen sie die Macht einzelner Reize nur noch auf totalitäre Weise gegeben. Von einer glücklichen Emanzipation des Besonderen kann demnach keine Rede mehr sein, in ihrer kulturindustriellen Variante verkommen die Details nach Horkheimers und Adornos Auffassung zu Effekten einer unerbittlichen Ordnung, die den Rezipienten erfasse und forme wie die Maschine den Arbeiter und Angestellten; die Ordnung der Effekte schlägt nachhaltig durch: »Der Zuschauer soll keiner eigenen Gedanken bedürfen: das Produkt zeichnet jede Reaktion vor: nicht durch seinen sachlichen Zusammenhang – dieser zerfällt, soweit er Denken beansprucht – sondern durch Signale« (1988: 134, 145). Offenkundig wird nach Ansicht Horkheimers und Adornos auch die Rezeption weitgehend von dem im Produkt niedergelegten Verhältnis von Ganzem und Teil bestimmt. Die Dominanz des Effekts galt dem gebildeten Kunstbetrachter lange als untrügliches Zeichen vulgärer Unterhaltung – erst die u.a. politisch motivierte avantgardistische Wendung gegen die moralisch sinnstiftende, wohlabgewogene Fabel, gegen jede Behauptung eines naturwüchsigen Zusammenhangs erzeugte als Nebeneffekt die Möglichkeit, nicht nur romantisch-dekadente und später dadaistisch-surrealistische Werke begeistert aufzunehmen, sondern auch besondere Schauwerte und Reize unterhaltender Art. Zuletzt kippt die Begeisterung für das in der Hinsicht glücklich Populäre bei Horkheimer/Adorno wieder um in Abscheu vor der Zerstückelung des Gedankens wie der Objekte. Dennoch bedeutet der Umschlag keine Rückkehr zu dem in der konservativen Kritik weiterhin tradierten klassizistischen Ausgangspunkt. Zwar scheinen Horkheimer/Adorno sich bildungsbürgerlich besorgt genau dorthin zurückzuziehen, wenn sie davon sprechen, dass den Agenten der Kulturindustrie selbst ein starres narratives Schema gefährlich erscheine, »soweit es einen wie immer auch armseligen Sinnzusammenhang gestiftet hatte, wo einzig die Sinnlosigkeit akzeptiert werden soll« (ebd.: 145) – allerdings wollen sie offensichtlich auf einen graduellen, keinen prinzipiellen Unterschied hinaus, wie am Lob der Marx Brothers und ihrer komischen Auflösung der konventionellen Filmhandlung ersichtlich. Innerhalb anderer Genres scheuen Horkheimer/Adorno aber vor solcher Konsequenz zurück, dort scheinen ihnen die sinnzerstörenden Effekte sogar letztlich Ausdruck offen zynischer Gewalt, deren Motive nicht im kritischen, aufklärerischen Aufbegehren gegen scheinbar natürliche Sinnbeziehungen liegen, sondern sich im Gegenteil aus einer Stilisierung und Einschärfung des Naturtriebs speisen. Die zeitgenössischen Trickfilme etwa wiesen keine zusammenhängenden Handlungen mehr auf, die sich wie im Slapstickfilm erst in den Schlusspassagen auflösten; vielmehr werde jetzt nur noch in den ersten Sequenzen des Trickfilms ein Handlungsmotiv angegeben – und das lediglich, »damit an ihm während des Verlaufs die Zerstörung sich betätigen kann: unterm Hallo des Publikums wird die Hauptgestalt wie ein Lumpen herumgeschleudert.« So schlage »die Quantität des organisierten Amusements in die Qualität der organisierten Grausamkeit um.« Kunst und Leben geraten deshalb in der Sicht Horkheimers und Adornos verhängnisvoll deckungsgleich: »Donald Duck in den Cartoons wie die Unglücklichen in der Realität erhalten ihre Prügel, damit die Zuschauer sich an die eigenen gewöhnen« (ebd.: 146f.). Nach der Feststellung müsste die Arbeit des Kritikers eigentlich

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beendet sein. Denn mit den Mitteln der Kulturindustrie wird diese Gewöhnung, daran lassen Horkheimer/Adorno keinen Zweifel, wirklich erreicht. Tatsächlich aber wird die bis in die 80er Jahre im Feuilleton oftmals vorherrschende Arbeit von Kritikern darin bestehen, die ideologiekritische Betrachtung stetig zu erneuern. Die deutsche Zeitschrift Filmkritik etwa stellt gleich nach ihrer Gründung ihrem zweiten Heft eine ausgewählte Passage des Kulturindustrie-Kapitels der Dialektik der Aufklärung voran. In vielen einzelnen Rezensionen ist der Einfluss Adornos folglich überdeutlich. Enno Patalas, der Mitbegründer der Zeitschrift, hat die Meinung des Vordenkers bereits so verinnerlicht, dass er auch direkte Übernahmen nicht mehr extra kenntlich macht. In einer Rezension von Lubitschs Sein oder Nichtsein merkt er lobend an, bei Lubitsch werde dem Zuschauer der Witz »nicht um die Ohren geschlagen, wie in jener neueren Spezies amerikanischer Lustspielfilme, deren Prototyp die ›Woody Woodpecker‹-Trickfilme sind, in denen der Held durch ständige Eingriffe von außen zur Witzfigur gemacht wird, womit sich an ihm wiederholt, was dem Individuum in der Gesellschaft angetan wird« (1960: 240). Der Grundsatz, moderne künstlerische Verfahrensweisen mit einer dezidiert gesellschaftskritischen Einstellung in Verbindung zu bringen, bietet für die positive Aufnahme von populären Produkten nur wenig Raum, deutlichen Vorrang genießen neorealistische oder formal strenge Werke. Die erhoffte Übereinstimmung zwischen dem Bruch mit eingespielten narrativen Mustern oder Darstellungsarten und der Absage an bürgerliche Ordnungs- und Moralvorstellungen liefert den Ausgang einer gleichermaßen politisch radikalen wie experimentellen Orientierung. Die Frage nach der Bedeutung der populären Filme stellt sich damit erneut in ganzer Schärfe, auch wenn diese Generation bundesdeutscher Intellektueller stärker auf richtige Botschaften fixiert ist (gegen das reine, Sehgewohnheiten verändernde Experiment), die man vom Hollywoodfilm immerhin noch eher erwarten konnte als eine avantgardistische Auflösung der Erzählweise. So kann man im Rückblick wenigstens Filmen der 30er und beginnenden 40er Jahre akzeptable Inhalte abgewinnen. Cukors Die Nacht vor der Hochzeit etwa hat im Gegensatz zu dem 50erJahre-Remake Die oberen Zehntausend in den Augen des Rezensenten immerhin »die ›bessere Gesellschaft‹ mit überlegenem Spott behandelt«, der allerdings – muss gleich die Einschränkung lauten – von der kleinbürgerlichmoralischen Handlungsleitlinie motiviert sei, dass »wenigstens die reichen Mädchen durch einen ordentlichen Burschen wie Clark Gable oder James Stewart von ihrem Podest heruntergeholt« werden. Entsprechende Überlegungen, die man zu vielen anderen Hollywoodfilmen ebenfalls anstellen könnte, bieten letztlich allenfalls Anlass zu relativem Lob; jeder Inhalt, jede soziale Botschaft, jede Charakterschilderung, jede Handlungsdramaturgie, jede Einstellungsfolge eines Hollywoodfilms kann nun mit gutem Grund der Ideologiekritik verfallen. Was bleibt, ist die vielbeschriebene momentane Zersetzung eines narrativ-moralischen Ganzen durch jene fetischistische Dominanz einzelner Sensationen, von Stars und überraschenden Ereignissen, deren Schauwerte die normale Botschaft manchmal vergessen machen, auch wenn sie diese nur verklären und intensivieren sollen. Direkter in die Handlung eingebundene Attraktionen, jetzt auch im Sinne der avantgardistischen linken Kritik, fallen in den spielerischen Bereich einer von Ernst- und Zwanghaftigkeit befreiten

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körperlichen Bewegung und witzig enthemmten Rede. »›Die oberen Zehntausend‹ sind am besten da, wo sie sich am weitesten von der Realität entfernen«, gilt folgerichtig, »und am schwächsten, wenn sie ernst genommen werden wollen. Handlung und Spiel bleiben blaß, bis, anläßlich einer Party, alle Beteiligten in einen milden Rausch und amüsante Blödelei verfallen« (Anonymus 1957: 74). So kommt das einzige hochkulturell gegründete und intellektuell formulierte Lob der Popkultur von ihren ansonsten größten Verächtern in ästhetischer und politischer Sicht zu. Das konservativ-bildungsbürgerliche Ressentiment ist dagegen in einem Maße moralisch geprägt und von Standesdünkel erfüllt, dass eine annähernd interesselose Besinnung auf mögliche ästhetische Qualitäten massenkultureller Phänomene noch nicht erfolgen kann. Sie geben nur Anlass zur pädagogischen Sorge und nicht zu theoretisch-essayistischer Überlegung und Beschreibung. Freilich zeichnet sich der avancierte linke Angang (der natürlich von der puritanischen Linie kommunistischer und größtenteils auch sozialdemokratischer Parteien maximal entfernt ist) durch eine entschieden heteronome, anti-idealistische politische Wertungsweise aus, die aber durch die klassische Hoffnung auf eine von materiellen Zwecken entbundene Freiheit ästhetische Konturen gewinnt. Die Gedankenfiguren Schillers und des frühen Marx bekommen (folgt man einer FilmkritikRezension zu Stanley Donens Funny Face) durch Fred Astaire und Audrey Hepburn menschliche Gestalt, die als keinesfalls im luftleeren Raum schwebende Kunstfiguren die Herrschaft der bloßen Notwendigkeit wie einen Albtraum erscheinen lassen – als schönste Möglichkeit des Musicals, »das am lebendigsten stets da« sei, schreibt Enno Patalas, »wo es der Wirklichkeit am nächsten kommt und zugleich am übermütigsten über sie triumphiert«, biete »doch gerade der Tanz eine legitime Möglichkeit, dem ›Ernst des Lebens‹ zu kündigen und den Sieg der Freiheit und der Liebe vorwegzunehmen – das Versprechen aufs Glück einzulösen, das die Wirklichkeit versagt. Der Optimismus des Musicals ist legitim, weil es das Glück nicht in der ›Chance‹ vorspiegelt, die jedem jederzeit gegeben sei, sondern es – das reine Glück – als metaphysischen Sprung aus der Wirklichkeit darstellt und so seine Unmöglichkeit hier und heute denunziert« (1958: 19; Jean-Luc Godard schätzt übrigens ebenfalls 1958 Donens Pajama Game höher ein, weil dort den Broadway-Konventionen auf überdrehtere und zügellosere Art gefolgt werde; 1971b: 92). Die Abgrenzung des wirklichkeitsfernen Spiels von ganz im Banne der Realität stehenden Schicksals-, Allmachts- oder Chancenfantasien, die nötig sind, um im Dienste der Reproduktion des Bestehenden die einen zu legitimieren und die anderen anzutreiben, dient als letzte Barriere vor einer sonst drohenden unterschiedslosen Affirmation der Unterhaltungsindustrie. Denn deren Produkte bieten ja nichts anderes als Bilder nicht-alltäglicher Ereignisse. Das marxistische Ziel, die Aufhebung entfremdeter Arbeit und der sie hervorbringenden Produktionsverhältnisse, ist von Hollywood in der Fiktion bereits revolutionär verwirklicht; Arbeit kommt in den Filmen einfach nicht vor. Insofern steckt in jedem Cowboy, jedem Gesetzlosen, jeder Königin, jedem Rennfahrer, jedem Liebenden ein Agitator für eine bessere Welt; nur dass diese bessere Welt natürlich nichts von einer anderen, kollektiven Organisation der Arbeit weiß, sondern in ihrer privaten Wunscherfüllung ein Abziehbild der wirklichen Welt liefert, die dieser Wünsche stets bedarf und sie

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als Leistungsanreiz fördert, allerdings im Spiel von Angebot und Nachfrage nur wenige Konkurrenten befriedigen kann. Gefahr geht für die rechtlich verfasste bürgerliche Gesellschaft zweifellos vom Traum des anarchischen Individuums aus; die Filme tragen dem oftmals Rechnung und bieten Gewalt für eine gute Sache auf oder entfesseln einen Aufstand allein der Gefühle. Dass der Zuschauer die Handlungen auf der Leinwand nicht direkt als Anleitung für das eigene Leben nimmt, sondern sie nur innerhalb der bestehenden Ordnung zum imaginativen Antrieb nutzt, kann andererseits immerhin als Argument gegen die These von der »geheimen« Verführung, einem untergründigen Zwang zur Nachahmung, eingesetzt werden. Selbst der naive Kinozuschauer wisse heute – heißt es 1961 in der Filmkritik –, dass er Illusionen einkaufe, wenn er eine Kinokarte erwerbe. Dies störe ihn aber gar nicht, da er gelernt habe, es »als Selbstverständlichkeit hinzunehmen, daß seine Träume fabriziert werden. Wenn Autos und Kleider, schöne Möbel und Genußmittel zum Gebrauch für jedermann industriell hergestellt werden, warum soll dann nicht auch die entspannte Welt, in der diese Requisiten erst ihre vollkommene Bestimmung finden, gleich mitproduziert werden dürfen?« (Berghahn 1961: 418) Was hier wie ein Memorandum der Freizeitindustrie klingt, verdankt sich der Frontstellung gegen das schlechte politische Gewissen, das einem den Genuss der Illusion verleidet. Die breite Masse durchschaut die Täuschung nicht und lässt sich auf falsche Konsumideale einschwören; für den Kritiker, der dies sehr wohl erkennt, bleibt damit auch ein mögliches eigenes Gefallen an der Traumproduktion ausgeschlossen. Fällt die direkte Manipulation aber bei den einen weg, können auch die anderen zumindest theoretisch wieder die raffinierte Verführung schätzen lernen. Wiederum am Beispiel der intellektuellen Rezeption James Bonds lässt sich dies gut zeigen. Ideologiekritik muss zuallererst von einer (erfolgreichen) Indoktrination des Zuschauers ausgehen, der die manifesten Botschaften des Films sieht, hört und verinnerlicht: James Bond als Leitbild der »weltumspannenden Konspiration der Trivialität«, wie es im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung heißt (Berg 1965), einer Konspiration freilich, die nicht bloß auf der Seite der Bildung tiefgreifende Wirkung zeigt. James Bond bleibt in den Augen des Ideologiekritikers keineswegs eine Fantasie-Figur, die lediglich der unpolitischen Unterhaltung dient: »Die Zusammenhänge im Bereich der Macht werden für den Staatsbürger immer verwirrender und lassen sich kaum noch befriedigend verarbeiten. Fleißig geschürte Psychosen, deren extreme Erscheinungsform sich an Phänomenen wie der beliebten Kommunistenverketzerung, der freudigen Beschwörung des A-Bombentraumes oder der beharrlich repetierten Wachhalteparolen vor der (rot-)chinesischen Bedrohung (das jüngste Filmbeispiel heißt ›Ich, Dr. Fu Man Chu‹) verdeutlichen ließen, implizieren das Bedürfnis nach einem Wahrer der eigenen Ideologie und gern geglaubten Stärke.« Der Wunsch nach glaubhafter Erklärung und überzeugender Verklärung wird in derart ideologiekritischer Sicht nicht von der offiziellen Politik, sondern der Filmindustrie befriedigt: »James Bond, Geheimagent ihrer britannischen Majestät und Supermann von westlich-ideologischen Gnaden, hat da keinerlei Schwierigkeiten, zum gefeierten Idealbild der bedrohten spätkapitalistischen Gesellschaft zu avancieren« (Hellwig 1965: 557). Eine subtilere Analyse der Bond-Filme kann den Befund noch mit Aussagen zu den Elementen des Films und ihrer Struktur absichern, hingewiesen

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wird dann auf fixierte, stereotype Abläufe und Figurencharakteristika. Dabei wird zwar eine Abneigung spürbar, als Grund der Filmhandlung unmittelbar soziale Interessen und politische Antriebe auszumachen, gleichwohl könnte man die vorgenommene formale Analyse noch zur Unterstützung jener ersten These von der filmischen Propaganda nutzen: Redundanz und Wiederholung tragen doppelt dazu bei, sie einzuschärfen: »Der Ausgang der Handlung steht von vornherein fest. Er gehört zu den Spielregeln. Es gibt weder Entwicklung noch Konstruktion. Damit ist die Anteilnahme des Zuschauers gleich auf doppelte Weise ausgeschaltet. Da sich im Filmverlauf weder die Personen noch die Situationen, noch die Beziehung zum Betrachter ändern, ist die Beschreibung des Immergleichen auf das Ziel reduziert, das einmal erweckte, rein äußerliche Interesse des Zuschauers mit massiveren, einander übertrumpfenden Mitteln aufrechtzuerhalten.« Nicht einmal die besondere Kombinationsgabe des Zuschauers sei hier innerhalb eines allgemeinen Rahmens, wie beim Kriminalfilm, gefragt; eine überraschende Auflösung wäre nur bei einem konkreten Fall denkbar, in den Bond-Filmen bleibe es hingegen »bei der Bebilderung einer unentwickelten, abstrakten Situation: eines Freund-FeindVerhältnisses« (Kuhlbrodt 1964: 254). Nach der Beschreibung lässt sich der Erfolg des Films kaum erklären, es sei denn mit archaischen Mustern: Einübung in Freund-Feind-Schemata. Doch gibt bereits der Hinweis auf die immer »massiveren« Effekte, mit denen die Struktur sich reproduziert, den Schlüssel zum Verständnis ab. Der gesteigerte Verbrauch ungewöhnlicher Motive erstreckt sich zwar noch nicht auf moralisch inakzeptable Bilder deutlicher Sex- und Gewaltszenen, bezieht aber ansonsten alle Abwechslungsmöglichkeiten ein; zwar wiederhole der zweite Bond-Film nicht nur den ersten, sondern sogar sich selbst, dennoch bzw. gerade darum müsse es innerhalb der Gleichförmigkeit Varianten geben: »Da der Zuschauer sich, dem triebhaften Helden gleich, müßig treiben läßt, muß ihm der Film immer abwechslungsreichere, immer überraschendere und gesteigerte Genüsse bieten. Verfolgt wird drum säuberlich getrennt zu Fuß, per Bahn, per Auto, per Hubschrauber, per Motorboot« (ebd.: 255). Es ist interessanterweise genau diese Beobachtung, die zu einer ganz anderen Wertung führt. Der standardisierte, normierte Verlauf, dessen Abfolge von Elementen nicht in ihrer handlungslogischen Verknüpfung zu einer Ganzheit, sondern in der Ausgestaltung der einzelnen Teile überrascht, schafft dank des wiederholten Musters an Irrealität gerade Raum für den Zuschauer, sich von den sensationellen Eindrücken zu distanzieren und gelassen die einzelnen Züge des ›Bond-Systems‹ zu goutieren. Penelope Houston, die Herausgeberin der angesehenen Londoner Filmzeitschrift Sight and Sound weist in dem Sinne ideologiekritische Lesarten mit dem Argument zurück, dass durch die spezifische Gestaltung der Agentenwelt in den Bond-Filmen die Realität für den Betrachter erkennbar aufgehoben werde; wegen der beständig reproduzierten Irrealität stelle sich eine Distanz des Zuschauers zum Geschehen ein (s. Hellwig 1965: 559). Mit den Worten Umberto Ecos, der den Zusammenhang von »Wiederholungsschema« und »Genuß« (bei ihm unter Absehung der Steigerung von Einzelelementen gefasst) theoriesprachlich gehobener präsentiert: Der »Hunger nach Unterhaltungsliteratur« sei ein »Hunger nach Redundanz«; der »Mechanismus der Zerstreuung« gehe auf einen »Genuß an der Wiederholung« zurück (1984: 207ff.).

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Die Distanz, die aus der offen ausgestellten Wiederholung und geregelten Abfolge einzelner Elemente erwächst, kann Produkten der Popkultur (wie den James Bond-Filmen) einen hoch modernen Anstrich verleihen. Pop rückt in solcher Perspektive in die Nähe des Brecht’schen Verfremdungseffekts oder der Kritik Roland Barthes’ an den Mythen des Alltags, einer Kritik jener Behauptung, jenes Anscheins, etwas verstehe sich von selbst und müsse so sein, wie es ist. Die Durchbrechung des illusionistischen Natürlichkeitsanscheins wird bei den Bond-Filmen von Kritikern auch auf der Ebene der Narration konstatiert. Die Ignoranz gegenüber Handlungsfolgen, die auf realistisch-durchschnittliche oder angeblich notwendig kausale Weise miteinander verknüpft sind, wird ebenfalls als Pop-Phänomen positiv verzeichnet. Auch bei der liberalen amerikanischen Kritikerin Pauline Kael, die ab 1967 eine einflussreiche Kino-Kolumne für den New Yorker verfasst, trifft man auf entsprechende Wertungen; Kael bemüht dazu allerdings keine realismuskritischen Theorien, sondern bezieht sich auf jenes Vergnügen des Publikums an comichaften Verkürzungen (nonreflective immediacy), das von der allgemeinen pop-Begeisterung unterstützt werde: »One of the pleasures of the Bond pictures is in getting away from the mechanics of dramatic construction back to the one-damn-thing-after-another serial; and it’s a liberation« (1987b: 8). Durch diese Einstellung, die tiefsinnige Anstrengungen denunziert und deren Gegenspiel auf durchaus positive, aber eben nicht theoretisch überhöhte Weise als Pop-Unterhaltung präsentiert, sind Kaels Rezensionen generell geprägt. Die Hollywoodfilme von Howard Hawks etwa repräsentieren für sie den »American commercial film at its best – fast, unpretentious, entertaining, with a sophisticated and ›hardboiled‹ attitude toward money and sex« (1987c: 362); zu einer Hitchcocko-Hawksianerin macht sie das aber nicht, dafür nimmt sie diese Form der Unterhaltung zu sehr als gegeben, als selbstverständlichen Standard an. Noch sehr viel weniger können sie allerdings Kunst-Filme wie Resnais’ Marienbad und Antonionis Blow-Up beeindrucken. Letztere Einschätzung ist in unserem Zusammenhang besonders bemerkenswert, weil Kael Antonionis Sichtweise auf das Swinging London der Hip-Fotografen, Models, Rockgruppen und Szene-Partys zurückweist. Antonioni besitze nur einen Blick für die Leere und Sinnferne der Popkultur (emptiness of pop culture), merkt Kael Anfang 1967 äußerst kritisch an. Ihr missfällt daran vor allem eine Art Doppelästhetik Antonionis: Er erhebe sich mit seiner Entfremdungskritik über das, was er ausführlich zeige und wovon sein Film erheblich profitiere. Kaels rhetorische Frage lautet: »What would we think of a man who stopped at a newsstand to cluck at the cover girls of Vogue and Harper’s Bazaar as tragic symbols of emptiness and sterility, as evidence that modern life isn’t ›real‹, and then went ahead and bought the magazines?« Und direkter auf den Film bezogen: »what would we think of a man who conducted a leisurely tour of ›swinging‹ London, lingering along the flashiest routes and dawdling over a pot party and mini-orgy, while ponderously explaining that although the mod scene appears to be hip and sexy, it represents a condition of spiritual malaise in which people live only for the sensations of the moment?« (1987d: 32) Die Antwort von Kael kann man sich zum Teil leicht vorstellen, sie besteht darin, nicht nur Antonionis Diagnose, sondern auch dessen Methode abzulehnen, etwas ausführlich in ein schönes Licht zu setzen, um sich vom Gezeigten zu distanzieren. Die hübsche Farbgebung des Films widerspreche der

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Kritik an der Oberflächlichkeit der Londoner Popkultur, weil es eine Farbe dieser optimistischen Kultur sei, »that bright, cleaned-up big-city color of Ihave-seen-the-future-and-it’s-fun« (ebd.). Kael nutzt aber angesichts der pretty pictures nicht die Gelegenheit zu einer entschieden ästhetischen Verteidigung der Oberfläche Blow-Ups bzw. der gezeigten Londoner Szenen, eine Verteidigung, die einer Feier der Vogue-Titelbilder entsprechen würde (um im Rahmen von Kaels eigenem Vergleich zu bleiben). Wenn man eine andere Rezension von ihr heranzieht, ahnt man den Grund dafür. Der Hauptdarstellerin von Godards Masculine Feminine attestiert sie – als spreche auf einmal Antonioni aus ihr – narzisstische Leere. Kael zitiert natürlich den berühmten Satz aus Godards Film – dass Masculine Feminine auch »Die Kinder von Marx und Coca Cola« heißen könnte –, um selbst gleich anzufügen: »The theme is the fresh beauty of youth amidst the flimsiness of pop culture and pop politics. The boy (Jean-Pierre Leaud) is full of doubts and questions, but a pop revolutionary; the girl (Chantal Goya) is a yé-yé singer making her way«. Flimsiness of pop culture, das klingt schon wieder stark nach Antonionis Leere, und so scheint es auch weiterzugehen mit Kaels Einschätzungen: »This community of unbelievers has a style of life by which they recognize each other; it is made up of everything adults attack as the worst and shoddiest form of Americanization and dehumanization. It is the variety of forms of ›Coca-Cola‹ – the synthetic life they were born to«. Der Anfang des Absatzes führt allerdings etwas in die Irre, denn in den nächsten Sätzen zeigt sich, dass Kael dem jugendlichen Umgang mit diesen synthetischen amerikanischen Popformen durchaus einiges abgewinnen kann. »They have the beauty of youth which can endow pop with poetry«, lautet ihre entscheidende Aussage. Das Zugeständnis jugendlicher Schönheit bezieht sich aber nicht auf die Protagonistinnen des Films, wie schnell klar wird (dass es sich nicht auf Coca Cola bezieht, weiß man ohnehin schon). Die Gesichter der Heldinnen sind selbst synthetisch, es sind die Gesichter von Reklamen und Modefotografien, deshalb können sie Kael nicht schön, sondern bloß hübsch (und leer) erscheinen: »Chantal Goya, like Sylvie Vartan (whose face on a billboard dominates some of the scenes), is incredibly pretty but not beautiful, because there is nothing behind the eyes. [...] She is the ideal – the girl in the fashion magazines she buys« (1987e: 127f.). Mit Abstrichen überträgt Kael dieses Urteil auf Godard selbst, dessen stilistische Brillanz sie bewundert, um in dem glänzenden Stilvermögen zugleich seinen Mangel zu entdecken. Godards dem pop art movement ähnliche spielerische Gesten, seine ständigen Verweise auf andere Filme bilden für sie letztlich keine angemessene Methode, die gegenwärtige Wirklichkeit zu erfassen. Immerhin gesteht Kael aber zu, dass ihre nicht vollkommen positive Einschätzung Godards auf einer vertrauten Poetologie stimmiger Meisterwerke beruhe, neben der es vielleicht noch Raum für anderes geben könne (1987f: 114f.) – ein Zugeständnis, dass sie der hübschen Leere sicher nicht machen würde –, Raum also für das Spiel mit Zitaten und Erfahrungen aus zweiter Hand. Tatsächlich formieren sich bereits zeitgleich theoretische Schulen, die von einem starken Misstrauen gegenüber der Behauptung einer authentischen menschlichen Erfahrung einer gegebenen Wirklichkeit geprägt sind, ein Misstrauen, das sich auch in der Abneigung gegen vorgeblich harmonisch abgerundete Werke und realistische Abbilder äußert. In den 60er Jahren

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nehmen vor allem die von französischen akademischen Intellektuellen veröffentlichten semiotischen, strukturalistischen und zum Teil bereits auch schon poststrukturalistischen Theorien rasch in ästhetischen Urteilen des avantgardistischen Feuilletons weitere Gestalt an – in positiven Geschmacksurteilen zu Texten und Filmen, die den Anschein, es gebe eine feststehende Ordnung der Wirklichkeit, welche auf natürliche Weise widergespiegelt oder erzählerisch nachempfunden werde, mittels verschiedenster Verfremdungseffekte zerstören wollen. Dies läuft keineswegs auf eine Feier des schöpferischen Genies und kreativen Individuums hinaus, das sich seine eigene Wirklichkeit imaginiert; im (auch ästhetisch bejahten) Vordergrund steht vielmehr eine Analyse, die von der Psychologie und Kraft der Autorpersönlichkeit absieht und sich im Gegenschritt auf den Text als Resultat einer Montagearbeit konzentriert. Auch das Werk als geschlossene Einheit rückt dadurch ins Zwielicht, stattdessen bevorzugt die neue Kritik jene Auffassung vom Text als Schnittpunkt verschiedenster anderer Reden und kultureller Zitate. Die feuilletonistische Filmkritik macht den Widerstand gegen das scheinbar Selbstverständliche im Regelfall nicht an populären Genre-Filmen deutlich, sondern an avantgardistischeren Werken, in denen der narrative Zusammenhang modern-fragmentarisch durchbrochen oder bloß eine Ansammlung offener Zitate geboten wird. Um zu solch einer Position zu gelangen, muss jedoch die Filmkritik erst einmal nachhaltig mit einer an Inhalten und Ideologien ausgerichteten Rezensionspraxis brechen. Als neue Losung wird in der deutschen Filmkritik Mitte der 60er Jahre die Politik der Form ausgegeben, geschieden sowohl von dem traditionellen Lob einer technischen Beherrschung handwerklicher Mittel wie von der engagierten Prämierung korrekter Botschaften. Die Erkenntnistheorie hinter der neuen ästhetischen Politik lautet: Wie man über etwas spricht, konturiert erst den Gegenstand, der als »etwas« allzu früh bereits vorausgesetzt wird. Der modernen Abneigung gegen geschlossene Erzählformen und auktoriale Gebote gesteht man darum einen eminenten politischen Sinn zu: »Jedem Kriminalromanleser ist vertraut, daß Sagen und Tun zweierlei sind, und auch jeder Marxist müßte das wissen, aber gerade an diesem Bewußtsein fehlt es jenen, die es unablässig fordern: sie glauben den Filmen, die sich gegen den Faschismus aussprechen, aufs Wort, sagen: das sind Filme contra Faschismus, auch wenn diese die filmische Fortsetzung des Faschismus darstellen« (Linder 1967: 223). Die ideologiekritische Haltung gegenüber den Inhalten der populären Kultur wird nicht allein methodisch außer Kraft gesetzt; es macht sich auch bei dem (kleinen) Teil der theoretisch avancierten Filmkritik einfach ein gewisser Überdruss an den ewig gleichen (wirkungslosen) Verfahrensweisen und vor allem Ergebnissen breit. In seinem Plädoyer für die Ästhetische Linke muss sich Enno Patalas eingestehen, dass die Aufdeckung und Anklage der ideologischen Gehalte von »Konsumfilmen« längst nicht mehr auf Widerspruch stoße, derart immunisiert sei die Öffentlichkeit mittlerweile: »Die ›Lebenslüge‹ bekennt sich fröhlich als solche, und die zur Routine gewordene Ideologiekritik stützt, indem sie die Entlarvung des längst Entlarvten zu ihrer Dauerbeschäftigung macht, am Ende nur die nackte Gewalt des Bestehenden, die selbst die Ideologie hinter sich gelassen hat« (1966: 406). Dies ist kein Wort zur Affirmation des »Konsumfilms«, eher zu seiner Nichtbeachtung. Es gibt aber Ausnahmen von der Regel, wie bereits am Beispiel der Rezension zum Musical Funny Face gesehen, sie betreffen Schauwerte, die

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die alte Moral- und konservative Pflichtauffassung hedonistisch inszeniert und koloriert verblassen lassen. Der Vergleich des alten – hier: Alain Delons Die schwarze Tulpe – mit dem neuen Stil – Jean-Paul Belmondos Abenteuer in Rio – fällt eindeutig aus: »Delon ist nichts weiter als der frisch-frommfröhlich-freie Tausendsassa aus dem Geschichtenbuch unserer Großeltern. Belmondo dagegen ist ganz und gar nicht von gestern, sondern ideologiefrei und konsumfreudig, kein Kämpfer für ewige Werte, wie Tulpe Delon, Held der Großen Revolution, dafür seiner schönen Freundin herzlich zugeneigt. Allein um ihretwillen – dunkle Subjekte entführen sie, just, als Flieger Belmondo Urlaub hat und sie besuchen will – meistert er, wie Buster in College, jede Gefahr, ob zu Lande, zu Wasser oder in der Luft, in Orly oder im Matto Grosso.« Die rasche, abwechslungsreiche Bewegung überträgt sich offensichtlich schnell: »Man vermeint zu spüren, daß Regisseur, Kameramann und Stars ihren Film zuerst sich selbst zum Spaß, aus Freude an den Schauplätzen, an den Farben, an der Bewegung gedreht haben« (Patalas 1964). Man merkt aber schon, allein an der Kürze der Rezension, der liberale Hedonismus, von moralisch-gemeinsinnigen, aber auch ästhetischen Begründungspflichten weitgehend befreit, bietet wenig Stoff zur theoretisch ausgefeilten Argumentation. Das ändert sich in den 60er Jahren dann angesichts von Filmen, die sich in Europa an älteren amerikanischen Genrekonventionen orientieren. Die Reproduktion von Gesten und Figurenkonstellationen der Gangster- und Abenteuerfilme Hollywoods diskutiert in der Filmkritik z.B. Frieda Grafe am Beispiel des deutschen Films 48 Stunden bis Acapulco. In der äußersten Zitathaftigkeit dieses Films erblickt Grafe kein Manko; sie preist im Gegenteil den dadurch entstandenen Abstand zur Illusion des fotografischen Realismus, der bloß ein ewiges Hindernis für all jene Filme bilde, die doch eigentlich mehr sein wollten als das, was es ohnehin schon gebe: Acapulco versuche nicht, lobt Grafe, »einer existierenden Wirklichkeit zu gleichen, er ist das, was er darstellt, und nicht mehr. Der ganze Film ist gezeichnet von einem Antikulturaffekt, der nicht nur in der bewußten Trivialität seiner Geschichte sich äußert. Wenn man versucht, über ihn zu schreiben, spürt man, wie der Film sich geradezu dagegen sträubt, in Gedanken konvertiert zu werden« (1967a: 680). Von einer einfachen Freude an Farben und Bewegungen ist hier keine Rede mehr, so trivial ist der Film oder zumindest seine Besprechung dann doch nicht. In Acapulco bleibt die Bewegung letztlich ohne Ziel und ist nach Grafe auch der realistischen Möglichkeit einer Wunscherfüllung abgewandt. Obwohl es vom Prinzip offen ausgestellter Zeichenhaftigkeit keineswegs erzwungen wird, legt es der wie auch immer gebrochene linke Impetus nahe, eine ungewöhnliche Verfremdung alltäglicher Wirklichkeitskonstitution und -erfahrung zu favorisieren und nicht eine außeralltäglich gesteigerte Wahrnehmung konsumistischer Möglichkeiten in punkto Mobilität, Design und von Reproduktionszwängen entbundener freier Zeit. Zur Bestärkung ultramoderner Oberflächlichkeit, mit der nicht nur avancierte Feuilletonisten sich im Zuge der Durchsetzung kapitalistischer Liberalität allzu moralischer Rückstände entledigen, muss im Sinne kritischer Intellektualität zum Axiom semiotisch verfremdeter Natürlichkeit ein weiterer theoretischer Anreiz hinzukommen. In der amerikanischen Maxime des Camp ist der Verschränkung von anti-bildungsbürgerlicher Attitüde und genussvoller Haltung auf hinreichend

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exzentrische Weise Genüge getan, um hier für Abhilfe zu sorgen. Es ist wieder Frieda Grafe, die in der Filmkritik dafür die richtigen Formulierungen findet; ihre positive Wertung von Agnès Vardas Les Créatures beginnt mit einem Rückgriff auf Susan Sontags Camp-Essay. Grafe möchte dem deutschen Leser unbedingt vermitteln, dass nur ein unbefangener Umgang mit den Produkten der Kulturindustrie, wie ihn Sontag an der Camp-Sensibilität aufzeige, ein Verständnis von Vardas Film ermögliche, da dieser ebenfalls durch die Zurückweisung des hergebrachten guten Geschmacks geprägt werde. Als Beispiel für den neuen guten im schlechten Geschmack führt Grafe Vardas flirrende Zeitrafferaufnahmen vom Meer in der Sonne an; solche Einstellungen bildeten nicht nur eine Ovation an die »Popmode«, sondern auch die »Selbstdarstellung einer Ästhetik, die das Privileg des Originals liquidiert«. Gerade in der Verwendung eines fotografischen Klischees, in der Entscheidung für »Künstliches, Mechanisches und Fabriziertes« liege ein bewusster Versuch, jeden Anschein, der Film gebe auf natürliche, unmittelbare Weise Wirklichkeit wieder, zu durchbrechen (1967b: 206f.). Susan Sontag selbst zählt 1964 in einer Verteidigung von Jack Smiths Film Flaming Creatures, der auf anstößige Weise sexuelle Identitäten verwirrt, andere Camp-Elemente auf. Sie nennt etwa als Einzelbeispiel »eine Frau in Weiß (eine Transvestitin) mit gesenktem Kopf, die einen Lilienstengel hält«, und verweist allgemein auf den großen antiklassizistischen Bilderfundus, aus dem Smith schöpft, angefangen bei »der Mattigkeit der Präraffaeliten über den Jugendstil und die großen exotischen Stile der Zwanzigerjahre – den spanischen und den arabischen – bis hin zu dem Vergnügen an der Massenkultur, das dem modernen ›Camp‹ eigentümlich ist«. Interessanterweise sieht Sontag Smiths Film im Rahmen der Pop-art; Flaming Creatures besitze die »Heiterkeit der Pop Art« und teile die Weigerung der Pop-art, das Dargestellte zu bewerten. Wegen der von ihr erkannten Eigenschaft der Popart, eine Position künstlerischer Freiheit unabhängig von der Moral einzunehmen, muss Sontag natürlich widersprechen, »wenn Pop Art als Symptom eines neuen Konformismus, als Kult der Billigung von Artefakten einer Massenzivilisation abgetan wird«. Freilich verbirgt Sontag ihr eigenes ästhetisches Vergnügen an Smiths »durch und durch künstlicher und erfundener Landschaft der Kostüme, der Gesten und der Musik« keineswegs, ihr Gefallen an der filmischen Errichtung eines »Mythos der Intersexualität«, der in Szene gesetzt werde vor einem reichen Camp-Hintergrund aus »banal songs, ads, clothes, dances, and above all, the repertory of fantasy drawn from corny movies« (Sontag 1968a; Sontag 2001; vgl. zu Smith: Leffingwell u.a. 1997; Tartaglia 2006). Dieser Hintergrund aus Camp-Zitaten ersetzt bzw. zerstört den gewohnten narrativen Zusammenhang, die moralisch und kausal geordnete Abfolge der Handlung. Solche Auflösung eines geschlossenen Ganzen ist jedoch nur um den Preis mangelnder Popularität zu haben. Im Muster des Erfolgs, im Hollywoodfilm, auf den sich Camp bzw. (nach Sontag) pop art zwar beziehen, den sie aber nur teilweise reproduzieren, gibt es stets eine Handlung, die Anfang und Ende schrittweise und sinnfällig miteinander verbindet, auch wenn der Glanz einzelner Sensationen – Stars, Körper, Technicolor, Autojagden, Schusswechsel, Emotionen – diesen Zusammenhang in den Augen des Zuschauers vorübergehend überstrahlen kann. Immerhin kann die erzählerische Geschlossenheit der Hollywood-Filme wenigstens manchmal von

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der neuen Filmästhetik als Durchkonstruiertheit und damit Artifizialität positiv verbucht werden. Vor allem am Beispiel von Filmen wie denen Sternbergs entfaltet Frieda Grafe weiter ihre Kritik des »pseudorealistischen Kino« und ihr Lob der Werke, die »nicht als Doubles der Realität konzipiert sind, sondern als in sich Sinn ergebende Zeichensysteme, die Realität nicht reproduzieren, sondern suggerieren« (1967c: 45). Das unnatürliche, alle Wesensbestimmungen unterlaufende Spiel der Zeichen und der willkürlich erscheinenden Neuarrangements auch gerade populärer Vorlagen preist man in der Filmkritik vornehmlich jedoch an experimentelleren Werken, vorzugsweise an den Filmen Jean-Luc Godards (prägnant Greve 1968: 202f.). Man kann die damit verbundene Hinwendung zu einer modernistischen Popkultur im Sinne der Pop-art am besten ermessen, wenn man sich zum Kontrast zuvor die frühe Aufnahme Godards in der deutschen Kritik anschaut. Von ideologiekritischer Seite nehmen die ersten Beschreibungen der selbstreferenziellen, artifiziellen Manier dieser avantgardistischen Variante der französischen Nouvelle Vague rasch einen negativen Charakter an. Eine entsprechende Rezension der Filmkritik von Godards Film Außenseiterbande beginnt zwar bereits zum Teil, als sei sie von einem weiteren Kenner des Artifiziellen verfasst, allerdings zeigt die hilflose Vermutung, der Film sei eine Parodie, dass wohl kein vollgültiges Lob verfremdender Künstlichkeit zu erwarten ist: »Anscheinend«, glaubt der Rezensent, »ist Godards letztes Erzeugnis als eine Parodie des herkömmlichen Musicals gemeint – aber nicht nur des Musicals, sondern auch der Libertinage-Filme; die Personen – die Bummler Emile und Alfred (Brialy und Belmondo) und die attraktive, wenn auch etwas beschränkte Stripteasetänzerin Angela (Karina) – besitzen keine buchstäbliche, sondern nur eine auf andere filmische Vorbilder bezogene Existenz.« 1961 kann solch später postmodern genanntes Zitieren offensichtlich nur als Parodie rationalisiert werden, zudem gilt wohl das Fehlen einer zentralen, organisierenden Idee leicht als langweilig, deshalb wird im Horizont der alten Norm des geschlossenen, organischen Kunstwerks Godards Film mit einer ganz negativen Bewertung versehen: Die eingestreuten, nicht erzählerisch streng motivierten Geschichten, Witze, Anspielungen und Verweise auf andere Filme kommen dem Rezensenten quälend vor: »Aber die Dialogpointen wie die formalen Einfälle – Passagen in ruckhafter Stummfilmmanier, Blinzeln der Akteure ins Objektiv, Farbspielereien – sie alle verpuffen, schlagen sich gegenseitig aus dem Felde, weil keine Idee da ist, der sie sich unterordnen« (Gregor 1961: 441). Doch dies bleibt nicht das letzte Wort. In einer an Roland Barthes’ Kritik der Mythen des Alltags geschulten Analyse hebt wieder Frieda Grafe als Vertreterin der neuen Linie die von Godard ausgezeichnet betriebene künstliche Machart der Ausstellung von »natürlicher« Wirklichkeit hervor: »Der Kommentar, die Zitate, die differentielle Darstellung vergleichbarer Szenen, das langsame Abfahren übergroßer Werbeschriften, die korrigierten Sprachklischees, die Sex and Crime-Geschichten aus den Boulevardzeitungen, Wortspielereien mit Franz und France Soir und die Wochenschauweltkugel, die sich zum Schluß des Films dreht, wenn der Kommentar im Stil der Kinovoranzeigen die Fortsetzung der Geschichte ankündigt«, sie alle bilden, schreibt Grafe, »eine Art Metafilm, der den Film als dargestellte Realität von gelebter Realität absetzt, indem er über ihn spricht, ihn aber dadurch gleichzeitig mit

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unserer Wirklichkeit verknüpft, weil er von uns erwartet, daß wir die beiden Realitäten in Beziehung setzen« (1965: 80). Solche Analysen und Urteile tragen internationalen Charakter, man findet sie regelmäßig in intellektuellen Kreisen, die ihren ästhetischen Geschmack an den Maßgaben aktueller Theorietrends ausrichten. Auch Susan Sontag lobt Jean-Luc Godards Bemühen, den Anschein organischen Zusammenhangs zu zerstören, in hohen Tönen und stellt dabei besonders seine Technik heraus, sich auf vertrautes Material, auf »popular myths of action and sexual glamor«, so zu beziehen, dass dessen ursprüngliche Bedeutung und Geschlossenheit leer und löchrig wird. »The most noticeable form of Godard’s dissociated rendering of things«, schreibt Sontag in gleichem Tenor, sei »his ambivalent immersion in the allure of pop imagery«. Immerhin, ambivalent ist diese Bewegung auch nach Sontags Einschätzung, weil die Popkultur zumindest zum Teil selbst dissoziiert genug ist, um keine Wesensbehauptungen und mythisch-ewige Werte zu stiften. Deshalb kann Sontag wohl Godards Teilnahme an der visuellen Pop-Allüre nachvollziehen, deshalb kann sie ebenfalls Godards teilweise faszinierte Übernahme gegenwärtiger Pop-Zeichen verstehen, »[his] only partly ironic display of the symbolic currency of urban capitalism – pinball machines, boxes of detergent, fast cars, neon signs, billboards, fashion magazines«. Den Abstand, den Sontag selbst jedoch zu solchen Zeichen und Objekten verspürt (nicht zu deren Montage in Godards Filmen), kann man gut daran ablesen, dass sie diese als entfremdete Dinge, alienated things, bezeichnet (1968: 292, 308). In der deutschen Filmkritik hebt Frieda Grafe, die sich – wie gesehen – sonst stark an Sontag orientiert, die positive Künstlichkeit und Flüchtigkeit der Popkultur wesentlich deutlicher hervor. Die Weigerung von »Pop«, Gebrauchsgüter mit einer Kunstaura auszustatten, steht im Mittelpunkt von Grafes Lobrede auf »Pop als Konsumkunst, die sich um die Verschönerung des alltäglichen Lebens kümmert und sich richtet gegen Stagnation, Gleichmaß und Farblosigkeit.« Die Entauratisierung sieht Grafe durch die Beschleunigung, mit der die Pop-Gebrauchskünste unsere Umwelt prägten, gewährleistet, dadurch, dass Pop seinen Konsumcharakter offen eingestehe und vor allem »statt sich von der Industrie terrorisieren zu lassen, diese mit seinen rasend schnell wechselnden Einfällen nicht schlecht in Atem hält.« Von Entfremdung ist hier offensichtlich keine Rede, wohl aber von Verfremdung. Wie Grafe Filme gefallen, die ihre Künstlichkeit offen ausstellen, schätzt sie hier, dass Dinge und Zeichen in einen neuen Zusammenhang gebracht werden und dadurch der Glaube an die Natürlichkeit ihrer Bedeutungen zersetzt wird. Die Pop-Einfälle seien schon »allein deshalb unberechenbar, weil sie nicht Erfindung von Neuem sind, sondern nur möglichst skurrile Arrangements von schon Vorhandenem.« Zum Film Kuckucksjahre, dessen Porträt der »Popgeneration« Grafe zu diesen Einschätzungen veranlasst, hält sie deshalb konsequenterweise fest: »Das Disparate und Heterogene, das Mosaikartige und Zusammengesetzte des Filmes ist das Gelungenste, das Beste – wiewohl man sich manchmal wünscht, daß die einzelnen Teile noch gestraffter, noch schärfer konturiert wären zur Unterstreichung der Diskontinuierlichkeit« (1967d: 503). Von der zu Beginn propagierten Pop-Gebrauchskunst bleibt darum bei Grafe letztlich nur eine avantgardistisch abgewandelte Variante übrig, die gerade beim Film zuverlässig zu dessen Misserfolg beim breiteren Publikum

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beiträgt. Es gibt allerdings auch avantgardistische Prinzipien, die sich leichter mit größerer Popularität vereinbaren lassen. Grafe nennt Beschleunigung, Widerstand gegen Stagnation und Gleichmaß – diese Kriterien zählen nicht nur zu den Anforderungen mancher Hollywood-Produzenten, sondern auch zu den zugespitzten Maximen modisch-intellektueller Parteigänger der Popkultur. Mitte der 50er Jahre hat sie bereits die Independent Group als Merkmale der pop art herausgestellt, Mitte der 60er Jahre möchten ihre englischen Nachfahren, die Architektengruppe Archigram, das Prinzip der expendability nun über Kleidung, Schallplatten, Autos hinaus auch auf Häuser und vormals fest installierte Teile der Inneneinrichtung ausdehnen. Rascher Wandel, der schnelle Austausch von künstlich veralteten Gütern sei das Ergebnis einer sophisticated consumer society (Cook 1972a: 16) – das dekretiert nicht etwa eine Werbeagentur, sondern die avantgardistische Architektengruppe, deren gigantomane Vorschläge technologisch gesehen einem Science FictionRoman entstammen könnten, deren Ästhetik sich jedoch an den Bildern, Moden, synthetischen Farben der Illustrierten, Wochenendbeilagen und der Popart orientiert; Richard Hamiltons Collage Just What Is It That Make’s Todays Homes So Different, So Appealing?, in der Ausschnitte aus Comics, Illustrierten, Werbeanzeigen versammelt sind, gilt folgerichtig als ein erstes Schlüsselbild (Chalk 1969). Reyner Banham, der Chefideologe der expendability aus den Reihen der Independent Group Mitte der 50er Jahre, zeigt sich darum, wenig überraschend, begeistert von den Konzepten Archigrams, von ihrer wild, swinging, pop-art vision (1965b: 11); es sei wichtig, dass die Architektur sich von den synthetischen Farben, der Jukebox, dem Plastik, der aktuellen Mädchenmode und den bunten Magazinen anregen lasse; selbst wenn eine entsprechende Architektur stark auf die Oberfläche, auf die sichtbare Fassade konzentriert bliebe, sei nichts Falsches daran (1981: 65). Archigram führt den schnellen Wandel im Bereich des Konsums, den symbolischen und ästhetischen Verschleiß funktionstüchtiger Güter nicht auf die Zwänge der Profitmaximierung zurück, sondern konzediert einfach einen Wandel des Verbraucher-Habitus (change of our user-habits). Darum möchten sie ihrerseits selbst auf dem Feld der Städteplanung und des Wohnungsbaus die Möglichkeit beschleunigter Abwechslung schaffen, zum Wandel der user-habitats einen architektonischen Beitrag leisten (Cook 1972a: 16). Im Rahmen ihres großen Plans einer Plug-in City sind einzelne verschiebbare, austauschbare architektonische Einheiten vorgesehen, die an verschiedenen Stellen einer gigantischen, stabileren Basisstruktur Platz finden können (Cook 1972b; vgl. Sadler 2005). In wesentlich kleinerer Ausführung konnte man den Akzent auf jenen Kombinationsmöglichkeiten, die innerhalb einer großen, vorgegebenen Struktur für den Einzelnen bestehen, bereits bei der Independent Group vorfinden, deren Mitglieder z.B. gerne auf die Option hinwiesen, sich sein Auto aus verschiedenen Bauelementen selbst zusammenstellen zu lassen (vgl. Whiteley 2002). Unter Berufung auf entsprechende Ausführungen Reyner Banhams propagiert das Archigram-Mitglied Warren Chalk grundsätzlich die Chancen, die in der Massenproduktion und -konsumtion liegen. Diese sieht Chalk nicht länger nur in der enorm gewachsenen Möglichkeit, eine große Zahl an Menschen mit einer Vielzahl an Gütern auszustatten, die für sie zuvor unerschwinglich waren. Er streicht vielmehr die kreativen Möglichkeiten

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heraus, die Chancen zur Eigeninitiative, die dank der Produktion von auswechselbaren Teilen gefördert würden: »If we turn to the back pages of the popular press we find ads for do-it-yourself living-room extensions, or instant garage kits. Let’s face it, we can no longer turn away from the hard fact that everyone in the community has latent creative instincts and that our role will eventually be to direct these into some tangible and acceptable form. The present gulf between people, between the community and the designer may well be eventually bridged by the do-it-yourself interchangeable kit of parts. In a technological society more people will play an active part in determining their own individual environment, in self-determining a way of life. We cannot expect to take this fundamental right out of their hands and go on treating them as cultural and creative morons. We must tackle it from the other end in a positive way. The inherent qualities of mass-production for a consumer orientated society are those of repetition and standardization, but parts can be changeable or interchangeable depending on individual needs and preferences, and, given a world market, could also be economically feasible.« (Chalk 1972: 17)

Damit bewegt sich Chalk immerhin noch insofern einigermaßen im Kanon der Design-Moderne, als er von deren positiver Einschätzung zur Standardisierung ausgeht. Bei Reyner Banham selbst, auf den sich Chalk beruft, klingt das aber mittlerweile viel radikaler. Dabei ist wiederum Tom Wolfe von Bedeutung, an dessen Beobachtungen zum customizing, zur individuellen Umgestaltung massengefertigter Autos, sich Banhams Pop-Begeisterung Mitte der 60er Jahre neu entzündet. Ganz auf der Linie der Independent Group der 50er Jahre, feiert Banham genau jene Reportagen Wolfes, die full of affirmation von der Popkultur zeugen. Die Aufsätze about pop and cars, and about Las Vegas sieht Banham nicht allein von umfassender Kenntnis, sondern (damit verbunden) von der richtigen Haltung geprägt. Banham gefällt besonders (und hier liegt der Unterschied zur früheren Begeisterung der Independent Group für das Detroit-Design), dass Wolfe die kreativen Anteile des jugendlichen Auto-Fantums betont, »the creation of hand-made, one-off dream cars that mock the little fantasies of Detroit styling by being so utterly fantasticated that their origins in wrecked or second-hand Detroit products are almost unrecognisable.« In der Bastelarbeit sieht Banham (mit Wolfe) ein hohes künstlerisches Potenzial; darin zeige sich eine eminente Kulturleistung, die wertvoller sei als etwa die gegenwärtige universitäre Beschäftigung mit der Kunst (1965c: 25). Besonders ungewöhnlich ist diese Wertung, weil sie nicht allein auf der gewohnten avantgardistischen Frontstellung gegen die Akademie und den bildungsbürgerlichen Kanon beruht, wie sie in den 60er Jahren immer wieder bei Happening-, Fluxus- und Pop-art-Künstlern, den teilweisen Nachfahren der Futuristen und Dadaisten, anzutreffen ist. Deren offen proklamierte oder ausgestellte Hinwendung zu Produkten der Populärkultur ist zwar oftmals Aufsehen erregend, bleibt aber im Regelfall ohne direkte Konsequenz. Äußerst eindrucksvoll ist vor allem das Programm des Fluxus-Artisten George Maciunas, der aus dem Widerstand gegen die herkömmliche Kunst zu einer populären Attitüde geführt wird. Weil die Kunst zur Rechtfertigung ihres elitären und parasitären Status innerhalb der Gesellschaft ihre Exklusivität, Pro-

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fessionalität und Distanz zum Publikum betone, müsse sie notwendigerweise Werke (als Waren) schaffen und den Anschein erwecken, dass sie komplex, inspiriert, tiefsinnig und bedeutungsvoll sei. Im Gegenzug ergibt sich dann fast wie von selbst das Konzept des Fluxus Art-Amusement; dem FluxusBewegten sind demnach drei Dinge aufgegeben: »To establish artist’s nonprofessional status in society, he must demonstrate artist’s dispensability and inclusiveness, he must demonstrate the selfsufficiency of the audience, he must demonstrate that anything can be art and anyone can do it. Therefore art-amusement must be simple, amusing, unpretentious, concerned with insignificances, require no skill or countless rehearsals, have no commodity or institutional value. The value of art-amusement must be lowered by making it unlimited, massproduced, obtainable by all and eventually produced by all. Fluxus art-amusement is the rear-guard without any pretension or urge to participate in the competition of ›one-upmanship‹ with the avant-garde. It strives for the monostructural and nontheatrical qualities of a simple natural event, a game or gag. It is the fusion of Spike Jones, Vaudeville, gag, children’s games and Duchamp.« (Maciunas 1996)

In der Praxis ist davon aber wenig zu spüren, die kleine Anhängerschar der Fluxus-Aktivisten zeigt deutlich an, dass wesentlich stärker Duchamp als der Komiker Spike Jones in das Kunst-Amüsement von Fluxus eingeht. Die behauptete Nähe zu bestimmten Bereichen der Populärkultur bleibt tatsächlich eine manifeste Provokation der institutionalisierten Kunst und trägt oftmals nur zu deren Ausweitung bei. Auf der Ebene der Wertung ist zwar alles eindeutig, wie etwa bei dem Merksatz H.C. Artmanns aus dem Jahr 1964 »Mickey Spillane gelesen, Goethe verworfen« und seiner Forderung nach einer entsprechenden »Pop-literatur« (1964: 7, 42). Die vorübergehende Identifikation mit dem Feind (der Massenkultur) seines Feindes (dem Bildungsbürgertum) führt jedoch nicht zu einer Freundschaft der Art, dass Avantgardisten wie Artmann populäre Krimis schrieben oder Comics zeichneten. Programmatische Äußerungen der frühen Happening- und vertrauten ready-madeKünstler der Wiener Gruppe, der Artmann angehört, weisen vielmehr den Weg zu einer Popliteratur im Sinne der Pop-art; ein frühes Bekenntnis zur Indifferenz im coolen manifest der Gruppe stützt diese Annahme nachhaltig (s. Weibel 1997: 635; Wiener 1985: 403). Banham nun geht es aber genau um solche Coolness nicht, auch nicht um eine erklärte Anti-Kunst, die doch innerhalb der Galerien und intellektueller Organe verbleibt; seine Hochwertung des jugendlichen Autotunings ist nicht allein der avantgardistischen Absetzung von der Hochkultur geschuldet. Banhams Enthusiasmus lässt keine indifferente Attitüde zu; gemessen an dem kreativen Vermögen der Autobastler erscheint ihm nicht nur die universitäre Literaturübung, sondern auch das coole Zitat der Neodadaisten abzufallen. In den Gestaltungen der Autofans erkennt er einen schöpferischen Um-

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gang mit den Vorgaben der Massenproduktion, der die Aneignungen der Pop-art weit übersteigt: »Customizing involves diverting the effluence of affluence (old mass-produced cars and scrap components) to creative ends far more gratifyingly and radically than any pop painter has done with comic strips« (1965: 25). Im Unterschied zu Banham interessiert sich Warren Chalk zwar nicht für solche schöpferisch-individuellen Übungen, auf seine Art weitet er aber gleichfalls das Feld der Pop-Kreativität bedeutend aus. Mit Chalk gewinnen avantgardistische Überlegungen direkten Anhalt in der zeitgenössischen Popkultur; er bezieht sich bei seiner Feier kreativer Möglichkeiten, die der Einzelne im Zeitalter der Massenproduktion ergreifen könne, nicht nur auf kommende avantgardistische Entgrenzungen, er beruft sich aber auch nicht allein auf Heimwerker-Anzeigen in der popular press, sondern hat ebenfalls die Entwicklungen im Bereich der pop music im Auge. Die zeitgenössische Popmusik scheint Chalk ein gutes Beispiel für die Möglichkeiten des Konsumenten zu sein. Der Aufschwung der Popmusik zu einer großen Industrie geht für ihn nicht auf die manipulativen Möglichkeiten der Kulturindustrie zurück, sondern auf die Fähigkeit der Unterhaltungskonzerne, mit dem Publikumsgeschmack Schritt zu halten. Die Kluft zwischen Künstlern und Publikum sei zudem im Gegensatz zu den Bereichen des Designs und der Architektur in der Popmusik momentan bedeutend kleiner, die Möglichkeit der Publikumsbeteiligung größer. Chalk verweist hier besonders auf den gemeinsamen Habitus von Stars und Fans, auf den Beitrag, den die expressiven und ungeregelten Tänze des Publikums zum Erfolg der Popmusik beisteuerten (1972: 17). Damit nimmt Chalk eine Einschätzung vor, die Mitte der 60er Jahre durchaus ungewöhnlich ist. Die neue Popmusik wird zu Beginn ganz im Gegenteil vornehmlich dadurch charakterisiert, dass die Einflussnahme des Publikums abgewertet und sorgenvoll betrachtet wird. Die ungehemmte (weibliche) Begeisterung für die ersten Stars dieser neuen Musik, zuerst und vor allem die Beatles, danach schnell aber auch die aggressiveren Rolling Stones, ruft vertraute Befürchtungen über Manipulation und Massenhysterie hervor (vgl. Hecken 2006c: 159ff.). Die Aufwertung der Popmusik wird im Feuilleton folgerichtig umgekehrt anhand ebenso vertrauter bildungsbürgerlicher Maßstäbe durchgeführt, sie läuft über den versuchten Nachweis, dass einzelne der individuellen Künstler und der neuen Beat-Gruppen, die im Gegensatz zu den Stars der älteren populären Musik nicht bloß die Kompositionen der Angestellten von Musikverlagen vortragen, eine eigene, künstlerische Handschrift besitzen. Im Zentrum der Aufwertung zu Künstler-Individuen und Autoren stehen Bob Dylan, John Lennon und Paul McCartney. Bei Dylan setzt die Anerkennung als Dichter durch die hip intellectuals (Siegel 1972: 159) vor allem mit dem Album Highway 61 Revisited, nach Dylans Bruch mit der Folk-Szene, ein (s. Gleason 1972: 174ff.; DeTurk/Poulin 1967: 274ff.). Bei den Beatles machen Stuart Hall und Paddy Whannel einen bedeutenden Anfang, die den Beatles 1964 eine gewisse positive Neuheit zugestehen; ihr sound sei weniger standardmäßig fabriziert und konformistisch, als man es bisher im Feld der pop-music gewohnt sei (1964: 312). Ab 1965 bescheinigen dann vor allem die auflagenstarken Nachrichtenmagazine den Beatles gleich einen eminenten Kunst-Status, Vergleiche mit klassischen und zeitgenössischen Komponisten

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von Bach bis zu Stockhausen werden bei Besprechungen von Rubber Soul bis Sergeant Pepper nun regelmäßig bemüht (ausführlich dazu Gendron 2002: 164ff.; einige deutsche Nachweise bei Rumpf 2004), in drei Worten zusammengefasst von Ralph J. Gleason, der im Song Strawberry Fields eine electronic miniature symphony erkennt (1969: 68). In akademischen Journalen und intellektuelleren Zeitschriften werden solche Vergleiche natürlich beträchtlich abgeschwächt, interessanterweise jedoch ab 1966 häufig, um die Beatles zu loben, nicht um sie ob ihrer relativen Schlichtheit zu tadeln. Im Zugriff der Beatles auf einzelne Elemente und Techniken der Musikgeschichte sieht Joan Peyser eine ahistorische Unbekümmertheit, die ähnlich, aber auf ganz andere Weise neu sei wie der zeitgenössische Angriff gegen das überkommene tonale System (1969: 128f., 135). In gleicher Manier wird 1967 sogar in Partisan Review auf die Forschungslust und Modernität der Beatles hingewiesen, zudem aber deutlich gemacht, dass sie im Gegensatz zur Hochkunst weiterhin für fun and entertainment, die Vorrechte der popular arts, einstünden (Poirier 1967: 533, 528). Ein kulturrevolutionärer Verfechter wie Uwe Nettelbeck schätzt die Musik der Beatles genauer als »Pot Music«, die jener »auditiven Virtuosität«, jener »Empfänglichkeit« für »akustische Reize«, welche das »menschliche Sensorium« unter dem Einfluss von LSD und Haschisch entwickle, mit Verschleifungen, flips und anderen »elektronischen und stereophonen Effekten« entgegenkomme (1967: 576). Konservativere Vertreter, die an der Liedform hängen, können zuletzt diese Einschätzungen so abändern und zuspitzen, dass die Beatles als Verfechter des Lust-Prinzips gegen den asketischen Zuschnitt der zeitgenössischen Musik in Stellung gebracht werden. Eine Nähe der Beatles zu Stockhausen etwa sieht Ned Rorem in der New York Review of Books keineswegs gegeben, die psychedelischen Soundeffekte seien bloß Farbtupfer, sie verdankten sich dem Bemühen um glamor, nicht dem um Konstruktion. Im Gegensatz zu Peyser und Poirier sieht Rorem bei den Beatles jedoch auch in allgemeiner Form kein Freiheitsverlangen am Werk; darum hält Rorem den Vergleich mit Schumann und Monteverdi, der wiederum in Partisan Review als gegenstandslos bezeichnet worden ist, sehr wohl für weiterführend; die Songs der Beatles weckten Erinnerungen an die großen Zeiten des Liedes; der Spaß und die Freude, die sie vermittelten, rühre von ihrem talentierten, originellen Gebrauch der konservativsten musikalischen Mittel her (1969: 153ff.). In einem Punkt sind sich demnach die akademischeren Anhänger der Beatles einig, egal ob sie in ihnen Erneuerer der traditionellen Liedform oder Neuerer vom Range eines John Coltrane, Ornette Coleman (Mellers 1969: 183) oder Stockhausen sehen: Dass die Beatles auf moderne, positive Weise für Freude und Unterhaltung sorgen, wie es Hall und Whannel bereits 1964 mit Blick auf die erste erfolgreiche Phase der Beatles feststellen – playfulness, liveliness, uninhibited style sind hier die entscheidenden Merkmale (1964: 312) –, und wie es die akademischen Feuilletonisten ab der zweiten Phase angesichts der konstatierten Verschränkung von Unterhaltung und Modernität mit vorgeblich gebildeterem Nachdruck behaupten. Potenziell können dadurch nun alle Pop-Phänomene zum Gegenstand intellektueller Betrachtungs- und Bewertungsweisen gemacht werden.

IV. Underground und Pop 1964-1968

Neoavantgarde Die intellektuell gehobenen Pop-Prinzipien bleiben nicht allein Eigentum professioneller Kritiker. In dem Roman Les Choses aus dem Jahr 1965 porträtiert Georges Perec junge Leute, die in ihrem Beruf als Marktforscher wie in ihrer Freizeit als Konsumenten, als Leser von Illustrierten, als Kinogänger usw. die Avantgarde der neuen Popkultur bilden. Sie hoffen Anfang der 60er Jahre auf ein Leben, das »den Charme, die Leichtigkeit, die Phantasien der amerikanischen Komödien« hätte, sie träumen in Technicolor von »blütenweißen Schneefeldern, durchzogen von Skispuren«, von »kühnen Autostraßen, von Überlandbussen, von Hotelpalästen«. Ihr Geschmack richtet sich damit deutlich gegen die ernsthafte, bildungsbürgerliche Kultur; wie bei den Autoren der Nouvelle Vague besitzen ihre Vorlieben jedoch im Unterschied zu den Urteilsgründen der weit überwiegenden Mehrheit des Publikums der Hollywood-Filme eine modern-intellektuelle Komponente – und innerhalb dieses avancierten Feldes stellt sich ihr Geschmack noch einmal besonders dar. In Perecs Roman heißt es treffend zusammengefasst, er sei weder übertrieben sektiererisch wie bei jenen Kinogängern, die nur auf einige Favoriten schwören, auf Eisenstein, Buñuel, Antonioni oder auf Aldrich und Hitchcock, noch sei er allzu infantil wie bei denen, die bereits ihren kritischen Verstand verlören, »wenn ein blauer Himmel ein blauer Himmel ist oder das helle Rot von Cyd Charisses Kleid von dem dunklen Rot des Kanapees von Robert Taylor absticht.« So haben sie zwar »starke Vorbehalte gegen das sogenannte seriöse Kino«, trotzdem oder gerade deswegen finden sie jedoch »Werke, die dieses Prädikat nicht hinfällig zu machen mochte, noch schöner«. Erst vor diesem Hintergrund wird ihre »fast übertriebene Sympathie für die Western, die Thriller, die amerikanischen Komödien« ganz verständlich, ebenso wie ihre Verachtung für Werke wie Alain Resnais’ Marienbad, die nach Ansicht des modernen Feuilletons besonders tiefsinnig und raffiniert, in ihren Augen aber bloß prätentiös sind (Perec 1984: 31f., 48). Dadurch eröffnen sich Parallelen zur radikalen Avantgarde, die ebenfalls dem bloßen Experiment absagt und die gleichfalls eine Abneigung gegen allzuviel Geist und Tiefsinn hegt; im Organ der situationistischen Avantgarde wird Alain Resnais’ Film Marienbad genau wie von Perecs jungen Protagonisten »Hergesuchtheit« und Leere vorgeworfen (Bernstein 1976). Dennoch ist jene cineastische Ausrichtung, die auf der Höhe des Feuilletons PopDoktrinen etabliert, im Sinne etwa des futuristischen oder dadaistischen Angriffs auf eine moderne Geistigkeit keineswegs avantgardistisch genug. Man kann das sehr gut mit Hilfe der französischen Nachfahren der historischen Avantgarde, den eben genannten Situationisten, zeigen. Im Gründungstext der Situationistischen Internationale heißt es programmatisch, dass es das

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Ziel revolutionärer Aktionen im Bereich der Kultur sein müsse, das Leben zu erweitern. Die Übereinstimmung mit dem ›lebenskünstlerischen‹ Anspruch der historischen Vorläufer ist damit deutlich erklärt. Bei den Futuristen, Dadaisten und Surrealisten – und nur bei ihnen! – finde man denselben alles umfassenden Willen zur Veränderung, lobt der Cheftheoretiker der S.I., Guy Debord, eine Veränderung, die eine deutliche Absage an eine Kunst bedeutet, welche Werke schafft, die institutionalisierten, erkennbaren Kunstorten überlassen und individuell, kontemplativ rezipiert werden. Den Künstlern kommt deshalb in der neuen entgrenzten AvantgardeKultur keine ausgesprochene Sonderrolle mehr zu. Sie sollen sich nach dem Willen der Situationisten mit ihren Mitteln an der Konstruktion entsprechend intensiver Situationen beteiligen (Debord 1980). An die Stelle des »Spektakels«, jener entfremdeten, den Betrachter passiv haltenden Form des aus ihrer Sicht vorherrschenden gesellschaftlichen Lebens, wollen die Situationisten so eine aktive, sinnliche, kreative Erfahrung setzen. Der Auftrag ist eindeutig: Wie bereits von den sowjetischen Linksfuturisten und Konstruktivisten ausgeführt, soll der Künstler neue Techniken erfinden, um »das Licht, den Schall, die Bewegung« so zu nutzen, dass die Lebens-»Umgebung« entscheidend beeinflusst wird (Constant 1976: 64). Im Unterschied zu den linken Konstruktivisten betonen die Situationisten (hier wieder im Einklang mit allen anderen historischen Avantgardebewegungen) allerdings nicht nur das Ziel der Intensität stärker; ihre Vorschläge richten sich vor allem sehr viel seltener direkt auf die Welt der Produktion. Zwar sind viele der Situationisten Sozialisten genug, um davon auszugehen, dass ihre Pläne nicht mit der kapitalistischen Ordnung vereinbar sind, und sehen sich deshalb mit dem Proletariat im Einklang. Andererseits sind sie jedoch Avantgardisten genug, um zu glauben, dass die Revolution sich nicht in der Frage erfassen lasse, »welche Produktionsstufe die Schwerindustrie jetzt erreicht hat und wer sie beherrschen wird.« Zusammen mit der »Ausbeutung des Menschen« müssten auch die Gewohnheiten sterben, welche die Produkte der Ausbeutung waren. Der »kapitalistischen Lebensweise« sollen deshalb bereits hier und jetzt »wünschenswerte Lebensweisen« entgegengesetzt werden, die dank der bewussten Konstruktion leidenschaftlicher Situationen entstehen sollen (Debord 1980: 36f.). Äußerst merkwürdig ist daran, dass die Situationisten diesen Auftrag bei der Arbeiterschaft gut aufgehoben meinen. Der von allen anderen Neuen Linken vertretenen These, dass die Arbeiter u.a. durch die Anhebung der Konsummöglichkeiten stark ins kapitalistische System eingebunden würden, folgen sie nicht. Dabei sind doch gerade die Situationisten die schärfsten Kritiker der neuen Waren und Vergnügungsmöglichkeiten. Wie für so viele Kulturkritiker vor ihnen, tragen für die Situationisten Autos, Hochhäuser, Fernseher, Feriensiedlungen ganz entscheidend zur Langeweile, Passivität und Entfremdung in der modernen Welt bei (vgl. Hecken 2006d). Auffällig ist ebenfalls, dass die Vorschläge der S.I., wie intensive Situationen entstehen sollen, oftmals recht nah an den Plänen der verhassten Marketingfachleute und Freizeitplaner liegen (vgl. McDonough 2002). In der ersten Ausgabe ihrer Zeitschrift greifen die Situationisten sogar einen Bericht über die Prozedur der Gehirnwäsche auf; in dem Artikel schildert ein angebliches Opfer der ungarischen politischen Polizei die Mittel, die ihn zur Selbstaufgabe drängen sollten: »die völlig ANDERSARTIGE Einrichtung

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dieses geschlossenen Raumes (durchsichtige Möbel, krummes Bett ...) [...] verschiedene Drogen; dank diesen erfolgreiche einfache Mystifikationen (obwohl er allen Grund hatte zu glauben, dass er seit Wochen nicht aus seinem Zimmer durfte, hat er ab und zu beim Aufwachen nasse Kleider und schlammige Schuhe an); Vorführungen absurder bzw. erotischer Filme, mit anderen Szenen vermengt, die manchmal in dem Zimmer stattfinden«. Kein Wunder, dass die Situationisten begeistert sind, handelt es sich doch um eine technisch raffinierte Version ihres eigenen Bohemelebens fernab der Arbeit, stets im Verlangen nach interessanten, verwirrenden Stimulantien. Zwar wird an der Praxis der Geheimpolizei der »repressive Gebrauch« der »bis zu einer sehr komplexen Stufe entwickelten Umgebungskonstruktion« kritisiert; dies tut der eigentümlichen Faszination der »neuen Konditionierungstechniken« aber keinen Abbruch (Situationistische Internationale 1976: 12). Vornehmlich in ihrer Anfangsphase, teilweise bereits in ihrer Gruppierung als Lettristische Internationale, konzentrieren sich die Situationisten auf vergleichbare Pläne. Da gibt es Versuchsanordnungen, deren Wirkung sie in ihrer Lebenswelt selbst erproben können, etwa die Verfremdung von Straßen, Denkmälern und Gebäuden durch Graffitis (Lettristische Internationale 2002). Unter dem Titel détournement wird solche subversive Zweckentfremdung später von der S.I. zum allgemeinen Programm des Umgangs mit bestehenden Kulturgütern erhoben. Selbst ausprobieren kann man ebenfalls das sog. Umherschweifen (dérive): »Ein bekanntes Viertel nach den Stationen zu durchqueren, die weißen Rum ausschenken, um aus dieser Perspektive die Straßen zu peilen und das Verhalten der Ortsansässigen zu bestimmen, das konnte die Parole eines Tages sein; auf den Kreuzungen den Kompaß hervorziehen und sich an unbekannten Meridianen vorarbeiten« (Ohrt 1990: 75). Da gibt es aber auch Pläne, die größere, teilweise sogar maximale gestalterische Kräfte erfordern, wenn Räume geschaffen werden sollen, »die einen besser träumen lassen als Drogen, und Häuser, in denen man nur lieben kann«, oder wenn speziell hergerichtete Erlebniswelten die gesamte Stadt verändern sollen, um bestimmte Situationen und Gefühle hervorzurufen: »Ein seltsames, ein glückliches – und ganz besonders dem Wohnen zugedachtes –, ein edles und tragisches [...] und ein finsteres Viertel« (Ivain 1976: 24). Das erinnert stark an Disneyland, an neue antipuritanische Vergnügungsstätten. Ivain selbst zieht einen Vergleich zu Las Vegas, er konstatiert den »ungeheuren Reiz«, der von dieser Stadt ausgeht. Andererseits aber handelt es sich dort aus Sicht der Situatonisten um bloße »Geldspiele« mit grundsätzlich äußerst reduzierter »Spielfreiheit« (ebd.: 24f.). Die Situationisten nehmen das zum Beweis, in welch starkem Maße erst ihre entgrenzten Spiele reizvoll wirken würden, sie nehmen das aber vor allem zum Anlass, den Schein- und Ablenkungscharakter des modernen Spektakels der Vergnügungsstätten, Werbeplakate, Fernseher, Autos etc. heftig zu schmähen. In all dem können sie allenfalls einen Vorschein ihrer kommenden avantgardistisch-spielerischen Freizeit leidenschaftlicher Situationen entdecken; das alles bildet für sie lediglich den (noch erfolgreichen) Versuch, die Trennung und Passivität einzuschärfen. Im Gegensatz zur gewohnten Kulturkritik nehmen die Situationisten von dieser nachhaltigen Kritik die hohe Kunst keineswegs aus. Weil sie kaum einen Unterschied zwischen dem Spektakel institutionalisierter Werkkunst und dem des Fernsehens oder der Sportarenen machen, achten die Situationisten

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noch stärker als ihre avantgardistischen Vorläufer darauf, dass keine Kunstwerke mehr produziert werden, die in erster Linie der Ausstellung und Betrachtung in Museen und Akademien dienen. Bereits Anfang der 60er Jahre werden darum alle bildenden Künstler von der Vereinigung der Situationistischen Internationale konsequent ausgeschlossen. Folgerichtig finden auch die modernen, entgrenzenden Kunstrichtungen vor den Situationisten keine Gnade. Weder das Happening noch die damit teilweise verbundene Pop-art bleiben von der avantgardistischen Überbietung verschont. Die situationistische Konstruktion der Bedingungen für spielerisch freie, aufregende Momente stehe hoch über dem Programm der New Yorker Happenings, bilanziert die S.I. bereits Anfang 1963, selbst wenn die Happenings im Gegensatz zur reinen Theater- oder Galerieaufführung immerhin bemüht seien, den Abstand von Akteuren und Zuschauern zu verringern und Neuerungen in den Bereich menschlicher Beziehungen hineinzutragen. Diese Anstrengungen stünden aber noch zu sehr im Banne der reinen Kunst, negativ ausgezeichnet durch ihre unpolitische Ausrichtung und ihren Vorrang »künstlerischer Kreativität«. Die Situationisten möchten hingegen außerhalb der geduldeten Reservate experimenteller moderner Kunst, außerhalb spezieller Kunsträume mit dem Spiel Ernst machen. Die Konstruktion von Situationen ist für sie nur im Sinne großer gesellschaftlicher Umwälzungen denkbar, als die »erste Skizze« und zugleich als das »höchste Ziel« einer von Verhaltensanordnungen, Konsumimperativen, erzwungener Passivität und lastender Arbeit befreiten Gesellschaft (Situationistische Internationale 1977a: 26f.). Die Pop-art kommt ihnen darum gleich in mehrfacher Hinsicht verdächtig vor. Grundsätzlich ist sie für die Situationisten selbst in der Form als NeoDadaismus nur ein Teil des Kunstmarktes, keine tatsächliche Anti-Kunst; das einstmals »Anti-Spektakuläre« sei nun nur ein »integrierter Bestandteil des Spektakels« (Situationistische Internationale 1977b: 95), »Pop Art und YeahYeah« könnten mit »geschlossenen Augen in den Filialen der Kaufhäuser erstanden werden«. Gegen die »Ideologie des Konsumierbaren« helfe nur eine radikale Zweckentfremdung, ein »überlegener Gebrauch«, welcher die »materiellen Voraussetzungen des Glücks«, die in der Ware auch verkörpert seien, aus der Knechtschaft des passiven Konsums befreie (Vaneigem 1980: 111, 266). Die Pop-art hingegen leiste solch eine sinnvolle Enteignung gerade nicht, beispielsweise zerstückele sie die Comics, die »einzig wirklich populäre Literatur unseres Jahrhunderts«, anstatt ihnen durch Hinzufügung einiger subversiver Elemente und vor allem durch veränderte Sprechblasen – wie es die Situationisten selbst praktizieren – ihren wahrhaften Inhalt wiederzugeben (Vienet 1977: 281f.). An der Gleichsetzung von Pop-art und »Yeah-Yeah« kann man bereits erkennen, dass die englischen Beat-Gruppen für die französischen Situationisten nicht aus dem Bereich der entfremdeten Kultur herausführen. Gruppen wie die Beatles sind für sie bloß Phänomene, die vor dem Hintergrund der gestiegenen Bedeutung der Jugend als Konsumentenklasse zu erklären sind (Situationistische Internationale 1977c: 230). Dennoch brechen die radikalen Neoavantgardisten nie vollkommen den Stab über den auffälligen jugendlichen Musikfans, dafür sind sie doch immer wieder zu stark fasziniert von deren vorübergehenden Versuchen, sich aus den alltäglichen Zwängen von Schule, Beruf und passiven Freizeitangeboten zu befreien. Unwiderstehlich angezogen werden sie vor allem von den aggressiven Angriffen auf die

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aus ihrer Sicht langweilige, normierte Welt. Nicht die Pop-art-Künstler, sondern die jugendlichen Delinquenten seien die wahren Erben Dadas, heißt es zugespitzt bei den englischen Situationisten (English Section of the Situationist International 2000: 68). Zwar würde ihre Wut kanalisiert, ihre Gewalt ausgebeutet und fänden sich ihre Träume schnell als Werbeslogans wieder; dennoch müssten alle Revolutionäre mit ihren Delikten und Revolten sympathisieren und sie ermutigen, heißt es in dem Organ der englischen Situationisten Heatwave (Radcliff 2000: 31f.). Gruppen, an denen sich solche Aggressionen entzünden, können bei ihnen folglich auf Unterstützung zählen. 1966 stehen besonders The Who hoch im Kurs, wegen ihrer zerstörerischen, rebellischen Ausrichtung in Musik und Auftreten: »There is violence in The Who’s music; a savagery still unique in the still overtly cool British pop scene. The Who don’t want to be liked; they don’t want to be accepted; they are not trying to please but to generate in the audience an echo of their own anger«, heißt es begeistert, da stört es auch nicht entscheidend, dass die Who sich zu einem Pop-art-Leben bekennen; letztlich herrsche doch die destruktive Attitüde vor: »If their insistence on Pop Art, now dying a little, is reactionary – for of all art, pop art most completely accepts the values of consumer society – there is still their insistence on destruction, the final ridicule of the Spectacular commodity economy.« Das Lob auf die aggressiv-befreiende Wirkung der Who in einem Satz gesagt: »The whole effect of The Who on stage is action, noise, rebellion and destruction – a storm of sexuality and youthful menace« (Covington 2000: 15). Es ist aber sehr fraglich, ob die französischen Avantgardisten diesen Satz unterschrieben hätten, schließlich ist ihr Cheftheoretiker Guy Debord ein Verächter der Popmusik. Im Grundsatz teilen sie jedoch die Sympathie für den juvenilen Aufstand. Der »Lebensgier« und nihilistischen Verweigerung fehlt freilich nach allgemeiner situationistischer Ansicht ein tieferes revolutionäres (sprich: situationistisches) Bewusstsein, um mehr als nur ein zeitweiliges Aufbegehren darzustellen, das stets Gefahr läuft, konsumistisch eingefangen zu werden. Der graduelle Unterschied zur englischen Sektion besteht darin, dass die Pariser Zentrale die Fehler der jugendlichen Revolte mit weniger Nachsicht benennt. Am Beispiel der englischen Rocker stellen die französischen Situationisten in einer kleinen Schrift aus dem Jahr 1966, die zur Vorgeschichte der Studentenrevolte zählt, die Verdienste, Widersprüche und Schwächen der jugendlichen Abweichler scharf heraus: Die Rocker seien bloß ein »spontanes negatives Produkt« der gegenwärtigen Ordnung – der Trabantenstädte, der Auflösung überkommener puritanischer Werte, der neuen Konsumimperative und der ausgeweiteten »humanistisch-polizeilichen Kontrolle«; der »abstrakte Charakter« ihrer Verweigerung verhindere es, dass sie ganz mit diesem System brechen könnten, letztlich blieben sie den falschen Selbstbehauptungs- und Konsumidealen verhaftet und übersteigerten sie sogar nur: »Sie verachten zwar die Arbeit, aber sie akzeptieren die Waren. Sie möchten sofort alles haben, was die Werbung ihnen zeigt, und ohne es bezahlen zu können. Dieser Grundwiderspruch beherrscht ihre ganze Existenz und bildet den Rahmen, in dem ihr Behauptungsversuch zur Suche nach einem wirklich freien Gebrauch der Zeit, die individuelle Behauptung sowie die Bildung einer Art Gemein-

174 | Pop schaft eingeschlossen werden. (Allein, solche Mikrogemeinschaften stellen am Rand der entwickelten Gesellschaft einen Primitivismus wieder her, in dem das Elend zwangsläufig die Hierarchie innerhalb der Bande wieder erzeugt. Diese Hierarchie kann sich nur im Kampf gegen andere Banden behaupten und isoliert jede Bande und in jeder Bande das Individuum). Um diesen Widerspruch zu verlassen, muß der ›Rocker‹ schließlich arbeiten, um Waren zu kaufen – und dann steht ein Produktionssektor eigens für seine Rekuperierung als Konsument bereit (Motorräder, elektrische Gitarren, Kleidung, Schallplatten usw.) – oder er muß die Warengesetze angreifen, entweder auf primäre Weise, indem er Waren stiehlt, oder auf bewußte Weise, indem er sich zur revolutionären Kritik der Warenwelt entwickelt.« (Situationistische Internationale 1977d: 16)

Wie sich die Rocker schließlich verhalten werden, daran besteht nach Meinung der französischen Situationisten kein Zweifel. Bei der Wahl zwischen revolutionärer Haltung und dem blinden Gehorsam in der Fabrik würden sie sich am Ende für die letzte, falsche Möglichkeit entscheiden, weil sie sich vom Konsumismus nicht lossagen könnten. »Der Konsum besänftigt die Sitten dieser jungen Rebellen und ihre Revolte fällt in den schlimmsten Konformismus zurück«, lautet die bündige Diagnose und zugleich deprimierende, unnachgiebige Kritik der Situationisten an den jugendlichen Abweichlern (ebd.: 16f.). Trotz aller Sympathie für die Gesten jugendlicher Revolte steht für die Situationisten die Ausrichtung der modernen Jugendbewegungen an der modernen Popkultur einer weitgehenden Anerkennung im Wege. Das von den historischen Avantgarden übernommene Ideal des Zusammenspiels von Kunst und Leben führt unvermeidlich zu einer scharfen Kritik aller Auflehnungen, die unter dem Zeichen von Produkten der Kulturindustrie stattfinden. Die harte Abwehr von Passivität und Konsum macht aus der Neoavantgarde einen scharfen Gegner der Popkultur. Dies gilt ebenfalls für die linken Kulturkritiker aus Reihen der Frankfurter Schule, auch wenn sich ihre Kunst-Auffassung stark von der avantgardistisch-brutalen Attitüde unterscheidet. Zwar beklagen sie wie die Situationisten, dass die großen Werke der klassischen und modernen Kunst letztlich nicht zu einer gesellschaftlich ausgeweiteten ästhetischen Praxis beitrügen, dennoch gestehen sie dem einzelnen Werk ein viel größeres Eigenrecht zu als die radikalen Avantgardisten. Mit Blick auf die Produkte der modernen Populärkultur kommen sie alle aber zu dem gleichen negativen Ergebnis. Das einflussreichste Beispiel dafür ist Herbert Marcuse, der das Aufgehen der Kunst in der gegebenen kommerziellen und pragmatischen Kultur als negatives Anzeichen der insgesamt beklagten Eindimensionalität der technokratisch gesteuerten und kontrollierten Gesellschaft beklagt. Die populäre Kultur tilge vollkommen die Distanz, welche die hohe Kultur vor den alltäglichen Geschäften und vorgeblichen Sachzwängen bewahrt habe. Wenn auch abgeschoben in künstlerische Sonderbezirke, strikt getrennt von jenen Bereichen, deren Änderung handgreiflich Not täte, habe die hohe Kunst in ihrer Entfremdung von den funktionalen Abläufen und Kommunikationsroutinen zumindest den Vorschein einer besseren Gesellschaft bewahrt. Was jetzt hingegen im Alltagsleben künstlerisch direkt, sinnlich greifbar Platz fände, trage bloß zur Verlängerung des schlechten Bestehenden bei. Aus den Figuren der großen Dichtung wie etwa dem Narren, der Ehebrecherin, den Geächteten, dem rebellischen Dichter seien jetzt der Beatnik, der Vamp, die neurotische

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Hausfrau, der Star geworden, »keine Bilder einer anderen Lebensweise mehr, sondern eher Launen oder Typen desselben Lebens, die mehr als Affirmation denn als Negation der bestehenden Ordnung dienen« (1989: 77ff.). Von einem echten Pluralismus kann man nach Meinung Marcuses darum überhaupt nicht sprechen. Die aktuellen Varianten dienen für ihn lediglich alle auf ihre Weise der Bejahung des Bestehenden, harmlose, unterhaltende Abweichungen wie Zen, Existenzialismus oder wiederum die Beatniks stünden keineswegs im Widerspruch zum Status quo. Sog. Freiheit bestehe lediglich in der vom Konsumzwang betriebenen Auswahl zwischen gleichwertigen Marken und unterschiedlich designten Gütern – sowie zwischen verschiedenen Meinungen, die jedoch alle im Namen eines angeblichen Sachzwangs, also im Zeichen des Bestehenden, vorgebracht würden. Das System ist in den Augen Marcuses auch zur Seite der Rezeption hin lückenlos geschlossen, die Verwechslung falscher mit wahren Bedürfnissen total: Die Menschen finden sich und ihr vorgeblich Innerstes in den Waren, nach denen sie verlangen, wieder, in Autos, Kleidungsstücken, Fernsehsendungen, welche die im Sinne des vorherrschenden Systems verträglichen Einstellungen und Reaktionen mit sich bringen und einprägen. Die Verringerung der Arbeitszeit, die industriell hervorgebrachte Freizeitunterhaltung, die Lockerung puritanischer Verbote, die allgemein zugänglichen Konsumgüter, die Sexualisierung der Waren mittels der Werbung erhöhen nach Einschätzung Marcuses zwar tatsächlich den Genuss und die Befriedigung der Individuen. In solchem Hedonismus kann er jedoch insgesamt nur eine Beschneidung des Lustprinzips entdecken; die Libido werde dadurch aller Ansprüche beraubt, die mit der verwalteten Welt unvereinbar seien, in der die Arbeit nie zum Spiel und die freie Zeit stets zum Wettbewerb wird. »Derart angepaßt, erzeugt Lust Unterwerfung«, lautet Marcuses unnachgiebige Bilanz (ebd.: 29ff., 94f.). Solche Diagnosen können leicht auf jeweils neue Phänomene übertragen werden. Von Rock ’n’ Roll und Beat ist in Marcuses wichtiger Schrift über den One-Dimensional Man aus dem Jahr 1964 keine Rede, deutsche Anhänger Marcuses, die zugleich stark unter dem Einfluss situationistischer Ideen stehen, holen das im gleichen Jahr rasch nach. Den vorgetäuschten Pluralismus, den falschen Genuss weisen die Mitglieder der deutschen Gruppe Subversive Aktion in grundsätzlich vertrauter Manier an zeitgenössischen Beispielen – an Elvis Presley und bereits auch an den Beatles – nach. Je mehr deren jugendliche Fans davon träumten, im Sinne einer zugleich lässigen und intensiven Musik auf leichte, spielerische Weise durch das Leben gehen zu können, desto stärker würde mit ihnen gespielt, desto sicherer würden ihre Erwartungen enttäuscht bzw. auf manipulative Weise befriedigt. Am Ende stehe als Ergebnis immer, dass der Ausbruch aus den Konventionen der verwalteten Welt, den die Jugendlichen mit Hilfe der Musik glauben durchzuführen, nur Teil der perfekten, nicht mehr erkannten Entfremdung ist. Speziell auf die Beatles gemünzt: »Die schrillen sounds der Quartette kokettieren mit der Abweichung vom vertrauten Harmonieschema, in das sie doch als knallige Abschrägungen immer wieder erschlaffend und unvermeidlich zurückfallen.« In den Anhängern der neuen Popgruppen können die Subversiven keinerlei umstürzlerisches Potenzial entdecken, im Gegenteil sehen sie diese durch ihren Konsum bereitgestellter Pseudo-Abweichungen besonders nachhaltig integriert. »Durch einen Knopfdruck wird jedem gewährt, was

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ihm danach um so mehr versagt bleiben wird« (Böckelmann 2002: 183), lautet eine entsprechende Schlussfolgerung, die im Stile Adornos formuliert ist, aber in anderer Diktion selbstverständlich auch von Marcuse stammen könnte. Ganz im Sinne der beiden kritischen Theoretiker ist auch die Erwartung der Subversiven Aktion, dass die westlichen Gesellschaften auf dem Wege zu einer Art »gesetzlichem Konsumzwang« und zur »Bewusstseinsmanipulation in den täglichen 16 Stunden ›Freizeit‹« seien. Alle eigenen denkbaren Vorschläge für lustvolle Formen des Zusammenlebens halten die Subversiven darum zurück; sie glauben, dass selbst solche Lebensformen unvermeidlich »auf die übliche scheinhafte Weise« erlaubt und damit jeden Werts beraubt würden (Mikrozelle München 2002: 132f.). Die erste ausführlich begründete Überlegung, weshalb Lebensformen der Boheme gegen alle Erwartungen tatsächlich gar nicht im Widerspruch zum westlichen System stünden, stammt wohl von Malcolm Cowley, der in der zweiten Auflage seines Buchs Exile’s Return 1951 die Bohemiens aus dem New Yorker Greenwich Village mit ihren entgrenzt hedonistisch-libertären Einstellungen als Pioniere der kommenden Konsumgesellschaft porträtiert (1976: 62). In den folgenden Jahrzehnten kann man diese Diagnose noch häufig lesen, am Beispiel der jeweils aktuellen Bohemia-Orte und -Stile vorgetragen. Die Befürchtung und kritische Annahme, dass antipuritanische, gegen das alte Bürgertum gerichtete Bestrebungen mittlerweile sehr leicht ins moderne System integriert werden können, zielt demnach keineswegs nur auf die Popkultur. Jener Avantgarde, die sich im künstlerischen Rahmen dem Experiment und der Abweichung hingibt, erteilen die Subversiven gleichfalls (hier in hartem Kontrast zu Adorno, aber auch in etwas geringerem Maße zu Marcuse) eine harsche Absage, weil sie in ihr bloß die Funktion erfüllt sehen, zur erfolgreichen Absorbierung und Integration utopischer und revolutionärer Momente beizutragen. Alle ungewohnten oder schockierenden Pläne, die als Reformvorschlag vorgetragen oder in Kunstinstitutionen als Happening oder Materialkunst durchgeführt werden, verfallen folgerichtig ihrer unnachgiebigen Kritik. Selbst von der Reaktion auf die avantgardistischen Projekte Andy Warhols, die Trennlinie zwischen Kunst und Leben auszuradieren, dürften sie sich in ihrem Misstrauen nachhaltig bestätigt sehen. Dabei geht es nicht um die Popart-Bilder Warhols, die ohnehin leicht als künstlerische Weiterführung der Konsumkultur, als kapitalistischer Realismus kritisiert werden können, sondern es geht immerhin um einen Warhol, der sich 1965 ausdrücklich von der bildenden Kunst lossagt und sich der Produktion von Filmen widmet, die in engem Zusammenhang mit dem Treiben in seiner Szene, in seiner Factory stehen. Zwar rückt Warhol selber diese Filme, in denen ohne Drehbuch und mitunter sogar ohne Regieanweisung eine teilweise unbewegte Kamera Personen und Situationen aufzeichnet, in die Nähe Hollywoods, und er bringt auch sehr interessante Gründe dafür vor: Das amerikanische Kino sei großartig, weil seine Oberfläche (surface) derartig großartig sei, ohne die bemühte Tiefe des europäischen Films; dies ganz im Einklang mit den Bedürfnissen des amerikanischen Zuschauers, der in der Regel ausschließlich ins Kino gehe, um den Star zu sehen. Die Factory-Filme treiben nun diese Prinzipien auf die Spitze: Warhol bezeichnet sie als Filme von leuchtender Künstlichkeit, er beabsich-

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tige, Bilder ohne tieferen Sinn zu machen; die statische Einstellung, die Konzentration auf eine Person oder eine kleine Gruppe gestatte dem Zuschauer erstmalig, unverwandt, ohne Ablenkung durch Nebendarsteller und fiktionale Handlungen nur den Star betrachten zu können; populäre Filme sind sie zudem, weil sie nach dem Willen Warhols dem Zuschauer erlauben, nicht nur gebannt dazusitzen; wegen der langen, statischen Einstellungen sei es gut möglich, sich den Menschen zuzuwenden, die neben einem sitzen, oder sich sonstwie zu unterhalten (Warhol 1989: 57ff.; vgl. O’Pray 1989). Dennoch, man braucht es kaum zu betonen, sind Warhols Filme Mitte der 60er Jahre von den populären Filmen Hollywoods weit entfernt, wenn sie auch auf einem gemeinsamen Pop-Kontinuum liegen: Seine »Superstars« machen sich das Prinzip der filmisch-künstlichen, durch Make-up, Ausstattung, Licht, Einstellungswinkel, Kameralinse bewirkten Erschaffung des Stars in einem Maße zu eigen, dass sich darüber die Natürlichkeit der Geschlechterdifferenz verliert (vgl. Tinkcom 2002: 82ff.). Seine filmische Fixierung auf das Dasein solcher Stars bleibt aber – ohne Botschaft und dramatisch kalkulierte Handlungsintrige – für den mit den Konventionen Hollywoods vertrauten Zuschauer ein Muster an Langeweile. Die Bezeichnung »Underground« hat sich Warhol mit diesem Konzept darum redlich verdient. Trotzdem – und hier können sich die Kritiker der künstlerischen Avantgarde bestätigt sehen – hält das eine ganze Reihe liberalkapitalistischer Magazine keineswegs davon ab, Warhols Filme in ihre zustimmende Berichterstattung über den neuen Trend in der Unterhaltungsbranche aufzunehmen. Gerade jene Illustrierten und Sonntagsbeilagen, in denen man Mitte der 60er Jahre auf die Affirmation der neuen Pop- und Campkultur im Namen hedonistischer und liberaler Prinzipien trifft, beziehen das Treiben in der Factory regelmäßig in ihre Artikel ein. Warhols underground movies gehören in Gloria Steinems Time-Artikel über die neue Popkultur zu den aktuellen Pop manifestations; die Filme verletzten zwar die gängigen kommerziellen Standards, es sei aber durchaus denkbar, dass sie bald im Fernsehen gebraucht würden (1965: 86f.). Ein Artikel im New York Times Magazine bezeichnet die Underground movies als die einzigen bewusst gemachten Camp movies, spricht ihnen aber immerhin jeden Charme und jedes Vermögen, Freude hervorzurufen, ab; dennoch soll es sich nicht nur um ein Zwischenspiel des intellektuellen Geschmacks handeln, wie der zweite Teil des Artikels deutlich zum Ausdruck bringt; der Camp taste setze sich immer stärker gegen den good taste durch, und das nicht allein in der amerikanischen Kunstszene der Pop-art; ein Stück wie Tiny Alice stelle geradezu den Triumph des Camp auf dem Broadway dar, nicht von ungefähr zähle Andy Warhol – mit dem bezeichnenden Lobspruch: »I liked it because it was so empty. It doesn’t mean anything« – zu den Besuchern des Stücks (Meehan 1965). Hier ist also nach Ansicht des New York Times-Essayisten die Übereinstimmung zwischen dem exzentrischen Warhol und einem breiteren Geschmack bereits vollzogen, während Steinem in Life noch in der Grundhaltung schreibt, das Mainstream-Publikum an die Ins and Outs of Pop Culture heranführen zu müssen. Genau besehen, ist der Unterschied zwischen beiden aber recht gering, brauchen sie doch jeweils den berühmten Namen und Trendsetter, um von ihm aus nicht nur ein Licht auf das größere Publikum zu werfen, sondern vor allem für es schreiben zu können. Warhol rückt dabei –

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um noch einmal Tom Wolfe anzuführen – in den Mittelpunkt der geschmacksbestimmenden Pop Society (1965c: xvi), einer »Underground«Gesellschaft (1965a: 207), die deutlich verschieden ist von der alten, traditionell tonangebenden High Society oder gar den akademischen Vertretern des High Brow-Kanons, zu der aber im Laufe der 60er Jahre rasch Teile dieses eingesessenen Establishments stoßen (1968f). Noch vielschichtiger macht die Lage, dass wenigstens einige der Pop-artProdukte nicht nur bei reichen Sammlern und Museumsstiftern (zuerst bei neureichen, später bei älteren, sich selbst nobler wähnenden Angehörigen der Geld- und Macht-Elite), sondern auch beim breiteren Publikum Anklang finden. Sowohl Steinem als auch Meehan weisen in ihren Artikeln auf die anlaufende Auswertung von Pop-art-Motiven auf dem Massenmarkt hin; in Pop-art-Farben und -Designs dekorierte Kühlschränke sind bei beiden das beliebte Beispiel dafür. Selbst in Deutschland weiß man um diesen Trend; die FAZ nimmt ihn 1967 sogar zum Anlass, die Kunstrichtung Pop-art als kommerziell erledigt zu diskreditieren. Während einige Seiten zuvor im Wirtschaftsteil jede Meldung von einer erfolgreichen massenhaften Auswertung auf dem Konsumgütermarkt positiv vermerkt wird, ist im avanciert bildungsbürgerlichen Feuilleton das lobende Geschmacksurteil an den Nachweis der Knappheit gebunden, der luxuriösen oder asketischen Distanz zum größeren Publikum und zum alltäglichen Gebrauch. »Pop ist schick geworden«, lautet die Diagnose in der FAZ, kaum dass man die Existenz dieser Richtung in der deutschen Zeitung überhaupt einmal positiv gewürdigt hat, und mit der aktuellen Diagnose der amerikanischen Korrespondentin steht das nun negative Urteil umso sicherer gleich fest: »Pop ist schick geworden und damit sinnund wirkungslos«. »Schick« ist aber offensichtlich ein zu ungenauer Begriff, da Elemente der Pop-art bereits den breiten Konsumgütermarkt erreicht haben; chic prosperity haben das Bohemian camp of Pop art and Underground Cinema nach einer korrekteren amerikanischen Einschätzung bereits 1965 erlangt (Gaylord 1965: 179). Richtiger wäre es wohl auch, von falschen Wirkungen zu sprechen, wie aus den weiteren Sätzen des FAZ-Artikels, in denen sich die Abneigung gegen den massenhaften, von keinem schlechten Gewissen belasteten Konsum Bahn bricht, zweifelsfrei hervorgeht: »Pop als Mode, als Lebensstil, als Elixier der Unterhaltungsindustrie; das hat Pop Witz und Schärfe gekostet. Auf dem Umweg über den teils bewußten, teils unbewußten Kitsch ist Pop eingesickert in den Konsum, in die Welt der Biergläser und Streichholzschachteln. [...] Genug, daß der ›Normalverbraucher‹ die PopKunst ans Herz genommen hat. Hier schwanden alle Minderwertigkeitskomplexe, die das Erhabene auslöst, hier bedarf es keiner Deutung. [...] Vor allen Dingen: sie [die Pop-Kunst] bot sich bequem der Kommerzialisierung an, ja, sie drängte sich dem Massenmarkt förmlich auf. Nichts, das sich nicht ›verpoppen‹ ließ, und so geschah das Paradox, daß die Banalität seine [sic!] Parodie eingeholt hat, sie hat sich ihrer bemächtigt, sie überwältigt und verschlungen. Superman ist dem Supermarkt erlegen.« (Lietzmann 1967)

Trotz grammatischer Schwächen bleibt der »kluge Kopf«, der bekanntermaßen laut Anzeige hinter dieser Zeitung steckt, selbstbewusst und elitär genug, die Pop-art in dem Moment zu verwerfen, als die Richtung den Massen- bzw. Supermarkt erreicht. Hier steht die konservative FAZ ganz im Einklang mit

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dem Gesetz der Avantgarde, stets mit dem Neuen im Bunde zu sein, ein Gesetz, das bereits längst vor dem Massenmarkt greift, wenn eine größere Zahl ähnlicher Werke das (ab dann einstmals) Unvertraute als Stil erkennbar macht. Der Luxus der Distinktion, die Abscheu vor der Funktionalisierung der Kunst, der gebildete Abstand, die individuelle Behauptung gegenüber dem Massenhaften, die Herabwürdigung derjenigen, die auf den kleinen Preis achten müssen, überschneidet sich zu einem größeren Teil mit dem modernen Vorrang der künstlerischen Regellosigkeit, vorausgesetzt, die entsprechenden avancierten Bestrebungen schlagen sich in identifizierbaren Werken oder singulären Versuchsanordnungen nieder, die weder den Betrachter beschmutzen noch von vielen anderen erworben werden können. Warhols Abschied von der bildenden Kunst, seine Film-Experimente könnten dann eventuell sogar genau dazu beitragen, den Kunst-Status in einem erneuten avantgardistischen Anlauf gegen die beklagte Kommerzialisierung der Pop-art wiederherzustellen. Freilich gibt es noch eine andere Form der Avantgarde, die sich historisch in vielen Manifesten der Futuristen, Dadaisten und Surrealisten niedergeschlagen hat und in der Gegenwart der 60er Jahre von der Neoavantgarde des Situationismus wieder auf die Tagesordnung gesetzt wird. Von dieser anderen Ausprägung der Avantgarde, die keineswegs auf stets erneuerte Modernität und Regellosigkeit zielt, sondern durch den Versuch bestimmt wird, Leben und Kunst zu vereinen, kommt der ›kommerzialisierten‹ Pop-art jedoch ebenfalls keine Rettung zu, nicht einmal dem Untergrund-Kino Warhols, in dem sich Spiel und Lebenspraxis immerhin annähern. Zumindest in einem Ergebnis, der scharfen Kritik der Popkultur, stimmen deshalb die sonst äußerst gegensätzlichen bildungsbürgerlichen und situationistischen Gruppen überein, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Der konservativ-gebildeten Verachtung des (Massen-)Konsumenten, der Dinge gebraucht und nicht vor ihnen kontemplativ stehen bleibt, entspricht in anderer Weise die situationistische Abscheu vor dem zu wenig kreativen, aktiven Akt des Konsums von Gütern, welche lediglich zur Zerstreuung in der reglementierten Freizeit dienen. Auch vor solcher Neoavantgarde kann die Popkultur keine Gnade finden, selbst wenn ihre Funktionalität, ihr ausgespielter Reiz, ihre leichte Zugänglichkeit dem bildungsbürgerlichen Verlangen nach Distanz und Einzigartigkeit stark zuwiderläuft. In diesem täglich stattfindenden Prozess der Popkultur, Kunst und Leben miteinander zu verschmelzen, können zumindest die radikalsten Neoavantgardisten nur eine höhnische Parodie ihrer eigenen Entgrenzungspläne ausmachen. Umgekehrt macht die situationistische Neoavantgarde, immer auf der Suche nach der umfassenden Möglichkeit, Kunst und Leben im intensiven Spiel zu vereinigen, bei der Kritik an der entfremdenden Massen- bzw. Populärkultur aber ebenfalls nicht halt, sondern bezieht mit gleicher Schärfe ihrerseits zeitgenössische avantgardistische Projekte wie das Happening und die Pop-art in ihre Kritik mit ein. Einen guten Indikator für die Berechtigung ihrer kritischen Haltung auch der neuen Avantgardekunst gegenüber kann für sie die positive Berichterstattung über die avancierte Pop-Kunst abgeben, wie man sie Mitte der 60er Jahre in vielen größeren Magazinen antrifft. Der Beweis der vollendeten Integration vorgeblich abweichender Figuren in das herrschende System – eine Integration, auf die Herbert Marcuse seine These von der eindimensionalen Gesellschaft gründet, in der etwa die Beatniks tat-

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sächlich keineswegs eine andere Lebensweise, sondern eher Launen oder Typen der bestehenden Ordnung repräsentieren – liegt nach dieser Logik in der spektakulären Öffentlichkeit für solche nur dem Anschein nach nonkonformen Lebenskünstler. Am Beispiel einer 1965 erschienenen Reportage der Sunday Herald Tribune über einen Abend in Andy Warhols Factory sollte man demnach einigermaßen gut ablesen können, wie weit das Gefallen der liberalen ZeitgeistArtikel und -Beilagen an den merkwürdigen Inszenierungen und Dokumentationen der Warhol-Entourage mittlerweile geht und wo möglicherweise dessen Grenzen aufscheinen. Der Artikel von Roger Vaughan unter dem Titel Superpop Or a Night at the Factory beginnt mit der Beschreibung des enormen Eindrucks, den das Pop-Design der Factory-Inneneinrichtung auf den Betrachter ausübt. »Reynolds wrap is what hits you«, lautet der erste Satz der Reportage, silbern ist aber nicht allein das Packpapier, mit dem die Wände und Rohre der Factory verkleidet sind, silbrig schimmern auch die bemalten oder besprayten Gegenstände, Hi-Fi-Gerät, Boxen, Telefon, Fernseher, wie Vaughan in einer langen Aufzählung berichtet, bei der er nicht vergisst, auf den unaufhörlichen sound der Hi-Fi-Anlage hinzuweisen, der neben dem starken Farbeindruck die Atmosphäre der Factory beherrscht. Dennoch lässt sich der Reporter von all den sinnlichen Eindrücken nicht überwältigen, auch wenn er mit dem Einstieg in die silberne Welt der Factory beim Leser ein Gefühl für die eigentümliche Faszinationskraft der Warhol’schen Szene auslösen möchte. Die kühl schimmernde Grundausstattung der Factory, die ausgestellt indifferente Haltung Warhols beantwortet der Tribune-Artikel mit kurzen Protokollsätzen. Aufgezeichnet wird, wie der ausdruckslose Warhol sich der Maschine überlässt – »Warhol sits on the couch, looks directly at the camera, and presses the remote button. His expression never changes as the camera whirs through 36 exposures« –, kommentarlos vermerkt werden aber auch die äußerst amoralischen Sentenzen des technischen Naturalisten Warhol: »Someone suggests filming a real suicide, and Warhol brightens. ›Ohh, wouldn’t that be something‹, he says. ›One of my friends committed suicide recently, but he didn’t call me‹. Warhol’s left hand goes to his lips in a habitual gesture. ›He was so high he didn’t think, I guess. He was a dancer and had been in a couple of my films. He got high and just danced right out the window‹. Warhol chews lightly on a fingernail and looks thoughtful, pondering with popartistic detachment what sort of film a real suicide would have made. He gets up and moves in a quiet, gliding way across the room to a table stacked with paint cans, and begins trying to match a certain shade of purple« (Vaughan 1997: 283). Wesentlich mehr Regung kommt in Warhol und den Artikel hinein, als es um die Frage geht, wieviel popartistic detachment der Markt (und nicht die Moral) verträgt. Warhol ist es peinlich, dass Vaughan mitansieht, wie er auf einem seiner eigentlich künstlich reproduzierten Bilder doch Pinselstriche anbringt, bei dieser Arbeit möchte er sich nicht fotografieren lassen. Dass ihm die Galerie diktiert, die Bilder zu signieren, obwohl er an ihrer Herstellung teilweise kaum beteiligt ist, stört ihn im Vergleich dazu weniger, obwohl es seinen bekundeten Absichten fundamental widerspricht. »›People just won’t buy things that are unsigned‹, Warhol complains. ›It’s so silly. I really don’t believe in signing my work. Anyone could do the things I am doing, and I don’t feel they should be signed‹« (ebd.: 284).

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Die Frage, die sich Warhol selbst vorlegt – wie viele Varianten und Reproduktionen eines Bildes soll er anfertigen? – wird von der Praxis auf gleiche inkonsequente Weise beantwortet; dem Credo des Maschinenhaften (und der damit verbundenen massenhaften Vervielfältigung) widerspricht die recht archaische Technik des Siebdrucks und die stark limitierte Zahl der mit ihr hergestellten Bilder; auch das ist zweifelsfrei im Sinne der Galerie, die von der Exklusivität sowohl der künstlerischen Handschrift als auch der zum Verkauf stehenden Objekte profitiert. Warhols Originalität macht sich aber auch in sozialer Hinsicht bezahlt, die Reportage verwendet natürlich einigen Raum darauf, die große Zahl der Leute, die sich am Abend in der Factory eingefunden haben, vorzustellen, Warhols tägliche Begleiter – Naomi Levine »came in early to use the phone, and was there still at midnight. She is short, with long black hair and watery brown eyes that plead. She is small-waisted, bosomy and eager. She is the star of one of the many Kiss movies by Andy Warhol, an hour of kissing between Naomi and a guy in front of a camera that never moves« –, und auch die schönen, interessanten oder berühmten Gäste. Der Bericht über Warhol wird dadurch zur Mode- und Gesellschaftsreportage: »There is a tired looking, pregnant ex-model, bulging out the front of her white plastic Correges suit, striking poses here and there for a gawky kid with a camera who someone says is her husband. A little 14-year-old girl with long blonde hair (›she runs her own rock and roll group‹) is doing the jerk with this conformist, long-haired kid (›he blows guitar in her group‹). [...] More stars come in, male, quiet and morose, along with blonde Edie Sedgwick, the new superstar, in five-inch earrings, net stockings and a leotard. Gerard and another assistant sweep the floor. Couches and chairs are arranged in front of the silver screen. More people. Someone changes the record and the Supremes are singing again, ›Baby, baby, where did our love go...?‹ and some fellow in an Ivy League suit, with a rubber snake around his neck, is frugging with Naomi, who is paralyzing everyone with the way she is moving and jiggling. The fellow with the snake turns the volume up. ›The secret is, it’s got to be livable‹, this copiously sweating Beach-Boys-type shouted over the noise. He says he is Chuck Wein, Harvard ’60, Warhol’s new writer-director. ›We have a lot of parties and a good time, but it’s what happens between the dancing....‹ – and he goes back to the workout he has been having with the ex-girls-gang queen of 97th Street and Columbus Avenue. Tennessee Williams comes in, small, tweed-sport jacketed, with brown suede brass buckle shoes, a mustache and big sunglasses. Tennessee doesn’t say much, he just says, ›Hello‹, and walks around. He looks intrigued by the electric chairs and by one big silk screen of an auto wreck picture Warhol has pulled from a newspaper. The wrecked car is upside down, and people are spilling out of the smashed windows. There is some discussion about whether the woman hanging out of the back window is dead or alive. Tennessee says he thinks she is alive, then decides she is definitely dead. Definitely. Tennessee digs all the Liz Taylors, the red one and the green one and the purple one, then says he likes the red one best. But he is more interested in Naomi and the guy with the snake. They are going hard, arms jerking, hips bumping, and Tennessee Williams doesn’t take his eyes off them.« (Ebd.: 285f.)

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All dies wird vom Reporter kühl, freilich mit Lust an der sinnlichen, perversen Sensation und dem großen Namen, vermerkt, auch der Reporter, nicht nur der berühmte Autor Tennessee Williams kann seine Augen von den modischen, exzentrischen, aufreizenden Geschehnissen kaum abwenden; der Leser soll an all dem teilhaben können. Unterschwellige Ironie und Distanz ist sicher auch zu spüren, von irgendeiner offenen Kritik an der menschlich teilnahmslosen l’art pour l’art-Faszination für das Morbide ist der Bericht jedoch weit entfernt. Was an Kritik und an offenen Bedenken fehlt, kommt allerdings auf der Ebene der Erzählung wieder auf verstecktere Weise in den Artikel. Wenn der Reporter auch seine Lizenz zur freimütigen Einschätzung und Kommentierung der Ereignisse ungenutzt lässt, so nutzt er doch die Möglichkeit, die Geschichte des Factory-Abends auf eine Weise zu erzählen, welche die Szenerie am Ende in ein zweifelhaftes Licht rückt. Auf die Szene mit dem voyeuristischen Williams folgt die Schilderung eines Kurzfilms Warhols, der in der Factory gezeigt wird. Zuerst scheint sich die Schilderung des Screen Tests, der Warhol’schen Aufnahme ausschließlich einer Person, in die Reihe der nun schon bekannten coolen Porträts einzureihen, dann werden jedoch innerhalb der Reportage andere Töne laut: »The enormous, out of focus head of a sultry, attractive girl flashes on the screen. She is brushing her hair. She brushes and brushes. Then sound. The kind of sound you expect from a very old, used-up army training film, unintelligible, garbled, filled with static. An occasional word filters through. An offscreen voice (Warhol’s) is telling the girl that if she wants to become a movie star, she must master the art of saying certain words with the right inflection. The off-screen voice starts drilling her on a word, over and over and over again. The word was ›diarrhea‹. ›Die – ahhhh – riiiiii – aaaaaa‹, the off-screen voice coaches, and her lips form the syllables lovingly and obscenely, her eyes darkened under lowered lids. Tennessee Williams roars. Then someone tells us the girl on the screen is really a guy. Chuck Wein, Harvard ’60, hastens to explain that things are changing. ›Andy does more with the camera now. Sometimes he zooms it, and he even turns it on and off occasionally during the action. That creates unusual effects. He still won’t cut or edit, but he has agreed to let me put together all these hour and a half segments we have been doing with Edie, things like Your Children They Will Burn, Not Just Another Pretty Face, Beauty#2, and Isn’t It Pretty to Think So, which is the last line of Hemingway’s The Sun Also Rises into a long feature film. We also plan to make a technicolor film called Black and White, about an interracial romance. We call what we are doing Synscintima. ‘Syn’, for synthetic, ‘scin’ for scintillating, and ‘intima’ for the personal or intimate nature of the film. We have dubbed the whole thing ‘reel-real’, or the idea of the reel of film creating the reality.‹ The lights go out on Wein’s discourse, and reel-real number two of Screen Test by synscintimatographer Andy Warhol dances on the screen. Going down in the freight elevator someone jokingly wonders aloud if Naomi is really a guy.« (Ebd.: 286)

Damit endet der Bericht. Am Schluss taucht die Szenerie dann doch noch ins Zwielicht, das aus Richtung der silbrig coolen Perspektive der Reportage zuvor überstrahlt worden ist. Am Ende steht kein ernstes Wort, sondern ein

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Witz, allerdings ist von einem befreienden Lachen darauf keine Rede. Der Reporter selbst hält sich mit jedem Kommentar zurück, die überraschende Pointe, dass der aufreizende Mund, die schönen Haare des attraktiven Mädchens aus dem Screen Test der Mund und die Haare eines Manns seien, wird ausdruckslos vermerkt: Der Leser wird mit der Notwendigkeit, die eigentümlich reizvollen Gestalten, die er zuvor aus der Ferne bzw. mit naher Fantasie vielleicht begehrt hat, nun als Figuren mit einem zweifelhaften Geschlecht umzudeuten, allein gelassen. Ausgiebig wiedergeben und mit vielen Zeilen ganz nah an den bezeichnenden Schluss gesetzt wird lediglich die geschwätzige Rede des geschäftstüchtigen Sprechers Warhols, der sein eigenes Unbehagen oder das verspürte der Gäste versucht aufzulösen, indem er die nächsten Filme Warhols als konventioneller hinstellt. Auf der Ebene des Berichts gibt es jedoch kein Anzeichen, dass diese Auflösung gelingt, das Ende bildet wiederum der verwirrende, in belustigtem, aber nicht heiterem Ton vorgebrachte Hinweis auf den unsicheren Status der Geschlechteridentität und damit des eigenen Begehrens. Legt man diesen ausführlichen Artikel über die lebenskünstlerischen Aktivitäten der Szene um Warhol Mitte der 60er Jahre zugrunde, drängt sich deshalb die Vermutung auf, dass die Diagnosen der Situationisten und der Theoretiker à la Marcuse über die sichere Integration auch der abweichenden, avantgardistischen Kunst in die passive, eindimensionale Gesellschaft ihrerseits zu eindimensional sind. Viele weitere Berichte, die nicht den insgesamt kühlen und ambivalenten, teils ironisch-skeptischen, teils unterschwellig fasziniert-erregten Blick Vaughans teilen, scheinen diese Revision noch zu bestärken. Sie halten sich keineswegs mit Kommentaren zurück, sondern attackieren die sexuell anstößigen Filme Warhols, auch und gerade nachdem diese, wie von Chuck Wein angekündigt, sich nicht mehr in einer derart extremen Reduktion filmischer Mittel und narrativer Abläufe wie zu Beginn ergehen. Die starke Kritik an dem outrierten, künstlich-kunstgewerblichen Stil der Camp- und Pop-art Warhols – »One has the feeling that it all started one day when a bunch of sweet young things got together after a mad, mad day at the decorator’s«, heißt es unter der anspielungsreichen Überschrift It’s a Queer Hand Stoking the Campfire homophob in der New Yorker Village Voice (Gornick 1966) – steigert sich noch, nachdem die Filme Warhols sich nicht als dekorativ und die »jungen Dinger« sich auch keineswegs als »süß« erweisen. Die New York Times warnt darum mit Hinweis auf Warhols Film Chelsea Girls vor dem Anblick dieses »very small segment of New York life – the lower level of degenerate dope-pushers, lesbians and homosexuals« (Crowther 1997: 24f.). Die Warnung fällt umso dringlicher aus, als Warhols Filme nun außerhalb kleiner, avantgardistischer Kunstfilm-Kreise gezeigt werden. Das eigentliche Problem besteht demnach darin, dass Warhols verwerfliches Treiben nun weitere Kreise erreichen könnte: The Underground Overflows lautet die Überschrift des Artikels aus der New York Times, der keinen Zweifel daran lässt, dass jede weitere Ausdehnung des Undergrounds unterbunden werden muss. Von einer eindimensionalen Kultur, die alles integriert, kann im Lichte solcher Artikel tatsächlich keine Rede sein, die avantgardistische Feier der Warhol-Filme durch kleine New Yorker Experimentalkünstler als Underground-Filme besäße darum sogar mehr als nur eine künstlerische Dimension

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– der Titel Underground hätte auch eine politische Qualität, die den erfolgreichen Widerstand gegen den Overground, gegen den Mainstream anzeigte. Auch das ist aber nur eine Stimme unter verschiedenen anderen, ihre Beweiskraft bleibt folglich eingeschränkt. Für Newsweek etwa steht Warhol sogar bereits für eine neue Generation ein, und dies wird keineswegs mit negativem, warnendem Unterton vermerkt; das Nachrichtenmagazin spricht ohne Anführungszeichen, bemüht witzige Einkleidungen oder Anzeichen der Verwirrung von einer new hip world of blurred genders, einer modernen Szenerie, die wenn auch an ihrem Rand, so doch insgesamt unbefangen im Rahmen der allgemeinen antipuritanischen Popkultur gesehen wird. Der funImperativ der Popkultur gilt auch hier, freilich avantgardistisch zugespitzt und auf ungewöhnliche Objekte bezogen: »these violently groomed, perversely beautiful people want art, fun, ease, and unimpeded momentum, if only towards apathy« (Anonymus 1964a: 74). Diese Formulierung scheint geradezu synthetisch fabriziert worden zu sein, um die weitgehenden Befürchtungen der Situationisten und von Theoretikern der Frankfurter Schule zu bestätigen. Geht man wiederum von dieser Einordnung der Warhol-Factory aus, müsste man deren kulturkritische Diagnose als vollkommen erfüllt ansehen, deren Sorge und Abscheu vor der eindimensionalen Verbindung von Spaß und Apathie, vor einer allumfassenden Konsumkultur, die passiv macht und diese Entfremdung den manipulierten Menschen sogar als Glück oder zumindest als Faszinosum erscheinen lässt. Auch diese Schlussfolgerung kann jedoch so nicht aufrechterhalten werden. Die publizistischen Reaktionen auf die Pop-Neoavantgarde bilden aufs Ganze gesehen keinen guten Indikator für die Behauptung, der künstlerische Begleiter bzw. Widerpart der Popkultur sei Teil (oder doch subversiver Gegensatz) der integrierten Ordnung. Schlägt man verschiedene Magazine oder Zeitungsausgaben auf, erhält man jeweils widersprüchliche Signale. An der Rezeption und Einordnung der Neoavantgarde im Bannkreis der Popkultur lassen sich je nach Gewichtung darum Belege für beide Positionen finden: Dass die Integration sogar der avancierten experimentellen Kunst in die neue Konsumkultur bereits abgeschlossen ist – oder dass gerade im Umfeld der Popkultur für abweichende Gruppierungen besondere Chancen liegen, den Underground ästhetisch und politisch folgenreich auszuweiten. Unabhängig von Urteilen über die Schlüssigkeit der einzelnen Argumente lässt sich zumindest eines an dieser Stelle bereits festhalten: Abgeschlossen ist die Debatte noch keineswegs, ab 1965 wird sie sogar bis ins Jahr 1968 hinein an Intensität bedeutend gewinnen.

Pop und Rock, Rock gegen Pop Die Auseinandersetzung um die integrative oder widerständige Kraft der neuen Popkultur nimmt ab 1965 nicht allein an Intensität zu, sondern auch enorm an Reichweite. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen gewinnt die jugendliche Neue Linke, in deren Kreisen verschiedenste Möglichkeiten und Grenzen antiautoritären Verhaltens beständig kritisch überprüft werden, beträchtlich an Zulauf, zum anderen löst sich die Debatte zunehmend von den Gegenständen der Pop-art und richtet sich auf das Feld der in vielerlei Hinsicht enorm expandierenden zeitgenössischen populären Musik.

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Um diese Veränderungen im Rahmen eines Buches über die Geschichte von Pop-Konzepten zu beleuchten, ist es notwendig, zuerst einen genauen Blick auf den historischen Gebrauch des Pop-Begriffs zu werfen, sonst läuft man Gefahr, die bedeutenden, bis heute prägenden Entwicklungen der 60er Jahre unter einen anachronistischen Oberbegriff zu fassen. Darum muss sich die Untersuchung zu Beginn der Frage widmen, ob man bereits Mitte der 60er Jahre die Veränderungen im Bereich der Musik und des damit womöglich zusammenhängenden Protests gegen die herrschende westliche Ordnung unter dem Titel »Pop« diskutiert hat oder ob das nur ein Wort ist, das man im Nachhinein bemüht, um unterschiedlichste Bestrebungen auf einen (diffusen) Begriff zu bringen. Wichtig ist dabei, zunächst festzuhalten, dass popular music in den 40er und beginnenden 50er Jahren weitgehend das Gegenteil von möglicherweise abweichenden Tendenzen bezeichnet. Rhythm ’n’ Blues (als race music) ist keineswegs bereits eine reine Unterkategorie der populären Musik, selbst wenn die Stilrichtung zum Teil bereits über große Anhängerschaften verfügt und im Rahmen einer teilweise akzeptierten Tradition der schwarzen Musik steht. In dem gebildeten Periodikum American Quarterly bilanziert Hughson F. Mooney 1954 entsprechend: »Only in the 1930’s had the public at large begun wholeheartedly to accept the adoption of unadulterated Negro style and talent itself into the world of popular music.« Trotz dieser Feststellung zeigt sich aber im selben Artikel, dass die popular music hier keineswegs mit einer quantitativen Bestimmung identisch ist. An Mooneys Einschätzung, dass die schwarzen Einflüsse von Beginn an zur Vulgarisierung der populären Stücke beigetragen hätten, kann man noch leicht den normativen, substanziellen Zuschnitt der Rede über popular music erkennen (1954: 232, 225). Die Unterscheidung beruht jedoch nicht ausschließlich auf einer ethnischen und oftmals rassistischen Wahrnehmung, sondern wird von der Klassenteilung überwölbt oder zumindest von ihr begleitet. Selbst Country and Western bzw. folk music (als Musik des zwar weißen, aber eben niederen Volks) fallen häufig noch nicht unter den Begriff popular music. Dies ändert sich auch dann nicht, wenn im Geiste der amerikanischen Eroberer behauptet wird, dass die folk music (als Musik im Sinne der weißen Pioniere, des ursprünglich ländlichen, geteilten Ethos) auf den Alltagsfreuden und -sorgen sowohl der armen wie der reichen Bevölkerung beruhe, es sich eigentlich demnach um eine Musik des ganzen Volkes handle (the music of the people as a whole). Die skeptische Frage des Branchenblatts Billboard bleibt 1946 trotzdem, »whether or not folk music will ever entirely supplant the so-called popular music« (Anonymus 2005a). Unstrittig ist dagegen natürlich – weil es u.a. die Verkaufszahlen nüchtern anzeigen –, dass um 1950 die hillbilly names in den pop market drängen, wie es das andere Branchenblatt Variety im Rückblick 1955 ausdrückt (Anonymus 2005b; vgl. Malone 2002: 199ff.). Selbstverständlich ist dieser Einbruch allerdings schon deshalb nicht, weil die popular music (als Widerpart der negroe- und hillbilly- bzw. folk-Musik) auch institutionell tief verfestigt ist – man sieht das bereits an den Billboard-Charts, die getrennte Listen für Popular Records, Rhythm & Blues Records und Country & Western Records vorsehen (die beiden Letzteren früher mit unbedeutenderem Status unter race bzw. folk geführt); die populäre Musik ist nicht nur die Domäne der großen vier Schallplattenfirmen RCA Victor, Columbia, Decca und Capitol, die den

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Markt bis Ende der 40er Jahre noch unter sich aufteilen, sondern auch der Musikrechte-Organisation ASCAP (American Society of Composers and Publishers), deren Regeln, wer als Komponist bei ihr Aufnahme finden kann, die Verfasser der meisten hillbilly- oder race-Songs ausschließen. Erst die zunehmende Etablierung einer konkurrierenden Vereinigung, BMI (Broadcast Music Incorporated), und die Musikauswahl der von den nationalen Charts abweichenden lokalen Radiostationen schafft hier Abhilfe, bis vor allem in den 50er Jahren unabhängige Plattenlabels wie Atlantic, Coral, Epic, Mercury mit Hilfe des Rhythm ’n’ Blues und Rock ’n’ Roll den bis dahin dominierenden Firmen in beträchtlichem Maße Anteile abnehmen können (vgl. Ryan 1985; Ennis 1992). Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die großen Firmen eine Weile brauchen, um sich auf die neue Zeit einzustellen, als sich der Erfolg des Rhythm ’n’ Blues und Rock ’n’ Roll als dauerhaft herausstellt. Die gewohnte Praxis, einem indie-Label ein Lied abzukaufen, welche bei einem pop tune fast immer funktioniert habe, greife bei r&b tunes nicht länger, hält Variety 1955 fest. Das trifft zwar derart eindeutig nicht zu (vgl. Sanjek 1996: 325), grundsätzlich wichtig bleibt aber die Begründung der übertrieben pessimistischen Feststellung: Die Stars der populären Musik, mit denen die lange marktbeherrschenden Schallplattenfirmen ihr Geschäft gemacht haben, könnten den vom Hörer gewünschten Zuschnitt eines R&B-Songs nicht reproduzieren; die Cover-Versionen der established pop vocalists erreichten keineswegs die authentic low-down quality der Originale (Anonymus 2005b). Diese Begründung ruht auf der Annahme, dass die zunehmende Durchsetzung des Rhythm ’n’ Blues in erster Linie seinem ungewöhnlichen, aggressiv-rauen Klang zu verdanken sei: »R&B is strictly a sound phenom«, schreibt Variety in einem anderen Artikel ganz apodiktisch (Anonymus 1955). In der Annahme schwingt (neben der Anerkennung für den ökonomischen Erfolg) eine ästhetische Abwertung mit; bereits 1949 bezeichnet Billboard den provocative sound, mit dem rhythm-blues- und folk-Stücke identifiziert werden, als gimmick (Simon 2005: 46). Im Gegensatz dazu steht dann der vermeintlich wesentlich stärker auf melodischer und harmonischer Durchbildung fußende Pop-Song der weißen Sänger und ihrer Komponisten und Musikverlage aus der Tin Pan Alley, deren Stücke in den nationalen Radio-Charts und auf dem Broadway das Maß allen Erfolgs gebildet haben. Schon die vom Land in die Stadt gewanderte Country-Musik aus der Zeit Ende der 40er Jahre zeichnet nach dieser Logik naïve emotionalism und crude energy aus; die mit Negroid qualities angereicherte new folk music bildet den erkennbaren Widerpart zu den körperloseren Croonern der Jahre 1928 bis 1947, so zumindest die Bilanz in American Quarterly 1954 (Mooney 1954: 231), eine Bilanz, die, mit den gleichen Maßstäben durchgeführt, gerade in den Jahren nach 1954 sicherlich noch schärfer akzentuiert werden würde. Um eine gewagte Spekulation handelt es sich dabei fraglos nicht, auf den Konjunktiv könnte man auch verzichten. In unserem speziellen Fall kann man den Konjunktiv sogar deshalb streichen, weil der gleiche Autor tatsächlich in einem weiteren Artikel 14 Jahre später eine entsprechende Position vertritt. Obwohl in seinem Aufsatz aus dem Jahr 1954 noch nicht einmal ein Wort über Rhythm ’n’ Blues steht, sieht er seine alten Thesen sowohl durch den Rock ’n’ Roll als auch durch die Rockmusik der 60er Jahre weiter gedeckt. Jenen Zug hin zu einer aggressiveren, weniger harmonisch raffinierten

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new folk music, den Mooney Anfang der 50er Jahre konstatierte, sieht er nun, 1968, nach wie vor am Werk. Den Ende der 40er Jahre auflebenden neuen Märkten unter vormals als Käufer und Trendsetzer bedeutungslosen niederen Schichten entsprechen in seiner Sicht die intellektuellen Oberschüler und Studenten der 60er Jahre: Sie alle eint der Affekt gegen die gefällige, rhythmisch und expressiv gezügelte Musik der Tin Pan Alley. Folglich ergibt sich bei Mooney drei Mal das gleiche Bild: Zum Geschmackswandel trägt erstens »the horde of highly permissive and hedonistic lower classes entering the record market« bei; zweitens die Gruppe der Teenager, die ebenfalls selten nach musikalischer Raffinesse und Zurückhaltung verlange; sowie drittens die antipuritanische, studentische, intellektuelle Gegenkultur und Boheme der 60er Jahre, die alles Hübsche, Durchschnittliche, künstlich Beschnittene oder Verzierte ablehne. Diese zum Teil äußerst unterschiedlich zusammengesetzten Gruppen verbinde zwar im positiven Sinne nicht der gleiche Geschmack, wohl aber die einhellige Ablehnung der Werte und der Kultur der weißen Mittelschicht (1969: 17ff.). Dies alles fasst Mooney unter dem Titel der populären Musik zusammen. Auch der sich über Jahrzehnte durchsetzende Musikgeschmack einstmals marginaler Schichten – »too juvenile, too aggressively lowbrow or pseudolowbrow to admire ›polished‹ or high-flown songs« –, der Ausdruck einer intellectual and plebeian revolt gegen die middle class, wird nun mit dem Wort bezeichnet, das bis weit in die 50er Jahre hinein dessen Widerpart bezeichnen sollte: popular music (ebd.: 17, 22). Von den Verfechtern der Revolte wird die Diagnose geteilt, wenn auch selbstverständlich mit mehr Begeisterung formuliert. 1966, auf dem Titel der ersten Ausgabe der UndergroundZeitschrift Oracle, steht unter einer Spekulation über die staatliche Einrichtung von concentration camps für »subversives« (»subversive nationals« sei der Sprachgebrauch des Federal Bureau of Prisons) ein Bericht über den kommenden Indo-Rock. »American popular music is finally venturing out of the never-never land of the tin pan alley«, lautet die Hoffnung und Gewissheit (Anonymus 1991: 3). Die popular music wird somit von gegenkulturell autorisierter Quelle um eine subversive Dimension erweitert. Gleiches gilt für den Begriff pop music, der sich auch als Kürzel pop seit den fünfziger Jahren immer stärker verbreitet (die Langform popular music bleibt überwiegend dem akademischen Sprachgebrauch vorbehalten). Auch die Beatles, Rolling Stones, Byrds fallen unter die Kategorie pop music, obwohl sie es erst genau sind, die nach dem zwar nicht bloß kurzfristigen, dennoch aber abflauenden jugendlichen Aufschwung des Rock ’n’ Roll endgültig die Vorherrschaft von Tin Pan Alley brechen, für deren Kompositionen der Begriff bis in die 40er Jahre weitgehend reserviert gewesen ist. Die Bedeutung des Begriffs hat sich in einigen Punkten darum ins Gegenteil verkehrt: Was zuvor eine harmonisch glatte, einigermaßen verfeinerte Musik kennzeichnete, die nicht den klassischen oder modernen Maßstäben des Bildungsbürgertums oder avantgardistischer Kreise, immerhin aber den Standards einer über ihre sozialen Grenzen hinaus durchgesetzten Mittelschichtsmoral entsprach, steht ab Mitte der 60er Jahre überwiegend für die abweichenden, sinnlich direkteren Ansprüche der Jugendlichen, Schwarzen und jener erwachsenen Teile der Mittelschicht ein, die eine offener hedonistische oder antiautoritäre Richtung einschlagen wollen.

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Folgerichtig verbunden damit sind politische Hoffnungen, die in der zeitgenössischen Popmusik doch wesentlich mehr als einen zerstreuenden, ablenkenden oder ruhigstellenden Schematismus der großen Konsummaschinerie erkennen. Gegen die Frankfurter Schule und speziell gegen Adorno gerichtet, heißt es etwa in einem Artikel der britischen New Left Review 1966, dass erstens mit der Beatmusik von einer durchgängigen Standardisierung der musikalischen Mittel nicht mehr die Rede sein könne und zweitens bereits seit dem Rock ’n’ Roll in der popular music widerständige Momente aufscheinen würden. Als Beweis dafür, dass die neue Popmusik keineswegs ausschließlich als soziales Bindemittel (social cement) fungiere, dient die Abneigung und die moralische Empörung, die ihr und ihren Fans von erwachsener Seite und offiziellen Stellen entgegenschlage: »The introduction of rock’n’roll in the middle 50’s was a real revolution, and the violent appreciation and moralizing denunciation which greeted it suggests that it cannot be understood in terms of mollification and passive compliance with the inevitable« (Beckett 1966: 89). Drastischer wird das von den englischen Situationisten formuliert. Wie bereits gezeigt, preisen sie besonders die abweichlerische, wenn auch nicht bewusst artikulierte Kraft der Who; mit ihr, glauben sie, könne der soziale Zement nachhaltig aufgesprengt werden: »The Who are symptomatic of discontent. Their appearance and performance denounce respectability and conformity«, lautet die lobende Bewertung 1966 im anarchistischen Rebel Worker; die Einschätzung gilt umso mehr, da The Who mit mehreren Stücken in den Pop-Charts vertreten sind und über eine größere Anhängerschaft verfügen. Das große Ziel – die Befreiung der Wünsche und Begierden von den Zwängen der bestehenden, einengenden Gesellschaft – trägt für die situationistischen Pop-Anarchisten bereits die Mittel zu seiner Verwirklichung in sich: Man müsse sein Begehren mit aller Vehemenz gegen diese verkrustete Ordnung richten, um zu ihrer Auflösung beizutragen. Der jugendliche Zorn, das jugendliche Drängen, in denen sich Traum und Aktion vereinigten, könne zu einem plötzlichen Aufbruch führen. »The Who may be a small particle of this explosion«, heißt es abschließend, »but they have a power unlike any other pop group’s; on a good night The Who could turn on a whole regiment of the dispossessed« (Covington 2000: 15). Grundsätzlicher gesagt, läuft die teilweise Begeisterung für die von der Popmusik angetriebenen jugendlichen Abweichler (von den Teds bis zu den Mods und Rockern) auf ihre Anerkennung als revolutionäre Kraft hinaus, trotz ihrer Verstrickung in die Sphäre des Konsums. Letztlich glauben die englischen Situationisten, dass die jugendlichen Wünsche aufrührerisch genug seien, um von der konsumistischen (scheinhaften) Wunscherfüllung in speziellen, abgesonderten Freizeitstätten nicht erfasst zu werden; verbunden ist dies mit der Annahme (und Hoffnung), dass entsprechend ausgelebte Begierden eine ernstzunehmende Gefahr für den Fortbestand der gesellschaftlichen Ordnung darstellten. Natürlich als Feststellung, nicht als Vermutung ausgedrückt, lauten die entsprechenden Slogans und Kernthesen: »It is this disquiet-factor that all rebel youth has in common, that threatens the carefully moulded suburban fantasies whose function is as a contraceptive against reality, sexual, social and cultural. It is this, together with the unrepressed violence and viciousness of those in authority dealing with youth rebellion, that

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should have told the revolutionaries they were dealing with rather more than a symptom of the degeneracy of a system« (Radcliffe 2000: 32). Als Auslöser und Träger solch kompromisslos vorgebrachter Begierden werden in der zweiten Hälfte der 60er Jahre von ähnlich argumentierenden Vertretern der antiautoritären Bewegung unterschiedliche Gruppen ausgemacht, zu Beginn und immer wieder einmal die Rolling Stones, in Amerika im Sommer 1968 vor allem die MC 5, zudem Gruppierungen wie die San Franciscoer Diggers sowie die viel loseren, abstrakteren Einheiten der Freaks, Gammler und – wesentlich weniger aggressiv ausgerichtet – der radikalen Teile der Hippie-Bewegung. Selbst Herbert Marcuse revidiert darüber sein Bild der eindimensionalen Gesellschaft, in der aller populärkulturell getragene Protest nur zur perfekten Geschlossenheit beiträgt, da er Freiheit nur vorspiegelt und lediglich zu einer trügerischen Freisetzung der Libido beiträgt, die bloß zur Konkurrenz und zur Freizeitunterhaltung dient, anstatt die Arbeit und die Beziehungen der Menschen dem Spiel ähnlich zu machen. Unter dem Eindruck der Ereignisse ab Mitte der 60er Jahre sieht Marcuse nun jedoch mit der Gegenkultur ein Ende der falschen Form der Entsublimierung anbrechen; in ihr erkennt er ein Versprechen darauf, dass Sinnlichkeit, Spiel und Muße zu gesellschaftlich bestimmenden Existenzformen werden; das »Ästhetische als mögliche Form einer freien Gesellschaft« erscheine 1968 nicht allein auf einer »Entwicklungsstufe, wo die intellektuellen und materiellen Ressourcen für die Überwindung des Mangels« vorhanden seien, sondern auch in dem Moment, »wo die höhere Kultur, in der die ästhetischen Werte (und die ästhetische Wahrheit) monopolisiert und von der Wirklichkeit abgespalten waren, zusammenbricht und sich in entsublimierte, ›niedere‹ und destruktive Formen auflöst; wo der Haß der Jungen in Gelächter und Gesang ausbricht und sich Barrikade und Tanzboden, Liebesspiele und Heroismus verquicken. Gleichermaßen attackieren die Jungen den esprit de sérieux im sozialistischen Lager: Miniröcke gegen Apparatschicks, Rock’n Roll gegen sowjetischen Realismus. Das Bestehen darauf, daß eine sozialistische Gesellschaft leichtfüßig und spielerisch sein kann und sollte, daß diese Qualitäten wesentliche Elemente der Freiheit sind; das Vertrauen in die Rationalität der Phantasie; das Verlangen nach einer neuen Moral und Kultur – bezeichnet diese große anti-autoritäre Rebellion eine neue Dimension und Richtung radikalen Wandels«,

fragt sich Marcuse (1969: 46). Zumindest die greifbare Aneignung vormals ästhetisch entrückter Phänomene scheint ihm bereits weit vorangeschritten; als Antwort auf seine eigene Frage verweist er im Laufe seines Essay on Liberation aus dem Jahr 1968 auf entsublimierende Umwertungen und Neudefinitionen traditionell äußerst sublimer, abgehobener Gegenstände und Begriffe. Die rein weiße Seele gehe jetzt entsublimiert in die »Negerkultur« ein, dabei verliere sie ihre vormals erhabene wie erhobene künstlerische Form: »die Neger sind ›soul brothers‹; die Seele ist schwarz, gewaltsam und orgiastisch; nicht mehr in Beethoven und Schubert, sondern im Blues, Jazz, im Rock’n Roll, im ›soul food‹ tritt sie hervor«, vermerkt Marcuse, um zugleich auf den ähnlich gearteten »Einbruch des Ästhetischen ins Politische« am »anderen Pol der Rebellion« hinzuweisen; Marcuse stellt hier die »neue Sensibilität« der weißen »nonkonformistischen Jugendlichen« in positiven Tönen

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heraus; im Geist der Zeit, wenn auch nicht in ihrer Sprache verweist er auf den »erotischen Furor in den Protestsongs« und auf die »Sinnlichkeit langer Haare, des von fügsamer Sauberkeit unbefleckten Körpers« (ebd.: 60). Die Argumentation läuft bei Marcuse, freilich ästhetisch und theoretisch viel hochgestimmter, auf das Gleiche hinaus wie bei Mooney; konstatiert wird die musikalisch instrumentierte Revolte gegen die überkommenen Werte der herrschenden weißen, erwachsenen Ober- und Mittelschicht. Im Gegensatz zu Mooney, der offenkundig noch starke Sympathien für die popular music im hergebrachten Sinne hegt, spielt die Geschichte der Popmusik bei Marcuse aber keine Rolle, als politisierter Feingeist ist sein Maßstab die europäische Kunstmusik. Umso augenfälliger wird dadurch jedoch, dass Marcuse zu einer positiven Einschätzung der direkt sinnlichen, aggressiven, vergleichsweise primitiven Musik gelangt. Indirekt wird allerdings auch bei Marcuse sichtbar, dass er im Rahmen der Popmusik-Geschichte argumentiert, selbst wenn es ihm wahrscheinlich gar nicht bewusst ist. An Marcuses Begriffsgebrauch kann man das ablesen. Marcuse spricht von Soul und Rock ’n’ Roll, von Protestsongs, das Wort »Pop« kommt ihm im Zusammenhang seiner politisch-ästhetischen Diagnose nicht über die Lippen. Das ist kein Zufall, beim zeitgleich schreibenden Mooney kann man Ähnliches beobachten. Mooney redet zwar allgemein von popular music, wenn es aber um die neue hedonistisch-aggressive Musik geht, stamme sie von schwarzer, plebejischer oder weißer studentischintellektueller Seite, dominieren den Sprachgebrauch die Begriffe Soulmusik, Rock ’n’ Roll und Acid-Rock. Feststellen kann man diesen bezeichnenden Unterschied bereits seit 1963/64. Der enorme Erfolg der englischen Beat-Bands sorgt für die Gewissheit, dass jene Spielarten, die zuvor mit dem Begriff der popular und in den frühen 50er Jahren häufig auch dem der pop music belegt worden sind, ihre vorherrschende Stellung nachhaltig verloren haben. Der Rock ’n’ Roll, der bereits ab 1955 überraschend schnell für die zunehmende Übereinstimmung der Notierungen in den getrennten Charts der Popular-, R&B- und C&WMusik gesorgt hat, stellt sich dadurch (in dem um den Beat erweiterten Sinne) definitiv als keineswegs bloß vorübergehende Teenagermode heraus, als die er von den führenden Plattenfirmen und Musikverlagen, die ihn manchmal sogar bewusst von ihren Geschäften ausgeschlossen haben, oft hingestellt worden ist (vgl. Hamm 1979: 391ff.; Ennis 1992: 1985ff.). Der Begriff pop music bekommt so nach 1955 und noch einmal verstärkt nach 1963 eine andere Bedeutung, die neuen Stile gehen in ihn ein. Beat, Rock ’n’ Roll und R&B, die ihrerseits ebenfalls nicht selten synonym verwandt werden, stehen nun häufig in einer begrifflichen Reihe mit Pop. Trotzdem wirkt aber der alte Konflikt zwischen dem (früheren) weißen Pop und dem jugendlichen, plebejischen, schwarzen Rock ’n’ Roll und R&B nach bzw. bleibt latent weiter bestehen, dies zeigt sich oftmals auch im Sprachgebrauch. Pop nimmt dann die Rolle eines bloßen Oberbegriffs ein, unter dem die verschiedenen, teilweise untereinander verfeindeten Stilrichtungen Platz finden. Der Begriff eignet sich in dem Falle nur für summarische Betrachtungen; er findet daneben vor allem Verwendung, wenn in längeren Texten aus Gründen der rhetorischen Konvention ein Begriffswechsel notwendig erscheint. Wenn jedoch spezieller die unmittelbar hedonistischen oder aufstachelnden Züge der neuen Popmusik hervorgehoben werden sollen,

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liest man in den englischen Musikzeitschriften und längeren angloamerikanischen Abhandlungen folgerichtig in erster Linie von Beat und Rock ’n’ Roll. Den Nachhall davon findet man bei Herbert Marcuse, dem man sicherlich unterstellen darf, über keine genaueren Kenntnisse der jüngeren Popmusik zu verfügen. Dennoch ist er in genügendem Maße mit seinen studentischen Anhängern verbunden, um sie nicht einfach als Popmusik-Fans zu bezeichnen. Die Differenz zwischen pop music und Rhythm ’n’ Blues bzw. Rock ’n’ Roll, die Mitte der 50er Jahren noch von Seiten der besorgten weißen middle class, von Politikern, Publizisten, Pädagogen, aber auch von den großen Schallplattenfirmen ideologisch und materiell verstärkt worden ist, kommt nun wieder stark zum Vorschein, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen: Was einstmals die hochgetriebene Furcht vor den aggressiven Halbstarken und der sexuellen Direktheit und Primitivität der Unterschichten ausmachte, kommt nun als Hoffnung auf die jugendliche Rebellion daher. In alarmistischen Presseberichten und Kommuniqués der Sozialfürsorger sind ab Mitte der 50er Jahre einzelne Aufsehen erregende Ereignisse und die breitere jugendliche Begeisterung für ungewöhnliche Stars wie Elvis Presley und Marlon Brando als Beweis für einen teenage terrorism genommen worden. Dwight Macdonald, der darüber zusammenfassend berichtet (1958b), verstärkt den Anschein gewissermaßen noch; er ist es ja, der von den Teenagern als einer sub-culture spricht, die dadurch Eigenständigkeit und Abstand von der sie umgebenden Kultur gewinnt, dass ihre jugendlichen Protagonisten sich der erwachsenen Kontrolle entziehen (1958a: 57f.). Er weist sogar darauf hin, dass es sich bei dem beobachtbaren unsozialen Verhalten der Jugendlichen nicht ausschließlich um ein Problem verelendeter Schichten handle, es also bei dieser neuen Form jugendlicher Abweichung nicht um die in der amerikanischen Soziologie bereits sehr gut beschriebenen Form von kleinen gemeinschaftlichen Subkulturen oder Gangs gehen kann, deren Mitglieder sich, weil sie in den gesellschaftlichen Institutionen keinen Fuß fassen können bzw. von ihnen ferngehalten werden, auf eine kriminelle Karriere mit eigenen Gesetzen und Lebensformen verlegen (Trasher 1927; Whyte 1943; Cohen 1955). Zuerst hat es zwar bei Macdonald den Anschein, als weite er solche Überlegungen zur Delinquenz auf die ihrerseits eigenständige Teenagerkultur aus, wenn er etwa die gängigen Schlagzeilen über eine gewalttätige Rock ’n’ Roll-Manie aufgreift, doch wird schnell deutlich, dass er die einschlägigen Zeitungsberichte nur anführt, um sie zu relativieren: Keineswegs dürfe man den Teenager mit einem jugendlichen Delinquenten gleichsetzen, das beweise einfach ein Blick in die Kriminalstatistik. Die Befürchtung, dass der Rock ’n’ Roll und die »anti-soziale« Attitüde von Leinwandstars wie Marlon Brando aber dauerhaft den Grund zu solch einer nun stets möglichen, drohenden Entwicklung legen, teilt er offensichtlich ebenfalls nicht. Darum lautet seine Bilanz, die auf ihre weniger kriminell dramatisierte Weise immer noch negativ genug ausfällt: »The teenagers have created a world of their own, but it is not primarily a criminal world, absurd or repugnant though it sometimes appears« (1958b: 68). Dadurch entsteht das Bild einer Subkultur, die nicht gegen die gesetzlich bekräftigten Verhaltensanforderungen der bürgerlichen Gesellschaft verstößt, sondern als sub-culture eine sub-division der nationalen Kultur bildet; solch ein Subkultur-Konzept beruht auf der Erkenntnis, dass es auch innerhalb der Staatsgrenzen kulturell verschieden geprägte Einheiten geben kann (Gordon

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1997: 40f.), im besonders bemerkenswerten Fall der USA Mitte des letzten Jahrhunderts eben eine youth culture (Parsons 1942) oder Teenager-Welt (Coleman 1961). Eine mögliche Frage bleibt dann, ob diese Teilkultur der Jugendlichen wenn nicht in der Form krimineller Gangs, so doch in ihrem Verhalten und in ihren Ansichten gegen wichtige Werte verstößt, die zwar nicht in Form von Strafgesetzen bewehrt, aber dennoch von enormer Bedeutung für den Fortbestand des gesellschaftlichen Systems sind. Milton Yinger prägt für entsprechend gefasste Subkulturen, die gegen die Normen der sog. dominant culture verstoßen, 1960 den Ausdruck contraculture (1970: 126f.). Grundlegend für solche Überlegungen im Bereich der Sozialwissenschaften sind die Schriften Talcott Parsons’, in denen immer wieder auf den Leitwert der instrumentellen, rational und arbeitsteilig organisierten Leistung für den Bestand der modernen Gesellschaft hingewiesen wird. In Subkulturen, die sich stark hedonistischen Lebensformen verschreiben oder in politischer Absicht anarchistischere, radikal sozialistisch-egalitäre Ideen vertreten, sieht Parsons darum eine Gefahr für die main culture; in den industriell und medial bereitgestellten Unterhaltungsprodukten erkennt er jedoch sowohl allgemein als auch im speziellen Fall der Jugendlichen aktuell überwiegend sinnvolle Angebote, die für einen nötigen Ausgleich zu den Leistungsanforderungen in Ausbildung und Beruf sorgen (Parsons 1979; Parsons/White 1968). Die politisch motivierten Anhänger der neuen Pop- bzw. Rockmusik Mitte der 60er Jahre hoffen nun einerseits darauf, dass Parsons’ Auffassung richtig ist, andererseits versuchen sie ihn mit Nachdruck ins Unrecht zu setzen. Ins Unrecht setzen wollen sie ihn mit allen Mitteln, weil sie gerade eine Gefahr für die main culture darstellen wollen; ihr ganzes Augenmerk gilt folgerichtig den Teilen der Popkultur, die zu einem wirkungsvollen Angriff auf die bestehende Gesellschaft beitragen könnten. Ganz und gar vertrauen sie hingegen auf Parsons, weil dessen Ansicht, die moderne Gesellschaft benötige bindende Leistungswerte bzw. eine bestimmte vorherrschende Kultur, wahr sein muss, damit die subkulturelle Verletzung dieser Werte einen weitreichenden politischen Sinn bekommen kann. Mustergültig durchgeführt findet man den Argumentationsgang bei Stuart Hall. Dessen Aufsatz The Hippies: An American »Moment« wird zwar erst 1969 in dem Sammelband Student Power veröffentlicht, ist aber nach Zeugnis des Autors unmittelbar nach dem Sommer 1967 geschrieben worden. Das Datum besitzt natürlich einige Aussagekraft, markiert es doch den (medialen) Höhepunkt der Hippie-Bewegung, speziell des Zugs nach HaightAshbury. Die bemerkenswerten Geschehnisse in dem Hippie-Viertel San Franciscos eignen sich besonders gut für eine Subkultur-Theorie, weil mit ihnen die Hoffnungen auf einen kulturell instrumentierten gesellschaftlichen Umsturz zumindest in einer wichtigen Hinsicht besser begründet erscheinen als zuvor: Allein von der schieren Zahl her ist sofort einsichtig, dass die Subkultur der Hippies eine größere Chance besitzen muss, die sog. dominante Kultur anzugreifen, als man es sich von kleinen Boheme-Zirkeln wie den Beatniks je hätte versprechen können. Hall teilt diese Hoffnung, wenn er auch glaubt, dass eine Bewegung wie die der Hippies nur im Zusammenhang mit direkter und traditioneller politisch aktiven Organisationen Erfolg haben kann. Diese Einschränkung hindert ihn jedoch keineswegs daran, die Hippie-Subkultur an sich bereits für politisch hoch bedeutsam zu halten. Deren Versuch, das gesellschaftliche

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System nicht aggressiv politisch oder gar gewaltsam anzugreifen, sondern dessen Legitimität von innen her aufzulösen, hält er ganz prinzipiell für richtig, da die amerikanische Gesellschaft von einem ideologischen und moralischen Stoff (moral cement) zusammengehalten werde. Der cultural guerilla warfare der Hippies, ihr unmartialischer Kampf auf der Ebene des Bewusstseins, sei aussichtsreich, weil die gesellschaftliche Ordnung keineswegs allein durch eine äußere, repressive Machtausübung garantiert werde, sondern ebenfalls durch eine psychisch tief verankerte Haltung der einzelnen Gesellschaftsmitglieder, die eine durchaus lustvolle Übereinstimmung mit den herrschenden Werten garantiere (1969: 196f.). Genau wie Talcott Parsons nimmt Stuart Hall demnach an, dass die bestehende Ordnung ihre Stabilität durch enorm wirkungsmächtige Werte erhalte: »American society is powerfully integrated around a web of values and attitudes – recognitions and confirmations – which bind men to ›the system‹.« Von dieser Prämisse wird Halls umfassende, äußerst kenntnisreiche Schilderung der wichtigsten Charakteristika des Hippie-Lebensstils vollkommen dominiert. Mit schöner Regelmäßigkeit stellt Hall bei allen einzelnen Punkten heraus, dass sie die als natürlich oder wertvoll erachteten Routinen der amerikanischen middle class durchbrechen würden. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Mit ihrer Betonung des Kindlichen und Zärtlichen unterminiere die Hippie-sub-culture die aktivistischen, instrumentellen, genitalen Werte der etablierten kulturellen Definition der Männlichkeit; der über spezielle Orte der Freizeit und Intimität ausgeweitete Hedonismus der Hippies stoße frontal mit der gesellschaftlichen Ordnung zusammen, die unter dem Diktat der protestantischen Ethik rund um Arbeit, emotionale Selbstkontrolle und instrumentelles Kalkül herum organisiert sei; ihr Lob der spontanen Erfahrung sei direkt gegen den überaus reglementierten Ablauf der verwalteten Welt und des Mittelklasse-Lebens gerichtet. Eine Gefahr, dass wenigstens der letzte Punkt tatsächlich gut mit dem etablierten Wert der individuellen Leistungsbereitschaft und ungefesselten, Risiken eingehenden Unternehmerpersönlichkeit zusammenstimmen könne, sieht Hall ausdrücklich nicht; zumindest solange sich die alternativen Hippie-Aktivitäten im underground abspielen, in Gemeinschaften und Enklaven abseits von Schule, Büro und Betrieb (ebd.: 171ff.). Hall sagt damit nichts Neues. Zwar bietet sein Aufsatz zweifellos insgesamt den besten, zudem theoretisch angeleiteten Überblick, doch finden sich all seine Punkte einzeln oder teilweise zusammengebunden in vielen weiteren Schriften akademischer Autoren (etwa Fiedler 1965; Roszak 1970a; später in Buchform: Roszak 1970b) und natürlich auch in den unzähligen Artikeln der nach 1966 schnell aufblühenden Underground-Zeitschriften (s. etwa Hopkins 1968; Kornbluth 1968). Halls Wertung stimmt zudem mit der Grundentscheidung der Neuen Linken überein, ihre Politik nicht auf die Agitation gegen die Ausbeutung in den Betrieben zu konzentrieren, sondern auf die Kritik der allgegenwärtigen Manipulation und Entfremdung. Halls Punkte finden sich aber ebenfalls in den Berichten der großen Zeitungen und Nachrichtenmagazine, am prominentesten in der Titelgeschichte von Time, auf deren psychedelisch bearbeitetem Cover aus dem Juli 1967 unter der Überschrift The Hippies. Philosophy of a Subculture im Vordergrund zwei langhaarige Männer mit Gitarren zu sehen sind. Im ausgedehnten Artikel ist dann zuerst von der angestrebten (wenn auch, wie Time kommentiert,

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unrealistischen) Subversion der westlichen Gesellschaften die Rede, von dem Angriff auf die Werte der middle class. Wie natürlich auch bei Hall kommt die dazu passende Musik innerhalb der Szenerie aus Drogen, Bewusstseinserweiterung, freier Liebe etc. danach unter der Bezeichnung acid-rock zu ihrem Recht, bei Time noch etwas näher mit hypnotic tones und improvised music beschrieben (Anonymus 1967a). Am Ende des Artikels steht die Hoffnung, dass die Hippies sich trotz der Rhetorik des drop out, trotz der manifesten Ablehnung der industriellen und bürokratischen Rationalität noch innerhalb des amerikanischen Wertebogens befänden, sie sogar wegen ihrer Friedlichkeit und ihrer moralisch geprägten Denkweise als eine Art Vorbild für die zunehmend materialistischen USA fungieren könnten. Um genau solch einer Möglichkeit vorzubeugen, formuliert wiederum Stuart Hall mehrere Bedingungen, die seiner Meinung nach notwendig sind, damit die Hippies eine »potenziell revolutionäre« Kraft bilden. Dazu gehört vor allem, dass die rebellische Haltung über eine individuelle Einstellung oder künstlerische (und darum tolerierbare) Konsequenz hinausgeht und sich in sozialen Projekten verfestigt. Die Subkultur der Hippies sollte demnach nicht bloß eine medial versammelte Wertegemeinschaft darstellen, sondern sich in Hinsicht auf ihren Organisationsgrad den abweichenden Subkulturen der Gangs annähern. Gefordert ist die Errichtung von counter-networks, die Bildung eines underground im Sinne einer counter-society, deren Mitglieder unwiderruflich und nicht nur für eine vorübergehende Auszeit die offiziellen Ausbildungsstätten und Betriebe verlassen, ein Rückzug, der nicht ins Private führt, sondern in Gemeinschaften und Gegen-Institutionen eine dauerhafte, politisierte Dimension erfährt, »a withdrawal of support from middle class America by its own children – a retreat from suburbia into the counter-communities and the drop-out enclaves of society« (Hall 1969: 172, 176, 179f.). Zwiespältig wirkt an Halls Projekt allerdings die letzte Formulierung enclaves of society; über den Status einer Enklave innerhalb der Gesellschaft soll der Underground schließlich hinausgelangen. Richtig vorstellbar scheint es wohl doch nicht zu sein, dass ein friedlicher und zugleich massiver Auszug aus den bestehenden in alternative Institutionen stattfinden könnte. Trotzdem ist es in politischer Hinsicht, und sei es der einer Undergroundpolitik subversiver Kultur, zweifellos wichtig, dass man über eine kleine Zahl von Bohemiens hinauskommt und sich eine größere Bewegung bildet, die beim nächsten modischen Wechsel nicht gleich wieder zerfällt, sondern festere Zusammenhänge etabliert. In gewisser Weise kann man das sogar am Underground Warhols studieren. Dessen Filme gehen in dem Moment über den Underground hinaus – sowohl über den Underground im Sinne der Szene homosexueller, vom Amphetamin angetriebener Lebenskünstler, die häufig in seinen Filmen zu sehen sind, als auch über den Underground im Sinne des künstlerisch radikalen Filmexperiments (vgl. Watson 2003: 158ff.) –, als sie verstärkt voyeuristische Interessen befriedigen und dadurch eine wesentlich größere Zahl Zuschauer anziehen; gleichwohl bleiben die Filme dem Underground verbunden, weil die dokumentierte Zelebrierung perverser Sexualität als Angriff auf heterosexuelle Normen gewertet werden kann. Zu einem Underground nach Maßgabe Halls tragen sie jedoch offenkundig wenig bei, da sich aus dem Kreise der Zuschauer keine nennenswerten Gegen-Institutionen bilden. Ohne

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solch eine Weiterung kann auch bzw. manchmal gerade die spektakuläre Verletzung vorherrschender Werte stets als lediglich sensationsheischender, kommerzieller Anreiz abgewertet werden. Besonders heftig wird diese Debatte aber natürlich nicht um Undergroundfilme, sondern um die neue Popmusik geführt, die ab Mitte der 60er Jahre auch unter den Gegnern des amerikanischen Systems viele Anhänger findet und zur Popularität und Ausbreitung ihrer Kritik unter größeren Teilen der Jugendlichen sogar maßgeblich beiträgt. Angesichts der in jenen Jahren von vielen Seiten herausgestellten Nähe der Popkultur zur manipulativen Kulturindustrie oder zum liberalen Kapitalismus stellt sich hier selbstverständlich die Frage, inwieweit die rebellische Attitüde der Musik tatsächlich der antiautoritären und radikaldemokratischen, neulinken Kritik entspricht. Von Anfang an wird darum das Konzept »Pop« mit Fragezeichen versehen. Hoch interessant an dieser Auseinandersetzung ist aber, dass sie auf dem Feld der Musik nicht nur nach einer Maßgabe, und schon gar nicht nach einer alten Maßgabe, geführt wird. So steht weder die Botschaft des Liedtextes im Vordergrund noch die Hoffnung auf eine authentische Volkskultur im hergebrachten Sinne. Viel Aufmerksamkeit zieht die neue Popmusik im Gegenteil genau daraus, dass sie der folk music eine Absage erteilt, die nicht einfach bloß als kommerzieller Ausdruck abgewertet werden kann. Die ältere linke, volksdemokratische Auffassung der folksongs, die zur Popularität der Lieder unter den Anhängern der Bürgerrechtsbewegung um 1960 entscheidend beiträgt, wird nicht einfach übernommen. Ein gutes Beispiel für die ältere Auffassung ist ein Artikel von Gene Bluestein in der Zeitschrift New Republic aus dem Jahr 1961. Bluestein ärgert sich über einen Beitrag in Mademoiselle, nach dem der Erfolg des Folk auf das Interesse der College-Studenten an einem »small, safe taste of an unslick, underground world« zurückgehe; die folkniks, wie es in dem modischen Magazin für junge Frauen im Dezember 1960 heißt, rekrutierten sich aus einer student middle class, die sich den Geschmack einer Bohemian minority group aneigne. New Republic hält dagegen, dass die Beatniks bloß ein Mediengeschöpf seien, welches auf der populären Ansicht des Künstlers als eines unverantwortlichen und unverständlichen Menschen beruhe; die Hörer der folksongs seien davon aber weit entfernt, sie seien wirklich ernsthaft, aus demokratischen Gründen an der tief verwurzelten Kultur der Entrechteten interessiert, an den »song of the miners, lumberman, Great Lake sailors, railroad men, cowboys, and Negroes« (2005: 125f.). Auch Vorwürfe von bildungsbürgerlicher Seite, der Folk-Trend verdränge die ernsthafte Musik (Reisner 1967), können darum innerhalb der Folkszene leicht aufgegriffen und zur Abspaltung eines weiteren vermeintlich unreinen Teils – des »formula folksong«- und »mass appeal« style (Dunson/Ash 1967: 310) bzw. der fake folklorists (Legman 1967: 315) – genutzt werden: Viele der um 1960 erfolgreichen Folkmusiker seien tatsächlich bloß notdürftig verkleidete commercial »pop« singers (Radosh 1967: 305). Sänger und Liedschreiber wie der erfolgreiche Pete Seeger dürfe man keineswegs mit commercial folksong groups wie dem Kingston Trio verwechseln, meint auch Bluestein; im Widerstand gegen die auswechselbaren Stücke der weißen Populärmusik ist für ihn die Folkmusik in einer Hinsicht sogar mit den klassischen Künsten vergleichbar, »like other serious arts in America, folksongs resist the mass production and standardization of tin-pan alley« (2005: 125f.), ein Credo, das auch die neuen

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Songschreiber wie vor allem Bob Dylan, die nun für die gegenwärtige politische Protestbewegung Stücke verfassen, teilen. Gerade aus dieser Szene geht aber nun bekanntermaßen eine Musik hervor, die Bohemetum und Popkultur in enge Berührung bringt. Zwar ist sie ebenfalls deutlich von der alten Popmusik im Sinne Tin Pan Alleys verschieden, dem traditionellen Liedgut aber weit weniger verpflichtet als die Folkmusik. Sinnfällig gemacht wird das durch den Griff Bob Dylans zur elektrischen Gitarre auf dem Newport Folk Festival im Juli 1965. Die Folkszene wird darüber gespalten, ein großer Teil lehnt den sog. folk rock als kommerziellen Opportunismus ab – tatsächlich kann sich Dylans Like a Rolling Stone noch einmal um einiges höher in den Pop-Charts platzieren als seine vorherigen Stücke –, als Vorstufe eines nightmare of pop art (Silber 1972). Das ist insofern vielleicht verwunderlich, als auch die folk music um 1960, wie Nat Hentoff in einem Artikel über Joan Baez und Dylan 1964 anmerkt, nichts mehr mit der Musik einer ländlichen, homogenen Gemeinschaft zu tun hat, die eine alte, autorlose Tradition weiterführt, sondern nun von individuellen, urbanen Autoren und Komponisten gestaltet wird (1972: 44); andererseits dürfte das aber genau einer der Gründe sein, weshalb Dylans nochmalige Neuerung auf so heftige Abwehr stößt, irgendwo muss schließlich die Grenze gezogen werden. Einem anderen Teil der Folk-Szene kommt jedoch Dylans Weiterung sehr gelegen, um die nochmals entgrenzte Folkmusik stärker an moderne ästhetische Auffassungen zu binden. Dieser Teil sieht die »zornige Vision« Dylans in driving electric songs angemessen musikalisch verstärkt. Zur erfolgreichen Abgrenzung von konventioneller Top-Forty-Musik trägt nicht nur der Beat, die Instrumentierung und die schiere Länge von Stücken wie Like a Rolling Stone bei, sondern in hohem Maße auch die Lyrik Dylans, denen ein avancierter Kunststatus zugestanden wird – was einigen Teilnehmern der Folk-Szene bereits 1965 erlaubt, sich gegen den mitunter humanistischen Kitsch Pete Seegers auf die Seite des modernen Künstlers Dylan zu schlagen. Auch in dem führenden Organ der Folkmusik Sing Out! kann sich darum in Abgrenzung von Seeger ein überaus positiver Vergleich Dylans mit Picasso finden; »I choose Dylan, I choose art«, lautet die knappe Schlussfolgerung dieses vom neuen Dylan überzeugten Kommentators (Nelson 1972). Dylan selbst erweist sich des Vergleichs mit dem singulären, genialen Künstler, der die Grenzen des kleinbürgerlichen Geschmacks stets übersteigen und sich nie festlegen lassen will, insofern würdig, als es zur Routine seiner Interviews gehört, ästhetische Einordnungen und bindende politische Kategorien harsch zurückzuweisen. Die Bezeichnung folk rock lehnt er 1965 für seine neue Musik folglich ab, reklamiert statt dessen lieber, dass folk music die einzige Musikform sei, die man nicht einfach verstehen könne, wofür er ausgerechnet als Beleg die mythische Abkunft der Songs angibt: »It’s weird, man, full of legend, myth, Bible and ghosts« (1972a: 85). Einige Monate später, vielleicht weil die Enttäuschung über Teile der Folk-Szene nachhaltiger geworden ist, wiederholt er die Aussage sinngemäß, ordnet sie aber nun der traditional music zu; auch in diesem Fall ist der Ausdruckswechsel – selbst bei jemandem, der sich gegen alle Einordnungen und die Verwendung von Oberbegriffen aggressiv wehrt – kein Zufall, wie man schnell merkt: »And folk music«, so Dylan nun, »is a word I can’t use. Folk music is a bunch of fat people« (1972b: 130).

