Phänomenales Bewusstsein und Selbstbewusstsein: Idealistische und selbstrepräsentationalistische Interpretationen 9783787337286, 9783787337293, 3787337288

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Phänomenales Bewusstsein und Selbstbewusstsein: Idealistische und selbstrepräsentationalistische Interpretationen
 9783787337286, 9783787337293, 3787337288

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Stefan Lang

Phänomenales Bewusstsein und Selbstbewusstsein Idealistische und selbstrepräsentationalistische  Interpretationen

Paradeigmata · Band 39

Meiner

PARADEIGMATA Die Reihe Paradeigmata präsentiert historisch-systematisch fundierte Abhandlungen, Studien und Werke, die belegen, dass sich aus der strengen, geschichtsbewussten Anknüpfung an die philosophische Tradition innovative Modelle philosophischer Erkenntnis gewinnen lassen. Jede der in dieser Reihe veröffentlichten Arbeiten zeichnet sich dadurch aus, in inhaltlicher oder methodischer Hinsicht Modi philosophischen Denkens neu zu fassen, an neuen Thematiken zu erproben oder neu zu begründen.

STEFAN LANG

Phänomenales Bewusstsein und Selbstbewusstsein Idealistische und selbstrepräsentationalistische Interpretationen

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über 〈http://portal.dnb.de〉 abrufbar. ISBN 978-3-7873-3728-6 ISBN eBook 978-3-7873-3729-3

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung.

© Felix Meiner Verlag, Hamburg 2020. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Satz: satz&sonders GmbH, Dülmen. Druck und Bindung: Strauss, Mörlenbach Werkdruckpapier: alterungsbeständig nach ANSI-Norm resp. DIN-ISO 9706, hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de

Inhalt

Vorwort

............................................. ........................................

7

1

Einleitung

2

Analytischer Selbstrepräsentationalismus

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6

Kriegel und Williford . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriegels komplexe Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . Willifords zirkuläre Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . Lurz Same-order-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Van Gulicks HOGS-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstrepräsentationalistische Theorien im Vergleich

3

Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7

Schellings Interpretation phänomenalen Bewusstseins Schelling und selbstrepräsentationalistische Theorien Fichtes Interpretation phänomenalen Bewusstseins . Fichte und selbstrepräsentationalistische Theorien . Hegels Interpretation phänomenalen Bewusstseins . Hegel und selbstrepräsentationalistische Theorien . . Idealistische Theorien im Vergleich . . . . . . . . . . . .

4

Einwände gegen die Verbindung beider Traditionen

5

Idealistische Einwände gegen selbstrepräsentationalistische Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

6

Selbstrepräsentationalistische Einwände gegen idealistische Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

7

Eine Debatte in der Sackgasse?

Literaturverzeichnis

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22

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31 42 47 51 59

82 89 94 109 111 123 125

. . . . . . . . . 129

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Vorwort

Dieses Buch wäre ohne die großzügige Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung, die es mir ermöglicht hat, ein Projekt zum Thema vorliegender Monographie durchzuführen, nicht entstanden. Der Titel des Projekts lautet: »Der Selbstrepräsentationalismus und die Klassische Deutsche Philosophie nach I. Kant«. Zudem danke ich der Fritz Thyssen Stiftung sehr herzlich für die gewährte Druckbeihilfe. Frau Hendrikje Gröpler danke ich für die sehr hilfreiche, freundliche und unkomplizierte Zusammenarbeit. Außerdem danke ich in alphabetischer Reihung folgenden Personen: Dr.in Brigitte Bargetz, Prof. Dr. Dres. h. c. Manfred Frank, Prof. Dr. Tomis Kapitan, Maik Niemeck, Prof. Dr. Gerhard Preyer, Prof. Dr. Ulrich Schlösser und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern seines Oberseminars in Tübingen, Prof. Dr. Charles Siewert, Prof. Dr. Jürgen Stolzenberg und Prof. Dr. Kenneth Williford. Schließlich gilt mein besonderer Dank dem Felix Meiner Verlag. Auszüge dieser Untersuchung wurden auf Kongressen, Tagungen und Workshops in Berlin, Bochum, Freiburg, Liège / Lüttich und Tübingen präsentiert. Ich danke den Veranstalterinnen und Veranstaltern sowie den Diskutantinnen und Diskutanten. Die Ausführungen in den Kapiteln 3, 3.1, 3.2, 3.5 und 3.6 enthalten Auszüge und Überarbeitungen von Überlegungen, die in folgenden Aufsätzen erschienen sind: – Fichtes Deduktion praktischer Spontaneität, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 95/1, 2013, 65–86. – Schelling und der Selbstrepräsentationalismus über phänomenales Bewusstsein, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 63/6, 2015, 1022–1047. – Hegel über präreflexives Selbstbewusstsein, in: Präreflexives Selbstbewusstsein im Diskurs. Klaus Viertbauer (Hg.). Felix Meiner Verlag. Hamburg 2018, 73–94. Wien, im August 2019

S. Lang

1 Einleitung

Dieses Buch enthält eine Untersuchung über phänomenales Bewusstsein und phänomenales Selbstbewusstsein. Der Ausdruck ›phänomenales Bewusstsein‹ bezeichnet bewusste mentale Zustände, die einen bewussten qualitativen Charakter aufweisen, wie bspw. eine bewusste visuelle Wahrnehmung einer roten Blume. 1 Der bewusste qualitative Charakter zeichnet sich dadurch aus, dass es – mit den berühmten Worten Thomas Nagels gesprochen –, 2 irgendwie für eine Person ist, Bewusstsein von einem Gegenstand und seinen Eigenschaften zu haben. Im Fall der bewussten visuellen Wahrnehmung einer roten Rose entspricht dem qualitativen Charakter die »rötliche Weise«, wie die Blume von einer Person erfahren wird. Mit Blick auf die olfaktorische Wahrnehmung einer roten Rose entspricht dem bewussten qualitativen Charakter die süßliche Weise, wie der Duft der Rose erlebt wird. Ein bewusster qualitativer Charakter zeichnet sich dadurch aus, dass er ein subjektives Erleben bzw. eine Erlebnisdimension miteinschließt. Es ist umstritten, welche bewussten mentalen Zustände zu phänomenalem Bewusstsein zählen. Einige Philosophinnen und Philosophen behaupten bspw., dass auch das bewusste Verstehen der Bedeutung eines Satzes einen subjektiven Erlebnischarakter miteinschließt, 3 während andere dies bestreiten. Viele Philosophinnen und Philosophen teilen jedoch den Standpunkt, dass bewusste Wahrnehmungen wie bewusste visuelle Wahrnehmungszustände, Körperempfindungen wie heiß oder kalt, Gefühle wie Freude oder Hass sowie Gemütszustände wie etwa Langeweile zu Varietäten von phänomenalem Bewusstsein zählen. 4 Diese Varietäten von phänomenalem Bewusstsein stehen daher auch im Zentrum dieser Untersuchung. Demgegenüber wird die Frage, ob und gegebenenfalls welche weiteren Arten von bewussten mentalen Zuständen zu phänomenalem Bewusstsein zählen, nicht behandelt. Die folgenden terminologischen Erläuterungen werden im zweiten Kapitel (2.1) teilweise modifiziert. 2 Vgl. Thomas Nagel: Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?, in: Peter Bieri (Hg.): Analytische Philosophie des Geistes. Athenäum Hain Hanstein 1993, 261–262. 3 Vgl. Galen Strawson: Mental Reality. Cambridge 1994, 194–196, Terry Horgan / John Tienson: »The Intentionality of Phenomenology and the Phenomenology of Intentionality«, in: David Chalmers (Hg.): Philosophy of Mind: Classical and Contemporary Readings. Oxford 2002, 520–33. 4 Vgl. Michael Tye: Ten problems of consciousness: a representational theory of the phenomenal mind. Massachusetts Institute of Technology 1995, 4. 1

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Einleitung

Innerhalb der Philosophie des Geistes wurde phänomenalem Bewusstsein in den letzten Jahrzehnten besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Grund dafür besteht darin, dass nach Ansicht einiger Philosophinnen und Philosophen eine vollständige naturwissenschaftliche Erklärung dieses Phänomens, etwa im Zusammenhang mit neurobiologischen Untersuchungen des menschlichen Zentralnervensystems, nicht möglich zu sein scheint. 5 Die Fragen, ob eine naturwissenschaftliche Erklärung phänomenalen Bewusstseins möglich ist und ob es der Philosophie gelingt zu zeigen, dass es nicht möglich ist, dieses Phänomen anhand naturwissenschaftlicher Methoden und Erkenntnisse zu erklären, sind umstritten. Für Philosophinnen und Philosophen ist die Beschäftigung mit phänomenalem Bewusstsein also u. a. deswegen interessant, da bei einer Untersuchung dieses Phänomens vielleicht prinzipielle Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und Erklärungen aufgezeigt werden können. Der Ausdruck ›phänomenales Selbstbewusstsein‹ bezeichnet eine Varietät von Selbstbewusstsein, die in einer ausgezeichneten Beziehung zu phänomenalem Bewusstsein steht. 6 Es handelt sich um Selbstbewusstsein, das die bewusste Information enthält, dass man selbst Bewusstsein von einem qualitativen Charakter besitzt. Nach Ansicht vieler Philosophinnen und Philosophen ist ein bewusster qualitativer Charakter stets ein bewusster qualitativer Charakter für ein Subjekt. Das bedeutet nicht nur, dass ein Subjekt Bewusstsein von einem qualitativen Charakter hat. Es besitzt zudem Bewusstsein von seinem Bewusstsein vom qualitativen Charakter. 7 Auch die Beschäftigung mit phänomenalem Selbstbewusstsein ist bedeutend. Nach Ansicht einiger Philosophinnen und Philosophen ist phänomenales Selbstbewusstsein eine notwendige Bedingung der Möglichkeit phänomenalen Bewusstseins. Dem entspricht, dass nach ihrer Meinung die Schlüsselfrage für den Versuch einer naturwissenschaftlichen Erklärung von phänomenalem Bewusstsein lautet, ob und wie phänomenales Vgl. bspw. Thomas Nagel: Geist und Kosmos. Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist. Berlin 2014, 55–104. 6 Anstelle des Ausdrucks ›phänomenales Selbstbewusstsein‹ werden in der Literatur auch die Ausdrücke ›subjektiver Charakter‹ und ›Für-mich-sein‹ verwendet. 7 Es ist umstritten, ob phänomenales Selbstbewusstsein egologisch verfasst ist oder anonym. Vgl. bspw. Manfred Frank: Ansichten der Subjektivität. Berlin 2012, 7–9, 17. Manfred Frank: Präreflexives Selbstbewusstsein. Vier Vorlesungen. Stuttgart 2015, 6–8. Egologisches phänomenales Selbstbewusstsein schließt die Information mit ein, dass das Subjekt des Bewusstseins (»me-ness«) oder auch das eigene Bewusstsein (»mine-ness«) bewusst ist. Vgl. Marie Guillot: »I Me Mine: on a Confusion Concerning the Subjective Character of Experience«, in: Review of Philosophy and Psychology, 2017/8/1, 23–53. Anonymes phänomenales Selbstbewusstsein enthält demgegenüber nur Bewusstsein vom Bewusstsein. Das Bewusstsein, von dem Bewusstsein besteht, ist zwar de facto das eigene Bewusstsein eines Subjekts. Jedoch ist dies – dass es das eigene Bewusstsein ist oder auch, dass man selbst Bewusstsein besitzt – keine Information, die bewusst wäre. Im Rahmen dieser Einleitung ist sowohl die egologische als auch die anonyme Interpretation zu berücksichtigen. 5

Einleitung

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Selbstbewusstsein im Rahmen naturwissenschaftlicher Theorien erklärt werden kann. 8 Es gibt eine nahezu unüberschaubare Anzahl an Untersuchungen zum Thema phänomenales Bewusstsein und, wenngleich überschaubarer, auch eine beachtliche Anzahl an Arbeiten über phänomenales Selbstbewusstsein. Vorliegende Untersuchung zeichnet sich gegenüber anderen Studien dadurch aus, dass zwei philosophische Traditionen berücksichtigt und miteinander in Beziehung gesetzt werden, die sich mit phänomenalem Bewusstsein beschäftigten bzw. beschäftigen. Es handelt sich zum einen um eine neue Strömung innerhalb der analytischen Philosophie des Geistes, und zwar um den sogenannten Selbstrepräsentationalismus bzw. die Same-order-Theorie phänomenalen Bewusstseins. Zu Vertretern dieses Erklärungsansatzes zählen u. a. Peter Carruthers, Terry Horgan, Uriah Kriegel, Gregory Landini, Robert W. Lurz, Vincent Picciuto, Robert Van Gulick und Kenneth Williford. 9 Es handelt sich zum anderen um Theorien phänomenalen Bewusstseins, die innerhalb des Deutschen Idealismus entwickelt werden, also um Theorien von Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling und Georg Wilhelm Friedrich Hegel. 10 Die Untersuchung phänomenalen Selbstbewusstseins anhand einer Berücksichtigung dieser beiden Traditionen ist bislang, abgesehen von den bahnbrechenden Arbeiten Manfred Franks, nicht durchgeführt worden. 11 Während bspw. Dan Zahavi in viel beachteten Untersuchungen analytische Theorien menschlichen Bewusstseins mit Theorien innerhalb der Phänomenologischen Tradition, insbesondere mit Heidegger, Husserl und Sartre, in ein produktives Verhältnis gesetzt hat, 12 wurde bislang in der analytischen Philosophie den idealistischen Theorien im Zusammenhang mit Untersuchungen phänomenalen Bewusstseins so gut wie keine Beachtung geschenkt. Auch in der IdeaUriah Kriegel: Subjective Consciousness. A Self-Representational Theory. Oxford 2009, 1–2, 205. Uriah Kriegel / Dan Zahavi: For-me-ness: What it is and what it is not, in: D.O. Dahlstrom / A. Elipodorou / W. Hopp (Hg.): Philosophy of Mind and Phenomenology: Conceptual and Empirical Approaches. London, 50. 9 Eine Übersicht der Philosophen, die selbstrepräsentationalistische Theorien entwickelt haben, ist in: Uriah Kriegel / Kenneth Williford (Hg.): Self-representational approaches to consciousness. Cambridge, MA: MIT Press 2006, 3–4, zu finden. Es gibt freilich einen Interpretationsspielraum bei der Beantwortung der Frage, wer zu den Selbstrepräsentationalisten zählt. 10 In dieser Untersuchung werden im Bereich der klassischen deutschen Philosophie ausschließlich die Theorien von Fichte, Hegel und Schelling behandelt. Aus diesem Grund wird der Ausdruck ›Deutscher Idealismus‹ verwendet. Innerhalb der klassischen deutschen Philosophie wird phänomenales Bewusstsein auch von anderen Philosophen untersucht wie bspw. von Ernst Platner. 11 Vgl. Frank 2012, 2015. 12 Dan Zahavi: Subjectivity and Selfhood: Investigating the First-Person Perspective. 2005 MIT. Dan Zahavi: Thinking about (Self-)Consciousness: Phenomenological Perspectives, in: Kriegel / Williford 2006, 273–295. 8

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Einleitung

lismus-Forschung wird dem Themenbereich phänomenales Bewusstsein und phänomenales Selbstbewusstsein nach wie vor kaum Aufmerksamkeit zuteil. Es versteht sich nicht von selbst, dass eine Berücksichtigung zweier Traditionen sinnvoll oder gar von Vorteil ist gegenüber der Behandlung ausschließlich einer Tradition innerhalb der Philosophie. Worin besteht der Nutzen oder der Vorteil dieser Untersuchung? Warum soll es sinnvoll und wichtig sein, gerade die Überlegungen der Deutschen Idealisten zu beachten und mit dem Selbstrepräsentationalismus in Beziehung zu setzen? Ein Ziel dieses Buches besteht darin, Antworten auf diese Fragen zu geben und die mit diesen Fragen artikulierten Zweifel und Bedenken als ungerechtfertigt zu zerstreuen. Dieses Buch ist im Geist der Überzeugung geschrieben worden, dass die Kenntnis ausschließlich einer Tradition der Philosophie bei echten philosophischen Problemstellungen, wie das phänomenale Bewusstsein eines ist, von Nachteil ist. Philosophinnen und Philosophen, die sich ausschließlich mit einer Tradition beschäftigen – und sei dies die Phänomenologie, die Transzendentalphilosophie, die Post-Moderne oder die analytische Philosophie –, sind allzu oft »betriebsblind«. Sie kennen weder die Grenzen der Tradition, in der sie sich bewegen, noch alternative Ansätze oder Paradigmen, die die Grenzen ihrer Tradition überschreiten. Dies führt zu einseitigen und vergleichsweise beschränkten Betrachtungsweisen und Forschungsfragestellungen, die anhand der Kenntnis zweier oder mehrerer Traditionen vermieden oder korrigiert werden können. Auch wenn dies zugestanden wird, mag es naheliegend sein, zu bezweifeln, dass es sinnvoll und gewinnbringend ist, die analytische Philosophie mit dem Deutschen Idealismus in Beziehung zu setzen. Schließlich ist in weiten Teilen der gegenwärtigen, nicht nur der analytischen Philosophie nach wie vor eine breite Ablehnung gegenüber dem Deutschen Idealismus zu bemerken. Dementgegen zielt diese Untersuchung darauf ab, den Nachweis zu erbringen, dass 1. auch innerhalb des Deutschen Idealismus Theorien phänomenalen Bewusstseins entwickelt werden, die 2. signifikante Übereinstimmungen mit analytischen Theorien, und zwar insbesondere mit selbstrepräsentationalistischen Theorien aufweisen, sodass 3. eine traditionsübergreifende Sachdebatte zu einem Phänomenbereich – phänomenales Bewusstsein und phänomenales Selbstbewusstsein – besteht. Anhand der Realisierung dieser Zielsetzungen sollen 4. nach wie vor bestehende Vorurteile gegenüber der systematischen Bedeutung der idealistischen Theorien abgebaut werden und es soll 5. durch die In-Beziehung-Setzung mit dem Selbstrepräsentationalismus die oftmals als hermetisch und esoterisch befundene Terminologie der Deutschen Idealisten in aktuelle Begriff lichkeiten übersetzt werden, sodass die folgenden Ausführungen 6. mit Blick auf einen Phänomenbestand – phänomenales Bewusstsein und phänomenales Selbstbewusstsein – eine Einführung in aktuelle analytische,

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aber vor allem auch idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins und phänomenalen Selbstbewusstseins geben. Ein zentrales Anliegen dieser Arbeit besteht darin, den Nachweis einer traditionsübergreifenden Sachdebatte nicht auf Kosten einer sachlich nicht gerechtfertigten Reduktion des Gehalts der idealistischen Theorien und ihrer spekulativen Höhen bzw. Abgründe teuer zu erkaufen. In den letzten Jahren ist unerfreulicherweise die Tendenz zur Entwicklung von reduktiven Interpretationen der idealistischen Theorien erkennbar, um sie auf diese Weise anschlussfähig an aktuelle Debatten zu machen. Diese Interpretationen sind reduktiv, da bedeutende Thesen, Themen und Überzeugungen der Idealisten nicht behandelt werden oder als für die gegenwärtige Philosophie irrelevant und als überholt diskreditiert werden. Sie haben entscheidende Nachteile, und zwar zum einen, dass sie die idealistischen Theorien verkürzt darstellen. Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass zukünftig gerade die gegenwärtig unattraktiv zu sein scheinenden Facetten einer Theorie von Bedeutung sein werden, sodass durch reduktive Interpretationen das Erklärungspotential idealistischer Theorien für zukünftige Aufgabenstellungen leichtfertig eingeschränkt wird. In systematischer Hinsicht setzt sich diese Untersuchung darüber hinaus zwei Ziele. Das erste Ziel besteht darin, den Nachweis zu erbringen, dass anhand einer Diskussion dieser beiden Traditionen 7. der aktuellen Debatte über phänomenales Bewusstsein und phänomenales Selbstbewusstsein neue Impulse gegeben werden können. Es wird gezeigt, dass von den Deutschen Idealisten a. Thesen und Argumente entwickelt werden sowie Fragestellungen und Problemstellungen diskutiert werden, die innerhalb des Selbstrepräsentationalismus nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet werden, und dass es b. mithilfe von Überlegungen der Idealisten möglich ist, in inhaltlicher und methodischer Hinsicht eine substantielle Kritik am Selbstrepräsentationalismus zu entwickeln. Es soll jedoch nicht der falsche Eindruck erweckt werden, dass das Ziel dieser Untersuchung in dem Nachweis bestünde, dass idealistische Theorien den analytischen Theorien überlegen wären oder dass eine bestimmte idealistische Theorie, etwa die Hegels, eine überzeugende Erklärung phänomenalen Bewusstseins enthielte. Im Gegenteil. Anhand der In-Beziehung-Setzung von Selbstrepräsentationalismus und Deutschem Idealismus ist es ebenfalls möglich, c. substantielle Kritik an den idealistischen Theorien zu üben. Es ist möglich, mithilfe analytischer Argumente, Thesen und Fragestellungen Einwände gegen die Theorien Fichtes, Schellings und Hegels zu formulieren und Leerstellen dieser Theorien zu identifizieren. Die erste systematische Kernaussage dieser Untersuchung lautet daher, dass durch die Berücksichtigung dieser beiden Traditionen die Debatte zu phänomenalem Bewusstsein und phänomenalem Selbstbewusstsein vorangebracht wird. Die

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zweite systematische Zielsetzung besteht in dem Nachweis, dass es 8. auf keiner Seite einen »Gewinner« in dieser Debatte gibt. Keine der behandelten Theorien kann für sich beanspruchen, phänomenales Bewusstsein und phänomenales Selbstbewusstsein überzeugend erklären zu können. Mehr noch. Die zweite systematische Kernaussage besagt auch 9., dass gegenwärtig nicht abzusehen ist, wie eine überzeugende Theorie phänomenalen Bewusstseins und phänomenalen Selbstbewusstseins aussehen könnte. Es gilt ernsthaft zu erwägen und zu prüfen, ob die gegenwärtige Debatte in einer Sackgasse angekommen ist. Anschließend an die Darstellung zentraler Thesen dieser Untersuchung ist es instruktiv zu erwähnen, welche Zielsetzungen nicht verfolgt werden, und die inhaltlichen Grenzen dieser Untersuchung zu skizzieren. Es ist nicht das Ziel dieser Untersuchung, eine neue Theorie phänomenalen Bewusstseins oder phänomenalen Selbstbewusstseins zu entwickeln. Im Verlauf dieser Untersuchung werden Problemstellungen identifiziert, von denen nicht abzusehen ist, wie sie gelöst werden können. Zudem werden drei in der Gegenwart intensiv diskutierte Fragen nicht näher behandelt. Dazu zählt die Frage, wie weitreichend phänomenales Bewusstsein ist. Ist ein jeder Fall von Bewusstsein ein Fall von phänomenalem Bewusstsein? 13 Schließt bspw. auch ein bewusstes Urteil einen bewussten qualitativen Charakter mit ein? Philosophen wie Terry Horgan und Shaun Nichols vertreten den Standpunkt, dass (so gut wie) jeder bewusste mentale Zustand einen bewussten qualitativen Charakter miteinschließt. 14 Hegel teilt diese Meinung in bestimmter Hinsicht. Nach Hegel wird jeder bewusste mentale Zustand von einem bewussten qualitativen Charakter begleitet. Dies gilt auch für bewusste mentale Aktivitäten wie Urteilshandlungen. Es ist jedoch nicht eindeutig festzustellen, ob nach Hegel Bewusstsein von einem qualitativen Charakter das Denken und Urteilen lediglich begleitet oder ob Denken und Urteilen selbst einen qualitativen Charakter miteinschließen. 15 Letzteres ist der entscheidende Punkt. Fichte und Schelling behandeln diese Fragestellung, soweit ich es überblicke, nicht. Sie wird daher im Rahmen dieser Untersuchung nicht berücksichtigt. 16 Die zweite Frage, die nicht thematisiert wird, lautet, wie 13 Vgl. bspw. Robert Lurz: »Either FOR or HOR: A False Dichotomy«, in: Rocco Gennaro (Hg.): Higher-Order Theories of Consciousness: An Anthology. Amsterdam / Philadelphia 2004, 229. 14 Terry Horgan / Shaun Nichols: The Zero Point and I, in: Sofia Miguens / Gerhard Preyer / Clara Bravo Morando (Hg.): Pre-reflective Consciousness. Sartre and Contemporary Philosophy of Mind. London / New York 2016, 145–146. 15 Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse 1830. Dritter Teil. Die Philosophie des Geistes. Mit den mündlichen Zusätzen, in: Eva Moldenhauer / Karl Markus Michel (Hg.): Werke in 20 Bänden. Band 10. Frankfurt am Main 1992, 113, 186. 16 Fichte und Schelling erklären zwar, dass Bewusstsein stets einen bewussten qualitativen Charakter miteinschließt. Dies bedeutet aber nicht, dass deswegen ihrer Meinung nach auch bewusste mentale Tätigkeiten wie das Denken als solche eine subjektive Erlebnisdimension miteinschließen.

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das Verhältnis zwischen phänomenalem Bewusstsein und Zugangsbewusstsein (access-consciousness) zu beurteilen ist. Unter Zugangsbewusstsein ist nach Ned Block ein mentaler Zustand zu verstehen, der – als solcher – keinen bewussten qualitativen Charakter aufweist, sondern eine zugangsbewusste Repräsentation. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie bei rationalen Überlegungen und zur direkten (rationalen) Kontrolle von Handlungen, Gedanken und der eigenen Rede zur Verfügung steht. 17 Oftmals angeführte Beispiele für Fälle von Zugangsbewusstsein sind bewusste geometrische Überzeugungen, wie dass die Winkelsumme eines Dreiecks 180 Grad beträgt, oder bewusste Gedanken. 18 Bewusstsein von mathematischen Überzeugungen zu haben, schließt nach Ansicht vieler, wenngleich nicht aller, Philosophen keinen bewussten qualitativen Charakter mit ein. Einige Philosophinnen und Philosophen wie Horgan, Kriegel oder Nichols vertreten jedoch den Standpunkt, dass phänomenales Bewusstsein das Kernphänomen menschlichen Bewusstseins ist, da ein mentaler Zustand kraft phänomenalen Bewusstseins bzw. phänomenalen Selbstbewusstseins Eigenschaften besitzt, die zugangsbewusste mentale Zustände auszeichnen, bspw. dass adäquate Äußerungen über aktuell zugangsbewusste Inhalte getroffen werden können. 19 Die Frage, wie die Beziehung zwischen Zugangsbewusstsein und phänomenalem Bewusstsein zu verstehen ist, ist nicht Thema dieser Untersuchung. Sie beschäftigt sich ausschließlich mit bewussten mentalen Zuständen, insofern sie einen bewussten qualitativen Charakter aufweisen. Schließlich besteht eine weitere inhaltliche Grenze dieser Untersuchung darin, dass die für Selbstrepräsentationalisten wichtige Fragestellung nicht behandelt wird, ob und wie eine philosophische Theorie phänomenalen Bewusstseins und phänomenalen Selbstbewusstseins mit dem Projekt einer naturwisEin aktueller Fall menschlichen Bewusstseins enthält für Fichte und Schelling unterschiedliche Varietäten von Bewusstsein wie bspw. begriffliches Bewusstsein (im Zusammenhang mit Urteilen) und nicht-begriff liches Bewusstsein (bei Empfindungen). Wenngleich bewusste Empfindungen einen qualitativen Charakter aufweisen, ist unklar, ob dies auch für begriffliches Bewusstsein als solches gilt. Der Hinweis, dass menschliches Bewusstsein einen bewussten qualitativen Charakter miteinschließt, zeigt daher nicht, dass für Fichte und Schelling eine jede bewusste mentale Tätigkeit als solche eine qualitative Erlebnisdimension enthält. 17 Ned Block: On a Confusion about a Function of Consciousness, in: Ned Block / Owen Flanagan / Güven Güzeldere (Hg.): The Nature of Consciousness: Philosophical Debates. Massachusetts Institute Press 1997, 382: »A state is A-conscious [d. h. access-conscious bzw. zugangsbewusst] if it is poised for direct control of thought and action. [. . . ] a representation is A-conscious if it is poised for free use in reasoning and for direct ›rational‹ control of action and speech. (The ›rational‹ is meant to rule out the kind of control that obtains in blindsight.) An A-state is one that consists in having an A-representation«. 18 Tyler Burge: »Two Kinds of Consciousness«, in: Ned Block / Owen Flanagan / Güven Güzeldere (Hg.): The Nature of Consciousness: Philosophical Debates. Massachusetts Institute Press 1997, 428. 19 Horgan / Nichols 2016, 146; Kriegel 2009, 37–38, 214.

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senschaftlichen Erklärung dieser Phänomene zu vereinbaren ist. Selbstrepräsentationalisten versuchen oftmals philosophische Theorien zu entwickeln, die mit reduktiven physikalistischen oder neurobiologischen Theorien zu vereinbaren sind. 20 Reduktive Theorien zeichnen sich u. a. dadurch aus, dass phänomenales Bewusstsein in physikalische oder neurobiologische Begriffe übersetzt und sodann mithilfe naturwissenschaftlicher Theorien erklärt wird. 21 Fichte hält eine materialistische Erklärung von Selbstbewusstsein für unmöglich. Schelling und Hegel lehnen materialistische Theorien menschlichen Bewusstseins und Selbstbewusstseins ab, insofern sie die Behauptung miteinschließen, dass sie phänomenales Bewusstsein vollständig zu erklären vermögen oder dass es nichts anderes bzw. nicht mehr als ein physikalischer oder biologischer Prozess ist. 22 Jedoch entwickelt vor allem Hegel neben seinen Interpretationen phänomenalen Bewusstseins im Bereich seiner Philosophie des Geistes auch naturphilosophische Interpretationen dieses Phänomens. 23 Er gibt im zweiten Teil der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830) bspw. eine naturphilosophische Erklärung für Empfindungen. Die Untersuchung der naturphilosophischen Theorien der Deutschen Idealisten oder auch die Untersuchung des Verhältnisses der geistphilosophischen Interpretationen phänomenalen Bewusstseins und der naturphilosophischen Interpretationen sowohl der Selbstrepräsentationalisten als auch der Deutschen Idealisten sind riesige Aufgabenstellungen, die eigener Abhandlungen bedürfen. Die begrenzte Aufgabenstellung dieser Arbeit spiegelt sich auch in der Textauswahl wider. Sowohl innerhalb des Selbstrepräsentationalismus als auch innerhalb der nachkantischen Philosophie gibt es eine Fülle von unterschiedlichen und mitunter rivalisierenden Theorien. Des Weiteren vertreten Auto-

Vg. Kriegel 2009, 12. Kenneth Williford / David Rudrauf / Gregory Landini: »The Paradoxes of Subjectivity and the Projective Structure of Consciousness«, in: Sofia Miguens / Gerhard Preyer (Hg.): Consciousness and Subjectivity, Heusenstamm 2012, 321. 21 Vgl. Kriegel 2009, 12. 22 Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Ideen zu einer Philosophie der Natur (1797), in: Schelling: Historisch-kritische Ausgabe. Reihe I: Werke: Band I,5. Herausgegeben von Manfred Durner. Unter Mitwirkung von Walter Schieche. 1994 Stuttgart (Bad Cannstatt), 81–82, 240. 23 Auch Fichte stellt naturphilosophische Überlegungen an. Soweit ich es überblicke, entwickelt Fichte jedoch keine ausführliche naturphilosophische Interpretation phänomenalen Bewusstseins. Johann Gottlieb Fichte: Vorlesungen über Platners Aphorismen Teil I, in: Reinhard Lauth / Hans Jacob / Hans Gliwitzky (Hg.): Johann Gottlieb Fichte-Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. II.4. Stuttgart-Bad Cannstatt 1976, 82. Johann Gottlieb Fichte: Logik und Metaphysik: Nach Platners Philosophischen Aphorismen (1796/97). Nachschrift Essen, in: Johann Gottlieb Fichte-Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. IV.3. Hg. R. Lauth unter Mitwirkung von Heinrich Fauteck und Hans Georg von Manz. Stuttgart / Bad Cannstatt 2000b, 128. 20

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ren in unterschiedlichen Phasen ihres Schaffens unterschiedliche Positionen. 24 Vorliegende Studie beschränkt sich auf die Untersuchung von Ansätzen, die sich für eine vergleichende Diskussion besonders gut eignen und zugleich Schlüsseltexte beider Traditionen darstellen. Im Bereich selbstrepräsentationalistischer Theorien stehen die Untersuchungen von Kriegel, Lurz, Van Gulick und Williford im Fokus dieser Arbeit. Im Hinblick auf die nachkantische Philosophie werden Texte behandelt, die vergleichsweise ausführliche Interpretationen phänomenalen Bewusstseins enthalten und die zu Hauptwerken des Deutschen Idealismus zählen. Es sind dies v. a. Fichtes Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre (1794/95), Schellings System des transzendentalen Idealismus (1800) und Hegels Philosophie des Geistes im 3. Teil seiner Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830). 25 Die Darstellung der inhaltlichen Grenzen der Arbeit sowie der primären Textgrundlage verdeutlichen die begrenzte Zielsetzung dieser Untersuchung. Sie möchte Interesse für einen Themenbereich wecken und eine Sachdebatte initiieren, und zwar über das Verhältnis zwischen idealistischen und analytischen Theorien phänomenalen Bewusstseins und Selbstbewusstseins. Es wird aber nicht beansprucht, das Thema auch nur annähernd erschöpfend zu behandeln. In den Kapiteln 2 bis 3.7 werden zunächst analytische und danach idealistische Theorien dargestellt und signifikante Übereinstimmungen, aber auch Unterschiede zwischen beiden Traditionen aufgezeigt. Auf diese Weise wird dargelegt, dass eine traditionsübergreifende Sachdebatte besteht und es sinnvoll und sachangemessen ist, beide Traditionen miteinander in Beziehung zu setzen. In den Kapiteln 2 bis 2.6 werden die analytischen Theorien von Kriegel, Lurz, Van Gulick und Williford präsentiert. In den Kapiteln 3 bis 3.7 werden im Anschluss an eine skizzenhafte Einführung in den Deutschen Idealismus Fichtes, Schellings und Hegels Interpretationen phänomenalen Bewusstseins erläutert. Die Darstellung der einzelnen Theorien ist mitunter langwierig. Das hat seinen Grund darin, dass sowohl die selbstrepräsentationalistischen Theorien als auch die idealistischen Theorien heterogen sind. Jede Theorie muss daher für sich betrachtet werden und dementsprechend die Übereinstimmung mit den Theorien der jeweils anderen Tradition auch je für sich geprüft werden. Nach der Diskussion von Einwänden gegen die Verbindung von analytischen und idealistischen Theorien in Kapitel 4 werden in den Kapiteln 5 und 6 zunächst idealistische Einwände gegen selbstrepräsentationalistische Theorien Vgl. bspw. Kriegel 2009, 223; Lurz 2004, 248. Johann Gottlieb Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre: als Handschrift für seine Zuhörer (1794/95). Hamburg 1997. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: System des transzendentalen Idealismus (1800). Mit einer Einleitung von Walter Schulz. Horst D. Brandt / Peter Müller (Hg.). Hamburg 1992. 24 25

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Einleitung

und anschließend analytische Einwände gegen die idealistischen Theorien formuliert. Dabei werden einige Gründe angeführt, warum keine der behandelten Theorien phänomenalen Bewusstseins zu überzeugen vermag. Zum Abschluss der Untersuchung werden in Kapitel 7 Einwände formuliert, die diese These bestätigen und außerdem begründen, warum gegenwärtig unklar ist, wie eine überzeugende Theorie phänomenalen Bewusstseins aussehen könnte. In dem Fall, dass ausschließlich Interesse an den in systematischer Hinsicht entscheidenden Überlegungen dieser Untersuchung besteht, empfiehlt es sich, v. a. die Kapitel 5–7 zu beachten.

2 Analytischer Selbstrepräsentationalismus

Die Ausgangsfrage dieser Untersuchung lautet: Wodurch ist ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand? Beispiele für phänomenal bewusste mentale Zustände sind die bewusste visuelle Wahrnehmung einer roten Blume oder die bewusste akustische Wahrnehmung eines Akkords. Phänomenal bewusste mentale Zustände enthalten einen bewussten qualitativen Charakter. Der bewusste qualitative Charakter zeichnet sich dadurch aus, dass es für eine Person irgendwie ist, diesen Charakter zu erfahren. Es ist ihr auf eine je spezifische Weise zumute. 1 Zu den bewussten Eigenschaften, die einen qualitativen Charakter aufweisen, zählen u. a. Farben, Töne, Gerüche und die Gestalt eines Gegenstandes, wie etwa rechteckig sein. Ebenso weisen bewusste Empfindungen, wie zornig sein und neidisch sein, oder Gemütszustände, wie Langeweile und Melancholie, einen qualitativen Charakter auf. Nach Ansicht einiger Philosophinnen und Philosophen gibt es neben phänomenal bewussten mentalen Zuständen jedoch auch bewusste mentale Zustände, die keinen bewussten qualitativen Charakter aufweisen. Dazu gehören etwa bewusste Gedanken und Überzeugungen wie dass Paris die Hauptstadt von Frankreich ist oder dass Bruckner die bedeutendsten Symphonien des 19. Jahrhunderts komponiert hat. Die Ausgangsfrage dieser Untersuchung, wodurch ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist, ist daher von der Frage, wodurch ein mentaler Zustand ein bewusster mentaler Zustand ist, zu unterscheiden. 2 Dies gilt auch für die Frage, wodurch sich kreatürliches Bewusstsein (creature consciousness) auszeichnet. Im Zentrum der Beschäftigung mit kreatürlichem Bewusstsein steht die Frage, unter welchen Voraussetzungen Personen im Alltag einem menschlichen Lebewesen zuschreiben, bei Bewusstsein zu sein. Die Antwort auf diese Frage lautet nach David Rosenthal – der nicht zu den Vertretern des Selbstrepräsentationalismus zählt –, dass ein menschliches Lebewesen wach sein und empfindungsfähig (sentient) In dieser Untersuchung vertraue ich so wie viele Philosophen darauf, dass die Redeweise von »zumute sein«, »subjektivem Erleben« usw. verständlich ist, sodass es der Leserin / dem Leser gelingt, das Phänomen zu identifizieren, das mit phänomenalem Bewusstsein bzw. dem qualitativen Charakter gemeint ist. Vgl. zur Sache die ausführliche Untersuchung von Charles Siewert: Charles Siewert: »Phenomenal Thought«, in: Tim Bayne / Michelle Montague (Hg.): Cognitive Phenomenology. Oxford 2011, 236–267. 2 Dies gilt dann nicht, wenn man annimmt, dass jeder Fall von Bewusstsein Bewusstsein vom qualitativen Charakter miteinschließt. Diese Problemstellung wird nicht behandelt. 1

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bzw. »mentally responsive to sensory stimuli« sein muss. 3 Wenn eine Person empfindungsfähig und wach ist, schreiben wir ihr, im Unterschied zu einer Person, die bspw. schläft oder sich in einem komatösen Zustand befindet, zu, bei Bewusstsein zu sein. Die Frage, wodurch ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist, ist nicht bereits dann beantwortet, wenn gezeigt worden ist, wodurch sich kreatürliches Bewusstsein auszeichnet. Dies ist u. a. daran zu erkennen, dass ein phänomenal bewusster mentaler Zustand zu sein eine Eigenschaft eines mentalen Zustands ist, während kreatürliches Bewusstsein die Eigenschaft einer Person ist. Unter einer Person ist im vorliegenden Kontext ein raumzeitlicher »Gegenstand« zu verstehen, ein menschlicher Organismus, der u. a. phänomenales Bewusstsein zu besitzen und sich mentale und physische Prädikate zuzuschreiben sowie sich in theoretischer und praktischer Weise (rational) zur Welt und zu sich selbst zu verhalten vermag. 4 Dies ist aber auch daran zu erkennen, dass es möglich ist, dass eine Person phänomenales Bewusstsein besitzt, aber nicht kreatürliches Bewusstsein. Schließlich besitzen Personen auch dann phänomenales Bewusstsein, wenn sie träumen. So hat eine Person bspw. bei einem Albtraum oftmals ein subjektives Erleben, etwa ein Gefühl der Angst. Eine Erklärung von kreatürlichem Bewusstsein ist daher schwerlich eine Erklärung von phänomenalem Bewusstsein. Dies gilt zumindest dann, wenn »wach zu sein« für das Vorliegen von kreatürlichem Bewusstsein unverzichtbar ist. 5 Die Konzentration auf die Untersuchung der Fragestellung, wodurch ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist, bedeutet nicht, dass ein mentaler Zustand im buchstäblichen Sinn Bewusstsein hat. Selbstverständlich besitzen Personen Bewusstsein. Jedoch besitzt eine Person kraft des bewussten mentalen Zustands phänomenales Bewusstsein, also bspw. dank des bewussten mentalen Zustands der visuellen Wahrnehmung einer roten Rose Bewusstsein von der David M. Rosenthal: »Two Concepts of Consciousness«, in: David M. Rosenthal: Consciousness and Mind. Oxford 2006, 41. 4 Ein Wort zur Verwendung des Ausdrucks ›Subjekt‹. Die in dieser Untersuchung behandelten Theorien verstehen unter einem Subjekt zum Teil Unterschiedliches. Es ist nicht möglich, eine Interpretation des Subjekts zu geben, die für alle Theorien gilt. Folgendes zur Orientierung: Wenn der Ausdruck ›Subjekt‹ verwendet wird, dann ist a) der »Besitzer« von phänomenalem Bewusstsein und damit Selbstbewusstsein gemeint (wobei nicht ausgeschlossen ist, dass das Subjekt weder von Selbstbewusstsein noch einer Bewusstseinsepisode zu unterscheiden ist), dann ist b) gegenüber der Person ausgeblendet, dass eine raumzeitliche Vereinzelung besteht, und dann ist c) gegebenenfalls – denn das gilt nur eingeschränkt für Hegel – ein mentales Phänomen gemeint. 5 Vgl. Peter Carruthers: Phenomenal Consciousness: a naturalistic theory. Cambridge 2000, 10. David M. Rosenthal: »A Theory of Consciousness«, in: Ned Block / Owen Flanagan / Güven Güzeldere (Hg.): The nature of consciousness: philosophical debates. Massachusetts 1997, 730. Die Frage, wie das Verhältnis zwischen phänomenalem Bewusstsein und kreatürlichem Bewusstsein näher betrachtet zu beurteilen ist, ist nicht Thema dieser Untersuchung. 3

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roten Farbe der Blume. Der Ausdruck ›phänomenales Bewusstsein‹ bezeichnet daher einen bewussten mentalen Zustand, der eine spezifische Eigenschaft hat, und zwar einen bewussten qualitativen Charakter. Dabei besitzt eine Person im alltäglichen Normalfall freilich nicht ausschließlich Bewusstsein von einem einzigen qualitativen Charakter. Phänomenales Bewusstsein schließt in der Regel mehrere bewusste qualitative Charaktere mit ein. Wenn eine Person bspw. in einem Wiener Café einen Aufsatz über phänomenales Bewusstsein verfasst, hört sie im Hintergrund Stimmen von anderen Personen, sie riecht den Duft von Kaffee und Bier und sie spürt einen Druck auf ihre Finger, wenn sie ein Wort zu Papier bringt. Phänomenales Bewusstsein enthält im Normalfall mehrere bewusste qualitative Charaktere. Gegebenenfalls besitzt eine Person zudem auch zugangsbewusste mentale Zustände (access-consciousness). Im Zentrum dieser Untersuchung stehen neben den später behandelten idealistischen Theorien sogenannte selbstrepräsentationalistische bzw. same-order- (same-order-monitoring-) Theorien phänomenalen Bewusstseins, die in den letzten Jahren zu den am intensivsten diskutierten Theorien zählen. Die Ausdrücke ›Selbstrepräsentationalismus‹ bzw. ›Same-Order -(Monitoring-)Theorie‹ suggerieren, dass es sich um einen Typ von Theorie phänomenalen Bewusstseins handelt, der sich sowohl durch spezifische Merkmale auszeichnet, die alle Theorien aufweisen, die zu den selbstrepräsentationalistischen zählen, als auch sich durch spezifische Merkmale von anderen Theorie-Typen abgrenzen lässt. Beides trifft nicht zu. In der Forschungsliteratur werden heterogene Theorien als selbstrepräsentationalistische Theorien bezeichnet. Es gibt keine Merkmale, die alle Theorien, die (von unterschiedlichen Autoren) als selbstrepräsentationalistische Theorien bezeichnet werden, teilen und die zugleich hinreichen, um den Typus selbstrepräsentationalistischer Theorien von anderen Typen, wie etwa höherstufigen Wahrnehmungstheorien (HOP) oder repräsentationalistischen, erststufigen Theorien (FOR), zu unterscheiden. 6 Diese These wird in Kapitel 2.6 im Anschluss an die Darstellung einiger ausgesuchter selbstrepräsentationalistischer Theorien begründet. Für die vorliegende Arbeit bedeutet dies, dass diejenigen selbstrepräsentationalistischen Theorien behandelt werden, die einerseits oftmals zu den selbstrepräsentationalistischen Theorien gezählt werden und die andererseits für einen Vergleich und die kritische Diskussion mit den idealistischen Theorien besonders gut geeignet sind. Sie ermöglichen es, die im ersten Kapitel angeführten Zielsetzungen dieser Untersuchung zu realisieDie Akronyme stehen für Higher-Order-Perception-Theorien und First-Order-Theorien. Diese Theorien werden in Kapitel 2.6 kurz dargestellt. Sie sind für das Thema dieser Untersuchung von untergeordneter Bedeutung. 6

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ren. Es sind dies die Theorien von Uriah Kriegel, Robert Lurz, Robert Van Gulick und Kenneth Williford. Dieses Verfahren hat den Nachteil, dass bspw. Peter Carruthers faszinierende Theorie phänomenalen Bewusstseins nicht berücksichtigt wird. Sie ist mit Blick auf die Zielsetzungen dieser Untersuchung vergleichsweise von untergeordneter Bedeutung, da sie sich in entscheidenden Punkten von den idealistischen Theorien unterscheidet. Den Ausgangspunkt der Darstellung selbstrepräsentationalistischer Theorien bildet die Untersuchung der Theorien von Kriegel und Williford. Sie weisen signifikante, weitreichende Übereinstimmungen untereinander auf, sodass zunächst diese Übereinstimmungen dargestellt werden. Anschließend werden Kriegels und Willifords Theorien jeweils für sich untersucht und dabei Unterschiede zwischen diesen Theorien aufgezeigt. Die Darstellung ist auf folgende Untersuchungen fokussiert: Uriah Kriegel: Subjective Consciousness. A Self-Representational Theory. Oxford 2009. Kenneth Williford: »The self-representational structure of consciousness«, in: Uriah Kriegel / Kenneth Williford (Hg.): Self-representational approaches to consciousness. Cambridge, MA: MIT Press 2006, 111–142. Kenneth Williford / David Rudrauf / Gregory Landini: »The Paradoxes of Subjectivity and the Projective Structure of Consciousness«, in: Sofia Miguens / Gerhard Preyer (Hg.): Consciousness and Subjectivity, Heusenstamm 2012. Diese Einschränkung ist bedeutend, da v. a. Williford in den letzten Jahren seinen Ansatz zum Teil modifiziert hat und seine Theorie auf neue Themenbereiche erstreckt. Willifords neueste Ansichten werden nur am Rande erwähnt. Kriegel wiederum hat in den letzten Jahren eine unglaubliche Vielzahl von Aufsätzen und Büchern veröffentlicht, die zum Teil bedeutende Differenzen aufweisen und einer ausführlichen Interpretation bedürfen, sodass es bereits aus Gründen einer systematischen Ökonomie ratsam ist, sich auf die genannten Untersuchungen zu beschränken.

2.1 Kriegel und Williford

Eine zentrale These von Kriegel und Williford lautet, dass phänomenales Bewusstsein neben einem qualitativen Charakter immer auch einen subjektiven Charakter bzw. phänomenales Selbstbewusstsein enthält. Es gelten die Ubiquitätsthese und die Dependenzthese. Die Ubiquitätsthese besagt mit Blick auf phänomenales Bewusstsein, dass Selbstbewusstsein jeden Fall phänomenalen Bewusstseins begleitet. Die Dependenzthese lautet, dass Selbstbewusstsein eine notwendige Bedingung phänomenalen Bewusstseins ist. 7 Selbstbewusstsein beVgl. Tomis Kapitan: »The Ubiquity of Self-Awareness«, in: Grazer Philosophische Studien 57, 1999, 17. 7

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gleitet nicht nur einen jeden Fall phänomenalen Bewusstseins. Es ist außerdem vorausgesetzt, damit phänomenales Bewusstsein möglich ist. Sowohl der qualitative als auch der subjektive Charakter sind Aspekte eines Phänomens. 8 Phänomenales Bewusstsein zeichnet sich dadurch aus, dass ein bewusster qualitativer Charakter für eine Person vorhanden ist, die die bewusste Information besitzt, dass sie selbst Bewusstsein von Inhalten hat, die einen qualitativen Charakter aufweisen. Der qualitative Charakter bestimmt, dass es sich um einen phänomenal bewussten mentalen Zustand handelt und nicht etwa um Zugangsbewusstsein. Er legt zudem fest, um welchen Fall von phänomenalem Bewusstsein es sich jeweils handelt, also bspw. um einen Farbeindruck oder einen Geschmackseindruck. Phänomenales Selbstbewusstsein ist demgegenüber dafür verantwortlich, dass ein qualitativer Charakter ein bewusster qualitativer Charakter ist, und damit, dass phänomenales Bewusstsein überhaupt besteht. Kriegel fasst den Beitrag des qualitativen und des subjektiven Charakters folgendermaßen zusammen: »qualitative character provides the identity conditions of phenomenality while subjective character provides its existence conditions: what makes a mental state phenomenally conscious at all (rather than a non-phenomenal state) is its subjective character; what makes it the phenomenally conscious state it is (rather than another) is its qualitative character.« 9

Ein mentaler Zustand ist dann – und nur dann –, ein phänomenal bewusster mentaler Zustand, wenn er sowohl einen bewussten qualitativen als auch einen bewussten subjektiven Charakter aufweist. Das bedeutet u. a., Kriegel und Williford nehmen (so wie Lurz, Picciuto oder Van Gulick) an, dass Personen unbewusste mentale Zustände besitzen. Zu diesen unbewussten mentalen Zuständen zählen bspw. Überzeugungen, wie dass Hegel ein bedeutender Phi-

Es ist zu beachten, dass die Ausdrücke ›subjektiver Charakter‹ bzw. ›phänomenales Selbstbewusstsein‹ einerseits und ›subjektive Erlebnisqualität‹ bzw. ›wie es für eine Person ist, einen qualitativen Charakter zu erleben‹ andererseits unterschiedliche Aspekte phänomenalen Bewusstseins bezeichnen. Der subjektive Charakter entspricht phänomenalem Selbstbewusstsein, die subjektive Erlebnisperspektive dem qualitativen Charakter. Der qualitative Charakter zeichnet sich dadurch aus, dass es für eine Person irgendwie ist, einen bewussten qualitativen Charakter zu erleben. Der subjektive Charakter entspricht phänomenalem Selbstbewusstsein, d. h., in einer ersten Annäherung, der bewussten Information, selbst Bewusstsein vom qualitativen Charakter zu haben. 9 Kriegel 2009, 10. 8

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losoph ist. 10 Wenn im Folgenden – im Unterschied zum ersten Kapitel 11 – der Ausdruck ›phänomenales Bewusstsein‹ verwendet wird, bezeichnet er nunmehr und im weiteren Verlauf dieser Untersuchung Fälle von Bewusstsein, die sowohl phänomenales Selbstbewusstsein als auch Bewusstsein von einem qualitativen Charakter enthalten. Wenn ausschließlich das Bewusstsein vom qualitativen Charakter oder ausschließlich vom subjektiven Charakter gemeint ist, werden die Ausdrücke ›Bewusstsein vom qualitativen Charakter‹ und ›Bewusstsein vom subjektiven Charakter‹ bzw. ›phänomenales Selbstbewusstsein‹ verwendet. Bei der Untersuchung phänomenalen Bewusstseins unterscheiden Kriegel und Williford zwei Aufgabenstellungen. Die erste Aufgabe besteht darin, eine phänomengerechte Beschreibung von phänomenalem Bewusstsein zu entwickeln. Da der Ausdruck ›phänomenales Bewusstsein‹ im Folgenden nunmehr nicht nur das Bewusstsein vom qualitativen Charakter meint, sondern auch den subjektiven Charakter miteinschließt, schließt dies auch eine phänomengerechte Beschreibung von phänomenalem Selbstbewusstsein mit ein. Bei der Untersuchung dieser Aufgabenstellung werden allgemeingültige Eigenschaften von phänomenalem Bewusstsein identifiziert. Es sind dies Eigenschaften, die das phänomenale Bewusstsein einer jeden Person zu einer jeden Zeit aufweist. Die zweite Aufgabenstellung besteht in der Erklärung von phänomenalem Bewusstsein. Sie hat die Konstitution dieses Phänomens darzulegen und damit eine Antwort auf die Frage zu geben, wodurch ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist. Da phänomenales Bewusstsein sowohl Bewusstsein vom qualitativen Charakter als auch vom subjektiven Charakter umfasst, gilt es näher betrachtet drei Fragen zu beantworten: Worin besteht die 10 Vgl. Rosenthal 1997, 731–732. Robert van Gulick: »Mirror, Mirror – Is That All?«, in: Uriah Kriegel / Kenneth Williford (Hg.): Self-Representational Approaches to Consciousness. MA: MIT Press 2006, 25. Nach Rosenthal ist es bspw. auch sinnvoll, von unbewussten Schmerzen zu sprechen. In diesem Fall ist ein unbewusster qualitativer Charakter von phänomenalem Bewusstsein zu unterscheiden. Dies wird mitunter so erklärt, dass ein mentaler Zustand einen qualitativen Charakter repräsentiert. Der qualitative Charakter ist aber nicht für eine Person vorhanden. Sie hat kein Bewusstsein von diesem Charakter. Das bedeutet, es ist einer Person auch nicht ›irgendwie zumute‹. Unter Maßgabe dieser Interpretation ist der qualitative Charakter von dem ›Zumute sein‹ und damit phänomenalem Bewusstsein zu unterscheiden. Phänomenales Bewusstsein zeichnet sich also nicht nur dadurch aus, dass ein mentaler Zustand einen qualitativen Charakter aufweist. Entscheidend ist, dass einer Person ›irgendwie zumute‹ ist. Robert van Gulick: »Higher-Order Global States (Hogs): An Alternative Higher-Order Model of Consciousness«, in: Rocco Gennaro (Hg.): Higher-Order Theories of Consciousness: An Anthology. Amsterdam / Philadelphia 2004, 73. 11 An dieser Stelle erfolgt die im ersten Kapitel angekündigte terminologische Modifizierung, die durch die Fokussierung auf selbstrepräsentationalistische Theorien erforderlich ist. Im ersten Kapitel bezeichnete der Ausdruck ›phänomenales Bewusstsein‹ ausschließlich das Bewusstsein vom qualitativen Charakter.

Kriegel und Williford

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Konstitution des qualitativen Charakters phänomenalen Bewusstseins? Worin besteht die Konstitution des subjektiven Charakters phänomenalen Bewusstseins? Wie ist die Beziehung zwischen der Konstitution des qualitativen und des subjektiven Charakters zu verstehen? 1. Die Beschreibung von phänomenalem Bewusstsein: Kriegel und Williford identifizieren allgemeingültige Eigenschaften von phänomenalem Bewusstsein vor allem anhand einer phänomenologisch-deskriptiven Methode. 12 Sie ist phänomenologisch-deskriptiv, da Eigenschaften phänomenalen Bewusstseins durch Beobachtung und das Konzentrieren der Aufmerksamkeit auf menschliches Bewusstsein und Selbstbewusstsein identifiziert werden. 13 So behauptet bspw. Kriegel, dass mit Blick auf phänomenales Bewusstsein zu erkennen ist, dass es stets von phänomenalem Selbstbewusstsein begleitet ist. Letzteres ist ein »dim [. . . ] constantly humming in the background of our stream of consciousness«. 14 Mithilfe dieser Methode begründen Kriegel und Williford u. a. die These, dass phänomenales Selbstbewusstsein das Bewusstsein vom qualitativen Charakter ubiquitär begleitet. Ihrer Ansicht nach zählen zudem folgende Eigenschaften zu den allgemeingültigen Eigenschaften phänomenalen Bewusstseins: A. Sowohl der qualitative Charakter als auch der subjektive Charakter sind phänomenangemessen als dem Subjekt gegebene Inhalte beschrieben. 15 Phänomenales Bewusstsein enthält nicht die Vorstellung, dass der qualitative oder der subjektive Charakter vom Subjekt oder einem mentalen Zustand hervorgebracht oder durch eine Tätigkeit des Subjekts aktiv repräsentiert werden.

12 Dies gilt auch für Van Gulick. Er erläutert ebenfalls allgemeingültige Merkmale menschlichen Bewusstseins anhand einer phänomenologisch-deskriptiven Methode. Vgl. Van Gulick 2006. 13 Williford / Rudrauf / Landini 2012, 322–325; Kenneth Williford: Degrees of Self-Presence: Rehabilitating Sartre’s Account of Pre-Reflective Self-Consciousness and Reflection, in: Sofia Miguens / Gerhard Preyer / Clara Bravo Morando (Hg.): Pre-reflective Consciousness: Sartre and Contemporary Philosophy of Mind, New York 2016, 94. Van Gulick 2004, 83, 86–87, 2006, 28–29; Kriegel / Zahavi 2015, 41–42. 14 Uriah Kriegel: Consciousness as Intransitive Self-Consciousness: Two Views and an Argument, in: Canadian Journal of Philosophy 33/1, 2003, 105. Die phänomenologisch-deskriptive Methode ist die primäre Methode, die Kriegel, Van Gulick und Williford verwenden. Kriegel benützt auch eine andere Methode, um allgemeingültige Merkmale von phänomenalem Selbstbewusstsein zu identifizieren, und zwar das Gedankenexperiment. Dies wird an späterer Stelle, in Kapitel 2.2, näher erläutert. 15 Williford 2006, 124, 2012, 323, 333, 335. Terry Horgan / Uriah Kriegel: »Phenomenal Epistemology: What Is Consciousness That We May Know It So Well?«, in: Philosophical Issues 17, 2007, 124; Uriah Kriegel: »Self-representationalism and phenomenology«, in: Philosophical Studies 2009b, 362.

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B. Das Bewusstsein von Gegenständen und ihren Eigenschaften sowie das Verhältnis zwischen dem Bewusstsein von Gegenständen und phänomenalem Selbstbewusstsein zeichnen sich durch eine durch die Aufmerksamkeit geprägte Zentrum-Peripherie-Struktur aus. Das Bewusstsein von äußeren Gegenständen weist diese Struktur auf, da eine Person im alltäglichen Normalfall ihre Aufmerksamkeit auf einen externen Gegenstand und seine Eigenschaften (oder eine kleine, »überschaubare« Anzahl von Gegenständen oder ein Ereignis bzw. mehrere Ereignisse) richtet, während andere Gegenstände und deren Eigenschaften nur peripher bzw. vergleichsweise marginal bewusst sind. 16 Wenn eine Person bspw. in der Wiener Staatsoper in eine Aufführung von Mozarts Don Giovanni vertieft ist, ist ihre Aufmerksamkeit auf die Musik gerichtet, während sie zwar ebenfalls Bewusstsein von ihren Sitznachbarn besitzt. Sie nimmt sie jedoch vergleichsweise nur am Rande bewusst visuell wahr. Auch das Verhältnis zwischen dem Bewusstsein von äußeren Gegenständen und phänomenalem Selbstbewusstsein zeichnet sich durch eine Zentrum-PeripherieStruktur aus. Im alltäglichen Normalfall richtet eine Person ihre Aufmerksamkeit nicht auf sich selbst und ihr Bewusstsein, sondern auf Gegenstände und deren Eigenschaften (bzw. Ereignisse oder Sachverhalte) in der Welt. Phänomenales Selbstbewusstsein enthält eine peripher bewusste Information, während externe Gegenstände und deren Eigenschaften im Fokus der Aufmerksamkeit stehen. Jedoch ist es möglich, die Aufmerksamkeit neu auszurichten (Shift of Attention) und damit die zuvor peripher bewussten Gegenstände und deren Eigenschaften oder auch das Subjekt und das eigene Bewusstsein in den Blick zu nehmen. In letzterem Fall steht der Gehalt phänomenalen Selbstbewusstseins im Zentrum der Aufmerksamkeit, während externe Gegenstände und deren Eigenschaften nur am Rande bewusst sind. Phänomenales Selbstbewusstsein enthält entweder eine peripher bewusste Information oder steht im Fokus der Aufmerksamkeit. Es ist jedoch ausgeschlossen, dass ein und derselbe Fall von phänomenalem Selbstbewusstsein zu einem und demselben Zeitpunkt sowohl peripher bewusst ist als auch im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Wenn phänomenales Selbstbewusstsein im Fokus der Aufmerksamkeit einer Person steht, wird es von Kriegel und Williford als reflektiertes Selbstbewusstsein bezeichnet und mit der Introspektion identifiziert. 17 Als ›Introspektion‹ wird das aufmerksame, absichtlich fokussierte Bewusstsein von den eigenen mentalen Zuständen oder von Bewusstsein oder dem Subjekt bezeichnet. 18 Kriegels und Willifords Theorien unterscheiden sich hinsichtlich der Interpretation von re16 17 18

Williford / Rudrauf / Landini 2012, 325–326; Horgan / Kriegel 2007, 133–134; Kriegel 2009, 173. Kriegel / Zahavi 2015, 41–42; Williford 2006, 122; Williford / Rudrauf / Landini 2012, 324. Rosenthal 1997, 730; Williford 2006, 133.