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Andererseits können ihm Vergleiche mit Picasso oder Rimbaud aber auch nicht gefallen, weil ihm jede Form der Akademisierung (also wohl auch die, welche die moderne Kunst seit den 50er Jahren erfasst) missfällt. Gegen das Museum und gleichfalls gegen den Privatbesitz großer Meisterwerke richtet er eine geradezu situationistische Tirade, die sich bei ihm freilich dem Folk-Ethos verdankt, einem Ethos, das sich nun allerdings von der traditionellen Volkskunst löst und auf das gegenwärtige Leben richtet: »Museums are cemeteries. Paintings should be on the walls of restaurants, in dime stores, in gas stations, in men’s rooms. Great paintings should be where people hang out. The only thing where it’s happening is on the radio and records, that’s where people hang out« (1972a: 90). Weil Dylan das Alltagsleben der Leute überraschenderweise ganz mit der Rezeption von Reproduktions- und Massenmedien gleichsetzt, bekommt sein Übergang zur modernen, elektrifizierten Popmusik einen klaren Sinn: »Music is the only thing that’s in tune with what’s happening«, meint Dylan weiter, und er meint damit die Musik, die gegenwärtig im Radio läuft; nicht irgendeine Musik freilich, sondern ausschließlich jene, die für ihn den gegenwärtigen Impetus darstellt. Traditionelle Popsänger wie Rudy Vallee, der bei Susan Sontag immerhin noch als Beispiel-Objekt des Camp-Geschmacks fungiert, schließt er darum aus: »Now that was a lie, that was a downright lie. Rudy Vallee being popular. What kind of people could have dug him? You know, your grandmothers and mothers. But what kind of people were they? He was so sexless. If you want to find out about those times and you listen to his music you’re not going to find out anything about the times. His music was a pipedream. All escapes.« Im Umkehrschluss muss dann die heutige Zeit bzw. die Leute in ihrem wahrhaften, männlich-jugendlichen Sein auszeichnen, dass sie den irrealen, romantischen Fluchten entsagen. Der argumentative Schritt ist auch deshalb von Bedeutung, weil er Dylan zum Lob der aktuellen, kommerziell erfolgreichen schwarzen Musik führt: »There are no more escapes. If you want to find out anything that’s happening now, you have to listen to the music. I don’t mean the words, although ›Eve of Destruction‹ will tell you something about it. The words are not really gonna tell it, not really. You gotta listen to the Stapes [sic!] Singers, Smokey and the Miracles, Martha and the Vandellas. That’s scary to a lot of people. It’s sex that’s involved. It’s not hidden. It’s real. You can overdo it. It’s not only sex, it’s a whole beautiful feeling« (ebd.: 89). Dylan vollzieht damit den gleichen Schritt, den die englischen Mods und die Beatgruppen vorgemacht haben, die Hinwendung zur schwarzen Musik der Gegenwart. Dylans schon früher deutlich erkennbares Interesse an Rock ’n’ Roll, R&B und Country Blues, das ihn bereits von den meisten anderen Folk-Sängern unterschied, hilft dabei natürlich, vergleichbar mit der Begeisterung der Rolling Stones für den elektrifizierten Chicago Blues. Im Unterschied zu Dylan bekommt das aus der zeitgenössischen schwarzen Musik stammende sexualisierte »schöne Gefühl« bei ihnen aber eine noch aggressivere Note. Im Melody Maker zu Beginn des Jahres 1964 als nonkonformistische angry young men und Rebels with a Beat angekündigt, berufen sich die Stones auf Muddy Waters sowie Ben E. King und kokettieren mit ihrem Image, in England seien sie die ugliest pop group (Coleman 2005; vgl. Oldham 2000: 293ff.).

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Selbst innerhalb der theoretischen Zirkel der Neuen Linken finden sich darum später Verteidigungen der Stones gegen den Vorwurf, sie seien lediglich gedankenlose Hedonisten. Zwar erfüllten die Stones auch auf ausgezeichnete Weise die grundlegende Funktion der popular music, zum Tanzen zu animieren, das sei aber längst nicht alles, heißt es in der britischen New Left Review. Diese Einschätzung überrascht schon deshalb nicht, weil sich mit Ben E. King und den Vandellas allein kein rebellischer Zug mehr behaupten lässt. Die Ablösung der alten Populärmusik Tin Pan Alleys hat sich zwar noch nicht bei den Erwachsenen vollzogen, wohl aber in den mittlerweile von der demografisch starken Jugendgeneration dominierten aktuellen Popcharts. Was zehn Jahre zuvor noch aus Sicht der vertrauten weißen Popsongs als auffälliges, bestimmendes, minderwertiges Merkmal des R&B galt – der sound (als gimmick oder als authentic low-down quality, durch die eine subtilere Melodieführung verhindert wird) –, bestimmt von nun an zumeist in positiver Hinsicht die Betrachtung der Popmusik. Der sound ist jetzt als Distinktionsmerkmal allgegenwärtig, er leitet die Wahrnehmung und Rubrizierung der Trends und Stile der neuen Popmusik häufig an; zu nennen sind vor allem der Spector Sound, der Liverpool Sound, der California Sound und der Detroit Sound (vgl. Gendron 2002: 177ff.). Letzterer, der spezifische Klang der Produktionen der Plattenfirma Motown, diente Dylan als Beispiel – Martha and the Vandellas, Smokey and the Miracles – einer »wirklichen«, zeitgenössischen, sexuell offen ansprechenden Musik. Damit die schwarze Musik allgemein (abseits des Jazz) nun über den bloßen Hedonismus hinauskommt, fehlt ihr zumindest nach Auffassung der New Left Review aber noch etwas. Was das sein soll, machen gleich zwei Autoren der Zeitschrift an den Rolling Stones deutlich. Die Versionen der Stones scheinen ihnen sogar den im Vergleich zu Motown wesentlich raueren Soul-Varianten eines Otis Redding und Wilson Pickett überlegen; gelobt wird an der Musik und den Texten der Rolling Stones deren Arroganz und Brutalität, deren Angriff auf die romantischen Klischees der populären Musik (Beckett 1968: 25, 28), gelobt wird gleichfalls ihre »authentische expressive Vitalität«, die nicht einfach mit einem Freizeitvergnügen verwechselt werden kann: »The Stones have refused the given orthodoxy of pop music; their work is a dark and veridical negation of it« (Merton 1968: 31). Die Eindrücke werden von vielen geteilt; der einflussreiche San Franciscoer Kritiker Ralph Gleason hört aus ihren Stücken 1967 zerstörerische Obertöne heraus (1969: 72), eine Gruppe junger West Coast-Radikaler begrüßt die Stones darum gleich als Genossen im Kampf gegen die Machthaber, sie fühlt sich von ihnen inspiriert zu direkt gewalttätigen Akten: »We will play your music in rock-’n’-roll marching bands as we tear down the jails and free the prisoners, as we tear down the State schools and free the students, as we tear down the military bases and arm the poor«, verspricht die wenigstens auf dem Papier militante Gruppierung ihren Heroen (zit. n. ebd.). Erstaunlich ist daran, welch eine exponierte Stellung die Rolling Stones in der Fantasie der martialischen Manifestschreiber einnehmen können. Offensichtlich ist der aufwühlende Effekt der Musik so stark, dass alle Bedenken über die kommerziell erfolgreiche Marktplatzierung der Gruppe bei diesem Teil der radikalen Neuen Linken hinweggefegt werden. In dem Fall können sie sogar einen hohen Rang in den Popcharts als Beweis für eine geglückte musikalische Agitation oder die Popularität des Aufbegehrens neh-

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men. Gleiches gilt aber natürlich nicht für die meisten weiteren Sänger und Gruppen mit Topplatzierungen; das Entsetzen Dylans über Rudy Vallee ist nur ein altmodisches Beispiel für die neue strikte Auswahl. Davon betroffen sind nicht nur die übriggebliebenen Vertreter der früher dominanten Popmusik der Tin Pan Alley, sondern nach 1965 zunehmend auch populäre Richtungen der schwarzen Musik. Das freilich ist eine bemerkenswerte Änderung, hat man doch jene zuvor gerade noch umgekehrt als Antidot gegen die weiße, harmonische Populärmusik herausgestellt, auch im Zusammenhang des geglückten Versuchs von Gruppen wie den Stones und den Animals, die zeitgenössische rhythm-and-blues-based pop music of city Negroes den weißen Teenagern nahe zu bringen und dadurch zu einer erstmaligen Demokratisierung der pop charts beizutragen (Hentoff 1969: 4f.). Die angenommene Überlegenheit der Stones über Otis Redding und Wilson Pickett in der New Left Review ist aber nur ein erstes Anzeichen dafür, dass sich im Rahmen der gegenkulturellen Bewegung die Bewertung des chartstauglichen Soul jetzt häufiger ändert. Mustergültig kultiviert werden die Argumente gegen die populäre schwarze Musik besonders bei Ausprägungen abseits traditionellerer Bluesformen. Ralph Gleason sieht Gruppen wie die Supremes und Sänger wie James Brown oder Aaron Neville auf einem direkten Weg nach middle-class America; sein Urteil steht darum fest, der inhaltslose Stil der schwarzen Unterhaltungsstars läuft für ihn den Verweigerungsgesten der neuen weißen Szene auf negative Weise genau zuwider: Die Negro performers befänden sich auf leider einem Ed Sullivan/TVtrip, »striving as hard as they can to get on that stage and become part of the American success story, while the white rock performers are motivated to escape from that stereotype. Whereas in years past the Negro performer offered style in performance and content in song – the messages from Leadbelly to Percy Mayfield to Ray Charles were important messages – today he is almost totally style with very little content« (1969: 67). Äußerst positiv steht in dem Panorama hingegen jemand wie Bob Dylan da. Die Bedenken der Folk-Puristen, die ähnlich klangen wie die Gleasons gegen den schwarzen Stil, spielen hier keine Rolle mehr. Dylan habe es geschafft, meint Gleason, mit seinen an Rimbaud erinnernden, alptraumartigen Visionen über den wahren Zustand der Nation, mit seinen bittersweet love songs und seiner reinen Bildersprache die Poesie aus den Klassenzimmern und den Händen der Professoren zu befreien und sie auf die Straße zu tragen, sie zum Allgemeinbesitz zu machen (ebd.: 64). Dylans eigener Absicht, die Kunst aus dem Griff der Museen und offizieller Sprachregelungen zu lösen, wird dadurch Rechnung getragen, nicht jedoch seiner Äußerung, dass stärker als lyrische Botschaften die erotisch aufgeladene Musik z.B. einiger Motown-Gruppen dazu beitrage. Legt man jene Wirkung von Dylans Werk zugrunde, die sich in Bewertungen wie denen Gleasons äußert, erreicht er folglich häufig genau das Gegenteil von dem, was er in dem Interview aus dem Jahr 1965 als Absicht ausgegeben hat. Dylans Inbegriff der populären Musik spielt bei der Rezeption seiner Schallplatten oft überhaupt keine Rolle, er dient eher als Negativindikator. Wie nach der LP Rubber Soul auch bei den Beatles in Rezensionen festzustellen – sogar Partisan Review erkennt Lennons wortspielerischen »Genius« und den poetischen Anspielungsreichtum der Beatles-Stücke an (Poirier 1967) –, legen Dylans Texte vielen Kommen-

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tatoren nahe, ihn zum Künstler zu erheben, der solche Niederungen der Popmusik verlassen hat (etwa Shelton 1966: 21; vgl. Gendron 2002: 181ff.). Dylan entrückt dadurch aber nicht gleich zur Künstlerpersönlichkeit bildungsbürgerlicher Provenienz. Den gegenkulturellen Kräften ist es möglich, ihn als einen auch politisch wirksamen Avantgardisten vorzustellen, dessen Verstoß gegen die Konventionen sich nicht zu einem abgeschlossenen, ausgeglichenen Werk rundet. Zwei Momente sind dafür von großer Bedeutung: Zum einen wird der Übergang von den archaisch-widerständigen Folk- und Blues-Lauten zum Beat und Rock nicht als Übergang zu eingängigeren Klängen und tanzbaren Rhythmen, sondern in modernistisch-futuristischer Manier als Elektrifizierung charakterisiert (oder feuilletonistisch formuliert: »Dylan coming on mysteriously as a kind of hip Hell’s Angel, a pop art folk-bard«; Goldman 1969: 213). Zum anderen sieht man das politische Potenzial Dylans gerade darin liegen, dass er in seinen Texten keine klaren Botschaften mehr liefert, die, wenn auch in guter Absicht, tatsächlich nur dazu beitragen würden, autoritätshörige Anhänger und passive Rezipienten auszubilden. In den erweiterten Bereich der Popmusik geht damit die moderne ästhetischpolitische Rede einer Politik der Form ein, einer radikalliberal oder anarchistisch verstandenen Kunst, die durch Mehrdeutigkeit, narrative Offenheit und ungewöhnliche Darstellungsweisen für eine allgemeine Befreiung von rigiden Strukturen und zwanghaften Identitäten sorgen will. Der Weg zur Zerstörung der herrschenden amerikanischen Werte sei auch verbunden mit einer Absage an klare, traditionell linke politische Direktiven, hält genau in dem Sinne Frank Bardacke, ein junger Bay Area Radical, 1966 fest. Erst solch eine Freiheit könne wirklich dazu führen, dass für die middle class Americans eine alternative Gesellschaftsordnung überhaupt denkbar würde. Die scheinbar unpolitische, lyrische Bewusstseinserweiterung sei deshalb ein enorm wichtiger Schritt auf dem Wege zur Errichtung von counter institutions, mit der einige Hippie-Gruppierungen bereits begonnen hätten. »Bob Dylan intends to ›blow their minds‹«, resümiert Bardacke unter Verwendung eines Zitats aus Dylans Stück I Shall Be Free No. 10: »It is a common phrase now, originating with the dedicated experimenters with drugs, and quickly filtering up into the rest of society. And the phrase is the key to a new road to freedom« (1970: 378f.). Zum Ziele der Bewusstseinserweiterung, der Auflösung herkömmlicher, autoritärer Ordnung kann natürlich auch, sogar getrennt von den Texten, die musikalische Form einen wichtigen Beitrag leisten. In Dylans Song Mr. Tambourine Man sieht z.B. Wilfrid Mellers einen pop song, der eine Art von positiv verstandenem Selbstverlust, von freigesetzter Spontaneität bewirken könne: »Like the tranced Music of Cage or Feldman, it appeals for a different kind of commitment«, vergleicht Mellers die mögliche Wirkung von Dylans Stück, das in der Variante der Byrds hoch in den Pop-Charts steht, mit der Wirkung zeitgenössischer avantgardistischer Kompositionen (1969: 187). Ganz überwiegend wird solche musikalische Wirkung aber natürlich an den Songs der sog. Acid Rock-Gruppen festgemacht. Wie der Name der Richtung schon sagt, erhofft man sich hier eine bewusstseinserweiternde Wirkung, die der des LSD nahe kommt; der Titel Acid Rock soll auch Effekte beim Hörer beschreiben und nicht nur andeuten, dass die Musiker ihre Lieder unter dem Einfluss der Droge komponieren oder vor allem improvisieren.

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Die Bezeichnung setzt sich rasch durch, 1967 steht sie in der bereits angeführten Titelgeschichte von Time über die Hippies; die nähere Angabe über die hypnotische Qualität der elektrisch verstärkten Musik ist ebenfalls obligatorisch (s. etwa B. Wolfe 1968: 36, der allerdings noch von hippies’ folk rock spricht). Für konservative Beobachter bildet acid rock nur eine Facette in dem allgemeinen Angriff auf die puritanischen Sinne und das rationale Bewusstsein: »Popular music, often used as a psychedelic experience, became a ›happening‹, a numbing bombardement of the auditory nerves« (Mooney 1969: 20). Für die Angehörigen der Gegenkultur unterscheidet sie sich gerade darin von anderen Spielarten der Popmusik, dass ihre Wirkungen eine wesentlich stärker psychedelische Qualität (etwa im Sinne der bekannten Beschreibungen Timothy Learys) besitzen (vgl. Hecken 2006d: 123ff.). Es ist deshalb kein Zufall, dass es Acid Rock, nicht Acid Pop heißt. Zwar fällt in Berichten über Acid Rock weiterhin das Wort pop, dann aber allein als Oberbegriff; häufiger ist auch bereits in den euphorischen Berichten über die Musikszene San Franciscos (über Grateful Dead, Quicksilver Messenger Service, Jefferson Airplane u.a.) nur von der neuen Rockmusik die Rede (z.B. Gleason 2005). Fast durchgängig ist aber festzustellen, dass bei positiven Bewertungen der Musik und der mit ihr verbundenen Szene stets der Ausdruck rock verwandt wird, etwa wenn Richard Goldstein 1967 in Village Voice vom San Franciscoer rock underground schwärmt, der, obwohl er über die Boheme-Zirkel längst hinausreiche und zum allgemeinen Stil der Jugend avanciere, weiterhin mitreißende neue Musik biete (1970b: 119). Nur bei erwachseneren, konservativeren Feuilletonisten, welche die akademischen Debatten über die popular culture sowie den Aufstieg der pop art verfolgen, liest man einmal von psychedelic pop. In der englischen EssayZeitschrift Encounter, die psychedelic noch in Anführungsstriche setzt, wird am Hauptbeispiel Pink Floyd die Musik im Zusammenhang mit Neutönern wie Cornelius Cardew und Karlheinz Stockhausen diskutiert (Spurenelemente davon findet Encounter in seinem Map of the Underground auch bei den Beatles, den Cream, den Move, den Soft Machine und bei Tomorrow): »›Psychedelic‹ pop groups use amplifiers of ear-splitting power; feedback in place of melodic line; various electronic gadgets, such as reverbaration units, fuzzboxes, and oscillators; electronic generators to set up a powerful background hum; and unorthodox tunings« (Fryer 1967: 17). Trotz der ideologisch recht gut nachvollziehbaren Sprachregelungen und -abgrenzungen – Fryer berichtet etwa noch darüber, dass die englische Gegenkultur den Ausdruck underground als Medien-Etikett ablehnt und statt dessen lieber von the scene, the movement oder von the society spricht (ebd.: 7) –, die in positiv gewerteten Zusammenhängen den Begriff rock an die Stelle von pop setzen, kann Pop aber dennoch in bestimmten Kreisen der Hippies und der Gegenkultur einen guten Klang annehmen. Der Grund dafür liegt in dem überaus starken Einfluss, den die Theorien des Medienhistorikers und -philosophen Marshall McLuhan auf Künstler und Berichterstatter der Szene vor allem in den Jahren 1966/67 ausüben. McLuhan, der in amerikanischen Zeitschriften gerne als Pop-Philosoph bezeichnet wird, erregt in jenen Jahren nicht nur in den Medien und bei Unternehmensberatern oder Marketingleuten Aufsehen, sondern auch bei Avantgardisten der neuen Popkultur.

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Der kanadische Universitätsdozent McLuhan ist bereits in den 30er Jahren bei seinem Studienaufenthalt in Cambridge mit modernistisch gestimmten Theorien und literarischen Werken (von Joyce oder Wyndham Lewis) in Berührung gekommen, die Phänomene der vorher unbeachteten, weil geringgeschätzten Populärkultur als Untersuchungs- oder Spielmaterial nutzen. Von einem PopCult in Cambridge zu sprechen, wie Tom Wolfe dies in seinem Porträt von McLuhan tut (1968g: 145), ist allerdings viel zu hoch gegriffen. Einen indirekten Beleg dafür liefert McLuhans eigenes Buch The Mechanical Bride aus dem Jahr 1951, das zwar teilweise originelle Deutungen von Tageszeitungen und Werbeanzeigen bietet, grundsätzlich aber in gewohntem kulturkritischen Fahrwasser verbleibt. Erst mit seiner bedeutenden späteren Kernthese, dass ein Medium kein neutrales Transportmittel von auswechselbaren Inhalten ist, sondern in entscheidendem Maße selbst das Muster seiner Wirkung bzw. Anwendung und sogar die Basis der jeweiligen gesellschaftlichen Ordnung bestimmt, verlässt McLuhan nachhaltig den üblichen akademischen Diskurs über die bedenklichen Folgen der neuen Massenmedien. In seinem Buch The Gutenberg Galaxis (1962) benennt McLuhan Alphabetsprache und Buchdruck, die als Medien den Menschen auf einen Sinn und auf eine lineare Wahrnehmungs- und Denkweise festlegen, als den einen Grund für so verschiedene Dinge wie Spezialisierung, analytische Zerlegung, Mechanik, Nationenbildung, Wiederholung, Atomisierung, Nivellierung, Leidenschaftslosigkeit und kausale Erklärungen. Zugleich lässt McLuhan deutliche Sympathien für eine Lebensweise erkennen, die solcher Rationalität und Zivilisiertheit entgegensteht. Was wie eine weitere Version der altbekannten konservativen Gesellschaftskritik klingt, entpuppt sich jedoch als eine sehr überraschende Variation. Die Rückkehr zu ganzheitlicheren Formen und Lebensweisen konzipiert McLuhan nämlich gerade nicht als Rückfall hinter das Maschinenzeitalter; er sieht vielmehr in den neuen technischen Formen der Elektrizität den Garanten für eine Aufhebung westlicher Zivilisiertheit. Vor allem vom Fernsehen erwartet sich McLuhan eine Revolutionierung der westlichen Wahrnehmungs- und Lebensweise; skurrilerweise glaubt er, dass die mosaikartige, sich aus hellen und dunklen Punkten ergebende Netzstruktur des Fernsehens diese Revolution auslöse (1968: 365). In Understanding Media (1964) erläutert McLuhan solche Veränderungen nach dem von ihm konstatierten Ende des Gutenbergzeitalters ausführlich, wenn auch häufig aphoristisch zugespitzt und sprunghaft. Das Fernsehen, mit seiner körnigen Bildstruktur, erfordert nach McLuhans Auffassung in hohem Maße eine persönliche Beteiligung und Vervollständigung durch das Publikum. In einer derartigen gemeinhin als primitiv abqualifizierten »Beteiligung der Gesamtperson und ganzheitlichen Lebensentäußerung« sieht McLuhan gerade das »Avantgardistische« des neuen elektrischen Zeitalters (1995: 491, 52f.). In genau diesem Sinne feiert McLuhan auch den Twist und die reduzierte Bildsprache des Comic als dem neuen elektrischen Zeitalter angemessene kulturelle Formen, die nur Anhänger des Buchzeitalters als negative Ausprägungen der Massenkultur abstempeln könnten; tatsächlich sei vor allem eine amerikanische Populärkunst wie die der Comics ausgezeichnet geeignet dazu, uns die überlebte Spezialisierung und Passivität innerhalb der alten Gesellschaft des Buchdrucks vor Augen zu führen; darum würden die Comics auch von Intellektuellen von Picasso bis Joyce bewundert, die auf ihre Weise selbst mit der vornehmen Kunst abschlössen, weil

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diese bloß eine »Art Wiederholung der spezialisierten Akrobatik einer industrialisierten Welt« darstelle (ebd.: 52, 490, 256). Da McLuhan neben die Comics aber auch den Twist, den Cool Jazz, das Layout der neuen Magazine und manch anderes mehr stellt, das entweder kaum populär ist oder schon gar nicht in Reihen der Rock-Gegenkultur beliebt sein kann, verwundert McLuhans Status als äußerst avancierter Zeitgeist-Theoretiker Mitte der 60er Jahre nicht nur auf den ersten Blick. Freilich legt McLuhan nach, in Interviews und dann konzentriert in der bebilderten Instant-Fassung seiner Thesen The Medium Is the Massage (1967). In ihr firmieren immerhin die Beatles als Beispiel seiner Ansicht von der new mass culture als einer Kultur kreativer, engagierter, erst einmal vor allem jugendlicher Massenpublika, die sich in dem new technological environment, dem environment of popular culture unbefangen bewegen. Die Beatles stehen gleichfalls im Mittelpunkt einer seiner weiteren Ansichten vom notwendigen Ende der narrativen Form: Filme wie Hard Day’s Night seien nur durch die vorherige Gestaltung der television commercials mit ihren raschen, elliptischen Schnitten, abrupt zooms und no story lines möglich geworden (McLuhan/Fiore 1996: 114, 61, 22, 100, 128). Auch diese spärlichen Ausführungen zeugen jedoch nicht gerade von intimen Kenntnissen auf dem Gebiet der zeitgenössischen Pop- und Rockkultur. Nach Zeugnis von Richard Goldstein, der ihn für die New Yorker Village Voice porträtiert, äußert sich McLuhan sogar bewusst abfällig über die populären Typen und Vorkommnisse des underground (1970b: 80). All dies hindert aber Teile der Gegenkultur keinesfalls daran, in McLuhan ihren Visionär und Vordenker zu erkennen. Die offenkundige Ahnungslosigkeit McLuhans von ihrer Welt stößt sie nicht ab, sie bietet ihnen vielmehr die Möglichkeit und den Anreiz, seine allgemeinen Thesen auf ihre besonderen Vorlieben und Projekte zu beziehen. Dabei geht es ihnen nicht um genaue Beobachtungen zu den Auswirkungen technischer Neuerungen auf die populäre Musik, wie sie interessanterweise bereits bei konservativen Autoren zu finden sind; zu nennen ist hier vor allem Mooneys Hinweis, dass der weiche Gesangsstil des Crooners auf die Einführung von Mikrofon und Verstärker zurückzuführen sei (1954: 228ff.), und Rublowskys Einschätzung, der Einbruch des R&B und Rock ’n’ Roll in die Populärmusik erkläre sich nicht zuletzt aus der Einführung neuer, einfacherer Aufnahmegeräte, die es auch vielen kleinen Firmen ermögliche, Platten zu produzieren (1967: 101f.). Die Rhetoren der Gegenkultur bemühen sich hingegen um Überlegungen, die noch weiterreichendere, politische und lebenskünstlerische Zusammenhänge erhellen bzw. stiften sollen. Goldstein selbst, der Parteigänger des San Franciscoer rock underground, gibt dafür ein gutes Beispiel ab. Als einer der ersten intellektuellen Rockkritiker überhaupt, der seit 1966 eine Kolumne für die Village Voice unter dem Titel Pop Eye und schnell darauf auch Beiträge für die New York Times und Vogue verfasst, nutzt Goldstein früh McLuhans Medientheorie, um pop vom Ruch reiner Unterhaltung und künstlerischer Minderwertigkeit zu befreien. Die psychedelische Musik – er nennt recht orientierungslos u.a. Simon and Garfunkel, die Byrds, die Fugs, Lovin’ Spoonful als Protagonisten – dient ihm dabei im Juli 1966 allerdings nur als eines neben vielen anderen Beispielen (surf-sound, Motown sound etc.) für die Vielfalt der gegenwärtigen pop sounds bzw. des ebenfalls als Oberbegriff firmierenden rock ’n’ roll (2005: 219f.). Nachdem Goldstein aber über die

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dann auf sinnvollere Weise als psychedelisch klassifizierten Improvisationen z.B. Grateful Deads im Zusammenhang der Underground-Szene und der neuartigen Light-Shows schreibt, gewinnt bei ihm – wie schnell auch bei vielen anderen – McLuhans Idee des elektrisch hervorgerufenen, simultanen Einbezugs aller Sinne an Bedeutung. McLuhan sieht diesen Vorgang bereits durch das Medium Fernsehen gegeben: »In television there occurs an extension of the sense of active, exploratory touch which involves all the senses simultaneously, rather than that of sight alone.« Und noch euphorischer: »Television demands participation and involvement in depth of the whole being. It will not work as a background. It engages you« (McLuhan/Fiore 1996: 125). In Reihen der psychedelischen Gegenkultur setzt man jedoch keineswegs einfach auf das Fernsehen, sondern sieht in der ganzheitlichen Erfahrung, in die alle Sinne einbezogen werden und die einen weit aus der kontrollierten, spezialisierten Welt heraustreibt, eine große kreative, grenzüberschreitende Aufgabe. Die erste Lösung besteht darin, die Musik aus dem sauber abgetrennten Bereich der passiven Freizeitunterhaltung zu lösen. »The Music, art is not separate from life«, lautet der Imperativ bei Tuli Kupferberg, der ihn bereits durch die Lebensweise der Gegenkultur verwirklicht sieht. Er verdeutlicht das am Bild des radikalen Hippies, der durch die Musik die Schranken der Scham, der behaupteten Identität und des privaten Spiels überwindet: »He plays and/or listens to music everywhere. He will dance everywhere. He is not ashamed of his joy. His dance is a prelude to sex, or a celebration of his existence: not a substitute for sex, or a tease, or a ritualistic (unsatisfactory) discharge of sexual energy« (1968: 206). Die an McLuhan orientierten Hippies haben gegen diese Beschreibung sicherlich nichts einzuwenden, sie streben aber dennoch eine andere, zweite Lösung an, welche die Musik im Zusammenhang eines multimedialen Spektakels einsetzt, sei es, dass die psychedelisch anmutende Musik Grateful Deads zusammen mit einer Light-Show erklingt (Greenfield 1996; Wolfe 1968: 237ff.), sei es, dass ein größeres set und setting geschaffen wird, welches im Gegensatz zu Timothy Learys Konzept einer kontrollierten LSD-Einnahme (Leary/Metzner 1991) eher die vielfältigen, auch gefährlichen Dimensionen des trips weiter potenziert. Als Pionier solcher Spektakel darf der Schriftsteller Ken Kesey gelten, der sich auf seinem Anwesen ein vollkommen künstliches Gesamtkunstwerk erträumt, das sich aus vielerlei Reizen, Anregungen und Medien zusammensetzt: »Kesey has been trying to work out ... the fantasy ... of the Dome. This was going to be a great geodesic dome on top of a cylindrical shaft. It would look like a great mushroom. Many levels. People would climb a stairway up the cylinder [...] and the dome would have a great foam-rubber floor they could lie down on. Sunk down in the foam rubber, below floor level, would be movie projectors, video-tape projectors, light projectors. All over the place, up in the dome, everywhere, would be speakers, microphones, tape machines, live, replay, variable lag. People could take LSD or speed or smoke grass and lie back and experience what they would, enclosed and submerged in a planet of lights and sounds such as the universe never knew. Lights, movies, video tapes, video tapes of themselves, flashing and swirling over the dome from the beams of searchlights rising from the floor from between their bodies. The sounds roiling around in the

Underground und Pop | 205 globe like a typhoon. Movies and tapes of the past, tapes and video tapes, broadcasts and pictures of the present, tapes and humanoid sounds of the future – but all brought together now – here and now – Kairos – into the dilated cerebral cortex ...« (Wolfe 1968: 232f.).

Das Ganze bleibt nicht eine reine Vision. Bei Tom Wolfe, von dem diese Zusammenfassung und sicher auch kreative Ausgestaltung der Absichten Keseys stammt, und einigen anderen gibt es auch Beschreibungen, wie die entsprechenden Acid Tests zuerst auf Keseys Anwesen und später in größeren Veranstaltungsorten ausgesehen haben. Auf die große Kuppel nach dem architektonischen Vorbild Buckminster Fullers muss dabei verzichtet werden, einige Elemente können jedoch selbst mit bescheideneren Mitteln in eine künstliche Umgebung integriert werden, in die sich Keseys Besitz in den Hügeln vor San Francisco dadurch verwandelt: »There were loudspeakers placed out in the woods, all connected to a complex of tape recorders and microphones and electronic sound-synthezising equipment in the house. There were very peculiar things stuck randomly around the property, inside the house and out: human skulls, incomprehensible signs, grotesque ›Funk Art‹ collages of hair and bent pieces of wire and parts of baby dolls glued together. Many objects had been painted in the slightly poisonous pink and green shades of fluorescent Day-Glo paint. [...] Another, one of the ›thunder machines‹ that made sounds when struck, was in the shape of a woman strung with piano wire. To adjust the note, you pushed a knot located where her clitoris would be«. (Perry 2005: 14)

Was hier noch 1965 als die persönliche Vorliebe eines exzentrischen Künstlers erscheint, gehört kurze Zeit später bereits in Teilen zur Standardausrüstung einer avancierten Diskothek. Die Faszination des Konzepts bleibt nicht auf die Westküste und die Hippies beschränkt; in welch starkem Maße es sich durchsetzt, kann man sehr gut daran erkennen, dass sogar die ganz anders geartete, zugleich coole, ideologisch indifferentere und durch Amphetamin angetriebene (nicht durch LSD entgrenzte) Szene um Andy Warhol sich den multimedialen Environments verschreibt (vgl. Antin 1997: 290f.; Mekas 1971: 61). Richard Goldstein beginnt seinen Bericht über Warhols Multimedialokalität Dom Mitte 1966 in einem Ton, als sei das Spektakel dort bereits ganz gewöhnlich – »Mixed media. Lots of light. Noise enough to make your ears sing back. Blows the mind. Okay; a psychedelic discotheque« –, um dann aber doch rasch festzustellen, dass es sich nicht um einen durchschnittlichen rock-’n’-joint handle. Zu diesem positiven Urteil trägt die aggressive und befremdende Qualität der Darbietungen bei, deren sich der Besucher auf keinen Fall zerstreut entziehen kann. Angesichts des Stroboskoplichts schreibt Goldstein emphatisch, »electricity becomes a weapon of frontal assault«, und er zitiert zustimmend die Einschätzung John Cales, des Mitglieds der rock group Velvet Underground, die für den musikalischen Part sorgt: »There are beautiful sounds in rock. Very lazy, dreamlike noises. You can forget about the lyrics in most songs. Just dig the noise, and you’ve got our sound. We’re putting everything together – lights and film and music – and we’re reducing it to its lowest common denominator. We’re musical primitives.« Ganz mit den Worten McLuhans hält Cale fest, dass ihr Ziel das Ge-

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fühl vollkommenen Einbezogens sei (sense of total involvement), eine Bewusstseins- und Sinneserweiterung, die ohne die Hilfe der Droge auskommen kann; »we’re here to stimulate a different kind of intoxication«, formuliert Cale das Ziel: »The sounds, the visual stuff – all this bombarding of the senses – it can be very heady in itself« (Goldstein 1970c: 15, 17f.). Die schiere Intensität und der Umfang der sinnlichen Stimulation sollen hier für den bewusstseinserweiternden Unterschied sorgen; recht besehen (von diesen Protagonisten der Szene aber nicht erkannt) durchaus im Gegensatz zu McLuhans Idee, dass coole Medien, die man als Rezipient selbsttätig mit Bedeutungen auffüllen muss, für das benannte vollkommene involvement sorgen. Ganz auf der Linie McLuhans liegt allerdings die multimediale Kunst, mit Klängen (nicht mit durchgehenden Harmonien) und mit reinem Licht oder Filmprojektionen, die nicht direkt decodierbare Informationen enthalten, zu arbeiten (vgl. Grunenberg 2005), um dadurch einen offenen (Erfahrungs-)Raum zu schaffen, ein simultaneous happening, das den visuell einheitlich geordneten zugunsten eines »akustischen«, vieldimensionalen, unbegrenzten Raums verlässt (McLuhan/Fiore 1996: 63). Den psychedelischen Medienkünstlern ist zudem – wiederum grundsätzlich im Sinne McLuhans – der Abstand zu den segmentierten Unterhaltungsangeboten und Wahrnehmungsweisen wichtig, deshalb setzen sie auf eine Bombardierung mit Reizen, die über die gemäßigten Angebote der großen Unterhaltungsindustrie radikal hinausgehen. Diese Akzentsetzung ist nicht zuletzt auch deshalb wichtig, weil zur gleichen Zeit von ganz anderen Betreibern höchst umfassend die Klang-Beeinflussung von Supermärkten, HotelLobbys, Aufzügen, Büros und Arbeitsräumen mit den sog. Muzak-Klängen durchgesetzt wird. In einem seltenen Artikel über die anonyme Musik des Muzak im englischen Intelligenz-Blatt Encounter hält Kenneth Allsop zu Recht fest, dass die Interessen und die Verfügungsgewalt der Privateigentümer über die Ausgestaltung ihrer Räumlichkeiten eine neue, höchst erfolgreiche Musikform kreiert hätten; wenn man pop music als die Musik bestimmen würde, welche die meisten Hörer besitze, dann sei das weder R&B, Protestsong, Motown-Sound etc., sondern Muzak. Die Hersteller von Muzak legen sogar größten Wert darauf, dass ihre Klangteppiche radikal verschieden von der aktuellen Hitparaden-Musik, die freiwillige Hörer und Käufer und nicht allein Zwangsabnehmer findet, sind, weil sie gleichmäßig, ohne bewusst wahrgenommen zu werden, wirken sollen; starke Rhythmen, akzentuierte Klang- und Stimmeffekte störten da nur. Das Ziel ist, das Wohlgefühl der Hörer zu steigern, damit sie in alltäglichen Stresssituationen und vor allem in der als unabänderlich betrachteten Monotonie vieler Arbeitsabläufe sich als Käufer oder produktive Angestellte und Arbeiter bewähren. Allsop berichtet ausführlich über die Absichten der Muzak-Schöpfer und -Auftraggeber, er schildert die Messungen, mit denen sie die Wirkungen ihrer Klangstrecken überprüfen (»increase in stimulus value«, »making work seam easier und time pass faster«), als Essayist lässt er es sich aber natürlich nicht nehmen, selbst die Muzak-Atmosphäre bewusst zu stilisieren und einzuschätzen: »Muzak now seeps vapour-like through every cranny of urban life. It is the twilight-sleep gas that pervades the atmosphere wherever human beings congregate. It is a plasma of pacification« usf. (Allsop 1967). Wichtig ist dabei vor allem aber, dass Allsop auch nicht darauf verzichtet, das aktuelle Modewort aus der Kunst- und Theorieszene auf seinen Ge-

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genstand zu übertragen. Tatsächlich ist der Transfer in hohem Maße angemessen; wie sollte man in Anbetracht der Allgegenwart von Muzak auch nicht von einem Muzak environment sprechen? Die gezielt auf Systemerhalt, Beruhigung, unterbewusst manipulativ wirkende Steuerung zielende MuzakKlanglandschaft muss deshalb einen strengen Widerpart in denjenigen finden, die mit ihren Environments vollkommen andere Absichten verbinden. Eine Identität oder auch nur Nähe von Muzak und Avantgarde-Kunst oder Rock-Bombardement können sie selbstverständlich nicht entdecken. Objektiv gesehen gibt es aber sehr wohl ein Problem der Abgrenzung; es besteht darin, dass auch die Environments der Acid-Künstler und Pop-Artisten oftmals eine ähnlich umfassende Dimension aufweisen wie die der Muzak-Anbieter. Besser gesagt, die Umgebungskreationen der Avantgardisten sind noch viel umfassender angelegt. Vielleicht kann man daran bereits auch einen qualitativen Unterschied ausmachen: Die groß angelegte Manipulation wird zumindest durch ihre Penetranz und Heftigkeit offen gelegt. Es scheint fast so, als wollten die Avantgardisten mit ihren künstlichen Räumen, die viele Sinne zugleich ansprechen, bewusst machen, dass hier eine Einwirkung vorliegt. Dies geht von den die Pop-art expandierenden Environments und dem Happening als Theatre of Mixed Means (Kostelanetz 1970) bis zu ganz ausdrücklich an McLuhan ausgerichteten elektrischen Hippies, die das alte Theater in eine Stätte radikal moderner »totaler Erfahrung« verwandeln wollen: Das Theater der linearen, narrativen Abläufe sei im Zeitalter des Fernsehens endgültig überholt, dekretiert etwa ein Manifest im Berkeley Barb, die heutige Kunst müsse verschiedene Kanäle bereitstellen, müsse auch als Theater durch multi-media-Inszenierungen fusions and hybridizations, overlappings and interactions erzeugen, um ein total environment aufzubieten (Broughton 1968). Das geht noch viel weiter zu großen architektonischen Plänen, mit denen die Grenze zwischen Wohnzelle und Außenwelt oder Arbeit und Spiel tendenziell aufgehoben wird. Spätestens an dem Punkt kann man den angestrebten Unterschied zu Environments wie denen der Muzak-Hersteller oder zu separierten Freizeitstätten wie denen Disneylands erkennen; die Entgrenzung und Steigerung der Umgebungskonstruktion soll zugleich zu einer Entgrenzung und Steigerung der Handlungsspielräume führen. Der Drang zur vollkommenen Beteiligung führt die Environment-Planer zu dem Versuch, künstliche Orte zu schaffen, in denen man weit mehr als eine harmlose Ablenkung erfährt. Pate steht hier die situationistische Avantgarde, für die entsprechende urbanistische Großprojekte die umfassende Bedingung für ein spielerischintensives Leben sind (vgl. Sadler 1998). Die Situationisten treibt der Bezug von total entgrenztem Plan und vollkommener Freiheit zu solch einer angestrebten kompletten Aufhebung von Arbeit und Freizeit. Das große Ziel, Kunst und Leben zu verschmelzen, indem künstlerische Techniken nicht in den Dienst, Werke zu schaffen, sondern vor die Aufgabe gestellt werden, die Voraussetzungen für aufregende Situationen zu bereiten, treibt in der Theorie zu den größten Visionen, die stets im Namen anarchischer Zwanglosigkeit kursieren. In der Pop-Variante situationistischer Maximen bleibt die Idee, dass die in großem Stil geplanten Umgebungskonstruktionen zugleich einen enormen Freiheitsspielraum entbinden, ebenfalls erhalten (s. zuerst Price 1984a). In der Pop-Architektur der 60er Jahre geht es oft sogar zentral um die mediale Veränderlichkeit der Erlebnisräume. Das dem Zufall unterworfene Spiel der

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Reize und die allseits entfaltete Eigentätigkeit verblassen aber auf dem Papier häufig unwillkürlich, weil sie von der Anziehungskraft bestimmter Designobjekte überstrahlt werden. Die Architekten der Archigram-Gruppe etwa konzipieren nach ihrer Plug-in City eine Instant City, in der man mit elektrischem Licht, Klängen, Projektionen, events und veränderlichen pneumatic structures unterschiedliche environments und damit auch Situationen hervorbringt (Cook/Crompton/Herron/Archigram Group 1969; vgl. Sadler 2005). Besonders fasziniert ist Archigram von der Möglichkeit, Räume durch Projektionen zu schaffen; Peter Cook zeigt sich 1966 begeistert von einem »living room that could simulate by colour, sound, or projected images, any atmosphere one required simply by throwing a switch« (zit. n. Whiteley 2002: 216). Die Eingriffsmöglichkeiten der Nutzer sind dadurch nach Einschätzung Archigrams ungemein stark berücksichtigt worden; die Multiplizierung der Wahlmöglichkeiten, die Abschaffung festbetonierter Strukturen, die offen gelegte, flexible menschliche Selbstkonditionierung gehört zu ihren wichtigsten Anliegen (Archigram 1972; Webb 1972; Cook/Crompton/Herron 1972). Eine Kritik an solcher Freiheit, einen Schalter umzulegen, um dann von verschiedenen vorgefertigten Bildern und Tönen umgeben zu werden, dürfte jedoch leicht möglich sein. Jene Passivität und Entfremdung, die viele Kulturkritiker als Wirkung des Fernsehens beklagen, müssten sie in Archigrams Environments sicherlich in gesteigerter Form vermuten (vgl. Sadler 1998: 132ff.), selbst wenn Archigram durch die Überführung der festen Architektur in wechselnde Projektionen und vorübergehende, nomadische Zustände auf der anderen Seite einiges in Bewegung setzt, um den Eindruck einer einseitigen Steuerung aufzulösen. Oft scheint das allerdings nicht einmal notwendig. Bezeichnend für den historischen Moment ist, dass eine ganze Reihe von Leuten, die man eigentlich auf der Seite der Kritiker antreffen sollte, ihrerseits für eine kurze Zeit der Pop-Faszination erliegen. Sogar eine bekannte, frühe Landkommune, Drop City aus Colorado, setzt sich zum Ziel, ein total living environment zu schaffen, indem sie sich keineswegs nur natürlicher Mittel bedient. »Droppers make movies«, heißt es überhaupt nicht archaisch an einer Stelle ihrer Projektbeschreibung, »flickering TV beauties with all the subliminal delights of pulsating Coke ads« (Wagner 1968: 232, 234). Die durch chemische Drogen veränderte Innenwelt gebiert auch in der Hippie-Rhetorik große architektonische Visionen; im Hippie-Organ Oracle steht solch ein Plan unter der Überschrift Environment for Expanded Awareness (Smith 1991). Die sich in der Szene schnell durchsetzende Verknüpfung von LightShows, Filmprojektionen und Rockmusik legt es ebenfalls nahe, manche Aufführungen, Pläne und Räume im Gegensatz zu jenen Happenings und Environments, die mit kargen, ärmlichen Materialien oder menschlichexpressiven Gesten auskommen, als Pop-Phänomene zu bezeichnen; auch die Vehemenz des Angriffs auf die verschiedenen Sinne trägt dazu bei. In seinem Evaluating Media betitelten Grundsatzpapier (angelehnt natürlich an McLuhans Understanding Media) spricht Richard Goldstein 1966 über »the sights and sounds which bombard us perpetually in the name of pop« (2005: 220); im gleichen Jahr bezeichnet Newsweek in seiner ausführlichen Story of Pop die happenings – »where music, dancing, movies, everything happens at once and assaults all the senses« – mit Lawrence Alloway als »min-pop«, fügt aber gleich an, dass es dank der Warhol-Show im Dom vielleicht möglich sei, dass

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solche multimedialen Simultanereignisse und Anschläge auf den Sinnenapparat bereits den Status von full-scale pop einnehmen; die Redaktion ist sich in dem Punkt bereits sicherer als der Autor Benchley, im Vorspann zu dem Artikel steht bereits ganz ohne Einschränkung in einer Liste der Dinge, die pop ausmachten, neben Batman und dem no-bra bra-Dress u.a.: »It’s Andy Warhol’s new nightclub, The Plastic Inevitable, where three movies flicker simultaneously and a man lifts barbells to a rock beat« (Benchley 1997: 152, 148). Wenigstens der Begriffsgebrauch verändert sich aber nach 1966 zunehmend, das hängt vor allem mit den ab 1967 oft artikulierten und übernommenen Subversionsabsichten des lebenskünstlerischen Undergrounds zusammen, für den »Pop« oftmals zu stark nach der kapitalistischen Konsumkultur klingt. Der bekannteste amerikanische Anhänger McLuhans innerhalb der Hippie-Gegenkultur, Chester Anderson (vgl. Hinckle 1982: 216ff.), möchte z.B. sogar über die Musik hinaus die ganzheitlichen, simultaneistischen Prinzipien als rock verstanden wissen. »Group participation, total experience and complete involvement« sind für ihn die Grundkriterien von rock; auch wenn McLuhan keine direkte Kenntnis davon habe, lasse sich rock in seiner Gesamtheit, als Lebensweise (way of life), hervorragend mit den positiv gedeuteten Merkmalen, die nach McLuhan das neue elektrische Zeitalter auszeichnen, beschreiben: »Synthesis and synaesthetica; non-typographic, non-linear, basically mosaic and mythic modes of perception; involvement of the whole sensorium; roles instead of jobs; participation in depth; extended awareness; preoccupation with textures, with tactility, with multisensory experiences – put ’em all together and you have a weekend on Haight Street«, glaubt Anderson, der diese Zeilen im Januar 1967 veröffentlicht, also noch vor der Einnahme San Franciscos im Sommer durch jugendliche Ausreißer, Touristen und Medien. Abgrenzungen zur Massenkultur hat Anderson jedoch frühzeitig genug vorgesehen; »rock is handmade, and only the fakes are standardized«, lautet solch eine Doktrin. Eine andere, etwas weniger traditionelle Bestimmung läuft auf die Trennung der bereits an sich wertvollen Rockmusik von Showelementen hinaus, die aus der Sicht Anderson allzu harmlos und kommerziell geraten, darunter fällt auch das von anderen Anhängern McLuhans hoch gelobte Stroboskop: »By itself, without the aid of strobe lights, day-glo paints and other subimaginative copouts, it [rock] engages the entire sensorium« (1968: 63). In vielen weiteren Schriften der Szene trifft man auf denselben Begriffsgebrauch und dieselben Annahmen (s. etwa Bromell 2000: 74). Mit allen seinen Einschätzungen kann sich Chester Anderson aber nicht durchsetzen; vor allem seine Abwertung des Stroboskops bleibt zunächst ohne Resonanz. Jene Intensität, die auch die Light-Shows versprechen, geht für viele andere Beobachter sehr gut mit der schieren Wucht des Klangs zusammen, den die elektrisch laut verstärkte Gitarrenmusik erzeugt und der die Hörer genauso umfängt wie das desorientierende Licht. Albert Goldman hält darum im April 1968 kategorisch fest: »To experience the Age of Rock full-blast and to begin to grasp its weird complexities, one can’t do much better than spend a Saturday night at The Electric Circus, the most elaborate discothèque in New York.« Die gigantische Diskothek beschreibt Goldman sowohl mit dem Vokabular McLuhans als auch dem Wilhelm Reichs, um auf die Art und Weise eine Verbindung zwischen der coolen und der energetischen Dimension des Rock-Zeitalters herzustellen: »The total-environment discothèque is princi-

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pally an attempt to capture and concentrate, as in a giant orgone box, the multiple energies of rock« (1982: 343, 345). Letztlich siegt bei solchen Kombinationen aber fast immer die Rhetorik der Intensität; der Einbezug des RockAnhängers in die Medienwelt wird weniger im Sinne McLuhans als aktive, ergänzende Handlung, sondern viel stärker als orgiastische Überwältigung, als ekstatisches Aufgehen geschildert: »Once inside, the spectator moves along a corridor bathed in ultraviolet light in which every speck of white takes on a lurid glow, climbs a steep staircase, and passes through a dark antechamber. Here the young sit packed together on benches and, already initiated into the mysteries beyond, stare back at the newcomer with glazed, indifferent expressions as though they had been sitting there for days. Then, suddenly, there is a cleft in the wall, and the spectator follows the crowd pressing through it into a gigantic hall that suggests a bleached skull. Its dark hollows are pierced by beams of colored light that stain the walls with slowly pulsing patterns and pictures: glowing amoeba shapes, strips of home movies, and giant mandalas filled with fluid colors. The scream of a rock singer comes at one, the beat amplified to a deafening blast of sound. [...] Magnetized by the crowd, impelled by the relentless pounding beat of the music, one is then drawn out on the floor. Here is a feeling of total immersion: one is inside the mob, inside the skull, inside the music, which comes from all sides, buffeting the dancers like a powerful surf. Strangest of all, in the midst of his frantic activity, one soon feels supremely alone; and this aloneness produces a giddy sense of freedom, even of exultation«. (Ebd.: 343f.)

Der von außen kommende Prophet des Rock-Zeitalters Albert Goldman modelliert seine Erfahrungen, nachdem er zum ersten Mal in das Innere des Sound- und Licht-Environments hineingezogen worden ist, zu einem beträchtlichen Teil nach älteren Vorgaben. Goldmans Rock-Ekstase ist zwar von jener coolen Indifferenz, die einigen Pop-art-Künstlern zugeschrieben wird, weit entfernt, dafür liegt sie aber sehr nahe an einer älteren Fassung der Populärkultur, nämlich der kritischen Rede über die bindungslose, atomisierte, schließlich jedoch durch unwiderstehliche verführerische Reize versammelte Masse. Deshalb ist es besonders bemerkenswert, dass sich bei Goldman der eminent kritische Grundton der Rede über die Massenkultur verliert. Die Rock-Ekstase der medial umfangenen, dennoch einsamen Masse kommt bei ihm mit einer Pop-Affirmation überein, zu deren Beschaffenheit es ebenfalls gehört, auch die manipulativeren, spektakulären Anteile der Popkultur ins positive Licht zu setzen und sie nicht gleich kulturkritisch zu verdammen. Umgekehrt darf dann aber die scharfe Kritik traditionellerer Liberaler und Linker, aber auch situationistischer Avantgardisten an solch einer RockKonzeption, die den Pop-Eskapismus geradezu auf die Spitze treibt, nicht ausbleiben. Früh warnt bereits Vance Packard bei einer Diskussion der Forschungen Timothy Learys in Cambridge und Millbrook vor einer Verhaltenssteuerung, die durch elektrische und chemische Stimulation perfektioniert werden könnte (1964: 293). Am konsequentesten fällt die Absage an die Konditionierung und Scheinfreiheit, der man in den umfassend gesteuerten multimedialen Einrichtungen unterworfen werde, bei den englischen Situationisten aus. Um eine Form der Gegenkultur handelt es sich für sie keineswegs, sondern vielmehr um einen Versuch, die weiter vorherrschende Re-

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pression durch Pseudo-Beteiligungen und umfassende, ablenkende Reize zu überdecken. In der neuen künstlerischen Organisation dieser Reize können sie sogar nichts als eine Form noch perfekterer Steuerung erkennen; die Differenz von Muzak und psychedelischer Diskothek, von Disneyland und PopArchitektur schrumpft nach ihrem kritischen Urteil allenfalls auf einen graduellen Unterschied zusammen: »Cop art, cop artists. The whole lot moves towards a fusion of forms in a total environmental spectacle complete with various forms of prefabricated and controlled participation. It is just an integral part of the all-encompassing reforming of modern capitalism. Behind it looms the whole weight of a society trying to obscure the increasingly transparent exclusion and repression it imposes on everyone, to restore some semblance of colour, variety and meaning to leisure and work, to ›organise participation in something which is impossible to participate‹. As such, these artists should be treated the same way as police-state psychiatrists, cyberneticians and contemporary architects«. (English Section of the Situationist International 2000: 66)

Gemessen an ihrem eigenen Ideal vollkommen entgrenzter anarchistischer Freiheit können den Situationisten die neuen jugendlich wie künstlerisch dominierten Freizeitmöglichkeiten nur als Täuschung vorkommen. Die unter dem Zeichen von Rock und Happening angestrebte Lebenssteigerung in dafür bereitgestellten, separaten Räumen erscheint ihnen als Ablenkung von den aus ihrer Sicht wirklich intensiven Situationen, die mit dem Verlangen nach einer vollständigen revolutionären Umwälzung einhergehen. Die eingeschränkten Möglichkeiten der Eigenaktivität und Teilhabe beweisen für sie, dass es sich bloß um Maßnahmen handelt, die weiter bestehende Repression zu verschleiern. Das total environment, in der sie nichts als eine vollkommene Manipulation erblicken, wird bei ihnen ersetzt durch eine Totalkritik, die jede Arbeitsteilung und soziale Differenzierung als Moment der Unterdrückung identifiziert. Wenn die ekstatischen Momente der Rockkultur für einen traditionelleren Linken bloß irrationale Rauscherfahrungen und politisch ruhigstellende Kompensationen darstellen, bilden sie für die Situationisten passive Reaktionen auf verordnete Reize. Die Anhänger des Rock-Undergrounds teilen solche Kritiken, allerdings selbstverständlich nur in abgeschwächter Form, sonst wäre ja ihre Überzeugung von der gegenkulturellen Bedeutung bestimmter ekstatischer Momente der Musik gegenstandslos. Ihr eigener kritischer Ansatz besteht darin, graduelle Abschwächungen und Vereinnahmungen anzuzeigen; der Abstand von Rock und easy listening ist nach ihrem Urteil aber so groß, dass beispielsweise eine Muzak-Version eines Rock-Stücks mit dem Original kaum noch etwas gemein hätte. Einen ganz prinzipiellen Anstrich gewinnt ihre Kritik aber erst dann, wenn sie als Kritik an der sog. Kommerzialisierung formuliert wird. Das mag auf den ersten Blick verblüffen, ist doch jeder Warentausch in einer arbeitsteiligen Gesellschaft, in der Güter nicht allein für den eigenen Gebrauch hergestellt, sondern über einen Markt verkauft werden, von Rentabilitätsgesichtspunkten bestimmt. So gesehen, zeigt eine fortschreitende Kommerzialisierung nur an, dass sich mehr Abnehmer für ein Produkt finden lassen – und gegen eine Vergrößerung ihrer Anhängerschaft sollten die gegenkulturellen

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Kräfte keine Einwände haben, möchte man meinen. In dem Sinne argumentiert etwa Robert Shelton 1966 in der New York Times, der den Gegnern Dylans aus dem Folk-Lager vorwirft, ihr Einwand gegen den kommerziellen appeal des folk-rock sei allzu puristisch, da alle Künstler das Recht hätten, mit neuen Formen neue Hörerschichten zu erreichen (1966: 21). Die striktesten Vertreter der kritisch gemeinten Rede von der Kommerzialisierung lehnen diese Argumentation aber als naiv ab. Ihr Gegenargument lautet, dass die Warenform dem Produkt nicht äußerlich bleibe, ein Argument, dass sich 1968 sogar in neugegründeten, rasch auflagenstarken, Marktpreise verlangenden Magazinen wie dem Rolling Stone regelmäßig wiederfindet, die den Wert der Rockmusik gerne an ihrer unkommerziellen, authentischen Form bemessen (etwa Gleason 1968; Landau 1972a). Die Kommerzialisierung zeigt für sie automatisch eine Abschwächung oder gar Zerstörung des ästhetischen und politischen Gehalts an. Es ist eine Ironie der Theoriegeschichte, dass dieses Argument in seiner ausgeprägtesten Form von einem Verächter der Jazz- und Beat-Musik, von Theodor W. Adorno begründet worden ist. In dem Aufsatz Über den Fetischcharakter in der Musik und die Regression des Hörens aus dem Jahr 1938 weist Adorno mit Nachdruck auf den seiner Ansicht nach mittlerweile alles durchdringenden Charakter der Warenwelt hin: »Daß ›Werte‹ konsumiert werden und Affekte auf sich ziehen, ohne daß ihre spezifischen Qualitäten vom Bewußtein des Konsumenten noch erreicht würden, ist ein später Ausdruck ihres Warencharakters«, hält Adorno als seine Grundthese fest. Der Tauschwert habe den Gebrauchswert bereits soweit verdrängt, dass die Konsumenten weitgehend ihren Geschmack an dem fänden, was erfolgreich ist; was sich auf dem Markt bewährt, bekommt ihre (natürlich nur noch scheinbar) ästhetische Zustimmung; der (erste) Erfolg erzeugt dadurch die nachhaltige Popularität und bestimmt den Zuschnitt des Marktes und seiner Produkte (1973: 25f.). Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg, lautet das entsprechende Bonmot der Unterhaltungsindustrie. Der von Marx postulierte Fetischcharakter der Ware, den Adorno auch an der Ware Kunstwerk durchgängig entdeckt, zeigt sich nach Adornos Einschätzung aber keineswegs allein an der »affektiven Besetzung des Tauschwerts«, die sich schlechthin an allen, beliebigen Marktführern erweisen müsste. Adorno nimmt vielmehr an, dass der Fetischismus zu einer ganz bestimmten Auswahl dessen, was in einer kapitalistischen Tauschgesellschaft überhaupt erfolgreich sein kann, führt. Der musikalische Fetischismus liegt für ihn im Bereich der klassischen Musik etwa in der Bevorzugung ›großer Stimmen‹, im »Kultus der Meistergeigen« und der hervorgehobenen Stellung des Dirigenten. Man sieht an den Beispielen, dass Adorno sein prinzipielles Argument tatsächlich ernstnimmt und den Warencharakter der Kunst nicht bloß an Produkten der Populärkultur erläutert. Allerdings kommen Letztere der Fetischisierung nach Meinung Adornos insofern stets entgegen, als sie bereits von vornherein lediglich aus standardisierten Effekten bestehen, die nicht erst aus einem sinnvollen (keineswegs zwanghaften) Formganzen isoliert werden müssen, wie das z.B. geschehe, wenn aus einer BeethovenSinfonie einige Themen, Partien und Einfälle als »sinnliche Reize« in zersetzender Manier herausgenommen oder betont würden. In der »populären Musik«, im »Schlager« und beim »kommerziellen Jazz« bestehe im Unterschied zur »oberen Musik« gar keine Notwendigkeit zur »Dekomposition«; hier ge-

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be es überhaupt nichts mehr zum Zerlegen. Die standardisierten Formen der populären Musik, fasst Adorno abschließend zusammen, »sind bis auf die Taktzahl und die exakte Zeitdauer so strikt genormt, daß beim einzelnen Stück eine spezifische Form überhaupt nicht in Erscheinung tritt. Die Emanzipation der Teile von ihrem Zusammengang und allen Momenten, die über ihre unmittelbare Gegenwart hinausgehen, inauguriert die Verschiebung des musikalischen Interesses auf den partikularen, sensuellen Reiz« (ebd.: 26, 22f., 32, 27, 47, 37). In solchen besonderen Momenten erkennt Adorno gerade keinen Einspruch gegen einen totalitären Zwang, sondern nur dessen Bestätigung; in der Isolierung stumpften die Reize besonders ab, sie gäben lediglich »Schablonen des Anerkannten« ab. In auch politisch positivem Sinne überlebe die »Verführungskraft des Reizes« bloß da, wo die »Kräfte der Versagung« am stärksten wirkten – in der Dissonanz. Alle anderen »sensuellen Reizmomente« tragen für Adorno hingegen in höchstem Maße zum Erhalt des bestehenden schlechten Ganzen bei, zu jenem vollkommen durchgesetzten Fetischismus, der in der Warentauschgesellschaft waltet (ebd.: 18, 23f.). Adorno wiederholt all diese Kritikpunkte über Jahrzehnte hinweg, zuletzt in einer Besprechung aktueller Klassik-Aufnahmen Ende 1968. Immer wieder macht er dabei deutlich, dass seine Ansichten nicht dem Versuch entspringen, soziale Ungleichheit durch den Vorrang des ästhetischen Geschmacks einer Bildungselite zu begründen. Es wäre eine »schulmeisterliche Anmaßung«, wiederholt er auch 1968 sein Verdikt, das »Recht auf Unterhaltung zu bestreiten und eine widerwillige Bevölkerung mit Kultur vollzustopfen«. Dennoch besteht er darauf, dass die Unterhaltung objektiv das Unrecht der gegenwärtigen gesellschaftlichen Zustände nur verlängere: »Daß in einem Zustand, in dem die Menschen, während die Technik ihr Leben ihnen erleichtern soll, allerorten sich überfordert fühlen und für die widrige Arbeit, zu der nach wie vor die Verhältnisse sie nötigen, eine Entschädigung suchen«, sei zwar eine richtige Diagnose. Wahr bleibe aber auch, dass die Unterhaltungsprodukte solche Entschädigung nicht gewährten, sondern insgeheim nur die Monotonie der Arbeit nachbildeten; sie böten bloß einen schlechten Ersatz für das »den Menschen sonst Verweigerte«, dies erweise sich schlagend an der »subalternen, unwahrhaftigen und brüchigen Qualität eines Materials, das Kultur nur noch posiert, der Unterhaltung wegen jedoch zugleich verdrängt und verhöhnt« (1968: 206). Erneut zeigt Adorno die mangelnde Qualität keineswegs nur an Stücken auf, die gemeinhin der populären Musik zugerechnet werden. PotpourriPlatten klassischer Melodien und Sätze zählen für ihn ohnehin nicht zur ernsten, sondern zur unterhaltenden Musik: »Was E war«, kann durch die fetischistische Praxis »U werden«. Zwar wollten die Anhänger solcher sog. »gehobener Unterhaltung« unbedingt den kulturellen Schein wahren und sich dadurch den Hörern der »U-Musik, der Schlager und nun des beat geistig und sozial überlegen dünken«, tatsächlich passe sich aber das Repertoire der Klassik-Bestseller mit »leicht faßlichen Oberstimmenmelodien, einfachsten rhythmischen Schemata, eingeschliffenen Gefühlsgesten« den Hörern genauso willfährig an wie die U-Musik. Selbst in Werkeinspielungen ernster Musik bemerkt Adorno den Hang zum »glamour«, zu »einem primitiven Begriff von Buntheit«, zum »Packenden und Pompösen«, das die kompositorische Binnenstruktur überdecke. Als Beispiele dafür nennt Adorno u.a. Beethoven-

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Aufnahmen von Artur Rubinstein und Herbert v. Karajan: Rubinsteins Interpretation der Klavierkonzerte würde dem Publikum durch eine leichte Überdehnung der Gesangsthemen schmeicheln; und Karajan verhülle konsequent »das Rätselhafte durch Wohllaut« (ebd.: 200ff.). Man kann sich leicht ausmalen, um wie viel drastischer Adornos Urteil ausgefallen wäre, wenn er sich Platten der Beatles oder Jefferson Airplanes zugewandt hätte. Innerhalb der studentischen Neuen Linken, die zwar nicht unmittelbar politisch, jedoch von der Attitüde her der Gegen- und Rockkultur verbunden ist, kann deshalb Adornos Urteil nicht unwidersprochen bleiben, wenn man dort auch die politökonomischen Einschätzungen zum Fetischcharakter der Ware und zur falschen Verdrängung des Gebrauchs- durch den Tauschwert grundsätzlich teilt. In der New Left Review etwa hält man es für eine Widerlegung Adornos, dass die popular music durch den Rock ’n’ Roll authentische Wurzeln im R&B und die neuen Beat-Gruppen durch ihr Zusammenspiel und ihren solidarischen Zusammenhalt eine größere Autonomie gegenüber den Instanzen des Managements und der Plattenfirmen besäßen; beide Belege sollen zeigen, dass Formen der modernen Populärmusik der Standardisierung durchaus widerstrebten (Beckett 1966: 89f.). Sogar in der gängigen Rede jener Jahre über die Rockmusik ist fast immer ein Argument enthalten, das einen der zentralen Kritikpunkte Adornos entkräften könnte. Die Entkräftung besteht einfach in einer Verlagerung der Kritik auf andere Bereiche der Populärmusik. Dass die meisten Rockmusikhörer Adorno-Exegeten gewesen wären, scheidet als Grund dafür selbstverständlich aus; vielmehr bringt die Abgrenzung gegenüber der Popmusik regelmäßig das Argument von der unkommerziellen Ästhetik des Rock hervor. Es ist aufschlussreich zu beobachten, in welchem Maße die prinzipielle Abneigung gegen eine kommerzielle Ausrichtung von einer anfänglichen Kritik der Rockmusik zu ihrer Verteidigung fortschreiten kann. Anfällig für den Vorwurf der Kommerzialisierung ist die als rock bezeichnete Musik von Beginn an selbst, weil sie populär ist. Mit Dylan, noch einmal gesteigert durch seine Interpreten (vor allem die Byrds), tritt der auch ökonomisch erfolgreiche Charakter des folk-rock gleich zutage. Die nahe liegende Verteidigung der neuen Richtung besteht darin, einen Zusammenhang zwischen Popularität und künstlerischer Minderwertigkeit zu bestreiten. Robert Shelton hält in seinem Artikel zur Folk-Rock Rage im Januar 1966 den Folk-Puristen vor, ihre Meinung, hit-chart popularity stelle einen untrüglichen Beweis für compromise and poor quality dar, sei naiv und belege bloß ihre Entfremdung von den masses of young American music-listeners (1966: 21). Dass die Annahme aber zumindest nicht naiv genannt werden darf, hätte man spätestens seit Adornos Ausführungen wissen können. Eine weitere Verteidigung der neuen Rockmusik gegenüber dem Vorwuf der Kommerzialität berücksichtigt denn auch genau den Kritikpunkt, der für Adorno von großer Bedeutung ist – die kritische Einschätzung, nach der die Warenform auch die Kultur bereits so weit durchdringe, dass die Konsumenten ihren Geschmack durch den Erfolg eines Stücks bestimmen ließen und somit die ästhetischen Qualitäten mit dem Tauschwert verwechselten. Der junge Begründer der ersten Rock-Zeitschrift Crawdaddy!, Paul Williams, begegnet dem Vorwurf auf eine einfache Weise (die Adorno natürlich keinesfalls überzeugt hätte), indem er ihn für die Popmusik reserviert. »Rock ’n’ Roll, or the big beat, or whatever clumsy term we want to use, is a musical

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idiom quite apart from what is selling at the moment, i.e., quite apart from pop music«, heißt es kategorisch in der vierten Ausgabe von Crawdaddy! im August 1966: »Money and popularity serve as important influences on the field, inevitably; but they aren’t in control.« Mit dieser Überzeugung kann Williams vollkommen beruhigt auf die Top 100 charts blicken; sie hätten mit dem Rock ’n’ Roll praktisch nichts zu tun, dekretiert Williams, obwohl sich die von ihm gerühmten Songs der Byrds, der Beatles, der Stones doch sogar an der Spitze der Charts befinden. Wenn es darum ginge, Adorno zu widerlegen, könnte sich Williams folglich auf das eigene Beispiel berufen; er kann offenkundig ästhetischen Wert vom Tauschwert unterscheiden, sein Credo lautet: »The important influences on the field are not, per se, the people who sell a million records. The important influences are those people who are creative, imaginative« (2002b: 39). Einige Monate später, nachdem sich in Crawdaddy! inzwischen der Begriff rock für die Musik solch »kreativer« Künstler durchgesetzt hat, wiederholt Williams in einer Besprechung des von ihm als großartig empfundenen ersten Albums der Doors seine scharf geschnittene Konzeption; rock unterscheide sich fundamental von der Popmusik, weil rock geradezu den Maßstab zeitgenössischer, moderner Musik bilde, der die direkteren Qualitäten der Folk-Musik (straighforward words, guitar, voice) durch einen viel weniger über textliche Botschaften laufenden, umfassenderen appeal ersetze: »Rock, because of the number of senses it can get to (on a dance floor: eyes, ears, nose, mouth, and tactile) and the extent to which it can pervade those senses, is really the most advanced art form we have« (2002c: 166, 170). Im Widerspruch zu dieser sinnlich entgrenzten Kunst-Behauptung steht freilich, dass die emphatische Rock-Berichterstattung auf ganz traditionelle, buchstäbliche Mittel zurückgreift. Grundsätzlich neu kann die ausführliche Rezensionspraxis der ersten Rockmusikmagazine ihren Begründern nur deshalb vorkommen, weil sie sich von der bis dahin üblichen der Teenagermagazine erheblich absetzt. Das Editorial zur ersten Ausgabe von Crawdaddy! bezieht seinen Impetus genau aus dem Anspruch, mehr über die Musik auszusagen als die teen magazines, die sich zwar auch dem Rock ’n’ Roll verschrieben hätten, aber darauf beschränkten, eine Reihe von Superlativen in die Bildlegende unter eine Starfotografie zu pressen (Williams 2002d: 10). Eine feuilletonistische Methode übernimmt die wortlastige Rockkritik dabei, die Technik, das aus Sicht vieler Vertreter der Hochkultur noch niedrig stehende Genre durch Vergleiche mit angesehenen Künstlern zu adeln. Im Stammbaum der Gruppe The Byrds, die laut Hit Parader (Juli 1965) die Ersten gewesen seien, welche die Stücke Dylans in das pop field überführt hätten, stehen keine Geringeren als Bach (wegen des Kontrapunkts), Ravi Shankar (wegen des Sitarspiels) und John Coltrane (wegen seines streams of sound); ideologischer Ankerpunkt der verblüffenden Zusammenstellung sind die Beatles: »They were aware of Bach and Chuck Berry at the same time«, lautet die konsequente Begründung, die mit der auffordernden Feststellung »They brought rock and roll to a place serious musicians could go to« endet (Anonymus 1965a: 8). Crawdaddy! argumentiert hingegen weniger beflissen. Zwar veröffentlicht bei ihnen Richard Meltzer Auszüge aus seiner universitären Arbeit The Philosophy of Rock (1987; 2002a), in der es von Verweisen auf Platon, Nietzsche, Joyce etc. nur so wimmelt, doch wird diese ohnehin bereits viel

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weniger gewöhnliche Art der Reverenz an einigen Stellen durch Meltzers Manier gebrochen, die Ähnlichkeitensuche in eine dadaistisch-unsinnige Unterschiedslosigkeit zu überführen, wie er sie vor allem in einem 1967 veröffentlichten Artikel zu Jimi Hendrix zelebriert: »Cage and Stockhausen might not really wanna play tennis with Rauschenberg, but Jimi Hendrix wouldn’t mind eating Marianne Faithful. Are unknown tongues (units of change, awe, mere awe, taxonomic urgency) still possible? Sure, but they might just be about as significant as bottle caps. Bottle caps might be significant however too. The world is music but what is music, but what is the world too. And monism pluralism monism pluralism too too« usw. (2002b: 221). Der exzentrische Meltzer bleibt aber eine Ausnahmegestalt, die freilich auf ihre forcierte Weise den Willen der frühen Rockkritik anzeigt, sich von der bisher gängigen Berichterstattung über Popmusik zu unterscheiden. Die anderen Beiträger von Crawdaddy! lösen diesen Anspruch bereits einfach durch die Länge ihrer Artikel ein, für die es auch im Feuilleton der großen Tageszeitungen noch keine Entsprechung gibt. Wie ernst man die Rockmusik nimmt, beweist die Ausführlichkeit, mit der man sich einzelnen Stücken und Platten widmet. Diese Ernsthaftigkeit dokumentiert sich aber natürlich auch in den qualitativen Kriterien; die meisten Wertungen ergehen nach Maßgabe kreativ-expressiver Ansprüche. »The San Francisco rock scene continues«, muss das Urteil dann lauten, »churning out new sounds, capturing experiences and setting up new expression« (Sculatti 2002: 87). Zwei Unterströmungen sind dabei zu unterscheiden, eine Richtung, die sich als authentisch, vital ausgibt und einen starken Bezug zum r&b und zum straight rock einfordert, repräsentiert etwa durch Jon Landau (später Apologet und Produzent von Bruce Springsteen), der z.B. die Stones gegen die Doors ausspielt – »I would probably like the Doors better if they had learned how to play hard rock or the blues before trying to do what they’re doing now. They didn’t, and as a result their music sounds to me like it exists in a void« (Landau 2002: 234; auch Landau 1972b) –, und eine zweite Richtung, die im Wesentlichen den abstrakteren, wiewohl sinnlich-umfassenden Charakter bewusstseinserweiternder Klänge betont: Light My Fire von den Doors als accumulated instrumental kineticism (Williams 2002c: 167), das Sergeant Pepper-Album der Beatles als monument of rock (total involvement of a circus, als the dawn after a trip; McNeill 2002: 219), der rock sound der Byrds als Grundlage für einen Bewusstseinszustand, der eine direkte Kommunikation ermöglicht, welche die Grenzen der Sprache überspringt (Pearlman 2002: 107). Auch der zweite zentrale Vorwurf Adornos gegen die U-Musik – dass sie dem allgemeinen Fetischcharakter der Ware durch ihre Aufsplitterung eines sinnvollen Ganzen in standardisierte Einzelteile besonders entgegenkomme – wäre dadurch für die Rockmusik gegenstandslos geworden. Adorno hätte das sicherlich anders gesehen, für die junge Rockmusikkritik jedoch stellt die aus ihrer Sicht erwiesene umfassende Gestalt des Rocksounds einen überzeugenden Beweis dar, in welch hohem Maße sich Rock als Kunstform von der auf Erfolg und Konsum beschränkten Popmusik unterscheidet. Sandy Pearlman etwa (später Manager und Produzent von Blue Öyster Cult) erkennt in den Rockstücken der Byrds und der Yardbirds eine hohe »organische Qualität« (ebd.: 103), Jon Landau in der Musik der Beatles, Stones und Who »eine gewisse Ganzheit« (2002: 234). Angesichts dieser Argumentation wird nun endgültig verständlich, weshalb selbst dezidiert kommerzielle Unternehmen

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wie die Zeitschrift Rolling Stone als Propagandisten einer authentischen Rockmusik auftreten und derart stark den Wert des Unkommerziellen betonen können: Sie konzentrieren den Vorwurf auf die Popmusik und sehen die Rockmusik im Kern davon verschieden; ihre Kritik kann sich darum darauf beschränken, die unreinen, verwässerten, aber eben nicht wesentlichen Ausprägungen des Rock anzuprangern. Das kann aber auch innerhalb der Rockmusikkritik nicht das letzte Wort gewesen sein. Die Absetzung von der Popmusik mit Hilfe der Unterscheidung kommerziell/unkommerziell (kreativ) fordert geradezu die Überlegung heraus, ob nicht auch einmal kreative und authentische Formen sich verbrauchen und eingefangen werden könnten – und ob dies nicht nur korrumpierte, abgefallene Teile betreffe, sondern sogar die Rockmusik in ihrer Gesamtheit. Es kennzeichnet jene Strömungen der Rockmusikanhänger, die sich von der Musik und damit verbundenen Lebenspraxis einen auch politisch eminent wichtigen Widerstand gegen die herrschenden Werte versprechen, nach einer ersten Aufbruchseuphorie solche Überlegungen immer wieder anzustellen. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist Richard Goldstein, der seine journalistische Karriere 1966 damit begründet, als Kritiker den Beweis zu führen, dass pop mehr ist als bloße Unterhaltung, weil es »guten, sogar künstlerischen Rock ’n’ Roll« gebe (2005: 220). 1967 scheint der Nachweis bereits überhaupt nicht mehr ausdrücklich nötig zu sein, im mittlerweile gebräuchlichen Terminus rock kommt das auch bei ihm nun ohne weitere Erklärung mit zum Ausdruck. Als neues Problem stellt sich aber schnell die Frage, ob der rock underground seine vitale Kraft behalten kann. Einerseits glaubt Goldstein, dass vor allem die in einer spezifischen Szene beheimateten, sich in der Improvisation und beim Live-Auftritt bewährenden Gruppen aus San Francisco ein radikales Gegenmodell zur easy listening-Musik darstellten, die künstlich am Reißbrett und im Studio konzipiert und produziert werde. Andererseits sieht er aber auch, dass die auffällig abweichenden Gruppen schnell zum Objekt einer Berichterstattung werden, die auf der stetigen Suche nach neuen, vom Normalen unterschiedenen Motiven den underground medial aufsaugt und in kurzer Zeit ge- und verbraucht: »No sooner is a low-rent, low harassment quarter discovered than it appears in eight-color spreads on America’s breakfast table. The need for the farther-out permeates our artistic involvement. American culture is a store window which must be periodically spruced and re-dressed.« Angesichts dieser Lage meint Goldstein sogar, dass es in der gegenwärtigen Kultur nichts Fragileres, Bedrohteres gebe als den underground: »The new bohemians needn’t worry about opposition these days; just exploitation. The handwriting on the wall says: preserve your thing« (1970b: 114). Im historischen Moment Anfang 1967 zeigt sich Goldstein jedoch zuversichtlich; er registriert zwar, dass die jungen Zuhörer Grateful Deads und anderer Rockgruppen der Bay Area längst nicht mehr nur den Boheme-Vierteln entstammen; weil er aber von der Kraft und Ausstrahlung dieses underground überzeugt ist, sieht er in der Verwandlung jener hip-Attitüde, die eine ausdrücklich rebellische Haltung signalisiert, zum Stil der Jugend San Franciscos schlechthin keine Gefahr. Selbst eine noch viel weitergehendere, zukünftige Verwandlung der Szene, ihre Überführung in den amerikanischen Mainstream, ist für Goldstein nicht ohne spekulativen Reiz. »It will be fascinating to watch the Fillmore become the Radio City Music Hall of pop mu-

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sic«, schreibt er gegen Ende seines Artikels (ebd.: 119). Paul Williams, der Begründer der ersten Rockzeitschrift, zieht angesichts der überaus schnell ansteigenden Auflage seines eigenen Blattes und des Erfolgs vieler von ihm gefeierter Rockgruppen die emphatische Schlussfolgerung, dass bei weiter steigenden Käufen von LPs durch die Rockfans die Plattenfirmen und Radiostationen noch wesentlich stärker die Sache der Rockmusik befördern müssten. Emphatisch ist die vollkommen richtige Vorhersage des Käufer- und Herstellerverhaltens, weil er sie in bezeichnende politische Metaphern kleidet: »A few months ago, no one – ’cept maybe us – expected the Doors or the Airplane to have quite that much success. Now, comes the revolution; and I think that we’ve already won« (Williams 2002e: 192). Dahinter steht bei vielen weiteren Autoren (und bei Williams und Goldstein wahrscheinlich zum Teil ebenfalls, wenn auch unausgesprochen) die Überzeugung, dass die Hippie-Haltung zwar eine antipolitische Einstellung beinhaltet, man aber die Verweigerungsgesten der Hippies auch der Politik in ihrer Gesamtheit gegenüber nicht mit einer objektiv unpolitischen oder gar reaktionären Attitüde verwechseln dürfe. Die Idee, dass einem Angriff auf die herrschenden Werte und Verhaltensnormen zentrale Bedeutung zukomme, macht diese Überzeugung möglich. Sie nährt zudem in starkem Maße die Hoffnung, die neue Rockmusik werde schnell und umfassend auf den Lebensstil der enorm rasch anwachsenden Menge übergreifen und dadurch eine große politische Wirkung entfalten. 1966, in einem frühen Artikel für eine Zeitschrift der Neuen Linken, Ramparts, stellt Ralph Gleason noch besonders Bob Dylan als entscheidenden Bezugspunkt einer New Youth heraus, die von der sie umgebenden Gier und Unehrlichkeit der erwachsenen Welt abgestoßen werde (1972: 180f.). Das Feld der Einflüsse weitet sich aber in den Augen gegenkultureller Protagonisten rapide aus. Ellen Willis nennt in Cheetah 1967 British Rock als einen Grund für die Entwicklung der teen culture hin zu einer weniger oberflächlichen, stärker an der Boheme orientierten Jugendkultur (»less superficial youth culture with semi-bohemian tastes«; 1972: 231). Sandy Darlington spricht im März 1968 in der San Francisco Express Times der amerikanischen Rockmusik nach 1965 eine noch umfassendere, den Hörer tiefgreifend verwandelnde Wirkung zu; die Musik stelle weit mehr als bloße Unterhaltung dar, weil sie einem eine andere Art zu leben unwiderstehlich nahe bringe: »Week after week we go inside the music, and as they play and we listen and dance, the questions and ideas slowly germinate in our minds like seeds. ... This music is more than entertainment. It describes and helps us define a way of life we believe in« (zit. n. Bromell 2000: 75). In einem anderen Artikel zwei Monate später, im Mai ’68, sieht Darlington diese umwälzende Wirkung auch auf die neue Generation übergreifen; riesige Scharen von 15-, 16-jährigen white kids, die sich vor einem Jahr noch mit den Monkees, den frühen Beatles oder den Herman’s Hermits abgelenkt hätten, ließen sich nun von den Grateful Dead, the most intense band around, mitreißen; it blew everybodys mind, begeistert sich Darlington in seinem Bericht zu einem von fast zehntausend Leuten besuchten Festivalauftritt der Grateful Dead, »it’s incredible and hypnotic as if the music was happening inside you« (1970: 373). Die zu dem Zeitpunkt bereits hinlänglich bekannten Formeln von der durchschlagenden, das Bewusstsein und die Lebensweise befreienden Wirkung der Rockmusik stehen aber seit gut einem Jahr auch innerhalb der Sze-

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ne nicht mehr unwidersprochen da. Die enorme Popularität der Rockmusik unter den Jugendlichen gibt einem anderen Teil nicht nur Anlass zur Freude, wie sehr sich bereits der kulturelle Angriff auf die Werte und Lebensformen der noch bestehenden Gesellschaftsordnung ausbreitet. Angesichts einer keineswegs versteckten oder stets besorgten Berichterstattung in den Illustrierten, angesichts der Aktivitäten großer Unterhaltungskonzerne stellt sich für diesen Teil der Szene die Frage, ob die Publizität und Verbreitung der Rockmusik nicht auf einen Ausverkauf hinausläuft. Die Antwort, dass die Rockmusik trotz ihres Erfolgs mit der kommerziellen Popmusik nicht vergleichbar sei, weil sie (wie auch ihre Rezeption) wesentlich stärker von künstlerischen, kreativen, ganzheitlichen Werten geprägt werde, überzeugt sie nicht. Sie wähnen in der Kommerzialisierung vielmehr (genau wie Adorno) eine alles durchdringende negative Kraft, der sich innerhalb der kapitalistischen Tauschgesellschaft auch vermeintlich sinnvolle Anliegen nicht entziehen können, wenn sie für einen anonymen Markt aus Profitgründen in Warenform gefasst werden. Auch Richard Goldstein, der kurz zuvor noch in allererster Linie den Kunststatus mancher Rock ’n’ Roll-Gruppen und die Lebendigkeit des rock underground hervorgehoben hat, betont im Lauf des Jahres 1967 die unausweichlichen, fatalen Konsequenzen des Erfolgs. In einem Artikel über Timothy Leary und zwei Multimedia-Künstler, die sich McLuhan verschrieben haben, liefert Goldstein einen Abgesang auf die psychedelische Bewegung; die acid art werde das gleiche Schicksal erleiden wie die pop art; das betrifft nach Goldstein aber keineswegs nur das kleine künstlerische Segment mit seinen speziellen Gesetzen, sondern auch die ausgeweitete Rockkultur; die zeitweilige Verbannung des acid-rock aus dem Radio sei bloß das Vorspiel für seine Verwendung durch die Werbemedien; die angestrebte Subversion im Inneren der Massenkultur (subverting mass culture from the inside) scheitere an dem Vereinnahmungspotenzial der kommerziellen Anbieter (1970e: 106). Der entscheidende Wertungsakzent an dieser bekannten Einschätzung ist natürlich, dass die beschriebene Entwicklung nicht als begrüßenswerter Fortschritt wahrgenommen wird, der anzeigt, in welch hohem Maße das Profitstreben einzelner Unternehmen eine Produktion und Verbreitung von Gegenständen fördert, die ihre eigene kapitalistische Grundlage in Frage stellen – und genauso wenig wird die Entwicklung als Beweis für die liberale Verfassung des Staates präsentiert, der sogar Meinungen und Kulturgüter zulässt, die sich selbst als subversive Mittel gegen die herrschende Ordnung verstehen. Zum einen ist der kritische Tenor der besagten Einschätzung auf die politische Ablehnung der liberalen Gesellschaft zurückzuführen. Charakteristisch für den westlichen Liberalismus ist, dass er die private Sphäre und individuelle Entscheidungsmöglichkeit gegenüber staatlichen Institutionen oder gesellschaftlichen Gruppen bzw. deren religiösen, sexualmoralischen u.a. Ansprüchen schützen möchte – und zum anderen, dass er die private Verfügungsgewalt über das Eigentum ebenso unangetastet lassen will wie das Prinzip indirekter, repräsentativer Demokratie. Gegen genau all das richtet sich der Einsatz der radikalen Antiautoritären. Ihre Agitation wider manche konservative oder reaktionäre Position läuft darum keineswegs auf eine liberale Haltung hinaus. Was sie wollen, ist nicht eine Wahlfreiheit zwischen

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Produkten, politischen Parteien oder bestimmten privaten Lebensformen, sondern eine ganz bestimmte Gesellschaft ohne feste familiäre und hierarchische Strukturen, ohne fixierte Eigentumstitel und individuelle Entscheidungsbefugnisse, mit allgemeinen Partizipationsmöglichkeiten auch in den Bereichen der Ökonomie und der konkreten politischen Gesetzgebung (vgl. Hecken 2008a). Zum anderen ist die antiliberale Stoßrichtung der Auffassung geschuldet, dass liberale Errungenschaften, wie etwa vergrößerte Wahlmöglichkeiten im Felde der Kultur und der Konsumgüter sowie im Rahmen der eigenen Lebensführung, bloß Scheinfreiheiten seien. Hinter Herbert Marcuses viel zitierter Formel von der »repressiven Entsublimierung« verbirgt sich genau diese Einschätzung; vor allem am Beispiel der Sexualität möchte sie belegen, dass eine Lockerung sexualmoralischer Verbote keineswegs automatisch zu einer Versöhnung von Lust, Spiel und befriedigender Arbeit führen muss, sondern, wie in den 60er Jahren schon gut zu beobachten sei, zu einer Sexualisierung der Öffentlichkeit, die ganz im Sinne moderner Konsum- und Leistungsimperative liege (Marcuse 1989: 94; eine ’68er-Version davon liefern z.B. Jaffe/Dohrn 1970). Für jene Fraktion, die in der Rockmusik und der Lebensweise der Hippies einen wichtigen Angriff auf die aus ihrer Sicht maßgeblichen lustfeindlichen, repressiven Werte und Leistungsanforderungen erkennt, hat diese Feststellung beträchtliche Konsequenzen, weil sie ihre Überzeugung von der großen politischen Bedeutung der Rockkultur massiv bestreitet. In Reihen der Frankfurter Schule hat Max Horkheimer bereits frühzeitig darauf verwiesen, dass die Auflösung der bürgerlichen kulturellen Werte und Ordnungen von der Wirtschaft selbst betrieben werde (1977: 359); Soziologen wie Riesman haben in den 50er Jahren den Verfall der festen protestantischen Moral zugunsten des außengeleiteten Charakters beschrieben und Marketingfachleute wie Ernest Dichter den hedonistischen Bruch mit dem konservativen Arbeitsethos zum Wohle des Wirtschaftswachstums sogar ausdrücklich gefordert. Die an Marcuse geschulte Neue Linke nimmt nun diese Argumente auf, um sie zu einer scharfen Kritik an den lustfreundlichen Bestrebungen in Reihen der Gegenkultur zu nutzen. Für sie bilden viele antiautoritäre Bestrebungen gar keinen Gegensatz zur zeitgenössischen Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft: Die moderne, an der Konsumsteigerung ausgerichtete Ökonomie benötige nun gerade hedonistischere und zugleich flexiblere, auf wechselnde Reize reagierende, immer wieder neu manipulierbare Charaktere, nicht mehr den puritanischen Menschen, der an den väterlich-autoritär eingepflanzten Pflicht- und Tugendidealen um ihrer selbst willen festhält (Habermas 1968: 83; Böckelmann 1987: 34ff.; Horn 1969: 334ff.). Auch auf die Rock-Szene bezogen finden sich 1968 natürlich schnell Varianten der kritisch gemeinten Diagnose; der Erfolg der Rockgruppen sei keineswegs automatisch ein Anzeichen für einen gesellschaftlichen Umschwung, heißt es dann, ihre Popularität beweise in Wirklichkeit eher die Unerschütterlichkeit des vordergründig nun weniger unnachgiebigen Status-quo; die guten ChartsPlatzierungen zeigten keinen wahrhaften Wandel an, sondern viel eher »a preservation of the status-quo through its own determination to be flexible« (Goldstein 1970f: 181). Den vielen jungen, gerade an den Formen der neuen Rockkultur interessierten Anhängern der Protestbewegung wird so bedeutet, dass sie mit ihrer

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Herausforderung konservativer Eltern, Lehrer, Vermieter, Professoren, Feuilletonisten eigentlich nur überlebte Generationen treffen würden, deren rigidere, puritanische und autoritäre Vorstellungen und Verhaltensmuster bereits der kapitalistisch-liberalen Zersetzung ausgesetzt seien und darum ohnehin bald vergessen wären. Der Rock- und Underground-Szene wird zudem vorgehalten, dass ihre auffälligen Abgrenzungen, Reizsteigerungen und hedonistisch-nonkonformistischen Lebensentwürfe der kapitalistischen Konsumkultur, die stets auf Innovationen und Distinktionen angewiesen sei, attraktive, kommerziell hochgradig nutzbare Vorlagen für jeweils neue, modische Produkte lieferten. Die San Franciscoer Gruppe der Diggers, die in Haight-Ashbury mit provokanten Aktionen und zugleich in der Funktion einer Art alternativer Heilsarmee schnell bekannt wird, stellt diese Dialektik der Befreiung bereits 1966 heraus. Das vollkommen unterschiedliche Aussehen und die abweichende moralische Auffassung des zeitgenössischen hipsters verdecke bloß dessen weitgehende Übereinstimmung mit der Lebenshaltung des middle-class man. Genau wie dieser strebten die Hipster aber tatsächlich nach persönlichem Erfolg und materiellem Wohlergehen; ihre Abneigung gegen rigide soziale Normen und konformistisches Verhalten befördere solche Lüste, die mit der consumer society tatsächlich sehr gut in Einklang stünden, sogar beträchtlich. Der Hipster sei darum geradezu der Inbegriff des entgrenzten Erfolgs; er verknüpfe »highest material pleasure with a total lack of commitment to middleclass humanism«. Den neuen Humanismus der Flower-Power-Hippies malen die Diggers darum in höchst sarkastischer Manier aus; der Hipster füge sich entgegen seiner eigenen Absichtserklärung ausgezeichnet ins Marktgeschehen ein: »He is a man who sings about the evils of the world, the beauty of touch, the delicacy of flowers, and screams systemicide from beneath a satin pillow while margining profits into war economies and maintaining his comfort on a consumer level of luxury« (Metesky 1968: 52). Die Diggers ziehen aus der Diagnose für sich die Konsequenz, sich vollständig dem Konsum und dem Kaufakt zu verweigern, gleichzeitig organisieren sie sogar für andere kostenlose Nahrung und Kleidung. An ihrem Beispiel sollen sich natürlich auch die anderen orientieren. »Love isn’t a dance concert with a light show at $3 a head«, heißt es an die Adresse der Hippies gerichtet (ebd.). In der Hippie- und Rock-Szene wird es in den nächsten Jahren auf der ideologischen Ebene überhaupt keinen Widerspruch dagegen geben, immer wieder ergeht an Veranstalter die Aufforderung, freie Konzerte anzubieten, immer wieder werden die großen Plattenfirmen äußerst kritisch betrachtet; die Wendung gegen alles Kommerzielle zählt zu den grundlegenden Maximen fast jeden Rockmusikhörers; eine ungemein große Zahl jüngerer Leute bringt auf dem Wege ihre systemkritische Haltung zum Ausdruck. Trotzdem hindert das kaum jemanden von ihnen, sich die Platten ihrer Favoriten von Jefferson Airplane bis Jimi Hendrix zu kaufen, die allesamt auf großen Labels erscheinen. Den Weg der Diggers geht die weit überwiegende Mehrheit nicht mit, Kaufaskese üben die wenigsten. Ebenso wenig machen sich die meisten die Beobachtung der Diggers zu eigen, nach der die nonkonformistische Haltung der Hipster den Konsum sogar besonders antreibe, weil sie auf eine nie abbrechende Hervorbringung neuer, relativ abweichender Haltungen (und damit auch modischer Produkte) hinauslaufe.

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Stattdessen begibt sich die Mehrheit der Rockmusikanhänger immer weiter auf die Suche nach der absoluten Differenz, auf die Suche nach den Formen, die mit der bestehenden Ordnung definitiv unvereinbar sind. Die Radikalkritik, wie sie in verschiedener Weise und auf teilweise unterschiedlichen Gebieten von der Frankfurter Schule, von den Situationisten und den Diggers vorgebracht worden ist, wird von ihnen dabei stets genutzt, aber nur in einer abgeschwächten Variante. Die Kritik an der Kommerzialisierung, am Konsumcharakter des Rock dient ihnen allein dazu, schlechtere von besseren Formen der Rockmusik und der an ihr ausgerichteten Szene zu trennen, immer in der Hoffnung, dass die von ihnen behaupteten guten Beispiele mit beträchtlichen gegenkulturellen Wirkungen einhergehen. Gut kann man das erneut am bekanntesten Kritiker jener Tage, an Richard Goldstein zeigen. Obwohl Goldstein bereits 1967 die starke Absorbierungskraft von Marketing- und Unterhaltungsindustrie betont bzw. beklagt, zieht er keineswegs sofort die Konsequenz, sich von der Rockmusik zu verabschieden. Weiter betreibt er das kritische Geschäft, in Rezensionen die nach seiner Ansicht zu kommerziellen, zu harmlosen, zu stark von vornherein verwässerten Richtungen anzugreifen. Negativ beurteilt er in dem Sinne 1968 nicht nur pflichtgemäß die Wiederkehr der conventional pop ballad Tin Pan Alleys (1970f: 184f.), sondern darüber weit hinausgehend auch das Konzept der aus technisch ausgezeichneten, bereits bekannten Musikern zusammengesetzten rock-supercombo (1970g: 169) sowie den art-rock der Moody Blues und Vanilla Fudge. Solcher »progressive« rock (dazu zählt er mittlerweile noch die Doors) stelle einen viel zu großen Kompromiss mit dem liberalen Establishment dar; von den Beatles, den golden boys of pop, dürfe man ohnehin keine weitergehende Radikalität erwarten (1970h: 176; 1970f: 181f.). Stattdessen schließt sich Goldstein Mitte 1968 dem Trend, der zurück zum R&B weist, an; von ihm erhofft er eine stärkere politische Durchschlagskraft. Es sei unvermeidlich, schreibt Goldstein, dass der amerikanische rock underground sich wieder dem Blues zuwende. Als Beispiele dafür, als Anführer fungieren weiterhin weiße Rockgruppen; Goldstein zieht dem weißen Album der Beatles Beggar’s Banquet von den Stones vor, besonderes Lob gilt jedoch den MC 5 und ihrer militanten Einstellung, die sich nicht nur verbal, sondern auch musikalisch beweist. »We much prefer the MC 5 and their open hostility to all that is ›gentle‹ in rock«, heißt es im Plural. Zu diesem Kollektiv gehören wohl auch jene hip radicals, die Goldstein bei der Besetzung der Columbia-Universität kennen gelernt hat und die ihm noch einmal deutlich gemacht haben, dass die Popularität und der kommerzielle Erfolg der Rockmusik keineswegs automatisch mit politischem Fortschritt einhergehe: »During the ›summer of love‹ that market value was viewed as evidence that the New Order was breaking through. But young activists have taught us all that the charts do not necessarily reflect genuine change«, notiert Goldstein, um zwei Seiten später eine vermeintlich radikalere politische Rock-Ästhetik zu skizzieren, die von der Abneigung der MC 5 gegen psychedelische Light-Shows ausgeht: »As heroes of the new, down rock, the MC 5 reflect that distrust – so central to current youth culture – of the ornate, the educated, and the efficient« (ebd.: 181ff.). Im Umkehrschluss drängt sich deshalb das Lob ihrer ekstatisch-rohen Musik auf. Für Goldstein ist der Live-Charakter der Musik wichtig; für ihn wie für viele andere auch hat sich der Unterschied von der Rock- zur Popmu-

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sik ab 1964 wesentlich darin erwiesen, dass es nicht mehr wie im Popbereich das Szenario von singendem Star und einem anonymen Klangkörper gibt, die beide von Managern, Komponisten, Musikverlag im Hintergrund gesteuert werden; das Zusammenspiel, die Gleichberechtigung innerhalb der Rockgruppe schien den Gegnern der alten Pop-Maschinerie Tin Pan Alleys ein guter Ansatzpunkt zu sein, sich gegen die ökonomischen Anforderungen und Marketing-Manipulationen der Firmen zur Wehr zu setzen. Die Aussage »the MC 5 come on live and whole« bildet deshalb ein hochgradig positives Werturteil. Im strikten Gegensatz dazu muss die sich nach seiner Beobachtung nun durchsetzende Tonstudio-Ästhetik der Rockmusik Goldstein zuwider sein, weil er damit eine Glättung und Aufspaltung des zuvor intensiven Zusammenspiels der Rockgruppe verbunden sieht: »The primacy of the recording studio, coupled with an abundance of stereo home equipment, has resulted in a compartmentalization of the rock experience. Today’s solos – even when they are improvised – sound diagrammed, as though the ebb and flow of energy were being fed through channels« (1970i: 138). Das entscheidende Wort zur Beschreibung und Hochwertung der ganzheitlichen, aggressiven Rockmusik ist damit bereits gefallen – energy. Der Wortführer und Manager der MC 5, John Sinclair, gebraucht den Ausdruck ebenfalls an zentraler Stelle; im White Panther State/meant vom 1. November 1968 bezeichnet er das Konzept der MC 5 als high-energy guerilla rock and roll (1972: 104). Der Blues- und Free Jazz-Anhänger Sinclair gebraucht den Begriff schon länger, im bekannten Hippie-Organ Oracle spricht er von der Musik des Tenorsaxofonisten Pharaoh Sanders emphatisch als dem »sound of meat energy screaming to come out, through the body, to you«. Im gleichen Artikel kündigt er bereits die MC 5 als energy-movement an, als Verkörperer kreativer Energie, die sich gegen die herrschenden Kräfte der Zerstörung richte. »The MC-5 is love«, schließt Sinclair seine Betrachtungen im Februar 1967 (1991: 120). 1968 verzichtet er dann auf die Flower-Power-Rhetorik, die Berufung auf die Energie aber bleibt. Genutzt werden soll die Rock-Energie im Sinne eines totalen Anschlags auf die herrschende Kultur (total assault on the culture). Das Gegenprogramm der cultural revolution ist ebenso kurz wie deutlich: »Our program of rock and roll, dope, and fucking in the streets is a program of total freedom for everyone.« Viel mehr als eine Absichtserklärung ist das Programm für Sinclair deshalb, weil bereits jetzt der Underground-Lebensstil für viele Jugendliche von größter Attraktivität sei: »We represent the only possible contemporary life-style in America for its kids«. Die grundsätzliche Bereitschaft zur Rebellion sei vorhanden, nur die Richtung müsse den Jungen noch vorgegeben werden. Die energetische Rockmusik dient genau dazu, die Populärkultur auf erfolgreiche Weise zu subvertieren, ist sich Sinclair sicher: »Rock and roll music is the spearhead of our attack because it’s so effective and so much fun. We have developed organic high-energy guerilla rock and roll bands who are infiltrating the popular culture and destroying millions of minds in the process« – wobei Zerstörung in diesem Zusammenhang die Revolutionierung der jugendlichen Hörer meint (1972: 103f.; vgl. Waksman 1998). In Sloganform bringt Sinclair bei seiner Verklärung des Rock ’n’ Roll vier zentrale gegenkulturelle Überzeugungen zusammen; sie alle belegen im Ziel der antiautoritären Revolte die Nähe zur Neuen Linken, zugleich aber

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auch die merkliche Kluft zu deren traditionelleren politischen Mitteln und Angriffspunkten. Übereinstimmungen können sich immer dann ergeben, wenn die Neue Linke besonders spontaneistisch und voluntaristisch argumentiert und agiert; im Laufe des Jahres 1968, mit der stärkeren Orientierung der Neuen Linken an kommunistischen Doktrinen, weitet sich die Kluft jedoch aus. Sinclairs kurz gefasste vier Topoi der Gegenkultur stellen darum bereits unausgesprochen ebenfalls scharfe Abgrenzungen von der politischen Linken dar: Erstens die Rede von der Bewusstseinserweiterung, die sozioökonomische Determinanten einfach übergeht; zweitens die Betonung des sinnlichen Aspekts der Revolte; drittens die hervorgehobene Bedeutung von Lust und Spaß; viertens der starke Bezug zur populären Kultur, die Hoffnung auf ihre Subvertierung, auf die mögliche subversive Nutzung der bestehenden Massenmedien. Zusammengebunden und öffentlich propagiert worden sind die Punkte in den USA vor allem von den Yippies. Der fun in der spektakulären Aktion, die Absicht, Schlagzeilen in den Illustrierten und Boulevardzeitungen zu machen, und die Richtung gegen die theoretische Begründung hin zum sinnlichen Rock ’n’ Roll prägt die Vorgehensweisen und Verlautbarungen der Boheme- und Underground-Akteure der Yippies (Hoffman 1970a: 65; Rubin 1970), zu deren bekanntesten Vertretern Jerry Rubin, Abbie Hoffman und Ed Sanders (Mitglied der Fugs und dirty speech-Literat) zählen; zu ihren Aufsehen erregendsten Aktionen gehören die Nominierung eines Schweins zum Präsidentschaftskandidaten und der Abwurf von Dollar-Scheinen auf die New Yorker Broker der Wall Street. Zum Parteitag der regierenden Demokraten in Chicago im August 1968 möchten die Yippies die Geburt des freien Amerika zelebrieren, rock music soll selbstverständlich ein zentraler Bestandteil des Festivals sein (Anonymus 1971a). »There are 500,000 of us dancing in the streets, throbbing with amplifiers and harmony«, so die optimistische Vorhersage: »A new spirit explodes in the land, things are bursting in music, poetry. dancing, newspapers, movies, celebration, magic, politics, theatre, and lifestyles« (Anonymus 1971b). Eine Verwechslung mit den Hippies ist dennoch ausgeschlossen, der provokante Tenor der Yippies sorgt hier für Abhilfe; zu den angekündigten amüsant-aggressiven Aktionen gegen die Demokratische Partei bzw. die National Death Party zählt etwa die Anbetung des Schmutzes (»filth will be worshipped«) und die konsequente Erregung öffentlichen Ärgernisses (»there will be public fornication whenever and wherever there is an aroused appendage and willing aperture«; Anonymus 1971a). Die Konfrontation wird auf die Art und Weise ausdrücklich gesucht, mit der herausgeforderten Gewalt rechnet man, wie Abbie Hoffman in seiner Rede im Lincoln Park in Chicago mit tödlichem Ernst deutlich macht (»that’s the thing about doin’ that guerilla theatre. You be prepared to die to prove your point«; 1970b: 363). Der gewalttätige Einsatz der Polizei gegen die Demonstranten im Park beweist, dass die Maxime Hoffmans keine rhetorische Übertreibung darstellt. Dieses militante Szenario überfordert selbst die Solidarisierungsbereitschaft der 1968 fast durchweg politisierten Rockgruppen. Die einzige Gruppe, die in der bedrohlichen Kulisse des Lincoln Parks wagt aufzutreten, sind bezeichnenderweise die MC 5 (vgl. Farber 1988). Auch für Richard Goldstein stellen die Ereignisse in Chicago einen Wendepunkt dar. Goldstein befindet sich unter den Demonstranten, die erst-

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malige Erfahrung, der staatlichen Gewalt ausgesetzt zu sein, trägt zu seiner Radikalisierung bei. Vor Chicago, hält Goldstein fest, habe er nicht den Unterschied zwischen dem guerilla theater und der realpolitik of Broadway gesehen, nun bestimmen aber Aufbegehren und Wut seine Wahrnehmung (1989a: 137). Folgerichtig sortiert Goldstein in einem weiteren Artikel unmittelbar nach Chicago auch die Musikszene neu. »How long since a rock song blew your mind«, fragt er sich und den Leser; die Antwort fällt ernüchternd aus, kaum dass die Rock-Geschichte begonnen hat, scheint sie ihm bereits zum Stillstand gekommen zu sein: »Already the innovative frenzy of the mid (mod) sixties has become a predictable, rather sedate elaboration of existing forms. The most moving recent albums (the Byrds’ Sweetheart of the Rodeo and the Band’s Sounds from the Big Pink) are canny evocations of traditional form. But this season has produced no music that expresses a shattering personal vision.« Dies stehe jetzt aber an; die Verbindung zwischen dem underground- und dem middle-brow-Geschmack würde (und müsse) gelöst werden. Goldsteins eigene Aussage »pop culture will function as a clenched fist« ist selbst der beste Beleg für solch eine vollzogene bzw. angestrebte Trennung; abwertende Einschätzungen zu den Beatles und dem art rock der Doors und der Cream vervollständigen das Bild (1989b). Eine Hinwendung zu dem aggressiven, energetischen Rock der MC 5, zu ihrer manifesten (und erhofften) durchschlagenden Wirkung scheint darum sowohl aus politischen wie ästhetischen Gründen unausweichlich. Doch auch hier gibt es erneut starke Bedenken und offenen Widerspruch, der sogar von unterschiedlichen Seiten kommt. Erstens wird gegen das Prinzip und die Annahme unmittelbarer Expressivität und direkter Eindrücklichkeit massive Kritik von Seiten der Frankfurter Schule erhoben. Dass Adorno der schärfste dieser Kritiker ist, überrascht sicherlich nicht. Natürlich kennt Adorno Gruppen wie die MC 5 nicht, ihm reichen bereits der leibhaftige Studentenprotest und die Happenings der Neoavantgarde, um eine grundsätzliche Absage zu formulieren. Für Adorno rangiert die angestrebte gegenkulturelle »Entsublimierung« nicht nur »innerästhetisch unter der Kunst«, seiner Ansicht nach stellt sich nicht einmal der von den Agitatoren der Gegenkultur versprochene »unmittelbare, momentane Lustgewinn« ein. Die Reformulierung dadaistischer und futuristischer Überschreitungsmaximen, die nun im Namen aktionistischer Konfrontationen und zeitgenössischer jugendlicher Populärkultur vorgenommen wird, läuft für Adorno auf eine kurzatmige, auf falsche Weise ästhetisierte Politik hinaus, die gegen die erklärte gegenkulturelle Absicht tatsächlich ganz im Sinne der Herrschenden sei: »Mit der Empfehlung von Jazz und Rock and Roll anstelle von Beethoven wird nicht die affirmative Lüge der Kultur demontiert, sondern der Barbarei und dem Profitinteresse der Kulturindustrie ein Vorwand geliefert. Die vorgeblichen vitalen, unverschandelten Qualitäten solcher Produkte sind synthetisch von eben jenen Mächten aufbereitet, denen angeblich die große Weigerung gilt: erst recht verschandelt« (1970: 473f.). Eine ähnliche Kritik kommt aber auch von Herbert Marcuse, dem wichtigen philosophischen Stichwortgeber der Neuen Linken. Er rät nämlich nicht, wie Adorno suggeriert, dass Rock ’n’ Roll die klassische Musik verdrängen solle. Zwar beschreibt Marcuse (wie bereits gezeigt auch durchaus mit positivem Unterton) die Ablösung der idealistischen, reinen, weißen »Seele« durch den negroiden Soul – »die Seele ist schwarz, gewaltsam und orgias-

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tisch; nicht mehr in Beethoven und Schubert, sondern im Blues, Jazz, im Rock’n Roll, im ›soul food‹ tritt sie hervor« –, doch ist das nicht sein letztes Wort (was Adorno einfach übergeht). Marcuse ist schließlich selbst der ausgewiesenste Kritiker der Entsublimierung, nur setzt die Kritik bei ihm wesentlich weniger umstandslos als bei Adorno an. Von einer Affirmation von Pop, gewaltsam direktem Soul und (politischem) Happening ist Marcuse dennoch weit entfernt, das sieht man schnell, wenn man nur einige Absätze weiter liest; dort kritisiert Marcuse genau die falsche Unmittelbarkeit der Pop- und Underground-Kultur: Deren Entsublimierung lasse »die traditionelle Kultur, die illusionistische Kunst unbesiegt hinter sich« und könne deshalb »mühelos vom Markt absorbiert« und »entschärft« werden. Die »Abschaffung des Verfremdungseffekts (der in beträchtlichem Maße auch in der großen illusionistischen Kunst wirksam war) vereitelt den Radikalismus der heutigen Kunst«, hält Marcuse unmissverständlich fest, um folgerichtig umgekehrt allen Ausprägungen des modernen V-Effekts positiven Tribut zu zollen. Sogar der Pop-art, der er wegen ihrer zunehmenden Marktgängigkeit äußerst skeptisch gegenübersteht, bescheinigt Marcuse, dass sie nicht mit der (schlechten) Wirklichkeit deckungsgleich sei: »Wie affirmativ, wie ›realistisch‹ das Werk auch sein mag, der Künstler hat ihm eine Form verliehen, die kein Teil der Wirklichkeit ist, die er darstellt und in der er arbeitet. Das Werk ist gerade so weit unwirklich, wie es Kunst ist: der Roman ist keine Zeitungsgeschichte, das Stilleben lebt nicht, und selbst bei Pop-Art steht die wirkliche Konservenbüchse nicht im Supermarkt«. Bevor die Kunst ästhetisch und technologisch in einer anderen, besseren Gesellschaft ganz in den Alltag eingehen könne, müsse sie weiter Distanz zur Wirklichkeit wahren und mit dem scheinbar Vertrauten, aber auch dem sinnlich unmittelbar Ansprechenden brechen, führt Marcuse aus, der sich dadurch deutlich als Anhänger einer modernen Haltung präsentiert, für die Kunst mit einer Verfremdung des Gewöhnlichen übereinkommt. Eine »grobe, possenhafte, künstlerische Entsublimierung der Kultur« darf nach Marcuse darum nur ein Übergangsphänomen bilden. Auch jene »entsublimierte, sinnliche Form erschreckender Unmittelbarkeit«, die Marcuse recht traditionell in der schwarzen Musik erkennt, gehört lediglich (bzw. immerhin) zu diesen »umstürzenden Kräften im Übergang«. Um »zu sich selbst zu kommen«, muss nach Marcuses Urteil eine wahrhaft befreite Kunst jedoch die »rohe Unmittelbarkeit ihrer Darstellung« hinter sich lassen (1969: 60, 67f., 74ff.). Solche Überlegungen und Wertungen bleiben nicht das Privileg von professoralen Sozialphilosophen. Einwände gegen den Vorrang unmittelbarer Expressivität und direkter Eindrücklichkeit werden auch (zweitens) innerhalb der Rockmusikkritik zur Sprache gebracht. Sogar bei Richard Goldstein, der u.a. aus militanten politischen Gründen den art-rock ablehnt und sich dem martialisch klingenden Rock der MC 5 zuwendet, trifft man trotz aller Begeisterung für den spasm-rock auf deutliche Bedenken gegenüber dem Sog unmittelbarer Energie, der für ihn von dem tonal assault ausgeht. »Undeniably, there is fascism in the MC 5 and the ecstacy they provide«, treibt Goldstein seine Kritik an einer Stelle bis ins Extrem; der Gefahr eines Umschlags der versuchten massiven musikalischen Radikalisierung in irrationale, unmittelbar durchschlagende Gewalt ist er sich offenkundig deutlich bewusst (1970i: 138, 140).

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Selbst die Rückwendung zum Blues im Jahr 1968, die er als Ausdruck des Verlangens der Rock-Szene nach directness und cultural authenticity versteht, findet nicht Goldsteins ungeteilte Zustimmung, auch wenn er sie im Sinne einer rebellischen Abkehr von dem künstlerisch gezähmten »progressive« rock der supergroups gutheißt. Seine teilweise Ablehnung der Sehnsucht nach Direktheit und Authentizität rührt nicht allein daher, dass er in der aktuellen Rückwendung zum Blues bloß einen elitären Zug der hip white audiences sieht, der schwerlich eine wahrhafte (eben authentische) Annäherung vermuten lässt. Goldstein kann das Blues-Revival auch deshalb nicht uneingeschränkt begrüßen, weil er darin (wie auch, ein bezeichnender Vergleich, in der bubble gum music) eine falsche Abkehr von jener complexity and disunity erkennt, die seiner Ansicht nach zeitgenössischen pop auszeichnen sollte (1970f: 181ff.). Betrachtet man das zusammen mit Marcuses prinzipieller Anerkennung der verfremdenden Verfahren der Pop-art, könnte man auf den Gedanken verfallen, dass sich auch in Reihen der Rockkritik das Lob der artifiziellen Popformen vorbereite. Eine vollkommene Überraschung wäre solch eine Entwicklung sicher nicht, schließlich gibt es dafür, wie bereits ausführlich gezeigt, zahlreiche Anknüpfungsmöglichkeiten in Teilen der Filmkritik sowie der avantgardistischen Kunst- und Architekturszene – und es gibt sogar Verbindungspunkte, die noch näher liegen; vor allem Überlegungen, die ihren Ausgang von der Hippie-Mode nehmen, sind hier zu nennen. Solche Überlegungen lösen sich beträchtlich von der gebräuchlichen Beobachtung, dass die Kleidungsweise der Hippies in direktem Zusammenhang mit ihrer ideologischen Einstellung steht (dass etwa die regelmäßig benutzte Kleidung aus zweiter Hand auf ihre Absage an materiellen Reichtum zurückgeht – oder die Anleihen bei indianischen Motiven auf die Attraktivität des indianischen Stammesmodells, das den Hippies als Alternative zu Staat und Kleinfamilie erscheint). Die Überlegungen gehen ebenfalls über die Beobachtung hinaus, nach der es sich bei dem Hippie-Trend um eine eklektizistische Mode handelt, welche die Toleranz und den bunten Optimismus (bzw. die Naivität) ihrer Träger anzeigt. Es ist vor allem Angela Carter, die 1967 in einem Aufsatz diese Überlegungen nutzt, um ihnen eine weitere Dimension zu verleihen. In dem Eklektizismus der Hippies, ihrer Mischung unterschiedlichster Stile sieht sie nicht so sehr einen neuen Stil mit einer festen Bedeutung, sondern vielmehr ein ambivalentes Spiel, das feste Zuschreibungen enttäuscht. Die modischen Anleihen bei Flaggen oder Uniformen beraubten die Kleidungsstücke ihrer offiziellen Symbolik; auch die Ikonen der Unterhaltungsindustrie würden durch den camp style ihres Ernstes und ihrer mythischen Bedeutung entkleidet: »Clothes today sometimes seem arbitrary and bizarre; nevertheless, the startling dandyism of the newly emancipated young reveals a kind of logic of whizzing entropy« (1995a: 318ff.). Stil werde nicht allein als eine Waffe eingesetzt (als bekannte Beispiele dafür nennt Carter die langen, unordentlichen Haare der Rolling Stones oder ihre Aufmachung als superdrag), die eine harte Abgrenzung zu einem von Eltern und Vorgesetzten geforderten korrekten Aufzug bedeutet; style etabliere nun auch verstärkt die Möglichkeit eines Spiels auf der Oberfläche, das nicht mehr auf einen tieferliegenden, substanziellen, festen Kern verweist: »One passes oneself off as another, who may or may not exist – as Jean Harlow or Lucy in the Sky with Diamonds or Al Capone or Sergeant Pepper. Though the disguise is worn as

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play and not intended to deceive, it does nevertheless give a relaxation from one’s own personality and the discovery of maybe unsuspected new selves«, führt Carter aus; das klingt zunehmend danach, als wolle sie in vertrauter Manier der Entdeckung eines wahren, authentischen, bisher unterdrückten oder entfremdeten Selbst das Wort reden; die nächsten Sätze durchkreuzen den Eindruck aber wieder: »One feels free to behave more freely. This holiday from the persistent self is the perpetual lure of fancy dress« (ebd.: 317). Die Lösung von einer durchgängigen Identität, einer festen Wesensannahme – eine Befreiung, die vom modischen Spiel der Äußerlichkeiten und Oberflächen befördert wird –, betrachtet Carter insgesamt als eine wichtige Manifestation einer neuen Freiheit. Die Möglichkeit, in raschem Wechsel modische, künstliche Zeichen zu verwenden, steht für sie den gewohnten rigiden, repressiven Rollenanforderungen entgegen. Das neue Rollenspiel macht in seiner vorgezeigten Künstlichkeit deutlich, dass Rollen und ihre Symbole nicht einem natürlichen Grund entspringen und darum offen für Veränderungen sind. Diese Mode schätzt Carter sogar als einen Fortschritt in Sachen Emanzipation ein. Die Gefahr, dass Frauen dadurch wiederum auf den Bereich des Hübschen, Dekorativen beschränkt bleiben, von dem aus kein Weg zu den ernsten Tätigkeitsfeldern geht, akzentuiert sie nicht; offensichtlich erscheint es ihr wichtiger, dass die neue, befreite Mode keinen Sinn mehr für die feststehenden Bedeutungen z.B. der jungfräulichen Kleidung besitzt, sondern sie vielmehr in weiteren Zusammenhängen als Spielmaterial nutzt (ebd.: 319). Bemerkenswert an Carters Ausführungen ist ebenfalls, dass ihre Sympathie sich auf einen Gegenstand richtet, der sich nicht rein den Bemühungen des sog. Undergrounds verdankt. Zwar dauert es einige Zeit, bis der Look die Haute Couture erreicht, er geht andererseits aber auch nicht nur aus der Kombination von Flohmarkt-Funden hervor, sondern ist ebenfalls das Werk der sich in den 60er Jahren rasch verbreitenden Boutiquen, die einen Kontrast zur gewohnten Kaufhauskleidung bilden. Kritik an der kommerziellen und an der antifeministischen Dimension der neuen Mode liegt darum nahe. Sheila Rowbotham etwa berichtet aus dem Jahr 1966, dass ihre ‘Swinging London’ Chelsea clothes von Frauen aus der linken Folkmusik-Szene mit Verachtung gestraft worden seien. »Women on the folk scene were respected for their skills as musicians by the men. They were fiercely independent, wearing jeans and carrying their sleeping rolls like the men. But they seemed to relate more to the men than to other women. It reminded me of a throwback to the beats or of CND without the politics«, erinnert sich Rowbotham, die somit sogar einen politisch-feministischen Grund für ihre aktuellen modischen Vorlieben vorweisen kann: »In defiance, I revelled in the fast-moving fashion of boutiques like Biba or Bazaar. The sharp zigzags of Op Art were being quickly superseded by the flowing lines inspired by Aubrey Beardsley and the vampish boas of the early silent movies.« Auch nach Rowbothams positiver Sicht richten sich die ungewohnten Kombinationen, die sich aus dem großen Fundus der Kostümgeschichte frei bedienen, gegen die Festlegung auf eine wahre Bedeutung (2001: 117f.). Die gleiche Verschränkung von herausgestellter Künstlichkeit und Veränderungs- bzw. Kombinationsmöglichkeiten, die dem Nutzer freigestellt sind, kennzeichnet ebenfalls jenen Teil der Designer und Designtheoretiker, die sich vom Funktionalismus abwenden und an seine Stelle Gegenstände

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setzen, die sowohl dekorative, ausdrücklich dem Verschleiß ausgesetzte Zeichen beinhalten als auch dem veränderlichen Ge- und Verbrauch in der alltäglichen Nutzung wesentlich stärker entgegenkommen (vgl. Schepers 1998). In der englischen Fachzeitschrift Design verwendet John E. Bolt im Zuge von Swinging London dafür den Begriff ›pop‹ (1966: 27). Im Februar 1968 schlägt Corin Hughes-Stanton für den gängigen Begriff Pop design den Ausdruck Post-Modern vor (1968: 42). Ohne dass er den Ausdruck übernehmen würde, stellt Christopher Cornford drei Monate später in einer weiteren Ausgabe von Design erstmalig ausführlich die Grundsätze der neuen Richtung vor. Cornford beruft sich dabei nicht zufällig gegen den Bauhaus- und international style auf Reyner Banham (neben Banhams bereits erwähnten Artikeln einschlägig noch Banham 1964b; 1968), insofern ist Hughes-Stantons Vorschlag Post-Modern im Zusammenhang von Pop gut gewählt. Cornford nennt über zehn Faktoren, die man als Designer nun berücksichtigen müsse; der erste Punkt fordert »the radical recasting of the ›ratio of the senses‹ as between the purely visual and the ›audio-tactile‹, due to the impact of electric media«; neben diesem Tribut an McLuhan stehen viele weitere Punkte, die Entwicklungen der zeitgenössischen Technologie und der Avantgardekunst (aber auch der aktuellen Massenkultur) so aufgreifen, wie man es von den Schriften der Independent Group her kennt; unbedingt beachten müsse der Designer: »2. The advent of automation with all that it implies in the way of greater versatility by machines within similar or lower cost limits. [...] 4. The formal implications of space-age technology (Phileban shapes begin to look stiff and antique compared with the complex trajectory curves of an interplanetary rocket, for instance). 5. The ›teenage revolution‹ and the rise of a new patronage consisting of people who reject the culture of their parent’s generation and are insistently creating styles of their own. 6. The dominance in the fine arts of anti-art; neo-Dada and Pop tendencies of all shades. The ferocious assault on ›good taste‹. [...] 8. The increasing adoption by fine artists of non-traditional materials, especially plastics, bent and trapped light, movement and sound; and the rise of ›environmental design‹ as a genre in its own right. [...] 11. The advent of the computer as a major tool in the design process.« (Cornford 1968: 48)

Illustriert wird Cornfords Artikel mit zwei Postern der 60er Jahre, das eine setzt im Bauhaus-Stil rechteckige Flächen in Beziehung, das andere lässt um die Fotografie des Kopfes von Bob Dylan unterschiedliche Kringel schweben; als wäre es noch nicht genug, ist in ein Brillenglas Dylans der Slogan »Blowing in the Mind« montiert. Zumindest Punkt 5 aus Cornfords Liste wäre damit berücksichtigt, ob es die anderen auch sind, darf bezweifelt werden. Dennoch zeigt die Illustration durch die Zeitschrift Design, wie nah sich jene Grafiker, Architekten und Designer, die in der zweiten Hälfte der 60er Jahre dem Funktionalismus absagen, den aufregenden, schnell Popularität gewinnenden Strömungen der Jugendkultur fühlen. Legt man Cornfords umsichtig zusammengestellte Liste zugrunde, stünde die teenage revolution in Politik, Musik und Lebensstil in einer Reihe mit der bildenden Kunst der Pop-art und

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den häufig damit verbundenen neuen Formen der Happenings, Environments, Multimedia-Diskotheken, Pop-Architektur, Plastik-Möbel, neu-ornamentalen Poster und Cover, der pneumatischen Gebäude und der geschwungen modellierten, grellfarbenen Kunststoff-Gebrauchsgegenstände (vgl. etwa Quarmby 1974; Tomkins 1976; Steele 1999: 282) – stünden die Beatles, Grateful Dead, Pink Floyd und Frank Zappa in einer Reihe mit Peter Blake, Archigram, Hans Hollein, Joe Colombo, Guy Peellaert, Archizoom, Superstudio, Ettore Sottsass, Cesare Casati, Verner Panton, Rudi Gernreich, Martin Sharp usf. Wenn man sich Schallplattenhüllen, Illustriertenwerbung und Ausstellungskataloge der Zeit anschaut, kann man tatsächlich einige Male nähere Übereinstimmungen und gegenseitige Entlehnungen entdecken; deutlich tritt besonders die allen gemeinsame Absage an den rechten Winkel und gerade geschnittene Linien hervor. Geht man von solchen Gemeinsamkeiten aus, könnte man vermuten, dass es um 1968 auch eine ganze Reihe von Ansätzen gibt, Platten wie Pet Sounds von den Beach Boys oder Sergeant Pepper von den Beatles nach den Maßgaben der Rede über Künstlichkeit und Pop-Mode einzuordnen. Die Rockkritik jener Tage ergreift die Möglichkeit, ihre Gegenstände im Sinne einer Pop-Affirmation à la Banham oder Archigram zu beschreiben, aber nicht. Dies liegt zum einen daran, dass es selbst im gerade angesprochenen Bereich der Pop-art und des Designs eine bestimmende Doktrin, die im Namen von Pop das Lob der Künstlichkeit verbreiten würde, noch nicht gibt, obwohl mit den Äußerungen Warhols, Elementen der französischen Zeichentheorie, den zahlreichen Aufsätzen aus den Reihen der Independent Group usw. mehr als genügend Ausarbeitungen vorliegen, die stark in diese Richtung weisen. Dennoch fehlen in der zweiten Hälfte der 60er Jahre zentrale Schriften oder vollkommen durchgesetzte Redemuster, die – wie im Jahrhundert zuvor innerhalb der klar umrissenen Dekadenz-Ästhetik – geschlossene, artifizielle Welten aus modernen, intensiven Reizen propagieren. Das ist aber eher ein Versehen, ein Zufall, denn in vielen kurzen, komprimierten Absätzen und über viele einzelne Film- und Kunstkritiken verstreut werden die einschlägigen Formeln, Argumentationen und Bewertungsmuster bereits erprobt. Ohnehin sprechen sowohl viele Bilder der Pop-art als auch die unterschiedlichsten Environments in Galerien oder Diskotheken, bei Acid-Trips oder Happening-Aktionen, in Kunststoff-Wohnlandschaften oder in den geplanten Image-Städten junger Architekten bereits eine äußerst beredte, zusammenhängende, deutliche Sprache, die auch bald ihren pointierten diskursiven Ausdruck finden wird. Der Hauptgrund für die Reserve innerhalb des rasch ausgeweiteten publizistischen Felds der Rockmusik-Anhänger liegt hingegen wesentlich tiefer. Hier gibt es einen klar benennbaren, prinzipiellen Grund, weshalb die immens populäre Musik von Hendrix, Love, Doors etc. nicht als pop art im Sinne der Independent Group vorgestellt werden kann (und darf). Die gegenkulturell ausgerichtete Rockkritik muss die betonte Künstlichkeit kategorisch ablehnen, weil sie mit ihr oft die kapitalistische Entfremdung und den oberflächlichen Konsum zusammenbringt. Diese Form der Kritik findet man selbstverständlich auch in traditionell linken Kreisen und in hochgetriebener Weise innerhalb der situationistischen Avantgarde. Für die englischen Situationisten etwa zeigen die »never ending cities of plastic schools, plastic banks and plastic system-built army barracks« die bösartigste Seite der Technola-

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trie; Kreativität sei aus diesem Alptraum »of frozen bureaucratic science or the cold sensuality of vast advertising campaigns« endgültig ausgeschlossen. Die Verachtung der Situationisten trifft aber nicht nur die Beton- und Plastikwelt der Moderne; auch die neueren Ansätze, die multimedial und mit environmental design arbeiten, werden von den Situationisten kaum besser beurteilt: »Souped up modern versions despite strobe lightning and back projections cannot conceal the poverty of these productions« (Gray 2000: 83). So stark die Kritik aber auch ausfallen mag, im Rock-Bereich kann sie weiter gesteigert werden (vgl. Rosenstone 1972: 297). Die Künstlichkeit des Pop wird dort weit über das künstliche Material hinaus festgestellt, das seinen Kritikern allerdings weiterhin als überaus repräsentativ erscheint; Plastik wird dadurch zum Symbol für alles Schlechte, etwa beim radikalen Ableger des amerikanischen SDS (Ashley u.a. 1970: 70) oder im ersten amerikanischen Rockmusik-Magazin Crawdaddy!. Bei Roland Barthes hätte sich z.B. der Crawdaddy!-Herausgeber Paul Williams zwar bereits Mitte der 50er Jahre belehren lassen können, dass mit dem Plastikstoff das Artifizielle zum ersten Mal nicht etwas Seltenem gleichkomme, sondern ganz bewusst der unbegrenzten Gestaltung des Gewöhnlichen, Alltäglichen diene. Doch auch der Hinweis auf den egalitär-demokratischen Zug des Plastikmaterials hätte Williams wohl nicht von seiner Meinung abgebracht. Barthes selbst lässt ebenfalls eine gewisse Distanz erkennen, er ordnet das Plastik als eine minderwertige, neutrale Substanz ein; es verrate sich selbst durch seine vermutlich mangelhafte Fähigkeit, andere als die aggressiven Anteile der Farben Gelb, Rot und Grün gut anzunehmen (1964: 80f.). Ohne es zu ahnen, erweist sich Barthes dadurch als Prophet des kommenden Pop-Zeitalters, das vorzugsweise die chemisch-giftigen Farben einzeln gebrauchen oder in harten Blöcken nebeneinander setzen wird. Pop wird nicht zuletzt dadurch stark mit dem Künstlichen, Unnatürlichen, den industriell hergestellten Farben und Stoffen identifiziert. Plastic or flesh lautet darum die strikte Alternative für Paul Williams im August 1967. Die Wahl ist eindeutig, plastic steht für das Kommerzielle, Oberflächliche, Leblose, flesh für die kreative Rockmusik (2002e: 192). Dennoch verschwindet der Pop-Begriff nicht aus dem Vokabular der Rockmusikkritik und der Szene-Sprache, und das keineswegs nur, weil er als Negativbegriff verwendet wird. Erstens bleibt er auch im Jahr 1968 weiterhin als Oberbegriff in Gebrauch (pop bzw. pop music als Kürzel für popular music, unter die auch die Rockmusik fällt). Viel wichtiger ist aber zweitens, dass pop von Teilen der Rock-Anhänger positiv gegen gewisse von ihnen unterstellte Verfallserscheinungen der Rockmusik ins Feld geführt wird. Negativ schlägt für sie die nach ihrer Einschätzung gegebene Überproduziertheit der Rockmusik zu Buche (die studiousness of rock, wie Richard Goldstein schreibt; 1970b: 114) sowie ihre Theatralisierung und Überfrachtung mit Kunstanklängen. Bezahlt werde das mit einem Verlust des Elans, der Direktheit und Authentizität (Goldstein 1970f: 181, 183). Nach dieser kurzen Aufzählung der internen Kritikpunkte an der Rockmusik ist aber bereits klar, dass die im Gegenzug eingeforderte PopAusrichtung keineswegs auf ein Lob der künstlichen Reizwelten des Pop im Sinne der Pop-Environments hinauslaufen kann. Goldstein beklagt sogar, dass es keinen anti-pop, keine ganz bewusste Zurückweisung des Oberflächlichen gebe, die nicht bloß immer nur eine Rückkehr zu den Blues-Wurzeln

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beinhalte. Weil der anti-pop nicht weiter entfaltet worden sei, habe sich auch im Bereich der Musik die pop sensibility (genauso wie in der Malerei und im Kino) kaum von dem bloßen Reiz des Oberflächlichen (mere fascination with the surface of things) gelöst und sei nie zu dem hingelangt, was Goldstein hochfahrend a true metaphysics of the moment nennt (1970f: 180f.). An anderer Stelle, ebenfalls 1968, redet Goldstein in einer klareren Sprache. Pop, als eine mass culture, die auf ihre Weise so vital wie die Hochkunst sein könne, setzt Goldstein dort im positiven Sinne mit dem Erbe des Rock ’n’ Roll gleich. Die pop revolution liege gerade darin, sich von künstlichen Hemmnissen zu befreien und ganz dem starken Rhythmus, dem körperlichen Moment nachzugeben: »Rock swings free, embracing chaos and laughing at the notion that there could be anything more worth than celebrating the present. Rock is, and always has been, the sacred squeal of now«, schwingt sich Goldstein erneut auf, um aber sofort in den nächsten beiden kurzen Aussagesätzen die Direkt- und Einfachheit des Rock ’n’ Roll wiederzugeben: »It’s got a damned good beat. And you can dance to it«. Im Mittelpunkt von Goldsteins Poetry of Rock stehen darum jene Zeilen aus Chuck Berrys Stück Rock ’n’ Roll Music, in denen Berry eine deutliche Trennlinie gegenüber allen Versuchen zieht, die populäre Musik zugunsten von Kunstanstrengungen und -verfremdungen zu verlassen. »I’ve got no kick against modern jazz«, beginnt Berry moderat, um dann aber deutliche Einwände zu formulieren: »I’ve got no kick against modern jazz / Unless they try to play it too darn fast; / And change the beauty of the melody, / Until they sound just like a symphony«. Die Gründe für den Rock liegen folglich auf der Hand, es ist der back beat (Goldstein 1968: 11, 2). Dank dieser Poetologie erweist sich Goldstein sogar gegenüber den vielgerühmten Konzeptalben der Beatles immun. Die LP Sergeant Pepper hält er für überproduziert und unwirklich; die Beatles hätten den Kontakt zum Publikum und zu den authentischen Wurzeln des Rock verloren (1970j: 147, 152). Goldstein erfährt wegen seines Urteils heftigen Widerstand, einerseits wird ihm vorgeworfen, er sei es, der die Platte der Beatles zu ernst nehme (Williams 2002e: 193), andererseits muss er natürlich auf die Kritik derjenigen stoßen, die in den Beatles spätestens seit Sergeant Pepper moderne, psychedelisch inspirierte Komponisten und Poeten sehen. Obwohl es durch das Pop-art-Cover von Peter Blake nahe gelegt wird, ergreift jedoch keiner der Beatles-Apologeten die Gelegenheit, Sergeant Pepper als hochgradig künstliches, verschiedenste Vorläufer ironisch und fragmentarisch zitierendes Album auszugeben, daran hindert sie wohl ihr respektables Kunstverständnis. Solch eine Deutung findet man bloß bei Goldstein – »The sound is a pastiche of dissonance and lushness. The mood is mellow, even nostalgic. But, like the cover, the over-all effect is busy, hip, and cluttered« –, der diese Einordnung aber selbstverständlich in negativer Absicht vornimmt (1970j: 147), weil er als Anhänger des vitalen, mitreißenden Rock ’n’ Roll im Verlust an Spontaneität und Direktheit einen Verrat an der pop explosion erkennen muss (1989b: 143f.). Der andere bedeutende Verfechter solch eminenter Pop-Vitalität, Robert Christgau, beurteilt Sergeant Pepper weniger streng, weist aber Ende 1967 ebenfalls missbilligend (oder wenigstens ironisch) darauf hin, dass in den vielen positiven Kritiken der LP stets das Wort »artistic« vorkäme (2000b: 42), und bemängelt grundsätzlich den Trend zur Dekadenz, den die Beatles-

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LP ausgelöst habe (2000c: 51). »Rock and roll is popular music«, heißt das definitive Credo Christgaus, fun und immediacy zählen zu seinen Leitwerten (2000d: 35, 41; 2000c: 52), deshalb lehnt er zur Schau gestelltes oder bloß angestrebtes musikalisches Virtuosentum in der Rockmusik ab. Weil er vom Rock ’n’ Roll als dem Inbegriff populärer Musik ausgeht, kann Christgau sogar in den Anforderungen der Plattenindustrie nichts Schlechtes entdecken. Im Gegenteil, das straffe Format der kurzen, eingängigen Stücke ist nach seiner Einschätzung äußerst nützlich: »commercial strictures are good for pop, forcing artists to concentrate on their audiences instead of themselves« (2000e: 65). Die Boheme-Attitüde vieler zeitgenössischer Rockmusiker, ihr nicht selten eitles Bemühen um self-expression erscheint ihm folgerichtig als teilweise Gefahr, ebenso die Abkapselung innerhalb einer Szene, die ingroup pretentiousness. Auf seiner Suche nach rock that was pop (2000d: 36, 40) wird Christgau darum 1967/68 nicht mehr recht fündig, wenn er auch die Hippie-Szene insgesamt und einige Gruppen (Love, Doors) bzw. Stücke oder Platten (z.B. Light My Fire) schätzt. Ernsthaftigkeit, Prätention und Selbstbezüglichkeit überlagern in seiner Sicht oft allzu stark den mitreißenden Schwung des big beat (2000d: 35), der charismatischen rebelliousness of the brightest pop stars (2000c: 52): »Rock and Roll has exfoliated so luxuriously that it is frequently unrecognizable. Try to dance to the Beach Boys’ ›Good Vibrations‹. Name a more ›serious‹ song than Lennon-McCartney’s ›Strawberry Fields Forever‹ or P.F. Sloan’s ›Eve of Destruction‹. Not only has rock milked every tradition in American popular music – gospel, folk-pretty, folk-protest, big band, thirties’ camp, and jazz, plus the previous phases of rock itself – but it has hoked itself with classical melodies, string quartets, counterpoint, atonality, raga, and all kinds of electronic trickery. The problem is that as poetry, musical complexity, and psychedelic basso-profundity come into the music, its original values – simplicity, directness, charm – are often obscured or returned to the black performers, who tend to embrace them so self-consciously that they smother.« (2000d: 36)

Wichtig ist aber an der Stelle festzuhalten, dass die abschließende Anmerkung Christgaus keine abfällige Ironie enthält, das geht aus seinen weiteren Ausführungen zweifelsfrei hervor. Zwar konstatiert er ebenfalls wie viele andere Beobachter der Rockszene um 1967 die beträchtlich gestiegene Distanz ihrer Anhänger zur aktuellen schwarzen Soul- und Popmusik (2000f: 17); im Gegensatz zu Kritikern, die diesen Zug vermerken (Wolfe 1968: 12; Eisen 1969: xi) oder wie Ralph Gleason (1969: 67) als antikommerziellen Impuls preisen, hält Christgau dies jedoch für einen gravierenden Fehler, weil er die Pop-Direktheit, deren Muster für ihn der Rock ’n’ Roll der 50er Jahre ist, unmittelbar mit dem schwarzen Rhythm ’n’ Blues verknüpft sieht (2000d: 36). Tatsächlich wird dieser ›Fehler‹ aber 1968 in größerem Umfang wieder rückgängig gemacht – und dies nicht nur in dem Sinne, dass Rockanhänger sich zum authentischen Blues bekennen; solch ein Bezug ist ja nie unterbrochen gewesen (Bromell 2000: 53ff.). Nein, der Bezug wird jetzt häufiger wieder – was den englischen Mods noch selbstverständlich war – auf kommerziell erfolgreiche schwarze Musik ausgeweitet. Als Stuart Hall 1967 festhält, dass die Hippies, als weiße Subkultur, in den schwarzen Ghettos keine

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sympathetic counter-culture finden könnten (1969: 177), versuchen bereits zumindest Teile der Hippies und der Rock-Anhänger verstärkt Anschluss an die Bewegungen schwarzen Nationalismus und ausgestellten Selbstbewusstseins zu finden (McBride 2003: 120ff.; vgl. Neal 1999: 46ff.), indem sie die Bekundungen schwarzer Macht und Stärke auch in der Musik anerkennen. Sätze wie die von Eldridge Cleaver – »soul music taught us how to move our ass« – überzeugen sie von der politischen Kraft der Funk- und Soulmusik (Goldstein 1970k; Ashley u.a. 1970: 70), obwohl für Organe der Rockkritik wie der amerikanischen Zeitschrift Rolling Stone sich viele populäre schwarze Gruppen zu stark den Direktiven des Unterhaltungsgeschäfts verschrieben haben (Landau 1968). Bei den politisierten Kräften des Undergrounds kann die verspürte Nähe zu den radikalen Verfechtern schwarzer Autonomie diesen Vorbehalt oftmals aufheben. Nicht nur Jimi Hendrix und Sly Stone als avant-garde of rhythm ’n’ blues (Henderson 2002: 281) oder respektable Sängerinnen wie Aretha Franklin, sondern auch der Showstar James Brown und mitunter sogar Motown-Gruppen gewinnen u.a. deswegen (oft auch einfach wegen ihrer musikalischen Qualität) Eingang in den Geschmack weißer Protagonisten der Gegenkultur (Goldstein 1970l; Kopkind 1968: 24; Goldman 1982: 349ff.; The Editors of Rolling Stone 1971: 179ff.). Die Anerkennung der Musik der black underclass durch eine politisierte »new« black middle-class erfährt dadurch manchmal selbst im Falle der proletarian love songs Motowns (West 1985: 52f.) ihre Fortsetzung in Reihen der weißen, von Mittelschichtskindern gebildeten Gegenkultur. Die schwarzen Theoretiker und Poetologen der black power sehen sich nicht zuletzt deshalb vor die Aufgabe gestellt, die Schichtgrenzen innerhalb der schwarzen Bevölkerung rhetorisch und ästhetisch aufzuheben. Versuchsweise gelöst wird das Problem durch Projektionen und Prophezeiungen, die allerdings (sicher auch zur Beförderung ihrer Wirkung, ihrer sich selbst erfüllenden Kraft) als Tatsachen ausgegeben werden. Frank Kofsky etwa denunziert 1965 die sog. folk music jener Tage als Ausdruck weißer, bürgerlicher Dekadenz, um hingegen Rhythm ’n’ Blues und Jazz als wahre Volksmusik auszugeben (1970: 99). LeRoi Jones gibt im gleichen Sinne an, dass der R&B James Browns und der Jazz annähernd die gleiche Radikalität besäßen. Dies betrifft nach Vorstellung Jones’ keineswegs nur das seit Ende der 50er Jahre recht beliebte hard bop-funk-groove-soul camp des Jazz (1967a: 16), sondern vor allem den Free Jazz, die New Music John Coltranes, Ornette Colemans, Albert Aylers, Sun Ras; die Unterschiede zwischen ihnen und James Brown seien bloß scheinbare Unterschiede, die emotionalen Gemeinsamkeiten, ihre geteilte energetische Kraft überwiege bei weitem (1967b: 187ff.). Wie schon beim Bebop, den er als Überwindung des mainstream, des »popular« commercialism der weißen Swing-Musik, und als Rückkehr zum Separatismus des Blues feiert, sieht Jones nun ausgerechnet von Musikern wie Coleman und Cecil Taylor den Bezug zur afro-amerikanischen Tradition wiederhergestellt (1963: 181, 225; zum Kontrast s. Larkin 1985). Ungeachtet der äußerst unterschiedlichen Zuhörerkreise der populären Soul- und der esoterischen Free Jazz-Musik kann Jones darum von einer Black Music und sogar von ihrer kommenden Verschmelzung zur Unity Music sprechen; deshalb kann er sich bei den Supremes, bei Dionne Warwick ebenfalls auf das Lob ihrer Wärme, ihrer Grazie konzentrieren und alle Kritik an einer verwässerten, kommerziellen Musik den weißen Entlehnungen der schwarzen Musik vor-

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behalten. Für diesen weißen Diebstahl, diese angebliche Degeneration schwarzer Musik und Energie reserviert Jones den Begriff pop; jede weiße Musik, auch die Dylans oder Zappas, laufe letztlich auf den weichlichen, unwirklichen Kern von pop hinaus, auf eine Musik, die sich als Hintergrundklang für Fahrstühle und Fernsehsendungen empfehle (1967b: 187ff., 210, 205ff.). Trotz der enthusiastischen Worte Christgaus zum großen schwarzen Anteil an der Vitalität des künstlerisch unbefangenen Rock, des ursprünglichen Rock ’n’ Roll, müsste Jones ihm demnach kategorisch seine Zustimmung verweigern. Darauf weist schon der Umstand hin, dass Christgau für die von ihm hoch geschätzte musikalische Direktheit und Lebendigkeit gerne jenen Begriff pop ins Feld führt, der bei Jones für alle schlechten, weißen Anteile der Musik einsteht. Als hinge es an dem Wort, zeigt sich Christgau zudem in wesentlich stärkerem Maße als Jones bereit, ausgewählte Gruppen der ambitionierten Rockmusik wie Love oder die Mothers of Invention in sein musikalisches Pantheon aufzunehmen. Besonders schmerzlich dürfte für Jones Christgaus Begründung sein, weshalb das dritte Album von Zappas Gruppe Lob verdient; als wollte er Jones’ Feststellung über den kommerziellen Gebrauchscharakter der Popmusik zugleich aufgreifen und in der Bewertung ins Gegenteil verkehren, dekretiert Christgau knapp: »We’re Only in It for the Money, the triumphant new album by the Mothers of Invention, sounds like the world’s longest Revlon Natural Wonder commercial« (2000e: 69). Nimmt man den Satz für sich, hätte man hier im Bereich der Musik in aller Kürze erstmalig ein uneingeschränktes Lob der künstlich arrangierten Reize vor sich, eine Art ironische Zustimmung zu Jones’ strikt negativem Urteil, Pop sei eine Fernseh- und Marketingrichtung. Dies ist aber wegen Christgaus Vitalismus schlicht undenkbar. Zieht man eine frühere, ausführlichere Besprechung Christgaus zu Zappas LPs Freak out und Absolutely Free heran, steht seine plakative Pop-Aussage zu We’re Only in It for the Money in einem anderen Licht. Die Annäherungen der Mothers an Stücke der Supremes und an Doo Wop- oder Rock ’n’ Roll-Schlager kann Christgau nur als hässliche Parodie einstufen; hölzerne Beats und lächerlicher Gesang bildeten geradezu eine antithesis of soul. Die satirischen Texte Zappas auf die plastic people hält Christgau gleichfalls für unoriginell und überflüssig. Über die aleatory-Varèse-jazz-rock-Kompositionen Zappas wagt er das zwar nicht zu behaupten, als Anhänger der Pop-Direktheit zeigt er sich gleichwohl von ihnen unbeeindruckt (2000b: 49). Dies unterscheidet ihn deutlich von jenen Kritikern, die in Zappas Parodien, seriösen Anspielungen und der dadurch erzielten Stilmischung insgesamt ein modernes Kunstwerk erkennen (Kempton 2005). Christgaus Lob der Werbespot-Musik von We’re Only in It for the Money erklärt sich deshalb höchstwahrscheinlich aus zwei Beweggründen: einmal richtet sich Zappas Spott über die plastic people hier auch gegen falsche, prätentiöse Flower-Power-Hippies und kommt damit Christgaus Abneigung gegen hochtrabende Ansprüche nahe; dann gibt es auf We’re Only in It for the Money auch kaum Adaptionen bzw. Parodien der von Christgau geschätzten Teenager- und Motown-Hits, so dass Christgau die spielerische Nähe Zappas zu Jingles und kurzen Werbeeinblendungen nun als Abkehr von den seriösen Anklängen ungetrübt genießen kann. Eine mögliche Einordnung Zappas im Sinne manchen Pop-art-Anhängers oder der an Roland Barthes und Jean-Luc Godard geschulten Filmkritik liegt Christgau aber fern: Dass

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die verfremdende, aber keineswegs nur parodistische Entlehnung von Motiven der Popkultur ihren Reiz noch auf hochgradig bewusste, artifizielle Weise verstärken kann. Christgaus Gleichsetzung von Pop mit Direktheit und Einfachheit läuft einer solchen Pop-Auffassung zuwider. Angesichts von Christgaus Einschätzungen, die unter Pop den durchschlagenden, unmittelbaren Ausdruck, nicht das künstliche Konstrukt verstehen, ist es sinnvoll, hier von Pop als dem positiven Ausdruck eines Rockfans zu sprechen. Man muss dabei allerdings in Erinnerung behalten, dass Rock dann hauptsächlich das Erbe des Rock ’n’ Roll meint; gegen die langen, mit Soli gestreckten Stücke, gegen den prätentiösen studio rock und art rock wird dieser Pop-Begriff ja gerade ins Feld geführt (vgl. Gendron 2002: 213ff.). Trotz dieser Basis ist die Pop-Konzeption von Christgau, Goldstein und vergleichbaren Rockkritikern jedoch erstaunlich weit gespannt; in ihr bleibt sogar genügend Raum, um z.B. einen recht versponnenen Studio-Arrangeur und -Komponisten wie Van Dyke Parks aufzunehmen: Christgau äußert zwar starke Bedenken gegen dessen preziöse Songtexte und fügt sogar eine Warnung für den durchschnittlichen Leser an – »Caution: It does not rock« –, hält die Musik dieses populärmusikalischen, zeitgenössischen Wiedergängers Charles Ives’ aber schlichtweg für wundervoll (2000e: 67). Auch im schnell zur führenden Rockzeitschrift aufsteigenden Rolling Stone steht man Parks – the Gertrude Stein of new pop music – und seinem formalism in rock positiv gegenüber (Miller 1971). Die häufig zu lesende Einschätzung, das RockKonzept laufe auf eine strikte Ideologie des Authentischen und Verwurzelten hinaus (etwa Middleton 2001: 87; Keightley 2001; Stevenson 2006: 30), ist darum insofern zu relativieren, als die Exponenten dieser Ideologie Ende der 60er Jahre im Rahmen ihrer Maßstäbe zu erstaunlichen Ergebnissen gelangen: Der Crawdaddy!-Gründer Paul Williams etwa ernennt im Januar 1968 Pet Sounds von den Beach Boys zum best rock album (1969: 118). Um bei dem Beispiel Van Dyke Parks zu bleiben: Richard Goldstein schließt sich den Meinungen anderer, beim Album Song Cycle handle es sich um eine camp-Narretei, ebenfalls nicht an; er betrachtet ganz im Gegenteil Parks LP als ein erstaunliches Werk Popkunst (stunning work of pop art), er sieht in ihr nicht weniger als die wirkliche Bedeutung amerikanischer Musik offenbart. Der Hang zum Direkten und Authentischen beschränkt das Feld musikalischer Vorlieben demnach nicht allein auf bestimmte Formen der Blues- und Rockmusik. In Goldsteins wahren amerikanischen Kanon geht keineswegs nur R&B und Rock ’n’ Roll ein; der Vergleichspunkt für Parks muss natürlich ein anderer sein. Goldstein wählt dafür überraschenderweise Gershwin aus, also genau den deutlichsten ›seriösen‹ Kontrapunkt der älteren Popmusik Tin Pan Alleys zur ›wilden‹ neuen Popmusik des Rock ab den 50er Jahren. Dennoch verlässt Goldstein insgesamt nicht den weltanschaulichen Rahmen seiner vom Rock bestimmten Pop-Auffassung. Man kann dies sehr schön daran sehen, dass er Parks hochgradig artifizielle Musik zuletzt ausgerechnet als a vital piece of Americana ausgibt (1970m: 172ff.). Bei Ellen Willis, einer weiteren wichtigen Rock-Kritikerin Ende der 60er Jahre, bekommt man einen entscheidenden Grund für die Verbindung von Vitalität und Americana mit wünschenswerter Klarheit geliefert; er besteht in dem populistischen Zutrauen zur grundsätzlich vertrauenswürdigen Substanz des großen Publikums. Willis verweist im Juli 1968 im New Yorker als Beleg dafür auf die Rockmusik; rock sei ein geglücktes radikales Experiment »in

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creating mass culture on its own terms, ignoring elite definitions of what is or is not intrinsic to aesthetic experience«. Bestrebungen, die Rockmusik durch technische Virtuosität und komplexe Kompositionen den Standards der high culture anzunähern, beobachtet sie darum misstrauisch. Früher hätte die Technologisierung der Rockmusik noch den positiven Effekt gehabt, den Zugang zur Musik zu demokratisieren – »good musicianship was once as irrelevant to rock as it was rare; the whole point of electric guitars and dubbing and echo chambers was that kids with no special talent could make nice noises« –, nun markierten die viel aufwändiger produzierten Studio-LPs einen für die meisten unerreichbaren Stand der Technik. Mit dem Studio-Rock setze sich zudem die Aufspaltung des früheren Pop-Massenpublikums in ein teenybopper- und ein eher studentisches Publikum weiter fort, eine Spaltung, die durch die ernsthaften, sowohl künstlerischen als auch politischen Bemühungen der neuen, in der amerikanischen Gegenkultur initiierten Rockszene ausgelöst worden sei: »When American bohemians took up rock, they brought along their very un-Beatlish distinctions between art and Mammon, and for the first time people talked about ›serious‹, as opposed to merely commercial, rock.« Durch die erstaunliche Weiterentwicklung der Beatles hin zu Sergeant Pepper habe sich die bohemianization of rock mit ihrer Unterscheidung von minderwertigem und »serious« pop dann endgültig, international durchgesetzt; die Trennung des AM-radio-singles-teenie market vom FM-L.P.-student-hippie-intellectual audience sei mittlerweile fest etabliert (2005: 221f.). Die vollkommene Spaltung sieht Willis nur noch (oder immerhin) durch das übergreifende starke image der Beatles und Rolling Stones verhindert; auf amerikanischer Seite benennt sie allein Bob Dylan als jemanden, der eine eminente Wirkung auf die allgemeine Öffentlichkeit ausübe (ebd.: 222). Für Willis ist das ein wichtiger Punkt, weil sie im Gegensatz zu einigen anderen Vertretern aus der Pop-Fraktion der Rockmusikanhänger im image einen positiven Hauptbestandteil der Popkultur sieht. Richard Goldstein etwa, dessen Urteile sonst von denen Willis’ kaum unterscheidbar sind, kann hier nicht mitgehen, weil für ihn ein total concept (wie sein Ausdruck für image lautet) zu stark vom style geprägt ist. Stil wiederum wertet Goldstein auf traditionelle Weise als oberflächliche Erscheinung ab, indem er Stil als Widerpart der Substanz bestimmt. »Style is of primal importance for the pop creator«, bilanziert Goldstein, lässt aber keinen Zweifel daran, dass er dies für eine schlechte Tatsache hält, weil der Künstler bzw. der pop creator die (für Goldstein) bedeutenderen Aufgaben dadurch preisgebe: »His job is no longer the communication of a culture (we call that Socialist Realism and sneer) or even communication of self« (1970n: 191). Stil, und damit auch das fabrizierte Image, das total concept eines Künstlers, verhindert nach Einschätzung Goldsteins solch eine authentische Kommunikation, deshalb kann es für ihn auch keineswegs ein Vorteil sein, dass einige ausgeprägte Stilkonzepte mehr als allein eine Teilöffentlichkeit erreichen. Willis hingegen setzt auf die Chancen, die im bewussten Umgang mit der Image-Produktion der Massenmedien liegen. Sie nähert sich so stark den Ansichten der Independent Group an, die in bedeutenden Stars der Hit Parade stets wichtige ikon-grader of the pop arts gesehen hat, deren loaded images als symbolic constructs of reality die menschliche Wahrnehmung entscheidend prägten (McHale 1959a; 1959b). Höchstwahrscheinlich wird Willis die

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Ausführungen der Independent Group nicht kennen, sehr vermittelt besteht aber dennoch ein Zusammenhang, da Willis ihre Überlegungen am Vorbild der amerikanischen Pop-art gewinnt. 1967 präsentiert sie Bob Dylan als ihr Musterbeispiel für einen Pop-Künstler, der das image auf eine beeindruckende Weise als Medium gebraucht: »Dylan has self-consciously explored the possibilities of mass communication just as the pop artists explored the possibilities of mass production«, schreibt Willis und führt den Vergleich noch weiter: »In the same sense that pop art is about commodities, Dylan’s art is about celebrity« (1972: 220). Ein Image, das Dylan bei seinem Spiel mit verschiedenen Masken entwirft, scheint Willis sogar unmittelbar an Warhol heranzuführen. Sie beschreibt das Szenario von Dylans Blonde on Blonde als eine sub-world pop was creating, als ein exotisches Milieu aus velvet doors, cool sex, zany fashions und neurotic women, um die fashionable, sybaritic denizens von Blonde on Blonde als nur scheinbar unpolitische Verfechter des OberflächenKultes hinzustellen. Tatsächlich bilde aber die Hingabe an äußerliche Reize eine subversive Haltung aus, da ihr dank der rückhaltlosen Freude an Gegenständen der Massenkultur ein wahrhaft egalitär-demokratischer Grundzug eigne: »The fashionable, sybaritic denizens of Blonde on Blonde are the sort of people despised by radicals as apologists for the system. Yet in accepting the surface that system has produced, they subvert its assumptions. Conservative and utopian ideologues agree that man must understand and control his environment; the questions are how and for whose benefit. But pop culture defines man as a receiver of stimuli, his environment as sensory patterns to be enjoyed, not interpreted (literature and philosophy are irrelevant) or acted upon (politics is irrelevant). ›If you want to understand me, look at my surface‹, says Andy Warhol. And ›I like my paintings because anybody can do them.‹ The bureaucrat defends standardization because it makes a complex society manageable. Yet he thinks of himself as an individualist, and finds the idea of mass-produced, mechanized art incomprehensible, threatening – or a put-on. The pop artist looks at mass culture naively and sees beauty in its regular patterns; like an anthropologist exhibiting Indian basket-weaving. Warhol shows us our folk art – soup cans. His message – the emperor has no clothes, but that’s all right, in fact it’s beautiful – takes acceptance of image for essence to its logical extreme. Blonde on Blonde is about this love of surface.« (Ebd.: 235f.)

Mit Ellen Willis kommt demnach einmal zusammen, was um 1968 sonst häufig auseinanderstrebt. Rock und Pop, Konsumprodukte und Volkskunst, Gegenkultur und Massenkultur. Um dies zu erreichen, muss Willis mehrere gewagte Behauptungen und Deutungen anbringen. Erstens muss sie die Pop-art zum Verkünder der Schönheit massenproduzierter Objekte machen; zweitens muss sie in der new sensibility, in der Absage an die Interpretation bzw. in der Feier einer Erotik der Kunst im Sinne oberflächlicher Faszination einen egalitären Akt sehen; drittens muss ihr die Hingabe an die Oberfläche als ein wirkungsvoller subversiver Akt erscheinen; und viertens darf sich bei ihr kein gravierender Widerspruch zwischen den modischen, dekadenten Pop-Bohemiens und den gewöhnlichen Leuten auftun.

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Willis stützt diese Einschätzungen und Spekulationen bezeichnenderweise nicht näher ab, indem sie versucht, die vermutete Nähe von Boheme und Egalitarismus zu belegen. Der Nachweis, die Pop-Anhänger bewusst erklärter Oberflächlichkeit seien nicht auf eine individuelle Absetzung von der Masse aus (oder bewirkten sie nicht), wäre auch kaum zu erbringen. Leichter fällt die Beweisführung, wenn es um die Rockmusik, gerade in ihren Anfangszuständen, geht. Hier kann Willis einfach die These, Rock sei keine authentische Musikform, sondern ein Produkt der Unterhaltungsindustrie, der von oben aufoktroyierten Massenkultur, als Halbwahrheit zurückweisen, indem sie auf die große Zahl der jugendlichen Gruppen verweist, die sich in den Nachbarschaften aller kleineren und größeren Städte immer wieder neu bilden und von denen im Einzelnen stets neue Impulse ausgehen, die von den Firmen zwar aufgegriffen und vermittelt, aber nicht initiiert werden. Bei Campbell-Suppendosen greift das Argument jedoch keineswegs. Die Werte der Authentizität und der Aktivität, die für die Rockmusikanhänger von großer Bedeutung sind, stehen darum einem Lob solcher Pop-Kultur regelmäßig entgegen. Umso erstaunlicher, dass mit Ellen Willis’ Ausführungen bereits frühzeitig ein Aufsatz vorliegt, in dem die unterschiedlichen Stränge der zeitgenössischen Pop- und Rock-Szenerie politisch und ästhetisch zusammengeführt werden.

Zwischenbilanz am deutschen Beispiel Eine Auffächerung der Urteile und Einschätzungen zur Pop- und Rockmusik wie in den USA und England findet man in genau vergleichbarer Weise im deutschsprachigen Raum nicht. Trotzdem eignet sich das deutsche Beispiel, um einen Überblick vorzunehmen, werden doch mit dem Import der Musik auch einige zentrale Bestimmungen und Doktrinen übernommen. Zudem können im Lichte der Schwierigkeiten, die einige angloamerikanische Ausgangspunkte bereiten, sehr gut jeweilige Besonderheiten hervorgehoben werden. Das fängt bereits mit den Begriffen an. In den 50er Jahren ist die Ausstrahlung des ›Volkstümlichen‹ noch so stark (vgl. Hecken 2007b), dass deutsche Übersetzungen des amerikanischen Worts »popular culture« eben nicht »populäre Kultur« lauten. David Riesmans stark rezipiertes Buch The Lonely Crowd etwa fasst »jazz, soap opera, the movies, and television« unter dem Oberbegriff popular culture zusammen (1950: 361); in der deutschen Übersetzung steht an der Stelle »volkstümliche Unterhaltungsmittel« (Riesman 1958: 312). Der andere Grund, weshalb der Begriff popular culture nicht importiert wird – immerhin könnte man sich durch eine solche Übernahme in der Nachkriegszeit von den teilweise stark diskreditierten »Volks«Konzepten absetzen –, besteht darin, dass man den angloamerikanischen Begriff ganz in dem der »Massenkultur« aufgehen lässt. Zwar weist popular culture auch im angloamerikanischen Sprachraum oft die gleiche negative Konnotation auf wie mass culture. Dies ändert sich aber, wie gesehen, anfänglich in schwächerem Ausmaß bei beiden Begriffen zugleich, bis dann ab Mitte der sechziger Jahre popular culture zunehmend (häufig mit neutralerer oder sogar positiverer Wertung versehen) den Begriff mass culture ersetzt. In der BRD verhindert dies noch längere Zeit die dominante demokratieskepti-

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sche und manchmal zugleich totalitarismuskritische Theorie der Massenkultur und -gesellschaft (bzw. der Kulturindustrie), welche verschiedene wissenschaftliche Richtungen und politische Lager überwölbt. So kommt es zu dem interessanten Phänomen, dass man in Westdeutschland zuerst viel häufiger auf das importierte Kurzwort »Pop« stößt als auf den Begriff »populäre Kultur«. Das hängt vor allem mit der Rezeption der angloamerikanischen »pop art« zusammen (früh bereits Picard 1962) und weniger mit der Popmusik. Zwar gibt es im Feld der Musik entsprechende Importe; Jean Amery etwa zitiert 1960 in seinem Buch über Teenager Stars einen Artikel aus der New York Times über die »Zukunft des amerikanischen ›Pop‹ (populären) Liedes« (1960: 115); Robert von Berg zählt fünf Jahre später in der Süddeutschen Zeitung zur amerikanischen pop culture, die er von der »Fließband- und Massenkultur« positiv absetzt und der er (mit Verweis auf Herder) eine »authentische und volkstümliche Qualität« zuspricht, neben Comics, Musicals sowie den »originelleren Spielarten der Pop Art« auch die »Gesänge Bob Dylans und Ray Charles’« (1965: 18). Diese Belege stehen jedoch vereinzelt da. Die seit Ende 1963 stattfindende öffentliche Gleichsetzung der auffälligen Musik der Heranwachsenden mit dem Erfolg der Beatles führt dazu, dass im deutschsprachigen Raum bis 1966 fast ausschließlich und 1967 noch weit überwiegend von »Beat« und »Beatmusik« die Rede ist (Schneider 1978: 53). Beat fungiert in der Zeit auch als Oberbegriff und Referenz für alles, was nicht aus Liverpool kommt und überhaupt nicht nach den Beatles klingt. Dylan ist für Bravo, die auflagenstärkste Zeitschrift der jungen Leute, noch im November 1966 ein »Folk-Beat-Sänger«, im Monat darauf werden Ike & Tina Turner als »Black Beat« bezeichnet usf. Bravo unternimmt dabei einige Anstrengungen, um den Beat nicht als aggressiven Schlag kenntlich machen zu müssen. The Who geben sich für Promo-Fotos in den verschneiten Alpen her und müssen sich darum im Januar 1967 unter der lustigen Überschrift Schneebeatchen und die 7 Berge gefallen lassen, als spaßige Touristen porträtiert zu werden. »›Kinder, kommt ‘rein ins Warme‹, sagt Pete Townshend, ›ich beate zum Tee!‹«, steht dort allen Ernstes als Bildunterschrift (Anonymus 1967b). Der Wunschtraum von Bravo kommt auch in einem weiteren Artikel über die Gruppe schön zum Ausdruck: »Der wilde Mann bin ich nur auf der Bühne«, wird Pete Townshend zitiert, »Sorry, privat bin ich zahm und wohlerzogen« (Anonymus 1966b). Die beruhigenden Maßnahmen sind notwendig, weil Bravo HitparadenErfolge nicht einfach übergehen kann; die Ausrichtung am Erfolg bzw. der Popularität nötigt Bravo, ausführlich und positiv über Gruppen zu berichten, die mit den Verhaltensnormen der Redaktion und des Verlags augenscheinlich brechen. Das führt zu bemerkenswerten Konstruktionen; die Rolling Stones werden sogar nach ihrer berüchtigten Deutschland-Tour 1965, bei der einiges Mobiliar zu Bruch geht, vor ihren Fans, die bei ihrer Musik »in Verzückung geraten«, wie Bravo als Tour-Ausrichter recht beschönigend anmerkt, in Schutz genommen: »Einen einzigen Satz konnten alle fünf [StonesMitglieder] in perfektem Deutsch aussprechen. Er lautet: ›Wir sind keine Halbstarken‹« (Anonymus 1965b). Bei anderen spektakulären, abweichenden Gruppen hofft Bravo hingegen im Vorfeld, dass sie den Weg nach Deutschland erst gar nicht finden werden. Der »Frisco-Sound« von Gruppen, die so »exzentrische« und »verrückte« Namen haben wie Grateful Dead und Jeffer-

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son Airplane, sei wohl kaum »auf die Platte zu bringen und dadurch sonstwo populär zu machen«, heißt es Anfang 1967 in einer Notiz, die ihren Wunschcharakter nur notdürftig hinter der Fassade einer neutralen Annahme verbirgt. Auch hier macht aber die Publizität, die den Gruppen bereits in den USA zukommt, einen Hinweis offensichtlich unumgänglich, auch hier treibt der Aufmerksamkeitserfolg, den die »›Psychodelic‹«-Szene erzielt, Bravo zur Berichterstattung, weil man ahnt, dass sich die deutschen Leser ebenfalls für den neuen amerikanischen Trend interessieren werden, vor allem für die ungewöhnlichen Bilder, die er liefert, für die »ständig Farben und Formen wechselnden Lichtspiele«, für die »Pop-Art aus Projektoren«, jenen »bunten Rausch, den viele durch LSD verstärken«, wie es harmlos in Bravo heißt, bevor am Ende dann die Vermutung steht, dass dem Leser mit dieser »kleinen Gebrauchsanweisung« wohl nicht geholfen werden konnte, mit dem Look auch den Sound in Deutschland reproduzierbar zu machen (Paulchen 1967). Politisierte Kräfte der jungen Film- und Musikkritik vertrauen natürlich genau auf das Gegenteil. Beispiele für andere erfolgreiche Importe nach den Beatles und Stones gibt es schließlich genug. 1967 sind deutsche Illustrierte und Magazine voll mit Berichten über die erfolgreiche Gründung von Boutiquen; in »Popdekorationen«, berichtet Twen, werde dort die Mode für »Pop und Beat«-Anhänger verkauft, genau wie in England bei Biba und Bazaar (Anonymus 1967c). Der Spiegel hat in seiner Titelgeschichte Die übertriebene Generation. Jugend 1967 das gleiche Phänomen im Blick, als er ausführlich die erfolgreiche Einrichtung spezieller Abteilungen für Jugendliche in Kaufhäusern schildert (»Carnaby-Imitationen«); dieser »konsumierenden«, »narzißtisch mit sich selbst beschäftigten« Jugend wird eine »demonstrierende« und »aktivistisch sich engagierende Jugend« hart gegenübergestellt, symbolisiert durch die Gegensatzpaare »Chelsea-girls und Rote Garden, Rudi Dutschke und Twiggy«. Der Gegensatz wird insofern noch verstärkt, als der Spiegel nicht vergisst, im typischen Stil des kritischen Zeitgenossen darauf hinzuweisen, dass Swinging London, das Zentrum der »juvenilen Sub- und Mod- und Beat- und Popkultur«, zu »Her Majesty’s Swinging London arriviert (und schon degeneriert)« sei (Anonymus 1967d: 156ff.). In konservativeren Blättern wie der FAZ wird zur gleichen Zeit natürlich ohnehin im traditionellen, kontinentalen kulturkritischen Tenor, der zumal in Deutschland eine positive Identifikation von zeitgenössischer Popkultur mit liberaler Demokratie und kapitalistischem Warenreichtum verhindert, berichtet. Auf der Kontrastfolie Deutschlands zeigt sich die im kulturellen Bereich neuartige, affirmative Rede über Pop, die man Mitte der 60er Jahre in englischen und amerikanischen Magazinen und Sonntagsbeilagen findet, besonders deutlich. Dass Intellektuelle im Sinne der Independent Group und Archigrams die modischen Produkte der Wegwerfgesellschaft feiern, ist folgerichtig auf dem alten Kontinent fast undenkbar (Ausnahme: Brock 1977b). Wenn es in der FAZ heißt, in Amerika würde sich die Mode begeistert des »Pop« annehmen, kann sich hinter der Feststellung deshalb keine positive Wertung verbergen. Andy Warhol, führt die FAZ weiter aus, trage als »lebendes Pop-Modell« »den Pop erfolgreich in die Unterhaltungsindustrie«; die »›multi-media-message‹ von MacLuhan« habe zudem geholfen, die jugendlichen Besucher von Diskotheken »Ekstasen« aus »rotierenden Blitzen von Licht und Ton« auszusetzen: »In Andy Warhols Tanzgrube ›Plastic Inevitable‹ oder in ›Cheetah‹ am Broadway, dem Mekka der Höhlenkinder des Pop,

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dröhnt und flimmert, blitzt und donnert es ohne Ruhepause«. Phänomene der »Subkultur« des Pop sieht die FAZ im direkten, abträglichen Zusammenhang mit der »Kommerzialisierung«, mit Produktionen für den »Massenmarkt«; deshalb kann in einer Aufzählung das »mächtige Aufflackern des Jugendstils in Graphik und Gebrauchskunst« sowie die »Wiederkehr der Comic Strips und ihrer Helden auf Film und Bühne« unmittelbar neben den »Farbenräuschen der Hippies und der LSD-Kultur« stehen (Lietzmann 1967). Anlässlich der Eröffnung des Münchner »Beatlokals« Blow Up darf der Spiegel das Ende November 1967 auch für die BRD festhalten: »Erstmalig werden deutsche Twens getroffen von jenem elektronisch gesteuerten Geflacker aus 250 Schein- und Bildwerfern, das amerikanische Pioniere der Bewußtseinsvernebelung längst schätzen wie eine Prise LSD«. Die Abneigung gegen die Kommerzialisierung führt den Spiegel aber zu dem kritischen Urteil, dass die 5000 Besucher gar keine »wahren Hippies« sind, sondern nur »Hippie-Kostüme« tragen (Brügge 1967). Der Beweis, dass die Anfang 1967 von Bravo herausgestellte amerikanische Welle auch nach Deutschland vordringen kann, wäre damit durch andere Presseerzeugnisse erbracht. Trotzdem können die rebellischen Szenegänger mit dem Nachweis wiederum keineswegs zufrieden sein, geht er doch zugleich mit der Behauptung einher, der Pop-Hippie-Trend sei allzu leicht einzufangen bzw. bilde bereits von vornherein eine lediglich kommerzielle Strömung. Ihre Antwort besteht deshalb darin, die von ihnen ebenfalls verachtete Kommerzialisierung rhetorisch abzuwehren, gleichzeitig aber zu betonen, dass es einen aussichtsreichen, widerständigen Teil, eine echte Gegenkultur, gebe, die vor der Vereinnahmung gefeit sei. In einer groß angelegten Artikelserie über Die Kinder von Sergeant Pepper und Mary Jane macht Uwe Nettelbeck gleich zu Beginn klar, dass er nicht über die Carnaby Street schreiben und schon gar nicht den Ausdruck »Swinging London« verwenden werde. Stattdessen berichtet er über die Hippies aus dem UFO-Club und über Gruppen wie Pink Floyd. Trotz seiner Abneigung gegen den alarmistischen »Drogen-Pop-Stars-und-Teenager-Unsinn« der Boulevardzeitungen, denen er die »zynische Beat-Lyrik« der Rolling Stones positiv entgegenhält, schreibt auch Nettelbeck ausführlich über die Razzien und den anschließenden Drogenprozess, der gegen Mick Jagger und Keith Richards angestrengt wird (1967a). Die begriffliche Unterscheidung lässt vermuten, dass die Stones bei Nettelbeck für mehr stehen als für vorübergehende Schlagzeilen über Pop, Stars und Teenager. Die Vermutung wird nicht enttäuscht. Die Aufregung besitzt für Nettelbeck eine Dimension, die weit über den Tag hinausreicht; die Rede von den Hippies und der Beat-Lyrik weist bereits in diese Richtung. Weil jetzt auch die Bravo ihre Stars nicht mehr für ihre Zwecke einspannen kann und sich in einem offenen Brief an Jagger über dessen wenig unterwürfiges Auftreten vor Gericht beschwert, sieht Nettelbeck seine Meinung bekräftigt, dass es sich hier nicht um jugendliche Belanglosigkeiten dreht (1967c). Im Gegenteil, von den Repressionsmaßnahmen gegen die Hippies und gegen die »Pop Stars« der Rolling Stones fühlt er sich sogar in hohem Maße in seiner Auffassung bestätigt, dass die »bürgerliche Arbeitsgesellschaft, auch die liberalste« auf nichts so allergisch reagiere wie auf die Ablehnung ihrer Pflichtideale (1967b). Zum Nutzen des Bestehenden ließe sich die Lebensweise der Hippies keinesfalls ausbeuten, glaubt Nettelbeck, ihre Gedichte erfüllten kei-

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nen staatstragenden Zweck und würden in Schullesebüchern nur für Verwirrung sorgen, ihre Bilder seien »für den bürgerlichen Geschmack manchmal zu obszön, manchmal zu bunt«, ihre Musik entweder zu laut oder zu eigentümlich; als Konsumenten fielen die Hippies zudem fast vollständig aus und fügten der Wirtschaft dadurch einen beträchtlichen Schaden zu, bilanziert Nettelbeck unter Verweis auf die amerikanischen Drop-outs (1967b). Es überrascht darum nicht, wenn Nettelbeck im letzten Teil seiner Reihe über Die Kinder von Sergeant Pepper und Mary Jane zu äußerst hoffnungsvollen Schlussfolgerungen und Prognosen gelangt. In dem unbürgerlichen Lebensstil der Hippies erkennt er die Grundlage für eine wahrhafte neue Politik, die sich auf wirksame Weise auch von den alten Konventionen des linken Protests unterscheidet. Der deutschen außerparlamentarischen Opposition empfiehlt Nettelbeck deshalb eindringlich, sich nach dem Vorbild der Kommune I der Hippie-Methoden zu bedienen und von den üblichen Formen politischer Argumentation und Konfrontation abzulassen. Den protestierenden linken Studenten schreibt er ins Stammbuch, sie müssten nun rasch einsehen, dass der Spruch des Kommunarden Dieter Kunzelmann »Was geht mich Vietnam an, ich habe Orgasmusschwierigkeiten« eine bessere Losung abgebe als Rudi Dutschkes martialisch klingende Aufrufe. Genauer gesagt: Die zunehmend an Marx orientierten Kräfte sollten »jene weise Hippie-Regel beachten, daß es ungefährlicher, aber vernünftiger und wirksamer ist, Rasenflächen zu betreten, deren Betreten verboten ist, und auf diesen Rasenflächen zu singen und zu tanzen« – ungefährlicher und zugleich sinnvoller als auf hergebrachte Art zu protestieren. Vielleicht in Anlehnung an Ken Kesey (jedenfalls übernimmt er bis in die Wortwahl hinein dessen Argumentation) steht Nettelbeck der politischen Demonstration äußerst ablehnend gegenüber; »mit Plakaten vor eine Botschaft und das Rathaus zu ziehen« läuft für ihn schlicht drauf hinaus, »die Karikatur einer Opposition herzustellen und so das Spiel der anderen zu spielen« (1967d). Das Vertrauen in die Verhaltensweisen und Aktionen der Kommunarden und Hippies geht bei Nettelbeck so weit, dass er seine Hoffnungen auch auf jene Jugendlichen setzt, die bloß in ihrer Freizeit auf mittlerweile kommerziell vertriebene Hippie-Insignien zurückgreifen. Einen Ausverkauf im Sinne des Pop fürchtet Nettelbeck nicht, weil er die Kraft des »Beat« äußerst hoch einstuft (s. dagegen Baacke 1967). Ebenso wie er im Beat eine »permanente Aufforderung zum Aufruhr« erkennt, sieht er selbst im »Hippie-Rummel« noch deutlich den Kern des »Hippie-Aufruhrs« gewahrt. Der entscheidende Grund für Nettelbecks Optimismus liegt darin, dass er in der hedonistischen Einstellung einen durchschlagenden Gegensatz zur herrschenden Gesellschaftsordnung ausmacht. Darum liegt für ihn bereits in den allgemein zugänglich gemachten Zeichen und Objekten der anfänglich kleinen HippieSubkultur eine Kraft, die zur Bildung einer großen Gegenkultur führen kann. Voller Zuversicht verweist Nettelbeck darauf, dass immer mehr Jugendliche, die »sich nur mal zum Spaß ein Hippie-Hemd gekauft« oder die Haare aus modischen Gründen länger wachsen lassen haben, tatsächlich bald mit den für sie vorgesehenen gesellschaftlichen Institutionen brechen würden – dass sie »freiwillig und ohne einen unmittelbaren Anlaß ihre gepflegten, keimfreien, aber dennoch stinkenden Elternhäuser« verlassen, ebenso ihre öden Lehrstellen, an denen sie auf einen langweiligen Beruf vorbereitet würden, ihre Schulen, »an denen sie vor allem lernen sollten, daß man zu parieren und sich

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keine unbescheidenen Hoffnungen zu machen habe«, nicht zuletzt ihre Universitäten, auf denen man in erster Linie erfahre, »daß Wissen Macht und zu herrschen eine lohnende Beschäftigung sei, aber erst tüchtig dienen müsse, wer einmal herrschen wolle«. Nettelbeck ist sich ganz sicher, dass die Jugendlichen, angetrieben bzw. angezogen durch die Hippie-Mode, all das ablehnten; sie wollten »weder dienen noch herrschen, nur leben und glücklich sein«, fasst er seine Beobachtungen zusammen, die von der eminenten politischen Macht der Gegenkultur zeugen. Die Jugendlichen brechen aus der vorgegebenen Ordnung aus, gibt Nettelbeck an, weil sie »das zum Spaß gekaufte Hippie-Hemd auf die Hippie-Idee gebracht« habe, dass »es noch andere für sie nicht vorgesehene Dinge geben könnte, die Spaß machen, pot zum Beispiel oder faul zu sein, weit über das zur Wiederherstellung der Arbeitskraft notwendige Maß hinaus, oder auch am Montagvormittag ein Mädchen zu lieben oder tagelang Musik zu hören« (1967d). Nettelbeck rechnet mit einem massiven Widerstand von Seiten des Staates, weil er annimmt, dass die Beispiele eines »allzu vergnügten Lebenswandels« eine Gefahr für den »reibungslosen Ablauf der Ausbeutung« bedeuteten. Die erwarteten Repressionsmaßnahmen von offizieller Seite tragen dann, nach seiner Vorstellung, zu einer erheblichen politischen Radikalisierung bei. Bereits jetzt komme es immer wieder vor, dass »junge Leute, die zunächst nur die neue Mode schick finden«, zu Beginn entdecken, »wie lustig es sein kann, die squares ein bißchen zu reizen«, um dann schnell feststellen zu müssen, »wie gefährlich es ist, sich mit ihnen anzulegen«, und dadurch zur Entscheidung gezwungen werden, »alle Stillhalteabkommen und alle geltenden Übereinkünfte aufzukündigen«, »sich notfalls auch undemokratisch zu benehmen, alle repressiven Gesetze zu mißachten, die Herrschenden nicht mehr zur Ruhe [sic] und nichts unversucht zu lassen, ihre miserable Ordnung aufzuweichen« (ebd.). An dem letzten Wort kann man allerdings bereits ablesen, dass Nettelbeck trotz der von ihm ausgemalten und begrüßten Zuspitzung auch mit weniger dramatischen Abläufen und Konsequenzen halbwegs zufrieden ist. Ihn treibt es nicht mit aller Gewalt zum großen Bruch, zum plötzlichen Umschlag. Eine positive Aufweichung der Ordnung scheint ihm sogar bereits gegeben, wenn keine offenen Gesetzesverstöße vorliegen. Bei aller eigenen Radikalität akzeptiert Nettelbeck auch die Bemühungen derjenigen, denen es nicht gelingt, sich dem Druck der Gesellschaft und den Verlockungen eines lukrativen Berufs zu entziehen. Eine kommerzielle Korruption, einen Verrat an der Sache mag er darin nicht von vornherein sehen. Entscheidend sei vielmehr – und dies wird nach seiner Ansicht zwingend eintreten –, dass auch jene, »die es unter den Hippies über kurz oder lang nicht mehr aushalten und sich wieder unter die squares mischen, in ihre Elternhäuser oder an ihre Lehrstellen, Schulen oder Universitäten zurückkehren, doch noch bei einem öden Beruf landen und die ihnen zugedachten Posten einnehmen, sich ihrer Karriere und ihrer Familie widmen und zu Macht und Ansehen kommen, sich in der Regel einen Rest von Aufsässigkeit bewahren werden: Sie werden sich nicht mehr ohne weiteres ausbeuten und nicht vor jeden Karren spannen lassen, nicht vergessen, daß es so schnell keine Sache gibt, für die es sich lohnt, unglücklich zu werden,

Underground und Pop | 245 und sie werden die Macht, wenn sie ihnen in die Hände fällt, weniger skrupellos gebrauchen als ihre Väter.« (Ebd.)

Wegen dieses vermuteten Szenarios tritt Nettelbeck auch in Deutschland vehement für die Haltungen und Aktionsformen der Hippies ein, obwohl es, nach seiner eigenen Aussage, selbst in Berlin 1967 kaum Hippies gibt und sich die englischen und amerikanischen Methoden wohl nur schwer nach Deutschland übertragen lassen. Das ändert sich aber mit dem Jahr 1968 schnell, zumindest was die Zahl der nach internationalem Vorbild auftretenden Verfechter einer deutschen Gegenkultur angeht. Umso drängender stellt sich den Wortführern der Gegenkultur bzw. des Untergrunds (das englische underground wird rasch eingedeutscht) die Frage, wer noch zu ihnen gehört und was bereits dem Mainstream anheim gefallen ist. Mit der Eskalation der politischen Ereignisse bis ins Frühjahr 1968 hinein fallen die meisten Antworten auf die Frage wesentlich unnachgiebiger aus als die Nettelbecks. Man vertraut nun keineswegs einfach auf das »Hippie-Hemd« oder den »Beat« schlechthin, meistens auch deshalb, weil man weit mehr als eine gelockerte Ausübung der Macht anstrebt. Folgerichtig steht ständig die Abschätzung auf der Tagesordnung, was genug widerständiges Potenzial aufweist und was bloß zum Bestehenden beiträgt. Der Maßstab ist radikal, nicht weniger als die vollkommene Negation »aller Werte der Gesellschaft« wird eingefordert. Kommerzielle Formen können deshalb nur Abscheu auslösen, zum »Untergrund« zählen nach der Maßgabe allein jene Haltungen, die sich dem erlaubten Pluralismus und den gängigen Produkten der Warenwelt verweigern. Ralf-Rainer Rygulla zitiert 1968 zustimmend Ed Sanders Aufruf zum »totalen Angriff auf die Kultur«, er propagiert den »anti-Konsum« und eine »antizivilisatorische« Haltung (1980: 115). 1967 hatte Rygulla zur amerikanischen »total scene« neben »psychedelic happenings«, »Free Sex«, Andy Warhols »Underground Filmen«, »Beat groups« wie The Fugs auch »pop Musik, pop Mode, pop Gedichte« gerechnet (1967: 26). 1968 ist das »Pop«-Wort aus Rygullas Neuausgabe seiner Sammlung amerikanischer Untergrund Gedichte bereits verschwunden. Rygullas gleich zu Beginn geäußerte Überzeugung, dass Batman, die Ikone amerikanischer Popkultur Mitte der 60er Jahre, Gotham City verlassen habe und nun »in Vietnam in seinem Super-Super-Tank gegen das Böse« kämpfe, verhindert einen weiteren unbefangenen Gebrauch des PopBegriffs im Untergrund-Zusammenhang. Allerdings zählt Rygulla zum Underground in vertrauter, internationaler Manier nicht zuletzt auch die Aufhebung der Kunst-Gattungen (mit Verweis auf McLuhans intermedia- und involvement-Konzepte), er beruft sich weiterhin auf »Beat-Gruppen« wie The Fugs, Velvet Underground, Mothers of Invention und er feiert in einem Cutup-Methoden, »porn. lit.« und »Vulgär-Slang«, wie er sie aus William Burroughs’ und Mary Beachs Texten kennt (1980: 115ff.). Ein grundlegender Angriff auf die amerikanische Kultur und Zivilisation sähe wahrlich anders aus, dafür spricht als ein Indiz auch, dass viele weitere Anhänger der Gegenkultur 1968 auf den »Pop«-Begriff noch nicht verzichten. Richtiger wäre es demnach, von einer Attacke auf die ältere bildungsbürgerliche Kultur und auf die feinsinnige, abstrakte moderne Kunst zu sprechen. Die radikale Rhetorik der Gegenkultur bezieht ihre Emphase vornehmlich aus der Überzeugung, zumindest in diesen Kreisen auf Widerstand und

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Empörung zu stoßen. Auf Seiten der Linken, soweit sie bei ihren intellektuellen Anhängern nicht selber dem älteren oder dem modernistischen bildungsbürgerlichen Geschmack verpflichtet ist, dürfen sich zusätzlich noch die Freunde des politischen Lieds angegriffen fühlen. Bei ihnen fällt jedoch die Abwehr bereits schwach aus. 1967 konstatiert Rolf-Ulrich Kaiser, dass in den USA nicht mehr die Folksongs, sondern die »populären Lieder« politische Botschaften trügen (1967: 9). Die Zeitschrift Song verändert über dieser Erkenntnis rasch ihre Ausrichtung, wie man schon an ihrem Untertitel sehen kann, der sich von »Chanson, Folklore, Bänkelsang« zu »Zeitschrift für progressive Subkultur« wandelt. Es ist aber nicht die Annahme, jugendliche Subkultur und Popularität gingen befreiend zusammen, die in Deutschland zu einem vergleichsweise häufigen Gebrauch des Pop-Begriffs in Underground-Kreisen führt, ein Gebrauch, bei dem Pop sogar im Gegensatz zur Begriffsverwendung innerhalb der amerikanischen Szene mehr als nur als Oberbegriff fungiert. Es gibt freilich auch eindeutige, abwertende Identifikationen der Popmusik mit dem »Schlager« und dem »kommerziell Schematisierten«, gegen die »neue Beatgruppen« (beispielsweise Velvet Underground) auf der Grenze zur zeitgenössischen Avantgardemusik positiv abgegrenzt werden (Heißenbüttel 1968). Von »Pop-Kultur« und vom »Pop-Prinzip« des »›involvement‹« sprechen in wohlwollender ausgleichender Absicht aber nicht nur liberale Pädagogen (Baacke 1968: 26, 227f.); häufig werden vielmehr »neue Pop-Musik« und Underground in linken Zeitschriften wie Konkret, Sounds und gegenkulturell ausgerichteten Büchern wie Protestfibel in einem Atemzug genannt, gerade bei Hinweisen auf musikalisch-elektrische Environments im Sinne McLuhans oder auf experimentellere Musiker wie Frank Zappa (Kaiser 1968a; Schmidt-Joos 1968; Sounds 1982: 34ff.; Kaiser 1969: 82; Seuss/Dommermuth/Maier 1969; Broder 1969; Broder/Kaiser 1969; vgl. Siegfried 2006: 676). Die oftmals positive Verwendung des Pop-Begriffs bei Autoren, die sich selbst der Gegenkultur zurechnen, dürfte zwei Ursachen besitzen. Erstens ist »Pop« in Deutschland ein neuer, noch weitgehend unverbrauchter Begriff; wo in anglo-amerikanischen Magazinen inzwischen von Rock die Rede ist, steht in ihren deutschen Pendants 1968 oft noch der gerade für amerikanische Ohren teilweise historisch zu stark belastete Ausdruck »Pop«. Das führt zwar manchmal zu eigentümlichen Übersetzungen und Bedeutungsfestlegungen – der Spiegel spricht von McLuhans »Pop-, also Volks-Philosophie« (Anonymus 1967e) –, durch den Bezug auf die amerikanische Pop-art und die angloamerikanische Popmusik bleiben Verwechslungen mit deutschen Traditionen jedoch eine Ausnahme. Zweitens stößt Pop in Reihen des Bildungsbürgertums und auch innerhalb der literarischen Intelligenz noch oft genug auf Ablehnung, um für gegenkulturelle Kräfte eine subversive Bedeutung anzunehmen. Heinz Ohff etwa meint 1968 feststellen zu können, Pop werde immer noch, selbst von »sehr modern eingestellten Leuten«, als »Provokation« empfunden; daran liege es u.a. auch, dass Underground-Vertreter wie Rygulla, die sich mit aller Entschiedenheit gegen den »Super-Kommerzialismus« aussprächen und darum eigentlich gegen die Pop-art eingestellt sein müssten, diese dennoch weiterhin akzeptierten (1968: 10f., 38). Tatsächlich werden Prinzipien des »agitpop« (Brock 1977c: 609) und der »symbolischen Irritation des Publikums« nicht nur von feuilletonistisch-

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avantgardistischen Gegnern eines literarisch engagierten Realismus und der sozialphilosophisch begründeten Vernunft hochgehalten (Bohrer 1968a: 43, 38ff.; Brock 1977d: 610), sondern auch von wirklichen Außenseitern und Feinden des bestehenden Systems. Den angenommenen Schockwert der PopEinstellung kann man z.B. ausgezeichnet an den ins Extrem gesteigerten Parolen des Provo-Revolutionärs Hans-Peter Ernst aus dem März 1968 erkennen; neben destruktiven Imperativen wie »Öffnet Zoos, Irrenhäuser und Gefängnisse mit Preßlufthämmern«, »Sorgt dafür daß alle Bundestagssitzungen mit Tumulten enden. Übergießt die Sprecher mit Benzin und verbrennt sie«, »Vergewaltigt alle Mädchen einer Klosterschule« steht dort ebenfalls der Aufruf, man solle »Renntips, Comics und die Pekinger Rundschau« studieren (1970: 93); ein vergleichsweise harmloser, realistischer Vorschlag, der gerade darum ein guter Beweis für die Überzeugung ist, der Pop-Abfall von der traditionellen hohen Kultur stelle einen wirkungsvollen politischen, anarchistischen Akt dar. In kleinerer Zahl sind sogar in einer schwächer politisierten Variante der indifferenten Affirmationsgeste Warhols Forderungen anzutreffen, die bestehenden Verhältnisse sollten derart rückhaltlos bejaht werden, dass daraus eine subversiv wirkende Überforderung (Brock 1977d; 1977e: 838ff.; vgl. Brock 1986) und zumindest eine entlarvende »ironische Verdoppelung« entstehe (vgl. Riha 1966; Habermas 1969a: 191). Auf breiter jugendlich-kulturrevolutionärer Front läuft die Identifizierung von Pop und Underground demnach ungestört, solange man auf seriösakademischen Abscheu angesichts oberflächlicher Sujets und auf bürgerliche Empörung angesichts offen gezeigter Intimität rechnen kann (vgl. Huyssen 1986b). Es gibt aber schnell Stimmen aus dem Lager der aufgeklärten, neulinken Moderne, die den Wirklichkeitsgehalt dieses Befunds entschieden bestreiten. Bereits 1967 vertritt Karl Markus Michel im Kursbuch die Auffassung, dass die Hinwendung zur Popkultur innerhalb zeitgenössischer kunstinteressierter und akademischer Kreise zunehmend zum guten Ton gehöre und nur eine raffinierte Form elitärer Haltung darstelle: »Pop, Beat und Comics, die neuen Formen der Volksverbundenheit der Intellektuellen, illustrieren nur ihren Protest gegen den eigenen Snobismus, der sich daran labt« (1967: 222). Wahrscheinlich haben die Anhänger des Pop-Undergrounds diesen Angriff auf ihre Position noch leicht als Bestätigung auffassen können, veröffentlichen doch im Kursbuch u.a. Schriftsteller wie Martin Walser und Uwe Johnson, von denen sich die Pop-Avantgarde gerade absetzen möchte. Schwieriger wird es aber jene Form der Kritik zu umgehen, wie sie in Deutschland besonders prominent Jürgen Habermas an der Pop-art übt, weil sie für ihn in einer Linie mit der »vorsätzlichen Fusion von Kunst- und Konsumgüterproduktion« steht. Zwar billigt Habermas der Pop-art noch eine zumindest schwach ausgeprägte Form der Verfremdung, der Absetzung von der schlechten Wirklichkeit zu: Die Pop-art, definiert Habermas in bekannter Manier, löse die Objekte aus ihren Funktionszusammenhängen heraus, die »trivialen Bestandteile einer technischen Zivilisation gewinnen als künstlicher Schutt sinnliche Qualität und unerwartete Prominenz.« Das könne man noch als eine Erfüllung der kritischen Funktion der Kunst ansehen, »wenn auch auf ihrer untersten Stufe«. Als reiche der herabwertende Nachsatz noch nicht aus, beschwört Habermas zudem die Gefahr herauf, dass die Pop-art zu einer »affirmativen Kultur« beitragen könnte, in der dann die vollkommen entgrenzte bzw. in seiner Sicht »abgeschaffte Kunst unvermittelt der Be-

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schleunigung der Warenzirkulation dient – wenn sie den Verschleiß von Kleidern und Möbeln und Bettpfannen so weit mobilisiert, daß die ausgeliehenen Identitäten der Schnell- und Dauerkonsumenten zerfließen.« Diese befürchtete und beklagte »Affirmation des Bestehenden durch dessen tendenziöse Verdoppelung« belegt Habermas mit dem traditionellen Titel der »Massenkultur«. Solch kritische Einschätzungen fallen natürlich bei den Verfechtern der Gegenkultur auf fruchtbaren Boden, zählen sie doch selbst zu den Feinden der Kommerzialisierung und des Konsumismus. Habermas hält ihnen aber hart entgegen, dass sie bei ihrer Ablehnung der Massenkultur unwissentlich deren Vollendung betreiben würden. Weil sie aus avantgardistischen Gründen die Kunst im Leben aufgehen lassen wollten – und in ihrer Sicht die bürgerliche Kultur genauso wie die Massenkultur dem Fetischcharakter der Ware unterliege –, vereine sich ihr Protest gegen die Massenkultur auf unheilvolle Weise mit einer allgemeinen »Kunst- und Wissenschaftsstürmerei«. Dadurch werde tatsächlich nichts anderes erreicht als eine Erweiterung der kulturindustriellen Angebotspalette um die Erzeugnisse des Undergrounds. Das kulturrevolutionäre Bewusstsein diene letztlich nur zur Legitimation, einen »ungekränkten Konsumentenstatus einzunehmen«, es verschaffe den radikalen Hippies untergründig eine »zweite Unschuld, mit der sie an der affirmativen Subkultur teilhaben«, fasst Habermas seine nachhaltige Absage an all jene Kräfte zusammen, die aus seiner Sicht das Projekt der Aufklärung und der autonomen Kunst aus scheinrevolutionären Gründen aufgeben bzw. verraten (1969b: 24ff.). Auf dem Ohr sind die Kritisierten jedoch taub, weil ihnen der Angriff auf die herrschende Kultur, die für sie nur eine Kultur der herrschenden Verwaltungs-Rationalität und des unsinnlichen Zwangs ist, programmatisch gar nicht weit genug gehen kann. Ins Herz trifft sie aber der Vorwurf, sie trügen auf ihre Weise auch nur zur liberalen Wahlfreiheit unter kommerziellen Gütern bei. Hier liegt für sie ein wirkliches Dilemma. Auf der einen Seite treibt sie der Hass auf die bildungsbürgerliche Kultur zu deren traditionellem Widerpart, die Populärkultur, auf der anderen Seite handeln sie sich dadurch das Problem ein, mit der Zersetzung der Gehalte hoher Kultur möglicherweise nur die kommerzielle Uniformierung und Regression zu befördern. Irritieren müssen sie darum wohlwollende liberale Einschätzungen, die in der »Popjugend mit Minirock und Marihuana und Beat« einen nicht unattraktiven Gegenstand der Betrachtung erblicken (Jeremias 2007); und äußerst bedenklich müssen ihnen deshalb die schnell anlaufenden, recht erfolgreichen Unternehmungen der Kulturindustrie vorkommen, unter dem Logo »Underground« dem jugendlichen Publikum Platten, Filme etc. zu verkaufen. Die Schwierigkeiten führen aber (noch) nicht zu einer Aufgabe. Die sich rasch zeigenden ökonomischen, moralischen und rechtlichen Liberalisierungsmöglichkeiten, welche innerhalb der bestehenden Gesellschaftsordnung offenkundig gegeben sind, steigern die Radikalität vorerst nur. Für die radikalen Exponenten des Undergrounds, denen die vergrößerten Freiheitsspielräume bloß als eine Verschärfung des Problems erscheinen, mit gegenkulturellen Mitteln wirksamen Widerstand gegen das eindimensionale kapitalistische System zu leisten, liegt die Lösung nämlich 1968 darin, Pop auf eine Art und Weise zu formieren, dass eine Vereinnahmung unmöglich gemacht wird. Die Verdammung jener Artefakte und Haltungen, die aus ihrer Sicht allzu

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leicht vereinnahmt und zum folgenlosen Konsum dargebracht werden können, geht weiter unbeirrt mit der Suche und Propagierung radikal resistenter Formen einher. Weil die Verfechter des Undergrounds in der Ausweitung bürgerlicher Freiheiten immer nur eine verdeckte Manipulation und Scheinfreiheit ausmachen können (dies haben sie mit den Neuen Linken gemein), gehört ihre Anerkennung allein den schockierenden und inkriminierten Handlungen. Gleiches gilt mit Blick auf die ökonomische Sphäre: In der sog. Kommerzialisierung können sie nie in erster Linie den Umstand erkennen, dass über einen großen nationalen und sogar internationalen Markt Güter für verzweigte und anonyme, teilweise riesige Käuferschichten zur Aneignung bereitgestellt werden. Weil sie (ebenfalls wie die entfremdungskritischen Linken) in der Zurichtung für den Tauschverkehr regelmäßig eine qualitative Verschlechterung des Produkts wähnen, gilt ihre Aufmerksamkeit ausschließlich möglichen unverwertbaren Gegenständen. Dadurch können auch (ganz im Sinne Habermas’) Bereiche der Popkultur, die mit der Pop-art und teilweise sogar dem Underground in Verbindung stehen, diskreditiert werden, mit einem Ergebnis freilich, das Habermas gar nicht gefallen würde. Ralf-Rainer Rygulla etwa stellt schon 1967 kritisch fest, dass viele Bestrebungen und Produkte des Untergrunds von einer »pluralistischen Konsum-Gesellschaft« kommerziell einkassiert würden; selbst Warhols letzter Film »über lesbische Mädchen und süchtige Schwule« werde von der »offiziellen Kritik wohlwollend aufgenommen«, die »Massenmedia« nähmen sich Learys »LSD Parties« an, usf. Für einen Verfechter des Undergrounds ist aber ganz bezeichnend, dass daraus nicht die Schlussfolgerung gezogen wird, die gegenkulturellen Bemühungen einzustellen. Die Logik des Untergrunds ist vielmehr eine Logik der Eskalation, Rygullas terminale Forderung lautet deshalb: »Der kulturelle countdown muß beschleunigt werden« (1967: 27). Den radikalen Neuen Linken kann dieses Ergebnis aber ebenfalls nicht zusagen. Zwar setzen sie im Gegensatz zu Habermas keine Hoffnungen in die vernünftigen und kritischen Gehalte bürgerlicher Kultur, weil ihnen die hohe Kultur genauso vom Warenfetischismus geschlagen scheint wie die Massenkultur (Basisgruppe Walter-Benjamin-Institut 1968: 161; SDS-Gruppe »Kultur und Revolution« 1968; vgl. Luckscheiter 2001: 48ff.), mit diesem Argument überziehen sie jedoch sogleich auch (hier wieder genau wie Habermas) die Bestrebungen des Undergrounds; auch in ihm sehen sie bloß die »Warenfetische«, die »entfremdeten Produkte der spätkapitalistischen Gesellschaft« am Werk. Ein wider Willen eindrucksvolles Beispiel dafür liefert Michael Schneider, der 1968 den auffälligen Stil des schwarzen Hipsters im genannten Sinne denunziert; dessen »orangefarbene Schuhe mit den Knopfspitzen« sprechen für Schneider nichts anderes als »die entfremdete Sprache dieser Gesellschaft, eine Sprache, die statt Solidarität Autorität, statt libidinösen Kontakt aggressive Distanz meint« (1975: 31). Die Neuen Linken nähern sich wegen dieser Auffassung, die in den abweichenden Gesten des Undergrounds hauptsächlich eine elitäre Distinktion und einen Motor zum modischen Konsum erblickt, stark dem Kulturauftrag der alten Linken an (Schütt 1968: 116, 123). Allerdings beziehen sie in ihre Vorstellung einer populären Kultur im Sinne der Volkskultur bzw. der Kultur der beherrschten Klassen mitunter auch Produkte der Kulturindustrie ein.

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Andrew Kopkind etwa gibt 1967 in seinem Aufsatz Soul Power den Intellektuellen die vertraute Aufgabe vor, »mit dem Volk zu sprechen und nicht über das Volk«, nennt aber als gelungene Beispiele dafür neben den Reden von Malcolm X und den Schriften Frantz Fanons die Stücke der Rolling Stones und Aretha Franklins und ebenfalls summarisch die Underground-Literatur (1968: 24). In Deutschland werden die Ausführungen Kopkinds durch eine Übersetzung Gudrun Ensslins 1968 bekannt. Rudi Dutschke zitiert sie ausführlich in dem allein im Mai 1968 hunderttausend Mal verkauften Band Rebellion der Studenten oder Die neue Opposition, um sich der Ansicht über die prägende Kraft von Malcolm X, Fanon, Aretha Franklin und den Stones vollkommen anzuschließen. All diese Beispiele haben in seinen Augen eines gemeinsam – auch hier übernimmt Dutschke die Auffassung Kopkinds –: Sie erreichen das »Volk«, weil sie seine Sprache sprechen. Dies klingt für einen Sprecher der bundesdeutschen Neuen Linken überraschend positiv. Der Eindruck täuscht jedoch insofern, als Dutschke seine Sympathie auf das ferne Amerika beschränkt. In Deutschland hingegen gibt es nach dem Urteil Dutschkes solche populäre Literatur überhaupt nicht: »Wir haben noch keine breite kontinuierliche Untergrundliteratur, es fehlen noch die Dialoge der Intellektuellen mit dem Volk«, bedauert er, die »unmittelbaren und historischen Interessen des Volks« würden von deutschen Literaten, politischen Sprechern und Songschreibern noch nicht ausreichend berücksichtigt (1968: 92). Dutschkes Einschätzung stimmt zumindest im Blick auf das deutsche Beispiel. Ob die amerikanische Szene allerdings in Dutschkes politischem Sinne wirklich das »Volk« erreicht, ist mehr als zweifelhaft. Richtig ist aber, dass die sog. Untergrundliteratur in Deutschland sich in noch viel geringerem Maße an das »Volk« richtet; ihre Adressaten sind vielmehr avantgardistische Studenten, Bohemiens und Künstler. »Pop« ist für sie keine Abkürzung für »populäre Kultur«, sondern für eine Kultur, die sich bewusst von dem eingeschränkten Geschmack, der spießigen Moral des »Volks« entfernt. Als progressiv kommt ihnen Pop vor allem vor, weil es ebenfalls aus dem bildungsbürgerlichen Kanon herausfällt. Die Abgrenzung vom konservativen Bildungsbürger erscheint ihnen viel wichtiger als eine Hinwendung zum »Volk«. Die alte Elite wird nicht im Namen des »Volks« herausgefordert, sondern unter dem Zeichen der Avantgarde. Sehr gut kann man das an den Debatten um die »Pop-Literatur« erkennen. Die Debatte macht noch einmal die Versuche und Probleme einer unter dem Zeichen von Pop angestrebten Frontstellung des kulturellen Untergrunds gegen das moderne Bildungsbürgertum deutlich, ein Versuch, der von vornherein als bewusst geplante Anti-Kunst im Banne der hohen Kunst steht und dadurch die Wahrscheinlichkeit nährt, im Kreis gebildeter, akademischer Leser zu verbleiben. Der Bedeutungsumfang des Begriffs »Pop-Literatur« legt davon Zeugnis ab: Der Begriff zeigt im deutschen Sprachraum keineswegs allein Romane und Erzählungen an, in denen es um Geschehnisse aus der Rockszene geht. Zwar wird er auch in diesem Sinne verwandt, es überwiegt jedoch ein anderer Sprachgebrauch, der sich ebenfalls nicht nur darauf erstreckt, populäre Songtexte in den Blick zu nehmen. Vor allem dient der Ausdruck überhaupt nicht dazu, populäre Bestseller zu bezeichnen. Durch all diese Abgrenzungen gewinnt der Begriff seinen originellen, avantgardistischen Zuschnitt.

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Gemessen an den amerikanischen Verhältnissen, wären die Abgrenzungen sogar nicht einmal nötig gewesen, um für Originalität zu sorgen. Genauer gesagt, handelt es sich bei der »Pop-Literatur« um den einzigen halbwegs eigenständigen deutschen Beitrag innerhalb des Felds der Pop-Konzepte, zumindest was die Häufigkeit des Begriffsgebrauchs angeht. In England ist der Ausdruck pop literature zuvor manchmal für Dichter der Liverpool-Szene wie Adrian Henri, Roger McGough und Brian Patten verwendet worden; die Ausstrahlung der Beatles auf den angenommenen Geist des Ortes sowie die antiakademische Ausrichtung der Lyrik auf u.a. surrealistische und BeatnikVorbilder trägt dazu bei (Melly 1989: 226ff.), ebenso die Aufnahme von populären Gegenständen ins Gedicht (aus Amerika gerne übernommen: Batman und Superman) – aber auch die Liedhaftigkeit einiger Gedichte sowie die Popularität der Lesungen bei einem jüngeren Publikum, das inzwischen nicht mehr (nur) moderne Jazz-, sondern Beatgruppen hört. Bereits 1967 fasst Edward Lucie-Smith in diesem Sinne zusammen, dass die antiakademische Ausrichtung der Liverpooler Dichter sie nicht nur zu Rimbaud, Jarry etc. geführt habe: »The impulse was to pair these discoveries off, not with other writers (in the accepted literary way), but with other things which were thought of as moving, such as the pop songs of the moment« (1971: 6). Jeff Nuttall dreht kurze Zeit später den Einflusspfeil sogar herum, als er auf die Wirkung der Gedichte Brian Pattens auf einige Lieder der Beatles hinweist (allgemein spricht er vom Stil der Liverpooler Dichter als »a sort of gentle music-hall surrealism«, 1968: 132). Michael Horovitz weitet die Diagnose im Frühjahr 1968 auf andere jüngere Dichter aus, die Teil der mixed multitudes seien, »who are presently animating, intermingling and loosening the perimeter divisions between poetry – jazz – blues – raga & modern classical music in the new solar sound-systems of beat caverns, pop charts, and psychedelic ›trips‹. Their poems, with the more worthwhile hits, are truly popular songs – ones which reflect (so be they banned on the radio) the way people are actually living« (1969: 326). Auffällig an den drei zitierten Büchern ist jedoch, dass in ihnen trotz der Hinweise auf die vergleichsweise große Beliebtheit der neuen Lyrik das Wort pop literature nicht auftaucht, obwohl es in England nicht ganz unbekannt ist. Insgesamt gesehen ist der Begriff aber in der amerikanischen Pop-Welt am Ende der 60er Jahre sogar noch weniger geläufig. Dort werden neben der Beat- und Rockmusik und verschiedenen Einflüssen aus der bildenden Kunst zwar auch (selten) literarische Beispiele angeführt, den Titel »Pop-Literatur« reserviert man für sie 1968 an keiner Stelle, wie man etwa den zusammenfassenden Ausführungen Albert Goldmans zu einem zentralen Ort New Yorker Popkultur sehr gut entnehmen kann: »By virtue of its cultural alliances, the Beat has also become the pulse of pop culture. The creators of the new milieu vie with another in proclaiming rock the inspirational force of the day. A discothèque like The Electric Circus is a votive temple to the electronic muse, crammed with offerings from all her devotees. The patterns on the walls derive from Pop and Op art; the circus acts are Dada and Camp; the costumes of the dancers are mod and hippie; the technology is the most successful realization to date of the ideal of ›art and engineering‹; the milieu as a whole is psychedelic, and the discothèque is itself a prime example of mixed-media or total-environment art. The only elements of rock culture that

252 | Pop are not conspicuous there are the literary ones: the underground newspapers that report the news and gossip of this world; the put-on critiques of the New Journalism; and the social and political rhetoric of the folk-rock singers, the finger-pointers, like Bob Dylan, Janis Ian, and Joan Baez.« (Goldman 1982: 353)

Besonders aussagekräftig sind Goldmans Anmerkungen, weil er zu den äußerst wenigen amerikanischen Autoren gehört, die vor 1968 den Begriff Pop literature gebraucht haben. Zum prototypischen Pop-Roman (Pop novel) deklariert Goldman Candy von Terry Southern; William Burroughs’ Naked Lunch erscheint ihm als wichtiger Vorläufer (1971c: 333f.). Dass er sich 1968 an seine eigenen Überlegungen nicht mehr erinnert, sondern nur noch an Wolfes New Journalism und an stark diskutierte Songtexte, sagt viel über den Stellenwert von Erzählliteratur in der intellektuellen Betrachtung der Popkultur aus. An einem prägnanten Programm aber kann es zumindest kaum liegen, dass die Pop-Literatur in Amerika 1968 nicht propagiert wird. Nach dem Vorbild der Pop-art hat sich Goldman nämlich eine überzeugende literarische Pop-Konzeption ausgedacht, welche die Distanzierungsgesten und die Erregungsqualitäten der neusten Richtung der amerikanischen bildenden Kunst angemessen aufgreift: »To my mind, the literary equivalent of the Pop artist’s refusal to respect cultural values and to give his work ›meaning‹, his isolation of his subject and his intensification of its energic essence – all this equates with a writer’s decision to treat violent, perverse and criminal actions in a style of such illusory detachment that the reader is unable to react morally or sympathetically, but is invited instead to respond amorally and empathetically, almost but not quite the way he responds to the lower-case pop of detective thrillers, gangster movies, horror comics and the most explosive animated cartoons.« (Ebd.: 333)

Zur Pop esthetic allgemein gehört für Goldman neben dem banalen Sujet die plane, undurchdringlich glatte Oberfläche (flat, slick surface), der distanzierte Habitus (cool detached tone) und eine dichte Zusammenstellung verschiedener Markennamen und Werbeslogans (tight mosaic of brand names and product slogans). Von der traditionellen Literatur muss sich eine entsprechende Pop-Literatur nach Auffassung Goldmans vor allem dadurch unterscheiden, dass sie sich – wie der nouveau roman – jeder moralischen Bewertung und humanistischen Motivierung des Dargebotenen enthält. Der gleichzeitige Verweis auf horror comics und die experimentelle französische Literaturströmung macht bereits hinreichend deutlich, was Goldman am Ende seines Aufsatzes dann ausdrücklich betont: Pop, und damit auch die Pop-Literatur, sei durch Anregungen von »oben« wie von »unten« bestimmt und bilde deshalb den Punkt, an dem sich zuvor auseinandergehaltene Felder überlappen: »Pop is ultimately the point of convergence, where art and entertainment, literature and journalism, sincerity and fraud, engagement and alienation, even art and life, meet and mingle in profound ambiguity« (ebd.: 338). Interessanterweise gewinnt aber die Modellierung der Literatur nach dem Vorbild der Pop-art nur in Deutschland Anhalt. Woran das liegt, ist schwer zu sagen, höchstwahrscheinlich hat es u.a. etwas damit zu tun, dass es in Deutschland noch keine nennenswerte eigene Rockmusik-Szene gibt, da haben es Pop-Strömungen in anderen Kunstgattungen besonders leicht, Auf-

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merksamkeit zu erlangen. Ebenso wahrscheinlich trägt die starke kulturkritische Tradition innerhalb der deutschen literarischen Intelligenz dazu bei; sie fordert eine Abweichung unter jüngeren Schriftstellern, die sich in Richtung Pop bewegt, geradezu heraus. Für eine ganze Reihe der jüngeren Künstler und Autoren birgt bereits die Hinwendung zu Comics (Artmann 1964), zu Slogans (Hübsch 1966), zur »second hand- und ready-made Natur unserer technischen Zivilisation« (Alvermann/Gaul 1965) bzw. zu »Pop« als dem »jetzt erreichten Stand technisierter Umwelt« (Brinkmann 1994: 71) genügend Potenzial, um die gängigen Standards in Literatur und Kunst nachhaltig herauszufordern. Die feuilletonistische Kritik reagiert auf entsprechende Werke jedoch keineswegs überwiegend mit Verstörung. Im Gegenteil, nicht selten wird in moderner Tradition genau jene Irritation, die von den Pop-Adaptionen ausgeht, anerkennend vermerkt (allgemein etwa Böll 1971: 29): Uwe Brandners Innerungen sei als »Pop-Roman« ein »fast perfektes Verwirrbuch« (Werner 1968); Peter O. Chotjewitz’ Buch Die Insel schüttle nach »Pop-art-Technik« sein Material durcheinander und beweise dadurch eine »Kunstfertigkeit von hohen Graden« (Horst 1968: 511); Rolf Dieter Brinkmanns Gedichtband Piloten schlage aus dem »zweifelhaften Glamour« der »Medien Film, Schlager und Reklame« »erstaunlich viele Funken« und biete deshalb ein gutes Beispiel »für Pop Art in der Literatur«: »Auch hier wird Alltägliches aus dem gewohnten, liebgewonnenen Zusammenhang gerissen und in einen fremden (›verfremdet‹ – da ist das beliebte Wort!) gestellt. Neues Sehen beginnt« (Neidel 1969); anders pointiert: Brinkmanns Gedichte seien »durchaus reflektiert«, seine »›Kunst‹« sei, »auch als Antikunst«, beträchtlich (Mennemeier 1969), zeige »verkappt und leise das schwarze Gesicht der Romantik« (Just 1968); seine »Konfrontation mit den Gebrauchsgegenständen des Pop-Alltäglichen« liefere eine »unendliche Assoziationskette« (Reichart 1968). Legt man diese Rezeption zugrunde, muss sich Brinkmanns eigener Anspruch, den er in einer »Notiz« zum Piloten-Band erklärt – gegen die »Kulturellen Wörter« anzugehen und stattdessen im Gedicht »spontan erfaßte Vorgänge« und gewöhnliche Eindrücke als »snap-shot« festzuhalten (1980: 185) – enttäuscht finden. Rezensionen, in denen Brinkmanns ausdrücklich bekundete Absichten als erfüllt angesehen werden, sind selten. Immerhin, der Spiegel bescheinigt Brinkmanns »Pop-Lyrik«, sie enthalte »gelegentlich Gebilde von hoch modischem Reizwert« (Anonymus 1968), eine Tageszeitung, es handle sich um Gedichte aus dem zeitgenössischen, schönen Alltag für den Alltagsgebrauch (Salzinger 1969a), eine Kulturzeitschrift, es seien »Augenblicksaufnahmen« im Sinne des »ironisch Spielerischen«, »Antiideologischen« (Piontek 1969). Auch diese Reaktionen dürften Brinkmann jedoch nicht befriedigen, weil sie jeweils zu harmlos daherkommen. Wahrscheinlich fühlt sich Brinkmann noch am ehesten von den ablehnenden Besprechungen bestätigt, die anzeigen, dass er gegen hochkulturelle Konventionen verstoßen hat, dass er »undifferenziert« schreibe (Viebahn 1968) und sich viel zu stark mit den Objekten der Massenkultur und des »Marktkalküls« identifiziere, wie Karl Heinz Bohrer in der FAZ ihm und seiner »Pop-Art-Wonderland-Kluft« vorhält (1968b; s. auch Bohrer 1969: 934f.). Im Sinne eines Angriffs auf die bildungsbürgerliche Kultur müssen Brinkmann solche Abwertungen seiner Piloten-Poesie zusagen, schließlich nutzt er selbst jede Gelegenheit, gegen die »Angst-Szene ›Kultur‹« (1983:

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399) das »Triviale, Banale«, »gegenwärtige Reizmuster«, »Schlager, Schlagzeilen und Kinoplakate« (1969a: 63ff.), die »Stirnlocke Bill Haileys«, »Photos von Vogue-Beauties« etc. ins Feld zu führen (1983: 386, 388) und eine unbeschwerte Teilhabe am Konsum einzufordern (1969a: 67). Auch hier ist jedoch eine starke Einschränkung vorzunehmen; Brinkmann hält die Verweise auf gegenwärtige und historische Beispiele der Popkultur nur dann vorbehaltlos hoch, wenn es darum geht, der ernsten, hohen Kultur seine entschiedene Absage zu dokumentieren. Von einer durchgehenden Affirmation der Popkultur kann bei ihm hingegen keine Rede sein. Bereits seiner anderen Veröffentlichung aus dem Jahr 1968, dem Roman Keiner weiß mehr, kann man dies deutlich entnehmen, was auch in allen Besprechungen hinreichend hervorgehoben wird. Die Feuilletonkritiker fassen die im Roman geschilderten Lebensweisen junger Leute durchweg als Beweis für die Degradation des Menschen zum »bewußtlosen Konsumenten« auf (Fuchs 1968), als Zeugnis für den ständigen »Druck der Außenreize«, der durch die »Reklameflächen« (Blöcker 1968), die »Konsumwelt« (Sager 1968: 162), die »Film- und Beat- und Mode-Realität« (Vormweg 1968: 680) bzw. durch den »Alltag der bundesrepublikanischen Großstadt« ausgeübt werde: »Der Habitus der Jugend, der Straßenverkehr, die Schallplattenläden, die Werbung und die Illustrierten, Chrom und Beat, Kosmetik und Technicolor – all diese Elemente tragen zur Atmosphäre des Buches bei, doch keiner bestimmt sie stärker und suggestiver als die Mode der jungen Generation. Die hohen Lackstiefel und die grobmaschigen Netzstrümpfe, die gestreiften Blusen und die Pullover mit Zopfmuster, die knappen Cordröcke und die kurzen Jacken aus Nappaleder sind weit mehr als nur expressive Farbtupfen in dem hier dargestellten Milieu. Den Kleidungsstücken, den weiblichen zumal, kommt eine aktive Rolle zu: Sie irritieren und provozieren den Brinkmannschen Helden. Er sieht sich umgeben von ›Helanca-Mädchen‹, ›Dralon-Männern‹ und ›höheren Bleyle-Vetrix-Töchtern‹, von ›ausgebufften Polyester-Jungs‹ und ›ausgeleierten Triumph-MiederMädchen‹. Die laute und aufdringliche, von allen Seiten auf ihn einstürmende Großstadtwelt empfindet er, obwohl er offenbar keine andere kennt, als fremd und unverständlich, er fühlt sich von ihr bedrängt und bedroht. Aber er selber ist mit seinen sprunghaften Reaktionen, seinem Schwanken zwischen Lethargie und gesteigerter Aktivität, mit seinen Hemmungen und Komplexen natürlich ein Produkt eben dieser Realität.« (Reich-Ranicki 1968)

Ein Lob kann dem Roman, sollte man meinen, darum nur von Leuten zukommen, die dem »Beben der Konsumwelt« ablehnend gegenüberstehen (etwa Piwitt 1968: 72). Umgekehrt muss dann folgerichtig einem jungen Kritiker Brinkmanns Roman als Dokument eines nicht mehr zeitgemäßen Bedenkenträgers erscheinen, der das wirkliche »Lebensgefühl« der Jugend verfehlt (Salzinger 1968). Als »Pop-Roman« wird Brinkmanns stark autobiografische Erzählung tatsächlich nur einmal bezeichnet, nämlich von jenem Karl Heinz Bohrer, der Brinkmanns Gedichtband Die Piloten wenige Monate danach als eine »allzu modische und marktgerechte« literarische Nachahmung der »Pop-Kunst« kritisiert und die »reine Reproduktion von ›Barbarella‹ und Companie« als »stilisierte Kinkerlitzchen« scharf ablehnt (1968b). Mit Bezug auf Brinkmanns Keiner weiß mehr verwendet Bohrer den Aus-

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druck »Pop-Roman« allerdings überraschenderweise in positiver Manier. Bohrer stellt Brinkmann als einen Schriftsteller dar, der sich ausdrücklich von der »Literatur als ›Kunst‹« abwendet und sich durch eine »neue, fast fanatische Hingabe an den ›Stoff‹« auszeichnet. Wie all die anderen Feuilletonisten erkennt Bohrer natürlich aber auch, dass in Keiner weiß mehr weder ein formloses Aufgreifen einer Popslogan-Sprache noch gar eine Affirmation popkulturellen Materials stattfindet. Das »Sich-Einlassen auf die Trivialität einer von Konsum und Bewußtseins-Industrie gesteuerten Gesellschaft« treibe Brinkmann vielmehr »an die Grenzen dieses Stoffs«. Der Stoff, der bei Brinkmann ganz entgegen der Poetologie Schillers nicht überformt und idealisiert wird, ist das ungemilderte Protokoll der Wahrnehmungen und Vorstellungen des Helden, dessen Bewusstsein und Sichtweise der Erzähler nie verlässt: Die »auf Konsum reduzierte Welt, die durch Film, Zeitschriften, Fernsehen und Fotografie nur noch mittelbar, aber total erfahrbaren Ereignisse« erscheinen in Brinkmanns Roman durch die »punktuelle, überreizte Wahrnehmung sinnlicher Eindrücke« als »vibrierende Bilder«, hält Bohrer fest. Schön ist dieser Stoff demnach für Bohrer nicht, weil die wahrgenommenen popkulturellen Objekte bunt und reizvoll sind, sondern weil derjenige, der sie erfährt, »sie einsam und total, sie ohne die von der Gesellschaft hierfür erfundene Sprache wahrnimmt«. Nur wegen dieser Momente, in denen eigentlich zutiefst »obszöne und häßliche Ausblicke schön werden«, kann Bohrer die Hingabe an den Stoff der modernen Pop- und Konsumkultur schätzen (1968c). Der Titel »Pop-Roman« besitzt darum bei Bohrer eine eigenwillige Qualität. Auch wenn man, wie in wichtigen Teilen der Kunstkritik üblich, von einer nachhaltigen Differenz von Pop-art und Popkultur ausgeht, bleibt Bohrers Begriffsgebrauch singulär, da seine Begeisterung für das Vibrierende und Überreizte nicht mit der coolen Pop-Wahrnehmung in Einklang zu bringen ist. In einer Hinsicht jedoch bewegt sich Bohrer in der gewohnten deutschen Dimension des Begriffs. Auf das Wort »Pop-Roman« kommt er nur über die Brücke von »Underground-Sprache« zu »Beat-Literatur«, als deren Gemeinsames er die »brutale Sprache« benennt (ebd.). Die Differenz zur Hochkultur rückt, wie bereits mehrfach beobachtet, Pop und Underground zusammen. Brüchig wird die Verbindung aber sofort, wenn als Abstoßungspunkt nicht die hergebrachte hohe Kultur gewählt wird, sondern die von den linken und gegenkulturellen Kräften gleichfalls verachtete kapitalistische und repressiv entsublimierte Gesellschaft. In dem Augenblick kann Pop nur auf der falschen Seite auftauchen, vor allem wenn zu Pop nicht nur die Pop-art, sondern auch jene »Massenbewegung« zählt, die sich neben der Kunst in der Mode und den Gebrauchsgegenständen äußert und von Lil Picard (1967) in der Welt als »Post Pop« bezeichnet wird. Der im Feuilleton selbst als Pop-artLiterat eingeordnete Peter Chotjewitz kann darum das »Modewort POP« im November 1968 überhaupt nicht mehr hören. Was seitens der meisten Künstler unter Pop verstanden werde, »stinkt und ist bürgerlich«, schreibt Chotjewitz unmissverständlich, wobei er in das Schimpfwort »bürgerlich« sowohl die Kasseler Documenta als auch die modernen, schicken Illustrierten einbegreift (1968: 15). Das Verdammungsurteil steht in Deutschland dennoch keineswegs unisono fest. Die Pop-art behält solange ihre Berechtigung, wie sie nicht rein als »affirmatives Markenzeichen« der täglichen Konsum-Wirklichkeit (Jürgens

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1968: 173) identifiziert wird. Sie steht, anders herum gesagt, in einem positiven Licht, solange ihren Adaptionen der Pop- und Massenkultur ein verfremdender, verstörender Charakter zugesprochen wird (etwa John 1969: 67; zu Transponierungen der Werbe- und Mediensprache ins Feld der Literatur vgl. Hecken 2003: 48f.). In den Augen vieler Kulturrevolutionäre behält sie ihre Legitimation vor allem, wenn sie als Abfall-Kunst firmiert oder (wie bereits zu Beginn der amerikanischen Debatte) als Neuauflage Dadas aufgefasst wird. »Die Wohnung verwandelten wir in Pop. Käse an die Wand genagelt, angebissene Schallplatten rumgeschmissen«, heißt es genau in diesem Sinne in Hubert Fichtes 1968 veröffentlichtem Roman Die Palette (1978: 256). Bei Rolf Dieter Brinkmann trifft man auf die Ausweitung bzw. Entkernung der literarischen Pop-art in Richtung dadaistischer Abfall-Materialkunst in jedem seiner wichtigen poetologischen Essays. Zur Aufforderung, Illustriertenberichte, Schlagzeilen der Boulevardpresse etc. ins Gedicht aufzunehmen, tritt immer der Verweis auf anderes alltägliches Material, auf »Sätze aus irgendeiner Lektüre oder zurückliegenden Gesprächen, Meinungen, Gefasel, Gefasel« (1980: 186), Gags, Lexikonartikel etc. (1969b: 16ff.; zu entsprechender Literatur vgl. Hermand 1971: 57ff.). Dadaistische UnsinnsZiele verbindet Brinkmann damit aber nur zu einem kleineren Teil. Bei ihm kommt noch vielerlei hinzu, was auf einen starken neuen Sinn hinausläuft, u.a. die vulgäre Rede nach dem Vorbild der amerikanischen dirty speechPoesie (1969c), die Aufzeichnung subjektiver, momentaner, authentischer Erfahrungen (1969b: 9) und die Zerstörung der herrschenden Sprachordnung durch Cut-up-Methoden, Gattungsmischungen und »flickernde« bildliche Vorstellungen (Brinkmann 1983: 381ff.; vgl. Gross 1993; Schäfer 1998; Schäfer 2003a). Nimmt man das alles zusammen, überrascht es wenig, dass der oftmals als »Pop-Literat« eingeordnete Brinkmann den Begriff selber überhaupt nicht gebraucht. Selbst »Pop« ist ein Wort, das in seinen Aufsätzen äußerst selten vorkommt. Nach 1968 spricht er in positivem Sinne ausschließlich von Rock, wobei er sich an Chester Andersons (durch Marshall McLuhan beeinflusste) Konzeption von Rock als entgrenzte sinnliche Beteiligung hält (1993: 393; 1969b: 17; frühere deutsche McLuhan-Aneignungen: Uecker/Kriwet 1968; Hübinger 1968a; vgl. Hecken 2008b: 252ff.). Doch es kann nicht nur die ab 1969 auch in Deutschland einsetzende Verklammerung aller positiven Elemente der Jugendszene mit dem Rockbegriff (etwa Salzinger 1969b; Sounds 1982: 72ff.) sein, die Brinkmanns Reserve gegenüber »Pop« erklärt, schließlich verwendet er das Wort »Pop« bereits 1968 in seinen Essays nur ein einziges Mal. Der Zusammenhang, in dem dieser einmalige Gebrauch steht, ist allerdings bezeichnend. Brinkmann verteidigt im Herbst 1968 Thesen des amerikanischen Literaturprofessors Leslie Fiedler gegen seine deutschen Kritiker (darunter Martin Walser und Jürgen Becker), die Fiedlers Hinwendung zu amerikanischen Pop-Mythen des Irrationalismus (Becker 1994) und einer Anpassung an Marktgesetze zeihen (Walser 1994). Obwohl Brinkmann selber stets für einen »Aufstand gegen die dreckigen Bilder« eintritt und dafür plädiert, die alltäglichen Dinge aus ihrem »miesen, muffigen Kontext« herauszunehmen (1969b: 11), treibt ihn die linke oder modernistische Kritik an Fiedlers Bruch mit dem hergebrachten Kanon doch wieder an, ausdrücklich zu betonen, dass die technisierte, mediale Umwelt – »Kinoplakate, Filmbil-

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der, die täglichen Schlagzeilen, Apparate, Autounfälle, Comics, Schlager, vorliegende Romane, Illlustriertenberichte« – als »›natürliche‹ Umwelt« genommen werden sollte (1994: 71f.). Darin trifft er sich mit Fiedler, der dem zeitgenössischen Schriftsteller aufgibt, sich »seiner authentischen Umwelt«, nämlich der aktuellen »Bilderwelt« zu widmen (1968b: 16). Fiedler hält diese poetologischen Imperative im September 1968 in einem zweiteiligen Essay für die deutsche Wochenzeitung Christ und Welt fest, nachdem er sie im Juni bei einem Symposium vorgestellt und mit ihnen bei den anderen geladenen Autoren und Kritikern einiges Aufsehen erregt hat. In Amerika besitzt Fiedler bereits längst einen beachtlichen Ruf als nonkonformistischer Literaturwissenschaftler, der seine Anliegen gerne mit Ausführungen zur Populärkultur verknüpft. Bereits 1955 hat Fiedler a true »popular« literature der Comics, der Horror-Magazine und der harten Krimigeschichten gegen den bürgerlichen, pädagogisch-bevormundenden guten Geschmack verteidigt. Mitte der 50er Jahre erscheinen ihm die pulp fiction-Hefte ähnlich weit wie die modernen Romane eines Kafka oder Proust von einer sentimentalen, moralisch beflissenen mittleren Literatur entfernt, die er heftig schmäht (1957: 539ff.). In den 60er Jahren steht nun die modernistisch-avantgardistische Literatur im Mittelpunkt seiner Attacken. Den größten Bekanntheitsgrad erlangt dabei sein Plädoyer für eine neue Literatur, die sich auf avancierte Weise der Formen amerikanischer Pop-Kultur bedient. Eine Einladung zum Freiburger Universitäts-Symposium und der darauf folgende Auftrag von Christ und Welt, seine Thesen schriftlich niederzulegen, führt 1968 dazu, dass Fiedlers Propagierung einer »nach-modernen Epoche« (wie es in der Übersetzung heißt) zuerst im deutschen Sprachraum bekannt wird. Dem modernen Erzählen erteilt Fiedler eine heftige Absage; die Stunde des Kunstromans eines Thomas Mann oder Proust habe geschlagen. An seine Stelle möchte Fiedler einen »antiseriösen« Roman setzen, der die Lücke zwischen »der Bildungselite und der Kultur der Masse«, zwischen den »›Belles lettres‹ und der PopKunst« überwindet (1968a: 9f.). Um die Lücke zwischen hoher und angeblich niedriger Kunst zu schließen und damit »subversiv« gegen die überkommenen »Klassenvorurteile« anzugehen, die in einer »pluralistischen Gesellschaft« fehl am Platze seien, verweist Fiedler auf drei Methoden: Das erste Mittel besteht in der »Parodie, Übersteigerung, grotesken Überformung der Klassiker«, das zweite in der Aufnahme von »Pop-Formen« des Westerns, der Pornografie und der Science Fiction durch zeitgenössische Schriftsteller, das dritte in der damit teilweise verbundenen Hinwendung zu den neuen, maschinell produzierten »mythischen Bilderwelten« der Schlagzeilen, Comics und Fernsehsendungen (1968b: 15f.). Als Beispiele für eine Erzählliteratur, die sich den »Nach-Göttern« und »Nach«- bzw. »Anti-Helden« von Marilyn Monroe über John Lennon und Superman bis hin zu John F. Kennedy zuwendet, nennt Fiedler Romane von Autoren wie Ken Kesey, Anthony Burgess, Norman Mailer und William Burroughs; als Ziel einer entsprechenden nach-modernen Literatur gibt er die Erweckung von »Traum, Vision, Ekstase« an (ebd.). Von der Kühle und Indifferenz der Pop-art und ihrer literarischen Entsprechung, der Zitation und Transponierung von Fundstücken aus Magazinen und Zeitungen, ist das alles weit entfernt. Aber auch mit der »Eroberung des inneren Raums«, einem Bewusstseinszustand, der sich für Rolf Dieter Brinkmann in der Nachfolge

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Burroughs’ durch die Auflösung und Zerschneidung grammatischer und medialer Muster ergeben soll (1994: 76; 1983), haben die Beispiele Fiedlers wenig zu tun. Hinzu kommt nicht zuletzt, dass die von Fiedler genannten amerikanischen und englischen Romane überwiegend genügend narrative Abläufe aufweisen, um zu Bestsellern zu avancieren. Vergleichbare Bücher sucht man in der sog. deutschen Pop-Literatur vergeblich. Aufsehen im Feuilleton und gute Absatzzahlen innerhalb der gegenkulturell orientierten Käuferschicht erzeugt man hier durch die Sammlung amerikanischer Underground-Literatur, die sich der dirty speech und der Zurschaustellung perverser Sexualität widmet. Die links-aufklärerische Kritik an dem von Rolf Dieter Brinkmann und Ralf-Rainer Rygulla herausgegebenen Sammelband Acid, in ihm werde das kritische Denken verabschiedet und an seine Stelle trete eine Ansammlung von »Sensationen und Effekten« (Schober 1969), dürfte Brinkmann wohl als Bestätigung seiner Absicht auffassen, so weit wie möglich von der Hochkultur abzurücken; als Kompliment dürfte er auch die besorgte Feststellung seines früheren Lektors Dieter Wellershoff aufnehmen, dass die Acid-Literatur »offenbar mit erhöhten Reizschwellen« rechne und glaube, durch die Häufung von »Schock- und Überraschungseffekten« mit den »starken Suggestionen des Rock und Beat, der Pop-art, des Films und der Intermediaschau konkurrieren zu müssen« (1971b: 132) – dennoch wird dadurch das zentrale Ziel Fiedlers, zu dem sich auch Brinkmann bekennt, keineswegs eingelöst. Brinkmanns von Fiedler übernommener Anspruch, »Literatur zu popularisieren, die Kluft zwischen ›hohen Kulturleistungen‹ für eine kleine Elite und ›niederen‹ Unterhaltungsprodukten zu verringern« (Brinkmann 1969b: 22), wird durch die in Fragmente zerfallende Acid-Prosa sicherlich nicht erreicht. Deshalb ist Brinkmanns Scheu oder Abneigung, den Pop-Begriff in seinen poetologischen Essays zu verwenden, verständlich. Verständlich ist sie zudem, weil eine Literatur im Sinne der Pop-art Brinkmanns Sache auch nicht ist. Allgemeinere Popularität strebt er aber ebenfalls nicht an bzw. nur zu seinen Bedingungen, die auf einen radikalen Bruch mit den herrschenden kulturellen Mustern hinauslaufen. Gegen die deutsche Tradition der Hochkultur und Kulturkritik setzt er folgerichtig gerne auf die Bilder der Popkultur – um im nächsten Moment jedoch die Kulturkritik im Sinne des Untergrunds auf eine einsame Spitze zu treiben und in der Bilderwelt der Illustrierten und Zeitungen einen zwanghaften Alptraum zu erblicken. In der Hinsicht eignet sich Brinkmann sehr gut als Beispiel für die deutsche gegenkulturell-avantgardistische Adaption des anglo-amerikanischen Pop-Begriffs in den 60er Jahren: Die Pop-Konzepte werden gerne übernommen, allerdings nur, um mit ihnen die traditionellen kulturellen Ordnungsvorstellungen zu verabschieden. Sobald aber deutlich wird, dass mit der Auflösung konservativer oder modern-bildungsbürgerlicher Prinzipien keineswegs ein Ende der arbeitsteilig organisierten Kultur und Gesellschaft einhergeht, steht selbst der Pop-Underground schnell in Frage. Ein Bekenntnis zu Pop als Ausdruck eines liberalpermissiven Materialismus und gemäßigten Hedonismus, wie man es unter einigen amerikanischen und englischen Publizisten vor allem Mitte der 60er Jahre findet, bleibt unter deutschen Journalisten und Intellektuellen darum eine höchst seltene Ausnahme.

V. Die Dimensionen der Pop-Theorie

Einleitung Mit dem erstaunlichen Zeitabschnitt der 60er Jahre hat man bereits fast alle wesentlichen Punkte zusammen, die auch in den kommenden Jahrzehnten für die Pop-Debatten von entscheidender Bedeutung sind. Diesen Debatten kommt nicht nur eine spezielle kulturelle Bedeutung zu, es geht um weit mehr als um Veränderungen im Feld der bildenden Kunst oder im Bereich der populären Musik. Die verschiedenen Pop-Konzepte sind vielmehr Ausdruck und teilweise auch Antrieb gesellschaftlicher Umwälzungen. Sie stehen im Zusammenhang mit der Auflösung des Klassenbewusstseins, dem Niedergang des Bildungsbürgertums, dem noch einmal beschleunigten Zerfall traditioneller Familien- und Gemeinschaftsbindungen, der Herausbildung eines neuen Konsum-Ethos, einer jugendlichen fun-moral, der teilweisen Ablösung handwerklicher Qualitätsstandards durch den erhöhten Stellenwert modischer Bedeutungen, dem vergrößerten Beitrag von Freizeit-Erlebnissen für das Selbstwertgefühl, der Ausrichtung vieler Stunden des Tages auf die Anforderungen und Angebote moderner Medien-Technologie, nicht zuletzt mit der Ausweitung der Konsumgüterindustrie und der Kreditwirtschaft. Kurz gesagt, viele Pop-Konzepte sind direkt mit einer kapitalistisch-liberalen Gesellschaft verbunden, deren Mitglieder in der Zeit außerhalb der Arbeit auf individuelle Weise ein höheres Maß an materiellen und sinnlichen Ansprüchen geltend machen dürfen. Dies ist aber nicht alles; außergewöhnlich (und umfassend) macht die Diskussionen der 60er Jahre endgültig, dass unter dem Titel »Pop« manchmal auch Überlegungen angestellt werden, die auf einen Bruch mit der gesellschaftlichen Ordnung insgesamt, nicht allein auf Veränderungen im Freizeitbereich drängen. Angesichts dieser Pop-Diskussionen der 60er Jahre verwundert es nicht, dass am Ende des Jahrzehnts und in der ersten Hälfte der 70er Jahre eine ganze Reihe Bücher und Aufsätze erscheint, die den Stand der Dinge und der Debatten zusammenfassen oder den Auffassungen eine bestimmte Richtung geben wollen. Nachdem sich bis 1968 (mit Ausnahme einiger kunsthistorischer Beiträge zur Pop-art) die Pop-Auffassungen an höchst aktuellen Gegenständen und Gelegenheiten herausgebildet haben, setzt zu einem kleineren Teil 1968 selbst, hauptsächlich ab 1969 eine zweite Welle der Betrachtungen ein. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass ihre Beiträge nun länger sind, sich mit größerem Begründungsaufwand um eine Klärung oder weltanschauliche Zuspitzung der Sachverhalte bemühen bzw. die vorangegangenen Artikel zusammentragen und abwägen. An Büchern, Aufsatzsammlungen und Essays zu nennen sind hier vor allem die Titel von Lucy Lippard, Pop Art (1966), Tom Wolfe, The Pump House Gang (1968), Rolf Ulrich Kaiser, Protestfibel (1968), Charles Jencks, Pop-Non Pop (1968/69), Nik Cohn, Awopbopaloo-

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bop Alopbamboom (1969), Lawrence Alloway, Popular Culture and Pop Art (1969), Dave Laing, The Sound of Our Time (1969), Joseph Berke, Counter Culture (1969), Rolf Dieter Brinkmann/Ralf-Rainer Rygulla, Acid (1969), Michael Buselmeier/Günter Schehl, Die Kinder von Coca Cola (1969), George Melly, Revolt into Style (1970), Jost Hermand, Pop International (1971), Albert Goldman, Freak Show (1971), Rainer Crone, Die Tafelbilder Warhols (1972), Jon Landau, It’s too Late to Stop Now (1972), Renate Matthaei, Kunst im Zeitalter der Multiplizierbarkeit (1972), George H. Lewis, Side-Saddle on the Golden Calf (1972); und Robert Christgau, Any Old Way You Choose It (1973). Unbedingt neue Gesichtspunkte kommen in den ersten monografischen Beiträgen zur Pop-Kultur und -Debatte nicht ins Spiel, allerdings findet sich neben dem vergrößerten Überblick manchmal auch eine Präzisierung bestimmter Argumente. Eines steht in diesem Moment damit in jedem Falle fest: Der Pop-Begriff hat sich in vielen Bereichen so weit durchgesetzt, dass er bereits historisch geworden ist und zum Gegenstand der Reflexion und geschichtlichen Betrachtung erhoben werden kann. Auch für die vorliegende Arbeit ist es darum an der Zeit, aus der Fülle der bislang genannten Ansätze die wichtigsten hervorzuheben oder zu bündeln. Zuerst ist festzuhalten, dass die meisten der Kritiker und Intellektuellen, die den Pop-Begriff in ihren Artikeln und Büchern verwenden, dies im Bewusstsein tun, mit dem neuen Begriff auch gewandelte Sachverhalte anzusprechen. Der Pop-Begriff dient ihnen ab Mitte der 50er Jahre zumeist nicht einfach als Kürzel für den Ausdruck popular culture. Eine Bedeutung von popular culture, die geschichtlich weit zurückreicht, soll durch den Gebrauch des Pop-Begriffs fast immer ausgeschlossen werden. Pop markiert dann die Differenz zur alten Form der Volkskultur, von der man glaubt, dass sie untergegangen ist. Die alte Vorstellung einer Volkskultur, die man zuerst ausgeprägt Ende des 18. Jahrhunderts bei den Romantikern und später vor allem bei den Kritikern des Individualismus bzw. der atomisierten Massengesellschaft antrifft, wird mustergültig 1933 von F.R. Leavis und Denys Thompson vertreten. Ihre Ausführungen sind von besonders großem Wert, weil jene Faktoren, die für sie das Bedrohliche an der neuen Zeit ausmachen, von ihnen deutlich und umfassend herausgearbeitet werden. Mit ihrem Bild der 20er Jahre hat man deshalb ein Bild der Kultur vor Augen, für die einige Jahrzehnte später oft der Pop-Begriff reserviert werden wird. Leavis und Thompson entwerfen ihr Bild der zeitgenössischen kulturellen Wirklichkeit vor der Kontrastfolie der old popular culture (1933: 2). Von den zahlreichen hergebrachten negativen Anklängen des Wortes popular – die von der Herabsetzung des niederen, ungebildeten, rohen Volks herrühren (vgl. Shiach 1989; Storey 2005) – ist der romantisch-konservative Entwurf der traditionellen Populärkultur oftmals weitgehend befreit (umfassend zur Auf- wie Abwertung Boas 1969); wie groß die Ablösung ausfallen muss, kann man daran ablesen, dass die ältere abwertende Bedeutung jedoch auch unter den gebildeten Anhängern des angeblich ursprünglichen Volkstums keineswegs vollkommen außer Gebrauch gerät. In der Gründungsbotschaft der Folk Song Society etwa bleibt der gute Part der folk-music vorbehalten, abgesetzt von den schlechten common popular songs bzw. der kommerziellen modern popular music (Parry 1899).

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Bei Leavis und Thompson hingegen darf das Gute unter dem Titel popular auftreten, allerdings nur mit dem Zusatz old versehen, weil ihnen die gute Volkskultur ebenfalls von modernen Formen nachhaltig bedroht scheint. Die alte populäre Kultur bestimmen Leavis und Thompson als die lebendige Kultur einer organischen Gemeinschaft; deren Handarbeiten und folk-songs seien das Zeichen und der Ausdruck einer natürlich entstandenen und gewachsenen Lebensweise: »an art of life, a way of living, ordered and patterned, involving social arts, codes of intercourse and a responsive adjustment, growing out of immemorial experience, to the natural environment and the rhythm of the year« (1933: 1f.). Den Verlust einer Kultur, die mit der Natur stark verbunden ist, können Leavis und Thompson nur als das Ergebnis einer Zerstörung beschreiben. Der Motor des Wandels bzw. der Zerstörung ist für sie die Maschine. Der Vorteil der maschinellen Produktion – die gestiegene Versorgung mit wichtigen Gütern – werde durch die Vernichtung der alten Kultur und Lebensweise teuer bezahlt. Besonders schmerzlich sei der Verlust, da die ohnehin beklagenswerten Auswirkungen der Massenproduktion – Standardisierung und Einbuße hoher Qualität (levelling-down) – keineswegs auf die Gebrauchsgüter beschränkt blieben, sondern auf die Kunst übergriffen. Überall sei man jetzt dem (erfolgreichen) Versuch ausgesetzt, die gemeinsten Gefühle aufzurufen und auszubeuten: »films, newspapers, publicity in all its forms, commercially-catered fiction – all offer satisfaction at the lowest level, and inculcate the choosing of the most immediate pleasures, got with the least effort« (ebd.: 3). Der ökonomische Druck, unter dem die Massenproduktion stattfinde, der Wettbewerb um Marktanteile und Profite dränge die Anbieter dazu, Güter um jeden moralischen Preis loszuschlagen. Ihnen gehe es nicht darum, sinnvolle Bedürfnisse zu befriedigen, sondern Käufer für ihre Waren zu finden. Die Werbung nehme dabei die bedeutende (negative) Rolle ein, (falsche) Bedürfnisse zu schaffen und ohne Ansehen der Güte des Produkts Kaufzurückhaltung zu überwinden. Der moralisch imprägnierte Begriff des Wohlstands wird dadurch zunehmend von der abstrakten Kategorie des Wachstums ausgefüllt. »›The material prosperity of modern civilization depends upon inducing people to buy what they do not want and to want what they should not buy‹«, lautet die rhetorisch elegante Formulierung dieses für Leavis und Thompson äußerst bedenklichen Sachverhalts (ebd.: 31). Auch in den Zeitschriften und in der zeitgenössischen popular fiction sehen sie nur noch eine Variante der Werbesprache und des Ringens um ökonomischen Erfolg (ebd.: 48). Ihren Lesern bieten die modernen Magazine und »best-seller« nach Ansicht von Leavis und Thompson keinerlei Möglichkeit, sich über die gegenwärtige Lage gedanklich zu erheben und Alternativen zu ihr durchzuspielen. Stattdessen würden sie nichts anderes als Anlässe zur Zerstreuung und zu Tagträumereien liefern (ebd.: 100). Selbst die Zeitungen gingen verstärkt dazu über, an die Stelle von wertvollen Informationen und Bildungsgehalten bloße Ablenkungen zu setzen. Analog zu popular fiction sprechen Leavis und Thompson hier von popular newspapers, um den Ort der verhängnisvollen Entwicklung zu bezeichnen: »In the popular newspaper the tendency of the modern environment to discourage all but the most shallow and immediate interests, the most superficial, automatic and cheap mental and emotional responses, is exhibited at perhaps its most disastrous«

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(ebd.: 102). Durch solche Zerstreuung werde nicht einmal ein Ausgleich zu den Entsagungen der modernen Arbeit gewährt. Der entfremdeten Arbeit, die wegen der hochgradig arbeitsteiligen, maschinell rationalisierten Massenproduktion unbefriedigend bleibe, entspreche die beziehungslose Unterhaltung in der Freizeit (ebd.: 99f.). Der fatale Zirkel ist deshalb nach Auffassung von Leavis und Thompson vollendet: Zwar lebe der moderne Arbeiter und Angestellte nur noch für seine Freizeit, in ihr finde er aber tatsächlich genauso wenig Befriedigung wie in der Arbeit, da ihm in beiden der Zusammenhang einer sinnvoll gestifteten Gemeinschaft und bedeutungsvoller Tätigkeiten ermangle (ebd.: 68f., 105). Das nahe liegende Wort für diesen deprimierenden Zustand, in dem sich wichtige Bereiche der Gesellschaft und die überwiegende Menge der Menschen befinden, müsste nach den Ausführungen Leavis’ und Thompsons eigentlich »new popular culture« sein, schließlich trauern sie der old popular culture nach und beziehen sich kritisch auf die zeitgenössischen Romane der popular fiction und die aktuellen popular newspapers. Dennoch verwenden sie den Begriff popular culture an keiner Stelle ihres Buches, um die gegenwärtigen, abträglichen Entwicklungen der Massenproduktion, der unpersönlichen Arbeit, der gemeinschaftslosen Gesellschaft, der oberflächlichen Unterhaltung und der zerstreuten Freizeit zu bezeichnen. Vielleicht liegt es daran, dass sie die alte Populärkultur schon von der Wortwahl her abgrenzen möchten, vielleicht daran, dass sie bereits den positiven Begriff der Kultur nicht auf einen negativen Gegenstand wie den der entfremdeten, kommerzialisierten Massenproduktion richten wollen – als Ergebnis bleibt jedenfalls festzuhalten, dass Leavis und Thompson keinen durchgehenden Begriff für die neue Lage prägen (in diese Richtung gehen nur die von ihnen manchmal verwendeten Ausdrücke modern world oder modern environment). Das ändert sich bekanntlich bei weiteren Theoretikern vor allem der 40er und 50er Jahre: Anhänger der älteren Populärkultur sprechen in kritischer Manier von der gegenwärtigen mass culture; andere Autoren, denen der Unterschied offensichtlich weniger bedeutet, gebrauchen hingegen die Begriffe popular culture und mass culture synonym. Mitte der 50er Jahre gibt es sogar bereits ein Beispiel dafür, dass auf die zeitgenössische mass culture bzw. auf deren kommerzielle »Wegwerf«Artikel der Ausdruck popular culture in positiver Manier verwandt wird. Außergewöhnlich ist dieser Fall, weil es hier nicht darum geht, einzelne, wertvolle Teile der popular arts als moderne folk arts auszuzeichnen (wie man das mit Charlie Chaplin als Kronzeugen bereits seit den 20er Jahren kennt) oder die zeitgenössische popular als eine demokratisch wirksame mass culture aufzuwerten, die großen Bevölkerungsschichten Zugang zu Konsum- und Bildungsgütern ermöglicht (eine Lesart, die in den 50er Jahren amerikanische Liberale vorschlagen). Im Falle Leslie Fiedlers dient der amerikanische Begriff popular culture 1955 vielmehr der Kennzeichnung und dem Lob einer Kultur, die insgesamt keinerlei Gemeinsamkeiten mit der älteren Volkskultur oder mit der Hoffnung auf einen allgemein erleichterten und gesteigerten Zugriff auf Bildungsgüter aufweist. »Contemporary popular culture, which is a function of an industrialized society, is distinguished from older folk art by its refusal to be shabby or second-rate in appearance, by its refusal to know its place«, hält Fiedler mit großem Nachdruck fest, um sogleich (jedoch abseits der Bildung) den egalitären Antrieb dieser Kultur stark

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herauszustellen: »It is a product of the same impulse which has made available the sort of ready-made clothing which aims at destroying the possibility of knowing a lady by her dress« (1957: 539). Der alten Volkskultur, auf die Leavis und Thompson wehmütig zurückschauen, erteilt Fiedler demnach eine harsche Absage, weil er sie nicht als Inbegriff der handwerklich gediegenen Kultur einer gewachsenen Gemeinschaft, sondern als Zeichen einer selbstgenügsamen, niedergedrückten Klasse ansieht. Folgerichtig erkennt er in den Versuchen, die gegenwärtige populäre Kultur im Namen erhöhter Bildungsanstrengungen und moralischer Gebote zu überwinden bzw. zu verbessern, ebenfalls bloß eine undemokratische Anmaßung. Die Annahme der Aufklärung, dass verbesserte Lebensbedingungen und gleiche Bildungschancen zu einer allgemein gehobenen Kultur führen würden, werde durch die Wirklichkeit nachhaltig widerlegt. »Much of what upper-class egalitarians dreamed for him, the ordinary man does not want – especially literacy«, schreibt Fiedler unnachgiebig, ohne allerdings in dem Befund eine Grundlage aristokratischer oder konservativer Bedenken zu erblicken, sondern recht überraschend eine Bestätigung der Demokratie (ebd.: 546f.). Dies hat nicht allein damit zu tun, dass eine einheitliche Kultur, auch und gerade eine vernünftig und moralisch abgemessen gebildete Kultur, für Fiedler unverträglich mit einer demokratischen Gesellschaft ist. Fiedler schwingt sich auch deshalb zum Parteigänger der populären Kultur auf, weil er ihre zeitgenössische, illiterate Ausprägung schätzt, die in Comics und Illustrierten eine ganz eigene Perfektion erreicht, »the sort of high finish possible only to a machine-produced commodity in an economy of maximum prosperity«. In seiner Beschreibung der aktuellen Lage trifft sich Fiedler mit der Analyse Thompsons und Leavis’, in der Bewertung der Lage unterscheidet er sich allerdings fundamental von ihnen. Während Leavis und Thompson mit den Mitteln der Bildung ein Gegengewicht zu der entfremdeten Freizeit und den oberflächlichen, billigen Massenprodukten schaffen wollen, gefallen sie Fiedler in erheblichem Maße gerade darum, weil sie einen Widerpart zu der von ihm verachteten bildungsbeflissenen, sentimentalen, moralisch ausgeglichenen middling fiction bilden. Stärker noch als die avantgardistische Literatur führt Fiedler gegen sie die außerhalb der Bildungsinstitutionen Schule und Bibliothek stehenden Formen der Populärkultur ins Feld, vor allem »digests, pulp fiction, movies, picture magazines«. Deren wenig moderater Ton scheint ihm ein angemessener Ausdruck der modernen großstädtischen, verwirrenden und mitunter brutalen Wirklichkeit zu sein. Fiedler ist aber keineswegs nur ein Verfechter eines rauen, vulgären Realismus, das zeigt sein zweites Argument für die populäre Kultur deutlich. In hartem Kontrast zum Urteil von Leavis/Thompson hält er viele Gegenstände der modernen Populärkultur für glänzende Qualitätsprodukte, deren high finish sich von ordinary slickness beträchtlich unterscheide (ebd.: 544, 546, 540, 539). Für eine melancholische Rückschau auf die Volkskultur, auf die untergegangene popular culture im Sinne Leavis’ und Thompsons, bleibt durch Fiedlers Lob maschinell hergestellter Massenprodukte überhaupt kein Raum mehr. Mindestens genauso auffällig ist aber, dass Fiedler sich ebenfalls nicht jenen liberalen Verteidigern der Populärkultur anschließt, die mit der Massenherstellung und den Massenmedien positiv eine vergrößerte Wahlfreiheit und einen leichteren Zugang auch zu kulturell wertvollen Gütern verbinden

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(Übertragungen von Theater-Aufführungen im Fernsehen, TaschenbuchAusgaben von bedeutenden Autoren etc.). Mit vielen gängigen Diskussionen der 50er Jahre zur popular oder mass culture haben Fiedlers Thesen darum wenig gemein, sein Bezug auf sie besteht einzig darin, dass er ihre Wertungsmaßstäbe offensiv verneint. Es überrascht deshalb nicht, wenn Mitte der 50er Jahre an anderer Stelle von Leuten, die eine ähnliche Position wie Fiedler einnehmen, selbst der Begriff popular culture ausgewechselt wird. Die englische Independent Group setzt an seine Stelle den Begriff pop art (oder auch pop culture; manchmal bleibt es aber auch in ihren Schriften bei popular culture). Mit dem neuen Ausdruck soll zweierlei angezeigt werden: Erstens, dass die pop art der arbeitsteilig und massenhaft hergestellten, flüchtig-modischen Produkte, der modernen Medien und der Werbung wenig oder gar nichts mit der älteren popular oder folk culture zu tun habe, und zweitens, dass dies eine gute Entwicklung sei. Hierin besteht vollkommene Übereinstimmung mit Leslie Fiedler; Fiedlers aggressives Lob der vulgär-realistischen, unsentimental brutalen Filme und pulp fiction übernehmen die Mitglieder der Independent Group jedoch nicht. Deshalb ersteht die pop art nach ihrem Bilde als eine wesentlich hellere, liberalere, optimistischere Einheit. Harmlos soll die pop art aber wiederum auch nicht sein; Hinweise auf das künstliche Design, auf erotische Anklänge und auf den Oberflächenglanz zerstreuen nach dem Befund und dem Willen der Independent Group die mögliche Harmlosigkeit. Mit den Ausführungen der Independent Group gewinnt die pop art eine Gestalt, die sie von den Bestimmungen der Massenkultur unterscheidet. Zum einen kommt die Abgrenzung dadurch zustande, dass sich das übliche Wertungsvorzeichen verkehrt: Richard Hamilton etwa übernimmt die gängigen Beschreibungen der Massenkultur – »Transient (short-term solution) / Expendable (easily forgotten) / Low cost / Mass produced« (1982a) – als Merkmale der pop art, stellt diese Eigenschaften aber im Unterschied zur gängigen Rede über die Massenkultur als Vorzüge heraus. Zum anderen unterscheidet sich die pop art nach dem Willen Hamiltons von der hochgradig abstrakt definierten Massenkultur und von einem weiter gefassten Konzept populärer Kultur durch ihre speziellere Ausprägung. Nicht alle massenhaft angebotenen oder wahrgenommenen Objekte fallen innerhalb der Wahrnehmung der Independent Group unter den Begriff pop art, sondern nur jene, die young, sexy, glossy, imagestark oder technisch virtuos sind. Wegen dieser Einschränkung bzw. Zuspitzung der pop art ist folglich die wichtigste Dimension der zumeist kritischen Bestimmung der Massenkultur ausgeschlossen: Dass deren Produkte traditionslose, von Hause aus orientierungslose und demnach leicht beeinflussbare Individuen erreichen, die durch die standardisierten Angebote und Signale der Kulturindustrie zu einer unterschiedlosen Masse manipulativ vereinigt werden. Der pop art im Sinne der Independent Group ist hingegen die Idee einer indifferent zusammengeballten Masse als Trägerschicht der Popkultur fremd. Die erste Prägung des äußerst positiv gemeinten Pop-Begriffs innerhalb der kleinen englischen Gruppe Mitte der 50er Jahre geht wohl nicht zufällig mit dem immensen Erfolg des amerikanischen Rock ’n’ Roll zusammen. Mit dem Rock ’n’ Roll wird in unübersehbarer Weise der Beweis angetreten, dass eine Musik, die sich nicht an die größte Bevölkerungsgruppe – die weißen Erwachsenen – und nach dem Geschmack und den Ordnungsvorstellungen der gesellschaftlich be-

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stimmenden Gruppen – Lehrer, Personalchefs, Politiker, Leitartikler – richtet, dennoch Erfolg haben bzw. sogar in allen Charts-Kategorien Spitzenplätze einnehmen kann. Dadurch bekommt nicht zuletzt auch der Begriff pop music einen veränderten Gehalt, der mit jenen Stücken, die bis 1955 weitgehend die sog. pop-Charts dominiert haben, nur noch wenig zu tun hat (wenn man sie direkt miteinander vergleicht und als Maßstab nicht Beethoven oder Schönberg heranzieht). Unter dem Begriff »Pop« werden diese und ähnliche Phänomene dann ab 1963 international in reicher Zahl diskutiert, innerhalb der Kunstkritik, in den Illustrierten selbst, allgemein von Intellektuellen und Akademikern, die sich als Zeitdiagnostiker verstehen, nach 1966 vor allem für einige Jahre von Kräften der Gegenkultur. Nicht alle (aber doch, verglichen mit den 50er Jahren, beachtlich viele) stimmen dabei wie die Künstler und Theoretiker der Independent Group einige Jahre zuvor in das Lob der Popkultur ein; zudem ergehen sowohl Lob oder Tadel keineswegs immer aus den gleichen Gründen; von einer einheitlichen Debatte mit klar benannten Gegenständen und stets übereinstimmenden Beobachtungsmethoden kann man darum keineswegs sprechen. Dennoch ist es möglich, eine Reihe von wichtigen Punkten und Maßstäben anzugeben, die mit einiger Regelmäßigkeit auftauchen und darum die Debatte insgesamt bestimmen (wenn auch nicht unbedingt den Horizont oder die Absichten einzelner Beiträger oder Diskussionsgruppen). Zusammengefasst und mit kurzen Titeln belegt, handelt es sich um Fragestellungen und Prinzipien der Oberflächen-Ästhetik, der Pop-Gegenkultur, des PopKommerzes, der Konsum-Freiheit, der Großen Manipulation, der Kunst-Welt, der Medien-Botschaft, des Reiz-Angriffs, der Anti-Narration, des V-Pop, des Pop-Populismus, der Image-Zeichen und des Meta-Pop.

Oberflächen-Ästhetik Am ersten, häufig anzutreffenden Punkt der Rede über Pop kann man bereits erkennen, dass man sich in einem Bereich befindet, in dem Umwertungen eine große Rolle spielen. Von den Beschreibungen her sind die Artikel, in denen das neue Wort pop gebraucht wird, oft gar nicht von den vertrauten Beiträgen zur Massenkultur zu unterscheiden. Der Unterschied macht sich jedoch sofort deutlich bemerkbar, wenn es um die Einschätzung des Beschriebenen geht. Besitzen die älteren Theorien und Beschreibungen der Massenmedien und der Kulturindustrie einen fast ausnahmslos kritischen Charakter, kehrt die neue Rede über Pop die Wertung gerne genau um. Die Neubewertung des Oberflächlichen darf als ein Musterbeispiel dafür gelten, speist sich die traditionelle Verurteilung der Oberflächlichkeit doch gleich aus drei unterschiedlichen, historisch bedeutsamen Quellen. Erstens liegt der Abwertung die platonische Überzeugung zugrunde, dass die (wechselnden, flüchtigen) Erscheinungen nur zu trügerischen Eindrücken führten; wahre Gewissheit sei hingegen nur zu erlangen, wenn man sich nicht an die Sinne und die Körper, sondern an die Erkenntnis der hinter den Erscheinungen liegenden Idee halte. Zweitens rührt der Affekt gegen die Oberfläche von der religiösen Entwertung der gegebenen Welt her: Weil die ostentativen sozialen Zeichen des diesseitigen Erfolgs nach christlicher Auffassung nichts über die inneren, gottgefälligen oder sündhaften Einstellungen und Werte ih-

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rer Träger sagen, steht der äußere Schein schnell unter dem Verdacht der Täuschung. Drittens ist auf eine säkulare Version dieser Ansicht hinzuweisen, auf die moderne Ablehnung einer dekorativen Oberfläche und ihre Ersetzung durch eine Formensprache, die von kontingenten Verzierungen gereinigt ist und sich (angeblich) strikt an der Funktion des Objekts orientiert (vgl. Miller 1995). Zur Kritik an den Gegenständen der populären Kultur eignen sich diese Anschauungen offensichtlich ausgezeichnet. Die Verurteilung von Verpackungen und Warenwerbungen, die in zunehmendem Maße die Funktion und den greifbaren Gebrauchswert des Produkts überspielen (vgl. Ewen 1988), gehört ebenso dazu wie die Klage über die belanglosen Zerstreuungen und oberflächlichen Attraktionen der Hollywoodfilme. Besonders auffällig ist darum, dass gleich zu Beginn der intellektuellen Prägung des Pop-Begriffs Oberflächlichkeit ganz im Gegenteil als positives Anzeichen genommen wird. Mit dem neuen Wort pop art verweisen Mitglieder der Independent Group u.a. auf den gloss und glamour der aus ihrer Sicht höchst attraktiven Oberflächen der Werbung und der Illustrierten (Hamilton 1982f: 152). Es ist sicherlich kein Zufall, dass in den Illustrierten und den Wochenendbeilagen der großen Tageszeitungen in der Mitte der 60er Jahre solche Ansichten verstärkt zur Sprache kommen; diese Art der Pop-Affirmation passt sehr gut zu ihren ausgedehnten Farbfotostrecken, auf denen neben neuen modischen Designs auch alle anderen Themen auf ihren Schauwert hin ausgeleuchtet werden: »Singers, photographers, hairdressers – the pop ambiance that would eventually make up the image of ›Swinging London‹ was emerging, piece by nyktomorphic piece, before the public eye – a world of youth and ›style‹ and ›Taste ’64‹«, eine Welt, die sich in den attraktiven colour supplements aus äußerlichen Eindrücken zusammensetzt. Seite an Seite findet man in ihnen Mitte der 60er Jahre »›mini-nostalgic‹ features on ›The Phoney Peace‹ and the First World War«, »colour spreads on ›The Flavour of Brazil – Its Zest, Its Style‹«, Geschichten über »The Long Hair Musicians« wie die Pretty Things, über »Design For Tomorrow« und über »›Changing Faces‹ (full colour pictures of London Mods and their strange, new, colourful clothes)« (Booker 1969: 230). Auf äußerst bemerkenswerte Weise trägt die Pop-art zur gleichen Zeit dazu bei, die Anmerkungen zur reizvollen oder schalen Oberflächlichkeit zu konturieren. Zuerst liegt natürlich das kritische Urteil nahe, die Werke der Pop-art seien genauso oberflächlich wie die Gegenstände der Massenproduktion und -medien, auf die sie sich beziehen. Auch die Anhänger der neu etablierten Kunstrichtung, wie etwa Warhols Parteigänger Ivan Karp, scheinen diese Einschätzung zu unterstützen, wenn sie bemerken, dass die Bilder Lichtensteins, Warhols u.a. über keine kritische Sensibilität verfügten, sondern sich auf die Aufzeichnung dessen, was ist, beschränkten. Im nächsten Zug kann aber sogar aus dieser Ausgangslage ein Argument erwachsen, das sich die traditionelle Bevorzugung des Verborgenen zu Eigen macht. Am Beispiel von Wesselmanns Bildern möchte Karp deutlich machen, dass die Pop-art keineswegs rein das zeigt, was die Massenkultur darstellt, sondern vielmehr neue Dimensionen aufdeckt: »Wesselman’s subjects are the present moment in commercial art. At his best he is bright and brutal, like the aluminum jackets of cheap skyscrapers. The juxtapositions are crucial. He has proven with a subtle maneuver that the immense vulgarity of advertising color and form,

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separated from their natural habitat, is sufficient to reveal its hidden charms« (1997: 89). Durch die Verfremdung, durch die Herausnahme aus ihren gewöhnlichen Funktionszusammenhängen, bekommen die an sich vulgären Sujets der Werbung und der Massenkultur in den Adaptionen der Pop-art eine zuvor nicht gekannte und erahnte Qualität – soweit Karps Einschätzung, die nicht nur in konventioneller Manier die Formen und Farben der Werbung herabsetzt, sondern zudem auch auf das traditionelle Lob verborgener Eigenschaften zurückgreift. Dennoch ist Karp keineswegs ein Platoniker oder ein Moralist, der im äußeren Schein bloß Blendwerk sieht, dem die wahre Tiefe fehlt. An den Titeln, mit denen Karp Wesselmann emporhebt, erkennt man das sofort. Karp preist Wesselmanns Bilder wegen ihrer Strahlkraft, die er mit den Aluminium-Verkleidungen billiger Hochhäuser vergleicht. Genau diese hochgradig positiv ausgegebene Eigenschaft – »at his best he is bright« – verdankt sich jedoch dem Vorrang der Oberfläche. Kritiker der Popkultur haben dieses Merkmal deshalb stets auf der Negativseite verbucht. Darum heißt es etwa bei Richard Hoggart, der die populär-gemeinschaftliche Kultur der kleinen Leute und der Arbeiterklasse durch die zeitgenössische Massenkultur bedroht sieht, recht abfällig über die Werbung und das Design am Ende der 50er Jahre: »So there emerges the copywriters’, illustrators’ and storytellers’ bright unreal world, a smart-young-wife-dominated world of young couples moving among contemporary splay-legged furniture to prepare a modish meal out of a modernistic can« (1971: 34). Bei Hoggart steht bright negativ für eine moderne, unmännliche Künstlichkeit und Oberflächlichkeit. Karp hingegen säubert vollkommen die Oberfläche von ihren femininen Zügen – bright and brutal – und präsentiert sie dann als glänzendes Merkmal der Bilder der Common Image Painter. Immerhin, eine Übereinstimmung gibt es zwischen Hoggart und Karp; auch Karp ist kein Anhänger der commercial arts, erst die verstärkenden und verfremdenden Maßnahmen der Pop-art offenbaren nach seiner Ansicht deren sonst verborgene Reize. Darum kommt es bei Karp Mitte des Jahres 1963 zu dem merkwürdigen Ergebnis, dass er die Minderwertigkeit der Popkultur mit einer Metapher anzeigt, die auf die traditionelle Privilegierung tiefer liegender, nicht unmittelbar greifbarer Qualitäten zurückgeht, um gleichzeitig die Klasse der Pop-art mit einem Vergleich zu illustrieren, der im Lob (billig) strahlender Oberflächlichkeit aufgeht. Die späteren Rettungen der Pop-art vor einer allzu starken Identifizierung mit der Massen- und Popkultur gehen genauso vor. Auch bei ihnen dient die Berufung auf die Oberflächlichkeit zur Trennung der Pop-art-Bilder von ihren Vorlagen. Diese Operation besitzt ihre Grundlage in der zuerst von Clement Greenberg vorgebrachten, schnell äußerst wirkungsmächtigen Auffassung, dass jede Kunstgattung sich auf die ihr gemäßen, ihr allein eigenen Möglichkeiten konzentrieren sollte. Im Falle der Malerei sei das wegen der Flachheit der Leinwand eine Malweise, die sich von der illusionären Erweckung dreidimensionaler Tiefe lossage (1997a). Die Angabe ›oberflächliche Malerei‹ ist in dem Sinne ein äußerst anerkennendes Wort für eine moderne, abstrakte Malweise, welche die wesentliche Bedingung des Mediums Leinwand erkennt. Auf interessante Weise trägt die geforderte flatness der Malerei platonischen Charakter; Flachheit wird hier als notwendig vorausgesetzt, um den substanziellen Zug der Kunstgattung zu erfüllen.

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Der Bruch der Pop-art mit der abstrakten Malerei, ihre teilweise Hinwendung zu menschlichen Szenen und Figuren scheint darum ein Rückschritt zu einer älteren, unmodernen, pseudorealistischen Kunst zu sein. Mitte der 60er Jahre hat sich jedoch bereits in weiten Teilen der Kunstkritik die Ansicht durchgesetzt, dass auch die Pop-art in den Kanon der Oberflächen-Moderne hineingehört. Lichtenstein etwa habe aus den vielfältigen Möglichkeiten der commercial illustration genau jene ausgewählt, die ein Höchstmaß an pictorial flatness gewährten, stellt Robert Rosenblum bereits 1963 heraus. Rosenblum verweist auf die extreme, giftige Farbgebung Lichtensteins (»the colors – the harshest yellow, green, blue, red – produce flat and acid surfaces«), auf die perfekt abgedichtete Farbfläche (»an opaque, unyielding paint surface that bears no traces of handicraft«) und auf einige weitere Techniken, die den Eindruck einer planen Oberfläche zum Ergebnis haben, selbst wenn es sich um Darstellungen einer menschlichen Figur handelt: »Thus, the Hawaiian girl is first seen as an illusion of the most voluptuously contoured anatomy, but these sensual swellings are quickly and brutally ironed out by the twodimensional conventions of Lichtenstein’s style.« Der neue Reiz ergibt sich für Rosenblum gerade aus der Brutalität, mit der die zweidimensionalen Techniken die Wirklichkeitsillusion des weiblichen Körpers und Triebauslösers bedrohen: »Lichtenstein’s exotic lady offers a compelling tension between the abstract autonomy of sinous contour and compositional flatness, and the resulting distortions of a jointless arm, a muscleless throat, a boneless face«. Für Distanz ist dadurch nicht allein zu den Verlockungen der weiblichen Form und des weiblichen Fleisches, sondern zu den Vorlagen der Popkultur gesorgt. Deren Bilder erfahren nach Auffassung Rosenblums durch die Pop-art eine nachhaltige Transformation, wie er wiederum an einem Bild Lichtensteins, das für ihn nur scheinbar mit dem gefälligen Porträt einer stark geschminkten, attraktiven jungen Frau übereinkommt, zeigen möchte. »The cosmetic complexities of mascaraed eyes, tweezed eyebrows, and permanent waves are transformed into linear abstractions of almost Art Nouveau fantasy«, schreibt Rosenblum, um daraus den Schluss zu ziehen, dass sich Lichtensteins Bild u.a. deshalb weit von seiner gewöhnlich reizvollen Vorlage entfernt habe: »This rich visual incident is then contrasted to the taut and bleak expanses of empty skin surface, monotonously textured background, and mat black dress, so that the whole creates a calculated pictorial intricacy surprising in what seems, to begin with, so crude an image« (1997c: 191). Problematisch an Rosenblums Ansicht ist aber, dass solch eine einschneidende, tiefe Differenz von der Pop-art zu den für ihn gewöhnlichen, kruden Bildern der Comics und Werbefotos nicht existiert. Auch sie säubern oftmals ihre Darstellungen von menschlichen Unregelmäßigkeiten und glätten Haut- oder beliebige Farbpartien, bis sie zu einer undurchdringlichen, reinen Oberfläche wird. In dem ersten kunsthistorisch bedeutenden Buch zur Pop-art weist Lucy Lippard 1966 in dem Sinne auf deren »hard-edge, commercial techniques and colours« hin – und allgemein auf die Wirkung, die von der Verwendung solcher Techniken und von der Aufnahme populärer Sujets erzeugt wird: »Because it is easy to look at and often amusing, recognizable and therefore relaxing, Pop has been enjoyed and applauded on an extremely superficial level.« Man braucht wohl nicht groß zu betonen, dass die Angabe superficial hier wieder einen vollkommen negativen Klang besitzt (1966: 69, 80). In noch deutlicherer Form als bei Rosenblum kommt darum

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bei Lippard der Widerspruch zum Ausdruck. Obwohl sie viel stärker als Rosenblum den Anteil kommerzieller Techniken an der zweidimensionalen Flachheit der Pop-art hervorhebt, erscheint ihr ebenso wie Rosenblum eine Rezeption, die auf der angenommenen Nähe der Pop-art zu Illustrierten- und Werbebildern (und nicht zur abstrakten Kunst) beruht, als oberflächlich. Im Regelfall verweist die Kunstkritik auf den Unterschied von Popkultur und Pop-art nicht nur als einen Unterschied in der Bearbeitung oder der Transposition, sondern zugleich als einen Wertunterschied. Auf interessante Weise verwirrt oder bestärkt wird die Unterscheidung, weil im Feld und im direkten Umfeld der Pop-art-Debatte häufig eine Denunziation der Tiefe zu finden ist, die über das Lob jener der Gattung Malerei angemessenen zweidimensionalen Flachheit hinausgeht. Bestärkt wird die Unterscheidung letztlich durch Susan Sontags Forderung, an die Stelle einer hermeneutischen, vorgeblich tiefen Ausdeutung eine Erotik der Kunst zu setzen. Zwar darf sich die geforderte Erotik bei Sontag sogar an der dekorativen Oberfläche von Camp-Gegenständen entzünden, insgesamt behält ihre Vorstellung von Erotik jedoch einen allzu interesselosen, an die Form und den Stil gebundenen Grundzug, um den Wertunterschied von Pop-art und Popkultur aufzuheben. Verwirrt wird die Unterscheidung hingegen durch Warhols Votum für die Oberflächlichkeit des amerikanischen Films, gerichtet gegen das (aus seiner Sicht) europäische Bemühen um Sinnhaftigkeit und Tiefe. Weil Warhol im Gegensatz zu Sontag keinen Zweifel daran lässt, dass er in seinen Kanon des Oberflächlichen nicht nur ältere Hollywoodfilme wie die von Howard Hawks, sondern beliebige aktuelle Produktionen einschließt, geht sein Lob der Oberfläche weit über die in der Kunstkritik geforderte Konzentration auf die moderne Form hinaus. Die Absage an die Tiefe richtet sich bei ihm nicht allein gegen eine illusionistische Malerei und gegen Versuche, die Bedeutung eines Werks hinter der sicht- oder hörbaren Verknüpfung von Zeichen oder Tönen zu suchen. Mit der Huldigung an den schlechthin oberflächlichen Hollywoodfilm kommen zwangsläufig auch die vertrauteren Dimensionen des Oberflächlichen zum Vorschein: Amüsement, Evasion, heitere Ablenkung, unbekümmerte Hingabe an den Moment, Verzicht auf Nachfragen und tiefschürfende Erklärungen, belustigte Abwehr ernster Pflichtanforderungen und Sinnzumutungen. In den Illustrierten und Nachrichtenmagazinen Mitte der 60er Jahre wird solche Oberflächlichkeit unter dem Titel fun als ein wichtiges Merkmal der Popkultur angeführt. Von dem Form- und Stilbewusstsein Rosenblums, aber auch Sontags ist diese an bunten Äußerlichkeiten und freien Bewegungen orientierte Oberflächlichkeit weit entfernt. Die avancierte Position Warhols zeigt sich genau daran, dass er sowohl über die Oberflächlichkeit im Sinne planer malerischer Zweidimensionalität als auch über die stilisierte Camp-Oberflächlichkeit hinausgeht. Gefährlich ist der weitere Schritt Warhols, weil er mit der positiven Beurteilung der Oberflächlichkeit aktueller Hollywoodfilme befürchten muss, seinen eigenen Kunststatus zu verlieren. Mit dem Urteil fun wäre auch die künstlerische Laufbahn Warhols am Ende. Davor steht jedoch die Indifferenz Warhols, sie schützt ihn erfolgreich vor einer Verwechslung mit den Protagonisten und Gegenständen einer unbeschwerten Popkultur. Warhols Oberflächlichkeit ist von der Hollywoods dann doch hinreichend getrennt. Im Unterschied zu der in Hollywoodfilmen

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mitunter gegebenen spielerischen Freude an bloßem Spiel und bunter Gegenwärtigkeit läuft Warhols Absage an einen tiefen Sinn gleich auf eine Entleerung von jedem Sinn, sogar von jeder Anteilnahme hinaus. Etwas wird adaptiert, aufgezeichnet, maschinell bearbeitet, umgestellt, aus einem anderen Material nachgebaut – und das unter der Vorgabe, es werde einfach absichtlos Beliebiges aufgezeichnet, bearbeitet etc. Befragt, weshalb er das Bild eines race riot adaptiert habe, bestätigt Warhol, er habe es nicht aus politischen Gründen ausgewählt, sondern aus einer Haltung der indifference: »It just caught my eye« (Warhol 1997a: 147). Der Oberfläche allein wird dadurch Aufmerksamkeit gezollt, allerdings nicht einmal eine gesteigerte, enthusiastische oder erfreute Aufmerksamkeit, sondern lediglich ein kühler Blick. Deutlicher könnte man den Unterschied einer Popkultur im Sinne avancierter moderner Kunst und der Popkultur im Sinne Hollywoods kaum benennen. Warhols Bilder können deshalb auch nur dann Teil der weiteren Popkultur werden, wenn sie sich auf einzelne, bereits bekannte, aufgeladene Fotos und Symbole aus den Illustrierten und Comics oder auf die bunt abgedichtete Äußerlichkeit mancher Anzeigengestaltung beziehen. Seine Filme und sein Buch/Tonbandmitschnitt a hingegen, in denen alltägliche Szenerien über lange Zeitstrecken aufgenommen werden, ohne dass sie im Rahmen einer Geschichte einen Sinn, eine Moral oder wenigstens ein bedeutungsvolles Ende zugewiesen bekommen, stoßen bestenfalls auf Desinteresse und Langeweile. Die versuchte Abweisung einer symbolischen Lesart, die ausschließliche Konzentration auf das, was geschieht oder was man sieht, jene isolierte Betrachtung, die sich an die Oberfläche hält, unbekümmert von abstrakteren Hintergründen, inneren Werten oder erzählerischen Zusammenhängen – sie funktioniert außerhalb des Bereichs moderner Kunst nur, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens muss der Gegenstand der Betrachtung erotisch attraktiv oder für ein breiteres Publikum sonstwie reizvoll sein, zweitens muss sich die Wahrnehmung solch einzelner Äußerlichkeiten auf eine kurze Zeitspanne beschränken. Einige Bilder und Objekte der Pop-art kommen dem entgegen, deshalb können sie Eingang in die Popkultur finden; Gleiches gilt für die dekorativen Muster der Op-art, nicht aber für die abstrakten Bilder der Farbfeldmalerei, auch wenn sie alle von derselben Ästhetik geprägt sind, die Harold Rosenberg als eine »aesthetic of neatness, of clean edges, smooth surfaces, efficient construction« bestimmt. Rosenberg nennt dies eine aesthetic of cleanliness, die den Ordnungs- bzw. Sauberkeitsvorstellungen der Mittelschicht entspreche und der er den Schmutz und die Verwirrung der Happenings und der politischen Provos kritisch gegenüberstellt (1967: 78, 81f.). Damit unterschlägt er jedoch, dass nicht wenige der UndergroundVertreter in das Lob der Oberfläche einstimmen, deren polierte, undurchdringliche Beschaffenheit sie gerade gegen die Ordnung richten möchten. Deshalb assoziieren sie die Oberflächlichkeit konsequenterweise nicht mit der Sauberkeit, sondern mit der Verweigerung gegenüber ernsten moralischen Anforderungen und traditionellen, tiefsitzenden Konditionierungen. Wo »sollte sich Tradition als vergessener Rest überlebten Bewußtseins in den Photos von Vogue-Beauties festsetzen?«, fragt der sonst vor keinem Schmutz und keiner Mischform zurückschreckende Rolf Dieter Brinkmann, um mit der rhetorischen Frage sein Plädoyer für die Oberfläche vorzubereiten (1983:

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388). Für sie spricht, dass sie den Alp der Vergangenheit abweist, dass sie sich gegen die Prätention des »Tiefsinnig-Innerlichen« erfolgreich abdichtet (1969b: 25). »Es ist nur Glätte ... die Oberfläche eines Bildes«, lautet hier die zentrale Aussage Brinkmanns, die sowohl die Starporträts Warhols als auch die Bilder aus Modejournalen einschließt (1983: 388). Pop-Affirmation und Lob der Oberflächlichkeit sind seit der zweiten Hälfte der 60er Jahre untrennbar miteinander verbunden.

Pop-Gegenkultur Mit zunehmender Dauer ist dem Pop-Begriff eine Doppeldeutigkeit eigen. Einerseits stellt er im Laufe der Zeit manchmal nur ein Kürzel für Massenund Populärkultur dar, andererseits wird »Pop« seit Mitte der 50er Jahre häufig auf ganz bestimmte Phänomene bezogen, die besonders zeitgemäß oder auffällig erscheinen. Nachhaltig wirkt vor allem die oftmals anzutreffende Gleichsetzung der Pop- mit der Jugendkultur. Die Eroberung der Pop-Charts durch den Rock ’n’ Roll steht am Ursprung der besonderen Prägung. Stand die Hitliste der Popmusik bis dahin für den weißen, gemäßigten, altersübergreifenden Stil, verliert die sog. populäre Musik mit dem Rock ’n’ Roll eine Zeit lang ihren Mainstream-Charakter. Rock ’n’ Roll findet seine Anhänger überwiegend in der Subkultur der Teenager, zudem ist er auch unter Teilen der schwarzen Bevölkerung beliebt. Als sei das noch nicht genug, gibt der aggressive, sexuelle Charakter des Rock ’n’ Roll auch Anlass zur Sorge, ob diese Musik, die nur in Teilkulturen Anklang findet, vielleicht sogar der Ausdruck gegenkultureller Bestrebungen ist. In dem Fall handelte es sich nicht allein um die Musik einer oder mehrerer Subkulturen, die man als speziellen, auf die Freizeit beschränkten Ausgleich zu den Anforderungen der Schule und der niederen Berufe verbuchen könnte, sondern um eine Musik, welche als vehementer Angriff auf die rational organisierte Welt der Ausbildung und Arbeit fungiert, die auf Triebsublimierung und Anpassung beruht, nicht auf unmittelbarem Lustgewinn und durchschlagender Expressivität. In den 50er Jahren wird diese Deutung in erster Linie von konservativen Politikern, Pädagogen, Richtern vertreten; für sie stellt der Rock ’n’ Roll eine ernsthafte Gefahr dar. Aus Kreisen linker Intellektueller oder der Boheme hört man hingegen keine vergleichbaren Urteile; bezeichnenderweise fühlen sich selbst die Beatniks viel stärker mit dem modernen Jazz im Bunde. Der Abstand zu der amerikanischen Jugend (in England zu den proletarischen Jugendlichen) und ihrer kunstlosen Musik ist zu groß, um mögliche Gemeinsamkeiten zwischen deren Verweigerungsgesten und der eigenen Gesellschaftskritik zu entdecken. Das ändert sich mit der Beat- und Rockmusik der 60er Jahre. Jetzt kann im Rückblick auch im rauen, rohen Rock ’n’ Roll eine politisch widerständige Kraft ausgemacht werden; sogar ungeachtet seines Erfolgs scheint er noch weit genug vom mainstream entfernt zu sein, wie LeRoi Jones 1963 anmerkt: »To be sure, rock ’n’ roll is usually a flagrant commercialization of rhythm & blues, but the music in many cases depends enough on materials that are so alien to the general middle-class, middle-brow American culture as to remain interesting«. Jene Entfremdung und Abkehr von der amerikanischen Gesellschaft bzw. den Leistungs-, Ordnungs- und Geschmacksmaßstäben der wei-

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ßen Mittelschicht, die Konservative und Funktionsträger noch stets beklagen, wird nun in den 60er Jahren von cultural radicals genau umgekehrt als wichtige Manier der Gegenwehr begrüßt, selbst oder gerade wenn es um vergleichsweise unartikulierte, un- oder vorpolitische Ausdrucksformen und Gruppen wie die der Rockmusik und ihrer Anhänger geht. LeRoi Jones ist ein frühes Beispiel dafür, er setzt seine Hoffnung mit dem Rock ’n’ Roll nicht allein auf die »youthful offenders«, sondern auch auf andere Hörergruppen, die seiner Überzeugung nach nicht fest in den herrschenden Wertekanon integriert sind: »Rock ’n’ roll is the blues form of the classes of Americans who lack the ›sophistication‹ to be middle brows, or are too naïve to get in on the mainstream American taste« (1963: 223). In dem Moment, wo Jones seine Diagnose (und Hoffnung) formuliert, steht sie jedoch bereits in Frage. Nicht nur wegen des üblichen Paradoxons, dass jemand wie Jones, der in der Abwendung von den Werten der Mittelschicht eine äußerst positive Bewegung sieht, seine eigenen Leser keineswegs unter den Schichten findet, die nach seiner Beobachtung dem Rock ’n’ Roll zugetan sind. Nein, Jones’ Aussage wird vielmehr insofern von der Wirklichkeit überholt, als auch die neue Ausformung der Blues- und Rockmusik ihre Anhänger zu großen Teilen in der Mittelschicht finden wird. Das betrifft selbstverständlich vor allem die jungen Mitglieder dieser Schicht, die Schüler und Studenten, das betrifft aber auch eine ganze Reihe von Intellektuellen und Bohemiens, die mit ihnen verbunden sind oder aus ihnen hervorgehen. Ab 1963 lässt sich diese Entwicklung zunehmend beobachten, wie Jeff Nuttall 1968 am englischen Beispiel mit Blick auf die Anhänger und Musiker der Rolling Stones, der Beatles, der Pretty Things usf. ausführt: »Art students and popular music had, until this point, been separate, except for an odd overlapping in the world of trad and skiffle. But R & B was that bit less commercial than rock had been. It appealed to the authenticity and the rock ’n’ roll cult. The students and the mods cross-fertilized, particularly in Liverpool« (1968: 35). Dank solcher Kombinationen werden ebenfalls Leute aus der Werbung, der Medienbranche, Neureiche sowie die jeunesse dorée der Oberschicht angezogen. Tom Wolfe sieht etwa in deren Begeisterung für die Rolling Stones ein Beispiel für eine beginnende tiefgreifende Änderung innerhalb des Geschmacks der amerikanischen Oberschicht. Den Begriff Pop Society reserviert er genau für jenen Bereich des Geldadels sowie seiner Zöglinge und Publizisten, die ihren Status nicht länger durch einen kultivierten Habitus, sondern durch eine hedonistische Hinwendung zu den Stilen ausgesuchter popular, or »vulgar« or »bohemian« groups demonstrieren wollen (1965c: xvi). Von einer Gegenkultur kann man angesichts solch einer Pop Society wahrlich nicht sprechen. Die Abgrenzung, die Distinktion richtet sich hier gegen andere Gruppen der Oberschicht, die ihre Vorrangstellung durch ein konservativeres Auftreten bekräftigen wollen. Der Angriff auf deren Geschmack kann freilich bloß dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn die Adaption von Stilen der Jugendlichen, der Straßenmode oder einer nicht unumstrittenen avantgardistischen Kunstrichtung wie der Pop-art einen originellen Zug aufweist, und das nicht nur im Vergleich mit den anderen, viel stärker auf Abstand zur Massen- und Alltagskultur bedachten Fraktionen der Oberschicht.

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Problematisch ist darum, dass der Pop-Trend auch viele Angehörige der breiten Mittelschicht erfasst, für die schnell ein großes Angebot an entsprechenden Gütern bereit steht. Im Rückblick auf Swinging London wird geradezu von einer »massive, instant chainstore reaction to whatever was in« gesprochen (Bailey/Evans 1969: 23). In den USA verhält sich die Sache nicht anders; in Life wird bereits im Sommer 1965 der großen Leserschaft unter dem Titel The Ins and Outs of Pop Culture ein reichhaltiger moderner Katalog von Dingen offeriert, deren Besitz oder Kenntnis einem dazu verhilft, sich auf der Höhe der Zeit und des avancierten Geschmacks zu bewegen. Als Trendsetzer fungieren dabei nach Ansicht von Life die teen subculture, Mitglieder der upper class-Pop Society und auch Vertreter des underground wie Andy Warhol. Deshalb ist das Urteil deutlich: In könne man nur sein, wenn man sich vom Geschmack und von der Moral der middle class abwende. Hoch paradox ist diese Aussage, weil sie sich natürlich an ein Mittelschichtspublikum, an die Leser von Life, wendet. Unterschwellig aufgelöst wird der Widerspruch aber bereits im Artikel selber: Die Pop Culture wird als Ausdruck einer neuen antipuritanischen Haltung gesehen; sie ist demnach Teil jener Generation, die sich im Zuge vergrößerter liberaler Freiheiten und gestiegenen Wohlstands von älteren Pflicht- und Tugendidealen entfernt. Unausgesprochen läuft das auf die Einschätzung hinaus, dass die Popkultur erfolgreich zum Untergang einer überlebten Haltung beiträgt und dadurch über die Nachkriegsgeneration hinaus bald fester Bestandteil der erneuerten Mittelschicht sein wird (Steinem 1965). Der Life-Artikel ist bereits selbst ein ausgezeichneter Beweis für diese Beobachtung und Prognose. Mit einer fortschreitenden, allgemeinen Abwendung von puritanischen Einstellungen und der Hinwendung zu einer fun-Moral steht die Gleichsetzung von Popkultur mit jugendlicher Subkultur stark in Frage. Noch viel stärker gilt dies selbstverständlich für eine versuchte Gleichsetzung von Pop mit Bestrebungen des Undergrounds. Wenn Pop zur Ausstattung einer erfolgreichen, urbanen Mittelschicht gehört, dann muss man folgerichtig Pop zum Mainstream schlagen und zum Gegner erklären. Mit den Mitteln der Konsumkritik und der Kritik an oberflächlich bunten, repressiv entsublimierten, falschen liberalen Freiheiten wird eine solche Feindeserklärung in der zweiten Hälfte der 60er Jahre auch oft genug vorgenommen. Dennoch ist das auf der Seite der cultural radicals nicht das einzige Wort. Es gibt aus ihren Reihen bis 1968 immer wieder Anläufe, das umwälzende Potenzial von Pop herauszustellen: 1. indem man mit Pop einen Angriff auf die Gutenberg-Kultur verbindet; indem man 2. in Pop einen Widerpart zur unsinnlichen, bildungsbürgerlichen Kunst erkennt oder 3. Pop als eine oberflächliche, hedonistische Kraft feiert, die gegen die rationalisierte, verwaltete, auf entfremdeter Arbeit beruhende Gesellschaft gerichtet ist. All diese Versuche finden ihren Rückhalt in dem Widerstand, der ihnen teilweise noch entgegenschlägt. Die Befürchtungen und Abwehrmaßnahmen konservativer Lehrer, Kunstkritiker, Politiker, Richter, Intellektueller (Bell 1976) bestärken die Anhänger des Pop-Undergrounds in ihrem prinzipiellen Glauben, ihre Vorliebe für Pornografie, Multi-Media-Shows, bestimmte modische Äußerlichkeiten, zeitgenössische Popmusik etc. besitze einen bedeutenden gegenkulturellen Grund. Die linkssozialistischen oder ihrerseits gegenkulturellen Kritiker des PopUndergrounds machen hingegen eine ganz andere Rechnung auf. Für sie ist

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der konservative und bildungsbürgerliche Widerstand lediglich das Nachzugsgefecht von Vertretern einer untergehenden Welt. Die neue, sich rasch durchsetzende kapitalistische Konsum- und liberal-egoistische Leistungsgesellschaft benötige vielmehr genau jene hedonistischen, flexiblen, nach individuellem Lustgewinn strebenden Charaktere, zu deren Hervorbringung auch der Pop-Underground seinen Beitrag leiste (Hermand 1971). Was der PopUnderground als gegenkulturelle Kraft ansieht, wäre demnach allenfalls die Grundlage für eine jugendliche Teilkultur, sich von vorhergehenden Generationen abzusetzen (Baacke 1968), oder eine Möglichkeit für Fraktionen der Oberschicht und des Kunstbetriebs, sich über konkurrierende Gruppen zu erheben. Eine Antwort auf den Vorwurf bzw. die Diagnose besteht dann darin, die Dosis zu erhöhen, also einer möglichen Integration in den neuen antipuritanischen Mainstream entgegenzuwirken, indem man noch poppiger, oberflächlicher, sinnlicher usf. agiert. Die Ende der 60er Jahre und weit darüber hinaus geläufigere Antwort liegt hingegen darin, mögliche gegenkulturelle Bestrebungen unter dem Titel »Pop« rasch preiszugeben und stattdessen als »Rock« neu zu formieren. Rock soll für eine weniger kommerzielle und oberflächliche, komplexere, künstlerisch autonome und/oder umfassendere, kollektivere, durchschlagendere Form jugendlicher Underground-Kultur stehen (Eisen 1969a; Chester 1970a; Chester 1970b; Winner 1969: 52f.; Marcus 1969a; Salzinger 1982a; Salzinger 1972). Kurz gesagt: »Rock is progressive, pop reactionary« (Gary Herman, zit. n. Pichaske 1979: 157). Aus linker und radikal gegenkultureller Sicht kann dagegen freilich die gleiche Kritik wie an der Popkultur vorgebracht werden, wenn man den Impuls des Rock ebenfalls auf die Freizeit- und Konsumsphäre beschränkt sieht (Lydon 1969; Salzinger 1982b; Buselmeier/Schehl 1970; Kaiser 1972; Schwendter 1978). Wegen der zumindest vorübergehenden Institutionalisierung des durch die Rockmusik ausgedrückten Widerstands in politisierten Kommunen und Szenen, die sich bürgerlicher Laufbahnen entziehen (Berke 1969a; Hollstein 1969; Hollstein 1971), kann der vom Pop abgespaltene Rock jedoch der Kritik graduell besser widerstehen als eine in gegenkultureller Absicht vorgetragene Pop-Affirmation. Eine abweichende Schule gibt es allerdings auch innerhalb der Rockkritik, die vom Pop nicht lassen will. Sie möchte die progressiv und komplexer gewordene bzw. aus ihrer Sicht prätentiöse Rockmusik wieder stärker an die vermuteten Wurzeln ihrer ersten subkulturellen Trägerschicht, die Teenager, binden und erinnert deshalb gerne an die Blütezeit des Rock ’n’ Roll, in der die Musik danceable and sexual gewesen sei (Christgau 2000d), an eine hard, simple, body music (Landau 1972b: 129). Unter denen, die am Ende der 60er Jahre die Gefahr heraufbeschwören, dass die Musik zu stark in die Hände der Mittelschicht und gebildeter Ernsthaftigkeit falle, ist das Wort pop oftmals ein positiver Begriff (z.B. Melly 1989: 137). Ihr Manifest hat diese Richtung 1969 in einem Buch gefunden, das den Untertitel The Golden Age of Rock trägt. Der Titel des Buches von Nik Cohn, Awopbopaloobop Alopbamboom, macht aber unmissverständlich klar, dass mit Rock Rock ’n’ Roll gemeint ist. Dessen Einfachheit und Direktheit ist für Cohn der positive, unverzichtbare Kern aller Musik, die seinen Pop-Ansprüchen genügen will. Versuche, wie die der Beatles, aus der Popmusik eine Kunstform zu machen, lehnt Cohn darum ab, vor allem Sergeant Pepper steht er äußerst misstrau-

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isch gegenüber: »This was far beyond Pop, beyond instinct and pure energy. Limp and self-obsessed, it was art. Not art; Art«, heißt seine Ablehnungsformel, die bildungsbürgerliche Maßstäbe schlicht umdreht. Um pop zu sein, fehle den späteren Beatles fast alles: »It wasn’t fast, flash, sexual, loud, vulgar, monstrous or violent«, lautet Cohns vernichtende Bilanz (1996: 137f., 144). Zwar verschließen sich weder Cohn noch die anderen genannten Autoren trotz ihres Faibles für Pop (im Sinne des Rock ’n’ Roll-Impulses) ausgewählten Exponenten der progressiv, bewusstseinserweiternd gedachten Musik und des art rock, in einem Punkt stehen sie jedoch der Hippie- und Underground-Szene ganz und gar entgegen: Große Hoffnungen auf etwaige politische Wirkungen der Musik teilen sie allesamt nicht (ebd.: 227; Melly 1989: 134; Christgau 2000g; Landau 1972c; Goldstein 1970f: 184). Besonders interessant ist Cohns Argumentation, weil er die Betrachtungsweise der Underground-Vertreter in einer Hinsicht vollkommen teilt. Auch Cohn sieht Ende der 60er Jahre den Großteil der Musikproduktion als ödes Geschäft an: »The ugly eighty are mainline pop, computerized«. Die übrigen 20%, »what used to be called the Underground, the Hip Nucleus«, bezeichnet Cohn sogar als »noble twenty«, kann aber mit diesem besseren Teil kaum etwas anfangen, weil er vor allem in Großbritannien darin kein PopPhänomen mehr erkennt. Für den Underground muss das allerdings keineswegs eine schlechte Nachricht sein; schaut man sich eine von Cohns zentralen Pop-Beschreibungen an, gilt sogar genau das Gegenteil: »It [pop] is about clothes and cars and dancing, it’s about parents and highschool and being tied and breaking loose, it is about getting sex and getting rich and getting old, it’s about America, it’s about cities and noise. Get right down to it, it’s all about Coca Cola«. Wesentlich schwieriger ist es hingegen für jeden UndergroundVerfechter mit einer weiteren Bestimmung Cohns, was mit Pop nun untergehen würde, zu leben: »It [superpop] has made giant caricatures of lust, violence, romance and revolt, and they’ve been the most powerful, most accurate fictions of this time. And then, beyond the heroes, beyond anything, there’s been the noise, the endless and perfect and changeless beat. Noise has been everything.« Zumindest der Synthese aus lust und noise strebt der PopUnderground unablässig selber nach, deshalb ist die Auskunft Cohns, dies sei das vorübergehende Privileg von Teenagern und werde durch ein älteres, gar studentisches Publikum in jedem Fall verfehlt, für sie nicht hinnehmbar. An einer Stelle scheint es zwar, als löse Cohn den Konflikt auf; seine Integration der amerikanischen Woodstock nation in den Pop-Zusammenhang geht aber mit einer weiteren ernüchternden Prognose einher: Deren Intensitätsgefühl werde in absehbarer Zeit der Apathie weichen (1996: 241f., 145, 227). Noch direkter ins Zentrum möglicher Pop-Underground-Hoffnungen zielen die Argumente von Melly und Christgau. Sie verzichten auf die allgemein-menschliche Diagnose, dass ein hoher Grad an Intensität über längere Zeit nicht aufrechtzuerhalten sei; sie bezweifeln stattdessen die Möglichkeit, auf kulturellem (und sei es auf kulturrevolutionärem) Wege tiefgreifende Umbrüche zu betreiben. Mit Rock und Rock ’n’ Roll seien nur kleine Veränderungen verbunden, keine politische Revolution, sondern eine revolution in style, hält Christgau 1969 fest: »It can make nice changes for people, yes. But all that means is that it’s groovy« (2000f: 95) – was natürlich darauf hinausläuft, der zentralen Annahme des Pop-Undergrounds, besonders der groove

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und andere intensive hedonistische Entgrenzungen besäßen eine enorme Wirkung, eine deutliche Absage zu erteilen. Pop wird darum von George Melly geradezu als ein wichtiges Mittel im Dienst des Bestehenden angesehen. »Pop acts out revolt rather than provokes it«, schreibt Melly ebenfalls Ende der 60er Jahre, um in solcher Revolte kaum mehr als eine Beschleunigung des liberal-kapitalistischen Fortschritts zu erkennen: »It’s [pop is] almost a substitute for revolution in the social sense and is anyway geared, even these days, to the capitalist system. Its only revolutionary value is in its insistence on personal freedom. This is certainly important, but the right to smoke pot or strip naked in public are not going to affect the structure of society« (1989: 134). Gleiches gilt dann erst recht für Lightshows, multimediale Spektakel, eingängige Melodien, erotisch verwirrende Popstars, bunte Verheißungen, ansteckende Rhythmen etc. Wer nicht an die mitreißende, umwälzende Kraft solcher Pop-Ansätze glaubt, der ist für das Konzept der Pop-Gegenkultur verloren. Zwar sind die Anhänger des Pop-Undergrounds selber keineswegs uneingeschränkte Verfechter aller Pop-Phänomene – man sieht es sehr gut an ihrer ständigen Überprüfung, ob sie weit genug vom Mainstream entfernt sind –, ihre Bemühung, dem mit noch bunteren, verwirrenderen, ekstatischeren Dingen und Aufführungen Widerstand entgegenzusetzen, bleibt jedoch dem Pop-Prinzip verpflichtet. Wenn auch nur graduell, aber doch in hohem Tempo wird dadurch das Pop-Feld um neue, anstachelnde oder abschreckende Momente erweitert. So kann sich etwa Rolf Dieter Brinkmann nicht nur für das »wunderbare, wirre, aufregend schöne Geschrei Little Richards«, sondern auch für die bewusstseinserweiternde Musik der Doors begeistern (1983: 386, 381); bei aller vorübergehenden Faszination richtet er sich letztlich gegen das »Sexualgeflitter à la Hollywood« (1969c: 70) und plädiert stattdessen u.a. für »Fick-Bilder«, die von »seltsamen geschlechtlichen Mischwesen« bestimmt werden. Als ausgezeichnetes Beispiel dafür verweist Brinkmann auf Jack Smiths Film Flaming Creatures, der die Geschlechter »zu einem starken farbigen Treiben« gerinnen lasse (1983: 397). Das Beispiel Brinkmanns ist ebenso spektakulär wie randständig, es zeigt darum sehr gut die Grenzen einer politisch, gegenkulturell ausgerichteten Pop-Avantgarde auf. Der Verweis auf experimentelle, grenzüberschreitende Projekte bindet den Underground solange in den Pop-Zusammenhang ein, wie starke einzelne Schauwerte und Schockmomente vorhanden sind. Alle weiteren Vorhaben, die auf die nachhaltige Überwindung von starren Gattungsgrenzen, von einfachen Repräsentationsvorstellungen und Identitätsfestlegungen zielen, verbleiben zumindest im historischen Moment im Bereich esoterischer Kunst. Der Underground im Sinne einer Pop-Gegenkultur sieht sich deshalb drei schwerwiegenden Problemen ausgesetzt: 1. stellt sich unentwegt die Frage, ob man sich innerhalb des Pop-Feldes zu sehr in die Nähe des Mainstreams begeben hat bzw. ob vormals als radikal erachtete und als solche verfolgte Projekte mittlerweile (zumindest in abgeschwächter Form) in den Mainstream integriert worden sind. Ist man als Verfechter einer revolutionär gedachten Gegenkultur, die sich im Pop-Feld bewegt, letztlich kaum mehr als ein unfreiwilliger Protagonist der Kulturindustrie, der neue Trends vorzubereiten hilft? – so lautet die skeptische Frage, die Anlass zu bohrenden Selbstzweifeln und zu ständigen neuen Aufbruch- und Fluchtbewegungen gibt.