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flektiertem Selbstbewusstsein. Bspw. kann reflektiertes Selbstbewusstsein nach Williford ein Fall von propositionalem Selbstbewusstsein sein. Es muss es aber nicht sein. 19 Demgegenüber ist reflektiertes Selbstbewusstsein für Horgan und Kriegel in dem Aufsatz »Phenomenal Epistemology: What is Consciousness that we may know it so well?« identisch mit propositionalem Selbstbewusstsein. 20 C. Phänomenales Selbstbewusstsein ist aktuell vorhanden, wenn eine Person Bewusstsein vom qualitativen Charakter besitzt. Im Unterschied zu bspw. Peter Carruthers nehmen Kriegel und Williford an, dass Personen nicht nur die Disposition besitzen, phänomenales Selbstbewusstsein zu entwickeln, wenn sie Bewusstsein vom qualitativen Charakter haben. Phänomenales Selbstbewusstsein begleitet das Bewusstsein vom qualitativen Charakter stets aktuell. Es ist präsentisch. D. Peripheres phänomenales Selbstbewusstsein ist ein Fall von nicht-begriff lichem (bzw. zumindest proto-begriff lichem) und nicht-propositionalem Selbstbewusstsein. 21 Die Weise, wie dieses Phänomen sprachlich ausgedrückt wird, etwa in Gestalt von Sätzen der Form: »Eine Person besitzt das Bewusstsein (oder weiß), dass sie selbst Bewusstsein hat«, die nahelegt, dass es ein Fall von propositionalem Selbstbewusstsein ist, entspricht nicht dem Phänomen und seiner Struktur. Wenn im Folgenden Formulierungen wie bspw.: »dass eine Person die bewusste Information besitzt, dass sie Bewusstsein von ihrem eigenen Bewusstsein hat«, oder: »dass eine Person weiß, dass sie selbst Bewusstsein vom qualitativen Charakter besitzt«, verwendet werden, dann ist nicht-begriff liches Selbstbewusstsein gemeint. Wenn demgegenüber begriff liches Selbstbewusstsein thematisiert wird, wird dies explizit erwähnt oder ist dies durch den jeweiligen Kontext gut zu erkennen. E. Peripheres phänomenales Selbstbewusstsein ist nicht nur ein Fall von nicht-begriff lichem Selbstbewusstsein. Es ist auch von Wahrnehmungen und Empfindungen zu unterscheiden. 22 Phänomenales Selbstbewusstsein ist kein Fall von Selbstwahrnehmung oder Selbstempfindung oder Selbstgefühl. Phänomenales Selbstbewusstsein schließt seinerseits keinen qualitativen Charakter Williford 2006, 122; 2016, 84–85. Terry Horgan / Uriah Kriegel 2007, 137. Phänomenales Selbstbewusstsein und nicht begriffliches, reflektiertes Selbstbewusstsein ist Gegenstand dieser Untersuchung. Es ist nicht erforderlich, dieses Thema zu vertiefen. 21 Vgl. Horgan / Kriegel 2007, 137; Williford 2006, 122–124; Van Gulick 2004, 88. 22 Vgl. Williford 2006, 120. Kriegel erwähnt in »Subjective Consciousness«, dass er bezüglich der Frage, ob phänomenales Selbstbewusstsein intellektuell oder quasi-wahrnehmungsartig ist, einen »neutralen« Standpunkt einnimmt. Kriegel 2009, 179. Dies überrascht angesichts seiner entschiedenen Kritik sowohl an höherstufigen Gedanken-Theorien als auch an höherstufigen Wahrnehmungstheorien. Kriegel 2009, 129–155. 19 20

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mit ein. Es fühlt sich nicht irgendwie an, phänomenales Selbstbewusstsein zu haben. 23 Phänomenales Selbstbewusstsein ist ein Phänomen sui generis. 24 Es ist nicht phänomenangemessen mit dem Begriffsrepertoire: Anschauung, Begriff, Empfindung, Gedanke, Gefühl oder Wahrnehmung bezeichnet. 25 2. Die Erklärung von phänomenalem Bewusstsein: Mit Blick auf die zweite Aufgabenstellung, phänomenales Bewusstsein zu erklären, ist der Schlüsselbegriff für Kriegel und auch für Williford (in seiner ersten Schaffensphase) der Begriff der Repräsentation. 26 Unter einer Repräsentation ist im vorliegenden Kontext, allgemein gesprochen, ein Träger von Informationen über etwas zu verstehen. So ist etwa ein Bild vom Wiener Musikverein ein Träger von Informationen über dieses Gebäude. Nach Ansicht vieler analytischer Philosophen ist ein mentaler Zustand, etwa ein Wahrnehmungszustand, der Träger von qualitativen Charakteren, also bspw. der Träger einer Vorstellung eines Farbeindrucks wie »rötlich sein«, den eine Person als die Farbe der Fassade des Musikvereins wahrnimmt. Die mentale Repräsentation ist ein Bestandteil, eine Eigenschaft des mentalen Zustands, sodass das Phänomen »phänomenales Bewusstsein« nichts anderes als der phänomenal bewusste mentale Zustand selbst ist. 27 Der Ausdruck ›Repräsentation‹ bezeichnet damit aber auch eine Vgl. Kriegel / Zahavi 2015, 38; Charles Siewert: Phenomenality and Self-Consciousness, in: Uriah Kriegel: Phenomenal Intentionality, Oxford 2013, 248–249. 24 Williford 2016, 70. Dies gilt auch dann, wenn Kriegel und Williford Ansätze kritisieren, nach denen phänomenales Selbstbewusstsein ein Phänomen sui generis ist. Vgl. Williford 2006, 113, 115. Ihre Kritik richtet sich gegen Theorien, nach denen phänomenales Selbstbewusstsein sich durch eine nicht-relationale Struktur auszeichnet. Diese Interpretation des Ausdrucks ›sui generis‹ unterscheidet sich von der zuvor gegebenen Interpretation. Im vorliegenden Kontext ist phänomenales Selbstbewusstsein nicht deswegen sui generis, da es eine nicht-relationale Struktur aufweist. Es ist deswegen sui generis, da es mit dem Begriffsrepertoire Anschauung, Begriff, Empfindung, Gefühl und Wahrnehmung nicht angemessen beschrieben ist. 25 In »The Paradoxes of Subjectivity and the Projective Structure of Consciousness« verwendet Williford den Ausdruck »feeling«, um phänomenales Selbstbewusstsein zu bezeichnen. Williford / Rudrauf / Landini 2012, 326, 330. Dies ist m. E. jedoch metaphorisch zu verstehen und bezeichnet eine Selbsthabe, die von Gefühlen zu unterscheiden ist. Sie schließt keinen qualitativen Charakter mit ein, während dies für Gefühle unverzichtbar ist. 26 Dies gilt auch für Williford in »The self-representational structure of consciousness«. In neueren Untersuchungen ersetzt er den Begriff der Repräsentation durch den Begriff der Acquaintance. 27 Vgl. Williford 2006, 116. Uriah Kriegel: »The Same-Order Monitoring Theory«, in: Uriah Kriegel / Kenneth Williford (Hg.): Self-representational approaches to consciousness. Cambridge, MA: MIT Press 2006, 146, 162. Peter Carruthers: »Conscious Experience versus Conscious Thought«, in: Uriah Kriegel / Kenneth Williford (Hg.): Self-representational approaches to consciousness. Cambridge, MA: MIT Press 2006, 303: »It is the mental states themselves that are subjective in character.« Rocco Gennaro: »Between Pure Self-Referentialism and the Extrinsic HOT Theory of Consciousness«, in: Uriah Kriegel / Kenneth Williford (Hg.): Self-representational approaches to consciousness. Cambridge, MA: MIT Press 2006, 237. Das gilt auch dann, wenn letztlich Personen phänomenales Bewusstsein 23

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spezifische Leistung. Ein mentaler Zustand besitzt eine Information über etwas, er ist der Träger bspw. von qualitativen Charakteren, indem er repräsentiert. Eine Person besitzt Bewusstsein von einem qualitativen Charakter kraft dessen, dass Eigenschaften eines Gegenstandes durch einen mentalen Zustand repräsentiert werden. Es ist mithin die spezifische Leistung eines mentalen Zustands, der Träger von Informationen über etwas zu sein. Zwar gilt nach Ansicht vieler Philosophen, dass bspw. ein mentaler Zustand, der repräsentiert wird, die Repräsentation durch den repräsentierenden mentalen Zustand (kausal) verursacht. 28 Die spezifische Leistung des repräsentierenden mentalen Zustands besteht jedoch darin, infolge einer kausalen Einwirkung eine Repräsentation hervorbringen zu können. Beide Bedeutungsdimensionen des Ausdrucks ›Repräsentation‹ sind zu beachten. Das ist für den Vergleich mit den idealistischen Theorien von zentraler Bedeutung. Ein mentaler Zustand enthält bzw. trägt neben dem qualitativen Charakter, der durch die Repräsentation von Eigenschaften eines Gegenstandes gewonnen wird, einen subjektiven Charakter. Der subjektive Charakter bzw. phänomenales Selbstbewusstsein wird durch die Selbstrepräsentation eines und desselben mentalen Zustands gewonnen. Auf Grund dieser Annahme werden Kriegels und Willifords Theorien als selbstrepräsentationalistische Theorien bezeichnet. Wenn ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist, repräsentiert er sowohl qualitative Eigenschaften als auch sich, den mentalen Zustand, selbst. Ein phänomenal bewusster mentaler Zustand schließt dementsprechend zwei Einstellungen (modes of presentation / attitudes) ein, einerseits bspw. eine Wahrnehmungseinstellung, die festlegt, um welchen mentalen Zustand es sich handelt, also etwa um einen visuellen Wahrnehmungszustand. Andererseits enthält der bewusste mentale Zustand auch eine Einstellung gegenüber dem mentalen Zustand, sich selbst, die bei der Selbstrepräsentation des Zustandes besteht. 29 Im Rahmen selbstrepräsentationalistischer Theorien haben. Wie erwähnt haben sie kraft des phänomenal bewussten mentalen Zustands phänomenales Bewusstsein. Gennaro und Carruthers werden im Rahmen vorliegender Untersuchung nicht näher behandelt. Ihre Erläuterung des Verhältnisses zwischen mentalen Zuständen, Repräsentationen und phänomenalem Bewusstsein ist m. E. jedoch auch mit Blick auf die Theorien von Kriegel und Williford angebracht, wenngleich Kriegel und Williford (soweit ich es überblicke) diesen Themenbereich nicht näher erläutern. 28 Ein anorganischer Gegenstand wie ein Stein besitzt diese Leistung nicht. Ein Gegenstand oder ein mentaler Zustand kann nicht kausal auf einen Stein einwirken, sodass er eine (mentale) Repräsentation aufweist. Ein Stein besitzt nicht die spezifische Leistung, die mentale Zustände auszeichnen. 29 Vgl. Horgan / Kriegel 2007, 135; Gennaro 2006, 237–238: »Second, there is the representational content of the state in question; that is, what the state is about or directed at. Third, there is the mental attitude (or mode) of the state; that is, what type of mental state it is, for example, a

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ist die Einstellung, die mit Blick auf phänomenales Selbstbewusstsein vorliegt, oftmals eine Einstellung sui generis. Das heißt, wie erwähnt, sie ist mit dem Begriffsrepertoire: Anschauungszustand, Empfindungszustand, Gefühlszustand usw. nicht phänomengerecht bezeichnet. Es ist zwar möglich, dass ein mentaler Zustand, der sich selbst repräsentiert, bspw. ein visueller Wahrnehmungszustand ist. Das bedeutet aber nicht, dass die Einstellung dieses mentalen Zustands, insofern er sich selbst repräsentiert, ebenfalls sachangemessen als eine Wahrnehmungseinstellung bezeichnet ist. Kriegels und Willifords Theorien unterscheiden sich bei der positiven Charakterisierung dieser Einstellung. Nach Horgan und Kriegel in »Phenomenal Epistemology« ist bspw. die Einstellung, die der Selbstrepräsentation zugrunde liegt, eine Proto-Überzeugung (proto-belief). Eine Proto-Überzeugung ist ein peripher bewusster mentaler Zustand, der eine Überzeugung darstellt, sobald er durch eine Neuausrichtung der Aufmerksamkeit (Shift of Attention) in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt. 30 Kriegel hat diesen Ansatz in neueren Veröffentlichungen nicht mehr vertreten. Er erwähnt in »Subjective Consciousness«, dass er sich bezüglich der Frage, welche Einstellung der Selbstrepräsentation zugrunde liegt, nicht festlegen möchte. Williford unterscheidet in »The Self-Representational Structure of Consciousness« die Selbstrepräsentation von sinnlichen und propositionalen Repräsentationen und bezeichnet sie als leere (empty) Repräsentation. 31 Die Einstellung des mentalen Zustands, insofern er sich selbst repräsentiert, ist eine leere Einstellung, da sein Gehalt zwar nicht überhaupt nicht vorhanden und bewusst präsent ist. Er enthält jedoch gegenüber der sinnlichen Wahrnehmung vergleichsweise weniger Informationen, die zudem (in der Regel) peripher bewusst sind. 32 Es ist wichtig zu beachten, dass Kriegel und Williford vorwiegend konstitutive Theorien phänomenalen Bewusstseins und nicht produktive (bzw. konstruktive) 33 Theorien entwickeln. Eine Theorie der Produktion erklärt, wie doubt, a thought, a perception, and so on. [. . . ] virtually any form of intrinsic theory will hold that a single vehicle or state can have dual representational content [. . . ] it also seems possible to have a single conscious state involving two attitudes because one will be directed at its first-order content and the other will be directed towards its higher-order content.« 30 Horgan / Kriegel 2007, 137. 31 In »Degrees of Self-Presence« verabschiedet Williford diese Interpretation. Williford 2016, 70. 32 Williford 2006, 120–121. 33 Produktive Theorien werden von analytischen Philosophen auch als konstruktive Theorien bezeichnet. Im Folgenden wird der Ausdruck ›produktive Theorie‹ verwendet, da Fichte und Schelling ebenfalls Theorien entwickeln, die sie als konstruktive Theorien bezeichnen. Jedoch verstehen sie unter einer konstruktiven Theorie etwas anderes als analytische Philosophen. Für die Deutschen Idealisten sind konstruktive Theorien von produktiven Theorien im Sinn von kausalen Theorien zu unterscheiden. Wenn im Folgenden von konstruktiven Theorien die Rede ist, ist die Bedeutung

Kriegels komplexe Theorie

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phänomenales Bewusstsein (kausal) erzeugt wird. Demgegenüber untersucht eine Theorie der Konstitution die Frage, aufgrund von welchen repräsentationalen Leistungen und Beziehungen oder aufgrund welcher Struktur und Beziehung (Bekanntschaft / Acquaintance) phänomenales Bewusstsein besteht. 34 Es ist nicht möglich, die philosophische Frage nach der repräsentationalen Struktur phänomenalen Bewusstseins auf produktionstheoretische Aufgabenstellungen zu reduzieren. Eine Theorie der Produktion erklärt zwar die kausalen Vorgänge, die menschliches Bewusstsein hervorbringen. Sie erklärt jedoch nicht Bewusstsein selbst. Sie erklärt nicht, worin Bewusstsein besteht, 35 wie bspw. in einer repräsentationalen Struktur, die die Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands miteinschließt. Es ist jedoch auch ein Anliegen Kriegels und Willifords, die Vereinbarkeit ihrer philosophischen Theorien der Konstitution von phänomenalem Bewusstsein mit kausalen, naturwissenschaftlichen Theorien darzulegen. 36 Auf der geistphilosophischen Ebene werden aber vorwiegend Theorien der Konstitution entworfen. Die zuvor angeführten Fragestellungen, wie die Repräsentation von qualitativen Charakteren zu verstehen ist, wie die Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands erfolgt sowie wie die Beziehung zwischen der Selbstrepräsentation und der Repräsentation von qualitativen Charakteren zu erörtern ist, sind konstitutionstheoretische Fragestellungen. Kriegels und Willifords Theorien unterscheiden sich in Details bei der Beantwortung dieser Fragen, vor allem bei der jeweiligen Interpretation der Struktur der Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands. Diesen Unterschieden gilt es sich zuzuwenden.

2.2 Kriegels komplexe Theorie

Die Konstitution des qualitativen Charakters. Kriegel und Williford teilen den Standpunkt, dass ein mentaler Zustand nur dann ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist, wenn nicht nur eine Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands besteht, sondern zudem auch eine Repräsentation von Eigenschaften von Gegenständen. Ein phänomenal bewusster mentaler Zustand zeichnet sich mit den Worten Willifords durch eine Hetero- und Autointentionalität aus. 37 dieses Wortes im Sinn der idealistischen Philosophen gemeint. Anderenfalls wird dies explizit erläutert oder ist dem Kontext deutlich zu entnehmen. 34 Der Zusatz »aufgrund welcher Struktur« ist bedeutend, da Williford in neueren Untersuchungen den Begriff der »Repräsentation« durch den Begriff »Acquaintance« (Bekanntschaft) ersetzt. 35 Vgl. Kriegel 2009, 142; Rosenthal 1997, 738–739. 36 Vgl. Kriegel 2009, 12; Williford / Rudrauf / Landini 2012, 321. 37 Williford 2006, 127.

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Analytischer Selbstrepräsentationalismus

Ein phänomenal bewusster mentaler Zustand enthält kraft der Repräsentation von Eigenschaften eines Gegenstandes einen qualitativen Charakter. Damit ist jedoch noch nicht geklärt, wie die Konstitution des qualitativen Charakters näher zu verstehen ist. Kriegel entwickelt eine Theorie, die diese Aufgabenstellung zu lösen verspricht. Nach Kriegel ist (ähnlich wie für Repräsentationalisten wie Tye) der qualitative Charakter (unter einer bestimmten Voraussetzung) 38 identisch mit bestimmten Aspekten des repräsentationalen Gehalts. Der qualitative Charakter besteht bspw. im Fall der Wahrnehmung eines blauen Balles in der bläulichen Weise, wie der Ball erfahren wird. Der relevante repräsentationale Gehalt ist in diesem Beispiel die blaue Oberfläche des Balles. 39 Die These lautet jedoch nicht, dass jedem repräsentationalen Gehalt ein qualitativer Charakter entspricht. Sie besagt, dass jeder qualitative Charakter ein repräsentationaler Gehalt ist. 40 Nach Kriegel werden qualitative Charaktere u. a. durch die Repräsentation von empfänger-abhängigen (respondent-dependent) Eigenschaften eines Gegenstandes gewonnen. 41 Diese Eigenschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Disposition aufweisen, unter bestimmten Voraussetzungen in einer bestimmten Gruppe von Empfängern bestimmte Reaktionen (responses) hervorzurufen. Die Reaktionen, die diese Eigenschaften hervorrufen, bestehen in der Repräsentation von qualitativen Charakteren, also etwa der Farbe blau16. Die Einschränkung, dass diese Eigenschaften in bestimmten Gruppen von Empfängern bestimmte Reaktionen hervorrufen, ist zu beachten, da bspw. Katzen die Farbe blau nicht wahrnehmen, sodass sie im Unterschied zu Menschen nicht zu den Empfängern zählen, die eine Repräsentation von diesem qualitativen Charakter haben können. Sie ist aber auch deswegen bedeutend, da (laut Kriegel) empirische Studien belegen, dass bspw. die Farbwahrnehmung von Frauen und Männern sich graduell unterscheidet, sodass bspw. Männer an einem und demselben Ball die Farbe blau16 wahrnehmen, während Frauen die Farbe blau17 erleben. 42 Dementsprechend sind bestimmte Voraussetzungen zu berücksichtigen, da es bspw. infolge von veränderten Lichtverhältnissen möglich ist, dass auch Männer an diesem Ball die Farbe blau17 wahrnehmen. Die empfänger-abhängigen Eigenschaften zeichnen sich somit dadurch aus, dass Die Einschränkung »unter einer bestimmten Voraussetzung« ist zu beachten, da Kriegel, wie im Folgenden dargestellt wird, zwischen einem schmalitativen und einem qualitativen Charakter unterscheidet. 39 Vgl. Kriegel 2009, 59, 76. 40 Kriegel 2009, 81. 41 Kriegel 2009, 87. 42 Da eine Eigenschaft eines Gegenstandes in unterschiedlichen Gruppen von Empfängern zu Repräsentationen von unterschiedlichen Qualitäten führt, also etwa blau16 und blau17, enthält der Gehalt der Repräsentationen die Information, blau16 und blue17 zu erscheinen (appearing blue16) und nicht blau16 bzw. blue17 zu sein. Kriegel 2009, 86. 38

Kriegels komplexe Theorie

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sie konjunktive dispositionale Eigenschaften sind. Das bedeutet zum einen, dass eine Eigenschaft die Disposition besitzt, in unterschiedlichen Gruppen von Empfängern zur Repräsentation von unterschiedlichen Qualitäten zu führen sowie in unterschiedlichen Gruppen von Empfängern unter unterschiedlichen Voraussetzungen zur Repräsentation desselben qualitativen Charakters, etwa blau16. Es bedeutet zum anderen aber auch, dass die empfänger-abhängigen Eigenschaften eines Gegenstandes die Disposition aufweisen, bei materiell unterschiedlichen, jedoch funktional identischen Empfängern die Repräsentation desselben qualitativen Charakters hervorzurufen. So besteht etwa die konjunktive dispositionale Eigenschaft eines Gegenstandes mit Blick auf menschliche Lebewesen darin, neurophysiologische Prozesse auszulösen, welche die mentale Repräsentation der Farbe blau16 darstellen, und bei einem bspw. aus Silikon bestehenden funktional identischen Duplikat eines Menschen eine auf der Basis von Silikon erfolgende physikalische Implementierung der mentalen Repräsentation derselben Farbe hervorzurufen. Damit der Gehalt der Repräsentation einer empfänger-abhängigen Eigenschaft eines Gegenstandes ein bewusster qualitativer Charakter ist, genügt es jedoch nicht, dass ein mentaler Zustand eine solche Eigenschaft repräsentiert. Nach Kriegel ist zudem die Selbstrepräsentation dieses mentalen Zustands erforderlich. Durch die Selbstrepräsentation wird nicht nur der mentale Zustand, sondern zudem auch der qualitative Charakter ein weiteres Mal repräsentiert. Der bewusste qualitative Charakter ist der im Zuge der Selbstrepräsentation repräsentierte qualitative Charakter. Kriegel bezeichnet den qualitativen Charakter, der bei der Selbstrepräsentation repräsentiert wird, im Unterschied zum bewussten qualitativen Charakter daher auch als schmalitativen Charakter. 43 Ein bewusster qualitativer Charakter ist näher betrachtet der Gehalt der Repräsentation eines schmalitativen Charakters und der schmalitative Charakter der Gehalt der Repräsentation von empfänger-abhängigen Eigenschaften eines Gegenstandes. In dem Fall, dass die bei der Selbstrepräsentation bestehende Repräsentation des schmalitativen Charakters fehlerhaft ist, also einen anderen Charakter aufweist als den schmalitativen, bestimmt die Repräsentation vom schmalitativen Charakter – und nicht der schmalitative Charakter selbst –, welcher Charakter bewusst ist. Wenn ein schmalitativer Charakter bspw. den Gehalt »grün« aufweist, im Zuge der Selbstrepräsentation jedoch infolge einer fehlerhaften Repräsentation Soweit ich es überblicke, erklärt Kriegel nicht, ob er unter dem repräsentationalen Gehalt ausschließlich den schmalitativen Charakter versteht (vgl. jedoch Kriegel 2009, 110). Wenn dies zutreffen sollte, wäre der repräsentationale Gehalt nicht identisch mit dem qualitativen Charakter, da es möglich ist, dass der qualitative Charakter sich vom schmalitativen Charakter unterscheidet und der qualitative Charakter durch die Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands konstituiert wird. 43

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Analytischer Selbstrepräsentationalismus

des schmalitativen Charakters der qualitative Charakter »rot« besteht, enthält der bewusste qualitative Charakter den Rot-Eindruck. Kriegel begründet dies damit, dass die (bewussten) qualitativen Charaktere durch die mit phänomenalem Selbstbewusstsein bestehende Repräsentation konstituiert werden. 44 Das im Zusammenhang mit phänomenalem Selbstbewusstsein vorhandene Bewusstsein vom qualitativen Charakter bestimmt den qualitativen Charakter. Die Konstitution des bewussten qualitativen Charakters besteht nach Kriegel somit darin, dass ein mentaler Zustand empfänger-abhängige, konjunktiv-dispositionale Eigenschaften eines Gegenstandes repräsentiert und dass dieser mentale Zustand sich selbst repräsentiert, aber damit auch die Repräsentation der Eigenschaften repräsentiert. Kriegel begründet seine Theorie u. a. anhand einer Kritik an alternativen Erklärungsansätzen. Diese Ausführungen sind mit Blick auf die In-BeziehungSetzung mit idealistischen Theorien ohne Bedeutung. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Kriegels geistphilosophische Interpretation des qualitativen Charakters eine konstitutive und keine produktive Erklärung enthält. Seine These lautet nicht (primär), dass kraft der Beziehung zwischen einem mentalen Zustand und empfänger-abhängigen Eigenschaften die Repräsentation eines qualitativen Charakters produziert oder erzeugt wird. Das Bewusstsein vom qualitativen Charakter besteht in der Repräsentation einer empfänger-abhängigen Eigenschaft eines Gegenstandes und der Selbstrepräsentation, die eine Repräsentation der Repräsentation dieser Eigenschaft enthält. 45 Die Beziehung zwischen der Konstitution des qualitativen Charakters und des subjektiven Charakters. Wie erwähnt bestimmt der subjektive Charakter, dass ein phänomenal bewusster mentaler Zustand überhaupt bewusst ist. 46 Der qualitative Charakter legt demgegenüber fest, dass es sich um einen Fall von phänomenalem Bewusstsein handelt. Der subjektive Charakter wird durch die Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands gewonnen. Der qualitative Charakter wird durch die Repräsentation von Eigenschaften von Gegenständen, aber auch durch die Selbstrepräsentation konstituiert. Die Repräsentation von Eigenschaften von Gegenständen legt fest, dass es sich um einen Fall von phänomenalem Bewusstsein handelt und um welchen Typ von qualitativem Charakter es sich handelt, also bspw., ob ein roter Eindruck bewusst ist oder ein akustischer Eindruck. Wie soeben dargelegt, ist jedoch unter Maßgabe von Kriegel 2009, 109–111. Kriegel 2009, 91. Wie erwähnt entwickelt Kriegel eine Theorie der Konstitution von phänomenalem Bewusstsein, von der er zeigt, dass sie mit einer kausalen, neurobiologischen Theorie vereinbar ist. Demnach trifft es letztlich zu, dass der Gehalt, der repräsentiert wird, die Repräsentation kausal verursacht. Kriegel 2009, 219–220. 46 Kriegel 2009, 73. 44 45

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Kriegels Theorie in »Subjective Consciousness« sowie von Horgans und Kriegels Theorie in »Phenomenal Epistemology« zu beachten, dass die Selbstrepräsentation festlegt, welcher konkrete Fall von qualitativem Charakter vorliegt. Wenn ein schmalitativer Charakter bspw. die Farbe rot aufweist, infolge einer Fehlrepräsentation des schmalitativen Charakters bei der Selbstrepräsentation jedoch der qualitative Charakter grün repräsentiert ist, ist der Farbeindruck des Grünen der bewusste qualitative Charakter. Dementsprechend ist das Verhältnis zwischen der Konstitution des subjektiven und des qualitativen Charakters so zu verstehen, dass durch die Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands nicht nur der subjektive Charakter konstituiert wird, sondern zudem auch bestimmt wird, welcher konkrete Fall von qualitativem Charakter bewusst ist. Die bei der Selbstrepräsentation erfolgende Repräsentation des schmalitativen Charakters konstituiert den qualitativen Charakter. Andererseits besteht phänomenales Selbstbewusstsein aber auch nur dann, wenn eine Repräsentation von Eigenschaften von Gegenständen vorhanden ist. Die Selbstrepräsentation ist nach Kriegel nicht nur eine notwendige Bedingung für das Bewusstsein vom qualitativen Charakter und damit für phänomenales Bewusstsein. Sie ist eine hinreichende Bedingung für phänomenales Selbstbewusstsein, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. 47 Dazu zählt, dass die Selbstrepräsentation nicht-derivativ, spezifisch und essentiell ist. 48 Eine Repräsentation ist derivativ, wenn sie vermittels einer Interpretation einen Gehalt repräsentiert, wie bspw. Hammer und Sichel auf dem österreichischen Wappen die Arbeiterschaft und den Bauernstand. Die Symbole repräsentieren kraft der Interpretation von Personen. Nicht-derivative Repräsentationen sind demgegenüber solche, die als solche – und nicht bloß mithilfe einer Interpretation – den Gehalt repräsentieren, den sie repräsentieren. 49 Eine Selbstrepräsentation muss nicht-derivativ sein, damit phänomenales Selbstbewusstsein besteht, da bspw. die linguistische Bedeutung des Satzes »Dieser Satz ist in Times New Roman geschrieben« diesen Satz derivativ thematisiert, ohne dass durch die »Selbstrepräsentation« dieses Satzes phänomenales Bewusstsein bestünde. Die Selbstrepräsentation ist spezifisch, wenn sie ein Einzelnes (particular), 50 einen mentalen Zustand, repräsentiert. Demgegenüber ist es möglich, dass Personen generische selbstrepräsentierende mentale Zustände haben, die unbewusst sind. So teilen viele Philosophen bspw. die Überzeugung, dass alle

47 48 49

Kriegel 2009, 155–156. Kriegel 2009, 158–162. Kriegel 2009, 158: »[S]ome representations appear to have their content in and of themsel-

ves«. 50

Kriegel 2009, 160.

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ihre Überzeugungen neurophysiologisch realisiert sind. 51 Dies gilt mithin auch für diese Überzeugung selbst, sodass sie unter die Extension des Prädikats »neurophysiologisch realisiert zu sein« fällt. Philosophen besitzen diese Überzeugung auch dann, wenn sie nicht bewusst ist. Die Selbstrepräsentation muss spezifisch sein, damit phänomenales Selbstbewusstsein besteht. Schließlich ist sie essentiell, wenn sie auf die Weise erfolgt, dass der mentale Zustand sich selbst als sich selbst repräsentiert. Das heißt – im vorliegenden Kontext –, 52 es genügt nicht, dass die Repräsentation de facto oder zufällig (accidentally) den mentalen Zustand selbst repräsentiert. Die Repräsentation muss derart erfolgen, dass der mentale Zustand darauf zielt bzw. ausgerichtet ist, den mentalen Zustand, sich selbst, zu repräsentieren. Wenn die Selbstrepräsentation nicht-derivativ, spezifisch und essentiell ist, ist sie nach Kriegel nicht nur eine notwendige, sondern zudem auch eine hinreichende Bedingung für phänomenales Selbstbewusstsein und damit auch dafür, dass ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist. 53 Das heißt mit anderen Worten gesprochen: Im Fall von phänomenalem Bewusstsein besteht der Aspekt des »Bewusst-seins« in der Eigenschaft eines mentalen Zustands, sich selbst nichtderivativ, spezifisch und essentiell zu repräsentieren. Die Konstitution des subjektiven Charakters. Der Ausgangspunkt von Kriegels Interpretation der Struktur der Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands ist eine global bewusste Erfahrung bzw. ein maximal bewusster mentaler Zustand. Er enthält nach Kriegel bspw. folgende Informationen: »As I stare at the blue sky and undergo my bluish visual experience, I also at the same time hear the roar of car engines passing by; can feel the seat under me [. . . ] I am faintly aware, in an unpleasantly anxious sort of way, that I have yet to pay last month's telephone bill, which I keep forgetting to pay«. 54

Ein maximal bewusster mentaler Zustand enthält mehrere mentale Zustände, bewusste qualitative Charaktere, phänomenales Selbstbewusstsein, aber bspw. auch Zeitbewusstsein, also etwa Bewusstsein von zukünftig zu erledigenden Aufgaben. Nach Kriegel ist ein maximal bewusster mentaler Zustand eine komplexe Einheit. Im Anschluss an die Mereologie versteht er unter einer komplexen Einheit eine solche, deren Bestandteile sich in essentiellen Beziehungen zueinander befinden. 55 Eine komplexe Einheit besteht nur dann, wenn eine Dieses Beispiel ist von Kriegel übernommen. Vgl. Kriegel 2009, 159. In Kapitel 7 wird die Wendung »als sich selbst« in einer anderen Bedeutung interpretiert, die sie v. a. im deutschen Sprachraum oftmals besitzt. 53 Kriegel 2009, 155–156, 162, 200. 54 Kriegel 2009, 172. 55 Kriegel 2009, 221. 51 52

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bestimmte Beziehung zwischen bestimmten Bestandteilen vorhanden ist. So sind etwa Moleküle Beispiele für komplexe Einheiten. Sie bestehen bereits dann nicht, wenn Atome nicht in einer bestimmten Beziehung zueinander stehen. Komplexe Einheiten unterscheiden sich damit von summarischen Einheiten, die dann nicht mehr bestehen, wenn einer ihrer Teile nicht mehr vorhanden ist. 56 Ein maximal bewusster mentaler Zustand ist nach Kriegel eine komplexe Einheit, da die Bestandteile dieser Einheit durch subpersonale kognitive Prozesse verbunden sind. Die Verbindung der Momente der Einheit hat eine »reale« Grundlage im menschlichen Organismus, sodass ein maximal bewusster mentaler Zustand dann nicht mehr bewusst ist, wenn diese Verbindung nicht oder nicht mehr besteht. 57 Ein maximal bewusster mentaler Zustand besteht zum einen in der Repräsentation von empfänger-abhängigen Eigenschaften. 58 Entscheidend ist mit Blick auf die Konstitution von phänomenalem Selbstbewusstsein zum anderen die Selbstrepräsentation des mentalen Zustands. Kriegel interpretiert die Selbstrepräsentation des maximal bewussten mentalen Zustands als Repräsentationsbeziehung zwischen logischen Bestandteilen eines mentalen Zustands. 59 So ist bspw. phänomenales Selbstbewusstsein ein logischer Bestandteil eines maximal bewussten mentalen Zustands. Ebenso ist die Überzeugung, dass es regnet, ein logischer Bestandteil des Gefühls der Enttäuschung, dass es regnet. Das Bewusstsein vom eigenen Bewusstsein ist dem Bewusstsein inhärent und wird nicht durch einen eigenen mentalen Akt gewonnen. 60 Kriegels Kerngedanke lautet, dass die Selbstrepräsentation eines maximal bewussten mentalen Zustands indirekt erfolgt, und zwar indem ein logischer Bestandteil M1 eines mentalen Zustands M einen hinreichend großen und stark integrierten anderen logischen Bestandteil M2 dieses mentalen Zustands M repräsentiert und damit indirekt den ganzen mentalen Zustand M repräsentiert, sodass auch der repräsentierende logische Bestandteil M1 seinerseits bewusst ist. Die Selbstrepräsentation ist indirekt, da ein logischer Bestandteil M1 nicht direkt den ganzen mentalen Zustand repräsentiert, sondern einen anderen Bestandteil M2 und durch die Repräsentation von M2 den ganzen mentalen Zustand M repräsentiert. Der repräsentierte Bestandteil M2 hat hinreichend groß zu sein, damit durch seine Kriegel 2009, 221–222. Kriegel 2006, 150, 164. 58 Kriegel 2009, 175. 59 Für Kriegel sind logische Bestandteile solche Bestandteile, die in der Beziehung »logischer Bestandteil« zueinanderstehen. Im Anschluss an die klassische Mereologie interpretiert er diese Beziehung als eine primitive und undefinierte Beziehung, deren Bedeutung anhand der Axiome erkennbar ist, bei denen sie eine Rolle spielt. Kriegel 2009, 216–217. 60 Kriegel 2009, 216, 218, 221. 56 57

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Repräsentation der ganze mentale Zustand repräsentiert ist. So repräsentiert bspw. eine Zeichnung eines Hauses, bei der ein Teilabschnitt verblasst ist, kraft dessen das ganze Haus, dass ein großer Abschnitt des Hauses repräsentiert ist, obgleich ein Teil nicht repräsentiert ist. 61 Der repräsentierte Bestandteil M2 ist in den maximal bewussten mentalen Zustand stark integriert, wenn die Beziehung zwischen ihm und dem ganzen mentalen Zustand »tief und kohäsiv« ist, so wie bspw. die Beziehung zwischen der Oberfläche eines Apfels und seinem Kern. 62 Infolge dessen, dass der repräsentierte logische Bestandteil M2 in den ganzen mentalen Zustand stark integriert ist, ist sichergestellt, dass durch seine Repräsentation der ganze mentale Zustand M und nicht etwas anderes, von diesem Zustand Verschiedenes repräsentiert wird. Durch die indirekte Repräsentation des ganzen mentalen Zustands M ist auch der repräsentierende Bestandteil M1 bewusst, da er ein logischer Bestandteil des mentalen Zustands M ist, sodass der repräsentierende Bestandteil M1 kraft dessen bewusst ist, dass der ganze mentale Zustand M bewusst ist. 63 Kriegel fasst seine Erklärung der 61 Kriegel erwähnt einen statistischen Wert von 80 Prozent. Ein Bestandteil ist ein hinreichend großer Bestandteil, wenn er etwa 80 Prozent des ganzen mentalen Zustands ausmacht. Kriegel 2009, 228. 62 Kriegel erklärt, dass er zögert, die Anforderung »stark integriert zu sein« anzuführen. Kriegel 2009, 227. Sie oder eine andere Erklärung ist jedoch unverzichtbar. 63 Kriegel 2009, 228–229, 231. Anderenfalls wäre die Abgrenzung zu Rocco Gennaros HigherOrder-Theorie nicht gegeben, die Kriegel am Herzen liegt. Bei Gennaro ist im Unterschied zu Kriegel der repräsentierende Bestandteil unbewusst. Der repräsentierende mentale Zustand M1 muss bei Kriegel ein bewusster Aspekt sein. Wenn ich mich nicht irre, erwähnt Kriegel an keiner Stelle explizit, dass der repräsentierende Bestandteil M1 kraft der indirekten Repräsentation des ganzen mentalen Zustands auch sich selbst repräsentiert. Er erklärt, dass der repräsentierende Bestandteil kraft dessen bewusst ist, dass durch die indirekte Selbstrepräsentation der ganze mentale Zustand M ein bewusster mentaler Zustand ist. Da der mentale Zustand M eine komplexe Einheit ist und der repräsentierende Bestandteil M1 indirekt den ganzen mentalen Zustand M repräsentiert, liegt es nahe anzunehmen, dass nach Kriegel der repräsentierende Bestandteil M1 seinerseits repräsentiert wird bzw. sich selbst repräsentiert, indem er den ganzen mentalen Zustand repräsentiert. Vgl. Kriegel 2009, 227–228. Kriegel könnte jedoch auch meinen, dass der repräsentierende Bestandteil M1 zwar kraft dessen bewusst ist, dass er ein logischer Bestandteil des ganzen mentalen Zustands ist, der durch die indirekte Repräsentation ein bewusster mentaler Zustand ist, dass dies jedoch nicht bedeutet, dass deswegen der repräsentierende Bestandteil M1 sich auch selbst repräsentiert. In diesem Fall würde gelten, dass nicht jeder bewusste Gehalt eine Repräsentation dieses Gehalts voraussetzt. Die indirekte Repräsentation des ganzen mentalen Zustands bedeutet nicht, dass jeder seiner Bestandteile repräsentiert ist. Für diese Interpretation und die These, dass der repräsentierende Bestandteil M1 nicht repräsentiert wird, spricht ein wichtiger Punkt. Kriegel erklärt dezidiert, dass es nicht erforderlich ist, dass ein mentaler Zustand alle seine repräsentationalen Eigenschaften repräsentiert. Die Minimalanforderung an einen phänomenal bewussten mentalen Zustand lautet, dass ein mentaler Zustand sich selbst repräsentiert, und zwar dass er schmalitative Eigenschaften hat. Kriegel 2009, 128. Demnach ist nicht erforderlich, dass der logische Bestandteil M1 repräsentiert ist. Die systematische Bedeutung dieser Unterscheidung wird im letzten Kapitel dieser Untersuchung diskutiert.

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Konstitution von phänomenalem Selbstbewusstsein u. a. mit folgender Formel zusammen: »For any mental state M of a subject S, M is conscious iff there are M* and M¸, such that (i) M* is a proper part of M, (ii) M¸ is a proper part of M, (iii) M is a complex of M* and M¸, and (iv) M* represents M by representing M¸.« 64

Der Ausdruck ›proper part‹ bedeutet, dass eine irreflexive, transitive und asymmetrische Beziehung besteht. 65 Es ist wichtig zu beachten, dass die einzelnen integrierten Bestandteile kraft dessen bewusst sind, dass sie Bestandteile des maximal bewussten mentalen Zustands sind. 66 Die logischen Bestandteile des maximal bewussten mentalen Zustands, etwa unterschiedliche Wahrnehmungszustände, sind also deswegen bewusst, weil der maximale Zustand bewusst ist. Um sicher zu stellen, dass ein maximal bewusster mentaler Zustand nicht seinerseits ein Bestandteil eines noch umfassenderen bewussten mentalen Zustands ist, lautet Kriegels »offizielle« Erklärung der Konstitution von phänomenalem Selbstbewusstsein schließlich folgendermaßen: »For any mental state M of a subject S, M is conscious iff there are mental states M+, M* and M¸, such that (i) M* is a proper part of M+, (ii) M¸ is a proper part of M+, (iii) M+ is a complex of M* and M¸, (iv) M* represents M+ by representing M¸, (v) there is no mental state M#, such that M# satisfies (i)– (iv) and M+ is a logical part of M#, and (vi) either (via) M = M+ or (vib) M is an appropriate part of M+«. 67

Der bewusste Gehalt phänomenalen Selbstbewusstseins. Im ersten Kapitel wurde angeführt, dass der Ausdruck ›phänomenales Selbstbewusstsein‹ das Bewusstsein vom Bewusstsein vom qualitativen Charakter bezeichnet. 68 Mit dieser Auskunft ist nicht geklärt, welche Informationen phänomenales Selbstbewusstsein genau enthält, und vor allem, welche bewussten Informationen zu den konstitutiven, das heißt allgemeingültigen und notwendigen Merkmalen phänomenalen Selbstbewusstseins zählen. Notwendige und allgemeingültige Merkmale sind solche, ohne die phänomenales Selbstbewusstsein nicht besteht und die das phänomenale Selbstbewusstsein einer jeder (erwachsenen) Person zu jeder Zeit aufweist. Sie stehen im Zentrum philosophischer Theorien phänomenalen Selbstbewusstseins. Kriegel tendiert grundsätzlich zu einem egologischen Standpunkt. Das heißt, phänomenales Selbstbewusstsein schließt die bewusste 64 65 66 67 68

Kriegel 2009, 228. Kriegel 2009, 217. Kriegel 2009, 229. Kriegel 2009, 230. Vgl. Kriegel 2009, 16 f., 104, 175, 177.

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Information mit ein, Bewusstsein vom eigenen Bewusstsein zu haben. Egologisches Selbstbewusstsein zählt seines Erachtens in »Subjective Consciousness« überraschenderweise jedoch nicht zu den konstitutiven Eigenschaften phänomenalen Selbstbewusstseins. 69 Nach Kriegel zählt ausschließlich anonymes inneres Bewusstsein zu den allgemeingültigen und notwendigen Merkmalen phänomenalen Selbstbewusstseins. 70 Inneres Bewusstsein enthält die bewusste Information, Bewusstsein von einem qualitativen Charakter zu haben, also bspw. im Fall der visuellen Wahrnehmung eines blauen Balles die bewusste Information, Bewusstsein von einem blauen Ball zu besitzen. Es ist ein Fall von anonymem Selbstbewusstsein, da es keine egologische Information enthält. Es ist daher von egologischem Selbstbewusstsein zu unterscheiden. Egologisches Selbstbewusstsein enthält die Information, Bewusstsein vom Subjekt (»meness«) oder auch die Information, Bewusstsein vom eigenen Bewusstsein (»mine-ness«) zu haben. 71 Wichtig ist zu beachten, dass nach Kriegel anonymes phänomenales Selbstbewusstsein nicht nur eine bewusste Information über das Bewusstsein von qualitativen Gehalten besitzt. Inneres Bewusstsein ist selbst nicht unbewusst, sondern phänomenal »manifest«. Anonymes phänomenales Selbstbewusstsein schließt Bewusstsein vom inneren Bewusstsein mit ein. 72 Das Bewusstsein vom inneren Bewusstsein und das innere Bewusstsein sind jedoch dasselbe. Es ist ein und dasselbe Bewusstsein, das (u. a.) ein Bewusstsein von sich selbst darstellt. 73 Kriegel identifiziert anonymes innerliches Bewusstsein als ein konstitutives Merkmal phänomenalen Bewusstseins und damit auch phänomenalen Selbstbewusstseins mithilfe von zwei Methoden, und zwar einerseits der erwähnten Kriegel scheint in dem unlängst gemeinsam mit Dan Zahavi verfassten Aufsatz »For-meness: What it is and what it is not« seine Position modifiziert zu haben. Nunmehr gilt, dass phänomenales Selbstbewusstsein eine egologische Information enthält, die zu seinen konstitutiven Merkmalen zählt. Es handelt sich um die bewusste Information der »Meinigkeit« phänomenalen Bewusstseins. Eine phänomenal bewusste Erfahrung wird als die je eigene erlebt. Kriegel / Zahavi 2014, 38, 42–43. 70 Phänomenales Bewusstsein enthält zwei weitere konstitutive Merkmale. Vgl. Kriegel 2009, 175. Sie sind mit Blick auf die Zielsetzungen dieser Untersuchung nicht von Bedeutung. 71 Vgl. Guillot 2017. Guillots wichtige Untersuchung von »Meinigkeitsbewusstsein« und »Subjektbewusstsein« wird im Folgenden nicht näher berücksichtigt, da sie »Meinigkeitsbewusstsein« anders bestimmt als bspw. Hegel. Nach Guillot schließt Meinigkeitsbewusstsein zusätzlich zum Bewusstsein von der Erfahrung (bzw. dem Bewusstsein) als der eigenen Erfahrung Subjektbewusstsein und Bewusstsein von der Beziehung zwischen dem Subjekt und der Erfahrung mit ein. Dies gilt nach Hegel im Fall von phänomenalem Selbstbewusstsein nicht. Meinigkeitsbewusstsein erschöpft sich nach Hegel in der bewussten Information, dass die eigenen Gefühle bewusst sind. 72 Kriegel 2009, 186–188. 73 Kriegel 2009, 188: »Thus the awareness that constitutes the peripheral inner awareness, and that which constitutes the general impression thereof, are in fact one and the same – it is an awareness that is partly an awareness of itself.« 69

Kriegels komplexe Theorie

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phänomenologisch-deskriptiven Methode, aber andererseits auch mithilfe von reduktiven Gedankenexperimenten. In einem ersten Schritt identifiziert er inneres Bewusstsein anhand einer phänomenologisch-deskriptiven Untersuchung als ein Merkmal phänomenalen Bewusstseins. 74 Die phänomenologischdeskriptive Untersuchung zeigt, dass phänomenales Selbstbewusstsein besteht und das Bewusstsein vom qualitativen Charakter ubiquitär begleitet. Anschließend wird es mithilfe eines reduktiven Gedankenexperiments als ein konstitutiver Bestandteil phänomenalen Bewusstseins und phänomenalen Selbstbewusstseins ausgewiesen. Ein reduktives Gedankenexperiment besteht in der Prüfung der Frage, ob es vorstellbar ist, dass ein Phänomen auch dann besteht, wenn eines seiner Merkmale nicht vorhanden wäre. Wenn dies vorstellbar ist, zählt dieses Merkmal nicht zu den konstitutiven Merkmalen dieses Phänomens. 75 Nach Kriegel ist anonymes inneres Bewusstsein das einzige konstitutive Merkmal phänomenalen Selbstbewusstseins. Es ist nicht vorstellbar, dass phänomenales Selbstbewusstsein und phänomenales Bewusstsein auch ohne inneres Bewusstsein, ohne Bewusstsein vom qualitativen Bewusstsein, bestünden. Demgegenüber ist es vorstellbar, dass phänomenales Selbstbewusstsein auch dann besteht, wenn es keine egologische Information miteinschließt, also bspw. die bewusste Information, Bewusstsein vom eigenen Bewusstsein zu haben. Egologisches Selbstbewusstsein zählt nicht zu den konstitutiven Merkmalen phänomenalen Selbstbewusstseins. Dies gilt auch für autobiographisches Bewusstsein, d. h. die bewusste Information, eine bestimmte Person mit ihren individuellen Erinnerungen, Vorlieben usw. zu sein, oder auch überhaupt ein solcher Gegenstand zu sein, der Erinnerungen, Vorlieben usw. hat. 76 Es ist wichtig zu beachten, dass nach Kriegel ein maximal bewusster mentaler Zustand ein phänomenales Selbstbewusstsein enthält. 77 Obgleich ein maximal bewusster mentaler Zustand mehrere mentale Zustände enthält, also bspw. neben einem visuellen Wahrnehmungszustand einen akustischen WahrnehKriegel 2009, 175. Kriegel unterscheidet konstitutive Merkmale von strukturellen Merkmalen. Strukturelle Merkmale sind Merkmale, welche die Erscheinungsweise phänomenalen Bewusstseins betreffen, ohne dass sie Inhalte des Bewusstseins wären. So ist etwa die Intensität der qualitativen Charaktere ein strukturelles Merkmal von phänomenalem Bewusstsein, ohne dass sie ein Inhalt desselben wäre. Die Intensität färbt oder prägt phänomenales Bewusstsein. Im Unterschied zu konstitutiven Merkmalen ist es bei strukturellen jedoch vorstellbar, dass phänomenales Bewusstsein auch dann besteht, wenn diese Merkmale nicht vorhanden sind. Wenn nach der Darstellung von Kriegels Theorie im weiteren Verlauf dieser Untersuchung von Strukturen oder strukturellen Merkmalen die Rede ist, etwa in Kapitel 3.7 oder 5, sind demgegenüber Merkmale gemeint, von denen nicht gilt, dass ohne sie die Phänomene bestehen, deren Strukturen sie sind. 76 Kriegel 2009, 179. 77 Kriegel 2009, 228. Fn. 39. 74 75

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Analytischer Selbstrepräsentationalismus

mungszustand, begleitet das innere Bewusstsein nicht jeden einzelnen mentalen Zustand für sich. Das heißt, es bestehen nicht ebenso viele Fälle von innerem Bewusstsein, wie es bewusste mentale Zustände gibt, die einen qualitativen Charakter repräsentieren. Es besteht nur ein inneres Bewusstsein. 78 Kriegel zählt zwar explizit ausschließlich anonymes inneres Bewusstsein zu den konstitutiven Merkmalen phänomenalen Selbstbewusstseins. Jedoch ist offensichtlich, dass zusätzlich Bewusstsein vom qualitativen Charakter dazuzuzählen ist. Wie erwähnt konstituiert nach Kriegel anonymes inneres Bewusstsein den qualitativen Charakter und besteht nicht ohne die Repräsentation von Eigenschaften von Gegenständen. Das ist eine ihrer Funktionen. Bewusstsein von einem qualitativen Charakter zu haben, zählt daher nicht nur zu den konstitutiven Merkmalen phänomenalen Bewusstseins, sondern auch phänomenalen Selbstbewusstseins. Zu den konstitutiven Merkmalen zählen somit neben a) dem inneren Bewusstsein vom Bewusstsein (vom qualitativen Charakter) und b) dem Bewusstsein vom inneren Bewusstsein auch c) das Bewusstsein vom qualitativen Charakter.

2.3 Willifords zirkuläre Theorie

Willifords Fokus ist nicht auf die Erklärung des Bewusstseins vom qualitativen Charakter gerichtet. Im Zentrum seiner Untersuchungen steht die Analyse und Erklärung von Selbstbewusstsein. Er entwickelt in »The Self-Representational Structure of Consciousness« sowie anschließend in »Zahavi versus Brentano: A Rejoinder« und in dem gemeinsam mit Gregory Landini und David Rudrauf veröffentlichten Aufsatz »The Paradoxes of Subjectivity and the Projective Structure of Consciousness« und schließlich jüngst in »Degrees of Self-Presence: Rehabilitating Sartre's Account of Pre-Reflective Self-Consciousness and Reflection« Interpretationen, die sich in Details unterscheiden. Er weist jedoch in den beiden zuletzt genannten Aufsätzen darauf hin, dass er seine Theorie in »The Self-Representational Structure of Consciousness« nicht verabschiedet hat. Im Folgenden werden daher ältere und neuere Arbeiten berücksichtigt und Unterschiede nur dann erwähnt, wenn sie bedeutend sind. 79 Die Beziehung zwischen der Konstitution des qualitativen Charakters und des subjektiven Charakters. In Willifords Untersuchungen spielt die Erklärung 78 Kriegel 2009, 180. Nach Kriegel werden zunächst die mentalen Zustände, die empfängerabhängige Eigenschaften von Gegenständen repräsentieren, vereinheitlicht und erst danach wird diese Einheit mit dem inneren Bewusstsein verbunden. 79 Williford 2012, 350; 2016, 68, 92.

Willifords zirkuläre Theorie

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der Konstitution des Bewusstseins vom qualitativen Charakter eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. 80 Er erläutert jedoch die Beziehung zwischen der Konstitution des qualitativen Charakters und des subjektiven Charakters ein wenig näher. Der Schlüsselbegriff ist der Begriff der Acquaintance (Bekanntschaft), den Williford in neueren Untersuchungen an Stelle des Begriffs der Repräsentation verwendet. Die Bekanntschaftsbeziehung zeichnet sich gegenüber repräsentationalen Beziehungen dadurch aus, dass garantiert ist, dass Gegenstände und ihre Eigenschaften, mit denen Bekanntschaft besteht, existieren, und dass die Gegenstände, die in der Bekanntschaftsbeziehung zu einem Subjekt stehen, aktuell im Modus des Bewusst-Seins »präsent« sind (being before the mind). 81 Phänomenales Selbstbewusstsein und das Bewusstsein vom qualitativen Charakter zeichnen sich durch eine Beziehung der Selbst- bzw. Fremdbekanntschaft aus. Das heißt, eine Bewusstseinsepisode besitzt kraft dessen einen subjektiven und einen qualitativen Charakter, dass ein und derselbe mentale Zustand in der Bekanntschaftsbeziehung zu sich selbst, aber auch zu äußeren, vom Subjekt unterschiedenen Gegenständen und ihren Eigenschaften sich befindet. 82 Eine Bewusstseinsepisode enthält, mit Willifords Worten gesprochen, Auto- und Hetero-Intentionalität. Die Konstitution des Bewusstseins vom qualitativen Charakter beruht auf der Bekanntschaftsbeziehung. Wie dies näher besehen zu verstehen ist, erläutert Williford nicht. Die Konstitution des subjektiven Charakters. Auch Willifords Ziel ist es, allgemeingültige und notwendige Strukturmerkmale phänomenalen Selbstbewusstseins zu identifizieren und zu erklären. 83 So wie für Kriegel schließt auch Williford 2006, 127. Kenneth Williford: »Zahavi versus Brentano: A Rejoinder«, in: Psyche 12/2, 2006b, 4; 2016, 80. 82 Williford erklärt, dass er die Ausdrücke ›consciousness‹, ›awareness‹, ›experience‹, ›conscious state‹ synonym verwendet. Dies gilt auch für ›act‹, ›episode‹ und ›state‹. Williford 2006, 135. Soweit ich es überblicke, erläutert Kriegel demgegenüber etwa in »Subjective Consciousness« nicht, ob er die Ausdrücke ›awareness‹, ›experience‹ usw. synonym verwendet oder nicht. Seine Ausführungen sind nicht hinreichend deutlich und einheitlich, um begriffliche Unterschiede eindeutig feststellen zu können. 83 Für Williford haben die Ausdrücke ›Erklärung‹ und ›Beschreibung‹ eine andere Bedeutung als für Kriegel, wenngleich er ebenfalls Erklärungen und Beschreibungen phänomenalen Bewusstseins und Selbstbewusstseins im Sinn Kriegels entwickelt. Williford 2006, 128, 138; 2012, 321. Für Williford wird phänomenales Selbstbewusstsein im Rahmen einer neurowissenschaftlichen Theorie erklärt, während seine Struktur im Bereich der Philosophie des Geistes beschrieben wird. Der Ausgangspunkt für Williford sind jedoch so wie für Kriegel phänomenologische Daten, die durch eine am bewussten Phänomen phänomenales Selbstbewusstsein orientierte Beobachtung und Beschreibung gewonnen werden. Wie für Kriegel enthält die philosophische Theorie eine konstitutive Erklärung von phänomenalem Selbstbewusstsein. Kriegels Beschreibung von phänomenalem Selbstbewusstsein entspricht bei Williford die Identifizierung von phänomenologischen Daten. Kriegels Erklärung dieses Phänomens entspricht Willifords Beschreibung derselben bzw. seine mathematische, mengentheoretische Interpretation. Der Sache nach unterscheidet Williford 80 81

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Analytischer Selbstrepräsentationalismus

für Williford eine Bewusstseinsepisode mehrere bewusste Gegenstände und qualitative Charaktere mit ein. Phänomenales Selbstbewusstsein begleitet nicht jeden einzelnen bewussten qualitativen Charakter für sich. Es besteht eine Bewusstseinsepisode, die mehrere bewusste qualitative Charaktere hat, und ein peripheres phänomenales Selbstbewusstsein. Nicht jeder zu einem Zeitpunkt bewusste qualitative Charakter schließt für sich eine eigene Selbstbekanntschaft des Bewusstseins mit ein. 84 In zwei Punkten unterscheidet sich Willifords Beschreibung von phänomenalem Selbstbewusstsein von der Beschreibung Kriegels. 85 Nach Williford ist phänomenales Selbstbewusstsein phänomenangemessen so beschrieben, dass es Bewusstsein von einer Bewusstseinsepisode, einem Ganzen (whole) bzw. einem Bewusstseinsraum oder Feld darstellt, 86 in dem und für das bewusste qualitative Charaktere auftreten. 87 Phänomenales Selbstbewusstsein ist das Bewusstsein eines Mediums von sich selbst als das Medium, das Ganze, in dem bewusste qualitative Charaktere auftreten. Der bewusste Gehalt phänomenalen Selbstbewusstseins ist aber kein Inhalt neben anderen bewussten Gegenständen und ihren Eigenschaften im Medium bzw. Bewusstsein. Nach Kriegel ist diese Beschreibung falsch. Der bewusste Gehalt phänomenalen Selbstbewusstseins ist phänomenangemessen als ein Bestandteil der bewussten Inhalte einer Bewusstseinsepisode neben anderen bewussten Gegenständen und deren Eigenschaften beschrieben. 88 Außerdem zählt nach Williford – dies gilt jedoch nicht mehr für seine neuen Arbeiten – im Unterschied zu Kriegel eine egologische Information zu den allgemeingültigen und notwendigen Aspekten

also ebenso wie Kriegel die Beschreibungsebene von der Erklärungsebene und entwickelt Beschreibungen und Erklärungen von phänomenalem Selbstbewusstsein im Sinn der Bedeutung dieser Ausdrücke nach Kriegel. Schließlich teilen beide den Standpunkt, dass eine philosophische Theorie der Konstitution phänomenalen Selbstbewusstseins der Ansatzpunkt für eine naturwissenschaftliche Erklärung dieses Phänomens ist. 84 Williford 2006, 128–129. 85 Es ist nicht ohne Schwierigkeiten festzustellen, welche Informationen phänomenales Selbstbewusstsein nach Williford genau enthält. Wenn ich seine Ausführungen richtig deute, zählen dazu: a) die bewusste Information, selbst Bewusstsein zu haben, b) die bewusste Information, Bewusstsein vom eigenen Bewusstsein zu haben, c) die bewusste Information, Bewusstsein vom eigenen mentalen Zustand zu besitzen, und schließlich d) bewusste Informationen über Eigenschaften des eigenen Bewusstseins, also etwa die bewusste Information, sich in einem passiven Wahrnehmungszustand zu befinden (Williford / Rudrauf / Landini 2012, 326–7, 330; Williford 2016, 74–75, 82). 86 Williford 2012, 323, 347. 87 Williford 2006, 129. 88 Kriegel 2009, 204 »It [the whole conscious experience] is one in which there is a particular item within the whole that represents the whole.« Vgl. Kriegel 2009, 205, 215. Vgl. Van Gulick 2006, 29.

Willifords zirkuläre Theorie

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phänomenalen Selbstbewusstseins. 89 Es schließt die bewusste Information mit ein, Bewusstsein vom eigenen Bewusstsein zu haben und selbst Bewusstsein von Gegenständen und qualitativen Charakteren zu besitzen. Williford identifiziert das Subjekt des Bewusstseins zudem mit der egologisch selbstbewussten Bewusstseinsepisode. Es gibt keinen »Homunculus«, welcher der selbstbewussten Bewusstseinsepisode zugrunde liegen würde. Das Subjekt ist die egologischselbstbewusste Bewusstseinsepisode. 90 Nach Kriegel in »Subjective Consciousness« zählt demgegenüber anonymes Selbstbewusstsein zu den konstitutiven Merkmalen. Es schließt keine egologische Information mit ein. Kriegel und Williford unterscheiden sich somit hinsichtlich der Antwort auf die Frage, welche Informationen phänomenales Selbstbewusstsein enthält. Auch Willifords Erklärung der Konstitution von phänomenalem Selbstbewusstsein unterscheidet sich in Details von Kriegels Standpunkt. In »The SelfRepresentational Structure of Consciousness« verwendet Williford den Ausdruck ›Repräsentation‹. In neuen Aufsätzen ersetzt er diesen Ausdruck durch den Begriff der »Acquaintance« oder auch »Selbstacquaintance«. Der Sache nach hält Williford jedoch nach wie vor an dem Modell fest, das er in »The Self-Representational Structure of Consciousness« entwickelt. Es soll daher an dieser Stelle dieses Modell berücksichtigt werden. Williford nimmt in dieser Untersuchung an, dass phänomenales Selbstbewusstsein durch die Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands (bzw. des Bewusstseins) konstituiert wird. 91 Für Williford zeichnet sich phänomenales Selbstbewusstsein durch eine zirkuläre Struktur aus. 92 Das bedeutet nicht, dass seine Erklärung zirkulär ist. Das Phänomen weist eine zirkuläre Struktur auf. Der entscheidende Gedanke lautet, dass phänomenales Selbstbewusstsein dann besteht, wenn ein mentaler Zustand eine Repräsentation (R1) repräsentiert, die (gemeint ist die Repräsentation (R1)) als Gehalt sowohl mehrere qualitative Charaktere als auch diejenige Repräsentation (R2) enthält, welche die Repräsentation (R1) repräsentiert. Eine Bewusstseinsepisode enthält somit zwei Repräsentationen: Eine Repräsentation (R1) repräsentiert eine Repräsentation (R2) und Gegenstände mit ihren Eigenschaften und damit qualitative Charaktere. Die Repräsentation (R2) repräsentiert die Repräsentation (R1) und damit sich selbst, da die Repräsentation (R2) selbst nichts anderes als die von der Repräsentation (R1) repräsentierte Repräsentation (R2) ist. Auch für Williford ist die Selbstrepräsentation indirekt, da eine Williford verwendet die Ausdrücke ›Strukturmerkmal‹ und ›essentiell‹. Damit sind m. E. nichts anderes als Kriegels konstitutive Merkmale gemeint. Williford / Rudrauf / Landini 2012, 322. 90 Williford 2012, 322, 325–326. 91 Williford 2006, 115. Williford erwähnt sowohl das Bewusstsein als auch mentale Zustände. 92 Williford 2006, 128. 89

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Analytischer Selbstrepräsentationalismus

Repräsentation (R2) sich nicht unmittelbar selbst repräsentiert, sondern eine Repräsentation (R1) repräsentiert, zu deren Gehalt u. a. die Repräsentation (R2) zählt, die die Repräsentation (R1) repräsentiert. Für Williford hat die indirekte Selbstrepräsentation eine andere Struktur als für Kriegel. Für Williford liegt deswegen eine indirekte Repräsentation vor, weil ein mentaler Zustand eine Repräsentation (R2) leistet, die eine Repräsentation (R1) repräsentiert, welche die Repräsentation (R2) repräsentiert. Die repräsentierte Repräsentation (R1) repräsentiert ihrerseits den ganzen repräsentationalen Mechanismus und kraft dessen besteht eine indirekte Selbstrepräsentation. Für Kriegel ist die Selbstrepräsentation indirekt, da ein logischer Bestandteil eines mentalen Zustands einen anderen logischen Bestandteil desselben mentalen Zustands repräsentiert und kraft dessen indirekt den ganzen mentalen Zustand. Im Unterschied zu Williford repräsentiert nach Kriegel der repräsentierte mentale Zustand nicht den ganzen mentalen Zustand. Willifords neuer Standpunkt. In neueren Untersuchungen modifiziert Williford seinen Standpunkt. Die im vorliegenden Kontext relevanten Änderungen betreffen a) seine egologische Interpretation von Selbstbewusstsein und b) die Interpretation der Struktur, welche die Konstitution von Selbstbewusstsein auszeichnet. In »Representationalism, Subjective Charakter, and Self-Acquaintance« vertritt Williford den Standpunkt, dass phänomenales Selbstbewusstsein ein Fall von anonymem Selbstbewusstsein ist. Es enthält kein Bewusstsein der »Meinigkeit«, also bspw. die bewusste Information, Bewusstsein vom eigenen mentalen Zustand zu haben. 93 Williford grenzt sich mit dieser Interpretation von Zahavis egologischem Ansatz ab. Nach Williford schließt für Zahavi Selbstbewusstsein einen jeweils individuellen Ich-Kern mit ein, eine »Haecceitas«, d. h. eine »Zahavi-ness«, eine »Williford-ness« usw. Das ist nicht richtig. Phänomenales Selbstbewusstsein ist anonym mit sich bekannt, ohne dass es einen jeweils personenspezifischen Subjektkern gäbe, der bewusst wäre. Vielmehr besitzen alle Personen, die Bewusstsein haben, denselben Typ von phänomenalem Selbstbewusstsein. Die Individuation erfolgt durch diejenigen Bedingungen, die für die Individuation von physischen Objekten sich verantwortlich zeigen – welche Bedingungen dies auch immer sein mögen, also bspw. der Körper und raumzeitliche Faktoren. 94 Die zweite Änderung betrifft die Interpretation der Struktur von Bewusstsein und Selbstbewusstsein. In »Degrees of Self-Presence« betont Williford, dass phänomenales Selbstbewusstsein kein Fall von repräsentationalem Bewusstsein ist. 95 Der neue Schlüsselbegriff ist, wie erwähnt, der 93 Kenneth Williford: »Representationalism, Subjective Character, and Self-Acquaintance«, in: T. Metzinger / J.M. Windt (Hg.): Open MIND: 39. Frankfurt am Main 2015, 16. 94 Vgl. Williford 2015, 16. 95 Williford 2016, 70, 79.

Lurz Same-order-Theorie

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Begriff der Bekanntschaft. Im Fall von Selbstbewusstsein ist das Objekt der Bekanntschaftsbeziehung nicht-gegenständlich. Das bedeutet nicht nur, dass das Subjekt qua Objekt der Bekanntschaftsbeziehung kein Gegenstand ist, wie er im Zusammenhang mit der Repräsentation von äußeren Gegenständen und deren Eigenschaften repräsentiert wird. Es bedeutet ferner, dass die Bekanntschaftsbeziehung eine relationale Struktur aufweist, deren Relate Bestandteile einer Beziehung sind, die nicht unabhängig von dieser Beziehung zueinander bestehen, und dass kein inhaltlicher Unterschied zwischen den Relaten vorliegt. 96

2.4 Lurz Same-order-Theorie

Die Konstitution bewusster intentionaler Zustände. Im Zentrum der Untersuchungen von Robert W. Lurz steht Zustandsbewusstsein (state consciousness). Er untersucht die Frage, wodurch ein intentionaler (mentaler) Zustand ein bewusster intentionaler (mentaler) Zustand ist. 97 Intentionale Zustände sind nach Lurz mentale Zustände einer Person, die auf etwas, auf »Gegenstände« in einem weiten Verständnis dieses Wortes gerichtet sind, die von ihnen zu unterscheiden sind. 98 Zu diesen »Gegenständen« zählen u. a. raumzeitliche Objekte, Propositionen und die Inhalte anderer mentaler Zustände. 99 Beispiele für intentionale Zustände sind Überzeugungen, Wünsche oder Wahrnehmungszustände. Nach Lurz ist die Frage, wodurch ein intentionaler Zustand ein bewusster mentaler Zustand (state-consciousness) ist, von der Frage zu unterscheiden, wodurch ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand (phenomenal consciousness) ist. 100 Lurz bestreitet nicht, dass bewusste intentionale Zustände einen qualitativen Charakter aufweisen (können), bspw. bewusste akustische Wahrnehmungen. Jedoch ist die Eigenschaft eines mentalen Zustands, phänomenal bewusst zu sein, eine bestimmbare Eigenschaft, 96 Williford 2016, 91. Vgl. Williford 2006b, 4. In einem Gespräch berichtete mir Williford, dass ihm dies bereits zur Zeit der Verfassung des Aufsatzes »The Self-Representational Structure of Consciousness« vor Augen stand, wo er anführt, dass im Fall von Selbstbewusstsein eine leere (»empty«) Repräsentation stattfinde. Diese Darstellung schien ihm in weiterer Folge nicht falsch, aber missverständlich zu sein. 97 Im Folgenden wird Lurz’ Theorie in Lurz 2004 und in Robert W. Lurz: »Conscious Beliefs and Desires: A Same-Order Approach«, in: Uriah Kriegel / Kenneth Williford (Hg.): Self-representational approaches to consciousness. Cambridge, MA: MIT Press 2006, 321–351, dargestellt. Sie unterscheidet sich von Lurz’ ursprünglicher Position in »Neither HOT nor COLD. An Alternative Account of Consciousness«, in: Psyche, 9/1, 2003. http://psyche.cs.monash.edu.au/v9/psyche-9-01-lurz.html. Dies erklärt Lurz explizit in: Lurz 2004, 248. 98 Lurz 2004, 228. 99 Lurz 2004, 227. 100 Lurz 2004, 250.

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Analytischer Selbstrepräsentationalismus

während dies für die Eigenschaft, ein bewusster intentionaler Zustand zu sein (state-consciousness), nicht gilt. 101 Die Eigenschaft, ein phänomenal bewusster mentaler Zustand zu sein, ist eine bestimmbare Eigenschaft, da unterschiedliche phänomenal bewusste mentale Zustände, etwa visuelle und akustische Wahrnehmungszustände, das Merkmal teilen, das nach Lurz phänomenales Bewusstsein auszeichnet, und zwar dass es ein subjektives Zumutesein mit einschließt. Diese phänomenal bewussten mentalen Zustände unterscheiden sich hinsichtlich der jeweils spezifischen Weise, wie es für eine Person ist, einen visuellen oder akustischen Zustand zu erleben. Einer Person ist anders zumute, wenn sie eine phänomenal bewusste visuelle Wahrnehmung hat, als wenn sie eine phänomenal bewusste akustische Wahrnehmung hat. Die Eigenschaft eines mentalen Zustands, phänomenal bewusst zu sein, ist daher eine bestimmbare Eigenschaft. Sie tritt in unterschiedlichen Varietäten auf. Dies gilt nach Lurz nicht, wenn die Rede davon ist, dass unterschiedliche intentionale Zustände bewusste mentale Zustände (state-consciousness) sind. Zwei unterschiedliche bewusste intentionale Zustände, etwa ein visueller und ein akustischer Wahrnehmungszustand, unterscheiden sich nicht hinsichtlich dessen, dass sie bewusste Zustände sind. Die Eigenschaft, ein bewusster mentaler Zustand zu sein, ist keine in einem mit phänomenalem Bewusstsein vergleichbaren Sinn bestimmbare Eigenschaft. Sowohl bewusste akustische als auch visuelle Wahrnehmungszustände sind mentale Zustände, die sich mit Blick auf den Aspekt, bewusst zu sein, nicht unterscheiden. Lurz entwickelt im Unterschied zu Kriegel keine Theorie der Konstitution des Bewusstseins vom qualitativen Charakter und er entwickelt im Unterschied zu Kriegel und Williford auch keine Theorie der Konstitution des subjektiven Charakters. Lurz erläutert nicht, worin phänomenales Bewusstsein besteht. Er versucht zu erklären, wodurch ein intentionaler Zustand ein bewusster mentaler Zustand ist. Dennoch zählt Lurz nach Ansicht von Selbstrepräsentationalisten wie Kriegel und Williford zu den Selbstrepräsentationalisten. Nach Lurz ist ein intentionaler Zustand, M1, dann ein bewusster mentaler Zustand, wenn er einen Gehalt aufweist, der von einem anderen mentalen Zustand, M2, ein weiteres Mal aktuell – und nicht bloß dispositional – repräsentiert wird. 102 Lurz bezeichnet seine Theorie daher als eine Same-OrderTheorie, da zwei numerisch verschiedene mentale Zustände denselben Gehalt repräsentieren. 103 Es ist wichtig zu beachten, dass der mentale Zustand M2 ausschließlich den Gehalt des anderen mentalen Zustands M1 repräsentiert und 101 102 103

Lurz 2004, 229. Lurz 2004, 252. Lurz 2004, 240; 2006, 334.