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Müsste man die Frage bejahen, stellten allerdings diese Versuche, als PopUnderground noch radikaler den Mainstream anzugreifen oder zu überwinden, nur weitere Zulieferdienste für die Entwicklung bald marktgängiger, noch unverbrauchter Produkte dar. Der Erfolg der pop culture wäre in dem Fall, wie 1968 viele Kommentatoren annehmen, durch ihre Fähigkeit zu erklären, Verhaltensweisen und Vorlieben der Boheme und Gegenkultur marktverträglich zu übernehmen: »The outsider culture serves an unanticipated function in providing our luxury and leisure markets with new games and toys. Once they get into the mainstream, the outsider tastemakers move on to find new ways of affirming their alienation from the respectable« (Winick 1968: 16). Gesetzt den Fall jedoch, gegenkulturelle Bestrebungen im Bereich der erweiterten Pop-Kultur (etwa Serien-Bilder, Stücke voll elektronischer Klänge, Aufführungen perverser Sexualität, ausgedehnte Adaptionen der Werbesprache etc.) widerstehen erfolgreich der Vereinnahmung durch die Kulturindustrie und durch ein von ihr beliefertes breites, bloß an Freizeitvergnügungen interessiertes Publikum, tritt trotzdem sofort das nächste Problem hervor: Sind, 2., solche Erfolge nicht tatsächlich auch wieder nur Niederlagen, weil sie zwar nicht zum folgenlosen Konsum durch ein großes Publikum, dafür aber zur Anerkennung in kleineren Segmenten wie dem Kunstmarkt führen? Trägt man, anders gesagt, dadurch nicht bloß zum Fortbestehen der Institution Kunst bei, deren Sammler und Händler aus den avantgardistischen Experimenten (auch denen mit Pop-Bezug) längst Distinktionsgewinne und materielle Profite ziehen können? Bleiben die Distinktionsgewinne allerdings allein auf kleine Kreise von Underground-Kräften beschränkt, stellt sich das Problem sogar noch schärfer. Wo ist die Grenze zu ziehen zwischen dem Erfolg, nicht von der großen Zahl vereinnahmt worden zu sein, und dem Misserfolg, die gegenkulturellen Bestrebungen nicht weit genug verbreitet zu haben? Das 3. Problem liegt deshalb in dem Umstand, als Exponent des Pop-Undergrounds womöglich bloß Stoff für eine Reproduktion von vertrauten Abständen und Hierarchien geliefert zu haben. Die Distanz des Pop-Undergrounds zum Mainstream wäre dann keineswegs gleichbedeutend mit einer Entfernung von den herrschenden Werten, die man mit aller Kraft hinter sich lassen möchte. Die Distanznahme zeigte vielmehr den Abstand zur breiteren Bevölkerung an, die Erhebung über deren Interessen und Vorlieben. Der selbsternannte Underground wäre, mit anderen Worten, in dem Fall nichts als eine Agentur jenes ›in‹ set, jener popocracy (Melly 1989: 98), die ihre Vorrangstellung aus einem PopGeschmack herleitet, der dem der Masse angeblich überlegen bzw. voraus ist. Die radikalen demokratisch-egalitären Ziele des Underground trügen demnach auf vermittelte Weise – wegen des Versuchs, sie mit intensiven oder ungewöhnlichen Pop-Varianten gegen den kulturellen Mainstream durchzusetzen – zur Legitimation sozialer Hierarchien bei. Insgesamt gesehen müssen deshalb vier Voraussetzungen erfüllt sein, um in der Pop-Gegenkultur ein politisch weitreichendes Projekt sehen zu können. 1. muss man der festen Überzeugung anhängen, dass die Gesellschaft vor allem über Werte integriert sei. Nur wenn diese These richtig ist, kann ein Verstoß gegen die angenommenen herrschenden Werte, gegen die Formen des so genannten Mainstreams zum Umbruch der sozio-ökonomischen Ordnung entscheidend beitragen. 2. muss die Frage, ob der Pop-Underground tatsäch-

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lich eine Abkehr vom Mainstream darstellt, positiv beantwortet werden. Zugleich muss man aber der Ansicht sein, dass mit der Abkehr schnell ein erfolgreicher Angriff auf die Werte und Verhaltensweisen des Mainstreams verbunden ist. Bei einer bloßen Abkehr, gar im Sinne einer Erhebung über den Mainstream, darf es keineswegs bleiben. Deshalb muss sichergestellt sein, dass der Pop-Underground 3. nicht nur ein anderer Name für einen nach Vorherrschaft strebenden Sektor im Kunstbetrieb oder 4. gleichbedeutend mit einer geschmackssetzenden Schicht innerhalb des Bereichs des Marketings, der Zeitgeistmagazine und der jüngeren Mitglieder der Oberschicht ist.

Kommerz-Pop Die wichtigste Kritik am gesamten Pop-Sektor besteht im Vorwurf der Kommerzialität. Pop bildet oftmals geradezu das Synonym für schiere Kommerzialität. Damit ist nicht nur gemeint, dass Pop-Gegenstände in der Marktwirtschaft um des Profits willen von Unternehmern hergestellt werden. Dies gilt schließlich für alle Produkte, die nicht lediglich für den Eigenbedarf oder den einer kleinen Gemeinschaft bestimmt sind. Für ihre Kritiker bilden die Pop-Produkte innerhalb des Kapitalismus deshalb den Inbegriff des Kommerziellen, weil sie in ihnen überhaupt keinen vernünftigen Zweck mehr erkennen können, außer dem, für Renditen zu sorgen. In die Kritik geht häufig die ältere Abneigung gegen die Masse ein; ausgesprochen kommerziell wirken die Pop-Produkte dann darum, weil sie in großer Zahl verkauft werden oder zumindest von vornherein auf einen entsprechenden Absatz hin geplant sind. Im erfolgreichen Fall geben zudem Listen (z.B. Musikcharts) den Rang des Verkaufs bekannt und sorgen dafür, dass weitere Käufe rein aufgrund des bisherigen Verkaufserfolgs vorgenommen werden. Aus kritischer Sicht scheint sich darum bei den Pop-Produkten in maximalem Ausmaß der Tauschwert durchzusetzen und der Gebrauchswert zu verflüchtigen. Die Kritik funktioniert aber auch, wenn die Belieferung von Teilmärkten in den Mittelpunkt rückt. Das ist wichtig, weil »Pop« (im Gegensatz zum Konzept der »populären Kultur«) oft als Begriff nicht für einen Durchschnittsgeschmack oder die manipulierte Vorliebe einer Mehrheit der Bevölkerung bzw. einer breiten Masse einsteht, sondern für Produkte, die sich an Jugendliche oder sogar an rebellische Minderheiten richten. Ihren Kritikern erscheinen solche Besonderheiten und Absonderungen keineswegs als eine Sperre gegen marktförmige Zurichtungen; vielmehr würden genau umgekehrt »Subkulturen zur Grundlage der Absatzstrategie der Großkonzerne, denen es gerade darum geht, künstliche Verfestigungen und Differenzierungen an den Gebrauch von Markenartikeln zu binden« (Prokop 1974: 122). Häufig bleibt es nicht bei der ökonomisch hergeleiteten Kritik. Die diagnostizierte Vorherrschaft des Tauschwerts führt fast zwangsläufig zu anderen Werturteilen. Unterstützt wird die Kritik am strikt kommerziellen Zuschnitt der Pop-Produkte zum einen gerne von der Einschätzung, dass die Pop-Gegenstände schlecht sind. Pop steht dann für ästhetische (oft auch moralische) Minderwertigkeit, ja Wertlosigkeit. Zum anderen erfährt die Kritik am Kommerz-Pop, die auf der Annahme mangelnden Gebrauchswerts ruht, Anhalt in der Auffassung, die Rezipienten der Pop-Produkte seien gänzlich passiv, unterlägen vollkommen den konditionierenden Signalen und wieder-

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holten Mustern der Hollywood-Filme, Bestseller, Hitparadenstücke etc. Wie auf der Seite der Herstellung nur die ökonomische Verwertbarkeit als Grund fungiere, erschöpfe sich auf Seiten der Rezeption alles im Konsum. Gegen den Konsum spricht aus Sicht seiner Kritiker zweierlei: 1. Die fortgesetzte Konsumtion (besonders neuer, modischer Dinge, die für die tägliche Reproduktion, aber auch für ein sinnvolles Leben nicht notwendig seien) stärkt das kapitalistische System. Pop ist für sie geradezu der Motor des kapitalistischen Wachstums, auch in seiner vorgeblich progressiven oder Underground-Variante. Aus dem proklamierten Konsumverzicht sei »längst eine scheinbar separate Warenwelt geworden aus Beat- und Rockplatten, aus Posters und Protestknöpfen«; von einer »›Pop-Guerilla‹« zu reden, sei darum falsch und irreführend (Buselmeier/Schehl 1970: 79). 2. spricht die Passivität der Konsumenten gegen den Konsumakt. Der Konsument stellt selber nichts Greifbares her, er kauft oder rezipiert nur, was andere geschaffen haben. Im speziellen Pop-Falle steigert sich die Kritik, die dem Ideal des aktiven, eingreifenden Lebens verpflichtet ist, noch beträchtlich, weil die Pop-Produkte nach Auffassung ihrer Verächter bei den willigen Abnehmern sogar alle Reaktionen vorzeichnen und jede eigene Gedankentätigkeit ausschließen. Nicht einmal bei der Auswahl der Gegenstände scheint den Kritikern der Pop-Kulturindustrie eine selbstständige Handlung vorzuliegen. Weil für sie die aus rein kommerziellen Gründen hergestellten Güter des Unterhaltungssektors sich abseits banaler Unterschiede und vorgespiegelter Marketingillusionen alle gleichen, läuft der Wahlakt des Konsumenten aus ihrer Sicht auf eine bloße Pseudoaktivität und Scheinfreiheit hinaus.

Konsum-Freiheit Die Gleichsetzung von Pop mit Kommerzialität, Manipulation, passivem Konsum und ästhetischer wie moralischer Minderwertigkeit bleibt nicht unwidersprochen. Stärker als bei den vorhergehenden Debatten um die Massenkultur gibt es in den intellektuellen Beiträgen zu dem neuen Konzept »Pop« von Beginn an Bemühungen, Pop von seiner vertrauten Kritik zu befreien. Alle kritischen Punkte werden dabei aufgegriffen, um sie zu entkräften. Eines steht ganz zu Beginn, zu Zeiten der Independent Group, allerdings außer Frage – dass Pop der kapitalistischen Ordnung verbunden sei und keineswegs subversive Züge trage (Banham 1981b: 85). Dennoch meinen die Mitglieder der Gruppe als Verfechter der Popkultur ihre politischen sozialistischen Einstellungen nicht gleich aufgeben zu müssen. Dazu ist es offenkundig notwendig, zumindest die übrigen Vorbehalte gegen Pop, wie sie von linker (aber auch konservativer Seite) vorgebracht werden, zurückzuweisen. Ein entscheidender Ausgangspunkt dafür ist eine nachhaltige Verkehrung des ästhetischen und moralischen Urteils. »Dreams that money can just buy« lautet eine häufig benutzte Formel in Reihen der Independent Group, mit der deutlich gemacht werden soll, welch einen hohen Wert man den PopProdukten beimisst. Selbst ihre Flüchtigkeit, ihr rascher modischer Verschleiß erfährt im Namen antiplatonischer Prinzipien eine radikale Umwertung. Zugleich lässt die Formel keinen Zweifel daran, dass die Pop-Produkte hohen (imaginären) Gebrauchswert besitzen, der für viele auf einfache Weise erschwinglich und zugänglich ist.

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Daneben dokumentiert die Formel natürlich, wie gering man die Tragweite der Kritik am Pop-Kommerz einstuft. Drei Gründe werden dafür ins Feld geführt. 1. hält man die Trennung der Kultur in einen positiven (unkommerziellen) und einen negativen (populären) Bereich für wenig stichhaltig – nicht weil man mittlerweile alles vom Primat des Tauschwerts durchdrungen und das Ende der autonomen Kunst gekommen sieht, sondern weil man, wie gesehen, der Pop-Kultur einen hohen Eigenwert zugesteht. 2. schätzt man die Gefahren der Kommerzialisierung gering ein, weil man der Selbstständigkeit, der Urteilskraft des Publikums vertraut; diese Einschätzung wird indirekt von der weiteren Beobachtung unterstützt, dass die Rezipienten massenhafter, standardisierter Produkte keineswegs selber eine uniforme Masse bildeten: »One way to show this is to appeal to the reader’s experience of the media, which he can interpret in ways that differ in some respects from everybody else’s readings« (Alloway 1988: 33). Selbst wenn es zur Absicht der Unterhaltungsindustrie gehören sollte, sei es ausgeschlossen, dass sich das Publikum vollständig manipulieren lasse: »That there is commercial exploitation in Pop culture nobody in his right mind would deny, but there has to be something else underneath, some sub-stratum of genuine feeling, a genuine desire for the thing, which has to be touched off before the market will really move« (Banham 1981b: 85). Wer immer zu wissen meint, dass die neuen Gegenstände des Massenkonsums keinen wahren oder grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, wird folgerichtig als Vertreter einer überholten Position hingestellt (Chalk 1994a: 262; Böckelmann 1970: 181). Beides zusammengenommen – der unterstellte ästhetische oder moralische Wert sowie das Wissen um die nicht vollkommen formbaren Bedürfnisse und Urteile des Publikums – führt zum 3. Punkt, der bei Pop-Verfechtern oft anzutreffen ist, der Glaube an die Wahlfreiheit. »Pop Art is sophistication for all« soll dann als Slogan die Überzeugung vermitteln, dass innerhalb der Popkultur alle Konsumenten Experten seien, die eine begründete Auswahl aus dem reichhaltigen Angebot vornehmen könnten (Banham 1981f: 96). Die Aufteilung des Marktes in verschiedene subkulturelle Abteilungen wird von intellektuellen Pop-Anhängern folgerichtig nicht als Beleg für eine ausgeweitete Einpflanzung differenzierter falscher Bedürfnisse zum Zwecke der Konsumsteigerung angesehen, sondern als Konsequenz der gestiegenen Chancen unterprivilegierter Schichten, sich eigene statuspheres zu schaffen (Wolfe 1968e: 13). Die Selbsterschaffung durch Stilisierung, durch eine selbstbewusste Aneignung vorgegebener Güter reicht dann bereits aus, um die PopAkteure vom Vorwurf, sie seien passive Konsumenten, zu befreien. Zumindest im Rückblick fällt jedoch auf, dass die angesprochenen Punkte kaum einmal zum Lob einer Art Pop-Liberalität oder des Pop-Kapitalismus bzw. eines dominanten technologisch-demokratisch-marktwirtschaftlichen Pop-Komplexes zusammengetragen und vor allem mit einiger Emphase zum Programm oder zum positiven Grundzug der Zeit erklärt werden. Das ist nicht zuletzt deshalb überraschend, weil die technisch und privatwirtschaftlich vorangetriebene Herstellung und Distribution von Gütern, die vom Standpunkt der alten Moral und bürgerlicher, aber auch staatlicher Bildungsideale her gefährlich erscheinen, die gesellschaftliche Lage tatsächlich in starkem Maße prägt. So bleibt es wiederum einem Intellektuellen aus Reihen der früheren Independent Group, John McHale, vorbehalten, solch eine positive Bestands-

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aufnahme vorzulegen. Wie üblich bei den englischen Pop-Theoretikern geschieht das in knapper Form und in einem eher abgelegenen Organ; eine größere, umfassendere Wirkung bleibt darum aus. Zudem fehlen bei McHale Ausführungen zum kapitalistischen Anteil an der heraufziehenden Lage der neuen Weltgesellschaft, als deren Verkünder er 1967 gleich zu Beginn seines Essays zum Plastic Parthenon auftritt. Alle weiteren wichtigen Punkte kommen aber in seiner Zeitdiagnose, die zugleich die Apologie dieser Gegenwart bildet, zueinander: 1. hebt McHale als Motor des schnellen kulturellen und sozialen Wandels, der dank der nun umfassend ausgebauten Verkehrs- und Kommunikationsnetze den ganzen Planeten umspannt, die neuen industriellen und medialen Technologien hervor, als deren Qualitäten er Geschwindigkeit, Mobilität, Massenherstellung und -konsumtion sowie schnelle Veränderung und hohe Innovationsrate benennt. 2. stellt McHale heraus, dass die weite Verbreitung, die enorme Verfügbarkeit nicht nur beliebige Unterhaltungsangebote auszeichnet, sondern verstärkt auch zum medialen Alltag künstlerisch esoterischer Werke gehört (»Now, in the arts, an avant-garde may only be avant until the next TV news broadcast or issue of ›Time/Life/Expresso‹. Not only pop but op, camp and super-camp styles and ›sub-styles‹ have an increasingly immediate circulation, acceptance and ›usage‹ whose feedback directly influences their evolution«). 3. bejaht McHale den damit seiner Meinung nach verbundenen schnellen modischen Verschleiß aller möglichen Gegenstände, weil er einen festen Kanon und die Privilegierung des Einzigartigen als Symptom einer Mangelwirtschaft und einer undemokratischen, starren Gesellschaftsordnung ansieht. 4. geht der stark beschleunigte stilistische Wechsel für McHale auf positive Weise mit einer erhöhten Wahlfreiheit auf Seiten des Konsumenten zusammen. McHale macht sich selber zum Fürsprecher des Wandels, weil er sich herkömmlichen, strikt eingezogenen Wertunterschieden im kulturellen Bereich verweigert und stattdessen für eine pluralistische Haltung plädiert (»there is no inherent value contradiction implied in enjoying Bach and the Beatles. The situation is characteristically ›both/and‹ rather than ›either/or‹«). 5. zeigt sich McHale überzeugt davon, dass die Massenkultur nicht nur die Vorherrschaft einer kleinen, den kulturellen Kanon bestimmenden Schicht bricht, sondern durch diesen Bruch auch keineswegs bloß eine neue, noch viel stärkere Uniformität bewirkt: »Where previously creation and production were narrowly geared to relatively small elites, they are now directed to the plurality of goals and preferences of a whole society.« Durch Massenproduktion und Massenmedien würden die Güter und Botschaften jetzt im Unterschied zur vorindustriellen Gesellschaft die Grenzen der Stände und Regionen überspringen; die Möglichkeit, dass ein Produkt in potenziell unendlicher Zahl hergestellt und eine Botschaft in allen Haushalten empfangen werden könne, laufe aber nicht auf ein Ende der Vielfalt hinaus. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall, weil die Massenproduktion sich nicht auf die Herstellung weniger Güter und die Massenmedien auf die Verbreitung einer Botschaft beschränkten. McHales zentrales Urteil lautet deshalb: »Common charges of ›standardized taste‹ and ›uniformity‹ confuse the mass provision of items with their individual and selective consumption. The latter remains more than ever, and more widely, within the province of personal choice – less dictated than ever formerly by tradition, authority and scarcity« (1969: 47ff.). Der Pop-Kommerz entpuppt sich darum als KonsumFreiheit.

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In den USA schließt sich Alvin Toffler McHales Einschätzung vollkommen an (s. auch Toffler/McHale 1973). Da Tofflers Buch Future Shock, in dem neben dem Aufsatz McHales noch auf weitere zentrale Ansichten von Pop-Intellektuellen wie Cedric Price, Reyner Banham und Tom Wolfe ausgiebig zurückgegriffen wird, international auf eine beachtliche Leserschaft trifft, liegt die Annahme nahe, dass zu Beginn des neuen Jahrzehnts, 1970, doch noch mit leichter Verspätung eine gebündelte Affirmation der PopIdeen und -Grundzüge der 60er Jahre erfolgreich (allerdings abseits der universitären Welt) auf den Markt gekommen ist. In der Tat bietet Toffler ein breites Spektrum der Pop-Affirmation. Wie McHale widerspricht er den Kritikern der Massenkultur und hält ihnen die Wahlmöglichkeiten der Gegenwart vor, die aus dem technologischen Fortschritt und der Überwindung konservativer Bindungen entstünden. Einen einheitlichen Massenmarkt gebe es längst nicht mehr, er bestehe inzwischen aus einer ganzen Reihe von Segmenten, von sub-markets, die unterschiedlichste Lebensstile bedienten (1970: 156, 56, 63, 266, 235ff.). Auch am Arbeitsplatz sieht Toffler den Wandel am Werk; strikte Hierarchien, autoritäre Anweisungen von oben nach unten machten nun zunehmend der Gruppenarbeit und dem Austausch Platz, wenn auch eine Teilhabe der Arbeiter am Entscheidungsprozess weiterhin ausgeschlossen sei (ebd.: 120ff.). Ein größeres Tempo und eine umfassendere Wirkung weist deshalb für Toffler die Veränderung in der Konsum- und Freizeitsphäre auf. In ihr würden nicht mehr nur durch die Werbung Waren symbolisch überhöht; mittlerweile ermögliche man den Verbrauchern die Teilhabe an eigens dafür geschaffenen Erlebnisräumen, an künstlerischen Environments, Ferienclubs, Spiel-Städten und Simulationen historischer oder exotischer Welten. »As rising affluence and transience ruthlessly undercut the old urge to possess, consumers begin to collect experiences as consciously and passionately as they once collected things«, zieht Toffler das Fazit der neuen, experimentellen Simulations- und Freizeitindustrien, deren Möglichkeiten er durch den Fortschritt in den Bereichen der Computer- und Ingenieurwissenschaften noch einmal immens anwachsen sieht (ebd.: 200ff.). Richtig liegt er ebenfalls mit seiner Vorhersage, dass die Bereitstellung von Erlebnisräumen und die Vorprogrammierung von Erfahrungen nicht auf die Welt um den Menschen herum beschränkt bleiben wird; der Eingriff in das Erbgut und die künstliche Veränderung des Körpers bis hin zum Cyborg-Wesen liegen nach Toffler in der Logik der im wahrsten Sinne des Wortes tiefgreifenden kulturellen Überformung der Natur (ebd.: 180ff.). Nicht erst bei diesem letzten Schritt jedoch meldet Toffler schwerwiegende Bedenken an. Nicht nur die drohende Zukunft medizinisch entgrenzter Kunst-Welten, sondern bereits die Gegenwart entfesselter Wahlmöglichkeiten birgt für ihn große Gefahren. Wenn er auch gegen die zahlreichen intellektuellen Kritiker der Massenkultur die Vielfalt der unterschiedlichen Lifestyle-Optionen ins Feld führt, ist er doch nicht Pop-Avantgardist oder Konsum-Anhänger genug, um die künstlich gesteigerten Auswahlmöglichkeiten rückhaltlos anzupreisen; vielmehr meint er, in den gestiegenen Chancen, den eigenen Lebensstil unabhängiger von materiellen Pressionen und den Einschränkungen der Tradition bestimmen zu können, eine Überforderung des Einzelnen und Bedrohung des sozialen Zusammenhalts erkennen zu müssen. Selbst bei Toffler trifft man darum nicht auf ein prinzipiell uneingeschränktes Lob der technologisch und liberal entfesselten Pop-Welten, wenn

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es auch in einigen Kapiteln so aussehen mag. Diese reichen aber bereits aus, um einen deutlichen Abstand zu den sonstigen Beschreibungen der Gegenwart am Ende der 60er Jahre zu markieren, in denen sogar aus den Führungsschichten der Gesellschaft kein Bekenntnis zu dem, was sie zum Teil mit ins Werk gesetzt haben, zu erfahren ist. Zu erklären ist die ideologische Zurückhaltung zum einen aus dem Selbstverständnis der führenden politischen, exekutiven, professoralen Schichten, deren Vertreter sich zwar am Ende der 60er Jahre in Reden und Gesetzen für Marktwirtschaft und Demokratie aussprechen, deren noch einigermaßen bildungsbürgerliche Haltung sie aber daran hindert, auch die bedeutenden Ergebnisse und Antriebe dieser kapitalistisch-liberalen Gesellschaftsordnung – der Vorrang der technologischen Forschung und die Popkultur – in annähernd gleichem Maße zu schätzen. Zum anderen findet die Tatsache, dass die Wirklichkeit der westlichen Welt keinen umfassenden weltanschaulichen, ideologischen Ausdruck erfährt, ihren Grund in den antiautoritären, gesellschaftskritischen Ansichten des jüngeren, nachwachsenden Teils der herrschenden Schichten (zumindest in den Bereichen des Journalismus, der Geistes- und Sozialwissenschaften, der Lehrerschaft und in einigen Parteiorganisationen). Wegen ihres stark politisch motivierten Generationenkonflikts mit den überwiegend bildungsbürgerlich geprägten Autoritäten liegt für sie eine Hinwendung zu traditionell entwerteten Formen der Popkultur zwar nahe, aber nur solange sich damit eine gegenkulturelle, revoltierende Stoßrichtung verbinden lässt. Geht es um Fragen des Konsums, der Passivität, der unterhaltenden und zerstreuenden Reize, kann ihre Kritik an den kommerziellen, kapitalistischen, für ein ›falsches Bewusstsein‹ sorgenden Vergnügungsangeboten mindestens genauso stark ausfallen wie die ihrer konservativen Gegner. Auch innerhalb der jungen linken Pop-Anhänger gibt es allerdings zumindest einige Vertreter, die einen moderaten, differenzierenderen Ton anschlagen; ihnen erscheinen z.B. die englischen Mods als Konsumenten in einem zumindest teilweise positiven Licht, als Konsumenten nämlich, »for whom the object of consumption was to produce active changes in themselves« – »and what the objects did, the clothes, scooters, pills and music, was to act as a catalyst for a kid’s emergence as a Mod«. Im Unterschied zu Beobachtern wie Tom Wolfe, die darin eine Möglichkeit innerhalb des nun gegebenen liberal-kapitalistischen Rahmens sehen, machen sie in der (vorgeblich) eigenständigen, umfassend betriebenen Freizeitgestaltung der Mods sogar eine latent abweichende Haltung aus: »In this attempt, however distorted and confuse, to live in leisure time whose official function is to provide distraction and relaxation between two working weeks, lay the essence of the Mods’ subversive potential« (Laing 1969: 151). In Reihen der Neuen Linken können solche Argumente aber natürlich schon deshalb kaum überzeugen, weil aus ihnen keine Alternative zum kapitalistischen System hervorgeht. Die Strategie, Subversion durch emphatische Affirmation zu betreiben (Brock 1977d), bleibt für sie deshalb erst recht eine allenfalls originelle, aber wirklichkeitsferne Pop-Pointe. Der Vorschlag, die Protestformen nach dem Vorbild amerikanischen Pop-Designs zu gestalten (Banham 1969a: 718), lässt sich mit ihrer ernsthaften bzw. militanten Einstellung ebenfalls nicht vereinbaren. Anders sieht es teilweise bei den Verfechtern des Undergrounds, der Gegenkultur aus; sie können zwar entsprechenden spielerischen Formen und Entwendungen viel abgewinnen, zur Überzeu-

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gung der affirmativen Pop-Fraktion, dass dem gegenwärtigen, ausgeweiteten Konsum ein großes Freiheitspotenzial innewohne, können sie sich aber im Regelfall nur durchringen, wenn es darum geht, bildungsbürgerliche oder traditionell linke Vertreter zu schockieren. Grundsätzlich sieht man auch hier in der kommerziell ausgerichteten Produktion von Gütern für einen passiven Verbrauch überwiegend die Gefahr, dass selbst einstmals abweichende Formen und Inhalte ihrer Kraft beraubt werden, indem sie verwässert, standardisiert und dadurch zum folgenlosen Konsumgut degradiert werden. Es gibt allerdings zwei wichtige, wenn auch in Reihen der Gegenkultur nicht häufig angeführte Argumente, die in dem Zirkel von Kommerzialisierung und Konsumsteigerung positive Möglichkeiten entdecken. Das erste sieht in der totalen Subsumtion der Ausgestaltung des Produkts unter das Ziel, mit seinem Verkauf Profit zu erzielen, eine Chance, dass auch systemfeindliche Güter vertrieben werden: »Solange sich mit der Revolution Geld machen läßt, wird damit Geld gemacht werden« (Salzinger 1982c: 38). Das zweite Argument zielt auf die hedonistischen, womöglich ebenfalls fortschrittlichen Potenzen des kommerziell entgrenzten Konsums. Müssten nicht »Kategorien wie Entfremdung, affirmativer Schein und Repression« grundsätzlich überdacht werden, lautet dann die Frage, wenn eine »neue, weniger unterdrückte Sinnlichkeit« dem »ausgestellten Luxus« nicht »als einer den Mangel verdeckenden Täuschung« verfiele, sondern an ihm »den Wunsch nach einer von Mangel und Triebverzicht befreiten Welt« schärfte? (Wellershoff 1969: 9) – eine Frage, die in Reihen der Gegenkultur mitunter bejaht wird. In dem Fall scheint die Konsumsphäre bereits den Beweis zu liefern, dass die ungleiche Verteilung des Eigentums und eine lustfeindliche Arbeitsethik keinen funktionalen Zweck mehr erfüllen. »You are no longer tied to the study-work-consume cycle«, hält der Herausgeber des Bandes Counter Culture seinen Lesern entgegen; dank der Produktivitätsfortschritte einer weitgehend automatisierten Arbeitswelt könne man sich von den Zwängen der Unterordnung und materieller Abhängigkeit befreien: »The fact of the consumption society and the extent of America’s wealth provide the basis for creating a counter environment« (Berke 1969b: 21). Vorausgesetzt, die Überlegung träfe nicht allein in einem vagen, äußerst grundsätzlichen Sinne zu, wäre der Pop-Konsum wirklich ein Motor oder immerhin ein Vorzeichen (Enzensberger 1970: 172) des Umbruchs; wenigstens würde eine radikale Berufung auf die Erfüllung der manipulativ erzeugten Begierden und Konsumwünsche den »wohlfahrtsstaatlich organisierten Kapitalismus in gewisse Schwierigkeiten« bringen (Böckelmann 2000: 271). Falls eine hedonistische Haltung, die sich im Kauf und der Aneignung vorproduzierter Gegenstände, Ereignisse und Stimmungen beweist, aber tatsächlich vorwiegend auf die Zeit abseits der Arbeit beschränkt bliebe und als Wachstumsfaktor die kapitalistischen Verhältnisse zementierte, ginge kein Weg an der linken und radikal gegenkulturellen Kritik des Kommerz-Pop oder an der liberalen Affirmation der Konsum-Freiheit vorbei.

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Große Manipulation Innerhalb der Pop-Debatte gibt es eine Strömung, für die Manipulation und tiefgreifende Umgestaltung der Verhältnisse keinen Widerspruch darstellt. Manipulation bezieht sich bei dieser Pop-Fraktion nicht auf die mögliche Konditionierung des Konsumenten, Waren ungeachtet ihres Gebrauchswerts zu erwerben, sondern auf den Plan, alle Lebensbereiche durchzugestalten. Manipulation steht dann für die Möglichkeit, auf alle Faktoren, die das tägliche Leben bestimmen, technisch entscheidenden Einfluss nehmen zu können: life conditioning (Cedric Price). Die umfassende Beschallung durch lautstark elektrifizierte Rockmusik, Lightshows, mediale Environments, das Zusammenspiel von Droge und setting weisen in diese Richtung. Vollkommene Pop-Gestalt nimmt das Vorhaben durch architektonische Projekte wie Price’ Fun palace an (vgl. Jencks 1969: 64ff.). Der geplante Vergnügungspalast soll keine einmal fest bestimmte, steinerne Gestalt besitzen, sondern Raum für wechselnde Situationen und Szenarien bieten, die allerdings durch den technologisch-architektonischen Rahmen garantiert werden: »a very deep framework which could manipulate all the required changes from above« (Price 1984: 54). Die Abwechslung, die Reaktion auf Langeweile und Abnutzung beim Publikum, auf das Verlangen nach neuen, interessanten Situationen ist dadurch bereits Teil der Konzeption; planned obsolescence und inbuilt flexibility lauten die zwei entsprechenden Schlagworte von Price (1984a). In einer ausgesprochenen Pop-Variante, die sich an den Formen der modernen Werbung, der Pop-art, der colour supplements etc. orientiert – »we are delighted to get our kicks and ideas from all kinds of material outside the normal range of architecture; from comic strips to fashion magazines, neon signs to movies, and collect them under one notional umbrella we call, for the sake of convenience, environment« (Chalk 1994b: 288) –, wird die umfassende Manipulation sogar für unterschiedlichste Umgebungskonstruktionen erdacht. Einerseits weiten sie sich enorm aus, erstrecken sich auf die ganze Stadt: »Living City takes the form of a complete structure, an organism designed to condition the spectator by cutting him off from the everyday situation, where things are seen in predictable and accepted relationships. This city stimulator is a conditioning chamber, like the corner of some giant brain or analogic computer« (Archigram 1972: 20). Andererseits entwirft man auch mit Hilfe von Retreat Pod (Martyn und Roger Dean), Mind Expander (HausRucker-Co) etc. Environments um einzelne Menschen oder einzelne Sinne (Ohr, Auge) herum (Whiteley 1987: 192). Ein Pop-Traum sieht dann etwa so aus: »I had a holographic scene setter – a light space – switch on/walk around/3D/walk thro’/Hollywood Boulevard in my TV room/Death Valley on my patio/Tahiti in my pad/Laurel and Hardy in the morning/ The ›Who‹ at night ... change film – new environment/switch on/off/there – not there ... what’s real/it’s observable/it’s real when it’s there« (Herron 1972: 130). Trotz des Ansatzes, das Leben von einer vollends technologisch, multimedial geprägten Umgebung bestimmen zu lassen, sehen Pop-Avantgardisten wie die Mitglieder der Archigram-Gruppe darin das Gegenteil einer totalitären Kontrolle. Die Große Manipulation geht für sie vielmehr mit einem libertären Projekt zusammen. 1. erklären sie die umfassende Konstruktion zu einer computerisierten Dienstleistung, deren Sensorium auf das Wohlergehen des Individuums adaptiert ist. 2. setzen sie bei den vorausgesetzten Bedürf-

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nissen ebenfalls an, um den Einzelnen die Konditionierung selbst in die Hand zu geben: »We begin to play with the notion that the environment could be conditioned not only by the set piece assembly but by infinite variables determined by your wish«. Wie weit ihr Projekt durch die Pop-Ausrichtung von vorherigen libertären Anschauungen entfernt ist, beweist jedoch ihre Definition bzw. Merkmalsliste zum Stichwort »Emanzipation« überdeutlich. Zur Emanzipation zählen sie »Goodies: more obvious fruits of high living standard plus obvious mass-production«, »The power to choose«, »Pastiche styling as fun«, »The individual’s effect upon his environment«, um schließlich solche Individualität mit einem Effekt gleichzuschließen – »Personality. Oddballs. Simulated individualism« –, der als positiver Zustand einfach maschinell ein- und ausgeschaltet werden kann: »Switch-on fun. In-the-brain fun« (Cook/Crompton/Herron 1969).

Kunst-Welt Solange man die Natur nicht vollständig in Regie nehmen kann, geht das Verlangen nach einer umfassenden Manipulation zwangsläufig mit Bestrebungen einher, einen vollkommen künstlichen, von der Außenwelt abgedichteten Bereich zu erschaffen. Als Vorbild dient die Raumfahrtkapsel: »the first completely designed human environment« (Chalk 1994c: 176). Das dekadente Ziel, sich in einen ganz und gar exklusiven, eigenen Raum zurückzuziehen, wird dadurch futuristisch verlängert. Die moderne Technologie, die das Ziel in greifbare Nähe rücken lässt, sorgt ohnehin schon für eine ständige Beseitigung der natürlichen Umwelt. Zur Pop-Haltung gehört es bindend, sich der Faszination der technologisch neuen, künstlichen Errungenschaften hinzugeben. »We’ve been presented with conveyor-belt production, cybernetics, depth psychology, mass communication, instant-packs, supermarkets, glam admanship, man-made fibres, neon, nylon, perspex, plastic, expanding economics and dynamic obsolescence«, zählt eine Gruppe junger englischer Designer Anfang der 60er Jahre begeistert auf: »It’s all there – miraculous materials, magic machines, communication techniques and more leisure« (Fine-Artz 1964: 39). An die Künstler und Designer geht entsprechend die emphatische Aufforderung, sich hier zu betätigen. »How can the visual artist serve in this social clime«, heißt die Frage, deren Akzent ausdrücklich auf dem »Dienen« liegt. Die Antwort lautet: »He can avail himself of all these fabulous facilities and use his creative intelligence and imagination to produce inventive and desirable objects, environments and atmospheres.« Wenn sich der Künstler von der Staffelei ab- und der industriell gesteuerten Arbeit mit den neuen künstlichen Materialien und Möglichkeiten zuwende, könne er seinen Beitrag zum gegenwärtigen großen Zeitalter leisten – »supply a visual panorama in this new Golden Age in which culture can fulfil its real function and enhance and stimulate the non-functional leisure-time of society« (ebd.). Ohne annähernd vergleichbar klare sozial-konstruktivistische Zwecksetzung, zählt es auch innerhalb der Pop-art-Bewegung seit ihren Anfängen zum Standard, mit affirmativem Ton auf das Verschwinden der Natur und das Hervortreten einer zweiten Natur, eines man-made environment, sowie auf die massenmedial vermittelten Erfahrungen aus zweiter Hand hinzuweisen

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(Alvermann/Gaul 1965; Alloway 1962: 1086; Geldzahler 1997; Hamilton 1982g: 251). In der Hinsicht gibt es eine eindeutige Kontinuität von dekadenter Stilisierung und Pop-art. Aber selbst wenn die Pop-art sich auch keineswegs in den Dienst des sozialen Designs stellt, zeigt ihre Nähe zu den massenhaft zugänglichen Erzeugnissen der technischen Entwicklung freilich auf den ersten Blick einen massiven Verstoß gegen dekadente Gebote an. Schließlich liegt der Akzent der Dekadenten auf der Anti-Natur, um sich von der Vulgarität und Gewöhnlichkeit, die sie nach ihrer Auffassung umgibt, nachhaltig zu lösen; die dekadente Künstlichkeit muss darum einen besonderen Zug annehmen. Auf den zweiten Blick trägt die Pop-art dem allerdings Rechnung, indem sie durch Isolierung, entschieden unnatürliche Farbgebung und Perspektivenverschiebung die bereits wieder gewohnten, zur zweiten Natur gewordenen Gegenstände der Medien und Massenfabrikation in ein künstliches Licht setzt. Noch stärker führt der Schritt in Richtung Dekadenz, wenn Anhänger der Pop-art und auch des Pop-Undergrounds die Kunst aus dem Rahmen lösen (Gablik 1969: 13ff.) und sie von verschiedenen Seiten durch Soundboxen, Film- und Diaprojektoren, kinetische Objekte, Flüssigkeiten, haptische Materialien, Scheinwerfer, Stroboskope auf Körper, Nerven, Sinne wirken lassen (Hübinger 1968b). Environments sollen nicht auf Galerien beschränkt bleiben, sondern alltägliche Orte bilden. »For primitive man, happenings occurred. Today we program happenings« (Ong 1971: 285), das kann als Leitsatz über all den Bemühungen stehen, Räume und Umgebungen bewusst auf mögliche Reaktionen hin zu planen, um so wenig wie möglich natürlichen Einflüssen zu überlassen (Claus 1970). Der Leitsatz leuchtet schnell nicht allein Künstlern und Lebenskünstlern ein, sondern, wie gesehen, auch Marketing-Leuten, die aus dem Einkauf ein »Freizeiterlebnis« machen wollen. »Ihre Devise: etwas fürs Auge, Ohr, den Geruchssinn und den Gaumen«, heißt es mit kritischem Unterton bei Kommentatoren, die in solchen Arrangements nur »ablenkende Illusionen« sehen (Matthaei 1972: 898). Gesteigert erscheinen die Kunstwelten der Pop-Dekadenz dann, wenn es sich bei ihnen zum einen um Orte außerhalb von deklarierten und separierten Zentren der Freizeitunterhaltung handelt und zum anderen nicht nur das menschliche Environment, sondern der Mensch selbst von seinen natürlichen Anteilen befreit wird; von den stilisierten Gesten und Kleidungsformen der Camp- und Pop-Mode bis hin zur Verwirrung der vorgeblich naturgegebenen Geschlechterordnung mittels operativer Eingriffe (Tyler 1969: 254) reicht das Spektrum der ins Auge gefassten Möglichkeiten. Von den Autoren dieser weitreichenden Pläne werden die künstlichen Entwürfe nicht immer unter dem »Pop«-Titel angeführt, von Rezensenten, Herausgebern, Kritikern aber regelmäßig in den Zusammenhang gestellt.

Medien-Botschaft Von Verteidigern und Kritikern der künstlich durchstilisierten Welten wird gleichermaßen die Rolle der enormen technischen Entwicklung im 20. Jahrhundert hervorgehoben, die auch der gewöhnlichen Bevölkerung die Chance bietet bzw. den Zwang auferlegt, der Natur und der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht zu entgehen. Besonders die modernen Medien verrin-

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gern die Zeit, die man gemeinsam mit anderen Menschen und natürlichen Gegenständen verbringt, beachtlich. Betrachtungen über die Popkultur gehen darum nicht selten mit Hinweisen auf technologisch-mediale Veränderungen einher. »The popular arts of our industrial civilization are geared to technical changes which occur, not gradually, but violently and experimentally«, heißt es gleich zu Beginn der intellektuellen Pop-Debatte in Reihen der Independent Group; ein grundlegender Zug der Popkultur, der modische Verschleiß und rasche Wandel, wird davon abgeleitet (Alloway 1958: 84). Positiv oder negativ gemeinte Hinweise auf den bestimmenden Einfluss, den die technische Form auf die Pop-Gegenstände ausübt, gehören seitdem zum festen Repertoire. Die Intensität, die Stärke der elektrischen Klänge z.B. bleibt niemandem verborgen, relativ viele Hinweise gibt es auch auf die zunehmende Bedeutung des Aufnahmestudios für die Gestalt der Pop- und Rockmusik (Laing 1969: 110ff.). Bloß Gemeingut einer Theorie-Avantgarde bleiben hingegen Spekulationen, die in der Anwendung von modernen Reproduktionstechniken auf das überkommene Tafelbild eine enorme Veränderung der Kunst in Richtung ihrer Demokratisierung erkennen, wie Rainer Crone in Nachfolge Walter Benjamins mit Blick auf Andy Warhol ausführt. Folgt man der Argumentation, wird aus Warhol (ohne dessen Absicht oder Wissen) endgültig ein Pop-Kommunist, als er sich der filmischen Aufzeichnung von kaum gestellten Alltagsszenen und einer Buchproduktion zuwendet, die nichts weiter als die Abschrift von Tonbandmitschnitten ist; der Gegensatz von Produzent und Konsument werde dank der technisch bewirkten Auflösung eines Schöpfer-Ichs aufgehoben, die kapitalistische Arbeitsteilung käme dadurch an ihr Ende (Crone 1972: 34, 85). Selbst ein (ebenso wie Warhol) sozialistischer Sympathien gänzlich unverdächtiger Theoretiker wie Marshall McLuhan behauptet mit Begeisterung, dass neue Technologien wie die Xerografie es jedem ermöglichten, sowohl zum Autor als auch zum Produzenten zu werden; durch die Kopiermethode wachse gleichzeitig das Bewusstsein für die Intertextualität der Literatur und nehme der Rang authentischen, individuellen Ausdrucks rapide ab: »As new technologies come into play, people are less and less convinced of the importance of self-expression. Teamwork succeeds private effort« (McLuhan/Fiore 1996: 123). Viel zentraler und von wesentlich größerem Einfluss auf die PopKonzeptionen in der zweiten Hälfte der 60er Jahre ist aber bekanntermaßen McLuhans These, nach der elektrische Medien ganz unabhängig von den Inhalten, die sie übermitteln, das Leben der Menschen auf eine Weise steuerten, die nur noch wenig mit dem überaus rationalistischen, unsinnlichen, individuell-atomisierten und nationalistisch-massenhaften Gepräge des GutenbergZeitalters zu tun habe. Gerade das Medium Fernsehen fordere wegen seines nur andeutenden, mosaikartigen Bildes ein hohes Maß an Mitwirkung auf Seiten des Zuschauers. Allgemein glaubt McLuhan, dass mit den neuen Medien ebenso wie mit der popular art (in der deutschen Übersetzung steht bezeichnenderweise »Pop Art«) eine Überwindung der »spezialisierten Routiniertheit« und Standardisierung im Gange sei (1995: 256, 350), und feiert die neue Zeit in Gestalt der jugendlichen Pop-Anhänger als eine Zeit allseitiger Beteiligung und synästhetischer, lebendiger Aktivität. Darum versteht man leicht, weshalb McLuhan oft als Pop-Philosoph angesprochen wird, obwohl er in seinem Hauptwerk aus dem Jahr 1964 als po-

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sitive Beispiele einer »involvierenden« Form nur Cool Jazz und Twist anführt (ebd.: 52) und selbst drei Jahre später in einem eher diffusen Zusammenhang bloß die Beatles kurz nennt (McLuhan/Fiore 1996: 114). Für die Anhänger der Popmusik sind aber andere Dinge viel wichtiger, die in McLuhans Werk eine bedeutende Rolle spielen, Thesen und Begriffe wie die vom gegenwärtigen elektrischen total involvement, simultaneous happening, der ganzheitlichen Sinnlichkeit und der Überwindung von Distanz, Vereinzelung, Standardisierung und Passivität. Sie sind wie maßgeschneidert für den politisch und gegenkulturell intensivierten Aufschwung der jugendlichen Popkultur Mitte/Ende der 60er Jahre. Gelöst vom eigentümlichen Musterbeispiel McLuhans, dem Medium Fernsehen, und übertragen auf avancierte Formen der Popmusik, der Hippie-Gemeinschaften und der experimentellen Kunst bekommt Pop dadurch eine hochmoderne und sogar progressive Gestalt. In letzterem Fall jedoch erscheint den Anhängern des entgrenzten involvement »Pop« häufig schon wieder ein viel zu überholtes, diskreditiertes Wort zu sein, so dass gerade im Feld der Musik und der gegenkulturellen Lebensformen McLuhans Ideen oft unter den neuen Begriffen und Zeichen von Rock und Underground Eingang finden. Auf einer einfacher überschaubaren Ebene kann ebenfalls an McLuhan angeknüpft werden. Auffällige Protestformen, die dank der elektrischen Kommunikationsmedien leicht die regionalen und auch nationalen Grenzen überspringen können, rücken dann in den Mittelpunkt gegenkultureller Aktivität: »The weapons are love and creativity – wild new clothes, fashions, strange new music sounds. The new movement is numerically weaker than CND [die britische Friedensbewegung gegen nukleare Bewaffnung] at its strongest, but its members seem to have an instinctive understanding of McLuhan-style media theory: they know how to use the media to strongest advantage« (Nuttall 1968: 216). Die Gründung zahlreicher UndergroundZeitschriften und -Presseagenturen kann darum als Bemühung angesehen werden, den Prozess noch zu beschleunigen (ebd.). McLuhans Argumentation näher steht freilich die These, die alternativen Medien würden eine Art von elektrischer Gemeinschaft schaffen: »Efficient networking of material throughout the world has been the single truly effective way we have created a sense of community and escalated confrontations« (Lawson 1969: 348). Noch stärker an McLuhan heran führen Anstrengungen, die Botschaft des Mediums Buch oder der Zeitung an sich zu überwinden, indem man die lineare Ordnung des gedruckten Satzes im Layout verwirft: »Papers endeavoured to become visual trips, meant not to be read, so much, as experienced. The reader was intended to respond to the printed sheet in the diffused environmental way to which he had already been accustomed by electronic media« (ebd.: 350). Auch das darf aber für richtige Anhänger McLuhans selbstverständlich nicht das letzte Wort sein, schließlich sind nach dessen Auffassung die neuen Medien bereits der Garant einer nicht mehr homogenisierten, zentralisierten, rationalisierten, eindimensionalen Gesellschaft. Deshalb kommt der Underground nur dann McLuhan äußerst nahe, wenn die Losung heißt: »The future is electronic. Only the plug in, switch on, pull out, move on facilities of an electronic network offer the cultural guerilla the necessary preconditions, decentralization, unpredictability, multi-foci and heterogenity of successful activity. We must adopt and adapt electronic means of communication to our own uses« (ebd.: 351).

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Eine verbleibende Reserve gegenüber McLuhan ist allerdings dem letzten Satz abzulesen, der eine Aneigung der elektronischen Kommunikationsmittel durch die cultural guerilla fordert. In einem anderen Absatz wird sogar dazu aufgerufen, revolutionäre Medien zu entwickeln, um revolutionäre Botschaften zu übermitteln: »Until we develop revolutionary media to convey our revolutionary message it is unlikely a Cultural revolution will occur« (ebd.). McLuhans Vertrauen in die durchdringenden Konsequenzen der neuen Medien (ungeachtet ihrer Inhalte) weicht demnach einer vermittelteren Hoffnung in die Möglichkeiten – demokratische Teilhabe, Aufhebung des prinzipiellen Gegensatzes von Sender und Empfänger bzw. von Produzent und Konsument –, die von der »Struktur der Medien« bedingt seien, aber erst gegen kapitalistische Beschränkungen eingelöst werden müssten (Enzensberger 1970). Die Bedeutung der elektronischen »Struktur« wird damit jedoch ebenfalls in der systemkritischen Variante anerkannt. Wegen der oft kritisierten, manchmal aber auch bejahten Sinnferne mancher Pop-Phänomene (etwa im Sinne der angesprochenen bunten visual trips) könnte Pop darum (positiv oder negativ) durchaus mit einer Abwandlung von McLuhans Prinzip identifiziert werden; Pop stünde in dem Fall für eine umfassende Wirkung, die von keiner erkennbaren inhaltlichen Botschaft ausginge.

Reiz-Angriff Mit dem Begriff des »Reizes« steht seit der Zeit des bürgerlichen Idealismus ein Ausdruck bereit, um innerhalb ästhetischer Debatten eine Verfehlung anzuzeigen. Was zu reizvoll ist, kann nicht schön sein, weil es den Betrachter in irgendeiner Weise erregt oder umtreibt und dadurch ein interesseloses Wohlgefallen unmöglich macht. In vielen Proklamationen der Avantgarde des 20. Jahrhunderts wird das Prinzip jedoch umgedreht; als lebenskünstlerisch wertvoll gilt den Futuristen, Dadaisten, Situationisten etc. genau das, was schockiert, aufstachelt, verwirrt. Avantgarde und Pop können darum immer dann momentan übereinstimmen, wenn Pop mit einem starken Reiz gleichgesetzt wird. Dies ist oft der Fall; erinnert sei etwa an Nik Cohns Reihe »fast, flash, sexual, loud, vulgar, monstrous or violent« als Merkmalsliste des Pop, die in der Tradition des Rock ’n’ Roll steht (1996: 144). Äußerst wichtig sind aber auch modernere Bezüge, die der Galerienkunst (Happening) oder der psychedelischen Boheme entstammen. Environments werden im Sinne von Pop und Avantgarde – im Zusammenhang von Kunst-Welt und Großer Manipulation – gerne als vollkommene Reiz-Umgebung konzipiert. Zu Beginn steht die Faszination großstädtischer Signale und Designs; Autoren aus Reihen der Independent Group verzeichnen Ende der 50er Jahre die Faszination des allgegenwärtigen Neonlichts (des neon spectacle) und anderer Aspekte des popular environment; zu weiteren amerikanischen Attraktionen zählen: »The drug stores, with dense displays of small bright packages, arrayed in systems to throw the categorist. The LP environment at airports, restaurants, bars, and hotel lounges, of light and long-lived pop music that extends radio and TV sound outside the house into a larger environment« (Alloway 1959: 34). Ohne jedes Bedauern hält man fest, dass auf der Ebene der Konsumgegenstände nun die Verpackung wichtiger als der Inhalt sei; das Produkt müsse gloss und

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glamour besitzen, um ein Besitzverlangen auszulösen (Hamilton 1982f: 152) – einen Glamour, dessen Reiz sich die Künstler und Pop-Intellektuellen der Independent Group ebenfalls hingeben. All das besitzt noch einen coolen Grundzug, der Reiz ist stark, aber nicht aggressiv, seine Aufnahme von der sich selbst erfüllenden Befürchtung dekadenter Überreizung ebenso entfernt wie von überwältigender Ekstase. Mit den Multi-Media-Spektakeln der zweiten Hälfte der 60er Jahre steigern sich dann Intensität und Durchschlagskraft erheblich; Pop-art weicht dem Bombardement der Sinne; durch Drogen können (und sollen) »optische und akustische Reize« sich zu einem »sensuellen Schock« steigern lassen (Nettelbeck 1967: 574); für Pop-Avantgardisten ist das Wort super-stimulus entsprechend ein positiver Begriff (Chalk 1994d: 322). Im gemäßigteren Falle wird eine »Sensibilität« gefordert, die sich an alltäglichem »Reiz-Material« entzündet bzw. auf »Reiz-Muster« des Konsums einlässt (Brinkmann 1969b: 16; 1969a: 67), im radikalen, futuristischen Fall richtet sich das Begehren auf ganz direkte Stimulationen und Nerven-Impulse – »a groove gizmo that connects to every nerve end to give you the wildest buzz« (Herron/Chalk/Greene 1972). Damit wiederholen die Pop-Avantgardisten nur, was die Kulturkritik immer über die verführerischen, konditionierenden Signale der Massenkultur ausgesagt hat. Auf der Wertungsebene dreht sich jedoch durch den technologischen Optimismus und das rückhaltlos bejahte Reiz-Verlangen alles um (Fahlström 1969: 71). Die Kritik am unästhetischen, abhängig machenden Reiz verschwindet dadurch aber nicht; sie kann mit der modernen Entwicklung Schritt halten. Kritisiert wird nun, dass in den Boutiquen und Clubs die »Aura des Andersartigen« den Konsum stimuliere und deshalb die angestrebte »neue Sensibilität« an der Neugier eines Publikums stumpf werde, »das ihre Wirkungen lediglich als Reiz registriert« (Baacke 1970: 537). Die Vermischung der »Kunst mit der industriell produzierten Umwelt zu einem totalen Environment, das seine Insassen dauernd mit neuen Reizen« unterhalte, hindere einen daran, »kritischen Abstand zu gewinnen und sich etwas anderes vorzustellen« (Wellershoff 1971a: 47). Die »starken Suggestionen des Rock und Beat, der Pop-art, des Films und der Intermediaschau« hätten zur Folge, dass »Dabeisein« und »Ansprechbarkeit« jetzt wichtiger seien als »Autonomie« und »Kritikfähigkeit« (Wellershoff 1971b: 132). Die erwartete »Vibration des Nervensystems«, die »Adaption der Sinne an die veränderte ›elektrisch-elektronische‹ Umwelt«, die »Überflutung mit Reizen«, die seit dem Futurismus bis zur heutigen Intermedia-Kunst auf dem Programm stehe, gleiche die Kunst auf negative Weise der Konsumsphäre an. Die technologisch enorm gesteigerten Möglichkeiten, die Effekte zu multiplizieren und ein »Netz von Sensationen« zu schaffen, führten keineswegs in ein Reich der Freiheit, sondern in verstärkte Abhängigkeit: »Die verhängnisvolle Seite der Technologie, die den Menschen bis zur Entstellung funktionalisiert und zur Marionette marktregulierter Bedürfnisse macht, verschwindet in ihr oder kehrt als verdrängtes Motiv in der ekstatischen Selbstbestätigung des Konzepts zurück.« Die Ausrichtung auf den künstlichen, technisch perfektionierten, intensiven Reiz verändere deshalb gar nicht eine fordernde Realität, sondern trage tatsächlich stark zu ihr bei: »Was Technik sein könnte: die geahnte Autonomie und Humanisierung des Lebens, wird nur halluziniert – in einem Zustand der Betäubung, der die Wirklichkeit, die Last der Arbeit und Konflikte, nicht erträgt« (Matthaei 1972).

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Auf ihre Weise trägt die Kulturkritik, die sich um 1970 gegen die Ziele einer Pop-Avantgarde richtet, dadurch ebenfalls zum Rang der Verschmelzung von Pop, Reiz-Ästhetik (bzw., in idealistischer Sicht, Anti-Ästhetik) und avancierter Medien-Technologie bei. Indem sie den Verlust der Autonomie und die Gefahr der Realitätsflucht derart hoch ansetzt, trifft sie sich mit den Absichten jener Vertreter des Pop-Undergrounds, die mit ihrem Stimulations-Programm den Bereich der Freizeit-Unterhaltung verlassen wollen. Pop gewinnt darum mitunter ein bedrohliches, zumindest beunruhigendes Ansehen.

Anti-Narration Gefährlichkeit kann schwerlich das einzige Attribut von Pop sein, dafür hängt der Begriff geschichtlich noch zu sehr an der pop music des weißen Mainstream. Gefälligkeit und Harmonie, bunte Abwechslung und harmloser Spaß gehören zum Erbe von Pop. Konservative Befürchtungen, dass auch solcher fun die Arbeitsmoral und traditionelle Familienwerte nachhaltig untergrabe, reichen linken und gegenkulturellen Vertretern nicht aus, um sie mit der Popkultur zu versöhnen, weil die moderne liberal-kapitalistische Ordnung aus ihrer Sicht die Konsum-, Ablenkungs- und Ausgleichsfunktion von Pop geradezu benötigt. Wenn sie nicht von vornherein Pop als Ausdruck und Stifter täuschender Ideologie, falschen Bewusstseins verwerfen, müssen sie deshalb auf verstörendere Varianten dringen. Auf den intensiven Reiz zu setzen ist die erste solcher Varianten, die im Pop-Rahmen verbleiben. Mit ihr verbunden ist die zweite wichtige Zuspitzung von Pop auf ein tendenziell abweichendes Phänomen, das sich nicht in der Kompensation belastender Arbeit und verlorenen Status-Wettbewerbs erschöpft. Die zweite Zuspitzung besteht in der verstärkten Isolierung des Reizes. Die Isolierung soll verhindern, dass der potenziell durchschlagende Effekt wieder in Ordnungszusammenhänge zurückgeholt wird und dadurch viel von seiner Wirkung verliert. Beispiele für die abschwächende Integration des Reizes prägen z.B. Hollywoodfilme in hohem Maße: Schönheit wird domestiziert, der aggressive oder leichtfertige Aufbruch am Ende bestraft, selbstbewusst ausgespielte weibliche Sexualität führt entweder ins Unglück oder wird zur romantischen Liebesvereinigung bekehrt usf. Wer innerhalb der Popkultur auf verstörendere Effekte setzt, muss darum die Auflösung solcher Schließungen, Sinnzusammenhänge und Erzählmuster zum Ziel erklären. Gefordert oder begeistert gefeiert werden deshalb flickernde Bilder »voller Sprünge« (Brinkmann 1983: 381), »individual sensations« (Amaya 1965: 30), nicht-lineare Abläufe (Schmidt-Joos 1968: 13), »das Dominieren der Einzelelemente in einem alogischen Zusammenhang« (Matthaei 1972: 899) etc. Um das Programm zu illustrieren, bedarf es keineswegs immer popavantgardistischer Beispiele von Warhol bis Burroughs. McLuhan verweist etwa auf die seiner Meinung nach gängige Fernseh-Werbung – »abrupt zooms, elliptical editing, no story lines, flash cuts« (McLuhan/Fiore 1996: 128) –, viele andere Hinweise auf das Hervortreten von special effects, SexSzenen, auffälligen Sounds sind ebenfalls denkbar. Die Kritik an der von Pop-Intellektuellen oftmals bejahten Auflösung narrativer, sinnhafter Zusammenhänge kann man sich auf der anderen Seite

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ebenso leicht vorstellen. Die Abneigung gegenüber den ausgestellten EinzelReizen kann sich einfach an Adorno/Horkheimers mustergültiger Auffassung aus den 40er Jahren orientieren, nach der die »Vorherrschaft des Effekts« in der kulturindustriellen Produktion nicht mehr wie in der modernen Kunst als Einspruch gegen das falsche Ganze wirke, sondern im Gegenteil wegen des formelhaften Einsatzes der Effekte eine zwanghafte Totalität bilde (1988: 133f.). Die Herausstellung stark akzentuierter Rhythmen, die pornografische Betonung der Stelle, der Film oder die Show als Star-Vehikel, die psychedelische Auflösung hergebrachter Kausalität, die Aneinanderreihung von Gags, Einfällen oder Schockelementen bleibt darum auch in ihrer neuen Pop-Form hoch umstritten, sie findet aber in ihrer radikalisierten Form selbstverständlich im Bereich der Kunst und des Undergrounds mehr Befürworter als zuvor.

V-Pop In einem Punkt argumentiert die Pop-Avantgarde ganz im Sinne der modernen Kunst. Die Gemeinsamkeit liegt in dem Lob des Verfremdungseffekts, der beim Publikum eine Abkehr von den gewohnten, eingeschliffenen Auffassungen und Kommunikationsweisen bewirken soll. Die Propagandisten des Reiz-Angriffs argumentieren zumindest indirekt in diesem Sinne, weil sie auf intensive Reize setzen, die einen aus den konventionellen, gemäßigten Abläufen heraustreiben sollen. Es gibt aber innerhalb der Pop-Fraktion sogar eine ganze Reihe von Vertretern, die auf reflektierte Formen der Verfremdung bauen. Ein Ausgangspunkt hierfür ist die Herabsetzung von (angeblicher) Authentizität und Echtheit. Die Kunst-Welt des Pop soll den falschen Anschein zerstören, dass man sich im Bereich der Moral und der Literatur, Malerei etc. auf natürliche Wahr- oder Schönheiten berufen und verlassen könne. Im Widerstand gegen die Hochwertung des Naturgegebenen besteht Pop genauer in der Bejahung von Technik, neuen Medien und ihren Botschaften; Kinoplakate, Illustriertenberichte, Apparate, Autounfälle, Comics etc. würden zu Recht als »›natürliche‹ Umwelt« genommen (Brinkmann 1994: 71). Das Wort von der zweiten Natur, von der technisierten als der mittlerweile »›natürlichen‹ Umwelt«, zeigt aber schon an, dass sich einer Pop-Avantgarde hier bereits wieder grundsätzlich Möglichkeiten bieten, verfremdend zu wirken. Die »triviale Künstlichkeit unseres Milieus, täglich als ›Natur‹ (›Leben aus erster Hand‹) proklamiert«, die »›Bilder‹ des Konsums, mit denen Fernsehen, Film, Illustrierte, Zeitung, Mode, Sport oder Beatshow unser Hirn füttern«, forderten geradezu »eine zweite Künstlichkeit heraus, die die erste verdoppelt und distanziert« (Matthaei 1970a: 7). Die Forderung und Losung läuft seit Beginn der 60er Jahre recht erfolgreich unter dem Titel pop art. Einige Kommentatoren weisen gleich zu Beginn darauf hin, dass die Pop-art selbst ohne augenfällige Veränderung ihrer massenkulturellen Vorlagen eine starke Veränderung bei der Rezeption erzeuge: »Any one who looks at a Pop Art exhibition senses the strange, often amusing switch of contexts and the tension between the referent and the relatum [...] – for example, the billboard on the noisy parkway and its simulacrum in the hushed museum, or the soup ad in Life magazine and the painted

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soup ad in drawing-room life over a modern mantelpiece«. Bereits der veränderte Kontext führe den Betrachter auf Ungewohntes, die routinierte Wahrnehmung werde unterbrochen: »It is something like the feeling you get from the ›alienation effect‹ of Brecht’s theater«, heißt es früh in Artnews (Hess 1963: 23). Die Formel wird in den folgenden Jahren zahlreiche Male wiederholt: In der Pop-art gewönnen »die Objekte der Konsumgesellschaft ganz unabhängig von ihrem kommerziellen oder funktionellen Aussagewert eine völlig neue Bedeutung«, weil sie aus ihrem »konventionellen Zusammenhang« herausgelöst würden (Eco 1978: 9) – um nur eine Variante der Auffassung anzuführen. Der V-Effekt macht sich für sie erst bemerkbar, wenn die Pop-art (oder auch, im deutschen Raum, die sog. Pop-Literatur) sich der kulturindustriell erzeugten Gegenstände annimmt, und nicht schon, wenn die Massenproduktion die Natur durchdringt und überformt. Nach dieser Ansicht wahrt die Pop-art als Verfremdungskunst ihre Autonomie, ähnlich wie nach älterer Auffassung die dichterische Sprache an der Distanz gegenüber der im kommunikativen Gebrauch aufgehenden Alltags- oder Funktionssprache zu erkennen ist. Offen bleibt mit der Formel noch, wie tief die Verfremdung geht bzw. wie sie überhaupt beschaffen ist und was aus ihr folgt. Hier gehen die Ansichten wieder auseinander: Macht etwa Warhols Bilder-Serie auf der Grundlage eines PR-Fotos von Marilyn Monroe »den Star als manipuliertes und manipulierbares industrielles Produkt deutlich« (Jansen 1968: 243) oder trägt der Verfremdungseffekt wesentlich kürzer, weil die Pop-art sich allzu nah an ihre Vorlagen hält (Platschek 1969)? Wird die von ihr »vielleicht beabsichtigte Kritik« darum doch schnell stumpf, so dass ihre Bilder leicht zum »anspruchslosen Reizwert« oder sogar zum »affirmativen Markenzeichen« des Bestehenden verkommen (Jürgens 1968: 173)? Wie immer die Antwort darauf aussieht – eine Überlegung gibt es immerhin, die eine Distanz der Betrachter zu den Produkten der Massenkultur behauptet, ohne eine Verfremdungsleistung durch eine darauf spezialisierte Kunst wie die Pop-art vorauszusetzen. Glauben die Anhänger der PopVerfremdung, dass die medialen und technologischen Kunstprodukte bereits wieder zur selbstverständlichen, zweiten Natur geronnen seien und eine autonome Pop-art darum diese Normalität unterbrechen müsse, erkennen andere mit der Gewöhnlichkeit der Massenkultur gerade die Möglichkeit zu einer reflektierten, distanzierten Wahrnehmung gegeben. Diese weitaus seltenere Spekulation gründet auf der Überlegung, dass der vertraute Umgang mit der Kunst-Welt eine vollkommene Identifikation bzw. eine ungebrochene Manipulation verhindern kann. In dem Fall würden die Menschen lernen, sich zu ihr wie »Mitspieler« zu verhalten, welche »die Regeln und Symbole des Spiels begriffen haben«, lautet die Voraussetzung. Im Hinblick auf die Werbung etwa könnte die Konsequenz dann sein, dass die Betrachter in der Lage sind, »an den Formen und Farben dieser neuen künstlichen Welt vom suggerierten Produkt ganz unabhängige Genußmöglichkeiten zu entdecken« (Wellershoff 1969: 9). Propagandisten der Werbung haben Ähnliches schon lange als Gewissheit behauptet; sie geben vor, der Adressat ihrer Anzeigen sei weniger ein passive recipient als ein active respondent (Dichter 1960: 257). Feuilletonistische Befürworter einer »semiologischen Guerilla« schließen sich dem insofern an, als sie glauben, dass man nicht den Sender oder den Kanal kontrol-

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lieren muss, um Meinungsführerschaft zu erlangen; erfolgversprechend sei vor allem der Versuch, sich den Rezipienten zuzuwenden, um in der Diskussion mit ihnen eine »ständig erneuerte Interpretation der Massenbotschaften« zu erreichen, also die gesendeten Inhalte gegen den Strich zu lesen (Eco 1987: 154ff.). Technologische Optimisten des neuen elektronischen Zeitalters wie McLuhan sehen im modernen Rezipienten ohnehin keinen passiven, sondern einen mitgestaltenden Betrachter; und ebenso wie sich der »Leser der mosaikartigen telegrafischen Presse sein eigenes Nachrichten-›Bild‹« mache, werde der Konsument dank der automatisierten Herstellungsweise selbst zum Produzenten; das »vom Kunden Gestaltete« trete gegenwärtig an die Stelle der Massenproduktion (1995: 507, 525, 529). Träfe dies zu, wäre eine Art von Verfremdungsleistung demnach immer schon durch die eigenständige Aneignung des Rezipienten gewährleistet. Noch einen großen Schritt weiter, in einer Welt weitgehend individualisierter Produkte, gäbe es sogar überhaupt keinen Anhalt mehr, etwas verfremden zu können.

Pop-Populismus Nach Ansicht vieler Befürworter weist Pop eine ganze Reihe bedeutender Unterschiede zur populären Kultur auf. Pop ist für sie moderner, jugendlicher, technologisch fortgeschrittener, glänzender als die traditionelle Populärkultur. Werten wiederum deren Verfechter die Massen- und später Popkultur im Sinne der bedrohten gemeinschaftlichen, verwurzelten Kultur des breiten Volks oder der Arbeiterklasse ab, halten die Pop-Anhänger solche Volkskultur oft grundsätzlich für überholt und bieder. Die Abgrenzung von ihr besitzt zudem den Zweck, auf die größere Vielfalt der Popkultur hinzuweisen, die sich aus verschiedenen Szenen bzw. Marktsegmenten zusammensetze. Wird Pop stark mit der Pop-art oder Underground-Bestrebungen identifiziert, kann die Popkultur momentan sogar beträchtliche intellektuelle, avanciert künstlerische oder minoritär gegenkulturelle Züge annehmen. In dem Fall soll sich Pop besonders positiv von den gängigen Einschätzungen der Kritiker der Massenkultur und der Kulturindustrie abheben, wie man sie unter Bildungsbürgern, aber auch unter Parteigängern der experimentellen Moderne und eben unter rechten oder linken Verteidigern der Volks- bzw. Populärkultur findet. Trotz der häufig festzustellenden Ausrichtung der Pop-Maßstäbe auf Jugendlichkeit, Hipness und manchmal gar auf schockierende Intensität oder sublime Verfremdungsmethoden trifft man im Pop-Feld mitunter dennoch auf Ansätze, Pop und überlieferte Bestimmungsgrößen der Volkskultur (bzw. der popular culture vor der mass culture) zusammenzubringen. Mitglieder der Independent Group heben gerne hervor, dass die »popular arts of our industrial civilization«, die »arts of the mass media«, demokratisch wirkten, weil sie mit der herrschenden Ästhetik brechen würden: »As a result the élite, accustomed to set aesthetic standards, has found that it no longer possesses the power to dominate all aspects of art« (Alloway 1958: 84). Zum Verlust der Dominanz legitimer Ästhetik wollen die frühen pop artEnthusiasten und -Theoretiker aus Reihen der Independent Group selber einen Beitrag leisten. Wie andere intellektuelle Parteigänger der Volkskultur vor ihnen (seit der Romantik), sehen sie nicht nur in den Werken der hohen

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Kunst einen bedeutenden Beitrag zur kulturellen Enwicklung: »our definition of culture is being stretched beyond the fine art limits imposed on it by Renaissance theory, and refers now, increasingly, to the whole complex of human activities«. Im Unterschied zu den romantischen Apologeten der populären Kultur messen sie diesen Wert aber nicht regionalen, nationalen, gemeinschaftlichen, authentisch-auratischen Hervorbringungen zu, sondern den mass produced arts der internationalen mass popular art: »Kim Novak, Galaxy Science Fiction, Mickey Spillane, are available wherever you go in the West«, heißt eine Beispielreihe, gleich verknüpft mit dem Hinweis, dass breite Teile der Bevölkerung (the great audience) zu den erfahrenen Konsumenten der neuen mass-produced folk art zählten. Eine Zurückweisung, eine Herabsetzung der aktuellen massenproduzierten Kunst stelle darum nicht, wie viele Kritiker annähmen, eine Verteidigung der Kultur, sondern vielmehr einen Angriff auf sie dar (ebd.: 84f.). Zwar seien die pop arts keine »popular arts in the old sense of an art arising from the masses« (Hamilton 1982e: 141), dennoch trage Pop zu einer direkten, lebendigen Verständigung breiter Bevölkerungsschichten bei (Banham 1981b: 89). Im Gegensatz zum hergebrachten amerikanischen populism speist sich dieses Pop-Vertrauen auf die Bedürfnisse und Vorlieben der einfachen Leute, der breiten Bevölkerung nicht aus einer ländlichen Wurzel, sondern geht von der allgemeinen medialen Vernetzung und einem umfassenden Distributionsapparat aus. Richtet sich der traditionelle Populismus aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gerade gegen die Eingriffe der großen Korporationen und Bürokratien, akzeptiert seine Pop-Version die Vorgaben der Gebrauchsgüter- und Medienkonzerne, weil sie mit dem expert consumer rechnet (Alloway 1958: 85). Es gibt aber nicht nur Versuche, Pop als demokratisches Phänomen zu präsentieren, indem man auf die selbstbewussten Möglichkeiten des Konsumenten hinweist, sondern auch Ansätze, Pop auf der Produktionsseite als egalitäre Kraft herauszustellen. Gestützt auf sowjetische kubofuturistische Prinzipien und auf Überlegungen Walter Benjamins wird in esoterischen Entwürfen entsprechend die revolutionäre Kraft der Pop-art Warhols behauptet; sie bestehe darin, dank des Einsatzes von Reproduktionstechniken im Feld der Kunst, die eine Zerstörung des auratischen Werks und eine Liquidierung der Schöpfer-Persönlichkeit bewirkten, den Schritt vom Konsumenten zum Produzenten erheblich zu erleichtern (Crone 1972: 30f.). Außerhalb der Theorie-Avantgarde erscheinen solche Pop-Anläufe, die Kluft zwischen Leben und Kunst zu schließen, weniger radikal oder utopisch. Da ist es einfach die Verständlichkeit, die Aktualität und Alltäglichkeit von Pop, die für einen anti-elitären, wenig abschreckenden Grundzug sorgt (Melly 1989: 8; Hermand 1971: 50f.; Huder 1969: 139). Auch die Pop-art kann wegen ihrer behaupteten Nähe zu den Gütern der Massenproduktion dafür reklamiert werden (Brock 1977f: 267). Ihr Status bleibt in der Hinsicht aber nicht allein wegen der vielen Anläufe der Kunstkritik, die Differenz zwischen der Pop-art und ihren Vorlagen herauszustellen, umstritten. »Pop ist das durch die intellektuelle Brille gesehene, mit neo-dadaistischen Methoden ›umfunktionierte‹ Volkstümliche«, lautet der Einwand, das Volk vergnüge sich woanders, seine Pointe (Holthusen 1994: 63). Populistischer formuliert, richtet sich der Einwand offensiv gegen die Pop-art als eine letztlich doch bloß altmodische Kunstrichtung; hinter den

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commercial artists, hinter den »industrial technologists, mass entertainers, public relation men«, die allesamt interessante environments schaffen würden, blieben die Künstler, selbst wenn sie sich an ihnen orientierten, grundsätzlich weit zurück; sie beschränkten sich leider darauf, mit den Errungenschaften der kommerziellen Designer und Marketingfachleute herumzuspielen: »apparently all the professional developers of the intellectual and art worlds can do is toy with their own subjective meanderings and reduce the impact-laden images and ideas of the outside world to worn-out traditionbound media and hope to escape its scorn by a front of hollow pretensions«, attackiert die englische Fine-Artz-Gruppe, ein kleiner Verbund von Kunststudenten aus Leeds, 1964 ihre jungen Künstlerkollegen und gleichermaßen die etwas älteren Vorläufer aus Reihen der Independent Group. Durch die Überführung von pop imagery in den Rahmen der Pop-art beteilige sich auch die neue Kunstrichtung an der Befestigung der Kunst als Ausschlusssystem, das der undemokratischen Vortäuschung kultureller Überlegenheit diene: »By perpetrating the concept of cultural filter-through and selling the ideas of status symbol-worthy avant-gardesmanship and the eternal gilt-edged security of the U.O. (unique object-worship) as propagated by any connoisseur worth his Côtes-du-Rhone, they’ve managed to maintain an economic and ideological tyranny over the general public for more than a century now.« Diese exklusiven Ansprüche und Maßstäbe, die letztlich der alten Kunst geschuldet blieben, verlören aber jetzt zum Glück an Kraft; von ihnen würden sich die »Massen« nun endlich durch ihre eigene, neue Pop Culture absetzen (Fine Artz 1964). Gegen diese aggressive These kann allerdings u.a. der Erfolg und die Verwendung von Pop-art-Bildern und -Designs in Illustrierten und in der Werbung angeführt werden (Brock 1977f: 267). Gegen sie kann in geringerem Maße ebenfalls auf die Praxis einiger Pop-Artisten, ihre Umgebung mit Pop-Musik zu beschallen, hingewiesen werden, zeige sich die musikalische Vorliebe der Pop-Künstler nun im Studio, in der Galerie oder durch ein in ein Bild eingebautes Radio; auffällig ist in jedem Fall der Versuch, Anschluss an die Popkultur außerhalb des Ausstellungswesens zu finden: »The Show was eight or ten of Tom Wesselmann’s Great American Nudes – sprawling flatpink ladies surrounded by outsized magazine-ad images, with vistas from Better Homes and Gardens pasted behind each window and with miniature Mondrians and Mona Lisas on the walls. The paintings exhilarated me, but what really turned me around was something I heard – Connie Francis singing ›V-A-C-A-T-I-O-N‹.« Für Robert Christgau, von dem die Erinnerung stammt, steht das Erlebnis am Beginn seiner theory of pop, eine Theorie, die in starkem Maße populistische Züge trägt, aber die Pop-art nicht von vornherein verwirft. Die Pop-art kann in Christgaus Poptheorie freilich schon allein darum nur ein erster Baustein sein, weil er ihre Qualität darin sieht, dass sie über sich selbst hinausweist: »Like all pop art, the Great American Nudes played with context, suggesting some kind of continuity – or even equation – between WABC [dem Radiosender] and the Green Gallery, Connie Francis and Piet Mondrian.« In seinem eigenen Fall dient Christgau die Gleichung dazu, die Seite der antiart nachhaltig überzugewichten: »I did come to understand that popular art was not inferior to high art, and decided that popular art achieved a vitality of both integrity and outreach that high art had unfortunately abandoned.« Antiart heißt demnach, gegen »insularity and elitism of

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radical avant-gardism« Front zu beziehen. Antiart richtet sich aber nicht gegen die populären Künste, ganz im Gegenteil, hier sieht Christgau die Lebendigkeit, Direktheit, Alltäglichkeit garantiert, nach der es ihm verlangt: »Popular art dealt with common realities and fantasies in forms that provided immediate pleasure – it was vital aesthetically, as work. And because it moved and was moved by the great audience, it was also vital culturally, as relationship.« Christgaus pop mentality, seine populistische Einstellung bezieht ihre Überzeugung nicht nur aus seiner Begeisterung für den Rock ’n’ Roll, sondern speist sich auch aus anderen Quellen, die zu Beginn der 60er Jahre noch stärker das amerikanische Alltagsleben bestimmen. Christgau spricht (keineswegs abwertend) von materialistic vulgarities: »A passionate democrat, I identified my own baseball-and-soda-pop past in Queens, and I liked the brand names and neologisms of American speech«, führt er die Reihe der Bekenntnisse zum amerikanischen Populismus fort. Auch die Hippies und die neue Rockmusik finden darin Platz, weil Christgau den für ihn entscheidenden pop impulse im Rock – »popular culture created by the counterculture« – solange aufgehoben sieht, wie die Musik ihre Unmittelbarkeit, ihren Bezug zum großen Publikum bewahrt (2000h: 2f., 5) und nicht zur Kunstmusik oder zur semipopular music wird (2000i: 129). Christgau steht mit seinen Prinzipien nicht allein, im Gegensatz zu ihm werden sie jedoch von den meisten anderen ihrer materialistic vulgarities entkleidet und stärker gegenkulturell aufgeladen. Christgaus eigenes Bemühen, das in diese letzte Richtung geht – »I melded the communitarian rhetoric of the counterculture and the populist possibilities of pop into a sort of improvised democratic radicalism« (2000h: 6) –, erfasst zweifelsohne den Zug der Zeit, es wird jedoch von fast allen anderen Verfechtern von seinen PopAnteilen gelöst. In ihrem Begriffsgebrauch steht Pop vielmehr für eine Belieferung passiver Konsumenten mit ablenkenden Produkten. Die populistischen Hoffnungen hingegen fassen sie unter dem Titel »Rock« zusammen. Unmittelbarkeit, gemeinsame Erfahrung (Marcus 1969b), Verständlichkeit (Wenner 1971: 18), sich von unten her ausbreitende, nicht von oben manipulativ erzeugte Beliebtheit (Goldstein 1970o: 212), Aufhebung der Trennung zwischen Musikern, Komponisten, Produzenten (Shaw 1971: 8; Gabree 1968: 10) und vor allem, als Rückkehr zur Folk-Gemeinschaft, zwischen Musikern und Publikum (Laing 1969: 79; Reich 1970: 245; Merton 1970) sind die entsprechenden Merkmale, die in populistischer Absicht zahllose Male von den Anhängern des Rock hervorgehoben und beschworen werden (vgl. Shelton 1975: 79; Frith 1978a: 186ff.; Frith 1981). In einem Satz zusammengefasst: »Rock, the music of the Sixties, was a music of spontaneity. It was a folk music – it was listened to and made by the same group of people« (Landau 1972d: 40).

Image-Zeichen Das Spannungsverhältnis von Pop und Rock lässt sich sehr gut an der Stellung zu Marketing, Werbung und konstruiert erscheinenden Präsentationen ablesen. Wer der Gegenkultur oder der (angeblich) spontanen, unverstellten Rockmusik zuneigt, wird große Probleme mit einem fabrizierten Image haben. Pose und kalkulierter Stil gelten in dem Fall als äußerst negative Anzei-

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chen (Goldstein 1970n: 191). Selbst Autoren, die der Vitalität des Pop und den authentischen Anteilen des Images mehr vertrauen, sehen auf längere Sicht schwerwiegende Gefahren oder Abnutzungsprozesse: »What starts as revolt finishes as style«, heißt ein entsprechender Merksatz zur Verlaufsform von pop (Melly 1989: 41f.). Damit greift die Kritik an Pop, die vor allem von Anhängern der neuen Rockmusik vorgebracht wird, deutlich auf die ältere sozialistische oder bildungsbürgerliche Kritik an der Massenkultur um 1960 zurück. Von linker Seite ist etwa die Kritik an der »larger-than-life personalization of the soapoperas or of the ›national personalities‹ thrown up as a classless substitute« bekannt; durch die Image-Stereotype gehe der Detailreichtum, die Wirklichkeitsnähe der älteren, klassenbezogenen popular art verloren, an ihre Stelle trete eine konformistische Massenkultur, die zwar einen höheren Stand an Konsummöglichkeiten garantiere, aber eine einheitlichere »bright unreal world« präsentiere (Hoggart 1971a: 34ff.; 1992: 342f.). Auf die Pop-art übertragen, lautet die Kritik konsequenterweise, dass sie sich keineswegs popular images’ bediene, sondern in fast allen Fällen lediglich ein commercial image ausbeute, »an image devised by cunning publicity agents to persuade the public to buy mass-produced goods« (Read 1989: 100). Von akademischer Seite wird zudem allgemein eingewendet, dass sich die hergestellten Images nicht nur auf die Werbung beschränkten; vielmehr setze sich mittlerweile leider die moderne Öffentlichkeit überwiegend aus einer Ansammlung von pseudo-events zusammen, aus Pressekonferenzen, Wahlkämpfen, Markenzeichen, Promotionparties, Meinungsumfragen, Haus- und Klatschberichten über Stars und celebrities; hinter all den Inszenierungen verschwinde die Wirklichkeit; zunehmend bezögen sich die Images auf sich selbst; die menschlichen Erfahrungen würden nun durch sie gemacht oder an ihnen gemessen: »The images themselves become shadowy mirror reflections of one another: one interview comments on another; one television show spoofs another; novel, television show, radio programme, movie, comic book, and the way we think of ourselves, all become merged into mutual reflections« (Boorstin 1963: 259; in der deutschen Kulturkritik ähnlich bereits zuvor Günther Anders 1956). Wie üblich bleibt die Einschätzung aber nicht das letzte Wort. Im Namen von Pop ergehen positivere Urteile zur Image-Produktion. Image und hype werden mitunter sogar als Superpop gefeiert: »Elvis riding on his golden Cadillac, James Brown throwing off his robes in a fit, Pete Townshend slaughtering his audience with his machine-gun guitar« (Cohn 1996: 241). Den Ton haben hier erneut bereits frühzeitig Mitglieder aus Reihen der Independent Group gesetzt. Die Erkenntnis, dass die modernen Konsumenten bei der Auswahl eines Produkts stärker auf das Image als auf die wirklich handgreifliche Funktion achten, ist für sie kein Grund zur Klage. Im Gegenteil, auf dieser Erkenntnis bauen sie ihre gesamte Ästhetik und Theorie der Massenkommunikation auf, darauf beruht ebenfalls ihre Feier der ikon-grader of the pop arts (McHale 1959a, 1959b), der Werbung, des Designs und des Starsystems (Hamilton 1982f: 152). Die Zustimmung zur Vorherrschaft des Images nimmt in den 60er Jahren höchst unterschiedliche Formen an. Das geht von der Begeisterung über die Ergebnisse der geballten Anstrengungen von Marketingfachleuten, Grafikern, Fotografen etc., ein eindrucksvolles Bild zu schaffen, das den Konsumenten

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gefangen nimmt (Rublowsky 1965: 6), bis hin zur äußerst ambivalenten Faszination, die Stereotype erwecken, deren Wirklichkeit in nichts als Medien»Klischees« besteht: »ein flackerndes, permanentes Selbstzitat der spätkapitalistischen, bürgerlichen Wahn-Gesellschaft [...] das einzige Photo, das wirklich ist, ein Großformat, Hochglanz, ohne Rand, in dem wir auch uns immerfort von neuem zitieren« (Brinkmann 1969a: 64f.; vgl. Matthaei 1970: 32; Groß 1993: 47f.). In einer optimistischeren Variante tragen die Massenmedien in »our signand symbol-packed culture« hingegen nicht zur Undurchdringlichkeit der Klischees bei, sondern machen im Gegenteil die mobility of signs deutlich. Der V-Effekt der Pop-art ist demnach bereits in dem enorm ausgeweiteten, mittlerweile für die Menschen unumgänglichen modernen Kommunikationssystem angelegt: »The mass media contribute not only to our entertainment but also enlighten us regarding the provisional nature of all communication« (Alloway 1974: 47). Ihre theoretische Grundlage findet die Behauptung in der Annahme, dass fast alles als Zeichen für etwas anderes fungieren kann: »anything can come to represent almost everything else«. In der Werbung und Motivforschung, von dessen führendem amerikanischen Vertreter Ernest Dichter die zitierte These stammt, bildet die Annahme natürlich nicht deshalb einen Grundpfeiler, weil es ihnen darum geht, eine andere Sprache mit neuen Zeichen zu erschaffen (in der etwa anstatt »car« »rac« für Auto steht). Ihre Bedeutung erlangt die These auf der Ebene der Konnotation: »For example, the anchor tattoo of the Marlboro man represents for the viewer ›masculinity‹, ›strength‹, ›ruggedness‹, ›intensity of pleasure‹, associated with sailors. It is hoped of course, that these attributes will be transferred to the product« (Dichter 1960: 129). Funktioniert der Übertrag, steht die beworbene Zigarette eben für eine bestimmte Sorte »Männlichkeit« ein. Image-Produktion bedeutet demnach nicht allein, ein besonders einprägsames Bild zu schaffen – Elvis’ goldener Cadillac, Pete Townshends zerstörte Gitarren etc. –, dessen Wiederholungen bzw. Varianten einen identifizierbaren Stil bzw. ein Markenzeichen ergeben; ein Image erfüllt seinen Zweck erst, wenn die Zeichen, mit denen das Produkt umgeben wird, von den umworbenen Konsumenten oder potenziellen Anhängern auf geeignete Weise gelesen werden. Die Grundvoraussetzung dafür ist erfüllt. Wie auch Dichter feststellt, orientieren sich viele Kunden nun durchaus bewusst nicht nur an den technologischen Qualitäten des Produkts – sie kaufen stattdessen (oder zusätzlich) das Image ein (ebd.: 170). Dennoch bleibt es selbstverständlich für die Marketingabteilungen im Einzelnen eine schwierige Herausforderung, die richtige (kommerziell oder agitatorisch erfolgreiche) Bedeutung für das jeweilige Produkt zu finden. Wenn die Zigarette, das Auto, der Sänger per Design oder Werbeumgebung prinzipiell mit allen möglichen Bedeutungen aufgeladen werden kann, dann fällt die Wahl nicht leicht. Im Hinblick auf die Zielgruppe und in Anbetracht der Konkurrenz erfährt sie zwar eine Einschränkung, bleibt aber offen genug, was einerseits für Freiheitsspielräume sorgt, andererseits jedoch die Möglichkeit des Misserfolgs beinhaltet. Die prinzipielle Offenheit, wofür das Produkt stehen soll, macht die einmal getroffene Wahl von Seiten des Marketings und des Designs – welche Farbe, welche Form, welche Werbebilder – jedoch im erfolgreichen Falle zunichte. Erfolg bedeutet hier, dass erstens gerade keine mobility of signs mehr

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anzutreffen ist und zweitens die festgestellte Bedeutung kein Negativ-Image darstellt. Kritik an den Pop-Images richtet sich deshalb einmal gegen deren vorherrschende Bedeutungen, gegen den Vorrang des Bunten, Schnellen, Sexuellen, Jugendlichen, Femininen etc. Die zweite Kritik geht folgerichtig darüber wesentlich hinaus; aus ihrer Sicht bilden die Images moderne Mythen, die fälschlich einen natürlichen Zusammenhang vorgeben und dadurch alles, was anders sein könnte (und sollte), der Veränderung entziehen (Barthes 1957; mit Blick auf die Popkultur Jelinek 1970).

Meta-Pop Die Annahme, dass eine selbstreferenziell geschlossene Medienwirklichkeit zur umfassenden menschlichen Realität geworden sei, in der Images immer nur auf andere Inszenierungen und Aufzeichnungen verweisen, besitzt in grundsätzlichen Überlegungen zur Pop-art einen Vorläufer. Solche Überlegungen gehen aber noch von unterscheidbaren Bereichen aus – auf der einen Seite Zeichen und Zeichensysteme, auf der anderen Seite die Pop-art, die sich auf sie bezieht und sie durch Rekontextualisierung verändert: »Pop Art deals with material that already exists as signs: photographs, brand goods, comics, that is to say, with pre-coded material« (Alloway 1997: 170). Die Teilung besteht in dem Hinweis, dass die Pop-art sich zumeist nicht auf stumme, sondern aufgeladene Gegenstände bezieht, die als Waren mit ihrem Image zu den Konsumenten sprechen: »the entire image of the commodity has been commercially transformed before it gets to us: bread becomes Wonderloaf« (Amaya 1965: 12). Eine Teilung liegt hier vor, weil angenommen wird, dass die Pop-art sich von solchen Waren deutlich unterscheidet. Wer von einem Verfremdungseffekt solcher Bezugnahme ausgeht, für den liegt die Teilung in Reinform vor. Der Erfolg der Pop-art bei einem breiteren Publikum ist allerdings für viele ein Beweis dafür, dass sich der V-Effekt nicht einstellt, sondern sich vielmehr die Kraft der Werbebilder weitgehend ungebrochen durchsetzt (ebd.: 18). Eines bleibt aber auch in dem Fall bestehen – der Abstand, der zwischen Werbung, Comics etc. und der Pop-art liegt. Selbst wenn die Pop-art sich auf sie affirmativ bezieht bzw. sich beim Publikum kein nennenswerter V-Effekt einstellt, bleibt doch zumindest ein zeitlicher Abstand erhalten, eine Differenz von Vorlage und Adaption. Es scheint fast so, als würden die amerikanischen Pop-Artisten aus ihren Pop-Referenzen bewusst ganz aktuelle Beispiele ausklammern: »The comics used by Lichtenstein are not up-to-date, as cartoonists have noted, and are closer to the comics of the 1950’s than to the less brash recent variety. Warhol does not utilize the tasteful advertisements of the sort that he himself once produced« (Lippard 1967b: 90). An der Stelle ist die Nähe der Pop-art zum Camp-Geschmack unübersehbar. Die Bezugnahme auf Gegenstände der Populärkultur läuft genau dann unter dem Titel »Camp«, wenn die Gegenstände zu den Favoriten eines früheren, kitschigen, weit verbreiteten Geschmacks gezählt haben: »The word ›pop‹ was interchangeable with the word ›camp‹ in relation to an irreverent revival of certain humble or popular objects from the past« (Melly 1989: 147). Zur Popkultur zählt nach der Auffassung der Rückbezug in hohem Maße hinzu; im Gegensatz zur legitimen Kultur bewahrt man in der Pop-

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Variante aber gerade nicht die sog. klassischen Werke, sondern stellt die besonders manierierten Momente in der isolierenden Neuaneignung heraus. Analog zum zeitlichen Abstand kann der Camp-Geschmack auch auf die soziale Distanz bezogen werden, dann erscheint Camp als die überlegene Wahrnehmungsweise des zeitgenössischen Dandys, der sich an der Massenkultur delektiert, ohne sich mit den Massen und ihrer unvermittelten Begeisterung gemein zu machen. In dem Fall kann Camp auch aktuelle Produkte betreffen, die nicht einmal notwendigerweise besonders überladen bzw. verspielt dekorativ gestaltet sind oder prätentiös scheitern. Um sie zum Objekt dieses Camp-Vergnügens zu erheben, reicht bereits die Manier des Dandys aus, sie »in Anführungsstrichen« zu sehen (Sontag 1982a: 337, 327), langt es, kenntlich zu machen, dass man das Klischee und das Exempel eines schlechten Geschmacks als solches erkennt und deshalb nun ein distanzierteres Gefallen an ihm möglich wird. Was dem Pop-Artisten die Dekontextualisierung, die Neurahmung, ist dem Dandy im Zeitalter der Massenkultur die amüsierte Ironie: »The result is camp, in the sense of a presentation of the second-rate so managed that one’s response to it can be taken to be first-rate« (Ong 1971: 298). Durch das Camp-Phänomen kann die bis dahin typische Laufbahn des populärkulturellen Gegenstands – »via the appreciation of common man into almost total oblivion, out again to the intellectual home, onward to antique shops and finally to permanent deification in wealthy drawing-rooms and museums« (Jones 1951: 9) – deshalb beschleunigt werden. Wenn Camp nicht allein an bestimmten Eigenschaften des Objekts hängt (manierierter Stil, auffällige Künstlichkeit), sondern ebenfalls dem amüsierten, ironischen Blick des Dandys auf die Massenkultur entspringen kann, muss gar nicht viel Zeit vergehen, damit Gegenstände der Popkultur im »intellectual home« ihren Platz finden. Bezahlt wird die Karriere jedoch mit dem Preis, dass die Wertschätzung sich zweifelhaften Gründen verdankt und weder auf ernste Aufmerksamkeit noch auf direkte Freude zurückgeht. Kritisch pointiert: »Camp is a recent perversion of what was originally a generous impulse to found a democratic culture based, not on patronage or ›raising standards‹, but on seeking to recognize what was significant or beautiful in the despised artifacts around us« (Melly 1989: 18). Das ist aber nicht das letzte Wort. Weil durch den Camp-Geschmack automatisch (ein wie auch immer gebrochenes) Licht auf den zweifelhaften Gegenstand fällt, kann im nächsten Schritt auch gleich ein gewisser Nutzen, ein Antrieb von Camp für Pop behauptet werden, die eigenen, gegenwärtigen Grenzen zu überwinden: »Camp in the pop sense implied ›dated and/or ridiculous‹ and yet somehow available. By declaring pre-war musicals ›camp‹, the techniques of the pre-war musical became valid«, lautet solch ein Beispiel für die Antriebskraft, die grenzerweiternde Kraft von Camp. In dem Fall wird aus der ironischen Distanz des Rückbezugs (oder auch des amüsierten Bezugs auf zeitgenössische Ikonen der Popkultur) ein spielerischer Akt, der nicht von einer sicheren, erhobenen Warte aus seine Wirkung entfaltet. Diese Bedeutung von Camp weist auf seine homosexuelle Herkunft hin, mit den Merkmalen »overtly and outrageously queer«, »transvestite clothing« und »theatricality« (ebd.: 177). Folgt man dem, sollte in der Verbindung von Pop und Camp der Versuch angelegt sein, eine weithin als natürlich angenommene Ordnung zu unterlaufen: »It allowed pop to expand its terms of re-

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ference, its bank of images. It gave it (and here remained true to camp’s original definition) the confidence to ›come on outrageous‹« (ebd.: 177f.), lautet eine entsprechende Feststellung und Anforderung Ende der 60er Jahre. Das Bild wäre allerdings höchst unvollständig, wenn nicht gleichzeitig darauf hingewiesen würde, dass die Überschreitung hergebrachter (maskuliner) Grenzen im Pop-Bereich keineswegs einem wilden oder empörenden Ausbruch gleichkommt. »The ’30s Jean Harlow look, 007 sweat shirts and French telephones were all picked up and popularized by Camp« – auch das ist eine Bestandsaufnahme der Pop Culture (Steinem 1965: 80). Ganz in dem Sinne ist Pop ein Spiel, dessen artifizielle Grenzen nicht schwer bewacht sind.

VI. Postmoderne im Sinne von Pop 1968-1977

Einleitung Gut ein Jahrzehnt nach seinem ersten Gebrauch hat der Pop-Begriff bereits eine vielschichtige Karriere hinter sich. Zwischen Pop-art, Pop-Underground und Popmusik tut sich ein weites Feld auf, das der Pop-Begriff nur schwer zusammenhalten kann. Das zeigt sich natürlich auch an den hier herausgearbeiteten Pop-Konzepten: Die Prinzipien der Oberflächenästhetik müssen keineswegs mit einem Pop-Populismus harmonieren, V-Pop und Reiz-Angriff sollten sich in den allermeisten Fällen ausschließen, die Verfechter der PopGegenkultur verstehen sich häufig als Gegner der Konsum-Freiheit, usf. Gemeinsamkeiten, Schnittmengen, die es erlauben, all diese in mancher Hinsicht auseinanderstrebenden Ansätze unter einem Oberbegriff zu versammeln, sind aber dennoch zu entdecken, besonders wenn man sich auf die Abgrenzung zu anderen großen Konzepten konzentriert. Zur Herausbildung des Pop-Konzepts hat vor allem die Auseinandersetzung mit den gängigen Bedeutungen von Populär- und Massenkultur beigetragen. Die Abgrenzung zu Handwerk und Gemeinschaft, aber auch zu den altersübergreifenden Standards der Konsumgüter- und Unterhaltungsindustrie, die Hinwendung zu Jugendlichkeit sowie zu den neuesten Medien und Technologien bildet einen Ausgangspunkt, um pop von popular culture und von mass culture einigermaßen zu unterscheiden. Das Unterscheidungsmerkmal kann sich sogar von der jungen Bevölkerungsgruppe und den jüngsten technischen Errungenschaften lösen und unabhängig von Zahl, Menge und Medium an prägnante Produkteigenschaften heften. Bedeutend ist in erster Linie die rasche Absetzbewegung von allem, was den Anschein erweckt, natürlich zu sein. Von den Verfechtern des PopPopulismus und auch des Reiz-Angriffs teilweise abgesehen, stellen alle anderen Autoren, die sich dem Pop-Konzept mit seinen zahlreichen weiteren Dimensionen – von der Oberflächen-Ästhetik über die Image-Zeichen bis zum Meta-Pop – widmen, den Aspekt glänzender, auffälliger Künstlichkeit konsequent heraus. Oftmals bleibt es zudem nicht bei der bloßen Beschreibung und neutralen Benennung. Der neue Begriff pop zeigt nicht selten eine positive Einstellung und Bewertung an. Diejenigen, die das Wort in der Zeit von 1955 bis 1966 verwenden, identifizieren sich häufig mit den so bezeichneten Phänomenen oder stehen ihnen zumindest nicht wie die Verfechter der traditionelleren Volkskultur oder die Kritiker der Massenkultur scharf ablehnend gegenüber. Ende der 60er Jahre hat sich das Bild jedoch bereits wieder weitgehend verändert. Unter dem Druck der linken und alternativen Kritik gerät der PopBegriff rasch in Misskredit. Pop bedeutet für die Kräfte des Undergrounds und der antiautoritären Bewegung zunehmend eine schlechte, kommerzielle, von gesellschaftlichen Problemen ablenkende Form. Unterschieden davon

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wollen sie jene kulturellen Bereiche wissen, die bei ihnen unter den Titeln »Gegenkultur« und »Rock« angesprochen werden. Nachdem es bis ins Jahr 1968 hinein einige Ansätze gegeben hat, auch Pop (und Pop-art sowie in Westdeutschland »Pop-Literatur«) als Teil einer gegenkulturellen Bewegung auszugeben, wendet sich das Blatt danach für lange Zeit. Die ganzen 70er Jahre über wird der Ausdruck »Pop« außerhalb von Teenie-Zeitschriften meistens verwendet, um auf gering eingeschätzte Gruppen und Richtungen hinzuweisen. Die Diskreditierung des Pop-Begriffs kann man sehr gut daran ablesen, dass selbst Trends wie die »Glitter«-Musik und Gruppen wie Roxy Music, die den Pop-Konzepten der Oberflächenästhetik, der Kunst-Welt, des Meta-Pop deutlich verpflichtet sind, unter dem Titel »Rock« diskutiert werden. Von »Popmusik« wird in dem Zusammenhang zumeist nur gesprochen, wenn man nach einem Oberbegriff sucht, um darunter Soul, Rock etc. fallen zu lassen. Lobende Adjektive wie etwa »progressiv« haben darum einen festen Ort, es heißt im Laufe der 70er Jahre zunehmend »progressive Rock-« und nur selten »progressive Popmusik« (s. The Editors of Rolling Stone 1971; Sounds 1982; als Ausnahme etwa Hoffmann 1971; Zawodsky 1973). In anderen Bereichen kann man Ähnliches feststellen: Tom Wolfe strebt 1973 eine Kanonisierung seines Reportagestils unter dem Namen New Journalism an, die Bezeichnung pop journalist versucht er sich erst gar nicht anzueignen, um ihr wieder eine neue positive Bedeutung zu verleihen. Mit der üblichen Verzögerung von ein paar Jahren zeigt sich der veränderte Wert des Begriffs manchmal auch in akademischeren Gefilden: Heißt ein Buch dort Anfang der 70er Jahre noch Popmusik (Zimmer 1973), lautet der Titel der überarbeiteten Neuauflage einige Jahre später Rock-Soziologie (Zimmer 1981). Die Bezeichnung Pop-art hingegen hat sich längst durchgesetzt, eine Umbenennung ist ausgeschlossen; als Ruhmestitel taugt der Begriff nach 1968 aber auch innerhalb der bildenden Kunst längere Zeit nicht.

Swinging London und die antifunktionalistische Postmoderne Die Pop-Ideen und -Prinzipien, wie man sie seit den Tagen der Independent Group und vor allem aus den Debatten der Jahre 1962 bis 1968 kennt, werden in den 70er Jahren entweder nur an anderem Ort oder unter anderem Namen weitergeführt. Glitter Rock und New Journalism sind zwei Beispiele für solche Ansätze, einige Pop-Prinzipien in neuer Auskleidung beizubehalten. Am umfassendsten und mit größter Tragweite können die Pop-Konzepte jedoch ausgerechnet in zuerst weitgehend akademischen Debatten ausgearbeitet und überliefert werden, die sich um den Status und den Zuschnitt einer postmodernen Kultur und Gesellschaft drehen. Es ist allerdings kein Zufall, dass diese Debatten lange von Akademikern und von Orten aus geführt werden, die innerhalb des universitären Kreises umstritten sind oder am Rande liegen. Auch unter anderem Namen ist die Legitimität von Pop-Konzepten weiterhin fraglich. Wenn dies innerhalb der zahlenmäßig so überaus großen Alternativ- und Jugendszene nach 1968 gilt, dann selbstverständlich auch innerhalb der Akademie. Das klingt zuerst widersinnig, da die Moderne zu Beginn ausdrücklich eine antiakademische Bewegung ist; weil die modernen Kunstrichtungen jedoch nach dem Zweiten

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Weltkrieg auf breiter Front in die Museen und in den universitären Kanon einrücken, muss der Titel »postmodern« zwangsläufig in den akademischen Institutionen und im Einzugsbereich der legitimen Ästhetik einen negativen Klang besitzen. Eine postmoderne Literatur ist dann etwa eine Literatur, die von der Bedeutungslosigkeit der mass society bedroht und durchsetzt wird (Howe 1959), ein post-modern style ist kennzeichnend für eine Architektur, die sich seit den 50er und 60er Jahren irrigerweise von den richtigen, angemessenen Prinzipien des Modern Movement lossagt (Pevsner 1966). Deshalb stellt es eine riskante Strategie dar, von einer völlig ungesicherten Minderheitenposition aus das Loblied einer postmodernen Kunst und Kultur anzustimmen, Nichtbeachtung oder Verachtung können die Folge sein; im geglückten Fall wartet allerdings einiger Ruhm auf den Verkünder der Postmoderne, weil ihm dann (ganz im Sinne der Moderne) der Rang des Neuerers zukommt. Dazu muss er allerdings mittelfristig selbst Eingang in die Institutionen finden und nicht als Kuriosum außerhalb verbleiben. Angesichts der Gefahr und der Radikalität einer antimodernen Position überrascht es darum nicht, dass zu Beginn häufig auch eine vorsichtigere, vermittelnde Vorgehensweise gewählt wird. Der kurze, aber wichtige Aufsatz Function and the Aesthetic Free for All von John E. Bolt aus dem Jahr 1966 stellt ein frühes, bedeutendes Beispiel für solch ein Verfahren dar. An einer Stelle klingt Bolts Urteil zum Stand der Dinge und zu den Aufgaben der zeitgenössischen Gestaltungskunst sogar äußerst provokativ: »The one thing that swinging London has done for design is to release it from an authoritarian and, to many eyes, a sterile aesthetics«, heißt es da. Wäre dies die uneingeschränkte Leitlinie Bolts, handelte es sich um einen maximalen Angriff auf die Prinzipien des modernen Designs, zumal der Angriff ausgerechnet unter Berufung auf die kommerziellen, aktuellen Pop-Trends erfolgt (dessen Vorläufer bereits, die modischen amerikanischen Anzeigen und Warenformen der 40er und 50er Jahre, trotz ihrer Massenfertigung nie Gnade vor den Richtern des International Style fanden; vgl. Jencks 1968: 50ff.). Nachhaltiger könnte man gegen das herrschende moderne Design, dessen klare, schnörkellose Formen und undekorierte Flächen sich der Überzeugung verdanken, an der Funktion des Objekts ausgerichtet zu sein, schwerlich verstoßen. Der Angriff scheint durch Bolts wiederholten Hinweis auf den großen Erfolg des neuen, antimodernen Trends noch verstärkt zu werden. »What was once thought of as a vaguely irritating irreverence among teenagers has become big business and a talking point that spans the atlantic«, hält Bolt fest: »›Pop‹ began to sweep through nearly every field susceptible to rapid change, and the philosophy of ›form follows function‹ came to rest among the dust of the museum shelves. We have come to understand that what is happening today is not just a passing fad, but a whole succession of passing fads in which the one constant element is the fact that anything goes«. Ausdrücke wie z.B. passing fad lassen allerdings bereits erahnen, dass Bolt sich mit einer Beliebigkeit – anything goes –, die wegen des aufgelösten Zusammenhangs von Form und Funktion unausweichlich ist, nicht anfreunden möchte. Das gilt auch und gerade für den aktuellen Pop-Trend, das Design unter dem Zeichen von Swinging London. Trotz seiner Sympathie für die dadurch vollzogene Abkehr von einer allzu sterilen, autoritären Ästhetik vermisst Bolt letztlich doch die für ihn ganz offensichtlich notwendigen Einschränkungen und Bin-

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dungen. Deshalb entstammen die Gefahren, die er angesichts des neuen PopDesigns heraufbeschwört, direkt aus dem Negativkatalog der modernen Anschauung: »The danger is that more than ever before – appearance is becoming a substitute for substance, the look more important than the purpose, the image a cloak for reality.« Dagegen hilft dann natürlich nur eine Rückbesinnung auf das moderne Hauptprinzip: »In a period of aesthetic free for all, it is even more necessary that function should be the overriding discipline« (1966: 27). Es dauert noch anderthalb Jahre, bis Anfang 1968 in derselben Zeitschrift, Design, im gleichen Zusammenhang eine deutliche Absage an das funktionale Axiom ergeht. Corin Hughes-Stanton wiederholt dort das seit den Tagen der Independent Group bekannte Argument gegen das puritanische Konzept des Funktionalismus: Das PostBauhaus-Design halte sich zu Unrecht für funktional, es vergesse vollkommen die Ausrichtung an menschliche Bedürfnisse, zu deren Erfüllung gerade dekorative Elemente einen wichtigen Beitrag leisteten. Deshalb hält Hughes-Stanton weniger statische, experimentellere Design-Methoden hoch. Genau wie Bolt konstatiert er, dass dadurch nun sehr vieles möglich sei, im Gegensatz zu Bolt sieht er in der Diagnose anything goes aber keinen Anlass zur Sorge: »While this may well mean that we live in a time of aesthetic anarchy, it also means that the opportunities for design are far greater than ever before« (1968: 43). In dem redaktionellen Vorsatz zu Hughes-Stantons Artikel werden die neuen Möglichkeiten einer antipuritanischen Richtung als Pop or PostModern design bezeichnet. Hughes-Stanton selber sieht das allerdings etwas anders. Richtig ist zwar, dass er das Carnaby Street or Pop design für den Umbruch in der Design-Konzeption verantwortlicht macht. Hughes-Stanton hält aber den Begriff Pop design für einen irreführenden Ausdruck, unter dem zu viele unterschiedliche Strömungen geführt werden, deren einziger gemeinsamer Nenner darin besteht, das funktionale Prinzip des modernen Designs zu verletzen: »Pop or Carnaby Street design is an umbrella movement, embracing all the design schools except Contemporary – or ReproContemporary – and Traditional; it has cheerfully encompassed Pop, Op, and Surrealist fine art, cottage pinewood furniture, Buckminster Fullerism, amusement arcades, hot dog stands and Archigram«. Hughes-Stanton schlägt darum an Stelle von Pop den Ausdruck Post-Modern design vor: »Since this is a far more accurate name than either Carnaby Street, which is increasingly concerned only with clothes, or Pop, which properly only refers to a particular form of fine art«. Er borgt sich den Begriff Post-Modern von Pevsner, möchte ihn aber nicht nur auf die Architektur, sondern auch auf andere Disziplinen anwenden. Noch wichtiger ist, dass er den Begriff gegen die Absicht Pevsners, den Verfechter des International Style, in positiver Absicht gebraucht. Wenn Hughes-Stanton auch eine ganze Reihe von Kritikpunkten am gegenwärtigen postmodernen Design anbringt, die den Maßstäben der Moderne verpflichtet sind – mangelnde Originalität, unkontrollierter Einsatz dekorativer Muster –, lässt er dennoch keinen Zweifel an seiner grundsätzlichen Zustimmung zur antifunktionalistischen Richtung (ebd.: 42). Seine hohe Wertschätzung der von ihm benannten postmodernen Bewegung kann man unschwer daran ablesen, dass er trotz der von ihm herausgestellten allgemeinen »ästhetischen Anarchie« den konkreten Entwürfen eine enorme Geschlossenheit zuschreibt: »Taken as a whole this may appear an aesthetic free

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for all, but it has a more realistic total coherence than that which the Modern Movement, for all its apparent visual unity, ever achieved.« Als Beispiel führt Hughes-Stanton das postmoderne Auto-Design an; die Alternative zwischen einem funktional-ergonomisch angemessenen und einem populären, unterhaltenden Design sei jetzt hinfällig: Man müsse nicht länger wählen zwischen »ergonomic but clinically dull cars, and pleasure-giving but dangerous cars. The two can be compatible because the Post-Modern movement recognizes the equal importance of ergonomics and psychological fulfilment« (ebd.: 43). Damit wiederholt Hughes-Stanton genau den Standpunkt der Independent Group, die jedoch bekanntermaßen den Ausdruck Pop nicht für eine Richtung der bildenden Kunst reservieren wollte. Trotzdem ist HughesStantons Begriffswechsel plausibel, weil die antifunktionalistischen Entwürfe sich nicht auf ein Popdesign beschränken (s. auch McHale 1969: 50). Wichtig ist aber festzuhalten, dass die postmoderne Auflösung des behaupteten modernen Zusammenhangs von Form und Funktion – die postmoderne aesthetic anarchy – in hohem Maße auf den Pop-Impuls zurückgeht, wie man den Ausführungen Alloways, Banhams und später Bolts gut entnehmen kann.

Bestimmungen des postmodernen Stils in der Architekturtheorie und -kritik Ein weiterer ausgezeichneter Beleg für die Nachwirkungen der Pop-Debatte auf den Postmoderne-Entwurf sind die frühen Aufsätze des Banham-Schülers Charles Jencks. Beim Architekten und Architekturhistoriker Jencks findet man den Grundsatz ästhetischer Offenheit als Prinzip der Designpraxis Ende der 60er Jahre ausdrücklich unter der Überschrift Pop aufgestellt. Wie Ferdinand Saussure auf der Ebene linguistischer Theoriebildung, hätten die Pop artists aufgezeigt, dass die Beziehung von Form und Inhalt überwiegend willkürlich gesetzt und deshalb wandelbar sei. Fällt die Abhängigkeit der Form von der Funktion weitgehend weg bzw. wird diese als willkürliche Konvention hingestellt, dann gibt es innerhalb des Designs kaum mehr Selbstverständlichkeiten – und schon gar keine Notwendigkeit mehr, auf dekorative Elemente oder auf andere Anleihen bei der Popkultur zu verzichten (Jencks 1969: 56). Einen weiteren wichtigen Beitrag zur frühen Verschränkung von Pop und Postmoderne liefert auf amerikanischer Seite Robert Venturi. Wie beim frühen Jencks findet man bei Venturi den Begriff »Postmoderne« nicht im Gebrauch, ähnlich wie Jencks verknüpft Venturi seinen Abgesang auf die Vorherrschaft funktionalistischer Prinzipien mit Hinweisen zur Pop-art. In seinem ersten bedeutenden Werk Complexity and Contradiction in Architecture aus dem Jahr 1966 wendet sich Venturi gegen eine puritanisch-moderne, vorgeblich einheitliche Architektur und plädiert stattdessen für ein hybrides Design. Als Beispiel dafür verweist er gerne auf die Richtung der Pop-art, die er vor allem schätzt, weil sie sogar aus alten Klischees etwas Neues machen könne: »The Pop painter gives uncommon meaning to common elements by changing their context or increasing their scale«, schreibt Venturi in der bekannten Manier der Kunstkritik, um die Ambiguität des Pop-art-Bildes (»old and new, banal and vivid«) als Vorbild hinzustellen. Von der Pop-art könne

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der Architekt und Städteplaner lernen, dass gewöhnliche Elemente häufig in starkem Maße zu den belebenden Motiven der amerikanischen Städte gehörten: »it is not their banality or vulgarity which make for the banality or vulgarity of the whole scene, but rather their contextual relationships of space and scale« (Venturi 1974: 22, 51f.). Einer Pop architecture ist es deshalb nach Venturi konsequenterweise aufgegeben, »old cliches (›decadent banalities‹)« in verändertem Zusammenhang neu zu kombinieren (1966: 22). In dem Aufsatz A Significance for A&P Parking Lots or Learning from Las Vegas wiederholt Venturi 1968 zusammen mit Denise Scott Brown, die zu den Bewunderern der Los Angeles-Stadtfotografien des bekannten PopArtisten Ed Ruscha zählt (vgl. Whiting 2006: 103), seinen Aufruf, sich an der kommerziellen Stadtlandschaft zu orientieren und in der Architektur fine art mit crude art zu kombinieren. Der zweite Teil des Aufsatztitels macht Venturi berühmt; in erweiterter Form erscheint der Beitrag in einem Buch, das nur noch Learning from Las Vegas heißt. Der Titel besitzt einen provozierenden Klang, schließlich gilt Las Vegas weithin als Inbegriff des kommerziellen Spektakels. Wenn Venturi/Brown allerdings den Architekten auf die Einsicht der Pop-art hinweisen, dass man aus Hergebrachtem und Gewöhnlichem etwas Neues und Ungewöhnliches machen könne, verblasst die Provokation beträchtlich. Eine härtere Attacke auf den modernen, funktionalen Stil stellt ihre Forderung dar, eklektizistisch und nicht puristisch zu arbeiten, einen Stilund Medienmix vorzunehmen (Venturi 1974: 51; Venturi/Brown 1968: 91, 37). In dem Zusammenhang gewinnt der Bezug auf die Pop-art wieder an provokativem Wert, weil der Begriff »Stilmischung« (mixing of styles) anzeigt, dass u.a. Elemente der Popkultur unverändert aufgegriffen werden sollen; das Neue läge dann in der Kombination, nicht in der Überarbeitung bzw. Verbesserung des einzelnen Elements. Venturi/Brown geht es vor allem um die auffällige Reklame der Glücksspielstätten Las Vegas’; wie schon Tom Wolfe zeigen sie sich begeistert von den immensen, illuminierten Zeichen der Kasinos, Hotels und Restaurants, hinter denen die Gebäude förmlich verschwinden (ebd.: 39). Während Wolfe jedoch die Strahl- und Leuchtkraft der riesigen glamourösen Werbezeichen bewundert (1965g: 7), schätzen Venturi/Brown ihre orientierende Funktion. In der zweiten Auflage ihres Buches sehen sie sich darum genötigt, den Leser darauf hinzuweisen, dass es ihnen keineswegs um eine architektonische Imitation der konkreten Ausgestaltung der Spielerstadt gehe: »Las Vegas is not the subject of our book. The symbolism of architectural form is«, heißt es im Vorwort der revidierten Ausgabe (Brown 1977: xv). Aus dem zweiten Aufsatz, der in Learning from Las Vegas enthalten ist, geht das ohnehin deutlich genug hervor. Las Vegas, stellt sich dort heraus, ist für Venturi et al. nur ein Beispiel für eine Architektur, die den Städtebewohnern Orientierung und emotionalen Halt durch die Verwendung von Zeichen und dekorativen Elementen gibt, die dem Gebäude äußerlich sind. In maximaler Absetzung von der gängigen modernen Architekturkonzeption treten sie ein »for the symbolism of the ugly and ordinary in architecture and for the particular significance of the decorated shed with a rhetorical front and conventional behind: for architecture as shelter with symbols on it« (Venturi/Brown/Szenour 1972: 64).

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Dieser allgemeinen Leitlinie kann man ebenfalls entnehmen, dass die Hinweise auf Las Vegas und auf eine Pop-Architektur bei Venturi bloß Beispiele unter vielen anderen möglichen Ausprägungen eines Bauplans sind, der symbolische und dekorative Applikationen in den Vordergrund stellt. Auf dem Rückweg zu einer architektonischen Ikonografie ist Las Vegas nur eine Station, der Weg führt genauso etwa ins alte Rom oder zu den gotischen Kathedralen zurück (ebd.: 73f.). Folgerichtig dient auch der Bezug zur Pop-art nicht einer Feier der von ihr aufgegriffenen und herausgestellten Gegenstände der Massenproduktion. Zwar bewegen sich Venturi et al. stark in diese Richtung; besonders eindringlich gerät ihnen die Verteidigung der auf den Autoverkehr zugeschnittenen Orientierungsmarken und der middle-class-Vororte mit ihren moderaten Statussymbolen; hier treibt sie die Abneigung gegen die zahlreichen Kritiker einer consumer society und der middle-middle-class social aspiration sogar zu manifestartigen populistischen Losungen; genauer gesagt, zur Berufung auf eine »people’s architecture as the people want it (and not as some architect decides Man needs it)«. Auch nach solchen Sätzen wird aber rasch deutlich, dass die Pop-art-Referenz gerade dazu dient, eine people’s architecture zu verhindern. Das Architektenteam um Venturi möchte Vertrautes berücksichtigen, um es zu verfremden; nur das Zusammenspiel von Gewöhnlichem und Ungewöhnlichem bringt nach Ansicht Venturis und seiner Mitstreiter jene effective symbolic images hervor, die sie für äußerst wichtig erachten. Deshalb läuft ihr Programm keineswegs auf eine Übernahme gängiger Motive und Zeichen hinaus: »Understanding the content of Pop’s messages and the way it is projected does not mean that one need agree with, approve of, or reproduce that content« (ebd.: 104, 66, 108). Einer architektonischen Pop-Adaption widerspricht ebenfalls ihre Hinwendung zu den Bedeutungsträgern der Vor- und der Kleinstadt. Wohl sehen sie selber kein Problem darin; in einer Feststellung zum Geist der Zeit stehen kommerzielle und bürgerliche Zeichen einfach nebeneinander (»Each medium has its day, and the rhetorical environmental statements of our time – civic, commercial, or residential – will come from media more purely symbolic«; ebd.: 87), vollkommen vereinbar mit dem Pop-Konzept ist ihre Auffassung aber deshalb nicht, weil sie einer weitgehenden Ersetzung der traditionellen Symbolik durch ein neues Pop-Design kategorisch zuwiderläuft. »Total design is the opposite of the incremental city that grows through the decisions of many«, schreiben Venturi et al. (ebd.: 99) aus ihrer Abwehrhaltung gegen die umfassende Planung modern-funktionalistischer Architekten heraus; sie vernachlässigen dabei allerdings, dass die radikale Überformung auch in der Logik des Pop-Konzepts liegt. Konzepte wie Kunst-Welt, ReizAngriff und Große Manipulation, die ebenfalls in der Pop-art angelegt sind, werden jedoch aus ihrer Pop-Architektur ausgeschlossen. Konsequenterweise richtet sich ihre Abneigung gegen die totalen Pläne der modernen Architektur auch gegen die englische Archigram-Gruppe, also jenen Zirkel von Architekten, deren Entwürfe innerhalb der Zunft als einzige tatsächlich der Bilderwelt der Pop-Illustrierten verpflichtet sind. Zwar registrieren Venturi et al. die »occasionally witty exercices in Pop imagery« Archigrams, erkennen darin aber kaum einen genuin architektonischen Zweck. Vor allem lehnen sie die Entwürfe Archigrams nachhaltig ab, weil sie in den Megastrukturen, die eine veränderliche Konstruktion von medialen u.a. PopUmwelten erlauben sollen, nichts anderes als die moderne Hybris ausma-

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chen: »The world science futurist metaphysics, the megastructural mystique, and the look-Ma-no-buildings environmental suits and pods are a repetition of the mistakes of another generation. Their overdependence on a space-age, futurist, or science-fiction technology parallels the machine aestheticism of the 1920s and approaches its ultimate mannerism.« Schlimmer noch, gemessen an den rationalistischen, industriellen Prinzipien der Moderne, die ihren Zweck u.a. in der Produktion von erschwinglichem, zeitgemäßem, egalitärem Wohnraum für weite Teile der Bevölkerung sah, blieben die geplanten Megastrukturen Archigrams sogar ohne jeden Bezug zum gegenwärtigen sozialen Zusammenhang: »They are, however, unlike the architecture of the 1920s, artistically a dead-end and socially a cop out«, ergeht das endgültige Verdammungsurteil Venturis (ebd.: 100; vgl. Foster 2004). Damit kehrt die Gruppe um Venturi die Einschätzung Reyner Banhams genau um. Banham hatte zwar wegen der steinernen Permanenz der Architektur ursprünglich bezweifelt, dass es eine Pop-Architektur (im Sinne der PopMode und des ihr innewohnenden Grundsatzes schnellen Verschleißes) geben könne (1981f: 96), und deshalb als Beispiele einer Pop architecture 1962 allenfalls standardisierte, kommerziell erfolgreiche hamburger bars und Kino-Ketten gelten lassen (1981e: 61). Seit Mitte der 60er Jahre jedoch revidiert Banham sein Urteil angesichts von Archigrams Kombination futuristischer Technologie mit rasch veränderbaren Pop-Bildern und -Environments (1981b: 87; 1981c: 65), von clip-on-Form und swinging Pop Art Vision bzw. von megastructures und image business (1965b: 10f., 30; 1972: 5). Banhams Schüler Charles Jencks kanonisiert diese Einschätzung, indem er die verstreuten Anmerkungen seines Lehrers Ende der 60er Jahre in seinem Artikel Pop-Non Pop für die Zeitschrift Architectural Association Quarterly systematisiert (in größerem Zusammenhang in seinem Buch Modern Movements in Architecture 1973 wiederholt). Unter der Rubrik Pop dient Jencks wenig überraschend die Architekturkonzeption Archigrams als Hauptbeispiel für eine throwaway aesthetic, die schließlich auch innerhalb der Architektur eine Pop-Ästhetik ganz im Sinne der Independent Group etabliert: »it finally gave the world the visual equivalent of how it was to enjoy playing with an expendable, moving, locomotive city with its kit of parts« (1969: 68). Da Jencks den Vorwurf, bei Archigrams monumentalen plug-in-Architekturmaschinen handle es sich um totalitäre Entwürfe, ausdrücklich zurückweist, könnte in dem Punkt die Konzeption einer Pop-Architektur im Sinne Banhams nicht weiter von den Überlegungen Venturis entfernt sein. In anderer Hinsicht geht Jencks jedoch über Banham hinaus und nähert sich dadurch Venturi an. Wie die Gruppe um Venturi entwickelt Jencks das Konzept einer Pop-Architektur in engem Zusammenhang mit den gängigen Theorien zur amerikanischen Pop-art. Einigermaßen originell ist zu dem Zeitpunkt noch, dass er es mit den von den Strukturalisten wiederentdeckten Annahmen Ferdinand Saussures verknüpft. »As the linguist Saussure pointed out, since the connections between form and content are largely arbitrary, they can be changed at any point«, rekapituliert Jencks, um diese Erkenntnis unbegrenzter Neukontextualisierungsmöglichkeiten als Grundlage der Popart auszugeben: »That is simply, the subject of Pop art is the restructuring of psychic codes. Whatever is learned, repeated and codified on the brain to the point of a stock response is then a potential for Pop to restructure. The form is taken out of its fixed position, the position by which necessity everyone

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spends his life trying to determine, and is relocated.« Die Verfremdung und Dislokation, die nach Jencks zum Wesen der Pop-art gehört, besitzt in seinen Augen eine enorme Kraft; sie führe beim Betrachter zur Zerstörung seiner gewöhnlichen Anschauungen (»destroying habitual distinctions, inviolable codes, reasonable categories«). Darum möchte Jencks der Charakterisierung der Pop-art als eine grenzverletzende, nivellierende, barbarische Bewegung gar nicht widersprechen – für ihn tragen die gemeinhin abfällig angesprochenen Merkmale aber durchweg positive Züge: »For this the movement has been termed ›infantile, barbaric, regressive‹ which is necessarily a true appreciation, because what is invariably happening is a new levelling of an old and laboriously maintained distinction. Yet this anti-sensitivity, or to use a Pop-discredited word, anti-sensibility, was not all destructive. In fact, it was positively creative in its aggressive optimism and good cheer« (1969: 56). Genau diesen kreativen, verfremdenden Impuls der Pop-art sieht Jencks innerhalb der Architektur bei Archigram am Werk. Bekanntes werde aufgegriffen, um ihm in der ungewöhnlichen Montage eine neue Bedeutung zu verleihen: »what Archigram was essentially doing«, lautet Jencks zentrale Einschätzung, »was consciously borrowing (stealing) images from any and every possible source and then turning them into urban forms: a method of ad hoc addition where the theft remains clear for everyone to admire. Only the whole, only the metaphor, was new while the parts remained familiar objects from the past.« Vollkommen beliebig sind die Quellen von Archigrams Neukontextualisierung hergebrachter Elemente allerdings nicht, wie Jencks an dieser Stelle suggeriert. Im gleichen Kapitel weist er selbst auf den PopBezug Archigrams hin (»They collected images from any part of the city – the accepted Pop iconography of spaceman, superman, robotman and woman«), der in neuem, verändertem Zusammenhang ihre futuristischen Städtepläne entscheidend prägt (ebd.: 68, 67). Aus Sicht von Jencks kann darum einer Einordnung von Archigram als Pop-Architekten nichts im Wege stehen, bemüht die Gruppe doch sowohl die Methode der Pop-art, die verfremdende Neuplatzierung, als auch ihren Inhalt, die Pop-Ikonografie. Im Unterschied zu Venturi et al. hindert Jencks der technologische Futurismus Archigrams – die Verortung der Pop-Images innerhalb einer Megastruktur – keineswegs daran, sie positiv herauszustellen. Das ist verständlich, schließlich ist der Popkultur der 60er Jahre der großangelegte technische Optimismus überhaupt nicht fremd. Die gemeinsame Basis – auch die Gruppe um Venturi beruft sich für ihre Entwürfe auf die Popart – führt deshalb in Hinsicht auf das Exempel Archigrams nicht zu einer geteilten Einschätzung. Vielleicht liegt es an solchen Widersprüchen, dass Venturi den Begriff der Pop architecture, den er in seinen frühen Äußerungen manchmal gebraucht, in Learning from Las Vegas nicht mehr bemüht, um seine Pläne zu beschreiben und zu klassifizieren. Aber auch Jencks verwendet seine Energie in den 70er Jahren nicht darauf, eine Pop-art-Architektur im Sinne Archigrams zu entwickeln oder anzupreisen. Zwar finden sich in seinen Werken weiterhin Hinweise darauf, dass ihn der Late-Modernism Archigrams, wie er deren Pläne nun, durchaus im Sinne Venturis, nennt, beeindruckt (1980a: 36) – und zeigt er in dem Zusammenhang auch einige Sympathie für eine Architektur der Supersensualists und des Camp (1980b; 1973a: 185ff.; 1973b) –, sein zentrales Anliegen ist aber ein anderes.

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Einen ersten Hinweis auf Jencks’ neue, ungemein wirkungsmächtige Konzeption liefert bei der Beschreibung Archigrams der Begriff »ad hoc addition« (1969: 68), mit dem Jencks die offen erklärte Aneignungspraxis der Gruppe bezeichnet. Steht der Late-Modernism bei Jencks für eine Adaption des modernen Stils, die ihn bis zum Extrem treibt und ausweitet bzw. manieristisch steigert (1980c: 10), verweist adhocism bei ihm allgemein auf eine kreative Methode, die mit dem auskommt, was gerade zur Hand ist. Die Methode der bricolage, wie er sie in Anlehnung an Levi-Strauss auch bezeichnet, die verfügbare Teile in veränderten Kombinationen und Gebrauchsweisen neu nutzt, findet für Jencks ihre künstlerischen Vorbilder neben den dadaistischen Montagen und surrealistischen Fundstücken ebenfalls in den Entwendungen der Pop-art; deshalb kann er in die Reihe auch die ArchigramGruppe einschließen, wenn sie sich für ihre Pläne aus den Quellen der »comic books, spaceware, computer nets, soap bubbles« bedient (Jencks/Silver 1972: 9, 16, 23ff., 83). Was allerdings gegen Archigrams Programm aus Sicht von Jencks’ adhocism sprechen müsste – selbst wenn er an anderer Stelle positiv Archigrams »dramatizing consumer choice and communicating the pleasure inherent in manipulating sophisticated technology« herausstellt (1973a: 298) –, ist seine Verknüpfung der bricolage-Methode mit einer Politik der kleinen Schritte. Das ad hoc-Prinzip geht für Jencks notwendigerweise mit einer Berücksichtigung der lokalen, vertrauten Gegebenheiten Hand in Hand. Diese werden zwar nicht einfach konservativ belassen, wie sie sind, zu einem modernen Kahlschlag mit anschließendem Neuaufbau kann die Bastelei mit herkömmlichen Elementen aber keinesfalls führen. Jencks bevorzugt folglich die piecemeal method und erteilt der umfassend exekutierten Neuordnung (totalistic planning) eine klare Absage (ebd.: 81). Hier trifft sich Jencks mit dem, was zur selben Zeit Venturi et al. postulieren, die in gleicher Manier das moderne total design zurückweisen und einen Bezug zum Hergebrachten, auf die vernacular architecture, einfordern (Venturi/Brown/Szenour 1972: 100, 103). In dem bekannten Aufsatz A Significance for A&P Parking Lots or Learning from Las Vegas heißt darum die Losung »Learning from the existing landscape«, wobei die Landschaft hier die der heimischen, alltäglichen Reklame und Zeichen (commercial vernacular) ist, genauer die Las Vegas’. Der von Venturi/Brown herausgestellte Gegensatz der commercial vernacular zu der von den modernen Architekten so leicht adaptierten industrial, vernacular architecture deutet aber bereits an, dass es nicht allein um Las Vegas gehen kann (Venturi/Brown 1968: 37). Tatsächlich bezieht sich der zweite Aufsatz in dem 1973 veröffentlichten Band Learning from Las Vegas mit der prägnanten Losung »learning from popular culture« nicht nur auf Las Vegas, sondern ebenso auf das Gepräge der amerikanischen Vorstadt, auf die Ästhetik der middle-middle-class. Von einer Pop-Architektur kann darum im exklusiven Sinne bei Venturi keine Rede sein. Der weitere Slogan »learning from Levittown« macht das am Vorbild einer typischen Vorstadt der weißen Mittelschicht überaus deutlich (Venturi/Brown/Szenour 1972: 108, 106). Für ihre Architekturkritik wie für ihre eigenen Gebäude gilt für Venturi et al.: »We shall emphazise image – image over process or form – in asserting that architecture depends in its perception and creation on past experience and emotional association and that these symbols and representational ele-

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ments may often be contradictory to the form, structure, and program with which they combine in the same building«. Einerseits halten sie wegen der von ihnen betonten Bedeutung vergangener, abgelagerter Erfahrungen und tiefsitzender Assoziationen die moderne Überzeugung für verfehlt, man könne, weil man von den Formen der Vergangenheit potenziell frei sei, reinen Tisch machen. Andererseits halten sie entgegen der modernen Bindung der Form an die Funktion die Freiheit der Wahl hoch (»there are areas of free choice«). Diese Freiheit zeigt sich ihnen besonders in der eklektischen Zusammenstellung und der Bezugnahme auf unterschiedliche kulturelle Bilder und Bedeutungsträger. Pop-Images gehören wohl dazu, aber nur unter vielen anderen (ebd.: 64, 88f.; vgl. Moravánszky 2003: 29f.). Bei Jencks läuft genau dieses Programm zuerst unter dem Titel Adhocism. Das Verfahren der ad hoc-Bastelei führt für ihn auf glückliche Weise zu einem wahrhaften »Pluralismus«, zu Kombinationen von vorgegebenen Teilen unterschiedlicher Kulturen und Stile (Jencks/Silver 1972: 29). Die Entscheidung Venturis und seiner Mitstreiter, in ihre architektonischen Entwürfe verschiedene Referenzen aufzunehmen, gefällt Jencks darum im Sinne einer pluralistic society, die aus verschiedenen Subkulturen besteht und in der es keine Beschränkung auf einen Stil oder eine angeblich zeitgemäße Form mehr gibt: »The idea is that in the age of travel and tourism, the age of the ›museum without walls‹, this restriction is no longer relevant and furthermore that in any large city with its plurality of sub-cultures, such limitation is highly paternalistic« (Jencks 1973a: 222). Umgekehrt muss Jencks der puristische Anspruch der Moderne folglich stark missfallen. Noch vor solch einer Abwertung hält er ohnehin die moderne Ansicht, dass bestimmte einfache geometrische Formen eine universelle Bedeutung besäßen, für falsch. Auch die architektonischen Codes entwickelten sich im Gebrauch, in unterschiedlichen Zusammenhängen und bestünden darum aus einer konventionellen, nicht notwendigen, wandelbaren Beziehung zwischen Form, Inhalt und Funktion. Selbst die moderne Standardisierung der Formen vermag Jencks deshalb zu ertragen, wenn er sie auch nicht schätzt. Er hält sie nicht einmal mehr für notwendig im Sinne einer industriellen Massenproduktion, die mit der Herstellung standardisierter Güter auf äußerst ökonomische und rationale Weise endlich den Bedarf der ganzen Bevölkerung deckt. Im zweiten Maschinenzeitalter der kybernetischen Automation und der Steuerung durch flexible Computerprogramme könne der allgemeine Bedarf nun auf viel individuellere Art befriedigt werden. Ertragen kann Jencks die standardisierten Produkte der Massenherstellung dennoch, weil er zumindest theoretisch immer die Möglichkeit einer verfremdenden Aneignung sieht (Jencks/Silver 1972: 82f., 56f., 60). Damit kommt Jencks wieder an einem wichtigen Punkt seiner Argumentation und Bewertung an: Alles kann mit allem kombiniert werden, es gibt keinen festen Zusammenhang zwischen Form und Funktion, lauten hier die mit demokratisch-pluralistischem Grundton vorgebrachten Überzeugungen. Zum Zweiten führt der Widerstand gegen die moderne tabula rasa-Planung notwendigerweise zu einer konservativeren Position, die auf der konventionellen Bedeutung vorgegebener Elemente, auf kulturell etablierten, verständlichen Codes beharrt. Der Zusammenhang zwischen den beiden entscheidenden Punkten liegt in der Annahme, dass Neues immer nur eine Abwandlung oder eine Kombination von Altem sei: »Cliché, or a standardized subsystem,

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is the necessary element for creation since all inventions consist on the reassociation of previous material«, heißt die integrierende Formel. In Spannung stehen die beiden Punkte trotzdem zueinander, weil auch eine unnatürliche, kulturell ausgehandelte, konventionelle Bedeutung in extremer Weise still stehen kann und keineswegs den Kern zu ihrer Änderung und Verfremdung in sich birgt. Deshalb stellt sich Jencks die Frage: »How does one encourage dissociation and recombination? What strategies will prompt people to break up their environment and reconstitute the pieces?« Dass ein solcher Bruch, eine solche ständige Rekombination wünschenswert sei, geht der Frage als Überzeugung bei Jencks bereits voraus (ebd.: 83, 63). Dass der Bruch aber nicht zu tief gehen darf, dass für den Betrachter oder Benutzer sinnvolle, pragmatische Ansätze erhalten bleiben müssen, unterscheidet Jencks von avantgardistischen Vertretern. Was er radical eclecticism nennt, ist aus deren Sicht gerade nicht radikal. Eklektizismus definiert Jencks abwertend als ein sinnloses Durcheinanderwürfeln verschiedenster Stilelemente; der radikale Eklektizismus hingegen besteht für ihn im Bemühen, diesen Elementen, diesen verschiedenen Teilen eine erkennbare Sinnrichtung (semantic justification) zu verleihen. Adhocism wird von ihm in vergleichbarer Weise bestimmt, als Verfahren, die vorgegebenen Teile auf kreative Weise für einen bestimmten Zweck zu vereinigen (1977: 92). Ab Mitte der 70er Jahre stellt Jencks seinen Vorschlag für eine Architektur des pluralen, radikalen Eklektizismus unter dem Titel der »Postmoderne« vor und sieht in ihr zugleich einen vorherrschenden Trend, wie bereits der Titel seiner Ausführungen, The Rise of Post Modern Architecture, deutlich macht (1975: 10ff.). Im Gegensatz zu seinen anderen Begriffsprägungen und Neologismen kann er sich mit dieser Bezeichnung nun durchsetzen; dazu passt natürlich, dass sich seine Diagnose als selbsterfüllende Prophezeiung herausstellt. Die ungeheure Verbreitung, die der Begriff weit über den Bereich der Architektur hinaus erfährt, geht eindeutig von Jencks’ Intervention aus, zu einem kleineren Teil vielleicht auch die Verbreitung und Ausführung entsprechender architektonischer Vorhaben. In seiner Monografie The Language of Post-Modern Architecture aus dem Jahr 1977 definiert Jencks den postmodernen Stil mit großer Wirkung als eine Gestaltungsweise, die verschiedene Bedeutungen, welche unterschiedliche Bauelemente aufweisen, in einer neuen Kombination zu einer multivalent architecture vereinigt. Die Architekten fordert er folgerichtig auf, jene verschiedenen Codes zu erlernen, die unter den diversen Subkulturen innerhalb der Stadt oder des Viertels, in der das Gebäude errichtet werden soll, vorherrschen. Je mehr der Architekt über die regionalen Eigenheiten und über die Art und Weise wisse, in der die örtlichen Teil-Kulturen bestimmte Designformen verstehen und auf sie reagieren, desto souveräner könne er diese Formen einsetzen und encodieren (ebd.: 97). So weit, so bekannt. Im Unterschied zu seinen vorherigen Ausführungen zum Pluralismus und zur ad hoc-Kreativität jedoch legt Jencks die postmoderne Stil- und Codemischung auf genau zwei Bezugssysteme fest. Der postmoderne Pluralismus nach Jencks konzentriert sich einerseits auf die lokalen Vorstellungen und andererseits auf die Ansprüche der Zunft. Wiederum als Arbeits- und Lernprogramm für den Architekten formuliert. »The architect should be trained as a radical schizophrenic [...], always looking two ways with equal clarity: towards the traditional slow-changing codes and par-

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ticular ethnic meanings of a neighbourhood and towards the fast-changing codes of architectural fashion and professionalism« (ebd.). Anders gesagt, empfiehlt Jencks dem Architekten eine »pluralistic language«, eine Sprache, die »traditional and modern elements, vernacular and high art meanings« in sich aufnimmt (ebd.: 96). Was so eindeutig (bzw. zweiseitig) klingt, wird natürlich dadurch enorm kompliziert, dass es nicht nur eine lokale und eine professionelle Stilsprache gibt. Man kann dies allein schon daran erkennen, dass traditionelle und lokale Elemente keineswegs immer übereinkommen, ebenso wenig wie die hohe Kunst gleichbedeutend mit modernen, sich schnell ändernden Elementen ist. Solch eine Gleichung würde nur dann aufgehen, wenn es beispielsweise keine moderne Popkultur gäbe, die auch Teil des städtischen Alltags ist bzw. einen oder mehrere subkulturelle Codes prägt. Jencks trägt dem insofern Rechnung, als er in späteren Auflagen seines Buchs zur postmodernen Architektur den lokalen Code zwar mit dem Begriff Basil Bernsteins als restringierten Code bezeichnet (im Gegensatz zum elaborierten Code der Profession), ihn jedoch ausdrücklich durch eine komplizierte Mischung verschiedener Variablen bestimmt sieht (Herkunft, Alter etc.). Mit dieser Unterscheidung (1991: 106) geht bei Jencks aber weiterhin eine wenig komplizierte Zweiteilung einher. Die Überzeugung, dass es zwei gegensätzliche Codes gebe, dominiert seine postmoderne Konzeption: erstens »a popular, traditional one, which like spoken language is slow-changing, full of clichés and rooted in family life, and, secondly, a Modern one full of neologisms and responding to quick changes in technology, art and fashion as well as the avant-garde of architecture« (ebd.: 107). Das Modell Archigram, also die Adaption modischer Elemente der Popkultur durch professionelle Architekten für DesignEnvironments, wird hier ausgeblendet bzw. ausschließlich auf der zweiten Seite untergebracht, als gehöre Pop gar nicht zur populären Kultur, als müsse man auf der restringierten Seite popular unbedingt mit traditional kurzschließen. Die Schlussfolgerung kann deshalb bei Jencks nur lauten, dass die Kluft zwischen dem populären, lokalen und dem professionellen, modernhochkulturellen Ansatz auch für die zeitgenössische Popkultur unüberwindbar bleibt. Darum bleibt es bei seinem radikalen Eklektizismus, der gewährleisten soll, dass die nach dem postmodernen Stilprinzip errichteten Gebäude von different taste cultures verstanden werden und ihnen Freude bereiten: »Since there is an unbridgeable gap between the élite and popular codes, and since there is no way to abolish this gap without a drastic curtailment in possibilities, it seems desirable that architects recognize the schizophrenia and code their buildings on two levels«, variiert Jencks seine bekannte Formel, um aber die doppelte Codierung im Ergebnis etwas präziser zu umreißen: »Partly this will parallel the ›high‹ and ›low‹ versions of Classical architecture, but it will not be, as that was, a homogeneous language. Rather the double coding will be eclectic and subject to the heterogeneity that makes up any large city« (ebd.). Oder noch genauer, noch einengender: »Post-Modern architecture is ›doubly-coded‹, one half Modern and one half something else (usually traditional building), in its attempt to communicate both with the public and a concerned minority, usually architects« (1980d: 6f.; vgl. Rose 1991: 101ff.).

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In die Richtung einer Pop-Architektur, wie sie Jencks selbst am Beispiel der Independent Group und Archigrams entwickelt hat, geht das nicht mehr. Zwar bestimmt Jencks, dass es zum postmodernen Stil gehöre, Ornamente und Zeichen nicht nur (wie Venturi es wolle) wegen ihrer symbolischen Funktion, sondern auch rein wegen ihrer ästhetischen Qualitäten zu bevorzugen (1991a: 113); zwar ergreift Jencks einige (freilich innerhalb der öffentlichen Debatten ziemlich erfolglose) Vorsichtsmaßnahmen, damit man die Postmoderne nicht mit einem Arsenal historischer Anspielungen verwechselt (1991b: 121) – dennoch reicht das verständlicherweise längst nicht aus, um Pop-Apologeten wie seinen früheren Lehrer Reyner Banham zufrieden zu stellen. Wohl stellt auch Banham den lokalen Bezug weit über eine beliebige Ansammlung historischer Stilelemente (1996b: 253), genau diesen postmodernen Fehler erkennt er jedoch, wenn er die in Jencks’ Buch lobend hervorgehobenen Architektur-Beispiele betrachtet. Angesichts der zweiten Auflage von Jencks’ Buch zur Sprache der postmodernen Architektur äußert sich Banham abfällig zu den präsentierten architektonischen Codes: »the overall effect of the book is one of post-graduate weirdos poncing around among the ruins of ›that old modern architecture‹«; die historischen Anspielungen würden auf eine üble akademisch-ironische Weise erfolgen (»in as erudite and sneering a manner as possible«); als Ergebnis kämen gewöhnliche Gebäude mit überflüssigen, aufgesetzten Verzierungen heraus: »Post-modernism thus exists chiefly as a series of smart graffiti on the bodies of fairly routine modern buildings. It is all outward show and could be removed in most cases, without destroying the utility of the rather ordinary buildings behind the jesting facade« (1978: 1337). Die Bewertung überrascht zumindest insofern, als Banham in seinen Verteidigungen der Popkultur deren Gegenstände gerade nicht daran gemessen hat, ob ihr Design der modernen form follows function-Doktrin gehorcht. Neben Banhams futuristischen Architektur-Prinzipien dürfte deshalb der zweite Grund für seine tiefe Abneigung gegen die postmodernen Akademiker darin liegen, dass er in ihren Fassaden den Pop-Reiz vermisst (vgl. Whiteley 2002: 270ff.). Die Annahme liegt deshalb nahe, weil Banham seit Tom Wolfes Reportage ein bekennender Anhänger der Signale und Reklamen Las Vegas’ ist (Banham 1965c: 25), ohne die Hässlichkeit der Kasino-Bauten, auf die sie verwiesen und von denen sie doch strukturell unabhängig seien, zu übersehen (1978: 1337). Ende der 60er Jahre preist Banham die künstliche Welt Las Vegas’ besonders, stark beeindruckt ihn, dass diese artifizielle Umgebung nicht in der Form steinerner Bauten, sondern durch Lichteffekte geformt wird – »pure environmental power, manifested as coloured light« (1969b: 269). Mitte der 70er Jahre hat sich an der Einstellung nichts geändert. Jetzt erscheint ihm sogar das plakative historistische Dekor bemerkenswert, trotz aller Bedenken. Zwar ist etwa, wie Banham schreibt, Caesar’s Palace in Las Vegas »far from being my favourite along the Strip (though it has many fans among high-art pop-fanciers) and its detailing is nearly always pretentiously wrong-headed and Mickey-Mousical«, dennoch kann er sich seinem wiederholten starken Reiz keineswegs entziehen: »it does have a sumptuous air of nouveau riche dissipation and fat-city pleasures, of stern middle class morality coming apart at the seams, that hits you again and again« (1996: 202).

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Die gewisse Vulgarität dürfte hier zu der Anziehung, die Banham verspürt, nicht unwesentlich beitragen. Man erkennt dies auf anderer Ebene sehr deutlich daran, dass Banham schon Bedenken hat, wenn ein Pop artefact wie Las Vegas in akademische Begriffe und Präsentationsformen gefasst wird. Zweifelhaft erscheint ihm bereits Tom Wolfes Darstellung von Las Vegas; nicht Wolfes Beschreibung und Zelebrierung der Lichtzeichen, wohl aber dessen Vergleiche mit Klassikern der Moderne. In noch stärkerem Maße trifft das Bedenken Banhams folglich Venturis Learning from Las Vegas. Banham missfällt es, wenn Maßstäbe der etablierten Kunst an die Pop-Gegenstände angelegt werden (oder Bezüge zu Exponenten wie Joyce oder Mondrian hergestellt werden), als brauche man diese, um den Rang der Pop-Objekte zu erhöhen. Banham missfällt ebenfalls die Aufbereitung von Pop-Gegenständen in kunsthistorischen Organen und die Überführung einzelner, aus ihrem PopRahmen herausgelöster Elemente in den Zusammenhang moderner Kunst und Architektur. Er befürchtet, dass dadurch zu stark vermittelte, gebrochene Formen und Anschauungen von Pop entstünden. Dagegen setzt er auf die eindrucksvolle Kraft der Pop-Images selbst, ungeachtet akademischer Referenzen, vor ihrer Verkleinerung aufs Buchformat (1975: 79f., 82). Darum blickt Banham zum einen zurück auf die Zeit, als Las Vegas noch nicht Gegenstand intellektueller Betrachtungen war. »The Las Vegas environment then«, merkt Banham zum Jahrzehnt vor 1965 an, »was a classic Pop artefact, as that term had come to be understood by the end of the fifties – an expendable dream that money could just about buy, designed for immediate point-of-sale impact, outside the canons of Fine Art. But it was also an unmediated image, still contained within the matrix of Pop culture and impinging on nothing else« (ebd.: 78). Nun, nach den Einordnungen von Wolfe, Venturi (und von ihm selbst), sieht Banham die unvermittelte Kraft der Popkultur aber trotzdem noch nicht domestiziert; zumindest hält er weiter daran fest, die Pop-Gegenstände außerhalb ihrer Aneignung durch eine moderne bzw. postmoderne Pop-art als Vorbild hinzustellen. Pathetisch gesagt: »High above our bent and scholarly heads as we pore over our book-learning, tower the glittering images of the popular arts, like the signs along Las Vegas strip« (ebd.: 82). Angesichts dieses Maßstabs versteht man leicht, weshalb Banham mit der postmodernen Architekturkonzeption von Charles Jencks wenig anfangen kann. Während Jencks überzeugt ist, dass die Kluft zwischen populärer und intellektueller Kultur unüberwindlich ist, und darum für einen doppelt codierten Stil eintritt, um beiden Lagern in einem Bauwerk etwas zu bieten, stellt Banham den Abstand heraus, um die Popkultur als Richtung ganz eigenen Rechts hervorzuheben. Die Annahme, es gebe eine entscheidende Kluft zwischen hoher und populärer Kultur, eint Banham und Jencks, sie ziehen daraus aber unterschiedliche Konsequenzen. Banham bejaht die technologisch avancierte, modische Popkultur an sich, Jencks hingegen plädiert für einen postmodernen Kompromiss, der nicht in einer Synthese besteht, sondern in einem eklektizistischen, pluralen, zweigeteilten Design.

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Postmoderne Grenzüberschreitung Es gibt allerdings auch einen Ansatz, der Banham besser gefallen dürfte und trotzdem unter dem postmodernen Titel läuft. Wir haben ihn bereits bei den Diskussionen um die deutsche Pop-Literatur kennen gelernt, es handelt sich um Leslie Fiedlers Plädoyer für eine Literatur, die mit dem Ernst und der Intellektualität der modernen Dichtung bricht. Fiedler publiziert seinen zuerst 1968 in der deutschen Wochenzeitung Christ und Welt veröffentlichten Aufsatz mit einigen kleineren Änderungen 1969 im amerikanischen Playboy. Der provokative Essay beginnt gleich mit dem für einen Literatur-Professor höchst ungewöhnlichen Schritt, den modernen Roman eines Proust, Joyce und Thomas Mann mit spöttischem Nachdruck zu verabschieden (1969: 151, 230). Den angeblichen Tod der Klassiker der modernen Avantgarde stellt Fiedler bereits seit 1964 fest (Fiedler 1972). Mitte der 60er Jahre begeistert er sich vor allem für ein wichtiges Genre der Pop Culture, die Science-FictionErzählung, und besonders für deren Adaption durch Autoren wie Anthony Burgess und William Burroughs. Eine solche post-Modernist literature, wie Fiedler sie an einer Stelle nebenbei benennt, steht für ihn in direktem Zusammenhang mit den neuen libertären, jugendlichen, antipuritanischen, antihumanistischen (post-human) Ausdrucksformen der »Porno-Politik«, des Camp, der Auflösung der Geschlechterstereotype, der u.a. durch Drogen angeleiteten Erforschung des »inneren Raumes« (Fiedler 1965; kritisch dazu im Namen des modernism Kermode 1966: 73f.; vgl. Milich 1998: 184ff.). Ende der 60er Jahre bündelt Fiedler dann seine ästhetischen und kulturellen Vorlieben in dem nun programmatisch ausgewiesenen Aufruf, postmodern fiction and verse zu schaffen. Als Beispiele für eine Literatur, die mit der Ernsthaftigkeit und dem erneuerten Akademismus der modernen Literatur bricht, bietet Fiedler neben Burroughs nun Schriftsteller wie Norman Mailer, Terry Southern und Philip Roth auf, weil diese in seiner Sicht erfolgreich an die populären Genres der Pornografie, des Western und der Science Fiction anschließen. Wie später Charles Jencks entwirft Fiedler demnach die postmoderne Kultur als eine Kultur, die gleichermaßen über den Bereich der populären und der akademischen, modern-intellektuellen Kultur hinausgeht. Im Unterschied zu Jencks geht Fiedler aber gerade nicht von einer unüberbrückbaren Lücke zwischen élite and popular codes (Jencks 1991: 107) aus. Sein frühes Programm der Postmoderne läuft vielmehr 1969 im Playboy unter dem Titel Cross the Border, Close the Gap. Das Stilprinzip seiner Postmoderne besteht darum nicht (wie bei Jencks) in der doppelten Kodierung, in einem eklektizistischen Pluralismus, sondern in einer speziellen Form der Synthese bzw. der Bezugnahme. Fiedlers erklärtes Anliegen ist es, die Lücke zwischen hoher und niedriger Kultur, zwischen belles-lettres und pop art zu schließen, die überkommenen Grenzen und Unterscheidungen sollen nachhaltig zerstört werden. Um das Ziel zu erreichen, scheint Fiedler eine Art der Synthese besonders aussichtsreich, eine Abwandlung und Bearbeitung des Ausgangsmaterials, die von beiden Seiten aus vorgenommen werden kann. Genau gesagt, schlägt Fiedler zum einen die Travestie der klassischen Kunst vor, zum anderen die Abwandlung und Neuaneignung von populären Genres wie vor allem Western, Science Fiction und Pornografie; die postmoderne, allseitige Grenzverletzung erreiche man »by parody or exaggeration of the classic past, as well

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as by the adaption and camping of pop forms«. Vorbildlich durchgeführt werde das Programm u.a. von jenen jüngeren Schriftstellern, die die von der Presse mythologisierten Personen des öffentlichen Lebens bzw. der pop history (John F. Kennedy, Stalin, Marilyn Monroe) oder fiktive Gestalten (der Lone Ranger, Frankenstein) mit weiterem, sekundärem Leben versehen (1969: 252, 256f.). In direkter Anlehnung an Fiedler streicht etwa der junge deutsche Autor Rolf Dieter Brinkmann 1969 als positives Merkmal der »›Postmoderne‹« heraus, mit den herkömmlichen kulturellen Ansprüchen zu brechen; auffällig und attraktiv ist für ihn vor allem der »Comic-Charakter« vieler Gedichte seiner amerikanischen Kollegen (1969b: 14). Mit der Aufforderung, die Grenze zwischen hoher Kunst und Popkultur auszulöschen, trifft Fiedler also tatsächlich bei einem Teil der Künstler auf eine beachtliche Zustimmung bzw. bringt er etwas auf einen Begriff, das er an vielen Stellen beobachten kann. Zeitdiagnostischen Ehrgeiz beweist der Philologe Fiedler – über das versuchte poetologische Diktat hinaus – aber ebenfalls noch, indem er mit dem Argument der Angemessenheit operiert. Eine Massengesellschaft, welche die Spaltung der alten Klassengesellschaft überwunden habe, verlangt in seiner Sicht geradezu nach dem Modell einer Kultur, die gleich eine ganze Reihe an Gegensätzen einebnet. Sein Entdifferenzierungsprogramm, das er unter den Titel der Postmoderne stellt, präsentiert er folglich als äußerst zeitgemäßes (also modernes) Anliegen. Unter den Begriff des postmodernism fällt für Fiedler Ende der 60er Jahre bereits eine ganze Reihe an Bestrebungen innerhalb der amerikanischen Kultur, nach seiner Auffassung vorangebracht vor allem durch das junge Publikum und (neben Literaten wie Ken Kesey) durch Musiker wie John Lennon und Bob Dylan. Fiedler braucht sich deshalb keineswegs als Utopist verstehen, wenn er im Laufe seines Essays sein postmodernes Prinzip in einer Vielzahl von Formulierungen variiert und energisch darauf dringt, die Kluft zwischen Elite- und Massenkultur ebenso zu überbrücken wie die Kluft zwischen der Kunst unterschiedlicher Klassen und Generationen, zwischen Erwachsenen- und Jugendliteratur, Kritikern und Publikum, Profis und Amateuren, dem Wirklichen und dem Mythischen (ebd.: 254ff.; am Beispiel des Lieds und der Poesie: Fiedler 1971). Andererseits ist Fiedler jedoch Literaturprofessor genug, um sein Anliegen einer postmodernen Kultur vornehmlich an literarischen Beispielen vorzustellen. Dadurch begibt er sich in Schwierigkeiten. Im Gegensatz zur bildenden Kunst, zum Film und zur Rockmusik gibt es in den 70er Jahren wenig Beispiele für die von Fiedler angestrebte Vermischung von Popformen und schöner Literatur – und noch weniger kritische Aufmerksamkeit für solche Projekte. Fiedler reagiert darauf, indem er angriffslustig wieder sein älteres Anliegen verfolgt, das unabhängig von postmoderner Adaption und CampÜberformung die populäre Literatur in den Mittelpunkt stellt. Scharf verurteilt er die, wie er meint, schulmeisterlichen Versuche, alle Genreliteratur, die eine starke Wirkung bei vielen Lesern hervorruft (von den sentimentalen Geschichten bis hin zur Pornografie), aus dem Reich der Kunst zu verbannen. Wenn er herausstellt, dass zu den modernen Maßstäben der hohen Kunst Dunkelheit, hohe Verdichtung, Hermetik, Ironie gehörten, dann führt er das nur an, um gegen diese Kriterien literarischer Qualität Einspruch zu erheben. Mit dem Mut des Außenseiters richtet er sich gegen die schulische und vor allem universitäre Praxis, jene Titel, die auf dem Markt erfolgreich sind, aus

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den Klassenräumen und Bibliotheken zu verbannen. Aufgenommen wissen möchte Fiedler aus dem Bereich der populären Literatur besonders alle verwirrend aufregenden Bücher, die sich wenig um ästhetische oder moralische Ansprüche kümmern, sondern seinem Richtmaß der ‘Ecstatics’ genügen (1975: 29, 37ff.). Solch eine Ausrichtung hat ihn auch bereits bei der Forderung nach einer postmodernen Literatur angetrieben, in der Hinsicht gibt es zwischen seiner Hochwertung der postmodernen und der Popkultur keinen Unterschied. Dennoch ist auf kürzere wie längere Sicht Fiedlers Postmoderne-Projekt größerer Erfolg beschieden, wenn auch nicht auf dem Gebiet der Literatur und wenn auch nicht unbedingt durch die Verfahrensweisen, die er vorschlägt (»exaggeration of the classic past«, »camping of pop forms«). Insgesamt gesehen trägt Fiedlers Postmoderne-Vorschlag aber schon deshalb weit, weil er, ohne das dies von Fiedler ausgewiesen würde, innerhalb der Pop-Debatte auf eine ganze Reihe Vorgänger zurückgreifen kann. Ein Indiz für eine solche kurze, aber bedeutende Tradition ist die bereits zitierte Gleichsetzung von Pop mit Postmoderne durch die Zeitschrift Design aus dem Februar 1968 (HughesStanton 1968: 42). Noch viel wichtiger und aussagekräftiger sind jedoch die zahlreichen Variationen der Postmoderne-Formeln in früherem Zusammenhang, bevor sie von Fiedler und Jencks auf den Begriff gebracht werden. In den Diskussionen um Popkultur und Rockmusik findet man bereits alle entscheidenden Bestandteile der ästhetischen und poetologischen PostmoderneBestimmung wie Eklektizismus, Doppelkodierung, pluralistischer Rückbezug, grenzüberschreitende Synthese angesprochen – eine Postmoderne avant la lettre.

Postmoderne Vorzeichen I: Pop-art Legt man Leslie Fiedlers Definition zugrunde, der postmoderne Stil bestehe u.a. in der Adaption von Pop-Formen, sind Pop-art und Postmoderne direkt miteinander verwandt. Schließlich ist das genau die Beschreibung der Popart, die man in den 60er Jahren und darüber hinaus am häufigsten antrifft: Pop-art als Kunstrichtung, die eine Neurahmung von Gegenständen der zeitgenössischen Massen- und Popkultur vornimmt. Diese Bestimmung bleibt nicht auf die bildende Kunst beschränkt; im Bereich der Architektur spricht z.B. Charles Jencks (1969: 67f.) von einem Pop-Ansatz, wenn gesammelte bzw. gestohlene, entlehnte Elemente der gängigen Pop iconography in Stadtund Baupläne aufgenommen werden. Auch Fiedlers zweiter Hinweis – postmodern sei der Bezug auf Pop-Formen im Modus des Camp (»adaption and camping of pop forms«) – ändert an der äußerst nahen Verwandtschaft von Pop-art und Postmoderne-Konzeption wenig, weil die Nähe von Camp und Pop-art zwar nicht genauso häufig, aber doch immerhin zu dem Zeitpunkt bereits oft herausgestrichen worden ist. Ein weiterer ausgezeichneter Beleg für Fiedlers Rekurs auf die Pop-artFeuilletons ist der Titel und Slogan seines Postmoderne-Essays, Close the Border, Cross the Gap. Genau diese Formel findet man nicht selten in Stellungnahmen zur Pop-art, wenn betont wird, dass die Verwendung von Gegenständen der Pop-Wirklichkeit die moderne Kunst nach der Phase der Abstraktion wieder mit dem Alltag und dem Alltagsverstand des breiten Publi-

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kums verbinde. Historisch gesehen, bildet die Formel eine Pop-Variante des avantgardistischen Anspruchs, die Differenz von Kunst und Leben aufzulösen. Mario Amaya etwa stellt in seiner frühen Pop-art-Monografie aus dem Jahre 1965 heraus, dass die Kunst sich in den letzten Jahrzehnten als Institution ganz entgegen der avantgardistischen Absichten stark vom Leben abgetrennt habe (»art has become separated, divorced from life, something special for the walls of an institution and only to be visited on rare occasions«), mit der Pop-art hingegen die Kluft überwunden werde: »It is only when a group of artists actually use the popular culture itself as straight source material, and thus directly accept its visual existence, that the old division between ›popular‹ and ›fine‹ art must be questioned.« Gerade da die Pop-Artisten – weil sie mit vorgefertigtem Material arbeiteten – sich in der Lücke zwischen Leben und Kunst bewegten, wie Amaya mit Robert Rauschenberg sagt (»work in a no-man’s-land they call the ›gap‹ between life and art«), seien sie imstande, herkömmliche Trennungen und Unterschiede wie die zwischen hoher, angewandter und industriell produzierter Kunst zu beseitigen (1965: 15ff., 21). Selbst innerhalb der vorherrschenden Gruppe der Pop-art-Theoretiker, die stets darauf hinweisen, dass der ›Gebrauch‹ der Pop-Objekte durch die Pop-art sie ihres eigentlichen Zwecks (ihrer functional reality) beraube, ist man zumindest kunstintern von der Grenzüberschreitung der Pop-art überzeugt. Lichtenstein und Warhol zählten zur »avant-garde of applied aesthetics in the art world«, merkt etwa Harold Rosenberg an und zieht daraus den Schluss, dass die Pop-art in der modernen Kunst eine Richtung bilde, die den Abstand zwischen ›high‹ and ›low‹ schließe und überlagere (1997: 182). Susan Sontag hingegen betrachtet verschiedene Richtungen der modernen Kunst (neben der Pop-art etwa der Nouveau Roman oder die aleatorische Musik) als Grund dafür, weshalb man die Grenze zwischen Kunst und NichtKunst, aber auch zwischen »high« and »low« (or »mass« or »popular«) culture nicht mehr aufrechterhalten könne. Weil einerseits die populäre Kultur oftmals wegen ihrer Standardisierung und technisch reproduzierten Anonymität abgewertet werde, andererseits aber nun die moderne Avantgarde das individuelle, persönliche Gepräge des Werks ausdrücklich ablehne und vereitle, sei von der Warte aus kein Unterschied mehr festzustellen (1982e: 346). Sontag weist noch auf eine zweite modern-avantgardistische Entwertung bürgerlicher Kunstideale hin, um damit zugleich zu zeigen, dass dadurch ein weiterer traditioneller Anklagepunkt gegen die Massenkultur entfällt. Gegen die Forderung, Kunst müsse inhaltlich erbauend und sinnstiftend wirken, setzt sie den Anspruch, dass die Kunst unsere Sinneswahrnehmungen anleiten und zu einem Vergnügen an der Form, am Stil führen sollte (ebd.: 353). Mit der abverlangten Bindung des (zudem recht unsinnlich bzw. moderat angesetzten) Vergnügens an stilistische Reize bleibt Sontag jedoch letztlich stark jener Doktrin des interesselosen Wohlgefallens verhaftet, mit der die Rezeption populärer, allgemein aufreizender, anstachelnder Werke zuverlässig als unästhetisch diskreditiert worden ist. In dem Punkt führte bereits neben der futuristischen, dadaistischen und surrealistischen Schock- oder Intensitätsästhetik auf dem Gebiet der Popkultur vor allem der Ansatz der Independent Group weiter. Deren Doktrin eines »fine/pop-art-Kontinuums« schließt nicht allein die Massengüter in das Feld der Kultur und Kommunikation (auf einer Ebene mit der klassischen und

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modernen Kunst) ein (Alloway 1958; 1988), sondern versteht sich ebenfalls ausdrücklich als Alternative zum Ideal einer desinteressierten ästhetischen Kontemplation, die in Distanz zum »übrigen Leben« steht (Alloway 1992a; Hamilton 1965: 3). Da aber auch Sontags Konzept einer einheitlichen sensibility noch in genügend unterscheidbarem Kontrast zur traditionellen Abtrennung der hohen von der niederen Kultur steht, weisen sogar Vertreter des Pop-Populismus mit einiger Begeisterung auf die vergleichsweise elitäre Sontag hin; wie Marshall McLuhan fordere sie die »alten Grenzen« von »high and low« stark heraus, glaubt Russel B. Nye, der erste Vorsitzende der amerikanischen Popular Culture Association, mit einer Formulierung, die nicht erst seit Leslie Fiedler zur Standardphrase gehört (cross the border). Was bei Fiedler freilich als Grundzug postmoderner Kultur firmiert, führt Nye an, um die gegenwärtige Neubewertung der populären Kultur zu begründen (1972: 15, 14). Gleiches gilt für Fiedlers Aufforderung, zwischen verschiedensten noch abgegrenzten Bereichen die Gräben zu schließen und die Lücken zu überwinden (close the gap). Gilt sie ihm als postmoderner Imperativ, der darauf zielt, u.a. die hergebrachten Genres der Popkultur modern oder hochkulturell anzueignen und zu überformen, benutzen andere sie nicht nur, um die Pop-art zu charakterisieren. Zur gleichen Zeit, als Fiedler sein Konzept des Postmodernismus publiziert, kann man bei George Melly nachlesen, dass man pop culture am besten als gap between art and life definieren könne (1983: 138). Wenn Fiedler mit der postmodernen Adaption von pop forms dazu beitragen möchte, die Kluft zwischen Kritikern und Publikum, professionellen Künstlern und Amateuren etc. zu überwinden, kommt nach Auffassung Mellys das avantgardistische Diffusionsprogramm bereits durch die Popkultur selbst ihrer Verwirklichung nahe. Worin bestehen aber nun, eine ganze Zeit vor ihrer postmodernen Umformulierung, die Auflösungs- und Vereinigungsverfahren, durch die bereits im Pop-Bereich die angestrebten Grenzüberschreitungen möglich werden? Die ersten Antworten darauf entstammen Überlegungen zur Pop-art und Nouvelle Vague, darum sind sie ein weiterer Beleg für die Nähe von Pop-art (im weiteren Sinne) und Postmoderne (im Sinne Jencks’ und Fiedlers), aber keineswegs umstandslos zur Nähe von Pop und Postmoderne. Susan Sontag etwa spricht angesichts von Jean-Luc Godards Filmen von einem framework, das Godard den Genrekonventionen Hollywoods entnehme, um es teils antinarrativ auszuhöhlen, teils zu benutzen, um seine im Vergleich zum populären Kino ganz anders gearteten Sequenzen und Montagen so unterzubringen, dass sie nicht nur ein äußerst kleines Kunstpublikum erreichen: »By adapting familiar, second-hand, vulgar materials – popular myths of action and sexual glamour – Godard gains a considerable freedom to ›abstract‹ without losing the possibility of a commercial theater audience« (1968b: 292). Hinsichtlich der bildenden Kunst der 60er Jahre bestimmt Leo Steinberg den Rahmen der Malerei neu als »flatbed picture plane«; sie breche mit der Konvention des Bildes als ein an die Wand gehängtes Gemälde, das eine vertikale Betrachtung von oben nach unten bedinge, die dem aufrecht stehenden Menschen entspreche. Die neuen Bilder (z.B. Robert Rauschenbergs) würden stattdessen »opaque flatbed horizontals« simulieren; man bräuchte sie deshalb nicht mehr aufhängen, sondern könnte sie einfach auf den Boden oder einen Tisch legen, genau wie eine Zeitung oder eine Karte: »The flatbed pic-

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ture plane makes its symbolic allusion to hard surfaces such as tabletops, studio floors, charts, bulletin boards – any receptor surface on which objects are cattered, on which data is entered, on which information may be received, printed, impressed – whether coherently or in confusion.« In Analogie dazu wird die Leinwand dann zu einer Oberfläche, auf der alles Mögliche versammelt werden kann, das sonst in der Kunst fein säuberlich getrennt oder als unkünstlerischer Gegenstand von vornherein ausgeschlossen worden ist (1972: 84, 88); sogar das als hoch oder niedrig Klassifizierte kann sich demnach auf einmal nebeneinander finden. Auch George Melly selbst gibt eine Antwort, die gleichfalls den vorgängigen Unterschied von Pop und Kunst benötigt, um Annäherungen sichtbar zu machen. Für Melly ermöglicht es Pop auf verschiedene Weise, die Kluft zwischen dem Elfenbeinturm der Kunst und der Straße bzw. dem täglichen Leben zu überbrücken; allerdings sieht er die Kunst im zweiten Schritt dann ebenfalls in Dingen des täglichen Gebrauchs am Werk: »What pop has so far achieved is the means of looking about us without deliberately locking up our cultural responses. It has helped the artist or writer to come to terms with his daily environment, and to use it, if he wants, as his material. But the importance of this bridge between art and life goes further than providing the means for the artist of leaving his ivory tower to pay a visit to the supermarket. The traffic is two-way. Pop culture has not only introduced contemporary life to art but also kicked art out into the streets to fend for itself. Not only have the supermarket and record store become places of a certain fantasy, but posters, typography, clothes, objects, etc. have grown increasingly inventive while remaining widely acceptable.« (1983: 8)

Rolf Dieter Brinkmann feiert entsprechend das Bemühen, »die Literatur zu popularisieren, die Kluft zwischen ›hohen Kulturleistungen‹ für eine kleine Elite und ›niederen‹ Unterhaltungsprodukten zu verringern« (1969b: 22). Poesie setzt er deshalb weitgehend mit der Verzeichnung von Alltagsbeobachtungen und der »Hereinnahme« von alltäglichem »Abfall« und »Reizmaterial« gleich (ebd.: 16; 1983: 393). Im Rahmen bestehender Werkkunst mit ihrer Trennung von professionellen Autoren und einem bloß rezipierenden Publikum reicht es ihm allerdings auch schon, wenn Gedichtrezitationen mit Light-Shows und Rock-Musik kombiniert werden, um dem Ziel, die Literatur weiter zugänglich zu machen, näher zu kommen (1969b: 22). Als Bedingung für solche Mischformen gilt vielen, dass sie zumindest nicht von den bestehenden Institutionen durchgeführt werden. In Deutschland widert etwa Botho Strauß die »Anbiederung der obszönen Kultiviertheit unserer Schauspiel-Paläste an die Pornographie der Subkultur« an; die Versuche der staatlichen Theater, ihre Aufführungen durch Popmusik, Lichteffekte etc. auf die Höhe der neuen »Sensibilität« zu befördern, bringe lediglich weiterhin die »mittlere Mehrzweck-Emphase« nach den »Erfordernissen eines pluralistischen Spielplans« zur Geltung (1970: 66f.). Nach der radikalen Logik muss auch für die Pop-Anhänger der Überbrückungs- und Vereinigungsprogramme das zwingende Kriterium sein, dass ihre Vermischungen nicht ein ausgewogenes oder mittelmäßiges Ergebnis liefern. Das gilt aber selbstverständlich ebenfalls für jene Vertreter, die von der experimentellen Seite her die Grenzüberschreitung betreiben. Ihre Annähe-

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rung an die Popkultur darf nicht zu einer weitgehenden Aufgabe der Komplexität und Differenziertheit ihrer Werke führen, lautet hier die Anforderung. Konrad Böhmer z.B. ist darum der Überzeugung, dass »der Einbruch des Pop in die elektronische Musik und der der Technik in die Pop-Musik nur dann sinnvoll und keine Effekthascherei ist, wenn beide danach trachten, den Unterschied von niederer und höherer Musik aufzuheben« (1968: 170), und nicht einfach eine Anpassung der experimentellen elektronischen Musik an die Pop-Musik stattfindet, so dass nur Werke übrig blieben, deren gewohntem Pop-Format bloß einige neue Klangeffekte hinzugefügt worden wären. Vor Fiedlers Erklärung der Postmoderne und seiner Aufforderung, einerseits die klassischen Werke burlesk abzuwandeln und andererseits die PopFormen von Seiten der (ehemaligen) Hochkultur aus anzueignen, gibt es also bereits neben den Adaptionen massenkultureller Güter durch Pop-art und Camp das Programm, zwischen experimentellen modernen Richtungen und Pop-Genres einen Austausch herzustellen. Genau wie bei Fiedler liegt bei Böhmer ein zweiseitiger Ansatz vor; es geht Böhmer nach eigenem Bekunden nicht allein darum, die Popmusik mit den Mitteln der zeitgenössischen Avantgarde zu verändern (zu verbessern), sondern darum, dass von beiden Seiten aus der Versuch unternommen wird, die Trennlinie, die noch zwischen ihnen besteht, auszulöschen. Im Unterschied zu Fiedler, der sein postmodernes Projekt vornehmlich von der Warte der Popkultur her angeht, ist bei Böhmer allerdings deutlich zu spüren, dass ihm jene moderne Avantgarde, an der er Komplexität und Differenziertheit schätzt, stärker am Herzen liegt.

Postmoderne Vorzeichen II: Rock-Eklektizismus Ein hervorragendes Beispiel für einen gelungenen Wechselbezug von Pop und experimenteller Moderne bieten für viele Beobachter die Platten der Mothers of Invention um 1968. Sally Kempton etwa beschreibt in der Village Voice das Album Lumpy Gravy als ein »instrumental piece, framed at the beginning and end with cocktail music, and interspersed with quiet, hollow, surreal voices talking behind a continuous hum of resonating piano strings«, und stellt zudem Anklänge an Bartok und Charles Ives fest. Dass es sich bei Frank Zappa um einen »seriösen Komponisten« handelt, steht nach diesen Ausführungen natürlich fest (Kempton 2005). Mit Zappas Mothers of Invention verbindet sich deshalb leicht die vertraute modern-avantgardistische Annahme, durch die Durchkreuzung feststehender Hörgewohnheiten könnten demokratisch-anarchistische Wirkungen erzielt werden – »that pop music can contest the prevailing organisation of life in our society not so much through what it says (ie ›Let’s Loot The Supermarket‹) but through how it says it (the Mothers of Invention and Love frustrating our expectations of what a disc should be)«, wie Dave Laing hofft (1969: 182f.). Selbst im unpolitischeren Rolling Stone vermerkt man 1968 positiv, dass die Mothers die Beatles sowohl musikalisch als auch ideologisch herausforderten. Die Lobestitel, mit denen Zappa hier bedacht wird, entspringen allerdings einem traditionelleren Wortschatz; Zappa sei ein Genie, ein großer Schöpfer, seine Montagen (»Speech, music, and sounds are all collaged together in bits of all sizes and shapes«) lieferten eine meisterliche »integration of

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vastly differing types of music« (Hansen 1971); insgesamt ergebe sich aus den vielen Stücken eine »Einheit« (Dubro 1971). Dem Originalgenie Frank Zappa huldigt zur gleichen Zeit ebenfalls die Village Voice, wenn sie in der »stilistischen Alchemie« von Zappas Kompositionen letztlich doch immer seine persönliche Handschrift sicher zu erkennen meint. In anderer Hinsicht bricht sie jedoch das Lob der Einheit zumindest insofern auf, als sie Zappa nicht nur als ernsthaften Komponisten, sondern vor allem als einen Ironiker kennzeichnet, der zu allem (also auch zu den Einheitsvorstellungen und zu dem Versuch, die Popmusik experimentell zu subvertieren) auf Distanz bleibt: »Zappa’s is the sort of irony which arises from an immense self-consciousness, a distrust of one’s own seriousness.« Einheitlich wirkt die Ironie deshalb wiederum, weil ausnahmslos alle Montageteile, alle Referenzen Zappas von ihr erfasst werden – zumindest wenn man der Einschätzung der Village Voice folgt, die Zappas parodistischen Zugriff gleichmäßig an jeweils einem berühmten Beispiel aus der gemeinhin als ernst bzw. hoch und der als unterhaltend bzw. niedrig klassifizierten Musik belegt: »Irony permeates his music, which is riddled with parodies of Charles Ives and Guy Lombardo, of Bartók and the Penguins and Bo Diddley and Ravel« (Kempton 2005: 211). Interessant ist daran, dass Kempton nicht nur Zappas Anklänge an die Popmusik, sondern auch die Bezüge zu »seriösen« Komponisten des 20. Jahrhunderts als Parodien auffasst. Dies ist eine Auffassung, die Leslie Fiedler sicherlich gefallen hätte, weil mit ihr eine nivellierende Vorgehensweise (die unterstellte gleichmäßige ironische Behandlung von Stücken der E- und U-Musik) einen hohen Rang eingeräumt bekommt (Zappa als »serious composer«). Üblicherweise läuft das in der Rock-Kritik anders; dort stellt man einerseits Zappas Verpflichtung auf Strömungen der zeitgenössischen experimentellen Musik anerkennend heraus und reserviert andererseits den Titel »Parodie« für Zappas zahlreiche Nachahmungen von Doo Wop- und Rock ’n’ Roll-Schlagern. Selbst Fiedler macht dabei keine Ausnahme, wenn er die Musik der Mothers einfach als »deliberate parody of pop« charakterisiert (1969: 256). Das Urteil, es handle sich um ironische Wiederaufnahmen, dürfte aber eher auf die Annahme der Rezensenten zurückgehen, die Stücke der Penguins, der Moonglows etc. seien unmöglich ernstzunehmen. Mit Zappas eigenem Urteil deckt sich das nämlich keineswegs, wie man seinen äußerst positiven, ausführlichen Erinnerungen an die Musik seiner Jugendzeit Ende der 50er Jahre entnehmen kann, die nur in Bezug auf die Texte der Stücke von einem Camp-Vergnügen geprägt sind (Zappa 1970). Wichtig ist dieser Punkt, weil er am Ende der 60er Jahre ziemlich rasch mehr als nur eine private Reminiszenz an die Tage verlorener Jugend darstellt. Nach kaum einem Jahrzehnt seiner Geschichte verliert der Rock ’n’ Roll bereits insofern seine Unschuld bzw. seine ewig erneuerte Gegenwart, als er ein Revival erlebt. Die intensive Beschäftigung mit der Vergangenheit, die in Teilen der Szene um sich greift, stellt einen deutlichen Affront gegenüber jenen Rock-Anhängern dar, die ihre Musik auch deshalb als progressiv empfinden, weil sie glauben, dass sie ihrer Zeit verbunden und sogar voraus ist – und sein muss (Levin 1971: 267). Postmodern im Sinne von Jencks’ späterem Programm der Doppelkodierung argumentiert die Oldies-Fraktion allerdings beileibe nicht, wenn sie auf die geschichtliche Bedeutung der verschiedenen Richtungen des Rock aus der zweiten Hälfte der 50er verweist,

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deren Klassiker man in der Gegenwart wieder hören sollte (Marcus 1971a). Sehr gut kann man den Abstand zu einer möglichen postmodernen Fassung des Revivals an Greil Marcus’ Urteil erkennen, die Adaption von Doo WopStücken auf Zappas LP Cruising with Ruben and The Jets sei sehr gut gelungen, wenn man von einigen zu modernen Spielweisen absehe (Marcus 1971b). Eine ironische Distanzierung oder Einebnung herkömmlicher Genreund Wertunterschiede, die aus der Vermischung oder Aneinanderreihung von Altem und Neuerem entsteht, liegt solcher Nostalgie fern. Daran gemessen, führt das Lob Zappas als eines Komponisten der Montage schon wesentlich näher an Jencks’ Postmoderne heran; allerdings sorgen die Hinweise auf eine Vereinheitlichung der zitierten Elemente auch hier für einen Unterschied. Verlässt man aber die Debatten über den Status von Zappas Kompositionen, herrscht an Überlegungen, die Jencks’ und Fiedlers Auffassungen genau vorwegnehmen, überhaupt kein Mangel. Was den beiden je auf ihre Weise als wichtigstes Merkmal und bedeutendste Leistung des postmodernen Stils gilt, wird bereits in der zweiten Hälfte der 60er Jahre häufig als Charakteristikum der Rockmusik herausgestellt, das gilt nicht nur für die Albumcover, sondern gerade für die Musik (vgl. Frith/Horne 1987: 107f.). Beschreibungen des Eklektizismus der Beatles sind Legion; immer wieder wird mit Blick auf Sergeant Pepper die gelungene Kombination von Beat-Rhythmen mit Avantgarde-Entlehnungen (Peyser 1969) oder der Mix unterschiedlichster Songs (Goldman 1982: 359) bzw. »scheinbar unvereinbarer Assoziationen« betont (Schmidt-Joos 1968: 14). Das behauptet man nicht nur für die Beatles, sondern für weite Bereiche der Rock-Musik; für den frühen Raga-Rock der Byrds, aber auch die spätere gesamte Entwicklung nach 1966; »Etiketten wie Liverpool, Greenwich Village oder San Francisco« seien bedeutungslos geworden, der »Verschmelzungsprozeß« schließe Beat, Blues, Barock, elektronische Musik etc. ein (ebd.: 15). In Einzelfällen kann man den Vorgang auch auf Seiten der Kritik selbst beobachten; »In rock, anything goes«, stellt Stuart Mitchner in Partisan Review fest und bezieht den Ausspruch u.a. auf Richard Meltzers Aesthetic of Rock: »his writing can mimic rock by being exactly as he describes it – ›wantonly eclectic‹. If Bob Dylan can put Ezra Pound and T.S. Eliot on Desolation Row, Meltzer can put Teilhard de Chardin in the same context with ›What’s New Pussycat‹ and then mate ›Too Much Tequila‹ with Quine and William James« (1970: 205). Robert Christgau nennt noch zahlreiche andere solcher Kombinationen, die er unter den Titel semipopular music fasst. »Ellington-cum-Satie, Las-Vegas-lounge rock, and psychedelic psoul« stoßen auf sein Missfallen, weitere unterschiedliche Beispiele für eine »cross-bred concentration« wie Terry Riley oder Randy Newman schätzt er aber als gelungene Varianten eklektizistischer decadence (2000i: 129f.). Äußerst nah an Jencks’ Postmoderne-Konzeption rücken viele dieser Ausführungen zu spezifischen Stilmischungen, weil sie von zwei Polen ausgehen. Auch mit Fiedlers Version des Postmodernismus stehen sie wiederum häufig in Kontakt, weil ihre Doppellösung sich fast immer auf die herkömmlichen Gegensätze der legitimen und niederen Kultur bezieht. Bis in die Formulierung hinein decken sich dann die früheren Überlegungen zur Rockmusik mit den späteren zur Postmoderne: Indem sich der Beat einerseits der Neuerungen der Avantgarde bediene, ohne andererseits einer elitären Ideologie zu verfallen, schließe er »›die Kluft zwischen hoher und populärer Kultur,

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die ja ihrerseits Reflex eines Widerspruchs in der Gesellschaft ist‹«, nimmt Siegfried Schmidt-Joos in Deutschland zusammen mit Manfred Miller an (Schmidt-Joos 1968: 25). In den USA klingt das zur gleichen Zeit nicht anders; »Rock has begun to realize one of the most cherished dreams of mass culture«, glaubt Albert Goldman; die schwierige »convergence of high and low modern art« werde endlich in großem Maßstab angegangen (1982: 363f.). In England sieht George Melly ganz ähnlich pop Ende der 60er Jahre in einer Phase hochgradig selbstbewusster »noisy and brillant decadence«, dank der sich die Möglichkeit einer neuen Kultur abzeichne, die weder volkstümlich noch elitär sei (»a new kind of culture, neither ›popular‹ nor mandarin«; 1983: 138). Wichtige Unterschiede bestehen demnach nur in der Hinsicht, wie die Grenzüberschreitung bzw. die Schließung durchgeführt werden soll – durch Aneinanderreihung, durch einheitliche Überformung verschiedenster Elemente, durch Montage, Doppelkodierung, Parodie, camping, wechselseitig kritische Synthese, allseitige Ironie, eklektische Stilmischung, Neukontextualisierung, durch Herabwürdigung der hohen Kultur und/oder durch Verfeinerung der Popkultur –, diese Unterschiede kommen bereits in den Postmoderne-Debatten und in denen zur modernen Rockmusik zum Tragen (sowie zu einem kleineren Teil in den Diskussionen zur Pop-art). Große Übereinstimmung herrscht aber in allen drei Lagern und ihren diversen Fraktionen, dass es jeweils für ihre Bereiche – Pop-art, zeitgenössische Rockmusik, postmoderne Kultur – wichtig bzw. charakteristisch ist, Elemente der sog. ernsten und unterhaltenden, hohen und niederen Kunst in einem Werk zu versammeln oder aufeinander zu beziehen: Innerhalb der Stellungnahmen zur Popart ist dies das entscheidende Thema, in den frühen Ausführungen zur Postmoderne besitzt es einen weniger umfassenden, aber doch bedeutenden Rang, und in der Rockkritik Ende der 60er Jahre spielt es immerhin eine beachtliche Rolle.

Der erweiterte Kanon Ohne eigenen Titel (Pop-art; postmodernism; in der Rockkritik ist an entsprechender Stelle häufig von »Eklektizismus« die Rede) verbleibt hingegen ein Phänomen, das mit diesen Stilmischungen oder -bezügen auf der Seite der Rezeption direkt verbunden ist. Auch wenn dafür kein Begriff geprägt wird, besitzt es dennoch mindestens die gleiche Bedeutung wie die angesprochenen Kunstrichtungen und Kulturkonzepte. Die Vorliebe mancher Hörer, Betrachter für Pop-art-Bilder, postmoderne Architektur, eklektizistische Rockmusik etc. bleibt nämlich zumeist nicht alleine. Mit ihr verbunden ist oftmals ein Geschmack, der sich nicht nur auf eine bestimmte Kunstform richtet (auch nicht auf einen eklektizistischen Stil), sondern bestimmte Werke sowohl aus dem Bereich der hohen Kunst als auch der Popkultur zu seinen Favoriten erklärt. Wichtige Vorläufer für die Ausweitung des Geschmacks finden sich innerhalb der Romantik (die u.a. Volkslieder in den Kanon aufnimmt), vor allem aber innerhalb der Avantgarden zu Beginn des Jahrhunderts. Unter den Futuristen und Dadaisten trifft man auf viele Beispiele für eine offen bekundete Wertschätzung von Gegenständen der Massenkultur, von Autos bis zur

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Reklame und dem Jazz. Solche Einschätzungen werden oftmals in polemischer Absicht vorgebracht; sie sollen die Absage an die alte Kunst dokumentieren. Dennoch geht die demonstrative Hinwendung zu den von bildungsbürgerlicher Seite aus abfällig betrachteten Sensationen der Massenkultur keineswegs so weit, dass in Reihen der Avantgarde nicht das Augenmerk vornehmlich auf den Hervorbringungen der modernen, experimentellen, esoterischen Kunst liegen würde. Dies setzt sich auch Mitte des Jahrhunderts fort; George Melly etwa berichtet sehr eindrücklich, wie ihn das frühe Urteil des Malers Lucien Freud (im Vorfeld der Independent Group) über die Schönheit amerikanischer Autos erstaunt habe. Trotz seiner Verwunderung über die ungewöhnliche Einschätzung Freuds weiß Melly natürlich nicht erst im Nachhinein, dass solche eigenwilligen Verletzungen des konventionellen Kunstgeschmacks in der Logik der Avantgarde liegen und nicht etwa mit den Beweggründen der Mehrheit amerikanischer Autokäufer gleichzusetzen sind: »the intellectuals’ enthusiasm for the subculture of billboards, pin-ups and auto-styling implied a certain irony, and the whole-hearted rejection of ›good taste‹ in their assessment of pop imagery was in itself the attitude of a dandy in the Baudelairean sense« (1989: 12f.). Ein guter Beleg für die These ist auch, dass die angesprochenen englischen Intellektuellen und Künstler sich selber nicht zu Industriedesignern umschulen lassen oder Artikel für jene großen Illustrierten schreiben, die sie ausdrücklich bewundern. In ihrer eigenen Arbeit beziehen sie sich weiterhin überwiegend auf Joyce, Whitehead, Duchamp, Pollock, Breton und andere Größen der modernen Kunst und Philosophie, ein unmittelbarer Beitrag zur pop imagery ist deshalb von ihrer Seite ausgeschlossen. Es wäre jedoch falsch, in ihrer Hinwendung zu Illustrierten, Comic-Strips etc. hauptsächlich oder gar ausschließlich die überlegen-ironische Geste des Dandys oder die aufgeregte Schocktaktik des futuristischen und dadaistischen Avantgardisten zu sehen. Melly selber weist darauf hin, dass die Auffassung, der Wertunterschied von high culture und pop culture entspringe bloß einer willkürlichen Setzung, für ihn und andere im Umfeld der Independent Group weit mehr war als eine provokative Ansicht, die eine starke Abgrenzung bewirken soll. Für ihn stellt die Ansicht in den 50er Jahren den Ausdruck eines beständigen, tiefgreifenden Geschmackswandels dar bzw. die Möglichkeit, den eigenen Lebensstil offen zu erklären und die eigenen, bislang eher verschwiegenen oder gar verleugneten Vorlieben (etwa für Hollywood-Filme) grundsätzlich zu rechtfertigen: »All the pop theorists did was to provide an intellectual justification for the immediacy and fluidity of our post-war life and more radically, for most of us had already come to terms with the way we chose to live, suggested that we re-examined our aesthetic premises and own up about those areas around us which we affected to despise but in fact rejoiced in« (ebd.: 17). Zu Beginn der amerikanischen Pop-art fällt Beobachtern das gleiche Phänomen auf. Regelmäßig notieren sie, dass Künstler wie Warhol in ihren Ateliers und bei ihren Vernissagen Popmusik laufen lassen. Offensichtlich handelt es sich um ein neues Phänomen, sonst würde es nicht ausdrücklich vermerkt werden. Susan Sontag macht daraus sogar eine ästhetische Doktrin; da sie den Schwerpunkt der Kunstrezeption von Fragen des Inhalts und der Moral auf Fragen des Stils legen möchte, drängt sie darauf, die Kunst »als eine Form der Schulung unserer Gefühle und der Programmierung unserer Sin-

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neswahrnehmung« zu verstehen. Gemessen an diesem Einheitsprinzip, wäre es sehr gut möglich, dass zwischen einem Bild von Rauschenberg und einem Song der Supremes kein Unterschied bestünde – beide erweckten wohl das gleiche Gefühl, meint Sontag (1982e: 353). Tatsächlich ist von Warhol bekannt, dass er sowohl Rauschenbergs Bilder als auch den Motown-Sound in hohem Maße schätzt. Ob dies nach Maßgabe von Sontags ästhetischer Richtlinie geschieht oder weil beide Werke bei Warhol den gleichen Wirkkreis der Sensibilität ansprechen, darf allerdings bezweifelt werden. Bemerkenswert für die Zeitgenossen ist aber in jedem Fall, von einem modernen Künstler solch ein rückhaltloses Bekenntnis zu einem Gegenstand der aktuellen Popkultur zu erfahren. Gegner dieser Richtung können freilich einwenden, dass sich daran wiederum nur die Bedeutungslosigkeit der Pop-art zeige bzw. ihre allzu große Nähe zur Massenkultur. Anhänger des Geschmackswandels ziehen aus solchem Widerstand andererseits die Konsequenz, gegen die zeitgenössische Variante der Hochkultur, etwa das absurde Theater oder die Romane des Stillstands und des Schweigens, offensiv die Pop-Bewegung ins Feld zu führen, wie Albert Goldman zusammenfasst, der sich nach dem »Tod« der »offiziellen Kultur« neuen Schwung von der bislang verachteten Kultur verspricht. »From the minds of the lumpen-puerile came the sounds of rock, the cackle of the sick joke and the lurid comic-book shapes of Pop Art. At first it seemed like a desecration. America’s century-old dream of succeeding Europe as the creator and conserver of classic art was being blotted out by the nightmare of the discothèque«, schreibt Goldman, um dann im Rückblick gleich an die Überzeugung aus der ersten Hälfte der 60er Jahre zu erinnern, dass diese »cultural revolution, this topsy-turvy substitution of the lowest for the highest elements« ihren Sinn auch darin finde, den Künsten neue Formen und neue Kräfte zuzuführen (Goldman 1971d: ixf.). »We need through an enlarging of our values the kind of mental agility that will appreciate the elastic variety of ads, films, jazz, science fiction, and pop music«, lautet die entsprechende englische Forderung im Nachklang der Independent Group. Roger Freeman, der die Forderung unter dem Titel Living with the 60’s in einer Ausgabe des Cambridge Opinion 1959 aufstellt (zit. n. Seago 1995: 168f.), kann sich ebenso wie die Gegner moderner Askese und Befürworter einer Erneuerung und Erweiterung der Hoch- durch die Popkultur Ende der 60er Jahre bestätigt finden. Einschlägige Kommentatoren sehen es als unbezweifelbares Merkmal jener Zeit an, dass die Trennlinie zwischen »highbrow« und »lowbrow« durchlöchert worden sei: »People who know Beethoven and Bartok listen to the Beatles; Time and Newsweek and Leonard Bernstein have approved California and Liverpool rock«, sind nur einige Beispiele aus der Reihe der oft angeführten Belege (Nye 1972: 14). Ein weiteres Mal bestünde demnach die (von Fiedler als Kern der Postmoderne ausgegebene) Übertretung der Grenze von Hoch- und Popkultur auf der Seite der Rezeption darin, dass Intellektuelle und angesehene oder aufstrebende Künstler angeben, ihr Geschmack erstrecke sich auf Artefakte rechts und links der Grenze – nach der gewagten, avantgardistischen Ausprägung (Jackson Pollock und Science Fiction-Hefte, Rauschenberg und die Supremes), nun die gemäßigte Variante, die anzeigt, dass der Geschmackswandel auch in konservativeren Schichten angekommen ist: Beethoven und Beatles. Ob aus solch einem Geschmack heraus eine postmoderne Kunst und

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Kultur im Sinne Fiedlers oder Jencks’ erwächst, ist keineswegs gesagt. Wenn er sie auch begünstigt, müssen Doppelkodierung, Eklektizismus oder wechselseitige Bezüge aus diesem Geschmackswandel nicht zwangsläufig hervorgehen. Ebenfalls denkbar ist, dass die Gegenstände bleiben, wie sie sind; in dem Fall wäre nur die Grenze zwischen dem, was man unter den Vertretern der Hochkultur als Objekt des guten Geschmacks ansieht, und dem, was einen zum Träger schlechten Geschmacks abstempelt, neu gezogen worden. Die prinzipielle Identifizierung von populären mit schlechten bzw. unkünstlerischen Werken wäre hinfällig, die strikte Grenzziehung zwischen Popkultur und Hochkultur in Hinsicht auf die ästhetische Wertung aufgehoben. Dass damit aber keineswegs alle Grenzen des Geschmacks fallen, sieht man bereits an den gerade genannten Beispielen. Nichts garantiert, dass diejenigen, die neben Beethoven nun auch die Beatles gelten lassen, ebenso die Supremes oder, im Sinne Zappas, Edgar Varèse in ihren Kanon aufnehmen. Den besten Beleg für neue, recht einschneidende Grenzziehungen, die auf einem sehr wohl beträchtlich ausgeweiteten Kanon beruhen, trifft man im Feld des Rock-Avantgardismus an, der selber Wurzeln in dem Zusammenhang von Beat-Literatur und Jazz aufweist. Von hier aus werden wieder deutliche Abgrenzungen gegenüber dem Pop-Bereich vorgenommen. Ein guter (wenn auch esoterischer) Indikator dafür ist die in dem von Greil Marcus herausgegebenen Sammelband Rock and Roll Will Stand vorgenommene Gleichsetzung von (vorgeblicher) Baudelaire’scher Dekadenz mit dem Grundantrieb der Rockmusik; beide würde ein vitalistisches Aufbegehren, das Verlangen nach einer Befreiung der lebendigen Kräfte der Leidenschaften einen, heißt es da (Strauss 1969: 116ff.). Im Lichte solch einer romantischen Deutung der Dekadenz kann natürlich den gebundeneren Formen und spezielleren Reizen des Pop kein Platz eingeräumt werden. Das kann man leichter und unmittelbar einem Kanon in Gedichtform entnehmen, der von Adrian Henri stammt und von Jeff Nuttall 1968 ausführlich zitiert wird, um die vielfältige Zusammensetzung des neuen, entgrenzten Geschmacksspektrums zu belegen. Das Gedicht besteht aus nichts anderem als einer Aufzählung von Künstlernamen, die ohne Rangabstufung nebeneinander stehen. »Paul McCartney Gustav Mahler / Alfred Jarry John Coltrane / Charlie Mingus Claude Debussy / Wordsworth Monet Bach and Blake«, so geht die Anfangsstrophe, der noch viele weitere folgen, in denen genau die gleiche Mischung von Größen der modernen Kunst und des zeitgenössischen Jazz mit einigen ausgewählten Klassikern vorherrscht; neben den Beatles taucht in ihnen aus der neuen englischen Beatmusik noch Manfred Mann und der Sänger der Rolling Stones auf: »Stephane Mallarmé and Alfred de Vigny / Ernst Mayakovsky and Nicolas de Stäel / Hindemith Mick Jagger Dürer and Schwitters« (Henri 1971: 42). Nuttall merkt noch an, dass solch ein Gedicht 1960 undenkbar gewesen sei, fünf Jahre später habe sich die Lage aber bereits grundlegend geändert: »By 1965 such a poem was inevitable«, schließt er seine Betrachtungen (1968: 132f.). Was Nuttall jedoch vergisst hinzuzufügen, ist die Erläuterung, in welcher Hinsicht genau Henris Aufreihung einen einschneidenden Unterschied zwischen der Zeit vor 1960 und der Mitte der 60er Jahre markiert. Da ist zum einen die erstaunliche Hochwertung der führenden Vertreter der Beatmusik, gewiss. Sie stellt eine Neuerung, vielleicht auch nur eine Art Weiterentwicklung der Bebop-Begeisterung der Beatniks dar. Nicht unerwähnt bleiben soll-

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te aber auch die Aussonderung der Pop-Anteile aus dem neuen Kanon. Schließlich ist gerade in England 1960 unter einer Reihe von Künstlern und Intellekuellen im Sinne der Independent Group eine geteilte Begeisterung für Illustrierten-Anzeigen, amerikanisches Auto-Design und Bilder der modernen Kunst anzutreffen. In Henris Gedicht jedoch ist davon wenig zu spüren; zwar listet er neben Ensor, Bakunin, Rimbaud, T.S. Eliot, Miles Davis, Marcel Duchamp, William Burroughs, Thelonious Monk etc. auch Robert Rauschenberg und Andy Warhol auf, die Supremes oder Marketingfachleute oder Designer von General Motors sucht man dort hingegen vergeblich. Damit steht Henris Kanon repräsentativ für viele spätere Listen aus Reihen des Undergrounds, wenn auch auf ihnen Namen wie Mallarmé, Bach, Monet, Eliot kaum eine Rolle mehr spielen und dafür mehr von Grateful Dead, Pink Floyd oder auch Stockhausen die Rede sein wird. Bakunin, John Coltrane, Rimbaud etc. bleiben jedoch, neben ihnen scheint für die Monkees oder Burt Bacharach keinerlei Platz zu sein. Das verstärkt sich noch, wenn mit und nach 1968 die Pop-art auch unter den Parteigängern des Undergrounds, der politisierten Avantgarde zunehmend in Misskredit gerät und Warhol in erster Linie wegen seiner Filme und der Zusammenarbeit mit Velvet Underground, nicht wegen seiner Popeye- oder Liz Taylor-Motive weiter seinen Platz im erweiterten Kanon behält. Der Forderung nach einer Aufhebung der Grenze zwischen (vormals) als niedrig und hoch erachteter Kultur ist somit in hohem Maße Genüge getan. Im Reich des Geschmacksurteils befindet man sich bereits in einer Zeit, die von Fiedler erst kurz danach als Postmoderne benannt wird. Diese ›postmoderne‹ ästhetische Wertung unterscheidet sich von Fiedlers Vorstellungen dadurch, dass sie zuvor strikt separierte, unterschiedliche Objekte des Geschmacks auf einer Ebene des Guten versammelt, ohne ihnen einen Bezug aufeinander oder gar traditioneller eine Synthese abzuverlangen. Im Falle der ›postmodernen‹ Beat/Underground-Ästhetik dürfte es nicht einmal darum gehen, zwischen den Stones, Charles Mingus, Rimbaud usf. ein gemeinsames Merkmal zu behaupten, auf das sich ein positives Urteil in jedem Falle stützen müsste (am ehesten wäre noch an Intensität, Freiheitsversprechen, unkonventionelle Haltung zu denken). Dennoch zeigt das Beispiel des in der zweiten Hälfte der 60er Jahre stark an Wirkung und Reichweite gewinnenden ›postmodernen‹ Gegenkultur-Kanons, in dem moderne Dichter einträchtig neben Jazzmusikern, experimentellen Künstlern und Rockgruppen stehen, dass auch Werturteile, die aus den Grenzen der traditionellen hohen Kultur ausbrechen, nicht der Beliebigkeit anheim fallen müssen. Hier wird das besonders offenbar, weil die ›postmoderne‹ Beat- oder später Rock-Ästhetik mit den Regeln der Hochkultur immerhin die Ausgrenzung zwar nicht der gesamten populären Kultur, aber doch einer speziellen Sorte Popkultur teilt. Natürlich nähert die Übereinstimmung in dem einen (wenn auch wichtigen) Punkt Hoch- und Rockkultur insgesamt nicht entscheidend an, schließlich gehören aus Sicht der Hochkultur weite Teile der Rockmusik selbst den niedrigsten Auswüchsen der Popkultur an – und denunzieren Apologeten des Rock umgekehrt die akademische Kultur gerne als altmodisch und verstaubt. Zu dem ideologischen Abstand und zu der beträchtlichen Differenz der Geschmacksmaßstäbe (die sich institutionell in den Lehrplänen der Schulen und den Programmen kommerzieller Medienanstalten je unterschiedlich niederschlagen) kommt noch hinzu, dass die ›postmoderne‹ Rock-Ästhetik, die sich

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mitunter auch musikalisch in einem Rock-Eklektizismus oder -Synkretismus zeigt, nicht nur zur Seite der modernen Kunst hin in ihren Auswahlprinzipien umkämpft bleibt. Kürzer gesagt: Es steht nicht nur keineswegs unverrückbar fest, ob William Burroughs oder Hermann Hesse auf der einen Seite das Richtmaß der avancierten Rock-Ästhetik bestimmen – und ob sich auf der anderen Seite vornehmlich Grateful Dead, Velvet Underground oder die Beach Boys hinzugesellen sollen. Ganz kurz gesagt: Die Abgrenzung zum Pop-Bereich ist noch starken Schwankungen unterworfen.

Postmoderne Vorzeichen III: Glam Das Musterbeispiel in der ersten Hälfte der 70er Jahre ist dafür die Debatte um den Glam- oder Glittertrend. Zu den Rechtfertigungen dieses Trends durch Fans und Musiker (Marc Bolan, David Bowie) gehört es, die vorhergehende Rockmusik als veraltet und speziell die sog. progressive Rockmusik als prätentiös zu denunzieren (vgl. Hoskyns 1999: 16ff.). Von deren Warte aus wird die Glam-Mode wiederum natürlich als kommerzieller »PlasticPop« abgewertet (Zawodsky 1973: 12f.). Besonders Bowie kommt dieser Einschätzung sehr gerne entgegen, indem er sich früh als Schauspieler und Entertainer ausgibt, nicht als Musiker (Watts 1995: 393). Der Selbsteinstufung folgen programmatische Aussagen, die ganz auf der Linie der PopAffirmation künstlicher, modischer Welten liegen: Der Dauer und Identität wird im Namen flüchtiger Pop-Moden abgesagt (Tremlett 1975: 110f.), Echtheit wird als Klischee denunziert, an deren Stelle die ironische Pose tritt (Schober 1977: 320); Künstlichkeit wird offen eingestanden, etwa wenn Bowie seine titelgebende Figur Ziggy Stardust als überzeugenden plastic rock’n’-roll singer preist – »much better than the Monkees could ever fabricate. I mean, my plastic rock-’n’-roller was much more plastic than anybody’s.« Zynisch erfüllt Bowie mit seiner Einschätzung sogar die schlimmsten Befürchtungen seiner Kritiker, indem er das Lob des Plastik-Artefakts nicht aus einer Kunstanstrengung im Sinne der Pop-art, sondern mit der Leere und Orientierungslosigkeit seiner Anhänger begründet: »Why do you think teenagers are what they are? They run around like ants, chewing gum and litting onto a certain Style of dressing for a day; that’s as deep as they wish to go. It’s no surprise that Ziggy was a huge success« (Bowie 2005: 279). Dennoch trägt solch ein aggressives Kunst-Dementi von der Position Bowies aus gerade zu seinem erhobenen Status bei, weil es als selbstbewusste, avantgardistische Distinktionsgeste im künstlerischen Feld verbleibt. »Nihilismus als Radical Chic« assoziiert folgerichtig ein deutscher Feuilletonist, Dekadenz und Futurismus werden als Vorläufer aufgerufen, das wechselnde Spiel der angenommenen Identitäten führt Mitte der 70er Jahre zur Bezeichnung von Bowies Musik als eine »eklektische Rockmusik, in der Beat und Soul ebenso wie Hollywood und Vaudeville durchklingen« (Schober 1977: 320f.). Damit ist auch auf die Musik bezogen und unter den Titel »Rock« gebracht, was zur Zeit der Glam- und Glitter-Rede Anfang der 70er Jahre an entsprechenden Ausführungen auf die sexuelle Ambivalenz Bowies gerichtet worden ist. Bowie gilt da zusammen mit Alice Cooper u.a. in der Nachfolge der Superstars Andy Warhols als eine Herausforderung der mittlerweile satu-

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rierten, nicht mehr provozierenden Rockmusik (vgl. Cagle 1995). Die modische Ausstaffierung, der Gebrauch von Make-up, der rasche Wechsel stilistischer Äußerlichkeiten verwirrt die Geschlechterordnung. Was auf Seite der Frauen routiniert als Pop abgebucht wird, besitzt für die Betrachter offensichtlichen Schockwert, wenn die stereotyp femininen Unterscheidungszeichen von Männern adaptiert werden. Dieser Schockwert trägt in großem Maße dazu bei, dass der Trend als Glitter- oder Glam-Rock benannt wird, nicht etwa als Glitter-Pop. Die Verwirrung der Geschlechterordnung, die bereits zuvor in Underground-Kreisen, etwa bei Jack Smith (1997b) und den Cockettes (vgl. Gamson 2005: 42ff.), gerne durch gebrochene Varianten des GlitterGlamours angestrebt worden ist, besitzt auch in der gemäßigteren, populäreren Variante genügend ungewöhnliche Kraft, um mit dem Titel »Rock« belegt zu werden. Dadurch zeigt sich zum einen die Offenheit des Rock-Diskurses, sein sozusagen ›postmoderner‹ Grundzug. Auf einen Höchstwert »Authentizität« oder »Direktheit« lässt sich die Rock-Kritik in ihrer Gesamtheit keineswegs festlegen; die Zuschreibung »Rock« kann sich auch auf entschieden künstliche Spielarten richten, wenn man andere Charakteristika, die man als Merkmale des Rock erachtet, meint wahrzunehmen (etwa »Schock«, »Aufruhr«). Andererseits ist es aber mindestens ebenso plausibel, die angesprochene Offenheit zu diesem Zeitpunkt als Zeichen dafür aufzufassen, in welch hohem Maße die Rede über die Rockmusik das ganze Feld der Rede über die zeitgenössische Jugendkultur bestimmt. Mit anderen Worten, man ist förmlich gezwungen, innerhalb der Musikzeitschriften, aber auch in den Diskussionen der Anhänger den Rock-Titel zu bemühen, um seine Vorliebe rechtfertigen zu können. Das ist aber kein Zwang, den man selbst als solchen verspürt; vielmehr ist es die eigene Orientierung auf diesen Leitwert hin, die einen dazu befähigt, beinahe ganz selbstverständlich in einer Vielzahl von Phänomenen den Rock-Impuls zu verspüren. Da stellt es sich, wie im Falle von Roxy Music, auch nicht als Hindernis heraus, wenn deren Sänger und Komponist Brian Ferry als Anhänger Andy Warhols auftritt oder von seiner Kunstschulzeit beim Lehrer und Pop-Artisten Richard Hamilton berichtet, da führen sogar die Modefotografien der Albumcover und die dandyhafte Kleidung Ferrys keineswegs automatisch zur Eingemeindung Roxy Musics in den Popoder Pop-art-Bereich. Vor einer Einordnung Roxy Musics als einer CampGruppe möchte sie etwa der Melody Maker wegen ihrer »outrageous mixture of styles: part revivalist, part forties nostalgia, part electronics« bewahren; wenn bereits eine solche Mischung vor dem Camp-Verdacht schützen soll, dann kann allerdings tatsächlich von einem »new phenomenon in rock music« gesprochen werden (vgl. Bracewell 2008). Natürlich sind solche positiv gemeinten Klassifizierungen nicht unumstritten. Was der einen Fraktion der Rock-Kritiker im Zeichen der Kunst und der Intellektualität (selbstverständlich ihrer abenteuerlichen, ungewöhnlichen Variante) Brian Ferry und Roxy Music über den Pop-Bereich hinauszuheben und sie im Rock-Sektor zu platzieren scheint (Fallowell 1974: 18), gibt der anderen Fraktion, die an einer größeren, lebendigen Durchschlagskraft der Rockmusik interessiert ist, wiederum Grund zur Sorge. Die Formel des Melody Maker zu David Bowie – »And if he’s not an outrage, he is, at the least, an amusement« – reicht ihnen nicht aus, weil sie am Amüsement nicht interessiert sind. Auch eine ganz andere Vermittlungsformel des Melody Maker,

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die Bowies Attitüde – »David’s present image is to come on like a swishy queen, a gorgeously effeminate boy. He’s as camp as row of tents« – keineswegs verdammt, am Ende aber hinter dem oberflächlichen Spiel und Stil doch die ernsthafte Kunst reklamiert – »Don’t dismiss David Bowie as serious musician just because he likes to put us all on a little« (Watts 1995) –, kann ihnen nicht gefallen. Vor allem das amerikanische Rockmagazin Creem setzt auf den Schockwert Bowies, der aus seinem Angriff auf die Geschlechterordnung erwächst; in einer Androgyny Hall of Fame versammelt man im August 1973 neben Bowie Elvis Presley, Alice Cooper, Mick Jagger, Iggy Pop und Marc Bolan; als dem Magazin ein gutes Jahr später die schockierende Wirkung erschöpft zu sein scheint – »the outrage wouldn’t last« –, verabschiedet man den Trend folgerichtig (zit. n. Cagle 1995: 170, 199). Der innerhalb der gegenkulturellen Szene einflussreichste Kritiker von Creem, Lester Bangs, hat gegenüber der Musik Bowies ohnehin stets schwerwiegende Bedenken geäußert (1988b: 162). Sie erscheint ihm von vornherein nicht aufrührerisch, verworfen, verwirrend und aggressiv genug zu sein. Ganz im Einklang mit Greg Shaws Bomp-Fanzine versucht man bei Creem die vitale, rohe Qualität der Rockmusik zurückzugewinnen. Retrospektiv rückt man darum Gruppen wie Count Five, Seeds, The Troggs und andere mit dem Attribut punk versehene Gruppen der 60er Jahre gegen den prätentiösen Kunst-Anspruch ins Licht: »I finally came to realize that grossness was the truest criterion for rock ’n’ roll, the cruder the clang and grind the more fun« (Bangs 1988c: 10; vgl. Gendron 2002: 229ff.). Bedeutsam bei Bangs und anderen Kritikern von Creem ist jedoch, dass sie die Abneigung gegen die »Dekadenz« der Rockmusik nicht geradewegs zum Lob der Einfachheit und Direktheit führt, wie bereits von der entsprechenden Bewegung hin zum Rock ’n’ Roll 1968 bekannt. Auf seine Weise treibt der Creem-Anspruch ebenfalls zu einer Art Eklektizismus. Zwar reklamiert Bangs wie gehabt punk-Aufbegehren (s. auch Tosches 1971: 173), Aggressivität, Energie und jugendliche Primitivität gegen den »Sgt. Pepper virus«, gegen »›classical‹ hybrids« und »eclectic trips«, doch besitzt auch sein Musikideal insofern eine hybride, künstlerische, hier: avantgardistische, Note, als er Minimalismus, Monotonie und Feedback- bzw. Free Jazz-Krach in einem Stück vereint sehen möchte und nicht in verschiedenen Sparten getrennt. Sein Eklektizismus läuft auf eine Verbindung von einfachen Riffs, manic, simplistic jive und noise hinaus, wobei ihm wichtig ist, dass, wie bei seinen Favoriten, den Stooges und Velvet Underground, im Krach verschiedene Klangebenen und scharf gezeichnete, subtile Nuancen enthalten sind (Bangs 1988d: 32, 41ff.; vgl. Gendron 2002: 233ff.). Bei geteiltem Bezug auf Andy Warhols Velvet Underground passen auch die New York Dolls nach ihrem Selbstverständnis hier hinein, allerdings ersetzen sie Bangs Vorliebe für free form und Free Jazz durch Pop-Referenzen (»Brill Building hit-makers«). Nach gut bewährtem Muster bietet die aggressive Fraktion der Rock-Kritik die Dolls gegen die »switches and swatches of progressive music« auf (Hollingsworth 1972), wenn die Gruppe auch nicht »another minimal band in the manner of critical favs like the Stooges and the MC 5« ist, wie Robert Christgau festhält. In die Sparte glitter-rock möchte sie Christgau ebenfalls nicht eintragen, musikalisch passt sie für ihn dort nicht hin (2000j: 305f.). Damit richtet sich Christgau gegen Vergleiche mit Bowie etc. Geht es nicht um die Musik, dürfte aber auch Christgau dem Ver-

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gleich sicher nicht widersprechen. Wenn etwa in der International Times ausgeführt wird, die Dolls stünden stellvertrend für eine Reihe New Yorker Gruppen, »who’ve picked up on Marc Bolan, Slade, Elton John, David Bowie in a big way and combined them with such historical figures as the Fugs, the early Mothers and very much present-day Lou Reed ... together with such groups as the Children of Light and the Cockettes (famous for flashing cock on stage), who represent the West Coast branch of all this« (Miles 2003: 175), dann richtet sich die Einschätzung ganz offensichtlich auf das Aussehen und Gebaren der Dolls. Dazu gibt es keine zwei Meinungen. Bilanziert IT: »A hard rock, camp, prissy 100% homosexual group in black tights« (ebd.: 178), beginnt auch Christgau (2000j: 301f.) seinen Artikel mit der Beschreibung der »›transsexual junkies‹« (»wearing red lipstick and a New York Rangers jersey-minidress over white tights« usf.). Über das Publikum der Dolls heißt es entsprechend: »Many man wear full drag, a man [...] with a full beard also desports a floor-length red ball gown and ethereal smile. Some couples wear unisex makeup and are hard to distinguish from each other in the welter of day-glo, lurex, tinsel, glitter dust on flesh, and clothes, studs, satin, silk and leather, lurid reds, pink angora tops, green boas and totally transparent blouses« (Miles 2003: 177). Wenn die Glam-Anhänger einmal nicht, wie im Falle der New York Dolls, musikalische Stilmischungen oder -wechsel anstreben, sondern einen durchgehenden Rock-Sound favorisieren, ist die Vermischung der Geschlechteranzeichen doch stets garantiert. Legt man Leslie Fiedlers Definition zugrunde, kann man auch hier von einem postmodernen Stil sprechen, eine Aufhebung der Grenze (hier der kulturell befestigten Grenze zwischen den Geschlechtern) steht schließlich im Mittelpunkt vieler Glam- und GlitterBestrebungen. Umso bemerkenswerter ist deshalb wiederum, dass hinter dem Bindestrich von Glam und Glitter fast immer das Wort »Rock« seinen Platz findet; ebenso wenig wie Authentizität und Direktheit zählt offensichtlich auch Männlichkeit zum vollkommen unabdingbaren Bestandteil des Rock, zumindest solange dem zugedachte Attribute wie outrageous und der Anspruch der Grenzüberschreitung es verhindern, dass die Stilisierung allzu ›glatt‹ und ›oberflächlich‹ erscheint.

Postmoderne Vorzeichen IV: Punk Gut überprüfen lassen, wie weit die Grenze zwischen Pop und Rock verschiebbar ist, müsste sich die strittige Konstellation auch an dem nächsten spektakulären Trend, der nicht umstandslos in den Rock-Bereich hineinfällt, die Punk-Bewegung. In einigen Punkten gibt es sogar einen direkten Zusammenhang von Glam und Punk: Bands wie die Ramones und die Damned berufen sich gern auf die New York Dolls. Der Manager und master mind der Sex Pistols, Malcolm McLaren, hat zudem in der Endphase der kurzen Laufbahn der Dolls als ihr Manager fungiert, der das Styling der Gruppe radikal verändert, indem er sie unter dem Banner des Kommunismus in roten Lackanzügen auftreten lässt (vgl. McNeil 2004: 233). Als Image-Provokateur, der die Pop-art situationistisch subversiv einsetzen möchte, agiert McLaren bereits seit Anfang der 70er Jahre zusammen mit Vivienne Westwood; in ihrem kleinen Londoner Laden greifen sie gegen die

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übermächtige Hippie-Mode zuerst den Rockabilly-Look der 50er Jahre auf, um später vor allem Sex- und SM-Utensilien zur Straßenkleidung umzufunktionieren. Von einer Positiv/Negativ-Liste, mit der sie Ende 1974 ein T-Shirt bedrucken, kann man bereits recht gut das Programm ablesen, aus dessen Geist heraus sie die Sex-Pistols initiieren und ausstaffieren werden. Auf der Hates-Seite müssen Mick Jagger, Andy Warhol, George Melly, Brian Ferry, Yes und andere »POP STARS who are thick and useless« Platz finden, auf der Loves-Seite gibt es ein situationistisches Update der ›postmodernen‹ Liste Adrian Henris: Eddie Cochran, Valerie Solanas, Archie Shepp, Walt Whitman, James Brown, Dashiell Hammett, Marianne Faithful, Iggy Pop, Lenny Bruce, Sam Cooke, Jimi Hendrix stehen hier nebeneinander – und: »This country is run by a group of fascists so said Gene Vincent in a 1955 US radio interview« (zit. n. Savage 1991: 84). Wie bei Henri und vergleichbaren Listen intellektueller Rock-Anhänger um 1968 bleiben direkte Pop-Bezüge ausgespart, soweit geht die ›postmoderne‹ Beliebigkeit, der immerhin Eddie Cochran, John Coltrane und Iggy Pop auf einer Ebene zu liegen scheinen, dann doch nicht. Bei McLaren et al. kommt sogar eine ausgesprochene Feindschaft zu Pop-art-Vertretern von Andy Warhol bis Brian Ferry hinzu; ein typisches Beispiel für die oft anzutreffende Abgrenzung gegen jene, denen man der eigenen Vorgehensweise nach besonders nahe steht. Die Aggressivität der Stoßrichtung, das tiefe Ungenügen an der als langweilig erachteten Umgebung trennt McLaren tatsächlich hinreichend von der Pop-Affirmation. In der Rezeption und diskursiven Einordnung der Sex Pistols ab Mitte 1976 wird dieser Strang gerne aufgegriffen; die künstlerische (bzw. antikünstlerisch-situationistische) Image-Politik McLarens u.a. gerät hingegen zuerst kaum in den Blick, natürlich mit der bedeutenden Ausnahme der Boulevard-Medien, die den aggressiven Selbstentwurf, die bewusst asoziale Pose gerne (reflexiv ungebrochen) aufgreifen und dramatisch zur gefährlichen Wirklichkeit erhöhen. In den frühen Artikeln der Musikzeitschriften, die dem provokativen Gestus etwas abgewinnen können, befleißigt man sich stattdessen zumeist der üblichen Revitalisierungs- und Abgrenzungsrhetorik. Zum wiederholten Male steht innerhalb kurzer Zeit die in ihrer Breite angeblich korrumpierte, gesättigte, prätentiöse Rockmusik im Mittelpunkt der Kritik. Im Melody Maker erkennt Caroline Coon in einem der ersten langen Artikel zu den Sex Pistols in der Punk-Bewegung einen Ausdruck tiefer Abneigung gegenüber dem mainstream Rock. Sie vergleicht die Bedeutung dieses erst einmal musikalischen Aufstands mit der revolutionären Szenerie des Jahres 1964; von der neuen Welle (new wave) der Beatles, Who, Them, Stones etc., die sich gegen die herrschenden Showbiz-Vertreter gerichtet und die durch sie gelähmte Kraft des Rock ’n’ Roll (initial vibrant explosion) zurückgewonnen habe, spricht sie aber nicht als einer Pop-Explosion, was in England, mit seiner eigenen jugendkulturellen Tradition, die auf die Mod-Bewegung zurückgeht, am ehesten (im Unterschied zur amerikanischen Ausrichtung am Rock) nahe liegt und auch hier möglich gewesen wäre (1982a: 10f.). Coon gebraucht jedoch für die Sex Pistols auch nicht den Oberbegriff New Wave, wie es Malcolm McLaren vorschwebt, der sich von der amerikanischen Retro-Rubrik punk, die in New York mittlerweile jedoch ebenfalls für die höchst unterschiedlichen CBGB-Bands Talking Heads, Ramones, Television usf. gebraucht wird, absetzen möchte (wie auch umgekehrt den amerikanischen An-

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hängern der Seeds, der Count Five etc. die Anwendung des Begriffs auf die neue englische Szene missfällt; vgl. Gendron 2002: 261ff.). Wie fast alle anderen Mitte 1976-77, spricht Coon hingegen in erster Linie von punk, wenn sie auch, ebenfalls wie viele andere, im Laufe der Zeit manchmal aus Gründen des Ausdruckswechsels, manchmal um einen weiteren von einem engeren Kreis der Szene zu unterscheiden, den Begriff new wave verwendet. Der Feind wird gleichfalls deutlich benannt: Es sind die aus ihrer Sicht abgehobenen, inzwischen längst von ihren Anhängern distanzierten »rock and roll giants like Bowie, the Who or the Stones«, die nahezu akademischen, »progressiven« Rockgruppen ELP, Genesis etc. (Coon 1982a: 10, 13) und »theatralische« Bands wie Roxy Music, die einen mit showbiz gloss betäuben wollten (Coon 1982b: 48). Als sei es kein Widerspruch, kann Coon im nächsten Absatz andererseits David Bowie insofern als Punk-Vorläufer reklamieren, als er mit seiner stage persona wie ein fremder Mutant von einem anderen Planeten wirke und dadurch die maximale Distanz der Punks von üblichen sozialen und menschlichen Umgangsformen vorwegnehme (Coon 1982a: 13). Nicht nur das Mode-Programm McLarens/Westwoods allgemein, sondern auch das besondere Aussehen von Leuten aus dem Umfeld ihres Ladens und der Sex Pistols kommt dem Vergleich entgegen, den etwa Jonh Ingham im Oktober 1976 im englischen Sounds notiert (1995: 495). Ein SubkulturReport in New Society beschreibt die frühen Anhänger und Mitstreiter der Sex Pistols (darunter die später bekannten Siouxsie Sioux und Billy Idol) im gleichen Monat eingehend als »16-20 year olds post-Bowie devotees of cosmetics, both literal and conceptual. Their hair is cut close to the bone, often dyed bizarre colours. Make-up is worn by both sexes: white faces, blue lips and green eye-shadow suggest the appearence of puppyfat refugees from a Venusian cabaret«. Als weitere kulturelle Referenzpunkte werden nicht die historischen dekadenten und futuristischen Prinzipien, sondern die zeitlich näher liegenden Topoi des künstlerisch verdüsterten Teils der Glam-Szene bemüht; auch sie rechtfertigen freilich den Titel In Decadent Key, der den Bericht über den 100 Club überschreibt: »The overall impression is of Clockwork Orange meets New York sado-masochism with just a hint of Weimar« (Anonymus 1976). Trotz solcher Anknüpfungspunkte wird die Punk-Bewegung dem Rock, nicht der Pop-Artifizialität zugeschlagen, da hilft es auch nichts, dass Johnny Rotten, der Sänger der Sex Pistols, nicht müde wird, seine Abneigung gegen die Rockmusik zu bekunden. Zum einen trägt dazu entscheidend bei, dass nicht nur in den alarmierten Kommentaren der Zeitungen, der Politiker und Pädagogen (s. Vermorel 1978) der nihilistische Gestus der Punks viel weniger als ästhetische Manier denn als manifester Ausdruck einer sozioökonomischen Krise des Königreichs gedeutet wird (etwa Savage 1994). Zum anderen trägt dazu die dominante Lesart der Punk-Musik bei, deren kurz gefasster Dilettantismus und schroffe Textur scheinbar wie von selbst die Rock-Assoziation heraufruft, wenn auch immer, wie hier im NME im Falle der Clash, angefügt wird, dass der raw-nerve electric Sound des Punk Rock bzw. New Wave für das heutige Rock Establishment unerreichbar sei (Parsons 1995: 502). Auch im Melody Maker bei Caroline Coon ist vorzugsweise von punk rock die Rede; der Titel rock revolution drängt sich ihr auf, weil sie die Musik der Pistols u.a. als outrageous, raw, basic, vivid empfindet; der Rock-

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musik werde dadurch neues, frisches Blut zugeführt, sie werde wieder aufs Notwendige reduziert (1982a: 11ff.), bemüht sie weitere Schlagworte und Phrasen, die allesamt bereits mehrere Stile und Trends nach 1968 begründen mussten, die gegen die angeblich saturierte oder zu komplex gewordene Rockmusik gerichtet sein sollten. Dass selbst Coon, die auf die knappen, schnellen Punk-Stücke und als Vorläufer, wie gesehen, auf die Beatles und Who des Jahres 1964 hinweist, in den simplen Akkorden und eingängigen Refrains der Punk-Gruppen keinen Pop-Stil entdeckt, zeigt erneut die Vorherrschaft der Rock-Anschauung deutlich an, eine Dominanz, die darauf beruht, dass ihre Verfechter die Überzeugung verbreiten können, alle rebellischen Bestrebungen im Bereich der Jugendkultur gehörten ihr zu. Die, solange sie auf Glauben bzw. Gebrauchsweisen stößt, sich potenziell selbst erfüllende Annahme ist kein Privileg der großen englischen Musikmagazine. Eine mögliche Hypothese, New Musical Express und Melody Maker könnten auf die neue aggressive Bewegung, die sich auch gegen sie richtet, zwangsläufig zuerst nur positiv reagieren, indem sie den neuen Trend im Rahmen vertrauter Maßstäbe beschreiben, ist zumindest darum falsch, weil die schriftlich festgehaltenen Äußerungen der jungen Punk-Anhänger nicht anders klingen. In Sniffin’ Glue, dem ersten und bekanntesten Punk-Fanzine, dessen erste Ausgabe aus dem Juli 1976 bezeichnenderweise unter dem verlängerten Titel Sniffin’ Glue .. + Other Rock ’n’ Roll Habits for Punks! erscheint, findet sich ebenfalls der bekannte Katalog positiver Attribute, der in diesem Fall zur Hochwertung der Ramones, Sex Pistols, Television, Clash etc. (aber auch noch von Captain Beefheart, Blue Oyster Cult, Todd Rundgren) dient: simple, energetic, freshness, tight driving, wall of sheetmetal, sheer force, killer, power usw. (Perry 2000). Was für Sniffin’ Glue speziell punk rock ausmacht, ist mit den aufgeführten Attributen bzw. Qualitäten aber noch nicht hinreichend beschrieben. Hinzukommen muss für die Schreiber des Fanzines noch eine direkte Verbindung von Musikern und Anhängern. »The clothes, the hair and even the attitude, [sic] of the audience has a direct link to the band«, heißt es in einer Besprechung zu den Sex Pistols (Mark P/Steve 1976). Garantiert wird die Verbindung nicht allein durch die Einfachheit der Musik, die allen die Chance gibt, innerhalb kürzester Zeit ebenfalls eine Gruppe zu gründen. Besonders wichtig ist für Sniffin’ Glue die geteilte Feindschaftserklärung und Frontstellung gegenüber dem establishment. »Don’t anybody understand that anarchy’s the only thing left to happen?«, fragt Mark Perry in einer euphorischen Rezension der Sex Pistols-Single Anarchy in the U.K. und gibt selbst die Antwort: »Johnny Rotten screams at the end of this record. That’s what it’s all about. This single destroys all the rock ’n’ roll laws« (Mark P. 1976b). Perry weiß wahrscheinlich selber, dass seine Maxime tatsächlich ihrerseits zum ehernen Bestand der Rock-Gesetze zählt. Aus der üblichen Verordnung, die dem Gesetz folgt, geht das auch bei Perry selbst klar hervor. »Rock’s been a ›light entertainment‹ for too long«, zieht er im Januar 1977 eine vorübergehende Bilanz, »it’s all too safe and it’s not scaring parents.« Doch Rettung naht: »The Pistols scare more than just parents. They’ll scare all the apathetic rock fans who’ve been satisfied with shit for so long.« An der abwertenden Einschätzung, die Rockmusik der letzten Jahre sei bloß eine Form leichter Unterhaltung gewesen, erkennt man bereits, dass der eigentliche Feind woanders sitzt. Im gleichen Absatz heißt es denn auch: »No way

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are the Pistols gonna be filed under: Pop Group.« In Sniffin’ Glue steht der punk rock (hier ebenfalls manchmal new wave genannt) demnach in erster Linie dafür ein, den Rock besonders nachhaltig von möglichen Pop-Anteilen zu befreien. »They’ll bring about a change that will make the outlook for British rock music very exciting«, lautet darum die Hoffnung, die Perry in die Sex Pistols setzt (Mark P. 1977). Dass Perry aus dem Repertoire des New Yorker CBGB-Clubs, dessen diverse Gruppen weiterhin gerne mit dem einigenden Label punk versehen werden, nicht mit Patti Smith, sondern mit Blondie Schwierigkeiten hat, verwundert demnach nicht. Sogar für das Titelstück von Smiths Album Radio Ethopia (»heavy intro, lot’s of moog jungle noises, pulsating riff, vocals – totally bizarre, begins to sound like space-rock«) kann er sich begeistern, nicht allein für den Song Pumping (My Heart) (»an out-and-out rocker powerful and great!«). Auch insgesamt kann er dem aus seiner Sicht eklektischen Bild der LP (»touches of heavy-metal, pop, reggae, SciFi and of course – punk«) eine einheitliche Note abgewinnen, da stört sogar der Pop-Anteil nicht; Perrys Schlussvotum lautet: »The thoughts of listening to a crazed NYC poet are gone, they’re now a killer punk band – probably the best in NYC« (Perry 1976a). Jedenfalls wesentlich besser als Blondie, deren Single X Offender einen Monat später als old fashioned abqualifiziert wird: »The Aside draws from the Shangri-Las and the B-side – ›In the Sun‹ – from surf music«, schreibt Perry herablassend (1976b), so dass man vermuten darf, sein negatives Urteil komme gar nicht von einem Credo absoluter Modernität her, sondern ausschließlich von der starken Abneigung gegenüber der Pop/CampTradition. Streng dogmatisch agiert der Gründer von Sniffin’ Glue jedoch nicht, einige Monate später, im Frühjahr ’77, nimmt er eine Besprechung der ersten Blondie-LP, auf der die beiden Stücke der Single enthalten sind, ins Heft, eine Besprechung, die seine eigene negative Einschätzung fundamental revidiert: »Classy trash and pop at it’s best«, lautet nun das genau umgekehrte Urteil von Danny Baker (DB 1977). Als einigendes Moment zwischen beiden unterschiedlichen Ansätzen dürfte die Abwehrhaltung gegenüber verschiedenen Kunstansprüchen wirken; wenn Perry aber gegen die Künstlerattitüde den radikalen Punk-Rock mobilisiert, erfreut sich Baker bereits an der Aufbereitung von Pop-Trash. Beide Positionen weisen allerdings Widersprüche auf. Wenn Perry seine Ansichten nicht am Beispiel der Clash, Damned, Sex Pistols ausführt, sondern, wie im Falle Patti Smiths, den Punk-Anspruch sogar erfüllt sieht, wenn Elemente von Heavy Metal, Reggae, Space-Rock usw. auf eine bestimmte, unprätentiöse Art vereinigt werden, dann liegt sein ausgedehnter PunkBegriff nicht allzu weit von dem Bereich des verabscheuten Art-Rock bzw. Rock-Eklektizismus entfernt. Bakers Begeisterung für den red hot bubblegum Blondies andererseits, die in dem traditionellen Pop/Tanzmusik-Fazit »music for the legs not for the head« endet (ebd.), geht einfach darüber hinweg, dass Blondie keine Revival-Gruppe ist, sondern mit ihrem bewusst stilisierten Pop-Bezug durchaus über den »Kopf« laufen kann. Zentrale Bedeutung erlangt dieser letzte Widerspruch, wenn er zu der These verdreht wird, dass die wichtigsten Punk-Gruppen nicht auf eine stilistische Entscheidung und künstlerische Konzeption zurückgingen, sondern eine unausweichliche Konsequenz der aktuellen Lebensumstände seien. »The

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Sex Pistols are not a ›new fashion craze‹, they’re reality«, deklamiert Perry, wobei ihm die Realität als ein ödes Gemisch aus Englands sozioökonomischem Niedergang und abstoßenden, langweiligen Städten und Menschen erscheint: »Life’s about concrete, the sinking pound, apathatic [sic] boring people and the highest unemployment figures ever«. Die Zusammenstellung macht bereits unfreiwillig deutlich, dass Perrys These, die Sex Pistols seien unmittelbarer Teil des wirklichen Lebens, zu kurz greift, schließlich will er sie keineswegs als Langweiler und apathische Kreaturen hinstellen. Den Bezug zur vorherrschenden Lebenswirklichkeit wahren sie nach Perry tatsächlich nur, weil sie diese zerstörerisch überwinden wollen. Dennoch kann Perry nicht anders, als seine These vom Punk als Abdruck der Wirklichkeit in den Mittelpunkt zu stellen. Gerichtet ist die These nämlich auch gegen Rockgruppen wie Led Zepplin und Pink Floyd, die sich nach Ansicht Perrys in Scheinwelten ergehen. Sie seien bloß artistes, die Sex Pistols hingegen real people, deren Zerstörungswut Platz schaffen werde für »a more honest creation« und sich nicht mit abgehobenen Fantasiegebilden begnüge (Mark P. 1977). Die Rede von den ›wirklichen‹ Sex Pistols erfüllt demnach gleich vier wichtige Funktionen: Erstens schafft sie einen diskursiven Abstand zu anderen Rockgruppen; zweitens behauptet sie die Unausweichlichkeit, die von der Wirklichkeit erzwungene Bedeutung des Punk-Rock; drittens bleibt sie der traditionellen, fest verankerten Rock-Ideologie immerhin insofern verbunden (und schafft dadurch Übertrittsmöglichkeiten), als sie den Punk-Rock keinesfalls auf eine Modeerscheinung reduziert wissen möchte; auch der letzte Punkt weist in diese Richtung, denn viertens wahrt sie bei aller Aggression gegen die niedergedrückten, zudem als öde denunzierten Mitmenschen einen populistischen Grundzug, indem sie die Verachtung des Punk gegenüber künstlerischen Absichten herausstellt. Es ist nur konsequent, dass in solchen 1976/77 vorherrschenden Einordnungen des Punk-Phänomens auf genauere Betrachtungen zu den Zusammenhängen und Orten, aus denen die Sex Pistols, aber auch die Clash, die Damned u.a. hervorgegangen sind, verzichtet wird. Ohne diesen Verzicht wäre die Lesart des Punk, die auf unmittelbare Aggression und Frustration, auf Echtheit und Lebensnähe, auf Kunst- und Modelosigkeit verweist, wohl nur schwer durchzuhalten gewesen. Ein guter Beleg dafür ist, dass ab Ende 1977 Verweise auf die Vergangenheit vieler Musiker als Kunsthochschulstudenten gerne genutzt werden, um diesem Versuch entgegenzutreten, Punk als dolequeue-Rock (Marsh 1978), als Konsequenz der verschlechterten, aussichtslos erscheinenden wirtschaftlichen Lage zu deuten. Simon Frith weist dabei besonders auf die Bedeutung Malcolm McLarens für die Herausbildung des Stils der Sex Pistols hin; der üblichen Berichterstattung hält er entgegen, ihre kurzen Notizen zu McLarens/Westwoods kleinem Modeladen vernachlässigten vollkommen die konzeptuelle Kraft der avantgardistischen Pläne McLarens, die in den Sex Pistols ihr geeignetes Objekt gefunden hätten; wegen der bestimmenden Handlungsanweisungen und Strategien des Managers McLaren liege der Schlüssel zum Verständnis der Sex Pistols weniger in der Arbeitslosenstatistik als in den Werken der Situationistischen Internationale, deren Anhänger McLaren bereits seit seiner Zeit als Kunsthochschul-Absolvent Ende der 60er Jahre ist. Auch wenn die Situationisten sich selbst als AntiKünstler verstehen, gehören sie für Frith hinlänglich genug dem künstleri-

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schen Feld an, um nicht nur die Sex Pistols, sondern die von ihnen vorangetriebene Punk-Szene insgesamt als Ergebnis einer art-school ideology und bohemian culture aufzufassen (1978b: 535f.). Der langjährige Freund und Mitstreiter McLarens, Fred Vermorel, lässt es sich natürlich in seiner zur gleichen Zeit erscheinenden Materialsammlung zu den Sex Pistols nicht nehmen, diesen Aspekt mit zumindest einer Anekdote zu unterstreichen. McLarens garish surrealism habe seinen Ursprung in der zweiten Hälfte der 60er Jahre, erinnert sich Vermorel und führt zur Illustration »the outrage of an art school Maoist at Malcolm appearing at a revolutionary meeting in fluorecing green buckled women’s shoes« an. Wenn Vermorel sofort anschließend seine Bewunderung für das von McLaren geschaffene »Sex Pistols’ image« zum Ausdruck bringt (1978: 179f.), dann bleibt wenig Platz für ein Lob der Direktheit und Unmittelbarkeit oder eine nachhaltige Abgrenzung des Punk von modischen und künstlerischen (wenn auch avantgardistisch, antikünstlerisch aufgezogenen) Machinationen. Solche Überlegungen können auch ohne die Kenntnis persönlicher und interner Geschichten, aber auch leicht ohne die Herstellung avantgardistischer (hier: situationistischer) Bezüge angestellt werden, wie Angela Carter eindrucksvoll Ende 1977 beweist. Carter hält sich ganz an den Kleidungsstil der Punks, ihn definiert sie in der Nachfolge des working-class style der Skinheads und Teds als conspicuous outrage, als sartorical terrorism. Zwar gibt sie vor den Medienberichten zu glauben, nach denen der schockierende Stil der Punks eine spontan entstandene, der schlechten sozioökonomischen Lage geschuldete Ausdrucksform ist, wendet aber sogleich ein, dass dieser Stil viel zu bewusst gesucht, künstlich inszeniert erscheint, um als ernste Anklage und wütender Angriff aufgefasst zu werden: »the whole ›punk‹ thing was too self-aware, too conscious, too much like a put-on to be absolutely serious. Those babes in bondage, with coiffures and cosmetic effects as from an 18th-century madhouse, like a street theatre version of the Marat/Sade« – sie drängten einem die Schlussfolgerung auf, der Punk-Stil sei in hohem Maße von Ironie durchsetzt (heavy irony). In den Punks erkennt Angela Carter deshalb eine »self-conscious pariah élite«, zum Ausdruck gebracht durch eine »aesthetic of the tawdry, the parodic, the playbox decadence« (1995b: 510ff.). Damit möchte Carter gar nicht in Abrede stellen, dass sich die PunkBewegung hauptsächlich aus ärmlichen, stellungslosen jungen Leuten zusammensetzt. Ähnlich aber wie später Simon Frith, der darauf hinweist, dass die Arbeitslosigkeit für die jungen Bohemiens kein Grund zur Klage und Besorgnis, sondern eher ein bevorzugter Zustand ist (Frith 1978b), kann Carter in der ostentativen Wut und Verzweiflung keine niedergedrückte proletarische und vor allem kleinbürgerliche Angst vor der Not oder dem Abstieg erkennen. Im Unterschied zu Frith nimmt Carter allerdings an, dass es sich bei diesem zur Schau gestellten Selbstbewusstsein, bei dieser offensiv betriebenen Abgrenzung weniger um eine freie Entscheidung als um einen Akt handelt, der aus einer Zwangslage eine Tugend macht: Da sie wegen fehlender Möglichkeiten und Angebote nicht arbeiten könnten, würden sie aus ihrer Freizeit ein (Kunst-)Werk machen – »make their play, their dancing, their clothes, into a kind of work« (1995b: 512). Vielleicht in Anlehnung an das Wort von den Punks als »proletarischen Bohemiens« (Robert Christgau) wird für Carter die neue Pariah-Klasse mit

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ihrem dekadenten Stil, der vor dem spielerischen Bezug auf das Billige, Spektakuläre, Kitschige nicht zurückschreckt, darum neben der Schicht der (Neu-)Reichen gleichfalls von einem Teil der jugendlichen Marginalisierten geprägt. Folglich überrascht es Carter überhaupt nicht, dass Elemente des Punk-Stils sehr schnell Aufnahme in der avancierten Mode Eingang gefunden haben, »to fuse with the up-market vogue for tacky glitter that has been bubbling under since the early days of the magazine called Andy Warhol’s Interview«. Bei der Aneignung eines armseligen Stils, der aber das Zerrissene und Zusammengewürfelte gerade herausstellt, durch up-market-Mode und Haute-Couture sieht sie jedoch einen Unterschied getreulich gewahrt: »The only difference is, the rich have more money [...] and pay through the nose for gold plastic wrap miniskirts, plastic raincoats, safety pins (sequinned specially for them) and bondage jackets made up in good tweed« (ebd.). Was von Tom Wolfe unter dem Zeichen von Pop als eine Art soziale Revolution beschrieben worden ist – die Preisgabe des Geschmacksdiktats der Oberschichten, die Ausrichtung von Teilen der Geldaristokratie an Vorlieben der Boheme und der jugendlichen Subkulturen –, sieht Carter demnach selbst durch den extremen Punk-Stil bestätigt. Folgt man zudem der Terminologie Leslie Fiedlers, handelt es sich bei dem, was Carter beschreibt – die aggressiv ironische Zurschaustellung des Verworfenen und historisch Spektakulären durch Teile der Punks einerseits, die Adaption dieser playbox decadence durch eine hedonistische Oberschicht andererseits – um ein typisch postmodernes Phänomen. Darum könnte man Punk nicht nur dann in den RockBereich eingemeinden, wenn man die Direktheit, Einfachheit, Aggressivität betont. Es wäre auch denkbar, Punk als eine Spielart des Rock-Eklektizismus zu präsentieren, als eine Variante, die zwar nicht verschiedene Stile kombiniert, wohl aber Elemente der Rock-Ideologie (wie eben Einfachheit, Direktheit etc,) auf artifizielle Weise wieder aufgreift, neu inszeniert und mit anderen historisch-modischen Schock- und Schauelementen kombiniert. Diese zweite Möglichkeit wird aber innerhalb des Rock-Diskurses nicht ergriffen, sie überfordert zum gegebenen Zeitpunkt offenkundig die Tragfähigkeit des Begriffs. Von nun an schwingt das Pendel wieder verstärkt in Richtung Pop. Bereits um 1980 herum werden viele wichtige Beschreibungen der bereits schon wieder ihrerseits historisch gewordenen Punk-Bewegung im Sinne von Pop-Anschauungen vorgenommen. In einer letzten Volte kehren viele der bekannten Pop-Konzepte in die intellektuelle Rede zurück und erfahren eine noch einmal radikalisierte Zuspitzung. Vorbereitet ab Mitte der 70er Jahre, werden in den folgenden Jahren enorme argumentative Anstrengungen unternommen, um das Pop-Phänomen von allen möglichen ästhetischen und politischen Makeln zu befreien.

VII. Die Vollendung der Pop-Affirmation 1976/77-1985

Pop-Tradition Als Andy Warhol 1975 seine ausgewählten Sinnsprüche und Mitschnitte von Telefongesprächen vorlegt, steht seine Version der Pop-Affirmation recht verloren dar. Zwar stellt Warhol auch mit dem Abstand von zehn Jahren im Rückblick auf die Zeit um 1965 neben Pop direkt die Subkultur – »the counterculture, the subculture, pop, superstars, drugs, lights, discothèques« reiht er als Orte und Richtungen der »›young-and-with-it‹«-Szene aneinander – und führt dabei gleich die in Teilen der Punk-Bewegung zu neuer Beliebtheit gelangenden Velvet Underground an (1977: 25), dennoch hat Warhols Subkultur rein gar nichts mit der dominierenden linkslibertär und ökologisch sensibilisierten Hippie- und Alternativbewegung Mitte der 70er Jahre zu tun. The Philosophy of Andy Warhol bietet vielmehr ein komplettes Kontrastprogramm zur links-alternativen Gegenkultur seiner Tage. Besaß Warhols Pop-Affirmation in den 60er Jahren noch einige Verbindungen zur politisierten Gegenkultur, ist der Bezug nun vollständig gekappt. Das liegt zum einen daran, dass innerhalb der Alternativbewegung die Kritik an Warendesign und Konsumgesellschaft mittlerweile unendlich viel schwerer wiegt als eine mögliche Brüskierung des Bildungsbürgertums, die durch eine Bejahung der modernen Warenwelt noch hervorgerufen werden könnte. Der zweite Grund liegt bei Warhol selbst, der sich nach dem Attentat der Radikalfeministin und enttäuschten Boheme-Gelegenheitskünstlerin Valerie Solanas auf ihn von der Szene der Aussteiger stärker löst und sein öffentliches, gesellschaftliches Leben überwiegend in Kreisen der Reichen und Berühmten verbringt. Dokumentiert wird der teilweise Wechsel (in die Factory kamen zuvor auch gerne Angehörige des gehobenen Schaugeschäfts und Angehörige der upper class, umgekehrt sind von ihren Parties interessante Boheme-Vertreter nicht ausgeschlossen) durch den entschiedenen Wandel von Warhols Magazin Interview, das sich innerhalb kurzer Zeit zu einem Verlautbarungs- und Klatschorgan gegenwärtiger oder kommender Entertainmentstars und anderer medialer Größen entwickelt (Waldrep 2004: 95ff.). Direkt damit verbunden ist Warhols künstlerische Praxis, für den Jet-Set und Geldadel in aller Welt seine nach Fotografien gestalteten Porträts anzufertigen, die unterschiedlichstem Führungspersonal von mittelständischen Unternehmern bis hin zu Diktatoren wie dem persischen Schah zu einem modernen Gepräge verhelfen sollen. Man braucht allerdings solche Informationen über Warhols Umgang und Kunst-Geschäfte gar nicht, um seinen immensen Abstand zur vorherrschenden Gegenkultur der 70er Jahre zu ermessen. Ihren Vorstellungen von Freiheit, spontaner Individualität und sinnvoller Aktivität sind Warhols Einstel-

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lungen nachhaltig entgegengesetzt – etwa seine Attitüde, viel lieber das Leben anderer aufzuzeichnen, als selbst an ihm teilzunehmen (»the acquisition of my tape recorder really finished whatever emotional life I might have had«), seine Begeisterung fürs Fernsehen und die voyeuristische Betrachtung sowie allgemein für eine passive, distanzierte Haltung (»when I got my first TV set, I stopped caring so much about having close relationships with other people«; »sex is more exciting on the screen and between the pages than between the sheets anyway«), sein totaler Anti-Idealismus (»good business is the best art«) und nicht zuletzt seine Hingabe an die Werbung und den Konsum unterschiedlichster Güter ungeachtet ihres Gebrauchswerts (»I thought maybe if I saw all the commercials in color they’d look new and I’d have more things to go out and buy again«; 1977: 26, 44, 92, 135). In der gegenkulturellen Szene und ebenfalls in größeren Teilen der Mittelschicht (aus der diese Gegenkultur stammt) bleibt Warhols »Philosophie« aber selbst in ihrer demokratischen Ausrichtung indiskutabel, weil Warhols demokratisches Verständnis stets der Standardisierung und damit wiederum dem Konsum und der Passivität verpflichtet ist. Deshalb kann bei Warhol der Satz »The most beautiful thing in Tokyo is McDonald’s« nicht alleine für sich stehen, sondern es muss zwangsläufig weiter heißen: »The most beautiful thing in Stockholm is McDonald’s / The most beautiful thing in Florence is McDonald’s / Peking and Moscow don’t have anything beautiful yet.« Auch die unmittelbar folgende Aussage Warhols, die eine Grundforderung des Pop-Materialismus darstellt – »America is really The Beautiful. But it would be more beautiful if everybody had enough money to live« –, kann nicht einmal die Vertreter des amerikanischen Pop-Populismus zufriedenstellen, weil Warhols Schönheitssinn viel eher mit den Vorstellungen der Leser großer Illustrierten als mit den Ansprüchen demokratisch gesinnter Rockanhänger übereinstimmt, wie seine direkt anschließende Forderung auf amüsante Weise dokumentiert: »Beautiful jails for Beautiful people« (1977: 71). Da spielt es auch keine Rolle, dass Warhol immer wieder betont, wie sehr ihm jene amerikanische Egalität, die aus dem allseits geteilten Konsum von Produkten der Massenherstellung herrührt, zusagt. Zwar zeigt sich Warhol wieder und wieder über die Angleichung der Geschmacksvorlieben begeistert, er kann dieser Begeisterung aber nur Ausdruck verleihen, indem er am Ende auf die von ihm bewunderten Berühmtheiten verweist: »You can be watching TV and see Coca-Cola, and you can know that the President drinks Coke, Liz Taylor drinks Coke, and just think, you can drink Coke, too. A Coke is a Coke and no amount of money can get you a better Coke than the one the bum on the corner is drinking. All the Cokes are the same and all the Cokes are good.« Warhol preist dies als die große amerikanische Errungenschaft an, »where the richest consumers buy essentially the same things as the poorest« (ebd.: 100f.), was natürlich zugleich bedeutet, dass ihm die Unterschiede zwischen arm und reich, zwischen Medienfiguren wie Liz Taylor und ihren Fans keines weiteren Gedankens wert erscheinen. In der Rezeption innerhalb der Kunstkreise wird das getreulich widergespiegelt. Wenn auch Warhols Maximen dort dem Zug der Zeit folgend als Symptom eines »›evil of banality‹« kritisiert werden, nimmt man sie andererseits nicht ernst genug, um mit Warhol zu brechen. Anders gesagt: In künstlerischer Hinsicht kommt die Kritik Warhol sogar zugute. Gerade weil Warhols Lob der Massenkultur nicht als bedenkenswerte Auffassung wahrgenommen

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wird – was in Warhols beständiger Kultivierung einer indifferenten, frivolen oder reaktionären Haltung einen guten Anhalt besitzt –, kann er, der sein Genügen eben nicht darin findet, eine Cola zu trinken oder Fernsehen zu schauen, weit über die standardisierte Kultur erhoben werden. Die tödliche Leere Warhols, sein Kokettieren mit dem eigenen Verschwinden, sein ostentativer haltloser Opportunismus trennen ihn stark genug von den egalitären Genüssen, die er gerne bejaht. Deshalb folgt bei denjenigen, die die Pop-art nicht weiterhin oder erneut als vulgär oder reaktionär abstempeln (etwa Kuspit 1976), nicht selten auf die abfällige Einschätzung, Warhols Bemerkungen über die Schönheit McDonalds seien standard bullshit, sofort das ebenso standardisierte, aber maximal auszeichnende Urteil, bei Warhol handle es sich um ein »Genie«, um den true American Duchamp (Plagens 1976). Deshalb lautet zumeist nur der erste Satz: »As with the classic decadent, his esthetics are a narcotic to a sense of damnation; but unlike the decadent, he shunts aside the rarified pleasures of connosseurship for the chintzy joys of American naïvetè« – der zweite Satz hebt aber sofort hervor, dass gerade bei Warhol, trotz oder wegen seiner Hingabe an die amerikanischen Gemeingüter, der glamour einen verzweifelten Anstrich besitze und von Zeichen des Todes, keineswegs nur von denen eines vergnüglichen show-biz durchsetzt sei (Koch 1997: 98). Eine Wirkung über einen gewissen avantgardistischen Kunstkreis und über den Zirkel medialer Berühmtheiten hinaus kann Warhol aber Mitte der 70er Jahre nicht mehr gewinnen, weil seine Ansichten und seine Haltung der um Aufrichtigkeit oder kritische Reflexion bemühten linksliberalen oder alternativen Szene exakt zuwiderlaufen. Das gleiche Problem begegnet auch Tom Wolfe, dem zweiten berühmten Pop-Affirmatoren der 60er Jahre, dessen damaliger Aufstieg ebenfalls wie bei Warhol damit zusammenhing, dass er eine Zeit lang nicht nur unter Werbe- und Medienleuten, sondern auch unter Teilen der aufbegehrenden jungen Angehörigen der Mittelschicht einen guten Ruf genoss. Davon kann Mitte der 70er Jahre kaum mehr eine Rede sein, obwohl Wolfe im Gegensatz zu Warhol jede künstlerische oder im Feld der Kunst artikulierte antikünstlerische Attitüde gerne mit Spott überzieht. Dies trägt ihm wohl die Verachtung der modernen Kunstkritiker ein (etwa Kramer 1985: 301), nicht aber die Sympathie derjenigen, die zwar den Elitarismus der Kunst ablehnen, Kreativität und engagierte, kritische Künstler hingegen hoch schätzen. Darum können Letztere auch mit Wolfes Kritik einer formalistischen Kunst und teilweise auch der Pop-Artisten nichts anfangen, selbst wenn sie ihr im Ergebnis zustimmen. Die Kritik erfolgt nämlich in ihren Augen aus einem ganz falschen Grund; die Hinwendung zur oberflächlichen, hedonistischen, kommerziellen Pop-Kultur, wie sie Wolfe propagiert, erscheint ihnen als noch viel größeres Übel. Noch wesentlich unzeitgemäßer als Warhols »Philosophie« kommt deshalb Wolfes Rückblick auf die Pop-art, die ebenfalls 1975 erscheint, daher. In polemischer Absicht beugt sich Wolfe in The Painted Word u.a. über die feuilletonistische und kunsthistorische Rezeption der Pop-art in den 60er Jahren, um die tatsächlichen Gründe des Erfolgs der Pop-art beim breiteren Publikum dagegen zu halten und als legitim hinzustellen. Die Hinweise von Alloway, Steinberg etc., die Pop-art erschöpfe sich keineswegs in einer realistischen Darstellung oder apologetischen Verdoppelung von Gegenständen der Pop- und Massenkultur, sondern sei eine Refle-

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xion über bestehende Zeichensysteme bzw. stehe in der Tradition der modernen, abstrakten, dem Medium Kunst angemessenen ›flachen‹ Malweise, kontrastiert Wolfe mit dem Erfolg der Pop-art, der seiner Beobachtung nach auf völlig anderen Maßstäben und Motiven beruht. Wolfe meint zu wissen, dass auch die culturati sich den Erläuterungen der Vordenker nur angeschlossen hätten, um insgeheim das attraktive Abbild von Comics, Stars und Werbedesign zu genießen (1975: 85ff.). Wolfe geht es bei seiner Klarstellung gar nicht darum, die Doppeldeutigkeit, die Zwiespältigkeit der Pop-art zu bestreiten. Er weist vielmehr darauf hin, dass ohne die Differenz der Pop-art zur Popkultur, ohne ihre avantgardistische Attitüde die durch sie vermittelte unterschwellig positive Rezeption der Popkultur überhaupt nicht möglich gewesen wäre (andernfalls hätte sich das Kunstpublikum ja gleich dem Supermarktdesign und den Illustriertenfotos hingeben können). Wolfe ist folglich weit davon entfernt, die Pop-art als eine demokratische, populistische Kunst zu betrachten (und gegen ihre modernen Interpreten in Schutz zu nehmen). Die Pop-art sei vom Anfang bis zum Ende »an ironic, a camp, a literary-intellectual assertion of the banality, emptiness, silliness, vulgarity, et cetera of American culture« gewesen, hält Wolfe fest: »and if the artists said, as Warhol usually did, ›But that’s what I like about it‹ – that only made the irony more profound, more cool« (ebd.: 90). Wolfes unausgesprochene, aber durch seine Art der Darstellung deutlich hervortretende Pointe bzw. Wertung besteht hingegen darin, diesen Abstand, diese Ironie nicht für notwendig zu erachten. Für ihn ist die amerikanische Pop- und Konsumkultur offensichtlich bereits an sich Grund genug zur Begeisterung. Selbst eine Vertreterin des Pop-Populismus wie Ellen Willis, die in den 60er Jahren zu Wolfes Anhängern gezählt hat, kann sich dem in den 70er Jahren überhaupt nicht mehr anschließen. Die Pop-Populisten unter den Rock-Kritikern sind nun alle Teil der Alternativbewegung; ihre demokratischen, anti-elitären Utopien und Absichten können sie nicht einmal mehr ansatzweise mit Apologien der kapitalistischen Massenkultur verbinden, weil ihnen der bildungsbürgerliche Gegner weitgehend abhanden gekommen ist und sie sich nur noch einer etablierten Konsumkultur ausgesetzt sehen. In ihrem Aufsatz Tom Wolfe’s Failed Optimism erinnert Willis 1977 an den Impetus der cultural revolution, der die 60er Jahre bestimmt habe, wozu sie zum einen die »left-wing (psychedelic) versions«, aber zum anderen auch die »right wing (pop)«-Variante zählt. Man darf sich durch das Bild des »rechten Flügels« nicht täuschen lassen, auch Willis gehörte ihm an, »rechts« ist hier nur eine Bezeichnung innerhalb des Lagers der links-antiautoritären »kulturellen Revolution«, wie aus Willis Erinnerung zweifelsfrei hervorgeht: »A subtheme of sixties utopianism was the attempt – often muddled, at times self-negating – to arrive at some sort of honest optimism. This concern was also implicit in the antiutopian sensibility first self-consciously articulated by the pop artists. Pop sensibility – loosely defined as the selective appreciation of whatever is vital and expressive in mass culture – did more than simply suggest that life in a rich, capitalist, consumption-obsessed society has its pleasures; the crucial claim was that those pleasures had some connection with genuine human feelings, needs, and values and were not – as both conservative and radical modernists assumed – mere alienated distraction. Pessimists like Herbert Marcuse ar-

Die Vollendung der Pop-Affirmation | 349 gued that advanced capitalism destroyed the autonomous self and with it the possibility of authentic pleasure, let alone happiness; pop implied a more sanguine view of the self as guerilla, forever infiltrating territory officially controlled by the enemy, continually finding new ways to evade and even exploit the material and psychic obstacles that the social system continually erected. [...] Pop was about the ways in which the spirit of the people invaded the man’s technology: restrict us to three chords, a back beat, and two minutes of air time, and we’ll give you – rock-and-roll.« (Willis 1992a: 81)

Zehn Jahre später, Mitte der 70er Jahre, ist für Willis der progressive, demokratische Impuls der Pop-Einstellung vor allem Tom Wolfes endgültig dahin. Nun nehme er sich nicht mehr des Enthusiasmus der Surfer, Autobastler etc. an und versuche deren Sprache und Stil teilweise nachzubilden, sondern befleißige sich bloß noch der liberal-kapitalistischen, die Realität ideologisch verzerrenden Propagierung der amerikanischen Wohlstandsgesellschaft. Da Wolfe sich darauf beschränke, Freiheit als Pluralisierung, als Ausbreitung unterschiedlicher Lebensstile anzusehen, habe er jeden Sinn für politische Kritik verloren und begnüge sich mit einer Rolle als Chronist und Satiriker der Sitten und Stile (ebd.: 83, 86). Soviel Antiutopismus geht Willis selbst in der ernüchterten Zeit, ein Jahrzehnt nach 1968, zuweit. Mit dieser Einstellung steht sie zwar noch keineswegs alleine da, der neoliberale Trend zeigt aber bereits in eine andere Richtung. Bis er im kulturellen Bereich größere Wirkung zeigt, muss allerdings noch einige Zeit vergehen.

Postmoderne Mode Ungeachtet ihrer Bewertung ist Ellen Willis’ Einordnung von Tom Wolfe zweifellos richtig. Man kann dies im historischen Vergleich nicht zuletzt sehr gut daran erkennen, dass Wolfe seine Anhänger und Bewunderer im publizistischen, intellektuellen Feld der Mitt-70er Jahre in erster Linie unter anderen Lifestyle-Schreibern findet. Einen besonderen Rang unter den Gefolgsleuten Wolfes nimmt dabei Peter York ein, der nicht nur Ende der 70er Jahre zu einer Verteidigung Wolfes ansetzt (York 1983b), sondern bereits in vielen Artikeln zuvor dessen Methode angenommen hat, die Geschmacksvorlieben unterschiedlicher statuspheres nachzuzeichnen und auf einem abstrakteren Niveau der Begriffsbildung in ihrer Bedeutung für den Geist der Zeit einzustufen; Anfang 1977 postuliert York etwa unter Berufung auf Wolfe, dass die amerikanische Mittelschicht nun in die dritte Phase der Konsumausrichtung getreten sei; nach den Gütern und den Dienstleistungen trete jetzt das Verlangen nach dem Konsum von Erfahrungen in den Vordergrund (1983c: 97). In unserem Zusammenhang kommt York, der seine Leserschaft nicht allein unter den üblichen Käufern von coffee table-Magazinen, sondern auch unter Cultural Studies-Theoretikern findet, eine entscheidende Stellung zu, weil er einen Bogen von der Pop-art über den Punk-Stil bis hin zur Postmoderne zieht. Zugleich bietet York – wegen der auffälligen Zahl der Übernahmen seiner Thesen oder der zeitgleichen Ausarbeitung von Einschätzungen, die er seit 1975 vornimmt – einen ausgezeichneten Indikator für eine Entwicklung, die Anfang der 80er Jahre ihren Höhepunkt erreicht und in einer erneuten Hinwendung zu den Pop-Maßstäben besteht. Äußerst wichtig ist

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diese Entwicklung, weil sie nicht nur Redakteure und Leser von teuren Mode- und Lifestyle-Magazinen erfasst, sondern ab Ende der 70er Jahre verstärkt die Geschmacksprinzipien der großen Musikzeitschriften und der ihnen verbundenen Szenen prägt, um auf diesem Weg sogar schließlich in den 80er Jahren ein breites Mittelschichts-Publikum zu erreichen, das bis dahin noch stets den ästhetischen Vorlieben und den sog. postmaterialistischen Werten der liberal-alternativen 70er Jahre verpflichtet gewesen ist. Mitte der 70er Jahre ist daran jedoch überhaupt noch nicht zu denken. Wenn York im Oktober 1976 für Harpers & Queen über eine Gruppe von new aesthetes berichtet, dann spricht er über eine kleine Gruppe von Leuten, die zwar bereits in einigen Bereichen der Popkultur (wie im Glam-Rock) auf Übereinstimmung mit ihren Prinzipien hoffen konnten, das allgemeine Straßenbild aber ebenso wenig bestimmen wie die Ansichten außerhalb von gewissen art school-Kreisen und high-style-Design-Zirkeln. Als gemeinsames Merkmal dieser »neuen Ästheten« macht York einen Kleidungs-, Kunst- und Einrichtungsstil aus, der aus einer komplexen Ansammlung von Anspielungen besteht (»complex series of references«), die sich auf schlichtweg alles beziehen könnten. So gehören diese schon einmal gerne dekadent genannten Ästheten zu den cognoscenti of trash, zu den aficionados of sleaze, aber eben keineswegs ausschließlich. Als Musterbeispiel führt York einen Schal Karl Lagerfelds an, der auf der einen Seite – »beautiful, clever, witty, perfect« – ein auf feiner Wolle reproduziertes Brueghel-Motiv aufweist und auf der andereren Seite – »campy, tacky, schlocky« – aus Lurex-Streifen besteht. Wie aus der Aufzählung der Attribute bereits hervorgeht, sieht York in der Camp-Sensibilität (»a very confusing, over-under-sideways-down way of looking at the world«) einen wichtigen historischen Anknüpfungspunkt des neuen Geschmacks. Als zweiten nennt er, wenig überraschend, die Pop-art als eine Kunstform, die entscheidend dazu beigetragen habe, die Dinge auf eine vermittelte Art und Weise wahrzunehmen (»to look at things in a cockeyed way, i.e. in a way that somebody else had already looked at them«). Diese Manier des double-think habe zum verbreiteten Einsatz des Pastiche, zu einer eklektischen Zusammenstellung von Zitaten und Kopien, geführt: »The more accurate, the more derivative, the more like the real cliché thing something was, the more O.K. it was. Rip-offs were right. (Borrow it! Photograph it! Silk-screen it!)«. Aus diesem double-think sei mittlerweile ein treble-think, ein nur für Kenner ersichtlicher Reichtum und Verschleiß von Anspielungen und Übernahmen eigentlich fragwürdiger Stilelemente geworden. York bezeichnet diesen Stil als Art Necro, als einen quick-change revivalism, der sogar Kunstund Stilrichtungen erfasst, die für die meisten anderen Betrachter noch zeitgemäß und unangefochten bestehen, von den Necro-Ästheten aber bereits in den Sog der ironischen, ambivalenten Wiederaufnahme und Rekombination hineingezogen werden. Zu den Protagonisten der neuen Mode (die aber selbst die Idee absoluter Neuheit und Modernität aufgegeben hat) zählt York neben Warhol und Lagerfeld vor allem David Bowie und Brian Ferry von Roxy Music (1983d: 112ff.). Sie gehören für York selbstverständlich deshalb zum Camp/RevivalBereich, weil sie ihre eigenen lebenskünstlerischen Stilentscheidungen nicht als ernstzunehmende, abschließende Aussagen auffassen, so viel Aufwand sie bei der Erstellung der einzelnen Ensembles auch treiben mögen. Sehr schön

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zeigt dies York am Beispiel Brian Ferrys (und umgekehrt an der gegenläufigen Einstellung vieler Anhänger Ferrys, ihr Idol als Muster moderner Eleganz zu nehmen). »Many kids take the Ferry style seriously, not realizing, presumably, that Ferry himself does not. His outfits, his album covers are all ›looks, looks, looks‹ – from Art-School-Glitter (1972) to Jerome Robbins, to forties Tux, G.I. Slick, Odeon Spiv, Roma 1968 (1976)«, nennt York einige der bekannten Aufmachungen Ferrys, um schließlich Ferrys eigenen Einsatz ganz woanders, in der verdeckten Ironie und zitathaften Zurschaustellung, zu suchen. Kurz gesagt: »The Ferry style is none of them. It lies in a joke called Master of Disguise« (ebd.: 121). Anders wäre auch eine Meta-Mode, die sich nicht auf den Fortschritt und damit auf den notwendigerweise eintretenden Wechsel des Zeitgeists beruft, sondern auf das Spiel mit historischen Stilen und Zeichen beschränkt, schwerlich aufrechtzuerhalten. Da aber hier die Absage an die Idee modernen Fortschritts, der in eine offene Zukunft führt, nicht mit dem konservativen Vertrauen in einen Stil bzw. eine Sitte einhergeht, kann gerade der Campund Retro-Stil zu immer neuen Varianten führen. Wahrscheinlich ist sogar dieser fortgeführte Wechsel, der nicht auf der Überzeugung beruht, einen angemessenen Ausdruck für einen veränderten gesellschaftlichen Zustand finden zu müssen, ohne das Kontrastprogramm der Fortschrittsgläubigen undenkbar. Er käme wohl schnell zum Erliegen, wenn aus den Verfechtern des unabgeschlossenen Fortschritts Konservative würden. In Yorks Artikel ist denn auch ein Hinweis auf eine Gruppe zu finden, die den »neuen Ästheten« mit essenziellen Gründen entgegentritt. York berichtet von der offen bekundeten Abneigung der Betreiber des SexModeladens, Malcolm McLaren und Vivienne Westwood, gegen Camp- und Pop-art-Verfechter, er zitiert ihren Slogan »Does passion end in fashion?« als anarchistisch-situationistischen Einwand gegen die unpolitische Haltung der Stil-Ironiker. York selbst nimmt ihnen diese Haltung jedoch nicht ab. Trotz ihres manifest erklärten Widerstands sieht er in ihnen letztlich nur eine weitere Variante des von ihnen Bekämpften. »The Sex people hate Retro, and seem perfectly sincere about it, yet they are working in a 1958 Council Flat Greaseball vein«, weist York auf den modischen Zug (und Rückbezug) von McLaren et al. hin, deshalb braucht es gar nicht mehr die Anekdote, dass sie noch vor einigen Monaten bezeichnenderweise auf einer Party zur Vorstellung des »Philosophie«-Buches von Andy Warhol zusammen mit den wichtigsten Exponenten des Camp/Retro-Geschmacks wie Andrew Logan anzutreffen gewesen seien (ebd.: 123). Auf dem Höhepunkt der kurzlebigen Punk-Welle, im Sommer 1977, als Punk sich über den Kreis um McLaren und die Sex Pistols hinaus erheblich erweitert hat, nimmt York seine These keineswegs zurück. Im Gegenteil, obwohl der musikalische Stil des Punk sich noch recht einheitlich ausnimmt und keine direkten Zitate aus der musikalischen Rock-Vergangenheit aufweist, baut York seine These sogar aus. Um dies zu tun, operiert er an verschiedenen Fronten. Zum einen bezieht er sich auf die sozialpsychologische Ableitung des Punk aus der ökonomischen Krise; er hält diese Begründung für eine typische Anstrengung der Presse, nicht allein der Tageszeitungen, sondern auch der Musikzeitschriften; der rock press sei es hoch willkommen, dass sie nicht mehr nur Mainstream-Gruppen journalistisch begleiten müsse, sondern endlich wieder einen Gegenstand mit politischen, rebellischen Be-

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deutungen aufladen und dadurch selbst an Gewicht und Aufmerksamkeit gewinnen könne; der sich abzeichnende Gleichklang des Geschmacks der Eltern und der Kinder sei dadurch erst einmal abgewendet worden, mit dem Punk-Trend kehre der Generationenkonflikt und die Marktsegmentierung wieder zurück. Zumindest den ersten Teil der Beschreibung und Erklärung von Punk möchte York nicht vollständig übernehmen. Die sozioökonomische Ableitung erscheint ihm allzu erzwungen, weil ihre Verfechter den beträchtlichen Anteil der Mittelschicht bei der Zusammensetzung der Punk-Gruppen und -Fans unterschlagen. Und wenn York auch die Aggressivität des Punk selbst verspürt, so sieht er darin letztlich bloß eine Attitüde, eine Pose, deren spielerischer Ursprung die Ernsthaftigkeit der bekundeten »No Future«Einstellung in Frage stelle (1983e: 131, 134f., 143). Der Gesichtspunkt des Spiels führt sogleich zum zweiten Argument, mit dem York die gängigen Deutungen des Punk bestreitet. York weist wiederholt auf die Präsentationsformen und die Selbststilisierung der Punks hin, um die weitreichenden Übereinstimmungen mit der Pop-Vergangenheit zu belegen. »Punk grew partly from that inexplicable vocabulary of the pose and double-think«, lautet Yorks zentrale Behauptung, mit der Punk in den Bereich des Camp und der eklektizistischen Variante der Pop-art zurückgeholt wird. Zwar bezweifelt York keineswegs, dass Punk sich insofern von der kommerziellen Mode unterscheidet, als seine Anhänger ihren Stil selbst verfertigen (»Underlying all is the increasingly important note of personal style as a work of art. Hence the do-it-yourself aspect«), er ordnet Punk bzw., wie er ebenfalls oft sagt, New Wave dennoch als Modeerscheinung ein (ebd.: 132, 139). Genauer gesagt, sieht er sie direkt als Teil jener Mode an, die sich in der Zitation und Neukombination von Elementen vergangener Stilrichtungen ergeht. Der vom Punk bezeugte Bruch mit aller Vergangenheit ist für York demnach lediglich ein Lippenbekenntnis, die Abgrenzung von den Vorläufern erkennt er nur im Hinblick auf die Alternativbewegung. Wie sein Wort vom double-think, mit dem er im Jahr zuvor noch die neuen CampÄstheten belegt hat, bereits anzeigt, sieht York im Punk/New Wave ebenfalls eine Variante eines Retro-Eklektizismus, dessen Zitate und Vorläufer in zwar plakativer, aber nicht vollkommen unironischer Pop-art-Manier ausgestellt werden: »The New Wave look developed from a curious marriage of revivalist, fetishist and para-military imagery. The revival elements – often hotly denied – came from both the fifties and early sixties. The fetishist was in the leather and the mutilation – the zips, the tearing. From New York cool came the shades – worn perpetually. The fifties element was predominantly bikeboy; the sixties Mod, sharp, neat, pre-psychedelic. In fact, notwithstanding the symbolic brutalities of the New Wave, it is immensely design-conscious, fundamentally a neat tight style. What it hates is the sloppy and the amorphous: the shapeless flared jeans and longish hair of bourgeois post-hippie. [...] In addition to these, punk was drawing on its own past. The recent past – Bowie and Ferry are there and the Rocky Horror Show. Bowie had made the sartorial breakthrough of the 1970s – short, spiky hair. At the same time, rock history provided its own more naive input: early P.R. photos of Cliff Richard in cuddly

Die Vollendung der Pop-Affirmation | 353 jumpers or photographs of forgotten mid-sixties bands, X and the Ys, looking tough.« (Ebd.: 137f.)

Wie die Neurahmung, Wiederaufnahme und Rekombination funktioniert – an anderer Stelle verweist er zusätzlich auf die extremen, bizarren MontageTechniken des Punk-Layouts (ebd.: 140) –, beschreibt York gleich anschließend an einem schmalen, aber prägnanten Beispiel. Seine nach den, wie er sagt, Prinzipien der Zeichentheorie vorgenommene Deutung zeigt zugleich, dass der historische Rückbezug nicht automatisch zu einer Entleerung des Sinns, zu vollkommener Beliebigkeit führen muss; dafür sorgt bereits stets zuverlässig die Tatsache, dass bestimmte Stilentscheidungen immer andere gegenwärtige Festlegungen ausschließen und aus diesem Kontrast und Zusammenhang heraus Bedeutungen annehmen: »The New Wave has developed its own semiology. Take the tie, which crops up in almost every group shot – the thin tie spread in a hangman’s knot from an unbuttoned collar. This tie is, not to be fanciful, an atavistic – or pastiche – return to formalism or sharp dressing as a reaction against the sloppiness of the late sixties. But this tie, the tie no one else wears now, also has to be pulled open, worn like a scarf, sometimes without even a shirt. It comes, in fact, from a James Dean still. Youth in revolt. School’s out. The tie is thin, shiny, school or regimental; not the well-hung jumbo knot of the late sixties.« (Ebd.: 138)

Gerade wenn man diese Einordnung akzeptiert, stellt sich allerdings sofort die Frage, ob die dem Punk-Stil (an einem Element) abgelesene Bedeutung nicht in ganz ausgeprägter Weise die Entschiedenheit und Eindeutigkeit von Punk belegt – ob, anders gesagt, der Vergleich des Punk-Stils mit einem ironischen Pop-art-Zugriff und einer Retro-Ausrichtung, die sich nicht länger mit essenziellen Gründen auf eine zeitgemäße Mode festlegen lassen möchte, nicht vollständig verfehlt ist. York wird diese Frage in den folgenden Jahren konsequenterweise negativ beantworten; indem er Punk als einen zwar klar identifizierbaren, aber letztlich spielerischen, oberflächlichen Stil hinstellt, der weder fest mit einer sozioökonomischen Lage noch mit einer politischen Ausrichtung verbunden ist (1983f: 206f.). Unter Berufung auf Charles Jencks bezeichnet York um 1980 Punk sogar als einen postmodernen Stil. Das ist insofern nur konsequent, als er bereits vor dem Aufkommen des Begriffs wichtige Bestandteile von Jencks’ Postmoderne-Konzeption vorweggenommen hat, einschlägig sind hier besonders Yorks Hinweise auf double-think und die Form des Pastiche. Dies ist wiederum keine überraschende oder überaus originelle Vorwegnahme, schließlich liegen diese Konzepte schon seit den Diskussionen zu Pop-art/Camp und Rock-Eklektizismus vor. York selbst weist genau in diesem Sinne darauf hin, dass es lange vor dem Begriffsgebrauch ein postmodernes Leben gegeben habe. »Trash with flash« lautet rückblickend seine Formel für das »fashionable Post-Modern life«, als wichtigste Kriterien zur Beurteilung eines entsprechenden Stils führt er an, »that a work, an entertainment, should be stylish, ambivalent, ironic, eclectic, a touch retro, a bit classy (but that classiness distinctly ironic: post-classness, you understand).« York setzt den Ursprung und ersten Höhepunkt dieses postmodernen Lebens in der ersten Hälfte der 70er Jahre an (mit dem üblichen Paradebeispiel

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Brian Ferry). Der Hauptgrund, weshalb York das Datum nicht in die 60er Jahre legt, besteht offensichtlich darin, dass er erst ab Beginn der 70er Jahre eine tatsächliche Überbrückung der Kluft von Hoch- und Popkultur am Werke sieht. Die Pop-Artisten der 60er Jahre hätten sich noch zumeist ihrem Material überlegen gefühlt; »tounge-in-cheek« und »camp« seien darum kennzeichnend für den »sixties approach to posh/pop culture hybrids«; wegen ihrer noch zu starken Reserve gegenüber dem von ihnen Zitierten und Aufgegriffenen bildeten sie bloß eine Durchgangsstation auf dem Weg zu einer unwillkürlicheren, weniger distanzierten Benutzung und Kombination von period references (1983g: 211, 215). Deshalb ordnet York auch Punk in den Zusammenhang der postmodernen Wende der 70er Jahre ein. Wie seine Vorläufer in den Glam- und PostPop-art-Szenen Anfang der 70er Jahre übertrete der Punk-Stil die gezogenen Grenzen, ohne sie noch groß wahrzunehmen, und bringe sie dadurch zum Verschwinden. Postmodern ist Punk nach York gleich wegen zwei Verfahrensweisen: Weil neue Kombinationen vergangener Stile durchgeführt und dabei zudem Elemente aus den zuvor getrennten Bereichen der Kunst und der Popkultur zusammengeführt werden. Die Punks waren »so Post-Modern it hurt«, treibt York seine Diagnose am Beispiel des Kleidungsstils weiter in die Höhe: »The clothes were literal ›cut-ups‹ which pulled together bits of previous youth cultures and Art references in a way that suggested history was a trash-can – Ted’s creepers with bondage stripes or Jackson Pollock trousers« (ebd.: 217). Oder anders gesagt: »Punk brought it all together and pulled it all apart. Punk undermined traditional notions of what teenage culture was all about, it introduced some pretty highbrow ideas directly into the reservoir of ordinary working-class youth culture.« Aus dieser Überschreitung der Grenze zwischen Hoch- und Jugendkultur ergibt sich für York folgerichtig eine postmoderne Situation: »The main thing that punk introduced was the idea of cut-ups, montage – a bit of Modern artiness – to an audience who’d never heard of eclecticism. Punk was about changing the meanings of things« (1983h: 47). Wie aus den letzten beiden Sätzen unmittelbar deutlich wird, will York keineswegs behaupten, dass Punk ein recht konturloses Ding ist. Aus der Grenzüberschreitung, aus dem Eklektizismus, der Punk nach York zugrunde liegt, geht vielmehr ein scharf umrissener Stil, eine spezifische Montage mit klar benennbarer Bedeutung hervor. Die Montage gehorcht keinem Zufallsprinzip, der Verweis auf ältere Stile unterliegt einer bestimmten Logik, gehorcht nachvollziehbaren Distinktionsbemühungen, wie York wiederum am Beispiel von Kleidung und Styling erläutert: »The way to tell a proper punk was that every item he or she had on was utterly out of sync, a style from a cut-up of every other youth culture since the war and thus did injury to them and was a mockery of the whole wonder world of teen. The whole aesthetic was perverse; getting the dye job thoroughly wrong (since Clairol had got the blonding hints so piss elegant and subtle now). The colours were either Northern barmaid black or tow rope bleach with the roots showing. The actual range of styles was very wide and exotic. Something leopard – but not too much for that was Roxy art school – a touch of the Day-Glos; and for the boys, hefty shoes, either big Doc Martens with the dome toes or the real big thick-soled creepers in black or white, like the Teds.« (Ebd.: 44)

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So beschrieben, scheint sich die postmoderne Referenz zu einer modernen Verfremdung, zu einer dadaistischen Kritik zu verkehren. York sucht den Widerspruch aufzulösen, indem er dieses spezifische Punk-Vorgehen, das aggressiv moderne Züge trägt, als ein postmodernes Spiel hinstellt, als ein style thing, das nicht aus einem ernsten, essenziellen Grund entspringt. Als Beweis für diese weitreichende These führt er die Schnelligkeit an, mit der viele Punk-Fans ihre kritische Haltung wieder aufgeben und sich neuen Moden und Verkleidungen zuwenden (1983f: 207). Triftiger noch erscheint allerdings im Rahmen von Yorks Argumentation ein indirekter Beleg für die postmoderne Bedeutung des Punk-Stils. Hier geht es nicht um den zweifelhaften Nachweis, dass die Punk-Montage mit ihrer aggressiven Verfremdung des Vorgegebenen lediglich eine postmoderne Attitüde ist, sondern um die moderatere Einschätzung, dass einzelne Elemente, die aus der Punk-Montage historischer Referenzen herausgebrochen werden, nun insgesamt zu einem erstaunlichen Kaleidoskop unterschiedlicher Retro-Moden führen: »Punk had this curious effect of catalyzing other styles, even things that seemed to be its complete antithesis – like that very shiny neon and Lycra disco style you got in 1978 – so it was hard enough to keep track of the styles which were brand new. What was harder still for Average Reader was taking in the fact that in the late seventies there seemed to be pastiches, reflections around of every youth culture style since, well, since it was invented in this country – i.e. the mid-fifties. The pastiches of these styles were running around at the same time and anyone who’d been a Mod or a Ted or a greaser or an early hippie would feel thoroughly unnerved to see the oddest versions of their own styles reappearing in the wrong way, on the wrong people, with the wrong friends.« (York 1983h: 41)

Aus der Sicht Yorks sind darum auch der Punk-Stil und die ihm folgenden Retro-Moden und Rekombinationen innerhalb der Jugend/Popkultur trotz all ihrer Auffälligkeit und Radikalität nur Teil des übergreifenden, langfristigen Trends, der die westlichen Gesellschaften erfasst hat. Als die beiden wichtigsten Punkte des nachhaltigen Umschwungs stellt York die Allgegenwart des Designs, die durchgehende Stilisierung der Dinge und Haltungen sowie die Zunahme von Geschmacks-Subkulturen heraus (market segmentation und style fragmentation lauten bei ihm die Begriffe, mit denen dies zum Ausdruck gebracht werden soll; 1983i: 11f.). Die Postmoderne geht aus dieser Lage insofern hervor und verstärkt sie noch, als sie mit ihrer Wiederaufnahme und Neukombination unterschiedlichster historischer Stile eine Konsequenz jener Bewegung bildet, die sich durch das Ende der massenhaften Standardisierung und des Modediktats ergibt. Ähnlich wie zur gleichen Zeit McLuhan – der angesichts der »popular technology of the video replay« von einer technologischen Überholung des Camp-Archivismus spricht (1975: 44) – weist York zudem darauf hin, dass im Zeitalter individuell nutzbarer Speichermedien die Verfügbarkeit über die Vergangenheit beträchtlich anwächst und längst nicht mehr das Vorrecht der akademischen Klasse ist. Wenn York »The sensibility is Post-Modern« deklamiert, dann meint er damit auch eine Haltung unter den englischen Twens und Teenagern, die zu den Fans der stilbewussten Popkultur zählen: »the difference is that kids know a lot of things now and will never unknow them,

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since the recent past is so accessible« (1983f: 204). Einer intellektuellen Postmoderne, die sich der Geschichte und zumal den historischen und gegenwärtigen Gegenständen der Popkultur nur mit Reserve annähert, indem sie spüren lässt, dass sie die Referenzen nur mit ironischer Distanz aufgreift, stellt York darum die unbefangene, unmittelbarere Art und Weise gegenüber, mit der innerhalb der Pop-Szene selbst ohne jede Kenntnis des Begriffs postmodernen Verfahren nachgegangen wird: »In London, in youth culture particularly, the time frames are utterly scrambled, the past is all around: in that world the notions of either rejecting or embracing the past look irrelevant. Post-Modernism, which deals with the past like one huge antique supermarket, looks very relevant indeed. Pastiche and parody is just an uncomfortable transition to a time when period references will be used without any self-consciousness« (1983g: 215).

Poststrukturalistische Theorie Das Bekenntnis zu einer selbstverständlicheren postmodernen Einstellung kommt Peter York als Autor nicht zugute. In den zahlreichen Überblicksbänden zur Geschichte der postmodernen Konzepte, die ab Ende der 80er Jahre erscheinen, wird York befremdlicherweise kein Platz eingeräumt. Höchstwahrscheinlich liegt das zu einem beträchtlichen Teil daran, dass Yorks Beiträge aus einer Zeitschrift des gehobenen Lifestyles, Harpers & Queen (vgl. Barr/York 1982: 52), stammen, die außerhalb des Blickfelds akademischer Postmoderne-Beiträger liegt. Aus dem gleichen Grund dürfte der von York sonst stark verschiedene Aufruf von Ellen Willis zu einem »authentic postmodern optimism« bislang ebenfalls unverzeichnet geblieben sein (Willis plädiert für eine solche postmoderne Zuversicht, weil nach ihrer Auffassung der »modernists’ once-subversive refusal to be gulled or lulled« mittlerweile längst keine befreiende oder kritische Wirkung mehr entfalte; 1992a: 80). Aus anderen Gründen ist ein früher deutscher Beitrag zum Thema unbeachtet geblieben, gescheitert u.a. an der Sprachbarriere. Selbst wenn der Aufsatz von Harald Hartung sogar innerhalb des deutschen Sprachraums keine große Resonanz gefunden hat, soll er aus systematischen Gründen dennoch kurz erwähnt werden. Zuerst scheint es zwar, als biete Hartung nichts Neues; in Anlehnung an Fiedler bestimmt er gleich im Titel seines Beitrags aus dem Jahr 1971 Pop als ›postmoderne‹ Literatur; zumindest den halben Fiedler bietet er auf, wenn er, von der Warte der Hochkultur aus, von der PopLiteratur als einer Richtung spricht, die mit der »Zuwendung zum Trivialen die Lücke zwischen Kunst und Leben, Künstler und Publikum, kurz art und pop, schließen« will. Weiter führt aber bereits sein knapper Hinweis auf die Absage der Postmoderne an Originalitätsvorstellungen, auf ihre überwiegende Konzentration auf Dinge »aus zweiter oder schon dritter Hand«. Die postmoderne Literatur definiert Hartung darum als eine »zitierende, kombinierende, trivialisierende ästhetische Praxis«. Anders als bei Fiedler rückt hier die Bedeutung des Zitats und der spielerischen Kombination von bereits Vorhandenem (der bricolage, wie Hartung auch unter Hinweis auf LéviStrauss sagt) in den Vordergrund. Eine besondere Bedeutung, die über die zeitgleich oder etwas später ausführlich und wirkungsmächtig vorgetragenen Thesen von Charles Jencks hinausgeht, gewinnt der Hinweis bei Hartung,

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weil er ihn mit den Überlegungen von Arnold Gehlen zur post-histoire kurzschließt. Wenn keine andere als eine zitierende Kunst mehr denkbar wäre, schreibt Hartung in hypothetischer Manier, dann lieferte Pop bzw. der Postmodernismus einen Beweis für die »Unveränderbarkeit« der Systeme und stünde beispielhaft für die »vollzogenen kulturellen Kristallisationen« (1971: 723, 741f.). Im Unterschied zu Gehlen, für den durch die modern-avantgardistischen Experimente alle gegebenen Möglichkeiten grundsätzlich entwickelt worden sind und nur noch graduelle Variationen möglich bleiben (1963: 322f.) – und der darum von nun an nur noch mit einem »Pluralismus von Gestaltungsverfahren und Stilen« rechnet (1965: 229) –, sieht Hartung selber jedoch die Geschichte in der Hinsicht nicht an ihr Ende gekommen, weil er die Zitation und Kombination als Merkmal bloß eines Stils, der in Konkurrenz zu anderen steht, vorstellt (1971: 742): Was Gehlen als post-histoire, als »Synkretismus des Durcheinanders aller Stile und Möglichkeiten« bezeichnet (1965: 207) und ganz allgemein am Werk sieht, beschränkt Hartung auf die sog. postmoderne Literatur. Nur »Pop« ist demnach »Ausdruck« der »kulturellen Kristallisation«, wie Hartung mit einem Wort Gehlens sagt (1971: 742), wobei einschränkend hinzugefügt werden muss, dass nach Hartung der Pop-Stil sich ja auch nicht durch einen rückhaltlosen Synkretismus auszeichnet, sondern durch den Bezug zur Konsumkultur ein beständiges, trivialisierendes Verfahrensmerkmal behält. Was Gehlen dazu gesagt hätte, kann man sich ungefähr denken. In der zweiten, überarbeiteten Auflage seiner Zeit-Bilder, die mit der Diagnose, die westliche Welt befinde sich in der ›Nachgeschichte‹, ursprünglich im Jahr 1961 erschienen sind, reagiert er noch kurz auf die neue Kunstrichtung der Pop-art, indem er sie mit europäischer Inspirations- und Kraftlosigkeit vergleicht. »Dann ist natürlich Pop-Art Sieger«, schreibt Gehlen angesichts der auf ihn entmutigend wirkenden Documenta des Jahres ’64; durch die Formulierung ist aber natürlich schon vorweggenommen, dass es sich für Gehlen nur um einen Sieg in einem höchst relativen Sinne handelt; seine sofort folgende Definition der Pop-art lautet dementsprechend: »die schon längst erreichte Anspruchslosigkeit wird außen festgemacht und dort in Überraschung umgesetzt, mit amerikanischer Verve, zwischen Gag, Neodada und jäher Entzückung des Auges spielend – auch hier wieder ein Symptom amerikanischer Macht über das eingeklemmte Europa« (1965: 219). Befände man sich, wie Gehlen annimmt, bereits in der post-histoire, hätte Fiedlers späterer Pop-Postmodernismus (und, mit Abstrichen, Jencks’ postmoderne Doppelkodierung) bei ihm eine ähnliche Reaktion auslösen müssen. Dass die Nachgeschichte zur Zeit der frühen Pop-art, Anfang/Mitte der 60er Jahre, aber offensichtlich doch noch nicht mit ganzer Stärke herrscht, kann man gut an Gehlens jäher Überraschung ablesen, die ihn vor den aus seiner Sicht offensiv anspruchslosen Bildern der Amerikaner ergreift. Nach der Logik müsste dann deren Wiederholung oder Variation bzw. die Ausbreitung der Pop-art auf das Gebiet der Architektur, der Literatur etc. ohne Überraschungseffekt bleiben und könnte deshalb schwerlich weiterhin auf Gnade hoffen. Hinzu kommt, dass man Gehlens post-histoire weder mit Fiedlers Postmoderne (im Sinne der Travestie der Klassiker und des camping der Popformen) noch mit Jencks’ ähnlich gelagerter Doppelkodierung gleichsetzen kann. Nur wenn Jencks unspezifisch vom Pluralismus der Postmoderne

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spricht, ergibt sich eine Übereinstimmung mit Gehlens nachgeschichtlichem »Synkretismus«. Eine Ausrichtung der Zeit nach der Moderne auf die Kombination von gegebenen Elementen der Hoch- und Popkultur wäre Gehlen sicherlich nicht in den Sinn gekommen. In den 70er Jahren jedoch herrscht im akademischen Rahmen diese Ausrichtung lange vor. Solange die Kategorie der Postmoderne sich in der Weise vornehmlich auf die Fiedler’sche Grenzüberschreitung bezieht, ist ihr allerdings dort kein großer Erfolg beschieden. Zum einen ist die Zahl der Beiträge zum Thema noch überschaubar, zum anderen wird solch eine postmoderne Kultur zumeist kritisch beleuchtet. Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass Fiedlers Postmoderne-Konzeption sich immerhin so weit verbreitet hat, dass sie schon auf Vorläufer hin untersucht wird. Dabei ist es üblich, Sontags »neue Sensibilität« aus der ersten Hälfte der 60er Jahre heranzuziehen (Graff 1984: 50; Peper 1977; Köhler 1977), überwiegend jedoch in kritischer Manier (systematisch bei Peper 1977). Bemühungen innerhalb des universitären Veröffentlichungsraums, die Grenzüberschreitung der Pop-Avantgarde aus politischen und ästhetischen Gründen in ein positives Licht zu rücken (Huyssen 1986b; Bohrer 1979; Brock 1977g), sind dagegen selten; die Gleichsetzung von Postmoderne mit Teilen der Popkultur bzw. Pop-art führt auch innerhalb der intellektuellen Kunstkritik überwiegend zu negativen Urteilen (etwa Wellershoff 1976: 74f.; Greenberg 1997b). In richtigen Schwung gerät die Postmoderne-Debatte deshalb erst, als sie sich von der Konzentration auf die »High/Low«-Überschreitung löst (vgl. Bertens 1987: 57ff.). Ablesen kann man die Veränderung zuerst bei Ihab Hassan. In seinen ausufernden Katalogen zu den wichtigsten Tendenzen in der zeitgenössischen avantgardistischen Kunst gibt es zwar unter der Rubrik Postmodernism ebenfalls Einträge zu Pop und Camp (und zu Sontags Ästhetik), daneben führt Hassan aber bereits 1971 unter dem gleichen Titel der Postmoderne zahlreiche weitere Bezugsgrößen an (»new diversity«, »fragmentation«, »autorial self-reflexiveness«, »dehumanization«, »open, discontinuous, improvisational, indeterminate, or aleatory structures« etc.), die sich nur teilweise oder gar nicht mit dem Pop of Postmodernism überschneiden (Hassan 1987: 40ff.). Darum überrascht es nicht sonderlich, dass Hassan am Ende der 70er Jahre, als er sich zum wiederholten Male die Frage vorlegt, wohin die Revision der modernen Kunst und Kultur in der (akademischen, feuilletonistischen) Welt führt (und führen soll), eine Antwort gibt, die nur noch zu Beginn auf die gegenwärtige Popkultur weist: »Quite possibly, the rise of popular culture as a matter of academic curiosity may provide a certain stimulus to criticism. But those critics seeking a new theoretical foundation for their discourse – where shall they look?«, rätselt Hassan. Das Rätsel ist jedoch schnell gelöst, die Frage stellt sich unmittelbar danach als rhetorische Figur heraus. Auch der Vorsatz war bloß eine Finte; mit einer Hinwendung zur populären Kultur hat Hassans Antwort nichts zu tun, denn im Folgenden gilt seine ganze Aufmerksamkeit der französischen poststrukturalistischen Theorie. Sie ist es, die für ihn die gegenwärtige Lage nicht nur konzeptuell zu erfassen erlaubt, sondern geradezu bestimmt (1980: 48f.). Auch wenn Hassan in vielerlei Hinsicht darum bemüht ist, Distanz zum Poststrukturalismus zu wahren (etwa wenn er das Autorsubjekt nicht einfach verabschieden möchte), führt ihn das selber keineswegs zur Popkultur. Er

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bleibt auf der akademischen, kulturphilosophischen Linie, indem er der Darstellung der poststrukturalistischen Theorie einen großen Platz einräumt und sich zumindest dadurch in den »larger trend of our time« einreiht, in dessen Hochwertung er freilich nicht einstimmen will. Damit gehorcht Hassan nicht allein Darstellungspflichten; Übereinstimmungen mit dem, was er (im Sinne Michel Foucaults, wie er glaubt) eine postmodern épistémè nennen würde, ergeben sich wegen Hassans Bevorzugung einer nachmodernen Literatur zwangsläufig (ebd.: 53). Zwar spricht Foucault davon selbst an keiner Stelle auch nur annäherungsweise, Hassans Bezeichnung trifft aber in abgeschwächter Form insofern zu, als Foucault neben Roland Barthes, Jean-François Lyotard, Jean Baudrillard, Gilles Deleuze/Félix Guattari und Jacques Derrida zu den Autoren gehört, die vom Ende der 70er Jahre an für viele Jahre, ja Jahrzehnte, die avantgardistische akademische Theoriebildung und Literaturkritik in weiten Teilen bestimmen werden. Mit einer Ausnahme benutzen die französischen Theoretiker den Begriff der »Postmoderne« zwar kaum oder gar nicht, dennoch wird der Poststrukturalismus (eine andere Sammelbezeichnung, die sich ohne Zutun der meisten angeführten Autoren durchsetzt) von nun an gerne mit einer nachmodernen Epoche und einem Projekt, das die Prinzipien und Verfahrensweisen der Aufklärung und Rationalität hinter sich lassen möchte, identifiziert. Lyotards Schrift zur Condition postmoderne, in der 1979 die »großen Erzählungen«, die Ausrichtung auf die eine Wahrheit, den einen Sinn, verabschiedet werden, gibt das Stichwort vor, das auf die anderen, ähnlich gelagerten Ausführungen der zeitgenössischen französischen Philosophie und Essayistik in den folgenden Jahren häufig übertragen wird. Darum liegt Hassan frühzeitig richtig, wenn er zum einen die internationale Ausstrahlungskraft des Poststrukturalismus betont und mit einer postmodernen Wissensordnung in Zusammenhang bringt, als deren Grundzug er (mit den einschlägigen Begriffen Derridas) die Zurückweisung aller Totalisierungen herausstellt – »affirming instead the joyous play of a world without ›truth‹, without ›origin‹, a world offered continually to our interpretations and our deconstructions« (ebd.: 102). Erst mit dieser Konzeption tritt die Postmoderne über zwei Jahrzehnte lang ihren Siegeszug unter den theoretisch interessierten und spekulativ gesinnten Wissenschaftlern und Intellektuellen der westlichen Welt an (bislang ganz im Unterschied zu den Pop-Konzepten, gibt es deshalb auch Tausende von Analysen und Überblicke zu allen möglichen poststrukturalistischen Ansätzen und Vertretern; etwa Best/Kellner 1991, zuletzt Angermüller 2007). Dabei geht es keineswegs nur um esoterische epistemologische Fragen. Ihre große Verbreitung gewinnen die poststrukturalistischen Ideen vielmehr dadurch, dass sie mit bestimmten Haltungen und ästhetischen Einstellungen kurzgeschlossen werden. Die Überzeugung, dass es keinen gesicherten Punkt gibt, von dem aus man ein festes, überzeitliches, kontextloses Wissen gewinnen könnte, geht häufig zusammen mit politischen und künstlerischen Vorlieben, die einen anarchistischen und avantgardistischen, sinnverwirrenden Charakter tragen. Der postmoderne Ansatz Leslie Fiedlers, der auf eine Aufhebung der Grenze von Hoch- und Popkultur zielte, ist damit zwar nicht von vornherein unvereinbar, steht aber nicht mehr im Mittelpunkt der Debatten, die von nun an in großer Zahl unter dem überaus häufig gebrauchten Titel der Postmoderne geführt werden. Wegen der äußerst beachtlichen Ausweitung dieser

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Debatte gibt es nur relativ wenige Beiträge im Sinne Fiedlers, in absoluten Zahlen (und damit ebenfalls an Bedeutung) gewinnt jedoch auch diese Postmoderne-Konzeption schon ab Beginn der 80er Jahre stark hinzu. Dies ist umso bemerkenswerter, als die Hauptvertreter des Poststrukturalismus in den kompletten 70er Jahren kein Wort über Tendenzen innerhalb der zeitgenössischen Popkultur verlieren, hingegen ausdauernd über Platon, Mallarmé und Kafka schreiben. Die einzige Ausnahme bildet Jean Baudrillard; seine Bestandsaufnahme der aktuellen Konsum- und Popkultur fällt allerdings zwiespältig aus und ist deshalb zumindest im Sinne von Fiedlers postmodernem Pop-Projekt nicht zu gebrauchen. Das Gefallen Fiedlers könnten allenfalls die Themen Baudrillards finden, der sich selten über philosophische Klassiker oder avantgardistische Neuerer, sondern über Werbung, Gebrauchsgüter, moderne Medien auslässt. Dies tut er jedoch auf eine Weise, deren postmoderner Zug mit dem Fiedlers bloß selten übereinkommt. Zwar stimmt Baudrillard nur zu Beginn in das in den 70er Jahren unter Intellektuellen noch vorherrschende Urteil ein, die populäre Kultur sei eine Kultur der Nivellierung, der Standardisierung (etwa Attali 1985: 110f.), doch folgt aus seinem Beharren auf der Differenz keineswegs ein positives Urteil. Typisch poststrukturalistisch ist dabei Baudrillards Angriff auf jene Theorien und politischen Urteile, die sich gegen die bestehende Konsumgesellschaft auf »authentische Werte« berufen. Bereits in seinem ersten Buch Le système des objets aus dem Jahr 1968, das ebenso wie seine zweite Veröffentlichung La société de consommation aus dem Jahr 1970 noch deutlich unter situationistischem und sozialistischem Einfluss steht, lässt Baudrillard den Glauben an eine unverrückbare Identität, wie sie sich in der Rede von den wahren Bedürfnissen zeigt, ins Leere laufen (1991a: 191). Kritikern wie Vance Packard oder Herbert Marcuse, die den Konsumenten getäuscht und im Banne manipulativ erzeugter falscher Bedürfnisse stehen sehen, muss Baudrillard demnach eine Absage erteilen. Eine Affirmation der zeitgenössischen Popkultur folgt daraus jedoch keineswegs. Ganz wie Marcuse, Debord u.a. hält Baudrillard die Rede von der Überflussgesellschaft für einen Hohn und erkennt in dem Güterangebot letztlich nur ein reizloses Ensemble von Möglichkeiten, die außerdem keine persönliche Wahl erlauben, weil sie vorab industriell festgelegt worden sind. Konsequenterweise lehnt Baudrillard gleichfalls die Auffassung ab, der stattfindende Verbrauch der produzierten Güter sei hinlänglich als »Vorgang der Bedürfnisbefriedigung« erklärt. Er bestreitet diese optimistische liberale These aber nicht (in erster Linie), weil er die »marginalen Differenzen« (wie er an einer Stelle mit Riesman sagt) zwischen den verschiedenen Varianten einer Güterklasse in adornitischer Manier als »tote Differenzen« ansieht. Sein Einwand ist noch grundsätzlicherer Natur: Für Baudrillard hat der moderne Konsum an sich nichts mit einem materiellen Bedarf und dessen Befriedigung zu tun (ebd.: 243f., 190, 177). Was so verwirrend klingt, ist recht leicht erklärt: Der zeitgenössische Verbrauch richtet sich nach Baudrillard definitionsgemäß rein auf die Konnotationen, auf die (durch die Werbung erzeugten) Bedeutungen der Güter, nicht auf ihren Stoff. Um Gegenstand des Konsums zu werden, müsse sich ein Objekt in ein Zeichen verwandeln, hält Baudrillard fest; weil er sich im Reich des Immateriellen bewege, stoße der Konsum nie an eine (physiologische) Grenze, sondern sei auf ewige Dauer gestellt. Wenn er ihr auch alle

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postiven Eigenschaften abspricht, sieht Baudrillard die von Ernest Dichter propagierte Ablösung der puritanischen Strenge durch eine hedonistische Haltung deshalb verwirklicht (ebd.: 244, 215, 249, 228f.). Im Gegensatz zum Marktforscher Dichter kann Baudrillard in der Befreiung des Konsums von den Pflichten einer restriktiven Moral und Tugend keine wirkliche Freiheit erkennen. Weil die Wahl unter ganz bestimmten Bedingungen stattfindet (die er ablehnt), verkehrt sie sich für Baudrillard zum Zwang. Die eingeräumte Freiheit zu wählen zwinge einem den Eintritt ins gesellschaftliche System auf und verlange einem die Zustimmung zur herrschenden kulturellen und wirtschaftlichen Ordnung ab; zudem führe die Suggestion und Illusion der Werbung, durch den Kauf eines Produkts erweise man sich als besonderes, auswählendes, ausgewähltes Individuum, tatsächlich zu einer Gleichförmigkeit des Konsums (ebd.: 176, 225). Bei der Beschreibung, welche wirklichen Unterschiede durch die eingebildete individuelle Wahl und die vorgespiegelten Abstände bei den Produkteigenschaften eingezogen werden, trifft sich Baudrillard einmal sogar mit Dichter, wenn auch nicht aus gleichen Gründen. Baudrillard weist ausdrücklich in kritischer Absicht darauf hin, dass die vorgegebene Freiheit zur Wahl und die potenziell unendlich variablen, arbiträren Werbe-Konnotationen der Produkte in der gegebenen Gesellschaft ihre Schranke stets in der Spaltung der sozialen Klassen fänden (ebd.: 173). Bei Dichter läuft die Argumentation zwar auf die gleiche Diagnose hinaus, allerdings auf uneingestandene Weise. Dichter postuliert in seinen theoretischen Ausführungen, dass höchstwahrscheinlich alles Mögliche etwas anderes symbolisieren könne (»there is probably nothing intrinsic, inherent, or absolute in any symbol«), darum sieht er für den Werbepsychologen die große Chance gegeben, das vorhandene gesellschaftliche Wertesystem zu verändern. In seinen praktischen Anmerkungen weist er jedoch immer wieder darauf hin, dass die symbolische Aufladung von Produkten scheitern müsse, wenn sie den sozialen Status der bereits durch den Preis des Produkts hinlänglich markierten Zielgruppe verfehle; dies zeigt ihm etwa das Beispiel eines Autoherstellers, der einen Wagen der mittleren Preisklasse in einen Werbe-Rahmen versetzte, »where the connotative symbols suggested great wealth and upper-class status« – mit dem für Dichter zwangsläufigen Ergebnis, dass die Werbekampagne scheiterte und der Absatz stockte (1960: 129, 110, 130). Deutliche Hinweise, dass Baudrillards Argumentation nicht durchgehend auf eine Ordnung des Geschmacks hinausläuft, die auf Veblens Gesetz der conspicuous consumption ruht (also der Annahme, dass der Geschmack der Wohlhabenden sich in verschwenderischem, teurem Luxus ergeht), gibt es jedoch bereits in seiner frühen, sozialistischen Phase (Baudrillard 1998: 90). Die Ansicht, die zeitgenössische Konsumgesellschaft gewährleiste, bezogen auf die Güterausstattung, soziale Gleichheit, weist Baudrillard natürlich zurück, er räumt aber ein, dass die Ungleichheit in immer feineren Differenzen ihren Niederschlag finde. Weil der Konsum nun auf der Ebene des Zeichenhaften stattfindet, müssen die Unterschiede grundsätzlich nicht mehr durch Unterschiede des Materialwerts oder nicht einmal durch Preisabstände dokumentiert werden. Im Sinne Saussures und der ihm folgenden französischen Zeichentheorie (etwa Roland Barthes’) formuliert Baudrillard als Gesetz, dass die Bedeutung eines Zeichens ganz und gar von seiner Beziehung zu allen anderen Zeichen abhängt, es also seine Bedeutung nicht in sich selbst

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trägt (1991a: 191, 244f.). Ein Objekt werde nur dann zum Konsumobjekt, wenn es von einer festen symbolischen Bedeutung und seinem funktionalen Zweck als handgreifliches Werkzeug gelöst werde, um dadurch die Freiheit eines beliebigen Zeichens der Mode zu gewinnen: »liberated as a sign to be recaptured by the formal logic of fashion, i.e., by the logic of differentiation« (1981b: 67). Denkbar wäre demnach, dass auch spartanische Produkte das Zeichen eines höheren Stands abgeben könnten. Dass die Bedeutungen der KonsumZeichen aber bei aller unterschiedlichen Ausgestaltung stets auf die Unterschiede innerhalb einer Klassengesellschaft zurückgehen, daran lässt Baudrillard in seiner frühen Phase noch keinen Zweifel (»Ascending or descending social status must be registered in the continual flux and reflux of distinctive signs«; 1981c: 49). Im Zuge seiner verschärften Kritik an der marxistischen Kategorie des Gebrauchswerts ändert sich Baudrillards Ausrichtung jedoch. Im Laufe der 70er Jahre verliert er jedes Interesse an der klassenspezifischen Ortung des differenziellen Spiels der Zeichen (vgl. Kellner 1989). Übrig bleibt nur noch die dunkle Faszination der von jeder Natürlichkeit und jedem sozialen Zwang befreiten willkürlichen Bedeutungen, die sich aus dem Relationsgefüge der Zeichen ergeben, das Baudrillard als alles beherrschenden »generalized code of signs« (»a totally arbitrary code of differences«) fasst (1981d: 91). Mit der (theoretischen) Verabschiedung einer festen Funktion und einer zugrunde liegenden Substanz (unhintergehbare menschliche Bedürfnisse, eine kultureller Änderung entzogene natürliche Wirklichkeit) gewinnt für Baudrillard das Design vollkommen entgrenzte Möglichkeiten: »If there is no further absolute utility of the object, it is also the end of the superfluous, and the whole theoretical edifice of functionalism crumbles«, schreibt Baudrillard mit dem nun schon bekannten nachmodernen Impetus, der die Künste ganz in der Mode und ihren substanzlosen Zeichen aufgehen lässt. »Nothing can successfully oppose whatever form enters the unlimited combinatory of fashion« (1981e: 197), ist sich Baudrillard sicher, womit er als fashion bezeichnet, was viele andere einige Jahre später vorzugsweise als Postmoderne ansprechen werden: »Alle Kulturen und Zeichensysteme werden in der Mode ausgetauscht, kombinieren sich, gleichen sich einander an und gehen flüchtige Verbindungen ein, die der Apparat ausscheidet und deren Sinn nirgendwo liegt. Die Mode ist das rein spekulative Stadium der Ordnung der Zeichen – es gibt keinen Zwang zu irgendeiner bestimmten Kohärenz oder Referenz« (Baudrillard 1991b: 140f.). Wie viele Postmoderne-Theoretiker ihre Konzeption nicht auf die Architektur oder andere Künste beschränkt sehen, wirkt sich auch bei Baudrillard die Mode epochal aus. Nicht allein die Kleidung oder die Kunst verfällt ihrer Macht, das Identitätsprinzip zu erschüttern und die »Formen in Ursprungslosigkeit zu verwandeln und einer rekurrierenden Wiederaufnahme zu unterwerfen« (ebd.: 134), sondern schlichtweg alles – der Körper, die Sexualität, die sozialen und menschlichen Beziehungen – unterliegt nach Baudrillards Auffassung nun dem Zugriff des Designs: »This ›designed‹ universe is what properly constitutes the environment. Like the market, the environment is in a way only a logic: that of (sign) exchange value. Design is the imposition of this sign exchange value at all levels of models and operational practices« (1981e: 201).

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Der Verweis auf menschliche Bedürfnisse, auf das unhintergehbare Realitätsprinzip oder auf feststehende Bedeutungen fungiert nach Baudrillards Einschätzung darum nur noch als ein Alibi; tatsächlich seien all diese Entitäten längst Simulationsmodelle wie alles andere auch (1981f: 137). Ein neues Zeitalter sei angebrochen, in dem die Manipulation und die soziale Kontrolle so weit fortgeschritten ist, dass man gar nicht mehr von ihr sprechen könne, weil es kein »Außerhalb«, von dem aus man sie durchschauen könnte, mehr gebe: »The passage from a concept of nature that is still objectifiable as a reference, to the concept of environment in which the system of circulation of signs (sign exchange value) abolishes all reference, or even becomes its own referent, designs (i.e., sketches) the passage between societies« (1981e: 202). Ganz im Gegensatz zu Verfechtern der Popkultur wie der Independent Group oder Tom Wolfe und den Planern großer Pop-Environments wie Archigram erblickt Baudrillard in der Lösung von der Natur, von hergebrachten Standessymbolen und von der Idee einer grund- bzw. tiefliegenden Substanz keinen Gewinn an Freiheit und Gestaltungsmöglichkeiten. Zum einen setzt er die künstliche Durchdringung der Welt kritisch mit einer totalen sozialtechnologischen Steuerungsmacht gleich. Zum anderen bedauert er es zutiefst, dass die Konsumobjekte in ihren Bedeutungen insgesamt einen Code, ein Sprachsystem darstellten, dem man strukturell nicht entgehen könne, so dass die individuelle Lust, die man im Verbrauch solcher Gegenstände verspüre, nur ein Effekt des Codes sei (1998: 93, 79). Baudrillard wünscht sich aber als mitunter archaischer Anarchist nicht nur in eine Welt vor einer durch Sprache und andere Codes geregelten Kommunikation zurück, sondern erweist sich angesichts der von ihm diagnostizierten Ausweglosigkeit postmoderner Kombinatorik und Immanenz oftmals als jemand, dessen Blick von dem eines zutiefst konservativen Essenzialisten zuerst ununterscheidbar ist: »In the past«, schreibt Baudrillard nur scheinbar wertfrei, »differences of birth, blood and religion were not exchanged; they were not differences of fashion, but essential distinctions. They were not ›consumed‹. Current differences (of clothing, ideology, and even sex) are exchanged within a vast consortium of consumption« (ebd.: 93). Oder, mit genauso deutlich vernehmbarem kulturkritischen Unterton, an anderer Stelle: »There is no longer any mirror or looking-glass in the modern order in which the human being would be confronted with his image for better or worse; there is only the shop-window – the site of consumption, in which the individual no longer produces his own reflection, but is absorbed in the contemplation of multiple signs / objects« (ebd.: 192). Einige Jahre später, etwa in L’échange symbolique et la mort (1976), wird er solche Beschreibungen auf mitleidslosere Weise vornehmen (z.B. Baudrillard 1991b: 80ff.). Auch wenn er als Gegner der »Semiokratie« weiterhin die Pop-art, die künstlichen, simulierten Modelle und den alles durchdringenden Mode-Code nicht-referenzieller, rein differenzieller Zeichen einer äußerst kritischen Analyse unterzieht, gibt es jetzt manche Passagen in seinem Werk, die sich momentan wie eine Affirmation der SimulationsOrdnung lesen lassen, etwa wenn er von dem »ästhetischen Genuß« an der hyperrealistischen Verschmelzung von Realem und Imaginärem spricht, am »Travelling der Zeichen, der Medien, der Mode und der Modelle, der blinden und glänzenden Welt der Zeichen«, nachdem das Künstliche (und damit die Kunst) nun im »Zentrum der Realität« stehe (ebd.: 118f.).