Lurz Same-order-Theorie

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nicht etwa auch den mentalen Zustand selbst. Der mentale Zustand M1 ist deswegen ein bewusster mentaler Zustand, da der mentale Zustand M2 den Gehalt des mentalen Zustands M1 repräsentiert. 104 Eine Person besitzt Bewusstsein vom Gehalt des mentalen Zustands M1 durch die erneute Repräsentation dieses Gehalts durch den mentalen Zustand M2. Das bedeutet auch, dass der mentale Zustand M2 selber nicht bewusst ist. 105 Der bewusste mentale Zustand ist derjenige mentale Zustand, dessen Gehalt von einem anderen mentalen Zustand repräsentiert wird. Damit ein intentionaler Zustand ein bewusster mentaler Zustand ist, ist zudem erforderlich, dass die Beziehung zwischen dem mentalen Zustand M2 und dem von diesem Zustand repräsentierten Gehalt unmittelbar ist und dass eine Person wegen des mentalen Zustands M1 Bewusstsein von seinem Gehalt besitzt. 106 Die Beziehung ist dann unmittelbar, wenn sie nicht auf einer Überlegung, Beobachtung oder einem Schluss beruht. 107 Es ist erforderlich, dass eine Person wegen des mentalen Zustands M1 Bewusstsein vom Gehalt von diesem Zustand besitzt, da es anderenfalls möglich ist, dass eine Person Bewusstsein vom Gehalt eines intentionalen Zustands besitzt, ohne dass dieser mentale Zustand deswegen ein bewusster mentaler Zustand ist. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn eine Person P1 eine unbewusste Überzeugung hat, etwa dass Bayern München deutscher Fußballmeister werden wird, und ihr eine andere Person P2 mitteilt, dass sie (die Person P2) der Ansicht ist, dass Bayern München deutscher Fußballmeister werden wird. Kraft des Verstehens der Bedeutung dieser Mitteilung besitzt die Person P1 Bewusstsein vom Gehalt ihrer unbewussten Überzeugung – die Person P1 glaubt ebenfalls, dass Bayern München deutscher Fußballmeister werden wird –, ohne dass ihre Überzeugung deswegen eine bewusste Überzeugung wäre. Nach Lurz ist daher erforderlich, dass eine Person wegen des Gehalts eines mentalen Zustands ein unmittelbares Bewusstsein von eben diesem Gehalt hat und nicht wegen etwas anderem wie einer Mitteilung. Eine Kernthese von Lurz besagt, dass der bewusste Gehalt eines bewussten intentionalen Zustands eine Proposition ist. Die Proposition bestimmt Lurz Lurz 2004, 244. Lurz 2006, 338–339. 106 Lurz 2004, 239, 244; 2006, 333, 336. 107 Ein Kriterium, das nach Lurz erkennen lässt, in welchen Fällen eine unmittelbare Beziehung besteht und damit ein bewusster intentionaler Zustand vorliegt, besteht darin, dass eine Person etwa infolge einer Nachfrage sogleich, und damit ohne dass eine Überlegung, Beobachtung oder ein Schluss erforderlich wäre, sprachlich auszudrücken vermag, welchen mentalen Zustand sie besitzt, etwa welche Überzeugung sie hat. Wenn eine Person direkt auf die Frage, wer deutscher Fussballmeister werden wird, antwortet: »Der FC Bayern wird gewinnen«, zeigt dies nach Lurz, dass eine Person einen bewussten mentalen Zustand, eine bewusste Überzeugung hat, nämlich dass der FC Bayern deutscher Meister werden wird. Lurz 2004, 239, 241. 104 105

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Analytischer Selbstrepräsentationalismus

»as a placeholder for whatever it is that determines the truth, veridicality, or satisfaction conditions of intentional states«. 108 Der bewusste Gehalt ist weder ein raumzeitlicher Gegenstand noch der mentale Zustand selbst, etwa ein visueller Wahrnehmungszustand. Im Fall eines wahren bewussten Gedankens ist der bewusste Gehalt bspw. ein abstrakter Gegenstand, der die Wahrheitsbedingung des Gedankens bestimmt. 109 So ist bspw. der Gedanke, dass Paris die Hauptstadt von Frankreich ist, dann wahr, wenn gilt, dass Paris die Hauptstadt dieses Staates ist. Der bewusste Gehalt ist die Proposition, dass Paris die Hauptstadt von Frankreich ist. 110 Entsprechend der propositionalen Interpretation des bewussten Gehalts eines bewussten intentionalen Zustands ist der mentale Zustand M2 nach Lurz ein Gedanke (bzw. ist die mentale Einstellung dieses mentalen Zustands gedankenartig), 111 der den intentionalen Gehalt des mentalen Zustands M1 in propositionaler Form präsentiert, also dergestalt präsentiert, dass ein bestimmter Gehalt vorliegt, bspw. dass eine reife Tomate sich auf einem Tisch befindet. Der Gehalt des mentalen Zustands M1 muss seinerseits als solcher nicht propositional sein. Außerdem schließt der mentale Zustand M2 nach Lurz einen deiktischen demonstrativen Begriff mit ein, und zwar den (komplexen) Begriff »dass dieser (oder »es« oder »das«) ist (vorliegt) (»it's that p«)«. 112 Der mentale Zustand M2 enthält also bspw. im Fall einer Überzeugung den Gehalt »Es ist so, dass meine Schlüssel sich in meiner Tasche befinden«. 113 Der deiktische demonstrative Begriff identifiziert den Gehalt, der mithilfe dieser Identifizierung jeweils bewusst ist. 114 Lurz verbindet diese Erklärung der Konstitution eines bewussten intentionalen Zustands mit einer kausalen Interpretation. Der mentale Zustand M1 verursacht die Repräsentation seines Gehalts durch einen anderen mentalen Zustand M2. 115 Dies erklärt, welcher Gehalt vom mentalen Zustand M2 anhand der deiktisch demonstrativen Komponente herausgegriffen wird, also bspw. warum vom mentalen Zustand M2 der Gehalt des mentalen Zustands M1 und Lurz 2004, 252. Vgl. Lurz 2004, 237, 2006, 346. Lurz 2004, 252. 110 Lurz 2004, 238. 111 Lurz 2004, 252, 2006, 336. 112 Lurz 2006, 337–338. 113 Lurz 2006, 337. 114 Lurz 2006, 336. Lurz unterscheidet deiktische demonstrative Begriffe bzw. Ausdrücke von anaphorischen demonstrativen Ausdrücken bzw. Begriffen. Deiktische demonstrative Begriffe referieren auf etwas, das dem Subjekt unvermittelt (»out of the blue«) direkt gegenüber steht. Anaphorische demonstrative Begriffe bzw. Ausdrücke referieren auf etwas, das zuvor in Gedanken oder im Gespräch erwähnt worden ist. So referiert bspw. ›dies‹ in der Äußerung: »Hegel ist ein bedeutender Philosoph, dies ist gewiß!« auf den Gedanken, den der Hauptsatz ausdrückt. 115 Vgl. jedoch Lurz 2006, 351. 108 109

Van Gulicks HOGS-Theorie

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kein anderer Gehalt repräsentiert wird. 116 Infolge der kausalen Interpretation ist eine zeitliche Differenz zu beachten. Der mentale Zustand M1 besteht zeitlich, bevor der mentale Zustand M2 seinen Gehalt in propositionaler Form ein weiteres Mal repräsentiert. 117 Lurz' Theorie unterscheidet sich signifikant von den Theorien Kriegels und Willifords. Lurz entwickelt ausdrücklich eine Theorie von Zustandsbewusstsein und weder vom Bewusstsein vom qualitativen Charakter noch von phänomenalem Selbstbewusstsein. Lurz bezeichnet seine Theorie als Same-orderTheorie, da ein Gehalt zweimal repräsentiert wird. Die Theorien von Kriegel und Williford sind selbstrepräsentationalistische Theorien, da ein und derselbe mentale Zustand sich selbst repräsentiert (bzw. repräsentiert ein Bestandteil eines mentalen Zustands einen Bestandteil desselben mentalen Zustands oder ist ein und derselbe mentale Zustand mit sich selbst bekannt (acquaintance)). Im Unterschied zu Lurz ist für Kriegel und Williford der repräsentierende mentale Zustand (bzw. der repräsentierende Bestandteil) nicht unbewusst, während Lurz eben dies behauptet. Außerdem vertritt Lurz weder die Ubiquitätsthese noch die Depedenz-These. 118 Nach Lurz gilt nicht – zumindest erklärt Lurz dies nicht explizit –, dass ein mentaler Zustand nur dann ein bewusster mentaler Zustand ist, wenn phänomenales Selbstbewusstsein (oder überhaupt ein Fall von Selbstbewusstsein) vorliegt. Dementsprechend entwickelt Lurz keine Theorie der Konstitution des subjektiven Charakters bzw. von Selbstbewusstsein, während dies das Herzstück der Theorien von Kriegel und Williford ist.

2.5 Van Gulicks HOGS-Theorie

Die Konstitution des qualitativen Charakters. Die Grundlage von Robert Van Gulicks Higher-Order-Global-State-Theorie (HOGS-Theorie) phänomenalen Bewusstseins bildet sein teleopragmatischer Ansatz. 119 Demnach ist der menschliche Geist ein biologisches Phänomen. Die zentrale Aufgabe und Ausrichtung des menschlichen Geistes besteht darin, Ziele und Zwecke (telos) zu Lurz 2006, 337–338. Lurz 2006, 338. Lurz zeigt im Anschluss an seine Erklärung der Konstitution von bewussten intentionalen Zuständen, wie seine Interpretation mit Überlegungen aus dem Bereich der Kognitionswissenschaften zu vereinbaren sind. Vgl. Lurz 2006, 339 ff. Dieser Aspekt seiner Theorie wird nicht dargestellt. Im Zentrum dieser Arbeit stehen »geistphilosophische«, konstitutive Theorien. 118 Lurz 2006, 334–335. 119 Van Gulick 2006, 17. Im Folgenden wird Van Gulicks Theorie phänomenalen Bewusstseins behandelt. Van Gulick beansprucht nicht, phänomenales Bewusstsein vollständig zu erklären. Van Gulick 2004, 90–91, 2006, 37. 116 117

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Analytischer Selbstrepräsentationalismus

erreichen, 120 sodass der menschliche Geist und seine mentalen Zustände unter praktischen Gesichtspunkten und mit Blick auf praktische Aufgabenstellungen (pragmatisch) interpretiert werden. Zu den grundlegenden Zielen zählen Wachstum, Nahrung, Reproduktion usw. Im Anschluss an Daniel Dennett nimmt Van Gulick an, dass die Grenze zwischen bewussten und unbewussten mentalen Zuständen fließend ist, und nimmt eine Einteilung in Grade des mehr oder weniger bewusst Seins vor. Ein mentaler Zustand ist dann ein bewusster mentaler Zustand, wenn er zerebrale Prominenz erreicht hat, und er ist ein je nachdem mehr oder weniger bewusster mentaler Zustand, also bspw. ein mentaler Zustand, der im Fokus der Aufmerksamkeit einer Person steht, je mehr oder weniger »prominent« er ist. 121 Die zerebrale Prominenz besteht in dem Grad an Einfluss, den ein mentaler Zustand auf die Entwicklung der Zustände des Organismus und sein Verhalten hat. 122 Je größer der Einfluss eines mentalen Zustands ist, desto prominenter und damit bewusster ist er. Ein mentaler Zustand, der vergleichsweise sehr »prominent« ist, zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass er mit einer größeren Anzahl von Zuständen in Verbindung steht und sie mehr beeinflusst als andere mentale Zustände. Dem teleopragmatischen Ansatz zufolge liegt phänomenalem Bewusstsein ein subpersonales Substrat zugrunde, ein globaler Zustand, der die neuronale Realisierung einer Bewusstseinsepisode darstellt. 123 Es handelt sich um einen globalen Zustand, da menschliches Bewusstsein nicht in einzelnen, bestimmten Regionen des Gehirns lokalisiert ist, sondern anhand von »global« verzweigten und miteinander vernetzten neuronalen Korrelaten menschlichen Bewusstseins realisiert ist. 124 Van Gulicks Theorie phänomenalen Bewusstseins zeichnet sich durch zwei weitere Thesen aus. Die erste These besagt, dass ein mentaler Zustand (bzw. der ihm entsprechende neurobiologische Vorgang) dadurch ein phänomenal 120 Ein Ziel bestimmt Van Gulick folgendermaßen: »A System S is defined as pursuing a given state of affairs g as a goal, if it exhibits a persistent and diverse range of behaviors which result in the production of g, with the additional condition that there be no direct simple causal connection between the disturbing influences that deflect S from g-producing-behavior and the responses by which S reorients itself toward producing g in the altered circumstances.« Van Gulick: »A functionalist plea for self-consciousness«, in: The Philosophical Review, Vol XCVII, Nr. 2, 1988, 154. Zur Bedeutung des Ausdrucks ›simple causal connection‹ vgl.: Van Gulick: »Functionalism, Information and Content«, in: José Luis Bermúdez: Philosophy of Psychology. Contemporary Readings, New York 2006, 69. 121 Robert Van Gulick: »Inward and Upward: Reflection, Introspection, and Self-Awareness«, in: Philosophical Topics, 28/2, 2000, 296. 122 Van Gulick 2000, 296, 2004, 75, 2006, 24. 123 Van Gulick 2004, 88–89, 2006, 24. 124 Van Gulick 2004, 77.

Van Gulicks HOGS-Theorie

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bewusster mentaler Zustand ist, 125 dass er in das subpersonale Substrat, den globalen Zustand, integriert wird, der mehrere mentale Zustände (bzw. die ihnen entsprechenden neurobiologischen Vorgänge) enthält. 126 Ein bewusster mentaler Zustand ist somit wie für Kriegel ein Bestandteil einer komplexen Einheit, nach Van Gulick eines globalen Zustands, da eine psychologische und biologische reale Verbindung, die Integration, zwischen dem ehedem unbewussten mentalen Zustand und dem globalen Zustand besteht, sodass der mentale Zustand dann nicht bewusst ist, wenn diese Beziehung, die Integration, nicht oder nicht mehr besteht. 127 Dass der mentale Zustand integriert wird, bedeutet nicht, dass ein unbewusster mentaler Zustand durch eine Repräsentation durch einen anderen mentalen Zustand ein bewusster mentaler Zustand ist. Vielmehr wird ein mentaler Zustand dadurch ein bewusster mentaler Zustand, dass er infolge der Integration in den globalen Zustand an zerebraler Prominenz gewinnt. 128 Der mentale Zustand wird anhand der Integration jedoch modifiziert. 129 Van Gulick bezeichnet den mentalen Zustand, insofern er im globalen Zustand integriert ist, daher auch als »near successor« des ehemals unbewussten mentalen Zustands. 130 Der qualitative Charakter eines mentalen Zustands wird durch die Integration in den globalen Zustand transformiert, da er in die phänomenal bewusste Welt eines Subjekts, eines Akteurs, versetzt wird. 131 Wenn eine unbewusste visuelle Wahrnehmung bspw. Informationen über eine blaue Fläche auf der linken Seite (des Wahrnehmungsfeldes einer Person) enthält, bleiben diese Informationen zwar erhalten, wenn der mentale Zustand in den globalen Zustand aufgenommen wird. Sie werden im Zuge der Integration in den globalen Zustand jedoch einem Objekt zugeschrieben, einem raumzeitlichen Gegenstand in der phänomenal bewussten Welt, bspw. einer Vase, und erhalten damit eine neue Bedeutung. 132 Für Van Gulick ist der qualitative Charakter keine Eigenschaft eines mentalen Zustands. Er ist eine Eigenschaft der erfahrenen Objekte. 133 Die Aufgabenstellung, die Konstitution vom qualitativen Charakter Van Gulick 2004, 90. Van Gulick 2006, 25. 127 Der Ausdruck ›komplexer Zustand‹ ist im Sinn von Kriegels mereologischer Verwendung zu verstehen. Vgl. Kriegel 2006b, 150. Kriegel zählt Van Gulick zu den Vertretern des Selbstrepräsentationalismus, die eine komplexe Interpretation eines bewussten mentalen Zustands entwickeln. 128 Van Gulick 2004, 78. 129 Van Gulick 2006, 25. Van Gulick folgt bei dieser Annahme Christopher Hills Interpretation der Introspektion. 130 Van Gulick 2004, 79. 131 Van Gulick 2000, 301–302. 132 Van Gulick 2004, 90. Der qualitative Charakter eines mentalen Zustands wird auch dadurch modifiziert, dass er mit komplexeren Formen von Selbstbewusstsein in Verbindung gebracht wird. Dies wird im Folgenden im Zusammenhang mit der Darstellung der zweiten These erläutert. 133 Van Gulick 2006, 37. 125

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zu erklären, ist von untergeordneter (»posterior«) 134 Bedeutung gegenüber der Aufgabenstellung, zu erklären, wie es möglich ist, eine Welt von Objekten zu erfahren. Die zweite These lautet, dass ein mentaler Zustand auch dadurch ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist, dass er anhand der Integration in den globalen Zustand mit einem höheren Grad an Selbstbewusstsein in Beziehung gebracht wird, das im Zusammenhang mit dem globalen Zustand besteht. 135 Es handelt sich um mehrere Fälle von nicht-begriff lichem Selbstbewusstsein, 136 die implizit vorhanden sind. Das heißt, sie sind keine Bestandteile des Gehalts eines mentalen Zustands, der in den globalen Zustand integriert wird, sondern Bestandteile der Struktur eines globalen Zustands und phänomenalen Bewusstseins. Wenn eine Person eine grüne Vase auf einem Tisch visuell wahrnimmt, gewinnt sie durch diesen mentalen Zustand die Information, dass eine grüne Vase sich auf einem Tisch befindet. Die Person besitzt zudem u. a. die Information, dass sie selbst Bewusstsein von dieser Vase hat, die sich vor ihr befindet. 137 Diese Information ist kein Bestandteil des Gehalts des Wahrnehmungszustandes. Sie zählt zu den strukturellen Informationen, die phänomenales Bewusstsein aufweist. 138 Nach Van Gulick enthält phänomenales Bewusstsein somit nicht nur unterschiedliche qualitative Charaktere, sondern zeichnet sich durch eine spezifische Struktur aus, die u. a. durch mehrere Fälle von Selbstbewusstsein geprägt ist. Van Gulick spricht daher auch von einer phänomenalen Erfahrung. 139 Eine Theorie phänomenalen Bewusstseins hat diese Strukturmerkmale zu berücksichtigen und eine Theorie phänomenaler Erfahrung zu sein. Nach Van Gulick begleitet Selbstbewusstsein somit notwendigerweise jeden Fall von phänomenalem Bewusstsein, und da ein mentaler Zustand auch durch die Verbindung mit implizitem Selbstbewusstsein zu einem phänomenal bewussten mentalen Zustand wird, ist es zudem eine notwendige Bedingung der Möglichkeit phänomenalen Bewusstseins. 140 So wie Kriegel und Williford – und im Unterschied zu Lurz – vertritt Van Gulick die Ubiquitätsthese und die Dependenzthese. 141 Dies bedeutet jedoch nicht, dass nach Van Gulick ein mentaler Zustand allererst durch die Integration in den globalen Zustand eine selbstreferentielle Information aufweist. Wie erwähnt vertritt er Van Gulick 2006, 37. Van Gulick 2000, 299–300, 2006, 23–25. 136 Van Gulick 2004, 85, 88. 137 Van Gulick 2000, 299. 138 Van Gulick 2006, 27. 139 Robert Van Gulick: »Understanding the Phenomenal Mind: Are we all just armadillos?«, in: William Lycan: Mind and Cognition: a reader. Oxford 1990, 461. 140 Van Gulick 2004, 83–85. 141 Van Gulick 1988, 178. 134 135

Van Gulicks HOGS-Theorie

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den Standpunkt, dass ein mentaler Zustand durch die Integration mit einem höheren Grad an Selbstbewusstsein in Beziehung gebracht wird. Nach Van Gulick enthalten auch unbewusste mentale Zustände implizite selbstreferentielle Informationen. Der Grad an selbstreferentieller Information wird durch die Integration in den globalen Zustand erhöht. Wenn ein unbewusster mentaler Zustand die nicht-begriff liche Information enthält, die sich sprachlich folgendermaßen ausdrücken lässt: »Ich sehe einen Baum hier und jetzt«, dann enthält der mentale Zustand durch die Integration in den globalen Zustand die zusätzliche Information: »Ich sehe einen Baum hier und jetzt direkt vor mir«. 142 Der unbewusste mentale Zustand enthält jedoch weder eine bewusste selbstreferentielle Information noch einen bewussten qualitativen Charakter. Die selbstreferentielle Information und der qualitative Charakter (des erfahrenen Objekts) sind allererst durch die Integration in den globalen Zustand bewusst. Van Gulick erwähnt vier Fälle von implizitem strukturellem Selbstbewusstsein, mit denen ein mentaler Zustand anhand der Integration in den globalen Zustand in Beziehung tritt, sodass er ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist: a) Die phänomenale Erfahrung zeichnet sich dadurch aus, dass Objekte mit ihren Eigenschaften und Ereignisse als hier und jetzt präsent erscheinen. Sie erscheinen in raumzeitlicher Hinsicht als gegenwärtig, als vorliegend, präsent. Erscheinen und präsent sein sind nach Van Gulick nur dann kohärente Begriffe, wenn etwas für ein Subjekt erscheint und präsent ist, das es in Beziehung zu sich selbst bewusst erlebt. 143 Die Erfahrung schließt ein reflexives Merkmal mit ein. b) Die Struktur der phänomenalen Erfahrung zeichnet sich durch zwei Einheiten aus, die miteinander in Beziehung stehen. Es sind dies die Einheit der Welt und die Einheit des Subjekts. Die Einheit der Welt besteht darin, dass Personen eine Welt erleben, in der (relativ) beharrliche Objekte in mannigfaltigen Beziehungen zueinanderstehen und damit in einen einheitlichen raumzeitlichen Kontext eingebettet sind. 144 Die Einheit des Subjekts besteht in diachroner und synchroner Hinsicht. Das Subjekt versteht sich als ein und dasselbe Subjekt im zeitlichen Verlauf seiner Erfahrungen. Es begreift sich aber auch mit Blick auf eine Erfahrungssituation als ein und dasselbe Subjekt unterschiedlicher Erfahrungsinhalte und Zustände, also bspw. als ein und dasselbe Subjekt, das zugleich etwas hört, sieht und riecht. Beide Einheiten stehen nicht Van Gulick 2000, 300. Gemäß der im zweiten Kapitel dieser Untersuchung gegebenen Erklärung der Bedeutung der Wörter ›Subjekt‹ und ›Person‹ ist im Rahmen von Van Gulicks Theorie streng genommen von einer Person die Rede. Van Gulick verwendet jedoch den Ausdruck ›Subjekt‹, sodass bei der Darstellung seiner Theorie Van Gulicks Terminologie übernommen wird. 144 Van Gulick 2004, 81, 2006, 29. 142 143

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Analytischer Selbstrepräsentationalismus

beziehungslos nebeneinander, sondern in vielerlei Hinsichten in Beziehungen zueinander. Die Erfahrung einer einheitlichen Welt und damit von Gegenständen, die in Beziehungen zueinander stehen, besteht zum Teil darin, sie als eine Welt aus der eigenen Perspektive zu erleben, die die Perspektive eines kontinuierlichen Subjekts in der Welt ist. 145 Das Subjekt seinerseits ist mit seiner Perspektive auf die Welt gerichtet und in ihr verortet. 146 c) Menschliches Bewusstsein ist nicht ein ausschließlich passives, rezeptives Phänomen, sondern auch ein aktives und selbstorganisierendes Phänomen. Dies gilt sowohl dank des Subjekts als auch der mentalen Zustände und deren Gehalte, die oftmals (mit)bestimmen, was in weiterer Folge erfahren wird. 147 Richtet eine Person ihre Aufmerksamkeit auf ihre visuelle Wahrnehmung, wird die nächstfolgende Erfahrung davon beeinflusst. So werden bspw. andere Sinnesmodalitäten vergleichsweise marginal bewusst sein und der Gehalt der visuellen Wahrnehmung besonders deutlich bewusst sein. Die Aktivität des Subjekts ist ein Bestandteil der Weise, wie der raumzeitliche Verlauf des Bewusstseins bewusst erlebt wird. Das Subjekt erlebt sich als ein Subjekt, das die Erfahrung, die es macht, mitgestaltet und nicht bloß passiv beobachtet. 148 d) Der vierte Fall von implizitem Selbstbewusstsein steht in einem Zusammenhang mit Van Gulicks teleopragmatischem Ansatz, gemäß dem der menschliche Geist v. a. unter praktischen und ziel- bzw. zweckorientierten Gesichtspunkten zu verstehen ist. Die alltägliche Erfahrung einer Person ist mit praktischen und affektiven Bedeutungen durchzogen. Bspw. wird das Bellen eines Hundes als Warnung verstanden, die Furcht hervorruft und die Vorbereitung zur Flucht einleitet. 149 Die Erfahrung von Objekten steht in Beziehung zu unseren Wünschen und Bedürfnissen. Dies setzt voraus, dass diese Ziele, Zwecke und Bedürfnisse als die je eigenen verstanden werden. Ein weiterer Van Gulick erklärt explizit, dass der Ausdruck ›Perspektivität‹ nicht nur den raumzeitlichen Standpunkt einer Person meint. Zusätzlich bezeichnet dieser Ausdruck die Aspekte des Subjekts, durch die es auf Objekte der Erfahrung einwirkt, also bspw. die Gliedmaßen oder Hilfsmittel praktischer Betätigung. Vgl. Van Gulick 2004, 82. Wenn ich Van Gulick richtig interpretiere, schließt das Bewusstsein vom Subjekt, für das die Welt und Objekte vorhanden sind, das Bewusstsein von der jeweils individuellen Perspektivität der Erfahrung mit ein. Mit dem Ausdruck ›Bewusstsein von der individuellen Perspektivität‹ ist gemeint, dass eine Person sich dessen bewusst ist, dass sie von einem bestimmten raumzeitlichen Standpunkt ausgehend die Welt wahrnimmt, der sich von anderen raumzeitlichen Standpunkten unterscheidet, und dass Gegenstände von unterschiedlichen raumzeitlichen Positionen aus betrachtet unterschiedliche 2019n haben. Van Gulick 2006, 30. Van Gulick meint nicht nur, dass die Erfahrung de facto perspektivisch ist, eine Person jedoch kein Bewusstsein von ihrer individuellen Perspektive besitzt. 146 Van Gulick 2004, 81–82. 147 Van Gulick 2006, 30–31. 148 Van Gulick 2006, 32. 149 Van Gulick 2006, 32. 145

Van Gulicks HOGS-Theorie

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Aspekt dieses Falls von implizitem Selbstbewusstsein besteht in der antizipativen Dimension menschlichen Bewusstseins. Das praktische Verhalten zur Welt wird von Erwartungen begleitet, zu welchen Ergebnissen und Veränderungen das eigene Verhalten führen wird, aber auch mit welchen Rückwirkungen auf einen selbst zu rechnen ist. 150 Auch dieser antizipative Aspekt menschlichen Bewusstseins zeichnet sich durch ein bewusstes Welt- und Selbstverhältnis aus. Der bewusste Gehalt des subjektiven Charakters enthält nach Van Gulick somit: a) die bewusste Information, das Subjekt zu sein, für das Objekte und ihre Eigenschaften erscheinen und präsent sind, b) diachrones und synchrones Identitätsbewusstsein, c) die bewusste Information, ein Subjekt in der Welt zu sein, das die Welt aus seiner eigenen Perspektive erlebt, d) die bewusste Information, auch ein aktives Subjekt zu sein, das seine Erfahrung mitgestaltet, und e) Ziele und Zwecke, die als die je eigenen verstanden werden, sowie Vorstellungen über zukünftige Auswirkungen des eigenen Handelns für einen selbst. Die Konstitution des subjektiven Charakters. Der globale Zustand enthält Reflexivität und Meta-Intentionalität. Er ist m.a.W. ein Higher-Order Global State. Er ist reflexiv, da das Subjekt und seine mentalen Zustände implizit bewusst erlebt werden. Er ist ein Higher-Order-Zustand, da Meta-Intentionalität (Higher-Order) für Van Gulick bedeutet, dass ein Zustand repräsentiert oder bestätigt, dass eine Person sich in einem mentalen Zustand befindet. 151 Eben dies leistet der globale Zustand, indem er die dargestellten Fälle von Selbstbewusstsein aufweist. Bspw. wird ein Wahrnehmungszustand und sein Gehalt durch die Integration in den globalen Zustand u. a. mit der Information verbunden, dass er der mentale Zustand eines Subjekts ist, dessen Gehalt für das Subjekt vorhanden ist. Der globale Zustand enthält eine Information über den ehemals unbewussten mentalen Zustand. Er bestätigt, dass man sich in diesem Zustand befindet. Der mentale Zustand wird jedoch nicht durch eine Higher-Order-Repräsentation, durch einen anderen mentalen Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand. Damit ist im Unterschied zu Lurz der Gehalt eines mentalen Zustands weder durch eine erneute Repräsentation dieses Gehalts durch einen anderen mentalen Zustand ein bewusster Gehalt, noch wird ausschließlich der Gehalt – und nicht auch der mentale Zustand selbst – repräsentiert. Der mentale Zustand wird durch die Integration in den globalen Zustand in einen Kontext versetzt, in dem eine komplexe Form von reflexiver Meta-Intentionalität besteht. Anhand der Integration wird der mentale Zustand mit dieser komplexen Form von Selbstbewusstsein verbunden, sodass 150 151

Van Gulick 2006, 34. Van Gulick 2000, 276, 2006, 12.

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die Reflexivität und Meta-Intentionalität in den Gehalt des in den globalen Zustand integrierten mentalen Zustands eingeschrieben wird und der mentale Zustand auch dadurch modifiziert wird. 152 Der meta-intentionale Gehalt ist ein Bestandteil eines globalen Zustands, dem der phänomenal bewusste mentale Zustand angehört. 153 Jedoch gilt es wie erwähnt zu beachten, dass auch unbewusste mentale Zustände selbstreferentielle Informationen einschließen, wenngleich in geringerem Grad, als wie wenn sie in einen globalen Zustand integriert sind. Auch unbewusste mentale Zustände schließen daher einen geringen Grad an Meta-Intentionalität mit ein, und zwar bevor sie in den globalen Zustand integriert werden. 154 Durch die Integration eines mentalen Zustands in den globalen Zustand wird die Qualität, die Quantität und die Präsenz der selbstreferentiellen Information, des meta-intentionalen Gehalts, verstärkt. Van Gulick ergänzt seine Analyse phänomenalen Selbstbewusstseins mit einer teleopragmatischen Interpretation. Der Kerngedanke lautet folgendermaßen: 155 Selbstbewusstsein besteht in reflexiven meta-intentionalen Informationen, und Selbstbewusstsein zu haben, bedeutet, die Eigenschaften und Operationen des eigenen Geistes zu verstehen und über sie Informationen zu haben. Ein Organismus besitzt eine Information über etwas, Gegenstände, mentale Zustände etc., insofern seine Struktur und Organisation auf diese Objekte derart angepasst sind, dass sie das Erreichen der Ziele des Organismus befördern. 156 Das bedeutet, der Organismus kann sein Verhalten entsprechend einem Objekt und seinen Zielsetzungen anpassen und steuern. So besitzt bspw. eine Fledermaus eine Information über den Standort einer Motte, die sie fressen möchte, insofern sie mittels ihrer Echo-Signale ihre Flugrichtung derart steuert, dass sie ihr Ziel, das Fressen der Motte, erfolgreich anzusteuern vermag. 157 Ein Organismus versteht etwas, insofern ein Gehalt dem Organismus dazu dient, seine Ziele erfolgreich zu erreichen bzw. die Wahrscheinlichkeit zu vergrößern, seine Ziele zu erreichen. 158 Dazu zählt, dass ein Organismus einen Gehalt mit anderen Inhalten, die er besitzt, verbindet. 159 Informationen über einen selbst bzw. Selbstbewusstsein zu haben, bedeutet damit, die Fähigkeit zu besitzen, die mentalen Operationen und Eigenschaften des Organismus auf Van Gulick 2000, 299, 2004, 85. Van Gulick 2004, 80. 154 Van Gulick 2000, 300. 155 Die folgenden Ausführungen orientieren sich vorwiegend an: Van Gulick 1988, 163. 156 Vgl. Van Gulick 1988, 154. 157 Van Gulick verwendet dieses Beispiel in: Van Gulick 2006, 18. 158 Van Gulick 2006, 18. Robert Van Gulick: »Non-reductive Physicalism and the Teleo-Pragmatic Theory of Mind«, in: Philosophia Naturalis, 47/1, 2011, 107. 159 Van Gulick 1988, 157, 1990, 469. 152 153

Selbstrepräsentationalistische Theorien im Vergleich

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eine Weise modifizieren zu können, die spezifisch an die mentalen Eigenschaften angepasst ist, sodass die Ziele des Organismus (besser) erreicht werden. 160 Van Gulicks Erklärung der Konstitution des subjektiven Charakters unterscheidet sich offenkundig sowohl von Lurz' Theorie als auch von Kriegels und Willifords Erklärungen. Er teilt im Unterschied zu Lurz zwar mit Kriegel und Williford die Ubiquitätsthese und die Dependenzthese und entwickelt eine komplexe Theorie phänomenalen Bewusstseins. Während nach Van Gulick die Konstitution eines bewussten mentalen Zustands jedoch im Sinn einer Integration eines mentalen Zustands in einen globalen Zustand und seiner Einbettung in eine phänomenale Erfahrungswelt zu verstehen ist, besteht sie nach Kriegel und Williford in spezifischen indirekten repräsentationalen Beziehungen zwischen spezifischen Bestandteilen eines bewussten mentalen Zustands oder zwischen Repräsentationen. Außerdem ist bei Kriegel und Williford keine vergleichbare, ausgearbeitete teleopragmatische Interpretation von Selbstbewusstsein zu finden. Mit diesen Hinweisen bezüglich der Unterschiede zwischen den Theorien von Kriegel, Lurz, Van Gulick und Williford ist die Brücke zum nächsten Thema der Untersuchung geschlagen.

2.6 Selbstrepräsentationalistische Theorien im Vergleich

Eingangs der Darstellung selbstrepräsentationalistischer Theorien wurde die These formuliert, dass die als selbstrepräsentationalistisch bezeichneten Theorien heterogen sind. Es ist nicht möglich, Merkmale anzuführen, die einerseits alle selbstrepräsentationalistischen Theorien teilen und die andererseits ermöglichen, selbstrepräsentationalistische Theorien von alternativen Theorien zu unterscheiden. Im Anschluss an die Darstellung der Theorien von Kriegel, Lurz, Van Gulick und Williford gilt es diese These zu begründen. Mit Blick auf die Literatur bieten sich folgende Merkmale an: Selbstrepräsentationalistische Theorien zeichnen sich gegenüber anderen Theorien dadurch aus, dass a) die Ubiquitätsthese oder die Dependenzthese vertreten wird, b) phänomenal bewusste mentale Zustände als eine komplexe Einheit interpretiert werden, c) die Konstitution des qualitativen Charakters oder des subjektiven Charakters untersucht wird oder dass d) der subjektive Charakter durch die Selbstrepräsentation eines und desselben mentalen Zustands erklärt wird. Schließlich besteht eine weitere Möglichkeit e) in einer pragmatischen Beantwortung der Frage, welche Theorien zu den Selbstrepräsentationalistischen zählen. Demnach sind diejenigen Theorien selbstrepräsentationalistische Theorien, die übereinstim160

Van Gulick 1988, 163.

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Analytischer Selbstrepräsentationalismus

mend von Expertinnen und Experten zu den selbstrepräsentationalistischen Theorien gezählt werden. Das erste Merkmal erfüllt die Anforderungen nicht. Lurz vertritt weder die Ubiquitätsthese noch die Dependenzthese und Vincent Picciuto, der unlängst eine neue selbstrepräsentationalistische Theorie veröffentlicht hat, vertritt (vermutlich) die Ubiquitätsthese, aber nicht die Dependenzthese. 161 Außerdem teilen Philosophen, die nicht zu den Selbstrepräsentationalisten zählen, den Standpunkt, dass die Ubiquitätsthese und die Dependenzthese zutreffen, wie etwa Manfred Frank. 162 Die Ubiquitätsthese und die Dependenzthese ermöglichen es nicht, den Typus selbstrepräsentationalistischer Theorien hinreichend zu bestimmen und von anderen Typen von Theorien phänomenalen Bewusstseins zu unterscheiden. Dies gilt auch für die Annahme, dass phänomenales Bewusstsein eine komplexe Einheit darstellt. Das ist daran zu erkennen, dass Rocco Gennaro eine komplexe Theorie entwickelt und sich dennoch explizit nicht zu den Selbstrepräsentationalisten zählt. 163 Auch das dritte und das vierte Merkmal sind nicht geeignet, den Typus selbstrepräsentationalistischer Theorien überzeugend zu charakterisieren. Nicht alle selbstrepräsentationalistischen Theorien weisen diese Merkmale auf. Bspw. entwickeln Lurz und Picciuto keine Theorie der Konstitution des subjektiven Charakters und Lurz zudem auch keine Theorie des Bewusstseins vom qualitativen Charakter. Beide Autoren werden jedoch zu den Selbstrepräsentationalisten gezählt. Auch die These, dass ein mentaler Zustand durch die Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands ein (phänomenal) bewusster mentaler Zustand ist, wird nicht von allen Selbstrepräsentationalisten geteilt. Nach Lurz ist ein mentaler Zustand nicht durch die Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands ein bewusster mentaler Zustand, sondern durch die Repräsentation desselben Gehalts durch zwei unterschiedliche mentale Zustände. Williford verwendet in neueren Untersuchungen den Begriff der Repräsentation nicht mehr, sondern ersetzt ihn durch den Begriff der Bekanntschaft (acquaintance). Der Begriff der Selbstrepräsentation ist nicht dazu geeignet, den Typus von selbstrepräsentationalistischen Theorien überzeugend zu bestimmen. Schließlich ist es auch nicht möglich, selbstrepräsentationalistische Theorien pragmatisch von anderen Theorietypen abzugrenzen, indem diejenigen Theorien als selbstrepräsentationalistische Theorien bezeichnet werden, die Vincent Picciuto: »Addressing Higher-Order Misrepresentation with Quotational Thought«, in: Journal of Consciousness Studies, 18/3–4, 2011. 162 Frank 2012, 356–357. 163 Rocco Gennaro: The consciousness paradox: consciousness, concepts, and higher-order thoughts. MIT 2012, 92. 161

Selbstrepräsentationalistische Theorien im Vergleich

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von Expertinnen und Experten zu den selbstrepräsentationalistischen Theorien gezählt werden. Unter Selbstrepräsentationalisten und Nicht-Selbstrepräsentationalisten herrscht keine Einigkeit darüber, welche Theorien zum Selbstrepräsentationalismus zählen. Wie erwähnt zählen Kriegel und Picciuto Gennaro und Van Gulick zu den Selbstrepräsentationalisten. 164 Gennaro und Van Gulick grenzen ihre Theorien explizit von selbstrepräsentationalistischen Theorien ab. 165 Van Gulick zählt Peter Carruthers Theorie, die oftmals zum selbstrepräsentationalistischen Lager gezählt wird, zu den Higher-Order-Theorien, die er von »reflexiven« Theorien, wie sie Kriegel und Williford entwickeln, unterscheidet. 166 Aufgrund dieser Sachlage ist es nicht möglich, Merkmale anzuführen, die alle selbstrepräsentationalistischen Theorien teilen und die geeignet sind, sie hinreichend von anderen Theorien zu unterscheiden. Angesichts der Zielsetzung dieser Untersuchung – die In-Beziehung-Setzung mit idealistischen Theorien und die kritische Diskussion – wurde daher (in einer anderen Hinsicht als der soeben erwähnten) ein pragmatischer Zugang gewählt: Es wurden in diesem Kapitel diejenigen Theorien berücksichtigt, die sich einerseits für einen Vergleich mit den idealistischen Theorien besonders gut eignen und die andererseits oftmals zu den selbstrepräsentationalistischen Theorien gezählt werden. Aus diesem Grund wurde auch nicht ein (generisches) Modell des Selbstrepräsentationalismus entwickelt, also der Selbstrepräsentationalismus dargestellt. Stattdessen galt es einige selbstrepräsentationalistische Theorien unter Berücksichtigung ihrer Unterschiede nacheinander darzustellen. Auch wenn es nicht möglich ist, den Selbstrepräsentationalismus hinreichend zu bestimmen, ist es instruktiv und für die Diskussion mit idealistischen Theorien bedeutsam, gängige alternative analytische Erklärungsmodelle kurz zu skizzieren. Es sind dies v. a. Higher-Order-Thought-(HOT-)Theorien des Bewusstseins, die u. a. von David Rosenthal und Rocco Gennaro vertreten werden, Higher-Order-Perception-(HOP-)Theorien des Bewusstseins, die insbesondere von David Armstrong und William Lycan entwickelt wurden, sowie First-Order-(FOR-) bzw. repräsentationalistische Theorien, wie sie neben anderen Frederick Dretske und Michael Tye entworfen haben. HOT-Theorien nehmen (oftmals) an, 167 dass ein mentaler Zustand wie ein WahrnehKriegel 2006, 143; Picciuto 2011, 110. Es ist auch nicht möglich, selbstrepräsentationalistische Theorien von Same-order-Theorien abzugrenzen, da Kriegel beide Ausdrücke synonym verwendet. Kriegel 2006, 143. 166 Robert Van Gulick: »Consciousness«, in: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2016 Edition), Edward N. Zalta (ed.), URL = https://plato.stanford.edu/archives/win2016/entries/ consciousness/. 167 Die Klammeranmerkung »oftmals« ist bedeutend. Nach Peter Carruthers, der sich selbst zu Vertretern eines dispositionalen HOT-Ansatzes zählt, ist es nicht erforderlich, dass ein höherstufiger 164 165

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Analytischer Selbstrepräsentationalismus

mungszustand dann ein bewusster mentaler Zustand ist, wenn es einen aktuellen (occurrent), assertorischen höherstufigen Gedanken gibt, welcher diesen mentalen Zustand auf eine unmittelbare Weise repräsentiert. 168 Ein mentaler Zustand (oder ein Bestandteil des mentalen Zustands) wie ein Gedanke ist dann ein höherstufiger mentaler Zustand (oder ein höherstufiger Aspekt des mentalen Zustands), wenn er einen anderen mentalen Zustand (oder einen anderen Bestandteil desselben mentalen Zustands) repräsentiert, ohne dass er selbst vom repräsentierten mentalen Zustand (vom repräsentierten Bestandteil) seinerseits repräsentiert würde oder auch selbst bewusst ist. Die visuelle Wahrnehmung eines Gegenstandes ist bspw. dann bewusst, wenn ein höherstufiger Gedanke den Wahrnehmungszustand repräsentiert. Der höherstufige Gedanke ist in der Regel unbewusst und er ist nicht repräsentiert, es sei denn, er wird eigens thematisiert. 169 In diesem Fall besteht jedoch ein weiterer seinerseits unbewusster und nicht repräsentierter HOT, d. h. mentaler Zustand. Die HOT-Theorien von Rosenthal und Gennaro unterscheiden sich dahingehend, dass nach Gennaro der höherstufige Gedanke ebenso wie der mentale Zustand, den er repräsentiert, Bestandteile eines und desselben komplexen bewussten mentalen Zustands sind, während Rosenthal annimmt, dass ein mentaler Zustand von einem anderen mentalen Zustand, dem HOT, repräsentiert wird. 170

Gedanke aktuell einen anderen mentalen Zustand repräsentiert. Damit phänomenales Bewusstsein besteht, genügt es, dass gewährleistet ist (availability), dass ein mentaler Zustand höherstufigem Denkvermögen zur Verfügung steht. Vgl. Carruthers 2006, 300–301. David Armstrong: »What is Consciousness?«, in: Ned Block / Owen Flanagan / Güven Güzeldere (Hg.): The nature of consciousness: philosophical debates. Massachusetts 1997, 721–728. William G. Lycan: »The superiority of HOP to HOT«, in: Gennaro 2004b, 93–113. Fred Dretske: Naturalizing the Mind. The 1994 Jean Nicod Lectures. Cambridge Massachusetts London 19993. 168 Rosenthal 1997, 737 f. Die Repräsentation erfolgt auf eine unmittelbare Weise, wenn sie nicht auf einer Beobachtung beruht oder durch einen Schluss gewonnen wird. Die Repräsentation erfolgt auf eine unmittelbare Weise, da es freilich möglich ist, dass eine Person Bewusstsein von einem mentalen Zustand besitzt, ohne dass dieser Zustand deswegen ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn eine Person mithilfe eines Psychiaters erkennt, dass sie eine Person hasst, ohne dass sie damit das Gefühl des Hasses verspürt. Vgl. David M. Rosenthal: »Awareness and identification of self«, in: JeeLoo Liu / John Perry (Hg.): Consciousness and the self: new essays. Cambridge / New York 2012, 24. 169 Rosenthal 1997, 737; Rosenthal 2012, 30. 170 Gennaro 2006, 222, 238. Nach Gennaro ist ein bewusster mentaler Zustand somit ein komplexes Phänomen. Der bewusste mentale Zustand hat zwei Bestandteile: einen unbewussten Gedanken und den von diesem Gedanken repräsentierten mentalen Zustand, die in einer psychologisch realen Beziehung zueinander stehen: »A mental state M of a subject S is conscious if and only if S has a suitable (unconscious) metapsychological thought M* (= MET), directed at M, such that both M and M* (= MET) are proper parts of a complex, conscious mental state CMS.« Gennaro 2006, 222, 2012, 94.

Selbstrepräsentationalistische Theorien im Vergleich

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Vertreter von HOP-Theorien teilen den Standpunkt, dass phänomenales Bewusstsein durch die Repräsentation von zwei numerisch verschiedenen mentalen Zuständen konstituiert wird. Bspw. vertritt Armstrong den Ansatz, dass Bewusstsein in der, wie er betont, »interessantesten Bedeutung dieses Wortes« 171 dann vorliegt, wenn eine in der Regel ihrerseits unbewusste innere Wahrnehmung einen von ihr unterschiedenen mentalen Zustand repräsentiert. Im Unterschied zu HOT-Theorien ist der höherstufige mentale Zustand ein Wahrnehmungszustand bzw., vorsichtiger formuliert, wahrnehmungsartig und kein Gedanke bzw. nicht gedankenartig. Repräsentationalistische Theorien phänomenalen Bewusstseins wie bspw. von Michael Tye beabsichtigen v. a. den qualitativen Charakter phänomenalen Bewusstseins zu erklären. Sie identifizieren ihn mit dem (bzw. bestimmten Aspekten vom) repräsentationalen Gehalt, also bspw. die Rot-Empfindung einer Person bei der Wahrnehmung eines roten Apfels mit der Repräsentation der roten Oberfläche des Apfels. 172 Der qualitative Charakter ist kraft der Repräsentation eines mentalen Zustands ein bewusster qualitativer Charakter. Die Entwicklung von selbstrepräsentationalistischen Theorien ist u. a. eine Reaktion auf Defizite der genannten Theorien. 173 Diese Defizite müssen im vorliegenden Kontext nicht behandelt werden. Sie sind mit Blick auf das Verhältnis zwischen idealistischen und selbstrepräsentationalistischen Interpretationen nicht von Bedeutung.

Armstrong 1997, 721. Dies gilt zumindest für Tyes Ansatz in Ten problems of consciousness und Consciousness, color, and content. Tyes sogenannte »PANIC-Theorie« zeichnet sich kurz zusammengefasst durch folgende Merkmale aus: Der Gehalt phänomenalen Bewusstseins ist »poised«, d. h. er erfüllt funktionale Rollen und steht bereit, Überzeugungen und / oder Wünsche zu beeinflussen. Er ist abstrakt (abstract), sodass allgemeine Eigenschaften (general features or properties) Bestandteile des Gehalts sind und keine einzelnen konkreten Objekte und deren Eigenschaften. Der Gehalt ist nicht-begriff lich und schließlich intentional im Sinn von intensional. Das bedeutet erstens, dass es möglich ist, dass ein Gegenstand x für eine Person S die Eigenschaft y aufzuweisen scheint, obwohl der Gegenstand nicht existiert. Es bedeutet zweitens, dass es wahr sein kann, dass x für eine Person S y zu sein scheint, ohne dass jedoch x für diese Person z zu sein scheint, obgleich y und z koextensiv sind. Vgl. Tye 1995, 138–139, Michael Tye: Consciousness, color, and content. Massachusetts Institute of Technology 2000, 62–63. 173 Vgl. Kriegel / Williford 2006, 2–3; Gennaro 2004, 5–9. 171 172

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In der Idealismus-Forschung wird kaum beachtet, dass die Deutschen Idealisten Theorien phänomenalen Bewusstseins entwickeln. 1 Das ist umso erstaunlicher, als sie in ihren Untersuchungen diesen Theorien reichlich Raum widmen. Dies gilt sowohl für Fichtes »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre von 1794/95«, Schellings »System des transzendentalen Idealismus (1800)« als auch Hegels Philosophie des Geistes im dritten Teil der »Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830)«. Die idealistischen Theorien weisen eine Reihe von signifikanten Übereinstimmungen mit selbstrepräsentationalistischen Theorien auf, sodass eine traditionsübergreifende Sachdebatte zu einem Phänomenbestand – phänomenales Bewusstsein und damit auch phänomenales Selbstbewusstsein – zu verzeichnen ist. Bevor die idealistischen Theorien phänomenalen Bewusstseins und diese Übereinstimmungen aufgezeigt werden, ist es wichtig, den Kontext darzustellen, in dem diese Theorien zu verorten sind. Die idealistischen Theorien phänomenalen Bewusstseins sind ein Bestandteil der idealistischen Systeme. Die formalen, inhaltlichen und methodischen Grundlagen dieser Systeme prägen die idealistischen Theorien phänomenalen Bewusstseins. Das bedeutet auch: Sie bestimmen maßgeblich, wie die Theoretisierung von mentalen Phänomenen und phänomenalem Bewusstsein vollzogen wird. Ohne Kenntnis und Berücksichtigung dieser Grundlagen ist es nicht möglich, die idealistischen Theorien phänomenalen Bewusstseins sachangemessen zu verstehen. Sie unterscheiden sich durch diese Grundlagen zum Teil besonders deutlich von den analytischen Theorien. In diesem Kapitel wird in einem Exkurs daher eine kurze Einführung in den Deutschen Idealismus gegeben – und damit eine Zielsetzung der Untersuchung eingelöst. 2 Die idealistischen Theorien phänomenalen Bewusstseins werden in den anschließenden Kapiteln erläutert. Falls eine Leserin / ein Leser ausschließlich Interesse an den idealistischen Interpretationen phänomenalen Bewusstseins besitzt, ist es nicht erforderlich, diesen Exkurs zu berücksichtigen. Mit Blick auf die idealistischen Theorien phänomenalen Bewusstseins sind vor allem drei eng miteinander verbundene Grundlagen bedeutend. Es sind 1 Eine Ausnahme stellen die Untersuchungen von Manfred Frank dar. Er hat meines Wissens als Erster die Beziehungen zwischen analytischen Theorien phänomenalen Selbstbewusstseins und Theorien im Bereich der nachkantischen Philosophie untersucht. Vgl. Frank 2012, 2015. 2 Vgl. Kapitel 1.

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dies a) die formale und inhaltliche Interpretation eines philosophischen Systems, b) das idealistische Theorieprogramm, das die Systeme prägt und c) die Methode, das deduktive Verfahren, durch die ein System errichtet wird. 3 Philosophie als ein System. Nach Ansicht der Deutschen Idealisten hat die Philosophie den Anspruch zu stellen, so wie die Mathematik oder die Naturwissenschaften, etwa die Physik, eine Wissenschaft zu sein, und sie ist nur dann eine Wissenschaft, wenn sie ein System darstellt. 4 Die idealistischen Systeme weisen bedeutende Unterschiede auf. Sie stimmen jedoch in inhaltlicher und formaler Hinsicht in einigen grundsätzlichen Annahmen überein. Diese Übereinstimmungen ermöglichen es ein Stück weit zu erläutern, was die Idealisten unter einem System der Philosophie verstehen. In inhaltlicher Hinsicht sind die philosophischen Systeme der Deutschen Idealisten Theorien der Vernunft und des Wissens von der Vernunft. In formaler Hinsicht ist ein System für die Deutschen Idealisten eine komplexe und hierarchisch-holistische Theorie: Die idealistischen Systeme sind in doppelter Hinsicht Theorien des Wissens, und zwar in materialer und rechtfertigungstheoretischer Hinsicht. In materialer Hinsicht bedeutet für die Deutschen Idealisten im Bereich der Philosophie Wissen zu haben, u. a. Kenntnisse über Eigenschaften (von Aspekten) der Wirklichkeit (menschliches Bewusstsein, Selbstbewusstsein, den Staat, aber auch Raum und Zeit, Kausalität oder Sachhaltigkeit usw.) zu haben, die allgemeingültig und / oder notwendig sind. 5 Die Wendung »und / oder« meint »sowohl als auch«, aber auch »notwendig, jedoch nicht allgemeingültig«. Bspw. ist in Im Folgenden wird auch Hegels methodisches Verfahren als ein deduktives Verfahren bezeichnet. Das ist nicht unumstritten. Mit Blick auf die Zielsetzung, eine Einführung in den Deutschen Idealismus zu geben, die einige Grundlagen der idealistischen Theorien kursorisch behandelt, wird dies nicht eigens begründet. 4 Vgl. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: »Ueber die Möglichkeit einer Form der Philosophie überhaupt«, in: Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Werke 1. W.G. Jacobs / J. Jantzen / W. Schieche, unter Mitwirkung von G. Kuebart, R. Mokrosch / A. Pieper. Stuttgart 1976, 265–268. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse 1830. Erster Teil. Die Wissenschaft der Logik. Mit den mündlichen Zusätzen, in: Eva Moldenhauer / Karl Markus Michel (Hg.): Werke in 20 Bänden. Band 8. Frankfurt am Main. (1970), 59–60: »Ein Philosophieren ohne System kann nichts Wissenschaftliches sein«. Johann Gottlieb Fichte: Ueber den Begriff der Wissenschaftslehre oder der sogenannten Philosophie, als Einladungsschrift zu seinen Vorlesungen über diese Wissenschaft, in: Johann Gottlieb Fichte Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. I.2 Hg. Lauth / H. Jacob. Unter Mitwirkung von M. Zahn. Stuttgart / Bad Cannstatt 1965, 112: »Die Philosophie ist eine Wissenschaft [. . . ] Eine Wissenschaft hat systematische Form«. Die idealistische Interpretation der Philosophie als ein System entspricht dem damaligen Zeitgeist: Vgl. bspw.: Salomon Maimon: Anhang. (Vom Herausgeber hinzugefügt.), in: Versuch einer neuen Logik oder Theorie des Denkens (1794). Nebst angehängten Briefen des Philaletes an Aenesidemus. Besorgt von Bernhard Carl Engel. Neudruck seltener philosophischer Werke. Herausgegeben von der Kantgesellschaft. Bd. III. Berlin 1912, 253. 5 Auch dies war um 1800 ein verbreiteter Ansatzpunkt. Maimon 1912, 254. 3

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Hegels System die Verrücktheit ein notwendiger Bestandteil des Systems, der gleichwohl nicht allgemeingültig ist, da nicht eine jede Person verrückt ist. 6 Das bedeutet, die idealistischen Systeme sind Theorien des Wissens, da in der Theorie allgemeingültige und / oder notwendige Eigenschaften (von Aspekten) der Wirklichkeit, etwa von Eigenschaften phänomenalen Bewusstseins, wie dass es phänomenales Selbstbewusstsein mit einschließt, behandelt werden. Mit Blick auf menschliches Bewusstsein werden (in der Regel) u. a. Bewusstseinsphänomene, mentale Zustände, praktische Handlungen sowie Vermögen thematisiert, die allgemeingültig sind, d. h. die alle rationalen Personen aufweisen, wie etwa phänomenales Selbstbewusstsein, den Verstand oder die Empfindung. 7 Es werden notwendige Aspekte identifiziert, da ohne sie, bspw. die Empfindung, ein Phänomen, etwa phänomenales Bewusstsein, nicht besteht. In Übereinstimmung mit den analytischen Theorien ist es nicht die Aufgabe ihrer Theorien, das phänomenale Erleben einer bestimmten individuellen Person zu erklären, etwa Franz Schuberts. Die idealistischen Theorien behandeln in inhaltlicher Hinsicht Strukturmerkmale phänomenalen Bewusstseins, also Merkmale, die allgemeingültig und / oder notwendig sind. Sie sind in rechtfertigungstheoretischer Hinsicht Theorien des Wissens, da ausschließlich diejenigen Aspekte der Wirklichkeit thematisiert werden, die in der Theorie als allgemeingültig und notwendig ausgewiesen werden können. 8 Ein zentrales Anliegen der Deutschen Idealisten ist es, den Status der in den Theorien behandelten Eigenschaften (von Aspekten) der Wirklichkeit als allgemeingültige und notwendige Merkmale auszuweisen. Eine Aufgabe ihres methodischen Verfahrens der sog. Deduktionen ist es, diesen ausgezeichneten Status zu begründen. 9 Diejenigen Aspekte der Wirklichkeit, die in der Theorie nicht als allgemeingültig und / oder

Hegel 1992, 124, 129. Die Einschränkung »in der Regel« ist wichtig, da Hegel in der »Enzyklopädie« auch Phänomene behandelt, die heute zum Bereich der Parapsychologie gezählt werden und die – wenn überhaupt – nur eine kleine Anzahl von Personen betreffen. Die Selektion der Tätigkeiten, die berücksichtigt werden, bestimmt den Verlauf der Entwicklung der Theorie. Die idealistischen Systeme beanspruchen nicht, alle Aspekte zu identifizieren, die allgemeingültig und notwendig sind, damit ein Phänomen wie phänomenales Bewusstsein besteht. Es wird also nicht gezeigt, dass das Zentralnervensystem notwendig ist, obgleich es doch allgemeingültig ist, d. h. alle Personen, die phänomenales Bewusstsein haben, besitzen ein Zentralnervensystem. 8 Johann Gottlieb Fichte: Züricher Vorlesungen über den Begriff der Wissenschaftslehre. Nachschrift Lavater, in: Johann Gottlieb Fichte-Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. IV.3. Hg. R. Lauth unter Mitwirkung von Heinrich Fauteck und Hans Georg von Manz. Stuttgart / Bad Cannstatt 2000, 20: »Nur das, was man weiß, kann Inhalt der Wissenschaft werden, insofern man es weiß. Die Materie der Wissenschaft ist also das Gewisse.« Hegel 1970, 41; 1992, 12; Schelling 1992, 5, 160. 9 Fichte 2000, 37: »Die philosophischen Beweise sind demnach Deduktionen«. 6 7

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notwendig ausgewiesen werden können, sondern die bloß für wahr gehalten werden, werden (in der Regel) in den Systemen nicht behandelt. Die idealistischen Systeme sind aus zwei Gründen Theorien der Vernunft. 10 Sie sind zum einen deswegen Theorien der Vernunft, weil die Vernunft ihrer Ansicht nach u. a. in Aspekten der Wirklichkeit besteht, die allgemeingültig und / oder notwendig sind. Indem die idealistischen Systeme als Theorien des Wissens in materieller Hinsicht allgemeingültige und / oder notwendige Aspekte der Wirklichkeit behandeln, thematisieren sie die Vernunft und ihre Erscheinungsweise. Sie sind aber auch deswegen Theorien der Vernunft, weil die Idealisten (in manchen ihrer Schaffensphasen) die Vernunft mit dem Absoluten identifizieren und in ihren Theorien entweder das Absolute dargestellt und erläutert wird oder aber die Erkennbarkeit des Absoluten untersucht wird und / oder die Weise, wie das Absolute in der Welt der Erscheinungen (der Natur, dem Geist, der Geschichte, . . . ) präsent ist und ihr zugrunde liegt, 11 erläutert wird. Durch die jeweiligen Interpretationen der Vernunft, des Absoluten, der Erkennbarkeit und der Erkenntnis des Absoluten unterscheiden sich die idealistischen Theorien. Eine wichtige Frage, die in dieser Einführung in den Deutschen Idealismus nicht näher verhandelt werden kann, aber zumindest erwähnt sein soll, betrifft das Verhältnis zwischen Wissen und der Vernunft. In Fichtes reiferen Darstellungen der Wissenschaftslehre, etwa in der Wissenschaftslehre von 1804/2, wird das Wissen bspw. als eine Weise des Vollzugs und der Darstellung der Vernunft selbst interpretiert und ausgewiesen. Indem die Leserin anhand der Lektüre der Wissenschaftslehre Wissen gewinnt, realisiert sich in Gestalt ihres Wissens die Vernunft. Die zuvor verwendete Redewendung »Wissen von der Vernunft« ist daher nicht ohne Weiteres so zu verstehen, dass das Wissen und die Vernunft verschieden wären. Für den Zweck einer ersten Orientierung innerhalb des Deutschen Idealismus ist die dargelegte Erläuterung der idealistischen Theorien anhand der Stichwörter »Wissen von der Vernunft« sinnvoll, wenngleich die in den jeweiligen Theorien erfolgende konkrete Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Wissen und Vernunft höchst komplex ist. Fichte 1976, 87: »Das Ich sezt sich selbst: . –. (Vftheit,)«. Vgl. Johann Gottlieb Fichte: Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre. Vorerinnerung. Erste und Zweite Einleitung. Erstes Kapitel. Hamburg 1984b, 54, 87. Johann Gottlieb Fichte: Neue Bearbeitung der Wissenschaftslehre, in: Johann Gottlieb Fichte-Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. II.5: Hg. R. Lauth / H. Gliwitzky. Stuttgart / Bad Cannstatt 1979, 344. Schelling 1992, 11. Vgl. Dina Emundts / Rolf-Peter Horstmann: G. W. F. Hegel. Eine Einführung. Stuttgart 2002, 33. 11 Johann Gottlieb Fichte: Die Wissenschaftslehre (2. Vortrag im Jahre 1804). Hamburg 1986; Schelling 1992; Hegel 1970, 1992. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse 1830. Zweiter Teil. Die Naturphilosophie. Mit den mündlichen Zusätzen, in: Eva Moldenhauer / Karl Markus Michel (Hg.): Werke in 20 Bänden. Band 9. Frankfurt am Main 1986. 10

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In formaler Hinsicht sind die idealistischen Systeme hierarchisch-holistische Theorien, da sie einerseits (jeweils unterschiedlich interpretierte) Prinzipien enthalten. Bei Hegel liegt bspw. die Wissenschaft der Logik begründungstheoretisch der Naturphilosophie sowie der Philosophie des Geistes und damit auch der Theorie phänomenalen Bewusstseins zugrunde. Diese Prinzipien haben in der Entwicklung der Theorie, d. h. bei der Identifizierung von allgemeingültigen und notwendigen Bestandteilen der Wirklichkeit und deren notwendigen Beziehungen, eine ausgezeichnete Schlüsselfunktion inne. Sie haben den Status von Axiomen der Entwicklung des Systems. Diese Funktion wird in weiterer Folge im Zusammenhang mit der Darstellung der methodischen Verfahren der Idealisten skizziert. Andererseits gelingt es den Prinzipien nur gemeinsam mit anderen Bausteinen des Systems, Phänomene wie phänomenales Bewusstsein zu erklären. Nach Ansicht der Deutschen Idealisten bewähren sich die Prinzipien gerade dadurch als Prinzipien, dass von ihnen ausgehend Bausteine identifiziert werden können, mit denen sie gemeinsam Phänomene erklären können. 12 In begründungslogischer Hinsicht sind die Prinzipien das Fundament der idealistischen Systeme. Mit Blick auf die Erklärung von Phänomenen liegt jedoch ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis mit den von ihnen begründeten Bausteinen der Systeme vor. Insofern sind die idealistischen Systeme nicht nur hierarchische, sondern auch holistische Theorien. Das bedeutet mitunter auch, dass die Vernunft bzw. das Absolute ohne die begründeten Phänomene nicht bestehen. Die idealistischen Systeme sind komplexe und keine summarischen Theorien von (oftmals) komplexen Phänomenen. Das bedeutet einerseits, dass für die Deutschen Idealisten die (meisten) untersuchten Phänomene wie phänomenales Bewusstsein komplexe Phänomene sind. 13 Wie für bspw. Kriegel ist für die Idealisten also etwa phänomenales Bewusstsein ein komplexes Phänomen, sodass es bereits dann nicht mehr besteht, wenn die innerhalb der Theorie aufgewiesenen Beziehungen, etwa repräsentationale Beziehungen, nicht mehr bestehen, die zwischen den notwendigen Bestandteilen von phänomenalem Bewusstsein vorliegen. Es bedeutet andererseits v. a. aber auch, dass die idealistischen Systeme selbst komplexe Theorien sind. Das heißt, sie erklären dadurch Phänomene, dass gezeigt wird, in welchen notwendigen spezifischen Beziehungen die notwendigen Bausteine bzw. Begriffe der Theorie zueinander stehen. 14 Ein System erklärt nach dem Selbstverständnis Fichte 1984b, 28–29; Hegel 1992, 87, 160. Ich füge die Einschränkung in der Klammeranmerkung ein, da ich nicht überblicke, ob nicht auch Phänomene behandelt werden, die keine komplexen Phänomene sind. 14 Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes. Herausgegeben von Wolfgang Bonsiepen und Reinhard Heede. Hamburg 1980, 33; Schelling 1992, 135; Johann Gottlieb Fichte: Wissenschaftslehre nova methodo. Kollegnachschrift Krause. Hg. E. Fuchs. Hamburg 1984, 101. 12 13

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der Idealisten nicht bereits dann ein Phänomen, wenn die Bestandteile identifiziert worden sind, die erforderlich sind, um ein Phänomen zu erklären. Es gilt zu zeigen, in welchen notwendigen Beziehungen die Bausteine des Systems zueinander stehen, die ein Phänomen gemeinsam erklären sollen. 15 Das gilt in konstitutiver Hinsicht, aber bspw. auch in begründungstheoretischer Hinsicht. Auch die Einheit der Theorie ist eine komplexe Einheit. Das zeichnet ein idealistisches System aus. Anderenfalls ist die Philosophie keine Wissenschaft. Das idealistische Theorieprogramm. Der Ausdruck ›Theorieprogramm‹ bezeichnet das Set von grundlegenden Thesen, Unterscheidungen, Aufgabenund Fragestellungen, das der Entwicklung des Systems – neben dem und gemeinsam mit dem methodischen Verfahren – zugrunde liegt. Die idealistischen Theorieprogramme weisen bedeutende Unterschiede auf. Es gibt nicht das eine idealistische Theorieprogramm, dem sich sowohl Fichte als auch Schelling und Hegel (in jeder ihrer Schaffensperioden) verpflichtet wissen. In manchen Phasen ihres Schaffens weisen ihre Theorien jedoch Übereinstimmungen bei Thesen, Unterscheidungen, Fragen und Aufgabenstellungen auf, die ihre Analysen phänomenalen Bewusstseins prägen. Im Folgenden werden diese Übereinstimmungen kurzerhand als »das idealistische Theorieprogramm« bezeichnet. Bei der Darstellung desselben werden diejenigen Merkmale berücksichtigt, die bezüglich der idealistischen Theorien phänomenalen Bewusstseins von besonderer Bedeutung sind. Das Theorieprogramm zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass zum einen sechs Analyseebenen unterschieden werden und zum anderen Theorien des Wissens von der Vernunft im Rahmen differenzierter Theorien jeweils unterschiedlicher Fälle von Selbstbewusstsein durchgeführt werden. 16 Ein Spezifikum idealistischer Theorien besteht darin, dass sechs Ebenen der Untersuchung unterschieden werden. Es sind dies a) die Perspektive des Lesers / der Leserin, b) die Perspektive des Autors, c) die Perspektive des Untersuchungsgegenstandes, also des Subjekts der Untersuchung, d) das Werk, d. h. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: »Allgemeine Deduction des dynamischen Processes. (Beschluß der im ersten Heft abgebrochenen Abhandlung)« (1800), in: Zeitschrift für spekulative Physik. Herausgegeben von F. W. J. Schelling. Band 1. Jena und Leipzig 1800. Reprographischer Nachdruck Hildesheim 1969, 4–5. 16 Klaus Düsing: Selbstbewußtseinsmodelle. Moderne Kritiken und systematische Entwürfe zur konkreten Subjektivität. München 1997; Jürgen Stolzenberg: »Geschichte des Selbstbewußtseins«. Reinhold – Fichte – Schelling, in: Internationales Jahrbuch des Deutschen Idealismus / International Yearbook of German Idealism, Karl Ameriks / Jürgen Stolzenberg (Hg.), Band 1: Konzepte der Rationalität im Deutschen Idealismus, Berlin u. a. 2003, 93–113; Jürgen Stolzenberg: Geschichten des Selbstbewußtseins. Fichte – Schelling – Hegel, in: Birgit Sandkaulen / Volker Gerhardt / Walter Jaeschke (Hg.): Gestalten des Bewußtseins. Genealogisches Denken im Kontext Hegels, Hamburg 2009b, 27–49; Ulrich Claesges: Geschichte des Selbstbewusstseins. Der Ursprung des spekulativen Problems in Fichtes Wissenschaftslehre von 1794–95. Nijhoff, Den Haag 1974. 15

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die schriftliche Darstellung des Systems, e) das wirkliche System der Vernunft, deren begriff liche Darstellung ein philosophisches System ist, und schließlich f) die alltägliche Erfahrung. Die Berücksichtigung dieser sechs Ebenen trägt maßgeblich zur Komplexität und zur oftmals beklagten Dunkelheit der idealistischen Systeme bei. Die ersten drei Untersuchungsebenen a), b) und c) stehen in einem engen sachlichen Zusammenhang ebenso wie die Ebenen d), e) und f). Die idealistischen Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass sowohl die Perspektive des Autors von Bedeutung ist, also Fichtes, Schellings und Hegels, als auch die der Leserin bzw. des Lesers. Der Autor kennt das System vollständig, das die Leserin / der Leser durch die Lektüre kennen lernen soll. Er gibt der Leserin / dem Leser Regieanweisungen, welche Informationen im jeweiligen Kontext zu beachten oder auszublenden sind. Die Leser werden aufgefordert, aktiv mentale Handlungen zu vollziehen bzw. mit zu vollziehen, etwa ihre Aufmerksamkeit auf ein Phänomen zu richten, um Erkenntnisse zu gewinnen, die in den Systemen dargestellt werden, oder ihre Assoziationen im Hinblick auf Phänomene und ihre Vorurteile gegenüber Phänomenen in Epoché zu setzen, wenn diese Phänomene in der Theorie behandelt werden, um auf diese Weise den Gedankengang der Untersuchung unverfälscht mitvollziehen zu können. Von der Perspektive sowohl des Lesers / der Leserin als auch des Autors ist die Perspektive des Untersuchungsgegenstandes, des Subjekts der Untersuchung, zu unterscheiden. 17 Die Perspektive des Subjekts der Untersuchung ist ein theoretisches Konstrukt, und zwar die imaginierte Perspektive eines Aspekts der Vernunft, wie bspw. bei Fichte bei der Begründung seiner Theorie phänomenalen Bewusstseins in der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« die Perspektive des allen seinen theoretischen und praktischen Handlungen und Erkenntnissen sowie Zuständen zugrundeliegenden Subjekts des Bewusstseins. Das idealistische Theorieprogramm zeichnet sich dadurch aus, dass in der Theorie die Perspektive des Subjekts der Untersuchung für die Entwicklung des Systems von entscheidender Bedeutung ist. Das bedeutet, dass die Entwicklung der Theorie von der Fragestellung geleitet ist, wie das Subjekt der Untersuchung eine Erkenntnis oder eine bewusste Information gewinnt, die der Autor und die Leserin / der Leser oftmals zuvor bereits gewonnen haben, bspw. begriff liches Bewusstsein vom Subjekt des Bewusstseins. So lautet etwa in Fichtes »Wissenschaftslehre nova methodo« die dem Gang der Untersuchung zugrundeliegende Frage, wie das Subjekt der Untersuchung selbst intentionales Selbstbewusstsein gewinnt, d. h. wie es möglich ist, dass dieses Subjekt aus seiner Perspektive intentionales Selbstbewusstsein gewinnt. 18 Die Perspektive 17 18

Fichte 1984b, 38–41; Hegel 1992, bspw. 14, 236; Schelling 1992, 72. Fichte 1978, 44.

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des Subjekts der Untersuchung entwickelt sich, reichert sich an und verändert sich dabei durchaus mit der fortschreitenden Entwicklung des Systems. Sie schließt den jeweiligen Fundus an Einsichten mit ein, über den der Untersuchungsgegenstand in der jeweiligen Entwicklungsstufe verfügt. Die Unterscheidung dieser drei Perspektiven ist jedoch nicht das letzte Wort der Idealisten. Bspw. erhebt Hegel in der Wissenschaft der Logik den Anspruch, dass in der Entwicklung des logischen Systems wohlverstanden der Untersuchungsgegenstand, der Gedanke, selbst sich entwickelt, indem Gedanke und Sache identisch sind und keine äußere Reflexion, etwa des Lesers oder der Interpretin, in die Entwicklung des Gedankenganges eingreifen darf. Das bedeutet, dass zumindest dem Anspruch nach die drei unterschiedenen Ebenen zusammenfallen oder präziser formuliert in die Perspektive des Subjekts der Untersuchung eingehen. 19 Das idealistische Theorieprogramm zeichnet sich des Weiteren dadurch aus, dass die Darstellung des Systems der Vernunft von der Vernunft selbst und auch der Alltagserfahrung unterschieden wird und das Verhältnis dieser Ebenen mit berücksichtigt wird. Die Darstellung des Systems enthält das jeweilige Buch bzw. ist dessen Inhalt oder sie besteht, wie etwa bei Fichte, im Vollzug bestimmter Leistungen und der Gewinnung von begriff lichen Erkenntnissen und anschaulichen Einsichten, zu denen die Leserin / der Leser anhand des Textes aufgefordert werden. 20 Die Idealisten räumen ein, dass ihre Darstellungen des Systems der Vernunft in vielerlei Hinsicht verbesserungsfähig und -bedürftig sind. 21 Es gilt zwischen der Darstellung des Systems der Vernunft und der Vernunft selbst zu unterscheiden. 22 Die Deutschen Idealisten sind freilich keine naiven Realisten. Sie nehmen nicht an, dass es möglich ist, eine Darstellung der Vernunft mit der Vernunft selbst zu vergleichen. Diese Annahme verdeutlicht Die nach wie vor beste Darstellung dieses komplexen Verhältnisses bei Hegel ist in Urs Richlis Untersuchung »Form und Inhalt in G. W. F. Hegels Wissenschaft der Logik« zu finden. Urs Richli: Form und Inhalt in G. W. F. Hegels Wissenschaft der Logik. Oldenbourg 1982. Zu Fichtes Ausführungen in der Wissenschaftslehre von 1804 vgl. Stefan Lang: »Fichtes Begründung der Erscheinungslehre im 2. Vortrag der Wissenschaftslehre von 1804«, in: V. Waibel / C. Danz / J. Stolzenberg (Hg.): Systembegriffe um 1800–1809. Systeme in Bewegung. Hamburg 2018a, 59–79. 20 Auf diesen Aspekt macht Ulrich Schlösser zu Recht in »Imagination, Fiction and Reality. Fichte vs. Maimon« aufmerksam. Vgl. Schlösser 2017, Manuskript, 9. 21 Vgl. Fichte 1997, 7: »[D]ie Darstellung erkläre ich selbst für höchst unvollkommen, und mangelhaft«. Vgl. Fichte 1997, 5. 22 Fichte 2000, 38: »Die Wissenschaftslehre ist nicht das Systèm, sondern die Darstellung des Systèms welches die Reflexion herausgebracht hat. / Nach allem Gesagten ist die Absicht der Wissenschaft[s]lehre keine geringere, als die – das ganze Systèm des mensch[/]lichen Geistes in seinen allgemeinen und nothwendigen Bestimmungen festzustellen. / Dennoch ist diese Wissenschaft dieses Systèm nicht selbst, sondern sie ist nur die Darstellung desselben.« Vgl. Fichte 1979, 331. Schelling 1992, 66. 19

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ein grobes Missverständnis bezüglich dessen, was die Philosophie ihrer Ansicht nach sein kann und leisten soll. Sie soll eine Wissenschaft sein und damit ein System, das in Form von Begriffen und mit Blick auf Aspekte, die allgemeingültig und notwendig sind und als allgemeingültig und notwendig ausgewiesen werden können, eine komplexe und hierarisch-holistische Theorie enthält, sodass die Bausteine der Theorie in notwendigen Beziehungen zueinander stehen. Von dem Vernunftsystem und der Darstellung dieses Systems ist wiederum die Alltagserfahrung von Personen zu unterscheiden. Sie verfügen in der Regel über keine philosophische Erkenntnis bezüglich des Wissens und der Vernunft. Ein Ziel der philosophischen Systeme besteht darin, die Alltagserfahrung von Personen hinsichtlich der Aspekte, die allgemeingültig und notwendig sind, zu begründen. Für die Theorien phänomenalen Bewusstseins bedeutet dies bspw., dass es das Ziel der idealistischen Theorien ist, im Rahmen eines Systems der Philosophie eine Erklärung von phänomenalem Bewusstsein zu geben, wie Personen es im Alltag erleben, bspw. wenn sie eine grüne Wiese vor sich sehen. Die Idealisten stellen daher den Anspruch, dass ihre Theorien bspw. der Empfindung das Phänomen sachangemessen erklären, das Personen im Alltag bspw. mit dem Wort ›Empfindung‹ bezeichnen. 23 In engstem Zusammenhang mit der Unterscheidung der Analyseebenen steht das zweite Merkmal des Theorieprogramms, das mit Blick auf die idealistischen Theorien phänomenalen Bewusstseins von Bedeutung ist. Es besteht darin, dass Theorien des Wissens von der Vernunft im Rahmen von Theorien des Selbstbewusstseins entwickelt werden. 24 Dazu zählt bspw. als eine Variante Hegels Theorie der Selbsterkenntnis der Vernunft in der Enzyklopädie. Bezüglich der Theorien phänomenalen Bewusstseins ist v. a. die Perspektive des Subjekts der Untersuchung von Bedeutung. Den Theorien phänomenalen Bewusstseins liegen jeweils spezifische Fragestellungen zugrunde, die danach fragen, wie das jeweilige Subjekt der Untersuchung je unterschiedliche Fälle von Selbstbewusstsein gewinnt. Ohne Berücksichtigung dieses Kontexts ist es nicht möglich, die idealistischen Theorien sachangemessen zu verstehen. Schelling beantwortet bspw. durchaus die für analytische Philosophen maßgebliche Fragestellung, wodurch ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist. Seiner Theorie phänomenalen Bewusstseins liegen jedoch drei Hegel 1970, 47; Fichte 1984b, 29. Fichte 1976, 44; Hegel 1992, 33; Schelling 1992, 5. Wie erwähnt gilt dies mit Blick auf die idealistischen Theorien phänomenalen Bewusstseins. Es wird nicht behauptet, dass die idealistischen Theorien des Wissens von der Vernunft vollumfassend oder auch in jeder Hinsicht sachangemessen als Theorien des Selbstbewusstseins bestimmt sind. Vgl. Hartmut Traub: »Fichtes Begriff der Natur. Rezeptionsgeschichte im Wandel – ein Forschungsbericht«, in: H. Girndt (Hg.): »Natur« in der Transzendentalphilosophie. Eine Tagung zum Gedenken an Reinhard Lauth. Berlin 2015, 77–134. 23 24

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andere Fragestellungen zugrunde. Sie lauten: Wie gewinnt das Subjekt des Bewusstseins eine Repräsentation – bzw. mit Schelling gesprochen: eine Anschauung – davon, dass es a) begrenzt ist, d. h. dass es eine von ihm unterschiedene Welt von Objekten gibt, b) selbst empfindet und c) produktiv tätig ist? 25 Bei der Untersuchung dieser Fragestellungen beantwortet Schelling auch die Frage, wodurch ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist. Dementsprechend nimmt Schelling ebenso wie Fichte und Hegel – aber auch die Selbstrepräsentationalisten – an, dass Personen unbewusste mentale Zustände besitzen. Das primäre Ziel ihrer Untersuchungen besteht jedoch nicht darin, phänomenales Bewusstsein zu erklären, sondern unterschiedliche Varietäten von Selbstbewusstsein. Dies verdeutlichen exemplarisch die für Schelling maßgeblichen Fragestellungen. Nach Ansicht der Idealisten ist im Rahmen einer Theorie des – jeweils unterschiedlich interpretierten – Selbstbewusstseins zu zeigen, dass unbewusste mentale Zustände und Aktivitäten erforderlich sind, um Varietäten von Selbstbewusstsein erklären zu können. Bei der Lösung dieser Aufgabenstellung werden Theorien phänomenalen Bewusstseins entwickelt. Die idealistische Methode. So wie das Theorieprogramm die Ausgestaltung der idealistischen Systeme maßgeblich beeinflusst, prägt das methodische Verfahren die idealistischen Theorien entscheidend. Die Systeme der Deutschen Idealisten zeichnen sich durch eine Methodenvielfalt, einen Methodenpluralismus, aus. Es gibt nicht nur nicht die eine Methode, die alle Idealisten teilen. Auch innerhalb einzelner Werke wie etwa Fichtes »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« oder der »Wissenschaftslehre nova methodo« werden unterschiedliche methodische Verfahrensweisen verwendet. Im Folgenden werden Merkmale der idealistischen Methoden beleuchtet, die für die Theorien phänomenalen Bewusstseins maßgeblich sind: Die idealistischen Theorien stimmen dahingehend überein, dass deduktive Verfahren entwickelt werden. Im Rahmen einer Deduktion werden Begriffe als notwendige Begriffe von Theorien von – jeweils unterschiedlich interpretierten – Fällen (vorwiegend) von Bewusstsein und Selbstbewusstsein identifiziert. 26 Dabei werden Begriffe bestimmt, ihre Anwendung dargelegt und gezeigt, dass diese Begriffe notwendig sind, um Bewusstsein und / oder Selbstbewusstsein erklären zu können. 27 Vgl. Schelling 1992, 68, 80, 125. Fichte 1997, 205. Dies gilt, wie erwähnt, zumindest im Kontext der Theorien phänomenalen Bewusstseins. 27 Vgl. Johann Gottlieb Fichte: Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre 1796, in: Johann Gottlieb Fichte Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. I.3. Hg. R. Lauth / H. Jacob. Stuttgart / Bad Cannstatt 1966, 319. Hegel 1992, 203–204, 236; Schelling 1992, bspw. 210. 25 26

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Die Begriffe enthalten (oftmals) Vorstellungen von Tätigkeiten des Subjekts. 28 Ein Begriff wird in der Theorie anhand der Funktion bestimmt, welche die von einem Begriff vorgestellte Handlung bei der Konstitution von Bewusstsein oder Selbstbewusstsein erfüllt. Nach Jürgen Stolzenberg ist Fichtes Verfahren als ein semantischer Pragmatismus zu bezeichnen, da »die Bedeutung der Begriffe, mit denen das Subjekt sich selbst beschreibt, eine Funktion der Folgerungsbeziehung ist, die in [den] Argumentationen entwickelt werden«. 29 Diese Bezeichnung trifft auch ein gutes Stück weit auf Schelling und Hegel zu. Unter dem Nachweis der Notwendigkeit eines Begriffs ist zu verstehen, dass dargelegt wird, dass nur bei Berücksichtigung der spezifischen Funktion, die ein Begriff innerhalb einer Theorie erfüllt, eine Erklärung der Konstitution von Selbstbewusstsein möglich ist. 30 Indem gezeigt wird, welche Funktion ein Begriff bei der Erklärung der Konstitution des Bewusstseins und Selbstbewusstseins erfüllt, ist die Anwendung dieses Begriffs dargelegt. Der Anwendungsbereich der identifizierten Begriffe beschränkt sich auf die Funktion, die sie innerhalb der Entwicklung der Theorie der Konstitution von Selbstbewusstsein erfüllen. 31 Ist ein Begriff als ein notwendiger Begriff des Systems identifiziert worden und sind seine Merkmale und seine Anwendung dargelegt worden, dann gilt er zugleich – oftmals, aber nicht immer – als allgemeingültig, d. h. als ein Begriff, der eine Eigenschaft (eines Aspekts) der Wirklichkeit bestimmt, wie etwa eine Eigenschaft phänomenalen Bewusstseins, die das phänomenale Bewusstsein einer jeden rationalen Personen auszeichnet. Die Allgemeingültigkeit folgt daher aus dem Nachweis der Notwendigkeit. Dies gilt zumindest im Rahmen der Theorien phänomenalen Bewusstseins von Fichte und Schelling. Mit Blick auf das Phänomen menschlicher Empfindung bedeutet dies bspw., dass in der Theorie anhand der Bestimmung des Begriffs der Empfindung bestimmt wird, welche Struktur das Phänomen auszeichnet, das Personen im Alltag als Empfindung erleben und mit dem Wort ›Empfindung‹ bezeichnen. Es 28 Vgl. Fichte 1966, 315. Vgl. Johann Gottlieb Fichte: Wissenschaftslehre nova methodo. Kollegnachschrift Krause. Hg. E. Fuchs. Hamburg 1984, 101 f. 29 Jürgen Stolzenberg: »Fichte heute«, in: Werner Beierwaltes, Erich Fuchs (Hg.): Symposion Johann Gottlieb Fichte. Herkunft und Ausstrahlung seines Denkens, Bayerische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse: Abhandlungen, Heft 134, München 2009, 92. 30 Vgl. Fichte 1966, 319: »Es findet sich in Absicht dieses Begriffs [der Begriff des Rechts], daß er nothwendig werde dadurch, daß das vernünftige Wesen sich nicht als ein solches mit Selbstbewußtseyn setzen kann, ohne sich als Individuum, als Eins, unter Mehrern vernünftigen Wesen zu setzen«. Vgl. Johann Gottlieb Fichte: Wissenschaftslehre nova methodo WS 1796/99. Kollegnachschrift Halle, in: Johann Gottlieb Fichte-Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. IV. 2. Hg. R. Lauth. Stuttgart / Bad Cannstatt 1978, 24 f. 31 Vgl. Wolfgang Bartuschat: »Zur Deduktion des Rechts aus der Vernunft bei Kant und Fichte«, in: Fichtes Lehre vom Rechtsverhältnis: die Deduktion der Paragraphen 1–4 der Grundlage des Naturrechts und ihre Stellung in der Rechtsphilosophie. Hg. M. Kahlo. Frankfurt / Main 1992, 184.

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wird angenommen, dass den notwendigen Beziehungen, die zwischen Begriffen und (intellektuellen) Anschauungen bestehen, notwendige Beziehungen oder Strukturen entsprechen, die Phänomenen wie dem phänomenalen Bewusstsein zugrunde liegen. Ein charakteristisches Merkmal der idealistischen Verfahrensweise besteht darin, dass bei der Identifizierung und Bestimmung von Begriffen die Erfahrung keine oder zumindest eine untergeordnete Rolle spielt. Dies gilt zumindest nach der Einführung der Prinzipien des Systems bei der Deduktion phänomenalen Bewusstseins. 32 Das heißt, die Einführung eines Begriffs in das System darf nicht (oder zumindest nicht primär) durch empirische Beobachtung, die Introspektion oder die sinnliche Wahrnehmung begründet werden. Die Bestimmung eines Begriffs und seine Anwendung erfolgen – dem Anspruch nach – allein (oder zumindest vor allem) mithilfe der Anwendung von bestimmten Axiomen bzw. logischen Kategorien und mitunter Postulaten. Im Anschluss an die Deduktion eines Begriffs, etwa des Gefühls, ist der Vergleich mit dem alltäglichen Gefühl von Personen möglich und zur Bestätigung der Theorie unverzichtbar. 33 Wenn ein deduzierter Begriff nicht mit den Tatbeständen der alltäglichen Erfahrung übereinstimmt, bedeutet dies, dass die Deduktion fehlerhaft ist. 34 Bspw. ist die Deduktion des Begriffs der Empfindung gescheitert, wenn sie nicht zeigt und begründet, dass und warum Diese Einschränkung ist zu beachten, da bspw. Fichte im »Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre« bei der Einführung des Prinzips seiner Theorie, der intellektuellen Anschauung, den Leser sehr wohl dazu auffordert, Beobachtungen anzustellen. Fichtes methodisches Verfahren zur Einführung seines Prinzips bedarf einer eigenen Untersuchung. Der Leser hat bspw. eine Voraussetzung zu erfüllen, damit er die in der Wissenschaftslehre begründeten Erkenntnisse gewinnen kann. Sie besteht darin, entsprechend Fichtes Erläuterungen selbstständig Postulate der Untersuchung anzuwenden. Vgl. Fichte 1966, 336. Die gewonnenen Erkenntnisse sind keine Erkenntnisse von gegebenen empirischen Tatsachen, die im Bewusstsein gefunden werden können. Vgl. Fichte 1978, 25. Sie müssen aktiv gewonnen werden. 33 Vgl. bspw. besonders deutlich: Johann Gottlieb Fichte: Grundriß des Eigentümlichen der Wissenschaftslehre in Rücksicht auf das theoretische Vermögen als Handschrift für seine Zuhörer, in: Johann Gottlieb Fichtes sämmtliche Werke. Band 1, Berlin 1845/1846, 334: »Theils erhellet, dass die Wissenschaftslehre auch bei demjenigen, was sie wirklich als Thatsache der inneren Erfahrung aufstellt, sich dennoch nicht auf das Zeugniss der Erfahrung, sondern auf ihre Deduction stütze. Hat sie richtig deducirt, so wird freilich ein Factum, gerade so beschaffen wie sie es deducirt hat, in der Erfahrung vorkommen. Kommt kein dergleichen Factum vor, so hat sie freilich unrichtig deducirt, und der Philosoph für seine Person wird in diesem Falle wohl thun, wenn er zurückgeht, und dem Fehler im Folgern, welchen er irgendwo gemacht haben muss, nachspürt. Aber die Wissenschaftslehre, als Wissenschaft, fragt schlechterdings nicht nach der Erfahrung, und nimmt auf sie schlechthin keine Rücksicht. Sie müsste wahr seyn, wenn es auch gar keine Erfahrung geben könnte (ohne welche freilich auch keine Wissenschaftslehre in concreto möglich seyn wurde, was aber hieher nicht gehört), und sie wäre a priori sicher, dass alle mögliche künftige Erfahrung sich nach den durch sie aufgestellten Gesetzen würde richten müssen.« 34 Fichte 1984b, 30: »Stimmen die Resultate einer Philosophie mit der Erfahrung nicht überein, so ist diese Philosophie sicher falsch«. 32

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der Gehalt des in der alltäglichen Erfahrung von Personen mit Worten als ›äußere Empfindung‹ bezeichneten Phänomens, etwa süß oder sauer, notwendigerweise einem externen Gegenstand, etwa einem Stück Zucker, als seine Eigenschaften zugeschrieben wird. Hinsichtlich der jeweiligen Axiome unterscheiden sich die idealistischen Systeme. An dieser Stelle soll daher in einem Exkurs anhand eines Beispiels das über die idealistischen Deduktionen und das idealistische Theorieprogramm bisher Dargestellte erläutert werden, zumal bei der Darstellung der idealistischen Theorien phänomenalen Bewusstseins die diesen Theorien zugrundeliegenden Deduktionen in ihrer argumentativen Struktur nicht rekonstruiert werden. Der Idealismusforschung ist es bislang nur partiell gelungen, die »Logik der Deduktionen« zu rekonstruieren. Fichtes Deduktionen in der »Grundlage des Naturrechts«. Fichtes methodisches Verfahren in der »Grundlage des Naturrechts« ist insbesondere durch folgende Axiome bestimmt. Es sind dies Fichtes Selbstbewusstseinsthese, die handlungstheoretische Prämisse seiner Untersuchung, das Reflexionsgesetz der Erkenntnis und die Begriffsanalyse. Die Selbstbewusstseinsthese besagt, dass das Subjekt der Bewusstseinszustände vermag, intentionales Selbstbewusstsein zu besitzen. Die Fragestellung, die Fichtes Deduktionen in der »Grundlage des Naturrechts« zugrunde liegt, lautet demgemäß: Wie ist es möglich, dass das Subjekt der Bewusstseinszustände intentionales Selbstbewusstsein entwickelt? 35 Die Aufgabenstellung, die Fichte mit seinen Deduktionen lösen möchte, besteht darin, diejenigen notwendigen Bedingungen zu identifizieren, die insgesamt hinreichend sind, um erklären zu können, wie der Untersuchungsgegenstand intentionales Selbstbewusstsein gewinnt. 36 Unter der handlungstheoretischen Prämisse ist zu verstehen, dass eine jede Bedingung von intentionalem Selbstbewusstsein eine mentale oder praktische Handlung des Subjekts darstellt oder (zumindest) durch eine Handlung zu Bewusstsein gebracht wird, falls es sich um eine bewusste Information handelt. 37 Es sind dies keine will-

Vgl. Fichte 1966, 314, 319, 329, 1978, 44. Vgl. Fichte 1978, 108, 127. In der »Grundlage des Naturrechts«, welche nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre entwickelt wird, besteht die Aufgabenstellung darin, den Begriff vom Recht als Bedingung des Begriffs von intentionalem Selbstbewusstsein zu erweisen. Hinsichtlich der Aufgabenstellung besteht ein Unterschied zwischen der »Wissenschaftslehre« und der »Grundlage des Naturrechts«. 37 Diese Einschränkung ergibt sich mit Blick auf intersubjektive Bedingungen menschlichen Bewusstseins und das berühmte Anstoß-Theorem. Im Zusammenhang mit intersubjektiven Bedingungen, wie etwa der Aufforderung zu einer freien Handlung durch ein anderes Subjekt, besagt die handlungstheoretische Prämisse selbstverständlich nicht, dass das Subjekt durch seine Handlung ein anderes Subjekt in ontologischer Hinsicht hervorbringt, sondern dass das Subjekt die Aufforderung zu einer freien Handlung, die von einem Subjekt an es gerichtet wird, verstehen können muss. 35 36

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kürlichen, sondern notwendige Handlungen des Subjekts. 38 Der Begriff vom Subjekt meint (an dieser Stelle der Theorie) nichts anderes als den Inbegriff von denjenigen notwendigen bewussten Informationen und Handlungen des Subjekts, durch die intentionales Selbstbewusstsein gewonnen wird. 39 Das Reflexionsgesetz der Erkenntnis ist die entwicklungslogische Grundoperation der Theorie. Es besagt: »Nichts wird erkannt, was es sey, ohne uns das mit zu denken, was es nicht sey«. 40 Nach dem Reflexionsgesetz der Erkenntnis schließt die Erkenntnis einer Handlung des Subjekts die Erkenntnis einer weiteren Handlung mit ein, deren Eigenschaften den Eigenschaften der ersten Handlung konträr – und, wie ich nunmehr annehme, damit nicht bloß (oder zumindest nicht ausschließlich) kontradiktorisch 41 – entgegengesetzt sind. 42 Das Reflexionsgesetz der Erkenntnis ermöglicht es, Handlungen des Subjekts zu identifizieren, da diejenige Handlung, die mit Blick auf das Reflexionsgesetz der Erkenntnis einzufordern ist, damit die Erkenntnis einer Handlung möglich ist, zu den Handlungen des Subjekts der Bewusstseinszustände gezählt wird. Wird also eine Handlung des Subjekts identifiziert, sieht sich Fichte kraft des Reflexionsgesetzes gerechtfertigt anzunehmen, dass es eine weitere Handlung des Subjekts gibt, welche sich durch Eigenschaften auszeichnet, die den Eigenschaften der ersten Handlung entgegengesetzt sind. 43 Das Reflexionsgesetz der Erkenntnis ist ein heuristisches Instrument, um Bedingungen von intentionalem Selbstbewusstsein zu identifizieren. Zu den heuristischen Prinzipien der Deduktion eines Begriffs zählt neben dem Reflexionsgesetz der Erkenntnis die Begriffsanalyse. Das heißt, dass den Merkmalen der in der Theorie identifizierten Begriffe eine heuristische Funktion bei der Identifizierung und Bestimmung von weiteren Begriffen des Vgl. Fichte 1966, 316; 1984b, 24 ff. Vgl. Fichte 1984b, 23: »Der Idealismus erklärt, [. . . ] die Bestimmungen des Bewußtseins aus dem Handeln der Intelligenz. [. . . ] Die Intelligenz ist dem Idealismus ein Tun, und absolut nichts weiter«. 40 Vgl. Fichte 1978, 41. 41 Konträre Eigenschaften sind bspw. »kalt« und »warm«, während kontradiktorische Eigenschaften »kalt« und »nicht kalt« sind. Fichte folgt bei dieser Interpretation vermutlich Christian Wolff. Vgl. zur Sache: Konrad Cramer: »Über einige formale Elemente in Christian Wolffs SpinozaKritik«, in: Christian Wolff und die europäische Aufklärung. Akten des 1. Internationalen ChristianWolff-Kongresses, Halle (Saale), 4.–8. April 2004. Teil 1, Hrsg. v. Jürgen Stolzenberg / Oliver-Pierre Rudolph, Hildesheim / Zürich / New York 2007, 281. 42 In dem Aufsatz »Fichtes Deduktion praktischer Spontaneität« habe ich den Standpunkt vertreten, dass es sich um kontradiktorische Eigenschaften handelt. Nunmehr tendiere ich jedoch dazu, das Verhältnis – zumindest auch – als konträr zu bezeichnen. Dies erweitert den Handlungsspielraum bei den Rekonstruktionen von Fichtes Deduktionen. 43 Die Rechtmäßigkeit der Anwendung des Reflexionsgesetzes der Erkenntnis wird innerhalb der Theorie begründet. Vgl. Fichte 1978, 35. 38 39

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Subjekts der Bewusstseinszustände zukommt. Die Analyse der Merkmale eines Begriffs ermöglicht in Verbindung mit dem Reflexionsgesetz der Erkenntnis die Identifizierung von Merkmalen eines Begriffs, welcher diesem Begriff entgegengesetzt ist. So identifiziert Fichte bspw. zu Beginn der »Grundlage des Naturrechts« einen Begriff des Subjekts – Fichte bezeichnet die von diesem Begriff vorgestellte Handlung als Tätigkeit B – und bestimmt mithilfe einer Analyse der Merkmale dieses Begriffs sowie des Reflexionsgesetzes der Erkenntnis die Merkmale des Begriffs von einer Handlung, welche der Tätigkeit B entgegengesetzt ist. Da die Tätigkeit B eine »selbstbestimmte« Handlung des Subjekts ist, bestimmt Fichte die ihr entgegengesetzte Handlung, die Tätigkeit in der Weltanschauung, als eine nicht selbst bestimmte, sondern als eine »gezwungene und gebundene« Tätigkeit. 44 Die Merkmale der Begriffe werden innerhalb der Deduktion bestimmt. 45 Bei der Identifizierung der Begriffe werden keine aus der Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse verwendet. 46 Fichte erhebt daher den Anspruch, Deduktionen a priori von Begriffen durchzuführen. 47 Mithilfe der skizzierten Axiome gelingt es Fichte zumindest stückweise, Begriffe a priori zu deduzieren, 48 bspw. in der »Grundlage des Naturrechts« den erwähnten Begriff der Tätigkeit in der Weltanschauung. Der Ausgangspunkt der Deduktion der Tätigkeit in der Weltanschauung ist die Selbstbewusstseinsthese, also die Annahme, dass es möglich ist, vom Subjekt der Bewusstseinszustände ausgehend intentionales Selbstbewusstsein zu erklären. 49 Eine Bedingung hierfür ist die Entwicklung des Bewusstseins von der Handlung der Selbstbestimmung, welche Fichte als Tätigkeit B bezeichnet. 50 Fichte charakterisiert diese Vgl. Fichte 1966, 329 f. Vgl. Fichte 1979, 336: »Ich bedeutet daher [. . . ] hier nicht mehr, als wir in der Zukunft aufstellen werden.« 46 Vgl. Fichte 1978, 35, Fichte 1984b, 25 f. 47 Vgl. Johann Gottlieb Fichte: Sonnenklarer Bericht an das größere Publikum über das eigentliche Wesen der neuesten Philosophie. Ein Versuch, die Leser zum Verstehen zu zwingen, in: Johann Gottlieb Fichte-Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. I. 7. Hg. R. Lauth / H. Gliwitzky unter Mitwirkung von E. Fuchs und P.K. Schneider. Stuttgart / Bad Cannstatt 1988, 213, 233. 48 Zur Kritik an Fichtes Deduktionen vgl. Stefan Lang: »Fichtes Deduktion praktischer Spontaneität«, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 95/1, 2013, 65–86. 49 Fichte 1966, 329: »In sich selbst zurückgehende Thätigkeit überhaupt (Ichheit, Subjektivität) ist Charakter des Vernunftwesens. Das Setzen seiner selbst (die Reflexion über sich selbst) ist ein Akt dieser Thätigkeit. [. . . ] Durch den Akt einer solchen Thätigkeit sezt sich das Vernunftwesen.« 50 Fichte unterscheidet in Paragraph 1 von der Selbstbestimmung bzw. Tätigkeit B die Selbstreflexion bzw. Tätigkeit A. Die Handlung, die intentionales Selbstbewusstsein hervorbringt, bezeichnet Fichte als Tätigkeit A. Diese Handlung ist nur möglich, wenn es ein Objekt gibt, auf das reflektiert werden kann. Dieses Objekt ist die Tätigkeit B. Die Reflexion auf die Tätigkeit B ist eine Bedingung der Möglichkeit von intentionalem Selbstbewusstsein. 44 45

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Handlung als eine »in sich zurückgehende, sich selbst bestimmende« Tätigkeit. 51 Der Begriff der Selbstbestimmung stellt das Subjekt vor, insofern es Prinzip spontaner Handlungen ist. Dieser Begriff ist das logisch erste Prädikat, welches sich das Subjekt der Untersuchung – aus seiner Perspektive – zuschreibt. Die Frage ist, wie ist das möglich? Fichtes Antwort lautet, dass das Bewusstsein von dieser Handlung nur möglich ist, wenn das Subjekt eine weitere Handlung vollzieht, welche die Beziehung zu Gegenständen in der Welt herstellt. Fichte bezeichnet diese Handlung als Tätigkeit in der Weltanschauung. Er deduziert diese Tätigkeit folgendermaßen: »Das aufgestellte Vernunftwesen ist ein endliches. Aber ein endliches Vernunftwesen ist ein solches, das auf nichts reflektiren kann, ausser auf ein begrenztes. [. . . ] Demnach müßte die in sich zurückgehende Tätigkeit B. eine begrenzte seyn, d. h. es müßte ausser ihr noch ein C. geben, und durch das reflektirende zu setzen seyn, welches nicht diese Thätigkeit, sondern derselben entgegengesezt wäre. [. . . ] Seine Thätigkeit in der Weltanschauung kann das Vernunftwesen nicht als eine solche setzen; [. . . ] denn diese soll ja vermöge des Begriffs, nicht in das Anschauende zurückgehen; nicht dieses, sondern vielmehr etwas, das ausser ihm liegen, und ihm entgegen gesetzt seyn soll, – eine Welt – zum Objekte haben.« 52

Werden die Axiome von Fichtes methodischem Verfahren berücksichtigt, enthält dieses Zitat eine Deduktion a priori der Tätigkeit in der Weltanschauung. Fichte erklärt in dem Zitat, dass das Subjekt neben der Tätigkeit B eine weitere Handlung vollzieht. Er begründet dies mit der Endlichkeit menschlicher Erkenntnis. Da das Subjekt der Untersuchung in logischer Hinsicht nur repräsentieren kann, was bestimmt ist, kann es ein Bewusstsein von der Tätigkeit B nur dann entwickeln, wenn diese Handlung sich von einer anderen Handlung unterscheidet. Diese Erklärung ist Ausdruck des Reflexionsgesetzes der Erkenntnis und der handlungstheoretischen Prämisse. Sie besagen, dass die Erkenntnis von Eigenschaften einer Handlung nur möglich ist, wenn zugleich eine Handlung erkannt wird, welcher die konträr entgegengesetzten Eigenschaften zukommen. Diese Handlung markiert somit, in Fichtes Worten, die Grenze der Tätigkeit B, die vorhanden sein muss, damit eine Erkenntnis der Tätigkeit B überhaupt möglich ist. Eben diese Grenze ist die Tätigkeit in der Weltanschauung. Bei der Bestimmung der Prädikate der Tätigkeit in der Weltanschauung führt Fichte eine Analyse der Prädikate der Tätigkeit B durch und wendet das Reflexionsgesetz der Erkenntnis an. Während die Tätig51 52

Fichte 1966, 329. Fichte 1966, 329–330.

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keit B eine »sich selbst bestimmende Tätigkeit« ist, die in »das Anschauende zurückgeh[t]«, 53 schreibt Fichte der Tätigkeit in der Weltanschauung konträr entgegengesetzte Prädikate zu. Sie ist nicht in das »Anschauende zurückgehen[d]«. 54 Sie hat nicht das Subjekt, sondern etwas anderes, »eine Welt«, zum Objekt und sie ist »gezwungen und gebunden«. 55 Fichte gelingt auf diese Weise in Paragraph 1 der »Grundlage des Naturrechts« eine Deduktion a priori der Tätigkeit in der Weltanschauung. Bei der Deduktion dieses Begriffs verwendet er keine empirischen Erkenntnisse, sondern er identifiziert diesen Begriff und seine Prädikate durch die Anwendung von Axiomen seiner Theorie. Zum Abschluss dieser kurzen Einführung in den Deutschen Idealismus sind zwei weitere Punkte zu beachten. So wie die analytischen Theorien phänomenalen Bewusstseins von bspw. Kriegel und Williford enthalten auch die idealistischen Systeme Theorien der Konstitution phänomenalen Bewusstseins. Sie beantworten die Frage, worin phänomenales Bewusstsein besteht. So wie die analytischen Philosophen identifizieren die Idealisten den (repräsentationalen) Mechanismus, durch den eine Person phänomenales Bewusstsein besitzt. Im Unterschied zu analytischen Philosophen sind ihre Theorien der Konstitution von phänomenalem Bewusstsein jedoch in aktontologischen Theorien (Fichte und Schelling) bzw. einer logischen Theorie (Hegel) fundiert. Die Konstitution phänomenalen Bewusstseins verdankt sich (auch) der Prozesse und Strukturen dieser Tiefendimensionen, die jedoch von einer kausalen Produktionstheorie zu unterscheiden sind. Bei Fichte und Schelling besteht die Konstitution phänomenalen Bewusstseins in der Struktur der aktontologischen Beziehungen zwischen Tätigkeiten und Vermögen. Bei Hegel beeinflusst die Urteilstheorie die Struktur des Phänomens. Die idealistischen Philosophen ergänzen also die von Kriegel und Williford berücksichtigte Unterscheidung zwischen einer Beschreibung von phänomenalem Bewusstsein und einer konstitutionellen Erklärung dieses Phänomens um eine weitere Dimension, und zwar um eine aktontologische bzw. urteilstheoretische Fundierung der konstitutionalen Erklärung. Der zweite Punkt, der zu beachten ist, besteht darin, dass für die Deutschen Idealisten der Ausdruck ›Bewusstsein‹ eine andere Bedeutung besitzt als der Ausdruck ›phänomenales Bewusstsein‹ innerhalb der analytischen Philosophie. In der »Enzyklopädie« bezeichnet Hegel bspw. als (objektives) Bewusstsein vereinfacht zusammengefasst einen bewussten epistemischen Zustand, der a) eine Information über den Unterschied zwischen Gegenständen und 53 54 55

Fichte 1966, 330. Fichte 1966, 330. Fichte 1966, 330.

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einem selbst, dem Subjekt der Vorstellungen von Gegenständen, enthält, sowie b) Informationen über Beziehungen, die zwischen Gegenständen und einem selbst bestehen, sodass eine objektive Weltordnung vorliegt. 56 Der analytischen Interpretation der Bedeutung des Ausdrucks ›phänomenales Bewusstsein‹ entspricht daher nicht Hegels, aber auch nicht Schellings oder Fichtes Verwendung des Wortes ›Bewusstsein‹. Analytischen Untersuchungen phänomenalen Bewusstseins entsprechen Fichtes, Schellings und Hegels Analysen vor allem der Empfindung und des Selbstgefühls. Wenn im Folgenden bei der Darstellung idealistischer Theorien phänomenalen Bewusstseins der Ausdruck ›Bewusstsein‹ verwendet wird, dann ist die analytische Interpretation der Bedeutung dieses Ausdrucks gemeint. Wenn Fichtes, Schellings oder Hegels Interpretation der Bedeutung des Wortes ›Bewusstsein‹ gemeint ist, wird dies explizit erwähnt oder es ist durch den Kontext deutlich zu erkennen.

3.1 Schellings Interpretation phänomenalen Bewusstseins

Schellings Theorie phänomenalen Bewusstseins weist die weitreichendsten Übereinstimmungen mit selbstrepräsentationalistischen Theorien auf. Es ist daher sinnvoll, die Darstellung idealistischer Theorien mit Schellings Ansatz zu beginnen und nicht etwa chronologisch in Reihenfolge der Veröffentlichungen. Wie in Kapitel 3 erwähnt, liegen Schellings Theorie phänomenalen Bewusstseins folgende Fragestellungen zugrunde: Wie gewinnt ein Subjekt eine Repräsentation davon, dass es a) begrenzt ist, d. h. dass es eine von ihm unterschiedene Welt von Objekten gibt, b) selbst empfindet und c) produktiv tätig ist? 57 Der Ausgangspunkt von Schellings Theorie phänomenalen Bewusstseins sind nicht die für analytische Theorien maßgeblichen Fragen, wodurch ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist, oder auch, wodurch ein mentaler Zustand ein bewusster mentaler Zustand (state consciousness) ist. Schellings Theorie phänomenalen Bewusstseins liegen explizit selbstbewusstseinstheoretische Fragen zugrunde. Im Zuge der Beantwortung dieser Fragen entwickelt er eine Theorie menschlichen Bewusstseins, die u. a. die Frage zu beantworten verspricht, wodurch ein mentaler Zustand ein phä56 Hegel 1992, 118: »Indem ich mich dagegen auf den Standpunkt des Bewußtseins erhebe, verhalte ich mich zu einer mir äußeren Welt, zu einer objektiven Totalität, zu einem in sich zusammenhängenden Kreise mannigfaltiger und verwickelter, mir gegenübertretender Gegenstände. Als objektives Bewußtsein habe ich wohl zunächst eine unmittelbare Empfindung, zugleich ist dies Empfundene aber für mich ein Punkt in dem allgemeinen Zusammenhange der Dinge«. Vgl. Hegel 1992, 121, 140. 57 Vgl. Schelling 1992, 68, 80, 125.

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nomenal bewusster mentaler Zustand ist. Mit Blick auf die Zielsetzung dieses Abschnitts dieser Untersuchung, die Darstellung idealistischer Theorien phänomenalen Bewusstseins, genügt es, sich auf seine Erläuterung von phänomenalem Bewusstsein zu konzentrieren. Schellings vollständige Theorie menschlichen Bewusstseins berücksichtigt weitere Aspekte wie die Konstitution von raumzeitlichen Gegenständen als Trägern von Eigenschaften. Diese Aspekte werden nicht behandelt. Von dem Set konstitutiver Bestandteile menschlichen Bewusstseins, das mehr umfasst als phänomenales Bewusstsein, werden ausschließlich diejenigen Bestandteile berücksichtigt, die für die Konstitution des Eigenbestands phänomenalen Bewusstseins relevant sind. Für Schelling besteht phänomenales Bewusstsein dann – und nur dann –, wenn ein Subjekt durch eine spontane mentale Tätigkeit vier Repräsentationen leistet. Schelling bezeichnet diese Leistungen der mentalen Tätigkeit als ursprüngliche Empfindung, produktive Anschauung, inneren Sinn und Selbstgefühl. Der Ausdruck ›spontane mentale Tätigkeit‹ bezeichnet ein mentales Ereignis (mental event) und keine Handlung (agency). 58 Das bedeutet, diese mentalen Tätigkeiten schließen keine Intention des Subjekts, keine Absicht, aber bspw. auch kein Versuchen (trying) mit ein. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie spontan Repräsentationen hervorbringen. Die spontane mentale Tätigkeit erfüllt somit dieselbe Funktion wie mentale Zustände in analytischen Theorien, insofern sie Repräsentationen aufweisen, die für phänomenales Bewusstsein von Bedeutung sind. Die These, dass es sachangemessen ist, den analytischen Begriff der Repräsentation im Zusammenhang mit der Darstellung von Schellings, und in weiterer Folge auch Fichtes und Hegels Theorie zu verwenden, wird vielleicht auf den ersten Blick abwegig erscheinen. Dieser Eindruck täuscht. Dies wird im Anschluss an die Darstellung der idealistischen Theorien in Kapitel 4 begründet. Wodurch zeichnen sich die vier Leistungen aus? 1. Ein Subjekt vollzieht spontan eine mentale Tätigkeit, die einen qualitativen Charakter repräsentiert, etwa eine bestimmte Farbe eines Gegenstandes wie bspw. blau oder rot. Schelling bezeichnet diese Tätigkeit als ursprüngliche Empfindung und den qualitativen Charakter als Stoff. 59 Die ursprüngliche Empfindung repräsentiert den qualitativen Charakter – sie besitzt einen Stoff – infolge einer kausalen Affizierung des Subjekts durch einen externen Gegenstand. 60 58 Vgl. Peter Geach: Mental Acts. Bristol 1992, 1–2, Joëlle Proust: »Is there a Sense of Agency for Thought?«, in: Lucy O’Brien / Matthew Soteriou (Hg.): Mental actions. Oxford 2009, 260. 59 Schelling 1992, 72–73, 80–81, 84, 121. 60 Schelling 1992, 72–73, 78, 141. Das gilt mit Blick auf die Perspektive des Subjekts der Untersuchung. Schelling ist freilich ein Idealist. Der Transzendental-Philosoph weiß, dass die Vorstellung eines externen Gegenstandes sowie einer externen kausalen Verursachung in Wahrheit das Resultat von Leistungen des Subjekts, genau genommen des »Ichs des Selbstbewusstseins«, sind. Gleich-

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Indem der qualitative Charakter repräsentiert wird, ist er nach Schelling im Subjekt. 61 Das heißt, er ist ein (möglicher) Bestandteil seiner Erfahrung. Der qualitative Charakter ist jedoch noch nicht bewusst. Die ursprüngliche Empfindung ist unbewusst. 62 2. Damit phänomenales Bewusstsein besteht, bedarf es einer Repräsentation der mentalen Tätigkeit, der ursprünglichen Empfindung, sowie einer weiteren Repräsentation des qualitativen Charakters. 63 Schelling bezeichnet die mentale Tätigkeit, die diese Repräsentationen leistet, als »produktive Anschauung«. 64 Er erklärt explizit, dass der Ausdruck ›Anschauung‹ im vorliegenden Kontext jedoch keine sinnliche Anschauung bezeichnet. Er bezeichnet eine Anschauung sui generis, d. h. eine mentale Tätigkeit, die Repräsentationen hervorbringt, die von sinnlichen Repräsentationen, aber auch von begriff lichen Vorstellungen zu unterscheiden sind. 65 Schelling bezeichnet diese mentale Tätigkeit als produktive und auch als produzierende Anschauung, da sie nicht nur Vorhandenes – die ursprüngliche Empfindung und den qualitativen Charakter – repräsentiert, sondern zudem Vorstellungen erzeugt. Sie bringt Vorstellungen hervor, indem sie die ursprüngliche Empfindung und den qualitativen Charakter repräsentiert. Zu diesen Vorstellungen zählen u. a. die Information, dass man selbst den qualitativen Charakter repräsentiert, 66 und die Vorstellung eines Unterschieds zwischen dem erscheinenden Gegenstand und dem diesem Gegenstand zugrunde liegenden Ding an sich. 67 Der erscheinende Gegenstand ist der Gegenstand, von dem das Subjekt annimmt, dass er eine Repräsentation oder Vorstellung von wohl zeigt Schelling, dass und warum Personen im Alltag annehmen – und annehmen müssen –, dass ein externer Gegenstand der Träger der qualitativen Eigenschaften ist. Das heißt, das Subjekt erzeugt die Vorstellung, dass ein externer Gegenstand die kausale Ursache ihrer Empfindung ist, obgleich sie in Wahrheit nichts anderes als eine Leistung des Subjekts darstellt. Schelling 1992, 72, 77. 61 Schelling 1992, 73–74, 80–81. 62 Schelling 1992, 131: »Im ursprünglichen Akt der Empfindung war das Ich empfindend, ohne es für sich selbst zu sein, d. h. es war empfindend ohne Bewußtsein.« 63 Schelling 1992, 81, 83–84, 88. 64 Schelling 1992, 68, 88–89, 123. 65 Schelling 1992, 99: »Wegen des Worts Anschauung ist zu bemerken, daß dem Begriff schlechterdings nichts Sinnliches beizumischen ist«. 66 Schelling 1992, 85, 88, 92. 67 Schelling 1992, 90–92, 104. Da das Subjekt annimmt, dass es ein dem erscheinenden Gegenstand zugrunde liegendes Ding an sich gibt, ist auch das Ding an sich ein vorgestelltes Ding und somit nicht bewusstseinstranszendent. Es ist mithin die Vorstellung von einem Ding, das dem erscheinenden Gegenstand zugrunde liegt. Es ist zwar nicht bewusstseinstranszendent, es wird jedoch als bewusstseinstranszendent vorgestellt.

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einem Ding darstellt, dem Ding an sich, das jenseits des Bewusstseins dem erscheinenden Gegenstand zugrunde liegt und das dem Subjekt durch eine (kausale) Affizierung die Gewinnung der Vorstellung von einem Gegenstand ermöglicht. 68 Es ist wichtig zu beachten, dass diese Vorstellungen jedoch – noch – unbewusst sind. 69 Durch die produktive Anschauung besitzt ein Subjekt zwar Vorstellungen vom Ding an sich, dem erscheinenden Gegenstand sowie von sich selbst, insofern es einen qualitativen Charakter repräsentiert. Sie sind jedoch ebenso wie die produktive Anschauung noch unbewusst. 70 Nach Schelling besitzen Subjekte unbewusste Repräsentationen. 3. Damit ein Subjekt Bewusstsein vom qualitativen Charakter hat, bedarf es einer weiteren Repräsentation durch eine mentale Tätigkeit, und zwar einer Repräsentation der produktiven Anschauung. Schelling bezeichnet die Tätigkeit, die diese Repräsentation leistet, als inneren Sinn und auch als innere Anschauung. 71 Der innere Sinn repräsentiert die produktive Anschauung, und zwar die mentale Tätigkeit. Er repräsentiert nicht den qualitativen Charakter, der von der produktiven Anschauung und der ursprünglichen Empfindung repräsentiert wird. 72 Mit der Einführung des inneren Sinns ist Schellings Erklärung phänomenalen Bewusstseins hinsichtlich des qualitativen Charakters abgeschlossen. Die Repräsentationen, welche die ursprüngliche Empfindung, die produktive Anschauung und der innere Sinn leisten, erklären, wie phänomenales Bewusstsein einen qualitativen Charakter zu enthalten vermag. Damit ist phänomenales Bewusstsein jedoch noch nicht erklärt. Es besteht nur dann, wenn zusätzlich Bewusstsein vom Subjekt vorhanden ist, das Bewusstsein vom qualitativen Charakter besitzt. Der innere Sinn ermöglicht es nach Schelling nicht, dieses Bewusstsein zu gewinnen. Auch wenn mit dem inneren Sinn Schellings Erklärung des qualitativen Charakters phänomenalen Bewusstseins abgeschlossen ist, besitzt eine Person kraft des inneren Sinns noch kein Bewusstsein vom qualitativen Charakter. Phänomenales Bewusstsein besteht erst dann, wenn zusätzlich phänomenales Selbstbewusstsein vorhanden ist.

Die Vorstellung, dass ein Gegenstand durch eine kausale Affizierung den Gehalt der Repräsentation des mentalen Zustandes bestimmt, wird nicht allein durch die ursprüngliche Empfindung und die produktive Anschauung gewonnen. Diese Vorstellung wird mithilfe zusätzlicher kognitiver Leistungen gewonnen, die im vorliegenden Kontext, das heißt mit Blick auf Schellings Interpretation von phänomenalem Bewusstsein, nicht berücksichtigt werden müssen. Vgl. Schelling 1992, 77–78, 80, 141. 69 Schelling 1992, 104. 70 Schelling 1992, 80, 135. 71 Schelling 1992, 128, 130–131. 72 Schelling 1992, 126, 128. 68

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

4. Nach Schelling wird phänomenales Selbstbewusstsein durch eine Repräsentation des inneren Sinns gewonnen. Schelling bezeichnet die mentale Tätigkeit, die den inneren Sinn repräsentiert, als Selbstgefühl. 73 Das Selbstgefühl repräsentiert ausschließlich die mentale Tätigkeit, die der innere Sinn darstellt. Es repräsentiert nicht den qualitativen Charakter. Nach Schelling bringt die als Selbstgefühl bezeichnete Tätigkeit mit dem phänomenalen Selbstbewusstsein das Bewusstsein des Unterschieds zwischen dem Subjekt und dem erscheinenden Gegenstand hervor, andererseits aber auch Zeitbewusstsein, und zwar das Bewusstsein von gegenwärtig erfahrenen Bewusstseinsinhalten. 74 Das bedeutet, für Schelling schließt phänomenales Bewusstsein stets die Information mit ein, dass ein qualitativer Charakter gerade jetzt erlebt wird. Es enthält eine bewusste egologische Information: Das Subjekt unterscheidet sich von Objekten. Phänomenales Selbstbewusstsein schließt die bewusste Information mit ein, ein Subjekt zu sein, das von Objekten zu unterscheiden ist. Dieser Fall von Selbstbewusstsein ist von Selbstbewusstsein, das im Zusammenhang mit dem Denken, Urteilen und der Verwendung von Begriffen besteht, zu unterscheiden. Phänomenales Selbstbewusstsein besteht nicht mit und durch die Tätigkeit des Denkens oder Urteilens. Nach Schelling wird phänomenales Bewusstsein durch vier mentale Leistungen gewonnen: Die ursprüngliche Empfindung repräsentiert einen qualitativen Charakter. Die produktive Anschauung repräsentiert die ursprüngliche Empfindung und den qualitativen Charakter. Der innere Sinn repräsentiert die mentale Tätigkeit, welche die produktive Anschauung darstellt. Schließlich repräsentiert eine mentale Tätigkeit, die Schelling als Selbstgefühl bezeichnet, den inneren Sinn. Das Bewusstsein von einem qualitativen Charakter ermöglichen die ursprüngliche Empfindung, die produktive Anschauung und der innere Sinn. 75 Der subjektive Charakter phänomenalen Bewusstseins wird dadurch gewonnen, dass zusätzlich das Selbstgefühl den inneren Sinn repräsentiert. Erst dann, wenn phänomenales Selbstbewusstsein vorhanden ist, »fängt alles Bewußtsein an«. 76 Das heißt, allererst mit dem Selbstgefühl besteht ein phänomenal bewusster mentaler Zustand. Während die ursprüngliche Empfindung Schelling 1992, 135: »Dieses Gefühl ist kein anderes, als was man durch das Selbstgefühl bezeichnet. Mit demselben fängt alles Bewußtsein an, und durch dasselbe setzt sich das Ich zuerst dem Objekt entgegen.« 74 Schelling 1992, 135: »Das Ich findet sich also im ersten Moment seines Bewußtseins schon in einer Gegenwart begriffen. Denn es kann das Objekt nicht sich entgegensetzen, ohne sich eingeschränkt und gleichsam kontrahiert zu fühlen auf einen Punkt. Dieses Gefühl ist kein anderes als was man durch das Selbstgefühl bezeichnet.« Vgl. Schelling 1992, 151. 75 Schelling 1992, 131. 76 Schelling 1992, 135. 73

Schellings Interpretation phänomenalen Bewusstseins

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und die produktive Anschauung den qualitativen Charakter repräsentieren, repräsentieren der innere Sinn und das Selbstgefühl ausschließlich mentale Tätigkeiten, das »Vehikel« der Repräsentation, und nicht den qualitativen Charakter. 77 Es bestimmt daher die produktive Anschauung gemeinsam mit der ursprünglichen Empfindung, welchen qualitativen Charakter phänomenales Bewusstsein enthält. 78 Phänomenales Bewusstsein besteht jedoch erst dann, wenn zudem phänomenales Selbstbewusstsein vorhanden ist, und das bedeutet, wenn zusätzlich der innere Sinn durch das Selbstgefühl repräsentiert wird. Schellings Unterscheidung zwischen der ursprünglichen Empfindung, der produktiven Anschauung, dem inneren Sinn und dem Selbstgefühl legt die Vermutung nahe, dass vier verschiedene mentale Tätigkeiten erforderlich sind, damit phänomenales Bewusstsein besteht. Das ist nicht richtig. Schelling erklärt – zum Teil en passant –, dass die mentalen Tätigkeiten numerisch identisch sind. 79 Die ursprüngliche Empfindung, die produktive Anschauung, der innere Die produktive Anschauung repräsentiert nicht nur den qualitativen Charakter. Sie repräsentiert auch die mentale Tätigkeit, insofern sie die ursprüngliche Empfindung darstellt. 78 Schelling 1992, 72–73. 79 Schelling erklärt unmissverständlich, dass das Selbstgefühl nichts anderes als der innere Sinn ist, insofern er sich selbst repräsentiert. Schelling 1992, 135: »Im Selbstgefühl wird der innere Sinn, d. h. die mit Bewußtsein verbundene Empfindung sich selbst zum Objekt«. Der Nachweis, dass der innere Sinn, die produktive Anschauung und die ursprüngliche Empfindung numerisch identisch sind, bedarf einer gründlichen Textanalyse. Schelling identifiziert die mentale Tätigkeit, die er als »inneren Sinn« bezeichnet, mit der Tätigkeit, die er als »äußeren Sinn« bezeichnet. Schelling 1992, 128: »Was uns als Objekt des äußern [Sinns] erscheint, ist mir ein Begrenzungspunkt des innern, beide, äußerer und innerer Sinn, sind also auch ursprünglich identisch, denn der äußere ist nur der begrenzte innere.« Schelling 1992, 129: »Dies würde nämlich nie geschehen, wenn nicht das Beziehende, der innere Sinn, selbst mitbegriffen wäre in der äußeren Anschauung als das eigentlich tätige und konstruierende Prinzip«. Der äußere Sinn ist jedoch nichts anderes als die produktive Anschauung, sodass folgt, dass die mentale Tätigkeit, die der innere Sinn ist, mit der Tätigkeit, welche die produktive Anschauung leistet, zu identifizieren ist. Dies ist daran zu erkennen, dass die produktive Anschauung von Schelling als eine »zusammengesetzte Tätigkeit« bezeichnet wird und diese »zusammengesetzte Tätigkeit« mit der äußeren Anschauung identifiziert wird. Schelling 1992, 126: »Das Ich, insofern es produzierend ist, ist nicht eine einfache, sondern eine zusammengesetzte Tätigkeit«. Schelling 1992, 128: »Die einfache anschauende Tätigkeit hat nur das Ich selbst zum Objekt, die zusammengesetzte das Ich und das Ding zugleich. [. . . ] Die Anschauung, die über die Grenze hinausgeht [. . . ] erscheint als äußere Anschauung.« Die Tätigkeit, die der innere Sinn ist, ist schließlich auch mit der Tätigkeit zu identifizieren, welche die ursprüngliche Empfindung leistet. Schelling bezeichnet den inneren Sinn als eine »beziehende Tätigkeit« (Schelling 1992, 126, 129) sowie als ideelle, d. h. repräsentierende Tätigkeit (Schelling 1992, 126) und identifiziert sie mit einer als »einfach anschauend« bezeichneten Tätigkeit, d. h. der ursprünglichen Empfindung (Schelling 1992, 100, 125). Schelling 1992, 126: »Nun kann aber die beziehende Tätigkeit [der innere Sinn] keine andere sein, als die oben von uns postulierte, unmittelbar durch die Produktion wieder entstehende ideelle Tätigkeit. Diese geht eben deswegen, weil sie ideell ist, nur auf das Ich selbst, und ist nichts anderes als jene einfache anschauende Tätigkeit, die wir gleich anfangs in das Ich gesetzt haben.« Vgl. auch Schelling 1992, 88–90, 129. 77

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

Sinn und das Selbstgefühl sind Leistungen einer mentalen Tätigkeit. 80 Da phänomenales Bewusstsein u. a. dadurch gewonnen wird, dass das Selbstgefühl den inneren Sinn repräsentiert, wird phänomenales Bewusstsein somit durch die Selbstrepräsentation einer mentalen Tätigkeit gewonnen. 81 Die ursprüngliche Empfindung, die produktive Anschauung, der innere Sinn und das Selbstgefühl unterscheiden sich jedoch in strukturell-repräsentationaler Hinsicht. Sie unterscheiden sich in struktureller Hinsicht, da Schelling den Standpunkt vertritt, dass Selbstbewusstsein durch die Repräsentation von etwas gewonnen wird, sodass ein – struktureller, wenn auch nicht numerischer – Unterschied zwischen der mentalen Tätigkeit besteht, insofern sie repräsentiert und insofern sie (von sich selbst) repräsentiert wird. 82 Bspw. besteht eine strukturelle Differenz zwischen der ursprünglichen Empfindung und der produktiven Anschauung, da die mentale Tätigkeit als produktive Anschauung sich selbst als ursprüngliche Empfindung repräsentiert, während sie als ursprüngliche Empfindung repräsentiert wird. Die strukturelle Differenz, welche die Selbstrepräsentation der mentalen Tätigkeit auszeichnet, und die unterschiedlichen Repräsentationen, die sie leistet, erklären, warum Schelling unterschiedliche Bezeichnungen für die mentale Tätigkeit, also etwa ursprüngliche Empfindung und Selbstgefühl, verwendet. Diese Ausdrücke bezeichnen jeweils spezifische Leistungen der mentalen Tätigkeit und unterschiedliche repräsentationale Beziehungen, die sie auszeichnen. Jedoch gilt es zu beachten, dass eine und dieselbe mentale Tätigkeit diese Repräsentationen leistet. Es ist wichtig, das Verhältnis zwischen den Tätigkeiten, die phänomenales Bewusstsein konstituieren, und den mannigfaltigen, spezifischen phänomenal bewussten mentalen Zuständen zu beachten. Die ursprüngliche Empfindung, die produktive Anschauung, der innere Sinn, das Selbstgefühl und die Beziehungen zwischen diesen Tätigkeiten konstituieren a) phänomenales Selbstbewusstsein, b) das Bewusstsein vom qualitativen Charakter und sie bestimmen Schelling erklärt nicht näher, wie die Einheit der mentalen Tätigkeit zu verstehen ist. Sollte die hier vertretene Identitätsthese, die besagt, dass die Tätigkeiten, die von Schelling als ursprüngliche Empfindung, produktive Anschauung, innerer Sinn und Selbstgefühl bezeichnet werden, numerisch identisch sind, falsch sein, so erklärt Schelling doch zumindest explizit, dass das Selbstgefühl und der innere Sinn numerisch identisch sind. Auch wenn die Identitätsthese falsch ist, gilt, dass der subjektive Charakter phänomenalen Bewusstseins sich einer Selbstrepräsentation einer und derselben mentalen Tätigkeit verdankt und dass nach Schelling phänomenales Bewusstsein ohne phänomenales Selbstbewusstsein nicht besteht. Für die Identitätsthese spricht nicht zuletzt eine große Anzahl von Stellen, die nur schwerlich in ein kohärentes Bild gebracht werden können, wenn eine selbstrepräsentationalistische Interpretation vermieden werden soll. Vgl. bspw. Schelling 1992, 91: »Die ursprüngliche Empfindung [. . . ] verwandelt sich in eine Anschauung«. Schelling 1992, 126. 82 Schelling 1992, 72–73, 80–81. 80 81

Schelling und selbstrepräsentationalistische Theorien

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c), dass ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist, d. h. dass er ein »Zumutesein«, ein subjektives Erleben miteinschließt. Unterschiedliche phänomenal bewusste mentale Zustände wie etwa Reue, Freude, visuelle Wahrnehmung usw. stimmen darin überein, dass alle diese Zustände durch die ursprüngliche Empfindung usw. phänomenal bewusste mentale Zustände sind. Der jeweilige qualitative Eigenbestand von spezifischen phänomenal bewussten mentalen Zuständen wie etwa einer visuellen Wahrnehmung einer blauen Farbe oder des Gefühls der Freude oder der Melancholie verdanken sich Faktoren, die von der ursprünglichen Empfindung usw. noch zu unterscheiden sind. Diese Faktoren bestimmen bspw., dass die Farbe blau und nicht rot bewusst ist. Zu diesen Faktoren zählt die Weise, wie das Subjekt und seine Tätigkeiten bestimmt werden. Die Analyse der Konstitution des Eigenbestands bestimmter phänomenal bewusster mentaler Zustände ist für Schelling – im Unterschied zu Hegel – nicht von Interesse.

3.2 Schelling und selbstrepräsentationalistische Theorien

Schellings Interpretation phänomenalen Bewusstseins weist signifikante Übereinstimmungen mit selbstrepräsentationalistischen Theorien auf. Schelling vertritt wie Kriegel, Van Gulick und Williford die Ubiquity-These und die Dependency-These. Phänomenales Selbstbewusstsein begleitet das Bewusstsein vom qualitativen Charakter ubiquitär. Es ist eine notwendige Bedingung der Möglichkeit phänomenalen Bewusstseins, denn mit phänomenalem Selbstbewusstsein »fängt alles Bewusstsein an«. Demnach ist auch für Schelling ein mentaler Zustand dann – und nur dann –, ein phänomenal bewusster mentaler Zustand, wenn er sowohl einen bewussten qualitativen als auch einen bewussten subjektiven Charakter aufweist. In Übereinstimmung mit Kriegel, Van Gulick und Williford besteht phänomenales Bewusstsein nur dann, wenn beide Charaktere bewusst sind. Die Übereinstimmungen reichen weiter: Für Schelling stellt phänomenales Selbstbewusstsein einen Fall von intentionalem und repräsentationalem Bewusstsein dar. 83 Phänomenales Selbstbewusstsein ist ein nicht-begriff liches Selbstbewusstsein, das in der Regel nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit einer Person steht. Insofern ist auch für Schelling wie für Dies ist daran zu erkennen, dass Schelling im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Varietäten von Selbstbewusstsein den Ausdruck ›Objekt‹ verwendet. Dieser Ausdruck bezeichnet für Schelling einen Gehalt, bspw. einen Gegenstand, von dem das Subjekt unterschieden ist. Im Fall von Selbstbewusstsein, in welchem das Subjekt selbst das Objekt ist, besteht ein Unterschied zwischen dem Subjekt, insofern es Bewusstsein hat und insofern es bewusst ist. Vgl. Schelling 1992, 35–36, 59, 204. 83

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

Kriegel und Williford phänomenales Selbstbewusstsein in der Regel peripher bewusst. Es steht dann im Zentrum der Aufmerksamkeit einer Person, wenn sie von Gegenständen abstrahiert und ihren Fokus auf das Subjekt richtet. 84 Jedoch besitzt sie auch nach Schelling phänomenales Selbstbewusstsein, bereits bevor sie introspektives Bewusstsein gewinnt. Weitere Übereinstimmungen bestehen darin, dass sowohl Schelling als auch Kriegel, Van Gulick und Williford allgemeine Strukturmerkmale phänomenalen Bewusstseins identifizieren. Sie identifizieren Merkmale, die das phänomenale Bewusstsein einer jeden Person aufweist, wie bspw. phänomenales Selbstbewusstsein. Sie entwickeln bspw. keine Theorie des phänomenalen Bewusstseins einer bestimmten Person, bspw. von Anton Bruckner. Schelling betont zudem wie analytische Philosophen, dass Subjekte unbewusste mentale Zustände haben, und präsentiert eine Theorie, welche u. a. die Schlüsselfrage selbstrepräsentationalistischer Theorien phänomenalen Bewusstseins zu beantworten verspricht. 85 Sie lautet, wie erwähnt: Wodurch ist ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand? Schellings Ausführungen im System des transzendentalen Idealismus zeigen, dass seine Antwort auf diese Fragestellung in der Entwicklung einer selbstrepräsentationalistischen Theorie phänomenalen Bewusstseins besteht, die bemerkenswerte Übereinstimmungen mit Kriegels, aber auch Lurz' Ansatz aufweist. Dies ist nicht nur daran zu erkennen, dass nach Schelling phänomenales Bewusstsein wie für Kriegel (und dem frühen Williford) u. a. durch die Selbstrepräsentation einer mentalen Tätigkeit bzw. eines mentalen Zustands besteht. Es wird deutlich erkennbar, wenn weitere Übereinstimmungen beachtet werden. Kriegel betont, dass ein Erklärungsmodell phänomenalen Bewusstseins nur dann ein selbstrepräsentationalistischer Ansatz ist, wenn der Standpunkt vertreten wird, dass ein phänomenal bewusster mentaler Zustand eine komplexe und nicht bloß eine summarische Einheit darstellt. Anderenfalls besteht nach Kriegel kein substantieller Unterschied zwischen einem selbstrepräsentationalistischen Ansatz und anderen Higher-Order Erklärungsmodellen. 86 Komplexe Einheiten zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Bestandteile sich in essentiellen Beziehungen zueinander befinden. Das heißt, eine komplexe Einheit besteht nur dann, wenn eine bestimmte Beziehung zwischen bestimmten Bestandteilen der Einheit vorhanden ist, sodass, im Unterschied zu summarischen Einheiten, ein Phänomen bereits dann nicht (mehr) besteht, Vgl. Schelling 1992, 194. Vgl. insb. Schelling 1992, 99: »Für wen es z. B. in aller Tätigkeit des Geistes überall nichts Bewußtloses gibt, und keine Region außer der des Bewußtseins, wird so wenig begreifen, wie die Intelligenz in ihren Produkten sich vergesse, als wie der Künstler in seinem Werk verloren sein könne.« Schelling 1992, 68–136, 302. 86 Kriegel 2009, 221. 84 85

Schelling und selbstrepräsentationalistische Theorien

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wenn die Teile nicht (mehr) in einer bestimmten Beziehung zueinander stehen. 87 Auch nach Schelling zeichnet sich phänomenales Bewusstsein durch eine komplexe – und keine summarische – Einheit aus. Eine mentale Tätigkeit erfüllt unterschiedliche repräsentationale Leistungen, die in bestimmten Beziehungen zueinanderstehen müssen, damit phänomenales Bewusstsein besteht. Es ist nicht bereits dann vorhanden, wenn eine mentale Tätigkeit irgendwelche vier Repräsentationen leistet, sondern nur dann, wenn ihre Leistungen in einer bestimmten repräsentationalen Beziehung zueinander stehen. Bspw. hat die produktive Anschauung die ursprüngliche Empfindung und den von der ursprünglichen Empfindung repräsentierten qualitativen Charakter zu repräsentieren. Anderenfalls besteht nach Schelling phänomenales Bewusstsein nicht. Die mentale Tätigkeit, die phänomenalem Bewusstsein zugrunde liegt, ist eine komplexe Einheit repräsentationaler Beziehungen. Schließlich stimmt Schellings System des transzendentalen Idealismus mit Kriegels, aber auch Lurz' Theorie in einem weiteren Punkt überein. Nach Schelling wird der qualitative Charakter phänomenalen Bewusstseins durch die ursprüngliche Empfindung und die produktive Anschauung repräsentiert. Auch für Kriegel ist eine zweimalige Repräsentation des qualitativen Charakters erforderlich. Nach Kriegel repräsentiert ein mentaler Zustand infolge einer kausalen externen Affizierung repräsentationale Eigenschaften eines externen Gegenstandes, die den qualitativen Charakter phänomenalen Bewusstseins festlegen. Kriegel bezeichnet diese repräsentierten Eigenschaften als schmalitative Eigenschaften. Eine Person besitzt von den schmalitativen Eigenschaften kein Bewusstsein. Damit ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist, ist mit Blick auf den qualitativen Charakter eine weitere Repräsentation erforderlich. Der mentale Zustand repräsentiert die schmalitativen Eigenschaften. 88 Durch die Repräsentation der schmalitativen Eigenschaften werden die qualitativen Eigenschaften gewonnen, die im Fall eines phänomenal bewussten mentalen Zustandes erfahren werden. Kriegels und Schellings Theorien stimmen mithin auch in dem Punkt überein, dass ein qualitativer Charakter nur dann ein bewusster qualitativer Charakter ist, wenn er zweimal repräsentiert wird. In diesem Punkt besteht auch eine partielle Übereinstimmung mit Lurz' Theorie. Lurz untersucht zwar nicht phänomenales Bewusstsein, sondern Zustandsbewusstsein. Nach Lurz ist jedoch ein intentionaler Zustand dann ein bewusster intentionaler Zustand, wenn ein mentaler Zustand M1 einen repräsentierten Gehalt aufweist, der durch einen anderen mentalen Zustand M2 ein 87 88

Kriegel 2009, 221–222. Kriegel 2009, 110.