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Attraktiv für die Pop-Theorie bleibt Baudrillards vehementer Angriff auf die moderne (bzw. aus Sicht vieler seiner Leser postmoderne) Welt der künstlichen, aus minimalen Varianten der Simulationsmodelle gestifteten Wirklichkeit dritter Ordnung in noch direkterem Maße, weil die Attacke nun ausdrücklich nicht auf eine konservative Rückgewinnung der Vergangenheit hinausläuft. Am Beispiel der New Yorker Graffiti etwa macht Baudrillard deutlich, dass es ihm nicht darum geht, an die Stelle des Codes substanzloser (wiewohl nur nach Maßgabe des Codes differenziell herzustellender) Bedeutungen ewige Werte zu setzen und zu einem Lobpreis der in sich oder der Gemeinschaft ruhenden Persönlichkeit zurückzukehren. Zwar lässt er an seinem zerstörerischen Endziel keinen Zweifel: Die »Semiokratie« (die vollkommene Austauschbarkeit aller Elemente in einem Ensemble, in dem jedes Element »nur entsprechend dem Code als variabler, strukturaler Term Sinn annimmt«) soll um jeden Preis überwunden werden – gemäß des Prinzips katastrophischer Übersteigerung schlägt Baudrillard als subversive Mittel dafür jedoch Maßnahmen vor, die auf der Linie der Zeichenherrschaft liegen. Deshalb lobt er die pseudonyme, bedeutungslose Praxis der Graffitisprayer; sie wollten nicht aus der (post-)modernen Kombinatorik ausbrechen, »um eine schlechterdings unmöglich gewordene Identität zurückzugewinnen«, hält Baudrillard positiv fest, »sondern um die Unbestimmtheit gegen das System zu wenden«; einer solchen Verdrehung und Verkehrung des Codes, die ihn nach seiner eigenen Logik herausfordert, indem sie seine Referenzlosigkeit überbietet, räumt er große Erfolgschancen ein (1978: 25f.; 1991: 12f.). Es braucht aber noch einige Jahre, bis sich Baudrillards Thesen international unter Pop-Theoretikern verbreiten und bei ihnen nicht nur zur Kritik, sondern bisweilen auch zur Affirmation der Pop-Kultur beitragen. Sehr gut ablesen kann man die Verzögerung an Douglas Crimp, bei dem die Postmoderne Ende der 70er Jahre erstmals einen kritischen Zuschnitt bekommt, der sich von den Pop-Mythen und -Adaptionen Fiedlers und dem Pluralismus Jencks’ deutlich unterscheidet. Crimp stützt sich aber noch weitgehend auf Walter Benjamin, er geht nur insofern ein wenig über Benjamin hinaus, als er die Möglichkeit der Re-Auratisierung von Kopien (etwa durch Versuche, den fotografischen Apparat durch eine künstlerische, originell-subjektive Hand als beseelt zu erklären) etwas höher ansetzt. Crimp sieht in der Möglichkeit eine Gefahr, deshalb plädiert er für eine (von ihm postmodern genannte) Kunst, die eine Entauratisierung und eine Reinigung der Kunst von Illusionen und Mythen der reinen, unvermittelten Präsenz und Einmaligkeit betreibt: Unter einem postmodernism im positiven Sinne versteht Crimp eine plurality of copies, scharf abgesetzt von einem liberalen pluralism of originals (1993: 172ff.). Baudrillard hingegen sieht das Zeitalter der Reproduzierbarkeit bereits durch ein neues Zeitalter überwunden, das der Simulation, sein Maßstab wird nicht von der Technik der (analogen) Fotografie, sondern der des (digitalen) Computers bestimmt. Nicht mehr die durch die Serienproduktion ausgelöschte Aura und Einmaligkeit der Objekte und die dadurch bewirkte Flüchtigkeit, Zerstreutheit, Massenhaftigkeit ihrer Rezeption beherrscht für Baudrillard die gegenwärtige Welt (und schon gar nicht der Prozess einer Reauratisierung), sondern die Hervorbringung unterschiedlicher ›Wirklichkeiten‹ nach den Berechnungen künstlicher Modelle. Alle Formen hätten sich von jenem Moment an fundamental geändert, von dem an nicht mehr bloß mechanisch reprodu-

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ziert, sondern »im Hinblick auf ihre Reproduzierbarkeit selbst konzipiert« würden, von dem an sie »nur noch unterschiedliche Reflexe eines erzeugenden Kerns, des Modells«, seien. Eine erkennbare Imitation eines Originals sei zu diesem Zeitpunkt ohnehin längst Vergangenheit, es dominiere aber auch nicht mehr die reine Serie, die auf keinen Ursprung mehr verweist. Nun herrschten vielmehr die Simulationsmodelle, »Modelle, aus denen alle Formen durch eine leichte Modulation von Differenzen hervorgehen. Nur die Zugehörigkeit zum Modell ergibt einen Sinn, nichts geht mehr einem Ziel entsprechend vor, alles geht aus dem Modell hervor, dem Referenz-Signifikanten, auf den sich alles bezieht, der eine Art von vorweggenommener Finalität und die einzige Wahrscheinlichkeit hat. Das ist, im modernen Sinne des Wortes, die Simulation, und die Industrialisierung ist nur ihre Primärform. Letzten Endes ist nicht die serielle Reproduzierbarkeit entscheidend, sondern die Modulation, nicht die quantitativen Äquivalenzen, sondern die distinktiven Gegensätze«. (Baudrillard 1991b: 89)

Aus dieser Perspektive sollten die verfremdenden Strategien, die Douglas Crimp favorisiert, auf keine Gnade stoßen. Crimp führt etwa die Praxis Cindy Shermans an, durch ihre Rollenspiel-Bilder den Anschein zu zerstören, es gebe so etwas wie ein autonomes Selbst, das man durch eine fotografische Porträtkunst entdecken könnte, er verweist auf Richard Prince’ fotografische Aneignung von commercial images, die jede Idee künstlerischer oder warenfetischistischer Authentizität aufhebe. Was Crimp aber (zumindest im Feld der Kunst, über das er nicht hinausblickt) als eine enorm kritische Aktivität vorkommt, dürfte nach der Überzeugung Baudrillards lediglich die bereits übermächtige künstliche Hervorbringung von simulierten Differenzen befördern, die längst nicht mehr an festen, originären Vorbildern gemessen werden. Gleiches müsste auch für Dick Hebdige gelten, der die künstliche Verfremdung nicht nur im Bereich der avantgardistischen Kunst, sondern zudem im Stil jugendlicher Subkulturen sucht und findet. Hebdige setzt sogar ganz entschieden auf Differenz, auf eine Form bewusster Abweichung; im Unterschied zu Baudrillard sieht er darin keine Bestätigung und Fortführung der herrschenden Ordnung, sondern in geglückten Momenten genau deren Kritik und Herausforderung. Hebdige bietet auch deshalb einen Widerpart zu Baudrillard im Feld der postmodernen, poststrukturalistischen Zeitdiagnostik und Theoriebildung, weil sein Ansatz ebenfalls stark rezipiert wird und in die feuilletonistische Popkritik eingeht. Hebdiges wichtigste Überzeugungen und Konzepte entstammen der Birminghamer Schule der Cultural Studies, zu deren Verbreitung über den universitären Rahmen hinaus er maßgeblich beiträgt. Gemäß ihrer marxistischen Abkunft fassen die Birminghamer die zeitgenössische Gesellschaft als eine Klassengesellschaft auf; im Gegensatz zu traditionellen sozialistischen Ansätzen messen sie aber auch den kulturellen Auseinandersetzungen und Kräfteverteilungen große Bedeutung bei, nicht nur den ökonomischen Produktionsverhältnissen und dem (partei-)politischen Kampf. Den unterschiedlichen sozialen Klassen ordnen sie unterschiedliche »Kulturen« zu, eine Kultur im Singular gibt es für sie nicht. Gesichert ist die ungestörte Reproduktion der bestehenden Gesellschaft in ihren Augen nur dann, wenn weit mehr als

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der stumme Zwang der ökonomischen Verhältnisse und Abhängigkeiten wirkt – wenn darüber hinaus (aber natürlich damit verbunden) die bürgerliche Kultur die der Arbeiterklasse ideologisch beherrscht (wenn die niederen Schichten also letzten Endes einsehen, dass ihre Manieren und Vorlieben bloß zu einer weniger respektablen, einfacheren Stellung hinreichen). Solch eine »Hegemonie« muss aber bereits wegen der offensichtlichen starken Unterschiede zwischen den gesellschaftlichen Klassen auf kulturellem Gebiet immer wieder verlängert bzw. neu errichtet werden, es besteht, mit anderen Worten gesagt, demnach stets die Möglichkeit, den herrschenden Konsens anzugreifen. Wiederum ganz im Gegensatz zu herkömmlichen sozialistischen Auffassungen setzen die Vertreter der Birminghamer Cultural Studies dabei auch auf jene Subkulturen von Jugendlichen der Arbeiterklasse, die, wie etwa die englischen Teds und Mods, außerhalb politischer Äußerungs- und Einsatzformen agieren. Beachtung schenken die Birminghamer nicht nur delinquenten Formen, die anzeigen, dass man sich der offiziellen Lesart verweigert, jeder könne dank individueller Leistung und voraussetzungsloser, egalitärer Schulbildung den sozialen Aufstieg schaffen. Einiges widerständige Potenzial erkennen sie sogar in den Subkulturen, deren Aktivitäten sich überwiegend darauf erstrecken, sich in der Freizeit mit bestimmten Waren der Konsumgüterindustrie auszustaffieren. »Subversive« Möglichkeiten scheinen ihnen hier in reicher Zahl deshalb gegeben, weil sie die Chancen, sich die kommerziell hergestellten Güter so anzueignen, dass sie von ihren vorgegebenen Bedeutungen und nahe gelegten Gebrauchsweisen gelöst werden, sehr hoch ansetzen: An der materiellen Ungleichheit und der damit einhergehenden Ungleichheit der Lebenschancen könnten solche subkulturellen Vorgehensweisen zwar strukturell nichts ändern; sie könnten aber immerhin dazu beitragen, die Legitimation solch einer ungerechten Ordnung kulturell zu bestreiten (Clarke/Hall/Jefferson/Roberts 1976). In dem viel beachteten Band des Centre for Contemporary Cultural Studies aus dem Jahr 1975 ist es Dick Hebdige, der die grundlegenden Argumente von Phil Cohen (1972), Paul Willis (1981), Stuart Hall, John Clarke u.a. am stärksten Richtung Pop bewegt (vgl. Hinz 1997). Offensiver als die übrigen preist er den Stil der Mods und nimmt ihn und seine Protagonisten gegen die selbstberufenen, kulturkritischen commentators of pop in Schutz, die in ihnen nur entfremdete Konsumenten erkennen. Als offenkundig autorisierterer Kommentator sieht Hebdige dagegen in dem Treiben der Mods auf der glossy surface der 60er Jahre eine »subversive« Weise, sich zu den Anforderungen der Berufswelt und zu den kapitalistischen Konsumprodukten zu verhalten. Wenn Hebdige auch prinzipiell einschränkend feststellen muss, dass die Mods dem gesellschaftlichen Zwangsgehäuse allenfalls kleinere Risse beibringen und rasch von der dominanten Kultur absorbiert werden konnten, lässt er von der ausgiebigen Beschwörung solch eigentlich kleiner Erfolge dennoch keineswegs ab: »The mod triumphed with symbolic victories and was the master of the theatrical but ultimately enigmatic gesture«, schreibt Hebdige, der die Gesten selbst sehr wohl zu deuten weiß: »The mod dealt his blows by inverting and distorting the images (of neatness, of short hair) so cherished by his employers and parents, to create a style, which while being overtly close to the straight world was nonetheless incomprehensible to it.« Zumindest seinen Cultural Studies-Kollegen verständlich bleibt aber Hebdige selbst, wenn er etwa meint, dass die Mods als subkulturelle Abkömmlinge

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der Arbeiterklasse sich trotz ihres »überwältigenden Konsumverlangens« im Gegensatz zu den hedonistischen Vertretern aus der Mittelschicht nie wie »passive Konsumenten« verhalten hätten, sondern sich die angebotenen Waren (Anzüge, Pillen, Motorroller) auf eigenständige, umwidmende Weise angeeignet und in neuartigen Kombinationen eingesetzt hätten (1976: 92ff.). Vier Jahre später wird Hebdige seine Einschätzungen und Analysegründe erneut vorstellen, nun wesentlich ausführlicher und zum überwiegenden Teil an einem aktuelleren Phänomen erklärt, dem der Punk-Bewegung. Der sozialistisch-libertäre, herrschaftskritische Rahmen der Cultural Studies bleibt erhalten, auch der Bezug der jugendlichen Subkultur Punk zur Stammkultur der Arbeiterklasse gibt Hebdige nach wie vor zu denken; wesentlich stärker als in den früheren (und in Vorwegnahme der folgenden) Schriften der Cultural Studies-Theoretiker lenkt Hebdige den Blick jedoch ebenfalls auf jene subkulturellen Versuche, die hegemoniale Kultur außerhalb der Klassen-Frage herauszufordern. Dass David Bowie, Roxy Music und deren Anhänger der sozio-ökonomischen Wirklichkeit entfliehen und sich sogar von den (indirekten) politischen Anliegen der Mittelschichts-Gegenkultur abwenden, nimmt Hebdige nicht zum Anlass, sie des reaktionären Eskapismus oder der Konsum-Verfallenheit zu beschuldigen. Ganz im Gegenteil reiht Hebdige auch sie in die Riege der subversiven Kräfte ein. Weil er glaubt, dass die dominante Kultur Formen sozialer Ungleichheit und Unterordnung auf verschiedenen Gebieten ausprägt und legitimiert (keineswegs allein auf dem Feld der Politik und der Arbeit), kann er David Bowie et al. in sein antihegemoniales Programm mit einbinden: »the subversive emphasis was shifted away from class and youth onto sexuality and gender typing«, lautet sein positives Fazit zu den exponierten Vertretern des Glam Rock. Die durch Kleidung und Kosmetika äußerst auffällig präsentierte Ausbildung einer »alternativen Identität«, die sich von den gängigen Antworten auf die questions of gender deutlich unterscheide, stelle einen wirkungsvollen symbolischen Angriff auf GenderStereotypen und die Geschlechter-Ordnung – und damit auf die herrschende Kultur – dar, weil durch sie der Anschein des Natürlichen, Selbstverständlichen zerstört werde (1979: 61f., 88f.). Hebdige spricht an der Stelle von einer Konstruktion (»construct an alternative identity«), um zum einen deutlich zu machen, dass es sich um eine bewusste Abweichung von dem, was gemeinhin als natürlich angenommen wird, handelt. Zum anderen führt das Wort von der Konstruktion zur Auffassung von Hall u.a. zurück, dass die subkulturelle Aktivität in einer subversiven Aneignung der kommerziell produzierten Güter besteht. Wie sie zitiert Hebdige Levi-Strauss’ bricolage-Begriff (nicht aber die darauf aufbauende Konzeption Charles Jencks’), um die herrschaftskritische Neukombination und Abwandlung des Vorgegebenen herauszustellen. Im speziellen Fall der Bowie/Roxy Music-Anhänger heißt das bei Hebdige, »adapting images, styles and ideologies made available elsewhere on television and in films (e.g. the nostalgia cult of the early 1970s), in magazines and newspapers (high fashion, the emergence of feminism in its commodity form, e.g. Cosmopolitan)«. Im Falle der Punks heißt es in vergleichbarer Manier: »Punk reproduced the entire sartorial history of post-war working-class youth cultures in ›cut up‹ form, combining elements which had originally belonged to completely different epochs« (ebd.: 88f., 103, 26).

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Was jedoch besonders im zweiten Fall nach einem liberal-postmodernen Eklektizismus klingt, der nun sogar das Gebiet des aggressiven subkulturellen Stils erreicht, soll für Hebdige etwas ganz anderes bedeuten. Hebdige sieht nicht etwa nur in einzelnen anstößigen Bestandteilen des Punk-Stils (und nicht einmal hauptsächlich in dem zumeist unordentlichen Zustand dieser Elemente) eine Provokation der dominanten Kultur; für ihn leistet vielmehr die Zusammenstellung verschiedenartiger Elemente einen wesentlichen Beitrag zur Herausforderung der Ordnung. Wenn Hebdige von dem eclectic clothing style der Punks spricht, fallen sofort Worte wie cacophony und chaos, um den wenig postmodernen Charakter dieses Stils zu betonen; der Bezug auf unterschiedliche frühere Subkulturen zeigt für ihn nicht einen spielerischen Grundzug an, sondern ein ernsthaftes Verlangen und eine vehemente, nicht relativierbare Richtungsentscheidung: »Behind punk’s favoured ›cut ups‹ lay hints of disorder, of breakdown and category confusion: a desire not only to erode racial and gender boundaries but also to confuse chronological sequence by mixing up details from different periods« (ebd.: 26, 123). Als Beleg für seine Einschätzung führt Hebdige die Reaktion der Teds auf die Punks an, die sich durch die symbolische Plünderung und Neukombination ihrer 50er-Jahre-Insignien verletzt und in ihren dem Ethos der Arbeiterklasse entspringenden Werten der Direktheit und klaren, einfachen Aussageweise angegriffen fühlten. Viel wichtiger noch ist aber für Hebdige, dass die Stiladaptionen des Punk über eine Herausforderung traditioneller Subkulturen weit hinausgehen. Seine Aufmerksamkeit und Sympathie gilt der PunkBewegung, weil sie nach seiner Auffassung – ganz im Sinne der Cultural Studies (s. Clarke/Hall/Jefferson/Roberts 1976: 38ff.) – vor allem eine recht wirkungsvolle Attacke auf die herrschende Kultur und Ideologie betreibt. Da Hebdige (unter Berufung auf Roland Barthes und Louis Althusser) die These vertritt, dass die in täglichen Abläufen sedimentierten Ideologien – die hegemonialen Unterstellungen, was sich schickt und gehört – einen unbewussten Charakter tragen, ist ihm jede sichtbar gemachte Alternative zu der gemeinhin als natürlich an- und hingenommenen Ordnung hoch willkommen. Das ganze Buch über betont Hebdige die Bedeutung solcher Abweichungen vom Common Sense, von der Normalisierung und der schweigenden Mehrheit, Begriffe, die er stets in Anführungsstriche setzt, um seinerseits den Anschein ihrer Selbstverständlichkeit zu durchbrechen (ebd.: 123f., 9ff.). Grundsätzlich ist Hebdige ohnehin davon überzeugt, dass nichts innerhalb des sozialen Lebens so sein muss, wie es ist, und dass es darum immer möglich sein sollte, die angeblich natürlichen Abläufe zu unterbrechen. Herrschende Bedeutungen könnten stets »dekonstruiert« werden, postuliert Hebdige im einleitenden, theoretischen Teil seines Buches (»forms cannot be permanently normalized. They can always be deconstructed, demystified«). Die vollkommene Sicherheit, mit der er das vorträgt, rührt nicht zuletzt von seinem speziellen Untersuchungsgegenstand her; der Punk-Stil dient ihm als hervorragendes Beispiel für eine solche Dekonstruktion (ebd.: 16). Weil nach Hebdiges Beobachtung die hegemoniale Kultur ihren größten Herrschaftsund Durchdringungsgrad erreicht, wenn ihre Ausprägungen als so normal erscheinen, dass sie unauffällig geworden sind, rücken aus seiner oppositionellen Sicht alle Durchbrechungen dieser alltäglichen Normalisierung in ein helles Licht, besonders wenn sie ihre Künstlichkeit offen ausstellen und sich nicht bloß im Namen einer anderen mythischen Natürlichkeit als Gegenent-

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wurf zum Bestehenden empfehlen. U.a. am Beispiel der Kleidung möchte Hebdige im Rahmen seiner Annahmen den Nachweis führen, dass dem PunkStil als einem hervorragenden subkulturellen Stil ein beträchtliches antihegemoniales Potenzial innewohnt: »This is what distinguishes the visual ensembles of spectacular subcultures from those favoured in the surrounding culture(s). They are obviously fabricated [...]. They display their own codes (e.g. the punk’s ripped T-shirt) or at least demonstrate that codes are there to be used and abused (e.g. they have been thought about rather than thrown together). In this they go against the grain of a mainstream culture whose principal defining characteristic, according to Barthes, is a tendency to masquerade as nature, to substitute ›normalized‹ for historical forms [...]. By repositioning and recontextualizing commodities, by subverting their conventional uses and inventing new ones, the subcultural stylist gives the lie to what Althusser has called ›the false obviousness of everyday practice‹, and opens up the world of objects to new and covertly oppositional readings. The communication of a significant difference, then (and the parallel communication of a group identity), is the ›point‹ behind the style of all spectacular subcultures.« (Ebd.: 101f.)

Was seit den 10er Jahren bereits häufig als Merkmal der Kunstliteratur angegeben worden ist – die stilisierte, verfremdende Abweichung von der Alltagssprache – kehrt demnach bei Hebdige als Charakteristikum subkultureller Codes wieder. Hinweise auf die in dieser Tradition stehenden ausführlichen Diskussionen der 60er Jahre rund um den V-Pop gibt Hebdige nicht, stattdessen vergleicht er die Tätigkeit der subkulturellen bricoleurs gerne mit der künstlerischen Praxis der Dadaisten und Surrealisten, mit der ready madeund Collagen-Ästhetik (Verweise auf die Umstellungs- und Neurahmungsverfahren der Pop-art hätten evtl. auch die Überzeugung von der subversiven Kraft solcher Methoden in Frage gestellt). Folglich spricht Hebdige nur ein einziges Mal, zudem in einem sehr allgemeinen Zusammenhang, von der pop culture, um die Leistungen des subcultural style einzuordnen. Durch das ganze Buch hindurch ist sonst von Pop ausschließlich die Rede, wenn es darum geht, die verachtete hegemoniale Kultur zu bezeichnen. »Left to its own devices, pop tended to atrophy into vacuous disco-bounce and sugary ballads«, schreibt Hebdige an einer Stelle, um generell die Punk-Musik vom mainstream rock and pop zu unterscheiden (ebd.: 128, 60, 109). Dazu passt auch sehr gut, dass er die Überführung subkultureller Zeichen in massenproduzierte Gegenstände als eminente Gefahr ansieht, nicht etwa als Chance oder als Beweis für die Durchsetzung herrschaftskritischer Einstellungen. Hier ist sein Maßstab wiederum der modernen Kunst und ihren Originalitätsansprüchen entnommen, die größerer, weithin gewährleisteter Verständlichkeit entgegenlaufen. Als würde ihm ein durchschnittlicher Feuilletonist oder Kunstkritiker die Feder führen, behauptet Hebdige mit dem Ausdruck des Bedauerns und der Missbilligung, dass die original innovations der Subkultur eingefroren und allgemein verständlich kodifiziert würden, wenn sie die Form der (weitverbreiteten) Ware annähmen. Die englische Punk-Bewegung steht bei ihm deshalb besonders hoch im Kurs, weil sie nach seiner Meinung im Unterschied zu anderen subkulturellen Stilen von vornherein am stärksten Wert auf eine Entleerung des Sinns und auf eine Enttäu-

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schung festgelegter Bedeutungen gelegt habe, wie Hebdige etwa am Beispiel des Hakenkreuzes zeigen möchte, das die Punks weit außerhalb seines üblichen symbolischen Zusammenhangs verwendeten (ebd.: 94ff., 117). Die Originalitätsansprüche der Moderne verbinden sich demnach bei Hebdige mit der weitgehenden, anarchistischen Absicht, sich durch keine Macht festlegen zu lassen, auch oder gerade nicht in seinem Sprach- bzw. Zeichengebrauch. Punk, als (wie Hebdige es sieht) Praxis, sich dem Fluss und der ständigen Neukontextualisierung der Zeichen zu widmen, nimmt darum bei ihm den privilegierten Platz ein, der bei französischen Literaturtheoretikern jener Zeit wie Julia Kristeva (1974) oder Roland Barthes (1973) etwa Mallarmé, Flaubert oder Philippe Sollers zukommt. »We could say« – sagt Hebdige –, »that whereas the teddy boy style says its piece in a relatively direct and obvious way, and remains resolutely committed to a ›finished‹ meaning, to the signified, to what Kristeva calls ›signification‹, punk style is in a constant state of assemblage, of flux. It introduces a heterogeneous set of signifiers which are liable to be superseded at any moment by others no less productive. It invites the reader to ›slip into‹ ›signifiance‹ to lose the sense of direction, the direction of sense. Cut adrift from meaning, the punk style thus comes to approximate the state which Barthes has described as ›a floating (the very form of the signifier); a floating which would not destroy anything but would be content simply to disorientate the Law‹«. (Ebd.: 126)

Die subkulturelle Subversion, wie sie Hebdige vorschwebt, ist mit ihren Formen symbolisch entgrenzten Widerstands von den artikulierteren, einfacher lesbaren Forderungen und Aktionen der Gegenkultur der middle-class youth deutlich entfernt, ein Abstand, der von Hebdige wohl ebenfalls aus einem gewissen Überdruss gegenüber der Alternativkultur der 70er Jahre begrüßt wird. Zwar ist sich Hebdige bewusst, dass die poetisch-anarchistische Verunsicherung von Gesetz und Identitätszwang, die er mit Breton, Duchamp, Barthes, Kristeva etc. anstrebt und propagiert, im Rahmen der Stilbricolage und Umcodierung nicht zu einer plötzlichen, nachhaltigen Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse führen wird, dennoch verwendet er seine ganze Überzeugungskraft darauf, die Sinnverwirrung und -entleerung, die seiner Ansicht nach von den frühen Exponenten des Punk erfolgreich betrieben worden ist, als ästhetisch wie politisch attraktive Lösung hinzustellen (ebd.: 148, 131). Postmodern ist Hebdiges Konzeption deshalb nur zu nennen, wenn man die Postmoderne mit dem poststrukturalen Projekt der Dekonstruktion und der Auflösung von Identitätsansprüchen gleichsetzt. Immerhin, ein wenig kommt Hebdige auch der Postmoderne im Sinne Fiedlers entgegen, schließlich gewinnt er seine Theorien und Überzeugungen nicht an den üblichen modernen-avantgardistischen Dichtern und Malern, sondern an der subkulturellen Richtung des Punk. Fiedlers Anspruch, die Kluft zwischen den herkömmlicherweise als hohe und als niedrige Kultur klassifizierten Sphären zu schließen, findet darum insofern bei Hebdige Berücksichtigung, als den intellektuellen Aufschwüngen des Poststrukturalismus ein Träger aus dem Bereich der aktuellen Jugendkultur zugeordnet wird. Von Fiedlers Hinwendung zu den Formen der Massenkultur bleibt das dennoch weit entfernt. Trotzdem liegen mit Hebdiges Ausführungen viele wichtige Elemente bereit, um sogar

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zu einer starken Affirmation der Popkultur zu gelangen, das werden die nächsten Jahre zeigen. Seinen wesentlichen Impuls erfährt der Pop-Umschwung aber nicht aus akademischen Kreisen, wenn auch die Rezeption von poststrukturalistischen Theoretikern, die wie Roland Barthes, Michel Foucault und Gilles Deleuze inzwischen ehrenvolle Professorenposten eingenommen haben, dabei eine beachtliche Rolle spielt. Getragen wird der Umschwung vielmehr von Kritikern, Musikern und anderen Künstlern, die außerhalb der Akademie oder zumindest außerhalb akademischer Publikationsorgane agieren. Was Beobachter wie Peter York bereits frühzeitig herausgestellt haben – dass die PunkBewegung keineswegs nur von proletarischen Jugendlichen, sondern stark auch von Kräften der Boheme initiiert und getragen worden ist –, lässt sich mit noch größerem Recht von den verschiedenen Ausprägungen der PostPunk- bzw. New Wave-Richtung ab 1977 behaupten. Obwohl (oder gerade) weil innerhalb dieser Richtung aggressive avantgardistische, künstlerische Ideen für Distanz zu den vorherrschenden Formen der Populärkultur jener Tage (besonders zu den um Echtheit und Friedlichkeit bemühten Formen der Alternativkultur) sorgen, bereitet sich in ihr eine weitgehende Bejahung der Popkultur vor, von der bedeutende Teile des Feuilletons, der jüngeren Akademiker und des Kunstbetriebs in den kommenden Jahrzehnten gezeichnet sein werden.

New Wave-Distinktionen Damit die Entwicklungen nach Punk – post-punk – als New Wave bezeichnet werden können, darf New Wave nicht länger als Synonym für Punk fungieren. Dies kündigt sich bereits Ende 1976 bei Caroline Coon an, die, wenn sie nicht allein von Punk oder Punk-Rock gesprochen hat, bis dahin New Wave und Punk stets in einem Atemzug genannt hat. In einem Artikel über The Damned im ersten November-Heft des Melody Maker zeigt sich nun ein erster Riss, als Coon new wave harsch von dem »punk-rock in the deliberately dumb style traditionally defined by this word« abgrenzt (Coon 1982c: 84). Eine strikte Trennung erwächst daraus aber in den folgenden Monaten keineswegs, das sieht man unmittelbar daran, dass Coons Artikelsammlung 1977 den Untertitel The New Wave Punk Rock Explosion trägt. Der Begriff new wave tritt noch nicht in Konkurrenz zu punk, sondern betont bloß dessen weniger energetisch-direkten Zweig, wie Bernard Gendron zusammenfasst: »Its function by this time was not to replace ›punk‹ or to designate bands that were not ›punk‹, but to capture in punk bands what the designator ›punk‹ left out – the arty, avant-gardish, studied, and ironic dimension that accompanied the streetwise, working-class, and raucously ›vulgar‹ dimension« (2002: 270). Sehr schön kann man die Beobachtung Gendrons an einem Artikel aus dem Sommer 1977 über einen Abend in einem Club eines englischen Seebads belegen. In dem Plymouth Punk betitelten Beitrag lenken die Merkmale »plastic«, »frantic« und »machine-gun clatter« in ihrer Künstlichkeit den Blick auf den New Wave-Akzent des Punk: »The cadaverous disc-jockey, a plastic punk dressed out of the fashion pages of Honey, was providing a continuous stream of new wave sounds: the Clash, Damned, Jam, Vibrators,

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Stranglers, Cortinas and Buzzcocks – the frantic music of deranged zombies, with high-speed drumming and the machine-gun clatter of guitars.« Als schließlich die Talking Heads, eine der »highly acclaimed ›new wave‹ bands from New York«, auftreten, ist es nach dem Gesagten keine vollkommene Überraschung mehr, dass sie bei den Punk-Anhängern Gehör finden, obwohl sie, wie der Berichterstatter glaubt, wegen ihres deutlichen KunsthochschulHintergrunds von »England’s blank generation« Lichtjahre entfernt seien; als Grund, weshalb sie bei den jungen englischen Punks trotzdem ankommen, werden der »minimalist approach« und die »staccato rhythms« der Talking Heads angeführt (Kidel 1995: 507). Umgekehrt, aber mit ähnlichem Ausgang, geht einige Monate später Peter York vor, der den Kunst-Charakter von Bands wie den Buzzcocks zum Anlass nimmt, die Gleichsetzung der Punk-Bewegung mit einer jungen blank generation strikt zurückzuweisen. »The fact was that many of the original punks weren’t blank at all – they had too many ideas rather than too few, hence the anti-Art, Manifesto aspect of the thing«, hebt York stattdessen den avantgardistischen Künstlern eigenen Anti-Kunst-Affekt der aus seiner Sicht ursprünglichen Punk-Szene hervor, um diesen Zug nicht nur in einer Absage an die kontemplative bürgerliche Kunst, sondern auch in einer Hinwendung zu experimentellen Verfahren zu entdecken: »Anyone who believes punk isn’t avant-garde should take in the surrealist kitsch of the Buzzcocks album cover and the experimental sounds within – and the Buzzcocks have immaculate punk credentials« (1983j: 164). Ab 1978 erledigt sich die Argumentation insofern, als das, was bislang noch als Bestandteil des Punk angesehen worden ist, nun für sich unter dem Titel new wave versammelt wird – wobei New Wave jetzt eine deutliche Differenz zu Punk anzeigt. Dies liegt zum einen an der inzwischen üblichen (Selbst-)Aufgabe eines zu öffentlicher Beachtung gelangenden Stils durch seine ersten Verfechter, hier also an den Bedenken gegenüber der bereits 1977 einsetzenden Aneignung von Elementen des Punk-Stils durch die allgemeinere, kommerzielle Mode (Baker/Murlowski 1977). Ausverkaufsvorwürfe folgen auf dem Fuß, Abgesänge nach der angeblichen Vereinnahmung werden rasch angestimmt (Burchill/Parsons 1978; Hilsberg 1978). In die Sprache moderner Kunstkritik übersetzt, lautet der Vorwurf: Stagnation, Redundanz, Erschöpfung. Eine punk saturation diagnostiziert entsprechend Ende 1977 Jon Savage im englischen Sounds. Die Devise heißt folgerichtig post-punk. Als traditionellen Grund des Neuen, des Kommenden listet Savage wie üblich »Iggy/Ramones/glam/R&B/1960s garage« auf, zusätzlich nennt er die »obscurer side of the psychedelic explosion«, möchte aber (Paradebeispiel: die amerikanische Gruppe Pere Ubu) in zeitgemäßer Absetzung von den Hippies die psychedelische Erfahrung verfremden und durch ein Formprinzip ersetzen (»C’mon, who needs LSD? We’ve all mutated that far in 10 years«). Auf direktere Weise eingeschlossen in die postpunk projections sind die konzeptuellen Künstler der Rock-Vergangenheit, hier fällt das Wort avant-gardes techniques; Namen: Velvet Underground, Can, Faust, Kraftwerk (zur Affirmation der deutschen coolen Maschinen s. zuerst Bangs 1988e). Als aktuelle Protagonisten der akklamierten NachPunk-Szene firmieren bei Savage Throbbing Gristle und Devo (»pure sensurround, but active: sound all-out to promote spontaneous physical reaction«) sowie u.a. in einer weiteren Reihe Siouxsie and the Banshees, die Slits und

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Wire (»harsh urban scrapings/controlled white noise/massively accented drumming«), das alles unter dem Titel New Musick (Savage 1996b). Abzüglich der genannten deutschen Gruppen und der übrigen Vorläufer, abzüglich auch der in der Artikelserie von Sounds natürlich ebenfalls angeführten Bowie und Brian Eno (Suck 1995), wird aus der New Musick New Wave. Die frühe post-punk-Liste von Savage versammelt bereits eine ganze Reihe wichtiger Namen des New Wave; zu Wire, Devo, Pere Ubu etc. kommen dann noch Gruppen wie Public Image Ltd., Magazine, Alternative TV, Gang of Four, XTC. In den einschlägigen Interviews und Artikeln rund um diese Gruppen in Fanzines, kleinen Kunstmagazinen, aber genauso in den großen Musikzeitschriften New Musical Express, Melody Maker, Sounds (englisch wie deutsch), Rolling Stone wird deren Distanz zu der um Natürlichkeit und Urprünglichkeit bemühten Alternativbewegung genauso deutlich markiert wie ihre ebenfalls künstlich-künstlerische Abkehr von der eingängig vehementen Punk-Direktheit. An den New Wave-Gruppen (manchmal noch unter post-punk oder afterpunk einsortiert) wird in den Jahren nach 1977 von ihren Apologeten regelmäßig deren kühle Artifizialität und/oder deren moderner Kunstcharakter positiv hervorgehoben. Simon Frith lobt sie (am Beispiel der Pop Group) als progressives und avant-garde amateurs – spätere deutsche, ungefähre Entsprechung: »Geniale Dilletanten« (Müller 1982) –, die das »regime of rock and roll truth« herausforderten (1988a; s. auch Frith 2007: 72; schlichter heißt es in Deutschland bei Hans Keller, die Pop Group würde mit »eingefahrenen Hörgewohnheiten« brechen; 1979: 60). In einer Doppelrezension begeistert sich Diedrich Diederichsen für die »Verfremdung«, die von den monotonen, kalten, neu montierten, zersetzenden Klängen Human Leagues ausgehe und hält der Gruppe Punishment of Luxury immerhin noch zugute, dass sie nicht »so leicht konsumierbar, so glatt« sei wie Genesis (1979a: 70). Paul Morley hingegen ist zumindest schon eine kleine Umdrehung weiter, er schätzt an Devo, dass sie sich in der »Absurdität, der gefälligen Künstlichkeit« wälzten und »Rock ’n’ Roll« und »Gefühle« – »alles was für dich wichtig ist« – verachteten; allerdings ist es für ihn ebenfalls wichtig, den parodistischen Anteil an Devos Künstlichkeit nicht zu verschweigen (1979: 22f.). Dan Graham streicht an Devo, an den Ramones und der American New Wave allgemein eine Pop Art-like ironic distance heraus (1989: 128). Jon Savage sieht bei Pere Ubu eine Verklammerung von Ausdruckserweiterung und pop(ularizing) gegeben (1996c: 69). Greil Marcus zählt Essential Logic, die Raincoats und die Gang of Four zur postpunk pop avant-garde, deren Musik bewusst nicht auf ein Massenpublikum abziele (1999a: 109). Auch Robert Christgau hat inzwischen gänzlich seinen Frieden mit der semipopular music gemacht und schätzt etwa die ›rationalisierte Wut‹ solcher wimps wie der Talking Heads (1981: 6, 385f.). Kunstbezüge werden also keineswegs nur bei den der New Wave-Szene assoziierten bildenden Künstlern wie Linder und Robert Longo hergestellt (vgl. Sladen/Yedgar 2007), sie prägen vielmehr häufig das Bemühen, die New Wave-Gruppen in ein positives Licht zu rücken. Lester Bangs reichert seine Artikel mit Verweisen auf Huysmans’ Against Nature (so der Titel der englischen Übersetzung von Á Rebours) und auf Iannis Xenakis an (1988f: 263; 1988g: 302). Speziell der New Yorker No Wave-Trend (DNA, Teenage Jesus & The Jerks u.a.) kann sich vor kunsthistorischen Referenzen (dadaisti-

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sche Antikunst, Minimalismus, experimentelle Kakophonie...) kaum retten (vgl. Gendron 2002: 275ff.). Die Musiker selbst tun für ihre Profession ungewöhnlich viel, dass ihre Klänge eine derartige Einordnung und Aufnahme finden: Sie bieten zu ihrer Beschreibung und Bewertung Schlagworte wie avant-garage (Pere Ubu) oder Messthetics (Scritti Politti) an (zit. n. Reynolds 2006: 33, 203) oder räsonieren (im Falle Devos) über ihre Konzepte, die Musikindustrie durch vorgetäuschte, auf die Spitze getriebene Anpassung und selbstgesteuerte, verfremdend sichtbar gemachte Marketing-Maßnahmen subversiv zu unterlaufen bzw. zu übernehmen (zit. n. Graham 1989: 111ff.). Ellen Willis’ Erläuterung, der Begriff »new wave« werde von arty connotations geprägt, deren Bedeutung sich dennoch dem gepflegten Kunstverstand des gesetzten bürgerlichen Publikums entziehe, findet demnach einigen Anhalt in den Selbstbeschreibungen der Musiker. Auch Willis’ Absetzung dieses Kunstwollens von früheren Ansprüchen des »art rock« dürfte die Abgrenzungsbedürfnisse der genannten New Wave-Gruppen sehr genau treffen. Gegen die von ihr denunzierte Funktion des »art rock« – »to ›improve‹ rock and roll by making it palatable to the upper middle class« – führt Willis einen anderen Ansatz ins Feld, der für sie auf hervorragende Weise die Rockmusik mit der »high« art der avant-garde art verbindet: »it involved more or less consciously using the basic formal canons of rock and roll as material (much as the pop artists used mass art in general) and refining, elaborating, playing off that material to produce what might be called rock-and-roll art« (1979: 72f.). Willis’ Idee, Velvet Underground und auch noch New Wave als rockand-roll art zu bezeichnen, ist sicher unglücklich, weil die Opposition der New Waver gegen die amerikanische Tradition dadurch gänzlich unbeachtet bleibt (was Willis etwas korrigiert, wenn sie kurz danach »New Wave’s minimalist conception of rock and roll« hervorhebt). Eine andere Kategorie Willis’, die sie wiederum am Beispiel Velvet Undergrounds gewinnt, trägt hingegen sehr gut zur Charakterisierung der New Wave-Szene bei: Willis spricht von »anti-art art made by anti-elite elitists«, unter Verweis auf den englischen Punk ergänzt sie die Reihe der Paradoxe noch um »anti-people populists« (ebd.: 77, 74). Was damit gegenüber dem von ihr abgewerteten art rock gewonnen sein soll, sagt sie freilich nicht. Recht besehen, unterminiert sie uneingestanden ihre eigene Entgegensetzung von art rock und rock-androll art. Nach ihrer Verurteilung der art rock-Bestrebungen, den Virtuositätsund Werkansprüchen der oberen Mittelklasse zu entsprechen, bleibt unklar, was durch Velvet Underground und New Wave dagegen gesetzt wird, schließlich ist es ja Willis selbst, die alle Hoffnungen, die Avantgarde könne die Trennung zwischen Kunst und Leben oder zwischen hoher und populärer Kultur überwinden, als Illusion hinstellt, indem sie Pop-art und rock-and-roll art als eine antielitäre Antikunst beschreibt, die bloß eine Ersetzung der alten Eliten im Feld der Kunst anstrebt bzw. bestenfalls erreicht. Dem französischen Soziologen Pierre Bourdieu hätte darum wahrscheinlich nur Willis’ Bestimmung der Avantgarde als einer Antikunst, die ihre Wirkung vornehmlich im Feld der Kunst erzielt, gefallen, ebenso wie ihre Ansicht, dass entsprechende antielitäre Absichten in erster Linie dazu dienen könnten, eine beherrschende Stellung in den Institutionen der Kunst einzunehmen. Willis’ eigener Einsatz, dem art rock aus radikaldemokratischen, antibürgerlichen Gründen die rock-and-roll art entgegenzuhalten, wäre von

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Bourdieu jedoch wohl als erneute Verkennung der sozioökonomischen Bedingungen und Folgen des Geschmackskampfes abgetan worden. Zwar hat sich Bourdieu nie zu Willis geäußert und wohl nicht einmal die ihr wichtigen Gruppen und Auseinandersetzungen gekannt, dennoch ist diese Hypothese mehr als eine bloße Spekulation, da in Bourdieus Hauptwerk La Distinction, das 1979 in Frankreich erscheint und nach seiner Übersetzung in den 80er Jahren dann auch für manchen Poptheoretiker eine große Bedeutung besitzen wird, vergleichbare Konstellationen einer Analyse unterzogen werden. Im Unterschied zu Willis und vielen anderen Rezensenten aus dem Bereich der Rock- und Popmusik betrachtet Bourdieu jedoch die Bemühungen, ihr gegenüber der klassischen und zeitgenössischen Musik einen eigenen, beträchtlichen Wert zuzusprechen, mit großer Kälte. Grundsätzlich führt Bourdieu die Trennung zwischen einer hohen, legitimen und einer populären Kunst auf die Spaltung der Klassen zurück. Die unterschiedlich verteilte Verfügungsgewalt über materielle Mittel begünstige die Herausbildung verschiedener ästhetischer Einstellungen, die sich im Falle der niedrig angesehenen Schichten an das Naheliegende, Wirkungsvolle, körperlich Bezwingende halten – und im Falle der Schichten, die von unmittelbaren ökonomischen Pressionen befreit sind, an das Sublimiertere, weniger direkt Eingängliche, Komplexere. Die einen begeistern sich für Darstellungen, mit denen sie sich identifizieren können und die die Funktion erfüllen, einen mitzureißen, zu unterhalten, zu erregen, zu bewegen etc., die anderen finden ihr kontemplatives Gefallen an der Form, an der Art der Darstellung, manchmal sogar (in den intellektuell-asketischen Fraktionen der herrschenden Schicht) völlig unabhängig davon, ob die Sujets schön oder hässlich, die Themen wiedererkennbar oder abstrakt und fragmentarisch sind. Weil der Maßstab des richtigen Geschmacks aber im Sinne der legitimen Ästhetik nicht durchgehend mit ganz bestimmten Eigenschaften von Werken verbunden, sondern zuerst an Wahrnehmungsweisen ausgerichtet ist, kann sich der herrschende Geschmack mitunter auch darin erweisen, dass er sein Vermögen zur Distanz, zur Konzentration auf Formfragen selbst an eigentlich als vulgär und aufdringlich eingestuften Gegenständen, Farben, Rhythmen demonstriert. Kunstobjekte, die eine Verfremdung, Neukontextualisierung, Rekombination des Gewöhnlichen vornehmen, also den distanzierten, reinen Blick von vornherein berücksichtigen, können darum stets auf ein positives Urteil hoffen. Avantgardistische Hinwendungen zum Populären, die in der Absicht ergehen, die bürgerliche Kunst aus politischen, sozialistischen, kommunistischen oder anarchistischen, Gründen aggressiv herauszufordern, verfehlen deshalb nach Einschätzung Bourdieus ihr Ziel vollkommen, wenn sie in Form experimenteller Adaption oder durch eine Ehrfurcht gebietende Überführung in die Kunstinstitutionen geschehen. Hier trifft sich Willis’ Wort von der anti-art art, die trotz antielitärer Stoßrichtung elitär bleibt, mit Bourdieus Annahmen. Äußerst skeptisch steht Bourdieu aber auch den Bestrebungen gegenüber, Filme, modernes Design, Modefotografien, Rockmusik etc. hochzuwerten. Hierin erkennt er keineswegs eine Maßnahme, die Kultur zu demokratisieren und die niederen Schichten vom Stigma des schlechten Geschmacks zu befreien, sondern lediglich den Versuch bislang schlechter gestellter Gruppen der oberen Schichten, eine neue Vorherrschaft zu gewinnen, die die alten Unterordnungsverhältnisse in jedem Fall unangetastet lässt und im geglückten

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Fall lediglich Verschiebungen innerhalb des Bereichs der herrschenden Klasse mitbewirken und legitimieren würde: »Die Angehörigen der neuen Kleinbourgeoisie, die aus den oberen Klassen stammen und (meistens) wegen fehlenden Bildungskapitals auf die neuen Berufe umsatteln mußten (wie Kulturvermittler oder Kunsthandwerker) verfügen über ein sehr hohes ›familiäres‹ kulturelles Kapital und ein ebenso bedeutendes soziales Kapital an Beziehungen; sie zeigen sich daher innerhalb der mittleren Klassen als die kulturell kompetentesten und nähern sich einem Präferenzsystem, das dem der Bourgeoisie sehr ähnlich sieht: Kunst der Fuge, Konzert für die linke Hand, Feuervogel, Die Vier Jahreszeiten, Goya, Braque, Brueghel, Jacques Douai, Musée d’art moderne, Antiquitätenläden und Flohmarkt, harmonische, diskrete und kunstvoll gestaltete Einrichtung, geistvolle und feinfühlige, künstlerisch veranlagte, vornehme und kultivierte Freunde, ›intellektuelle‹ Filme – Wer erschoß Salvatore G.?, Der Würgeengel, Der Prozeß – und, unter den komischen Streifen, Auf Freiersfüßen. Ihr ambivalentes Verhältnis zum Ausbildungssystem läßt sie mit jedwedem symbolischen Protest sympathisieren und bewegt sie dazu, sich alle Gattungen, die – wie der Jazz, der Film, Comics, Science-fiction – zumindest vorübergehend nur am (unteren) Rand der legitimen Kultur existieren, anzueignen und in der Übernahme amerikanischer Moden und Vorbilder – Jazz, Jeans, Rock, Underground –, auf die sie am liebsten ein Monopol hätten, an der legitimen Kultur Revanche zu nehmen. Oft aber importieren sie in diese von der Schulinstitution vernachlässigten Regionen eine gebildete, ja gelehrte Einstellung, die der Schule selbst nicht fremd ist, und die sich offenkundig von der Absicht nährt, sich zu rehabilitieren« (Bourdieu 1982: 566).

Wie an den Beispielen leicht zu erkennen ist, beziehen sich die Ausführungen Bourdieus auf die Zeit Mitte bis Ende der 60er Jahre. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seines Buches, Ende der 70er Jahre, dürfte die Gleichrangigkeit der klassischen Vorlieben (Bach, Smetana etc.) bereits nicht mehr zu behaupten sein; die Hochwertung und versuchte Durchsetzung bestimmter als vergleichsweise anspruchsvoll und intensiv erachteter Werke und Autoren (Stanley Kubrick, Pink Floyd, William Burroughs, John Coltrane, Bob Dylan, Hunter S. Thompson usw.) aus den nicht zum klassischen Kanon zählenden Gattungen steht nun in dem Sektor des künstlerisch interessierten (oberen) Mittelstands sowie besonders bei den um einen Aufstieg bemühten jungen geisteswissenschaftlichen Akademikern im Vordergrund. Bourdieu selbst trägt dem insofern Rechnung, als er in seinen Ausführungen zur neuen Kleinbourgeoisie gesondert jene Generationenkohorte betrachtet, die in den 60er Jahren verstärkt zur Universität zugelassen und dadurch in der Mehrzahl letztlich mit entwerteten Bildungstiteln ausgestattet worden ist – und die nun, nach 1968, in den 70er Jahren weiterhin den Klassifizierungen und institutionellen Zwängen, die ihren Aufstieg in die führenden Positionen oft unmöglich machen, auf kulturellem (und symbolpolitischem) Gebiet Widerstand entgegensetzen, indem sie »laxe Haltungen und Posen pflegen und mit ihrer kultivierten Disposition an alles herangehen, was mit Kultur auf dem Weg zur Legitimation (Film, Comic, Underground usw.), mit dem Alltag (›die Kunst auf die Straße‹), mit dem privaten (Sexualität, Kosmetik, Erziehung, Freizeit usw.) und existenziellen Bereich (Verhältnis zur Natur, zur Liebe, zum Tod usw.) zu tun hat« (ebd.: 583).

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Die sich abzeichnenden Änderungen in diesem Bereich, die durch die New Wave-Boheme und -Jugendkultur bereits eine deutliche Kontur bekommen haben, bleiben Bourdieu jedoch noch verborgen. Sie lassen sich allerdings ohne Schwierigkeiten in sein Modell einfügen. Wenn nicht alles täuscht, würde Bourdieu den versuchten Umschwung weg von den »laxen Formen«, der, wie häufig, in der künstlerischen Boheme und jugendkulturellen Szenerie vorbereitet und für breitere Kreise sichtbar durchgespielt wird, als Bestrebung einordnen, die bisherigen Inhaber ökonomischer Macht und kultureller Leitpositionen per Distinktionsakt herauszufordern und sich an deren Stelle zu setzen. Im vorliegenden Falle handelte es sich zu Beginn um eine versuchte Übernahme von einflussreichen Stellungen in einem speziellen publizistischen und intellektuellen Bereich; der Angriff des New Wave auf die bislang noch vorherrschende Alternativkultur wäre demnach zuerst ein Angriff auf Posten und Veröffentlichungschancen in Szenezeitschriften, Plattenfirmen, Galerien, Sendeanstalten und bei unteren wissenschaftlichen Rängen. Bourdieu selbst leistet auf seine Weise zumindest indirekt einen Beitrag dazu, weil er die Ansichten und Haltungen der Alternativkultur einer schonungslosen Analyse unterzieht, die beweisen soll, dass ihre angeblich progressiven Ideen und Projekte keinerlei egalitäre Wirkungen zeigen. In der alternativen Wendung gegen das klar Umgrenzte, Festgelegte, formal Bestimmte, gegen Etiketten und Klassifikationen sieht Bourdieu keine freiheitliche Richtung, sondern vielmehr einen Versuch, sich mit dem eigenen Geschmack und den eigenen Abgrenzungsprinzipien über die in ihren Möglichkeiten begrenzten niederen Schichten zu erheben und diese Vorherrschaft zugleich jeder Diskussion zu entziehen. »Kaum nötig zu betonen«, meint Bourdieu, wie viel die alternative »romantische Flucht aus der Gesellschaft, die in ihrem Schwärmen für Körper und Natur sich selbst manchmal als Rückkehr zum ›Ursprünglichen‹ und ›Natürlichen‹ empfindet«, mit der großbürgerlichen Verachtung des Schulmäßigen und systematisch Erlernbaren zu tun habe; mit der von ihr vordergründig bekämpften legitimen Kultur stimme die Gegenkultur der 70er Jahre in dem Punkt überein, dass sie ihre Prinzipien unausgesprochen lasse, um dadurch einen uneinholbaren Vorrang vor all jenen zu behaupten, die glauben, sozialen Aufstieg durch die planvolle Aneignung von Bildungs- und Kulturgütern erreichen zu können (ebd.). Mit der Kritik an der alternativen Formlosigkeit ist auch die New WaveBewegung beschäftigt. Die Attribute des Kühlen, Maschinenhaften, Synthetischen, kurze oder asymmetrisch gekappte Haare, spitze Schuhe, scharfe Schwarz-Weiß-Kontraste, abgehackte Rhythmen usf. zeigen dies deutlich an. Der Abstand zur (noch) vorherrschenden Richtung im gegenkulturellen Bereich erfolgt allerdings aus anderen Gründen als bei Bourdieu, dessen Ausführungen von sozialistisch-egalitären Motiven angetrieben werden. Die New Wave-Szene betreibt die Abgrenzung ohne solch einen traditionellen politischen Impetus; in ihren zuvor beschriebenen intellektuell-künstlerischen Zweigen wird sie sogar von gegenkulturellen Diffusionsansprüchen bestimmt, die Bourdieu höchstwahrscheinlich genauso (negativ) eingestuft hätte wie die der Alternativszene. Der Grund dafür ist einfach anzugeben: Sie unterscheiden sich (uneingestanden) von den Hippie-Vorlieben nur in ihren einzelnen Ausprägungen, keineswegs aber dem Prinzip nach.

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Beispielhaft kann man das an den Einschätzungen Diedrich Diederichsens erkennen, der im deutschen Sounds gegenüber der Alternativkultur als scharfer Parteigänger der Talking Heads, Slits, von James Chance etc. auftritt. Die »Generation der 68er-Revolutionäre tut alles«, glaubt Diederichsen, »um das Lebensgefühl der ihr nachfolgenden Generation nicht zu Wort kommen zu lassen«. Den »Rock-Ideologien« erteilt er deshalb eine Absage im Namen des Neuen und Unkonventionellen, den New Wave-Anhängern attestiert er im Gegenzug, ihre Haltung werde eher vom »In-Frage-Stellen« als von »langfristiger Identifikation« geformt (1980: 18f.), er mobilisiert demnach gegen die Alternativbewegung lediglich deren eigene Werte, als deren Wurzel Bourdieu die Flucht vor der schulmäßigen Festlegung und ausgebildeten Identität benannt hat. An die Stelle von Fourier, Reich und Bakunin, die Bourdieu als Stichwortgeber der Gegenkultur anführt, treten bei den New Wave-Intellektuellen bloß deren (post-)moderne, poststrukturalistische Varianten; Diederichsen etwa begeistert sich für Deleuze/Guattaris »Rhizom« (1979b) und für Baudrillards Auffassung von der »subversiven Kraft« der New Yorker Graffiti, die einen erfolgreichen Angriff auf die Herrschaft der medial verbreiteten Zeichen bedeuteten (Diederichsen 1979c: 48). Die Frage ist deshalb, ob die folgende Hinwendung zum New Pop, die zuerst aus englischen New Wave-Kreisen und durch Kritiker wie Paul Morley und Ian Penman, die sich auf Barthes, Baudrillard oder Derrida berufen, erfolgt, ebenfalls von solchen modern-alternativen, identitätskritischen, antiessenzialistischen Prinzipien her gesteuert wird oder ob sie einen deutlicheren Bruch mit der Gegenkultur vollzieht. Eines steht zumindest fest: Der Kanon ändert sich, wenn er auch vielleicht letztlich weiter bloß ein (nun weniger offensichtlicher) Ausdruck gegenkultureller Distanz zum Populären bleibt.

New Pop und Pop-Theorie 1979-1985 Die Kanonerneuerung, die im Namen von New Pop vollzogen wird, kündigt sich bereits bei dem einen oder anderen Musiker und Kritiker aus dem Bereich des avantgardistischen New Wave an. Im Vergleich zu entsprechenden Listen der 60er Jahre wird der Unterschied schnell deutlich. Stehen auf der Liste des Liverpooler Pop-Poeten Adrian Henri Mitte der 60er Jahre neben Paul McCartney Gustav Mahler, John Coltrane, Charlie Mingus, Claude Debussy und Bach (nicht aber die Supremes oder die Monkees), nennt der Sänger von Pere Ubu, David Thomas, gute zehn Jahre später in einem Atemzug als seine Favoriten neben Velvet Underground »Abba, Roy Orbison, Captain Beefheart, Dolly Parton, Carla Bley« (zit. n. Hoermann 1978: 27). Das Geschmacksspektrum wird dadurch beträchtlich Richtung Pop verändert. Entscheidend ist dabei freilich der künstlerisch-postmoderne Zugriff, der unmissverständlich die Differenz solch eines Pop-Avantgardismus zu sonstigen ästhetischen Vorlieben markiert. Der Zusammenhang, in dem der Name Abba fällt, macht hier die Musik. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass der Name nicht einzeln oder etwa in Kombination mit Gruppen wie Boney M oder Smokie angeführt wird, sondern eine Reihe mit Rock- und JazzAvantgardisten wie Captain Beefheart und Carla Bley bildet. Der Abstand zur überwältigenden Mehrheit der Abba-Fans wird dadurch klar herausgestellt, zugleich aber auch – und das ist hier viel wichtiger – der Abstand zu

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den meisten Anhängern von Velvet Underground (und wohl auch noch von Pere Ubu selbst), so dass der Kanon von Thomas den Teil einer aggressiven, aber nicht übermäßig riskanten Strategie bildet, die potenziell eminent hohe Distinktionsgewinne erzielen kann, weil sie einerseits einen neuen Zusammenhang etablieren möchte, andererseits aber nicht übergangslos von den in der angesprochenen Szene akzeptierten Velvet Underground zu den fragwürdigen Abba überläuft. Tatsächlich wird sich rasch der Erfolg dieser Art der Umwertung, die in der Kombination von gegenkultureller Avantgarde und Pop einige Vorläufer seit den Tagen der Pop-art besitzt, erweisen; Geschmacksurteile wie die von Thomas werden in zunehmenden Maße nicht nur als eigenwillige, skurrile Äußerung hingenommen, sondern rücken ab Ende der 70er Jahre verstärkt ins Zentrum des Szene-Geschmacks, wie er sich in Beiträgen von Künstlern und Kritikern manifestiert, zuerst und vor allem in den Debatten und Stilen der avantgardistisch ausgerichteten angloamerikanischen New Wave-Musiker und -Journalisten. Hinweise auf den Schwenk in Richtung Pop finden sich vereinzelt bereits bei Punk-Sympathisanten, etwa wenn Lester Bangs Anfang 1977 Blondies erste LP als »pastiche of 60s moves« (»Shangri-Las/Crystals girl group sound«, »a Question Mark and the Mysterians organ break« etc.) lobt (1977: 63, 65); in gleicher, positiver Absicht hebt Tom Carson ein gutes Jahr später den camp-Ansatz, die bubblegum-Nähe, die cheerful travesties of sixties pop und die trashy vitality der Ramones hervor: Die Ramones seien »a pure expression of American pop culture – devious, dumb, brillant, and exhilarating« (1979: 113ff.). In der anschließenden New Wave-Zeit werden mit verwandten Argumenten die B-52s charakterisiert; die Gruppe sei die »ultimate pop art rock band«, heißt es in der New Yorker Village Voice: »Among dozens of references, some subliminal but most deliberate, they treat early Kinks, Peter Gunn, The Shangri-Las, Star Trek, early Motown, Duanne Eddy, ›Telstar‹, ›Pipeline‹, Petula Clark, and Beach Blanket Bingo with equal respect and humor«; trotz all der Zitate und Referenzen sei die Gruppe aber nicht nur augenzwinkernd rückwärtsgewandt zu goutieren, ihre Musik sei weit mehr als eine Übung in camp nostalgia: »The best cuts burst with a spirit of real celebration. ›Dance This Mess Around‹, in which they invent wonderful dance names like the Shy Tuna and the Aquavelva, is an affectionate tribute to the Mashed Potato-Frug era and also a killer boogie cut that’s eager to compete with ›Stop! In the Name of Love‹, which it proudly quotes« (Holden 2005: 321f.). Von den fun-Sounds und -Rhythmen der B-52s lässt man sich folglich ruhigen Gewissens unterhalten und zum Tanzen bringen, weil man hinter dem oberflächlichen Stil der Gruppe intellektuell-surrealen Trash-Humor vermutet (vgl. Gendron 2002: 289f.) bzw. weil man, in einem deutschen Nachklang, meint in der Musik der B-52s neben »guter amerikanischer Tanzmusik, vor allem Soul der 60er Jahre, Stax und James Brown«, auch ganz andere »Elemente von Cool Jazz bis Eno« herauszuhören (Diederichsen 1979d). Über solche Verschränkungen von Camp-, Cool-, Fun- und Vitalitätsansprüchen hinaus geht die Annäherung an die Disco-Musik, die man hin und wieder bereits im New Wave-Bereich findet, nachdem Disco in der Punk-Zeit allein zum Feindbild taugte. Umso bemerkenswerter natürlich, dass John Lydon, der frühere Sänger der Sex Pistols, nun im Rahmen seiner neuen Gruppe

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Public Image Ltd. die Anti-Rock-Haltung so weit treibt, dass er sich positiv zur funktionalen Disco-Musik stellt (Marcus 1999b: 99). Mindestens genauso interessant (aber weniger bekannt) ist, dass andersherum ebenfalls Signale zu verzeichnen sind, die dem aus Sicht der Rock/Alternativ-Szene unerträglich synthetischen, gesichtslosen, maschinenhaften, manipulativen, kommerziellen, eskapistischen Disco-Sound eine rebellische Dimension zusprechen. Dabei geht es – äußerst bezeichnend für die herrschende Homophobie auch in der Pop-Welt – noch nicht um den nahe liegenden Hinweis, dass die Phillyund Disco-Musik vor allem in den Schwulenclubs als hedonistischer Soundtrack genutzt wird. Nik Cohn, der bekannte Pop und Rock ’n’ Roll-Apologet vom Ende der 60er Jahre, stilisiert die Disco-Anhänger in seinem Artikel Tribal Rites of the New Saturday Night, der als Vorlage für den Blockbuster Saturday Night Fever dient, vielmehr nach bekanntem Schema als vergnügungssüchtige Jugendliche, die auf der Suche nach unverbrauchten Sensationen und Aktivitäten sind. Genauer gesagt, erinnern Cohn die jungen Discogänger an die Rock ’n’ Roll-Fans der 50er Jahre, weil sie, im Gegensatz zu der Generation der 60er Jahre, aus Geldmangel ihre Ausbruchsversuche auf die Freizeit beschränken müssten. Der Druck, sich in der Schule und am Arbeitsplatz gehorsam zu erweisen, der jetzt aus der ökonomischen Krise Mitte der 70er Jahre erwachse, entlade sich am Wochenende in der Diskothek: »once a week, on Saturday night, its one great moment of release, it explodes.« Für Cohn richtet sich die ›Explosion‹ aber nicht nur gegen Eltern, Lehrer, Vorgesetzte, sondern auch gegen andere Formen des Ausbruchs, hinter denen ein viel größeres ökonomisches oder kulturelles Kapital steht. Zum einen setzt er die proletarische Disco entschieden von den Vergnügungsstätten der Reichen und Berühmten ab (hier hat er wohl u.a. das Studio 54 im Blick); trotz der teilweisen Überschneidungen im Musikgeschmack und im grundsätzlichen hedonistischen Gestus mag er keinerlei Übereinstimmungen erkennen, sondern spielt mit aller Konsequenz jugendliche Energie gegen saturierte Dekadenz aus: »While Manhattan remains firmly rooted in the sixties, still caught up in faction and fad and the dreary games of decadence, a whole new generation has been growing up around it, virtually unrecognized. Kids of sixteen to twenty, full of energy, urgency, hunger. All the things, in fact, that the Manhattan circuit, in its smugness, has lost.« Zum anderen grenzt er mit gleicher Verve die jugendlichen Discotänzer von den sozialen Prätentionen mancher Rock-Stars und von dem Kunstanspruch des avantgardistisch ausgerichteten Undergrounds ab. »They are not so chic, these kids«, schreibt Cohn mit deutlich positivem Unterton, »they don’t pose as street punks in the style of Bruce Springsteen, or prate of rock & Rimbaud« (Cohn 1976). Einzelne Kritiker erkennen die Stoßrichtung Cohns auch in der Filmversion, in der solche Sätze natürlich nicht vorkommen, wieder. Pauline Kael etwa spricht von den männlichen Protagonisten des Films als Marlon Brandos in einer new, pop form (1977: 60). Was dabei untergeht, ist aber in hohem Maße, dass die Popform der Disco keineswegs allein mit Metaphern der »Energie« und grenzüberschreitenden Assoziationen der »Rebellion« zu fassen ist, wie man sie zur gleichen Zeit in den Darstellungen der PunkBewegung antrifft (deren Ausbruch freilich über ein Saturday Night Fever weit hinausgehen soll). Cohn unterschätzt stark die Möglichkeiten, die der Disco-Sound dem bietet, was er als Dekadenz, Chic, Pose, Kunstanspruch

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denunziert und negativ an der jugendlichen Frische, Direktheit, an jugendlichem (männlichem) Trieb und Verlangen bemisst. Der Beweis dafür wird bereits kurze Zeit später angetreten. In avancierten New Wave- und No Wave-Kreisen wird gerade die monotony (James Chance) von Disco geschätzt; zudem besitzt die Discomusik den Vorteil, dass man sich mit ihr von den anderen, bislang üblichen Boheme- und PunkEinstellungen, die auf einem antikommerziellen Geschmack bestehen, auffällig abgrenzen kann (Gendron 2002: 284ff.; Haden-Guest 1997: 152; Shapiro 2005: 251ff.; Heylin 1993: 310). Die Hinwendung zu Disco geht rasch über den versuchten Nachweis, dass es sich bei ihr um eine tatsächlich dem Punk verwandte Weise handelt, »the spectator’s passivity in favor of a ›do-ityourself‹ attitude« aufzuheben (Graham 1989: 115), hinaus; im Mittelpunkt stehen vielmehr Überlegungen, in der Discomusik die Möglichkeiten einer avant-garde disco im Sinne mancher Stücke David Bowies, Brian Enos oder Kraftwerks zu erkennen und den Doktrinen der Rock-Authentizität eine technoide Alternative entgegenzuhalten; mit der weiteren Möglichkeit für kunstinteressierte Betrachter, in dem maschinell antiexpressiven Trend eine zeitgemäße Variante des Futurismus auszumachen, die der großen, martialischen Dimension der historischen italienischen Avantgardisten entbehrt, auf das Zeitalter der Datenverarbeitung am Personal Computer vorausweist und für die plastic ohnehin im Gegensatz zu anderen Bestrebungen der 70er Jahre keineswegs eine negative Eigenschaft darstellt (York 1983j: 167ff.). Zur gleichen Zeit wendet man sich von anderer Seite der allgemein gering geschätzten Discomusik – selbst ein Pop/Rock ’n’ Roll-Populist wie Robert Christgau schmäht den Soundtrack der Bee Gees zu Saturday Night Fever als »pop music at a new peak of irresistible silliness, with the former Beatle clones singing like mechanical mice with an unnatural sense of rhythm« (1981: 343) – sogar in politischer Absicht zu. In der Zeitschrift Gay Left weist Richard Dyer 1978 auf das hohe Prestige, das Folk, Rock und nun Punk in neu-linken Kreisen genießen würde, zu Beginn nur hin, um im Gegenzug ein Plädoyer für Disco – In Defence of Disco – zu halten. Zum Zwecke der Verteidigung führt Dyer u.a. die Camp-Konzeption ins Feld; hier kann er auf eine Reihe weiterer Ansätze zurückgreifen, die sich zum Teil kritisch mit Sontags Erläuterungen auseinandersetzen, um die spezifische subkulturelle Dimension von Camp hervorzuheben (z.B. Babuscio 1999). Wichtig ist ihnen, Camp als homosexuelle Praxis zu markieren: Die Manier von Camp, alles in Anführungsstrichen zu sehen, gehe auf das schwule Bemühen zurück, einen ›richtigen Mann‹ zu spielen, um der Stigmatisierung und Verfolgung zu entgehen. Das dadurch eingeübte schauspielerische Vermögen bringe die Erkenntnis von der arbitrariness of our sex roles hervor, die sich auf der anderen Seite (etwa in den Aufführungen der drag queens) in der selbstbewussten, witzigen Camp-Vorliebe für besonders outrierte, stilisierte Sprechweisen und spielerisch akzentuierte Haltungen dann wieder äußerst auffällig zeige (Newton 1979: xvi, 104ff.; ganz ähnlich auch Dyer 1999). Kritisch zu dem Stil- und Künstlichkeitsbewusstsein von Camp merken einige Beiträger lediglich an, dass es im Extremfall zu einer Abwehr ernsthafter Themen und Debatten führen könne: »The emphasis on surface and style can become obsessive«, schreibt auch Richard Dyer mit besorgtem Unterton, »nothing can be taken seriously, anything deep or problematic or heavy is shimmied away from in a flurry of chic« (ebd.: 114f.; s. auch Britton

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1999). Diesen Vorwurf darf man jedoch keinesfalls mit einer generellen Abneigung gegen den schicken, unterhaltsamen Stil verwechseln. In seinem Camp-Aufsatz aus dem Jahr 1976 preist Dyer vielmehr über weite Strecken den dekadent-eleganten, oberflächlichen Luxus, der für ihn ein bedeutender Ausdruck des homosexuellen Camp-Geschmacks ist: »Gay men have made certain ›style professions‹ very much theirs (at any rate by association, even if not necessarily in terms of the numbers of gays actually employed in these professions) – hairdressing, interior decoration, dress design, ballet, musicals, revue. These occupations have made this life of society as a whole more elegant and graceful, and the show-biz end has provided the world at large with many pleasant evenings. At the same time hairdressing, interior decoration and the rest are clearly marked with the camp sensibility – they are style for style’s sake, they don’t have ›serious‹ content (a hairstyle is not ›about‹ anything), they don’t have a practical use (they’re just nice), and the actual forms taken accentuate artifice, fun and occasionally outrageousness – all that chi-chi and tat, those pinks and lace and sequins and tassels, curlicues and ›features‹ in the hair, satin drapes and chiffon scarves and fussy ornaments, all the paraphernalia of a camp sensibility«. (Dyer 1999: 113)

In seiner Disco-Verteidigung zwei Jahre später nennt Dyer einen weiteren wichtigen Punkt, der Camp vom Vorwurf, ein belangloses oder schädliches Phänomen der Sphäre kommerzialisierten Konsums zu sein, befreien soll. Hier setzt er Camp und Disco insofern gleich, als er in der typischen Manier der Cultural Studies-Theoretiker feststellt, dass beide die homosexuelle Szene zwar bereits in Warenform erreichen würden, dadurch aber ihr Gebrauch nicht von vornherein festgelegt sei. Im Gegenteil, auch im Falle von Disco erkennt Dyer subversive Formen der Aneignung (»a ›contrary‹ use of what the dominant culture provides«). Gegen die Intention der kapitalistischen Hersteller scheint Dyer u.a. der Beitrag zu verstoßen, den Disco zur Formierung einer gay identity leistet; ebenso gefällt ihm die hedonistische, oberflächliche materiality von Disco, sie scheint ihm in einer originellen Notiz der Politik sozialistischer Parteien, die sich auf das Prinzip des historischen Materialismus berufen, eigentlich angemessen (2002: 153f., 158f.). Dass Dyer kein traditioneller Marxist ist, merkt man auch an seinem zweiten Grund, Disco zu favorisieren. In der Tradition der gegenkulturellen Neuen Linken hält er es für ein wichtiges politisches Moment, dass sich antiautoritäre Verhaltensweisen auch und gerade abseits des direkten institutionellen Machtkampfs herausbilden. Ungewöhnlich an Dyers Absage an ein Leben gemäß starrer Ordnungsprinzipien und einengender Leistungsmaximen ist allerdings sein Ansatz, entsprechende Impulse alltäglicher, vormals fälschlich als »privat« eingestufter Libertinage nicht im alternativen Kultursektor, sondern im kommerziellen Disco-Bereich zu suchen und zu finden. Gegen bürgerlichen Selbstzwang und Machtgelüste spricht für ihn besonders jene seiner Auffassung nach der Disco-Musik verbundene erotische Haltung, die er als ›whole body‹ eroticism bezeichnet. Zwar gebe es leider auch phallische Discoformen (Beispiel Village People), es bestehe aber kein Grund, ausgerechnet diese Form als homosexuelle Variante zu identifizieren. Dyer verweist dagegen auf andere Vorlieben, die ebenfalls in der homosexuellen Szene von großer Bedeutung seien und die der phallischen Fixierung, wie sie

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in der Rockmusik vorherrsche, gerade nicht entsprächen und sich dadurch stark der black music annäherten. Trotz allen Verständnisses für die historisch notwendige aggressive, treibende Funktion des Rock macht sich Dyer zum Fürsprecher einer gay culture, die auf der entgrenzten Sexualität vieler Disco-Rhythmen und -Grooves beruht: »One can see how, when rock ’n’ roll first came in, this must have been a tremendous liberation from popular song’s disembodied eroticism – here was a really physical music, and not just mealy-mouthedly physical, but quite clear what it was about – cock. But rock confines sexuality to cock (and this is why, no matter how progressive the lyrics and even when performed by women, rock remains indelibly phallocentric music). Disco music, on the other hand, hears the physicality in black music and its range. It achieves this by a number of features including: the sheer amount going on rhythmically in even quite simple disco music […]; the willingness to play with rhythm, delaying it, jumping it, countering it rather than simply driving on and on (examples: Patti Labelle, Isaac Hayes); the range of percussion instruments used and with different affects […]. This never stops being erotic, but it restores eroticism to the whole of the body, and for both sexes, not just confining it to the penis. It leads to the expressive, sinuous movement of disco dancing, not just that mixture of awkwardness and thrust so dismally characteristic of dancing to rock«. (Ebd.: 155f.)

Ansichten wie die Dyers bleiben nicht auf Teile der homosexuellen Szene beschränkt. Auch in (früheren) Organen der Gegen- und Rockkultur trifft man nun, Ende der 70er Jahre, auf Entgegensetzungen von Rock und Disco, die nicht wie üblich zum Vorteil von Rock vorgenommen werden. In der Village Voice stellt Andrew Kopkind Discos »Revolte« gegen die seit der zweiten Hälfte der 60er Jahre herrschende Rock-Doktrin mit den bekannten Motiven der Großen Manipulation, der Kunst-Welt und des Reiz-Angriffs heraus. Disco sei die perfekte »antitheses of the ›natural‹ look, the real feelings, the seriousness, the confessions, the struggles, the sincerity, pretensions and pain of the last generation«, umgekehrt muss Disco folglich positiv als »›unnatural‹, artificial, and exaggerated«, als »stylish, sleek, smooth, contrived, and controlled« bestimmt werden, als Affirmation der »fantasies, fashions, gossip, frivolity and fun of an evasive era«, die sich dem intensiven Augenblick hingibt: »The throbbing lights, the engulfing sound, the heightened energy and the hyperbolic heat«, schreibt Kopkind über einen Abend in einer Diskothek Anfang 1979, »give me sense (which I have heard that others share) that the world is enclosed in this hall, that there is only now, in this place and this time«, immer im Bewusstsein, dass diese Energie und Hitze Effekt einer ganz und gar unnatürlichen »sophisticated, commercial, manipulated culture« sei (2005: 301, 305). Ein postmoderner Lifestyle-Essayist wie Peter York ersetzt in seinen Ausführungen zu Disco selbstverständlich das Energetische durch den viel weniger martialischen fun. An die Stelle des Rückgriffs auf EnvironmentKonzepte der 60er Jahre tritt bei ihm die Kunst-Welt variabler, spielerischer Geschlechteridentitäten und sexueller Vorlieben. Die Linie, die York zieht, reicht von Sontags Camp über den Drag der Cockettes bis zu Bowies Glam, mit dem ein homosexueller Stil bereits vor Disco große Popularität im Bereich der Jugendkultur erreicht hat. York beschreibt die Entwicklungen aus

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der ersten Hälfte der 70er Jahre hin zu dem sexy glittery nonsense mit großer Sympathie (1983k: 156), es ist darum keine Überraschung, dass er sich später als Disco-Fan präsentiert (1983l: 177). Als paradigmatischer Pop-Theoretiker erweist sich York auch darin, dass er die rasche »transformation of gay from outcast to cultural commodity« ohne kulturkritische Bedenken konstatiert: »At first, in the very early seventies, just after the gay political breakthrough (Gay Lib etc.), what the business sold and the gays bought was the traditional gay style, the ghetto style: campy camp, divinely decadent Deco, glitter, old movies […] mixed with post-hippie polymorphous perversity, with oddities like the Cockettes, hairy gay hippies in glittery Frank’n’furter costumes. Out of this hybrid transitional sensibility came the first big Bowie incarnation and a lot of other early seventies mass-market cultural phenomena. For the strange thing was, the people who really responded to all this enjoyable sexy glittery nonsense were, above all, liberated straights, heterosexual fellow-travellers and women, for whom gay liberation was an automatic parallel to their own. All those little sprogs, those bouncing little disco girls and boys, took to a spot of token bisexuality like ducks to water, no sweat. At least, they took to the appearance of it.« (York 1983k: 156)

Andere, Ende der 70er Jahre nun manchmal ebenfalls in positiver Manier vorgenommene Abgrenzungen zur herkömmlichen Rockkultur betreffen den Status der Expression, des Werks, der Originalität, der künstlerischen Individualität, mit einem Wort: den Status humanistischer Leitwerte. Gemessen an den etablierten Rock-Standards, merkt Tom Smucker rückblickend in einem Handbuch des amerikanischen Rolling Stone 1980 an, sei die disco aesthetic hoffnungslos entmenschlicht, depersonalized. Disco-Musik verfolge ein antihumanistisches Projekt, weil die Disco-Klänge weitgehend maschinell und anonym im Studio hergestellt würden: »Rather than focusing on ›artists‹ who released albums that made ›statements‹, disco often emphasized not albums, careers, artists, writers or even producers, but the taste of the man who picked out and combined the album cuts – the DJ. By design, disco was merely a soundtrack for communal dance ecstasy« (1980: 425). An dem Begriff »Disco-Ästhetik« kann man aber bereits erahnen, dass sogar im Rolling Stone nun Abweichungen vom Rock-Humanismus in Spezialbereichen toleriert werden. Smucker, als Disco-Experte, nutzt den Freiraum, um einige poststrukturalistische und postmoderne Konzepte zum Vorteil von Disco einzusetzen. Wegen der Abnutzung und zynischen Ausbeutung bedeutungsvoller Phrasen und hehrer Ziele scheint ihm erstens die DiscoMethode, alles aufs Oberflächliche zu beschränken, eine angemessene Alternative zu sein. Dass Disco (bzw. der DJ) den Fundus der Musik- und Stilgeschichte plündere (»disco’s willy-nilly choice of Motown, surfing music, Beethoven and muzak«), verbucht er ungewöhnlicherweise ebenfalls nicht auf der Negativseite. Zuletzt, drittens, scheint für Smucker Disco innerhalb der Pophistorie sogar einen Fortschritt darzustellen; nachdem Smucker die Leitlinie »reducing everything to its surfaces« als altehrwürdigen Pop-Topos (honorable pop idea) vorgestellt hat, hebt er gleich anschließend den Unterschied der Disco-Einstellung zu der vieler Pop-art-Verfechter hervor. Im Gegensatz etwa zu Andy Warhol komme die Begeisterung der Disco-Anhänger für das Oberflächliche ohne den Anflug distanzierter, überheblicher Ironie

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aus. »Disco reduced everything to surfaces without elitest irony«, ist Smucker überzeugt, »it was optimistic and positive. Some disco versions may have sounded disrespectful or tasteless, but they were not cynical. The past was used whenever it sounded good, and if there was a certain glee involved in turning it all into disco, there was not hostility. After all, it was supposed to make people dance, not snicker« (ebd.: 432f.). An dem letzten Argument wird deutlich, weshalb Smuckers Einschätzungen in einer Publikation des Rock-Magazins Rolling Stone stehen können. Immerhin in dem Punkt stimmt Smuckers kontroverses Lob der Oberflächlichkeit und des DJ-Postmodernismus mit einer amerikanischen RockDoktrin überein, für die Pop dann kein negativer Begriff ist, wenn er im Sinne eines Pop-Populismus verwandt werden kann. Über weite Strecken der 70er Jahre bleibt das sogar die einzige bedeutende Möglichkeit, von Pop zu sprechen, ohne eine abwertende Haltung einzunehmen (oder den Ausdruck als blassen Oberbegriff zu gebrauchen). Kanonisch klingt das in Greil Marcus’ Mystery Train 1975; Rock ’n’ Roll wird dort als American culture bestimmt, als eine »demokratische Kunst«, deren Verfechter, die besten popular artists, Gemeinsamkeiten zwischen Leuten, die sonst wenig verbinde, bewirken könnten; unter der Überschrift Pop ist es Marcus in diesem Sinne möglich, die Kraft der pop culture mit dem aus seiner Sicht bedeutenden demokratischen Verlangen gleichzusetzen, Zusammenhang und Zusammenhalt zu stiften (1976a: 4, 7f., 113). Am Beispiel der Beatles ruft Marcus Mitte der 70er Jahre die Macht entsprechender pop explosions in Erinnerung, die Rassen- wie Klassengrenzen überwinden und den Enthusiasmus erzeugen würden, der die Voraussetzung für ein massenhaftes politisches Engagement bilde. Der skeptischen Einschätzung George Mellys, Pop verwandle jede Revolte in einen Modestil, widerspricht Marcus darum; der Pop-Umschwung sei zwar keine Revolution, aber doch viel mehr als ein Stilwechsel, er laufe im gelungenen Falle auf eine wahrhafte »kulturelle Explosion« hinaus, deren Energien die gesellschaftlichen Trennlinien überstiegen (1976b: 175). Ende der 70er Jahre hat sich an der Einstellung nichts geändert – Ellen Willis etwa wiederholt 1979 die bekannte Auffassung, dass pop music als mass art demokratisches Potenzial in sich berge (1992b: 251f.) –, was sich aber ändert, ist der Zuschnitt der Beispiele. Nach anfänglicher Abwehr kann Willis auch den Punks als anti-people populists viel abgewinnen (1979: 77), und Greil Marcus sieht in der situationistisch inspirierten nihilistischen Attitüde der Sex Pistols und anderer englischer Punkgruppen nicht bloß eine revolt into style, sondern gleichfalls style into revolt (1980: 453). In den darauf folgenden künstlerisch inspirierten und antisexistisch und -rassistisch politisierten Gruppen wie den Raincoats und Essential Logic erkennt Marcus weiterhin die Gestalt einer pop culture, die sich nicht auf sich selbst zurückzieht, sondern Verbindungslinien schafft und Konsequenzen hat (»rescued life from the triviality of a day-to-day existence in which everything is merely personal and nothing connects«; 1999a: 111). Keineswegs nur, weil sie zusammen mit ihren Plattenfirmen, den Independent Labels, versuchen, alternative Distributionswege zu etablieren, billigt ihnen Marcus ohne Bedenken zu, im Sinne seiner demokratischen Ansprüche zu wirken: »Pop can then become less a matter of private hopes and romantic fantasies than of consciously shared social facts, less a matter of spectacle than of public speech« (1999c: 177).

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Auch solch einer avant-garde, die weit entfernt ist von dem Ausmaß der von ihm zuvor beschworenen pop explosions, gesteht Marcus in kleinerem Rahmen zu, am Projekt der Pop-Demokratie mitzuarbeiten. Der nun alternativ gewendete Pop-Populismus lässt es zu, dass Marcus weiterhin den Begriff pop gebrauchen kann, wenn er über seine Favoriten, Gang of Four, Au Pairs etc., schreibt: postpunk pop avant-garde lautet der von ihm ins Spiel gebrachte Sammelbegriff (1999b: 109). Betrachtet man das alles zusammen, bietet sich Ende der 70er Jahre ein eigentümliches Bild: Einerseits findet sich der Begriff pop innerhalb der intellektuelleren Debatten nur noch in einem emphatischen Sinne in den verschiedenen Varianten des amerikanischen Pop-Populismus im Gebrauch; andererseits trifft man verstärkt auf vertraute Elemente der Rede über Pop – Stil-Subversion, Camp-Verfremdung, Lob der Oberflächlichkeit und Künstlichkeit –, die aber abgeschwächt bzw. in anderen Zusammenhängen – in Postmoderne- und New Wave-Debatten – vorgebracht werden. Angesichts dieser Lage ist es keine allzu große Überraschung, dass sich nun eine neue Richtung herausbildet, die sich selbst ganz bewusst unter den Titel Pop stellt. Seinen Wert gewinnt der Titel aus der Abgrenzung zu anderen Bestrebungen im intellektuellen und alternativ-kulturellen Feld. Hier finden die Überlegungen und Imperative zum New Pop ihre möglichen Abnehmer und Adressaten; alle Stellungnahmen sind vor diesem Hintergrund zu lesen. Eine eventuelle Nähe zu den Spitzen der Charts, den Top of the Pops (wie die entsprechende englische Fernsehshow heißt), gewinnt nur in diesem Zusammenhang ihre große Bedeutung; an die meisten Anhänger der Popstars, die dort rangieren und auftreten, richtet sich die neue Popideologie nicht direkt, als Leser können sie, die sich über Fotos, Interviews, Werbung, intime Berichte über ihre Favoriten auf dem Laufenden halten, nicht erreicht werden. Es passt gut ins Bild, dass die erste Formulierung von New Pop noch weitgehend im Banne des künstlerisch akzentuierten New Wave/Post-PunkGeschmacks steht. Paul Morley, der den Begriff prägt, grenzt im Frühjahr 1979 in einer Erklärung für die amerikanische Leserschaft des New York Rocker am Ende der 70er Jahre den, wie es im Titel heißt, New Pop UK zuerst im Sinne der üblichen Punk-Parole vom ›progressive rock‹ der Yes, der späten Pink Floyd und von Supergruppen wie Led Zeppelin scharf ab. Eine Abgrenzung gegenüber der Rockmusik schlechthin bedeutet das aber nicht. Die frühen Pink Floyd, Cream, Nice und allgemein den »fascinating, psychedelicoriented burst of the late sixties« hält Morley ausdrücklich in Ehren; seine künstlerisch-avantgardistischen Wurzeln im Bereich der Rockmusik verleugnet er also keineswegs (1992: 201, 204). Dass Morley nicht einfach zur eingängigen Popmusik überläuft, erkennt man auch leicht an seiner Punk-Begeisterung. Selbst New Pop scheint ihm direkt von Punk abstammen. Dies bedarf freilich der Begründung, dient Pop den Punk-Anhängern doch gewöhnlich als Schimpfwort, nicht als Ruhmestitel. In einem bemerkenswerten Akt der Umdeutung stuft es Morley als zwingend ein, dass viele Punkgruppen wenigstens vorübergehend Eingang in die Charts gefunden haben. Die Pop-Tauglichkeit von Punk erkennt er in der Schärfe des Auftritts und in der Konsequenz, einen auffälligen Stil aggressiv zu präsentieren:

Die Vollendung der Pop-Affirmation | 387 »The New Pop developed naturally out of the punk assault. The important thing about punk, musically and visually, was that it effectively engineered new forms of using rhythm and economy, and revealed awareness and sensitivity of how to perform and present. Visually and aurally, even when crudely stated, there were sharp and confident expansions upon rock’s basic stale presentation. The undeniable presence of the initial punk groups was not only apparently alienating, but highly accessible and obviously fresh in its vigor and simplicity. And it’s that, more than anything, that dragged punk groups into the charts and began opening doors. 1977, when controversy blotted natural progress, revealed at the time peculiar traces of the emergence of a new pop; 1978 solidly confirmed this new and colourful force«. (Ebd.: 202f.)

Als Beispiele solcher Vertreter des New Pop des Jahres 1978, die von dem Punk-Aufbruch nach 1975 profitiert haben, nennt Morley so unterschiedliche Gruppen und Künstler wie die Buzzcocks, Jam, Undertones, Ian Dury, Public Image Ltd., X-Ray Spex, Adverts, Ramones, Patti Smith, Tom Robinson Band, Sham 69 und Blondie – »something for everyone; some derivative, some disturbing, some dumb. But loud, noisy, and even the more frivolous and fatuous giving off signs that they were alive and thinking.« Dass solche Gruppen mitunter in die Top Twenty gelangen, hält Morley nicht für ein Zeichen des Ausverkaufs und Niedergangs. Ganz im Gegenteil, hier zeigt sich, weshalb der Begriff New Pop von Morley mit Bedacht gewählt geworden ist: Der Charts-Erfolg ist für ihn Anzeichen eines wirklichen Erfolgs, ist für ihn Beweis, dass die neuen Gruppen sich nicht freiwillig mit der Existenz in einer speziellen Nische, im künstlerischen Reservat zufrieden geben, dass sie im Gegenteil zeitgemäß sind und einen wichtigen Bestandteil des Alltagslebens bilden, indem sie durch ihre Präsenz im Radio und Fernsehen viele verstören und manche in ihrem look und ihrer Auffassung bestätigen (ebd.: 203f.). Diesen für ihn entscheidenden Zug sieht Morley auch im Jahr 1979 weiter am Werk. Die nächste Welle des New Pop-Trends, der gegenwärtigen punk splinters, zeige sich bereits im ersten Erfolg von Gruppen wie Wire, Generation X, Pretenders, Soft Boys, Essential Logic, Ludus, Stiff Little Fingers, 999, Devo, Cure, vielleicht auch bald bei Gruppen wie den Human League, Mekons oder Gang of Four. Kennzeichnend für die Aufzählung ist, dass sie im Gegensatz zu der Liste von David Thomas ohne Namen wie Abba auskommt. Der Pop-Bezug am New Pop Morleys 1979 besteht darin, nicht nur in jenen Gruppen, die in der Punk-Tradition einigermaßen leicht wiedererkennbare Songs schreiben, sondern auch in teilweise recht avantgardistischen Post-Punk-Bands Pop-Potenzial wegen ihrer klaren Haltung und ihres Stils zu entdecken. Die Differenz zur übrigen Pop-Musik, die sich mehrheitlich in den Charts findet, bleibt dadurch deutlich erhalten. Die Besonderheit von Morleys New Pop wird noch deutlicher, wenn man seine Binnendifferenzierung heranzieht. Als weitere Punk-Absplitterungen neben New Pop nennt Morley die ›distorted disco‹ music und die Vertreter reduziert, minimal eingesetzter technologischer Klänge (»the new breed of economic electronic exponents«). New Pop wird demnach von Morley keineswegs mit Disco (nicht einmal in ihren avantgardistischen Abwandlungen) und dem heraufziehenden Synthie-Pop gleichgesetzt (ebd.: 205). Das bleibt aber nicht das letzte Wort in Sachen New Pop, auch nicht das Morleys. In den

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folgenden zwei Jahren werden die Avancen Richtung Pop sich aus dem Feld der Rock- und New Wave-Avantgarde deutlich verstärken. Direkt verbunden ist der Aufstieg und Wandel des New Pop, der freilich im unveränderten Rahmen des Anspruchs erfolgreicher Stil-Politik stattfindet, mit weiteren Ausläufern der Punkszene. Den letzten wichtigen Vorläufer zum New Pop der beginnenden 80er Jahre kann man in der wahlweise New Romantics oder Blitz Kids genannten Szene von Poseuren und Clubgängern ausmachen, die zu einem beträchtlichen Teil dem Punk-Umfeld entstammen, aber wieder stärker zu Ahnherren wie David Bowie zurückkehren (vgl. Rimmer 2003). In Clubs wie zuerst Billy’s und kurz darauf dem titelgebenden Blitz trifft man Ende der 70er Jahre nach dem Zeugnis Peter Yorks auf »the whole stylized Neon Poser aesthetic full tilt, not very lively but something to look at. It was photographed everywhere from Ritz to Paris Vogue« (1983l: 177). Jene Modernität, die neben dem Neonlicht auch durch ostentativ bevorzugte, in der Alternativkultur verabscheute Materialien wie Plastik und Aluminium angezeigt wird, sieht York allerdings mit ähnlich ironischem Blick, der dem Gegenstand insofern angemessen ist, als York in ihm keine Weiterführung der Moderne, sondern ein postmodernes Zitat erkennt. »The ultimate expression of this funny mood was the Neon Night culture that developed round an odd little chap called Steve Strange – ex-punk and Generation X roadie, who started ›Bowie night‹, a portable event at various London clubs in 1978«, fasst York Anfang des neuen Jahrzehnts 1980 zusammen: »This scene was very modern – futuristic indeed. Look closer however and it was … moderne, a rehash of a period idea of the future – Bauhaus and sci-fi trash, Star Trek and Thunderbirds, art and ›Low‹ all mixed up. Sweet, a bit feeble and silly, dated from the word go, post-punk and, intractably, hopelessly, Post-Modern« (1983g: 218). York liegt mit seiner Einschätzung zweifellos richtig, was man unschwer daran erkennen kann, dass aus der kleinen Szene der äußerst stilbewussten (nicht selten homosexuellen) Clubgänger rasch abwechselnde, originell inszenierte und kombinierte Retro-Varianten hervorgehen, vom Piraten-Look bis hin zum Revival des Zoot Suit-Hipstertums. Von Beginn an unterscheiden sich vor allem Kleidung, Frisur, Make-up deutlich von einer geraden, puristischen Linie. Das zeigen einem viele Bilder der Zeit, das sagen einem aber auch Artikel und Selbsteinschätzungen aus den beiden neuen englischen Mode- und Lifestylemagazinen i-D (s. Jones 2001) und The Face, die ihre Position sorgsam abgegrenzt in der Mitte zwischen alternativen Zeitschriften und etablierten Modejournalen einnehmen. Nachdem Protagonisten dieser Szene wie Adam Ant und Spandau Ballet sich aufmachen, in die Charts vorzustoßen, und sich in größeren Teilen der Jugendkultur ein Bruch mit der alternativen Ästhetik abzeichnet, kann Robert Elms im November 1980 in The Face bereits einen Rückblick auf die Vorreiter der Bowie-Nächte im Billy’s in dem Bewusstsein anstellen, dass mit deren Aufstieg auch der zunehmende Erfolg der eigenen Zeitschrift verbunden ist: »Tuesday night became the night to look right as the still dominant leather of the post-punk depression was rejected in favour of gold braid and pill-box hats«, markiert Elms dabei ebenfalls die Differenz zum aggressiven oder tristen Auftreten der beherrschenden Kunst/Pop-Szene der Jahre zuvor. Hier dominiert hingegen nun der Spieltrieb und die auffällige modische Überbietung: »It was toy soldiers, cossacks and queens to the outsider, an odd fantasy world down the stairs; to the

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participants it was a mutual admiration society for budding narcissists, a creative and competitive environment where individualism was stressed and change was vital« (Elms 1997a: 15). Der Moderne-Bezug, den York hervorhebt, sticht allerdings etwas stärker aus dem postmodernen modischen Wechsel und schnellen Verbrauch unterschiedlicher Kostümierungen heraus, weil zumindest die Musik, die dazu spielt, sich nicht in genau dem gleichen enormen Tempo ändert. Zumindest ein wenig länger überdauert auch in der Blitz-Szene (in der später daran anschließenden Pop-Welt ohnehin) der Klang der electric disco, die von Giorgio Moroders »The Chase« bis zu Bowies »Heroes«, Roxy Musics »Trash«, den Sparks und aktuellen britischen Gruppen wie Human League, Ultravox und Cabaret Voltaire reicht. »Kraftwerk provided the first signs of the move towards electronic disco«, rekapituliert wiederum Elms, »obscure British bands operating within the same sphere were discovered and danced to. ›Warm Leatherette‹ by The Normal and ›Being Boiled‹ by the then unknown Human League pointed the way to the electronic explosion about to occur« (ebd.). Solche Musik wird im englischen Sounds zeitweilig in einer Futurist Playlist, die auf der Auswahl des Blitz-DJs Stevo beruht, versammelt und propagiert, der Begriff Futuristic kann sich allerdings in der Szene kaum durchsetzen (vgl. Rimmer 2003: 92, 96f.). In größerem argumentativen Zusammenhang verwirft auch Peter York die Idee einer Renaissance des Futurismus. »The pre-war Futurism was about bigness«, leitet York seine Diagnose ein, die sich ebenfalls auf die neue elektronische Musik beziehen lässt, »and the seventies Futurists, whatever the imagery, seem to be more involved with small-scale technology, intimate symbiotic electronic machines. Devoluted machinery like the computer terminals that are predicted for every home by the 1980s« (York 1983j: 176). So sehr York mit seiner Vorhersage (und damit auch bei seiner Abgrenzung zu einem martialisch großdimensionierten Futurismus) ins Schwarze trifft, so ungenau ist seine grundsätzliche Reduzierung des historischen Futurismus auf gigantomane Projekte. Bei den russischen Futuristen der 10er Jahre findet sich etwa, wie bereits erwähnt, ein spezieller Vorschlag zum radikalen avantgardistischen Programm, der im Rahmen bescheidener, alltäglicher Mittel verwirklicht werden kann. »Nun ist es Zeit, daß die Kunst ins Leben eindringt«, rufen bereits 1913 Michail Larionov und Il’ja Zdanevic allgemein aus, um besonders dazu aufzufordern, sich das Gesicht zu bemalen (1995: 68). Wie Baudelaire, der in der Schminke das (neben der Mode) einzige Mittel der Frau sieht, der Natur zu entfliehen und so dem Dandy wenigstens etwas nahe zu kommen (1989: 248ff.), treten sie dabei für äußerste Künstlichkeit ein. Sie wenden sich gegen jene Schminke, die lediglich die Natur nachahmt, und plädieren stattdessen für eine viel auffälligere Bemalung – ein Aufruf, den die Londoner Blitz-Gäste (sicher ohne ihn zu kennen) über ein halbes Jahrhundert später getreu befolgen. Genau in dem Sinne der avantgardistischen Grenzüberschreitung erfahren die Blitz-Poseure hohes Lob durch Rosetta Brooks in der ersten Ausgabe von ZG 1980. Darin feiert sie den poser als ein »ready-made art object«, das endlich außerhalb der abgeschlossenen Welt der Galerien und art schoolExperimente ins Leben bzw. auf die Straße gelange: »Their form of street theatre is not so much to do with bringing art or theatre to the streets as in

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making the street theatrical.« Die Überwindung des engen Kunst-Rahmens scheint Brooks zudem dadurch sichergestellt zu sein, dass mittlerweile nicht nur die der avantgardistischen Off-Modeszene und Kunsthochschule entstammenden Stilfanatiker die sichtbar gebrochenen Selbstbilder (ironic selfimages) kultivieren; wie zuvor Peter York sieht auch sie in den gegenwärtigen jugendlichen Subkulturen ein reflexives, postmodernes Verhältnis zu den eigenen Darstellungsformen gegeben: »Posing as a cynical manipulation of the mix of street styles which has occurred in the ’70s seems like the end-point of youth cultures in the sense that the latter has always been concerned with an identifiable uniform. But as such, it is just an extension of certain existing tendencies in these cultural ghettos. With the new mods, skinheads and teds etc. the uniform no longer embodies a kind of solidarity of youth standing out against a background of social convention. […] What seems to be most expressed in the new youth culture images is a nostalgia that seemed to invade every other aspect of cultural life in the ’70s. Already there are signs of intermediary mixes occurring e.g. the Rude boy as a mixture of mod/skin/Rasta or the spectacle of the skinhead dying his hair punk fashion. Posing is this tendency taken to an extreme. The reference points are merely extended to the fuller range of social and historical stereotypes. Dressing up becomes a fusion of images. It means to bring into juxtaposition and contraposition different images, different connotations, different worlds into the plurality of ›worlds‹ […]. For the poser it is not so much the style of appearance which in itself is important e.g. achieving a perfect ‘50s revival ›look‹, but that the overall ›look‹ is ambiguous, even askew. Clothing, make-up, hairstyle, etc. is essentially a collage, each component taken up on the level of the fashion equivalent of the ready-made – as 2ndhand.« (Brooks 1995: 537f.)

Solche mit positivem Grundton vorgetragenen Einschätzungen bleiben jedoch selbst unter Autoren, die der Punk-Boheme freundlich und der RockIdeologie weitgehend feindlich gegenüberstehen, nicht ohne Widerspruch. Skepsis wird vor allem laut, nachdem mit Spandau Ballet, Visage und vor allem mit Adam and the Ants Gruppen auf den Plan treten, die mit ihren Stilentscheidungen ganz bewusst auf den Charts-Erfolg zielen (mit den programmatischen Worten von Adam Ant aus seinem Smash Hits-Interview Mitte 1981: »I felt rock ’n’ roll had lost all its colour, all its flair. Showbusiness has got more life to it«; Ellen 2006: 16). Ein der zeitgenössischen Punkund Post-Punk-Gegenkultur verpflichteter Kritiker wie Jon Savage übernimmt Brooks Beschreibung, das Selbst werde von den new romantics in ein Kunstobjekt verwandelt, deshalb nur, um die narzisstische Realitätsferne des Vorgangs herauszustellen; er schließt sich ihrer These von der postmodernen Umgestaltung der Jugendkultur bloß an, um deren Aufsplitterung in kleine Teilmärkte zu beklagen; und in den cut-up-Techniken, mit denen nun verschiedene looks kombiniert würden, vermag er keineswegs ein kritisches Projekt, sondern lediglich eine »exaggeration of dress« zu erkennen, die zu der »bright, attractive dance music« der neuen Gruppen passe. »Glamour replaces grubbiness, naked élitism – inverse élitism, withdrawal – commitment, dance – thought, gold – grey«, charakterisiert Savage den veränderten Zug der Zeit nach Punk und New Wave, den er offensichtlich keineswegs enthusiastisch begrüßt, wie man auch seinem Fazit – »In making no statement,

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they make one: the ultimate extension of the ›Me Decade‹« – unschwer entnehmen kann (1996d: 121f.). Simon Frith teilt den Ansatz von Savage, sein Urteil fällt jedoch wesentlich negativer aus. Während man bei Savage noch die Möglichkeit besitzt, die Beschreibungen der new romantics über weite Strecken als neutrale Feststellungen zu lesen, spart Frith nicht an deutlichen Worten. Der postmoderne Bezug auf vergangene Stilformen kommt ihm schlicht »reaktionär« und substanzlos vor, die posing-Kunst der Blitz-Abkömmlinge stellt er trotz all der klugen Assoziationen, die man mit Brooks daran knüpfen könne, den üblichen Starschnitten der kommerziellen Teenager-Magazine gleich: »The new romantics, for all their clever ideas, end up with a conventional teenybop appeal – they’ve got a detached, entrepreneurial concern to get the formulas right. Their art of posing is still defined by the middle page of Jackie [dem englischen Magazin für junge Mädchen]« (1988b: 179). Das sind harte Worte. Aus dem Munde eines seriösen Kritikers und Wissenschaftlers kommen sie einem Todesurteil gleich. Den besten Beweis für die Anfang der 80er Jahre unter einigen jüngeren Intellektuellen und Künstlern gewandelte Lage liefert darum der Umstand, dass diese Kritik von ihnen keineswegs mehr als Anlass zur Umkehr genommen, sondern im Gegenteil als Bestätigung aufgefasst wird. Der Vergleich mit Teenager-Zeitschriften, die Nähe zu den Vorlieben junger Mädchen, die Attribute des Cleveren und Formelhaften zeigen ihnen geradezu an, richtig vorzugehen, und stellen für sie darum überhaupt keinen Grund zur Sorge dar. Nur eines wollen sie sich nicht nachsagen lassen – dass ihr Vorgehen »reaktionär« sei. Die Hinwendung zu auch kommerziell erfolgreichen, modisch auffälligen, eingängigen Popformen erfolgt bei ihnen im Bewusstsein und in der Absicht, äußerst zeitgemäß und sogar politisch progressiv zu wirken. Überraschend ist diese Selbsteinschätzung nicht, weil sie von Leuten erfolgt, die im kulturellen Feld der neuen Avantgarde, die sich mit und nach der Pop-art herausgebildet hat, angesiedelt sind. Von Herausgebern der Teenie-Magazine oder den Managern der Unterhaltungs-Abteilungen großer Medienkonzerne wären solche Einschätzungen undenkbar. Die Affirmation von Pop gewinnt ihren Reiz und ihre Besonderheit nur, wenn sie von außerhalb erfolgt. Innerhalb der Segmente, die routiniert und von Berufs wegen die Charts beliefern, ist das Bekenntnis zu Pop keine Nachricht wert. Selbst die Werbung und die eng mit den Marketingabteilungen der Unterhaltungskonzerne zusammenarbeitenden Magazine setzen den Begriff »Pop« kaum als catch word ein; schon gar nicht bemühen sie Überlegungen, die den Rang von Pop kulturell oder politisch beweisen sollen. Der Begriff New Pop, unter dem die intellektuelle, mit künstlerischem und politischem Anspruch vorgenommene Affirmation von Pop Anfang der 80er Jahre in England anläuft, trägt deshalb den Akzent des Neuen vollkommen zu Recht – nicht weil es sich bei New Pop in jedem Fall um neue Ideen oder neue Stile handelte, sondern weil es die erste Initiative ist, die sich mit nachhaltigem Erfolg innerhalb der jugendlichen Gegenkultur auf die Affirmation des Oberflächlichen, Reizvollen, Künstlichen, Eingängigen verlegt, ohne zugleich wie gewohnt die Werte der Intensität und des Aggressiven äußerst hochzuhalten. Die Liste von David Thomas, in dem Abba neben Captain Beefheart steht, steigt im Zuge dessen zum Kanon auf. Die sich jetzt wie Paul Morley

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zum neuen Pop bekennen, kommen schließlich aus Reihen der Post-PunkAvantgarde; ihre Vorlieben für Gruppen wie die Raincoats, This Heat, Joy Division etc. geben sie nun keineswegs auf, sondern bemühen ihre avancierten ästhetischen und gegenkulturellen Ideen und Prinzipien auch zur Rechtfertigung des New Pop. »The ›new pop‹ should be based upon the collective irresponsibility of the Velvet Underground, M.C.5., Syd Barratt [sic], The New York Dolls and Can«, fasst Morley im Rückblick (1986: 128) pointiert zusammen, womit die im Rahmen der Rockmusikgeschichte avantgardistische Dimension des neuen Popzugriffs unmissverständlich erklärt wäre. Es geht Leuten wie Morley jedoch nicht nur etwa darum, die gängige Popmusik experimentell anzureichern. Umgekehrt müssen sich auch Gitarrenbands wie die (künstlerisch schlagend betitelten) Josef K, die u.a. Velvet Underground zu ihren Favoriten zählen, gefallen lassen, an Pop-Maßstäben gemessen zu werden. In seiner Rezension der LP The Only Fun in Town bemängelt z.B. Morley im New Musical Express »an artificial paradise totally bungled. Fun is not much at all chasing itself in dizzying circles. Somewhere between the chunky echo beat and the wound down punk bleat, through a large door and down a shady lane, in the hands of a world famous producer, lies smart and shirty and splenetic. The Josef K sound that would present their songs with class.« Weil dies im Konjunktiv bleibt, muss Morley zu einem negativen Urteil gelangen, das neben smart, class und splenetic andere New Pop-Attribute wie escapist desire als Maßstäbe präsentiert: »The precarious balance between reality and reverie is lost, lost, lost, the reduced production degenerates rather than glorifies the escapist desires and poetic fancy. Fun is subdued not sublime: an errant substitute for what could have been« (zit. n. Nice 2000: 3). Die Enttäuschung Morleys ist umso größer, als für ihn Josef K nach ihren ersten Singles zu seinen Favoriten gezählt haben. Sein Pop-Impuls ist ohnehin (in typischer Absetzung von Rock als einer Album-Kultur) von der Begeisterung für die vielen smash singles gespeist, die seiner Auffassung nach das Jahr 1980 prägen; neben den Stücken von Josef K stehen auf Morleys Liste die Singles von Orange Juice, Magazine, Dexy’s Midnight Runners, A Certain Ratio und U2 ganz oben, daneben auch Ludus, Grace Jones, Adam Ant, Bow Wow Wow, Girls At Our Best, Cristina, Cure, The B-52s, The Fall, Au Pairs (1980: 26). Ungeachtet der unterschiedlichen musikalischen Formen all dieser Gruppen meint Morley zumindest eine Gemeinsamkeit ausmachen zu können, den up-tempo pop-beat. Das ist wohl eher bildlich gemeint denn auf den Rhythmus der angeführten Singles bezogen; es zeigt jedenfalls die Richtung an, in die Morley gehen möchte. Letztlich unzufrieden ist er Ende 1980 trotzdem; nicht weil er sich schließlich eingesteht, dass viele der von ihm angeführten Gruppen noch mehr mit einem künstlerisch verhangenen New Wave- als einem New Pop-Trend zu tun haben, sondern weil die von ihm favorisierten Singles nicht in die Charts vorstoßen konnten. Morley macht dafür nicht die Musik seiner Lieblingsgruppen, sondern die Redaktionen der Radio- und Fernsehsender verantwortlich, die ihre Playlists für die neuen Gruppen nicht öffneten. Ins Visier geraten neben den traditionell uninspirierten Managern der großen Plattenfirmen auch ihre einstigen Gegner, die nun ihrerseits wichtige Plätze in den großen Unternehmen und Sendeanstalten einnehmen. Im Bereich der Jugendkultur rücken die Protago-

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nisten der 68er- und der 70er-Jahre-Alternativ-Bewegung ins Zentrum der Kritik, weil auf dem Feld nun nicht allein ihre Rockästhetik und Authentizitätspolitik, sondern auch ihre Machtstellung angegriffen werden kann. Für Morley gehören sie mittlerweile selbst dem Establishment an, gegen das sie vorgeblich protestieren; ihr Verrat offenbart sich ihm daran, dass den neuen Gruppen kein medialer Raum zugestanden wird: »Perhaps the hippies in the establishment are so deeply rooted and so widespread they can dissipate this mood, like they did all the others. They have control. Perhaps it’ll stop at Adam, Stray Cats, Spandau, Bow Wow Wow … pinched before it’s had a chance to explode.« So weit, so bekannt. Morley bringt aber noch ein weiteres, neues Argument vor. Für den desolaten Zustand der gegenwärtigen Hitlisten macht er ebenfalls die Selbstgenügsamkeit der Post-Punk-Alternativszene verantwortlich, die aus seiner Sicht den neuen Underground und ihre Distributoren beherrscht, der viele der von ihm geschätzten Bands angehören: »While the pop charts have been smoothed down, and have become harder to penetrate, at the other extreme the new underground has settled in place. A stern circuit of protest and featureless tenacity.« Unabhängige Plattenfirmen, alternative Distributionswege und Charts, in denen die auf dem Wege hergestellten und verkauften Platten versammelt und ausgezählt werden, seien zwar fraglos wichtig; Morley hält aber die Gefahr für sehr groß, dass sie einer bescheidenen Nischenexistenz Vorschub leisten: »The establishment of the alternative charts is important – it reveals there is a demand for musics that are not pitilessly churned out by the record industry, that realms of imagination and innovation exists in new rock – but it has given groups a false sense of security, a low sight to aim for. Alternative charts have helped the new underground cement. They have become an end, not a beginning« (ebd.: 28). Konsequenterweise ruft Morley im New Musical Express dazu auf, diese geschlossene Welt, dieses Reservat des Undergrounds zu verlassen. Gleich an den Beginn seines Artikels aus dem Dezember 1980, der sich in wichtigen Partien um die Gruppe ABC dreht, setzt er den emphatisch vorgetragenen Anspruch der Band, mit ihren Singles in die Top Ten vorzustoßen (ebd.: 26). Im weiteren Verlauf des Artikels lässt es sich Morley natürlich nicht nehmen, im Leitartikel- bzw. Manifest-Stil das Erfolgsverlangen der Gruppe zu wiederholen und ideologisch auszukleiden, an dessen Beginn sich wie üblich Zuversicht und Abgrenzungsbemühungen überschneiden: »there is definitely a new mood spreading: not something that gives in to crass commercialism. A mood that picks up and re-models the dreams and themes of the original punk groups, that opposes the uselessness of starring in the alternative charts in these days of Easton, Waterman and Streisand that aims to blast through into people’s consciousness. Teenagers who are picking up on pop for the first time should have a fresh, changing choice not a stiff handed-down one. The rock jumble sale, those seventh hand emotions, those worn out tricks, those cracked egos. The mood is there. From Bow Wow Wow to Orange Juice, U2 to A.B.C. Change of images. Toward an overground brightness, fighting for the right to bring life back to radio, to make the single count, to be let through to their natural audience. Modern excitement. As A.B.C., now as neo. ›Vote with your feet.‹ Smash the Radio One dictatorship. ›Democratic dance music!‹« (Ebd.: 28)

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Wie die neopopulistischen Slogans am Ende des Absatzes deutlich anzeigen, gewinnt Morleys Argumentation im Laufe des Artikels eine neue Dimension. Jetzt geht es offensichtlich nicht mehr nur darum, der älteren Alternativbewegung und dem neuen Underground vorzuwerfen, sie würden den aktuell vielversprechenden Gruppen den Weg in die Charts aus Borniertheit oder falscher Selbstgenügsamkeit verbauen. Die kurzen Ausrufe Morleys weisen nun in eine andere Richtung; die Begriffe overground brightness, modern excitement, democratic dance music lassen keinerlei Zweifel an Morleys speziellen musikalischen und stilistischen Vorstellungen. Im Lichte von Morleys Abneigung gegen den alternativ verstandenen Rock und gegen die seiner Meinung nach längst gewöhnlich gewordenen Protestgesten des Undergrounds erscheinen seine Postulate zwar einigermaßen folgerichtig. Überraschend kommen sie trotzdem daher, weil Morleys an den Beginn des Artikels gestellte Liste seiner Favoriten die nun präsentierte Stoßrichtung nicht zwingend verrät. The Fall, Magazine, A Certain Ratio, Ludus u.a. wird man gemeinhin nicht mit den Attributen overground brightness und democratic dance music belegen. Andererseits behalten die Verweise insofern ihren Wert, als Morley erklärtermaßen den von ihm gewünschten overground nicht einfach auf den vorderen Plätzen der gegenwärtigen Charts vorfindet. New Pop soll sich nach seinem Willen von den banalen Produkten der Kulturindustrie unterscheiden, soll sogar irgendwie mit den Themen und Hoffnungen der Punk-Bewegung in Verbindung bleiben. Anhalt bekommt die Konzeption durch die Ausführungen von ABC: »We adapt clarity and distortion, melody and dissonance, adrenalin, dance and momentum«, deklamieren sie und bringen damit die mögliche Kombination von Pop und Avantgarde, von Einfachheit und Verfremdung, Harmonie und Verzerrung, zum Ausdruck. Wie bereits seit den Tagen von No Wave und anderen künstlerisch und avantgardistisch ausgeprägten Post-Punk-Strömungen üblich, setzen sie auf ihre Favoritenlisten Namen aus Bereichen, die sonst fein säuberlich auseinandergehalten werden, vollkommen im Wissen darum, dadurch eine originelle, ungewöhnliche Position zu beziehen. »We were getting lots of weird letters asking us what kind of electronic music we liked, and they were shocked by the types of music we liked: Throbbing Gristle to T. Rex and Chic«, berichten ABC erfreut: »Just because we played electronic music didn’t mean we had to agree with everything everyone else did with electronic music.« Deshalb grenzen sie sich zusätzlich noch von der Blitz-Szene ab, obwohl sie sich mit T. Rex und Chic in zwei Bereichen, Glam und Disco, verorten, die nicht fern von deren Bezugspunkten liegen. Doch immer noch nicht genug des Spiels der Abgrenzungen, das offenkundig den Stil der Gruppe prägt: Gegen den Rock ’n’ Roll setzen sie den Northern Soul, was sich wiederum mit Chic nicht sonderlich gut verträgt, dafür aber mit dem Bekenntnis zu Aufregung und Leidenschaftlichkeit, das sie vortragen, um sich zum einen von der minimalen ElektroDisco (»We remain anti-cybermen, anti-digitalsterile, anti-docile mannequins«) und von der postmodern distanzierten Ironie abzusetzen. Mit den Worten Martin Frys, des Sängers der Gruppe: »I want the music to be more sex, more exertion on the part of both parties – player and listener. The death of post-modernism, that dreary attitude« (ebd.: 28, 26). Morley übernimmt die Selbstbeschreibung von ABC komplett in sein eigenes Programm: »A.B.C. leave behind the futurist / elitism circus […] and

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its artificial compendium and numerous trap doors and create explicable, explicit glossy now-funk noise. A beautifully formed new form«, überträgt Morley die Idee einer Kombination von Avantgarde (noise) und aufregender, zeitgemäßer Hitparaden- und Tanzmusik (glossy now-funk) auf das Beispiel ABC. Bliebe es allein bei diesem Konzept, würde man wohl keine große Mühe haben, es mit jeweils anderen Anteilen und Mischformen auf die PostPunk-Gruppen aus Morleys Liste auszuweiten. Morley zieht es jedoch mit ABC noch in eine andere Richtung, die sich nicht so leicht oder manchmal gar nicht mit manchen Gruppen aus seinem ursprünglichen Kanon vereinbaren lässt. Verhindert wird das durch die angestrebte overground brightness, die Morley noch stärker als auf die Musik auf den Look und das Auftreten der von ihm gewünschten Gruppen bezieht und die er in scharfem Kontrast zum Grau der Post-Punk-Bands sieht. »Words like ›artistic integrity‹ are meaningless these days … it’s got to be colour, dance, excitement«, liefern ABC erneut eine ideologisch hoch verdichtete Vorlage, die Morley gerne aufgreift. »A.B.C. are not ashamed or scared of the word, the suggestion, ›pop‹«, weiß Morley seinen Lesern zu berichten, denen er mit ihrem New Wave- und PostPunk-Geschmack offenkundig noch nicht zutraut, dass sie dem traditionellen Kunstanspruch bereits so weit abgesagt haben, sich bedenkenlos der PopOberflächlichkeit hinzugeben, die er aber wohl als avantgardistisch und abgrenzungswillig genug einstuft, auch diese Volte mitzumachen. Morley selbst jedenfalls hat dabei keine Bedenken, er setzt das Wort nicht länger in Anführungszeichen, sondern stellt es in den Mittelpunkt seines Lobs des auffälligen, bunten Stils. Die pop sensibility von ABC verkörpert für ihn ganz programmatisch »the subtleties and sensationalism of pop: A.B.C. want to impress with exhilarating style. They know that image – discreet or romantic – is all important. A.B.C. are fans, they intuitively understand the pop images and pop moods that turn us on. The metaphysical attractions« (ebd.: 28). In diesem entscheidenden Absatz verzichtet Morley sogar auf den Vorsatz new. Tatsächlich klingt sein Aufruf auch gar nicht neu, sondern schlägt mit der Berufung auf Sensation, Stil, Image gut vertraute Themen der Rede über Pop an. Den Rückbezug lässt er an einer Stelle sogar selbst anklingen, als er von einem »renovating return to an emphasis on style, on colour, to the tantalizing discipline of the active, loquacious three to four-minute song« spricht. Dennoch ist das Wort vom new pop nicht unangemessen. Zum einen weil Morley seine pop vision in einem breiten Spektrum an Bands von den Stray Cats bis Cabaret Voltaire ansiedelt und den Pop-Kanon dadurch erheblich verbreitert (ebd.: 27). Zum anderen lässt sich der Anspruch des Neuen sogar aufrechterhalten, wenn man, wie Morley in vielen Passagen seines Artikels, in einem wesentlich engeren Sinne den Vorrang des bunten, abwechslungsreichen, Aufsehen erregenden Stils und Images betont. Neu ist das in einem ganz speziellen Sinne – neu ist das innerhalb des Zweigs der Rockmusikpresse und der Post-Punk-Szene, für die Morley schreibt. Innerhalb des Pop-Geschäfts sind Morleys Ausführungen natürlich überhaupt keine Neuigkeiten, sondern tägliche Arbeitsgrundlage. Die Bedeutung und den Rang solcher Prinzipien offensiv zu propagieren – und das innerhalb eines kulturellen Felds, in dem noch überwiegend Werte des Anti-Kommerziellen, latent Tiefsinnigen, Erhabenen, Häßlichen, Energetisch-Intensiven vertreten werden – darf allerdings neu genannt werden.

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Ein derartiger Verstoß ist mit einem hohen Risiko verbunden. Zum Ausgleich jedoch winken im Erfolgsfalle erhebliche Belohnungen. Die große Chance besteht darin, mit zu den Ersten zu gehören, die eine neue Richtung vorgeben; wenn man Gehör findet, wird man folglich den Geschmack und die Wahrnehmungsweise vieler anderer bestimmen. Ganz unvorbereitet und unmittelbar kann sich solch ein Erfolg allerdings schwerlich einstellen, es bedarf zumindest einiger Anknüpfungspunkte. Im Falle des New PopVorstoßes sind sie zweifellos gegeben, deshalb stellt Morleys und ABCs kühne Ästhetik keinen vollkommenen Gewaltakt dar. Erstens gibt es eine regelrechte Tradition entsprechender Pop-art-Theorien und -Verfahren, zweitens kann man auf die Cultural-Studies-Überlegungen zum subversiven Stil zurückgreifen – und vor allem (drittens) herrscht bereits seit einigen Jahren in Punk- und New Wave-Kreisen bekanntermaßen eine entschieden antinatürliche Stoßrichtung vor. Morley selbst baut zudem Vorsichtsmaßnahmen ein, die anzeigen, dass nicht einfach die Alternativ- und Underground-Szene mit all ihren Ansprüchen zugunsten von Pop aufgegeben werden soll. Zu Beginn macht er deutlich, dass ihm die aktuellen Popcharts zutiefst missfallen und er stattdessen dort Gruppen sehen möchte, die wenigstens zum Teil den künstlerischavantgardistischen Maßstäben einiger Post-Punk-Richtungen genügen. Vor allem gibt er anschließend seine Pop-Maximen keineswegs als Bestandteil des üblichen Unterhaltungsgeschäfts aus, sondern erhebt sie in den Rang wichtiger ästhetischer und politischer Grundsätze. Den angestrebten ChartsErfolg mittels auffälliger Images und Stilprägungen verbindet er apodiktisch mit demokratischen Prinzipien – und setzt zum anderen die im geglückten Falle erzeugten pop images ausgerechnet mit metaphysical attractions gleich. Als ein angenehmes Vergnügen, als narzisstisches, Freude bereitendes Modebewusstsein, als hedonistische Abwechslung oder erotischer Anreiz kann die Pop-Ausrichtung hier offenkundig nicht ausgegeben werden; es bedarf einiger anspruchsvoller Drehungen und Überhöhungen, um die bunte Oberflächlichkeit und die eingängigen Rhythmen und Melodien im Rahmen der Post-Punk-Szene legitimieren und anpreisen zu können. Neu am New Pop sind vor allem diese theoretischen Einkleidungen; relativ neu zumindest, weil man sie seit Ende der 60er Jahre kaum mehr gehört hat und sie sich nun sogar wesentlich eindeutiger durchsetzen können. Viel beachtet werden vor allem die Einschätzungen des Kopfs der Gruppe Scritti Politti, Green Gartside, der (teilweise im Verbund mit dem NMEJournalisten Ian Penman) eine Pop-Theorie propagiert, die viel raffinierter ansetzt als die Morleys. Gartside versucht die Popmusik hochzuwerten, indem er Pop als gegenkulturelle Kraft ausgibt. Dafür verabschiedet er die BigP-Politics und damit auch die üblichen Formen des sloganhaften Protestsongs, er verabschiedet sich aber gleichfalls von der energetischen Aggressivität des Punk und von jener avantgardistischen Politik der Form, die in freien Klängen einen anarchistisch-libertären Beweggrund sieht. »Warum sollte man atonale Musik für politischer als Popmusik halten«, fragt Gartside rhetorisch. Seine Antwort ist eindeutig, wie Bob Dylan knappe zwei Jahrzehnte vor ihm verweist er auf den »großen Moment«, etwa die Staples Singers in einem geglückten Augenblick zu erleben, und leitet davon die eminente »Bedeutung des Pop« auf »mikro-politischem oder psycho-politischem Gebiet« ab.

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Politisch bedeutsam erscheinen Gartside auch die eigenen Songs; hier legt er den Akzent wiederum auf die Mikro-Politik; im Gegensatz zu den Ausführungen, die der ermächtigenden Wirkung der Staples Singers gewidmet sind, stellen seine Begründungen jetzt aber viel stärker den Zug moderner Verfremdung heraus. »Ich könnte gar keinen Song schreiben, der selbst in seinen poppigsten Momenten nicht enthüllen, in Frage stellen, korrumpieren und untergraben würde. Und was der Text nicht erreicht, machen die Rhythmen selbst«, glaubt Gartside, der nach der Mikro-Politik somit ein zweites wichtiges Anliegen des französischen Poststrukturalismus, die Dekonstruktion, plakativ als Pop-Bestandteil ausgibt (zit. n. Denselow 1982: 13). Der Berichterstatter, dem Gartside diese ebenso entschiedenen wie spekulativen Äußerungen diktiert, schließt sich den Urteilen an, nicht nur in Bezug auf Musik und Songtexte. Scritti Politti verfügten auch über die »elegantesten, subversivsten Cover«, heißt es im weiteren Artikeltext, beide Singlescover seien »geistreich an Symbole menschlichen Luxus’ angelehnt, ›Sweetest Girl‹ an Dunhill, ›Faithless‹ an Eau Sauvage« (ebd.: 14). Was daran subversiv sein soll, Motive des Designs und Layouts von Luxusmarken zu übernehmen, wird zwar im Artikel selbst nicht näher ausgeführt, man kann es jedoch in vielen anderen Artikeln, die im Jahr 1982 erscheinen, leicht nachlesen. Im Hamburger Sounds, in dem Diedrich Diederichsen als Redakteur nun dafür sorgt, dass die englischen Popideen rasch in deutscher Sprache nachbuchstabiert werden, ist der Begründungszusammenhang im Juni ’82 bereits so vertraut, dass »Subversion« einfach kürzelhaft mit »Strategie der Affirmation« zusammengebunden wird (Diederichsen 1982a: 42; vgl. Hinz 1998: 197ff.). Subversiv erscheint den neuen Pop-Apologeten ihr Stil offenbar nicht allein im Hinblick auf die diversen Ausformungen der Alternativszene, sondern gleichfalls im großen politischen Rahmen. »Politik ist nicht Protest«, lautet die entsprechende Kurzform in einer Rezension zu Scritti Polittis LP Songs To Remember, mit der die Hinwendung zu einer vorgeblich verwirrenden, sinnzerstörerisch subversiven Mikro-Politik der hedonistischen Pop-, Modeund Luxus-Affirmation begründet wird. Dem Tiefsinn, der hergebrachten Sozialkritik und der Melancholie wird unter Verweis auf die englischen Vorbilder Morley und Penman auch von deutschen Pop-Ideologen im Namen »neuer Freiheiten« beim »Arbeiten mit Stil, Bild, Image« abgesagt (Diederichsen 1982a: 40). Ein Schwerpunkt dieser Verfahrensweise wird mit Blick auf die Praxis vieler englischer Bands des Jahres 1982 wiederum knapp und prägnant durch die Formeln »es gibt keine Originale« und »Zitierkunst« auf den Punkt gebracht und in der Tradition links-avantgardistischer Kritik an Werk- und Schöpfermythen uneingeschränkt begrüßt. Scritti Polittis Green Gartside, dem Adressaten solcher Formeln, gilt folgerichtig das Lob, er habe sich nach den Anfängen der Band als »Soft Machine-verwandte Punk-Gruppe« auf glückliche Weise zum »kundigen Pop-Bastler« entwickelt (Diederichsen 1982b: 56). Wer jetzt aber in den näheren Ausführungen und Begründungen des äußerst positiven Urteils die Beschreibung musikalischer Entsprechungen zu den eleganten Zitaten und ungewöhnlichen, evtl. verwirrenden Neurahmungen der luxuriösen Cover erwartet, sieht sich getäuscht. In der SoundsRezension dominieren nicht Marken-, sondern Philosophennamen. Diede-

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richsen preist Gartside als einen »Mann, der weiß, dass die Revolution eher von den Staples Singers als den Gang of Four gemacht« werde, und zudem um die »Lust des Derrida-Lesens« wisse. Die Lektüre hat offensichtlich Wirkung hinterlassen, nicht allein bei Green Gartside. Gartside verfertige aus Nietzsche-Anekdoten einen »aufgeweckten, leichtfüßigen Pop-Song«, er nähere sich »mit Lovers-Rock-Stimme zu ausgeschlafener Reggae-Musik via Semiologie dem Percy Sledge-Satz ›When a Man Loves a Woman‹« und lasse »übermütig lange einen Kontrabassisten Charlie Mingus zitieren«, begeistert sich Diederichsen. Besonders angetan hat es ihm zuletzt, wie Gartside den Vorwurf kontert, er messe eingängigen Popsongs wie denen von Haircut 100 – die ältere Kollegen Diederichsens im Übrigen in abwertender Absicht mit den Stücken Abbas vergleichen –, viel zu viel Bedeutung bei: Zu allergrößtem Beifall veranlasst Diederichsen Gartsides Replik, »in einem Haircut 100-Song sei eben mehr angelegt, als Haircut 100 selbst beabsichtigt hätten« (ebd.). Bei näherem Hinsehen stellt sich der propagierte Pop-Stil, die neue PopSubversion demnach als wesentlich weniger ungewöhnlich heraus, als es die vehementen Absagen an Sinn-Unterstellungen und -Zumutungen vermuten ließen. Der Rückgriff auf intellektuelle Einordnungen und Referenzen verleiht dem Ganzen traditionelle, bildungsbürgerliche Stabilität, selbst wenn es sich bei den angeführten Philosophen um Autoren handelt, die der Hermeneutik und der Behauptung einer festen Moral ablehnend gegenüberstehen. Die Sicherheit, in den Stücken mehr an Bedeutung zu erkennen als die PopGruppen selbst, stützt den Begründungszusammenhang zusätzlich auf eine Weise ab, die nur für einen ausgesuchten Kreis von Intellektuellen etwas mit einer hedonistischen Hingabe an zerstreuende oder stilistisch auffällig verdichtete Pop-Momente zu tun haben kann. Geschmackssoziologisch führt der Hinweis auf das Mingus-Zitat in die gleiche Richtung. Mit dem modernen Jazzbassisten Mingus verlässt man sofort wieder den Pop-Bereich und kommt in der Welt des zeitgenössischen Geschmacks an, in dem jüngere Kräfte den bildungsbürgerlichen, klassischen Kanon um experimentelle Kunstwerke erweitern, die zum Teil sogar Genres entstammen, die einstmals der populären Kultur zugerechnet wurden oder aktuelle Überschneidungen mit ihnen aufweisen. All die hierfür längst üblichen Gruppen und Künstler stehen auch bei Morley, Diederichsen u.a. weiterhin hoch im Kurs, Velvet Underground, Syd Barrett, Ornette Coleman etc. 1982 bespricht etwa Diedrich Diederichsen in seinen Artikeln, Singles-Kolumnen und Schallplattenrezensionen positiv Neuerscheinungen von Throbbing Gristle, Laurie Anderson, Lora Logic, Rip, Rig & Panic, Red Crayola, James Blood Ulmer, John Cale, Nico, Die Haut, Malaria usf. (zu den LPs s. Diederichsen 1989), also die ungefähren Entsprechungen innerhalb der Pop- und Rock-Avantgarde zu denen der Jazz- und Underground-Szene der 60er Jahre. Vertraut wirkt ebenfalls der Pluralismus im Sinne eines avanciert modernen, ästhetisch progressiven, gegenkulturell gedachten Kanons. An der Liste Adrian Henris aus der Mitte der 60er Jahre, auf der neben Paul McCartney Gustav Mahler, John Coltrane, Charlie Mingus, Claude Debussy, Mick Jagger, Miles Davis, Thelonious Monk hoch rangieren, hat sich knapp zwanzig Jahre später kaum etwas geändert, auch wenn McCartney wegen seiner späteren Unternehmungen an Renommee verloren hat und Mahler und Debussy

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nicht mehr als Referenzpunkte herangezogen werden (wohl aber mitunter nun die zeitgenössischeren Vertreter Stockhausen und Varése). Eins ist jedoch neu. Bei Henri sucht man (bezeichnenderweise trotz seiner Verbeugung vor Warhol) vergeblich Hinweise auf die Supremes oder die Shangri-Las. Das ändert sich jetzt, Anfang der 80er Jahre. Die Änderung betrifft keineswegs allein historische Gruppen, dies macht sie umso einschneidender. Der avanciert moderne, intellektuelle Kanon wird noch einmal deutlich ausgeweitet, indem alle Gruppen aufgenommen werden, die dem PopHedonismus verpflichtet scheinen, die »aufgeweckte, leichtfüßige PopSongs« machen. Zu Charles Mingus und Velvet Underground treten darum nicht nur, um beim Beispiel Diederichsen zu bleiben, die Supremes (»wichtiger als Goethe«) und Martha and the Vandellas (1983a: 14), sondern ebenfalls ganz aktuell ABC, Haircut 100, Spandau Ballet, Mari Wilson etc. An ABC gefällt Diederichsen recht gut der »leidenschaftliche Schulbuben-Soul« (1982c), an Haircut 100 sehr gut der freie, überhaupt nicht verantwortungsvolle Umgang mit »sonstwem und sonstwo gehörigem Material« (1982a: 42). Spandau Ballets Chant No. 1 zeigt für ihn gar auf »zeitlose, großartige« Weise die »ungestüme Bejahung von Lust und Nachtleben im Herzen der Widersprüche und ihrer bewußt (›I know this feeling is a lie‹): realistischer Hedonismus, die Ausgehhymne« (1982d). Mari Wilsons Single Here’s Mari Wilson feiert er in höchsten Tönen; Beat the Beat sei eine »Beach Boys-inspirierte, barocke Operette«, Glamourpuss schwelge in »raffiniertester Barjazz-Nostalgie« (Diederichsen 1982e: 30). Dass die euphorische Bejahung von Lust und Pop-Hedonismus noch um das Wissen ihrer eingeschränkten, trügerischen Bedeutung ergänzt wird, zeigt allerdings erneut die Position an, von der aus solche Urteile ergehen. Die Pop-Affirmatoren im Geiste des Post-Punk und/oder der Avantgarde stellen sich nicht rein auf die Pop-Seite. Wie in ihrem Kanon immer Abba und Haircut 100 neben Captain Beefheart, Throbbing Gristle oder Josef K stehen, so setzen sich ihre Einschätzungen und Wertbegründungen ebenfalls gerne aus sehr unterschiedlichen Elementen zusammen – dann bleibt die Beschreibung, es handle sich um einen eingängigen Pop-Song, nicht für sich stehen, sondern wird mit Behauptungen zu »Semiologie« und »Revolution« gepaart. In ihrer Urteilsweise verfahren diese intellektuellen Pop-Anhänger postmodern im Sinne Fiedlers; ihre Ausführungen schließen die Lücke zwischen den Maßstäben der Teenie-Magazine und denen des avancierten Feuilletons. Manchmal findet man die postmoderne Ausrichtung auch in ihrem Musikgeschmack, wenn sie Gruppen hervorheben, die sich um eine Verbindung von legitimerer Kultur und Pop-Appeal bemühen, um eine Travestie von Formen höherer Kultur oder um ein camping von Pop-Genres; neben den bereits erwähnten B-52s sind die Lounge Lizards und Kid Creole in der New Yorker Szene (auch von Mitarbeitern an Warhols Zeitschrift Interview äußerst positiv gehandelte) prominente Beispiele, in England wären etwa noch die Associates zu nennen. Die postmoderne Ausweitung von Pop führt Diederichsen ebenfalls an einem historischen Beispiel vor. Er wendet sich entschieden gegen eine Wiederaufnahme des alten Prinzips des Pop-Populismus à la Nik Cohn, der die einfache, durchschlagende Popmusik vor artifiziellen, künstlerischen Anteilen bewahren möchte. Gerade für gelungene Überdehnungen und Überformungen des Direkten und unmittelbar Eingängigen reserviert Diederichsen

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nun den Pop-Begriff, wie er mit Rückgriff auf die Beach Boys anschaulich macht; deren beste Zeit sei nicht mit Pet Sounds vorbei gewesen, wie bereits Cohn fälschlich angenommen habe. »Das Gegenteil ist wahr«, dekretiert Diederichsen Mitte 1982, »ihre besten Werke kamen erst mit Pet Sounds, Smiley Smile, Friends, 20/20 etc. Und zwar nicht im Sinne von großer Kunst, Mord an Pop-Tugenden etc., sondern im wahrsten Pop-Sinne: überdreht, großzügig, launisch, frech und subversiv« (1982f). »Im weitesten Sinne« erkennt Diederichsen Pop sogar unter exklusivem Verweis auf »Bertolt Brecht, Free Jazz am Anfang, Gesang in drei Minuten, Jazz der 40er« durch »Momente der Kunst ohne Mühseligkeit, Epiphanien« bestimmt; im engeren definitorischen Sinne schließt er an seine Beach BoysMerkmalsliste an, um als »typisch Pop« das »wagemutige, großspurige Anhäufen großer Themen auf netten Melodien« sowie die »Unvereinbares vereinende, historisch-kulturelle Momentaufnahme« auszugeben (1982g: 93). Zu der postmodernen Vermischung passt gut zusätzlich, dass die »netten Melodien« auch noch mit einem starken politischen Anspruch aufgeladen werden. Weil die kulturindustriellen Produkte nicht mehr nach dem Muster der Konformität, sondern nach dem der segmentierten Differenz produziert würden, verfehle die nonkonformistische Attitüde der Alternativbewegung mittlerweile gänzlich ihr Ziel; im Umkehrschluss erhebt Diederichsen darum Songs wie die von Abba überaus emphatisch zu einer nun »vom Gegner nicht lokalisierbaren Bastion ästhetischer Kriegsführung« (ebd.: 96). Postmodern argumentiert die neue intellektuell-dissidente Pop-Fraktion aber auch im Sinne von Charles Jencks’ Bastelei mit historischen, vorgefundenen Elementen. Das konnte man bereits an Diederichsens Feier von Mari Wilsons »Beach Boys-inspirierter, barocker Operette« und »raffiniertester Barjazz-Nostalgie« erkennen. Die Gründe für solche Einschätzungen sind nicht allein in der vertrauten links-modernistischen Gegnerschaft zu bildungsbürgerlichen Originalitäts- und Echtheitsansprüchen zu finden; hinzu kommt noch das etwas weniger gut eingeführte, gleichwohl seit den 60er Jahren einigermaßen bekannte Pop-Prinzip der Kunst-Welt und Großen Manipulation. Diederichsen bezieht sich allerdings nicht z.B. auf Archigram, sondern auf Fèlix Guattaris Forderung nach einer »molekularen Revolution«, die darin bestünde, in einer »völlig künstlichen Art« ein »Modell vom Mann, von der Frau«, von Subjektivitäten und »Wunschobjekten« zu konstruieren (Guattari 1978: 71). Die beliebige Zitation von historischen Modellen erscheint Diederichsen in einem dritten Begründungsversuch deshalb so wertvoll, weil dadurch deutlich wird, dass solche angenommenen Identitäten auf keinen Ursprung, auf keinen zugrunde liegenden Sinn zurückgehen. Der Affirmation von »Oberfläche«, »Schein«, »Mode« (als »Spiel ohne Referenz«), frei flottierenden Zeichen und »Instant-Identitäten« kann Diederichsen einen politisch-anarchistischen Sinn verleihen, weil er annimmt, dass die Legitimation der (gegenwärtigen) Herrschaft auf der Behauptung fester, tiefer Bedeutungen und Wesenheiten basiere. Den postmodernen Stücken (»Musik über Musik«) und dem Image etwa einer Mari Wilson (»Plädoyer für die Inszenierung von Pubertät«) kommt darum nicht allein höchstes ästhetisches, sondern erneut auch politisch-subversives Lob zu (1983b: 188, 178ff.). Entzogen wird die Wertschätzung aber sofort wieder, wenn der Eindruck entsteht, dass die subversive Kraft solcher Oberflächlichkeit, Künstlichkeit und/oder strategisch eingesetzten Konformität verbraucht sei. Einen Hinweis

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darauf geben bereits frühzeitig ABC, als sie das postmoderne Zitat mit der Geste ironischer, leidenschaftsloser Distanz gleichsetzen (s. als Beleg etwa Rosso/Eco 1991: 243) und deswegen ablehnen – was sie allerdings keineswegs davon abhält, in rascher Folge unterschiedliche historische Stilkostüme mit Verve abzuwechseln. Diederichsen selbst kann mitunter sogar 1982 seine eigenen Postulate sinn- und beziehungsloser Mode in einem Maße vergessen, dass die Pop-Affirmation durch eine herkömmliche linke Kulturkritik zumindest zur Hälfte eingeholt wird, etwa wenn er gegen die »mit Funk und (!) großer Politik« flirtenden Heaven 17 deren Vorgängergruppe Human League um den »Modepopper« Phil Oakey scharf negativ absetzt. Im gleichen Zusammenhang bekommen auch die Treffpunkte solch gestylter, junger »erzblöder, aber hübscher Menschen« bloß zugestanden, »in Ansätzen reizvoll« zu sein. Was im Rahmen einer Abgrenzung von der Alternativbewegung und von herrschenden Sinnzumutungen noch euphorisch präsentiert worden wäre, verliert im Lichte der weitreichenden politischen Subversionsziele schnell an Strahlkraft: »Urlaub von Argumenten und hektischer Sinnstiftung, billige Badeferien im polierten Land des Nichts, der Nichtse, der perlenden Schaumkronen des Spätkapitalismus. Hübsch, dumm und morgen vergessen, wem will man das übel nehmen?«, heißt es dann lediglich gönnerhaft (Diederichsen 1982h: 33). Bei anderen Pop-Affirmatoren fällt der Intelligenz- und Gesinnungstest jedoch bedeutend weniger streng aus. Die Pop-Ausrichtung ist bei ihnen geradezu dadurch definiert, dass sie auf ihn bewusst verzichten. Dabei handelt es sich nicht um eine intellektuelle Selbstverleugnung, wie man bereits an der Art und Weise der Formulierungen und des Begründungszusammenhangs erkennen kann, sondern um eine moderne Mischung aus Ästhetizismus, Avantgardismus und Hedonismus, die nun auch außerhalb des Pop-art-Rahmens Pop-Phänomene in den Mittelpunkt positiver Wertschätzung rückt. Der von Warhol und Wolfe stark beeinflusste Peter York zieht seinen Ehrgeiz in hohem Maße daraus, die anderen, im Namen der Subversion antretenden Kollegen innerhalb des avancierten Musik- und Zeitgeistjournalismus sowie die Pop-Intellektuellen aus Reihen der Cultural Studies und der Kunsthochschulen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Wie sie geht York in Großbritannien ebenfalls von der eminenten Bedeutung des Stils aus, er sieht darin aber kein (mikro-)politisches Projekt, sondern eine Konsequenz jener Entwicklung, die von der Betonung der handwerklichen Funktionalität von Gütern wegführt zur Akzentuierung ihres Designs und den damit verbundenen semantischen Aufladungen, eine Entwicklung, die sich dem technologischen Fortschritt und der allgemein gestiegenen Kaufkraft innerhalb der westlichen Welt verdankt. Neben der zunehmenden liberalen Verfasstheit dieser Gesellschaften sowie ihrer nach wie vor bestehenden starken Schichtenunterschiede trägt zu der großen Bedeutung voneinander beträchtlich abweichender oder binnendifferenzierter Stile nach dieser Auffassung einfach die Lösung von dem (vermeintlich) elementaren Gebrauchswert der Produkte bei. Wenn Jacken für den überwiegenden Teil der Bevölkerung nicht lediglich den Zweck erfüllen zu wärmen, Esswaren nicht bloß der Sättigung dienen usf., dann nimmt die Herrschaft des Stils einen demokratisch verbreiteten Zug an. Modischer Verschleiß und stilistische Differenzierung würden zudem vom kapitalistisch entfesselten unternehmerischen Profitstreben befördert, weil sie für eine be-

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trächtlich erhöhte Konsumtion sorgen sollen. York stellt darum nicht den von der Normalität abweichenden, womöglich subversiv wirkenden, antagonistischen Stil in den Mittelpunkt seiner Überlegungen, sondern präsentiert ein gesamtes Stil-Panorama, innerhalb dessen verschiedene lifestyle trends nebeneinander existieren. Aus Yorks Sicht hat gerade die Alternativbewegung ganz gegen ihre erklärte Absicht für eine solche Differenzierung und Verfeinerung gesorgt: »The whole participative, fragmented, self-expressive set of post-hippie movements created the greatest marketing opportunities ever«, schreibt York zugespitzt in Style Wars. Die Pointe für die Pop-Debatte liegt darin, dass er diese Einschätzung auch für die Gruppen und Szenen aufrechterhält, die sich mit Punk und New Wave zumindest von den Stilen der Alternativbewegung trennen. »Style fragmentation followed mass youth fashion in a sophisticated society«, benennt York (1983i: 11f.) das Gesetz, das für ihn auch die neue Pop-Bewegung erklärt. In den englischen Gruppen des neuen Pop (neben Adam Ant, Human League, Spandau Ballet und ABC kommen mit teilweise noch größerem Erfolg – besonders in Amerika – ab 1982 Culture Club, Duran Duran und Wham! hinzu) sieht York darum einen Trend, der zumindest in einer Hinsicht nicht vorübergehend ist. Eine größere Allgemeinheit darf der neue Pop insofern beanspruchen, als er den Stil- und Imagecharakter offensiv und mit postmodern ausgeweitetem Zugriff ins Zentrum rückt. Innerhalb kürzester Zeit, bilanziert York, habe sich dadurch seit 1980 nicht nur eine neue Szene entwickelt, sondern ebenfalls ein neues Medienformat: »In two years a new scene developed which was … ten scenes, twenty scenes, you could go through twenty-five years in a week like some great multi-tracking video, or a lot of last ›Late Late Shows‹. And ›pop‹ – the English sixties idea of mass popular music for the tinies – went through an astonishing revival based almost entirely on visuals. To the world English art now is the pop promo video, it’s the golden age of the promo video. London is the world capital of picturesto-music, pictures selling music, network TV shows presenting nineteen-year-old stylists to nine-year-olds, all the stuff that was cooking up down the clubs three years ago, pumped straight out in the TV networks in this tight little island. Every week millions of kids watch the Everyday Surreal on pop video promos on Top of the Pops – the English network TV pop show – and take in more advanced tuition in Avant Styling than in a year of Manhattan Cable TV’s freak hours. The abiding image of eighties Britain is still Adam Ant – 1981 No.1 record seller – in eighteenth-century costume and make-up wearing a Sony Walkman in a promo video designed for the under-twelves.« (York 1984a: 81)

Zur Pop-Fraktion gehört York, weil er diese Angaben und Zahlen ohne jedes Lamento vorträgt. Seine positive Haltung zu dem präsentierten Vorrang des Looks und postmodernen Pop-Stils kann man unschwer daran erkennen, dass er zwischen den gegenwärtigen Favoriten der Teenager und den vergangenen Eckpunkten eines teilweise oder mitunter sogar überwiegend avantgardistischen Pop-Geschmacks – David Bowie, Roxy Music, Kraftwerk, New Romantics – ein Kontinuum sieht. Ganz im Gegensatz zu den Anhängern des Stil/Subversions-Modells hängt bei York das Pop-Interesse auch nicht an dem Nachweis, dass es sich beim New Pop um eine mikropolitisch wirksame und im gegebenen Moment angemessene Strategie des Widerstands durch

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Affirmation oder Verfremdung bzw. Neukontextualisierung handle. »These outfits weren’t a statement, didn’t say how the kids felt about Life or any big stuff. It’s dressing up that’s the statement, caring about clothes, that’s the thing«, wehrt York mit aller Macht sozialpsychologische Erklärungsmuster ab, um sich aber im gleichen Atemzug ebenso gegen Ansichten und Hoffnungen à la Hebdige zu richten: »It isn’t symbolic, artistic, expressive of a big idea or anything conceptual like that«. Selbst die Punks reiht er hier ein; im Kern sei Punk eine haircut revolution, nicht eine politische Bewegung gewesen, hält York provokativ fest; bestätigt sieht er das Urteil dadurch, dass viele der New Romantics- und New Pop-Vertreter den Punk-Reihen entstammen und zuvor stilbewusste soulboys gewesen seien (ebd.: 70ff.). In dem Punkt trifft York sich mit Gary Kemp von Spandau Ballet, der im August 1981 in The Face, dem Hip-Organ der am New Pop-Stil und -Design interessierten Oberschüler, Studenten, Publizisten und Marketingleute, das Credo des modebegeisterten englischen Arbeiterjugendlichen zu Protokoll gibt: »The search for the good life is what most working class kids are about, they don’t like work and if they can get away without it and maybe earn a few bob illegally they will. They want to enjoy themselves and look good and feel important« (zit. n. Elms 1985: 53). York schließt sich der Diagnose an und führt sie bis zu den Mods zurück, an mehreren Stellen setzt er jedoch einen anderen Akzent. Zwar identifiziert er die stilbewussten soulboys – in einem Zug mit den britischen Punks und New Romantics – ebenfalls als working class stylists, in einigen Absätzen gibt er die Vorliebe für den hedonistischen Stil und das sharp dressing aber gleich als Grundzug der englischen Nationalkultur aus. Wichtig ist diese Akzentsetzung, weil sie es York ermöglicht, die vielen teen stylists von kleineren Bohemekreisen abzutrennen (»this isn’t Bohemia, this obsession with style, it’s national«). Erst dadurch gelingt York endgültig die Abgrenzung von den anderen Pop-Intellektuellen, die am Subversionsmodell hängen. Auch sie wollen schließlich mit dem erklärten Vorrang einer Politik des Stils gerade nicht den Beweis antreten, dass durch die Stil-Gesten große politische Ideen symbolisch zum Ausdruck gebracht werden, sondern sehen vielmehr in ihnen mikro-politische, verfremdende Durchbrechungen der herrschenden Sinnordnung. Yorks Erklärung, die Stilund Pop-Orientierung sei Teil der National-, nicht einer Subkultur, steht dem frontal entgegen (1984a: 71f., 76). Dem Pop-Hedonismus – als Gefallen an künstlich designten Oberflächen und an stilisierten Reizquellen, die nicht als Ausdruck innerer Befindlichkeiten präsentiert werden – kommt dadurch ein Höchstmaß an begründeter Eigenständigkeit zu. Originalität darf diese Pop-Apologie beanspruchen, weil sie im Gegensatz zu vielen Ansätzen der 60er Jahre manchmal auf die Popart-Rahmung verzichtet und sich direkt auf Pop-Gruppen und -Gegenstände bezieht. Zwar zeichnen sich viele der angesprochenen neuen Pop-Gruppen und -Designs durch postmodern-eklektische Rückgriffe aus und stellen deshalb lediglich eine Variante des Pop-art-Verfahrens dar, der New PopHedonismus geht darin aber keineswegs auf, wie das Beispiel der ebenfalls hochgelobten Gruppen Human League, Orange Juice, Heaven 17 zeigt. Aus der Gruppe jener Pop-Verfechter, die ganz ohne das Prinzip künstlerisch-politischer Subversion und Verfremdung auskommen, ist vor allem noch Julie Burchill hervorzuheben, die nach ihren jugendlichen Anfängen als Punk-Journalistin beim NME in den 80er Jahren weiter zur provokanten Ko-

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lumnisten in Zeitgeist- und Boulevardmagazinen aufsteigt. In einer Fehde mit Paul Morley sagt sie in ihrer äußerst typisch apodiktischen Art allen PopWiderstands-Ideen harsch ab. Gegen Morley, der inzwischen als Marketingexperte und Propagandist des Labels ZTT (futuristische Reprise: Zang Tuum Tumb) nicht nur die Kunst der Zitation und Collage pflegt, sondern auch den enormen Charts-Erfolg der ZTT-Gruppe Frankie Goes to Hollywood als Beleg für die Bedeutung postmoderner Protestformen ausgibt (vgl. Reynolds 2006: 494ff.), erklärt sie das Konzept des dangerous entertainment für gegenstandslos; alle unterhaltende Kunst (auch die vorgeblich subversive, gegen die herrschende Ordnung gerichtete) sei viel stärker ein Handlungsersatz als ein Anreiz zur Tat (Burchill 1985b: 84). Was in dem Zusammenhang bei Burchill, die in ihrer antialternativen Sucht nach Entschiedenheit auf dem sehr geduldigen Papier des LifestyleDebattenartikels wahlweise mit Margaret Thatcher oder dem Sowjetkommunismus paktiert, wie eine traditionelle Kritik an der eskapistischen Unterhaltung klingt, gewinnt aber durch die neue Pop-Dimension positive Gestalt. Durch die Feindschaft gegenüber der älteren Kulturkritik und den seit den 60er Jahren gut eingeführten Werten des Rock gelangt Burchill zum Lob des teen idol; man könne weit mehr Aufrichtigkeit in Bands wie Duran Duran finden, die nur ihren schönen Schein vorspiegelten, als in den Gruppen, die eine wütende und gefährliche Haltung zur Schau stellten. Der oberflächlichen Pop-Begeisterung der Teenager erteilt Burchill darum den Vorzug gegenüber jenen erwachseneren Pop- und Rock-Anhängern, die mit ihren musikalischen Vorlieben im Laufe der Zeit verstärkt ernsthafte Anliegen verbinden wollen. »The teen idol is the truest, the most honest, most useful type of crooner, really used and then put aside like a perfect but outplayed pop single«, dekretiert sie: »By the time you’re 17 your life should not revolve around a revolving piece of plastic; that’s just living your life in a playpen« (1985c: 69). Auch das klingt wenig euphorisch, es gewinnt dennoch eine beträchtliche Pop-Qualität; zum einen weil die Idee eines funktionierenden, nützlichen Kunstwerks ein wichtiger intellektueller Pop-Wert ist, der polemisch von der idealistischen und hermeneutischen Auszeichnung der schönen Kunst abfällt (in gehobener theoretischer Version kann man das mit Michel Foucault epistemologisch antihumanistisch begründen). Zum anderen geht auch Burchill über die wenig inspirierte Plastik-Verdammung und strikte Altersbegrenzung hinaus, weil sie aus Abneigung wider die vorherrschende Geschlechterordnung zu einer Abwertung der männlichen Rockmusik und zu einer begeisterteren Verteidigung des weiblichen Pop-Prinzips gelangt. Am Beispiel von Smash Hits, der rasch zu großer Auflagenzahl gelangten Illustrierten, in der Stars des New Pop wie Adam Ant, ABC und kurz darauf Wham! und Culture Club durch Farbfotostrecken und Interviews, nicht durch intellektuelle PopSubversions-Feuilletons zelebriert werden, entfaltet Burchill das Lob der female (pop) mask und der jungen weiblichen Anhänger von Boy George u.a.: »The mouthpiece for this generation of real fans is the lovely Smash Hits, the only music magazine ever to speak for the young female working-class who make up the majority of people who love and consume music in this country rather than a tiny minority of spiritual sixth-form boys who talk a lot and tape a lot and sneer a lot. These girls are so broadminded that their king of kings is no dumb hunk but a soul-singing transvestite who sends a good proportion of their

Die Vollendung der Pop-Affirmation | 405 parents into seizures. Both they and their magazine are constantly mocked by the Rock Frat, and really, what is the point? Pop is a bauble, a streamer, a tickertape: serious feelings should be spent on serious things« (ebd.: 71).