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

weiteres Mal repräsentiert wird. Schelling teilt diesen Standpunkt mit Blick auf die Repräsentationen, die phänomenales Bewusstsein ermöglichen. Auch für Schelling sind zwei Repräsentationen desselben Gehalts erforderlich, damit er ein bewusster Gehalt ist. Im Unterschied zu Schelling ist ein mentaler Zustand nach Lurz jedoch dadurch ein bewusster mentaler Zustand, dass zwei numerisch verschiedene mentale Zustände denselben Gehalt repräsentieren. Für Schelling ist es ein und dieselbe Tätigkeit, die zwei Repräsentationen desselben Gehalts leistet. Und im Unterschied zu Schelling repräsentiert nach Lurz a) der mentale Zustand M2 ausschließlich den Gehalt des anderen mentalen Zustands M1, während bei Schelling die produktive Anschauung nicht nur den Gehalt einer mentalen Tätigkeit, der ursprünglichen Empfindung, sondern auch diese Tätigkeit selbst ebenso repräsentiert, und ist für Lurz b) der mentale Zustand M2 ein Gedanke, der einen deiktischen demonstrativen Begriff miteinschließt, während Schelling eine nicht-begriff liche Tätigkeit, eine nichtsinnliche Anschauung ansetzt. Nach Schelling schließen die Leistungen der mentalen Tätigkeit, die zu phänomenalem Bewusstsein führen, keinen Begriff mit ein. 89 Der dargelegte Vergleich von Schellings Theorie phänomenalen Bewusstseins mit selbstrepräsentationalistischen Theorien bestätigt die eingangs dieses Kapitels formulierte These, dass Schellings Interpretation phänomenalen Bewusstseins weitreichende Übereinstimmungen mit selbstrepräsentationalistischen Theorien aufweist. Dies gilt sowohl mit Blick auf die Beschreibung als auch die Erklärung phänomenalen Bewusstseins. Angesichts der vorhandenen signifikanten Übereinstimmungen ist Schellings Erklärungsmodell sachangemessen als eine idealistische Variante des selbstrepräsentationalistischen Ansatzes zu bezeichnen. Aus diesem Grund wurden im bisherigen Verlauf der Untersuchung die analytischen selbstrepräsentationalistischen Theorien zuweilen als analytische selbstrepräsentationalistische Theorien bezeichnet. Insbesondere ein Einwand scheint jedoch gegen die These zu sprechen, dass Schelling eine selbstrepräsentationalistische Theorie phänomenalen Bewusstseins entwickelt. Kriegel betont, dass es das Ziel sowohl von Rosenthals Higher-Order-Thought-Theorie des Bewusstseins als auch von selbstrepräsentationalistischen Theorien ist, die Konstitution phänomenalen Bewusstseins zu erklären und nicht eine Theorie der Konstruktion, d. h. für Kriegel, eine kausale Erklärung phänomenalen Bewusstseins zu entwickeln. 90 Eine Theorie der Konstruktion erklärt, wie phänomenales Bewusstsein produziert wird. Demgegenüber untersucht eine Theorie der Konstitution die Frage, aufgrund von welchen 89 90

Dies gilt zumindest für den inneren Sinn und das Selbstgefühl. Kriegel 2009, 142. Vgl. Rosenthal 1997, 738–739.

Schelling und selbstrepräsentationalistische Theorien

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repräsentationalen Leistungen und Beziehungen phänomenales Bewusstsein besteht. Schelling entwickelt eine akttheoretische Erklärung phänomenalen Bewusstseins. Das bedeutet, er entwickelt eine Theorie der Konstruktion bzw. Produktion phänomenalen Bewusstseins. Schelling verfolgt ein anderes Ziel und eine andere Aufgabenstellung als analytische selbstrepräsentationalistische Theorien. Es scheint daher nicht sachangemessen zu sein, Schellings Theorie als eine selbstrepräsentationalistische Theorie zu bezeichnen. Schelling entwickelt im Unterschied zu analytischen selbstrepräsentationalistischen Theorien keine Erklärung der Konstitution phänomenalen Bewusstseins. Dieser Einwand überzeugt nicht. Schelling entwickelt zwar eine akttheoretische Interpretation phänomenalen Bewusstseins, gemäß der phänomenales Bewusstsein spontan hervorgebracht wird. Das bedeutet, phänomenales Bewusstsein besteht durch eine mentale Tätigkeit, die u. a. spontan sich selbst repräsentiert. Jedoch entwickelt Schelling mit der Unterscheidung von ursprünglicher Empfindung, produktiver Anschauung, innerem Sinn und Selbstgefühl eine Erklärung, aufgrund welcher repräsentationalen Beziehungen ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist. Ein phänomenal bewusster mentaler Zustand zu sein, besteht für Schelling darin, dass die ursprüngliche Empfindung, die produktive Anschauung, der innere Sinn und das Selbstgefühl in spezifischen repräsentationalen Beziehungen zueinander sowie zum qualitativen Charakter stehen. Schelling entwickelt nicht nur eine akttheoretische Erklärung phänomenalen Bewusstseins, sondern auch eine konstitutive Erklärung. Dies gilt im Übrigen auch für Fichte und Hegel. Der dargestellte Einwand ist nicht überzeugend. 91 Außerdem ist zu beachten, dass bspw. Lurz bei seiner Erklärung eines bewussten mentalen Zustands kausale Überlegungen mit einfließen lässt. Nach Lurz verursacht ein mentaler Zustand seine Repräsentation durch einen anderen mentalen Zustand, sodass auf diese Weise ein bewusster mentaler Zustand besteht. Die These, das Schellings Theorie phänomenalen Bewusstseins keine selbstrepräsentationalistische Theorie ist, da er ein akttheoretisches Modell entwickelt, überzeugt auch aus dem Grund nicht, dass nicht ein jeder selbstrepräsentationalistische Ansatz ausschließlich konstitutive Erklärungen menschlichen Bewusstseins enthält.

Zudem gilt es zu beachten, dass es das erklärte Ziel Kriegels und Willifords ist, ihre Erklärungsmodelle phänomenalen Bewusstseins mit einer kausalen, naturalistischen Theorie menschlichen Bewusstseins zu vereinbaren. Kriegel 2009, 12, 205, 215; Williford / Rudrauf / Landini 2012, 321. 91

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

3.3 Fichtes Interpretation phänomenalen Bewusstseins

So wie Schelling entwickelt auch Fichte seine Theorie phänomenalen Bewusstseins im Kontext einer selbstbewusstseinstheoretischen Fragestellung. Fichtes Fragestellung, bei deren Untersuchung er u. a. seine Theorie phänomenalen Bewusstseins entwickelt, lautet, wie es möglich ist, dass das Ich sich als das Nicht-Ich bestimmend setzt. 92 Das heißt, wie ist es möglich, dass das Subjekt Tätigkeiten vollzieht, die Gegenstände und deren Eigenschaften in der Welt bestimmen, und wie ist es möglich, dass das Subjekt Bewusstsein davon besitzt, dass es diese Tätigkeiten leistet? Bei der Untersuchung dieser Fragestellungen entwickelt Fichte eine Theorie, die erklärt, wodurch ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist. Fichte entwickelt in der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre von 1794/95« seine Theorie phänomenalen Bewusstseins im Rahmen seiner Theorie des Gefühls, des Selbstgefühls und der Empfindung. Wie in Kapitel 3 erwähnt, bedeutet der Ausdruck ›Bewusstsein‹ für Fichte, so wie auch für Schelling und Hegel, etwas anderes als wie im Rahmen analytischer Theorien phänomenalen Bewusstseins. Bewusstsein besteht nach Fichte dann, wenn eine Person Selbstgefühl, Empfindungen sowie Anschauungen hat und Begriffe verwendet, sodass intentionales und begriff liches Bewusstsein von einem Objekt besteht. Phänomenales Bewusstsein besteht im Zusammenhang mit dem Selbstgefühl und der Empfindung. Wenn im Folgenden der Ausdruck ›Bewusstsein‹ verwendet wird, ist die analytische Bedeutung dieses Ausdrucks gemeint. Wenn dies nicht zutrifft, ist dies dem Kontext eindeutig zu entnehmen. Wenn im Folgenden also bspw. gesagt wird, dass nach Fichte ein Subjekt Bewusstsein vom qualitativen Charakter besitzt, dann verwendet Fichte nicht das Wort ›Bewusstsein‹, sondern die Wörter ›Fühlen‹ oder auch ›Empfinden‹. Die Grundlage von Fichtes Theorie phänomenalen Bewusstseins bilden die Begriffe der Reflexion, des Strebens, des Gegenstrebens und des Gleichgewichts zwischen Streben und Gegenstreben. 93 Um Fichtes Theorie phänomenalen Bewusstseins nachvollziehen zu können, ist es erforderlich, diese Grundlagen zu erläutern. Für die kritische Diskussion von Fichtes Erklärung phänomenalen Bewusstseins ist es instruktiv, außerdem die berühmten drei Grundsätze der Fichte 1997, 165–166. Kurze Zeit nach der Veröffentlichung der »Grundlage der gesamten Wissenschafstlehre« hat Fichte im »Grundriß des Eigentümlichen der Wissenschaftslehre in Rücksicht auf das theoretische Vermögen als Handschrift für seine Zuhörer« eine Theorie der Empfindung veröffentlicht. Sie wird im Folgenden nicht behandelt. Mit Blick auf die Zielsetzung dieser Untersuchung werden die entscheidenden Übereinstimmungen und Differenzen gegenüber dem Selbstrepräsentationalismus in der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« genannt. 92 93

Fichtes Interpretation phänomenalen Bewusstseins

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»Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« kurz zu erläutern. Sie sind für seine Theorie phänomenalen Bewusstseins zwar nicht unmittelbar von Bedeutung, aber für die Beurteilung von Fichtes Ansatz wichtig. A. Die drei Grundsätze. Der erste Grundsatz lautet: Das Ich setzt ursprünglich schlechthin sein eignes Sein. 94 Der erste Grundsatz drückt Fichtes aktontologische Interpretation des Subjekts aus. Das Subjekt ist eine Tätigkeit, die sich spontan vollzieht. Es gibt keine kausale Ursache des Subjekts oder seiner Tätigkeit, die vom Subjekt selbst und seiner Tätigkeit verschieden wäre. Das Subjekt besteht mit dieser Tätigkeit, die es selbsttätig vollzieht. Die Selbsttätigkeit ist der Grund, warum das Subjekt besteht und es tätig ist, und es gibt keinen der Selbsttätigkeit des Subjekts übergeordneten Grund, der begründet, warum das Subjekt besteht oder es seine Tätigkeit vollzieht. Für Fichte ist das Subjekt von seinem Selbstbewusstsein nicht zu trennen. Ein Subjekt zu sein, bedeutet Selbstbewusstsein zu haben. Das Subjekt ist stets ein selbstbewusstes Subjekt. In diesem Sinn lautet Fichtes Antwort auf die Frage »was war ich wohl, ehe ich zum Selbstbewußtsein kam?« dahingehend, dass ich gar nicht war. Vielmehr gilt: »Das Ich ist nur insofern, inwiefern es sich seiner bewußt ist.« 95 Das Subjekt oder ›Ich‹ besteht nicht bevor oder unabhängig davon, dass es Selbstbewusstsein hat. Es, das Subjekt selbst, besitzt Bewusstsein von sich selbst. Das bedeutet, mit der spontanen Tätigkeit, durch die das Subjekt besteht, besteht zugleich Selbstbewusstsein. Das Subjekt hat nicht nur die Disposition, Selbstbewusstsein zu haben, sondern es besitzt Selbstbewusstsein stets aktuell. Es ist wichtig, das Selbstbewusstsein des Subjekts vom Selbstbewusstsein einer Person zu unterscheiden. Fichte entwickelt bspw. in der »Grundlage des Naturrechts« von den drei Grundsätzen der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« ausgehend eine Theorie der Individuation von Selbstbewusstsein, also eine Theorie der Konstitution des Selbstbewusstseins einer Person. Eine Person ist nach Fichte ein raumzeitlicher Gegenstand, den mentale und physische Eigenschaften auszeichnen, die er sich zuzuschreiben vermag, und der sich u. a. in theoretischer und (moralisch-)praktischer Weise rational zur Welt und anderen Personen verhält. Das Selbstbewusstsein einer Person enthält bspw. die bewusste Information, selbst mit einer anderen Person in vernünftigen Interaktionen sich zu befinden. Das Selbstbewusstsein des Subjekts, das im ersten Paragraphen der »Grundlage« erwähnt wird, ist davon zu unterscheiden. Es ist ein Bestandteil des Selbstbewusstseins einer jeden Person. Es enthält aber keine bewussten Informationen über sich selbst als eine Person oder die Beziehungen, in denen eine Person sich befindet. Das 94 95

Fichte 1997, 18. Fichte 1997, 17.

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

Selbstbewusstsein des Subjekts ist auch weder in zeitlicher Hinsicht noch in synchroner Hinsicht mit Blick auf unterschiedliche Leistungen, die es erbringt, oder auf unterschiedliche bewusste Informationen, die es hat, als ein Einheitsoder Identitätsselbstbewusstsein zu verstehen. Beides ist an diesem Punkt der Theorie nicht im Blick. Das Selbstbewusstsein, das mit dem Subjekt besteht, enthält ausschließlich die bewusste Information: man selbst bzw. Ich, ohne dass damit eine Eigenschaft des Subjekts, etwa wollend oder denkend zu sein, bewusst wäre und dem Subjekt zugeschrieben würde. Es handelt sich dabei um einen Fall präreflexiven, nicht-begriff lichen, nicht-intentionalen und nichtrepräsentationalen, wenngleich jedoch egologischen Selbstbewusstseins. Das Subjekt besitzt Bewusstsein von sich selbst und dieses Bewusstsein enthält die bewusste Information – aber auch nur diese Information –, Bewusstsein von sich selbst zu haben. Die zuvor angeführte sprachliche Darstellung des Gehalts dieses Falls von präreflexivem Selbstbewusstsein – »man selbst« bzw. »Ich« –, verweist auf eine in einem nicht-begriff lichen Format vorliegende bewusste egologische Information. Es ist ein Selbstbewusstsein sui generis, da es auch kein Selbstgefühl und keine sinnliche Anschauung ist. Es ist mit dem Begriffsrepertoire: Gefühl, Empfindung, sinnliche Anschauung oder Gedanke nicht phänomenangemessen bezeichnet. Es ist auch kein Fall von phänomenalem Bewusstsein. Es schließt keine qualitative Erlebnisdimension mit ein. Fichte behauptet mithin, dass Selbstbewusstsein sich nicht in dem Bewusstsein von einer Eigenschaft erschöpft, die ein Subjekt sich selbst als die eigene zuschreibt. Selbstbewusstsein erschöpft sich nicht in einem präreflexiven Bewusstsein der ›Meinigkeit‹, etwa in dem Bewusstsein von einem Zustand, den man sich selbst zuschreibt. Es schließt als einen Bestandteil immer auch nicht-begriff liches Bewusstsein von sich selbst als das Subjekt mit ein. Näher betrachtet ist das Subjekt und sein Selbstbewusstsein, das Fichte im ersten Grundsatz thematisiert, daher das Selbstbewusstsein des Subjekts als solches. Der Ausdruck ›Subjekt als solches‹ bezeichnet das Subjekt an und für sich, d. h. unabhängig von den Eigenschaften, die es zusätzlich zu dem auszeichnen, dass es in einer spontanen Tätigkeit besteht und präreflexives Selbstbewusstsein aufweist, das ausschließlich Bewusstsein von es selbst im strengen Sinn enthält. 96 Zu den Eigenschaften, Für diese Interpretation sprechen folgende Punkte: A. Fichte erwähnt im ersten Grundsatz im Unterschied zum dritten Grundsatz nicht die Beziehung des Subjekts zu etwas, das von ihm unterschieden ist. Alle bewussten Informationen, die Informationen bezüglich einer Beziehung zu etwas anderem miteinschließen, sind im ersten Grundsatz nicht angesprochen. B. Das Subjekt im ersten Grundsatz setzt sich selbst. Es setzt sich aber weder als »durch sich gesetzt« noch gilt, dass das Subjekt sich als setzend, d. h. als tätig, setzt. C. Fichte erklärt im ersten Grundsatz nicht, dass das Subjekt Bewusstsein von seiner Tätigkeit besitzt, durch die es besteht. Das Selbstbewusstsein, das im ersten Grundsatz 96

Fichtes Interpretation phänomenalen Bewusstseins

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die nicht zum Subjekt als solches zählen, gehören die Eigenschaften, dass es das Subjekt des Bewusstseins ist, dass es praktische Leistungen vollzieht und sich zuschreibt oder auch, dass es etwas empfindet und bewusst wahrnimmt. Diese Eigenschaften sind im Fall des Selbstbewusstseins eines Subjekts als solches nicht thematisch. Es ist daher wichtig, Fichtes Interpretation des Subjekts als solches von seiner Interpretation des Vollbegriffs vom Subjekt zu unterscheiden. Das Subjekt als solches besteht in der spontanen Tätigkeit, die präreflexives Selbstbewusstsein einschließt. Nach dem Vollbegriff des Subjekts besteht das Subjekt in sämtlichen Tätigkeiten, die es leistet, und Zuständen, die es auszeichnen, etwa Gefühle zu haben, sowie in unterschiedlichen Varietäten von Selbstbewusstsein und Weltbewusstsein, die es besitzt. 97 Das Subjekt als solches und sein Selbstbewusstsein sind ein Bestandteil des Vollbegriffs des Subjekts. Fichtes Interpretation des selbstbewussten Subjekts ist am besten als eine performative Interpretation bezeichnet. Fichtes Standpunkt lässt sich anhand von Strukturmerkmalen performativer Äußerungen charakterisieren und sachangemessen erläutern. Hierfür bietet sich insbesondere ein bestimmter Typ performativer Äußerungen an. Es sind dies sogenannte verdiktive Äußerungen, und zwar näher betrachtet ein-Wort-verdiktive performative Äußerungen wie bspw. das von einem Linienrichter eines Tennisspiels geäußerte Wort »Aus!«. Bei diesem Typ von Äußerungen wird mit einer Äußerung, einer Tätigkeit, ein Sachverhalt hervorgebracht: ein Ball ist im »Aus«. Die linguistische Bedeutung enthält eine Information über den Sachverhalt, der hervorgebracht wird.

erwähnt wird, enthält nicht die bewusste Information »Ich denke«, sondern ist angemessen als »Ich bin« ausgedrückt, wobei dies nicht so zu verstehen ist, dass das Subjekt sich selbst bewusst das Prädikat zuschreibt, zu sein, sondern es hat eben Bewusstsein von sich selbst und damit von etwas, das existiert. Werden diese Punkte berücksichtigt, ist die dargelegte Interpretation naheliegend. 97 In der Fichte-Forschung gibt es zwei dominante Interpretationstraditionen. Nach der einen Interpretationsrichtung, zu der die dargestellten Ausführungen zählen, vertritt Fichte den Standpunkt, dass das Subjekt als solches tatsächlich besteht und dass es präreflektiertes, nicht-begriffliches und nicht-intentionales Selbstbewusstein einschließt. Vgl. Dieter Henrich: »Fichtes ursprüngliche Einsicht«, in: Dieter Henrich / Hans Wagner (Hg.): Subjektivität und Metaphysik. Frankfurt 1966, 188–232. Dieter Henrich: »Selbstbewußtsein – Kritische Einleitung in eine Theorie«, in: R. Bubner: Hermeneutik und Dialektik, Aufsätze Bd. I. Tübingen 1970, 275–284; Christian Klotz: Selbstbewusstsein und praktische Identität. Eine Untersuchung über Fichtes Wissenschaftslehre nova methodo. Frankfurt am Main 2002; Ulrich Pothast: Über einige Fragen der Selbstbeziehung. Frankfurt 1971; Jürgen Stolzenberg: Fichtes Begriff der intellektuellen Anschauung. Die Entwicklung in den Wissenschaftslehren von 1793/94 bis 1801/2, Klett-Cotta, Stuttgart 1986. Nach der alternativen Lesart ist es ein hypothetischer Ausgangspunkt der Theorie. In dieser Untersuchung soll die dargestellte affirmative Interpretation gegenüber der hypothetischen nicht verteidigt werden. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass Fichte in der »Neuen Bearbeitung der Wissenschaftslehre von 1800« hinreichend deutlich erklärt, dass es zumindest die intellektuelle Anschauung tatsächlich gibt.

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

Schließlich zeichnet sich das Bestehen des Sachverhalts und die linguistische Bedeutung durch eine »Einheit« aus. Der Linienrichter (oder der Schiedsrichter) muss das Wort »Aus!« äußern, damit ein Ball »im Aus« ist. »Im Aus zu sein« besteht dann, wenn »Aus!« geäußert wird. Wenn die linguistische Bedeutung den Sachverhalt nicht thematisiert oder ausdrückt, der hervorgebracht wird, besteht er nicht. Fichtes Darstellung des Subjekts als solches und seines Selbstbewusstseins lässt sich nach diesem Typ performativer Äußerungen interpretieren und übersetzen: Mit der spontanen Tätigkeit besteht das Subjekt und es besitzt eine bewusste Information über das Phänomen, das hervorgebracht wird: das Subjekt selbst. So wie im Fall der performativen Äußerung »Aus!« mit der Äußerung, einer Tätigkeit, ein Sachverhalt hervorgebracht wird, besteht mit einer Tätigkeit, einem spontanen Akt, das Subjekt, und so wie im Fall der Äußerung »Aus!« ein linguistischer Gehalt den Sachverhalt thematisiert oder – je nach Interpretation der linguistischen Dimension performativer Äußerungen 98 – ausdrückt, der hervorgebracht wird, besteht im Fall des spontanen Akts präreflexives Bewusstsein, ein Gewahren, von dem, was besteht und hervorgebracht ist: das Subjekt, einem selbst. Schließlich besteht das Subjekt nur dann, wenn es Selbstbewusstsein besitzt. Es zeichnet sich wie performative Äußerungen durch eine Einheit aus. Es muss Selbstbewusstsein bestehen, damit das Subjekt vorliegt. Performative Äußerungen ermöglichen es auf diese Weise, Fichtes Standpunkt zu übersetzen, wenngleich freilich zu berücksichtigen ist, dass im Fall des selbstbewussten Subjekts keine linguistische Bedeutung das Phänomen thematisiert, das entsteht, sondern dass präreflexives und nicht-begriff liches Bewusstsein vom Subjekt besteht und dass eine performative Äußerung eine Handlung darstellt, die von der spontanen Tätigkeit, mit der das Subjekt besteht, zu unterscheiden ist. Das Subjekt als solches und sein Selbstbewusstsein sind keine performative Äußerung. Jedoch erlauben es die formalen strukturellen Übereinstimmungen zwischen performativen Äußerungen und Fichtes Interpretation des selbstbewussten Subjekts, Fichtes Standpunkt phänomenangemessen zu übersetzen und auf den Begriff zu bringen. Das Subjekt als solches und sein Selbstbewusstsein sind ein performatives Phänomen. 99 Es ist umstritten, ob die linguistische Bedeutung das hervorgebrachte Phänomen bzw. die mit der Äußerung vollzogene Handlung beschreibt oder nicht. Vgl. bspw.: John L. Austin: Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with words). Stuttgart 2002, 28. Vgl aber auch: Austin 2002, 91. Kent Bach: »Performatives are statements too«, in: Philosophical Studies, 28, 1975, 229. 99 Der erste Interpret, der m.W. eine performative Lesart des Subjekts und seines Selbstbewusstseins in der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« vorgeschlagen hat, war Werner Stelzner. Vgl. Werner Stelzner: Selbstzuschreibung und Identität, in: Wolfram Hogrebe: Fichtes Wissenschaftslehre 1794. Philosophische Resonanzen. Frankfurt a. M. 1995, 133. Bereits vor Stelzner 98

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Die performative Interpretation des selbstbewussten Subjekts ermöglicht es, eine Brücke zu den beiden anderen Grundsätzen der »Grundlage« zu schlagen. Performative Äußerungen zeichnen sich dadurch aus, dass Rahmenbedingungen erfüllt sein müssen, damit ein Sachverhalt oder ein Phänomen besteht. In dem erwähnten Beispiel zählt zu den Rahmenbedingungen, die erfüllt sein müssen, dass ein Linienrichter oder der Schiedsrichter das Wort »Out!« rufen müssen. Es genügt nicht, dass irgendeine Person, bspw. ein Zuschauer, dieses Wort äußert. Angewandt auf Fichtes Theorie bedeutet dies, dass das selbstbewusste Subjekt nur dann besteht, wenn weitere Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu zählen die im zweiten und dritten Grundsatz erwähnten Leistungen des Subjekts. Andererseits sind jedoch weder der zweite und der dritte Grundsatz gemeinsam noch alle anderen notwendigen Bedingungen menschlichen Bewusstseins insgesamt hinreichend, um das selbstbewusste Subjekt vollständig erklären zu können. Das selbstbewusste Subjekt hat einen irreduziblen Eigenbestand, der im ersten Grundsatz dargestellt wird, sodass es ohne weitere Voraussetzungen oder »Rahmenbedingungen« zwar nicht bestünde. Es gäbe das selbstbewusste Subjekt aber nicht, wenn es nicht spontan und performativ sich vollzöge. Der zweite und der dritte Grundsatz lauten: »[D]em Ich wird entgegengesetzt ein Nicht-Ich« 100 (2. Grundsatz) und: »Ich setze im Ich dem teilbaren Ich ein teilbares Nicht-Ich entgegen« (3. Grundsatz). 101 Der Begriff »Nicht-Ich« steht für den Inbegriff alles dessen, was Subjekt nicht ist und mit dem es in einer

hat Jörg-Peter Mittmann die Möglichkeit einer performativen Interpretation von Fichtes erstem Grundsatz in Erwägung gezogen, jedoch zurückgewiesen. Jörg-Peter Mittmann: Das Prinzip der Selbstgewißheit: Fichte und die Entwicklung der nachkantischen Grundsatzphilosophie. Bodenheim 1993, 143. In einer Reihe von Aufsätzen habe ich Fichtes Begriff vom »Ich«, seine Interpretation der intellektuellen Anschauung, die beide von der Interpretation des selbstbewussten Subjekts als solches zu unterscheiden sind, sowie Fichtes Begründung der Erscheinungslehre in der Wissenschaftslehre von 1804, d. h. der Beziehung zwischen dem Absoluten und dem Wissen des Lesers vom Absoluten, performativ interpretiert. Eine performative Interpretation ist auch mit Blick auf Schellings Theorie des Selbstbewusstseins im »System des transzendentalen Idealismus« von 1800 sinnvoll sowie mit Blick auf Hegels Theorie des sich selbst offenbarenden Geistes in der »Enzyklopädie«, sodass insgesamt ein Grundzug – aber freilich auch nur ein Grundzug –, der die idealistischen Systeme Fichtes, Schellings und Hegels prägt, in der Entwicklung von performativen Theorien besteht, die unterschiedliche Aufgabenstellungen lösen, wie bspw. die Aufgabe, Selbstbewusstsein zu erklären oder die Beziehung zwischen dem Absoluten und dem Wissen vom Absoluten. Dabei ist nicht zu übersehen, dass sich nicht nur die performativen Interpretationen Fichtes, Schellings und Hegels unterscheiden. Auch Fichte selbst entwirft unterschiedliche performative Modelle. Für eine neue performative Interpretation eines Ausschnitts menschlicher Subjektivität in Auseinandersetzung mit analytischen Theorien vgl. vom Verfasser die Schrift »Performatives Selbstbewusstsein«. 100 Fichte 1997, 170 101 Fichte 1997, 30.

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für die Konstitution von Bewusstsein bedeutsamen Beziehung steht. Dieser Begriff bezeichnet also nicht etwa einen einzelnen Gegenstand, sondern alles dasjenige, was auch immer es sein mag, das vom Subjekt verschieden ist und mit dem es in einer für die Konstitution von Bewusstsein relevanten Beziehung steht. Diese beiden Grundsätze bedeuten der Sache nach, dass das Subjekt a) sich von etwas unterscheidet, das es nicht ist, und b) Bewusstsein von diesem Unterschied zwischen es selbst und etwas anderem besitzt. Auch für Fichte sind Selbstbewusstsein und Weltbewusstsein engstens verbunden. Eines ist nicht ohne das andere vorhanden. Selbstbewusstsein lässt sich nicht anhand von Weltbewusstsein erklären. Weltbewusstsein ist aber auch nicht vollständig anhand des Selbstbewusstseins des Subjekts erklärbar, denn Fichte betont, dass die im zweiten Grundsatz angeführte Tätigkeit des Subjekts vom performativen Selbstvollzug des Subjekts, der im ersten Grundsatz zur Sprache kommt, zu unterscheiden ist. Die Tätigkeit des Entgegensetzens ist von der Tätigkeit des sich selbst Setzens zu unterscheiden. 102 Fichtes drei Grundsätze besagen kurz zusammengefasst, dass a) das selbstbewusste Subjekt als solches ein spontanperformatives Phänomen ist, dass b) Bewusstsein und Selbstbewusstsein sowie das Subjekt selbst aber auch nur dann bestehen, wenn das Subjekt durch eine Tätigkeit sich von etwas unterscheidet, das es nicht selbst ist, und wenn es c) ein Bewusstsein des Unterschieds zwischen es selbst und dem, was es nicht selbst ist, hat, also etwa von Gegenständen in der Welt und deren Eigenschaften. B. Streben, Gegenstreben, das Gleichgewicht zwischen Streben und Gegenstreben und die Reflexion. Fichte ist kein absoluter Idealist. 103 Er vertritt nicht den Standpunkt, dass das Subjekt die Welt und die Objekte (kausal) erzeugt. Dies wäre ein grobes Missverständnis. Das Subjekt, Bewusstsein und Selbstbewusstsein bestehen nur dann, wenn das Subjekt in einer Beziehung zu einem Inhalt steht, den es nicht erzeugt hat. Nach Fichte ist jedoch jeder bewusste Inhalt, jeder Gegenstand und seine Eigenschaften, durch Tätigkeiten des Subjekts ein bewusster Inhalt, ein bewusster Gegenstand. 104 Alles, dessen ein Subjekt sich bewusst ist, ist ein Bestandteil in seinem Bewusstsein. Das Bewusstsein, das ein Subjekt hat, verdankt sich seiner eigenen spontanen Tätigkeit. Alles, was bewusst ist, ist durch Leistungen des Subjekts bewusst. Die spontane Tätigkeit des Subjekts konstituiert außerdem die allgemeingültigen und notwendigen Aspekte menschlichen Bewusstseins und der bewussten Objekte, etwa dass sie in kausalen Beziehungen zueinander stehen und in Raum und Zeit verortet 102 103 104

Fichte 1997, 22. Fichte 1997, 196 Fichte 1997, 55–56, 60, 63–64.

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erscheinen. Alle Aspekte, die allgemeingültig oder notwendig sind, sind – bis auf den Inhalt als solchen, ohne den Bewusstsein und Selbstbewusstsein nicht bestünden – durch Tätigkeiten des Subjekts konstituiert. Die Tätigkeiten und Zustände, die das Subjekt leistet, sind das, worin das Subjekt seinem Vollbegriff nach besteht. Ein Subjekt zu sein, bedeutet, diese Leistungen spontan zu erbringen, aber auch Zustände wie Gefühle oder Anschauungen zu haben und Urteile zu fällen. Das Subjekt realisiert sich mit diesen Tätigkeiten und Zuständen. Da die allgemeingültigen Strukturen, die im Bewusstsein auftreten und die jeden bewussten Inhalt prägen, vom Subjekt spontan hervorgebracht werden, schreibt Fichte dem Subjekt das Bestreben zu, der Inbegriff aller Realität zu sein. Das Wort ›Realität‹ bedeutet in einigen Passagen wirklich vorhanden sein. Im vorliegenden Kontext bedeutet es aber vor allem Bestimmtheit oder Sachhaltigkeit. Eine basale Form von Bestimmtheit oder Sachhaltigkeit besteht darin, dass einem Inhalt ein bestimmtes Prädikat a zukommt und nicht (zum selben Zeitpunkt) in derselben Hinsicht auch nicht-a. Da das Subjekt den Inhalt nicht ursprünglich erzeugt, ist sein Bestimmungsvermögen eingeschränkt. Das Subjekt ist hinsichtlich der Reichweite dessen, was es zu bestimmen vermag, beschränkt, da es in einer Beziehung zu einem Inhalt steht, den es nicht hervorgebracht hat und der als solcher nicht durch es bestimmt ist. Da das Subjekt darin besteht, zu bestimmen, schreibt Fichte ihm das Bestreben zu, alles nach seinen eigenen Gesetzen zu bestimmen zu versuchen, und das bedeutet letzten Endes, es für die Möglichkeit, eine Vorstellung von ihm zu haben, hervorzubringen. Dies gelingt dem Subjekt mit Blick auf den Inhalt, insofern er durch Leistungen des Subjekts ein bewusster Inhalt ist. Das Streben, alles, was besteht, nach Gesetzen des Subjekts zu bestimmen, schließt nach Fichte mit ein, dass das Subjekt – metaphorisch gesprochen – Aussicht hält nach Inhalten, die (noch) nicht durch es bestimmt sind. Dies ist eine der Leistungen der Reflexion bzw. der Tätigkeit, Repräsentationen hervorzubringen. Bevor Bewusstsein besteht, prüft das Subjekt anhand von Repräsentationen, ob es Inhalte gibt, mit denen das Subjekt in Kontakt steht, die das Subjekt nach seinen Gesetzen bestimmen kann. Der Inhalt hat jedoch einen Eigenbestand, der nicht vom Subjekt bestimmt ist und der eine Bedingung der Möglichkeit der Konstitution von Bewusstsein darstellt. Fichte bezeichnet das Bestreben des Subjekts, jeglichen Inhalt vollständig zu bestimmen, als »Streben«. Diese Tätigkeit des Subjekts ist ein Streben, da es einerseits das Bemühen des Subjekts bezeichnet, jeglichen Inhalt gemäß seinen Gesetzen und Tätigkeiten zu bestimmen, diese Tätigkeit am Inhalt jedoch eine Einschränkung erfährt. Bewusstsein und Selbstbewusstsein bestünden nicht ohne einen Inhalt, einen »Anstoß«, der nicht vom Subjekt konstituiert und erzeugt ist. Fichte schreibt dem Inhalt daher zu, einen Widerstand zu leisten, dessen Repräsentation durch das Subjekt er als »Gegenstre-

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

ben« bezeichnet. 105 Es ist ein »Gegenstreben«, da es die Tätigkeit des Strebens des Subjekts einschränkt und Fichte ihr zuschreibt, das Streben vollständig bestimmen zu wollen. Es besteht eine Beziehung zwischen dem Streben und dem Gegenstreben. Fichte bezeichnet sie mit dem Ausdruck »Gleichgewicht zwischen Streben und Gegenstreben«. 106 Damit ist gemeint, dass die Beziehung derart ist, dass weder das Subjekt den Eigenbestand des Inhalts noch der Inhalt das Subjekt vollständig zu bestimmen vermögen. Anderenfalls würde entweder das Subjekt den Inhalt vollständig bestimmen, was ausgeschlossen ist, oder das Subjekt vermag nicht mehr, durch seine Tätigkeiten Inhalte zu bestimmen, was ebenfalls ausgeschlossen ist, insofern Bewusstsein besteht, das sich der Tätigkeit des Subjekts verdankt. Da andererseits das Subjekt und der Inhalt als solcher in einer Beziehung zueinander stehen müssen, wenn Bewusstsein und Selbstbewusstsein bestehen können sollen, besteht ein Gleichgewicht, d. h. eine Beziehung, in welcher der Eigenbestand des Inhalts erhalten bleibt, aber auch die Tätigkeit des Subjekts nicht aufgehoben ist. Fichte setzt bei seiner Erklärung der Konstitution phänomenalen Bewusstseins neben dem Streben, dem Gegenstreben und dem Gleichgewicht zwischen Streben und Gegenstreben voraus, dass das Subjekt die Fähigkeit besitzt, spontan zu reflektieren, d. h. Repräsentationen zu erzeugen. 107 Mit dem Ausdruck ›Reflexion‹ ist im Kontext von Fichtes Theorie phänomenalen Bewusstseins eine eigene spontane Tätigkeit gemeint, die u. a. dieselbe Funktion erfüllt, die im Rahmen analytischer Theorien mentale Zustände erfüllen, insofern sie Repräsentationen aufweisen, die für die Konstitution phänomenalen Bewusstseins von Bedeutung sind. Diese These wird in Kapitel 4 verteidigt. Die Reflexion oder Repräsentation und ihr Gehalt können auch unbewusst sein. 108 Die Reflexion erfüllt in Fichtes Theorie unterschiedliche Aufgaben. Mit Blick auf Fichtes Theorie phänomenalen Bewusstseins sind zwei Aufgaben, die sie erfüllt, von Bedeutung. Sie repräsentiert zum einen Leistungen des Subjekts, die zur Konstitution von phänomenalem Bewusstsein beitragen. 109 Die Reflexion ist zum anderen ein heuristisches Instrument, um Tätigkeiten und Zustände des Subjekts zu identifizieren. Fichte wendet auf die Inhalte der Repräsentationen Dass es sich um eine Repräsentation des Inhalts als solchen handelt, ist daran zu erkennen, dass Fichte erklärt, das Gegenstreben werde »gesetzt«. Fichte 1997, 202, 204. »Setzen« ist eine Leistung des Subjekts. 106 Fichte 1997, 204–205. 107 Vgl. Fichte 1997, 220: »In der ersten Funktion richtet er sich lediglich an das bloße Reflexionsvermögen, das nur auffasst, was ihm gegeben ist«. Vgl. Fichte 1997, 206. Das Wort ›Auffassen‹ spricht dafür, das Reflexionsvermögen als Repräsentationsvermögen zu übersetzen. Ich sehe nicht, welche alternative Interpretation sinnvoll wäre. 108 Fichte 1997, 216–217. 109 Fichte 1997, 216, 218. 105

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(öfters) die in Kapitel 3 erwähnte handlungstheoretische Prämisse an. 110 Das bedeutet bspw., dass dem Gehalt einer Repräsentation eine Tätigkeit des Subjekts entspricht, die es vollzieht. Wenn Fichte also bspw. eine Repräsentation einer Tätigkeit »x« anführt, etwa des »Triebes«, dann besteht nach ihm nicht nur die Repräsentation des Triebes, sondern dann leistet das Subjekt tatsächlich die Tätigkeit, die Fichte als Trieb bezeichnet. Er verwendet daher auch den Ausdruck ›setzen‹. Im vorliegenden Kontext bedeutet das Wort ›setzen‹ vorwiegend dasselbe wie Reflexion und – aber auch: oder – Tun, Vollziehen. 111 Die Reflexion ist ein heuristisches Instrument, um Tätigkeiten und Zustände des Subjekts zu identifizieren, indem der Gehalt von Repräsentationen durch die Anwendung der handlungstheoretischen Prämisse zur Identifizierung von Tätigkeiten, aber auch Zuständen des Subjekts beiträgt. C. Die Konstitution phänomenalen Bewusstseins. Eine ausführliche Rekonstruktion von Fichtes Deduktion phänomenalen Bewusstseins sprengt den Rahmen und die Möglichkeiten dieser Untersuchung. Auf der Grundlage der dargestellten Voraussetzungen von Fichtes Theorie phänomenalen Bewusstseins lässt sich seine Erklärung der Konstitution phänomenalen Bewusstseins folgendermaßen zusammenfassend erläutern. Phänomenales Bewusstsein wird durch drei Repräsentationen konstituiert: 112 1. Die erste Repräsentation besteht in der Repräsentation des Strebens, des Gegenstrebens und des Gleichgewichts zwischen ihnen. Fichte bezeichnet den Gehalt der Repräsentation des Strebens als Trieb. Dem Gehalt dieser Repräsentation entspricht gemäß der handlungstheoretischen Prämisse eine Tätigkeit, der Trieb, die das Subjekt selbsttätig leistet. Der Trieb zeichnet sich im Unterschied zum Streben dadurch aus, dass er eine bestimmte Tätigkeit darstellt, sodass das Subjekt mehrere unterschiedliche Triebe besitzt, wie bspw. den Trieb, Vorstellungen zu gewinnen. 113 Jedoch ist der Trieb eine Weise, wie das Streben sich vollzieht. Der Trieb ist eine bestimmte Tätigkeitsweise des Strebens. 114 Das Streben ist die Grundoperation des Subjekts und damit die

Fichte 1997, 204. Vgl. Fichte 1997, 210, 218. Das gilt nicht hinsichtlich des ersten Grundsatzes. Wenn das Subjekt sich selbst setzt, repräsentiert es sich nicht, obgleich es Selbstbewusstsein hat. Das Selbstbewusstsein des Subjekts als solches ist kein Fall von repräsentationalem Selbstbewusstsein. 112 Die folgende Darstellung von Fichtes Theorie beschränkt sich auf die für seine Erklärung phänomenalen Bewusstseins maßgeblichen Aspekte. Fichtes Theorie der Anschauung (Fichte 1997, 233 ff.) oder der Konstitution eines Gegenstandes (Fichte 1997, 229–231) usw. werden nicht behandelt. 113 Fichte 1997, 204, 211. 114 Fichte 1997, 205. 110 111

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Gattung, von der der Trieb eine Art darstellt. 115 Auch der Trieb ist eine Tätigkeit, die bestrebt ist, den Inhalt zu bestimmen, jedoch durch ein Gegenstreben eingeschränkt ist. 116 Die Tätigkeit der Repräsentation des Triebs ist vom Trieb zu unterscheiden. Fichte erklärt zwar, dass aus dem Trieb notwendig die Handlung der Repräsentation des Ich auf sich selbst folgt und führt einen Trieb zur Reflexion bzw. Repräsentation an. 117 Aber die Tätigkeit der Reflexion ist weder identisch mit dem Streben noch mit dem Trieb oder dem Gegenstreben. Sie ist eine spontane Tätigkeit des Subjekts, die vom Trieb und dem Streben sowie dem Gegenstreben zu unterscheiden ist. 118 Durch die Repräsentation der Beziehung zwischen dem Streben in Gestalt des Triebs und dem Gegenstreben wird das Gefühl gewonnen. Das Gefühl ist nicht bloß der Gehalt einer Repräsentation, sondern ihm entspricht ein Zustand des Subjekts. 119 Mit dem Gefühl besteht noch kein Bewusstsein vom qualitativen Charakter. Es besteht noch nicht Bewusstsein von der Mannigfaltigkeit qualitativer Charaktere, also etwa von Farben, Düften oder Klängen. Da die Beziehung zwischen dem Streben als Trieb und dem Gegenstreben repräsentiert wird, schließt das Gefühl mit Blick auf das Beschränktsein des Triebes durch das Gegenstreben jedoch bereits ein Gefühl des Zwanges oder des Beschränktseins mit ein. Andererseits besteht infolge der Repräsentation des Triebs bereits ein Gewahren, ein Gefühl »von Kraft«, also von Aktivität, die den Trieb auszeichnet. Das Gefühl von Kraft ist zwar ein Gefühl von der eigenen Kraft des Subjekts. Das Gefühl schließt damit aber noch nicht phänomenales Selbstbewusstsein mit ein. Das Subjekt gewahrt die Kraft. Es versteht die Kraft noch nicht als seine eigene Kraft und es besitzt noch kein phänomenales Selbstbewusstsein. 120 2. Phänomenales Selbstbewusstsein wird durch eine weitere Repräsentation gewonnen. 121 Es wird durch eine mentale Repräsentation des Gefühls gewonnen, 122 und zwar näher betrachtet durch eine Repräsentation des RepräsentieFichte 1976, 58. Fichte unterscheidet in weiterer Folge unterschiedliche Triebe. Mit dem Ausdruck ›Trieb‹ ist an dieser Stelle keine spezifische bestimmte Tätigkeit gemeint, sondern es sind alle Tätigkeiten gemeint, insofern sie bestimmte Tätigkeiten sind und sich durch Eigenschaften auszeichnen, die Tätigkeiten unter der Bezeichnung ›Trieb‹ zukommen. 117 Fichte 1997, 210, 216. 118 Vgl. Fichte 1997, 191–193. 119 Fichte 1976, 86. 120 Fichte 1997, 212. 121 Fichte 1997, 223: »Das Ich hat nach Obigem durch freie Reflexion über das Gefühl sich gesetzt als Ich, nach dem Grundsatze: das sich selbst Setzende, das, was bestimmend und bestimmt zugleich ist, ist das Ich.« Vgl. Fichte 1997, 214–215. 122 Fichte bezeichnet mentale Tätigkeiten als ideale Tätigkeiten. Fichte 1997, 215. 115 116

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renden der Beziehung zwischen dem Trieb und dem Gegenstreben. 123 Fichte bezeichnet es als Selbstgefühl. 124 Es enthält die bewussten Informationen, selbst das fühlende Subjekt zu sein, sich selbst zu fühlen und dass es die eigene Kraft ist, die gefühlt wird. 125 Durch die Repräsentation des Repräsentierenden wird die bereits im Zusammenhang mit der ersten Repräsentation gefühlte Kraft, die den Trieb auszeichnet, mit einer egologischen Information versehen. Phänomenales Selbstbewusstsein schließt ein Gewahrsein der eigenen Kraft, Aktivität, mit ein, aber auch ein Gewahrsein des Subjekts. Das, was gefühlt wird, ist das Subjekt selbst. Das, was fühlt, ist ebenfalls das Subjekt. Sein Selbstgefühl schließt ein egologisches Selbstgewahren mit ein. Auch das durch die Repräsentation konstituierte Selbstgefühl hat eine repräsentationale Struktur: Es besteht ein Unterschied zwischen dem Subjekt, insofern es fühlt und insofern es sich selbst fühlt und das, wie Fichte schreibt, »Gefühlte« ist. 126 Das gefühlte Subjekt ist ein »Objekt« für das fühlende Subjekt. 127 Es steht mithin in einer repräsentationalen Beziehung zu sich selbst. Die Tätigkeit der Repräsentation, die zu phänomenalem Selbstbewusstsein führt, d. h. die Repräsentation des Repräsentierenden, ist ihrerseits jedoch nicht bewusst, das bedeutet, sie wird ihrerseits nicht wieder repräsentiert. 128 Durch die Repräsentation des Gefühls ist zwar das phänomenale Selbstbewusstsein vorhanden, aber noch nicht Bewusstsein vom qualitativen Charakter und damit auch noch nicht die Verbindung vom subjektiven Charakter und qualitativem Charakter. Die Konstitution des Bewusstseins vom qualitativen Charakter verdankt sich einer weiteren, einer dritten Repräsentation. 3. Mit der dritten Repräsentation wird nicht wie zuvor das Repräsentierende repräsentiert, sondern es wird das Subjekt als durch den Trieb bestimmt repräsentiert. Da der Trieb beschränkt ist, wird das Subjekt aber zugleich auch als beschränkt repräsentiert. Durch die Repräsentation des Beschränktseins wird der qualitative Charakter konstitutiert. Der qualitative Charakter besteht somit in der Repräsentation einer Tätigkeit des Subjekts, nämlich des Beschränktseins des Strebens als Trieb. Für Fichte ist der qualitative Charakter keine Repräsentation eines externen Gegenstandes und seiner Eigenschaften. Er ist etwas »Subjektives«, die Repräsentation einer beschränkten Tätigkeit des Subjekts. 129 123 124 125 126 127 128 129

Fichte 1997, 214–215. Fichte 1997, 223. Fichte 1997, 216. Fichte 1997, 216. Fichte 1997, 216. Fichte 1997, 215, 217. Fichte 1997, 229–231.

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Durch weitere Leistungen des Subjekts, die im vorliegenden Kontext nicht von Bedeutung sind, wird der qualitative Charakter einem äußeren Gegenstand zugeschrieben, sodass ein Subjekt bspw. die Vorstellung besitzt, ein Stück Zucker ist süß. 130 Der Sache nach ist er aber eine Repräsentation einer beschränkten Tätigkeit des Subjekts. Fichte bezeichnet die durch die Repräsentation des Beschränktseins identifizierte Tätigkeit des Subjekts als Empfindung. 131 Mit der dritten Repräsentation wird phänomenales Selbstbewusstsein mit dem Bewusstsein von einem qualitativen Charakter verbunden, sodass ein qualitativer Charakter nunmehr für ein Subjekt vorhanden ist, das sich selbst als das diesen qualitativen Charakter fühlende Subjekt versteht. 132 Die Empfindung ist eine Empfindung für das Subjekt. Das Subjekt fühlt sich als bestimmt durch den qualitativen Charakter und besitzt Selbstbewusstsein von sich als das fühlende Subjekt. Nach Fichte hat ein Subjekt nur dann Bewusstsein von einem bestimmten qualitativen Charakter, wenn er von anderem abgegrenzt ist. Fichte gibt in unterschiedlichen Texten unterschiedliche Antworten auf die Frage, wie dies geschieht. Die plausibelste Antwort gibt er in seinen »Platner-Vorlesungen«. Es ist daher sinnvoll, an dieser Stelle nicht weiter der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« zu folgen, sondern Fichtes Ausführungen in dieser von ihm nicht veröffentlichten Vorlesung. Die Bestimmtheit eines Gefühls wird demnach dadurch konstituiert, dass das Subjekt auf unterschiedliche Weisen beschränkt ist, sodass es mehrere Gefühle besitzt, und jedes Gefühl für sich von allen anderen Zuständen des Subjekts abgegrenzt wird. 133 Die Bestimmtheit eines qualitativen Charakters wird durch die Abgrenzung eines qualitativen Charakters, etwa bitter, von allen anderen Zuständen des Subjekts gewonnen. 134 Zu den qualitativen Charakteren, die die Empfindung aufweist,

Fichte 1976, 88, 1997, 230. Fichte 1997, 239. 132 Fichte 1997, 225, 233, 239. 133 In der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« lautet Fichtes Antwort, dass mit der dritten Repräsentation ein weiteres Gefühl konstituiert wird. Da auch das durch den Trieb bestimmte Subjekt, das als ein aktives Subjekt vorgestellt wird, repräsentiert wird, besteht ein Gefühl des Sehnens. Fichte 1997, 224. Das Gefühl des Sehnens bezeichnet ein empfundenes Verlangen danach, einen anderen bewussten qualitativen Charakter (Fichte 1997, 223–225) zu empfinden, was auch bedeutet, dass phänomenales Bewusstsein stets von einem Gefühl der Lust oder Unlust bzw. des Angenehmen und Unangenehmen (Missbehagen, Leere, Bedürfnis usw.) oder des Beifalls und des Missfallens begleitet ist. Fichte 1997, 219, 241. Die These, dass menschliches Bewusstsein ein Sehnen einschließt, scheint mir mit Blick auf die phänomenalen Tatbestände fragwürdig zu sein. 134 Fichte 1976, 88: »Die Bestimmung eines Gefühls geschieht durch Entgegensetzung dieses gegen unsern ganzen dunkel geahndeten, im Streben liegenden übrigen Zustand. Ich empfinde süß, heißt: 〈alles[s]〉 übrige〉 Streben ist unterdrükt, u. Beschränkt: dies füllt meinen Zustand aus.« 130 131

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zählt Fichte so wie viele analytische Philosophen die bewussten Inhalte der fünf Sinne, wie etwa Farben, Düfte usw. 135 Fichte verbindet seine Theorie phänomenalen Bewusstseins mit moralischpraktischen Aspekten und bspw. einer Theorie der Konstitution der Vorstellung eines Objekts als dem Träger von qualitativen Eigenschaften, wie süß oder bitter zu sein, sodass bspw. die Vorstellung besteht, der Zucker ist süß. Diese Bestandteile seiner Theorie sind im vorliegenden Kontext nicht von Interesse. Jedoch sind zwei weitere Aspekte zu erwähnen. 1. Nach Fichte wird jeder Fall phänomenalen Bewusstseins von dem Gefühl des (grob gesprochen) Angenehmen oder Unangenehmen begleitet. 136 Phänomenales Bewusstsein schließt eine nicht-begriff liche Bewertung mit ein. Fichte begründet diese These nicht. Er scheint es für eine phänomenal ausweisbare Tatsache zu halten. Im Fall des Gefühls des Unangenehmen besteht ein Sehnen, 137 ein Verlangen nach einer Situation bzw. einem Zustand, in welchem der erlebte Gehalt dem Subjekt und seinen Vorstellungen bzw. Begehrlichkeiten »völlig angemessen und kongruent« ist. 138 2. Phänomenales Bewusstsein steht für Fichte stets in einem praktischen Kontext. 139 Das Subjekt verlangt bspw. nach einer Veränderung seines Gefühlszustandes, welches es zu praktischen Handlungen motiviert. Dem entspricht, dass für Fichte menschliches Bewusstsein grundsätzlich ein praktisches Phänomen ist. Bewusstsein in seinen unterschiedlichen Varietäten ist kein rein theoretisches Weltverhältnis, sondern ein praktisches Welt- und Selbstverhältnis. Auch phänomenales Bewusstsein ist davon betroffen. Es steht stets im Zusammenhang mit praktischen Zielsetzungen, die eine Person verfolgt. Das ist bereits daran zu erkennen, dass die Begriffe Streben und Trieb von Fichte als Schlüsselbegriffe des praktischen Teils der Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre angeführt werden. Fichtes Erklärung der Konstitution phänomenalen Bewusstseins in der »Grundlage« lautet kurz zusammengefasst folgendermaßen: Ein phänomenal bewusster mentaler Zustand besteht darin, dass ein Subjekt eine Tätigkeit leistet, die Fichte als Trieb bezeichnet und die in einer Beziehung zu einem seinerseits in Gestalt des Gegenstrebens repräsentierten Inhalt steht. Durch die Fichte 1976, 88. Fichte 1976, 60, 1997, 219. Die Empfindung ist von dem Gefühl noch zu unterscheiden. Dies gilt jedoch erst im Zusammenhang mit der Einführung des technischen oder kritischen Begriffs der Empfindung in § 11 der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre«. Wenn Fichte in den vorhergehenden Paragraphen von Empfindung spricht, meint er dasselbe, wie wenn er das Wort ›Gefühl‹ verwendet. Vgl. Fichte 1997 u.ö. 137 Fichte 1997, 219. 138 Fichte 1997, 221. 139 Fichte 1976, 62. 135 136

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

Repräsentation dieser Beziehung wird ein Gefühl gewonnen, das ein Gewahren von Aktivität und von Beschränkung mit einschließt. Durch eine weitere Repräsentation, die Repräsentation des Repräsentierenden bzw. des Gefühls, wird phänomenales Selbstbewusstsein gewonnen. Diese Repräsentation wird ihrerseits nicht wieder repräsentiert. Jedoch wird das Beschränktsein des Triebs repräsentiert. Durch diese dritte Repräsentation wird das Bewusstsein von einem qualitativen Charakter gewonnen, indem dieser Charakter zugleich von allen anderen mentalen Zuständen des Subjekts unterschieden wird. Außerdem wird das Bewusstsein vom qualitativen Charakter mit phänomenalem Selbstbewusstsein verbunden. Auch diese dritte Repräsentation wird nicht repräsentiert. Für Fichte schließt phänomenales Bewusstsein damit Bewusstsein vom qualitativen Charakter und vom subjektiven Charakter bzw. phänomenales Selbstbewusstsein mit ein. Beide sind »innigst vereinigt«. 140 Ein bewusster qualitativer Charakter ist stets ein bewusster qualitativer Charakter für ein Subjekt, das sich selbst als das Subjekt versteht, das diesen qualitativen Charakter erlebt bzw. fühlt. Fichte vertritt die Ubiquitätsthese und die Dependenzthese: Phänomenales Selbstbewusstsein begleitet phänomenales Bewusstsein ubiquitär. Es ist eine notwendige Bedingung phänomenalen Bewusstseins. Ein mentaler Zustand ist dann – und nur dann –, ein phänomenal bewusster mentaler Zustand, wenn er sowohl einen bewussten qualitativen als auch einen bewussten subjektiven Charakter aufweist. Fichte-Forscher werden bei dieser Darstellung von Fichtes Theorie phänomenalen Selbstbewusstseins die Berücksichtigung seiner Interpretation von Selbstbewusstsein im ersten Paragraphen der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« vermissen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass das Selbstbewusstsein, das Fichte im ersten Paragraphen der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« thematisiert, von dem Selbstgefühl und damit phänomenalem Selbstbewusstsein zu unterscheiden ist. Das Selbstbewusstsein des Subjekts, das im ersten Paragraphen behandelt wird, enthält keine weitere Information über das Subjekt als die, dass es Bewusstsein von sich selbst besitzt. Demgegenüber enthält das Selbstgefühl die bewussten Informationen, das fühlende Subjekt zu sein, tätig zu sein und sich selbst zu fühlen. Fichtes Theorie phänomenalen Selbstbewusstseins ist von seiner Theorie des Selbstbewusstseins im ersten Paragraphen zu unterscheiden. Das Selbstbewusstsein, das Fichte in § 1 der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« untersucht, erklärt phänomenales Selbstbewusstsein nicht. Dies gilt auch für die intellektuelle Anschauung und andere Varietäten von Selbstbewusstsein, die Fichte behandelt, bspw. moralisches Selbstbewusstsein. 140

Fichte 1997, 206.

Fichte und selbstrepräsentationalistische Theorien

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3.4 Fichte und selbstrepräsentationalistische Theorien

Fichtes Theorie weist signifikante Übereinstimmungen mit selbstrepräsentationalistischen Theorien auf. So wie viele Selbstrepräsentationalisten entwickelt er eine Theorie phänomenalen Bewusstseins. Er erklärt die Konstitution des Bewusstseins vom qualitativen Charakter und zählt dabei im Großen und Ganzen dieselben Eigenschaften zu den qualitativen Charakteren wie viele analytische Philosophen auch, also etwa Geschmacksempfindungen wie süß und sauer. In Übereinstimmung mit Kriegel, Van Gulick und Williford vertritt Fichte die Ubiquitätsthese und die Dependenzthese. Phänomenales Selbstbewusstsein begleitet stets das Bewusstsein vom qualitativen Charakter und es ist eine notwendige Bedingung der Möglichkeit phänomenal bewusster mentaler Zustände. Phänomenales Bewusstsein schließt auch für Fichte stets phänomenales Selbstbewusstsein und Bewusstsein vom qualitativen Charakter mit ein. Fichte unterscheidet so wie Selbstrepräsentationalisten zwischen phänomenalem Selbstbewusstsein und begriff lichem Selbstbewusstsein. Wie Kriegel und (der frühe) Williford schreibt er phänomenalem Selbstbewusstsein zu, eine relationale und repräsentationale Struktur zu besitzen. Außerdem berücksichtigt er wie Van Gulick die praktisch-affektive Dimension, die mit phänomenalem Bewusstsein besteht. Für Van Gulick ist der menschliche Geist und damit phänomenales Bewusstsein immer auch unter praktischen, ziel- bzw. zweckorientierten Gesichtspunkten zu verstehen. Alltägliche Erfahrungen schließen affektive und praktische Bedeutungen mit ein. Fichte teilt diesen Standpunkt, und zwar insofern auch für ihn phänomenales Bewusstsein von einer (nichtbegriff lichen) Evaluierung in Form der Gefühle des Angenehmen oder Unangenehmen und des Sehnens begleitet wird, welche zu praktischen Handlungen motivieren. Mehr noch. So wie Van Gulick ist auch für Fichte menschliches Bewusstsein in seinen unterschiedlichen Varietäten ein praktisches Selbst- und Weltverhältnis. Im Unterschied zu Van Gulick betont Fichte jedoch die praktisch-moralische Dimension und nicht, wie Van Gulick, die Ausrichtung auf die Befriedigung von Primärbedürfnissen wie Nahrung, Vermeidung von Gefahr usw. Bei der Beurteilung der Beziehung zwischen Fichtes Theorie und selbstrepräsentationalistischen Theorien ist es außerdem wichtig zu beachten, dass Fichte eine aktontologische Theorie der Tätigkeiten des Subjekts entwickelt, welche die Grundlage für die Erklärung der Konstitution phänomenalen Bewusstseins bildet. Die Konstitution phänomenalen Bewusstseins besteht in den dargelegten Tätigkeiten und in den Repräsentationen sowie Beziehungen, die sie auszeichnen. Das heißt: Fichte entwickelt auf der Basis einer aktontologischen Theorie eine Erklärung der Konstitution phänomenalen Bewusstseins. Andererseits unterscheidet sich Fichtes Theorie in mehreren Punkten

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

von selbstrepräsentationalistischen Theorien. Der bedeutendste Unterschied gegenüber den Theorien von Kriegel und Williford besteht darin, dass die Repräsentationen des Triebs, des Strebens, des Gegenstrebens und des Gefühls sowie die Tätigkeiten, welche diese Repräsentationen leisten, von dem Trieb, dem Streben, dem Gegenstreben und dem Gefühl zu unterscheiden sind. Nach Fichte besteht die Konstitution von phänomenalem Bewusstsein im Unterschied zu Schelling, aber etwa auch Kriegel nicht in der Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands. Zudem ist die Tätigkeit der Repräsentation ihrerseits als solche auch nicht repräsentiert oder bewusst. 141 Fichte vertritt eine idealistische Variante eines Higher-Order-Modells, bei dem phänomenales Selbstbewusstsein durch die repräsentationale Beziehung zwischen zwei numerisch verschiedenen Tätigkeiten konstituiert wird. So wie bspw. für Rosenthal oder Gennaro – und im Unterschied zu bspw. Williford – ist für Fichte die Repräsentation, die die Konstitution von phänomenalem Selbstbewusstsein ermöglicht, unbewusst und wird ihrerseits nicht wieder repräsentiert. Dies gilt auch für die Repräsentation, durch welche Bewusstsein vom qualitativen Charakter besteht. Ein weiterer signifikanter Unterschied zwischen Fichte und den in dieser Untersuchung dargestellten selbstrepräsentationalistischen Theorien besteht darin, dass nach Fichte der qualitative Charakter eine Repräsentation einer Tätigkeit des Subjekts darstellt. Durch die Repräsentation einer Aktivität, die Fichte als Streben bezeichnet, sowie weitere Leistungen des Subjekts wird der qualitative Charakter konstituiert. Demgegenüber ist der qualitative Charakter im Rahmen selbstrepräsentationalistischer Theorien der Inhalt einer Repräsentation von externen Gegenständen und deren Eigenschaften. Fichte vertritt im Unterschied zu Selbstrepräsentationalisten bezüglich des qualitativen Charakters einen subjektivistischen Standpunkt. Schließlich ist ein weiterer Unterschied zu beachten. In der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« entwickelt Fichte eine Theorie phänomenalen Bewusstseins überhaupt. Er präsentiert keine Theorie des phänomenalen Bewusstseins und Selbstbewusstseins von Personen. Fichte entwickelt in der »Grundlage des Naturrechts«, der »Wissenschaftslehre nova methodo« und v. a. mit Blick auf die zeitliche Dimension menschlichen Bewusstseins auch im »Grundriß des Eigentümlichen der Wissenschaftslehre« Theorien der Individuation von Personen. Eine Theorie der Konstitution des phänomenalen Bewusstseins einer Person hat aus Fichtes Warte zusätzliche notwendige und allgemeingültige Bedingungen menschlichen Bewusstseins zu berücksichtigen, etwa Bewusstsein vom eigenen Körper oder Zeitbewusstsein. Der Ansatzpunkt selbstrepräsentationalistischer Theorien ist das phänomenale Bewusstsein von Personen und nicht, wie bei 141

Fichte 1997, 215, 217.

Hegels Interpretation phänomenalen Bewusstseins

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Fichte, das phänomenale Bewusstsein eines Subjekts überhaupt. Zwar untersuchen auch Selbstrepräsentationalisten nicht das phänomenale Bewusstsein einer bestimmten einzelnen Person, etwa Joseph Haydns, sondern phänomenales Bewusstsein von Personen überhaupt, d. h. die Eigenschaften und die Struktur phänomenalen Bewusstseins, die eine jede Person auszeichnet, insofern sie phänomenales Bewusstsein hat. Wenn Fichte in der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« seine Theorie phänomenalen Bewusstseins entwickelt, blendet er aus bzw. abstrahiert er davon, dass phänomenales Bewusstsein stets das phänomenale Bewusstsein einer Person ist. Er behandelt nicht das phänomenale Bewusstsein von Personen überhaupt, sondern phänomenales Bewusstsein überhaupt, d. h. jenseits der Berücksichtigung der Tatsache, die Fichte im Übrigen auch nicht bestreitet, dass phänomenales Bewusstsein nur dann besteht, wenn es das phänomenale Bewusstsein einer Person ist.

3.5 Hegels Interpretation phänomenalen Bewusstseins 142

Hegel entwickelt seine Theorie phänomenalen Bewusstseins v. a. in seiner Philosophie des Geistes im dritten Teil der »Enzyklopädie der philosophischen

Die folgende Darstellung belastet ein exegetisches Problem. Hegel hat seine Enzyklopädie in mehreren Auf lagen veröffentlicht, aber auch Vorlesungen über seine Enzyklopädie gehalten, von denen u. a. von Zuhörern verfertigte Manuskripte erhalten geblieben sind. Hegel erklärt in den Vorreden zu den unterschiedlichen Auf lagen der Enzyklopädie mehrmals, dass der Text der Enzyklopädie der mündlichen Erläuterung bedarf. Vgl. Hegel 1970, 11, 14, 32. Die heute noch vorliegenden Unterlagen zu seinen Vorlesungen enthalten Aussagen, die schwerlich mit dem Gedankengang des Haupttextes zu vereinbaren sind. Je nachdem, ob die Ausführungen in diesen Manuskripten (»Zusätze«) berücksichtigt werden, und je nachdem, welche Ausführungen in den Manuskripten als authentische Wiedergaben der Lehre Hegels gedeutet werden, fällt Hegels Theorie phänomenalen Bewusstseins unterschiedlich aus. Ich präsentiere an dieser Stelle bspw. eine vergleichsweise zurückhaltende Interpretation des wachen Zustandes eines Individuums. Gemäß dieser Lesart schließt ein wacher Zustand noch kein Bewusstsein des Unterschieds zwischen der Welt und einem selbst mit ein. Diese Interpretation stimmt mit den Aussagen Hegels in dem von ihm veröffentlichten Haupttext der Enzyklopädie überein. In einer Mitschrift steht jedoch: »Daß die Seele, indem sie erwacht, sich und die Welt – diese Zweiheit, diesen Gegensatz – bloß findet, darin besteht eben hier die Natürlichkeit des Geistes.« Hegel 1992, 90. Demnach schlösse nach Hegel der wache Zustand als solcher bereits ein erstes, rudimentäres Bewusstsein des Unterschieds zwischen einem selbst und der Welt mit ein. In systematischer Hinsicht ist letztlich nicht entscheidend, welchen Standpunkt Hegel selbst vertreten hat. Entscheidend ist, was wir anhand der Beschäftigung mit Hegel lernen können, und wir werden umso mehr lernen, als unterschiedliche Interpretationen präsentiert werden, die systematische Fragen berücksichtigen. 142

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

Wissenschaften im Grundrisse«. 143 Sie enthält eine Analyse der bewussten Informationen, die phänomenales Bewusstsein auszeichnen, und der Tätigkeiten und Zustände, die das Bewusstsein vom qualitativen und subjektiven Charakter konstituieren. Jedoch ist so wie bei Fichte und Schelling zu beachten, dass das Wort ›Bewusstsein‹ bei Hegel eine andere Bedeutung besitzt als in analytischen Untersuchungen. Der analytischen Auffassung der Bedeutung des Ausdrucks ›phänomenales Bewusstsein‹ entspricht nicht Hegels Interpretation des Wortes ›Bewusstsein‹. Analytischen Untersuchungen phänomenalen Bewusstseins entspricht Hegels Analyse der Empfindung und des Selbstgefühls. Wenn im Folgenden bei der Darstellung von Hegels Theorie phänomenalen Bewusstseins der Ausdruck ›Bewusstsein‹ verwendet wird, dann ist die analytische Interpretation der Bedeutung dieses Ausdrucks gemeint. Wenn Hegels Interpretation der Bedeutung des Wortes ›Bewusstsein‹ gemeint ist, wird dies explizit erwähnt oder ist dies durch den Kontext deutlich zu erkennen. Für die Diskussion mit selbstrepräsentationalistischen Theorien sind insbesondere drei Zustände bzw. Tätigkeiten bedeutend. Hegel bezeichnet sie als wacher Zustand des Individuums, Empfindung und Selbstgefühl. 144 Bei der Interpretation dieses Zustands und dieser Tätigkeiten ist Folgendes zu beachten: Hegels Theorie phänomenalen Selbstbewusstseins und phänomenalen Bewusstseins ist in eine Untersuchung eingebettet, deren übergeordnetes Ziel u. a. ist, die Frage zu beantworten, durch welche Leistungen und Vermögen ein (einzelnes) Subjekt sich von seinem Leib, d. h. seinem empfindenden Körper, zu unterscheiden vermag und den Leib doch zugleich als seinen eigenen empfindenden Körper zu verstehen vermag 145 sowie intentionales Bewusstsein zu besitzen vermag. 146 Intentionales Bewusstsein meint (zunächst), 147 Bewusstsein von einer äußeren Welt zu haben, von der das Subjekt sich unterscheidet Hegel behandelt dieses Thema auch in anderen Werken, etwa im zweiten Teil der Enzyklopädie, in der Naturphilosophie. Die ausführlichste Darstellung enthält der dritte Teil der Enzyklopädie. Dieser Band enthält die zentralen geistphilosophischen Aussagen, die für den Vergleich mit selbstrepräsentationalistischen Theorien von entscheidender Bedeutung sind. 144 Es werden im Folgenden damit Abschnitte wie »Die Gewohnheit« oder auch »Die fühlende Seele in ihrer Unmittelbarkeit« nicht behandelt. Sie sind m. E. für die Analyse von Hegels Theorie phänomenalen Bewusstseins nicht von entscheidender Bedeutung. 145 Hegel 1992, 192, 197. 146 Hegel 1992, 197. Hegels Theorie phänomenalen Bewusstseins ist ein Bestandteil seiner Theorie des Absoluten, die er in der »Enzyklopädie« skizziert. Seine Interpretation phänomenalen Bewusstseins ist ein Bestandteil einer Theorie der Selbsterkenntnis des Absoluten. Die Darstellung dieser und weiterer systematisch relevanter Aspekte von Hegels Theorie bedürfen einer eigenen Untersuchung. 147 Objektives Bewusstsein zeichnet sich bspw. zudem dadurch aus, dass Informationen über Beziehungen vorliegen, die zwischen Gegenständen bestehen, sodass ein Subjekt die bewusste Vorstellung von einer objektiven Weltordnung hat. 143

Hegels Interpretation phänomenalen Bewusstseins

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und auf die es sich doch auch in theoretischer und praktischer Hinsicht bezieht, und damit Selbstbewusstsein zu haben, und zwar Bewusstsein von sich selbst als Subjekt, das Vorstellungen von Gegenständen besitzt. 148 Mentale Zustände und mentale Tätigkeiten sind in Abgrenzung vom Leib in Hegels Theorie phänomenalen Bewusstseins in der »Anthropologie« im Zusammenhang mit der Empfindung und dem Selbstgefühl nicht thematisch. 149 Die Tätigkeiten und Zustände wie bspw. das Selbstgefühl sind leiblich-gewahrende Zustände oder Aktivitäten und damit streng genommen nicht sachangemessen als mentale Zustände und Tätigkeiten bezeichnet, wenn dies bedeuten soll, dass sie von körperlichen Zuständen und Tätigkeiten zu unterscheiden sind. 150 Es sind körperliche Zustände oder Aktivitäten, die ein Gewahren von qualitativen Charakteren, aber mitunter auch eine bewusste egologische Information miteinschließen. 151 Der Ausgangspunkt von Hegels Theorie phänomenalen Bewusstseins ist die Unterscheidung zwischen Schlafen und Wachen und die Einführung des Begriffs eines Individuums, das sich in einem wachen Zustand befindet. Der Ausgangspunkt seiner Theorie ist somit ein Aspekt kreatürlichen Bewusstseins (creature-consciousness). Als kreatürliches Bewusstsein wird in der analytischen Philosophie Bewusstsein bezeichnet, insofern es sich u. a. dadurch auszeichnet, dass eine Person wach ist. Der wache Zustand ist nach Hegel die inhaltlich und strukturell noch nicht näher bestimmte bzw. ausdifferenzierte Bewusstseinsdimension, innerhalb derer die Inhalte menschlichen Bewusstseins, der Wahrnehmung usw., gewahrt werden. Ein wacher Zustand ist daher von nicht-epistemischen Zuständen – und d. h. auch: von dem Mitleben des Organismus mit den natürlichen Verläufen und Vorgängen wie etwa den Jahreszeiten 152 – zu unterscheiden, aber auch von Zuständen wie Träumen. Ein Subjekt gewinnt bestimmte Informationen allererst mit der Empfindung. Das bedeutet auch, dass noch keine Rede davon ist, dass ein Subjekt bspw. Hegel 1992, 197, 213. Hegel behandelt das Thema phänomenales Bewusstsein mehrmals im dritten Teil der Enzyklopädie in jeweils unterschiedlichen Kontexten. Die ausführlichste Analyse phänomenalen Bewusstseins enthält die »Anthropologie«. Phänomenales Bewusstsein wird aber u. a. auch in der »Phänomenologie« und »Psychologie« behandelt. In der Anthropologie gilt, dass phänomenales Bewusstsein und damit auch phänomenales Selbstbewusstsein leibhaft-gewahrende Phänomene sind. 150 Der Ausdruck ›Zustand‹ bedeutet bei Hegel Unterschiedliches. So ist bspw. von Zuständen im Sinne von Lebensaltern – Junge, Greis usw. – die Rede (Hegel 1992, 76). Hegel verwendet den Ausdruck ›Zustand‹ auch in der Naturphilosophie, und zwar bspw., wenn er den Zustand der Krankheit erläutert. Vgl. Hegel 1986, 520. Im vorliegenden Kontext ist ein leiblich-gewahrender Zustand gemeint, die eine Tätigkeit des Subjekts miteinschließt. 151 Vgl. bspw. Hegel 1992, 160–161. 152 Hegel 1992, 52. 148 149

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

fühlt oder denkt. Der Ausdruck ›wacher Zustand‹ bezeichnet eine aktuell vorhandene Bewusstseinsdimension, gleichgültig, welche Tätigkeiten ein Subjekt leistet oder in welchen Zuständen es sich sonst noch befindet. Das bedeutet nicht, dass Hegel bestreitet, dass Subjekte unbewusste mentale Zustände, Tätigkeiten und Kenntnisbestände besitzen bzw. leisten. Nach Hegel können bspw. bewusste Gehalte und Zustände im Gedächtnis gespeichert werden, unbewusst vorliegen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder bewusste Informationen und Zustände sein. 153 Damit ein Subjekt phänomenales Bewusstsein besitzt, ist erforderlich, dass es zusätzlich Leistungen erbringt, und zwar die Empfindung und das Selbstgefühl. Durch die Empfindung sind für ein Subjekt Zustände wie etwa sich Schämen oder Reue und qualitative Charaktere wie Farben erlebnisartig präsent, 154 und zwar in Form leiblicher Empfindungen, also etwa des Tastsinns oder im Fall des Zornes des rasenden Herzens. 155 Die Empfindung »setzt« die qualitativen Charaktere, d. h. sie werden gewahrt, und zwar bspw. dann, wenn sie mit den fünf Sinnen (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten) bestehen, infolge einer äußeren Bestimmung durch Objekte in der Welt. 156 Durch die Empfindung besteht Bewusstsein vom qualitativen Charakter. Das »Setzen«, das die Empfindung leistet, erfüllt dieselbe Funktion, die in analytischen Theorien das Repräsentieren von mentalen Zuständen leistet, insofern die Repräsentationen für phänomenales Bewusstsein von Bedeutung sind, d. h. insofern sie dazu beitragen, dass Inhalte gewahrt werden. Das gilt auch für das Setzen, welches mit dem Selbstgefühl besteht. Das bedeutet, die Empfindung »setzt« bzw. »repräsentiert« qualitative Charaktere. Durch die Empfindung sind die qualitativen Charaktere und leiblich-gewahrten Zustände jedoch allererst unmittelbar und »unentwickelt« gesetzt. 157 Das heißt, sie werden weder mit anderen Inhalten oder Zuständen in Beziehung gesetzt noch werden die qualitativen Charaktere einem Gegenstand zugeschrieben, der vom Subjekt unterschieden wird. 158 InHegel 1992, 119: »In dieser Totalität oder Idealität, in dem zeitlosen indifferenten Inneren der Seele, verschwinden jedoch die einander verdrängenden Empfindungen nicht absolut spurlos, sondern bleiben darin als aufgehobene, bekommen darin ihr Bestehen als ein zunächst nur möglicher Inhalt, der erst dadurch, daß er für die Seele oder daß diese in ihm für sich wird, von seiner Möglichkeit zur Wirklichkeit gelangt. Die Seele behält also den Inhalt der Empfindung, wenn auch nicht für sich, so doch in sich.« Hegel 1992, 122, 144 f. 154 Hegel 1992, 99, 102, 104, 110. 155 Hegel 1992, 106, 112. 156 Hegel 1992, 102: »Das Empfindende ist hierbei von außen bestimmt, d. h. seine Leiblichkeit wird von etwas Äußerlichem bestimmt. Die verschiedenen Weisen dieses Bestimmtseins machen die verschiedenen äußeren Empfindungen aus«. 157 Hegel 1992, 97. 158 Hegel 1992, 99–100. 153

Hegels Interpretation phänomenalen Bewusstseins

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des sind die qualitativen Charaktere und die Zustände bereits als das »Eigenste« gesetzt. 159 Das bedeutet, sie werden als der jeweils eigene Inhalt verstanden. 160 Sie sind Aspekte der eigenen Subjektivität, sodass durch die Empfindung ein erster rudimentärer Fall von Selbstgewahrsein besteht. Das Subjekt unterscheidet sich noch nicht von den von ihm gewahrten Inhalten. Es »identifiziert« sich mit seinen bewussten Inhalten. Es besteht kein Gewahren des Unterschieds zwischen qualitativen Charakteren und einem selbst. 161 So wie für Fichte und Schelling handelt es sich auch für Hegel bei der Empfindung um eine Tätigkeit, wenngleich – im Unterschied zu Fichte und Schelling – nicht rein mentaler, sondern leibhaft-mentaler Art. 162 Hegel charakterisiert die Empfindung zwar als passiv. Sie ist passiv, da insbesondere die durch die fünf Sinne gewonnenen qualitativen Charaktere nicht als vom Individuum selbst hervorgebrachte und gestaltete Inhalte aufgefasst werden, sondern als gegebene Inhalte, die von äußeren Gegenständen bestimmt sind und die »gefunden« werden. 163 Das bedeutet jedoch nicht, dass die Empfindung keine Tätigkeit ist. Sie ist eine Aktivität, da sie qualitative Charaktere setzt, d. h. erlebnisartig präsent macht. Sie ist keine Handlung, wenn unter Handlungen absichtliche, intentionale Leistungen verstanden werden, mit denen ein Subjekt ein Interesse verfolgt, 164 aber sie ist eine Aktivität des Subjekts. Das gilt auch für das Selbstgefühl. Das Selbstgefühl ist eine Tätigkeit, die von der Empfindung zu unterscheiden ist. 165 Durch das Selbstgefühl interpretiert das Subjekt die leiblichen Hegel 1992, 97–98. Hegel 1992, 98. 161 Hegel 1992, 100: »Zugleich ist in dem Obigen schon enthalten, daß der bloßen Empfindung der Gegensatz eines Empfindenden und eines Empfundenen, eines Subjektiven und eines Objektiven, noch fremd bleibt.« Hegel 1992, 119: »Was ich auf diesem Standpunkt empfinde, das bin ich, und was ich bin, das empfinde ich. Ich bin hier unmittelbar gegenwärtig in dem Inhalte, der mir erst nachher, wenn ich objektives Bewußtsein werde, als eine gegen mich selbstständige Welt erscheint.« Hegel 1992, 98. 162 Hegel 1992, 97: »Die Empfindung ist die Form des dumpfen Webens des Geistes«. Vgl. Hegel 1992, 95. Das Wort ›Weben‹ signalisiert, dass es sich um eine Aktivität, eine Tätigkeit handelt. 163 Hegel 1992, 102, 117. 164 Hegel 1992, 298. 165 Gegen diese Interpretation scheinen zwei Aussagen Hegels zu sprechen. Die erste Aussage lautet, dass die Empfindung mehr die Seite der Passivität betont, während das Gefühl mehr auf die »Selbstischkeit« geht. Hegel 1992, 117. M.E. ist das Gefühl vom Selbstgefühl zu unterscheiden. Das Gefühl bezieht sich auf das rudimentäre Selbstgewahrsein, das bei der Empfindung besteht. Es ist aber von dem Selbstgefühl zu unterscheiden, das eine komplexere Form von Selbstgewahrsein darstellt. Die zweite Aussage Hegels, die gegen die präsentierte Interpretation zu sprechen scheint, lautet, dass das »Selbstgefühl, in die Besonderheit der Gefühle [. . . ] versenkt [. . . ] ununterschieden von ihnen [ist].« Hegel 1992, 182. Diese Aussage bedeutet m. E. nicht, dass die Empfindung und das Selbstgefühl numerisch identisch sind. Hegel meint an dieser Stelle, dass das Subjekt noch kein 159

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Empfindungen als besondere, voneinander unterschiedene Empfindungen. 166 Im Unterschied zur Tätigkeit der Empfindung werden sie nunmehr zueinander in Beziehung gesetzt. 167 Zudem werden sie als die eigenen Empfindungen bestimmt und es besteht eine rudimentäre Form von Einheit vom Subjekt und seinem Selbstgewahrsein, 168 sodass ein weiterer, komplexerer Typ von Selbstgewahrsein vorliegt. Im Unterschied zu Fichte und Schelling erläutert Hegel nicht, ob die Tätigkeit des Setzens ihrerseits bewusst ist oder nicht. Auch im Fall des Selbstgefühls unterscheidet sich das Subjekt noch nicht als ein mentales Subjekt von seinen leibhaften Empfindungen. 169 Das Subjekt ist mit dem Selbstgefühl in die »Besonderheit seiner Gefühle« »versenkt« 170 und »ununterschieden von ihnen«. 171 Das bedeutet einerseits, dass das Selbstgefühl und die Empfindungen jeweils eine Einheit bilden, sodass das Selbstgefühl mit dem Bewusstsein vom qualitativen Charakter vorhanden ist. Es ist neben dem Bewusstsein vom qualitativen Charakter ein Bestandteil phänomenalen Bewusstseins. Es bedeutet andererseits, dass das Selbstgefühl ein Fall leiblichen Selbstbewusstseins ist. 172 Gewahren oder kein Bewusstsein vom Unterschied seiner selbst gegenüber seinen Gefühlen bzw. Empfindungen hat, d. h. den qualitativen Charakteren und leiblichen Zuständen. Das bedeutet nicht, dass das Selbstgefühl numerisch identisch mit der Empfindung ist. Auch wenn das Subjekt sich im Modus des Selbstgefühls nicht von den Empfindungen unterscheidet, bedeutet das nicht, dass kein Unterschied besteht. 166 Ich interpretiere Hegels Ausführungen in § 407 also so, dass das Subjekt, insofern es das Selbstgefühl leistet, nicht nur in die Besonderheit seiner Empfindungen versenkt ist und sich mit diesen als »subjektives Eins« zusammenschließt. Das Subjekt setzt zudem mithilfe des Selbstgefühls seine Empfindungen. Eine alternative Lesart besagt, dass das Subjekt seine Gefühle als seine eigenen Gefühle setzt, diese Tätigkeit vom Selbstgefühl aber noch zu unterscheiden ist. Die Textlage erlaubt es nicht eindeutig zu entscheiden, welche Interpretation zutrifft. Dies ist nicht von entscheidender Bedeutung, da der Unterschied beider Interpretationen im vorliegenden Diskussionszusammenhang in systematischer Hinsicht keine große Rolle spielt. Die Einwände, die im weiteren Verlauf gegen Hegel vorgebracht werden, gelten unter Maßgabe beider Interpretationen. 167 Dies ist daran zu erkennen, dass Hegel erklärt, dass es ›besondere‹ Gefühle sind. Dieser Ausdruck signalisiert, dass Beziehungen vorliegen. Vgl. bspw. Hegel 1992, 32. 168 Hegel 1992, 160: »Das Subjekt als solches setzt dieselben als seine Gefühle in sich. Es ist in diese Besonderheit der Empfindungen versenkt, und zugleich schließt es durch die Idealität des Besonderen sich darin mit sich als subjektivem Eins zusammen.« [Die Kursivsetzungen »sich« und »mit sich« sind von mir eingefügt worden.] 169 Hegel 1992, 161. 170 Hegel 1992, 160. Empfindungen und Gefühle unterscheiden sich nach Hegel durch eine jeweils unterschiedliche Akzentuierung. Das Wort ›Gefühl‹ betont die subjektive Seite der Empfindung, während das Wort ›Empfindung‹ die Bestimmtheit des qualitativen Charakters und sein Gegebensein für das Subjekt betont. Hegel 1992, 117. 171 Hegel 1992, 182. Vgl. Hegel 1992, 187–188. 172 Hegel 1992, 160–161: »Um der Unmittelbarkeit, in der das Selbstgefühl noch bestimmt ist, d. i. um des Moments der Leiblichkeit willen, die darin noch ungeschieden von der Geistigkeit ist, und indem auch das Gefühl selbst ein besonderes, hiermit eine partikuläre Verleiblichung ist«. Vgl. Hegel 1992, 182.

Hegels Interpretation phänomenalen Bewusstseins

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Gleichwohl besitzt das Subjekt eine bewusste egologische Information: Es sind die (je) eigenen Gefühle. Hegel betont dies, indem er in Hervorhebung ausführt: »Das Subjekt als solches setzt dieselben als seine Gefühle in sich.« 173 Hegel vertritt einen egologischen Ansatz: Das Selbstgefühl schließt eine egologische Information, eine Vorstellung von »Meinigkeit« mit ein. Dieser Fall von egologischem Selbstbewusstsein ist von Ich-Bewusstsein zu unterscheiden, das Hegel in der »Enzyklopädie« in Abschnitt »b. Das Selbstbewußtsein« behandelt. 174 Das Ich-Bewusstsein enthält die Information, ein Subjekt bzw. »Ich« zu sein, das Vorstellungen von Gegenständen besitzt, die es als seine Vorstellungen versteht, und zwar als seine Vorstellungen von Gegenständen, von denen es sich unterscheidet. Ich-Bewusstsein enthält Bewusstsein von einem selbst als das Subjekt seiner Vorstellungen. 175 Diese Information zählt nicht zum Eigenbestand phänomenalen Bewusstseins. Ich-Bewusstsein besteht im Zusammenhang mit der Denktätigkeit, 176 also einer Tätigkeit, die von der Empfindung und dem Selbstgefühl zu unterscheiden ist. Nach Hegel gilt es folglich zwei Typen von egologischem Selbstbewusstsein zu unterscheiden: Im Fall des Selbstgefühls bzw. von phänomenalem Selbstbewusstsein besteht eine bewusste egologische Information im Sinn der »Meinigkeit« der Gefühle. Dieses egologische Selbstbewusstsein ist von Ich-Bewusstsein zu unterscheiden. Ich-Bewusstsein schließt die bewusste Information mit ein, das Subjekt seiner Vorstellungen von Gegenständen zu sein. Phänomenales Selbstbewusstsein ist ein Fall egologisch-leibhaften Selbstgewahrens. Ich-Bewusstsein besteht mit der Tätigkeit des Denkens. In zugespitzter Formulierung ist zu sagen, dass das Selbstgefühl zwar egologisch verfasst ist, es schließt die Vorstellung einer »Meinigkeit« mit ein, aber es ist vom »Ich« und von Ich-Bewusstsein zu unterscheiden. Das bedeutet nicht, dass für Hegel Subjekte auch dann phänomenales Bewusstsein haben, wenn sie nicht denken und begriff liches Bewusstsein besitzen. Im Fokus von Hegels Theorie stehen erwachsene, wache und rationale Subjekte, die u. a. begriff liches Bewusstsein haben. 177 Sie besitzen nicht ausschließlich phänomenales Bewusstsein und phänomenales Selbstbewusstsein. Jedoch sind begriff liches Bewusstsein und dasjenige Selbstbewusstsein, das im Zusammenhang mit dem Denken besteht, vom Eigenbestand phänomenalen Bewusstseins zu unterscheiden. Dieser Eigenbestand besteht in den Hegel 1992, 160. Hegel 1992, 213 ff. 175 Hegel 1992, 213. 176 Hegel 1992, 197. 177 Hegel berücksichtigt durchaus psychopathologische Fälle und das Bewusstsein von Kleinkindern. Hegel 1992, 80, 172. Sein Fokus ist jedoch auf rationale und erwachsene Personen gerichtet. Sie sind das Zielsubjekt der Untersuchung. 173 174

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

spezifischen Tätigkeiten und bewussten Informationen, die phänomenales Bewusstsein, einen Ausschnitt wirklichen Bewusstseins einer rationalen Person, auszeichnen. Zu diesem Eigenbestand phänomenalen Bewusstseins zählen die Empfindung und das Selbstgefühl und damit phänomenales Selbstbewusstsein. Hegels Erklärung phänomenalen Selbstbewusstseins hinsichtlich seines Eigenbestandes ist mit dem Selbstgefühl abgeschlossen. Vorausgesetzt, ein Individuum befindet sich in einem wachen Zustand, besteht phänomenales Selbstbewusstsein durch die Empfindung und das Selbstgefühl. Diese Tätigkeiten konstituieren phänomenales Selbstbewusstsein: Die Empfindung repräsentiert (»setzt«) die Zustände und qualitativen Charaktere, und zwar derart, dass sie als das »Eigenste« verstanden werden, d. h. als Aspekte der eigenen Subjektivität. Durch die Repräsentation (das »Setzen«), die das Selbstgefühl leistet, werden die leiblichen Empfindungen als besondere Empfindungen und als die eigenen Empfindungen verstanden. Sie werden miteinander in Beziehung gesetzt und es besteht eine rudimentäre Form von Einheit des Subjekts in seinen Empfindungen. Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Empfindung und das Selbstgefühl numerisch verschieden sind. Das bedeutet, dass Hegel einen Higher-order-Ansatz vertritt, gemäß welchem phänomenales Selbstbewusstsein durch die repräsentationale Beziehung zwischen zwei numerisch verschiedenen Tätigkeiten konstituiert wird: Das Subjekt setzt oder repräsentiert mit dem Selbstgefühl eine andere Tätigkeit, die Empfindung. 178 Auch Hegel entwickelt so wie Fichte und Schelling eine aktontologische Theorie, welche die Basis für eine Konstitutionstheorie phänomenalen Selbstbewusstseins darstellt. Hegels Untersuchung geht jedoch einen Schritt darüber hinaus. Hegel identifiziert Tätigkeiten und Zustände mithilfe von logischen Bestimmungen wie Urteil und Schluss, Allgemeines und Besonderes, die in seiner »Wissenschaft der Logik« entwickelt werden. Diese logischen Bestimmungen liegen bspw. seiner Behandlung des Unterschieds zwischen Wachsein und Schlafen sowie der Behandlung des Selbstgefühls zugrunde. 179 Bei Hegel liegt der aktontologischen Begründung der konstitutiven Erklärung phänomenalen Bewusstseins somit noch eine weitere Ebene zugrunde, und zwar eine logische Erklärungsebene. Sie bildet das Fundament seiner »Deduktionen«. Hegels Theorie phänomenalen Bewusstseins ist letztlich allererst im Lichte dieser logischen Erklärungsebene und ihrer Beziehung zur aktontologischen und konstitutiven Erklärungsebene sachangemessen dargestellt. In der Idealismusforschung sind wir gegenwärtig in der verlegenen Situation, nicht einmal 178 Das gilt auch, wenn der Interpretationsansatz vertreten wird, nach dem die Tätigkeit, mit der das Subjekt die Gefühle als seine Gefühle setzt, von dem Selbstgefühl zu unterscheiden ist. Auch in diesem Fall ist diese Tätigkeit von der Empfindung zu unterscheiden. 179 Hegel 1992, 87, 160.

Hegels Interpretation phänomenalen Bewusstseins

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ansatzweise über eine systematische Rekonstruktion von Hegels methodischem Verfahren im dritten Teil der Enzyklopädie zu verfügen, sodass über dieses Thema an dieser Stelle nichts weiter ausgeführt werden kann. 180 So viel ist jedoch klar: Nach Hegel ist die Konstitution phänomenalen Bewusstseins von der Konstitution phänomenalen Selbstbewusstseins nicht zu trennen. Phänomenales Selbstbewusstsein ist ein Bestandteil phänomenalen Bewusstseins. Hegel vertritt sowohl die Ubiquitätsthese als auch die Dependenz-These. Immer dann, wenn eine Person Bewusstsein von einem qualitativen Charakter besitzt, besteht das Selbstgefühl und damit phänomenales Selbstbewusstsein (Ubiquitätsthese). Mit der Empfindung besteht ein erstes rudimentäres Selbstgewahren, der jeweils bewusste Gehalt wird als das »Eigenste« gesetzt, sodass ohne Selbstbewusstsein auch kein Bewusstsein vom qualitativen Charakter vorhanden ist (Dependenz-These). Ein mentaler Zustand ist für Hegel dann – und nur dann – ein phänomenal bewusster mentaler Zustand, wenn er sowohl einen bewussten qualitativen als auch einen bewussten subjektiven Charakter aufweist. Es gilt zu beachten, dass diese Interpretation durch Hegels Analyse der Gewohnheit nicht widerlegt wird. Mit dem Wort ›Gewohnheit‹ sind habituell (»mechanisch«) gewordene Tätigkeiten, die Gleichgültigkeit gegenüber der Befriedigung von Begierden und Trieben oder bspw. auch die Abhärtung gegenüber äußerlichen Empfindungen wie der Hitze und Kälte gemeint, 181 sodass eine Person die Inhalte ihrer Empfindungen »empfindungs- und bewußtlos an ihr hat und in ihnen sich bewegt«. 182 Die Person hat anhand der Gewohnheit den Inhalt der Empfindungen auf eine solche Weise »im Besitz«, dass sie »in solchen Bestimmungen nicht als empfindend ist«. 183 Die Ubiquitätsthese besagt mit Blick auf phänomenales Bewusstsein, dass, wenn eine Person Bewusstsein vom qualitativen Charakter besitzt, sie immer auch phänomenales Selbstbewusstsein hat. Wenn eine Person anhand der Gewohnheit einen Inhalt »empfindungslos an ihr hat«, besitzt sie kein Bewusstsein vom qualitativen Charakter. Hegels Erläuterung der Gewohnheit zeigt nicht, dass er die Ubiquitätsthese nicht vertritt. Die Gewohnheit belegt nicht, dass Subjekte Bewusstsein vom qualitativen Charakter besitzen und kein phänomenales Selbstbewusstsein. Gegen die Annahme, dass Hegel die Ubiquitätsthese vertritt, scheint folgender Einwand zu sprechen. Er besagt, dass bei Hegel phänomenales SelbstVgl. Stefan Lang: »Hegels Deduktion des Erwachens der Seele in der Anthropologie«, in: J. Karásek, L. Kollert, T. Matˇejˇcková (Hg): Übergänge in der Klassischen Deutschen Philosophie. Paderborn 2019b, 193–210. 181 Hegel 1992, 185. 182 Hegel 1992, 183. 183 Hegel 1992, 183. 180

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

bewusstsein dem Selbstgefühl entspricht. Von dem Selbstgefühl ist die Empfindung zu unterscheiden. Hegel behandelt in der »Enzyklopädie« das Selbstgefühl nach der Empfindung. Mit der Empfindung besteht Bewusstsein vom qualitativen Charakter. Sie schließt Selbstbewusstsein nicht mit ein. Es ist daher nach Hegel möglich, dass Subjekte Empfindungen haben, aber kein Selbstgefühl. Das bedeutet, dass nach Hegel Subjekte Bewusstsein von qualitativen Charakteren, mithin phänomenales Bewusstsein haben können, ohne dass sie auch phänomenales Selbstbewusstsein besäßen. Dieser Einwand trifft nicht zu. Hegel erklärt, dass bereits die Empfindung eine erste rudimentäre Form von Selbstgewahrsein darstellt. Der Inhalt der Empfindung wird als das »Eigenste gesetzt« und dies »Eigene ist das vom wirklichen konkreten Ich Ungetrennte«. 184 Auch wenn es wahr wäre, dass für Hegel Subjekte Empfindungen haben, ohne dass sie ein Selbstgefühl besitzen, würde die Ubiquitätsthese gelten. Die Empfindung als solche schließt ein Selbstgewahrsein mit ein. Außerdem entspricht die im Einwand formulierte These, dass Subjekte Empfindungen haben, ohne dass sie auch ein Selbstgefühl besitzen, nicht Hegels Standpunkt. Hegel behandelt das Selbstgefühl zwar im Anschluss an seine Darstellung der Empfindung. Das bedeutet aber nicht, dass Subjekte Empfindungen haben, aber kein Selbstgefühl besitzen. Für Hegel sind Phänomene oder auch Strukturen, die in der Theorie erst an späterer Stelle angeführt werden, der Sache nach mit bereits zuvor erläuterten Phänomenen und Strukturen präsent. Zudem sind Phänomene oder Strukturen, die in der Darstellung der Theorie zuerst erwähnt werden, oftmals Aspekte von komplexeren Strukturen oder Phänomenbeständen, die an späterer Stelle erläutert werden. Sie sind immer schon in komplexere Strukturen und Zusammenhänge eingebettet. Ähnlich verhält es sich im Fall der Empfindung und ihrer Beziehung zum Selbstgefühl. Die Empfindung besteht nur gemeinsam mit dem Selbstgefühl. 185 Schließlich ist zu beachten, dass das Zielsubjekt von Hegels Untersuchung rationale, wache Subjekte sind, die nicht nur phänomenales Bewusstsein haben, sondern auch begriff liches Bewusstsein. Selbst wenn es sinnvoll wäre, anzunehmen, dass es

Hegel 1992, 98. Vgl. Hegel 1992, 100, 119. Gegen diese Interpretation spricht, dass Hegel, soweit ich es überblicke, an keiner Stelle erwähnt, dass die Empfindung nur gemeinsam mit dem Selbstgefühl vorhanden ist. Es gibt aber auch keine Stelle, an der Gegenteiliges behaupten würde. Die These, dass nach Hegel Subjekte Empfindungen haben können, auch ohne dass sie ein Selbstgefühl besitzen, scheint mit der grundsätzlichen Anlage von Hegels Theorie in der »Enzyklopädie« nicht vereinbar zu sein, nach der an späterer Stelle innerhalb der Darstellung erwähnte Aspekte die Grundlage von zuvor erwähnten Aspekten sind oder mit diesen bestehen. Damit ist freilich die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass es sich beim Verhältnis zwischen der Empfindung und dem Selbstgefühl um einen Sonderfall innerhalb von Hegels Theorie handelt, für den dies nicht gilt. 184 185

Hegels Interpretation phänomenalen Bewusstseins

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nach Hegel möglich ist, dass Subjekte Empfindungen haben, aber kein Selbstgefühl, gilt dies nicht für das Zielsubjekt seiner Untersuchung. Hegels Untersuchung phänomenalen Bewusstseins ist mit seiner Erläuterung phänomenalen Selbstbewusstseins nicht abgeschlossen. Er ergänzt seine Interpretation des Bewusstseins vom qualitativen Charakter durch a) die Berücksichtigung der Beziehung zwischen phänomenalem Bewusstsein und der praktischen Dimension menschlichen Bewusstseins, b) durch die Berücksichtigung der Bedeutung kognitiver Leistungen für die Konstitution qualitativer Charaktere und c) durch die Unterscheidung von inneren und äußeren Empfindungen. Nach Hegel sind eine Vielzahl von Typen phänomenalen Bewusstseins Modifikationen eines praktischen Gefühls. 186 Dazu zählen u. a. Freude, Schmerz, Scham, Reue, die Gefühle des Angenehmen und Unangenehmen. 187 Als praktisches Gefühl bezeichnet Hegel grob gesagt das Gefühl, sich selbst zu bestimmen, andererseits aber auch von Gegenständen in der Welt bestimmt zu sein. 188 Nach Hegel bestehen dadurch (einige) unterschiedliche Typen phänomenalen Bewusstseins, dass das Subjekt seine Selbstbestimmung mit seinem Bestimmtsein durch Gegenstände der Welt vergleicht, sodass in dem Fall, dass sein Bestimmtsein von Gegenständen mit seiner Selbstbestimmung übereinstimmt, bspw. das Gefühl des Angenehmen besteht. Es handelt sich bei diesem Vergleich um eine nicht-begriff liche Evaluierung, die sich in Gestalt von Empfindungszuständen äußert. Je nachdem, mit welchen kognitiven Leistungen der Inhalt eines Gefühls besteht, also etwa durch die Anschauung oder das Denken, bestehen unterschiedliche Zustände wie Freude oder Scham. 189 Die Freude bestimmt Hegel bspw. als das »Gefühl des einzelnen Zustimmens meines An-und-für-sich-Bestimmtseins zu einer einzelnen Begebenheit, einer Sache oder Person«. 190 Für Hegel ist die Konstitution des qualitativen Charakters daher von den kognitiven Leistungen beeinflusst, mit welchen jeweils phänomenales Bewusstsein besteht. Hegel teilt die Empfindungen zudem in äußere und innere Empfindungen ein. 191 Zu den Inhalten der äußeren Empfindungen zählen die durch die fünf Sinne gewonnenen qualitativen Charaktere. 192 Zu diesen qualitativen CharakHegel 1992, 290, 292. Hegel 1992, 292, 294. 188 Hegel 1992, 293. 189 Hegel 1992, 293–294. 190 Hegel 1992, 294. 191 Hegel 1992, 100–102. Hegel nimmt eine weitere Einteilung gemäß dem jeweiligen Grad an Bestimmtheit einer Empfindung vor. Hegel 1992, 294. Hegel erläutert nicht näher, wie dies zu verstehen ist und weswegen oder inwiefern Angenehmes und Unangenehmes weniger bestimmt sein sollen als bspw. Schmerzen haben oder Freude. 192 Hegel 1992, 103. 186 187

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

teren zählen nach Hegel bspw. die Farbe, der Klang und auch – im Unterschied zu Fichte – die Gestalt eines Gegenstandes. 193 Die äußeren Empfindungen zeichnen sich dadurch aus, dass der Leib von etwas Äußerem, also etwa Gegenständen und deren Eigenschaften, bestimmt wird. 194 Demgegenüber zählen zu den inneren Empfindungen zum einen Gemütszustände wie Zorn, Rache und Neid, deren qualitative Charaktere vom Subjekt herrühren, und zum anderen Empfindungen, die im Zusammenhang mit Überzeugungen bestehen, die u. a. das Recht, die Sittlichkeit oder die Religion betreffen. 195 Für beide Typen von Empfindungen gilt, dass sie in leibhafter Form bewusst erlebt werden, so etwa der Mut in Gestalt leibhaften Empfindens in der Brust. 196 Hegel teilt damit bspw. Michael Tyes These, dass Bewusstsein vom qualitativen Charakter einen leibhaften Aspekt mit einschließt: 197 Zorn wird bspw. leibhaftig im Herzen gespürt. Selbst das Denken schließt nach Hegel eine leibhafte Dimension und damit eine Empfindung mit ein. 198 Hegel zählt mithin diejenigen Aspekte zu den Gehalten der Empfindung, die in selbstrepräsentationalistischen Theorien zu den qualitativen Charakteren gezählt werden. Bspw. zählt so wie Hegel auch Kriegel nicht nur Farben und Töne zu den qualitativen Charakteren, sondern auch die Gestalt eines Gegenstandes. Es fühlt sich nach Kriegel irgendwie an, eine rechteckige Gestalt wahrzunehmen. 199 Ein weiterer systematisch interessanter Punkt von Hegels Interpretation des Bewusstseins vom qualitativen Charakter ist, dass für Hegel eine Theorie phänomenalen Bewusstseins zu beachten hat, dass phänomenales Bewusstsein in unterschiedlichen Varietäten auftritt, die in unterschiedliche Kontexte eingebettet sind und von diesen Kontexten mitbestimmt werden. Eine Erklärung phänomenalen Bewusstseins, insofern es im Zusammenhang mit äußeren Empfindungen besteht, hat bspw. die kognitive Leistung mit zu berücksichtigen, mit der die Empfindung jeweils besteht. Es macht für den qualitativen Charakter einen Unterschied, ob ein qualitativer Charakter im Zusammenhang mit dem Denken oder der Anschauung besteht. Das bedeutet, eine Theorie phänomenalen Bewusstseins ist abstrakt und unvollständig, wenn sie nicht auch jeweils den Kontext berücksichtigt, von dem unterschiedliche Typen von Hegel 1992, 101, 106. Fichte 1976, 88–89. Hegel 1992, 102. 195 Hegel 1992, 99, 110. 196 Hegel 1992, 100–101, 112. 197 Vgl. Tye 2000, 50–51. 198 Hegel 1992, 113, 186. Wie in Kapitel 1 erwähnt ist es angesichts des vorliegenden Textbestands nicht möglich zu entscheiden, ob das Denken eine leibhafte Dimension, eine Empfindung, intrinsisch miteinschließt oder ob es lediglich von einer Empfindung begleitet wird. 199 Vgl. Kriegel 2009, 46. 193 194

Hegel und selbstrepräsentationalistische Theorien

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phänomenalem Bewusstsein bestimmt sind. Sie erklärt bedeutende Aspekte nicht, die phänomenales Bewusstsein mitbestimmen. Damit sind die Hauptlinien von Hegels Analyse phänomenalen Bewusstseins skizziert. Phänomenales Selbstbewusstsein verdankt sich in dem Fall, dass sich ein Individuum in einem wachen Zustand befindet, der Empfindung und dem Selbstgefühl. Das Bewusstsein vom qualitativen Charakter verdankt sich ebenfalls dieser Tätigkeiten und Zustände. Zusätzlich sind die praktische Dimension einiger Typen von phänomenalem Bewusstsein zu beachten und die jeweiligen kognitiven Leistungen, mit denen phänomenales Bewusstsein besteht, sowie die Frage, ob phänomenales Bewusstsein von äußeren Gegenständen oder von inneren Überzeugungen bzw. Zuständen des Subjekts bestimmt ist.

3.6 Hegel und selbstrepräsentationalistische Theorien

Hegels Interpretation der Empfindung und des Selbstgefühls weist signifikante Übereinstimmungen mit selbstrepräsentationalistischen Theorien phänomenalen Bewusstseins auf. So wie (einige) Selbstrepräsentationalisten entwickelt Hegel eine Erklärung der Konstitution des Bewusstseins vom qualitativen und subjektiven Charakter. Er entwickelt eine Theorie, die erklärt, wann ein Individuum einen phänomenal bewussten Zustand hat, und zwar insofern es wach ist, eine Empfindung und ein Selbstgefühl besitzt. Hegels Theorie phänomenalen Bewusstseins ist zwar in eine andere Fragestellung eingebettet als analytische Untersuchungen phänomenalen Bewusstseins. Sie lautet: Durch welche Leistungen und Vermögen vermag ein (einzelnes) Subjekt sich von seinem Leib zu unterscheiden und ihn zugleich als seinen eigenen empfindenden Körper zu verstehen sowie intentionales Bewusstsein zu besitzen? Bei der Untersuchung dieser Frage beantwortet Hegel jedoch auch die für analytische Philosophen (oftmals) maßgebliche Frage, wodurch ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist. Hegel zählt dieselben Eigenschaften wie bspw. Kriegel zum qualitativen Charakter, also etwa, Farben, Töne oder die Gestalt eines Gegenstandes. Er vertritt die Ubiquitätsthese und die Dependenzthese. Phänomenales Selbstbewusstsein begleitet das Bewusstsein vom qualitativen Charakter ubiquitär und ist eine notwendige Bedingung der Möglichkeit des Bewusstseins vom qualitativen Charakter. Phänomenales Selbstbewusstsein und das Bewusstsein vom qualitativen Charakter sind Bestandteile eines Phänomens, phänomenalen Bewusstseins. So wie für Selbstrepräsentationalisten ist auch für Hegel phänomenales Selbstbewusstsein von begriff lichem Selbstbewusstsein zu unterschei-

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

den und weist eine relationale Struktur auf. Hegels Begriffe der Empfindung, des Selbstgefühls usw. thematisieren Strukturmerkmale des phänomenalen Bewusstseins einer jeden Person, die einen phänomenal bewussten mentalen Zustand besitzt. Die Ausdrücke ›Empfindung‹ und ›Selbstgefühl‹ bezeichnen bspw. nicht die spezifischen individuellen Leistungen Georg Wilhelm Friedrich Hegels, sondern Leistungen, die ein jedes Individuum vollzieht, wenn es phänomenales Bewusstsein besitzt. Wie Fichte betont Hegel die praktisch-affektive Dimension menschlichen Bewusstseins. Insofern besteht auch ein Berührungspunkt mit Van Gulick. Für Van Gulick und für Hegel sind Erfahrungen und damit phänomenales Bewusstsein von praktisch-affektiven Bedeutungen durchzogen. Jenseits aller Differenzen zwischen ihren Theorien besteht dahingehend eine Übereinstimmung, dass für beide phänomenales Bewusstsein in einen praktischen Kontext eingebettet ist, in dem das Subjekt von der Umwelt beeinflusst wird und sich praktisch zu ihr verhält. Dieser praktische Kontext beeinflusst bei Hegel die Konstitution phänomenalen Bewusstseins hinsichtlich der Frage, welcher phänomenal bewusste mentale Zustand besteht, also bspw. ob eine Person Freude oder Angst empfindet. Diese signifikanten Übereinstimmungen bestätigen die These, dass es sachangemessen ist, Hegels Theorie mit analytischen Theorien in Beziehung zu setzen. Hegel beschäftigt sich mit einem Phänomen und mit Fragestellungen, die im Zentrum selbstrepräsentationalistischer Theorien stehen. Hegels Theorie phänomenalen Bewusstseins unterscheidet sich jedoch auch in wichtigen Punkten von selbstrepräsentationalistischen Untersuchungen. Ein bedeutender Unterschied besteht darin, dass Hegel ein Higher-order-Modell vertritt, wonach phänomenales Selbstbewusstsein durch zwei numerisch verschiedene Tätigkeiten und deren Beziehung zueinander konstituiert wird. Das Subjekt repräsentiert mit dem Selbstgefühl eine andere Tätigkeit, die Empfindung. Demgegenüber vertreten Selbstrepräsentationalisten wie Kriegel oder Williford den Standpunkt, dass phänomenales Selbstbewusstsein durch die Selbstrepräsentation (oder die Bekanntschaft (Acquaintance)) eines und desselben mentalen Zustands konstituiert wird. Zudem behandelt Hegel im Unterschied zu Williford und Kriegel, aber auch zu Fichte und Schelling nicht die Frage, ob die Tätigkeit des Selbstgefühls, mit der phänomenales Selbstbewusstsein konstituiert wird, ihrerseits repräsentiert und bewusst ist oder nicht. Ein weiterer Unterschied besteht in Hegels Betonung, dass das Bewusstsein vom qualitativen und subjektiven Charakter ein Fall leibhaften Gewahrens ist und dass das Subjekt, insofern es phänomenales Selbstbewusstsein besitzt, sich nicht als ein mentales Subjekt von seinem Leib unterschiedet. Soweit ich es überblicke, verhalten sich Selbstrepräsentationalisten demgegenüber nicht zu der Frage, ob phänomenales Bewusstsein ein leibhaftes Gewahren ist, bei

Idealistische Theorien im Vergleich

125

dem das Bewusstsein des Unterschieds zwischen einem mentalen Subjekt und seinen leibhaften Empfindungen miteingeschlossen ist. Schließlich unterscheidet sich Hegels Theorie vom Selbstrepräsentationalismus in einem weiteren Punkt. Selbstrepräsentationalisten entwickeln Theorien der Konstitution des Bewusstseins vom qualitativen und subjektiven Charakter und zeigen damit, wodurch ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist. Hegel behandelt diese Aufgaben auch. Für ihn ist solch eine Theorie jedoch abstrakt und unvollständig, wenn nicht zugleich die kognitiven Leistungen mit berücksichtigt werden, mit denen phänomenales Bewusstsein jeweils besteht. Kognitive Leistungen bestimmen, welcher Typ von phänomenal bewussten mentalen Zuständen jeweils besteht, also etwa im Zusammenhang mit einer Anschauung das Gefühl der Freude oder mit dem Denken das Gefühl der Scham. Hegel skizziert eine konstitutive Typologie unterschiedlicher Varietäten von phänomenal bewussten mentalen Zuständen, mittels der er erklärt, durch welche kognitiven Leistungen unterschiedliche Typen phänomenal bewusster mentaler Zustände bestimmt werden. Selbstrepräsentationalisten behandeln diese Aufgabenstellung nicht.

3.7 Idealistische Theorien im Vergleich

Fichtes, Schellings und Hegels Interpretationen phänomenalen Bewusstseins stimmen in wichtigen Punkten überein. Für die Diskussion mit selbstrepräsentationalistischen Theorien sind folgende Übereinstimmungen von Interesse: Die Deutschen Idealisten entwickeln Theorien phänomenalen Bewusstseins. Sie teilen den Standpunkt, dass phänomenales Bewusstsein stets einen bewussten qualitativen Charakter und phänomenales Selbstbewusstsein aufweist, sodass phänomenales Bewusstsein weder bereits dann besteht, wenn ein Subjekt ausschließlich Bewusstsein vom qualitativen Charakter besitzt, noch wenn es ausschließlich phänomenales Selbstbewusstsein hat. Phänomenales Selbstbewusstsein ist ein Bestandteil phänomenalen Bewusstseins. Es gelten die Ubiquitätsthese und die Dependenzthese. Die Idealisten zählen im Großen und Ganzen dieselben Eigenschaften zu den qualitativen Charakteren, wie bspw. Farben, Töne oder Düfte. Sie erwähnen mitunter dieselben mentalen Zustände und Tätigkeiten wie die Empfindung und das Selbstgefühl (Fichte, Schelling und Hegel) oder die Gefühle des Angenehmen und Unangenehmen (Fichte und Hegel). Außerdem stimmen die Deutschen Idealisten dahingehend überein, dass phänomenales Selbstbewusstsein ein Fall von egologischem, aber nicht-begriff lichem und nicht-propositionalem Selbstbewusstsein ist, das weder durch eine Identifizierung, durch die Wahrnehmung, die Beobachtung

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

noch bspw. einen Akt der (denkenden) Reflexion gewonnen wird. Es zeichnet sich durch eine repräsentationale und relationale Struktur aus. Eine weitere Übereinstimmung zwischen Fichte, Schelling und Hegel besteht darin, dass im Zentrum ihrer Theorien Tätigkeiten des Subjekts stehen wie die Empfindung und das Selbstgefühl, die im Sinn von »Ereignissen« zu verstehen sind und damit von Handlungen (agency) eines Subjekts zu unterscheiden sind. Diese Tätigkeiten und die repräsentationalen Beziehungen zwischen ihnen konstituieren a) phänomenales Selbstbewusstsein und b) das Bewusstsein vom qualitativen Charakter. Die Idealisten unterscheiden die Analyse dieser Tätigkeiten von einer Untersuchung der Konstitution der jeweils spezifischen phänomenal bewussten mentalen Zustände, wie bspw. der Reue oder der Freude oder einer akustischen Wahrnehmung. Eine Untersuchung spezifischer phänomenal bewusster mentaler Zustände wie etwa der Freude zeigt, wann ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ein Zustand der Freude ist. Ein jeder phänomenal bewusster mentaler Zustand schließt die Empfindung und das Selbstgefühl mit ein. Fichte, Schelling und Hegel entwerfen Theorien der allgemeinen Strukturmerkmale phänomenalen Bewusstseins. Sie identifizieren Merkmale, die das phänomenale Bewusstsein einer jeden Person aufweist, wie bspw. phänomenales Selbstbewusstsein. Sie entwerfen also bspw. keine Theorie des phänomenalen Bewusstseins eines bestimmten Individuums, etwa Joseph Haydns. Schließlich untersuchen sie die allgemeinen Strukturmerkmale phänomenalen Bewusstseins im Rahmen von Theorien der Konstitution des Bewusstseins vom qualitativen und subjektiven Charakter. Angesichts dieser Übereinstimmungen ist zu erkennen, dass es ein zentrales Anliegen der Systemphilosophen nach Kant gewesen ist, Theorien phänomenalen Bewusstseins zu entwickeln. Fichte, Schelling und Hegel arbeiten insofern an einem gemeinsamen Projekt, nämlich eine Beschreibung und Erklärung phänomenalen Bewusstseins zu entwickeln. Zusätzlich zu Übereinstimmungen, die zwischen allen drei Idealisten bestehen, gibt es partielle Übereinstimmungen, also Übereinstimmungen zwischen bspw. Fichte und Hegel. Eine Übereinstimmung zwischen Fichte und Hegel besteht darin, dass beide bspw. Farben und Töne zu den qualitativen Charakteren zählen. Nach Hegel zählt die Figur aber ebenso zu den qualitativen Charakteren, für Fichte jedoch nicht. Eine weitere Übereinstimmung besteht darin, dass beide bei der Darstellung ihrer Theorien phänomenalen Bewusstseins die praktisch-affektive Dimension menschlichen Bewusstseins berücksichtigen. Demgegenüber spielt die praktisch-affektive Dimension bei Schelling – mit Blick auf den Eigenbestand phänomenalen Bewusstseins – eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Auch für Schelling ist menschliches Bewusstsein stets in einen praktischen Kontext eingebettet, sodass Ziele und Interessen zu beachten sind. Die praktische Dimension spielt bei der Erklärung des Eigenbestands phä-

Idealistische Theorien im Vergleich

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nomenalen Bewusstseins gegenüber den Theorien Fichtes und Hegels jedoch eine untergeordnete Rolle. Fichte und Hegel teilen zudem den Standpunkt, dass phänomenales Bewusstsein durch die repräsentationale Beziehung zwischen numerisch verschiedenen Tätigkeiten konstituiert wird. Schelling teilt diesen Standpunkt nicht. Schelling entwickelt eine idealistische Variante eines selbstrepräsentationalistischen Erklärungsmodells der Konstitution phänomenalen Bewusstseins, nach dem ein und dieselbe Tätigkeit sich selbst repräsentiert. Fichte und Schelling stimmen in einem wichtigen Punkt überein. Ihrer Ansicht nach bildet eine aktontologische Theorie die Grundlage für die Konstitutionstheorie phänomenalen Bewusstseins. Sie entwickeln ihre Theorien der Konstitution phänomenalen Bewusstseins auf der Grundlage einer Theorie von Tätigkeiten des Subjekts, die zu seinen wesentlichen Eigenschaften zählen. Diese Tätigkeiten bestimmen zum Teil, was ein Subjekt ist und auszeichnet. Auch Hegel berücksichtigt Tätigkeiten des Subjekts. Die Identifizierung dieser Tätigkeiten fußt bei ihm jedoch auf logischen Bestimmungen, wie Urteil und Schluss, die in seiner Wissenschaft der Logik entwickelt werden. Diese logischen Bestimmungen liegen seiner Behandlung des Unterschieds zwischen Wachsein und Schlafen sowie des Selbstgefühls zugrunde. 200 Demgegenüber entwickeln Fichte und Schelling in keinem vergleichbaren Maße logische Überlegungen, die ihre aktontologischen Erklärungen begründen. Es sind auch wichtige Unterschiede zwischen Fichte, Schelling und Hegel zu beachten. Dies gilt sowohl mit Blick auf den größeren systematischen Rahmen, innerhalb dessen die Theorien phänomenalen Bewusstseins entwickelt werden, als auch mit Blick auf Details der jeweiligen Theorien. Die Deutschen Idealisten entwickeln ihre Untersuchungen phänomenalen Bewusstseins von (zum Teil) jeweils unterschiedlichen Fragestellungen ausgehend. Bei Schelling erfolgt die Untersuchung phänomenalen Bewusstseins im Zusammenhang mit der Untersuchung der Fragen: Wie gewinnt ein Subjekt eine Repräsentation davon, dass es a) begrenzt ist, d. h. dass es eine von ihm unterschiedene Welt von Objekten gibt, b) selbst empfindet und c) produktiv tätig ist? Hegel entwickelt (innerhalb der »Anthropologie«) seine Theorie phänomenalen Bewusstseins bei einer Untersuchung, deren Ziel u. a. die Beantwortung der Fragen bildet, durch welche Leistungen und Vermögen ein Subjekt sich von seinem Leib zu unterscheiden und ihn sich zuzuschreiben vermag sowie intentionales Bewusstsein zu besitzen vermag. Fichtes Fragestellung, bei deren Beantwortung er seine Theorie phänomenalen Bewusstseins entwickelt, lautet, wie es möglich ist, dass das Ich sich setzt als bestimmend das Nicht-Ich, d. h. wie ist es möglich, dass das Subjekt Tätigkeiten vollzieht, die Gegenstände und deren Eigenschaften in der Welt 200

Hegel 1992, 87, 160.

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Idealistische Theorien phänomenalen Bewusstseins

bestimmen, und wie ist es möglich, dass das Subjekt ein Bewusstsein davon besitzt, dass es diese Tätigkeiten zu leisten imstande ist. Diesen unterschiedlichen Fragestellungen entspricht, dass die Theorien phänomenalen Bewusstseins ein Bestandteil jeweils unterschiedlicher philosophischer Systeme sind, die sich in Grundannahmen unterscheiden, wie bspw. bei der Beurteilung der Möglichkeit der Erkenntnis des Absoluten und in ihren jeweiligen methodischen Verfahren. Auch bei der Beantwortung der Frage, welche Informationen phänomenales Selbstbewusstsein genau enthält, sind zum Teil feine Unterschiede nicht zu übersehen. Fichte, Schelling und Hegel teilen zwar die Position, dass phänomenales Selbstbewusstsein ein Fall von egologischem Selbstbewusstsein ist, der von egologischem Selbstbewusstsein zu unterscheiden ist, insofern es mit und durch das Denken und Urteilen besteht. Für Schelling enthält phänomenales Selbstbewusstsein in Gestalt des Selbstgefühls die Information, dass man selbst, das Subjekt, von Objekten zu unterscheiden ist. Nach Fichte schließt phänomenales Selbstbewusstsein bzw. das Selbstgefühl die bewussten Informationen mit ein, selbst das fühlende Subjekt zu sein, sich selbst zu fühlen, und die bewusste Information, dass es die eigene Kraft ist, die gefühlt wird. Bei Hegel werden mit dem Selbstgefühl Gefühle als die je eigenen verstanden. Schließlich unterscheiden sich alle drei idealistischen Theorien auch hinsichtlich der jeweiligen Binnenanalyse der Konstitution phänomenalen Bewusstseins. Während bspw. nach Schelling vier Leistungen einer Tätigkeit phänomenales Bewusstsein konstituieren, ist es nach Hegel erforderlich, zwei Tätigkeiten und den wachen Zustand des Subjekts zu beachten. Auch wenn die Deutschen Idealisten an einem gemeinsamen Projekt arbeiten, dem Projekt, eine Theorie phänomenalen Bewusstseins zu entwickeln, bestehen bedeutende Unterschiede. Dies überrascht keineswegs. Auch selbstrepräsentationalistische Theorien unterscheiden sich in denkbar vielfältigen Weisen voneinander, 201 sodass es nicht einmal möglich ist, ein Merkmal anzuführen, das alle selbstrepräsentationalistischen Theorien teilen und das hinreichend ist, um diesen Erklärungsansatz von alternativen Modellen zu unterscheiden. Das hat zur Folge, dass die Übereinstimmung jeder idealistischen Theorie für sich betrachtet mit dem Selbstrepräsentationalismus diskutiert werden sollte. Dies ist in den vorangegangenen Kapiteln skizzenhaft durchgeführt worden.

201

Vgl. die Ausführungen in Kapitel 2.6.

4 Einwände gegen die Verbindung beider Traditionen

Eine Hauptthese dieser Untersuchung lautet, dass idealistische und analytische Philosophen Untersuchungen eines und desselben Phänomenbereichs entwickeln, sodass mit Blick auf phänomenales Bewusstsein eine traditionsübergreifende Sachdebatte besteht. Gegen diese These sprechen insbesondere zwei Einwände. Der erste Einwand lässt sich in folgender Frage ausdrücken, die mir Charles Siewert bei einem Workshop mit Nachdruck stellte. Sie lautet, ob die Deutschen Idealisten tatsächlich dasselbe Phänomen wie die analytischen Philosophen untersuchen. Beschäftigen sich die Deutschen Idealisten wirklich mit demselben Phänomen, das analytische Philosophen behandeln, wenn sie Theorien phänomenalen Bewusstseins entwickeln? Bei der Untersuchung dieser Frage gilt es zu beachten, dass Selbstrepräsentationalisten zum Teil unterschiedliche Aufgabenstellungen behandeln. Lurz beschäftigt sich bspw. nicht mit der Frage, wodurch ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist, sondern mit Zustandsbewusstsein (state consciousness), das er von phänomenalem Bewusstsein unterscheidet, während phänomenales Bewusstsein im Zentrum von Kriegels, aber etwa auch Siewerts Arbeiten steht. Da phänomenales Bewusstsein den Schwerpunkt dieser Untersuchung bildet, ist an dieser Stelle zu prüfen, ob die Deutschen Idealisten, wenn sie die Empfindung und das Selbstgefühl behandeln, dasselbe Phänomen wie analytische Philosophen meinen, wenn sie phänomenales Bewusstsein untersuchen. Für die These, dass in beiden Traditionen derselbe Phänomenbestand verhandelt wird, sprechen mehrere Überlegungen. Erstens führen die Deutschen Idealisten weitestgehend dieselben Eigenschaften und Zustände an, wenn sie die Empfindung und das Selbstgefühl untersuchen, wie analytische Philosophen, wenn sie das Bewusstsein vom qualitativen Charakter thematisieren. Dazu zählen bspw. nach Hegel Farben und Töne, aber auch Zustände wie Schmerzen haben oder Freude. Das sind typische Beispiele von Zuständen und Eigenschaften, die analytische Philosophen zu phänomenal bewussten mentalen Zuständen und bewussten qualitativen Charakteren zählen. Wovon sonst, so ist zu fragen, handeln die Deutschen Idealisten, wenn nicht von phänomenalem Bewusstsein? Eine weitere Begründung lässt sich bemerkenswerterweise mithilfe der Untersuchungen von Siewert geben. Siewert entwickelt die interessanteste Erklärung des Phänomens, das gemeint ist (oder gemeint sein sollte), wenn in der analytischen Philosophie phänomenales Bewusstsein verhandelt wird, die wir besitzen. Mit Blick auf die Frage, ob die Deutschen Idealisten tatsächlich

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Einwände gegen die Verbindung beider Traditionen

denselben Phänomenbestand wie analytische Philosophen behandeln, ist es nicht erforderlich, Siewerts komplexe Argumentation zu erläutern. Es genügt, eine Überlegung zu beachten, die verdeutlicht, welches Phänomen mit dem Ausdruck ›phänomenales Bewusstsein‹ gemeint ist. Nach Siewert ist eine Eigenschaft phänomenal, d. h. sie schließt ein bewusstes Zumutesein mit ein, wenn sie nicht-derivativ (fundamental) dazu geeignet ist (»suited«), dass a) eine Person zu behaupten vermag, eine essentielle subjektive Kenntnis davon zu besitzen, um was für eine Eigenschaft es sich handelt, oder dass b) eine Person (sinnvoll) zu wünschen (desire) vermag, ein essentiell subjektives Verständnis von dieser Eigenschaft zu haben. 1 Für den Vergleich mit den Deutschen Idealisten genügt es, sich auf den Fall a) zu beschränken. Eine Eigenschaft ist dann nicht-derivativ, wenn nicht gilt, dass sie vollständig kraft einer anderen Eigenschaft dazu geeignet ist, dass eine Person zu behaupten oder zu wünschen vermag, eine »essentielle Kenntnis« zu haben. 2 So ist es bspw. sinnvoll zu sagen, der freie Fall aus einem Flugzeug mit einem Fallschirm fühlt sich für den Fallschirmspringer irgendwie an. Der freie Fall als solcher schließt jedoch keine phänomenale Eigenschaft mit ein. Das Zumutesein besteht im Zusammenhang mit dem Gefühl, das beim freien Fall besteht. 3 Das Zumutesein, das den freien Fall begleitet, ist derivativ, da es nicht kraft seiner selbst dazu führt, dass eine Person zu behaupten oder zu wünschen vermag, eine essentielle Kenntnis zu haben. Eine essentiell subjektive Kenntnis ist ein Fall von Denken, ein Fall von Verstehen bzw. Wissen. Sie zu besitzen zeichnet sich dadurch aus, dass – zumindest in einigen Fällen, in denen eine Person diese subjektive Kenntnis hat – die korrekte Selbstzuschreibung einer Eigenschaft einen unverzichtbaren Beitrag zu dieser subjektiven Kenntnis leistet, den die Fremdzuschreibung, die Zuschreibung an eine andere Person, nicht zu leisten vermag. Zu Recht behaupten zu können, eine subjektive Kenntnis zu haben, erfordert also, dass eine Person selbst diese Eigenschaft besitzen muss (oder sich vorzustellen vermag, wie es wäre, sie zu besitzen). 4 Diese Eigenschaft selbst zu haben, trägt dazu bei, wie diese Eigenschaft verstanden wird bzw. bekannt ist, und das bedeutet, es – diese Eigenschaft selbst zu haben – trägt zum Verständnis davon bei, um welche bzw. um was für eine Eigenschaft es sich handelt, während die FremdzuschreiSiewert 2011, 245. Siewert 2011, 246. 3 Siewert verwendet ein ähnliches Beispiel in »Phenomenal Thought« und im 2. Kapitel eines neuen, noch unveröffentlichten Buchs. Vgl. Siewert 2011, 247. 4 Die Details von Siewerts komplexem Ansatz sind im vorliegenden Diskussionszusammenhang von untergeordneter Bedeutung. Bspw. ist es nach Siewert möglich, phänomenales Bewusstsein zu haben, obgleich ein Organismus keine Kenntnis, kein Wissen, von diesem Bewusstsein zu besitzen vermag. 1

2

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bung diesen Beitrag nicht zu leisten vermag. Personen, die sie nicht selbst haben (oder sich nicht vorzustellen vermögen, wie es wäre, sie zu haben), haben folglich nicht dasselbe Verständnis, dieselbe Kenntnis von dieser Eigenschaft wie Personen, die sie besitzen oder besessen haben (oder sich vorstellen können, wie es wäre, sie zu besitzen). Eine Pointe von Siewerts Überlegungen lautet damit, dass selbst phänomenales Bewusstsein zu haben (oder sich vorstellen zu können, es zu haben) dazu beiträgt, Wissen vom spezifischen Zumutesein eines Falls von phänomenalem Bewusstsein zu haben. Diese Pointe ist auch bei Fichte zu finden: »Es sei z. B. etwas süß, sauer, rot, gelb, oder dgl. Eine solche Bestimmung ist offenbar etwas lediglich Subjektives; und wir hoffen nicht, daß irgend jemand, der diese Worte nur versteht, das ableugnen würde. Was süß oder sauer, rot oder gelb sei, läßt sich schlechthin nicht beschreiben, sondern bloß fühlen, und es läßt sich durch keine Beschreibung dem andern mitteilen, sondern ein jeder muss den Gegenstand auf sein eigenes Gefühl beziehen, wenn jemals eine Kenntnis meiner Empfindung in ihm entstehen soll.« 5

Fichte spricht an dieser Stelle aus, dass süß und sauer usw. »subjektiv« sind und bloß gefühlt werden können sowie dass eine Person nur dann Kenntnis von bspw. einer Süß-Empfindung hat, die sie einer anderen Person zuschreibt, wenn sie sie selbst empfindet bzw. empfunden hat. Mit Kenntnishaben ist gemeint, zu wissen, wie es sich anfühlt, also wie einem zumute ist, wenn man eine Geschmacksempfindung wie süß hat. Fichte verbindet das Vermögen, Wissen von einem spezifischen Zumutesein zu haben, das mit einer Eigenschaft besteht, mit dem Standpunkt der ersten Person: Eine Person muss dieses Zumutesein selbst erleben, um wissen zu können, was für ein Bewusstseinszustand oder welcher qualitative Charakter gemeint ist. Damit ist offenkundig eine Nähe zu Siewerts Überlegungen gegeben. Auch nach Fichte leistet eine phänomenale Eigenschaft zu haben einen Beitrag zur Kenntnis dieser Eigenschaft. Dies zeigt, dass Fichte derselbe Phänomenbestand vor Augen steht wie Siewert, wenn Siewert phänomenales Bewusstsein behandelt. Siewert bestätigte mir in einem Schreiben, dass er nunmehr überzeugt sei, dass zumindest Fichte grundsätzlich denselben Phänomenbestand wie analytische Philosophen behandelt. Dies gilt jedenfalls mit Blick auf die Sinneswahrnehmung. Gleichwohl bestehen freilich näher betrachtet bedeutende Unterschiede zwischen den Interpretationen Fichtes und Siewerts, bspw. bei der Interpretation der Reichweite phänomenalen Bewusstseins oder auch bei der Beurteilung phänomenalen Selbstbe-

5

Fichte 1997, 229–230.