Wieder biegt Burchill ihr Argument ab und rechtfertigt die Pop-Vorliebe der ungebildeten Mädchen bloß mit der Bedeutungslosigkeit der Unterhaltung. Man ahnt aber bereits, dass dies nicht der einzige Grund für die PopApologie Burchills ist, immerhin konstrastiert sie zuvor die Liberalität und den sympathischen Geschmack der Mädchen mit dem esoterischen Hochmut der angehenden männlichen Akademiker. Tatsächlich gibt es eine Vielzahl an Rezensionen und Einschätzungen Burchills, in denen ernsthafte Argumente für die Pop-Unterhaltung geltend gemacht werden, etwa wenn sie die jeder Innerlichkeit abholde Madonna (in der Frühphase ihrer Karriere) zum Vorbild erhebt. »Madonna gibt sich unkompliziert als mit kräftigen Pinselstrichen hingeworfener Charakter – gambler, material girl – mit einfachen Ansprüchen: a holiday, an angel, to dress you up. Ihr ganzes Ego ist funkelndes Furnier«, schreibt Burchill mit einem starken Gestus der Identifikation, der sie nun auch zu weitergehenden positiven Urteilen bewegt, zur rückhaltloseren Begeisterung für den »unheimlichen/sexy Sound frecher Rotzlöffel und schreiender Mädchen« (1987: 11f.). In Deutschland ist es der Sounds-Mitarbeiter Kid P. (bürgerlich: Andreas Banaski), der aus einer ähnlichen Grundhaltung wie Burchill schreibt. Seine journalistischen Ideale bezieht er nicht nur aus dem »Mode-Hipblatt ›Face‹« (Kid P. 1982a: 25; vgl. Hinz 1998: 210ff.), für das Burchill u.a. ihre Meinungsartikel verfasst. Wie Burchill distanziert sich Kid P. unablässig von den Zeitschriften, für die er arbeitet, und gibt als Orientierungspunkte Teenagermagazine und Boulevardzeitungen aus. Was für Burchill Smash Hits, ist für Kid P. die Bravo, »der absolute Star der Musikpresse«. Das eigene Blatt Sounds hält er im Vergleich zum aufstrebenden Fanzine Spex (»ekelhaft langweilig«), das 1982 ähnliche Gruppen (aber weniger poplastig) präsentiert, zumindest für »Insider« wenigstens »ab und zu ganz witzig«; sein Redakteur und Förderer Diederichsen disqualifiert sich aus Sicht Kid P.s freilich wegen seines »hintergründigen, akademischen Geschreibsels« und seiner »experimentellen (igitt) Jazz-Gruppe ›Nachdenkliche Wehrpflichtige‹« von selbst, wenn ihm auch der gute Wille zum Pop nicht völlig abgesprochen wird: »Sonst nur in alternativen Kreisen zuhause (und eine Freundin – Typ Grüne Liste/Joseph Beuys Schülerin)«, schwärme Diederichsen immerhin »von der großen, weiten Glitzerwelt und Leuten, die ›in‹/angesagt sind (Howard Hawks, Brian de Palma, Chic, Diana Ross usw.). Und obwohl er davon nicht allzuviel Ahnung hat (aber noch mehr Ahnung als DU), zieht er sich manchmal ganz achtbar aus der Affäre« (Kid P. 1982b: 41f.). Noch viel schlechter weg kommen bei Kid P. selbstverständlich nicht allein die Leser, sondern auch alle anderen akademisch und/oder künstlerisch halbwegs ambitionierten Intellektuellen und Subkultur-Bands, die sich in deutschen Großstädten in der Szene zwischen Post-Punk, Krach-DadaPerformances und Pop-Theorie bemühen. Nach dem weiteren Vorbild der Bild-Zeitung, die bereits seit Punk-Tagen wegen ihres Layouts und ihrer Undifferenziertheit hoch im Kurs steht, überzieht Kid P. sie mit teilweise amüsanten bzw. enthüllenden Klatschgeschichten und Schmähungen, die seine vollkommene Abneigung gegen all diese mit verquasten Ansprüchen auftre-

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tenden, nach seiner Einschätzung bloß wavig oder neodadaistisch umdekorierten Nachfahren der Alternativbewegung deutlich machen. Sein Fazit zur deutschen Szene 1982 kann darum nur lauten: »Deutsche Teenies kaufen sich Kim Wilde! ZU RECHT!« (ebd.: 55). Der Witz an der ganzen Sache ist natürlich, dass all diese Pop-Statements nicht in der Bravo oder der Bild stehen, sondern in den Magazinen und Büchern, die ausschließlich von einem nicht unwesentlichen Teil der derart Herabgesetzten gekauft und gelesen werden. Auch die konsequente Form der Pop-Begeisterung, für die der von vielen Kritikern geschätzte »Avant-Pop« (Diederichsen 1982i) lediglich ein Schimpfwort ist und alle künstlerisch-intellektualistischen Subversions-Strategien gegenstandslos, findet ihren Sinn allein vor dem Hintergrund genau dieser abgelehnten Überlegungen. Solche Pop-Emphase gewinnt ihre Bedeutung nur dann, wenn es Leute gibt, die gebildet genug sind, um sich für Anti-Kunst-Ideale und -Debatten zu interessieren und sich sogar womöglich von der reinen Pop-Ideologie mitreißen zu lassen. Teenies hingegen lassen Abwertungen der Einstürzenden Neubauten selbstverständlich kalt, und in der Bravo werden Kim Wilde, ABC, Human League etc. auf andere Weise attraktiv gemacht als durch Ausführungen zu Pop-Konzepten. Deshalb müssen selbst Julie Burchill (bevor sie später zur BestsellerAutorin und Boulevard-Journalistin wird) und Kid P. (durchgängig) ihren Platz im Universum der Pop-Diskurse finden, soweit sie diese auch von künstlerischen Einfassungen und Umcodierungen sowie von mikro-politisch motivierten Strategien lösen. Sogar wenn Kid P. es schafft, sich der Kurzsatzprosa des Boulevardjournalismus zu bedienen, sind seine Urteile und wertenden Attribute nur selten Bravo-tauglich, dafür hängen sie immer noch viel zu sehr an Umdrehungen und Weiterführungen der intellektuellen PopTheorie. Um nur einige Beispiel zu geben: »Die (weißgekleideten) Nolans sind natürlich wieder souverän und disco-konservativ (Gut!)«; »überragende Trash-Pop-Single natürlich Kim Wilde mit ›View From A Bridge‹« (Kid P. 1982c); »JEDER Song ein HIT. Mit den unschlagbaren (zickigen) 60er Jahre-Pop-Melodien. Vaudeville-Tingel-Tangel und Nacht-Nackt-Clubatmosphäre. […] Soft Cell ist die eleganteste, kultivierteste und verwirrendste männlich/weibliche Kombination seit Emma Peel (intelligent, männlich, überlegen) und John Steed (intelligent, weiblich, charmant)« (Kid P. 1982d: 50). Nicht zuletzt setzt noch den Unterschied zur Welt des Teenie-Pop, dass in den Artikeln Kid P.s abweichende politische Ziele, wie unterhaltend auch immer, vorgebracht werden. Dies dürfte aus Sicht von Bravo keineswegs dadurch besser gemacht werden, dass an die Stelle der in Sounds sonst üblichen Subversions-Modelle nun eine Art sozialistischer Konsumismus und heiterer Hedonismus tritt. Im Rahmen der intellektuellen Pop-Theorie ist die Volte jedoch mehr als auffällig und interessant genug. Seinen idealen Tag lässt Kid P. am Morgen mit der LP Pinky Blue von Altered Images beginnen – »Du kriegst zwei großartige Hits (die letzten beiden Altered Images-Singles mit charmantem Pop von kleinen, aufgezogenen Spielzeugrobotern) und viel Lalala, das dich ideal bei den nicht wichtigen Dingen des Tages (Waschen, Kämmen, Frühsport) begleitet. Nett, sympathisch. Was willst du mehr?« –, um anschließend nicht zur Arbeit, sondern tagsüber zu anderen Freizeitbeschäftigungen überzugehen: »Dann gehst du aus und kannst dich von den größten Madness-Hits begleiten lassen. Die natürlich keine Hits sind (d.h. sie

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packen/treffen dich nicht unweigerlich), sondern ein weiterer, unumstößlicher Beweis dafür, daß Musik keine Kunst/Kultur und kein Luxus ist, sondern ein weiterer, nützlicher (!) Gebrauchsgegenstand im Alltagsleben.« Den Abend begeht man ähnlich »stil- und geschmackvoll« mit dem Northern Soul von Gloria Jones, »also noch einmal meine Lieblingsgeschichte von Spaß und Kultur der 60er Jahre, diesmal im Original und lärmigem Mono-Beat«. Am Ende des Tages fügt Kid P. im Nachsatz die fällige politische Aufklärung für all diejenigen an, die darin bestenfalls nette Nichtigkeiten erkennen: »P.S. für Anhänger des sozialistischen Realismus: Dies war ein Tag im Leben, wie er sein sollte, wie ihn uns das herrschende kapitalistische System aber vorenthält. Du musst dich also mit dem Kauf dieser Platten begnügen« (1982e). Vor allen inhaltlichen Überlegungen fällt die Teenie-Fraktion des New Pop aus dem Bravo-Rahmen bereits durch die schiere Länge ihrer Artikel und Rezensionen. So viele Worte werden in den Teenager-Zeitschriften nie gemacht, dort dominiert das Bild und die Überschrift. Gegen das mit jedem Heft bekräftigte Gesetz der Teenie-Pop-Magazine verstößt auch die Praxis des Hip-Journalismus, nicht einfach über alle in der Zielgruppe erfolgreichen Bands positiv zu berichten. Selbst Kid P. zieht bei allem gerne manifestierten Pop-Optimismus vielfältige Distinktionen ein, so wendet er sich etwa gegen die äußerst populären Duran Duran und ihre »oberflächliche Schönheit (wenn man nur nett und glatt und nicht interessant aussieht)«, gegen deren »kitschiges Pappmaché« und ihren »Soft-Rock für blasierte ELO-Anhänger mit poliertem Discorhythmus« (1982f). Darin trifft er sich sogar mit vielen Vertretern aus dem anderen Lager des neuen Pop-Überschwangs, der Avant-PopFraktion, wie z.B. mit Paul Morley, der Duran Duran gleich aus dem New Pop exkommunizieren möchte (1986: 128). Das sieht man im Bereich der hoch erfolgreichen, auflagenstarken PopMagazine selbstverständlich anders; auch in Smash Hits, das sogar einige lange Artikel bringt und namentlich ausgewiesene journalistische Kräfte wie Dave Rimmer beschäftigt, gehört Duran Duran zu den Hauptattraktionen, die in Interviews und Tourberichten hofiert werden (Neil Tennant, später Pet Shop Boys, einer der leitenden Redakteure von Smash Hits, folgt der Band sehr beflissen zu einem royalen Wohltätigkeitskonzert: »Prince Charles and Princess Diana were given a rousing reception and then looked both amused and amazed at the pandemonium that broke out as soon as Duran Duran took the stage. Simon Le Bon gave a particularly energetic performance« usf.; 2006: 28). Ganz anders hingegen der ebenfalls von allen Herrschern notorisch angetane Warhol – der sonst um 1980 außerhalb seines Star- und ModeMagazins Interview in erster Linie als Nostalgiker hervortritt; in POPism (1980) erinnert er sich an die 60er Jahre, und in Exposures feiert er vielleicht noch anachronistischer die ›demokratische‹ Studio 54-Gesellschaft (»Anyone rich, powerful, beautiful, or famous can get into Society«; 1980: o.S.) –: An seinem Kommentar zu Duran Duran kann man aber erneut sehr schön erkennen, in welchem Maße Warhol immer auch aktueller Teil des stark oberflächlich stilisierten Pop-Hipstertums ist, das seinen Gewinn gerade aus der überraschend untheoretischen Anerkennung zeitgenössischer Modehits zieht. Auf die Frage, ob er wirklich, wie er stets behaupte, die meiste Zeit zu Hause verbringe und MTV schaue, antwortet Warhol in seiner ihm eigenen Mischung aus provozierendem, vorgeblich naivem Freimut und konventionellen Lobsprüchen: »Well, I have to see my friend Nick, I’ve got to catch him in ›Wild

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Boys‹ … actually, I masturbate to Duran Duran videos. Simon’s also really cute and one day he’s going to be a great actor« (1985: 63). Seine Verbindung behält der hedonistisch-oberflächliche Zweig des New Pop zu den bunten, fotolastigen Pop-Magazinen nicht nur deshalb, weil er sich von der anderen New Pop-Fraktion abgrenzt, die den modischen, mitunter luxuriösen, modern durchstilisierten oder postmodern zitierten Gestus nur im Rahmen von Subversionsstrategie und Avant-Pop-Ästhetik schätzt. Die Verbindung bleibt ebenfalls darum erhalten, weil der typische Pop- als Hip-Journalismus (wie die Subversionsästhetik teilweise auch) eine wichtige Funktion als Indikator neuer Trends erfüllt; zu diesem Geschäft gehört unumgänglich hinzu, zwischen bereits bestehenden Gruppen, die durchaus ähnlich sind, bedeutende (Wert-)Unterschiede festzustellen. Augenscheinlich wird dadurch in jedem Fall, dass es den Pop-Autoren und -Geschmacksrichtern keineswegs nur darauf ankommt, alle Richtungen und Ausprägungen zu bejahen, die dem hedonistischen, stilbewussten PopLager angehören. Viel bedeutsamer erscheint es ihnen rasch, innerhalb des Lagers scharfe Distinktionen einzuziehen und zudem immer wieder aufs Neue angeblich verbrauchte Formen zu denunzieren, ganz unabhängig von der Einschätzung, ob die als überholt eingestuften Gegenstände noch in weiteren Kreisen unterhaltend und lustvoll wirken oder nicht. Manchmal erscheint es fast sogar, als ob sich bei vielen der neuen PopHedonisten der Affekt der Langeweile gegen die ganze Bewegung richte. Nachdem beispielsweise Robert Elms in The Face an das ältere Bekenntnis von Spandau Ballets Gary Kemp zum Soulboy-Lebensstil erinnert hat, datiert er es nachträglich nicht allein sehr weit in die 60er Jahre zurück – »looking back he was simply repeating the aspirations of all those Sixties modernists who dreamed of an advertising agency expense account and an easy life full of fine things« –, sondern stellt auch aus wesentlich schwerwiegenderen Gründen dessen Gegenwartsbedeutung in Frage: »Today, everyone is wearing paisley and pin-stripes and what he said seems like a truism. But back then his flash, acquisitive Southern Soul Boy lifestyle turned off-the-cuff manifesto was seen as a dangerous heresy by many who still valued the old ways« (1985: 53). Nach der von Elms konstatierten Durchsetzung des Pop-Stilprinzips gegen die alternativen Werte müsste demnach wiederum etwas Neues an dessen Stelle treten, um die wenig aufregende Selbstverständlichkeit des allgemein Akzeptierten zu durchbrechen, möchte man meinen. Tatsächlich folgen Elms und viele andere aus der Pop-Design- und Lifestyle-Fraktion aber einer weniger radikalen Logik (dies bleibt den Subversionsstrategen vorbehalten); sie setzen letztlich doch bloß auf einen Austausch, auf eine Abwechslung der Pop-Objekte, bei der die Lust am Neuen sich zu einem beträchtlichen Teil aus der Annahme speist, der Masse der anderen Pop-Anhänger für den Moment erneut voraus zu sein (»someone wears something, so everyone else wears it, so he wears something else«). Elms selbst läutet bereits Mitte 1982 die Verabschiedung des ersten wichtigen New Pop-Trends ein, sich in sofort deutlich sichtbarer Absetzung von der Alternativbewegung auf traditionellere, als geschäftsmäßig-normal abgewertete Anzugsformen zu besinnen (zur strategisch-ideologischen Unterfütterung s. Diederichsen 1982g: 97); den gerade stattfindenden neuerlichen Umschwung von Anzügen hin zu Jeans begrüßt Elms mit der typischen Attitüde des Dandys, der sich seine Exklusivität

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um jeden demokratischen Preis bewahren möchte: »the latest change was a reaction against scores of kids in their grandfather’s suits and their mothers’ make-up«, hält er mit deutlichem Abscheu vor der raschen, medial beschleunigten Verbreitung des gerade noch als originell erachteten New Pop-Looks im Face-Septemberheft des Jahres ’82 fest (1997b: 27). Wenigstens einen Grund abseits der Abgrenzungsbemühungen hält Elms für den propagierten Stilwandel dann doch bereit; allgemein beruft er sich auf die Zeichen der Zeit – mit der Zeit im Bunde zu sein, halten auch paradoxerweise all die Theoretiker für ein Kennzeichen von Pop, die am New Pop eine postmoderne Auflösung fixer Identitätsannahmen schätzen (etwa Diederichsen 1982g: 93) –, im Besonderen trägt der von Elms benannte Zeitgeist (»a sign of the times«) aber gerade äußerst natürliche, unveränderliche Züge. »For a start it’s all very functional: hot funk in crowded clubs makes a mess of any designs that lean towards dandyism«, erläutert Elms in einem zweiten Anlauf die seiner Meinung nach hoch bedeutungsvolle Abkehr von der Anzugs- und Kostümierungsmode, jetzt mit einem Argument, das die auffällige Stilisierung des Dandys im Gleichklang schwitzender Körper untergehen lässt (1997b: 27). Leicht auflösen kann man den Widerspruch, wenn man Elms’ Vorstellung, die Dandyismus mit opulenter Robe gleichsetzt, korrigiert. Setzt man stattdessen das Dandytum mit einer stilistischen Abweichung gleich, die sich keineswegs auf einen Durchschnittsgeschmack, sondern anspruchsvoller auf gerade durchgesetzte Szene-Moden negativ bezieht, dann erweist sich der banal erscheinende Rückgriff auf die allzumenschlichen Anforderungen des Tanzes und der Party rasch als eminenter Distinktionsakt. Die Akzentuierung der Körperfunktionen und der intensiven Tanzmusik besitzt in einer Szene, die den Pop-Hedonismus überwiegend mit Künstlichkeit und angenehmer Oberflächlichkeit verbunden hat, eine eigene, momentan besondere Qualität. Beständigere Pop-Verfechter, denen es nicht lediglich um einen notwendigerweise vorübergehenden Abgrenzungseffekt geht, können den von Elms beschriebenen Übergang zu einem more aggressive hedonism (ebd.) aber gleichfalls vollziehen, weil er teilweise in einer Form geschieht, an die sie ihre entscheidenden Pop-Maßstäbe erfolgreich anlegen können. Das gilt nicht allein für den Maßstab der Kunst-Welt und der Großen Manipulation, auch das Merkmal des V-Pop bleibt zumindest insofern gewahrt, als auf einen originalen Werkcharakter keine Rücksicht genommen wird. Beispielhaft dafür darf ein Club-Bericht aus The Face, Herbst 1983, über aktuelle New Yorker Diskotheken gelten; aufgemacht ist der Artikel über die Suche nach dem Perfect Beat u.a. mit einem der ersten veröffentlichten Fotos von Madonna (zusammen mit dem Funhouse-Discjockey Jellybean Benitez). Als ideal disco firmiert die noch lange später in House-Kreisen ehrfürchtig angeführte Paradise Garage; entscheidend für den hohen Rang des Clubs sind nicht nur die seit den 60er Jahren bekannten Kriterien der intensiven, umfassenden Umgebung (Hitze, Basstöne, die einen durchdringen), sondern ebenfalls die Eingriffe und Bearbeitungen des DJs, der längst wesentlich mehr tut, als Platten aufzulegen. Wichtig ist zwar auch noch die Auswahl der Stücke, doch das ist nicht alles, wie im Face-Bericht durch Angaben zu Manipulationsmöglichkeiten, Schallplattenspielern und Dub-Effekten deutlich hervorgeht: »On the balcony above the floor, [Larry] Levan alternates Garage classics (Bo Kool, Eddy Grant, ESG, ›Evolution‹ by Giorgio Moroder) on three Thorens turnta-

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bles (much lighter and harder to manipulate than Technics). In between, he dubs a bass line here, a sound effects record there«, heißt es unterkühlt, wobei allerdings stets großer Wert auf die Feststellung gelegt wird, dass diese Testgeräusche eine große körperliche, euphorisierende Wirkung hätten: »the pure pleasure of aural re-doctoring« gilt keinesfalls als Widerspruch in sich, sondern als unwiderstehliche Stimulanz für die jungen »modern dancers« (Harvey 1983: 55f.). Das gilt nicht nur für vergnügungssüchtige Disco-Gänger. Der große Reiz der analytischen Klangstudien, die das vorgegebene Produkt nicht in seiner Werkintegrität belassen, sondern es zum Ausgangspunkt immer neuer Manipulationen machen, erschließt sich den Pop-Theoretikern ebenfalls unmittelbar, sei es in der Form des Dub, der Disco-Bearbeitungen oder der RapAdaptionen. Von Glenn O’Brien, der über viele Jahre eine Kolumne in Warhols Interview verfasst, wird der Zusammenhang 1982 bereits in geradezu kanonischer Weise entfaltet. Unter dem Titel Bop Art spannt er in Artforum einen Bogen von der Pop-art und Camp über das pop-music-as-art contingent (John Lennon/Yoko Ono, Fugs, Velvet Underground, Arto Lindsay, James Chance) und die art school-Tradition des Pop (The Who, Roxy Music, The Stranglers, Talking Heads, Blondie) hin zu Grandmaster Flash und anderen New Yorker rap spinners (1982: 43ff.). Wie Peter York (1983j: 173f.) einige Jahre zuvor, der die gewandelte Käuferschicht von Gruppen wie Kraftwerk in New York herausstellt (von Hippie-College-Studenten 1977 hin zu schwarzen Teenagern »carrying a stick and a giant radio«), ordnet O’Brien nun Rap in ausführlicher, systematischer Weise in das zuvor von weißen Gruppen bestimmte pop/art music-Kontinuum ein. O’Brien zieht alle Register, um Rap mit hohem Kunststatus zu versehen. Die neue Musik des Rap »is synthesized from entirely ›ready-made‹ music«, lautet seine erste moderne Referenz. Von Dada geht es schnell zu neodadaistischen Techniken. Den Rappern wird bescheinigt, dass sie sich auf der Höhe der zeitgenössischen Avantgarde bewegten, weil sie mit den üblichen linearen Ablauffolgen brechen würden: »They crack up the illusion of replay and play with its pieces. They draw inspiration from such areas as the ›skipping record‹, ›off speed‹, etc. They break down the linear conventions of music – doing for this art what collage did for the plastic arts and what William Burroughs and Brion Gysin did for literature with their ›cut-up‹ technique« (1982: 50). Im Unterschied zu dem üblichen feuilletonistischen Nobilitierungsverfahren, bestimmte populäre Gegenstände durch Vergleiche mit modernen Werken positiv auszuzeichnen, erweist sich O’Briens Versuch im weiteren Verlauf jedoch als gesteigerte Pop-Affirmation. O’Brien überbietet die gängige Argumentation bei weitem, weil er umgekehrt auch die legitime Kultur an Pop-Maßstäben misst. Besonders wichtig ist ihm – genau wie Morley – am Pop der Erfolgscharakter, die ökonomisch leicht mögliche Aneignung und die damit verbundene weite Verbreitung. Nach diesen Kriterien steht für ihn sogar die Pop-art im Zwielicht, weil sie den Kunstmarkt auf übliche, traditionelle Weise mit originalen Werken beliefert und dadurch der elitären conspicuous consumption (Veblen) sowie der bildungsbürgerlichen, kontemplativen Rezeption Vorschub leistet. Eine wahrhafte Aufhebung der Trennung von hoher und kommerzieller Kultur sieht O’Brien darum ausschließ-

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lich in der Popmusik, die sich an avantgardistischen Standards orientiert, ohne an Chartstauglichkeit zu verlieren, verwirklicht: »Pop art’s first generation came on like a revolution. It came in like a lion, it settled down like a lamb. It proclaimed a unity of fine art and commercial art, it challenged both the cult of the original and the supremacy of painting and sculpture. Then, in a subtle, offhand, but effective way it ended up practicing against what it had preached. Fine artists began to do commercial work at premium rates, though after the original wave few commercial artists were taken into the fine art fold. The original was replaced by the original edition, at even greater profits. And after Happenings most Pop artists went right back to the drawing board and the easel. It was the artists of pop music who managed to succeed in realizing the proclamations of Pop. These musicians made multimedia works with all the intent, craft, and effect that had formerly characterized significant fine arts. However, these were works that were mass produced, popularly priced, and that reached mass audiences, bridging and finally denying the existence of two separate art worlds, the high and the low.« (Ebd.)

Postmodern argumentiert O’Brien nicht allein im Sinne Leslie Fiedlers, dessen Formel von der wünschenswerten Überbrückung des Abstands zwischen hoher und niedriger Kunst er im Wortlaut übernimmt. Auch in einem anderen Sinne postmodern (etwa dem Peter Yorks) ist seine Beschreibung der neuesten Form einer tatsächlich geglückten Pop-art, der Popmusik des Rap. Aus seiner vergleichenden Beschreibung des Rap als einer der dadaistischen Collage- und Cut-up-Methode verwandten Kunst tilgt O’Brien jeden Hinweis auf die modern-kritischen Absichten und Dimensionen des historisch gut eingeführten Verfahrens. Im Gegensatz zu Charles Jencks sieht O’Brien es keineswegs als unmöglich an, avantgardistische und populäre Codes zu integrieren, ohne sie bloß in einem Objekt auf zwei getrennten Ebenen zu führen. Mit Jencks’ Konzept des radikalen, eklektizistischen Pluralismus trifft er sich aber darin, dass er die Zusammenführung und Aneinanderreihung zuvor separat geführter Dinge nicht als Technik kritischer Verfremdung auslobt. Am Beispiel Grandmaster Flashs und anderer Pioniere der funk collages macht O’Brien unmissverständlich deutlich, in welch starkem Ausmaß es ihm um die hedonistischen Qualitäten der Zusammenstellung sonst ordentlich getrennter Elemente geht: »Certain of the Flashs’s moves, particularly in the replay of a riff (therefore the replay of a replay), create an incredible tension and therefore an incredible relief when he lets the groove go«, zeigt sich O’Brien von der eminenten Wirkung der musikalischen Zitate begeistert: »Mix up a little funk, some sound effects records, and lately some spoken word records – from comedy to kiddie – and bang zoom Alice we have an amazing flying tapestry of sound that breaks out of all of the musical bags we’ve been in« (ebd.; stärker im Sinne des V-Pop dann wieder O’Brien 1983). O’Briens These, durch solche avancierten Formen des Pop werde die bislang äußerst stark befestigte Trennung der hohen und niederen Kultur endlich überwunden, kann auch von einer anderen Seite aus behauptet werden. Dann geht es nicht um die Beschreibung künstlerischer Vermischungen und wechselseitiger Bezugnahmen, sondern um den Effekt entsprechender Praktiken. Die weitere These ist, dass durch den postmodernen Eklektizismus nicht eine

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bestimmte Kulturformation entsteht, sondern im Gegenteil ganz viele unterschiedliche Stile, die nicht mehr von einem Zentrum aus regiert werden und darum umgekehrt also auch nicht als subkulturelle, subversive Zeichen gegen eine Normalitätszumutung fungieren. In The Face wird dieser Gedanke innerhalb der Popmusikkritik laut; in seiner Kolumne äußert David Toop wiederholt die Überzeugung, dass es nun keinen mainstream mehr gebe, weil alle früheren ›alternatives‹ mittlerweile in eine Art new plural mainstream eingegangen seien (1985: 65). Im anderen Mode-Pop-Blatt i-D wird die These in leicht abgeschwächter Form präsentiert; dort verweist man auf den enormen Fortschritt der Speichermedien und die Diversifizierung der Sender; Videobänder, Kassetten, TV-Kabelstationen benötigten ständig neue Inhalte, deshalb werde die hip popular culture in beschleunigter Weise wichtiger Teil des mainstreams (Dixon 1995: 569). Das sind natürlich keine neuen Thesen; man kennt sie bereits gut seit den 60er Jahren. Neu ist allerdings der positive Ton, mit dem sie formuliert werden. Was zuvor als Gefahr der Vereinnahmung durch kommerzielle Unternehmen und liberale (repressiv tolerante und konformistisch entsublimierte) Hedonisten aufgezeigt worden ist, kommt im Gewand der Pop-Affirmation jetzt als tatsächlicher Freiheitsgewinn daher und als Beleg dafür, dass die Charts interessanter und abwechslungsreicher geworden sind. In Gefahr, harsch zurückgewiesen zu werden, steht der Befund allerdings auch stets innerhalb des Pop-Lagers. Dazu trägt zum einen die bekannte Distinktionslogik bei, die nicht auf Pluralismus, sondern auf Abgrenzung und Exklusivität setzt, wenn sie auch als tatsächliches Ergebnis mit schöner Regelmäßigkeit die Ausweitung des historischen Rückbezugs und die Nebenordnung unterschiedlicher (Sub-)Kulturen zur Folge hat. Zum anderen stößt ein Pop-Hedonismus, der sich verschiedenster Archive und Reize bedient, bei denen auf Widerstand, die mit der Hinwendung zu Pop avantgardistische und/oder mikro-politisch-anarchistische Ziele verbunden haben. Für sie stellt sich angesichts der zunehmend erfolgreichen Durchsetzung der Pop-Images und -Konzepte gegen die alternativen Werte die Frage, ob sie mit diesem Erfolg leben können, auch wenn mit ihm kein subversiver Umschwung einhergeht. Die Antwort fällt bei fast allen Theoretikern und Kritikern, die in ihrem erweiterten Kanon neben ABC z.B. Velvet Underground stehen haben oder die mit dem postmodern entgrenzten Spiel der Pop-Identitäten herrschende Normalitätsvorstellungen nachhaltig beseitigen und damit auch das Gepräge herrschender Institutionen angreifen wollten, negativ aus. Das gilt natürlich für Autoren, die trotz aller Kritik an der Idee der Rock-Authentizität nie ganz auf die andere Seite der Pop-Kunst-Welt getreten sind, ohnehin. Für Simon Frith etwa, der aus englischer Pop-Haltung und Distanz zu den Ehrlichkeitsansprüchen des Rock (1983: 162f.) die Mod-Bands (1985: 63) und bereits früh sogar Motown-Gruppen (1975: 54) zu seinen Favoriten erklärt, aber gleichzeitig Distanz zu dem aus seiner Sicht »media-charted ›movement‹« der New Romantics wahrt (1988b: 177), hat der new pop-Trend schnell seine Berechtigung verloren. Ende der 70er Jahre sei der Schlüsselbegriff in den wichtigsten und interessantesten Debatten zweifellos der der Künstlichkeit (artifice) gewesen; avantgardistische Überlegungen zur Form – »how is meaning constructed? how can it be deconstructed?« – hätten zu Recht eine besondere Resonanz unter pop theorists erfahren, weil the pleasure of pop nicht

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von der Lust an der Inszenierung und Aufmachung getrennt werden könne, hält Frith den Moment fest, »when ›rockist‹ became a term of abuse, when the Face and even Smash Hits became crucial reading, when Barthes’ name was routinely dropped into New Musical Express.« Frith schreibt das jedoch nur nieder, um das Ende des Moments zu verkünden. Aus dem new popAufbruch sei rasch nichts anderes als »the ordering of the music public into a series of discrete, serviceable markets« entstanden, eine Rückkehr zu authentic stars wie den Smiths und U2 hält Frith 1984 darum nicht bloß für unvermeidlich, sondern auch aus Gründen der kritischen Distanz gegenüber den herrschenden sozioökonomischen Verhältnissen für dringend angeraten. Den politischen Motiven der fälligen Absage an die Pop-Artifizialität folgt der ästhetische Überdruss bei Frith auf dem Fuße: »Artifice is once more a matter of the rules applied by record company straights, not those broken by record company subversives. Or, to put it another way, Smash Hits and even the Face are now just boring« (1988c: 193). Frith vergisst zu erwähnen, dass man seine Kritikpunkte zuvor jedoch schon in dem geschmähten Face-Magazin selbst lesen konnte. Hier ist es Jon Savage, der bereits im Januar 1983 die am oberflächlichen Stil ausgerichtete Pop-Postmoderne als Age of Plunder richtet. Mari Wilsons Rückbezug auf die Frisuren der Ronettes und die Hits von Julie London ist für ihn nichts als ein camp joke, die sich rasch abwechselnden Design-Entscheidungen von ABC ordnet er in erster Linie als Werbemaßnahmen ein. Folgerichtig laufen seine Einschätzungen auf das Urteil hinaus, dass mittlerweile leider style über substance gesiegt habe. Der durchschnittliche Pop-Konsument sei durch zahlreiche Retro-Trends, Anspielungen, Modeartikel eingeübt, das Aufspüren von Referenzen zu einem festen Bestandteil der Musikrezeption zu machen: »Thus pop’s increasing self-consciousness becomes part of the product and fills out nicely all the space made available by sleeves, magazines and videos.« Ein Ende des modisch willkürlichen Reigens der Abwechslungen und Kostümierungen sei angesichts der damit zu erzielenden Marketingerfolge nicht abzusehen: »Do ABC really have to dress up (badly) as country squires to promote ›All of My Heart‹? Of course not: but it sells the product like the wrapping on a chocolate box. But this is ABC’s third or forth image: when do they stop, and when does the audience have enough«, fragt Savage vorwurfsvoll (1996e: 144f.). Ein Ende ist für Savage deshalb noch nicht abzusehen, weil die ›Geschichtsplünderung‹ sich ebenfalls beliebig auf die moderne Kunst und die Folklore ausdehnt: »Pop’s own past has not been sufficient: perhaps the most irritating manifestation of the Culture Club is the way that the whole of twentieth-century art and – more recently – any amount of ethnic material have been used with increasing desperation to tart up product that has increasingly less meaning.« In solch einer wahllosen Zitation und Dekontextualisierung macht Savage kein amüsantes Spiel, sondern eine totalitäre Gefahr aus, eine (um Marcuse abzuwandeln) postmoderne Eindimensionalität: »The past is then turned into the most disposable of consumer commodities, and is thus dismissable: the lessons which it can teach us are thought trivial, are ignored among a pile of garbage«, lautet sein strikt negatives Fazit (ebd.: 147ff.). Moderater fällt Savages Einschätzung zum gender bending, zum Spiel mit den kulturell konventionalisierten Geschlechtszeichen aus, das durch Boy

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George, Marylin, Annie Lennox, Grace Jones zu einem wichtigen Zug von New Pop geworden ist. Savage ordnet dies wie gewohnt in die Roxy MusicTradition ein, die er allerdings kritisch mit der von ihm zum Zeichen der Zeit erhobenen Beliebigkeit und Substanzlosigkeit zusammen sieht, mit der »idea of camp gone mad – an ironic, intensely referential way of looking at things where you’d refer to models and never quite admit to meaning what you were doing. Everything lay within inverted commas, as it has done in today’s Age of Plunder.« Die Wiederkehr von Glam und die damit verbundene Auflösung von Geschlechterstereotypen kann Savage deshalb nur eingeschränkt bejahen. Auch wenn er Pop-Anhänger genug ist, um an der oberflächlichen Verwirrung Gefallen zu finden, hängt er doch in einem zu hohen Maße gegenkulturellen Absichten an, um das Spiel in der Sphäre der Unterhaltung und des Konsums ohne kultur- und kapitalismuskritische Reserve zu sehen. Wie ihn bereits bei den postmodernen, ihrer historischen Substanz beraubten PopZitaten sein avantgardistischer V-Pop-Ansatz zu einem äußerst negativen Urteil führte, hindert ihn hier seine Position zumindest an einer weitgehenden Bejahung, selbst wenn seine einleitenden Sätze vollkommen den Klang der Pop-Affirmation besitzen: »Glam is back«, deklamiert Savage 1983 im typischen Ton des Zeitgeist-Journalisten, »much of it is, like a decade ago, the surface style for a new age of frivolity – making videos while Great Britain polarizes – and musical soma: what better to accompany the synthetic allure of fizzy pop with surrealist, dream-like images of weird sex out of the ad factory«. Durch seine vorherigen Wertungen ist man allerdings darauf vorbereitet, dass Begriffe wie surface style, frivolity und synthetic allure bei ihm längst nicht den gleichen hohen Rang einnehmen wie bei einem überzeugten Pop-Vertreter der Oberflächen-Ästhetik und der Kunst-Welt. Auch seine Erzählung über die Ausbreitung der androgyn-verwirrenden New RomanticsAttitüde auf die Pop-Charts läuft deshalb auf ein ambivalentes Ende hinaus. Mit der Feststellung, dass die Blitz culture nun die Massen ergriffen habe, beginnt zwar dieser Teil der Argumentation ebenfalls in einem (scheinbar) euphorischen Ton, macht aber bald nachdenklicheren Absätzen Platz: »This is Blitz culture gone admass: the Blitz obsession with the ›feminine‹, a fast-moving, sharply defined exotic surface image with a total lack of any commitment has defined the terms under which most modern pop groups operate – whether Duran Duran swapping countries with each video or Boy George wearing a dress and not being thought ludicrous. Blitz took up the gauntlet thrown down by the punks and turned it into an all-pervasive camp – whether as a way of looking at things or a way of wearing your clothes. The result has not been without humour, and complete confusion. […] Even so, they [Marc Almond and Boy George] still play the traditional pop game – and it’s hard not to: their refusal to commit themselves on matters of specific sexual activity is partly born out of self-protection (as homosexuality is still the kiss of death) but is also down to an understanding of the way pop works – not by specifics or slogans, but by hints and inferences loose enough for the imagination to leap in and resonate. […] If pop’s attitude to all kinds of sexuality has been confused and contradictory then its expression of sexual divergence has been, in part, the history of the androgyne principle – the breaking down of society’s codes of what is ›masculine‹ and ›feminine‹ in favour of a less rigid, forced sexuality – making itself heard in

Die Vollendung der Pop-Affirmation | 415 one of the only places it can: exactly where it is thought not to matter, because, it’s only pop.« (Savage 1996f: 161f.)

Zu solch einer tolerant-herablassenden Haltung kann sich Savage selbst jedoch nicht durchringen. In den nächsten Jahren wird er nicht müde, in seinen vielen Artikeln die Misere der Pop-Gegenwart zu beklagen. Den radikalen Slogans – die also offensichtlich doch zur Pop-Aussageweise gehören – von Frankie Goes to Hollywood sagt er ab, weil er in ihnen nur Aufmerksamkeit heischende, unwirkliche Werbe-Provokationen erkennt (1996g); mit Frith prognostiziert er als nicht unverständlichen Gegenschlag zu dem erschöpften postmodern English Pop – nach dem ›style‹ overkill (1996h) – eine Renaissance amerikanischer Rockgruppen unter dem Banner der New Authenticity (1996i). Der Einsatz der style generation habe am Anfang, 1980, als Befreiung von den Fesseln der Alternativszene seine Berechtigung gehabt, sei aber Mitte der 80er Jahre bereits längst verbraucht: »Five years on, there now appears an emptiness at the heart of style over content«, bilanziert Savage düster: »There’s too much media, and too much of its saying nothing« (1996h: 182). In einer durch Kabel und Video endgültig zur Gesellschaft des Spektakels verkommenen Medienwelt (1996j) besäßen vorgeblich subversive Ideen, die das Spiel der referenzlosen Zeichen beschleunigen und dadurch an einen kritischen Punkt treiben wollten, bloß noch einen zynischen Charakter (1996h). Im Spektrum der Avant-Pop-Anhänger gehört Savage zu denjenigen, die ihre ab 1983 erfolgende Verabschiedung des New Pop-Trends am stärksten mit Versatzstücken der kritischen Theorie und des Situationismus begründen. Weniger argumentativen Aufwand betreibt der bereits erwähnte Paul Morley, dem es in erster Linie darum geht, seine Vorstellungen einer erfolgreichen, aber hochklassigen, künstlerisch provokativen Popmusik (Verbindung von ABC und MC 5) von Gruppen wie Duran Duran abzusetzen. Noch weiter zurück geht Ian Penman, der in seinem NME-Manifest im September 1984 gleich per Überschrift dem Pop State den Krieg erklärt. Penman richtet sich frontal gegen die aus seiner Sicht beliebigen postmodernen Aneignungen, um – Pop-Theoretiker, der er nun einmal ist und bleibt – als eigenen Kampfbeitrag gleich eine Rückkehr zu den direkten, tiefen Bedeutungen und Gefühlen einzufordern bzw. heranzuzitieren, eine Rückkehr zur gefährlichen, obsessiven Qualität der Musik. War on Pop, Penmans Schlachtruf, ergeht ausdrücklich nicht von außerhalb; Penman legt großen Wert auf die Feststellung, dass er keineswegs von einer linken Position aus Pop als falschen Schein und Teil einer entfremdeten Existenz denunzieren will, sondern lediglich, wenn auch mit martialischem Aufwand, die Kraft des Pop-Glamours und -Rhythmus verstärkt wissen möchte: »This is why – as a hypothesis – I find Wham! more ›offensive‹ than Jerry Lee Lewis, a suspected minor mass murderer«, schreibt Penman in weiter hochgetriebenem Pop-Stil, um seinen gespielten Furor genau wie Morley letztlich bloß gegen eine aktuell höchst erfolgreiche Gruppe des New Pop zu wenden, die ohne intellektuelle und künstlerische Bezüge auskommt. Penmans eigener Bezugspunkt ist allerdings leicht zu erkennen, seine Kriegserklärung ist ganz im Sinne von Nik Cohns historischer PopApologie gehalten. »I’m not sure«, heißt es bei Penman mit nur vorgetäuschter Zurückhaltung weiter, »that Wham! are really doing anything that terrible to millions of young girls (is it worse than early Beatles? Elaborate, please!)

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… but they fit in with the rest of Pop’s State, a song without tone, without a hint of tragedy, without a tear in its eye, collaborating on 1984 as our Year of The Fake Tan.« Was Penman vermisst, ist jene Bewegung, die über das Vertraute, über die angenehme Zerstreuung hinausführt, eine Intensität, die ihm jetzt genau durch die routinierte, geschäftsmäßige Adaption vergangener oder fremder Pop-Elemente verloren gegangen scheint. Genres, Melodien, musikalische Texturen, sie alle entsprängen der »day-to-day fabric of somebody’s life (some tribe, some class)«; sie aus ihrem Zusammenhang herauszulösen heiße sie dieses Lebens zu berauben, sie zu einem abstrakten Reiz zu degradieren: »The music is appropriated, taken, considered and applied apart from its application to the joys and sorrows of the ›original‹ owners. It is dissociated from any reference or reason – outside of pure broadcast«. Die primal scene des Pop stellt sich für Penman völlig anders dar, sie bindet er an solch einen Sitz im Leben zurück. Es ist aber nach Penmans weiterer Darstellung paradoxerweise nicht eine geteilte Kultur, die für den Hörer die Musik zum aufregenden Erlebnis macht, sondern der Einbruch des Überraschenden; die Pop-Urszene malt er sich wie üblich als verstörenden, überraschenden Moment aus: »… you’re listening, radio, jukebox, club, maybe idly, inattentively, then … a breakage of Pop … an unconscionable swerve, heretical detail, some shiver of incomprehension …. You are ambushed, imprisoned, released and evacuated. When, by some token or vantage the sound becomes popular, this seems to your listening body almost insignificant« (1984: 30f.; deutsche Nachschrift: Diederichsen 1985: 131f.). Popularität, sprich: eine große Zahl an Hörern, setzt Penman also keineswegs mit Pop gleich. Pop definiert er ganz im Sinne moderner künstlerischer Ansprüche als irritierende Neuheit innerhalb der Popmusik, als Bruch mit den gängigen Hörgewohnheiten. Dem vor kurzem noch allgemein New Pop genannten Stil spricht er diese Fähigkeit bereits wieder ab, besonders seinen postmodernen oder an der Image-Oberfläche orientierten Versionen,. Mit dem vielbeachteten Buchtitel von Dave Rimmer lautet der Vorwurf, New Pop präsentiere sich, als hätte es Punk nie gegeben, Like Punk Never Happened – sogar zum Objekt der Marketingabteilungen und der großen Boulevardmedien ließen sich die neuen Pop-Bands allzu bereitwillig und ohne jede untergründig subversive Absicht machen (Rimmer 1985). Gruppen wie Wham! wird in bekannter, gar nicht mehr neuer Manier vorgeworfen, dass sie einfach nur gefällig und erfolgreich sein wollten, ein Vorwurf, der im Nachhinein auch die geschätzten Pioniere des New Pop und ihre Leitlinien beschädigen kann. »New pop ideology was vague«, schränkt etwa Simon Reynolds 1985 seine eigene Pop-Begeisterung beträchtlich ein, »Adam Ant talked of giving people hope and pride, through entertainment, ABC of choice and change and value – almost just a vision of better, more exciting and efficient consumer capitalism« (1990: 468). Diese Kritik macht überaus deutlich, dass es den neuen Pop-Apologeten im Sinne des Avant-Pop und/oder der Zeichen-Subversion keineswegs um eine Verteidigung des herrschenden Systems gegangen ist. Die Hinwendung zu Pop, Konsum, postmodernem Zitat und Oberflächlichkeit ist zu einem guten Teil der Absicht geschuldet gewesen, alternativen Werten, deren kritisches Potenzial man in der liberalen Mittelschichtsgesellschaft längst verbraucht gesehen hat, auf drastische Weise eine Absage zu erteilen. Da mit

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dem Erfolg dieses Projekts – die Ablösung der Hippie-Ästhetik durch formstrengere und luxuriösere Lifestyle-Moden kommt Mitte der 80er Jahre bereits weit über den Kreis bestimmter Jugendgruppen und der Boheme voran – jedoch keineswegs ein anarchistisch-lebenskünstlerischer Umschwung verbunden ist, erfolgt konsequenterweise eine Lösung von den eigenen PopIdeen. Innerhalb der Zeitgeist-Diagnostik steht die Figur des yuppies, des jungen, modernen, gutverdienenden Hedonisten, für den aggressiv vollzogenen Abschied des alternativen Habitus ein, eine Verabschiedung, die keineswegs mit subversiven Absichten, sondern vielmehr mit einem Schwenk zu offen propagierten politisch konservativen bzw. neoliberalen Ansichten einhergeht. Mit dem Wahlerfolg von Margaret Thatcher in England und danach von Ronald Reagan in den USA können die Mode- und Geschmacksänderungen auch hochoffiziell politisch rückgebunden werden. Als beherrschenden Zug der Zeit stellt Peter York 1984 folglich den Umstand heraus, dass der radical chic nicht länger von libertären, sich nonkonformistisch gebärenden Künstlern und Intellektuellen, sondern von den New Reactionaries geprägt werde, die sich nach dem Zwischenspiel der linken Meinungsführerschaft in der Publizistik als wahre Tabubrecher inszenieren können (»when they talked of unthinkable things like rules, discipline, logic and duty, voyeurs everywhere felt a frisson of delight«; 1984b: 22). In The Face hebt man hingegen stärker den modernen Charakter des liberal-konservativen Umschwungs hervor: »In the Eighties the Establishment has switched-on and new knowledge and old money have come together, not in the shape of reactionary chic, but chic reactionaries«, schreibt Pat Sweeney im Mai ’85, wobei er vor allem die gar nicht reaktionäre Begeisterung für eine »hi-tech enterprise economy« als Beleg anführt; zusammen mit dem ebenfalls keineswegs konservativ-bewahrenden Charakter des erneuerten glamourösen Pop-Hedonismus ergibt das ein neoliberales Bild, in dem die Linken und Alternativen als rückwärtsgewandte, überholte Kräfte dastehen: »in the eighties, it is the right which has the fashionable, futuristic image: hi-tech, cable, ›Star Wars‹, Ronald Reagan’s amazingly sharp suits«, reizt Sweeney die Differenz in einem weitgespannten Bogen von der hochtechnologischen Kriegswirtschaft über neue, private Medien bis hin zu aktuellen Modeformen aus, »the left, by contrast, always seem to be on the defensive: conserving communities, preserving jobs, protecting the welfare state« (1995: 101). Daran, dass in dem noch lange gültigen Tableau die Versuche der PopSubversiven, ihre links-anarchistischen Anliegen genau vor diesem Schicksal zu bewahren, nicht vorkommen, kann man bereits ablesen, in welchem Maße ihrem Projekt Erfolg beschieden gewesen ist: die Hinwendung zu PopFormen hat dazu beigetragen, die linksalternative Szene nicht nur zu verändern, sondern sie auch teilweise aufzulösen. Die publizistische Vorherrschaft alternativer Überzeugungen im Bereich der Gegenkultur ist dadurch gebrochen worden; hier ändert speziell der Übergang von der Rock- zur AvantPop-Ästhetik nichts an der systemkritischen Ausrichtung, trägt aber andererseits auch rein gar nichts zur Ausbreitung dieses Standpunkts bei. Die stilistische Modernisierung der zuvor alternativen Stadtmagazine bedeutet im Gegenteil zumeist das Ende jeder kritischen Berichterstattung; und in den auflagenstarken Mittelschichts-Medien kündigen sich die kommenden neoliberalen Veränderungen im Feuilleton (wie in Deutschland etwa in Zeit und Spie-

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gel) zwar erst in Spurenelementen an, von einem libertär-politisch oder hedonistisch-materialistisch wirksamen Impuls, der aus der Pop-Wende im Bereich der Jugend/Gegenkultur entspringt, kann jedoch zu keinem Zeitpunkt eine Rede sein. Der »Zitat-Pop« habe sich als Waffe abgenutzt, zieht Diedrich Diederichsen darum 1985 in Sexbeat seine enttäuschende Bilanz, die nicht bloß auf ästhetischen, sondern mindestens genauso stark auf politischen Kennziffern beruht. Erhalten bleiben aber die alten Bilanzierungsregeln, nur so kann schließlich die Verfallsrechnung zustande kommen. Sie setzt stillschweigend die Annahme voraus, der neue Pop habe jemals als (mikro-)politisches Kampfwerkzeug gedient; gemäß dieser Logik, die auf ungeklärten Prämissen beruht, können deshalb neue taktische Objekte an die Stelle von ABC, Brian de Palma etc. treten; auf dem »Sozial«- bzw. »Beat-Kitsch« junger amerikanischer Bands wie Green on Red oder, in einer starken, synkretistischen Variante des Avant-Pop-Prinzips, auf einer künftigen »Allianz von Motörhead und Free Jazz, Heavy Metal mit Peter Brötzmann« ruhen Mitte der 80er Jahre nun die erneuten Hoffnungen (1985: 131, 173ff.). Wichtig erscheint der Wechsel, um den »neuen Neunzehnjährigen«, die den »großräumigen, subkulturgeschichtlichen Zusammenhang« der PopBegeisterung nicht erkennen oder ahnen könnten, keinen weiteren Anlass zu geben, die subversiv gemeinte Pop-Affirmation als »Rechtfertigung für ihre eigene christdemokratisch-apolitische Yuppie-Existenz« zu gebrauchen (ebd.: 141). Diese Sorge müsste man sich tatsächlich bei einer möglichen künftigen Neuausrichtung der »postmoderner Beatniks« auf ungewöhnliche Avant-Pop-Verschmelzungen von englischem Hard Rock und deutschem Free Jazz nicht mehr machen. Von Pop könnte man dann aber allenfalls noch in Hinsicht auf gewisse Formen einer Underground-Postmoderne sprechen, der Einsatz für New Pop liefe damit wieder rein in die vertrauten Bahnen der inzwischen längst universitär und museal anerkannten avantgardistischen Werkkunst der Dadaisten, Futuristen und Neodadaisten zurück, die PopAffirmation hätte sich als schnell vorübergehender taktischer Zug innerhalb der übergeordneten Strategie kulturpolitischer Dissidenz erwiesen; kurz gesagt: der historische Höhepunkt der Pop-Apologie wäre zugleich ihr Ende. Den wenigen verbliebenen Vertretern einer reineren Lehre erscheint das auch so. Sie nehmen das freilich nicht zum Anlass, ebenfalls ihre Haltung aufzugeben, sondern gehen vielmehr umgekehrt zum Angriff auf die abfallenden Avant-Pop-Theoretiker über. Beispielhaft wird der Gegenzug erneut von Andreas Banaski (vormals Kid P.) durchgeführt. In seiner Rezension zu Sexbeat drängt er auf das Ende einer Pop-Betrachtung, die sich von avantgardistischen Ideen und Taktiken bestimmen lässt. Veröffentlicht wird die Besprechung in dem Münchner Magazin Elaste, das gleich auf vielfältige Weise die Thesen vom Ende bestätigt, ist Elaste doch eine Lifestylezeitschrift, die aus der New Wave/New Pop-Szene kommt und bald ihr Erscheinen einstellen muss, nachdem große, kapitalkräftige Verlagshäuser in Deutschland ab Mitte der 80er Jahre entsprechende Formate (Tempo und Wiener) lancieren, zum Beweis dafür, dass der Pop-Glamour nun den Bereich der Vogue wie der Boheme übersteigen und Teil einer wesentlich größeren Jugend/Twen-Kohorte werden kann. Banaski schreibt zwar für dieses Publikum, hat aber als Referenzpunkt stets ganz andere Gruppen vor Augen. Unverändert bindet er Pop gern an die

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Akklamation der Teenager (speziell der Mädchen), darum muss Diederichsens Argumentationsduktus bei ihm auf schärfste Ablehnung stoßen. Die »intelligente Popgeschichtsschreibung« sieht Banaski vom stetigen Verfall gezeichnet; nach ihrem Höhepunkt mit Nik Cohn Ende der 60er Jahre sei sie wegen Autoren wie Morley und Penman mittlerweile auf ihrem tiefsten Stand angekommen, mit dem Ergebnis, dass auch Diederichsens Buch zur Hälfte aus »krausem Gewusel«, aus intellektuellen Prätentionen bestehe. Zwar gesteht Banaski Diederichsen zum Teil durchaus Verdienste an der HipsterFront zu, zieht aber grundsätzlich dessen Ansatz in Frage. »Wieso eigentlich Pop?«, zweifelt Banaski mit Bezug auf Diederichsen, um im Folgenden dessen Qualifikationen mit deutlichen Fragezeichen zu versehen: »Wieso eigentlich Pop? Weil er den 1981-Pop erst so richtig mitkriegte, als er 1982er-Nr. 1-Hit wurde (Human League ›Don’t you want me‹)? Und dann mit Hilfe eines zugegebenermaßen recht hübschen Systems den Pop angesagt und hip gemacht hat? Den ›irrelevanten Teenie-Pop‹ damit aus den Händen der Teens enteignet (›So wie er mir gefällt, ist der Pop Privateigentum der Teens‹, Nik Cohn) und in die der Intellektuellen gelegt hat? Und diskutierbar gemacht? Und denen ihr Spiel gespielt?«. (Banaski 1985/86: 82)

Banaski tritt darum auf die andere Seite, freilich gibt er den Schritt im HipDiskussionszusammenhang bekannt und verschwindet deshalb nicht unter den autorlosen Teenager-Gruppen, wenn ihnen seine Sympathiebekundungen auch weitgehend gehören. Nach teilweisen Übereinstimmungen mit dem zeitweiligen Pop-Hipster Diederichsen in den Jahren zuvor orientiert sich Banaski nun insofern an ihm, als er dessen Einstellungen als Kontraindikator benutzt. Diederichsen »lehnt Yuppie-Pop ab, hört The Fall und zerrt den stinkigen Kadaver KUNST wieder aus den Galerien hervor«, zieht Banaski die Bilanz der aktuellen Haltung Diederichsens, die er für sich konsequenterweise genau umdreht. Zu seinen Favoriten erklärt Banaski Wham!s (besonders »großartig, weil er den Teenie-Mädchen gehört«) und Style Councils »Yuppie-Pop«; den von ihm zu solchen ernannten »Yuppie-Werten« (»brave Gefälligkeit, propperes, frisches Aussehen«) hängt er plakativ an. Der Zusammenhalt der Hipster bleibt jedoch nicht nur deshalb gewahrt, weil Banaski seine ungewöhnlichen Einschätzungen mit gleicher spielerischmanifesten Entschiedenheit wie Diederichsen vorträgt. In einem Punkt herrscht weiterhin inhaltliche Übereinstimmung; auch Banaski bindet das ästhetische in solchem Maße an das politische Urteil, um zumindest den »Unterschied zwischen Yuppie-Pop, wie er sein sollte, und Yuppie-Land, wie es ist«, zu beklagen. Dass die deutschen, gefällig aussehenden Style-CouncilFans die sozialistische Emphase von Paul Weller, dem Kopf der Gruppe, nicht übernehmen, spricht dann doch gegen sie. Leider sei im »Yuppie-Land« für die »angenehm-naive rigorose Paul Weller-›Die Bonzen auf die Guillotine‹-Ideologie« kein Platz, bringt Banaski seine eigene, nur rhetorisch scharfe Pop-Salonbolschewismus-Attitüde auf den Punkt (ebd.). Umgekehrt wird Diedrich Diederichsen als »postmoderner Beatnik« bzw. als Avant-Pop-Hipster nach der taktischen Wende Mitte der 80er Jahre nicht wieder zum Feind der Pop-Bestrebungen. Sicher, zum Parteigänger des Yuppie-Pop kann er sich in keinem Fall aufschwingen. Der coole, bewusst nicht aufbegehrende, jugendliche New Waver sei »irgendwann nur noch eine

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Spielart des genusssüchtigen, gewissenlosen Poppers« gewesen, bedauert Diederichsen, wenn er auch immerhin bereit ist zuzugestehen, dass es sich vielleicht um »eine ganz angenehme, mit schön viel Aktualitätszeichen behaftete« Variante gehandelt habe. Das bleibt aber ein grundsätzlich gesehen bedeutungsloses Zugeständnis. Die Enttäuschung über die fehlende politische Wirkung der Pop-Ideen bei den eigentlich als »potentiellen Bündnispartnern« gedachten »Jugendlichen« ist so groß, dass sie Diederichsen zwangsläufig zu dem Eingeständnis der falschen Strategie und des Scheiterns führt: »Unser Subversions-Überbau war jedenfalls ziemlich aus der Luft gegriffen«, lautet seine Absage an seine eigene jüngste Vergangenheit als Theoretiker und Geschmacksrichter der Pop-Affirmation (1985: 129). Dennoch ist das nicht das letzte Wort. Die Diskreditierung der PopStrategie läuft keineswegs auf eine Entwertung der Pop-Prinzipien – und schon gar nicht auf eine Abkehr von der Avant-Pop-Ästhetik – hinaus. Sofort im nächsten Satz, nachdem Diederichsen den mangelnden Realitätsgehalt der Pop-Subversion eingestanden hat, erklärt er, diese Einschätzung ändere nichts daran, dass trotzdem »eine Menge Urteile, die wir und unsere intellektuellen Vorbilder – Green von Scritti Politti und die Schreiber Ian Penman und Paul Morley – gefällt haben«, richtig gewesen seien (ebd.). In der Tat werden in den nächsten Jahren – ja oftmals Jahrzehnten – politische und ästhetische Urteile, die im Sinne einer Pop-Affirmation der Kunst-Welt, Oberflächen-Ästhetik, des V- und Avant-Pop gefällt werden, die Artikel von Morley, O’Brien, Diederichsen u.a. weiterhin prägen. Dies ist kein unbedingt gutes Zeichen für Pop-Verfechter wie Kid P., die Pop vom Kunst- und Avantgardebezug lösen wollen, wohl aber ein sehr guter Indikator dafür, dass die Pop-Prinzipien sich nun auf breiterer intellektueller und sogar akademischer Front durchsetzen. Die fortgeführte Laufbahn der genannten Pop-Theoretiker zeigt nämlich nicht allein deren persönliches Durchsetzungsvermögen an, sondern vor allem den enorm vergrößerten feuilletonistischen und institutionellen Resonanzboden ihrer Maximen. Einigermaßen gut erahnen lässt sich diese Entwicklung schon 1985, weil bereits zu diesem Zeitpunkt in den Geisteswissenschaften und in gehobenen (sprich: von einem ausgesucht kleinen, publizistisch einflussreichen Kreis gelesenen) Kulturzeitschriften einige Beiträge zu verzeichnen sind, die wenigstens teilweise dem Pop-Konzept verpflichtet sind. Falls sie sich ihm nicht als konservative Einrichtungen ohnehin ganz verschließen, tragen solche Organe wegen der längeren Zeit, die sie beanspruchen, um auf aktuelle Erscheinungen zu reagieren, oftmals gleich zur Verlängerung des (ehemaligen) Trends bei bzw. zu seiner Überführung in den langlebigeren Zyklus intellektueller Moden. Die Tragweite des stattfindenden Niedergangs der 68er- und AlternativKultur erweist sich ebenfalls daran, dass nicht nur aus Stadtzeitungen Lifestyle-Blätter, sondern sogar aus bildungsbürgerlichen, kulturrevolutionären und/oder systemkritischen Akademikern nun mitunter unverantwortlichere Intellektuelle werden, die Beiträge und Abhandlungen mit einem stärker hedonistischen, oberflächlichen Tenor veröffentlichen. Zu nennen sind hier zuerst Abhandlungen zur Pop-art, die über deren Musealisierung hinaus aktuelle Akzente setzen. Bereits 1975 preist Michel Foucault die Hyperrealisten und Pop-Artisten, weil sie einem gegen eine puritanische, graue Ästhetik wieder die Liebe zu den Bildern in ihrer oberflächlichen, antihermeneutischen und nicht an der Repräsentation interessierten

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Form beigebracht hätten (»sie suchen nicht hinter dem Bild nach dem, was es darstellt und was sie niemals gesehen haben; sie fangen Bilder ein und nichts anderes«; Foucault 2002a: 875f.). Ein anderer für die Pop-Theorie jener Tage neben Foucault, Derrida und Baudrillard höchst einflussreicher poststrukturalistischer Denker, Roland Barthes, hebt selbstverständlich ebenfalls in positiver Manier den antisymbolischen, faktischen Grundzug der Pop-art hervor, aber verlängert 1980 das Lob noch um ein Bekenntnis zur Lust an der Wiederholung, an der Serialität der Kopien, ein Lob, das er sogar auf die Discomusik ausweitet (1990: 208ff.). Die Lust an einem Spiel mit Verweisen und nicht zum Gesetz und zum Ausdruck tiefer Wesenheiten erklärter Identitäten, wie es wiederum Foucault vorschlägt (2002b: 914), ergreift in der Folgezeit zunehmend auch die an modernen Theorien interessierten geisteswissenschaftlichen, linken Akademiker, selbst wenn bei ihnen die Warnungen vor der glatten Einordnung solch postmoderner Zitate, Pasticheformen und historisch dekontextualisierter stilistischer Mode-Impulse in eine spätkapitalistisch entgrenzte Konsumkultur zumeist noch überwiegen und die konstatierte Aufhebung der Trennung von Hoch- und Popkultur darum skeptisch oder missbilligend betrachtet wird; ausschlaggebend sind hier die Schriften von Fredric Jameson (1983; 1985; 1984; erneut in 1991), daneben noch im Bereich der Kunstkritik die Aufsätze von Hal Foster (gesammelt 1985) und Benjamin Buchloh (1982; 2000). Es sind aber bereits in den gleichen Reihen und Veröffentlichungsorten vereinzelte Beiträge zu verzeichnen, die sich ohne solch gravierende Bedenken und Einschränkungen der postmodernen Annäherung an die Popkultur widmen (etwa Huyssen 1986c; Graham 1981). Kurz erwähnen muss ich auch einen frühen Aufsatz von mir selbst, weil er im deutschsprachigen Raum wohl der erste Beitrag in einem bildungsbürgerlichen Organ ist, der im Banne der New Pop-Theorie steht (in einem Potpourri von Zitaten Benjamins, Barthes’, Friedrich Engels’, Frank O’Haras und vor allem Pierre Bourdieus lobe ich dort einen sinnlichen, oberflächlichen Materialismus und ein pluralistisches Geschmacksprinzip aus, innerhalb dessen besondere Vorlieben keinen exklusiven Rang behaupten; Hecken 1985: 290ff.). Viel wirkungsmächtiger sind aber natürlich die angloamerikanischen Beiträge, die sich an den älteren Schriften Stuart Halls und Dick Hebdiges ausrichten. Innerhalb und im Umfeld der Cultural Studies kommt man in der ersten Hälfte der 80er Jahre öfter der Pop-Affirmation recht nahe und geht dabei manchmal sogar über die Inspektion der postmodernen Rock-»Dekonstruktion« durch den Avant-Pop von Pere Ubu, DNA etc. (Grossberg 1984: 249) hinaus. Die Kritik an Hebdiges Überzeugung vom avantgardistischen Zeichen-Gebrauch der Punks beschränkt sich nämlich nicht allein auf dessen Glauben an die bestimmte, subversive Wirkung dieser Dekontextualisierungen und Entwendungen (Laing 1985: 96f.), sondern zieht – im Falle Gary Clarkes – ebenfalls Hebdiges starre Unterscheidung von normalisiertem Mainstream und künstlerisch bewusster, den herrschenden Konsens aufbrechender Subkultur in Frage: Die geglückte, potenziell subversive Praxis der Bricolage, der Aneignung und Neukombination vorgegebener Elemente sei keineswegs nur bei wenigen Innovatoren anzutreffen – und noch viel weniger sei es richtig, den Verlust der verstörenden Kraft subkultureller Zeichen auf ihre weite, marktförmig organisierte Verbreitung und ihre Aufnahme durch die »artless« working class zu-

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rückzuführen; die Bedeutung von Punk und New Wave liegt für Clarke vielmehr darin, die Trennlinie zwischen angeblich unbedarften Teenagern und anspruchsvollen, kritischen Rockmusikhörern aufzuheben (»the ›new wave‹ eroded the distinction between ›tenyboppers‹ and youth, which was largely based on the distinction between progressive LPs and pop singles of the early seventies. Punk made singles and singles artists acceptable«). Es überrascht nicht, dass diese Argumentation Clarke 1981 zu einer positiven Bewertung von »the decadence and the glamor of the new romantics« führt, auch und gerade in ihrer kommerziell erfolgreichen Phase. Viel bedeutsamer als spezielle Verfremdungen von Elementen der (fälschlich als homogen gedachten herrschenden) Zeichenordnung erscheint Clark das allgemeine Signal, das von der Hinwendung zu hedonistischen und materialistischen Lebensweisen ausgehe: Es zeige den massiven, politisch bedeutungsvollen Widerwillen gegen die mangelnde Beteiligung am gesellschaftlichen Reichtum an. Clarkes zentrale Einschätzung lautet, »that the politics of youth cultural styles is not contained within the semiotic value of particular artifacts. Rather, the very existence of a youth culture, the quest for ›good times‹ and ›good clothes‹, contains an element of resistance as part of a struggle over the quality of life. State monetarism involves an attempt to lower working-class expectations, to ›tighten our belts‹; youth culture represents an anchor for refusal, for resistance to a return to austerity. Young people now expect a certain standard of living based on good clothes, records, nights out, or whatever.« (1990: 94)

Clarkes Aufsatz trägt darum den hübschen Titel Defending Ski-Jumpers; »such cults as glam, disco, and the ted revival, which lack ›authenticity‹«, schließt er folgerichtig in sein politisch motiviertes Lob der Jugendkultur und seine damit verbundene Abneigung gegen »the subcultural literature’s focus on the stylistic deviance of a few« ein (ebd.: 90). Dick Hebdige, gegen den sich Clarkes Abneigung ausdrücklich richtet, muss sich allerdings davon nicht (mehr) heftig getroffen fühlen, verfasst er doch zeitgleich Aufsätze, die ihre Vorbilder nun wesentlich stärker in den Beiträgen der Independent Group als in denen französischer, poststrukturalistischer Avantgardeanhänger finden. Als wichtige Funktion der Pop-art reklamiert er Anfang der 80er Jahre nicht nur die Verfremdung der gewöhnlichen Massenkulturprodukte, sondern weist zugleich auf ihren Beitrag zu der Überzeugung hin, dass »commercial art and packaging«, »popular culture and mass-produced imagery are worthy of consideration in their own right« (1988c: 121). Freilich, am Ende gehört Hebdiges Sympathie stärker dem subkulturellen V-Pop als den Gütern, die eine materialistische Einstellung und einen hedonistischen Konsumimpuls erfordern, wenn er auch grundsätzlich bereit ist, »›popular culture‹ – e.g. a set of generally available artefacts, films, records, clothes, TV programmes, modes of transportation« – gegen ihre kulturkritischen Verächter zu verteidigen (1988b: 47). Darauf scheinen ebenfalls die Schlusspassagen seiner Notes on Pop hinauszulaufen, die er mit der Einschätzung eröffnet, dass »the true legacy of pop is not located in painting or purely academic analysis at all, but rather in graphics, fashion and popular music, in cultural and subcultural production«. Die Beispiele, die er im Folgenden angibt – die subkulturelle Mode Vivienne Westwoods und »the art of

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musical pastiche, word salad, aural cut ups, the art of sound quotation« –, belegen allerdings ausschließlich seine Vorliebe für hoffentlich subversive Stilmischungen und -entlehnungen. Den letzten Satz von Notes on Pop – die ultimative Bestimmung der Pop-art liege »in the generation, regeneration not of Art with a capital ›A‹ but of popular culture with a small ›pc‹« (1988c: 142f.) –, kann man zweifellos als Parole des New Pop und der Pop-Theorie nach Punk und New Wave insgesamt verwenden; anfügen muss man jedoch, dass eine andere, hedonistischere Pop-Fraktion dafür vorzugsweise Beispiele präsentiert, die ohne jeden Avantgardebezug auskommen sollen.

VIII. Rekombinationen der Pop-Theorie

Einleitung Im Zuge der frühen Debatte um eine postmoderne Wende und im Laufe der aus Punk-Avantgarde und New Wave hervorgehenden kurzzeitigen New Pop-Begeisterung und avancierten Pop-Theorie tritt Pop als Schlagwort und Konzept mit einigem Nachdruck auf die intellektuelle Bühne. Im Unterschied zu den ansonsten ähnlichen Diskussionen am Ende der 60er Jahre werden nun auch die gegenkulturellen Bestrebungen oftmals unter dem Titel »Pop« formuliert. Die Pop-Affirmation in der ersten Hälfte der 80er Jahre weist deshalb eine ganze Reihe an Gemeinsamkeiten mit jenen Beiträgen zur amerikanischen Pop-art auf, die nicht von modernen bildungsbürgerlichen oder marxistischen Kritikern stammen. Die Beobachtungen, Perspektiven und Kategorien der 60er Jahre bestimmen folglich noch zu einem beträchtlichen Teil den neuen Pop-Aufschwung. Darum braucht der zweite Überblick weniger Raum. Als neue zusammenfassende Punkte, in die nicht selten die Prinzipien von Kunst-Welt, V-Pop, Meta-Pop, Image-Zeichen etc. in leicht abgewandelter oder anders gerahmter Form eingehen, bieten sich nun Pop-Postmoderne, Pop-Subversion, Konstrukt-Pop, Avant-Pop und Pop-Hedonismus an.

Pop-Postmoderne Geschichtlich gesehen gehört »Pop« der Moderne an. Die starke bildungsbürgerliche Abwehr der zeitgenössischen populären Kultur (und ihre teilweise Hinwendung zu traditionellen oder vergangenen folkloristischen Ausprägungen) erklärt sich nicht zuletzt aus den vom Bürgertum selbst revolutionierten, modernen Verhältnissen: Die Abneigung ist so groß, weil es einen wachsenden Umschlag von Gütern gibt, die von den Hütern der Kultur als (im schlechten Sinne) »populär« und damit nicht selten auch zugleich als »vulgär« erachtet werden; diese industriell hergestellten Produkte gelangen in großer Zahl auf einen unreglementierteren kapitalistischen Markt und werden von einem teilweise neuen, alphabetisierten Publikum erworben, das in demokratisch-egalitärer Absicht schulisch unterrichtet worden ist und in liberalem Sinne die Schranken der Ständeordnung und der religiösen Moral übersteigen darf. Auch die (zu Beginn nicht nur aggressiv gegen das Besitz-, sondern auch teilweise gegen das Bildungsbürgertum gerichtete) Forderung nach einer vollkommenen Freiheit der Kunst, wie sie im Boheme-Ideal des l’art pour l’art zum Ausdruck kommt, zeigt die besondere, negative Berücksichtigung der populären Kultur an. Die populäre Kultur stellt auch für die modernen,

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die Autonomie der Kunst proklamierenden Künstler und Ästheten ein hervorgehobenes Problem dar, weil sie in ihr eine ernstzunehmende Bedrohung erkennen. Ihre eigene Kunstausübung und die ideelle wie materielle Anerkennung ihrer Werke scheint ihnen nicht nur durch den schlechten Geschmack des Philisters und das Nützlichkeitsdenken des Besitzbürgers, sondern auch durch die auf breiteren kommerziellen Erfolg hin verfertigten Produkte nachhaltig gefährdet. Die Freiheit, unabhängig von adeligen Mäzenen für einen anonymen Markt Werke zu schaffen, bedeutet ihnen nur wenig oder gar nichts, weil sie überzeugt sind, dass sich in der freien und gleichen Konkurrenz nur die minderwertigen Produkte durchsetzen. Popularität, im Sinne von kommerziellem Erfolg, im Sinne einer Rezeption durch die vulgäre Masse, gilt ihnen darum als sicheres Anzeichen von Kunstlosigkeit. Diese Dimension des Begriffs »populäre Kultur« (oder »Massenkultur«) erhält sich auch, nachdem »Pop« nicht mehr nur ein Kürzel für ihn bildet, sondern spezieller die musikalischen Vorlieben der Teenager oder Güter mit starkem, industriell fabriziertem Gloss und Glamour bezeichnen soll. Teilweise bleibt sie sogar angesichts von Pop-art-Werken erhalten, die bloß Produkte der Massenkultur zitieren und in einen veränderten, avantgardistischen Rahmen überführen. Postmodern darf man deshalb mit einigem Recht alle Versuche nennen, den Unterschied von hoher (autonomer) und kommerzieller Kunst zu beseitigen. Genau dies tut Leslie Fiedler Ende der 60er Jahre. Erstens verweist er auf Songschreiber und Musiker wie Bob Dylan, Frank Zappa, John Lennon und Autoren wie William Burroughs und Anthony Burgess, die alle auf ihre Weise das Vorurteil widerlegten, Arbeiten, die innerhalb oder mit der Popkultur entstehen, seien von minderem Wert. Zweitens fordert er für die Gegenwart und Zukunft einen manifesten Bruch mit der ernsthaften, bereits wieder akademisch gewordenen modernen Kunst ein; gegen sie proklamiert er eine »postmoderne« Kunst, welche die Grenze zwischen hoher und niederer Kunst auslöscht, indem sie diese von beiden Seiten aus übertritt: »by parody or exaggeration or grotesque emulation of the classic past, as well as by the adaption and camping of pop forms« (1969: 256). Streng an die Moderne gebunden ist dieser postmodernism, weil er (wenigstens zu Beginn) die unterstellte moderne Entgegensetzung von hoher, wertvoller, elitärer Kultur und niederen, wertlosen, massentauglichen PopFormen (wie Western, Science Fiction, Pornografie) unbedingt braucht, um sie hinter sich zu lassen; eine Grenze kann man schließlich nur übertreten, wenn es sie gibt. An die Moderne gemahnt Fiedlers Programm zudem, weil es die Grenze insofern anerkennt, als es die höchste Wertschätzung jener Kunstausübung zubilligt, die einen Bezug der beiden bis dahin separierten Sphären stiftet. Man hätte die Grenzziehung, die in erster Linie auf einem angenommenen tiefen Wertunterschied beruht, auch angreifen können, indem man einfach die prinzipielle Gleichrangigkeit unterschiedlicher Gattungen, Genres, Stile (Western, Oper, Soul, Nouveau Roman, Expressionismus etc.) behauptet. Mit Blick auf Fiedler könnte man allerdings noch anfügen, dass man auch dann der Überzeugung nachhängen kann, eine Grenze zu überschreiten, wenn man allein glaubt, es gebe sie. Schließlich könnte man Fiedlers Auffassung durch den Hinweis angreifen, dass die von ihm geschätzten und projektierten Grenzverletzungen bereits zum historischen Programm der Futuristen, Dadaisten und Neo-Dadaisten (den Pop-Artisten) gezählt haben. In dem Fall

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gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man sieht die Grenzverwischung seit jeher in der Moderne angelegt (Bell 1976) und entlarvt dadurch indirekt Fiedlers Einschätzungen als grundlos – oder man deklariert die Konzepte der historischen Avantgarde als ein bis in die 60er Jahre hinein unabgegoltenes Erbe, das nun postmodern eingelöst wird (Huyssen 1986c). In beiden Varianten ändert sich aber nichts daran, dass der (ehemals separierte und oftmals abgewertete) Pop-Bereich seine künstlerische Randstellung durch eine spezifische (moderne oder postmoderne) Art der Vereinigung mit (früheren) Formen der Hochkultur verliert. Das Vorbild der Pop-art ist hier unverkennbar, wenn man denn der Auffassung anhängt, dass die Pop-artGemälde, -Siebdrucke etc. nicht als ungenügend transformierte Bilder aus dem Bereich der Massenkultur, sondern als modern-abstrakte Bearbeitungen solcher Vorlagen einzuordnen sind. Eine solche Ausrichtung an der Pop-art prägt ebenfalls die beiden weiteren bekannten frühen Konzeptionen der Postmoderne. Charles Jencks sieht die Aufgabe einer postmodernen Architektur darin, Häuser zu entwerfen, die auf zwei Ebenen funktionieren: Zum einen sollen sie den élite, zum anderen den popular code beherrschen (1991: 107). Wie die Pop-art würden die nach dem Prinzip errichteten Gebäude dann sowohl den Liebhabern der modernen Kunst als auch den Anhängern der populären Kultur auf je eigene Weise etwas bieten. Genau diese Eigenschaft der Pop-art steht auch im Zentrum der Überlegungen des Teams um Robert Venturi. Am Beispiel von Las Vegas fordert Venturi die Architekten auf, es wie die Pop artists zu machen und den Wert der kommerziellen Szenerie nicht einfach zu leugnen, sondern mit bekannten Elementen etwas Ungewöhnliches zu schaffen, fine art und crude art miteinander zu kombinieren (Venturi/Brown 1968: 37, 91). Bei beiden, Venturi wie Jencks, ist diese Möglichkeit zudem aus einem anderen, prinzipiellen Grund gegeben: Weil sie im Gegensatz zu den meisten modernen Architekten keinen festen Zusammenhang zwischen Funktion und Form erkennen, stehen für sie prinzipiell alle möglichen Stilmischungen offen, auch und gerade im Bereich der Ornamente, auf der Fassade, der Oberfläche der Gebäude. Ihre Bestimmungen der postmodernen Architektur gehen allerdings nicht darin auf, dem Architekten vollkommene Freiheit bei der Gestaltung der Häuser zu gewähren. Da Jencks den Architekten darauf verpflichten möchte, auf der Seite des popular code die herkömmlichen, traditionellen baulichen Gegebenheiten zu berücksichtigen – und Venturi darauf dringt, dass die Architektur dem Städtebewohner mit Hilfe von applizierten Symbolen bürgerliche Orientierung gibt –, verliert ihre jeweilige Version der Postmoderne sogar wieder weitgehend den Pop-Bezug. Ganz stark tritt die Pop-Dimension hingegen in den Stil- und LifestyleDebatten um 1980 hervor. Es geht dabei – aber keineswegs ausschließlich – um den Nachweis, dass der postmoderne Eklektizismus sich ebenso bei Gegenständen der Hoch- wie der Popkultur bedient. Es geht dabei vor allem auch um den Nachweis, dass der Popbereich, den man zuvor gerne auf den aktuellen Moment, auf die Dokumentierung und Ausformung des momentanen, flüchtigen Zeitgeists festgelegt hat, ab jetzt in der Kombination und Abwechslung von Retro-Moden aufgeht (York 1983a). Erst hier hat man es mit einem Ansatz zu tun, den man als Pop-Postmoderne bezeichnen kann. Entschärfen kann man den Ansatz, indem man ihn bloß als vorübergehenden modischen Ausdruck des historischen Augenblicks auffasst; dann wä-

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re die Postmoderne nur ein Moment in dem nach wie vor grundsätzlich modernen Verlauf, der zu weiteren Neuerungen (oder sogar Fortschritten) führt. Auf Dauer gestellt wird die Postmoderne hingegen, wenn sie als abschließender Zustand, als post-histoire betrachtet wird, nachdem alle Möglichkeiten geschichtlich ausgeschöpft worden sind und es nur noch darum gehen kann, sie innerhalb eines »Pluralismus von Gestaltungsverfahren und Stilen« zu variieren oder zu kombinieren (Gehlen 1965: 229). Bejaht wird dieser Zustand wiederum von Pop-Theoretikern, die in ihm etwas Neues erkennen, das sie aus politisch-philosophischen Gründen begrüßen. Die Überzeugung, dass man sich in einer unabsehbaren Zeit befinde, in der die Oberfläche nicht mehr auf einen dahinterliegenden Kern verweise, in der die Signifikanten nicht mehr durch Signifikate stillgestellt, die Zeichen nicht mehr in ihrer Bedeutung durch eine feste Referenz garantiert und die Moden nicht länger durch den Zeitgeist gestiftet werden, ist für sie ein Anlass zur Freude. Im Anschluss an die poststrukturalistische Theorie geht ihr philosophischer Ehrgeiz darauf, den Nachweis zu führen, dass solche fixen Bezüge immer nur durch Machtverhältnisse gestiftet sind, die man überwinden müsse und deren versuchsweise als abgeschlossen hingestellte Ordnungsund Begründungssysteme man tatsächlich wegen des unaufhörlichen Flusses der Signifikanten stets dekonstruieren könne. Greifbarer sind die mit diesem Projekt verbundenen kulturellen Vorlieben der Pop-Theoretiker: Die unbegrenzte, sinnlose Kombinatorik der (postmodernen) Mode (Baudrillard 1991: 140f.) sehen sie auf glückliche Weise durch den Zitat-Pop Anfang der 80er Jahre, durch den schnellen Austausch von bedeutungslosen Image-Zeichen gewährleistet (Diederichsen 1983b). Äußerst positiv erscheint ihnen dieser Pop-Postmodernismus, weil er ihren mikro-politischen, anarchistischen Zielen entgegenkommt, sich nicht autoritär auf eine Identität, auf eine Form, auf einen Sinn, auf eine als wesenhaft, als natürlich ausgegebene Ordnung festlegen zu lassen. Den Pop-Kommerz scheuen sie darum keineswegs, er scheint ihnen viel weniger (im Sinne Adornos) durch das schematisierende Gesetz des Warenfetischismus bestimmt zu sein als durch die Garantie, Substanzen und feste Bindungen aufzulösen. Kritisch betrachtet wird der Pop-Postmodernismus durch moderne linke Kritiker, die selbst bei aller Sympathie für das bekundete politische Anliegen mancher poststrukturalistischer Theoretiker der festen Überzeugung sind, dass das fortgesetzte, referenzlose Spiel der Zeichen – auch und gerade im Bereich der Popkultur – in Wirklichkeit die bestehenden Verhältnisse zementiere; die Postmoderne leiste wegen ihrer oberflächlichen, unkritischen und geschichtslosen Pastiche/Zitatformen – wegen ihrer Meta-Pop-Verfahren – und ihrer bedeutungslosen Abwechslung und beliebigen Kombination von Images der spätkapitalistischen Konsumkultur Vorschub; weil nun selbst die moderne Hochkultur sich der kommerziellen Popkultur nachhaltig öffne und der Faszination von kitsch, camp, advertising und television images erliege, gebe es kein Außerhalb des consumer capitalism mehr, lautet das bekannte Urteil Fredric Jamesons. Neu ist das Urteil streng genommen nicht, schließlich sieht bereits Adorno die Autonomie der hohen Kunst durch die stereotypen, nivellierenden Mechanismen der Kulturindustrie mehr als nur bedroht. Jameson setzt noch hinzu, dass dies nicht das Ende der Kultur, sondern gewissermaßen ihre endlose, rapide Ausdehnung bedeute, wenn man die »transformation of the ›real‹ into so many pseudo-events« mit solch einer entgrenz-

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ten Kultur gleichsetzt. Die vollkommen durchgesetzte Eindimensionalität der postmodernen Kultur benötige nicht mehr die ideologische Anstrengung, eine Norm zu begründen und sie hegemonial auch denen plausibel zu machen, die ihr unterliegen sollen; die postmoderne Kultur bilde vielmehr selbst das normalisierte Feld, in dem nicht ein Gesetz mehr herrsche, sondern eine stilistische und diskursive Vielfalt anzutreffen sei, ohne dass dadurch die politökonomischen Abhängigkeits- und Machtverhältnisse aufgehoben worden wären (Jameson 1984; 1985).

Pop-Subversion Zu einer ganz anderen Ansicht kommen die Verfechter des Prinzips der Subversion aus den Reihen der Cultural Studies. Sie hängen der Auffassung an, Gesten der Abweichung seien politisch wirksame Akte, weil sie die herrschende Ordnung, den hegemonialen Anschein der Selbstverständlichkeit solcher Ordnung, störten und durchkreuzten. Weil aus ihrer Sicht Macht nicht bloß durch repressive Akte, sondern durch die hegemonial erzeugte Lust an der Übereinstimmung mit der hergestellten Normalität garantiert wird, besteht für sie politischer Widerstand keineswegs allein in dem Versuch, revolutionäre Botschaften argumentativ oder propagandistisch zu behaupten und die Einnahme staatlicher Machtpositionen auf dem Wege parteipolitischen Kampfs anzustreben. Mit dieser Einschätzung befinden sie sich in der Tradition der antiautoritären Linken der 60er Jahre und deren avantgardistischen, anarchistischen, libertären Vorläufern. Im Unterschied zu ihnen binden sie die subversiven Akte jedoch nicht an Projekte, die sich unabhängig von den Vorlagen der kommerziellen Sphäre machen wollen. Zum Pop-Bereich können die Subversions-Ideen der Cultural Studies-Autoren gerechnet werden, weil sie jugendlichen Subkulturen das Vermögen zugestehen, die Produkte der Konsumgüter- und Unterhaltungsindustrie nicht bloß passiv zu konsumieren, sondern auf eine eigene Weise zu adaptieren. Der subkulturelle Stil besteht nach Ansicht der Birminghamer Cultural Studies-Schule darin, in identifizierbarer, sichtbar ausgeprägter Manier die Vorgaben der Kulturindustrie nach Maßgabe eines eigens generierten Codes umzufunktionieren und in den Dienst einer abweichenden Lebensweise zu stellen. Subversiv sei dieser Vorgang, weil er durch den Akt der Umcodierung und Resignifikation deutlich mache, dass den vorgegebenen, hegemonialen Bedeutungen und Gebrauchsweisen kein Ewigkeits- und Natürlichkeitswert zukomme (Clarke/Hall/Jefferson/Roberts 1976: 54f.). Die subkulturelle Subversion richtet sich im Bereich der populären Kultur gegen den Mainstream-Pop, ergänzt Dick Hebdige am Beispiel der Punk-Bewegung; mit den Mods, den Glam-Rock-Anhängern und eben den Punks präsentiert er jedoch als subversiv wirksame Subkulturen abseits des hegemonial durchdrungenen Mainstreams Gruppen, die weit von kleinen Boheme-Zirkeln der künstlerischen Avantgarde entfernt sind – wenn er auch die Umwidmungen der herrschenden Zeichen-Ordnung durch die Punks, Mods usf. gerne mit den Aktivitäten der Dadaisten und anderen Verfremdungsleistungen der modernen Kunst in Verbindung bringt. Das klingt vertraut; bei solcher PopSubversion handelt es sich um eine subkulturelle Variante des V-PopPrinzips. Die Neurahmung und Umcodierung von Elementen und Zeichen

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der Massenkultur und der Mainstream-Mythen wird nun aber nicht anhand von Pop-Artisten, sondern stattdessen anhand von Pop-Subkulturen als künstliche Attacke auf den falschen Schein einer natürlich gegebenen Ordnung ausgelobt. Die große Gefahr für die Formen subkultureller Subversion liegt nach Auffassung der Cultural Studies-Vertreter in der Fähigkeit der Agenturen des Pop-Kommerzes und der hegemonialen Medien, die entwendeten Stilelemente zu readaptieren. Grundsätzlich sind sie ohnehin davon überzeugt, dass die den Stil-Auseinandersetzungen zugrunde liegende Klassenspaltung allein mit dem Mittel der symbolischen Subversion keineswegs überwunden, sondern nur im Zusammenhang übergreifenderen politischen Widerstands erfolgreich angegriffen werden könne. Ihre in jedem Fall eingeschränkte Wirkung würden die subkulturellen Stile aber sogar gänzlich verlieren, wenn ihre Elemente einfach aus dem Kontext des subkulturellen Lebensstils herausgelöst werden könnten und dann zu kommerziellen Zwecken bloß noch als Zeichen des Neuen fungierten. Typischerweise treffe dieses Schicksal freilich nur die akzeptablen, hübschen Elemente; eine allgemeine Vereinnahmung drohe jedoch, wenn sich eine Subkultur, wie im Falle der Mods, selbst ein Image gebe, das rein auf dem überlegenen Gebrauch von Konsumgegenständen in der Freizeit beruhe (Clarke 1976: 188ff.). Den Mods wird zwar in erheblichem Maße zugestanden, dass es sich bei ihnen nicht um passive Konsumenten gehandelt und ihre Aneignung der eigentlich konformistischen Anzug- und Kurzhaarmode subversive Qualitäten aufgewiesen habe, dennoch fällt das abschließende Urteil negativ aus; die Mods hätten ihre tiefe Abneigung gegen die herrschenden Bedingungen der Arbeitswelt nur indirekt in der Freizeitsphäre ausgetragen und seien dadurch letztlich ein zweites Mal der Ausbeutung und Entfremdung anheim gefallen: »The consumer rituals were refined and multiplied ad infinitum and came to involve the use of commodities directed specifically at a mod market by a rapidly expanding pop industry« (Hebdige 1976: 94). Der Pop-Subversion kommt in der Version der Cultural Studies lediglich eine beschränkte Bedeutung zu; sobald die subkulturellen Zeichen von der Kulturindustrie aufgegriffen werden, ist es um sie geschehen. Offen bleibt dadurch die Frage, wie man die Hegemonie aufbrechen bzw. den Pop-Mainstream jemals überwinden möchte, wenn man in dem kapitalistischen Modus der Verbreitung von Zeichen und Produkten letztlich doch wieder bloß eine Gefahr erblickt. Solche Sorgen findet man bei den postmodernen Vertretern des Subversionskonzepts nicht vor, daraus erklärt sich ihr euphorischer Ton. Mit der schnellen medialen und durch das Profitstreben angetriebenen Übermittlung und Herstellung von modischen Zeichen verbinden sie gerade ihre subversiven Hoffnungen. Unterlaufen möchten sie nicht nur die herrschende hegemoniale Ordnung, die ihre Verfassung erfolgreich als unabänderlichen, natürlichen Zustand ausgibt, sondern schlechthin jede Identitäts- und Sinnzumutung. Die Dekontextualisierung der Stile historisch bedeutungsvoller Lebensweisen, die rasche Sukzession referenzloser Modezeichen gilt ihnen deshalb als höchstes Stadium der Popkultur, als eine Pop-Subversion im ausgeweiteten Sinne. Hebdige nähert sich dem in seinen Überlegungen zum PunkStil stark an, wenn er dessen Assemblage-Charakter lobend hervorhebt, der erfolgreich zu einer unabgeschlossenen Sinnverwirrung beitrage (Hebdige 1979: 126); im Einklang mit der Cultural Studies-Tradition befindet er sich

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aber an der Stelle insofern noch, als er die warenförmige und massenmediale Adaption und Repräsentation des Punk-Stils rein als Stillstellung und Verhärtung der avancierten subkulturellen Praktiken denkt. Ganz im Gegensatz dazu stehen die postmodernen Punk-Anhänger; sie berufen sich nicht mehr auf eine Subkultur vor ihrer Vereinnahmung, sondern sehen ihr Ziel einer entgrenzten Pop-Subversion im Einklang mit dem gegenwärtigen, flexiblen Produktionsmodus der kapitalistischen Unterhaltungs- und Medienindustrie, den Leitungs- und Deutungsansprüchen sowohl der staatlichen Institutionen wie der alternativen Sinnstifter harsch entgegengesetzt (Diederichsen 1983b). Vielleicht ist diese an Baudrillard geschulte, wirklichkeitsferne Konzeption aber auch zu einem Teil Ausdruck jener Pop-Affirmation, die sich als Tarnung versteht, als einzige Möglichkeit der Subversion in einer Zeit, in der auffälliges Aussehen und unnormale Lebensweisen im Alltagsleben (außerhalb der Arbeitsstätte) überwiegend toleriert oder in der Werbung längst als Anreiz und Vorbild idealisiert werden. Wenn diese Beobachtung richtig ist, dann ist es nur konsequent, dem üblichen Modell subkultureller Abweichung abzusagen, dem noch die Cultural Studies verpflichtet sind. An seine Stelle tritt im Umkehrschluss die Strategie einer alien culture, die unerkannt bleibt (und bleiben möchte), weil sie sich die »Maske der Normalität« gerade aufsetzt, um die Alltagsverhältnisse zu subvertieren (Diederichsen 1982g: 95). Auch die Affirmation der beliebigen, medial erzeugten Images und der ihrer Bedeutung entleerten konsumistischen, oberflächlichen (Retro-)Moden wäre dann evtl. bloß ein Akt der Simulation.

Konstrukt-Pop Vollkommen ernst gemeint ist ohne Zweifel die Bejahung der Künstlichkeit. Sie ist Bestandteil vieler Pop-Anläufe seit den 60er Jahren. Im Gegensatz zu den früheren Kunst-Welt-Konzeptionen, die gerne enorme, futuristische Dimensionen annahmen und sich auf Objekte und Environments konzentrierten, um mit ihnen die Große Manipulation der menschlichen Lebensumgebung (und damit des Menschen selbst) in Angriff zu nehmen, setzen die neuen Bestrebungen häufiger subtiler an. Sie richten sich gegen die Behauptungen eines natürlichen Ausdrucks, einer authentischen Identität, deshalb favorisieren sie all jene kulturellen Formen und Zeichen, die sichtbar machen, dass sie auch anders hätten ausfallen können. »Avant-garde questions about form – how is meaning constructed? How can it be deconstructed? – had a particular resonance for pop theorists«, fasst Simon Frith (1988c: 193) die Lage um 1980 zusammen. Die Konzeption verbleibt nicht nur auf dem Papier. Die Pop-Theorie sieht sich insofern bestätigt, als sie innerhalb der Pop-Kultur auf einige Entwicklungen verweisen kann, die ihre Aufassungen illustrieren und verstärken. In den engeren Bereich des Konstrukt-Pop fällt erstens die postmodern beschleunigte Abfolge von ausgestellten Zitaten, von Image-Zeichen, durch die deutlich wird, dass die Darstellungen und symbolischen Verweise nicht Entäußerungen eines natürlichen Ausdrucks sind, nicht auf einen festen Wesenskern zurückgehen. Der Sphäre des Konstrukt-Pop gehört zweitens die CampManier an, in der (medialen) Öffentlichkeit als typisch männlich oder weiblich erachtete Haltungen und Präsentationsweisen akzentuiert anzunehmen,

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um dadurch die arbitrariness of our sex roles auffällig zu zeigen und zu beweisen (Newton 1979: xvi, 104ff.). Zur Enttäuschung natürlicher Ansprüche und Werte scheinen ebenfalls, drittens, Genres (von Disco bis zum Kung-FuFilm) beizutragen, die bis dahin wegen ihres inauthentischen Zuschnitts vornehmlich kritisiert worden sind und nun im Umkehrschluss als gelungene Beispiele des Konstrukt-Pop gepriesen werden.

Avant-Pop Zu einer avantgardistischen, minoritären Auffassung der Popkultur kann man die Theorien und Maßstäbe des Konstrukt-Pop rechnen, weil sie es ermöglichen, Pop-Phänomene in einem neuen Licht zu sehen, das ungewöhnliche Gründe für deren Wertschätzung aufscheinen lässt. Auch zuvor hat es selbstverständlich bereits positive Einschätzungen z.B. zu Disco gegeben; im Unterschied etwa zum Lob des Glitters und der körperlich antreibenden Rhythmik von Disco fallen die intellektuellen Gründe zur Hochwertung von Gegenständen der Popkultur aber (positiv formuliert) ambitioniert bzw. (kritisch gesagt) prätentiös aus. Die Hochwertung bringt zwar den Vorteil mit sich, dass die Konzentration bei der Aneignung sonst abfällig angesehener und deshalb wenig eingehend betrachteter Objekte nun eminent zunimmt – eine genauere Beobachtung, die auch nicht bei Fragen zu ihrer Funktion und zur pädagogischen Eignung stehen bleibt, sondern sich der Form der Werke ähnlich intensiv widmet, wie es in Hinwendungen zu Artefakten, die der Hochkultur zugerechnet werden, längst Standard ist. Wenn aber etwa die Welten des Heavy Metal oder des modernen Horrorfilms gleich als »bizarre Zauberreiche voller kleiner und kleinster Bezüge, voller komplizierter Referenzen« ausgegeben werden (Diederichsen 1985: 103), dann zeigt sich doch sofort wieder eine große Distanz zur Wahrnehmungsweise der überwiegenden Zahl der Anhänger jeweiliger Genres. Vor allem die Berufungen auf postmodern anarchistische, antiessenzialistische Maßstäbe zählen zweifellos nicht zu den Momenten, die in erster Linie zum Erfolg von Pop-Titeln beitragen, auch wenn sie vielleicht bei der Begeisterung für deren Glamour und für die Unterhaltung, Lebenssteigerung, Abwechslung, die sich viele von ihnen versprechen, untergründig mitschwingen. Das ändert jedoch rein gar nichts an dem enormen Abstand, der zwischen den ausführlich dargelegten oder voraussetzungsreichen Urteilen im Sinne der Pop-Theorie und den erklärten Vorlieben der meisten Anhänger von Donna Summer oder Abba liegt. Letztere würden kaum verstehen, weshalb die Verfechter der Pop-Postmoderne und des Konstrukt-Pop zum gleichen Ergebnis kommen wie sie selbst. Das spiegelt sich auch im Kanon des Avant-Pop wieder. Im Regelfall zeichnet sich der Avant-Pop-Geschmack nicht allein dadurch aus, dass er ohnehin erfolgreichen Manifestationen der Popkultur ebenfalls – jedoch aus anderen, ungewöhnlichen Gründen der Oberflächen-Ästhetik, des KonstruktPop, der Pop-Subversion, der Image-Zeichen-Postmoderne – anhängt. Hinzu kommt oft, zweitens, dass sich unter den Vorlieben der Avant-Pop-Vertreter Gegenstände finden, die sonst nicht nebeneinander stehen: Abba bekommt mitunter den gleichen Rang wie Captain Beefheart zugesprochen, Giorgio Moroder befindet sich auf einer Höhe mit Frank Zappa oder Edgar Varèse,

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die Sex Pistols erfahren die gleiche Wertschätzung wie ABC, Mari Wilson zumindest vorübergehend die gleiche Anerkennung wie Throbbing Gristle oder Ornette Coleman. Das verdankt sich zum Teil sicherlich der Abgrenzung gegenüber dem älteren, gut formierten Kanon der Gegenkultur, in dem sich UndergroundRockgruppen (Velvet Underground, Stooges), eine Reihe bestimmter Free Jazz-Exponenten wie John Coltrane, Singer/Songwriter von Dylan bis Nick Drake, synkretistische Ansätze (etwa von Oregon, Van Dyke Parks, Sly Stone) befinden, aber eben nicht die Supremes oder die Bee Gees. Die Aufnahme auch solcher Gruppen und ihrer aktuellen Entsprechungen erweitert den Kanon nicht nur, sondern richtet ihn vielmehr neu aus. Das geschieht weiterhin im Geist der Gegenkultur, gemäß der Überzeugung, dass kulturellen Vorlieben, die einem angenommenen Mainstream-Geschmack zuwiderlaufen, eine politische Bedeutung, eine verändernde Kraft innewohnt. Weil aber der vertraute Kanon der Gegenkultur, so die Annahme der Avant-Pop-Vertreter, mittlerweile bereits auf dem Weg ist, Anerkennung in den Institutionen der Hochkultur zu finden, muss er entweder preisgegeben oder neu zugespitzt werden. Die eigentümliche Zusammenschau von einigen ausgesuchten PopHits mit Standards der Gegenkultur stellt eine Entscheidung für die zweite Alternative dar. Die dritte Variante des Avant-Pop besteht darin, den Stücken der dilettantischen, aggressiven Punk-Bands und künstlerisch, experimentell interessierten New Wave-Gruppen eine Konzentration und scharfe Kontur etwa in der Tradition des englischen Mod-Stils der 60er Jahre abzuverlangen. Der AvantPop wird dadurch zu einer neuen Musik; Paul Morley (1980; 1992) fasst die Protagonisten dieser Musikrichtung (von Blondie und Buzzcocks über Ludus und Joy Division oder B-52s und Bow Wow Wow bis hin zu Orange Juice und Josef K) unter dem Titel New Pop zusammen. Viele Gruppen befinden sich darunter, die von kleineren »Independent«-Labels veröffentlicht werden – und manche Gruppe, die den Sound des später so genannten englischen »Indie-Pops« prägt –, Morley möchte aber mit dem Begriff »Pop« gerade seinem Verlangen Ausdruck verleihen, der New Pop solle mit der Selbstgenügsamkeit einer alternativen Künstlerexistenz brechen und mit dem Anspruch auftreten, in die Charts zu gelangen. Dass Morley dieses Ziel nicht zuletzt ausgibt, weil er die Charts seinerzeit von mäßigen Mainstream-Gruppen dominiert sieht, zeigt wiederum den Avant-Pop-Charakter seiner ErfolgsMaximen deutlich an.

Pop-Hedonismus Den Anspruch des Künstlerischen, halbwegs Avantgardistischen hält eine weitere New Pop-Fraktion nicht mehr aufrecht. Im Gegenteil, sie erkennt in ihm gerade das sichere Anzeichen alternativer Erfolglosigkeit und falscher Überheblichkeit; ihr ideeller Bezugspunkt ist nicht die Galerie, sondern die Teenager/Mädchen-Zeitschrift, manchmal auch das glamouröse Modejournal. Aus dem Avant-Pop soll Pop werden, ohne Zusatz; Gruppen wie die erneuerten ABC oder Human League stehen dafür ein, später etwa Wham! und Culture Club. Die auffällige Verbindung von Musik und Image zu einem bunten Style-Syndrom gefällt den Pop-Hedonisten bereits an sich als eine reizvolle

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Verdichtung und Unterhaltung; die starke Bejahung der Oberflächen-Ästhetik kommt bei ihnen ohne die radikale Hoffnung auf eine Auflösung aller Identitäten und Sinnzusammenhänge aus, auch wenn das von ihnen gerne geltend gemachte Prinzip der Abwechslung garantiert, dass keine tiefen Bindungen entstehen. Von dem avantgardistischen Maßstab der Übertretung und der Intensität, der im Bereich der Pop-Gegenkultur als entgrenzter, perverser Hedonismus bzw. als Lob des revoltierenden Reiz-Angriffs wiederkehrt, wenden sie sich zwar keineswegs immer (vgl. Grossberg 1997a: 73), aber doch häufig ab. Der Reiz, den sie verfolgen, soll angenehmer sein; das erzeugte Lustgefühl muss einen keineswegs in Richtung Grenzüberschreitung treiben, um geschätzt zu werden (Kid P. 1982b; 1982e). Widerständige Impulse von den Produkten oder Aneignungen der Popkultur erhoffen sie zwar ebenfalls wie die Verfechter der Pop-Subversion (im Sinne der Cultural Studies oder der beschleunigten Pop-Postmoderne); im Unterschied zu ihnen setzen sie aber nicht auf Verfremdungsleistungen, subkulturelle Umcodierungen oder eine geheimnisvolle Kritik durch rückhaltlose Affirmation; viel bedeutender erscheint ihnen jener Hedonismus, der sich vor allem an aktueller Mode, sinnlichen FreizeitVergnügungen, attraktiven Images etc. entzündet und den Abstand zu einem aufgeherrschten Regime des materiellen Mangels im besten Falle offen hält (Clarke 1990). Von einer Bejahung der bestehenden Verhältnisse ist dieser Pop-Hedonismus demnach weit entfernt, obwohl er sich stark an die liberalkapitalistisch hervorgebrachten Pop-Produkte hält. Zumindest mit der kritischen Wendung gegen die vorherrschenden sozial einengenden, materiell oftmals niederdrückenden Verhältnisse verbleibt solch eine Form des Pop-Hedonismus im Zusammenhang von Avant-Pop, PopSubversion usf., wenn er auch die abstrakt politischen, im intellektuellen Rahmen hervorgebrachten Pop-Ideen und -Vorlieben gänzlich von künstlerischen Bezügen lösen will. Dass er wegen der manchmal ausgesprochenen, manchmal nur angedeuteten politischen Pointierung seinen Platz im Zusammenhang der avantgardistisch oder subkulturell gedachten Pop-Konzepte behält, ist von entscheidender Bedeutung, weil er sonst kaum einen Ort, von dem er aus sprechen könnte, finden würde. In Teenager-Pop-Magazinen verbieten sich traditionell solche Überlegungen, dort hält man sich an das Aussehen und die von den Presseabteilungen durchkomponierten Aussagen der Stars oder schreibt über soziale Probleme zumeist als private Schwierigkeiten, die dem Einzelnen zur Lösung aufgegeben sind. In politischen Reden und Leitartikeln wiederum, in den konservativen, liberalen und sozialdemokratischen Apologien und Rechtfertigungen der bestehenden Gesellschaftsordnung, stehen die möglichen Vorzüge der in ihr hervorgebrachten Popkultur noch nicht im Mittelpunkt der Argumentation. Es bleiben darum vorerst nur bestimmte Organe der intellektuellen und künstlerischen Boheme übrig, um auch in allgemeiner Art und Weise die Vorzüge der eingängigen, oberflächlichen Popkultur auszumalen. Dies kann man dort jedoch um das Jahr 1980 im Regelfall nur tun (falls es nicht bei einer vorübergehenden Provokation der alternativen Hippie-Kultur bleiben soll), wenn man den manifesten oder zumindest latent originellen oder sogar kritischen Zug des Unterfangens betont. Deshalb überrascht es keineswegs, dass die euphorischsten Hochwertungen der aktuellen Popszenerie hier mit

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einer polemischen Spitze versehen sind, die den letztlich ungewöhnlichen Charakter der Pop-Affirmation sichtbar machen. Um die aus anderen Magazinen und Zusammenhängen bekannte Feier einzelner Attraktionen und bunter, abwechslungsreicher Vergnügungen geht es nicht nur, soviel wird schnell deutlich. Zum einen sorgt dafür die aggressive, originelle Wendung gegen die Boheme-Kunstszene selbst, eine Szene, die immer bereit ist, über ihre mögliche Vereinnahmung und über den Sinn der Kunstausübung nachzudenken. Zum anderen trägt dem die Idee Rechnung, dass aus dem hedonistischen Konsumverlangen nach wenig bedeutenden, auffällig stilisierten Unterhaltungsobjekten, Schmuckgegenständen und angenehmen Reizquellen eine nachhaltige Abneigung gegen das vorgebliche Realitätsprinzip erwachsen könnte. In der Summe laufen darum nicht nur die historischen Ansätze der PopGegenkultur, der Pop-Subversion, des Konstrukt-Pop, des V-Pop, des AvantPop, des Meta-Pop, der Oberflächen-Ästhetik, des Reiz-Angriffs, der AntiNarration auf ein Pop-Konzept hinaus, das sich von der Bedingung der großen Zahl löst, sondern auch die Bejahungen der Großen Manipulation, der Kunst-Welt, der Medien-Botschaft, der Image-Zeichen und Pop-Postmoderne – und sogar häufig ebenfalls die intellektuell gefassten Versionen des PopHedonismus und der Konsum-Freiheit. Sie alle binden in ihren jeweiligen Ausprägungen den Pop-Begriff nicht an die Bedingung, dass das von ihm Bezeichnete eine große Menge an Leuten betrifft oder ergreift. Gerade zum Mainstream rechnen viele intellektuelle, feuilletonistische Autoren, die ihre Beschreibungen und Bewertungen der Oberflächen-Ästhetik, der Kunst-Welt etc. mit dem Ausdruck »Pop« versehen, jene unter dem Titel vorgestellten Objekte und Ereignisse oftmals nicht. Selbst die Konzentration auf die Gruppe der Teenager und der Twens, deren weitgehende Übereinstimmung die Mindestbedingung des Pop-Populismus bildet, ist bei den Verfechtern von einzelnen oder mehreren Dimensionen des Pop-Konzepts keineswegs überwiegend vorzufinden. »Pop« setzt sich in der Hinsicht von der »populären Kultur« ab. Dieser Begriff ist immer verwendet worden, um die Beliebtheit bei einer großen Klasse von Menschen oder sogar einer schichtenübergreifenden Menge anzuzeigen (beim Volk, bei den einfachen Leuten, den alten Bauernständen, bei der Masse, der Arbeiterklasse, den Subalternen, den hegemonial aufgerufenen Subjekten); auch wenn man keine speziellen Angaben vorgenommen und bloß Eigenschaften von Werken oder Rezipienten hervorgehoben hat (»kitschig«, »glatt«, »seicht«, »trivial«, »stereotyp«, »einfach« usf.), ist unausgesprochen stets deutlich gewesen, dass diese Charakteristika typisch für die Vorlieben der großen Menge oder der niederen Schichten seien. Die Bezüge hingegen, die nun oft unter dem Begriff »Pop« versammelt oder einzeln besonders herausgestellt werden – vom Konstrukt-Pop bis zur Pop-Postmoderne –, sind in ihren vorherrschenden Ausprägungen nicht mehr substanziell an solch große Gruppen oder Mehrheiten gebunden. Teilweise, etwa im Falle des Avant-Pop, der Pop-Subversion oder der Pop-Gegenkultur, sind sie sogar ausdrücklich dem »Mainstream« abgewandt oder entgegengesetzt. Dass die so benannten Pop-Phänomene rasch oder auf längere Sicht das urbane Bild prägen bzw. zum Eigentum oder ideologischen Antrieb einer großen Menge von Menschen gehören, zählt freilich häufig zur Hoffnung dieser Facetten des Pop-Konzepts. Verwirklicht sehen diese Hoffnungen und

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Erwartungen – allerdings mit rein negativem Ergebnis – bereits die konservativen, sozialistischen, kulturkritischen, anarchistisch-machtkritischen oder alternativ-konsumkritischen Gegner der neutral-deskriptiv oder affirmativ vorgestellten Pop-Dimensionen. Für sie prägt nicht nur nachhaltig der PopKommerz und die Konsum-Freiheit, sondern auch schon die Oberflächenästhetik, der Konstrukt-Pop, der Pop-Hedonismus etc. die gegenwärtige liberalkapitalistische Gesellschaft.

IX. Nachgeschichte 1985-2009

Einleitung 1985 hat sich die Pop-Begeisterung bei der weit überwiegenden Mehrzahl derjenigen, die sie als Journalisten und Essayisten seit Anfang des Jahrzehnts besonders stark kultiviert haben, bereits wieder gelegt. Der Überdruss an den eigenen Hoffnungen und den damit verbundenen Erläuterungen und Theorien ist aber nicht so heftig, dass man das Thema einfach enttäuscht fallen lassen würde. Im Moment der öffentlich bekundeten Resignation erscheinen die ausführlichsten Zusammenfassungen und Rückblicke. Der Abgesang zeigt zugleich an, wie sehr man den Pop-Maximen nachhängt; man erkennt dies auch daran, dass die veränderte Einschätzung häufig mit einer geänderten Lage begründet wird und nicht mit dem Eingeständnis einer falschen Betrachtungsweise einhergeht. Weil man sich keineswegs mit einer Verteidigung der Konsum-Freiheit und des Pop-Hedonismus begnügen möchte, kann die Lagebeurteilung nur schlecht ausfallen. Für die Avant-Pop-Anhänger hat sich New Pop zu sehr von ihren künstlerischen, avantgardistischen Ansprüchen entfernt – und für die Verfechter der Pop-Subversion und des kritisch gemeinten Konstrukt-Pop ist es natürlich überhaupt kein Grund zur Freude, dass die postmoderne Vervielfältigung der Image-Zeichen die liberal-kapitalistische Ordnung unangetastet lässt. Von Simon Reynolds wird die entsprechende Rekapitulation und Bewertung 1985 mustergültig durchgeführt. Zuerst ruft er die Pläne und Ziele in idealer Weise in die Erinnerung zurück: »New pop involved a conscious and brave attempt to bridge the separation between ›progressive‹ pop and mass/chart pop – a divide which has existed since 1967 and is also, broadly, one between boys and girls, middle-class and working-class leisure.« Als seien diese Ziele nicht verwirklicht worden, spricht Reynolds im Anschluss daran von Versuchen, die unternommen worden seien, um die benannte Lücke (postmodern) zu schließen: »There was an attempt to confuse gender distinctions within the individual as well as the pop marketplace – an interest in androgyny, ambiguity, and male glamour; attempts to explode the fixed male critical hierarchies, the disdain for ›mass-produced‹ pop, to attend seriously to the pleasures of dance, the formulaic and the transient, artifice, the uses of stardom.« Weniger vorsichtig im Ton konstatiert Reynolds die vollzogene Abkehr vom amerikanischen Rock ’n’ Roll und Hinwendung zu »Europe (electronics, avant-garde noise) and black pop (David Byrne had said: ›Black dance production techniques are a more radical breakthrough than punk‹) to forge a futurist(ic) music.« Als Tatsache gibt er ebenfalls eine zweite auffällige Abkehr – die von der modernen Konventionslosigkeit – aus: »Others returned to classicism (against 1979’s minimalism, the modernist

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fear of the conventional structure) but leavened with postmodern mixing of styles, ironic and exposed intertextuality.« Völlig zu Recht betont Reynolds auch, dass bereits die häufige Verwendung des Wortes pop die vollzogene Wendung dokumentiert: »New pop aimed to unite head and body, serious ideas and surface pleasures, theory and love. Faced with the specter of punk turning into what had been its original target – progressive rock – the only way out was pop: the investment in the word ›pop‹, against ›rock‹, was a renewal of faith in the possibility of breaking the boys/girls divide« (Reynolds 1990n: 467f.). An der Aufzählung der Gegensätze kann man bereits erahnen, weshalb Reynolds bloß von einem Versuch gesprochen hat, sich in Kontrast zu den gewöhnlichen männlichen, intellektuellen Überzeugungen ernsthaft den »pleasures of dance, the formulaic and the transient, artifice, the uses of stardom« zuzuwenden. Das Wort vom »Versuch« zeigt hier keineswegs an, dass der Anlauf gescheitert ist, sondern vielmehr, dass er zu sehr geglückt sei. Nicht gelungen ist aus Reynolds Sicht tatsächlich der Versuch, die Lücke zwischen Geist und Körper, zwischen »serious ideas and surface pleasures« zu schließen, weil der New Pop-Aufschwung nach seinem Urteil am Ende nur wieder (auch in der intellektuellen Pop-Affirmation) zu einer neuen Einseitigkeit geführt hat: »Color, dance, fun, style were sanctioned – they were both strategically necessary, being the terms of entry into pop – and pleasurable, allowed under the new creed of guilt-free hedonism. What went wrong was when new values became new dogmas, new barriers – such as snobbery against uncommercial but valid musical initiatives (dealing with art concerns, musical innovation, dark things)«, lautet die jetzt unmissverständliche Einschätzung Reynolds’ (ebd.: 468). Gleichfalls in einem viel zu dominanten Sinne Wirklichkeit geworden zu sein scheint Reynolds die materialistische und erfolgsorientierte Seite des neuen Pop-Ansatzes. Ebenso wie ihm in der zeitgenössischen Popmusik und den gegenwärtigen Images der künstlerische, experimentelle, dunkle AvantPop-Anteil fehlt, vermisst er beim durchgesetzten Pop-Hedonismus die subversive, kritische Haltung. »New pop ideology was vague – Adam Ant talked of giving people hope and pride, through entertainment, ABC of choice and change and value – almost just a vision of better, more exciting and efficient consumer capitalism«, fasst Reynolds zusammen, wobei sich unter der Hand der Vorwurf der Vagheit zu der Anklage verkehrt, dass die New PopAnschauung der Affirmation des liberal-kapitalistischen Konsumismus gefährlich nahe komme. Offensichtlich erscheint es Reynolds undenkbar, dass dies die Absicht zumindest einiger Pop-Ideologen gewesen sein könnte. Sein Vorwurf richtet sich gegen die leicht mögliche Vereinnahmung von New Pop; die Idee, dass man Kapitalismuskritik ohne Konsumkritik betreiben könne, ist dadurch ausgeschlossen; es bleibt deshalb bei dem negativ gemeinten Urteil, die subversiv gemeinte Pop-Affirmation habe ihren widerständigen Stachel inzwischen längst verloren: »All this was recuperable to a conventional Cosmo idea of the good life – hedonism as intense consumerism, suntan, and smiles – or the whole Face life-style mentality. Fun was scoured of derangement and dissipation; new pop subsumed into show biz; and from new pop hatred of immobility […] it was a short step to upward mobility«, lautet die anklagende Bestandsaufnahme Reynolds (ebd.), die im Ergebnis sicher richtig ist, zu deren

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zweifelhaften Prämissen jedoch die Einschätzung gehört, dass es allen New Pop-Verfechtern auf eine Verwirrung, Bewegung und Ausschweifung angekommen sei, die vom Schaugeschäft und dem sozialen Aufstieg getrennt wäre. Völlig unstrittig ist aber eins: die kritisch begründete Abkehr von ihrer einstigen Pop-Begeisterung bildet nun einen Gemeinplatz unter den publizistisch hervortretenden Popmusikrezensenten und Pop-Theoretikern. Das liegt neben der benannten Festlegung auf die Prinzipien der Pop-Subversion, des Avant-Pop und des postmodernen Konstrukt-Pop sicher auch an dem teilweisen Erfolg der eigenen Maximen. Mit der in Szene-Kreisen und auch bereits darüber hinaus Platz greifenden Zurückdrängung der Alternativbewegung und Hippiekultur ist es im Sinne des Hipstertums und des Camp-Dandyismus zwingend, sich von der neuen Majorität und damit von den eigenen, bloß früher minoritären und ungewöhnlichen Vorlieben zu verabschieden. Ein anderes Motiv für die Revision der eigenen Ansichten ist zweifelsohne in den rasch sinkenden Auflagenzahlen der Zeitschriften zu finden, in denen die New Pop-Standpunkte zuerst vorgebracht worden sind. Paul Morley hatte Anfang der 80er Jahre als einen kleineren Grund für den von ihm beklagten Mangel einer Pop-Doktrin »rock paper’s predictable colour blindness« genannt (1980: 27). Obwohl der NME weiterhin in schmutzigem Graubeige erscheint, werden Autoren wie Morley und Penman jedoch keineswegs daran gehindert, in ihm ihre teilweise bunten Pop-Vorstellungen erfolgreich auszubreiten, ein Erfolg freilich, der im Ergebnis das eigene Blatt beschädigt und zur Etablierung neuer Zeitschriftenformate führt. Die Anzahl der verkauften Exemplare von Sounds, Melody Maker und NME sinkt in England beträchtlich, während die von The Face und vor allem Smash Hits – mit ihren vielen farbigen New Pop-Lifestyle- bzw. Starfotografien – steigt (Savage 1996k; Gudmundsson/Lindberg/Michelsen/Weisethaunet 2002). 1982/83 hat sich die Pop-Ideologie sogar soweit durchgesetzt, dass nicht nur The Face (vgl. Hebdige 1988d), sondern auch das neue, rasch wachsende Teenager-Magazin Smash Hits eine Leserschaft »among the hipper and older metropolitan crowd« anzieht (Rimmer 1985: 56, 163). Die Pionierarbeit der älteren Musikmagazine – die Umstellung von alternativem Rock zu konstruiertem Avant-Pop und künstlichem New Pop – zahlt sich für sie selbst nicht aus. »A stylish, thoughtful, hedonistic pop era flourished«, fasst Neil Tennant, der damalige Smash Hits-Redakteur, rückblickend zusammen, um diese Popära gerade nicht mit dem NME zu verbinden, der ihm trotz oder vielleicht genau wegen der Pop-Theorien Morleys et al. als zu eintönig und intellektuell vorkommt: »To realize what made Smash Hits special, you have to be aware of the competition: NME, Melody Maker and Sounds; weekly newspapers whose styles ranged from the faux intellectual to leaden music criticism«; Smash Hits hingegen sei deren genaues Gegenteil und deshalb mit der Zeit im Bunde gewesen: »glossy, colourful, witty and part of the new pop culture« (Tennant 2006b). Der Erfolg von New Pop ist sogar in England und später als Import in den USA so groß, dass die Boulevardzeitungen und -magazine mit Vehemenz in die Berichterstattung einsteigen (oder anders pointiert: der Erfolg ist sicher u.a. auch deshalb so groß, weil die Berichte über New Pop nicht auf die Musik- und Zeitgeistzeitschriften beschränkt bleiben). Nachdem bis Ende der 70er Jahre die British popular press vornehmlich Klatschberichte aus den

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Reihen des Königshauses und reicher Berühmtheiten geliefert hat, rückt nach 1982 das Pop-Spektakel zusätzlich in den Mittelpunkt, schnell durchaus im Einklang mit dem Verlangen von Gruppen wie Wham!, Duran Duran, Frankie Goes to Hollywood (und ihrer PR-Abteilungen), durch mehr oder minder wahre oder erfundene Skandal-Geschichten und unterhaltende Gerüchte in die täglichen Schlagzeilen zu gelangen. Als era of pop gossip geht die neue Zeit darum in die Chronik von Dave Rimmer ein (1985: 156). Kein Wunder also, dass viele der Pop-Intellektuellen – selbst wenn sie theoretisch geneigt sind, nach dem Beispiel Warhols Klatsch und Voyeurismus zumindest nicht gleich abzulehnen – zur scharfen Kritik an dieser PopAusprägung übergehen (allein schon weil sie selber ihre langen, nur Akademikern zugänglichen Texte in solchen Pop-Medien niemals veröffentlichen könnten). Jon Savage spricht von der Celebrity Culture als der »ultimate current expression of the self-styling at the heart of today’s pop culture«, als deren Prinzipien er die absolute Konzentration auf den Star und die Erzeugung irrationaler Gefühlsbindungen herausstellt. »Celebrity is an ideological fool’s gold«, lautet folgerichtig das abschließende Urteil, »marking the successful colonisation by the New Right of so many intimate areas of thought and motivation. As the parallel moral panic over AIDS attests, the New Right works through fear, envy, frustration and blind alleys of belief; many similar impulses lie behind our current Celebrity Culture« (1996l: 179f.). »The very function and standing of education – of literacy – is being slowly and deliberately eroded. Smash Hits (et alia) took off when they realised the potential of doing nothing more than presenting – without context, without any rough stuff – information«, hält Ian Penman mit Blick auf die anders geartete Technik der Starpräsentation in den aktuellen PopHochglanzmagazinen fest. Sein Urteil fällt nicht günstiger aus als das von Savage. Penman nutzt die Diagnose keineswegs, um zu einem Lob der Oberflächlichkeit anzusetzen. Ganz im Gegenteil erscheint ihm nach der Ausbreitung des Pop-Hedonismus nun das, was ihm einige Jahre zuvor im kleineren Rahmen des postmodernen Avant-Pop als interessanter Akt der Dekonstruktion vorgekommen wäre, als eminente Bedrohung. »In 1984 it is in some dark Government eye we should look for the tyrannies of thought processing, joy through information, regulated pleasures … it is, finally, to the state of Pop«, steigert sich Penman in ein apokalyptisches Szenario hinein, als herrsche bereits ein Zustand vollendeter Eindimensionalität. Bunte Starporträts konkurrierender Magazine rücken deshalb leicht in den Rang einer allgemeinen Bedrohung vor. Mit Blick auf Smash Hits sieht sich Penman geradezu gezwungen, der Pop-Affirmation grundsätzlich abzusagen: »Such profiles, by their gloss and Warhol-ian glibness, conspire to make us believe that their subject – wally or wonderperson, regardless – was always destined to be there. Pop culture is the given, the bed of roses, the invisible background. It is the ultimate lie of telecommunication« (1984: 30). Insgesamt gesehen deutet demnach vieles darauf hin, dass die PopAffirmation kurz nach ihrem Aufschwung bereits an ihr Ende gelangt ist. Die euphorische Berufung auf das Pop-Konzept ist nur ein taktisches Mittel zur linksradikalen und avantgardistischen Überwindung der Alternativkultur im Bereich der Boheme-Kultur gewesen, so scheint es, sie hat nur vorübergehend eine Lücke gefüllt, in die nun wieder die vertrauteren esoterischen und avanciert künstlerischen Gegenstände und Pläne im Dienste der erhofften

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Subversion und anarchisch verwirrenden Mikro-Politik einziehen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Ganz im Gegenteil beginnt jetzt erst der nachhaltige, bis heute andauernde Aufstieg von Pop im kulturellen Sektor. Zum einen liegt das an der beachtlichen Verbreitung von Pop-Prinzipien; die Maßstäbe der OberflächenÄsthetik, des Pop-Hedonismus, der Kunst-Welt etc. werden von nun an sehr viele Geschmacksurteile und Zeitgeistdiagnosen nicht nur von LifestyleZeitschriften, sondern zunehmend auch von Feuilletonartikeln bestimmen (s. etwa Neubacher 2006); diese übernehmen ihre Kriterien verstärkt aus den Theorien und Einordnungen der Pop-art und Pop-Postmoderne. Zum anderen aber geht der Pop-Impuls auch unter den meisten derjenigen, die dem Projekt einer Gegenkultur und der politisierten Avantgarde anhängen, keineswegs verloren. Trotz der von ihnen in den Jahren 1984/85 betriebenen scharfen (Selbst-)Kritik am Pop-Konzept kehren diese Hipster und Pop-Intellektuellen nicht einfach zur modernen Kunst oder gar zur Rockkultur zurück. Der aus ihrer Sicht missliche Erfolg vieler ihrer Slogans, die folgenlose Vereinnahmung ihrer Haltungen führt sie vielmehr oft zu weiteren Anläufen, ihre Überzeugungen und Ableitungen an neuen, vorgeblich resistenteren Gegenständen vorzunehmen und zu beweisen. Ein wichtiges Richtmaß des New Pop – die Chartstauglichkeit des subversiv oder künstlerisch-konzeptuell avancierten Pop – tritt im Zuge dessen freilich zurück. Der Verbreitung und Durchschlagskraft der intellektuellen Pop-Ideen und ihrer bevorzugten Objekte tut das aber gar keinen Abbruch. Sie zeigt sich jetzt ein wenig isolierter – aber dort insgesamt verstärkt – auf dem Feld der zeitgenössischen Kunst, in speziellen Bereichen der Wissenschaften, der Essayistik und Kunstkritik sowie in beachtlichen Teilen der neuen von Punk und New Wave beeinflussten Alternativkultur. Darum stellt es auch keinerlei Problem dar, dass die Alternativkultur insgesamt an Ausdehnung und eigenständiger Kraft verliert (in Deutschland etwa überlebt Sounds den Übergang zum New Pop nicht; ihre Stelle nimmt danach die kleinere Zeitschrift Spex ein); den Verfechtern der Pop-Subversion, des Konstrukt-Pop etc. öffnen sich stattdessen zunehmend die Publikationsorgane und Subventionsquellen der Hochkultur bzw. der staatlichen, öffentlich-rechtlichen Institutionen. Ein sicheres Anzeichen für die Verfestigung und Penetranz des PopKonzepts ist u.a. der Umstand, dass in den Jahren und Jahrzehnten nach 1985 eine kaum mehr zu übersehende Zahl an Büchern und längeren Aufsätzen veröffentlicht wird, in denen einzelne oder mehrere Stationen der PopAffirmation rekapituliert und analysiert werden. Als Indikator taugen diese Abhandlungen vor allem, weil sie offenkundig denselben Maßstäben verpflichtet sind, deren historischen Ausprägungen sie jeweils nachgehen. Besonders hervorzuheben sind hier: Nigel Whiteley, Pop Design. Modernism to Mod (1987); Simon Frith/Howard Horne, Art into Pop (1987); Mary Harron, McRock. Pop as a Commodity (1988); Dick Hebdige, Hiding in the Light (1988); Van M. Cagle, Reconstructing Pop/Subculture. Art, Rock, and Andy Warhol (1995); Sasha Torres, The Caped Crusader of Camp. Pop, Camp, and the ›Batman‹ Television Series (1996); Cécile Whiting, A Taste for Pop. Pop Art, Gender, and Consumer Culture (1997); Ralf Hinz, Cultural Studies und Pop. Zur Kritik der Urteilskraft wissenschaftlicher und journalistischer Rede über populäre Kultur (1998); Kelly Cresap, New York School’s „Out“.

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Andy Warhol Presents Dumb and Dumber (1999); Nigel Whiteley, Reyner Banham. Historian of the Immediate Future (2002), Paul Morley, Words and Music. A History of Pop in the Shape of a City (2003); Michael Bracewell, Re-Make/Re-Model. Becoming Roxy Music (2008); Ralf Hinz, Pop-Diskurse (2009); zusätzlich sei noch als exzellenter Pop-Beitrag zur Rockmusik Robert Pattison, The Triumph of Vulgarity (1987), erwähnt – und als kritisches Antidot: Joe Carducci, Rock and the Pop Narcotic (1990). Bei diesen Autoren ist zumeist nicht allein unterschwellig eine Verbundenheit mit ihrem Thema zu verspüren. Nicht selten wird von ihnen auch direkt mit der Eingrenzung und Bestimmung von »Pop« eine positive ästhetische oder politische Einschätzung verbunden. Um mit dem ersten aus der Reihe zu beginnen: Nigel Whiteley, der sich in der Tradition der Independent Group dem Pop-Design der 60er Jahre widmet, nennt »excitement, youthfulness, fun, disposability and constant change« als wichtigste Merkmale des High Pop lifestyle (1987: 117) und lässt zugleich keinen Zweifel daran, in welch starkem Maße er diese Eigenschaften schätzt. »[Richard] Hamilton’s 1957 definition of the chief characteristics of American 1950s popular culture as ›… popular, expendable, low-cost, mass-produced, young, witty, sexy, gimmicky, glamorous (and) Big Business …‹ was applicable, to the minidress, the paper chair and the psychedelic posters«, fasst Whiteley zusammen, um sich in den nächsten Sätzen nicht nur auf der Ebene der Beschreibung Hamilton und seinen einzelnen Bestimmungsmerkmalen anzuschließen: »If the word ›glamorous‹ seems more reminiscent of the Hollywood film stars of the 1950s, then ›flamboyant‹, ›extravagant‹ or perhaps ›stylish‹ could take its place without any dilution of Hamilton’s definition. ›Big Business‹ is open to different interpretations, but neither Hamilton nor the present author see it as an inevitably corruptive and exploitative influence conspiring against the welfare and better judgements of the consumer« (ebd.: 220). Auch wenn er den sexistischen Grundzug des 60er Jahre-Pop und den manchmal naiv optimistischen oder utopistisch-totalitären Glauben an die Möglichkeiten technologischer Steuerung kritisiert, ist sich Whiteley in einem jedoch sicher – die antifunktionalistische Stoßrichtung des Pop-Designs ist richtig, die These vom verführten Verbraucher falsch: »People have a need – and Pop provided for it in the 1960s – for surprise, imagination, variety, colour, fun, and delight in extravagance. The need is emotional and psychological, and it is a need which designers should not ignore. It accounts for – and justifies – fashion and other ›irrational‹ urges« (ebd.: 226). Whiteley deutet mit dem Ausdruck people an, dass die Pop-Objekte der 60er Jahre eine zunehmend breite Anerkennung erfahren (vor allem innerhalb der Mittelschicht, sollte man wohl anfügen). Im Kern bezieht sich seine Auffassung von der Popkultur als einer nicht manipulativ erzeugten, passiv hingenommenen Kultur auf die Jugendlichen. »Pop fulfilled youth’s desires for immediacy, imagination, colour, variety and action«, lautet das eigentliche Fazit Whiteleys: »At its most extreme Pop was a rejection of everything traditional or belonging to the ›wine culture‹ (as opposed to the ›coke culture‹). But Pop was not just a reaction to established standards. While it was important to youth that Pop design was not liked by their elders, it was equally important that it was their own. Pop mattered to youth who participated with different degrees of awareness and

Nachgeschichte | 443 activity in the design process: it ranged from the keeping up with the latest fashions, through the careful selection of secondhand clothes, to the active designing and making of artefacts and environments. Youth enjoyed their design in a way which would have been impossible had it been handed-down by a group of designers emotionally detached and separate.« (Ebd.: 219)

Whiteley spricht ganz allgemein von der »Jugend«, weil er sie zumindest in Hinsicht auf den Pop-Geschmack vereinheitlicht sieht. Wie Tom Wolfe, Mary Quant und manch anderer vor ihm erkennt er im Pop der 60er Jahre den ersten Trend, der im jugendlichen Bereich die Klassen- als Geschmacksgrenzen überwindet. »A young girl of the upper class was now more likely to buy a cheap mini from ›Biba‹ and learn her dances from ›Ready! Steady! Go!‹, than she was to shop at Burberry’s, attend court balls and uphold the Queen’s English«, lautet sein einprägsames Beispiel für die These, dass es selbst unter den Jugendlichen der Oberschicht zeitweilig in Mode gekommen sei, sich nach den zuvor stets verachteten Vorlieben aus dem Bereich der Populärkultur, also der Kultur der niederen Schichten, zu richten (»for a time it became fashionable to appear working class«). An dieser Formulierung kann man bereits ablesen, dass Whiteley solche Übereinstimmungen keineswegs als Ausdruck einer Überwindung der materiellen Klassenschranken ansieht. Die von der Klassenlage her gegebenen unterschiedlichen Aufstiegs- und Karrierechancen der Jugendlichen und die mit ihnen verbundenen, weit auseinanderklaffenden Zugriffsmöglichkeiten auf den gesamtgesellschaftlich produzierten Reichtum bestimmen nach seinem Urteil auch die soziale Wirklichkeit des England der 60er Jahre (und der Jahrzehnte danach ohnehin). Freilich betont Whiteley andererseits ausdrücklich, dass die Klassenspaltung auf einem insgesamt wesentlich erhöhten Wohlstandsniveau greift. Die Ausbreitung des Pop-Designs sieht er eindeutig an die consumerist society der Nachkriegszeit (»an advanced state of the consumer society in which private affluence on a mass scale is the dominant force in the marketplace«) gebunden (ebd.: 222, 220). Simon Frith und Howard Horne übertragen die Diagnose auf die englische Popmusik der 60er Jahre, sofern sie (wie die von The Who oder Move) von der Pop-art beeinflusst ist: »For the Pop art bands what was at issue was artifice, what it meant to be an artist in an age dominated, visually, by advertising. For them pop was, in Dick Hebdige’s words, ›a discourse on fashion, consumption and fine art‹; a response to what Lawrence Alloway had called in 1959, ›the drama of possessions‹.« Auf die Musik (und nicht etwa nur allein auf Plattencover und Bühnenpräsentation) bezogen heißt das: »The first consequence of this was the increasing use of music along the lines of one of Alloway’s definitions of Pop, as ›art about signs and sign systems‹. Musicians (using opportunities opened up by the development of magnetic tape recording and multi-tracking) began to make music as bricolage, quoting from other work, incorporating ›real‹ sounds, recontextualizing familiar sonic symbols« (1987: 107). Mary Harron (später als Regisseurin der Filme American Psycho und I Shot Andy Warhol bekannt geworden) verlängert Whiteleys, Hornes und Friths Diagnose in die Gegenwart, indem sie Pop von den Mods über Malcolm McLarens Sex Pistols bis hin zu Madonna als ein Design-Phänomen einstuft. Auch als Begriff, der sich auf Gruppen und Sänger bezieht, ist Pop

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für sie nie allein ein musikalisches Phänomen, sondern stets die Summe aus »style plus music plus attitude«. Dass die Anstrengung, diese Dimensionen sinnvoll oder eindrucksvoll aufeinander zu beziehen, im Regelfall (auch bei Gruppen, die ein rebellisches Bild abgeben) Teil des aus kommerziellen Gründen betriebenen Marketings ist, streicht Harron 1988 in aller Deutlichkeit heraus. Es ist aber typisch für den Stand der Pop-Betrachtungen, dass solche Einschätzungen nun nicht mehr automatisch ein negatives ästhetisches Urteil nach sich ziehen. Harron steht deutlich in der wenn auch kurzen, so doch jetzt bereits offensichtlich wirkungsmächtigen, tragfähigen Tradition der Pop-Affirmation vom Anfang der 80er Jahre. »Art means very different things to pop and rock«, wiederholt sie die stereotype Unterscheidung zwischen der Rockmusik, die sich um Expressivität, Ganzheit und Authentizität bemüht, und der stilisierten, künstlich zusammengesetzten Popmusik, mit der neueren Pointe freilich, dass der Popmusik nicht nur ebenfalls Kunstcharakter, sondern insgesamt sogar ein höherer Kunstwert zugesprochen wird: »In rock it [art] means a search for something profound and lasting, to make the popular song function in the way that great art does. It is a search that has given us Bob Dylan and the Velvet Underground on the one hand, and many ghastly rock operas and concept albums on the other. In pop, art is much more concerned with style and gesture (Roxy Music are the archetypical art pop band) and with the ironic use of pop history by switching between different eras and genres. Pop was postmodernist before the term was invented.« (Harron 1988: 208)

Vollständig kann die Pop-Affirmation jedoch erst sein, wenn sie sich nicht nur auf art pop bands richtet. Auch damit kann Harron dienen. »Pop stands for mutuability and glitter«, heißt es bei ihr definitiv, »its mode is the 45 single and the pinup, and its value is measured by record sales and the charts. Pop is about dreams and escapism and ecstatic moments; it believes in clichés and its philosophy is ›give the people what they want‹. It is egalitarian by nature – anyone can make it – and capitalistic.« Der entscheidende Nachsatz lautet dann, dass diese bekannte Aufzählung bislang überwiegend negativ verwandter Attribute nicht auf ein abwertendes Urteil hinauslaufen soll: »If this seems to suggest that pop means shallow and rock means depth, consider which is the more profound experience – Smokey Robinson’s ›The Tracks of My Tears‹ or Led Zeppelin’s ›Stairway to Heaven‹? And yet the one is a pop, the other a rock classic«, wendet sich Harron direkt an den Leser (ebd.: 209f.). Höchstwahrscheinlich wäre der bemühte Vergleich nicht einmal nötig gewesen, sind die meisten Leser solcher Artikel doch mittlerweile bereit, auch Giorgio Moroder und Culture Club selbst ›progressiven‹ Rockgruppen vorzuziehen. Die beachtliche Durchsetzung der pop sensibility gegenüber der rock sensibility (Frith 1988d) kann man unter jüngeren Intellektuellen nicht zuletzt daran ablesen, dass sich selbst marxistische Autoren zuweilen New Pop, Disco und House zuwenden. Ein sehr gutes Beispiel liefert dafür in Buchform wiederholt Ralf Hinz. Hinz wendet sich nicht mehr in erster Linie an seine Leser, um sie von dem künstlerischen Wert der Happy Mondays oder von Orange Juice zu überzeugen, sondern um sie aufzufordern, die hedonistischen Qualitäten der Pop-Gruppen in ihren Meinungsäußerungen und Artikeln politisch auszureizen. Hinz gibt sich dabei keinerlei Illusionen über mögliche be-

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deutende subversive Wirkungen hin, hält aber den Pop-Materialismus nicht für so nebensächlich, dass man auf ihn zugunsten direkterer politischer Aktivitäten und politökonomischer Argumentation ganz verzichten müsste. Im Zuge seiner umfangreichen Analysen der Popmusikkritik und der Ansätze der Cultural Studies gibt Hinz die Losung aus, dass die Rede über Pop die Musik als eine »umgehend erreichbare Form gesteigerten Lebens«, das einem wegen der herrschenden Arbeits- und Besitzverhältnisse noch weitgehend unzugänglich sei, erscheinen lassen solle (1998: 158). Unter politischen Aspekten sei der Vorteil des hedonistischen PopImpulses gegenüber dem avantgardistischen Anspruch leicht zu begreifen, insistiert Hinz auch 2009: Pop knüpfe an »die sinnlichen und materiellen Bedürfnisse auch breiter Gruppen« an und verlasse dadurch »die selbstbezügliche Welt einer bohemistischen Kunstavantgarde«; da er aber nicht von der politisch wirksamen Kraft dieses Impulses an sich überzeugt ist, besteht er weiterhin auf einer politisch artikulierten Aufladung der Musik. Zwar lasse sich eine »nicht mehr exklusive, an die Verfügung über Eigentum gebundene umfassende Teilhabe am produzierten Reichtum des Kapitalismus« mit der klassengesellschaftlichen Struktur eines solchen Systems keinesfalls vereinbaren; weil jedoch »vom wenig kostspieligen popkulturellen Surrogat einer solchen Teilhabe«, dem Konsum von Gütern der Popkultur, schon lange niemand mehr aus ökonomischen Gründen ausgeschlossen sei, besitze die Begeisterung für eine »hedonistische Musik (Pop, Disco, House, Techno)« an sich keine systemkritische Note; darum sei eine »begleitende politische Kontextualisierung« unumgänglich, wenn man sich nicht damit abfinden wolle, dass die Vorliebe für bestimmte Popmusikgenres bloß einen Distinktionsakt innerhalb der bestehenden Verhältnisse bilde (2009: 121). Trotz der gewichtigen politischen Einschränkung (bzw. der zusätzlich geforderten politischen Ausweitung) bleibt der spezielle Zuschnitt der PopAffirmation auch bei Ralf Hinz (in der Tradition von Gary Clarke) gewahrt, das sieht man sofort an der positiv unterlegten Gleichsetzung von »hedonistischer Musik« mit Pop, Disco, House, Techno (bei Clarke stand an der Stelle ein Vierteljahrhundert zuvor noch die Reihe »glam, disco, and the ted revival«). Dies ist überhaupt kein Zufall. Was für Hinz gilt – und in jeweils etwas anderer Hinsicht für Harron und Whiteley –, trifft ebenfalls auf alle weiteren Beiträge zur Einordnung und Beschreibung der Popkultur nach Mitte der 80er Jahre zu. Auf gänzlich neue Argumente, Klassifikationen oder Wertungsmaßstäbe stößt man jetzt nicht länger; an den Kriterien und dem Vokabular der Oberflächen-Ästhetik, des Meta- und V-Pop, der Pop-Subversion, des Reiz-Angriffs, der Pop-Postmoderne etc. ändert sich im Rahmen des gegenkulturell gedachten und/oder intellektuellen Pop-Konzepts nichts mehr. Mit dem Jahr 1985 tritt die Rede über Pop in ihre Nachgeschichte ein. Die Diagnose klingt wahrscheinlich äußerst negativ, sie ist jedoch sachlich gemeint und soll kein von vornherein abfälliges Urteil beinhalten. Erstens muss Originalität nicht unbedingt ein Höchstwert sein (schon gar nicht unter Verfechtern der Postmoderne), zweitens kann gerade die Verfeinerung oder ein neues Mischungsverhältnis der Argumente sowie der je aktuelle Zusammenhang, in dem die Bewertungen und Begründungen ihre Wirkung entfalten, besonders interessant erscheinen – und gibt es drittens immer wieder nachwachsende Generationen oder Beiträger, die das Pop-Konzept und seine Varianten für sich neu entdecken oder im guten Glauben handeln, etwas Un-

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erhörtes bekannt zu geben. Dies alles kann dem Einzelnen verhelfen, zu einer positiven Beurteilung der ab Mitte der 80er Jahre stattfindenden Debatten zu gelangen, an der Einschätzung, dass in diesen Debatten stets auf die grundsätzlich schon bekannten Beobachtungs- und Wertungsmaßstäbe zurückgegriffen wird, ändert es aber natürlich nichts. Für die vorliegende Arbeit, die für sich in Anspruch nimmt, bereits die wichtigen historischen Dimensionen des Pop-Konzepts sowohl im Detail als auch in verallgemeinerter Form abgehandelt zu haben, erwächst daraus die Möglichkeit, die folgenden Ausarbeitungen des Pop-Konzepts knapper, nämlich unter Verweis auf die zuvor herausgestellten Oberbegriffe, zu benennen und zu analysieren. Diese Einordnung soll im Hinblick auf prägende neue Diskussionszusammenhänge inhaltlicher wie institutioneller Art vorgenommen werden, genauer gesagt mit Blick auf die Themenkreise (und unter den Titeln) »Pop und Avantgarde«, »Pop-Akademisierung« sowie »Pop und Politik«.

Pop und Avantgarde Seit den 80er Jahren kommt Pop-Phänomenen jene Aufmerksamkeit zu, die in dem Jahrzehnt zuvor überwiegend für Gegenstände aus dem Bereich der Rock- und Alternativkultur reserviert gewesen ist. Eine Fülle von Zeitgeistmagazinen, eine große Zahl an Lifestyle-Journalisten und Pop-Feuilletonisten widmet sich nun ausführlich und nicht immer allein auf unterhaltende Weise Stars wie Madonna und aktuellen Designmoden. Sie erfahren nun eine Wertschätzung und anspruchsvolle Behandlung, die man in den 70er Jahren noch zu einem großen Teil Themen aus Bereichen vorbehalten hat, die einen Bezug zu den Vorstellungen der politisierten Mittelschichts-Jugend oder zur Kunst aufweisen sollten. An die Stelle der Überlegungen, ob die porträtierten Musiker, Schauspieler, Künstler und die vorgestellten Filme, Platten, Modetrends emanzipatorische Qualitäten besitzen, treten jetzt Darstellungen und Begründungen, die deutlich machen sollen, dass (und weshalb) die herausgestellten Protagonisten und Dinge einen besonderen Attraktivitäts- und Hipstatus genießen; ausgesprochen konsumkritische oder rebellisch politische Attitüden tragen kaum mehr zu solch einem hervorgehobenen Rang bei, vielmehr steht jetzt der Erfolg in der Stilkonkurrenz im Vordergrund. Kreative Originalität und überraschende Neurahmungen oder Entwendungen sorgen hier weiterhin für großen Zuspruch – die Abgrenzung zum ›biederen‹ Kleinbürger und zum ›anspruchslosen‹ Teenager oder Massenkonsumenten bleibt selbstverständlich wichtig –, die Ausrichtung auf die bildende Kunst lässt aber noch einmal nach. Zwar werden in diesem Umfeld die Pop-art-Reprisen der 80er – die Appropriation Art z.B. eines Jeff Koons oder Richard Prince (vgl. Cameron 1990; Crone 2004; Danto 2004; Römer 2002) – und 90er Jahre – die Szene der Young British Artists (vgl. Stallabrass 2006) – natürlich positiv verfolgt, insgesamt stärkere Beachtung erfahren jedoch Designer, Fotografen, Schriftsteller, Kunsthandwerker, die sich in der Zone zwischen Mode, Kunst, Werbung und Popkultur (als Videoregisseur, Computerspiel-Entwickler, Starvisagist, Comiczeichner, Hip-Journalist, Art Director etc.) bewegen. Mit anderen Worten: Hier sind die New Pop-Formen sehr gut aufgehoben, allerdings ihres oftmals avantgardistisch-künstlerischen, anarchistisch-

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mikro-politischen oder hedonistisch-egalitären, sozialistischen Anspruchs entkleidet. Die frühen New Pop-Verfechter haben darauf bereits lange vor der weitreichenden liberalen Durchsetzung der New Pop-Vorlieben der Oberflächen-Ästhetik und Konsum-Freiheit reagiert und schon unmittelbar nach 1982/83 begonnen, Abstand von ihren eigenen Direktiven der Jahre 1980-82 zu nehmen. Auffällig ist aber, dass die meisten von ihnen von der PopAffirmation trotz der aus ihrer Sicht mittlerweile diskreditierten, liberalkapitalistisch vereinnahmten New Pop-Ausprägung grundsätzlich nicht lassen können. Eine Rückwendung zur Kunst der klassischen Moderne, zur radikalen Konsum- und Künstlichkeitskritik der Alternativbewegung oder zu den Organisations- und Politikformen sozialistischer Parteien ist ihnen nicht möglich bzw. scheint ihnen nach wie vor nicht geboten. Man kann dies allein schon daran erkennen, dass sie selbst an den Begriff »Pop« noch gebunden sind und ihn nicht einfach preisgeben. Mit »Pop« kennzeichnen sie unverändert Dinge, die ihnen wichtig sind, die Maßstäbe des Pop-Konzepts sind bei ihnen demnach längst nicht außer Kraft gesetzt. Angesichts der aus ihrer Sicht beträchtlich gewandelten Lage ist dazu jedoch eine Art Neujustierung oder geänderte Pointierung der Komponenten des Pop-Konzepts nötig; nur so kann der Anspruch, eine Pop-Avantgarde in politischer oder ästhetischer Hinsicht zu bilden, aufrechterhalten bleiben. Der wichtigste, einfache Schritt in diese Richtung besteht darin, die New PopMerkmale und -Objekte von dem Kriterium des Bestseller- und Medienerfolgs zu trennen. Hat man im Gefolge von Paul Morley (und als Affront gegenüber den linken und rechten Kulturkritikern sowie vor allem gegenüber den Protagonisten der Alternativbewegung) in der ersten Hälfte der 80er Jahre die Kritik am Pop-Kommerz ausgesetzt und den Anspruch vertreten, dass selbst die Avant-Pop-Gruppen sich nicht selbstgenügsam auf BohemeKunstkreise beziehen, sondern den Versuch unternehmen sollten, in die Charts zu gelangen, ändert sich das jetzt. Nach 1985 werden die historischen Bestandteile des Pop-Konzepts von der Oberflächen-Ästhetik über den Metabis hin zum Konstrukt-Pop unabhängig von ihrem Erfolg jeweils mit dem Titel »Pop« bedacht. Auch (oder gerade) Gruppen und Künstler, die unabhängig vom (oder sogar bewusst gegen den) kommerziellen oder Aufmerksamkeits-Erfolg arbeiten, fallen nun unter die »Pop«-Rubrik, wenn ihre Objekte und Aufführungen die Eigenschaften der Pop-Postmoderne, der Kunst-Welt, der Oberflächen-Ästhetik, des V-Pop etc. annehmen bzw. die damit verbundenen Kriterien und Erwartungen erfüllen. Konsequent ist das insofern, als bereits pop, begriffsgeschichtlich gesehen, sich in den 50er und 60er Jahren recht häufig von der großen Zahl oder der schichtenübergreifenden Masse der Rezipienten, die man oft mit der popular culture verbunden hat, löst und rein auf eine Sub- bzw. Teilkultur, die Teenager, richtet – und in einer weiteren Abkehr pop überwiegend im Sinne der Pop-art eine Richtung bedeutet, die sich mit künstlerischen Mitteln auf Vorgaben der Konsumgüter- und Kulturindustrie bezieht oder originelle, futuristische oder radikale Pläne der Großen Manipulation, der Image-Zeichen, des Reiz-Angriffs etc. entwickelt. Mit dem Gebrauch des Pop-Begriffs vor allem seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre wird dieser Prozess abgeschlossen: Als »Pop«-Phänomen werden nun häufig auch Dinge und Ereignisse angesehen, die vollkommen unpopulär sind.

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Selbstverständlich braucht es einige Zeit (sprich: manche publizistische Debatte, viele Meinungsäußerungen, wiederholte Begriffsverwendung, angenommene Bedeutungsfestlegung), bis solch ein Sprachgebrauch, solch eine Art und Weise, Gegenstände wahrzunehmen und zu klassifizieren, sich (zumindest in Teilbereichen) durchsetzt. Im speziellen Fall der 80er Jahre besteht die Schwierigkeit darin, dass die nicht nur unter jüngeren intellektuellen Musik- und Lifestyle-Journalisten bekannte, sondern auch unter der Leserschaft größerer Zeitschriften wie NME, Sounds, The Face etc. kursierende Bedeutung des Wortes »Pop« stark durch den New Pop-Aufschwung festgelegt ist. Wenn man den Begriff »Pop« weiter an hervorgehobener Stelle verwenden möchte, muss man darum sicherstellen, dass die Abgrenzung zur New Pop-Doktrin vollzogen wird, ohne das gesamte Pop-Konzept zu diskreditieren. Mustergültig vorgeführt bekommt man die Operation von Simon Reynolds, der in seinen äußerst einflussreichen Artikeln (hauptsächlich im Melody Maker) in den Jahren 1986 bis 1989 den seinerzeit bereits stattfindenden Geschmackswandel zugleich repräsentiert und zuspitzt, eine Neuausrichtung, deren Pop-Distinktionen in den 90er Jahren noch von sehr vielen weiteren Feuilletonisten, Künstlern, Studenten übernommen werden sollen. Eingeleitet und begründet wird der teilweise Geschmackswandel wenig überraschend durch die Verabschiedung des vorgeblich Veralteten. An seiner Abneigung gegen die Fortführungen des New Pop-Stils lässt Reynolds keinen Zweifel, sie bildet den deutlichen Ausgangspunkt für die Entfaltung seiner veränderten Vorstellungen und die Bekanntgabe seiner neuen Favoriten. Fast unerträglich ist für ihn nun der kontrollierte, luxuriös, breitwändig produzierte new pop; kaum ein Artikel in den Jahren nach 1986 kommt ohne ein kritisches Urteil gegen den zeitgenössischen risikolosen mainstream pop aus (1990b: 54), gegen die »opulence/corpulence of nouveau riche new pop«, gegen den »global designer soul, the soundtrack of the new yuppie culture of health and efficiency«, nicht zuletzt gegen die »post-teenage maturity« (1990c: 23f.), gegen deren »smoothly running, perfectly functional, utilitarian consumer aesthetic« (1990d: 87). Auch in politischer Hinsicht scheint ihm die geschmackvolle, links-hedonistische Style Council-Variante des narzisstischen designer popsoul (1990e: 65) verfehlt. Es sei äußerst aufschlussreich, dass von Paul Wellers »shopping list of socialist good taste« (»Burberry raincoats, Motown and Stax 45s, Italian design, Blue Note LPs, etc.«) alle Gegenstände des offenkundig ›schlechten‹, karnevalesken Geschmacks der Arbeiterklasse ausgeschlossen blieben: »all the excessive elements of working-class consumption that refuse to fit neatly into this socialist continence – Stanley knives, lurid cocktails, Blind Date, trash videos, tabloids, bingo, heavy metal« (1990d: 87). Auch die pop deconstruction von ABC (»exposing pop’s stage managing, as on the sleeve of The Lexicon of Love«) und von Scritti Politti (»affirming and unravelling, simultaneously, the lover’s non-sensical discourse«) erscheint Reynolds in ähnlicher Manier allzu beherrscht zu sein (Reynolds/Stubbs 1990: 105). Selbst der radikalere pop Situationism von Sigue Sigue Sputnik und Paul Morleys ZTT-Label – das Projekt »glamour as a revolt against everyday life« – ist für ihn von allzu großer Bewusst- und Konstruiertheit geprägt (Reynolds/Oldfield 1990a: 110ff.). Gegen all das setzt Reynolds den Kontrollverlust, die Irritation durch eine ungewöhnliche Formensprache und vor allem durch eine verwirrende

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Sinnlichkeit; wichtigstes Kriterium eines gelungenen Kunstwerks ist für ihn, dass es überwältigend, revoltierend, ekstatisch, sinnzerstörerisch wirkt, hier stellt er sich in die Tradition von Breton bis Bataille. Den V-Pop, den MetaPop und das Spiel mit oberflächlichen, unkörperlichen Image-Zeichen – »by exposing the workings of pop (the way myth is stagemanaged, the way glamour is constructed)« – muss er deshalb genauso ablehnen wie jene PopSubversion, deren Prinzip es ist, dem vorgegebenen Falschen durch Neurahmung, Bricolage und Stilkonstruktion eine andere, bessere Bedeutung zu geben (Reynolds/Stubbs 1990a: 104, 107; Reynolds 1990b: 54; 1990f: 98). Seine tiefste Abneigung gilt folgerichtig der Camp-Idee mit ihrem distanzierten, blasierten Ansatz; »camp is a defensive attitude, a flight from real involvement«, lautet Reynolds Verdammungsurteil, das besonders die pop ironists der Pet Shop Boys trifft (»this isn’t even pop about pop, this is fop about pop«; ebd.: 104f.; s. auch Ludlum 1992: 227). Das ist kein Plädoyer für unbedingte Originalität und für natürlichen Ausdruck, sondern für eine körperlich angreifende Verwirrung. An Prince etwa schätzt Reynolds, dass er sich wie Huysmans’ dekadenter Dandy Des Esseintes dem Ziel verschreibt, »ever more rarified and unnatural means of stimulating the senses« zu komponieren (»Prince’s music makes me think of Des Esseintes’s symphony of perfumes: exquisite, heady, overpowering, slightly nauseous«; 1990b: 52). Den Konzeptionen der Kunst-Welt und der Großen Manipulation verschließt sich Reynolds offensichtlich keineswegs; kombiniert mit den Prinzipien des dekadenten Reiz-Angriffs und einer poststrukturalistisch-postmodern angeleiteten, sinnauflösenden Pop-Subversion sorgen sie dafür, dass Reynolds bei aller Kritik am aktuellen New Pop innerhalb des Pop-Rahmens verbleibt. Dies zeigt sich auch am Begriffsgebrauch. »Pop« wird für ihn trotz seiner scharfen Absage an Pop-Postmoderne, Konsum-Freiheit, Meta-Pop, an die umcodierende Pop-Subversion und den angenehmen Pop-Hedonismus nicht zum Unwort. Nicht selten präsentiert Reynolds sogar seine Vorstellungen unter dem in den 80er Jahren in seinen Kreisen nun allgegenwärtigen Titel. »Fanaticism is the true experience of pop«, dekretiert Reynolds (1990c: 15); deutlicher kann man nicht zeigen, dass »Pop« weiterhin einen guten Klang besitzt. Noise ist Reynolds höchster Wert, nicht nur in der Form der »Dissonanz« und »Glossolalie«, sondern auch als »›the noise of the body‹, the ›visual noise‹ of certain kinds of flamboyance, brio, effervescence, élan (Bolan, Prince, Morrissey)«. All diese »non-signifying, extra-linguistic elements that defy ›content analysis‹: the grain of the voice, the materiality of sound, the biological effect of rhythm, the fascination of the star’s body« werden von ihm 1990 an zentraler Stelle als pop’s power aufgerufen (1990g: 13, 10). »Rock is about Essences and Ideas. Pop is about the thing in itself«, legt sich Reynolds seine Ideen äußerst essenzialistisch zurecht. Mit diesem Maßstab an der Hand kann »Pop« weiterhin als Begriff fungieren, der ein positives Urteil anzeigt. Tatsächlich wird alles, was Reynolds schätzt, von ihm an einer Stelle mit dem Titel belegt: »Pop attracts an abnormal fixation of the gaze, fetishism, voyeurism. Pop, in a word, is fascination versus meaning. The power of pop is situated in so many other places than the good song, or good intention – in the strange, the intolerable, the unattainable, the curiously sexual« (Reynolds/Stubbs 1990b: 45). Die Frage ist dann natürlich nur, ob auch die Leser den verstörenden, sich nicht einfachen Liedformen beugenden

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Sound mit dem Wort belegen wollen. Die Frage stellt sich umso zwingender, als nach der Wendung gegen die Rock-Alternativkultur der 70er Jahre, durch die »Pop« 1981/82 zu neuer Bedeutung gelangt, die 1984/85 schnell in Gang kommende Kritik an New Pop es zweifellos erneut schwieriger macht, Programme der Überschreitung und Anti-Narration unter dem Zeichen von »Pop« zu versammeln. Reynolds selbst gibt mehr als genug Stoff für dieses Problem, schließlich zählt er selbst zu den schärfsten Kritikern nicht nur des mainstream pop, sondern sogar auch seiner bewusst inszenierten dekonstruktiven Variante. Andererseits ist aber die Verneinung von »Pop« nun ebenfalls erschwert, weil die (früheren) Pop-Theoretiker, die nun wieder (noch) stärker zu ihren Vorlieben aus den Bereichen des Avant-Pop zurückkehren, ihre Singer/Songwriter- und experimentellen Favoriten nicht einfach als »Rock« feiern können. Auch Reynolds hat deshalb wenig überraschend seine Not mit dem Begriff. Den harmlosen indie pop von Wedding Present, Primal Scream, Housemartins etc. hält er für eine »rock idea of pop«, wobei »Rock« hier zuverlässig nichts Gutes bedeutet. Regressive rock ist Reynolds abfällige Bezeichnung für den englischen Gitarrenpop jener Zeit; diesen regressive rock setzt er sogar auf eine, niedere, Stufe mit dem progressive rock der 70er Jahre (1990h: 39). Äußerst auffällig ist allerdings in dem Zusammenhang, dass Reynolds sein Gegenbild des seiner Auffassung nach rückschrittlichen indie pop jedoch auch nicht erneut als »Pop« ausgibt. Bei seiner Attacke auf die für ihn allzu netten Songs der englischen Gitarrenbands fallen ganz andere Töne: »Paralysed by fear of ›the progressive‹, this stunted generation have chosen to take as their inspiration the sprightly, cramped insistence of the Monochrome Set, The Undertones, Girls at Our Best, rather than the stealth and reach of Can, Tim Buckley, Hendrix, Talking Head’s Remain in Light, PIL’s Metal Box«, klagt Reynolds (ebd.), wobei das entscheidende Wort natürlich »fear of ›the progressive‹« ist. Reynolds hat diese Furcht offensichtlich längst abgelegt; er versieht nicht bloß einige Gruppen aus Morleys erster New Pop-Liste, die noch ganz im Sinne des Avant-Pop zusammengestellt gewesen ist, mit einem negativen Vorzeichen und kritisiert sie als falschen Ausgangspunkt, sondern belegt seinen neuen bzw. wesentlich traditionsreicheren Kanon mit dem seit 1977 in seinen Kreisen stark diskreditierten Attribut des Progressiven. Dies ebnet schnell den Weg auch zum »Rock«. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre erscheinen immer wieder auch Artikel von Reynolds, in denen er seine Vorstellungen unter dem noch traditionelleren Titel präsentiert. Was zeitgleich mitunter von ihm als pop’s power ausgegeben wird, präsentiert er vor allem 1987 bis 1989 gerne als das Vermögen des rock. »Noise as antipop gesture«, heißt es programmatisch, abgesetzt besonders von dem abgerundeten designer pop-soul und dem harmlosen indie pop – und allgemein gerichtet gegen die umfassende Manipulationsmaschinerie der PopKulturindustrie: »Rock ’n’ Roll was originally a revolt against straitlaced stuffy mores (encountered in the family, at school, in the small town), but now it’s ›brainwashing media images and fantasies‹, the very institution of pop itself, that we define ourselves against«. Noise – von Reynolds als die Hauptwährung der gegenwärtigen Rockmusik bestimmt (1990i: 57ff.) – läuft darum zwingend auf eine Abkehr von Pop und eine Rückwendung zum Rock (»a return towards rock, a departure from planet pop«) hinaus, zumindest in seiner ›progressiven‹ Form (Reynolds/Stubbs 1990a: 107).