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wusstseins. Diese Unterschiede betreffen allerdings die jeweilige Beurteilung desselben Phänomenbestands. Ein drittes Indiz, dass die Deutschen Idealisten sich mit demselben Phänomenbereich wie analytische Philosophen beschäftigen, ist bei Hegel zu finden. Nach Hegel hat ein Subjekt anhand der Gewohnheit den Inhalt der Empfindungen auf eine solche Weise »im Besitz«, dass sie »in solchen Bestimmungen nicht als empfindend ist«. Dies zeigt, dass Hegel das »Zumutesein« im Blick hat, wenn er von Empfindungen spricht, die nicht im Modus der Gewohnheit vorliegen. Wenn eine Person anhand der Gewohnheit Empfindungen bewusstlos an sich hat, dann erlebt sie den Gehalt dieser Empfindungen nicht, obgleich ihr bspw. durchaus bewusst sein mag, dass es kalt ist. Das Spezifische der Empfindung besteht demnach in ihrem je aktuell erlebten und erfahrenen Zumutesein für ein Subjekt. Eben dies ist das Phänomen, das analytische Philosophen im Blick haben. Wenn nun aber Hegel phänomenales Bewusstsein behandelt, dann spricht vieles dafür, dass auch Fichte und Schelling das Bewusstsein vom qualitativen Charakter untersuchen, das Thema in analytischen Debatten ist. Schließlich ist Hegels Analyse phänomenalen Bewusstseins in der »Anthropologie« maßgeblich von Fichte und Schelling beeinflusst. Dies belegen nicht zuletzt nahezu identische Formulierungen. Bspw. spricht Schelling bei seiner Diskussion der Empfindung von »Finden«. Hegel übernimmt diese Formulierung 30 Jahre später in der »Enzyklopädie«, freilich ohne Schelling zu erwähnen. Bereits vor Schelling hat auch Fichte in den »Platner-Vorlesungen« die Empfindung mit dem »Finden« in Beziehung gebracht. Angesichts dieser Beweislage ist die These gut abgesichert, dass die Deutschen Idealisten denselben Phänomenbestand wie analytische Philosophen untersuchen. Wenn analytische Philosophen phänomenales Bewusstsein behandeln, dann entspricht dies den idealistischen Interpretationen der Empfindung, des Selbstgefühls usw. Die zweite kritische Frage lautet folgendermaßen: Bei der Darstellung der idealistischen Theorien wurde der analytische Ausdruck ›Repräsentieren‹ verwendet. Er diente u. a. dazu, die Bedeutung des Wortes ›setzen‹, das sowohl Fichte und Schelling als auch Hegel verwenden, zu übersetzen. Die zweite Frage lautet: Ist dies sachangemessen? Ist es sinnvoll, im Kontext idealistischer Theorien von Repräsentationen, Repräsentieren und repräsentationalen Beziehungen zu sprechen? Daran anschließend ist zu fragen: Ist es sinnvoll, die idealistischen Interpretationen des Repräsentationsbegriffs mit der analytischen Interpretation dieses Begriffs in Beziehung zu setzen? Bei der Beantwortung dieser Fragen gilt es zu beachten, dass das deutsche Wort ›Vorstellung‹ gemeint ist, wenn die Deutschen Idealisten das Wort ›Repräsentation‹ verwenden. Es ist ein philosophischer Fachausdruck, der von der analytischen Bedeutung des Wortes ›Repräsentieren‹ zu unterscheiden ist. Das Wort ›Vorstellung‹ bedeutet

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bei Hegel u. a., dass – im Unterschied zur Anschauung und dem Denken – eine einzelne Anschauung auf ein Allgemeines bezogen wird. Die Vorstellung besteht im Zusammenhang mit der Erinnerung, der Einbildungskraft und dem Gedächtnis. 6 Sie ist von der Anschauung und der Empfindung zu unterscheiden. 7 Für Fichte gehört zu einer (vollständigen) Vorstellung, a) eine sinnliche Anschauung, durch die eine Vorstellung sich auf ein Objekt bezieht, b) eine Anschauung, durch die eine Vorstellung sich auf das Subjekt bezieht und die eigene Vorstellung ist, und schließlich c) ein Begriff, der beide Anschauungen vereint. 8 Der analytischen Bedeutung des Wortes ›repräsentieren‹ bzw. ›Repräsentation‹ entsprechen innerhalb der idealistischen Theorien die Wörter ›setzen‹ oder auch, bei Fichte, gelegentlich ›reflektieren‹. Die Frage, ob es sinnvoll ist, die idealistischen Interpretationen von Repräsentationen mit der analytischen Auffassung von Repräsentation in Beziehung zu setzen, lautet daher, ob es sinnvoll ist, idealistische Begriffe wie »Setzen« mit dem analytischen Repräsentationsbegriff in Verbindung zu bringen. Bei der Untersuchung dieser Frage gilt es zu beachten, dass die Bedeutung des Wortes ›Repräsentation‹ nicht von jedem analytischen Philosophen ausführlich erläutert wird. Es ist sinnvoll, sich an Rocco Gennaros Ausführungen zu orientieren, da er hilfreiche begriff liche Unterscheidungen vornimmt. 9 Nach Gennaro ist ein bewusster Zustand der Träger von repräsentationalem Gehalt und identisch mit einer mentalen Repräsentation. Der repräsentationale Gehalt des Zustands entspricht dem, worüber der Zustand eine Information enthält. Der mentale Zustand zeichnet sich durch eine Einstellung (attitude) aus, die bestimmt, um welchen Typ von mentalem Zustand es sich handelt, also bspw. dass es sich um einen Wahrnehmungszustand handelt. 10 Das bedeutet nicht, dass mentale Zustände im wortwörtlichen Sinn Bewusstsein haben. Personen haben phänomenales Bewusstsein, also raumzeitliche Gegenstände, die sich u. a. sowohl mentale als auch physische Prädikate zuschreiben. Im Fall phänomenalen Bewusstseins ist es jedoch der bewusste mentale Zustand, 6 7

Hegel 1992, 245. Vgl. auch Hegels Charakterisierung der Vorstellung im Unterschied zum Verstand. Hegel 1970,

73. Fichte 1984b, 54. Die Antwort auf die Frage, ob alle Selbstrepräsentationalisten Gennaros Ansatz teilen, sei unbeantwortet dahingestellt, da sie nicht immer genau erläutern, was sie unter einer Repräsentation verstehen und wie sie sich zu einem mentalen Zustand verhält. 10 Gennaro 2006, 237–238: »First, we have the conscious state, that is, the vehicle that is identical with a mental representation and is presumably a brain state of some kind. Second, there is the representational content of the state in question; that is, what the state is about or directed at. Third, there is the mental attitude (or mode) of the state; that is, what type of mental state it is, for example, a doubt, a thought, a perception, and so on.« 8 9

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kraft dessen eine Person Bewusstsein hat. Der bewusste mentale Zustand ist der Bestandteil einer Person, kraft dessen sie phänomenales Bewusstsein besitzt. Gennaros Charakterisierung eines bewussten mentalen Zustands ist in struktureller Hinsicht mit idealistischen Interpretationen durchaus vereinbar. Für Fichte, Schelling und Hegel ist bspw. die Empfindung der Träger von bewussten Informationen, also von qualitativen Charakteren. Die Empfindung ist eine bestimmte Tätigkeit, die von anderen Tätigkeiten wie etwa dem Denken zu unterscheiden ist. Die Empfindung zeichnet insofern eine spezifische Einstellung aus und sie hat repräsentationalen Gehalt in Form von qualitativen Charakteren. Schließlich ist die Empfindung eine bewusste mentale Tätigkeit. Das bewusste Schmerzerleben etwa ist für die Idealisten ein Phänomen, das hinsichtlich dessen, dass es ein qualitatives Erleben, ein Fall von phänomenalem Bewusstsein ist, identisch ist mit der Empfindung bzw. dem Selbstgefühl. Das Schmerzerleben wird bezüglich dessen, dass es ein Schmerzerleben ist, wie erwähnt, von weiteren Faktoren bestimmt, wie bspw. nach Hegel von der Anschauung. 11 Hinsichtlich dessen, dass es eine Varietät von phänomenalem Bewusstsein ist, sind jedoch die Empfindung und das Selbstgefühl maßgebend. Die Deutschen Idealisten teilen letzten Endes auch den Standpunkt, dass Personen phänomenales Bewusstsein besitzen. Eine Person ist für die Idealisten ein raumzeitlicher Gegenstand, der sich u. a. dadurch auszeichnet, dass er sich mentale und physische Prädikate zuzuschreiben vermag sowie sich in theoretischer und praktischer Hinsicht rational zu sich selbst, zu anderen Personen und zur Welt zu verhalten vermag. Fichte entwickelt in der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« zwar eine Theorie phänomenalen Bewusstseins, die von der Person noch abstrahiert. Er entwickelt jedoch bspw. in der »Grundlage des Naturrechts« eine Theorie der Individuation von Personen. Es steht außer Zweifel, dass für ihn letztlich Personen Bewusstsein haben und nicht »Subjekte«, die unabhängig von ihrem Körper bestehen, (wenngleich nach Fichte das Subjekt nicht auf den Körper reduziert werden kann). Angesichts dieser strukturellen Übereinstimmungen zwischen idealistischen Interpretationen der Empfindung und des Selbstgefühls mit Gennaros Interpretation eines bewussten mentalen Zustands ist es sachangemessen, bei der Interpretation der Leistungen der Empfindung und des Selbstgefühls von Repräsentationen und von Repräsentieren zu sprechen. Dementsprechend ist es im vorliegenden Kontext auch angebracht, das Wort ›setzen‹ mit ›repräsentieren‹ zu übersetzen. 12 Die Empfindung usw. erfüllen dieselbe Leistung Hegel 1992, 294. Das Wort ›setzen‹ hat im Deutschen Idealismus je nach Kontext unterschiedliche Bedeutungen. Es kann Produzieren ebenso bedeuten wie Gewahren. Im Kontext der idealistischen Theorien 11 12

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wie in analytischen Theorien diejenigen Eigenschaften und deren strukturelle Beziehungen, die dafür verantwortlich sind, dass unterschiedliche mentale Zustände – visuelle Wahrnehmungszustände, Gemütszustände etc. – phänomenal bewusste mentale Zustände sind. Die Empfindung stellt bspw. ein Bewusstsein vom qualitativen Charakter dar und sie vermag dies deswegen, weil sie qualitative Charaktere ›setzt‹, d. h. eben repräsentiert. Dementsprechend ist in selbstrepräsentationalistischen Theorien ein mentaler Zustand deswegen der Träger von repräsentationalem Gehalt, weil er repräsentiert, d. h. eben das leistet, was die Empfindung usw. innerhalb des Deutschen Idealismus leistet. Auch die Deutschen Idealisten entwerfen in dem erläuterten Sinn repräsentationale Theorien. 13 Bei diesen Ausführungen gilt es zweierlei zu beachten. Bei der Darstellung der Theorien von Fichte, Schelling und Hegel wurde angeführt, dass Tätigkeiten wie die Empfindung usw. die Funktion erfüllen, die mentale Zustände in analytischen Theorien erfüllen, insofern sie Repräsentationen aufweisen, die zu phänomenalem Bewusstsein führen. Der Zusatz »insofern sie zu phänomenal bewussten Gehalten führen« wurde bei der Darstellung idealistischer Theorien mehrmals angeführt. Er ist bedeutend, da nicht eine jede Repräsentation zur Konstitution phänomenalen Bewusstseins beiträgt. Personen besitzen bspw. unbewusste Repräsentationen, etwa Kenntnisbestände, die für die Konstitution phänomenalen Bewusstsein keine Rolle spielen. Repräsentationen, die für phänomenales Bewusstsein relevant sind, sind aber bspw. auch von zugangsbewussten Repräsentationen zu unterscheiden. Der zweite Punkt, der zu beachten ist, besteht darin, dass zuvor gesagt wurde, dass innerhalb des Idealismus die Empfindung, das Selbstgefühl usw. den Strukturen entsprechen, die in analytischen Theorien zur Konstitution phänomenal bewusster mentaler Zustände beitragen. Das ist ein entscheidender Punkt. Einige Selbstrepräsentationalisten wie allen voran Kriegel versuchen zu erklären, wodurch ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist, und das bedeutet, zu erklären, wie das Bewusstsein vom qualitativen Charakter und von phänomenalem Selbstbewusstsein konstituiert wird. Dieser Konstitutionsvorgang variiert nicht von phänomenal bewusstem mentalem Zustand zu phänomenal bewusstem phänomenalen Bewusstseins ist es sachangemessen, ›setzen‹ mit ›repräsentieren‹ zu übersetzen. In den idealistischen Theorien ist kein eigenes Wort zu finden, das ausschließlich dem analytischen Begriff der Repräsentation entspricht. ›Setzen‹ kann anderes als das Wort ›Repräsentation‹ bzw. ›Repräsentieren‹ bedeuten. 13 Repräsentationale Theorien sind nicht mit repräsentationalistischen bzw. First-Order-Theorien zu verwechseln. Repräsentationale Theorien sind solche, die phänomenales Bewusstsein unter Verwendung des Begriffs der Repräsentation erklären. Repräsentationalistische Theorien, wie sie etwa Tye entwickelt hat, sind eine bestimmte Varietät von repräsentationalen Theorien.

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mentalem Zustand. Es ist ein und derselbe Mechanismus bzw. ist es ein und dieselbe Struktur, die unterschiedliche Typen von phänomenal bewussten mentalen Zuständen aufweisen, also etwa visuelle oder akustische Wahrnehmungszustände. Innerhalb der idealistischen Theorien bezeichnen die Ausdrücke ›Empfindung‹ usw. eben solche Strukturmerkmale bzw. Tätigkeitsmechanismen. Mit der Empfindung ist nicht ein spezifischer Typ von phänomenal bewusstem mentalem Zustand gemeint, wie etwa ein Schmerzerleben. Die Empfindung, das Selbstgefühl usw. sind Bestandteile aller unterschiedlichen Typen phänomenalen Bewusstseins, also etwa von visuellen oder auch akustischen Wahrnehmungszuständen. Sie sind derjenige Aspekt von unterschiedlichen Typen von phänomenal bewussten mentalen Zuständen, den sie gemeinsam haben, insofern sie phänomenal bewusste mentale Zustände sind. Die Empfindung etc. sind der Mechanismus, der die Frage beantwortet, wodurch bspw. ein Schmerzzustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist. Es ist daher wichtig, die idealistischen Interpretationen der Empfindung usw. nicht mit einzelnen spezifischen phänomenal bewussten mentalen Zuständen wie dem Zustand des Schmerzerlebens zu verwechseln. Eingangs dieser Untersuchung wurden die zentralen Thesen dieser Arbeit formuliert. Zu diesen Thesen zählen, dass 1. innerhalb des Deutschen Idealismus Theorien phänomenalen Bewusstseins entwickelt werden, die 2. signifikante Übereinstimmungen mit selbstrepräsentationalistischen Theorien aufweisen, sodass 3. eine traditionsübergreifende Sachdebatte zu phänomenalem Bewusstsein und phänomenalem Selbstbewusstsein besteht. Diese Thesen haben sich als zutreffend herausgestellt. Mit diesem Ergebnis ist die erste Zielsetzung dieser Untersuchung erreicht. Dieses Resultat sollte bei an Sachdebatten interessierten Philosophinnen und Philosophen die nach wie vor bestehenden hartnäckigen Vorbehalte gegenüber idealistischen Theorien abzubauen helfen (These 4). Außerdem wurde dargelegt, dass es möglich ist, die für gegenwärtige Philosophinnen und Philosophen oftmals ungewöhnliche Terminologie der Deutschen Idealisten in aktuelle Begriff lichkeiten zu übersetzen (These 5). Es verrät Unkenntnis oder fehlenden Sachverstand, wenn die idealistische Tradition innerhalb der analytischen Debatten über phänomenales Bewusstsein weiterhin übergangen wird. Die zweite Zielsetzung dieser Untersuchung besteht u. a. darin, den Nachweis zu erbringen, dass anhand einer Diskussion idealistischer und analytischer Theorien (These 7) der aktuellen Debatte über phänomenales Bewusstsein neue Impulse versetzt werden können. Die These besagt näher betrachtet, dass von den Idealisten a. Thesen und Argumente formuliert werden sowie Fragestellungen und Aufgabenstellungen diskutiert werden, die innerhalb des analytischen Selbstrepräsentationalismus nicht oder zumindest nicht hinreichend beach-

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tet werden, und dass es b. mithilfe von Überlegungen der Idealisten möglich ist, in inhaltlicher und methodischer Hinsicht eine substantielle Kritik am Selbstrepräsentationalismus zu formulieren. Dies gilt c. auch in umgekehrter Blickrichtung, also von analytischer Perspektive ausgehend mit Blick auf die idealistischen Theorien. Dieser Zielsetzung gilt es sich nun zuzuwenden. In den folgenden Kapiteln werden zunächst idealistische Einwände gegen selbstrepräsentationalistische Theorien präsentiert und diskutiert. Anschließend werden analytische Einwände gegen idealistische Theorien dargestellt und untersucht.

5 Idealistische Einwände gegen selbstrepräsentationalistische Theorien

1. Fichte, Schelling und Hegel teilen Bedenken gegenüber dem methodischen Verfahren selbstrepräsentationalistischer Theorien phänomenalen Bewusstseins. Selbstrepräsentationalisten unterscheiden bei der Untersuchung phänomenalen Bewusstseins zwei Ebenen, die Beschreibungsebene und die Erklärungsebene. Das primäre methodische Verfahren innerhalb der Beschreibungsebene ist eine phänomenologisch-deskriptive Methode, deren Ziel darin besteht, Strukturmerkmale, d. h. allgemeingültige Eigenschaften phänomenalen Bewusstseins zu identifizieren. Es sind Eigenschaften, die das phänomenale Bewusstsein einer jeden Person zu einem jeden Zeitpunkt aufweist. Das methodische Verfahren ist phänomenologisch-deskriptiv, da Merkmale phänomenalen Bewusstseins durch Beobachtung des Bewusstseins oder das Konzentrieren der Aufmerksamkeit auf menschliches Bewusstsein identifiziert werden. Beispielsweise teilen Terry Horgan, Uriah Kriegel und Kenneth Williford den Standpunkt, dass es eine phänomenale Tatsache ist, dass Selbstbewusstsein ubiquitär ist, d. h. in jedem Fall phänomenalen Bewusstseins vorhanden und in der Regel peripher bewusst ist. Sie erläutern zwar nicht näher die phänomenologisch-deskriptive Methode, mit der sie allgemeingültige Eigenschaften phänomenalen Bewusstseins identifizieren. Ihre Ausführungen lassen jedoch die begründete Vermutung zu, dass, metaphorisch gesprochen, »ein Blick ins oder auf das Bewusstsein« oder »ein Erfassen von Tatsachen des Bewusstseins« oder ein »Bemerken von phänomenal Evidentem« zeigen soll, dass phänomenales Selbstbewusstsein das Bewusstsein vom qualitativen Charakter ubiquitär begleitet. Im Anschluss an die Beschreibung phänomenalen Bewusstseins erfolgt die Erklärung der Weise, wie es konstituiert ist. Der zentrale Gedanke lautet, dass es u. a. durch eine – wie auch immer näher interpretierte – Selbstrepräsentation (oder Selbstbekanntschaft) konstituiert ist. Das Resultat der phänomenologisch-deskriptiven Methode motiviert die Entwicklung selbstrepräsentationalistischer Erklärungen phänomenalen Bewusstseins. Da Selbstbewusstsein das Bewusstsein vom qualitativen Charakter ubiquitär begleitet, ist es plausibel zu versuchen, die Erklärung phänomenalen Bewusstseins mit einer Erklärung von Selbstbewusstsein zu verbinden. Wenn es demgegenüber mit Blick auf die phänomenalen Tatbestände ausgemacht wäre, dass Selbstbewusstsein das Bewusstsein vom qualitativen Charakter nicht ubiquitär begleitet, wäre es (vermutlich) nicht erforderlich, sondern abwegig, die Erklärung phänomenalen

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Bewusstseins mit einer Erklärung der Konstitution phänomenalen Selbstbewusstseins zu verknüpfen. Fichte, Schelling und Hegel lehnen Theorien entschieden ab, die anhand einer phänomenologischen Beschreibung Strukturmerkmale phänomenalen Bewusstseins zu identifizieren versuchen. Hegel artikuliert dies besonders deutlich im 1. Teil der »Enzyklopädie«, in der Logik: »§ 71. Fürs erste, weil [. . . ] das Faktum des Bewußtseins als das Kriterium der Wahrheit aufgestellt wird, so ist das subjektive Wissen und die Versicherung, daß Ich in meinem Bewußtsein einen gewissen Inhalt vorfinde, die Grundlage dessen, was als wahr ausgegeben wird. Was Ich in meinem Bewußtsein vorfinde, wird dabei dazu gesteigert, in dem Bewußtsein aller sich vorzufinden, und für die Natur des Bewußtseins selbst ausgegeben [. . . ]. Für das Bedürfnis des Denkens, das, was sich als allgemein vorhanden zeigt, als notwendig zu wissen, ist der consensus gentium allerdings nicht genügend, [. . . ]. Kürzer und bequemer aber gibt es nichts, als die bloße Versicherung zu machen zu haben, daß Ich einen Inhalt in meinem Bewußtsein mit der Gewißheit seiner Wahrheit finde und daß daher diese Gewißheit nicht mir als besonderem Subjekte, sondern der Natur des Geistes selbst angehöre.« 1

Hegel präsentiert in diesem Zitat zwei Einwände gegen eine phänomenologisch-deskriptive Methode. Diese Einwände lassen sich in den vorliegenden Diskussionszusammenhang übertragen und gegen die selbstrepräsentationalistische Begründung der Ubiquitätsthese in Ansatz bringen. Sein erster Einwand lautet folgendermaßen: Die Ubiquitätsthese lässt sich nicht auf die Weise begründen, dass argumentiert wird: A. Ein Philosoph findet mit Blick auf sein Bewusstsein, dass Selbstbewusstsein das Bewusstsein vom qualitativen Charakter ubiquitär begleitet. B. Dies gilt folglich für jede Person. Eine jede Person wird bemerken, dass Selbstbewusstsein das Bewusstsein vom qualitativen Charakter ubiquitär begleitet. Hegels Einwand lautet, dass aufgrund dessen, dass eine Person in ihrem Bewusstsein findet, dass Selbstbewusstsein ubiquitär vorliegt, dies nicht bedeutet, dass jede Person es ebenso finden wird. Interessanter ist der zweite Einwand, der in dem angeführten Zitat zu finden ist. Hegel erwähnt in diesem Zitat den Consensus Gentium. Mit Blick auf phänomenales Selbstbewusstsein bedeutet Consensus Gentium, dass alle Personen (in unterschiedlichen Kulturen usw.) in dem Punkt übereinstimmen, dass phänomenales Selbstbewusstsein das Bewusstsein vom qualitativen Charakter ubiquitär begleitet. Hegel behauptet, dass auch dies, Consensus Gentium, nicht genügt, damit als bewiesen oder als gewiss gelten kann, dass phänomenales Selbstbewusstsein 1

Hegel 1970, 160–162.

Idealistische Einwände gegen selbstrepräsentationalistische Theorien

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tatsächlich ubiquitär vorhanden ist. 2 Hegels Einwand lautet, allgemein formuliert, dass selbst dann, wenn jede Person zustimmen würde, dass etwas wahr ist, dies nicht bedeutet, dass dies tatsächlich wahr ist. Es besteht eine fundamentale Differenz zwischen Allgemeingültigkeit – etwas gehört zur Natur des Bewusstseins bzw. Geistes – und allgemeiner Anerkennung oder der Übereinkunft zwischen allen Personen bzw. allen Expertinnen und Experten. Allgemeingültigkeit ist von Allgemeingeltung zu unterscheiden. Allgemeine Übereinkunft bedeutet nicht, dass Allgemeingültigkeit besteht. Es ist wichtig zu beachten, dass das Problem nicht primär darin zu sehen ist, dass es nicht möglich ist, anhand phänomenologischer Deskription oder phänomenaler Evidenz einen Aspekt menschlichen Bewusstseins zu identifizieren, der allgemeingültig ist. Das Problem besteht vor allem darin, dass mit dieser Methode die Allgemeingültigkeit nicht ausgewiesen werden kann. Selbst dann, wenn Selbstbewusstsein das Bewusstsein vom qualitativen Charakter ubiquitär begleitet, lässt sich dies nicht anhand der phänomenologisch deskriptiven Methode ausweisen. Hegels zweiter Einwand ist folglich vor allem anderen methodologischer Art. Die phänomenale Beschreibung ist keine geeignete Methode für die Philosophie, wenn die Zielsetzung darin besteht, Aspekte zu identifizieren, die allgemeingültig sind. Fichte und Schelling teilen diesen Standpunkt uneingeschränkt. Dieser Einwand ist bedeutend. Kriegel betont, dass der »Stützpfeiler« (cornerstone) des Selbstrepräsentationalismus die Ubiquitätsthese ist. Ohne die Ubiquitätsthese fehlt die Grundlage, die Motivation für die Entwicklung selbstrepräsentationalistischer Theorien. Kriegel begründet den Selbstrepräsentationalismus bspw. u. a. mit folgendem »phänomenologischem Argument«: A. Peripheres inneres Bewusstsein (phänomenales Selbstbewusstsein) begleitet menschliches Bewusstsein ubiquitär. B. Der Selbstrepräsentationalismus und keine andere Theorie kann diese Tatsache erklären. C. Der Selbstrepräsentationalismus ist die einzige phänomenologisch adäquate Theorie menschlichen Bewusstseins. 3 Kriegels Begründung der Überlegenheit selbstrepräsentationalistischer Theorien setzt voraus, dass die erste Prämisse, also A, zutrifft. Kriegel begründet sie mittels phänomenologischer Deskription bzw., was im vorliegenden Kontext dasselbe bedeutet, der Berufung auf phänomenale Evidenz. Er behauptet, Personen hätten »einen umfassenden Eindruck« (a general impression) von phänomenalem Selbstbewusstsein und dass sie in alltäglicher Erfahrung phänomenales Selbstbewusstsein »mitbekämen« (notice), und zwar dass es ubiquitär vorliegt. 4 Hegels Überlegungen 2 Hegel verwendet in diesem Zitat die Wörter ›notwendig‹ und die ›Natur des Geistes‹. Für Hegel ist damit an dieser Stelle auch die Allgemeingültigkeit gemeint. 3 Kriegel 2009b, 359, 371, 375. 4 Kriegel 2009b, 364, 375, 379.

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sind direkt gegen solche Begründungen von Ubiquitätsaussagen gerichtet. Mit Hegel ist gegen Kriegel einzuwenden, dass a) wenn Kriegel in seinem Bewusstsein findet, dass Selbstbewusstsein ubiquitär vorliegt, dies nicht bedeutet, dass alle Personen dies ebenso in ihrem Bewusstsein finden; b) selbst dann, wenn alle Personen Kriegels phänomenalem Befund zustimmen würden, dies nicht bedeutet, dass dieser Befund zutrifft, da Allgemeingültigkeit von Allgemeingeltung zu unterscheiden ist; und schließlich dass c) eine phänomenologisch deskriptive Methode bzw. eine Methode, die sich auf vermeintliche phänomenologische Evidenzen beruft, nicht zu zeigen vermag, dass phänomenales Selbstbewusstsein ubiquitär ist. Allgemeingültigkeit ist keine Eigenschaft, die anhand eines »Blickes ins Bewusstsein« identifiziert, »mitbekommen« (notice) oder ausgewiesen werden kann. Der Status eines Phänomens, einer Eigenschaft etc., allgemeingültig zu sein, ist kein möglicher Gegenstand phänomenalen Bewusstseins, der Beobachtung oder »eines Blicks ins Bewusstsein«. Das gilt auf jeden Fall mit Blick auf die Ubiquitätsthese. Diese Einwände sind nicht nur gegen Kriegel zu erheben. Sie sind auch gegen die Theorien von Van Gulick und Williford vorzubringen, da diese behaupten, Selbstbewusstsein begleite phänomenales Bewusstsein ubiquitär. Mittels einer phänomenologisch deskriptiven Methode lässt sich diese Behauptung nicht begründen. In Kriegels Buch »Subjective Consciousness« sind zwei Argumente identifizierbar, mit denen Einwände gegen die dargestellte Kritik formuliert werden können. Das erste Argument findet sich in folgender Passage, in der Kriegel sein methodisches Vorgehen erläutert: »A different objection might target my claim that there is direct phenomenological evidence for conscious states being always represented. The objection is that there can be no direct phenomenological evidence for a universal generalization. By the nature of things, only the truth of singular and existential propositions can be phenomenologically revealed. We can reach the universal proposition only by inductive inference from those singular propositions. What is phenomenologically manifest, then, does not support the proposition that all conscious state are represented more than the proposition that most are. [. . . ] The force of this objection depends on a misguided model of how we reach the universal proposition from the phenomenological data, a model in which inductive reasoning plays the crucial role. I have suggested an alternative model, however, involving two steps neither of which implicates enumerative induction. In the first step, the theoretician reaches the conclusion that all her conscious states are represented, and, in the second, she reasons that this must be the case with others as well. The first step does not involve inductive infe-

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rence, because the for-me-ness of every conscious state is phenomenologically manifest and thus provides to its subject direct phenomenological evidence that that state is represented. At this stage there is no inductive inference, even though a universal generalization is established: it is akin to establishing that all ravens are black by observing each and every raven. The second stage does not involve enumerative induction either, since the sample is too small (one) to support any such induction. Rather, it is a sort of analogical inference, or perhaps inference to the best explanation [. . . ] I conclude that, if there is any evidence that all conscious states are represented at all, then the evidence is that they are all consciously represented.« 5

Kriegel weist in dieser Stelle Bedenken gegen seine Begründung der These, dass alle bewussten mentalen Zustände repräsentiert sind, als nicht gerechtfertigt zurück. Er behauptet, er begründe die These, dass jeder bewusste mentale Zustand repräsentiert ist, nicht mithilfe einer enumerativen Induktion. Er begründet diese These vielmehr durch ein zweistufiges Verfahren, bei dem der Philosoph zunächst die Erkenntnis gewinnt, dass alle seine bewussten mentalen Zustände repräsentiert sind. Diese Erkenntnis schließt keine enumerative Induktion mit ein, obwohl eine Allaussage formuliert wird. Kriegel begründet dies damit, dass die Allaussage dadurch gewonnen wird, dass phänomenal manifest ist, dass bewusste mentale Zustände immer – in jedem einzelnen Fall – »für das Subjekt« vorhanden sind, d. h. einen subjektiven Charakter und damit phänomenales Selbstbewusstsein aufweisen. Die Allaussage ist durch eine vollzählige Erfassung eines jeden relevanten Einzelfalls begründet – ganz so, wie wenn die Aussage, dass alle Raben schwarz sind, durch die Beobachtung eines jeden einzelnen (schwarzen) Raben begründet ist. Die zweite Stufe in dem Verfahren besteht darin, dass nach Kriegel von dieser Einsicht ausgehend gefolgert wird, dass die Allaussage für alle Personen gilt. Auch dieser Schluss fußt nicht auf einer enumerativen Induktion, da die Ausgangsbasis das Studium des Bewusstseins einer einzigen Person ist, sodass die Datenmenge zu gering ist bzw. die Grundlage fehlt, um einen enumerativen Schluss ziehen zu können. Es erfolgt vielmehr eine Argumentation im Sinn eines Analogie-Schlusses oder der Strategie, die bestmögliche Erklärung eines Phänomens zu finden. Gegen den dargestellten idealistischen Einwand gegen selbstrepräsentationalistische Theorien ist es naheliegend anzuführen, dass bei Berücksichtigung von Kriegels zweifstufigem Verfahren Hegels Überlegungen nicht zeigen, dass Kriegels Begründung der Ubiquitätsthese nicht haltbar ist. Diese Erwiderung überzeugt nicht, wenn sie gegen die dargelegte Kritik an der methodischen Begründung 5

Kriegel 2009, 123–124.

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der Ubiquitätsthese vorgebracht wird. Der springende Punkt besteht im ersten Schritt von Kriegels Verfahren und der Behauptung, dass ein Philosoph zu der begründeten Erkenntnis gelangen kann, dass alle seine bewussten mentalen Zustände repräsentiert sind bzw. für das Subjekt vorhanden sind. Auf der Grundlage phänomenologischer Beschreibung und Evidenz ist es nicht möglich, Allaussagen zu begründen. Der Status, allgemeingültig zu sein, kann anhand einer phänomenologischen Beschreibung nicht ausgewiesen werden. Selbst wenn Kriegel recht hat, dass phänomenales Selbstbewusstsein Bewusstsein vom qualitativen Charakter ubiquitär begleitet, ist auf der Grundlage phänomenaler Evidenz nicht ausweisbar, dass er recht hat. Die Eigenschaft, allgemeingültig zu sein, ist im Fall phänomenalen Bewusstseins keine Eigenschaft, die innerhalb des Bewusstseins auftreten kann, die einem Phänomen oder einer Eigenschaft »abgelesen«, »angesehen« werden kann oder die »phänomenal manifest« sein kann. Dies gilt sowohl mit Blick auf das Bewusstsein einer Person als auch hinsichtlich des Bewusstseins aller Personen. Außerdem ist ein psychologischer Grund anzuführen. Er besteht darin, dass nicht auszuschließen ist, dass eine Person, bspw. Kriegel, aus welchen Gründen auch immer – sei es aus theoretischen Vorurteilen oder Interessenslagen, Müdigkeit oder mangelnder phänomenologischer Schulung – Situationen übersieht, in denen bewusste mentale Zustände nicht für das Subjekt vorhanden sind. Bspw. bestreiten Block und Gennaro, dass phänomenales Selbstbewusstsein das Bewusstsein vom qualitativen Charakter ubiquitär begleitet. Sie finden in ihrem Bewusstsein nicht, dass phänomenales Selbstbewusstsein stets vorhanden ist. Die phänomenologisch-deskriptive Methode ist grundsätzlich mit individuellpsychologischen Unsicherheiten belastet. Philosophen sind aus diesem Grund gut beraten, Überzeugungen, die sie für gewiss halten, nicht den Status von Evidenzen zuzuschreiben, die allgemeingültig sind. Schließlich ist ein temporaler Grund anzuführen. Es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass Kriegel zukünftig eine Situation erleben wird, in der er zwar Bewusstsein vom qualitativen Charakter haben wird, aber kein phänomenales Selbstbewusstsein. Dies ist bereits damit gegeben, dass Kriegel gegenwärtig eben noch nicht alle bewussten mentalen Zustände erlebt hat, die in seinem Bewusstsein auftreten werden. Bereits diese triviale Feststellung zeigt, dass es nicht statthaft ist, die Begründung der Ubiquitätsthese mit der Begründung der These zu vergleichen, dass alle Raben schwarz sind, die darin besteht, dass alle Raben – tatsächlich – überprüft worden sind. Keine Person kann dadurch, dass sie einen Blick in ihr gegenwärtiges und vergangenes Bewusstseinsleben wirft, ausschließen, dass sie zukünftig nicht doch einen bewussten mentalen Zustand haben wird, der keinen subjektiven Charakter einschließt. Diese Behauptung ist nicht abwegig. Wer möchte bspw. die Möglichkeit in Abrede stellen, dass

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MeditationsexpertInnen Zustände erleben, in denen ein qualitativer Charakter gewahrt wird, obgleich kein Subjekt vorhanden ist, für das dieser Charakter vorliegt? Da der erste Beweisschritt in Kriegels Beweisverfahren nicht überzeugt, gilt dies auch für den zweiten Beweisschritt. Das selbstrepräsentationalistische Modell ist nur dann das beste Erklärungsmodell, wenn die Ubiquitätsthese gilt. Wenn begründete Zweifel bestehen, dass phänomenales Selbstbewusstsein das Bewusstsein vom qualitativen Charakter ubiquitär begleitet, dann entfällt, wie Kriegel selbst betont, der Grundstein (cornerstone) des Selbstrepräsentationalismus. Und dann ist der Selbstrepräsentationalismus folglich vermutlich nicht das attraktivste Erklärungsmodell phänomenalen Bewusstseins. Die These, dass Selbstbewusstsein ubiquitär ist, ist jedoch gerade umstritten. Die zweite Erwiderung, die mit Kriegel gegen den idealistischen Einwand vorzubringen ist, lautet folgendermaßen: Kriegel führt seine Methode im Zusammenhang mit einer Kritik an alternativen methodischen Verfahren ein, mit denen die These begründet werden könnte, dass alle bewussten mentalen Zustände repräsentiert werden. Es sind dies die indirekte phänomenologische Evidenz, die a posteriori experimentelle Evidenz, die a priori begriffsanalytische Evidenz und schließlich die Begründung durch philosophische Prinzipien. 6 Das Ergebnis von Kriegels Untersuchung dieser alternativen Erklärungsmodelle lautet, dass, wenn es eine Evidenz für die These gibt, dass alle bewussten mentalen Zustände repräsentiert sind, diese Evidenz eine direkte phänomenale Evidenz sein muss, d. h. sie muss mit dem »Blick ins Bewusstsein« vorliegen. Kriegels Begründung, warum er die Ubiquitätsthese anhand der Methode phänomenaler Beschreibung rechtfertigt, wird in dem anhand von Hegels Ausführungen dargelegten Einwand nicht beachtet, sodass der Einwand Kriegels Argumentation nicht gerecht wird. 7 Es ist nicht erforderlich, die alternativen Begründungsansätze und Kriegels Kritik an ihnen darzustellen, um zu zeigen, dass auch die zweite Erwiderung nicht überzeugt. Das ist bereits daran zu erkennen, dass Kriegel nur eine beschränkte Auswahl an Alternativen prüft. So werden bspw. die idealistischen Deduktionen nicht beachtet. Schwerwiegender ist jedoch, dass die Ubiquitätsthese auf die von Kriegel dargestellte Weise nicht begründet werden kann. Wenn die phänomenologische Beschreibung das einzige relevante Verfahren ist, dann folgt nicht, dass mit dieser Methode die Ubiquitätsthese begründet werden kann. Was folgt, ist, dass die Ubiquitätsthese überhaupt nicht begründet werden kann. Es ist nicht möglich, Allgemeingültigkeit auf der Grundlage phä6 7

Kriegel 2009, 117. Diesen Einwand verdanke ich Maik Niemeck.

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nomenaler Evidenz auszuweisen. Dies gilt auch dann, wenn es keine alternative methodische Verfahrensweise zur phänomenologischen Beschreibung geben sollte. 2. Die Bedeutung von Schellings Theorie phänomenalen Bewusstseins erschöpft sich nicht darin – lange Zeit vor Franz Brentano –, ein (idealistischer) Vorläufer analytischer selbstrepräsentationalistischer Theorien gewesen zu sein. Von Schellings Ausführungen ausgehend ist es möglich, eine Leerstelle der Theorien von Kriegel, Van Gulick und Williford zu identifizieren. Diese Leerstelle ist mittlerweile ein Stück weit bearbeitet worden. Analytische Autoren hätten sie jedoch mit Schellings Hilfe von Anfang an als ein Problemfeld erkennen können, das zu beachten ist. Das Problemfeld besteht in Folgendem: Wie erwähnt schließt phänomenales Bewusstsein für Schelling Zeitbewusstsein mit ein, und zwar Gegenwartsbewusstsein. Für Schelling ist phänomenales Bewusstsein nur dann erklärt, wenn gezeigt worden ist, wie Zeitbewusstsein konstituiert wird. Schellings Erklärung von Zeit und Zeitbewusstsein ist allerdings dunkel und nicht überzeugend. Er behauptet, dass Zeit nichts anderes als eine repräsentierte Tätigkeit des Subjekts ist und dass das Ich »die Zeit in Tätigkeit gedacht« ist. 8 Er entwickelt jedoch keine Begründung für diese These und erklärt nicht näher, was darunter zu verstehen sein soll, dass das Ich »die Zeit in Tätigkeit gedacht« ist. Schellings Hinweis, dass im Fall eines phänomenal bewussten mentalen Zustands Zeitbewusstsein besteht und damit folglich das Verhältnis zwischen der Konstitution von phänomenalem Bewusstsein und der Konstitution von Zeitbewusstsein erhellt werden muss, ist bedeutend. Phänomenales Bewusstsein schließt Zeitbewusstsein mit ein. Wenn eine Person bspw. einen Ton bewusst wahrnimmt, hat sie nicht nur ein Bewusstsein von einem spezifischen Klang und damit von einem bestimmten qualitativen Charakter, sondern auch von einer zeitlichen Erstreckung bzw. Dauer und damit ein Bewusstsein von der Gegenwart, »einem bestimmten Moment der Zeitreihe«. 9 Der bewusste Charakter ist als aktuell gegenwärtig bewusst. Er hat eine zeitliche Erstreckung und besteht ohne diese zeitliche Dimension nicht. Der qualitative Charakter ist mit einer zeitlichen Dimension verschränkt. Eine Erklärung der Konstitution des Bewusstseins vom qualitativen Charakter hat daher eine Erklärung der Konstitution der zeitlichen Dimension des Erlebens des qualitativen Charakters mit zu enthalten. Anderenfalls ist die Erklärung des Bewusstseins vom qualitativen Charakter abstrakt und unvollständig. Unter Maßgabe eines selbstrepräsentationalistischen Ansatzes, wie Schelling ihn ver8 9

Schelling 1992, 135. Schelling 1992, 151.

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tritt, bedeutet dies, dass eine Erklärung der Beziehung zwischen der Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands und der Konstitution des Bewusstseins vom zeitlichen Charakter zu geben ist. Diese Aufgabenstellung wird von analytischen Selbstrepräsentationalisten nicht hinreichend berücksichtigt. Weder Kriegel noch Van Gulick, noch Williford erklären im Zusammenhang mit ihren Erklärungen der Konstitution phänomenalen Bewusstseins den zeitlichen Gehalt phänomenalen Bewusstseins oder die Beziehung zwischen der Konstitution phänomenalen Bewusstseins und der Konstitution von Zeitbewusstsein, insofern es phänomenales Bewusstsein begleitet und prägt. Gegen analytische selbstrepräsentationalistische Theorien ist mit Schelling somit der Einwand zu erheben, dass eine zentrale Aufgabenstellung einer Theorie phänomenalen Bewusstseins nicht gelöst wird. Es ist dies die Erklärung der Konstitution phänomenalen Bewusstseins unter Berücksichtigung ihrer zeitlichen Dimension. Gegen diese Kritik an analytischen selbstrepräsentationalistischen Theorien sprechen insbesondere zwei Einwände. Das Ziel (analytischer) selbstrepräsentationalistischer Theorien wie von Kriegel und Williford besteht darin, den qualitativen und / oder den subjektiven Charakter phänomenalen Bewusstseins zu erklären. Es ist weder das Ziel noch die Aufgabenstellung dieser Theorien, den zeitlichen Gehalt eines bewussten mentalen Zustands zu erklären. Die Behauptung, dass von Schellings Überlegungen ausgehend eine Leerstelle analytischer selbstrepräsentationalistischer Theorien identifiziert werden kann, ist unbegründet. Dieser Einwand trifft nicht zu. Es ist zwar richtig, dass es das erklärte Ziel dieser Theorien ist, den qualitativen und / oder den subjektiven Charakter phänomenalen Bewusstseins zu erklären. Mit Schelling ist jedoch zu sagen, dass die Berücksichtigung von Zeitbewusstsein unverzichtbar ist. Dies ist mit Blick auf Kriegel, Williford und Van Gulicks Theorien deutlich erkennbar. Van Gulick und Williford machen explizit darauf aufmerksam, dass menschliches Bewusstsein eine zeitliche Dimension miteinschließt. 10 Die Frage, wodurch ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist, ist nur dann vollständig beantwortet, wenn eine Erklärung des Zeitbewusstseins entwickelt wird oder wenn zumindest die Beziehung zwischen der Konstitution eines phänomenal bewussten mentalen Zustands und von Zeitbewusstsein, insofern es phänomenales Bewusstsein begleitet, erläutert wird. Eine Erklärung der Konstitution phänomenalen Bewusstseins, die eine Erklärung der Konstitution des temporalen Charakters des Bewusstseins vom qualitativen Williford 2006, 127, 130. Williford / Rudrauf / Landini 2012, 328: »The present moment’s selfawareness provides us with the sense of this-here-now«. Williford berücksichtigt zudem mit Husserl die Protention und die Retention. Vgl. Williford 2006, 120–121, 130. Van Gulick 2006, 27–32. 10

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Charakter enthält oder der Beziehung dieser Konstitutionen zueinander wurde, von Van Gulick und Williford bisher nicht präsentiert. Auch Kriegels Erklärung phänomenalen Bewusstseins ist unvollständig, solange er die zeitliche Dimension nicht erklärt. Dies ist anhand seiner Charakterisierung eines bewussten mentalen Zustands deutlich erkennbar. Nach Kriegel wird durch die Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands eine globale Erfahrung bzw. ein maximal bewusster mentaler Zustand gewonnen. 11 Ein maximal bewusster mentaler Zustand schließt unter anderem bspw. folgende Informationen mit ein: »As I stare at the blue sky and undergo my bluish visual experience, I also at the same time hear the roar of car engines passing by; can feel the seat under me [. . . ] I am faintly aware, in an unpleasantly anxious sort of way, that I have yet to pay last month's telephone bill, which I keep forgetting to pay«. 12

Diese Charakterisierung verdeutlicht, dass ein maximal bewusster mentaler Zustand Zeitbewusstsein miteinschließt. Eine Person nimmt das Dröhnen von Motoren wahr, das vorbeizieht, und sie weiß, was sie zukünftig zu tun hat. Indem für Kriegel anhand der Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands ein maximal bewusster mentaler Zustand gewonnen wird, ist eine Erklärung des zeitlichen Gehalts phänomenalen Bewusstseins erforderlich. Es ist bspw. zu klären, ob und gegebenenfalls wie Zeitbewusstsein im Zusammenhang mit der oder durch die Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands konstituiert wird. Kriegel berücksichtigt bei seiner Erklärung phänomenalen Bewusstseins die Aufgabenstellung einer Erklärung von Zeitbewusstsein jedoch nicht. Dies gilt zumindest, soweit ich seine mittlerweile kaum mehr überschaubare Anzahl an Publikationen überblicke. Ein weiterer Aspekt von Kriegels Theorie bestätigt die These, dass phänomenales Bewusstsein nur dann vollständig erklärt ist, wenn auch eine Erklärung von Zeitbewusstsein entwickelt wird. Nach Kriegel ist ein bewusster mentaler Zustand eine komplexe Einheit, für die gilt, dass ein logischer Bestandteil M der komplexen Einheit einen anderen logischen Bestandteil M* der Einheit repräsentiert, sodass indirekt auch der ganze mentale Zustand repräsentiert wird, der (in der Regel) jedoch nicht nur M und M* einschließt. Durch die Repräsentation von M* durch M ist die komplexe Einheit ein bewusster mentaler Zustand, sodass auf diese Weise auch die logischen Bestandteile M und M* bewusst sind. Die komplexe Einheit ist im Fall einer Selbstrepräsentation nach Kriegel ein maximal bewusster mentaler Zustand. Gemäß Kriegels 11 12

Kriegel 2009, 229. Kriegel 2009, 172.

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Charakterisierung einer globalen Erfahrung schließt er Zeitbewusstsein mit ein. Kriegel erklärt somit nur dann vollständig, wie ein bewusster mentaler Zustand gewonnen wird, wenn erklärt wird, wie Zeitbewusstsein gewonnen wird. Denn – um diesen Gedanken zu wiederholen – ist M deswegen ein bewusster Inhalt eines bewussten mentalen Zustands, da durch M ein maximal bewusster mentaler Zustand besteht, und schließt ein maximal bewusster mentaler Zustand Zeitbewusstsein mit ein, ist die Frage, wie ein bewusster mentaler Zustand konstituiert wird, der ein Bewusstsein von M miteinschließt, nur dann vollständig beantwortet, wenn erklärt wird, wie Zeitbewusstsein konstituiert wird oder die Beziehung der Konstitution eines phänomenal bewussten mentalen Zustands und Zeitbewusstseins, insofern es phänomenales Bewusstsein begleitet, zu verstehen ist. Der zweite Einwand gegen die dargestellte Kritik lautet, dass Kriegel zwischen konstitutiven Bestandteilen phänomenalen Bewusstseins und nicht-konstitutiven Aspekten unterscheidet. Zu den konstitutiven Bestandteilen zählen bspw. phänomenales Selbstbewusstsein und die synchrone Einheit des Bewusstseins. 13 Kriegel zählt Zeitbewusstsein jedoch nicht zu den konstitutiven Bestandteilen. Konstitutive Bestandteile zeichnen sich dadurch aus, dass sie konstant sind und dass alle (phänomenal) bewussten mentalen Zustände sie aufweisen, sodass phänomenales Bewusstsein ohne diese Aspekte nicht besteht. Demgegenüber ist es für Kriegel vorstellbar, dass phänomenales Bewusstsein auch dann besteht, wenn nicht-konstitutive Bestandteile nicht vorhanden sind, wie bspw. Stimmungen (moods), die unsere Erfahrung begleiten. Mit Blick auf diese Unterscheidung ist die dargestellte Kritik an Kriegel als ungerechtfertigt zurückzuweisen. Es ist nicht Kriegels Ziel, nicht-konstitutive Bestandteile phänomenalen Bewusstseins wie bspw. Zeitbewusstsein zu erklären. Auch dieser Einwand überzeugt nicht. Wenn es das Ziel einer Theorie phänomenalen Bewusstseins ist, konstitutive Bestandteile phänomenalen Bewusstseins zu erklären, ist die Erklärung der zeitlichen Dimension unverzichtbar. Dies gilt zumindest dann, wenn eine Theorie phänomenales Bewusstsein in seinen unterschiedlichen Varietäten vollständig zu erklären beansprucht. Es ist nicht vorstellbar, dass phänomenales Bewusstsein besteht und keinen zeitlichen Gehalt miteinschließt, wenn es im Zusammenhang mit einer akustischen Wahrnehmung vorhanden ist. Eine bewusste akustische Wahrnehmung ist nicht sachangemessen beschrieben, wenn angeführt wird, sie schlösse kein Zeitbewusstsein mit ein. Wenn eine Person bspw. im Zusammenhang mit 13 Kriegel 2009, 174–175. Die synchrone Einheit von Bewusstsein besteht nach Kriegel kurz zusammengefasst darin, dass die zu einem bestimmten Zeitpunkt bewussten Inhalte als zusammenhängende, in bestimmten Beziehungen zueinander stehende Bestandteile erfahren werden. Kriegel 2009, 172.

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einem Akkord oder einem Signalton, der ertönt, aktuell phänomenales Bewusstsein besitzt, schließt phänomenales Bewusstsein Zeitbewusstsein mit ein. Die bewusste Wahrnehmung eines Tons enthält ein Bewusstsein von zeitlicher Erstreckung und Gegenwartsbewusstsein, gelegentlich im Zusammenhang mit bspw. der bewussten Wahrnehmung einer Zunahme an Lautstärke oder Intensität, die den qualitativen Charakter prägen. Anderenfalls besteht kein Bewusstsein vom qualitativen Charakter. Vielleicht gibt es Fälle von phänomenalem Bewusstsein, bei denen es vorstellbar ist, dass sie kein Zeitbewusstsein enthalten. Jedoch gilt dies zumindest mit Blick auf bewusste akustische Wahrnehmungen nicht. Es ist – zumindest meiner Ansicht nach – nicht vorstellbar, dass phänomenales Bewusstsein im Zusammenhang mit einer akustischen Wahrnehmung besteht und kein Zeitbewusstsein miteinschließt. Wenn es das Ziel einer Theorie ist, konstitutive Bestandteile menschlichen phänomenalen Bewusstseins in seinen unterschiedlichen Varietäten vollständig zu erklären, ist Schellings These richtig, dass eine Erklärung von Zeitbewusstsein unverzichtbar ist. 3. Ein weiterer systematisch interessanter Punkt ist am Rande bereits zur Sprache gekommen. Für Schelling ist eine Erklärung phänomenalen Bewusstseins nur möglich, wenn auch Zeitbewusstsein berücksichtigt wird. Für Hegel wird das Bewusstsein vom qualitativen Charakter durch kognitive Leistungen mitbestimmt. Je nachdem, ob ein qualitativer Charakter mit dem Denken, der Anschauung oder der Empfindung vorliegt, handelt es sich um einen anderen Typ von bewusstem qualitativem Charakter. So liegt bspw. der qualitative Charakter, dem Reue entspricht, im Zusammenhang mit dem Denken und Willen vor und besteht »in dem Gefühl der Nichtübereinstimmung meines Tuns mit meiner Pflicht oder auch nur mit meinem Vorteil«. 14 Demgegenüber liegt die Zufriedenheit im Zusammenhang mit Anschauungen vor und besteht in einer »dauernden, ruhigen Zustimmung ohne Intensität« zu Begebenheiten. Ein in systematischer Hinsicht interessanter Punkt von Schellings und Hegels Ausführungen besteht darin, dass ihrer Ansicht nach eine Theorie phänomenalen Bewusstseins abstrakt und unvollständig ist, wenn sie nicht auch den Kontext berücksichtigt, in dem phänomenales Bewusstsein eingebettet und von dem es geprägt ist. Zu diesem Kontext zählen die praktische Dimension (einiger Typen) von phänomenalem Bewusstsein und die jeweiligen mentalen Leistungen, mit denen phänomenales Bewusstsein besteht, ebenso wie die Zuschreibung eines qualitativen Charakters an einen raumzeitlichen Gegenstand, der in Beziehungen zu anderen Gegenständen steht. Ein wirklich vorhandener Fall von phänomenalem Bewusstsein schließt (in der Regel) Bewusstsein von 14

Hegel 1992, 294.

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einem qualitativen Charakter mit ein, der einem raumzeitlichen Gegenstand zugeschrieben wird usw. usf. und der hinsichtlich seiner praktischen Relevanz (Gefahr, Schmerz) oder womöglich auch unter ästhetischen Gesichtspunkten (schön, grell) beurteilt ist. Für Schelling, Hegel, aber auch Fichte ist eine Erklärung phänomenalen Bewusstseins damit letztlich nur im Rahmen einer umfassenden Theorie menschlichen Bewusstseins und kognitiver Leistungen möglich. Interessanterweise teilen Van Gulick und Williford (zumindest ein Stück weit) diese Position. Van Gulick entwickelt ebenfalls eine Erklärung phänomenalen Bewusstseins innerhalb einer Theorie menschlichen Bewusstseins, die mehr beinhaltet als eine Untersuchung des Bewusstseins vom qualitativen Charakter und von phänomenalem Selbstbewusstsein. Er bettet seine Untersuchung des qualitativen und subjektiven Charakters bspw. in die Untersuchung der praktischen und affektiven Dimension menschlichen Bewusstseins ein. Williford behandelt nicht allein phänomenales Selbstbewusstsein, sondern erwähnt zumindest auch Zeitbewusstsein und Fragen der Intersubjektivität, ohne diese Themen freilich vertiefend zu behandeln. Für die Idealisten können daher Theorien, wie sie bspw. Kriegel entwickelt, phänomenales Bewusstsein gar nicht erklären. Es ist nicht möglich, einzelne Aspekte menschlichen Bewusstseins isoliert von dem größeren Zusammenhang, in dem diese Aspekte zu verorten sind und in den sie eingebettet sind, sachangemessen zu erklären. Das bedeutet letzten Endes, dass nur im Rahmen einer umfassenden Theorie menschlichen Bewusstseins eine überzeugende Theorie eines Ausschnitts menschlichen Bewusstseins, etwa phänomenalen Bewusstseins, zu gewinnen ist. Es ist daher nicht verwunderlich, sondern gut nachvollziehbar, dass und warum die Idealisten den aus heutiger Perspektive vielen hypertroph anmutenden Anspruch gestellt haben, umfassende Theorien menschlichen Bewusstseins zu entwickeln. Nur innerhalb einer umfassenden Theorie menschlichen Bewusstseins besteht die begründete Aussicht, einen Ausschnitt menschlichen Bewusstseins erklären zu können. Es ist freilich diskussionswürdig, ob diese These richtig ist. Sie vermag die aktuelle Debatte jedoch in neue Richtungen zu lenken, etwa indem der konstitutive Zusammenhang zwischen praktischen Leistungen, dem Bewusstsein vom qualitativen Charakter und bspw. von Gegenständen in Raum und Zeit als den Trägern der qualitativen Charaktere in den Vordergrund der Aufmerksamkeit gerückt wird. 4. Im »Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre« gibt Fichte einen Hinweis, der es ermöglicht, Einwände gegen Kriegels und Willifords Erklärungen der Konstitution phänomenalen Selbstbewusstseins zu formulieren. Fichte charakterisiert das Prinzip seiner Untersuchung, die intellektuelle Anschauung, mit folgenden Worten:

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»Die Anschauung, von welcher hier die Rede ist, ist ein sich Setzen als setzend (irgendein Objektives, welches auch ich selbst, als bloßes Objekt, sein kann), keineswegs aber etwa ein bloßes Setzen; denn dadurch würden wir in die soeben aufgezeigte Unmöglichkeit, das Bewußtsein zu erklären, verwickelt.« 15

Die intellektuelle Anschauung ist ein Phänomen sui generis. Sie ist ein Fall von nicht-intentionalem, nicht-begriff lichem, nicht-propositionalem, nichtrepräsentationalem und nicht-relationalem egologischem Selbstbewusstsein, das weder durch eine Identifizierung, durch die Wahrnehmung, die Beobachtung, eine Bekanntschaft (Acquaintance), eine Empfindung, ein Gefühl noch bspw. einen Akt der Reflexion gewonnen wird. Sie besteht im Zusammenhang mit dem Denken, wobei das Denken und das Selbstbewusstsein eine Einheit bilden: Es ist das Denken selbst, das Bewusstsein von sich selbst hat. 16 Für Fichte schließt dieser Fall von Selbstbewusstsein die bewusste Information mit ein, selbst das Subjekt zu sein, das Bewusstsein von etwas, einem intentionalen Objekt, hat, wobei im Fall intentionalen Selbstbewusstseins das Subjekt auch an der Objektstelle auftreten kann. Die intellektuelle Anschauung ist ein qualifizierter Fall von egologischem Selbstbewusstsein. Es besteht nicht einfach Bewusstsein vom Subjekt oder auch die bewusste Information, Bewusstsein von sich selbst zu haben. Es schließt zudem die bewusste Information mit ein, in einer Beziehung zu bewussten Objekten zu stehen. Objekte sind für einen selbst, das Subjekt, vorhanden. Mit Fichtes präzisen Worten gesprochen ist zu sagen, dass das Subjekt sich nicht nur setzt, sondern sich als setzend setzt, und zwar als irgendein Objekt. Der Weise, wie Selbstbewusstsein konstituiert wird – es setzt sich als setzend (irgend)ein Objekt – entsprechen die bewussten Informationen, die Selbstbewusstsein enthält: Es enthält die bewusste Information, selbst Bewusstsein von etwas zu haben. Nur am Rande sei erwähnt, dass die intellektuelle Anschauung von dem Selbstbewusstsein des Subjekts, das Fichte im ersten Paragraphen der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre von 1794/95« darstellt, noch zu unterscheiden ist, da dies gelegentlich immer noch in Zweifel gestellt wird. Das Selbstbewusstsein des Subjekts als solches im ersten Paragraphen besteht in einem sich selbst Setzen. Es setzt sich jedoch nicht als setzend (irgendein Objekt). Das heißt: Das Subjekt hat Bewusstsein von sich selbst. Es hat damit aber nicht die bewusste Information, selbst Bewusstsein von etwas, einem Objekt zu haben. 17 Letztere Information schließt die intellektuelle Anschauung mit Fichte 1984b, 108. Fichte 1979, 341, 347. 17 Vgl. zur Sache die vorbildliche Analyse von Christian Klotz. Klotz macht darauf aufmerksam, dass die Wendung »als setzend« an dieser Stelle in Fichtes Theorie keine begriffliche Struktur 15 16

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ein. Dies bedeutet freilich nicht, dass das Selbstbewusstsein des Subjekts als solches und die intellektuelle Anschauung nichts miteinander zu tun haben. Das Selbstbewusstsein des Subjekts als solches ist ein Aspekt der bewussten Informationen, welche die intellektuelle Anschauung aufweist. Die intellektuelle Anschauung steht für die Vollstruktur nicht-intentionalen Selbstbewusstseins, welches das Denken begleitet, während das Selbstbewusstsein des Subjekts als solches die in selbstbewusstseinstheoretischer Hinsicht basalste Leistung des Subjekts darstellt, die ein Aspekt der Vollstruktur ist. Aus dem bisher Gesagten ist auch ersichtlich, dass die intellektuelle Anschauung vom Selbstgefühl, d. h. vom phänomenalen Selbstbewusstsein, zu unterscheiden ist. Die intellektuelle Anschauung ist ein Fall von Selbstbewusstsein, das im Zusammenhang mit der Denktätigkeit steht, während dies für das Selbstgefühl nicht gilt. Das Selbstgefühl enthält u. a. die bewussten Informationen, das fühlende Subjekt zu sein und sich selbst zu fühlen, die keine Bestandteile der bewussten Informationen sind, welche die intellektuelle Anschauung aufweist. Fichtes Erklärung phänomenalen Selbstbewusstseins ist daher von seiner Theorie der intellektuellen Anschauung zu unterscheiden. Für die Beurteilung der selbstrepräsentationalistischen Theorien Kriegels und Willifords ist es jedoch erforderlich, Fichtes Analyse der intellektuellen Anschauung auf den Phänomenbereich phänomenalen Selbstbewusstseins zu übertragen. Infolge dieser Übertragung ist es möglich, Defizite von Kriegels und Willifords Theorien zu identifizieren. Die relevante Aussage lautet, dass das Subjekt Bewusstsein von sich selbst hat, und zwar als das Subjekt, das Bewusstsein von etwas, einem Objekt besitzt. Kriegel und Williford stimmen dieser Charakterisierung zu. Phänomenales Selbstbewusstsein enthält die bewusste Information, Bewusstsein vom qualitativen Charakter zu haben. Entscheidend ist nun aber, dass die Konstitution dieses Phänomens nur dann erklärt ist, wenn erstens nicht nur gezeigt ist, worin die Konstitution des Bewusstseins vom Subjekt, von sich selbst, besteht, sondern zudem auch, wie die Konstitution des Bewusstseins des Subjekts vom Subjekt, insofern es Bewusstsein von etwas, einem Objekt, hat, zu verstehen ist, und wenn zweitens im Zuge dieser Konstitution gilt, dass das Subjekt sich selbst, und nicht etwa etwas anderes, »setzt«. Kriegel beachtet bei seiner Erklärung der Konstitution phänomenalen Selbstbewusstseins den ersten Punkt nicht und Williford den zweiten Punkt nicht. Aus diesen Gründen überzeugen ihre Theorien nicht. Kriegel und Williford erläutern ausführlich, warum ihre selbstrepräsentationalistischen Erklärungsmodelle nicht in einen vitiösen infiniten Regress fühanzeigt, wie Dieter Henrich in dem berühmten Aufsatz »Fichtes ursprüngliche Einsicht« annimmt (Henrich 1966). Klotz hat recht. Dies ist u. a. daran zu erkennen, dass Begriffe erst nach der Einführung der intellektuellen Anschauung und damit der Struktur »sich setzen als setzend« behandelt werden. Klotz 2002, 95–96.

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ren, d. h. in einen infiniten Begründungsregress, der zeigt, dass ihre Theorien falsch sind. Kriegel erklärt dies anhand der Unterscheidung zwischen einem bewussten mentalen Zustand und einem bewussten Gehalt. Er betont, dass seine selbstrepräsentationalistische Theorie erklärt, wie es möglich ist, dass ein mentaler Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist. Sie besagt, dass ein mentaler Zustand durch eine Selbstrepräsentation ein bewusster mentaler Zustand ist. Ein wenig ausführlicher erläutert bedeutet dies, dass eine indirekte Selbstrepräsentation erfolgt, indem ein logischer Bestandteil M1 eines mentalen Zustands M einen hinreichend großen und stark integrierten anderen logischen Bestandteil M2 desselben mentalen Zustands repräsentiert und damit indirekt den ganzen mentalen Zustand M repräsentiert, sodass ein (global) bewusster mentaler Zustand besteht. Kriegel betont, dass er nicht behauptet, dass ein Gehalt dadurch ein bewusster Gehalt ist, dass er sich selbst repräsentiert, oder auch, dass ein mentaler Zustand, der diesen Gehalt trägt, sich selbst als diesen Gehalt tragend repräsentiert. 18 Ein Gehalt ist dadurch ein bewusster Gehalt, dass ein mentaler Zustand ein bewusster Zustand ist und er ein Gehalt dieses Zustands ist, d. h. er ist ein bewusster Gehalt kraft der Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands und eben nicht eines Gehalts. Kriegel entwickelt eine Erklärung, durch welchen Mechanismus ein mentaler Zustand ein bewusster mentaler Zustand ist. Infolge dessen, dass ein bewusster mentaler Zustand besteht, ist auch der Gehalt dieses Zustands ein bewusster Gehalt. Es gilt mithin: »Necessarily, for any mental content C, C is conscious iff there is a mental state S, such that (i) C is the content of S and (ii) S represents itself.« 19 Kriegel weist zu Recht darauf hin, dass dann ein Regressproblem droht, wenn gilt, dass ein bewusster mentaler Zustand nicht nur sich selbst zu repräsentieren hat, sondern auch alle seine repräsentationalen Eigenschaften. Unter Maßgabe dieser Annahme wäre es erforderlich, dass die Repräsentation (R1) des mentalen Zustands, mit der er sich selbst repräsentiert, ebenso repräsentiert (R2) würde, wie die Repräsentation (R2), die dies leistet, durch eine weitere Repräsentation (R3) repräsentiert sein müsste, für die (R3) eben dies wieder gilt usw. usf. ad infinitum. Gegen diese Bedrohung der Theorie durch einen Regress infolge der Repräsentation von repräsentationalen Eigenschaften führt Kriegel an, dass es nicht erforderlich ist, dass alle repräsentationalen Eigenschaften eines mentalen Zustands repräsentiert werden, sondern dass die Minimalanforderung dafür, dass ein bewusster mentaler Zustand besteht, darin zu sehen ist, dass ein mentaler Zustand sich selbst repräsentiert, insofern er schmalitative Eigenschaften hat: »Minimally, conscious states may simply represent themselves 18 19

Kriegel 2009, 126–127. Kriegel 2009, 127.

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to have their schmalitative properties.« 20 Kriegels zentrale Grundannahmen lauten also, dass ein mentaler Zustand sich selbst repräsentiert und damit ein bewusster mentaler Zustand ist und dass damit und deswegen auch der Inhalt, welchen der mentale Zustand trägt, ein bewusster Inhalt ist. Es ist aber nicht erforderlich, dass alle repräsentationalen Eigenschaften des mentalen Zustands repräsentiert werden. Fichtes Hinweis zeigt, dass Kriegels Erklärung ein erhebliches Defizit aufweist. Phänomenales Selbstbewusstsein enthält nicht nur Bewusstsein vom Subjekt, sondern zudem auch die bewusste Information, dass man selbst, das Subjekt, Bewusstsein von etwas besitzt. Kriegel gesteht dies zu. Wenn nun aber gilt, dass Selbstbewusstsein dadurch besteht, dass a) ein mentaler Zustand sich selbst repräsentiert und dass b) es genügt, dass der mentale Zustand seine schmalitativen Eigenschaften repräsentiert, dann ist nicht nachzuvollziehen, warum phänomenales Bewusstsein die bewusste Information mit enthalten soll, dass ein qualitativer Charakter für ein Subjekt vorhanden ist. Das ist jedoch eine zentrale Annahme von Kriegel: Anhand der phänomenologischdeskriptiven Methode ist sichergestellt, dass ein bewusster qualitativer Charakter stets ein bewusster qualitativer Charakter für ein Subjekt ist, das sich dessen bewusst ist, Bewusstsein von diesem qualitativen Charakter zu haben. Es ist nicht einsichtig, warum im Zuge der Selbstrepräsentation eines mentalen Zustandes diese »für-Struktur« bewusst sein soll. Die Eigenschaft des mentalen Zustands bzw. des Subjekts, einen qualitativen Charakter zu repräsentieren, soll nach Kriegels eigenen Worten ja gerade nicht repräsentiert sein. Dies soll nicht erforderlich sein, damit phänomenales Bewusstsein besteht. Folglich ist nicht nachzuvollziehen, wie die »für-Struktur« konstituiert wird. Diese Struktur ist nur dann konstitutionstheoretisch abbildbar, wenn die Beziehung zwischen dem Subjekt bzw. mentalen Zustand und dem, was für es da ist, repräsentiert ist, also nicht nur der schmalitative Charakter, sondern auch die repräsentationale Beziehung zwischen dem mentalen Zustand und dem schmalitativen Charakter. Es genügt auch nicht, dass repräsentiert wird, dass ein mentaler Zustand einen schmalitativen Charakter hat. Es ist erforderlich, dass die repräsentationale Beziehung – Repräsentation von / Bewusstsein von – repräsentiert ist. Nach Kriegels Charakterisierung der Minimalanforderung an einen phänomenal bewussten mentalen Zustand würde jedoch lediglich folgen, dass ein mentaler Zustand sich selbst repräsentiert, und zwar dass er schmalitative Eigenschaften hat. Damit ist nicht mehr gegeben, als dass 1. infolge der Repräsentation der schmalitativen Eigenschaften der qualitative Charakter bewusst ist und 2. infolge der Selbstrepräsentation des mentalen Zustands der 20

Kriegel 2009, 128.