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Die letzte Einschränkung ist freilich gravierend. Rock als noise, als antipop, wird von Reynolds am Beispiel der von ihm hoch eingestuften Gruppen Sonic Youth und My Bloody Valentine als »departure from the traditional rock music musculature of riff and powerchords towards a new and private lexicon of sounds and effects« bestimmt (1990j: 120). Nur so scheint ihm die tagträumerische Übertretung, das sublime Gefühl, überwältigt zu werden, die Aura des Chaos und der undurchsichtigen Verwirrung erreicht werden zu können. Seinen Begriff von »Rock« bindet er darum an noise als »interference, something which blocks transmission, jams the code, prevents sense being made« (1990i: 57), also an eine modern-avantgardistische Vorstellung, die der gängigen Rock-Kommunikation vollkommen zuwiderläuft. Das gilt ebenfalls für seine zweite Rock-Bestimmung, wenn auch weniger stark. Am Beispiel von psychedelischen Hard Core-Gruppen wie den Butthole Surfers feiert Reynolds den von ihm hochgeschätzten rock als eine »orgiastic music, a feast of sound«; die karnevalesk-groteske Form(losigkeit) sieht er aber nicht allein im Gegensatz zu dem »sleek, chic, designer pop-soul«, sondern ebenso zur gewohnten Rockmusik – entwickelt sich das entgrenzte Fest der Klänge für ihn doch nicht zuletzt aus einer Parodie und exaggeration der herkömmlichen rock idioms (1990e: 63, 65, 67). Man versteht darum nun sehr gut, weshalb Reynolds in der Zusammenfassung seiner Aufsätze, in der er die Wiederkehr des Rock anzeigt, die von ihm äußerst hoch eingestuften Qualitäten der körperlich spürbaren Verwirrung und Grenzüberschreitung ausdrücklich auch als Pop-Vermögen bezeichnet (»the power of pop lies not in its meaning but its noise, not in its import but its force«): Seine Attacke auf den New Pop fällt keineswegs aus dem Rahmen des Pop-Konzepts (1990g: 10; vgl. Grossberg 1997a: 72f.). Für seine Haltung sind vielmehr diverse postmoderne und -strukturalistische Ansätze ebenso grundlegend wie die vor allem aus den Pop-Debatten der 60er Jahre vertraute Verbindung von Reiz-Angriff mit Anti-Narration. Schon allein aus diesem Grund – und erst recht, wenn sie noch mit weiteren Motiven und Einschätzungen verknüpft wird, die ebenfalls einen kritischen, subversiven, modern-avantgardistischen Charakter tragen sollen – eignet sich Reynolds’ spezifische Hinwendung zum Rock im Ergebnis zur Ausweitung und Durchsetzung eines ästhetischen-politischen Programms, das unter dem Titel »Pop« steht. In Weiterführung manches Pop-art-, PopGegenkultur- und Pop-Postmoderne-Ansatzes sowie der ersten New PopListe Paul Morleys wird vor allem in den 90er Jahren Reynolds’ Kanon des ›Progressiven‹ (von den psychedelischen Gruppen der 60er Jahre über den Post-Punk bis hin zu vielen weiteren experimentellen Bands, die dem RockBereich zugeschlagen werden) in einem avancierten Pop-Kontext gesehen. Was im Rahmen dieser Arbeit zusammenfassend als Avant-Pop bezeichnet wird, firmiert bei vielen anderen Autoren oftmals einfach als »Pop«. Das gilt nicht nur für die Musik, sondern auch für die anderen Gattungen – und es gilt ebenfalls sogar für wenig aggressiv auffallende Ausprägungen, nicht allein für bestimmte Genres (Pornografie, Kitsch, Splatter etc.), in denen man schon einmal leichter auf dem Wege der Kombination von ReizAngriff und Anti-Narration die Bahnen der konventionell erscheinenden Ordnungsmuster verlassen kann. Camp (in seiner ironischen Form) wird im Zuge dessen oft abgewertet und vom Trash oder vom ernstgemeinten easy listening

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und verspielten Dekor, aber auch von abstrakteren, neutönerischeren Experimenten und Mischungen abgelöst. Der Boden für eine nochmalige Erweiterung des Pop-Kanons ist dadurch hinlänglich bereitet (s. in Deutschland die Zeitschrift Testcard). »Pop« wird tatsächlich von nun an häufig als Begriff gebraucht, um in lobender Absicht auf Phänomene hinzuweisen, die ungewöhnlich, experimentell und künstlerisch erscheinen, aber nicht der Hochkultur oder der zeitgenössischen Musik zugeschlagen werden; kanonisch resümiert durch Paul Morley, der in seinem Buch Words and Music zuerst hervorhebt, dass »the hybrid made up pop, borrowing from all over a glamorous machine century of sound and image, style and sensation, had more impact than the hybrid that made up rock«, denn »sounds stripped down in number-one songs, sounds creeping around the back of pop hits, were more experimental than rock bands lifting ballads out of a world where Elton John duetted with Radiohead« – um dann als »Hintergrund« von Kylie Minogues Can’t Get You Out of My Head den ganzen nun bekannten Kanon von Eric Dolphy, Supremes, Velvet Underground, Can, Sly & the Family Stone, Walter Carlos, Terry Riley, Brian Eno über Sex Pistols, Pere Ubu, Human League bis hin zu My Bloody Valentine, Sonic Youth, Nirvana usf. aufzulisten (2005: 49ff.; s. auch Morley 2000: 38f.). Eine weitere entscheidende Neuausrichtung, die es noch leichter macht, selbst im Hinblick auf Phänomene, die stark von einem vermuteten Mainstream abweichen, von »Pop« zu sprechen, betreibt Simon Reynolds selbst. Neben der erneuerten Ausprägung des Subversions-Pop und einer teilweise veränderten Ausrichtung der Pop-Postmoderne/Image-Zeichen dient der Weiterführung und Ausweitung des Pop-Konzepts die Kombination von Kunst-Welt sowie Großer Manipulation mit Pop-Hedonismus. Für Letztere liefert Reynolds in ausführlicher und einflussreicher Weise Sprachregelungen. Den Anlass oder Grund dazu bieten die neuen Musikgenres Hip Hop, House und Techno. Sie werden von Reynolds ebenfalls gegen die abgewerteten Genres des Designer- und Indie-Pop – gegen eighties’ mainstream pop – ausgespielt und darum als vergleichsweise »progressiv« und »avantgardistisch« eingestuft (1990k: 151), ihre aus seiner Sicht vorhandene transgressive Qualität wird aber von ihm nun nicht unter dem Titel »Rock« abgebucht. Auch wenn er es vermag, historische Bestandteile des Pop-Konzepts zeitweise auf den »Rock« zu beziehen, widersetzt er sich im Fall der »schwarzen Musik« und der Disco-Nachfahren den üblichen Sprechgeboten nicht, hier liegt offenkundig eine härtere Grenze. Zwar stellt Reynolds – wie Africa Bambatta und Essayisten wie Peter York und David Toop vor ihm – fest, dass u.a. Hip Hop kein reines Ethos des Natürlichen, des menschlich-expressiven Soul pflegt, sondern auch im Bunde mit der »›weißen‹« Maschinenmusik steht, diese Auffassung dürfte ihn aber nach traditioneller, stereotyper Logik erst recht von einem »Rock«-Vergleich wegtreiben. In der Tat fasst Reynolds seine Zustimmung zu der »kälteren, stärker inhumanen« Musik der »›Schwarzen‹« – »in the case of hip hop, more wound-up heartless, in the case of house, dispassionate, inexpressive, plastic« – unter der anerkennenden Formel black pop zusammen (1990l: 156f.; Reynolds/Oldfield 1990b: 176). »What’s interesting about modern black dance music«, heißt es in einem weiteren Aufsatz, »is that it’s abandoned narrative: both hip hop and house exist in a kind of eternal present. In the case of hip hop, an unstable, threatened, tense present. In the case of house, a utopian

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perpetual now of polymorphous pleasure«. Hoch interessant ist aber auch, dass Reynolds die Topoi der Anti-Narration und des lustvoll entgrenzten oder angespannten Augenblicks jetzt wieder vollkommen vom »Rock« abgrenzt, indem er zusätzlich zur Anti-Narration und zum Reiz-Angriff der »schwarzen« Musik noch den Anschluss an Kunst-Welt und Medien-Botschaft positiv zugute schreibt: Hip Hop und House seien die neuesten Episoden in der Geschichte des black pop, »a history conditioned not by sacred cow artists but by producers and backroom technicians; a history conditioned not by individuals and their notions of the meaning and purpose of music (as with rock) but by changes in technology, in what it’s possible to do with sound« (1990m: 173; skurrilerweise verwechselt ein deutscher, konstruktiver Epigone solcher Überlegungen die Ausführungen Reynolds mit einer Kritik am Sampling; Poschardt 1995: 279, 247). Damit kann ebenfalls der Zusammenschluss von Meta- und V-Pop unter dem Zeichen von Anti-Narration, Reiz-Angriff und hochgetriebenem PopHedonismus leichterdings bewerkstelligt werden. Die Technik des Samplens lässt Hip Hop in die Nähe der modernen Kunst der »discontinuity and juxtaposition«, des cut-up und der bricolage rücken, als ein Beispiel dafür verweist Reynolds auf De La Souls »kind of dance psychedelia, disrupting consciousness by rupturing stylistic integrity«; die gleiche Vorgehensweise und die gleiche Wirkung erkennt er in der »populären Kultur« allgemein, aber besonders in der House-Musik: »the death of the Song, to be replaced by the decentred, unresolved, in-finite house track; the brain-rotting vortex of quickcutting in video and TV; the supercession of narrative, characterization, and motivation by sensational effects.« All diese Phänomene sieht er als Bedrohung des ordentlichen, integrierten bürgerlichen Individuums; der bewusste Verfremdungseffekt geht darüber freilich schnell wieder verloren, in anderer typisch avantgardistisch-anarchistischer Manier hofft Reynolds stattdessen, dass der Angriff auf die abgerundete Persönlichkeit (wenigstens innerhalb des Bereichs der Kunst) dennoch erfolgreich sein wird. »Blip culture means the death of sequential, linear thought, an erosion of people’s ability to plan and manage their lives«, ist sich Reynolds sicher: »There is only a NOW that is either blissed-out, or dread-ful (dread is a kind of jouissance-in-negative, a slow subsidence into uncontrol and panic)«, hält er als Tatsache fest, was er offensichtlich erwünscht und als Maßstab hochhält (Reynolds/Stubbs 1990c: 169; s. danach Reynolds 1998; Reynolds 2005; Savage 1996m; Hemment 1997; Rietveld 1998; Eshun 1999; Gilbert/Pearson 1999; Cox 2003; vgl. McRobbie 1999c; 1999d; dt. Varianten: Diederichsen 1993d: 26; Westbam 1997; Klein 1999; Witzel/Walter/Meinecke 2005: 83; Bonz 2008; einfachere ecstacy/fun-Varianten: Anthony 1998: 113; Laarmann 1999). Kurz gesagt: Mit Hip Hop und vor allem House findet die Affirmation des künstlich entgrenzten Hedonismus wieder – und nun sogar in besonders starker Form – in die Rede über »Pop« Eingang. Dies hat keineswegs nur damit zu tun, dass, wie Reynolds festellt, Acid House und Detroit Techno nachhaltig vom synthipop der frühen 80er beeinflusst sind, sondern ergibt sich vielmehr aus den allgegenwärtigen »Schwarz«-»Weiß«-Stereotypen und der mit ihnen verwobenen Geschichte des Pop-Konzepts. Eine zugleich »schwarze« und artifizielle Tanzmusik kann historisch gesehen nur als »Pop« eingeordnet werden. Wenn Reynolds (1990m: 175, 173) mit Techno »Plastik«, »Sinnlosigkeit« und »Kälte« auf positive Weise assoziiert – und mit

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House »reine Lust«, starken Reiz (›intoxicated hearing‹) und »Oberflächlichkeit« (im Sinne einer fehlenden narrativen Entwicklung, im Sinne einer democracy of sounds) –, dann liegt das Urteil und die Einordnung sehr nahe: »Here’s a pop culture based around the death of the song, minimalism, repetition, departure from the stability of the key and harmonic structure in favour of sonority and sound-in-itself. No need for interpretation, context or rhetoric, all the things that people turn to the music papers for. No delay, no mediation, but a direct interface between the music’s pleasure circuitry and the listener’s nervous system«. Auch die Verbindung von Acid House zur psychedelischen Vergangenheit kann Reynolds von seiner Einschätzung nicht abhalten. Im Gegenteil, gerade der Vergleich treibt ihn dazu an, die neue elektronische Musik noch viel stärker als »Pop« auszuzeichnen: Acid Rock habe sich die utopische Zukunft als Rückkehr zu einer vormodernen Unschuld ausgemalt, die Acid-Gegenwart jedoch sei »futuristic, in love with sophistication and technology«; »Acid House imagines a James Bond/Barbarella leisure paradise of gadgetry and designer drugs« – »House is a kind of pleasure factory« (Reynolds/Oldfield 1990b: 178f.). Dadurch avanciert »Pop« sehr schnell wieder zu einem Lobestitel, der die bekannten Dimensionen der Kunst-Welt, des Reiz-Angriffs und der Großen Manipulation mit der Erwartung auf entgrenzte Lüste verbindet. Speziell Reynolds letzter Punkt weist sogar in hohem Maße direkt in die zweite Hälfte der 60er Jahre zurück (Reynold irrt, wenn er Acid Rock mit technikfeindlichen Vorstellungen kurzschließt). Eine typische Pop-Haltung zeigt sich (allerdings) in der Kombination von Acid mit einer artifiziellen »pleasure Factory« à la James Bond; bei amerikanischen Grateful Dead-Anhängern etwa trifft man sie zwar tatsächlich kaum an, sehr wohl aber bei Vereinigungen wie Archigram. Neu ist jedoch ihre Ausrichtung hin auf eine rein maschinell hervorgebrachte Tanzmusik, von der zudem erwartet wird, dass sie zu einer sinnfreien, kalt-ekstatischen Gegenwart entscheidend beiträgt. Zumindest für die Kontinuität des Pop-Konzepts sorgt sie jedenfalls zuverlässig. Nur kaum weniger wirkungsmächtig als die wiederholte Propagierung von Reiz-Angriff, Anti-Narration, Kunst-Welt – und unter Intellektuellen sicherlich sogar ebenso einflussreich wie die Ausweitung des Avant-PopKanons auf Rock (als noise) und House und Techno (als dezentrierter track unmittelbar angreifender Nervenreize) – ist eine neue Variante poststrukturalistisch angeleiteter Pop-Subversion. Vor allem Judith Butlers Auffassung, dass nicht nur gender-Rollen und -Ausprägungen, sondern auch sex, Leib und Geschlecht, kulturell eingezogene, durch machtvolle Akte wiederholter Performanz etablierte Konventionen und Zuschreibungen sind (Butler 1990; 1993), dient hier neben den weiterhin unter theorieinteressierten Akademikern und Künstlern beliebten antiessenzialistischen Entwürfen von Deleuze und Foucault als Ausgangspunkt. Durch sie gewinnt die pop deconstruction schnell jene körperliche Dimension, die Reynolds an ihr noch vermisst hat; das reicht von der ›queeren‹ (Wieder-)Aneignung der Camp- bzw. DragGesten (z.B. Schwichtenberg 1993b; Sullivan 2003) bis hin zur technologisch betriebenen und postmodern teilweise oder ganz erwünschten Beseitigung des alten Humanum; die Kunst-Welt im Sinne der Pop-Subversion rückt durch kosmetische Chirurgie (Gubar 1997: 249; Poschardt 1998: 414; Balzer 2006; Balsamo 2007; vgl. Villa 2008a) sowie vor allem durch virtuelle, digital erzeugte Objekte rasch in den Bereich des Möglichen und wird durch

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Gentechnologie-Forschung und Cyborg-Visionen versuchsweise oder fantastisch immer weiter in die Zukunft verlängert (z.B. Haraway 1991; McCaffery 1991a; Plant 1997; Eshun 1999; Wolmark 1999; Bell/Kennedy 2000; Dery 2002; Venturi 2004; vgl. Klein 2001; Holert 2005; Barbrook 2007). Das so verstandene »Pop«-Projekt könnte deshalb seinen größten, totalen Erfolg noch vor sich haben. Bereits in der prosaischeren, wenn auch bunten Gegenwart ist ein weiteres Motiv angesiedelt, das eine Ausdehnung der Pop-Wahrnehmung begünstigt. Besser gesagt, ist es eine Befreiung der Pop-Sensibilität von selbst auferlegten Beschränkungen, die dazu beiträgt. Angetrieben von der Vorliebe für Image-Zeichen und Oberflächen-Ästhetik, wendet sich die Aufmerksamkeit der (postmodernen) Pop-Anhänger ab den 80er Jahren nicht nur den Ereignissen und Dingen zu, die bereits aus anderen Gründen zum Pop-Bereich geschlagen werden – und sie richtet sich keineswegs allein auf Gegenstände, die man als stylish im Sinne einer rein weißen Mittelschichts-Ästhetik, einer sauber begrenzten Pop-art oder einer gesicherten Camp-Aneignung kaum mehr aufdringlicher Objekte empfindet: Die Pop-Sensibilität erfreut sich jetzt auch und gerade am Rock in seiner wenig progressiven oder avancierten Form. »Bad Taste cults tend to form exclusively around the discarded and the disappeared, and Heavy Metal is too genuinely popular to attract the parasitical appreciation of Hip’s awayday vulture voyeurs«, merkt Ian Penman 1990 an, Leute wie er haben jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits dafür gesorgt, dass der Satz nicht mehr vollständig gilt. Dies liegt nicht allein daran, dass der auf Coolness bedachte Hipster in einer Zeit, in der sich ein nostalgischer CampGeschmack längst durchgesetzt hat, aus Distinktionsgründen seine Originalität gerade an der Adaption weitverbreiteter aktueller Konsumgüter erweisen muss, sondern findet seinen Grund in noch stärkerem Maße in der PopEinstellung, hinter der Oberfläche nicht unbedingt eine Tiefendimension zu vermuten oder mit den Zeichen keinesfalls eine natürliche Bedeutung zu verknüpfen. »Every time I see (through) Metal spectacles, I don’t think ›Nuremberg‹, but rather pantomime«, gibt Penman selbst das beste Beispiel dafür (1998: 15f.). Neu ist daran wenigstens zu Beginn, dass sich das Gefallen an der Show nach den Metal-Posern schnell auch an Künstlern und Öffentlichkeitsakteuren entzünden kann, die auf weniger auffällige oder glamouröse Weise versuchen, einen angeblich authentischen Selbstausdruck darzubieten, eine Freude an offenen oder ihren Inszenierungscharakter verdeckenden, freilich durchschaubaren Präsentationen, die sich schon in den 80er Jahren auf breiterer Front an der gestiegenen Wertschätzung von Werbekampagnen und Promotionfotos schlechthin, aber auch besonders von bereits selbstreflexiven, ironisch gebrochenen Anzeigen, Filmen und Unterhaltungssendungen zeigt. Der gewünschten Ekstase der Pop-noise-rock- oder Techno-tracks-ReizAngriffe sowie einer nachhaltig verwirrenden, subversiven Erfahrung läuft solcher Image-Zeichen-Pop-Hedonismus höchstwahrscheinlich erneut fast immer stark zuwider. Dennoch können seine Protagonisten ebenfalls wie sie, mitunter sogar in einem Moment gemeinsam mit ihnen, in den Avant-PopKanon eingehen; dort stehen neben Velvet Underground und den Beach Boys mittlerweile nicht nur Derrick May und De La Soul, sondern nun auch, in zuerst eigentümlich erscheinender Verbindung, Led Zeppelin und (sogar ohne Camp-Begründung) die Bee Gees, weil sie beide auf je ihre Weise, sowohl musikalisch wie auch visuell, einen deutlichen Stil ausgeprägt haben.

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Selbst die viel stärker durch eine Abfall-, Lo-Fi- und Second-HandÄsthetik geprägte Szene geht nicht nur in den Kanon ein – das ohnehin –, sondern stützt sich jetzt häufig in ihrem erklärten, für sie zentralen Widerstand gegen die herrschende Kultur ausgerechnet auf Bestandteile des PopKonzepts. Avant-Pop, Image-Zeichen, Pop-Hedonismus zählen als Mischung sogar in der neuen, von Punk und Hard Core herkommenden amerikanischen Alternativbewegung zu Hoffnungsträgern, was sicherlich zu einem großen Teil auf die Stilfixierung, auf die Anstrengung, sich ein einheitlich abgerissenes, rebellisch oder statusindifferent aussehendes Gepräge zu geben, zurückzuführen ist. Deshalb vertraut man in der Einladung und Erklärung zu einem Treffen in Olympia (Washington), das Ende August 1991 einen Grundstein für die Grunge- und Riot Grrrl-Szenen der kommenden Jahre bildet (vgl. Gottlieb/Wald 1994; Kearney 1997; Leonard 1997; Grether 2007), trotz des Abscheus vor der kapitalistischen, kommerzialisierten Gesellschaft nicht auf eine politische Partei, Bewegung oder Aktion, sondern auf den Pop Underground. »Because this society is sick and in desperate need of a little bloodletting; sand, sidewalk and punk pop implosion«, heißt es zur Begründung des Titels International Pop Underground Convention; als Ziel des Treffens wird dennoch gleich die »Revolution« ausgegeben, als Mittel zur Verwirklichung des Ziels nichts anderes als »barbecues, parades, disco dancing, picnics and wild screaming teenage rock ’n’ roll« (Faksimile in Arnold 1993: 164). Insgesamt gesehen, fällt darum die Beurteilung und Einordnung leicht: Das Pop-Konzept gewinnt seit 1985 wegen verschiedener Operationen noch einmal an Wirkung und Ausstrahlungskraft. Erstens weil der Avant-Pop eine ganze Reihe weiterer Gruppen aus dem enorm großen Bereich der populären Musik und sogar aus dem Grenzbereich zur E-Musik für sich reklamiert, was nichts anderes heißt, als dass eine ganze Reihe von Hörern und Rezensenten nun den Begriff »Pop« bei Gruppen benutzt, die sie zuvor anders (etwa als »progressive Rockgruppe« oder »experimentelle Band«) eingeordnet hätten (z.B. Sterling 1991; Büsser 2001; Neumeister 2001: 25f.). Gleiches gilt auch (in geringerem Umfang) für Bücher und Filme; hier rückt besonders der Sektor des Trash in den Blickpunkt, in dem aus Gründen der Kostensenkung, aus Fanatismus und/oder aus avantgardistischen Antrieben heraus die Narration zugunsten von Effekten und fetischistischen Einstellungen zerstückelt oder aufgegeben wird (vgl. Polan 1986; Diederichsen 1989: 15f.; Kipnis 1992; Kleinhans 1994; Illing 2006: 230ff.). Zweitens erhöhen sich die Zugriffsmöglichkeiten im Sinne des Pop-Konzepts, weil (bzw. wenn) »Pop« im Zuge des weiter enorm vorangetriebenen Fortschritts der Technik als besondere Chance angesehen wird, den Reiz-Angriff, die Kunst-Welt, die Große Manipulation oder den Meta-Pop zu steigern. Drittens trägt zur zunehmenden Verwendung des »Pop«-Begriffs bei, dass die Kunst-Welt in hohem Maße als Bedingung betrachtet wird, herrschende Vorstellungen aufzulösen; die Auffassung, dass nicht allein die menschlichen Rollen, sondern sogar der Leib und das Geschlecht zutiefst kulturell gestiftete Produkte seien, öffnet den Raum für verschiedene Formen spielerischer Pop-Subversion; deren mikro-politischer Anspruch fungiert nicht bloß als Ehrentitel und Legitimation für ›queere‹ Szenen (Smith 1995; Bianchi 1996a; Becquer/Gatti 1997; Halberstam 2006; Cagle 2006; Kelley 2006; Driver 2007), sondern in noch größerem Ausmaß für ungemein viele Projekte im Kunstbereich, die mit ihren Entlehnungen aus

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Pop- und Subkulturen oftmals wie der Vorschlag für eine Anzeige in einer jener avantgardistischen Mode/Lifestyle-Zeitschriften aussehen, in der ihre Schöpfer mit etwas Glück als vielversprechende junge Künstler vorgestellt werden, die einen Beitrag zu der umspannenden Design/Bildende Kunst/ Marketing-Szene vorgeblich subversiver »Cool Club Cultures« leisten (Bianchi 1996/97; vgl. auch Baudrillard 1989; Seabrook 2001: 168ff.; McRobbie 1999b). Nicht vergessen darf man zuletzt, dass man von einer Ausdehnung und zunehmenden Verbreitung des Pop-Konzepts in den 90er Jahren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts auch deshalb mit großem Recht sprechen kann, weil der neuere Begriffsgebrauch nicht zu Lasten anderer Verwendungen geht. Als Bezeichnung für viele Phänomene, die glatt, eingängig, oberflächlich, bunt, kommerziell, auffallend erscheinen, fungiert »Pop« im allgemeinen Sprachgebrauch (auch abseits seiner Verwendung in akademischen, künstlerischen Kreisen) unverändert weiter. Teilweise zusammen mit solcher Oberflächen-Ästhetik, Kunst-Welt und Konsum-Freiheit, manchmal unabhängig von ihnen, nicht selten gegen sie gerichtet, tragen die intellektuellen, feuilletonistischen Pop-Debatten zur erheblichen Bedeutung des Pop-Konzepts bei.

Pop-Akademisierung Aus den Wissenschaften stammt ebenfalls ein wichtiger Beitrag zur positiven Fassung und Verbreitung des Pop-Konzepts. Der Beitrag kommt, kaum überraschend, Mitte der 80er Jahre aus der einzigen Schule, die sich bislang mit einigem theoretischen und empirischen Aufwand der zeitgenössischen Popkultur zugewandt hat, den Birminghamer Cultural Studies. Es ist zuerst Iain Chambers vorbehalten, die bereits sehr gut eingeführten Thesen von Stuart Hall, John Clarke, Paul Willis, Dick Hebdige u.a. – Jugend-Subkulturen als auch politisch bemerkenswerte Gruppen; Bricolage-Stil als potenziell widerständige Aneignung kulturindustriell hergestellter Güter und hegemonialer Zeichen – auf eine Weise weiterzuverfolgen, dass sie noch stärker auf PopPhänomene bezogen werden können. Dazu löst sie Chambers von ihrer Bindung an die Arbeiterklasse – er spricht allgemein von der zeitgenössischen städtischen Szenerie mit ihren vielen optischen und akustischen, medialen Eindrücken als dem Ort alltäglicher »Politik«, und er zeigt die postmoderne Auflösung bildungsbürgerlicher Grenzen auf, ohne sogleich die Gefahr der kommerziellen Vereinnahmung abweichender Impulse und der profitorientierten bzw. konsumistischen Durchdringung aller Lebensbereiche zu betonen. Im Gegenteil, die zunehmende Vorherrschaft des Designs auch über die Kunst konstatiert Chambers provozierend gelassen. »Contemporary ›art‹ is no longer the privileged field of the symbolic, of the imagination«, hält Chambers fest, »it too has become an urban event, alongside television, newspapers, graffiti and pop records; a metropolitan gesture. Its previous codes are contaminated – Art becomes pop, turns profane – and pop, popular culture, acquires its own aesthetics and confuses them with the metropolitan realities of consumerism« (1988: 185, 193; s. auch Chambers 1985). Spätestens an dem Punkt erwartet man eine negative Bewertung, doch verleiht Chambers der konsumistischen Vermengung und dem Primat des

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Designs auch auf dem Gebiet der zeitgenössischen Kunst vielmehr eine sehr positive Bedeutung im Sinne eines postmodernen Pop-Populismus. Das Bestreben, eine essenzielle »separation between ideas and material, between original and derivative, production and reproduction, taste and commerce, culture and industry« zu behaupten, sei von der städtischen Wirklichkeit überholt worden, konstatiert Chambers ohne jeden Anflug eines Bedauerns. »This confusion and breaking of codes, this disrespect for previous authorities, boundaries and rules, also exposes what was previously subordinate and hidden«, lautet seine Botschaft: »Different histories become available, their languages drawn into a contemporary eclecticism – producing unexpected encounters in the record grooves, on the dance floor, in fashion, in front of television, in the city, and in everyday life.« Weil solche codes jedem Städtebewohner, Käufer, Fernsehzuschauer mittlerweile leicht zugänglich seien, gelange die Autorität der alten Kultur an ihr Ende; die »Hochkultur« bilde nun bloß noch eine Subkultur unter anderen; in dieser offenen Lage zeichne sich die Möglichkeit einer »democracy of aesthetic and cultural populism« ab (1988: 196, 193f.). Wichtige Konsequenzen weist diese Analyse und Haltung nicht zuletzt auch für die spezifische alltagspolitische Konzeption der Cultural Studies auf. Ebenfalls wie seine Vorgänger setzt Chambers auf die subversive Aneignung und Umcodierung vorgegebener, noch vorherrschender Gegenstände und Zeichen. Im Einklang mit seiner gesamten Beschreibung der urbanen und medial gestifteten Realität zieht Chambers die Linie zwischen einer subkulturell oder künstlerisch-avantgardistisch gelungenen Subversion oder Verfremdung und ihrer kommerziellen oder hegemonialen Vereinnahmung aber wesentlich weniger stark. Die Utopie eines entlegenen Ortes, von dem aus man distanziert das ›falsche‹ weltliche Treiben kritisieren könne, hält er für leer, die Berufung auf ›richtige‹ Bedürfnisse, ›echten‹ Durchblick, ›authentischen‹ Widerstand, auf eine vom ästhetischen und ideologischen Schein unabhängige, ›wahre‹ Politik, für grundlos. Als Folge ergibt sich für Chambers daraus die Forderung nach einer Revision der »idea of the cultural resistance and sign warfare«. Zuerst klingt seine Forderung ganz vertraut: Notwendig sei, mit den Zeichen zu spielen, »to explore the languages that apparently ›subject‹ us«, heißt es wie gewohnt. Im Unterschied zu seinen Vorläufern bindet Chambers dieses Projekt jedoch nicht mehr an jugendliche Subkulturen aus der Arbeiterklasse zurück, und er konzentriert es auch nicht länger auf den geglückten Moment einer überraschend widerständigen Aneignung kulturindustriell hergestellter Güter vor der wiederum anschließend erfolgenden kommerziellen Auswertung und Vereinnahmung solcher Adaption und Neurahmung. »That means living inside the signs«, lautet konsequenterweise Chambers Ableitung und Imperativ: »It means engaging in the contradictory pleasures of fashion, style, television soap, video games, sport, shopping, reading, drinking, sexuality« (ebd.: 212). Die Aufforderung verhallt nicht ungehört, ihr kommen in den folgenden Jahren und Jahrzehnten sehr viele Wissenschaftler und Essayisten nach. Eine wahre Fülle von Aufsätzen und Büchern legt Zeugnis für die von nun an unter dem Zeichen bzw. in den Disziplinen der Cultural Studies und LifestyleSoziologie und -Ethnologie vorgebrachte Einschätzung und Überzeugung ab, dass Artefakte und Texte der postmodernen kommerziellen Popkultur wenigstens einen wichtigen Ausgangspunkt darstellen, um konservativen Identi-

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tätsfestschreibungen und neoliberalen Begründungen sozioökonomischer Unterschiede Widerstand entgegenzusetzen (etwa Dyer 1986; Buhle 1987; Fiske 1987; Kaplan 1987; Hall 1989; Henry 1989; Wallace 1990; McClary 1991; Willis 1992c; Baker 1993; Gilroy 1993; Schwichtenberg 1993b; McRobbie 1994; Potter 1995; Davies 1996; Grossberg 1997b; Skelton/Valentine 1998; Diederichsen 1999; Lipsitz 1999; Fiske 2000; St John 2003; Matrix 2006; Jenkins 2006). Freilich gibt es fast ebenso viele Veröffentlichungen, die den aus ihrer Sicht noch zu optimistischen Grundzug solcher Analysen betonen und stattdessen insgesamt (etwas) stärker auf die Gefahr einer Vereinnahmung der popkulturell-postmodernen Auflösung traditioneller Grenzen durch modernkapitalistische und neoliberale Konsumimperative, Flexibilisierungsprozesse und Individualisierungs- bzw. Entsolidarisierungsanforderungen hinweisen (grundlegend McGuigan 1992; danach etwa unter vielen anderen CsicseryRonay, Jr. 1991; Kellner 1995; Gurk 1996; Höller 1996; Clark 2003). Auch an Untersuchungen, die grundsätzlich härter auf die ökonomischen, sozialen und politischen Bedingungen und Einschränkungen einer popkulturellen Mikro-Politik hinweisen, herrscht kein Mangel (Cutler 1995; Berman 1987; Frith 1988e; Harvey 1989; Frith 1990; Tomlinson 1990b; Tetzlaff 1993; Frith/Savage 1993; Thornton 1997; Hinz 1998; Behrens 1998; Kurz 1999; Frank 2000; Philo/Miller 2001; Lash/Urry 2002; Frow 2002; Behrens 2003a; Winokur 2008; Fairchild 2008; Gebesmair 2008; moderater: Negus 1992; Campbell 1995; Negus 1999). Selbst diese Arbeiten sind aber keineswegs mehr von einem durchgehend kulturkritischen Tenor geprägt oder beziehen ihren Schwung weitgehend von einer Verteidigung des alten Bildungskanons her. Darum tragen nicht wenige von ihnen zumindest indirekt ebenfalls zu einer geänderten Lage bei; auch sie machen Gegenstände der Popkultur immerhin als Objekte und Anlässe wissenschaftlicher Betrachtung respektabel. Eine weitere Fülle an Büchern, die sich nun auch unabhängig von politischen Hoffnungen, Befürchtungen oder Einschätzungen Werbung, Comics, Charts, Popmusikern etc. widmet, belegt diesen bedeutenden akademischen Wandel nachhaltig (etwa Gendron 1986; Jones 1992; Mellencamp 1992; Fowles 1996; Graczyk 1996; Garofalo 1997; Théberge 1997; Gelder 2000; Graczyk 2001; Creeber 2001; Echols 2002; Brackett 2002a; Volkwein 2003; Moser 2004; Williams 2004; Jacke 2004; Hogan 2006; Lehman 2006; Meteling 2006; Fuhr 2007; Helms/Phleps 2008; MacWilliams 2008b; Lena/Peterson 2008; zu weiteren Titeln vgl. die Rezensionen und Literaturangaben im amerikanischen Journal of Popular Culture). Man muss jetzt, wenigstens in den USA und England, in kulturwissenschaftlichen Disziplinen nicht länger um seine universitäre Laufbahn fürchten, wenn man sich solchen Themen in akademischen Qualifikationsschriften zuwendet. Selbst ästhetische oder politische Plädoyers für den gewählten Untersuchungsgegenstand werden nicht gleich als fragwürdige Einlassungen abgewertet, solange sie sich im Rahmen des Avant-Pop bewegen und/oder von subtilen Analysen mit Hilfe angesehener Methoden (Dekonstruktion, Narratologie etc.) begleitet bzw. unter Berufung auf Autoritätsfiguren (Foucault, Hall, Butler, Adorno usf.) durchgeführt werden. Vor dem Wort pop schrecken diese mittlerweile risikoloseren und manchmal sogar karrierefördernden Projekte jedoch noch oftmals zurück. Zumeist ist im Titel, in Kapitelüberschriften oder in Definitionen von popu-

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lar culture die Rede, selbst wenn der Aufsatz oder das Buch sich eindeutig um Dinge dreht, die außerhalb der Universität wenn überhaupt mit Allgemeinbegriffen, dann allenfalls mit dem charakteristischen Laut pop belegt werden (etwa Hamm 1995; Fowles 1996; Strinati 2000; Irwin 2007: 45f.). Abseits der Akademie und verwandter Diskussionsforen scheint der Begriff popular culture generell kaum Anwendung zu finden; für den deutschen Sprachraum kann das für »populäre Kultur« und »Populärkultur«, ganz zu schweigen von »Popularkultur«, sogar ohne jeden Vorbehalt festgestellt werden. Dies ist darum erstaunlich, weil in Deutschland bereits »populäre Kultur« einen ganz anderen Klang besitzt als »Volkskultur«; in der Hinsicht bräuchte man den Begriff »Pop« gar nicht. Im angloamerikanischen Raum hingegen verfügt popular culture noch über die Bedeutungen des alltäglich, volksnah Eingeübten und Hervorgebrachten, weshalb pop (oder, etwas schwächer, pop culture) sich dort dazu eignet, einen Unterschied zu solch einer traditionelleren oder aktuell herausgebildeten gemeinschaftlichen Kultur zu markieren. Sehr gut kann man die unterschiedliche Bedeutung der Begriffe vor allem an der Praxis intellektueller afroamerikanischer Autoren ablesen, die als ihre erkannte Kultur vorzugsweise mit dem Titel popular culture/popular black music etc. zu belegen (Karenga 1971; Wellburn 1971; Gilroy 1987; Baker 1993: 539; Rose 1994; Neal 2002; Vincent 2004; Cobb 2007: 6; s. Baker 1984; kritisch dazu Kelley 1992; hooks 2006; Negus 1997: 100ff.; Jacob 1993; vgl. Ramsey, Jr. 2003) und/oder an ästhetisch/politisch zentraler Stelle von pop abzugrenzen (George 1988: 154, 181; Vincent 1996; Watkins 2005; übernommen etwa von Toop 1991: 140); ob die unter ihnen ab den 80er Jahren teilweise feststellbare Neigung, (auch) von black pop oder pop zu sprechen (George 2001; Eshun 1999), mit der zunehmenden poststrukturalistischen Herausstellung eines afroamerikanischen, einer dekonstruktiven Lektüre entgegenkommenden »Signifying« zu tun hat (Gates, Jr. 1988; Julien 1993; Potter 1995; s. Tate 1992; dt. Übernahme Diederichsen 1993b; Geuen/Rappe 2001b), sei dahingestellt. Fest steht jedenfalls, dass keineswegs nur bei ihnen popular culture nicht einfach in pop aufgehen konnte (oder kann). Deshalb ist der mittlerweile gängige synonyme Gebrauch von popular culture (bzw. »populäre Kultur«, »Popularmusik« etc.) und pop (bzw. »Pop«), bei dem der erste oftmals der prominenter herausgestellte Titel ist, durchaus bemerkenswert, auch weil (gerade wenn) die Autoren es selbst nicht bemerken (etwa Straw 1998; Grossberg 1999; McLaughlin 2000; Hahn/Werber 2004; During 2005; Crothers 2006; Biddle/Jarman-Ivens 2007; Appen 2007; Karasek 2008; MacWilliams 2008b). Einen sachlichen Anhalt findet die Gleichsetzung darin, dass die mit dem Begriff verbundenen »Pop«-Dimensionen der Oberflächen-Ästhetik, Kunst-Welt, des Meta-Pop und Image-Zeichens sich zunehmend auf Bereiche erstrecken, die man oft als authentisch, traditionsverwurzelt oder als Ausdruck einer lebensweltlich hervorgebrachten Kultur betrachtet (hat). Dennoch trägt die zumeist offenkundig unreflektierte Vereinigung von popular und pop culture oder sogar pop oftmals dazu bei, die seit den Tagen der Independent Group recht gut konturierte Fassung des Pop-Konzepts in den Hintergrund zu drängen und der zu einem nicht geringen Teil anders gearteten Tradition der Rede über Populär- und Massenkultur den Vorrang zu erteilen. Dies hängt natürlich in erster Linie damit zusammen, dass viele Wissen-

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schaftler die Pop-art- und Pop-Debatten im Gegensatz zu den mit kanonisierten Theoretiker-Namen (von Adorno bis Foucault) verbundenen gesellschaftspolitisch groß ausgreifenden Ansätzen kaum kennen. Daneben oder zudem dürfte die häufige Verwendung des Begriffs popular culture ihren Grund in dem respektableren Klang der beiden Worte finden, zuletzt erzeugt vor allem durch den von so überaus vielen Cultural Studies-Verfechtern hergestellten Bezug der popular culture zu widerständigen Subkulturen, kleinen alltäglichen Verweigerungen und zu einer möglichen antihegemonialen Koalition der Subalternen. »Pop« hört sich hingegen viel weniger bedeutend an, sowohl in akademischer als auch in konservativer wie sozialistischer Hinsicht; »Pop« klingt belangloser, unverantwortlicher, amüsanter, oberflächlicher, aufdringlicher, bindungsloser, flüchtiger, kommerzieller. Dies führt dazu, dass »Pop« als Begriff selbst in akademischen Schriften, die zum Zwecke der ästhetischen und politischen Legitimation alltäglicher Vergnügungen und angenehmer Unterhaltung verfasst werden, nicht im Vordergrund steht. Die Grenze wirkt sich auch insofern stark aus, als Einsichten und Behauptungen, die im PopZusammenhang der Illustrierten und Lifestylemagazine entstanden sind, in entsprechenden wissenschaftlichen Abhandlungen selten als Beleg oder historisch bedeutsame These herangezogen werden. Ein Musterbeispiel hierfür ist das unter sozial- und kulturwissenschaftlichen deutschen Lesern sehr bekannte Buch Die Erlebnis-Gesellschaft von Gerhard Schulze (1992); Schulze arbeitet nicht nur mit großem theoretischen und empirischen Aufwand das Bild einer Gesellschaft heraus, die sich in pluralen Milieus der Ästhetisierung des Lebens widmet, er schwingt sich auch zum Verteidiger der »Lust der Konsumenten« auf; dennoch nennt er all die Autoren von Banham über Wolfe und Toffler bis York, die seine Thesen in den Jahrzehnten zuvor längst in essayistischer Form niedergelegt haben, mit keinem Wort; wahrscheinlich kennt er sie nicht einmal, weil sie nicht zur üblichen wissenschaftlichen Lektüre gehören. Selbst bei Autoren, die in Musikbeiträgen auf das Pop-Konzept verweisen oder sogar zu ihm beigetragen haben, zeigt sich diese Unkenntnis oder Zurückhaltung (Flender/Rauhe 1989; Frith 2001; Wicke 2004; Shuker 2005: 203; 2008; Wicke/Ziegenrücker/Ziegenrücker 2007: 542f.). Mit einer Reihe überwiegend jüngerer Beiträger, deren private ästhetische Vorlieben wohl bereits schon zum Teil durch den Pop-Aufschwung der ersten Hälfte der 80er Jahre geprägt sein dürften, ändert sich dies aber allmählich (etwa Polhemus/Potter 1984; Street 1986; Behrens 1996; Holl 1996; Poschardt 1996; Bracewell 1997; Blake 1999a; Klein 1999; Holert 1999; Weinstein 2001; Smith 2002; Jones 2002; Brackett 2002b; Steedman 2002; Büsser 2004; Weisbard 2004; Liebsch 2004; Bonz/Büscher/Springer 2005; Metelmann 2005; Baßler 2006; Hawkins 2006; Matejovski/Kleiner/Stahl 2008; Drügh 2009). Das gilt sogar für Teilbereiche des Feminismus, deren Verfechterinnen zuvor aus guten Gründen durchweg die Unverträglichkeit ihres Anliegens mit der gemeinhin sexistischen, oberflächlichen Popkultur betont haben (vgl. Rakow 1986; Buszek 2006: 268ff.); seit den 90er Jahren melden sich nun feministische Autorinnen zu Wort, die ihre Vorliebe für die Äußerlichkeiten und hedonistischen Reize der Popkultur aus unterschiedlichen Motiven mit Grundzügen feministischer Selbstbekräftigung zusammenbringen wollen (McRobbie 1991; Paglia 1992a; Schwichtenberg 1993b; Karp/Stoller 1999; Lumby 1997; Grether 1998; Baumgardner/Richards 2000;

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Whiteley 2000: 226f.; Nash 2003; Eismann 2007; Shugart/Waggoner 2008; Peglow 2008; teilweise oder ganz und gar kritisch dazu: Mandziuk 1993; Reynolds/Press 1995: 316ff.; Nash 2006; Springer 2007; McRobbie 2009; vgl. Hollows 2000; Brunsdon 2000; Hollows/Moseley 2006; Tasker/Negra 2007a). In all diesen Ansätzen wird der Pop-Begriff an auffälliger Stelle verwandt (Pop-Literatur, politics of pop, Pop-Feminismus etc.), sicher auch aus einer wenigstens leicht provozierenden, um Aufmerksamkeit und Distinktion (vgl. Thornton 1997; Jacob 1997; Diaz-Bone 2002; Kleiner 2003) heischenden Haltung heraus. Die umgekehrte Strategie, dass Autoren, die selbst Beiträge zum PopKonzept, etwa zum New Pop, geliefert haben, nun bei Pop-Definitionen eigentümlicherweise auf diese historische Dimension verzichten (Frith 2001), bleibt noch die Ausnahme. Ebenfalls misslich ist allerdings beim gegenwärtigen Gebrauch des Pop-Begriffs im wissenschaftlichen Rahmen, dass nicht wenige Autoren das Bedürfnis verspüren, den thematischen Schwerpunkt ihrer Analysen in einer ›Definition‹ zum Inbegriff des »Pop« zu erklären und nicht bloß durch eine Begriffserklärung anzuzeigen, welchen Beobachterstandpunkt man einnimmt (vgl. Schmidt 2008). Ungeachtet der vielfältigen früheren Warnungen davor, Bestimmungen der popular culture oder popular music als sachangemessene oder neutral-konstruktive und nicht als interessegeleitete Setzungen in einem politisch umkämpften Gebiet anzusehen (Hall 1981; Bennett 1986; Shiach 1989; Heuger 1998; Wicke 1992; Middleton 2003; 2006: 32ff.; Wicke 2008; Bowman 2008: 198), heißt es dann vermeintlich wissenschaftlich präzise zu »Pop«: »I define pop culture as an eruption of the never-defeated paganism of the West« (Paglia 1992b: vii); »Pop ist eine performative Kultur« (Klein/Friedrich 2003: 143); »Der Pop-Geschmack definiert sich als Vorliebe für alles«, was »gute Verkaufszahlen aufweist« (Groys 2004: 99); »Like carnival, pop culture is all about spectacle, pastiche, and a polyphonic dialogue among common people« (Danesi 2008: 265f.) usf. Außerhalb der Wissenschaften ist gegen solch eine Begriffsstipulation, die den Blick durch einen originellen Vokabularbeitrag oder eine versuchte Sprachregelung auf bestimmte Phänomene richten soll, selbstverständlich nichts zu sagen, ohne sie käme schließlich keine Überlegung, keine Debatte zustande. Das gilt nicht nur für Wortneuschöpfungen, die auch in den Wissenschaften ihren festen Platz haben, um mit dem neuen Ausdruck auf bisher vernachlässigte oder neu entdeckte Untersuchungsbereiche hinzuweisen oder diese analytisch einzuteilen, sondern es gilt selbst für den Versuch, dekretorisch den als wichtig erachteten Worten bestimmte Bedeutungen zu verleihen oder abzuschneiden. Außerhalb der Wissenschaften ist es evtl. sogar eher verzeihlich, wenn historische Erläuterungen zum »Pop«-Begriffsgebrauch stark vereinfachende, einseitige Thesen als Summe der zuvor gelaufenen Diskussionen präsentieren (etwa Diederichsen 1996a; 1996b). Im ›gelungenen‹ Fall tragen sie zu einer Veränderung der Begriffsverwendung bei, die wiederum wissenschaftlich festgehalten werden müsste. Bei den genannten Beispielen aus dem Bereich der Akademie jedoch ist selbst diese Chance gering (noch aussichtsloser z.B. bei Fuchs/Heidingsfelder 2004; Stäheli 2004; Opitz/Bayer 2007), weil es zum Zeitpunkt der reifen, geschichtlich bereits stark entfalteten Rede über Pop äußerst unwahrscheinlich ist, mit scharf geschnittenen, forciert originellen oder nach Maßgabe eines theoretischen An-

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satzes vorgenommenen Begriffsvorschlägen den Gebrauch des Worts erfolgreich kontrollieren zu können. Möglich bleibt hingegen, mit solch einer nicht begriffsgeschichtlich beschreibenden, sondern in wissenschaftlichem Zusammenhang vorgetragenen unhistorischen Festlegung des Pop-Begriffs zumindest in den Wissenschaften selber für den Beginn einer neuen Geschichte zu sorgen. Gerade in den Literatur- und Kunstwissenschaften, die sich ausdrücklich als Kanonstifter verstehen oder durch ihre institutionell befestigte Auswahlpraxis unvermeidlich zu einem universitären Kanon beitragen, kann man das gut beobachten. Ein besonderes deutsches Beispiel dafür liefern die germanistischen Einordnungen der sog. »Pop-Literatur«. Der Begriff ist schon vor seiner literaturwissenschaftlichen Verwendung im Fach Neugermanistik eine weitgehend exklusive deutsche Kategorie, im englischen Sprachraum sucht man nach ihm zumeist vergeblich. Selbst Bücher, die Geschichten aus und zur Techno-Szene versammeln, sprechen typischerweise von New Fiction from the Chemical Generation, nicht von Pop-Erzählungen (Champion 1997). Immerhin, zumindest die Romane Nick Hornbys, Irvine Welshs und Hanif Kurishis, in denen es um Popmusik und Popkultur geht, werden schon einmal als pop novels eingestuft (Blake 1999b). In Deutschland ist das bekanntermaßen seit 1968 anders, dort hat der Begriff bereits zur Bezeichnung von Poesie und Prosa gedient, die auf die eine oder andere (postmoderne) Weise jugendlich oder unbürgerlich wirkte und/oder an den Modus der Pop-art erinnerte. Auf weitere, ähnliche Veröffentlichungen in den 70er Jahren findet der Begriff allerdings keine Anwendung mehr, er geht lediglich in spätere wissenschaftliche Beiträge (vor allem zu Rolf Dieter Brinkmann) ein. Dies gilt auch noch für die Hochzeit des New Pop, die erste Hälfte der 80er Jahre. Der herkömmlichen Literatur jener Tage aus Reihen der Alternativbewegung und der früheren Gruppe 47 wird zwar unter Avant-Pop- wie Pop-Hedonismus-Anhängern eine harsche Absage zuteil, nicht aber im Namen einer »Pop-Literatur«. Literatur spielt in den Pop-Debatten ohnehin kaum eine Rolle, die Pop-Sensibilität richtet sich auf Musik, Design, Mode, Film, mitunter auch auf bildende Kunst. »Die Literatur, ob etabliert oder alternativ, ist nicht erst seit ihrem Tod (68) eine reichgeschmückte Leiche. Prätentiös, falsch und nicht einmal ein morbider Spaß«, lautet die gängige Einschätzung unter den Pop-Verfechtern, die sich sowohl gegen »PrimanerLyrik«, »neue deutsche Welle-Peinlichkeit« als auch gegen das »Gespenst des großen Romans« und »Beatnik-Aufgüsse oder Dada- und SurrealismusRevival-Versuche« wendet (Diederichsen 1982j). Die positiv davon abgesetzten schwungvoll (Pirinçci 1992) oder eigensinnig (Spuk 1982) erzählten Jugendromane (s. Berger 1981; Diederichsen 1982j) wie auch die darauf folgenden bemühten Versuche von neuen Szene-Autoren, der sonst allgemein beklagten Literaturmisere durch ihre Kurzprosa abzuhelfen (Glaser 1984a), werden aber noch nicht als »Pop-Literatur« gefasst; das gilt ebenso für jene Prosatexte, in denen euphorisch der Pop-Affirmation und ihren Chefideologen gehuldigt wird (Goetz 1983; 1984), selbst wenn Schriftsteller aus dem Bereich in ihren Aufsätzen mit starkem feuilletonistischen Ehrgeiz PopAnsichten jener Tage rekapitulieren (Glaser 1984b; Goetz 1986a; Meinecke 1998a). Sowohl der Literaturteil des Feuilletons selbst als auch die Germanistik nutzen die Chance (wie sie es einige Jahre zuvor mit der Richtung der sog. »Neuen Subjektivität« gerne getan haben), sich mit einer zusammenfassen-

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den Tendenzbeschreibung zur Gegenwartsliteratur zu profilieren, gleichfalls nicht; im mittlerweile konservativsten Bereich der Kultur, der schönen Literatur, finden die intellektuellen Pop-Konzepte noch keine Aufnahme. Aufgegriffen wird der Begriff erst, als über zehn Jahre später einige Autoren (zum Teil sogar mit beachtlichen Auflagenzahlen) jene New PopAnsätze weiterführen, die bereits spätestens 1985 von ihren Vorläufern verabschiedet worden sind – selbstverständlich auch von den nachträglich nun ebenfalls als Pop-Literaten identifizierten Schriftstellern (Meinecke 1998b; Goetz 1986b), die den enttäuschten Zug von Morley, Penman etc. getreulich bzw. feuilletonistisch übersteigert reproduzieren (in dieser kleinen deutschen Tradition grundlos auftrumpfenden Epigonentums dann Dath 2003; 2005; 2007a). Trotz seiner inzwischen stark geschrumpften politischen Bedeutung und seines innerhalb der Avant-Pop-Szenerie nicht mehr vorhandenen ästhetischen Provokationswertes erscheint die Markierung des New Pop-Lifestyles einigen nachgewachsenen jüngeren Prosaautoren weiterhin attraktiv. Besonders die Verbindung des Bekenntnisses zu Pop, Mode, Äußerlichkeit, Camp mit einer gerne artikulierten Abneigung gegen (längst erledigte) alternative politische Ansprüche und Hippie-Formlosigkeit leuchtet genau jenen Autoren ein, die (daraufhin) von den im Feuilleton Mitte/Ende der 90er Jahre noch stark vertretenen linksliberalen, modern-bildungsbürgerlichen Rezensenten überwiegend zum Feindbild erhoben werden. Den Begriff »Pop-Literatur«, der zuerst wieder in der Buchwerbung auftaucht, übernimmt man im Feuilleton dabei. Die mit dem Begriff belegten späten Nachfahren einiger New PopVorgänger wissen oder ahnen als (frühere) Zeitgeistjournalisten allerdings besser als ihre Verächter, dass sie in der kritischen Zuspitzung an keinem neuen Projekt beteiligt sind, obwohl sie innerhalb des Bereichs der Feuilletonsparte »Literatur« (und zum Teil in ihrer Generation der nach 1968 Geborenen; vgl. Klein 2003) mit ihrer Pop-Version vorübergehend noch so viel Aufsehen erregen können (vgl. Schäfer 2003b). Deshalb haben sie sich von vornherein gewappnet und arbeiten mit den Mitteln der Ironie, um ihre Gegnerschaft zu linksalternativ-subkulturellen Ansprüchen einerseits mit erneutem Impetus weiterpflegen und zugleich den Anachronismus ihrer Bemühungen bei Bedarf stets aufheben zu können (Bessing 1999; Illies 2001; vgl. allgemein Grossberg 1992: 222ff.; 1997c; Boltanski/Chiapello 2003: 489; und besonders Schumacher 2002; Frank 2003; Schumacher 2003a; Lange 2004; Hoffmann 2006: 349ff.; Karasek 2008). Den Prosaschriftstellern unter ihnen fällt es ohnehin leicht, mit der Differenz zwischen ihren Einlassungen in Interviews bzw. Aufsätzen und ihren Erzählungen, für die konstitutiv der Unterschied von Autor und Erzähler gilt, auf eine Weise zu spielen, die selbst die autorisierten Aussagen ins Zwielicht des Unernstes rückt. In dem Moment, Ende der 90er Jahre, regt sich auch das Interesse einer Reihe (jüngerer) Germanisten, den insgesamt diffusen Gegenstand (von Benjamin Lebert über Christian Kracht und Benjamin v. Stuckrad-Barre bis zu Rainald Goetz geht die Reihe der sog. Pop-Literaten) zum Thema ihrer Qualifikationsschriften zu machen. Die verschiedenen Debatten zu postmodernpoststrukturalistischen, antihermeneutischen Theorien haben inzwischen den Boden dafür bereitet, sich in Deutschland einigermaßen risikolos des PopThemas annehmen zu können. Die historische Kenntnis des Pop-Konzepts bleibt unter den meisten Germanisten zwar oft auf äußerst niedrigem Niveau (Ernst 2001; Vondung 2002; Kaulen 2002; Jung 2002a; 2002b; Paulokat

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2006; Seiler 2006; Geulen 2006; Degler/Paulokat 2008; Karasek 2008: 59ff.; Ausnahme: Schäfer 1998; Ullmaier 2001; Gleba/Schumacher 2007), die akademisch erfolgreichsten Beiträger stellen sich jedoch genau in dessen intellektuelle Tradition, indem sie ihre Version der Pop-Literatur mit den Mitteln und Topoi der avancierten Pop-art-Beschreibung – Zitat, Archivierung, Umcodierung, ›gegen Interpretation‹, Dekontextualisierung – herstellen (Baßler 2002; Schumacher 2003b; Linck 2006; Schumacher 2006). Die Akademisierung von Pop besteht deshalb hier in gut bekannter Manier darin, als PopLiteratur nicht die Illustrierten oder die Unterhaltungs-Bestseller und -Reihen – etwa in der Nachfolge von Julie Burchill (1985d) die aktuellen chick litTaschenbücher (vgl. Gill/Herdieckerhoff 2006; Paul 2007) – in den Blick zu nehmen (vgl. Dath 2007b: 84), sondern die moderne Literatur; dadurch verstärken die Literaturwissenschaften jenen experimentell-avantgardistischen Ansatz, dessen sich die nicht zufälligerweise renommiertesten unter den sog. Pop-Literaten ohnehin bedienen (s. etwa Goetz 1998; 1993; Meinecke 1998c; Neumeister 1998), zumeist noch einmal. Im angloamerikanischen Raum erfolgt die Akademisierung zu einem beträchtlichen Teil hingegen aus ganz anderen Gründen. Der sozialistische und/oder (mikro-)politische Impetus der Cultural Studies und der poststrukturalistisch-anarchistisch inspirierten Gender- und Queer-Forschungsrichtungen führt genau umgekehrt dazu, dass der hergebrachte Kanon (auch der modernavantgardistische) der weißen, männlichen Mittel- oder Oberschicht bewusst preisgegeben wird und an seine Stelle zuvor oftmals diskreditierte oder ignorierte Gegenstände der Alltags- oder Popkultur gerückt werden (etwa Steward/Garratt 1984; Wilson 1992; R. Warhol 2003; Klein 2004; Halberstam 2006; Whitesell 2006; Warwick 2007). Die starke Lösung von einem der entscheidenden Ausgangspunkte der Cultural Studies (die Bindung der potenziell widerständigen Subkulturen an die Arbeiterklasse), ändert daran nichts; das verstärkte Augenmerk – 1. auf Szenen und Lifestyle-Gruppen (Hebdige 1989; Ferchhoff/Dewe 1991; Redhead 1995; Maffesoli 1996; Jencks 1996; Bennett 1999; Baacke 1999; Muggleton 2000; Bennett 2000; Gebhardt/Hitzler/Pfadenhauer 2000; Hitzler/Bucher/Niederbacher 2005; Muggleton/Weinzierl 2003; Bennett/KahnHarris 2004; Huq 2006; s. dagegen die stärkere Rückbindung von SzeneGruppen und Lebensstilkohorten an Klassenlagen bei Jacob 1996; Thornton 1997; Georg 1998; Otte 2005; 2007), 2. auf die durch neue Technologien beförderten Nischen- bzw. Spezialkulturen (Toffler 1980; Gilder 1994; Anderson 2007), 3. auf eine behauptete Vermischung der Geschmackskulturen (Hassan 1987; Collins 1989; Walker 1987; Thun 1988; McCaffery 1991b; Jencks 1993; Polhemus 1994; Bianchi 1996b; Peterson/Kern 1996; Lindner 2000; Brooks 2000; Francis 2001; Seabrook 2001; Shapiro 2002; Florida 2002; Collins 2002c; Shuker 2008; aus verschiedenen Motiven skeptischer oder kritischer: Polan 1988; Lash 1990; Groys 1992; Goodwin 1995; Nehring 1997; Roller 1997; Venturi/Brown 1996; Neuhoff 2001; Hesmondhalgh 2001; 2002; Regev 2002; Grasskamp 2004b; Funcke 2007) – befördert eher die Beschäftigung mit den Themen und Phänomenen, die dem Pop-Bereich zugerechnet werden (zusätzlich zu den bislang genannten Titeln noch lesenswert: Legge 1989; Marcus 1989; Goodwin 1992; Willis 1993; Vermorel 1993; Strinati 1995; Chanan 1995; Winter 1995; Brackett 1995,

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Thomas 1997; Redhead 1997; Garratt 1998; Neumann-Braun 1999; Phleps 2001; Winter 2001; Dolphin/Shapiro 2002; Huq 2002; Toynbee 2002; Storey 2003; Beebe/Fulbrook/Saunders 2002; Phleps/Appen 2003; Hügel 2003; Frith 2006; Whiteley/Rycenga 2006; Longhurst 2007; Dolata 2008; Brill 2008; darüber hinaus s. etwa die Bibliografien in Jenkins/McPherson/Shattuc 2002; Longhurst 2007; für den deutschen Sprachraum: Kleiner 2008). Eine avanciert moderne Akademisierung ist freilich auch dabei oft am Werk; sie kommt aber vor allem seit Mitte der 90er Jahre nicht durch eine Privilegierung der experimentell-avantgardistischen Kunst, sondern in erster Linie dadurch zustande, dass die popkulturellen Gegenstände vorzugsweise nach Maßgabe einiger hoch abstrakter zeitgenössischer Theoretiker (Foucault, Hall, Butler, Deleuze, Grossberg etc.) traktiert werden. Im Bereich der Kunst gibt der Kanon der experimentellen Moderne in der Tat nicht länger zwingend die Gegenstände akademischer Betrachtung vor; er wird aber in den Kulturwissenschaften zumindest teilweise ersetzt durch den noch esoterischeren Kanon (post-)moderner Theoriebildung.

Pop und Politik Für die politische Wertung hat die verstärkte Hinwendung zu poststrukturalistischen Großtheorien eine deutlich erkennbare Wirkung: Die sozialistischen und/oder populistischen Einschätzungen treten wieder zurück. Zwar verschwinden sie keineswegs (zuletzt Berger 1996; Frith 1996; Maase 1997; Willis 1999; Shusterman 2000; Collins 2002b; Smith 2002; Steenblock 2004; Sterne 2005; Sanjek 2005; Hügel 2007; McKee 2007; Maase 2008; Danesi 2008), insgesamt dominieren jedoch zunehmend die Wiederauflagen und Reformulierungen der Kulturkritik (traditionell Kuspit 1996), jetzt allerdings etwas politischer und zumeist ohne jeden offensiven elitären Anspruch formuliert; in ästhetischer Hinsicht geht die Kritik zunehmend mit einer Abwendung von der Pop-Affirmation und einer stärkeren Akzentuierung anderer, unterschiedlicher avantgardistischer Maßstäbe einher (Hebdige 1992; Nehring 1993; Meyer 1994; Diederichsen 1993c: 278f.; Black 1994; Ullmaier 1995; Watson 1999; Cleto 1999b; Szepanski 1999; Kösch 2001; Büsser 2002; Höller 2002; Behrens 2003; Grasskamp 2004a; Diederichsen 2005; Geisenhanslüke 2006; Büsser 2008; Diederichsen 2008; Morley 2008). Der Ausgangspunkt der Reserve gegenüber dem Pop-Populismus, aber auch gegenüber der avantgardistischen Pop-Subversion und postmodernen Pop-Affirmation ist die seit den 50er Jahren gut bekannte, aber stets als neue Erkenntnis ausgegebene These, dass die westlichen Staaten durch nonkonforme Attitüden, hedonistische Ansprüche, subkulturelle Differenzen und Pop-Distinktionen nicht mehr in ihrer Ordnung herausgefordert würden, sondern solche Flexibilisierungen und Abgrenzungen geradezu benötigten, um ihr liberal-kapitalistisches Regime aufrechtzuerhalten (Goldstein 1988; Savage 1990; Grasskamp 1995; Holert/Terkessidis 1996b; Frank 1997; Monroe 1999; Assheuer 2001; Büsser 2002; Chlada/Dembowski/Ünlü 2003b; Moser 2004; Scharenberg 2004; Arndt 2005; Heath/Potter 2005; Maida 2008). Diese Ansicht führt zu der in aktuellen akademischen Schriften überwiegenden kritischen Einschätzung, dass es sich bei den Liberalisierungen bloß um Scheinfreiheiten handle – dass die Möglichkeiten, auf unterschiedlichste

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Erlebnisangebote bzw. Konsumgüter zurückzugreifen und künstliche Selbststilisierungen zu entwerfen, lediglich raffinierte Formen unsichtbarer, indirekt unendlich ausgeweiteter Machtpolitik seien, die aus den Einzelnen Subjekte machten, welche den bestehenden Gesetzen des kapitalistischen und meritokratischen Wettbewerbs und biopolitischer Normalitätsvorstellungen bereitwillig folgen würden, ohne deren Zwang auch nur zu verspüren (Kroker/Weinstein 1994; Chlada/Kleiner 2003; Wittenberg 2005; Arndt 2005; Martin 2007; Doll 2008; Khan 2008; Villa 2008b; Reichert 2008). Die Kritik gewinnt im Bereich der von (jüngeren) Akademikern bestimmten Popkultur-Debatten wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb an Schärfe und Ausbreitung, weil Teile der politisch führenden Schichten seit den 80er Jahren Pop erstmals nach dem spezielleren Vorlauf der Swinging LondonEpisode ganz gezielt zu einem wichtigen Punkt in ihrem Programm erheben, mit dem der allgemeine Fortschritt der westlichen Gesellschaften begründet und bewiesen werden soll. Wegen bildungsbürgerlicher, moralischer oder meritokratischer Bedenken ist der Punkt zuvor von den Verfechtern der gegebenen Ordnung zumeist entweder ausgeblendet oder auf der negativen Seite verbucht worden (zuletzt in Deutschland etwa auf der Ebene des ZeitgeistEssays: Nolte 2004; Bonner/Weiss 2008, die allerdings ihrerseits kein Höchstmaß an Bildung verraten; eine aktuelle Gegenmeinung auf etwas höherem Niveau: Johnson 2006); nun ändert sich das jedoch zusehends. Seit gut zwei Jahrzehnten kann man eine ganze Reihe von Ansätzen verzeichnen, die hedonistischere Pop-Kultur und nicht mehr (allein) die älteren populistischen Bestseller der patriotischen Werte und autoritären law-andorder-Gesinnung als Ausweis eines demokratisch-liberalen, leistungsorientierten, erfolgreichen kapitalistischen Standpunkts zu nutzen. Dabei geht es keineswegs nur um einen selbstbewussten Gebrauch ausgefeilter Techniken des Image-Zeichens zum Zwecke der öffentlichen Kommunikation und der Wahlwerbung (vgl. dazu Dörner 2000; Zoonen 2005). Es geht vielmehr um die Überzeugung, dass wichtige Teile der zeitgenössischen Popkultur einen bedeutenden Beitrag zur Legitimation der modernen westlichen Gesellschaften leisteten (und zu ihrem Lob angeführt werden sollten), wie in England über viele Jahre von Tony Blair mit seinem u.a. dem Brit-Pop verbundenen Cool Britannia-Anspruch demonstriert (Gilbert 1998; Harris 2003; einige deutsche Hinweise: Nieland 2009). Die ausgearbeitete amerikanische Blaupause einer umfassenden PopApologie liefert bereits 1986 das Nachrichtenmagazin Time mit der Titelgeschichte Pop Goes the Culture. Zugestanden wird zwar, dass viele Werke der Pop culture einen vergleichsweise geringen ästhetischen oder moralischen Wert besäßen, dies ändert aber nichts an der grundsätzlich positiven Beurteilung ihrer technischen, unterhaltenden und vor allem auch politischen Qualität. »America is equated with prosperity and modernism, and pop connotes America«, lautet die aus der Sicht weiter Bevölkerungsgruppen der übrigen Welt gezogene Bilanz, die nicht allein den materiellen Reiz und Überfluss betreffen soll: »Fatalism about entrenched social arrangements is challenged by pop’s anything-goes quality.« Für Time gilt der Satz aber nicht allein aus der Perspektive materiell und politisch niedergedrückter Völker. Ganz grundsätzlich preist man pop als Ergebnis und Motor der bestehenden kapitalistischen wie liberalen und egalitären Gesellschaft. Pop sei allgemein verständlich, somit wahrhaft klassenlos

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(truly classless) und demokratisch (authentically democratic), ein singuläres Ergebnis der dadurch glänzend legitimierten privatkapitalistischen Wirtschaftsordnung: »Pop culture is, after all, the culture of the free market« (Andersen 1986). Dieser Satz stellt eine äußerst zukunftsweisende Anschauung für all die in den 90er Jahren dann höchst erfolgreichen wirtschaftsliberalen Anläufe dar, die Güter- und Finanzmärkte von staatlicher Kontrolle zu befreien. In einem Grundtext der 90er Jahre, der Abhandlung des langjährigen früheren Vorstandsvorsitzenden der Citibank (die als Citigroup nach dem Zusammenbruch des deregulierten Finanzsektors 2009 typischerweise nur durch massiven staatlichen Eingriff vor dem Kollaps gerettet werden kann), Walter Wriston, wird die Fusion von populistischen und neoliberalen Grundüberzeugungen mustergültig auf Buchlänge durchgeführt; weitgehend befreite Märkte tragen in dieser Sicht der Dinge keineswegs allein zum Wachstum (nicht nur der unternehmerischen Renditen), sondern ebenfalls entscheidend zur Demokratie bei, da sie den Willen und die Vorlieben der Bürger repräsentieren und zum Ausdruck bringen (Wriston 1992; vgl. Frank 2000: 53ff.). Nur ein unregulierter Markt könne die typischen Pop-Phänomene hervorbringen, heißt es in dem Time-Artikel bereits 1986, Michael Jackson, Prince, Rambo müsse man sich allesamt als laissez-faire by-products vorstellen. Das trifft nach Auffassung des seinerseits auf der ganzen Welt vertriebenen großen amerikanischen Nachrichtenmagazins nicht nur für Bestseller und Blockbuster zu, deren Produktion kapitalintensiv ist und zu deren Erfolg ein aufwändiges Marketing- und Distributionssystem unabdingbar sei, sondern auch für künstlerische und intellektuelle Beiträge zur Popkultur. Zum Erfolg von pop hätten ebenfalls Pop-art und Camp-Attitüde beigetragen, deren Coolund Hipness auf die Wahrnehmungsweise nicht unwesentlicher Teile des großen Publikums übergegangen seien. Grundsätzlich bestimmt Time die Qualität von pop jedoch ganz unironisch und ohne emotionale Zurückhaltung: »Pop is earnest and energetic – not necessarily sincere, but always enthusiastic«, ausgezeichnet durch »easy charm« und »vulgar sexyness«, geprägt durch »slick movies«, »terrific special effects« und »snappy songs«, »predictable and yet perpetually novel« – »advanced capitalism with a beat you can dance to« (Andersen 1986; s. auch Combs 1984; 1991). Mit einem Satz: In Time erscheint all das, was Bildungsbürger, konservative und sozialistische Parteien, moderne Ästheten und alternative, postmaterialistische (Lebens-)Künstler in unterschiedlicher Weise stets abgelehnt haben, unter dem Titel pop als erfolgreiche und begrüßenswerte Wirklichkeit der amerikanischen Gesellschaft, sogar mit großer, dominanter Ausstrahlung auf weite Teile der gesamten Welt versehen. Die Bestimmung, Einordnung und Bewertung des seit der Independent Group bekannten Pop-Konzepts hat dadurch alle denkbaren politischen Stadien durchlaufen. Was wie ein Ende klingt, kann aber erst recht den Anfang bedeuten: Die allseitige weltanschauliche Aufladung des Pop-Begriffs ist eine entscheidende Bedingung dafür, dass die Rede über Pop an Intensität, Bedeutung und – falls sich nicht eine Lesart weitgehend durchsetzen kann – sogar an Vielfalt gewinnt.

Schluss

Auf den vorangegangenen knapp 500 Seiten habe ich nichts anderes getan, als Äußerungen von Künstlern, Feuilletonisten und Wissenschaftlern zur Popkultur zu dokumentieren und zu untersuchen. Ausgangspunkt dafür ist in keinem Fall meine Vorstellung gewesen, was als »Pop« bezeichnet werden sollte, sondern stets der Begriffsgebrauch der vorgestellten Autoren, angefangen bei den ersten umfangreicheren Erläuterungen aus der Mitte der 50er Jahre, was unter »Pop« zu verstehen sei, bis hinein in die Gegenwart des Jahres 2009. Etwas stärker auf meine Sicht geht jedoch die Klassifizierung und Benennung wichtiger Dimensionen des Pop-Konzepts von der OberflächenÄsthetik bis hin zum Pop-Hedonismus zurück. Diese Einteilung hätte sicherlich teilweise auch anders vorgenommen werden können, mit weiteren Akzentsetzungen oder anderen Zuschnitten. Unstrittig dürfte hingegen der außergewöhnliche historische Erfolg des Pop-Konzepts insgesamt sein. »Pop« ist dabei nicht von Interesse als Oberbegriff für verschiedene Sparten der zeitgenössischen populären Musik oder als Tonträger-Segment, sondern steht als lobender Titel für eine Vielzahl speziellerer Eigenschaften und Phänomene. Oberflächlichkeit, Künstlichkeit, Neurahmung von massenhaft hergestellten Gütern, starker Reiz, Glamour etc. sind dann Kategorien, deren Erfüllung eine hohe Wertschätzung garantiert; sie liegen als Klassifikationsschemata gut ausgearbeitet und oft wiederholt bereit, sie prägen die Wahrnehmung und den Geschmack nicht weniger Künstler und Theoretiker. Diese Pop-Affirmation hat sich auch über Avantgarde- und Bohemekreise hinaus in beachtlicher Form durchgesetzt. Zum einen haben ihre Begriffsbestimmungen, Bewertungen und Vorlieben einen deutlichen Einfluss über ihre Szene hinaus auf breitere Künstler- und Bevölkerungsgruppen ausgeübt; Reyner Banhams zu Beginn angeführte Einschätzung, die Pop-Bewegung habe in einer Londoner Galerie ihren Ausgang genommen, kann darum halbwegs bestätigt werden; man denke nur an die Wirkung der Pop-art auf wichtige britische Beatmusiker oder auf das Design von Alltagsgegenständen; man denke vor allem in unserem Zusammenhang an die weithin durchgesetzten Vorgaben der genannten Kreise im Hinblick auf die Etablierung und Bedeutung des Wortes »Pop« selbst. Zum anderen ist die Wirkung der anfangs originellen, provozierenden Pop-Affirmation auf die Sphäre der offiziellen, legitimen Kultur mit Händen zu greifen. Sie bestimmt inzwischen nicht geringe Teile der Feuilletonseiten überregionaler Zeitungen sowie die Themenwahl kulturwissenschaftlicher Studiengänge und staatlich geförderter Kunststätten. Der Kanon des AvantPop geht zunehmend in den Kanon der legitimen Kultur ein. »Pop« hat bei nicht wenigen institutionellen Vertretern der Hochkultur einen neuen Klang angenommen. War »Pop« lange bei ihnen ein Begriff, der negative oder we-

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nigstens zwiespältige Assoziationen weckte, stellt man ihn nun gerne offen heraus. Dadurch wird es für diejenigen, die Pop ursprünglich im Sinne einer Abkehr von der offiziellen Kultur propagiert haben, umgekehrt schwieriger, den Begriff weiter im Munde zu führen. Selbst bei ihnen ist aber eine nachhaltige Abkehr von den bekannten Pop-Prinzipien mehrheitlich keineswegs anzutreffen. Der Erfolg des Pop-Konzepts als ein leitendes Geschmacksprinzip innerhalb der legitimen Kultur kann darum heute ohne Zweifel festgestellt werden. Wenn nicht alles täuscht, gilt das auch für die kommenden Jahrzehnte. Die Möglichkeit (oder Gefahr), dass die aktuellen, modernen Maßstäbe der akademischen Hochkultur darüber weitgehend außer Kraft gesetzt werden, besteht freilich nicht. Das liegt zum einen an der Zusammensetzung des AvantPop-Kanons, in dem sich noch genügend Werke befinden, die eine schöpferische, originelle, modern-experimentelle Handschrift verraten. Zum anderen liegt es an der Art der Rezeption. Selbst die Gegenstände des Avant-PopKanons, die strikt wegen ihrer unpersönlich, technologisch hervorgebrachten oberflächlichen, reizvollen Qualitäten in ihn eingegangen sind (etwa Bestandteile der Disco-, Techno-, Modefotografie-, Pornografie-Genres), lassen noch einen Unterschied zu. Wie es sich für Intellektuelle gehört, schreiben und reden Feuilletonisten, Künstler, geisteswissenschaftliche Akademiker, avancierte Studenten selbst dann vollkommen anders über Gegenstände der Popkultur, wenn sie an allgemein populären Figuren (James Bond, Madonna, Snoop Doggy Dog usf.) die gleichen Eigenschaften (starker Reiz, Gloss, mondäne Künstlichkeit, karnevaleske Verworfenheit, prägnante Slogans, auffällige Selbstdarstellung, zeitgemäßer Stil, Starappeal, technologische Neuerungen, konstruierte Images usf.) schätzen wie das übrige Publikum auch. Der Abstand zu den Teenagern, traditionelleren Kleinbürgern, Neureichen, jungen Frauen, zurückhaltenderen Teilen der Mittelschicht bzw. zum breiteren Publikum schlechthin bleibt dadurch in jedem Fall gewahrt; zumindest in der Art, wie die Vorliebe für die aus Sicht früherer Akademikergenerationen indiskutablen Pop-Objekte begründet wird, zeigt sich noch die (alte) Bildung. Sicherlich ist das mit ein Grund, weshalb sich die Dimensionen des PopKonzepts als Geschmackskriterien unter jüngeren Intellektuellen und Künstlern in einem beachtlichen Maße etablieren konnten. Ganz offenkundig besitzt das, was mit der Independent Group (und ihren Vorläufern in Reihen der historischen Dekadenz und Avantgarde) begonnen hat, als Vokabular und als Wertungsmaßstab in den Reihen der nach 1960 aufgewachsenen Bohemiens und literatur- und geisteswissenschaftlichen Akademiker in mehrfacher Hinsicht eine besondere Attraktivität: – da wäre etwa die amerikanische pop- oder postfeministische Illustrierte Venus Zine. Unter den Leserinnen, die in der Herbst-Ausgabe 2008 näher vorgestellt werden, sind freie Journalistinnen, Betreiberinnen von Internetseiten und viele Studentinnen (Political Sciences, Women’s Studies, English lit), die Beiträgerinnen besitzen einen B.A. in Cultural Studies, graduieren sich an einer »Film and Video«-Abteilung, arbeiten als selbstständige Modefotografinnen etc.; die Artikel widmen sich »Abstract awareness. Dana Louis Kirkpatrick paints for arts education«, »Sarah Coffey. The decorating blogger«, »Kid Sister. Hip-Hop’s new sweetheart?«, »How to be a pin-up girl. Bombshell Betty teaches pin-up tricks with a dose of self-esteem«, »DIY: Paint for your body, home, and style«;

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– da bietet sich als Gegenstück z.B. die deutsche feuilletonistische männliche Version Spex an. In dem selbsternannten Magazin für Popkultur veröffentlichen Feuilletonredakteure der Berliner Zeitung und der Welt, OnlineRedakteure, freie Mitarbeiter von FAZ, NZZ, Taz, Texte zur Kunst, Germanistik-, Kulturwissenschaften-, Fotografie- und Modedesign-Absolventen, Leute, die über Houellebecq oder über Modesemiotik promovieren usf.; die Artikel widmen sich mit durchweg positivem Tenor neben Animal Collective, Chicks On Speed, Interpol, Madonna usf. auch Huysmans, Antonioni, Susan Sontag, Alain Resnais; Anfang 2009 wählen die Mitarbeiter der Zeitschrift zu ihren jüngsten Lieblingsalben Hercules and Love Affair, Hurricane (von Grace Jones), Dear Science (von TV On The Radio) und schreiben im Kulturteil über Frieda Grafe und Jonas Mekas, über Frieder Butzmanns Musik im Großen und Ganzen (»dadaistischer Klamauk und hermetisches sonologisches Wissen«) und über die Muppet Show (»oft indifferente Erotismen und explosive Gewaltausbrüche«); – da argumentiert mit ähnlichem grundsätzlichen Tenor z.B. die führende amerikanische Kunstzeitschrift Artforum, in der freilich Pop nur ein Berichtgegenstand unter anderen Kunstrichtungen ist; die raffinierte Bezugnahme und Abgrenzung letztlich klar identifizierter Pop-art-Galeriekunst von den Produkten der dann doch wiederum deutlich erkannten Sphäre der Massenkultur steht in diesem Bereich erwartungsgemäß auch aktuell (in der Artforum-Ausgabe Oktober 2004) weiterhin im Vordergrund (»You can count on Pop to keep things light, but it’s better when it shows its depths«; »our interest lies in the variety of ways artists have worked with, through, and even in pop culture since the ’60s«; »Pop’s attitude to mass culture takes infinite deciphering«; »Pop can still function in direct relation to consumer society, but only if it takes into consideration both the ubiquity of Pop’s principles and the special nature of social power today«; »Enter Mike Kelley. His emphatic ›uncool‹ is the first distinguishing mark of the paradigm shift he epitomizes. It begins with his defiant embrace of failure. His cartoon surrogate isn’t square-jawed Dick Tracy or Superman, much less the dressed-for-success Brad, maker of masterpieces. It is Sad Sack on garbage detail«). Mit der Konsequenz, dass ungefähr ein Viertel der in dem Magazin für zeitgenössische Galeriekunst, Flash Art, Anfang 2009 präsentierten Bilder und Objekte aussieht wie eine (mittlerweile längst coole) ›uncoole‹ Abwandlung von ›Konsumobjekten‹, massenmedial verbreiteten Bildern etc. und ein anderes Viertel wie deren (vielleicht bereits wieder erneut ›uncool‹-coole) coole Variante; – da wäre nicht zuletzt der ganz der Kultur gewidmete, staatlich finanzierte Fernsehkanal Arte; dessen Sendung Die wilden Seventies stellt die Programmzeitschrift TV Spielfilm (sicherlich unter Verwendung einer Pressemitteilung von Arte) Mitte 2008 wenig avanciert, aber mit viel gutem Willen in der Rubrik »Report« vor (»Nach den turbulenten 60er-Jahren ging der Aufbruch weiter. Fortschritt kannte keine Grenzen. Runde Formen und schrille Farben bestimmten Design und Mode; Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll die Musik. Gesucht wurden neue Formen der Liebe, Monogamie war ›out‹. Erotikfilme wie ›Emmanuelle‹ mit Silvia Kristel sorgten für wohlige Schauer, der Sexshop wurde erfunden. Von ihren wilden Jahren erzählen u.a. Daniel Cohn-Bendit, Jim Rakete, Amanda Lear, Rosa von Praunheim, Philippe Starck und Bernardo Bertolucci«).

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Die Beispiele sollen genügen, sie sind repräsentativ für sehr verschiedene Grade einer versuchten kulturellen Aufladung von Pop-Phänomenen; besser gesagt, stehen sie für das aktuelle Bemühen ein, über Pop auf eine Art zu sprechen bzw. »Pop« in einer Weise zu formieren, die einen Unterschied zu einer konkreteren Begeisterung und gegenwärtigeren Hingabe setzt, wie sie in der Bravo und anderen Pop-Organen, die kaum an Allgemeinbegriffen und offenen politischen Ableitungen interessiert sind, gepflegt werden. Selbst zu einer banalen Notiz wie dem Hinweis auf die Arte-Sendung bleibt der Unterschied zumeist erhalten. Sehr gut kann man das an einem weiteren Programmhinweis zeigen, den TV Spielfilm in gleicher Länge direkt neben der Beschreibung des Arte-Features platziert hat. Hier geht es um die RTL IISendung Die 2000er – The Pop Years, die von den Redakteuren nun unter der Rubrik »Unterhaltung« geführt wird. Gibt es zur Arte-Sendung Die wilden Seventies noch knappe Angaben zu »Fortschritt« und »Formen«, beschränkt sich der Hinweis zu den Pop Years rein auf die Bilanz von Erfolg und Wirkung (»Stars, Hits und Aufreger lässt Miriam Pielhau in einer bunten Rückschau Revue passieren. Promis geben Kommentare ab. Mit der Dschungelshow ›Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!‹ legt RTL einen Quotenhit hin, Ekelprüfungen wie Daniel Küblböcks Kakerlakenbad sorgen für Schlagzeilen. Erstmals seit 1989 fällt in Berlin die Loveparade aus. Bands wie Wir sind Helden und Juli machen deutschsprachigen Pop zum Trend. Im Kino haben Bullys ›(T)Raumschiff‹ und Ottos ›7 Zwerge‹ die Lacher auf ihrer Seite«). Trotz des auch in Details weiter bemerkbaren deutlichen Unterschieds von »Fortschritt«, self-esteem, »Erotismus«, arts education und »hermetischem Wissen« zu »Lachern« und »bunter Rückschau« geht aber an der Feststellung, dass sich, gemessen am bildungsbürgerlichen Kanon, die Vorlieben und die Urteilskriterien vieler moderner Künstler oder Kunsthandwerker sowie geistes- und kulturwissenschaftlicher Studenten in den letzten 50 Jahren beachtlich (wenn auch zumeist nicht radikal) geändert haben, kein Weg vorbei. Die hergestellte Nähe von arts education zu Kid Sister, von self-esteem zu pin-up tricks, von Sad Sack zu einem künstlerischen paradigm shift, von »Fortschritt« zu »schrillen Farben«, von »Erotismus« zur Muppet Show ist (abseits einiger kleiner historischer Avantgardekreise) ein erstaunliches, neues Phänomen. Wenn man sich an eine weitere, viel einschneidendere Aufkündigung der bildungsbürgerlichen Tradition hält – an die positivistische Absage an die kanonische Wertestiftung der Geisteswissenschaften –, bleibt aus wissenschaftlicher Sicht erst einmal nichts anderes übrig, als diesen Geschmackswandel zu konstatieren und seine Entwicklungen und Varianten im Einzelnen zu untersuchen. Einer wissenschaftlichen Bewertung wesentlich zugänglicher sind hingegen die Angaben und Prognosen, mit denen die ästhetischen Maximen der Pop-Affirmation häufig motiviert und gestützt werden. Sie können als wahr oder falsch eingestuft werden, ganz im Gegensatz zu Geschmacksurteilen, die nicht zu den wissenschaftlichen Aussageformen zählen, auch wenn kaum ein Akademiker in seinen Abhandlungen bislang darauf verzichten mochte, seine eigenen ästhetischen Vorlieben in ein günstiges Licht zu setzen. Im Fall der Aussagen zu Pop-Phänomenen fällt die Analyse zumindest insofern relativ leicht, als in ihnen die größte Anstrengung oft darauf verwandt wird, die zum Pop-Bereich gerechneten Objekte und Ereignisse auszuzeichnen oder abzu-

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werten, deshalb bleibt die Anzahl überprüfbarer Einschätzungen überschaubar. Dies gilt natürlich in noch viel stärkerem Maße, wenn man die besonderen Feststellungen zu einzelnen Werken und Vorkommnissen ausspart. Da ich es bisher (von einzelnen Ausnahmen abgesehen) auf den vorhergehenden knapp 500 Seiten unterlassen habe, eigene Aussagen zu den von anderen hervorgehobenen Pop-Gegenständen von Abba über Madonna bis Warhol und Zappa zu treffen, und mich stattdessen systematisch darauf konzentriert habe, die im Zuge solcher Benennungen und Überlegungen angestellten Beschreibungen und Einschätzungen zu dokumentieren und allgemein einzuordnen, werde ich von dieser Vorgehensweise jetzt auch am Ende nicht abrücken; zum einen schon allein aus Platzgründen, in erster Linie aber um vom Ziel der vorliegenden Arbeit nicht abzuweichen, das darin besteht, die Geschichte des Pop-Konzepts zu rekonstruieren (und nicht darin, als solche bezeichnete Pop-Phänomene eingehend zu untersuchen). Wichtig scheint mir diese Beschränkung auch deshalb zu sein, weil die Objekte und Ereignisse (die Begeisterung der Teenager-Fans, die erfolgreichen Werbeanzeigen, der Discorhythmus, der Fotorealismus, der dekorative moderne Stil etc.) nicht von sich aus dazu drängen, in der einen oder anderen Weise als »Pop« aufgefasst zu werden; darum ist es sinnvoll, die Einordnungen der Künstler und Feuilletonisten, was sie unter »Pop« verstehen, nachzuzeichnen und davon abzusehen, im Zuge von Werkanalysen den Eindruck zu erwecken, als beschreibe man so etwas wie eine Pop-Essenz. Nicht verzichten möchte ich jedoch auf eine kritische Beurteilung der grundsätzlicheren Aussagen, die oftmals den positiven oder negativen Zuschnitt des Pop-Konzepts und seiner Bestandteile begründen sollen. Zuerst zu nennen ist hier die häufig zu hörende Behauptung, das jeweilige Pop-Objekt sei zeitgemäß, treffe den Nerv der Gegenwart etc. Wenn die Aussage nicht einfach auf die Begriffsfestlegung hinauslaufen soll, dass a) Pop in einer Aufzeichnung gerade präsenter Dinge bestehe oder b) in einem bestimmten Moment das Leben vieler Menschen oder die Inhalte stark wahrgenommener technischer Medien präge, bleibt der Sinn der Aussage jedoch dunkel. Überprüfbar sind hingegen viele andere wichtige Einschätzungen im Rahmen des Pop-Konzepts. Von großer Bedeutung ist vor allem die These, dass der Pop-Hedonismus und -Materialismus eine gesellschaftlich verändernde Kraft darstelle, eine These, die viele Konservative sorgenvoll und einige linke Avantgardisten hoffnungsfroh vertreten. Hier fällt die Bewertung leicht; nach der Erfahrung der letzten vier Jahrzehnte darf die These als widerlegt angesehen werden. Weder der Anstieg des Medienkonsums noch die Steigerung von Reiz, Gloss, Glamour hat zu einer Verringerung der Arbeitsproduktivität oder gar zu Legitimationsproblemen in den Staaten der westlichen Welt geführt; das privatkapitalistisch hervorgebrachte Angebot an Unterhaltungsgütern hat auf breiter Front keineswegs dazu geführt, dass die zum geregelten Ablauf von ökonomischer Produktion und gesellschaftlicher Reproduktion benötigte Bildung und Einstellung auf breiter Front ausgehöhlt worden wäre. Diese Tatsache muss selbstverständlich niemanden daran hindern zu glauben, in Zukunft werde es sich anders verhalten, die Wirklichkeit spricht aber in der überschaubaren nächsten Zeit deutlich dagegen. Schwerer einzuschätzen ist jene Variante der These, die in sozialistischer Absicht darauf setzt, dass eine an reizvollen Unterhaltungen und Erlebnissen

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ausgerichtete Kultur einen guten Ausgangspunkt bietet, Widerstand gegen Beschneidungen beim Arbeitslohn und bei staatlichen Sozialausgaben zu organisieren. Solche Wirkungen eines bestimmten hedonistischen Anspruchs mag es geben, sie werden aber durch den Umstand, dass eine ausgeprägte individuelle Konzentration auf angenehme, unterhaltende Vergnügungen oftmals mit einer unpolitischen Haltung einhergeht, mehr als aufgewogen. Besonders wenn das Selbstwertgefühl stark an der Identifikation mit (wechselnden) Popmoden, mit vorgeblich avancierten Trends oder aktuell politischsubkulturell bedeutenden Richtungen hängt, kommt es häufig zum Effekt der Entsolidarisierung, durch den ein wirkungsvolles, geschlosseneres politisches oder gewerkschaftliches Handeln verhindert wird. Ein Irrtum wäre es aber andererseits auch anzunehmen, der intensive Reiz und verführerische Glamour der Popkultur wirke stets befreiend im Sinne einer liberalen, enthemmten, stark auf dem individuellen Konsum beruhenden Ökonomie und einer demokratischen Ordnung repräsentativer Abgeordneter und konkurrierender (wiewohl verfassungsgemäß eingegrenzter) politischer Parteien, eine Einschätzung, die man sowohl bei ihren neoliberalen Befürwortern wie bei ihren linksradikalen Gegnern oft antrifft. Nicht zwingend ist die Annahme zum einen, weil die Umstellung von puritanischer Sparsamkeit und moralischer Rigidität zu entgrenztem hedonistischen Konsum sich auch an anderen Dingen als an Pop-Gegenständen entzünden kann; schließlich haben die wohlhabenden Schichten auch keine Schwierigkeiten, ihr Geld auszugeben, ohne auf den Erwerb von Hit-CDs, Postern, auffällig designten Gütern des täglichen Bedarfs usw. zurückzugreifen. Das Urteil, die kapitalistische Marktwirtschaft bedürfe zu ihrem weiteren Wachstum in hohem Maße der Popkultur, kann grundsätzlich nicht aufrechterhalten werden, weil es fälschlich voraussetzt, dass die Ausgaben der Unterund Mittelschicht ohne den Stimulus der Moden und des Designs notwendigerweise zurückgehen würden. Im Hinblick auf die liberale Demokratie wird die Annahme von der hohen Bedeutung der Popkultur für das westliche Modell zum anderen durch das aktuelle chinesische Beispiel eindrucksvoll entkräftet; Computerspiele, Popmusik, Coca Cola-Werbung, Hollywoodfilme usw. stoßen dort auf keinen Widerstand von Seiten der zentralen staatlichen Stellen, solange sie nicht (was ohnehin selten genug oder überhaupt nicht vorkommt) systemfeindliche Botschaften beinhalten. Ein graduell größerer Freiheitsspielraum für die Popkultur innerhalb der westlichen Staaten existiert freilich; er zeigt sich besonders im Bereich der Pornografie und allgemein in der hergestellten Öffentlichkeit für Stile, die sich selbst als sub- oder gegenkulturell verstehen, ohne dass in den meisten Fällen noch erkennbar wäre, gegen welche zentralen Leitwerte sie denn subversiv verstießen. An ihrer Ausbreitung zeigt sich vielmehr eine wirkliche Liberalisierung: Die meisten westlichen Gesetzgeber und Exekutiven enthalten sich bei ihnen in stärkerem Maße als viele andere Nationen der strafrechtlichen Verfolgung sowie der sozialpädagogischen und -psychologischen Problematisierung oder Pathologisierung. Der Schutz der Intimsphäre, das Recht individueller Expression und Selbstdarstellung ist nach langen gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen mittlerweile recht gut weltanschaulich wie juristisch verankert (wenn auch immer wieder umstritten); das Gleiche gilt für die Möglichkeiten, in Unterhaltungsmedien auffällige oder schockierende

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Darstellungen zu liefern, die von den Präsentationsweisen und moralischen Haltungen, welche den Alltag der meisten Bürger auszeichnen, erheblich abweichen (und dies häufiger sogar ohne didaktische Rahmung). Den privatkapitalistischen Einzelunternehmern eröffnet sich dadurch ein großer Markt. Wenn sich Gewinnchancen abzeichnen, wird sich sicherlich eine Firma finden, die entsprechende Produkte herstellt und vertreibt, ungeachtet selbst starker sittlicher Bedenken wichtiger gesellschaftlicher Gruppen. Alles, was legal ist, schlägt sich unvermeidlich in Form eines Warenangebots nieder; auch illegale Konsumgüter kann man unter teilweise überschaubarem Risiko ohne große Mühe erwerben. Die aktuelle Breite und historische Tiefe der Kaufmöglichkeiten im Pop-Bereich ist staunenswert, wenn es auch das Hauptanliegen der großen Unterhaltungskonzerne ist, von dem einmal produzierten Werk (Buch, CD, Datei etc.) möglichst viele Einheiten abzusetzen, ein Unterfangen, das ihnen in der gegenseitigen Konkurrenz nicht immer zugleich glücken kann, was ihnen aber doch bei einzelnen Werken fast regelmäßig gut gelingt, so dass die Fülle des Angebots keineswegs mit einer gleichmäßigen Streuung unterschiedlicher Geschmacksrichtungen gleichzusetzen ist. Ganz bewusst tragen die Firmen durch groß angelegte Promotionund Marketingmaßnahmen, die sich auf wenige Angebote konzentrieren, entscheidend dazu bei, dass die insgesamt gegebenen Auswahlmöglichkeiten von der weit überwiegenden Mehrheit der Kunden kaum wahrgenommen werden (können). Die Annahme, die Marktangebote befriedigten Kundenbedürfnisse, ist darum eine ebenso wahre wie banale Feststellung. Einige oder viele der gekauften Konsum- und Unterhaltungsgüter bewirken beim Rezipienten zweifellos das eine oder andere positive Gefühl, trotz der vielen auf dem Markt scheiternden Produkte bleibt das eine richtige Aussage (schließlich können auch die Waren, die dem Hersteller Verluste einbringen, bei ihren Abnehmern auf Zustimmung stoßen, ebenso wie umgekehrt rentable Bestseller in nicht wenigen Fällen halb gelesen weggelegt werden). Es spricht aber wenig dagegen, dass bei einer anderen Beschaffenheit des Marktes auch andere Güter solche angenehmen Gefühle auslösen würden, die man dann wiederum in dem bekanntermaßen wenig aufschlussreichen Zirkelschluss als Beleg für ein offenbar vorhandenes Bedürfnis anführen könnte. Andererseits ist dem Argument des Marktpopulismus jedoch insofern Recht zu geben, als es sich gegen die Überzeugung richtet, die wahren Bedürfnisse des Käufers blieben tatsächlich unberücksichtigt, nur die falschen Bedürfnisse würden vom kapitalistischen Markt erst künstlich, manipulativ erzeugt und dann bloß halbwegs gestillt. Weil diese humanistische oder linksalternative These sich auf die Annahme authentischer Bedürfnisse stützt, die zwar ideologisch behauptet, nicht aber belegt werden kann, bleibt sie leer und gegenstandslos. Sachlich wesentlich angemessener wäre es deshalb, offen einzugestehen, dass man auf seine Weise genau wie der politische Gegner auch erfolgreich versuchen möchte, in das Leben anderer Leute einzugreifen, indem man bestimmte Gegenstände und Haltungen als Versprechen auf ein lustvolles, sinnvolles oder glückliches Leben ausgibt. In den staatlichen Ausbildungsstätten wird genau dies mit beträchtlichem, institutionellem Gewicht getan. Sie setzen andere Werke auf den Stundenplan, sie prämieren ein anderes Wissen, sie bilden ein offizielles Gegengewicht zu der Sphäre des Unterhaltungs- und Medienmarktes. Was in der

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Freizeit- und Privatsphäre dem Einzelnen an Abwechslung und Intensität liberal gewährt wird, soll die Sphäre der Bildung keineswegs bestimmen. In den Schulen und Universitäten möchten der Staat und die ihn tragenden Schichten die (aus ihrer Sicht anfallenden) popkulturellen Kosten der ökonomischen und demokratischen Liberalisierung wieder gutmachen. Zwar ist das Curriculum mittlerweile etwas Richtung Pop geöffnet worden, in den Gymnasien z.B. gehören dennoch die literarischen Klassiker und keineswegs pulp fiction-Romane zum bevorzugten Schulstoff. Selbst wenn das an den Universitäten einmal der Fall sein sollte, wird deren Lektüre mit einem intellektuellen und analytischen Aufwand durchgeführt, der mit einer unterhaltenden Rezeption wenig oder gar nichts zu tun hat. Eine solche Feststellung ist natürlich recht trivial; auch wenn man der Überzeugung anhängt, dass zum Lernen ebenfalls die Entspannung oder lustvolle Unterhaltung beiträgt, bleibt die konzentrierte Analyse von der Zerstreuung oder dem intensiven Lustgefühl doch deutlich verschieden. Den Unterschied konnte man bereits das ganze Buch über studieren; die intellektuellen und feuilletonistischen Betrachtungen zur Popkultur sind nur in seltenen Fällen selber unterhaltsam oder erregend. Sogar wenn sie die Oberflächlichkeit oder die sinnliche Intensität preisen, bleiben ihre Darlegungen fast immer tiefgründig und papieren. Wegen ihrer zumeist abstrakten Redeweise können die akademischen Beiträger zur Popkultur zwar nicht (selbst wenn sie es manchmal anstreben) eigene Popularität erringen oder die populistisch in Schutz genommenen breiten Bevölkerungsschichten direkt politisch erreichen, sie können aber dadurch innerhalb ihrer Kreise für eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse sorgen. Im Fall des Pop-Konzepts ist das geglückt; sowohl die Pop-art und die Avant-Pop-Gruppen als auch das Vokabular und die damit zusammenhängenden Urteilsgründe der Pop-Affirmation haben sich in den letzten Jahrzehnten durchgesetzt. Zwar ist das Ganze kein Nullsummenspiel, dennoch ist deutlich zu erkennen, dass dieser Erfolg zu Lasten anderer intellektueller und künstlerischer Richtungen (etwa des Jazz, der realistischen Erzählung, der Hermeneutik, der politisch engagierten Literatur, des klassischen Kanons) geht. Daraus folgt natürlich auch, dass Pop-Intellektuelle andere Beiträger von ihren Posten verdrängen und von ihren Verdienstmöglichkeiten (als Redakteure, freie Mitarbeiter, Kuratoren, Stipendiaten, Lektoren, wissenschaftliche Mitarbeiter etc.) abschneiden (oder dass, wesentlich eigentümlicher, heutige Pop-Artisten mit ihren dekonstruktivistisch-anarchistisch inspirierten Werken auf bedeutende Teile des Budgets reicher Sammler aus den obersten Eigentümer- und Machtgruppen zählen können). Damit wiederum geht beinahe automatisch eine Veränderung des schulischen Curriculums einher; Andy Warhol und die Beatles zählen zum festen Bestand des Kunst- und Musikunterrichts, an den Universitäten kommen dann vor allem die noch avantgardistischeren Repräsentanten und Theorien zu Wort. Da hier aber zumeist der Modus des benoteten Unterrichts und der Reflexion waltet, ist die viel wichtigere Frage, ob die teilweise Durchsetzung des Pop-Konzepts auch Konsequenzen über den Bereich spezieller feuilletonistischer Debatten, künstlerischer Sphären und kulturwissenschaftlichen Unterrichts hinaus zeigt. Besonders interessant ist dabei zuletzt die Frage, ob die von der schulischen und feuilletonistischen, besonders aber der akademischen Rede begünstigte Wahrnehmungs- und Verhaltensweise distanzierter Kon-

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templation, die zur Legitimation einer kontrollierten, feinsinnigen, verdienstvoll überlegenen Herrschaft beiträgt, den Habitus der gesellschaftlich führenden Schichten weiterhin prägt. Vor allem mit Blick auf die USA, zu einem geringeren Teil aber auch mit Blick auf Westeuropa muss die Frage anders beantwortet werden als noch vor wenigen Jahrzehnten. Eine deutlich nach außen gekehrte Zwanglosigkeit, eine Vorliebe für Gegenstände einer avancierten Popkultur, eine offenere Hingabe an bunte Reize und sinnliche Effekte kennzeichnet nun nicht allein viele Vertreter der Medien- und Werbeindustrie, sondern auch der zu enormer Machtfülle aufgestiegenen Telekommunikationsunternehmen, Investmentbankabteilungen und Softwarefirmen. Die kulturelle Distanz der oberen zu den in mehrfacher Hinsicht als niedrig angesehenen Schichten hat sich dadurch verringert, der ökonomische und soziale Abstand jedoch keineswegs.

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Index

Sachen und Begriffe Acid-Rock 194, 200f., 219, 454 Alternativbewegung 345, 373, 377f., 402, 456 Anti-Narration 292f., 451-453 Antipuritanismus 45, 103f., 115f., 130, 136, 138, 140, 175f., 184, 193f., 223f., 308 Art Rock 221, 236, 374 Authentizität 54, 133, 138f., 142, 198, 212, 217, 231, 236, 240, 257, 360, 365, 475 Avant-Pop 246, 370, 372-374, 378f., 387, 389, 392, 406f., 415f., 397400, 406, 410, 415f., 418f., 432f., 451-457, 464-466, 469-471 Bauhaus 46f., 68, 229, 308 Beatniks 54-58, 60, 174f., 195, 418 Bebop 54-57, 234 Bildungsbürgertum 18-21, 32, 46, 51, 68, 135f., 149, 154, 166, 179, 245f., 250, 275, 283, 398 Black (Popular) Music/Culture 234f., 250, 452f., 460 Boheme 56f., 146, 171, 176, 343, 425f. Bricolage 314, 356, 367 Camp 103-116, 130, 135-138, 141, 160f., 177, 183, 227, 236, 269, 301-303, 314, 321, 334-337, 348, 350-355, 358, 379, 381-384, 413f., 428, 431f., 449, 454f., 468 Charts 67, 185f., 198f., 215, 222, 278, 386f., 390, 393-396, 411 Codierung 301, 312f., 315-317, 329, 357, 362-364, 369f., 427, 429f., 451, 458

Cultural Studies 59f., 75, 131-133, 146f., 349, 365-370, 382, 421f., 429f., 457-459, 465, 470 Cut-up 245, 256, 354, 390, 410f., 453 Cyborg 282, 455 Dadaismus 36f., 39-42, 56, 62, 71, 80, 83f., 89, 170, 369, 410 Dandyismus 24f., 104-106, 112, 228, 302, 330, 389, 409, 449 Dekadenz 26-30, 32, 34f., 64, 76-78, 88, 230, 287, 334, 350, 449 Dekonstruktion 359, 368, 370, 397, 421, 460 Design 42, 47, 59, 63f., 69-74, 99, 104, 113, 137f., 150, 165, 178, 228-230, 266, 286f., 307-309, 311, 350f., 362, 375, 382, 397, 442f., 448, 457, 467 Disco 205, 209, 251, 369, 379-385, 387, 389, 406, 409f., 421, 445, 456 Distinktion 23-26, 74, 78, 86, 99, 105-108, 249, 272, 277, 375-379, 408, 412, 448, 462, 466, 470 Eklektizismus 227, 310, 315-318, 326-329, 334, 352-354, 411 Environment 56, 64, 82, 96, 203, 205-211, 229-231, 246, 285-287, 290f., 312, 363 Expressionismus 37-40 Folk Music 67, 94, 185-187, 195197, 234, 261, 298 Form/Funktion 46f., 69f., 73f., 78, 228-230, 266, 307-310, 315f., 318, 427 Funk 395, 401, 409, 411

548 | Pop Futurismus 30-36, 42, 44, 69, 71, 78, 88, 98, 169f., 200, 286, 291, 312, 334, 381, 389, 404, 431 Gegenkultur/Underground 187-195, 200, 203-211, 217-226, 233f., 241250, 271-278, 284, 306, 370, 377 Gender/Konstruktion 114, 184, 367, 413f., 431f., 437, 454, 456, 465 Girl/Flapper 45f., 48f., 404f. Gitarrenpop/Indie Pop 450 Glam/Glitter Rock 306, 334-337, 367 Glamour/Glitter 70, 73, 106, 127, 136, 145, 168, 213, 266, 291, 319, 324, 344, 351, 384, 390, 422, 437, 444, 448f. Gloss 10, 13, 67, 72f., 126f., 339, 366, 395, 439f. Grunge 456 Hedonismus 45f., 66, 101, 136, 143f., 175, 187, 192, 220, 224, 284, 396, 399, 403, 409, 417, 422, 433-436, 438, 441, 444f., 447 Highbrow/Lowbrow 52, 178, 331, 354 Hip 101, 157, 167, 200, 217, 222, 227, 275, 405, 408 Hip Hop/Rap 410f., 452f. Hippie 148, 189, 192-194, 200f., 204, 221, 223, 227f., 241-245 Hipster 55-57, 221, 249 House 405, 444f., 452-454 Illustrierte/Colour Supplements 10, 53f., 60f., 75, 100f., 117, 126, 142f., 157, 164, 215, 266, 271, 285, 293, 297, 404, 417f., 439f., 446, 457, 470f. Image 72, 94-96, 140, 143, 237f., 298-301, 308, 311, 367, 390, 395397, 402, 413f., 417, 422

133, 178, 195f., 212-214, 217, 219, 221, 233-235, 242, 246, 248f., 260f., 274, 278, 366, 430 Kommerzialisierung-Verteidigung 72, 97f., 150, 212, 233, 280, 284, 297, 310-312, 347f., 391, 411 Konsum-Kritik 28, 57-59, 61, 121, 123, 139, 172-176, 178, 212-214, 220f., 241, 245, 247f., 273f., 279, 299, 360-363, 366f. Konsum-Verteidigung 43, 47, 69, 73, 139-141, 163f., 254, 280-282, 284, 291, 299f., 342, 366f., 406f., 442 Kubofuturismus 42f. Künstlichkeit 21, 24-26, 28, 41, 45, 48, 71f., 91, 98, 104, 110, 125, 161f., 164, 176, 204, 207, 227, 282, 285-287, 293, 318, 334, 364f., 368f., 373, 400, 403, 431 L’art pour l’art 20, 23f., 29, 38, 43, 425f. Las Vegas 136, 147, 171, 310f., 318f. Lebensstil/Lifestyle 55, 58, 100f., 118f., 135f., 145f., 158, 193, 223, 229, 282, 330, 349f., 368f., 375, 402, 417f., 429f., 446, 461, 465 Mainstream 103, 114, 144, 191-193, 234f., 271f., 276-278, 338, 351, 369, 412, 421, 429f., 433, 448 Massenkultur 11f., 46, 52-54, 59f., 71, 75, 104f., 119, 121, 127, 209, 219, 238-240, 248, 261f., 264, 281, 299 Medientheorie 44, 200-204, 287-290 Mode (Kleidung) 123-126, 130, 134, 137, 143, 146, 227f., 243f., 254, 335, 337, 343f., 351-356, 367-370, 388-390, 402, 408, 413f. Mods 125f., 130f., 133f., 272, 283, 366f., 403, 429f. Muzak 206f., 384

Jazz Age 44-46 Kanon 31, 55, 329-334, 376, 378f., 391f., 395, 398f., 410, 432f., 451f., 456, 465f., 469f. Kommerzialisierungs-Kritik 51f., 59f., 91, 94, 99, 119, 121, 127,

Neue Sachlichkeit 47-49 New Journalism 134, 144f., 148f., 252, 306 New Pop 378, 386-388, 391-409, 412-423, 433f., 437-441, 446-451, 462-464

Index | 549

New Romantics 388-391, 402f., 412415, 422 New Wave 338f., 341, 352f., 371374, 377-379, 381, 386f., 422 No Wave 373f., 381, 394 Oberfläche/Oberflächlichkeit 23, 47, 72, 75, 80f., 90f., 97, 103, 107, 176f., 218, 232, 238, 252, 265-271, 325, 366, 382, 384f., 390, 397, 401, 413f., 420f., 434 Pop (Begriffsgeschichte) 9-13, 63f., 67, 70f., 75f., 79, 84-88, 100-104, 115f., 132-138, 141-144, 187, 201, 209, 214f., 229, 232f., 240, 245f., 251-253, 255f., 259f., 264f., 274f., 305f., 386, 395, 435f., 441-444, 451-457, 459-465 Pop, Kritik an 85, 100, 121, 132-134, 175f., 178f., 196, 230f., 235, 241f., 247, 274, 278f., 291, 293, 298f., 311f., 332f., 341, 347, 358, 369, 391, 401, 413-418, 420, 438-440, 448f., 461, 466f., 475f. Pop/liberale Demokratie 59, 69, 135f., 141, 146f., 150, 175, 258, 273, 280-283, 288, 323, 376, 417, 466-468, 474 Pop/Kapitalismus 65f., 72, 75, 86, 117, 127, 131, 139f., 173f., 212f., 220, 274, 278, 282, 401, 431, 444, 468, 474f. Pop/Mikro-Politik 370, 396f., 401, 403, 412, 418, 428, 431f., 440f., 447, 456, 459, 465 Pop/Sozialismus 288, 366f., 419, 421f., 428-430, 434, 444f., 457f., 466 Pop-Affirmation 63-79, 88, 96-99, 101-104, 108, 112-116, 134-138, 141-148, 150, 163-167, 188, 202, 207f., 228-230, 233, 235, 237f., 241, 245f., 253, 256, 264-267, 269f., 279f., 285-287, 290f., 293, 296f., 299, 308-313, 319-321, 324f., 346, 348, 358, 366f., 383, 393f., 397-407, 411, 418f., 421423, 433f., 442-445, 449, 452-458, 461f., 467f., 470f.

Pop-Architektur 147, 164, 208, 285f., 309-313, 318f. Pop-art 9-11, 60-63, 71, 79-103, 107, 113f., 137, 142, 150, 161, 172f., 176-180, 226, 238, 246f., 252, 255f., 266-270, 286f., 293f., 297, 301, 309-313, 322-325, 331, 347, 350, 353f., 357, 471 Pop-Feminismus 461f., 470 Pop-Literatur 166, 250-258, 320-322, 356, 463-465 Pop-Musik 109f., 133f., 136, 167f., 186-188, 190f., 195, 201, 203, 206, 215, 222, 231, 235f., 250f., 274276, 298, 326-329, 334, 341, 372f., 378-389, 392-402, 406f., 409f., 416, 419, 433, 437f., 444f., 448456, 471f. Populäre Kultur 12, 17f., 58f., 64f., 67, 69, 85, 100, 239f., 260-264, 295f., 305, 460f. Populismus 150, 236-238, 295-298, 311, 324, 348, 385f., 458, 466, 468 Post-Histoire 357, 428 Postmoderne 307f., 316-324, 353356, 358f., 362, 364, 370 Postmoderne Architektur 309-311, 314-318 Poststrukturalismus 358-365, 368371, 378, 397, 421, 428, 454, 460, 465f. Progressive Rockmusik 223f., 227, 229, 236f., 246, 274, 306, 334, 339, 386, 422, 437, 450-452 Punk 337-344, 351-355, 367-372, 386f., 403, 405 Reiz 19, 21-30, 32-40, 44-48, 54f., 64, 70, 78, 87f., 107f., 142, 152, 168, 212f., 253f., 286, 290-293, 434, 449, 451, 453 Rhythm ’n’ Blues 185f., 190f., 198f., 233f., 271f. Rock 187, 196, 199-201, 204-206, 209, 212, 214-219, 222-227, 230234, 236-239, 256, 298, 306, 328, 333-337, 339, 378, 385f., 450f. Rock ’n’ Roll 57, 60, 70, 118, 121f., 128f., 175, 185, 188-191, 203, 215, 223, 233, 271f., 274f., 298

550 | Pop Situationismus 169-176, 179, 188f., 207, 210f., 229f., 337f., 342, 385, 448 Soul 134, 189, 198f., 233f., 250, 394, 399, 403, 407f., 448 Stil/Style 23f., 27f., 55, 58, 71f., 77, 87, 105-110, 114, 124, 126f., 130, 134, 144, 199, 227f., 237, 249, 266, 276f., 334, 343, 350-355, 366f., 370, 381-383, 385, 388-390, 395, 397, 401, 403, 408f., 413-415, 419, 439, 444 Subkultur 116-122, 125, 128f., 132, 135, 144, 191-194, 238, 246, 271, 273f., 278, 280, 315-317, 345, 365370, 381, 390, 412, 418, 421f., 429f., 447, 457f., 465f. Subversion 171f., 176, 187, 219, 223, 238, 247, 257, 279, 283, 364, 366, 374, 378, 382, 396-398, 400-403, 408, 412, 415-417, 420f., 428-432, 438, 449, 454, 456-458, 473f. Surrealismus 41, 86, 89, 105, 251 Techno 445, 452-454, 463 Teds 62, 124-126, 130f., 343, 354, 366, 370, 390 Teenager/Teenie-Pop/Teenie-Magazin 58, 116-123, 126f., 129-133, 135-137, 144-147, 190-192, 215, 218, 229, 235, 237, 240, 242, 274, 306f., 334, 354, 380, 391, 399, 402, 404-407, 419, 422, 433f., 439, 447f., 456 Tin Pan Alley 46, 53, 58, 67, 110, 121f., 128, 136, 186f., 198f., 222 Trash 52, 106, 341, 350, 353, 379, 388, 406, 448, 451, 456 Trend 70, 102f., 114-116, 119, 142146, 177f., 187, 198, 273, 276f., 307, 334, 402, 408, 413, 420, 446, 472, 474

Unterhaltung/Entertainment 19, 33, 36, 64, 75, 94, 104, 113, 127, 150, 154, 157, 168, 178, 213, 218, 239, 252, 258, 269, 340, 353, 404-407, 416 Verfremdung 11, 36, 41f., 62, 82, 86, 89, 106, 157, 159-161, 163, 171, 226f., 253, 267, 293-295, 300-302, 311, 313, 315f., 355, 364f., 369f., 373, 375, 411, 422, 429f., 453, 458 Warenfetischismus 54, 173-175, 212f., 219, 249, 428 Werbung 65-68, 72f., 76, 84, 86, 94, 96-98, 103, 113, 150, 219, 252, 261, 266-268, 286, 292, 294, 297299, 301, 397, 402, 413 Wohlstandsgesellschaft 65, 116, 126f., 135, 138-148, 150, 167, 261, 282, 443 Zeichentheorie 159-163, 301, 312f., 361-363, 370, 400, 421f., 428-431 Zerstreuung 33, 39, 47, 49, 108, 156, 261, 416 Zitat-Pop 350, 355, 390, 413, 418, 421, 428, 430

Index | 551

Personen, Gruppen, Zeitungen und Zeitschriften Abba 378, 387, 391, 399f., 432 ABC 103, 115, 393-395, 399, 401f., 404, 406, 412f., 415f., 418, 433, 438, 448 Adam and the Ants 388, 390, 392f., 402, 416, 438 Adorno, Theodor W. 54f., 59, 121, 133, 151-153, 176, 188, 212-216, 219, 225f., 293, 428, 461 Alloway, Lawrence 62-65, 68, 70, 72f., 79, 84-86, 96, 102, 108, 113, 149f., 208, 260, 280, 287f., 290, 295f., 300f., 309, 324, 347, 443 Allsop, Kenneth 206 Alternative TV 373 Althusser, Louis 368f. Alvermann, Hans P. 253, 287 Amaya, Mario 113, 292, 301, 323 Améry, Jean 240 Anders, Günther 299 Andersen, Kurt 467f. Anderson, Chester 209, 256 Anderson, Chris 465 Anderson, Laurie 398 Angermüller, Johannes 359 Anka, Paul 128 Anthony, Wayne 453 Antin, David 205 Antonioni, Michelangelo 157f., 169, 471 Appen, Ralf v. 460, 466 Archigram 164, 208, 230, 241, 285, 308, 311-314, 317f., 363, 400, 454 Artforum 410, 471 Artmann, Hans Carl 166, 253 Ashley, Karin 231, 234 Assheuer, Thomas 466 Astaire, Fred 154 Attali, Jacques 360 Au Pairs 386, 392 B-52s 379, 392, 399, 433 Baacke, Dieter 243, 246, 274, 291, 465 Babuscio, Jack 381 Bacharach, Burt 333 Baez, Joan 196, 252 Bailey, David 273

Baker, Danny 341, 372 Baker, Jr., Houston A. 459f. Baldwin, James 56 Ballard, Hank 94 Balzer, Jens 454 Banaski, Andreas 405, 418f. [s. Kid P.] Bangs, Lester 336, 372f., 379 Banham, Reyner 9, 11, 13, 63, 67-70, 72, 75f., 79, 85, 143, 150, 164-167, 229f., 279f., 282f., 296, 309, 312, 318-320, 442, 461 Barbey d’Aurevilly, Jules 24 Bardacke, Frank 200 Barnes, Richard 125, 134 Barrett, Syd 398 Barthes, Roland 157, 162, 231, 235, 301, 359, 361, 368-371, 378, 413, 421 Baßler, Moritz 461, 465 Batman 103, 115, 137, 141, 209, 245, 251, 441 Baudelaire, Charles 20-22, 24-26, 28, 31f., 34f., 332, 389 Baudrillard, Jean 359-365, 378, 421, 428, 431, 457 Baumgardner, Jennifer 461 Beach Boys, The 136, 230, 233, 236, 334, 399f., 455 Beatles, The 109f., 133, 138, 144, 167f., 172, 175, 187, 199, 201, 203, 214-216, 222, 225, 232, 237, 240f., 251, 272, 274, 281, 289, 326, 328, 331f., 338, 340, 385, 415, 476 Beckett, Alan 188, 198, 214 Becquer, Marcos 456 Bee Gees, The 381, 433, 455 Behrens, Roger 459, 461, 466 Bell, Daniel 59, 273, 427 Belmondo, Jean-Paul 160, 162 Benchley, Peter 103f., 115f., 142, 150f., 209 Benitez, Jellybean 409 Benjamin, Walter 21, 39, 288, 296, 364 Bennett, Andy 465 Bennett, Tony 462

552 | Pop Berendt, Joachim-E. 55 Berg, Robert v. 155, 240 Berger, Inge 463 Berghahn, Klaus L. 18, 155 Berke, Joseph 260, 274, 284 Berlin, Irving 53 Berman, Russell A. 459 Bernstein, Basil 317 Bernstein, Leonard 331 Bernstein, Michèle 169 Berry, Chuck 134, 215, 232 Bessing, Joachim 464 Best, Steven 359 Bianchi, Paolo 456f., 465 Billboard 67, 185f. Black, Bob 466 Blake, Andrew 461, 463 Blake, Peter 100, 137, 230, 232 Blondie 341, 387, 410, 433 Blue Öyster Cult 216 Bluestein, Gene 195 Blumenberg, Hans 89 Böckelmann, Frank 176, 220, 280, 284 Böhmer, Konrad 326 Bohrer, Karl H. 247, 253-255, 358 Bolan, Marc 334, 336f., 449 Böll, Heinrich 253 Bolt, John E. 42, 229, 307f. Boltanski, Luc 464 Bond, James 142, 151, 155-157, 454 Boney M 378 Bonz, Jochen 453, 461 Booker, Christopher 266 Boorstin, Daniel J. 299 Booth, Mark 105 Boshier, Derek 84, 137 Boty, Pauline 100 Bourdieu, Pierre 19, 374-378 Bourget, Paul 22 Bow Wow Wow 392f., 433 Bowie, David 334-336, 339, 350, 352, 367, 373, 384, 388, 402 Bowman, Paul 462 Boy George 404, 414 Bracewell, Michael 335, 442, 461 Brackett, David 459, 461, 465 Brando, Marlon 126, 130, 191 Bravo 240, 242, 405-407, 472 Brecht, Bertolt 47, 157, 294, 400

Breton, André 41, 330, 370, 449 Brill, Dunja 466 Brinkmann, Rolf Dieter 253-258, 260, 270f., 276, 291-293, 300, 321, 325, 463 Britton, Andrew 381 Brod, Max 46 Broder, Henryk M. 246 Bromell, Nick 209, 218, 233 Brooks, David 465 Brooks, Rosetta 389-391 Brooks, Van Wyck 52 Broughton, James 207 Brown, Denise S. 310-314, 427, 465 Brown, James 130, 199, 234, 299, 338, 379 Broyard, Anatole 55-57 Brubeck, Dave 144 Bruce, Lenny 338 Brunsdon, Charlotte 462 Buchloh, Benjamin 421 Buckley, Tim 450 Buhle, Paul 459 Buñuel, Luis 169 Burchill, Julie 372, 403-406, 465 Bürger, Gottfried A. 18f. Bürger, Peter 30 Burgess, Anthony 257, 320, 426 Burke, Peter 18 Burroughs, William S. 245, 252, 257, 292, 320, 333f., 376, 410, 426 Buselmeier, Michael 260, 274, 279 Büsser, Martin 456, 461, 466 Butler, Judith 454, 459, 466 Butthole Surfers 451 Butzmann, Frieder 471 Byrds, The 187, 200, 203, 214-216, 225, 328 Byrne, David 437 Cabaret Voltaire 389, 395 Cage, John 147, 200, 216 Cagle, Van M. 335f., 441, 456 Cale, John 205, 398 Cameron, Dan 446 Campbell, Colin 28, 459 Can 372, 392, 450, 452 Canaday, John 99 Captain Beefheart 340, 378, 391, 399, 432

Index | 553

Cardew, Cornelius 201 Carducci, Joe 442 Carrington, Noel 12 Carson, Tom 379 Carter, Angela 227f., 343f. Chalk, Warren 164f., 167, 280, 285f., 291 Chambers, Iain 457f. Champion, Sarah 463 Chance, James 378, 381, 410 Chaplin, Charlie 52f., 132, 262 Charles, Ray 98, 142, 199, 240 Chester, Andrew 274 Chiapello, Ève 464 Chlada, Marvin 466f. Chotjewitz, Peter O. 253, 255 Christgau, Robert 149, 232f., 235f., 260, 274f., 297f., 328, 336, 343, 373, 381 Christiansen, Broder 48f. Clarke, Gary 421f., 441, 445 Clarke, John 366, 368, 429f., 434, 457 Clash, The 339-342, 371 Claus, Jürgen 287 Cleto, Fabio 13, 105, 114, 466 Cockettes, The 335, 337, 383f. Cohen, Albert 191 Cohen, Phil 366 Cohen, Stanley 115, 134 Cohn, Nik 259, 274f., 299, 380, 399f., 415, 419 Coleman, James M. 118f., 192 Coleman, Ornette 168, 234, 398, 433 Collins, Jim 465f. Coltrane, John 168, 215, 332f., 338, 376, 378, 398, 433 Combs, James 468 Cooke, Lynne 61 Cooke, Sam 338 Coon, Caroline 338f., 371 Cooper, Alice 334, 336 Cordell, Frank 121 Cornford, Christopher 229 Count Five, The 336, 339 Covington, Ben 173, 188 Cowley, Malcolm 45, 176 Cox, Christoph 453 Crawdaddy! 214-216, 231, 236 Cream, The 201, 225, 386

Creem 336 Cresap, Kelly 98, 441 Crimp, Douglas 364f. Cristina 392 Crone, Rainer 260, 288, 296, 446 Crothers, Lane 460 Cukor, George 153 Cure, The 387, 392 Curtis, Tony 124 Cutler, Chris 459 Damned, The 337, 341f., 371 Danesi, Marcel 462, 466 Danto, Arthur C. 86, 446 Darlington, Sandy 218 Dath, Dietmar 464f. Davis, Miles 136, 333, 398 De La Soul 453, 455 Dean, James 9, 57, 126, 130, 353 Debord, Guy 170, 173, 360 Deleuze, Gilles 359, 371, 378, 454, 466 Delon, Alain 160 Dembowski, Gerd 466 Denselow, Anthony 397 Derrida, Jacques 359, 378, 398, 421 Dery, Mark 455 DeTurk, David A. 167 Devo 372f., 387 Dexy’s Midnight Runners 392 Dichter, Ernest 66, 139-141, 167, 220, 294, 300, 361 Diddley, Bo 327 Diederichsen, Diedrich 373, 378f., 397-401, 405f., 408f., 416, 418420, 428, 431f., 453, 456, 459f., 462f., 466 Diggers 189, 221f. Dine, Jim 79, 84, 89 Dixon, Steve 412 DNA 373, 421 Döblin, Alfred 40 Dohrn, Bernardine 220 Donahue, Troy 101 Donen, Stanley 154 Doors, The 215f., 218, 222, 225, 230, 233, 276 Doris, Sara 13, 101f. Dörner, Andreas 467 Drake, Nick 433

554 | Pop Driver, Susan 456 Duchamp, Marcel 10, 42, 70, 89, 166, 330, 333, 347, 370 Duck, Donald 152 Duran Duran 402, 404, 407, 414f., 440 During, Simon 460 Dury, Ian 387 Dyer, Richard 381f., 459 Dylan, Bob 94, 142, 167, 196-200, 212, 214f., 218, 229, 235, 237f., 240, 252, 321, 328, 376, 396, 426, 433, 444 Eckstein, Billy 124 Eco, Umberto 102, 294f., 401 Eisen, Jonathan 233, 274 Eismann, Sonja 462 Ekberg, Anita 98 Elaste 418 Eliot, Thomas S. 53, 328, 333 Elms, Robert 388f., 403, 408f. ELP 339 Ennis, Philip T. 186, 190 Eno, Brian 373, 379, 452 Erenberg, Lewis A. 44, 54 Ernst, Hans-P. 247 Ernst, Thomas 464 Eshun, Kodwo 453, 455, 460 Essential Logic 373, 385, 387 Evans, Peter 273 Ewen, Stuart 266 Fahlström, Oyvind 291 Fairchild, Charles 459 Faithful, Marianne 216 Fall, The 392, 394, 419 Fallowell, Duncan 336 FAZ 142, 178, 241, 253, 471 Ferry, Brian 335, 338, 350-352, 354 Fichte, Hubert 256 Fiedler, Leslie 59, 69, 193, 256-258, 262-264, 320-322, 324, 326-328, 331-333, 337, 344, 356-360, 364, 370, 399, 411, 426f. Filmkritik 153-155, 159-163 Fine-Artz 286, 297 Fiske, John 459 Fitzgerald, F. Scott 44-46, 101 Fitzgerald, Zelda 45

Flash Art 471 Flaubert, Gustave 21, 23, 29, 370 Flender, Reinhard 461 Florida, Richard 465 Foster, Hal 10, 312, 421 Foucault, Michel 359, 371, 404, 420f., 454, 459, 461, 466 Francis, Connie 297 Frank, Dirk 464 Frank, Thomas 459, 466, 468 Frankie Goes to Hollywood 404, 415, 440 Freeman, Roger 331 Freud, Lucien 330 Fried, Michael 102 Frith, Simon 13, 298, 328, 342f., 373, 391, 412f., 415, 431, 441, 443f., 459, 461f., 466 Frow, John 459 Fryer, Peter 201 Fuchs, Peter 462 Fugs, The 203, 224, 245, 337, 410 Fuhr, Michael 459 Fyvel, Tosco R. 123-128, 130 Gable, Clark 153 Gablik, Suzy 287 Gabree, John 298 Galbraith, John K. 126, 138-140 Gan, Aleksej 43 Gang of Four, The 373, 386f., 398 Gans, Herbert J. 59 Garofalo, Reebee 450 Garratt, Sheryl 465f. Gartside, Green 396-398 Garve, Christian 17 Gates, Jr., Henry L. 460 Gaul, Winfred 253, 287 Gautier, Théophile 20f., 25, 31 Gaylord, Karen 58, 178 Gebesmair, Andreas 459 Gehlen, Arnold 357, 428 Gelder, Ken 459 Geldzahler, Henry 84, 86, 287 Gendron, Bernard 13, 33, 41, 54, 168, 198, 200, 236, 336, 339, 371, 374, 379, 381, 459 Generation X 387f. Genesis 339, 373 George, Nelson 460

Index | 555

Gernreich, Rudi 142, 230 Geuen, Heinz 460 Giese, Fritz 48 Gilbert, Eugene 117, 119, 129 Gilbert, Jeremy 453, 467 Gilder, George 465 Gilroy, Paul 459f. Ginsberg, Allen 57 Glaser, Peter 463 Gleason, Ralph J. 167, 198f., 201, 212, 218, 233 Gleba, Kerstin 465 Godard, Jean-L. 60, 109f., 154, 158, 162f., 235, 324 Goetz, Rainald 463f. Goldman, Albert 114f., 149, 200, 209f., 234, 252, 260, 328f., 331 Goldstein, Richard 149, 201, 203, 205, 208, 217-220, 222-227, 231f., 234, 236f., 275, 298f., 466 Goodwin, Andrew 465 Gopnik, Adam 13, 102 Gordon, Milton M. 118, 147, 191 Gorman, Paul R. 44, 51, 56 Gornick, Vivian 115, 183 Gottlieb, Joanne 456 Graczyk, Theodore 459 Grafe, Frieda 160-163, 471 Graff, Gerald 358 Graham, Dan 373f., 381, 421 Grandmaster Flash 410 Grasskamp, Walter 465f. Grateful Dead 201, 218, 230, 240, 333, 334, 454 Green, Jonathon 147 Greenberg, Clement 53-55, 80f., 107f., 267, 358 Gregor, Ulrich 162 Grether, Kerstin 456, 461 Greve, Harald 162 Gris, Juan 10 Gropius, Walter 46f. Gross, Thomas 256 Grossberg, Lawrence 421, 434, 451, 459f. Grosz, George 40 Groys, Boris 462, 465 Guattari, Félix 359, 400 Gubar, Susan 454 Gundolf, Friedrich 38

Gurk, Christoph 459 Habermas, Jürgen 12, 220, 247-249 Haden-Guest, Anthony 391 Haircut 100 398f. Halasz, Piri 143, 147 Halberstam, Judith 456, 465 Hall, Stuart 131-134, 167f., 192-194, 233f., 366-368, 421, 429, 457, 459, 462, 466 Hamilton, Richard 9-13, 58, 61-63, 70-74, 76-79, 91, 264, 266, 287, 291, 296, 299, 324, 335, 442 Hamm, Charles 190, 460 Hammett, Dashiell 338 Handlin, Oscar 58 Hansen, Barret 327 Haraway, Donna J. 445 Harlow, Jean 227, 303 Harriman, George 52 Harris, John 465, 467 Harrison, Sylvia 61 Harron, Mary 441, 443-445 Hartung, Harald 356f. Harvey, David 459 Harvey, Steven 410 Haskell, Barbara 82 Hassan, Ihab 358f., 465 Hausmann, Raoul 36f. Hawks, Howard 108, 151, 157, 269, 405 Hayes, Isaac 383 Hayworth, Rita 53 Heath, Joseph 466 Heaven 17 401, 403 Hebdige, Dick 13, 59, 365-370, 403, 421f., 429f., 439, 441, 443, 457, 465f. Hegel, Georg W. 17 Heidingsfelder, Markus 462 Heißenbüttel, Helmut 246 Hellwig, Klaus 155f. Helms, Dietrich 459 Hemment, Drew 453 Henderson, David 234 Henderson, Nigel 62f. Hendrix, Jimi 216, 221, 230, 234, 338, 450 Henri, Adrian 251, 332f., 378, 398f. Henry, Tricia 459

556 | Pop Hentoff, Nat 196, 199 Hepburn, Audrey 154 Herder, Johann G. 17f., 240 Hermand, Jost 13, 93, 256, 260, 274, 296 Herron, Ron 208, 285f., 291 Hesmondhalgh, David 465 Hess, Barbara 82 Hess, Thomas 86, 294 Hewitt, Paolo 134 Heylin, Clinton 381 Hilsberg, Alfred 372 Hinckle, Warren 209 Hindemith, Paul 332 Hinz, Ralf 13, 366, 397, 405, 441, 444f., 459 Hitchcock, Alfred 151, 169 Hitzler, Ronald 465 Hockney, David 79, 84 Hoffmann, Raoul 306 Hoggart, Richard 59, 73, 75, 146, 149, 267, 299 Holden, Stephen 379 Holert, Tom 455, 461, 466 Holl, Edda 461 Höller, Christian 459, 466 Hollingsworth, Roy 336 Hollows, Joanne 462 Hollstein, Walter 274 Holmes, John C. 57 Holthusen, Hans E. 296 Holzer, Jane 101, 103 hooks, bell 460 Hopkins, Jerry 193 Horkheimer, Max 54, 59, 121, 151f., 220 Horne, Howard 13, 328, 441, 443 Horovitz, Michael 251 Hoskyns, Barney 334 Houston, Penelope 156 Howe, Irving 57, 307 Hübinger, Gerd 256, 287 Hübsch, Paul-G. 253, 401 Huelsenbeck, Richard 36, 40 Hügel, Hans-O. 466 Hughes-Stanton, Corin 229, 308f., 322 Human League 373, 387, 389, 401403, 406, 419, 433, 452 Huq, Rupa 465f.

Huysmans, Joris K. 20f., 23f., 26, 28f., 31f., 35, 105, 373, 449, 471 Huyssen, Andreas 27, 247, 358, 421, 427 i-D 388, 412 Idol, Billy 339 Illies, Florian 464 Imdahl, Max 89 Independent Group 11, 60-84, 94, 96, 103f., 113, 121, 129, 135, 141, 143, 149f., 164f., 229f., 237, 241, 264-266, 279f., 288, 290, 295, 297, 299, 306, 308f., 312, 318, 323, 330f., 333, 363, 422, 442, 460 Indiana, Robert 87f. Ingham, Jonh 339 Interview 345, 399, 407, 410 Irwin, William 460 Iser, Wolfgang 90 Ivain, Gilles 171 Ives, Charles 236, 326f. Jacke, Christoph 459 Jacob, Günther 71, 460, 462, 465 Jaffe, Naomi 220 Jagger, Mick 143, 242, 332, 336, 338, 398 Jameson, Fredric 421, 428 Janis, Sidney 79, 83, 86, 252 Jansen, Peter W. 294 Jarry, Alfred 251, 332 Jauß, Hans R. 90 Jefferson, Tony 366, 368, 429 Jefferson Airplane 201, 221, 241 Jencks, Charles 259, 285, 307, 309, 312-320, 322, 324, 327f., 332, 353, 356f., 364, 367, 400, 411, 427, 465 Jenkins, Henry 459, 466 John, Elton 337, 452 John, Rolf-E. 256 Johns, Jasper 80-84, 90, 107, 109f. Johnson, Paul 133 Johnston, Jill 90 Jones, Barbara 12, 302 Jones, Gloria 407 Jones, Grace 392, 414, 471 Jones, LeRoi 234f., 271f. Jones, Spike 166 Josef K 392, 399, 433

Index | 557

Joy Division 392, 433 Joyce, James 53, 202, 215, 320, 330 Julien, Isaac 460 Jürgens, Martin 255, 294 Just, Gottfried 253 Kael, Pauline 157f., 380 Kaiser, Rolf U. 246, 259, 274 Kant, Immanuel 17, 19, 26, 29, 32, 108 Kaplan, E. Ann 459 Kaprow, Allan 67, 84, 96-100, 113 Karajan, Herbert v. 214 Karasek, Tom 460, 464f. Karenga, Ron 460 Karina, Anna 162 Karp, Ivan 142, 151, 266f. Karp, Marcelle 461 Katona, George 139 Katz, Alex 90 Kees, Weldon 57 Keightley, Keir 236 Keller, Hans 373 Kelley, Mike 456, 471 Kelley, Robin D.G. 460 Kellner, Douglas 359, 362, 459 Kemp, Gary 403, 408 Kempton, Sally 235, 326f. Kermode, Frank 320 Kerouac, Jack 57 Kesey, Ken 204, 243, 257, 321 Khan, Sarah 467 Kid Creole 399 Kid P. 405-407, 418, 420, 434 [s. Banaski] Kid Sister 470, 472 Kidel, Mark 372 Kingston Trio, The 195 Kipnis, Laura 456 Kitaj, Ronald B. 84 Klein, Gabriele 453, 455, 461f Kleiner, Marcus S. 461f., 466f. Klonsky, Milton 56 Kofsky, Frank 234 Köhler, Michael 358 Koons, Jeff 14, 446 Kopkind, Andrew 234, 250, 383 Kornbluth, Jesse 193 Kösch, Sascha 466 Kostelanetz, Richard 207

Kozloff, Max 85, 93 Kracauer, Siegfried 47 Kracht, Christian 464 Kraftwerk 372, 389, 402, 410 Kramer, Hilton 85, 92, 347 Krämer-Badoni, Rudolf 142 Kristeva, Julia 370 Kriwet, Ferdinand 256 Küblböck, Daniel 472 Kubrick, Stanley 376 Kuhlbrodt, Dietrich 156 Kunitz, Stanley 85, 89 Kupferberg, Tuli 204 Kurz, Robert 459 Kuspit, Donald 347, 466 Laarmann, Jürgen 453 Labelle, Patti 383 Lagerfeld, Karl 350 Laing, Dave 260, 283, 288, 298, 326, 421 Lambert, Margaret 12 Landau, Jon 212, 216, 234, 260, 274, 298 Langsner, Jules 86 Larionov, Michail 42, 389 Larkin, Philip 234 Lash, Scott 459, 465 Laurel and Hardy 285 Lawrence, David H. 30 Lawson, Paul 289 Le Bon, Gustave 27, 407 Leary, Timothy 201, 204, 219 Leavis, Frank R. 59, 260-263 Led Zeppelin 386, 444, 455 Legge, Gordon 465 Legman, Gordon 195 Lennon, John 167, 233, 257, 321, 410, 426 Leonard, Marion 456 Levan, Larry 409 Levine, Lawrence W. 32 Levine, Naomi 181 Levi-Strauss, Claude 314, 367 Lewis, George H. 260 Lewis, Wyndham 202 Lichtenstein, Roy 11, 14, 79, 84, 8689, 91, 93, 97, 102f., 107, 266, 268, 301, 323 Liebsch, Dimitri 461

558 | Pop Lietzmann, Sabina 178, 242 Life 53f., 84, 102f., 114, 116f., 137, 141, 143f., 177, 273, 281, 293 Linck, Dirck 115, 465 Linder 373 Linder, Herbert 159 Lindner, Rolf 465 Lindsay, Arto 410 Lippard, Lucy R. 13, 89f., 259, 268, 301 Lipsitz, George 459 Little Richard 276 Logan, Andrew 351 Longo, Robert 373 Loran, Eric 85 Lounge Lizards, The 399 Lovin’ Spoonful, The 203 Lubitsch, Ernst 153 Lucie-Smith, Edward 251 Ludlum, Charles 449 Ludus 387, 392, 394, 433 Lueg, Konrad 86 Lukács, Georg 40 Lumby, Catherine 461 Lydon, John 379f. Lydon, Michael 274 Lynes, Russell 139 Lyotard, Jean-F. 359 Maase, Kaspar 32, 60, 466 Macdonald, Dwight 53f., 58, 91, 117-119, 121, 127, 149, 191 MacInnes, Colin 128-131, 134 Maciunas, George 99, 165f. Madonna 405, 409, 443, 471 Maffesoli, Michel 465 Magazine 373, 392, 394 Mahsun, Carol A. 13, 79 Maida, Markus 466 Mailer, Norman 56, 257, 320 Majakovskij, Wladimir 42 Malaria 398 Mann, Thomas 34, 40, 43 Marcus, Greil 274, 298, 328, 332, 373, 380, 385, 465 Marcuse, Herbert 174, 176, 179, 183, 189-191, 220, 225, 348, 360, 413 Marinetti, Filippo T. 10f., 30-35, 103 Martha and the Vandellas 197f., 399 Marx Brothers 152

Marx, Enid 12 Marx, Karl 154, 158, 212, 243 Massey, Anne 11, 63 Matthaei, Renate 260, 287, 291-293, 300 May, Derrick 455 MC 5 189, 222-226, 336, 415 McCaffery, Larry 455, 465 McCartney, Paul 167, 233, 332, 378, 398 McClary, Susan 459 McDonough, Tom 170 McGuigan, Jim 459 McHale, John 63, 73, 237, 280, 282, 299, 309 McKee, Alan 466 McLaren, Malcolm 337f., 342f., 351 McLaughlin, Noel 460 McLuhan, Marshall 53, 201-204, 206f., 209, 219, 229, 256, 288-290, 292, 295, 324, 355 McNeil, Legs 337 McPherson, Tara 466 McRobbie, Angela 453, 457, 459, 461 Meinecke, Thomas 453, 463-465 Mekas, Jonas 205, 471 Mekons, The 387 Mellers, Wilfrid 168, 200 Mellor, David A. 100, 137 Melly, George 13, 61f., 122, 251, 260, 274-277, 296, 299, 301f., 324f., 329f., 338 Melody Maker 62, 197, 335, 338340, 371, 373, 439, 448 Meltzer, Richard 215f., 328 Merton, Richard 198, 298 Metesky, George 221 Metzner, Ralph 204 Meyer, Hannes 47 Meyer, Moe 114, 466 Michel, Karl M. 247 Middleton, Richard 236, 462 Mierendorff, Carlo 40 Miller, Daniel 266 Miller, Manfred 329 Mingus, Charles 332f., 378, 398f. Minogue, Kylie 452 Mitchner, Stuart 328 Mondrian, Piet 90, 297, 319

Index | 559

Monk, Thelonious 136, 333, 398 Monkees, The 220, 335f., 380 Monochrome Set, The 450 Monroe, Marilyn 87, 98, 101, 107, 257, 294, 321 Moody Blues, The 222 Mooney, Hughson F. 44, 46, 52, 185187, 190, 201 Moonglows, The 327 Morin, Edgar 119 Morley, Paul 373, 378, 386f., 391398, 404, 407, 410, 415, 419f., 433, 439, 442, 447, 452, 464, 466 Moroder, Giorgio 389, 409, 432, 444 Mothers of Invention, The 235, 245, 326 Motörhead 418 Motown 109, 198f., 203, 206, 234f., 331, 379, 384, 412, 448 Move, The 201, 443 MTV 407 Muggleton, David 465 Müller, Wolfgang 373 Mulligan, Mick 62 My Bloody Valentine 451f. Nadeau, Maurice 41 Nash, Ilana 462 Neal, Mark A. 234, 460 Negra, Diane 462 Negus, Keith 459f. Nehring, Neil 465f. Nelson, Paul 196 Nettelbeck, Uwe 168, 242-245, 291 Neubacher, Stefan 443 Neumann-Braun, Klaus 466 Neumeister, Andreas 456, 465 Neville, Aaron 199 Newman, Barnett 80f., 90 Newman, Randy 328 New Musical Express 340, 373, 392f., 413 Newsweek 93, 100f., 103f., 115f., 141, 149, 151, 184, 208, 331 New York Dolls 336f., 392 New York Times 79, 115, 183, 203, 212, 240 New York Times Magazine 114, 139, 177 Nieland, Jörg-U. 467

Nietzsche, Friedrich 20, 27, 29-31, 215, 398 Nirvana 452 Nolte, Paul 467 Novak, Kim 296 Nuttall, Jeff 251, 272, 289, 332 Nye, Russel B. 324, 331 O’Brien, Glenn 410f., 420 O’Doherty, Brian 79, 86 O’Hara, Frank 90 Ohff, Heinz 246 Ohrt, Roberto 171 Oldenburg, Claes 84 Oldham, Andrew L. 197 Ong, Walter J. 287, 302 Ono, Yoko 410 Oracle 187, 208, 223 Orange Juice 392f., 403, 433f. Orbison, Roy 378 Otte, Gunnar 465 Packard, Vance 65f., 73, 139f., 143, 210, 360 Paglia, Camille 461f. Palma, Brian de 405, 418 Panofsky, Erwin 60 Paolozzi, Eduardo 60f. Parks, Van Dyke 236, 433 Parry, Hubert 260 Parsons, Talcott 59, 118, 192f. Parsons, Tony 339, 372 Partisan Review 57, 93, 104, 107, 111, 168, 199, 328 Patalas, Enno 153f., 159 Pattison, Robert 13, 442 Pearlman, Sandy 216 Pearson, Ewan 454 Peel, Emma 406 Peglow, Katja 462 Penguins, The 327 Penman, Ian 378, 396f., 415f., 419f., 439f., 455, 464 Peper, Jürgen 358 Pere Ubu 372-374, 378f., 421, 452 Perec, Georges 169 Perry, Mark 205, 340-342 Pet Shop Boys 407, 449 Peterson, Richard A. 459, 465 Pevsner, Nikolaus 69f., 307f.

560 | Pop Peyser, Joan 168, 328 Pfemfert, Franz 39 Phillips, Peter 85 Phleps, Thomas 459, 466 Picabia, Francis 41 Picard, Lil 101, 240, 255 Picasso, Pablo 10, 53, 196f., 202 Pickett, Wilson 198f. Pink Floyd 201, 230, 242, 333, 342, 376, 386 Pirinçci, Akif 463 Piwitt, Hermann P. 254 Plant, Sadie 455 Platon 69, 142, 215, 265, 360 Platschek, Hans 294 Podhoretz, Norman 57 Poirier, Richard 168, 199 Polan, Dana 456, 465 Polhemus, Ted 461, 465 Pollock, Jackson 80f., 330f., 354 Polsky, Ned 58 Pop, Iggy 336, 338 Pop Group 188, 197, 341, 373 Popeye 333 Porter, Cole 94 Poschardt, Ulf 453f., 461 Potter, Russell 459-461, 466 Presley, Elvis 9, 57, 94, 122, 127130, 133, 175, 191, 336 Pretty Things, The 266, 272 Price, Cedric 207, 282, 285 Primal Scream 450 Prince 449, 468 Prince, Richard 365, 446 Prokop, Dieter 278 Public Image Ltd. 373, 380, 387 Quant, Mary 146, 443 Quarmby, Arthur 230 Quicksilver Messenger Service 201 Radcliff, Charles 173 Radway, Janice 52 Raincoats, The 373, 385, 392 Ramones, The 337f., 340, 372f., 379, 387 Ramsey, Jr., Guthrie P. 460 Rauhe, Hermann 461 Rauschenberg, Robert 84, 109, 216, 323, 331, 333

Ray, Johnny 128 Read, Herbert 61, 94, 299 Reagan, Ronald 417 Red Crayola, The 398 Redding, Otis 134, 198f. Redhead, Steve 465f. Reich, Charles A. 298 Reich, Wilhelm 57, 209 Reich-Ranicki, Marcel 254 Reichardt, Jasia 84 Reichert, Ramón 467 Resnais, Alain 157, 169, 471 Restany, Pierre 89 Rexroth, Kenneth 58 Reynolds, Simon 374, 404, 416, 437f., 448-454, 462 Richard, Cliff 133, 352 Richards, James M. 88 Richardson, John A. 25, 113 Richter, Gerhard 86 Riesman, David 59, 119f., 141, 220, 239, 360 Rietveld, Hillegonda 453 Riley, Terry 328, 452 Rimbaud, Arthur 62, 197, 199, 251, 333, 380 Rimmer, Dave 388f., 407, 416, 439f. Rip, Rig & Panic 398 Robinson, Smokey 197f., 444 Rodtschenko, Alexander 43 Rolling Stone 212, 217, 234, 236, 306, 326, 373, 384f. Rolling Stones 133, 136, 138, 144, 167, 187, 189, 197f., 227, 237, 240, 242, 250, 272, 332 Römer, Stefan 446 Rorem, Ned 168 Rose, Barbara 84, 86, 91, 93-95 Rose, Margaret A. 317 Rose, Tricia 460 Rosenberg, Harold 102, 270, 323 Rosenblum, Robert 10, 80-82, 90, 93, 268 Rosenquist, James 84 Ross, Andrew 13, 112, 114, 405 Roszak, Theodore 193 Roth, Philip 320 Rothko, Mark 80f. Rotten, Johnny 339f. Rowbotham, Sheila 228

Index | 561

Roxy Music 306, 335, 339, 350, 354, 367, 389, 402, 410, 414, 442, 444 Rubin, Jerry 224 Rubiner, Ludwig 33, 36 Rubinstein, Artur 214 Rublowsky, John 87, 150, 299 Russolo, Luigi 32 Rygulla, Ralf-R. 245f., 249, 258, 260 Sadler, Simon 164, 207f. Salzinger, Helmut 253f., 256, 274, 284 Sanders, Ed 224, 245 Sanders, Pharaoh 223 Sanjek, David 466 Saussure, Ferdinand 309, 312, 361 Savage, Jon 338f., 372f., 390f., 413415, 439f., 453, 459, 466 Schäfer, Jörgen 256, 464f. Schehl, Günter 260, 274, 279 Schelsky, Helmut 122 Schiller, Friedrich 12, 17-21, 32, 34, 36 Schmidt, Siegfried J. 462 Schmidt-Joos, Siegfried 246, 292, 328f. Schneider, Michael 249 Schober, Siegfried 258, 334 Schulze, Gerhard 461 Schumacher, Eckhard 464f. Schwendter, Rolf 274 Schwichtenberg, Kathy 454, 459, 461 Scritti Politti 374, 396f., 420, 448 Seabrook, John 457, 465 Seago, Alex 79, 331 Sedgwick, Edie 181 Seeds, The 336, 339 Seeger, Pete 94, 195f. Seldes, Gilbert 52f., 58, 67 Selz, Peter 85, 91, 93 Serner, Walter 39 Severini, Gino 39 Sex Pistols 337-343, 351, 379, 385, 433, 443, 452 Shangri-Las, The 341, 379, 399 Shapiro, Peter 381 Shaw, Arnold 46, 298 Shaw, Greg 336

Shelton, Robert 200, 212, 214, 298 Sherman, Cindy 365 Shiach, Morag 260, 462 Shils, Edward 59 Shirelles, The 136 Shugart, Helene A. 462 Shuker, Roy 461, 465 Shusterman, Richard 466 Sigue Sigue Sputnik 448 Silver, Nathan 314f. Simmel, Georg 37f. Simon and Garfunkel 203 Sinclair, John 223f. Sing Out! 196 Siouxsie and the Banshees 372 Situationistische Internationale 171f., 174 Skelton, Tracey 459 Slade 337 Sladen, Mark 373 Slits, The 372, 378 Smash Hits 390, 404f., 407, 413, 439f. Smith, Jack 161, 276, 335 Smith, Patti 341, 387 Smiths, The 413 Smithson, Alison und Peter 63, 6568, 70f. Smokie 378 Smucker, Tom 384 Sniffin’ Glue 340f. Soft Cell 406 Soft Machine, The 201, 397 Solanas, Valerie 338, 345 Solomon, Alan R. 83, 86 Sombart, Werner 28, 44 Sonic Youth 451f. Sontag, Susan 100, 104-114, 161, 163, 197, 269, 302, 323f., 330f., 358, 381, 383, 471 Sounds (deutsch) 246, 256, 306, 373, 378, 397, 405f., 441 Sounds (englisch) 339, 372f., 389, 439, 448 Southern, Terry 252, 320 Spandau Ballet 388, 390, 399, 402f. Spex 405, 441, 471 Spiegel, Der 241f., 246, 253, 417f. Spillane, Mickey 166, 296 Springsteen, Bruce 216, 380

562 | Pop Spuk, Veranda 463 Stäheli, Urs 462 Staples Singers 197, 396-398 Stardust, Ziggy 334 Steinberg, Leo 89, 324, 347 Steinem, Gloria 102, 114, 116f., 137f., 144, 177f., 273, 303 Sterling, Bruce 456 Sterne, Jonathan 466 Steward, Sue 465 Stockhausen, Karlheinz 99, 168, 201, 216, 333, 399 Stoller, Debbie 461 Stooges, The 336, 433 Storey, John 260, 466 Strange, Steve 388 Strauß, Botho 325 Straw, Will 460 Stray Cats, The 393, 395 Street, John 461 Strinati, Dominic 460, 465 Stuckrad-Barre, Benjamin v. 464 Style Council, The 419, 448 Suck, Jane 373 Summer, Donna 432 Supremes, The 109, 137, 181, 199, 234f., 331-333, 378, 399, 433 Sweeney, Pat 417 SZ 142, 155, 240 Szepanski, Achim 466 T. Rex 394 Tartaglia, Jerry 161 Tasker, Yvonne 462 Tate, Greg 460 Taylor, Elizabeth 101, 181, 333, 346 Teenage Jesus & The Jerks 373 Television 338, 340 Tempo 418 Tenbruck, Friedrich 123 Tennant, Neil 407, 439 Terkessidis, Mark 466 Testcard 452 Tetzlaff, David 459 Théberge, Paul 459 This Heat 392 Thomas, David 378f., 387, 391 Thomas, Helen 466 Thompson, Denys 262-265 Thompson, Hunter S. 378

Thornton, Sarah 459, 462, 465 Thrasher, Frederic M. 191 Throbbing Gristle 372, 394, 398f., 433 Thun, Matteo 465 Tillim, Sidney 84f., 99f., 113 Time 93, 129, 141, 143, 146, 148, 177, 193f., 201, 281, 331, 467f. Tocqueville, Alexis de 12, 22 Toffler, Alvin 139, 282, 461, 465 Tomlinson, Alan 459 Toop, David 412, 452, 460 Torres, Sasha 114f., 441 Tosches, Nick 336 Townshend, Pet 137, 240, 299 Toynbee, Jason 466 Tracy, Dick 57, 471 Tretjakov, Sergej 42f. Troggs, The 336 TV On The Radio 471 Twen 241 Tyler, Parker 113, 287 Tzara, Tristan 37 U2 392f., 413 Uecker, Günther 256 Ullmaier, Johannes 465f. Undertones, The 387, 450 Ünlü, Deniz 466 Vallee, Rudy 112, 197, 199 Vaneigem, Raoul 172 Vanilla Fudge 222 Vardas, Agnès 161 Varèse, Edgar 235, 332, 432 Variety 185f. Varnedoe, Kirk 13, 102 Vartan, Sylvie 158 Vaughan, Roger 101, 180 Velvet Underground 205, 245f., 333f., 336, 345, 372, 374, 378f., 392, 398f., 410, 412, 433, 444, 452, 455 Venturi, Robert 309-315, 318f., 427, 455, 465 Venus Zine 470 Vermorel, Fred 339, 343, 465 Village People, The 382 Village Voice 183, 201, 203, 326f., 379, 383

Index | 563

Visage 390 Vogue 93, 101, 158f., 205, 256, 272, 390, 420 Vonnegut, Jr., Kurt 148 Vormweg, Heinrich 254 Vreeland, Diane 101 Waggoner, Catherine E. 462 Wagner, Richard 27-29, 34 Wald, Gayle 456 Waldrep, Shelton 345 Walker, John A. 465 Wallace, Michele 459 Walser, Martin 247, 256 Walsh, Raoul 108 Warhol, Andy 11, 63, 79f., 84-86, 88f., 98, 100f., 107, 113, 137, 144, 151, 176f., 179-184, 194, 205, 208, 230, 238, 241, 245, 247, 249, 260, 266, 269-271, 273, 288, 292, 294, 296, 301, 323, 330f., 333-336, 338, 344-348, 350f., 384, 399, 401, 407, 410, 440f., 443, 476 Warshow, Robert 60 Warwick, Dionne 136, 234, 465 Wedding Present, The 450 Weisbard, Eric 461 Weller, Paul 421, 450 Wellershoff, Dieter 258, 284, 291, 294, 358 Wenner, Jan 298 Wesselmann, Tom 79, 84, 87, 267, 297 West, Cornel 236 Westbam 453 Westwood, Vivienne 337, 351 Wham! 402, 404, 415f., 433, 440 Whannel, Paddy 131-134, 167f. Whiteley, Nigel 85, 164, 285, 318, 441-443, 445 Whiteley, Sheila 462, 466 Whiting, Cécile 13, 59, 88, 98, 115, 138, 310, 441

Who, The 133, 137, 173, 188, 216, 236, 285, 338-340, 410, 443 Whyte, William F. 191 Wicke, Peter 461f. Wiener 418 Wiener, Oswald 166 Wilde, Kim 406 Wilde, Oscar 23f., 76-78, 105, 107 Williams, Linda 459 Williams, Paul 214f., 218, 231f., 236 Williams, Raymond 17, 59 Williams, Robin M. 118 Williams, Tennessee 181f. Willis, Ellen 149, 218, 236-239, 348f., 356, 374f., 385, 459, 466 Willis, Paul 366, 457 Willis, Susan 465 Wilson, Elizabeth 25, 465 Wilson, Mari 399f., 413, 433 Winner, Langdon 276 Winter, Rainer 465f. Wire 373, 387 Wittenberg, Dierck 467 Wolfe, Tom 101, 134-136, 142, 144149, 165, 178, 202, 204f., 233, 252, 259, 272f., 282f., 306, 310, 318f., 344, 347-349, 363, 401, 443, 461 Wonder, Stevie 134 Wright, Frank L. 147 X-Ray Spex 387 XTC 373 Yardbirds, The 216 Yinger, Milton 192 Zappa, Frank 230, 235, 246, 326328, 332, 426, 432 Zdanevic, Ilja 42, 389 Zeit, Die 417 Zoonen, Liesbet van 467

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