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mentale Zustand ein bewusster mentaler Zustand ist und, wenn man Kriegel für den Augenblick auch dies noch schenken möchte, dass 3. damit und deswegen Selbstbewusstsein besteht. Es ist aber nicht nachvollziehbar, warum damit auch 4. die »für-Struktur« bestehen soll. Die repräsentationale Beziehung zwischen dem mentalen Zustand bzw. dem Subjekt und dem schmalitativen Charakter ist nicht repräsentiert, sodass gilt, dass der bewusste qualitative Charakter nicht ein bewusster Gehalt für das Subjekt ist. Das Subjekt würde sich nicht als das Subjekt verstehen, das Bewusstsein vom qualitativen Charakter hat. Zwar mag das Subjekt infolge der Selbstrepräsentation Selbstbewusstsein haben, aber es ist mit Blick auf Kriegels Erklärung der Konstitution phänomenalen Bewusstseins nicht nachvollziehbar, dass dieses Selbstbewusstsein die bewusste Information enthält, das Subjekt zu sein, für das ein qualitativer Charakter bewusst ist, oder m.a.W. gesprochen, das Subjekt zu sein, das Bewusstsein vom qualitativen Charakter hat. Das bedeutet nicht, 21 dass damit folgendes gilt: Damit die Konstitution der »für-Struktur« nachvollziehbar ist, muss der mentale Zustand repräsentieren, dass er sich selbst repräsentiert. Das ist nicht richtig. Es ist nicht erforderlich, dass die Selbstrepräsentation des mentalen Zustands repräsentiert ist. Es ist nur, aber dies unbedingt, erforderlich, dass der mentale Zustand repräsentiert, dass er den schmalitativen Charakter repräsentiert. Nur dann ist nachvollziehbar, dass der qualitative Charakter für ein Subjekt vorhanden ist. Es ist auch nicht erforderlich, dass alle repräsentationalen Eigenschaften eines Subjekts oder eines (globalen) mentalen Zustands repräsentiert werden. Es genügt, dass die repräsentationale Beziehung mit Blick auf den jeweils relevanten Gehalt repräsentiert ist. Dies ist jedoch unverzichtbar. 22 Fichte hat dies erkannt. Selbstbewusstsein schließt die bewusste Information mit ein, selbst Bewusstsein von etwas zu haben. Selbstbewusstsein ist nicht

Kriegel 2009, 128. Es mag der Einwand naheliegen, dass Kriegel dies zugesteht. Er führt aus: »Minimally, conscious states may simply represent themselves to have their schmalitative properties.« Kriegel 2009, 128. Schmalitative Eigenschaften zu haben zu repräsentieren bedeutet, die repräsentationale Beziehung zwischen mentalem Zustand und dem schmalitativen Charakter zu repräsentieren. Wenn Kriegel dies tatsächlich meinen sollte, ist der dargestellte Einwand hinfällig. In diesem Fall muss Kriegel sich aber den Vorwurf gefallen lassen, an einer Schlüsselstelle sich begrifflich unpräzise auszudrücken. Es ist eines, den Besitz von Eigenschaften zu repräsentieren, und ein anderes, eine repräsentationale Beziehung zu repräsentieren. Außerdem spricht der Kontext, in dem sich das angeführte Zitat befindet, gegen diese Lesart. Im Satz vor dem soeben zitierten Satz erwähnt Kriegel explizit repräsentationale, nämlich selbst-repräsentationale Eigenschaften zu haben: »They require that conscious states represent themselves, but not that they represent themselves to have their self-representational properties«. Kriegel 2009, 128. In dem unmittelbar folgenden Satz »Minimally, conscious states may simply represent themselves to have their schmalitative properties« ist ebenfalls von »haben« die Rede, aber eben nicht von repräsentationalen Eigenschaften. 21 22

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vom Bewusstsein von etwas zu trennen. Eine Erklärung des Selbstbewusstseins hat eine konstitutive Erklärung dieser »für-Struktur« zu enthalten. Dies ist im Rahmen von Fichtes Theorie dadurch sichergestellt, dass die intellektuelle Anschauung eine Tätigkeit ist, die nicht bloß sich selbst setzt. In diesem Fall würde so wie bei Kriegel die »für-Struktur« nicht erklärt sein. Die intellektuelle Anschauung ist eine Tätigkeit, die sich als setzend setzt, und zwar irgendein Objekt. Demnach ist der Vorgang, der zur Konstitution der bewussten Information führt, selbst Bewusstsein von etwas, von einem Objekt zu haben, derart, dass die konstitutive Beziehung zwischen dem Subjekt und dem bewussten Objekt hergestellt und gewahrt wird. Von Fichte ist daher zu lernen, dass es nicht genügt, Selbstbewusstsein und das Bewusstsein vom qualitativen Charakter zu erklären. Es ist erforderlich, die »für-Struktur« und damit die Beziehung zwischen diesen beiden Komponenten zu erklären. Anderenfalls ist die »für-Struktur« phänomenalen Bewusstseins nicht erklärt. Kriegels Modell scheitert an einem Punkt, den Fichte vor 200 Jahren deutlich vor Augen hatte. Dasselbe ist auch mit Blick auf Willifords Theorie in »The self-representational structure of consciousness« zu sagen, wenn Fichtes zweiter Hinweis beachtet wird. Er besagt, dass Selbstbewusstsein dann besteht, wenn das Subjekt sich selbst, und nicht etwa etwas anderes, setzt. Nach Williford repräsentiert eine Repräsentation (R2) eine Repräsentation (R1), wobei die Repräsentation (R1) als Gehalt sowohl mehrere qualitative Charaktere als auch diejenige Repräsentation (R2) enthält, welche die Repräsentation (R1) repräsentiert. Eine Bewusstseinsepisode enthält zwei Repräsentationen: Eine Repräsentation (R1) repräsentiert eine Repräsentation (R2) und Gegenstände mit ihren Eigenschaften und damit qualitative Charaktere. Die Repräsentation (R2) repräsentiert die Repräsentation (R1) und damit mittelbar sich selbst, da die Repräsentation (R2) selbst nichts anderes als die von der Repräsentation (R1) repräsentierte Repräsentation (R2) ist. Williford erklärt explizit, dass dann, wenn man dieses Modell (picture) ernst nimmt, Bewusstsein das Produkt der Verbindung zweier repräsentationaler Systeme ist und die Selbstrepräsentation durch diese Verbindung hergestellt ist. 23 Mit Fichte ist gegen Williford vorzubringen, dass dieses Modell nicht berücksichtigt, dass im Fall von Selbstbewusstsein das Subjekt bzw. ein mentaler Zustand oder ein repräsentationales System (representational system) 24 sich selbst setzen muss – und nicht etwas anderes. M.a.W. muss eine Repräsentation (ein mentaler Zustand, ein repräsentationales System etc.) selber sich selbst setzen oder repräsentieren. Das beachtet Williford nicht. Williford 2006, 134. Diese Unterschiede tun hier letztlich nichts zur Sache. Das Problem bleibt in jedem Fall bestehen. 23 24

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Nach Willifords Erklärung der Konstitution phänomenalen Selbstbewusstseins würde durch die Repräsentation (R2) erstens ein mentaler Zustand bewusst sein (R1), nämlich die Repräsentation (R1), zweitens ein Gehalt, also bspw. ein qualitativer Charakter, drittens die Repräsentation (R2), also wiederum ein mentaler Zustand, und schließlich viertens die repräsentationale Beziehung zwischen dem mentalen Zustand (R1) und dem Gehalt bzw. dem qualitativen Charakter sowie der Repräsentation (R2) (bzw. dem mentalen Zustand R2) und das damit bewusste Subjekt. In diesem Schema sind drei Schwachpunkte auszumachen. Erstens ist nicht ersichtlich, wie durch die Repräsentation (R2) die bewusste Information bestehen soll, dass der eigene mentale Zustand bewusst ist. Die Repräsentationen sind voneinander unterschieden und an keiner Stelle der zirkulären Repräsentationen tritt die Information auf: Die Repräsentation R1 ist identisch mit der Repräsentation R2 oder auch: beide Repräsentationssysteme gehören zu einem und demselben System (dem Subjekt). Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum durch die Repräsentation einer anderen Repräsentation bspw. das Bewusstsein bestehen soll, dass der eigene mentale Zustand bewusst ist. Das zweite Problem besteht in Folgendem: Gemäß Willifords Schema ist für die Repräsentation (R2) eine Repräsentation (R1) vorhanden, die ihrerseits (R2) repräsentiert. Dem entspricht in struktureller Hinsicht die Situation, dass eine Person weiß, dass eine andere Person etwas über sie weiß, also etwa: Peter weiß, dass Paul etwas über Peters Bewusstsein weiß. Es ist fragwürdig, warum eine Struktur, die auf diese Situation abbildbar ist, zur Konstitution von Selbstbewusstsein führen soll. Drittens ist ein weiteres Problem anzuführen. Es ist nicht klar, wie nach diesem Modell die »für-Struktur« konstituiert werden könnte. Beide Repräsentationen, R1 und R2, repräsentieren indirekt sich selbst, indem sie das jeweils andere repräsentationale »System« repräsentieren. Wenn durch diese Repräsentationen die Struktur des Bewusstseins bestimmt sein soll, dann würde die Repräsentation (R2) die Vorstellung konstituieren, dass zwar für ein Subjekt (R1) ein qualitativer Charakter besteht. Aber es würde für die Repräsentation (R2) nicht die bewusste Information bestehen, dass für es, also für (R2) bzw. das Subjekt (R2), ein qualitativer Charakter bewusst ist oder auch die Repräsentation (R1) bzw. das Subjekt (R1). Das Subjekt, für das eine bewusste Information besteht, wäre vielmehr das Subjekt, von dem nicht abzusehen ist, wie es die bewusste Information haben können soll, dass ein Gehalt für es vorhanden ist. Die Information, dass ein Gehalt für ein Subjekt bzw. eine Repräsentation besteht, würde gerade dem anderen Subjekt bzw. der anderen Repräsentation zugeschrieben. Der Grund, weswegen diese drei Schwierigkeiten auftreten, ist darin zu sehen, dass von Williford zwei repräsentationale Systeme in Ansatz gebracht werden, sodass eines nicht (selbst) sich selbst repräsentiert, sondern mithilfe eines anderen. Es macht daher guten

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Sinn, wenn Fichte anführt, dass im Fall von Selbstbewusstsein eines sich setzt, und d. h. dass eines eben selbst sich (selbst) setzt und nicht etwas anderes setzt oder von es, dem anderen, gesetzt wird. Neben den dargelegten Einwänden, die mithilfe idealistischer Theorien formuliert werden können, gibt es eine Reihe weiterer Argumente, die gegen analytische Theorien vorgebracht werden können. 25 Diese Argumente können im Rahmen dieser Untersuchung nicht erschöpfend behandelt werden. Die berücksichtigten Einwände zeigen bereits, dass es mithilfe idealistischer Theorien möglich ist, die gegenwärtige Sachdebatte voranzubringen. Durch die Berücksichtigung idealistischer Theorien ist es möglich, Thesen und Argumente zu entwickeln sowie Fragestellungen und Problemstellungen aufzuzeigen, die innerhalb des analytischen Selbstrepräsentationalismus nicht hinreichend beachtet werden, und in inhaltlicher und methodischer Hinsicht eine substantielle Kritik am Selbstrepräsentationalismus zu formulieren. Damit ist das erste Etappenziel der zweiten Zielsetzung dieser Untersuchung erreicht. Es kann zukünftigen Untersuchungen vorbehalten bleiben, weitere idealistische Einsichten in Erinnerung zu rufen und für gegenwärtige Debatten fruchtbar zu machen. Im nächsten Abschnitt gilt es die Perspektive zu wechseln und in umgekehrter Blickrichtung, also von analytischer Perspektive ausgehend die idealistischen Theorien kritisch zu prüfen. Gegen die idealistischen Theorien sind ebenfalls schwerwiegende Einwände vorzubringen.

Vgl. Frank 2012, 2015. Siehe auch den ausführlichen Aufsatz von Gerhard Preyer: »Zur Philosophie des Mentalen«. Online zugänglich unter (Stand: 25. 02. 2019): https://www.researchgate. net/publication/319406153_Zur_gegenwartigen_Philosophie_des_Mentalen 25

6 Selbstrepräsentationalistische Einwände gegen idealistische Theorien

Die folgende Darstellung selbstrepräsentationalistischer Einwände gegen idealistische Theorien ist weniger umfangreich als die Darstellung idealistischer Einwände gegen selbstrepräsentationalistische Theorien. Die analytischen Einwände sind deswegen nicht weniger schwerwiegend oder schlagkräftig. Im Gegenteil. Selbstrepräsentationalistische Untersuchungen haben Problemstellungen so klar, konzentriert und präzise herausgestellt, dass leicht zu zeigen ist, weswegen auch die idealistischen Theorien nicht überzeugen. 1. Fichte, Schelling und Hegel bezeichnen phänomenales Selbstbewusstsein als ein Selbstgefühl. Für Fichte enthält das Selbstgefühl die bewussten Informationen, selbst das fühlende Subjekt zu sein, sich selbst zu fühlen und die eigene Kraft zu spüren. Nach Schelling unterscheidet sich das Subjekt durch das Selbstgefühl von Objekten und besitzt Bewusstsein von sich selbst als das Subjekt, das Bewusstsein von qualitativen Charakteren hat. Bei Hegel fasst das Subjekt durch das Selbstgefühl leibliche Empfindungen als seine eigenen Empfindungen auf. Ein erster Einwand gegen die idealistischen Theorien lautet, dass phänomenales Selbstbewusstsein nicht phänomenangemessen als ein Selbstgefühl bezeichnet ist. Gefühle weisen einen qualitativen Charakter auf. Der Gehalt eines Gefühls fühlt sich irgendwie an. Einem Subjekt ist irgendwie zumute. Anderenfalls handelt es sich nicht um ein (bewusstes) Gefühl. Phänomenales Selbstbewusstsein schließt demgegenüber kein Zumutesein mit ein. Einem Subjekt ist nicht irgendwie zumute, wenn es Bewusstsein von sich selbst als das fühlende Subjekt hat oder von sich selbst als das Subjekt, das Bewusstsein von qualitativen Charakteren besitzt, oder von sich selbst als das Subjekt seiner Empfindungen. 1 Dem Subjekt mag zwar irgendwie zumute sein, etwa übel, und das Bewusstsein von einer mentalen oder praktischen Aktivität mag bspw. von einem Gefühl der Anstrengung begleitet sein. Insofern ist es sinnvoll zu sagen, für das Subjekt fühlt sich seine Tätigkeit irgendwie an, wenngleich die Empfindung, anstrengend zu sein, nicht ubiquitär vorliegt. Aber phänomenales Selbstbewusstsein als solches schließt kein Zumutesein mit ein. Es ist dem Phänomen nicht angemessen, phänomenales Selbstbewusstsein als ein SelbstVgl. David Rosenthal: »Varieties of higher-order theory«, in: Rocco Gennaro (Hg.): HigherOrder Theories of Consciousness: An Anthology. Amsterdam / Philadelphia 2004, 19. 1

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gefühl zu bezeichnen. Selbstrepräsentationalisten haben dies deutlich erkannt. 2 Damit ist nicht allein ein Einwand gegen die idealistische Terminologie ausgesprochen. Phänomenales Selbstbewusstsein ist kein Gefühl und Selbstgefühl. Es fühlt sich nicht irgendwie an, phänomenales Selbstbewusstsein zu haben. Ich vertrete den Standpunkt, dass es stattdessen angebracht ist, phänomenales Selbstbewusstsein als ein Phänomen sui generis zu bezeichnen. Es ist mit dem Begriffsrepertoire: Empfindung, Gefühl, Anschauung, Wahrnehmung, Begriff und Denken nicht angemessen begriff lich bestimmt. 2. Gegen die idealistischen Theorien sind »klassisch« zu nennende analytische Einwände vorzubringen, welche die Entwicklung selbstrepräsentationalistischer Theorien mit motiviert haben. Sobald eine Repräsentation erfolgt, besteht die Möglichkeit einer fehlerhaften Repräsentation. Der Fehler kann hinsichtlich des Gehalts bestehen, der repräsentiert wird, sodass der Inhalt der Repräsentation dem repräsentierten Gehalt nicht entspricht. Er kann aber auch, wie im Fall einer Halluzination, darin liegen, dass es den repräsentierten Gegenstand, die repräsentierte Eigenschaft oder den vermeintlich repräsentierten Zustand gar nicht gibt. Ein zentrales Anliegen analytischer Theorien ist es, die Konstitution phänomenalen Bewusstseins zu erklären und dabei die Möglichkeit einer Fehlrepräsentation zu beachten. Fichte, Schelling und Hegel berücksichtigen bei der Entwicklung und Begründung ihrer Theorien diese Möglichkeit nicht. Damit ist eine Leerstelle idealistischer Theorien identifiziert. Sie ist v. a. für Schellings und Hegels Theorien bedeutend. Ein Problem angesichts der Möglichkeit einer fehlerhaften Repräsentation besteht in Folgendem: Wenn gemäß einem Erklärungsmodell ein bewusster qualitativer Charakter durch eine zweimalige Repräsentation konstituiert wird, ist unklar, welcher Charakter bewusst ist, sobald eine fehlerhafte Repräsentation des Charakters erfolgt. 3 Wenn eine Repräsentation bspw. den Farbeindruck des Grünen aufweist, die höherstufe Repräsentation infolge einer fehlerhaften Repräsentation den Farbeindruck des Roten enthält, ist unklar, welcher Farbeindruck bewusst ist. Zur Lösung dieser Problemstellung bieten sich zwei Optionen an, die beide inakzeptable Konsequenzen mit sich bringen. Nimmt man an, dass der von der niederstufigen Repräsentation repräsentierte Charakter bewusst ist, ist fragwürdig, welche Rolle die höherstufige Repräsentation spielt. 4 Obgleich sie einen anderen Charakter als die niederstufige Repräsentation enthält, also bspw. rot und nicht grün, soll die grüne Farbe bewusst sein? Das Kriegel / Zahavi 2015, 38. Vgl. auch Siewert 2013, 248–249. Vgl. Joseph Levine: Purple haze: The puzzle of consciousness. New York 2001, 108. Gennaro 2012, 59–66. 4 Gennaro 2004, 8. 2

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ist nicht nachzuvollziehen, wenn die niederstufige Repräsentation die grüne Farbe aufweist und durch die Repräsentation dieses Charakters durch den höherstufigen mentalen Zustand der bewusste qualitative Charakter bestehen soll. Wenn andererseits der Gehalt des höherstufigen Zustands bewusst ist, also rot, ist nicht nachzuvollziehen, weshalb es einer zweiten Repräsentation bedarf. Die höherstufige Repräsentation konstituiert von sich aus den bewussten qualitativen Charakter. Weshalb bedarf es dann aber einer zweiten Repräsentation bzw. eines zweistufigen Modells? Beide Lösungen für die aufgezeigte Problemstellung überzeugen nicht. Damit ist zu fragen, ob die Möglichkeit einer Fehlrepräsentation zeigt, dass ein zweistufiges Modell phänomenales Bewusstsein nicht zu erklären vermag. Die Idealisten diskutieren diese Fragen nicht. Dabei sind sie für Schellings und Hegels Theorien relevant, die ebenfalls mehrstufige Repräsentationsmodelle entwickeln. Bei Schelling wird die Konstitution des qualitativen Charakters durch zwei Repräsentationen ermöglicht: die ursprüngliche Empfindung und die produktive Anschauung, welche die ursprüngliche Empfindung und ihren Gehalt repräsentiert. An Schellings Theorie ist damit die Frage zu richten, welcher qualitative Charakter bewusst ist, wenn die ursprüngliche Empfindung einen anderen Charakter als die produktive Anschauung aufweist. Nach Hegel wird der qualitative Charakter durch die Empfindung gewahrt und durch das Selbstgefühl mit anderen Charakteren in Beziehung gesetzt. Mit Blick auf Hegels Theorie ist zu fragen: Welcher qualitative Charakter ist bewusst, wenn die Empfindung einen anderen Charakter »setzt« als das Selbstgefühl? Die Idealisten behandeln diese Fragen nicht. Demgegenüber präsentieren Kriegel und Vincent Picciuto raffinierte Lösungsansätze für diese Fragestellungen. Sie begründen die Überlegenheit ihrer Theorien u. a. damit, dass sie diese Probleme lösen können. Kriegels Lösungsvorschlag besteht darin, dass er erstens zwischen schmalitativen und qualitativen Charakteren unterscheidet. Ein mentaler Zustand repräsentiert schmalitative Eigenschaften, die ein weiteres Mal repräsentiert werden, sodass die qualitativen Charaktere bestehen. Der zweite Schritt des Lösungsansatzes besteht darin, dass die Beziehung zwischen der Meta-Repräsentation und dem repräsentierten Gehalt als eine konstitutive Beziehung interpretiert wird: Die Repräsentation der schmalitativen Charaktere konstituiert die qualitativen Charaktere. Kriegel gelingt es auf diese Weise, eine eindeutige Antwort auf die Frage zu geben, welcher Charakter im Fall einer fehlerhaften Repräsentation bewusst ist. Es ist stets und ausschließlich der Gehalt der höherstufigen Repräsentation bewusst, da sie den qualitativen Charakter konstituiert. Wenn der schmalitative Charakter also bspw. die blaue Farbe enthält und die Repräsentation dieses Charakters die gelbe Farbe, dann ist der bewusste qualitative

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Charakter gelb. Picciutos Kerngedanke besagt, 5 dass ein mentaler Zustand dann ein phänomenal bewusster mentaler Zustand ist, wenn ein höherstufiger »phänomenaler Anführungsbegriff« (phenomenal quotational concept) diesen mentalen Zustand repräsentiert. 6 Phänomenale Begriffe sind Begriffe von qualitativen Charakteren, die (vor allem dann) 7 verwendet werden, wenn eine Person Bewusstsein vom qualitativen Charakter besitzt. Sie sind begriff lich isoliert, d. h. es bestehen keine begriff lichen Verbindungen zu anderen Begriffen, 8 wie etwa physikalischen Begriffen. Im Unterschied zur Standardinterpretation phänomenaler Begriffe sind sie nach Picciuto jedoch nicht nur Begriffe, mit denen über phänomenales Bewusstsein, das unabhängig von diesen Begriffen besteht, nachgedacht wird bzw. die im Fall von Introspektion angewandt werden. 9 Es gibt neben diesen »introspektiven« phänomenalen Begriffen »basale« phänomenale Begriffe, die für die Konstitution phänomenalen Bewusstseins selbst verantwortlich sind. 10 Picciuto interpretiert basale phänomenale Begriffe (im Anschluss an Papineau) 11 im Sinn von Anführungsbegriffen. Das sind Begriffe, die eine Struktur aufweisen, die vergleichbar ist mit sprachlichen Ausdrücken, die Ausdrücke in Anführungszeichen enthalten. So enthält bspw. der Satz: »Der Ausdruck ›Erdapfel‹ bezeichnet eine Kartoffel« mit der Wendung ›Erdapfel‹ ein

Picciuto behandelt die Fragen, wie die Konstitution des subjektiven Charakters sowie ihre Beziehung zur Konstitution des qualitativen Charakters zu verstehen ist, nicht näher. Er erwähnt lediglich, dass eine Person, die einen phänomenal bewussten mentalen Zustand besitzt, die bewusste Information hat, dass sie selbst sich in diesem bewussten mentalen Zustand befindet und dass es ihr Zustand ist. Picciuto 2011, 129. Auch Picciuto vertritt damit (vermutlich) die Ubiquitätsthese. (Picciuto erwähnt dies nicht explizit. Seine Ausführungen legen diese Interpretation nahe.) Er behauptet zudem, dass es keine notwendige Bedingung der Möglichkeit von phänomenalem Selbstbewusstsein ist, dass eine Person den Gedanken »mein Zustand« bewusst fasst, sondern dass womöglich ebenso gut die kognitive Apparatur von Personen derart eingestellt sein könnte, dass ein mentaler Zustand, der zu einem bewussten mentalen Zustand wird, als der eigene mentale Zustand interpretiert wird. Er erklärt die Konstitution phänomenalen Selbstbewusstseins nicht näher. 6 Ich übernehme die Übersetzung »Anführungsbegriff« von Christian Tewes. Christian Tewes: »Phänomenale Begriffe, epistemische Lücken und die phänomenale Begriffsstrategie«, in: Matthias Jung / Jan-Christoph Heilinger (Hg.): Funktionen des Erlebens. Berlin / New York, 2009, 136. 7 Michael Tye: Consciousness Revisited: Materialism Without Phenomenal Concepts. Massachusetts Institute of Technology 2009, 41. 8 Peter Carruthers: »HOP over FOR, HOT theory«, in: Rocco Gennaro (Hg.): Higher-Order Theories of Consciousness: An Anthology. Amsterdam / Philadelphia 2004, 121. 9 Tye 2009, 41–43, 56. 10 Picciuto 2011, 128. 11 Nach Papineau sind im Unterschied zu Picciuto phänomenale Begriffe nicht für die Konstitution von phänomenalem Bewusstsein mit verantwortlich. Papineau beabsichtigt, mithilfe phänomenaler Begriffe anti-naturalistische Argumente zu widerlegen. Er hat diesen Ansatz in weiterer Folge verabschiedet. Im Unterschied zu Papineau wendet Picciuto Anführungsbegriffe auf die Konstitution des Bewusstseins vom qualitativen Charakter selbst an. 5

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Token, d. h. ein einzelnes Vorkommnis des Ausdrucks, auf den die Anführungszeichnen referieren. Ein Anführungsbegriff hat eine vergleichbare Struktur, die auszeichnet, dass sie mentale Anführungszeichen, das demonstrative Präfix »der Zustand« bzw. »dieser Zustand« und schließlich den mentalen Zustand selbst inklusive seines Gehalts, d. h. den qualitativen Charakter, enthält. 12 Der Anführungsbegriff hat mithin die Struktur: ›dieser Zustand 〈—〉‹, wobei zwischen den Klammern der ursprünglich unbewusste mentale Zustand selbst einschließlich des qualitativen Charakters sich befindet, sodass der Begriff auf diesen Zustand referiert und der mentale Zustand selbst, als solcher, präsent ist. Der höherstufige Gedanke repräsentiert somit nicht nur einen mentalen Zustand, sondern er schließt ihn (embeds) in »propria persona« mit ein – so wie einige sprachliche Ausdrücke zwischen Anführungszeichen ein Token des Ausdrucks enthalten, das sie thematisieren. Der bewusste mentale Zustand ist der höherstufige Gedanke und nicht etwa ausschließlich der repräsentierte mentale Zustand, also etwa ein visueller Wahrnehmungszustand. Zu den bewussten Informationen zählt nicht nur der visuelle Wahrnehmungszustand, sondern auch der Anführungsbegriff. 13 Picciuto entwickelt somit eine selbstrepräsentationalistische Theorie der Konstitution des qualitativen Charakters. Ein Bestandteil eines bewussten mentalen Zustands, der höherstufige Anführungsbegriff, repräsentiert einen anderen Bestandteil desselben bewussten mentalen Zustands, den Wahrnehmungszustand, und schließt ihn zudem als solchen mit ein. Nach Picciuto besteht der Vorteil seiner Theorie gegenüber anderen Ansätzen darin, dass die Möglichkeit einer fehlerhaften Repräsentation ausgeschlossen ist. Es ist weder möglich, dass der höherstufige Gedanke einen mentalen Zustand repräsentiert, der nicht existiert, noch dass der höherstufige Gedanke einen mentalen Zustand falsch repräsentiert. Dies ist dadurch ausgeschlossen, dass der repräsentierte mentale Zustand ein konstitutiver Bestandteil des höherstufigen Gedankens ist und der höherstufige Gedanke folglich nicht bevor und unabhängig vom repräsentierten Wahrnehmungszustand besteht. Der höherstufige Gedanke repräsentiert einen mentalen Zustand nur dann, wenn dieser Zustand besteht, und er repräsentiert exakt diesen Zustand und keinen anderen, da er ihn selbst anhand des Anführungsbegriffs einschließt. Kriegel und Picciuto entwickeln raffinierte Theorien des Bewusstseins vom qualitativen Charakter, um ein Problem zu lösen, das die Idealisten nicht beachten. Die Idealisten haben keine Lösung für die Aufgabenstellung entwickelt, die Konstitution des qualitativen Charakters unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer fehlerhaften Picciuto 2011, 128. Diese Darstellung von Picciutos Ansatz orientiert sich an Sam Colemans Interpretation. Vgl. Sam Coleman: »Quotational higher-order thought theory«, in: Philosophical Studies, 172, 2015. Picciuto erläutert nicht näher, welche Informationen ein bewusster mentaler Zustand genau enthält. 12 13

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Selbstrepräsentationalistische Einwände gegen idealistische Theorien

Repräsentation zu erklären. In dieser Frage hat die philosophische Sachdebatte seit den klassischen idealistischen Theorien deutlich an Problembewusstsein gewonnen. 3. Ein weiteres Motiv, das zur Entwicklung selbstrepräsentationalistischer Theorien beiträgt, besteht in der Diskussion folgender Fragen: 14 Wenn eine Person mittels eines mentalen Zustands einen Stein repräsentiert, besitzt der Stein deswegen nicht phänomenales Bewusstsein. Einem Stein ist nicht irgendwie zumute. Damit ist zu fragen, warum dann aber ein mentaler Zustand durch die Repräsentation eines höherstufigen mentalen Zustands ein phänomenal bewusster mentaler Zustand sein soll. Wie soll dadurch, dass ein mentaler Zustand einen anderen mentalen Zustand repräsentiert, der repräsentierte mentale Zustand ein phänomenal bewusster mentaler Zustand sein? Das ist nicht nachzuvollziehen, zumal durch die Repräsentation von Gegenständen diese Gegenstände nicht phänomenales Bewusstsein haben. Wendet man diese Fragestellungen auf die idealistischen Theorien an, ist zu fragen, wie es möglich sein soll, dass durch die In-Beziehung-Setzung von einer an sich unbewussten mentalen Tätigkeit oder einer unbewussten Repräsentation mit einer an sich unbewussten mentalen Tätigkeit oder unbewussten Repräsentation phänomenales Bewusstsein besteht. Die Idealisten verhalten sich zu dieser Fragestellung nicht. Sie stellt sich aber v. a. mit Blick auf Schellings Theorie. Nach Schelling erfolgt die Konstitution phänomenalen Bewusstseins durch vier Repräsentationen, welche die ursprüngliche Empfindung, die produktive Anschauung, der innere Sinn und das Selbstgefühl leisten. Diese Leistungen sind an sich unbewusst. Erst mit der vierten und höchststufigen Meta-Repräsentation, dem Selbstgefühl, »fängt alles Bewusstsein an«. Warum soll durch ihre Verbindung phänomenales Bewusstsein bestehen? Schelling verhält sich zu dieser Frage nicht. Das bedeutet nicht, dass Schelling keine Mittel zur Verfügung stünden, diese Frage zu beantworten. Der Punkt ist, dass er diese Aufgabenstellung nicht beachtet. 4. Ein drittes Motiv, das der Entwicklung selbstrepräsentationalistischer Theorien zugrunde liegt, besteht in folgender Überlegung. Ein mentaler Zustand eines Subjekts ist ein phänomenal bewusster mentaler Zustand, insofern er – auf die richtige Weise (sei dies direkt oder indirekt usw.) – repräsentiert ist. 15 Ein bewusster mentaler Zustand ist ein bewusster mentaler Zustand für ein Subjekt, sodass die Repräsentation des mentalen Zustands ihrerseits bewusst 14 15

Gennaro 2004, 6. Kriegel 2009, 113.

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ist. M.a.W. gesprochen: »[E]very conscious state is represented consciously«. 16 Fichte berücksichtigt das nicht. Bei der Darstellung seiner Theorie wurde herausgestellt, dass die Repräsentation (Reflexion) des Triebs usw. ihrerseits nicht bewusst ist. Damit ist nicht nachzuvollziehen, wie durch eine unbewusste Repräsentation eine bewusste Information konstituiert werden können soll. Selbst wenn angenommen wird, dass durch eine unbewusste Repräsentation eine bewusste Information besteht, ist nicht ersichtlich, wie das Subjekt die bewusste Information haben können soll, dass eine bewusste Information für es vorliegt. Schließlich ist die Repräsentation, kraft welcher das Subjekt eine bewusste Information hat, ihrerseits ja gerade nicht bewusst. Es ist unklar, wie mit den Mitteln von Fichtes Theorie eine überzeugende Antwort auf diesen Einwand lauten könnte. Die Einsicht in diese Problemkonstellation ist jedoch gerade eines der Motive und einer der Ausgangspunkte für die Entwicklung selbstrepräsentationalistischer Theorien. Auch in diesem Punkt tragen die analytischen Debatten zu einem angereicherten Bild von den Aufgabenstellungen bei, die eine Theorie phänomenalen Bewusstseins zu bewältigen hat. 5. Schließlich lassen sich mithilfe analytischer Untersuchungen weitere inhaltliche Einwände formulieren. Bei Hegel ist der wache Zustand des Individuums der Ausgangspunkt seiner Theorie phänomenalen Bewusstseins. Ein wacher Zustand unterscheidet sich von Schlafen und Träumen und ist bei Hegel die Bewusstseinsdimension, in der bewusste qualitative Charaktere auftreten. Hegel verbindet damit, analytisch gesprochen, die Frage, wodurch ein Zustand ein phänomenal bewusster Zustand ist, mit der Frage nach kreatürlichem Bewusstsein. Das Ziel einer Untersuchung kreatürlichen Bewusstseins besteht darin, die Voraussetzungen zu identifizieren, unter denen Personen im Alltag einem menschlichen Lebewesen zuschreiben, bei Bewusstsein zu sein. Die analytische Standardantwort auf diese Frage lautet, dass ein menschliches Lebewesen wach sein und empfindungsfähig sein muss. 17 Analytische Philosophen unterscheiden beide Fragestellungen – zu Recht. Eine Person hat phänomenales Bewusstsein nicht nur dann, wenn sie wach ist. Wenn eine Person bspw. einen Albtraum hat und sich schrecklich fürchtet, besitzt sie einen bewussten qualitativen Charakter und womöglich auch phänomenales Selbstbewusstsein. Sie fühlt sich bedroht und empfindet ihre Furcht. Sie ist aber nicht wach, sondern sie schläft. Es ist daher problematisch, wenn Hegels Untersuchung phänomenalen Bewusstseins bei der Annahme eines wachen Individuums ansetzt. Der wache Zustand eines Individuums ist keine notwendige oder konstitutive Bedingung 16 17

Kriegel 2009, 115. Rosenthal 2006, 41.

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phänomenalen Bewusstseins. Dieser Einwand ist im Übrigen auch gegen die Darstellung der Enzyklopädie aus dem Jahr 1827 vorzubringen, in der Hegel in der »Anthropologie« die »träumende Seele« behandelt. Die Unterscheidung zwischen Schlafen und Wachsein und die Einführung der Empfindung erfolgt vor der Behandlung der »träumenden Seele«, sodass das Bewusstsein vom qualitativen Charakter wieder im Zusammenhang mit dem Wachsein eingeführt wird. 18 Ein weiterer Einwand ist gegen Schelling anzubringen. Analytische Philosophen diskutieren eingehend die Frage, welche Anzahl an Repräsentationen und mentalen Zuständen erforderlich ist, damit phänomenales Bewusstsein besteht. Nach Ansicht der Selbstrepräsentationalisten ist ein mentaler Zustand erforderlich, nach Ansicht von Vertretern der höherstufigen Gedanken-Theorie sind zwei mentale Zustände und folglich zwei zu unterscheidende Repräsentationen erforderlich. Für Schelling sind gleich drei Fälle von Selbstrepräsentation erforderlich, damit phänomenales Bewusstsein besteht. Die produktive Anschauung repräsentiert die ursprüngliche Empfindung. Sie bringt, wie erwähnt, u. a. die Information hervor, dass man selbst einen qualitativen Charakter repräsentiert. Diese Information ist der Gehalt einer noch nicht bewussten Repräsentation. Damit eine Person Bewusstsein besitzt, bedarf es zusätzlich einer Repräsentation der produktiven Anschauung. Dies leistet die mentale Tätigkeit unter der Bezeichnung »innerer Sinn«. Der innere Sinn wird seinerseits durch das Selbstgefühl repräsentiert. Durch diese dritte Selbstrepräsentation der mentalen Tätigkeit gewinnt eine Person Bewusstsein von ihrem Bewusstsein und damit phänomenales Selbstbewusstsein. Dies ist jedoch nicht überzeugend. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum drei Selbstrepräsentationen erforderlich sind und die ursprüngliche Empfindung, die produktive Anschauung und der innere Sinn nicht genügen, damit phänomenales Bewusstsein besteht. Nach Schelling ist ein Gehalt nur dann ein bewusster Gehalt, wenn er repräsentiert wird. Die Repräsentation eines Gehalts ist eine notwendige Bedingung dafür, dass ein Gehalt ein bewusster Inhalt phänomenalen Bewusstseins ist. Die ursprüngliche Empfindung repräsentiert einen qualitativen Charakter. Da die produktive Anschauung die ursprüngliche Empfindung repräsentiert, ist nachzuvollziehen, warum phänomenales Bewusstsein Bewusstsein vom qualitativen Charakter enthält. Denn da die ursprüngliche Empfindung den qualitativen Charakter repräsentiert, besteht durch die Repräsentation der ursprünglichen Empfindung durch die produktive Anschauung eine Repräsentation der mentalen Tätigkeit, 18 Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse 1827. Wolfgang Bonsiepen / Hans-Christian Lucas (Hg.): Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gesammelte Werke. In Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Herausgegeben von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Band 19. Hamburg 1989, 298–302.

Selbstrepräsentationalistische Einwände gegen idealistische Theorien

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insofern sie einen qualitativen Charakter repräsentiert. Es ist auch nachzuvollziehen, warum eine weitere Repräsentation erforderlich ist. Phänomenales Bewusstsein schließt Bewusstsein vom Bewusstsein vom qualitativen Charakter mit ein. Durch die produktive Anschauung ist diese Information nicht zu gewinnen. Sie repräsentiert nicht die mentale Tätigkeit, welche die mentale Tätigkeit (die ursprüngliche Empfindung) repräsentiert. Diese Repräsentation leistet der innere Sinn. Durch den inneren Sinn wird die produktive Anschauung repräsentiert und damit diejenige mentale Tätigkeit, welche eine mentale Tätigkeit (die ursprüngliche Empfindung) repräsentiert. Durch den inneren Sinn wird das Bewusstsein vom Bewusstsein vom qualitativen Charakter gewonnen. Es ist daher nachzuvollziehen, warum Schelling zwei Selbstrepräsentationen anführt. Es ist jedoch unklar, warum eine weitere Repräsentation, die Repräsentation des inneren Sinns durch das Selbstgefühl, erforderlich sein soll. Schließlich wird durch die produktive Anschauung die Information gewonnen, dass man selbst den qualitativen Charakter repräsentiert. Diese Information ist nach Schelling zwar zunächst unbewusst. Da der innere Sinn die produktive Anschauung repräsentiert, ist jedoch nicht nachzuvollziehen, warum durch diese Repräsentation phänomenales Selbstbewusstsein nicht bestehen soll. Und da für Schelling mit dem inneren Sinn die Erklärung phänomenalen Bewusstseins mit Blick auf den qualitativen Charakter ohnehin abgeschlossen ist, ist unklar, warum eine weitere Selbstrepräsentation der mentalen Tätigkeit durch das Selbstgefühl erforderlich ist. Mit der Einführung des inneren Sinns scheint Schellings Erklärung phänomenalen Bewusstseins an ihr Ziel gelangt zu sein. Schellings These, dass drei Selbstrepräsentationen erforderlich sind, damit phänomenales Bewusstsein besteht, überzeugt nicht. Die dargestellten Einwände belegen, dass in selbstrepräsentationalistischen Theorien Aufgaben- und Fragestellungen diskutiert sowie Thesen und Argumente entwickelt werden, die von idealistischen Theorien nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt wurden. Damit ist das zweite Etappenziel der zweiten Zielsetzung dieser Untersuchung erreicht. Es besteht in der Begründung der These, dass es anhand der In-Beziehung-Setzung von Selbstrepräsentationalismus und Deutschem Idealismus möglich ist, substantielle Kritik an idealistischen Theorien zu üben, indem bspw. Leerstellen der Theorien Fichtes, Schellings und Hegels identifiziert werden.

7 Eine Debatte in der Sackgasse?

Das dritte und letzte Beweisziel dieser Untersuchung besteht in der Begründung von zwei Thesen. Die erste These (These 8) besagt, dass es weder idealistischen noch selbstrepräsentationalistischen Theorien gelingt, phänomenales Bewusstsein überzeugend zu erklären. Diese These wurde durch die dargestellte Kritik an idealistischen und selbstrepräsentationalistischen Theorien bereits ein Stück weit begründet. Keine der behandelten Theorien kann für sich beanspruchen, phänomenales Bewusstsein und damit phänomenales Selbstbewusstsein zu erklären. Die eng mit dieser These verbundene zweite Behauptung geht noch einen Schritt weiter. Sie lautet (These 9), dass nach gegenwärtigem Stand der Dinge unklar und nicht abzusehen ist, wie eine überzeugende Theorie phänomenalen Bewusstseins aussehen könnte. Dies gilt zumindest dann, wenn selbstrepräsentationalistische und idealistische Theorien berücksichtigt werden. 1 Beide Thesen werden durch sechs weitere Einwände bekräftigt, die gegen idealistische und / oder gegen selbstrepräsentationalistische Theorien vorzubringen sind. 1. Idealisten und viele Selbstrepräsentationalisten vertreten die Ubiquitätsthese. Phänomenales Selbstbewusstsein begleitet jeden Fall von Bewusstsein vom qualitativen Charakter. Die Ubiquitätsthese ist ein zentrales Motiv, das zur Entwicklung selbstrepräsentationalistischer Theorien führt, und ein Grundpfeiler idealistischer Theorien. Ein erster Grund, der anzuführen ist, warum gegenwärtig unklar ist, wie eine überzeugende Theorie phänomenalen Bewusstseins aussehen könnte, ist darin zu sehen, dass weder selbstrepräsentationalistische noch idealistische Begründungen der Ubiquitätsthese überzeugen. Bisher ist es Selbstrepräsentationalisten nicht gelungen, die Ubiquität von phänomenalem Selbstbewusstsein auszuweisen. Sie verwenden v. a. eine phänomenologisch-deskriptive Methode, um die Ubiquitätsthese zu begründen. Diese Methode erlaubt es nicht, Allgemeingültigkeit auszuweisen. 2 Dies wurde in Kapitel 5 näher ausgeführt. Auch die idealistischen Begründungen der Ubiqui-

1 Die Situation mag anders zu beurteilen sein, wenn die phänomenologische Tradition beachtet wird. Vgl. Zahavi 2005, 2006. Das ist nicht Thema dieser Untersuchung. Manfred Frank entwickelt außerdem eine konsequente, alternative Skizze einer Theorie des Bewusstseins. Vgl. Frank 2015. 2 Vgl. Williford 2015, 8.

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Eine Debatte in der Sackgasse?

tätsthese überzeugen nicht und sind kein Vorbild, an dem sich zukünftige Arbeiten orientieren können. Die Begründung dieser Behauptung besteht in der ernüchternden Feststellung, dass die Idealisten die These von der Ubiquität von phänomenalem Selbstbewusstsein – das nicht mit der intellektuellen Anschauung usw. verwechselt werden darf – mithilfe ihrer Deduktionen begründen, wir gegenwärtig die »Logik der Deduktionen« aber nicht zu rekonstruieren vermögen und folglich nicht wissen, ob sie überzeugen. Die Idealismus-Forschung hat bislang nur partielle Rekonstruktionen idealistischer Deduktionen zuwege gebracht. Es gibt lediglich Ansätze zu ihrer kritischen Beurteilung, die den Deduktionen annähernd gerecht werden. Selbst wenn bspw. Hegels Deduktionen in der »Enzyklopädie« im Unterschied zu Fichtes und Schellings Deduktionen stichhaltig wären, wissen wir dies gegenwärtig nicht, da wir die »Logik der Deduktionen« nicht hinreichend verstehen. Aus diesem Grund überzeugen auch die idealistischen Begründungen der Ubiquitätsthese nicht. Eine neue Theorie phänomenalen Bewusstseins kann sich schwerlich an den idealistischen Untersuchungen orientieren. Angesichts des gegenwärtigen Stands der IdealismusForschung sind sie kein geeignetes Vorbild für zukünftige Forschungsarbeiten. Welche aussichtsreichen alternativen Begründungen der Ubiquitätsthese bieten sich an? Auch wie eine vielversprechende Antwort auf diese Frage lauten könnte, ist unklar. Damit ist fragwürdig, ob es sinnvoll ist, eine Theorie phänomenalen Bewusstseins auf solch hölzernen und unsicheren Beinen wie die Ubiquitätsthese zu bauen. 2. Ein zweiter Einwand, der zeigt, dass gegenwärtig nicht absehbar ist, wie eine überzeugende Theorie phänomenalen Bewusstseins aussehen könnte, ist mit Blick auf den Informationsgehalt phänomenalen Selbstbewusstseins vorzubringen. Die Erklärung eines Phänomens überzeugt nur dann, wenn Klarheit hinsichtlich des Phänomens besteht, das erklärt werden soll. Das bedeutet, es muss klar sein und es darf nicht fragwürdig sein, welche bewussten Informationen phänomenales Selbstbewusstsein aufweist. Betrachtet man die selbstrepräsentationalistischen Theorien in Naheinstellung und in weiterer Folge auch die idealistischen Theorien, findet man unterschiedliche Informationen, die im Fall phänomenalen Selbstbewusstseins vorliegen sollen. Nach Schelling besitzt das Subjekt mit dem Selbstgefühl Bewusstsein von sich im Unterschied zu Objekten. Nach Hegel ist das Subjekt mit dem Selbstgefühl in die Besonderheit seiner Gefühle versenkt und ununterschieden von ihnen, sodass weder Bewusstsein von Objekten noch Bewusstsein des Unterschieds zwischen dem Subjekt und Objekten besteht. Kriegel tendiert zu einer egologischen Auffassung phänomenalen Selbstbewusstseins, die er tentativ mit autobiographischen Informationen anreichert, während Williford in neuen Untersuchungen den

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Standpunkt vertritt, dass es anonym verfasst ist. 3 Es schließt kein Bewusstsein von »Meinigkeit« oder vom Subjekt (»me-ness«) mit ein. Nach Williford ist phänomenales Selbstbewusstsein phänomenangemessen so beschrieben, dass es Bewusstsein von einer Bewusstseinsepisode, einem Ganzen (whole) bzw. einem Bewusstseinsraum darstellt, in dem und für den bewusste qualitative Charaktere bestehen. Nach Kriegel ist der bewusste Gehalt phänomenalen Selbstbewusstseins phänomenangemessen als ein Bestandteil der bewussten Inhalte einer Bewusstseinsepisode neben anderen bewussten Gegenständen und deren Eigenschaften beschrieben. 4 Welche Informationen enthält phänomenales Selbstbewusstsein nun aber genau? Wie ist es korrekt beschrieben? Hat Hegel recht? Van Gulick? Williford? Oder behandeln diese Autoren gar nicht dasselbe Phänomen, obgleich sie die Ubiquitätsthese verteidigen und dieselben Wörter – Selbstgefühl bzw. Selbstbewusstsein – verwenden? Wie ist in diesen Fragen zu entscheiden und mit den Mitteln welcher Methode? Mittels phänomenologischer Deskription und Evidenz? Das sind wichtige Fragen. Es ist ungeklärt, wie die richtigen Antworten lauten. 3. Die Beurteilung der Qualität eines Erklärungsmodells phänomenalen Selbstbewusstseins ist maßgeblich davon beeinflusst, wie das Verhältnis zwischen dem Subjekt und seinen Zuständen interpretiert wird. Dies aus folgendem Grund: Ein phänomenal bewusster mentaler Zustand schließt nach Meinung vieler Selbstrepräsentationalisten die bewusste Information mit ein, Bewusstsein von sich selbst als das Subjekt zu haben, für das bewusste qualitative Charaktere bestehen. Damit ist zu fragen: Was ist ein Subjekt? Ist das Subjekt von seinen Zuständen – und d. h. auch, von einem phänomenal bewussten mentalen Zustand – noch zu unterscheiden oder nicht? Es ist prima vista naheliegend anzuführen, dass das Subjekt auch Besitzer von Zugangsbewusstsein (access-consciousness) sowie unbewussten Kenntnissen ist, begriff liches Selbstbewusstsein und autobiographisches Selbstbewusstsein besitzt und sich durch diachrones Identitätsbewusstsein auszeichnet, sodass an einem Unterschied zwischen bewussten mentalen Zuständen (bzw. einer Bewusstseinsepisode (Williford) oder auch einem global bewussten mentalen Zustand (KrieKriegel 2009, 177, 179. Williford 2015, 17. Wie erwähnt zählt Kriegel die egologische Information jedoch nicht zu den konstitutiven Merkmalen phänomenalen Selbstbewusstseins. Gleichwohl gilt: »If I were to make another unpedestrian phenomenological assertion, I would say that my current experience’s pre-reflective self-consciousness strikes me as egological – that is, as a form of peripheral self-awareness. My peripheral awareness of my current experience is awareness of it as mine.« Kriegel 2009, 177. 4 Kriegel 2009, 204 »It [the whole conscious experience] is one in which there is a particular item within the whole that represents the whole.« 3

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gel)) einerseits und dem Subjekt anderseits festzuhalten ist. Ein Subjekt ist mehr und anderes als ein bewusster mentaler Zustand. Gemäß dieser Interpretation des Subjekts ist fragwürdig, wie und warum die Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands zu Subjektbewusstsein führen soll, also zu der bewussten Information, selbst Bewusstsein vom qualitativen Charakter zu haben. Das Subjekt ist von einem mentalen Zustand zu unterscheiden. Wie soll das Subjekt durch die Selbstrepräsentation eines seiner Bestandteile, eines mentalen Zustands, Bewusstsein von sich als das Subjekt seines Bewusstseins und dieses mentalen Zustands haben? Warum soll durch die Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands nicht bloß Bewusstsein von diesem Zustand und dem qualitativen Charakter bestehen, sondern zudem auch Bewusstsein vom Subjekt? Ist es nicht naheliegender anzunehmen, dass ein bewusster mentaler Zustand nur dann ein bewusster mentaler Zustand für ein Subjekt ist, das sich als das Subjekt dieses Zustands und vieler weiterer Eigenschaften versteht, wenn es zusätzlich zur Selbstrepräsentation des mentalen Zustands einen weiteren und von ihr zu unterscheidenden Konstitutionsvorgang gibt, der a) das Selbstbewusstsein des Subjekts konstituiert und b) diesen Fall von Selbstbewusstsein mit dem bewussten mentalen Zustand verbindet, sodass das Subjekt sich zwar einerseits einen mentalen Zustand als ihren eigenen mentalen Zustand zuzuschreiben vermag und sich als das Subjekt dieses Zustands zu verstehen vermag, andererseits jedoch zugleich erklärt ist, warum das Selbstbewusstsein des Subjekts sich nicht in den mit dem bewussten mentalen Zustand bewussten Gehalten erschöpft, sondern weitere Informationen enthält, wie die bewusste Information, ein Subjekt zu sein, das sich in einem Zustand befindet oder ihn hat, aber deswegen nicht bloß ein Zustand ist bzw. sich in diesem Zustand erschöpft? Gegen diese Fragestellungen kann der Einwand erhoben werden, dass sie ein falsches Bild vom Subjekt und seinem Verhältnis zu Zuständen voraussetzen. Das mag richtig sein, aber ist nicht der entscheidende Punkt. Der springende Punkt liegt darin, dass die Beziehung zwischen dem Subjekt und seinen mentalen Zuständen erläutert werden muss. Je nachdem, was unter einem Subjekt verstanden wird und wie diese Beziehung gedeutet wird, werden unterschiedliche Theorieansätze als attraktiv oder defizitär beurteilt werden. Selbstrepräsentationalisten erklären jedoch nicht näher, was unter einem Subjekt zu verstehen ist, und wenn sie diese Aufgabe behandeln, wie bspw. Williford, begründen sie ihre Interpretationen nicht hinreichend. Williford identifiziert bspw. das Subjekt mit einer Bewusstseinsepisode: »On this view, the subject – that to which the world appears – is just the stream or episode of consciousness itself qua whole.« 5 Das ist eine Festsetzung mit weitreichenden 5

Williford / Rudrauf / Landini 2012, 325.

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Folgen. Williford rechtfertigt sie nicht näher, sondern führt sie als alternative Ergänzung zur von ihm argumentativ nicht näher begründeten Zurückweisung des Homunculus-Modells vom Selbst, einer Haecceitas und des Selbst als einer Substanz an. Es gibt Alternativen zu diesen abwegigen Positionen und auch der Identifizierung des Subjekts mit einer Bewusstseinsepisode. Eine Alternative besteht bspw. darin, das Subjekt mit seinen theoretischen und praktischen Tätigkeiten sowie Dispositionen zu identifizieren, sodass es weder ein Subjekt im Sinn eines Homunculus gibt noch das Subjekt auf eine aktuelle Bewusstseinsepisode reduziert wird. Der dritte Einwand besagt damit, dass eine Theorie phänomenalen Bewusstseins die Aufgaben lösen sollte, zu erläutern und zu begründen, was unter einem Subjekt und wie die Beziehung zwischen einem Subjekt und seinen bewussten mentalen Zuständen zu verstehen ist, diese Aufgaben in neueren Theorien aber nicht oder nicht zufriedenstellend gelöst werden. Vermutlich ist es nicht erforderlich, eine umfassende Theorie des Geistes zu entwickeln, wie Hegel es unternommen hat. Aber eine Theorie phänomenalen Bewusstseins wird nur dann überzeugen, wenn auch die Fragen geklärt sind, was unter einem Subjekt zu verstehen ist, das im Fall von phänomenalem Bewusstsein Selbstbewusstsein besitzt, und in welchem Verhältnis es zu seinen bewussten mentalen Zuständen steht. Dies gilt zumindest dann, wenn die Ubiquitätsthese und die Dependenzthese vertreten werden. 4. Ein vierter Einwand schließt an den zuletzt genannten Punkt an. Eine Theorie phänomenalen Selbstbewusstseins sollte die Einheit unterschiedlicher Varietäten von Selbstbewusstsein und das Identitätsbewusstsein, das sie begleitet und umfasst, erklären. Subjekte verstehen sich (im Normalfall) als ein und dasselbe Subjekt, das empfindet, denkt und praktisch handelt. Das Identitätsselbst-bewusstsein ist ein Bestandteil phänomenalen Selbstbewusstseins. Das Bewusstsein vom eigenen Bewusstsein oder einem eigenen visuellen Wahrnehmungszustand ist vom Bewusstsein der Identität des Subjekts dieses Bewusstseins und Zustands mit bspw. dem Subjekt der bewussten eigenen praktischen Zielsetzungen nicht getrennt, sondern von es geprägt bzw. von es »durchzogen«. Eine in systematischer Hinsicht wichtige Frage lautet daher, wie die Einheit unterschiedlicher Varietäten von Selbstbewusstsein konstituiert wird und das Bewusstsein, ein und dasselbe Subjekt zu sein, das unterschiedliche bewusste Informationen über sich selbst besitzt. Wie ist es möglich, dass ein Subjekt sich als ein und dasselbe Subjekt seiner Empfindungen und Gedanken versteht? Wie werden die Einheit und das Identitätsbewusstsein des denkenden und fühlenden Subjekts konstituiert? Auf diese Fragen geben weder idealistische noch selbstrepräsentationalistische Theorien eine zufriedenstellende Antwort. Es genügt, diese Behauptung exemplarisch anhand einer Kritik an Hegels,

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Fichtes und Van Gulicks Theorien zu verdeutlichen. Die Kritik ist mit Blick auf Schelling und die anderen selbstrepräsentationalistischen Theorien – angepasst reformuliert an die jeweilige Theorie – zu wiederholen. Im Zentrum von Hegels Forschungsinteresse stehen wache und rationale Subjekte, die nicht nur phänomenales Bewusstsein und damit phänomenales Selbstbewusstsein besitzen, sondern auch begriff liches Bewusstsein und IchBewusstsein, die für Hegel von phänomenalem Bewusstsein und phänomenalem Selbstbewusstsein zu unterscheiden sind. An Hegel ist damit die Frage zu richten: Wie wird die Einheit unterschiedlicher Typen von Selbstbewusstsein und das Bewusstsein der Identität des Subjekts konstituiert? Hegel beantwortet diese Frage nicht. Er thematisiert zwar die Einheit des Subjekts unterschiedlicher Empfindungen. Sie ist eine Leistung des Selbstgefühls. Das Denken und Urteilen, mit dem Ich-Bewusstsein besteht, ist davon aber zu unterscheiden. Das Selbstgefühl ist ein leibhaftes Selbstgewahren, das von der Tätigkeit des Denkens und Urteilens, mit der das Bewusstsein vom Subjekt der Vorstellungen besteht, noch zu unterscheiden ist. Hegels Erklärung der Einheit des Subjekts der Empfindungen zeigt daher nicht, wie das Bewusstsein der Identität dieses Subjekts mit dem Subjekt seiner Vorstellungen konstituiert wird. Ebenso wenig erklärt er bei seiner Analyse des Selbstbewusstseins des Subjekts der Vorstellungen (des Ich-Bewusstseins), die er in § 424 in dem Abschnitt »b. Das Selbstbewußtsein« entwickelt, wie das Bewusstsein seiner Identität mit dem fühlenden Subjekt gewonnen wird. Hegel erklärt die Einheit von Selbstbewusstsein und das Identitätsbewusstsein nicht. Dieser Einwand wird auch nicht dadurch entschärft, dass nach Hegel auch das Denken von einer leibhaften Empfindung begleitet wird. 6 Dies erklärt nicht, wie Subjekte ihr Identitätsbewusstsein gewinnen. Die bewusste egologische Information, die im Zusammenhang mit dem Selbstgefühl besteht, enthält nicht die bewusste Information, das Subjekt der Vorstellungen zu sein, und umgekehrt: Hegel zeigt nicht, wie es möglich ist, dass das Selbstbewusstsein des Subjekts der Vorstellungen die Information mit einschließt, das empfindende Subjekt zu sein. Gegen diese Kritik könnte der Einwand erhoben werden, dass diese Fragen für Hegel nicht von Interesse sind. 7 Hegel beansprucht nicht, diese Fragen zu beantworten. In diesem Fall gilt jedoch, dass der formulierte Einwand eine Aufgabenstellung identifiziert, die von Untersuchungen beachtet werden sollte. Schließlich sollte das Zielsubjekt philosophischer Theorien menschlicher Subjektivität (in der Regel) letzten Endes so wie bei Hegel das selbstbewusste SubHegel 1992, 113. Weitere Einwände werden in dem Aufsatz diskutiert: Stefan Lang: »Hegel über präreflexives Selbstbewusstsein«, in: Klaus Viertbauer: Präreflexives Selbstbewusstsein im Diskurs. Freiburg 2018b. 6

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jekt sein, das denkt, fühlt und praktisch tätig ist. Eine Theorie phänomenalen Selbstbewusstseins sollte eine Antwort auf die Frage geben können, wie phänomenales Selbstbewusstsein mit anderen Varietäten von Selbstbewusstsein, und zwar insbesondere mit Ich-Gedanken, verbunden ist, sodass ein Subjekt sich als ein Subjekt versteht, das auf unterschiedliche Weisen Informationen über sich selbst besitzt, also bspw. im Zusammenhang mit dem Denken, Fühlen und praktischen Handeln. Wie ist es möglich, dass ein Subjekt sich als ein und dasselbe Subjekt seiner Empfindungen und Gedanken versteht? Auf diese Frage gibt auch Fichte keine überzeugende Antwort. Er beantwortet nicht die Frage, wie das Selbstbewusstsein, welches das Subjekt im Zusammenhang mit dem Denken besitzt, mit phänomenalem Selbstbewusstsein verbunden ist. Das Selbstbewusstsein, das ein Subjekt im Fall des Selbstgefühls besitzt, hat eine andere Struktur als bspw. die intellektuelle Anschauung. Das Selbstgefühl wird im Unterschied zu ihr nicht durch und mit einer Denktätigkeit gewonnen. Es besteht durch eine Reflexion bzw. Repräsentation, was wiederum auf das Selbstbewusstsein des Subjekts des Paragraphen 1 nicht zutrifft. Wie wird dann aber die Einheit von Selbstbewusstsein und das Bewusstsein der Identität des Subjekts unterschiedlicher Varietäten von Selbstbewusstsein konstituiert? Wie wird bspw. die egologische Information phänomenalen Selbstbewusstseins mit der egologischen Information, die beim Denken besteht, so verbunden, dass das Subjekt des Denkens sich als das Subjekt phänomenalen Selbstbewusstseins begreift? Fichte untersucht diese Fragen in der »Grundlage« nicht. Soweit ich Fichtes Werk überblicke, gibt er keine überzeugende Antwort auf diese Fragen. Dies gilt auch, obwohl Fichte dieses Problem nicht lange verborgen geblieben ist. Bereits kurze Zeit nach dem Erscheinen der »Grundlage« rückt er die Einheit des begreifenden und fühlenden Subjekts in der »Wissenschaftslehre nova methodo« in den Vordergrund. 8 Van Gulicks Untersuchung phänomenalen Bewusstseins enthält ein umsichtiges Porträt unterschiedlicher Fälle von Selbstbewusstsein. Er beachtet die diachrone und synchrone Einheit des Subjekts und betont zu Recht, dass die Identität des Subjekts ein Schlüsselbestandteil phänomenalen Bewusstseins ist: »Our experience is not a mere sequence of distinct experiential episodes; rather it is the unfolding experiential flow of an ongoing self or subject, and its being structured as such is a key part of its phenomenal feel as well as its structure.« 9

8 Fichte 1984, 102: »Das Ich war bisher das fühlende, es müßte auch das Begreifende sein; der Begriff müßte [/] mit dem Gefühle nothwendig vereinigt sein, so daß eins ohne das andre kein Ganzes ausmachte. Im Selbstgefühl ist Gefühl und Begriff vereinigt.« 9 Van Gulick 2006, 29.

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Es überrascht daher auch nicht, dass Van Gulick die Frage beantwortet, wie die Einheit von Selbstbewusstsein konstituiert wird. Sie wird durch die Verbindung der Inhalte der Erfahrung, Schlüsse und Zugänge (access) sowie das Gedächtnis hergestellt. 10 Bedauerlicherweise erklärt er aber nicht näher, wie dies möglich und zu verstehen ist. Wichtiger ist jedoch ein anderer Einwand. Van Gulick erklärt nicht, wie das Bewusstsein der Identität des Subjekts konstituiert wird. Die Erklärung der Einheit des Subjekts und von Selbstbewusstsein ist von der Erklärung des Bewusstseins der Identität des Subjekts unterschiedlicher Fälle des Selbstbewusstseins zu unterscheiden. Das Identitätsbewusstsein des Subjekts ist mehr als die Summe und Verbindung der unterschiedlichen Informationen, die ein Subjekt über sich selbst besitzt. Es schließt nicht nur eine Verbindung dieser Informationen mit ein, sondern auch die Zuschreibung dieser Informationen zu einem und demselben Subjekt, das sich als ein und dasselbe Subjekt dieser unterschiedlichen Informationen versteht. Wird das Bewusstsein der Identität mittels der Verbindung des Inhalts von Erfahrungen, Schlüssen, Zugängen und dem Gedächtnis konstituiert? Wie ist das möglich und wie ist dieser Vorgang genau zu verstehen? Diese Fragen bleiben unbeantwortet. Auch Van Gulick erklärt das Identitätsbewusstsein nicht. Es ist ein Phänomen, das nach wie vor nicht hinreichend beachtet wird. 5. Ein weiterer Einwand ist mit Friedrich Hölderlin zu formulieren. Dieser Einwand ist sowohl gegen Fichtes, Schellings und Hegels Erklärungen phänomenalen Selbstbewusstseins zu richten als auch gegen selbstrepräsentationalistische Theorien, insofern sie annehmen, dass phänomenales Selbstbewusstsein egologisch verfasst ist. Egologisches phänomenales Selbstbewusstsein schließt die Information mit ein, Bewusstsein vom eigenen Bewusstsein oder dem eigenen mentalen Zustand (»mine-ness«) zu haben oder auch Bewusstsein von dem Subjekt bzw. sich selbst (»me-ness«). 11 Nicht-egologisches bzw. anonymes phänomenales Selbstbewusstsein enthält demgegenüber zwar Bewusstsein vom Bewusstsein (oder einem mentalen Zustand). Jedoch ist dies, dass es das eigene Bewusstsein (oder der eigene mentale Zustand) ist, oder auch, dass man selbst Bewusstsein besitzt, keine Information, die bewusst wäre. In »Urteil und Seyn« notiert Hölderlin: »Wie ist aber Selbstbewußtseyn möglich? Dadurch daß ich mich mir selbst entgegenseze, mich von mir selbst trenne, aber ungeachtet dieser Trennung mich im

10 11

Van Gulick 2004, 81, 2006, 29. Vgl. Guillot 2017.

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entgegengesezten als dasselbe erkenne. Aber inwieferne als dasselbe? Ich kann, ich muß so fragen; denn in einer andern Rüksicht ist es sich entgegengesezt«. 12

Hölderlin behandelt in diesem Zitat egologisches Selbstbewusstsein, insofern es im Zusammenhang mit einem Urteil besteht. Seine Ausführungen sind in struktureller Hinsicht jedoch auch mit Blick auf egologisches phänomenales Selbstbewusstsein relevant. Der für den vorliegenden Diskussionszusammenhang entscheidende Satz dieser Passage lautet: »Aber inwiefern als dasselbe?« Mehrere Interpretinnen und Interpreten Hölderlins haben diese Fragestellung so gedeutet, dass Hölderlin darauf aufmerksam machen möchte, dass im Fall von Selbstbewusstsein zu erklären ist, wie das Subjekt zu erkennen vermag oder die bewusste Information zu besitzen vermag, dass es Bewusstsein von sich selbst besitzt bzw. dass es Bewusstsein von ihrem (eigenen) Bewusstsein hat. 13 Diese Frage ist nicht nur, aber besonders dann virulent, wenn angenommen wird, dass Selbstbewusstsein eine relationale, also bspw. eine repräsentationale Struktur aufweist oder auch sich durch eine Bekanntschaftsbeziehung (acquaintance) auszeichnet. In diesem Fall gilt nämlich, was Hölderlin in diesem Zitat ausführt, und zwar dass das Subjekt zwar Bewusstsein von sich selbst hat, die zwei Relate der relationalen, repräsentationalen (acquaintance) Beziehung jedoch zu unterscheiden sind. Relationale (repräsentationale, acquaintance) Beziehungen zeichnen sich durch eine strukturelle und mitunter auch inhaltliche Differenz aus. Es genügt, dies mit Blick auf eine repräsentationale Beziehung zu erläutern. Eine inhaltliche Differenz besteht dann, wenn bspw. wie bei Rosenthal ein mentaler Zustand einen anderen mentalen Zustand repräsentiert. Es ist aber nicht erforderlich, dass repräsentationale Beziehungen solch einen inhaltlichen Unterschied aufweisen. Wenn bspw. wie bei Williford eine Repräsentation R1 eine andere Repräsentation R2 repräsentiert, deren Gehalt – gemeint ist der Gehalt der Repräsentation R2 – ihrerseits eine Repräsentation von R1 enthält, dann repräsentiert die Repräsentation R1 indirekt sich selbst, sodass mit Blick auf die Repräsentation R1 kein solcher inhaltlicher Unterschied besteht. Die Repräsentation R1 repräsentiert indirekt die Repräsentation R1. Bei einer Repräsentation besteht jedoch in jedem Fall eine strukturelle Differenz: Eine Repräsentation hat zwei Relate, von denen ein Relat repräsentiert und die Eigenschaft besitzt, repräsentierend zu sein, und das andere Relat repräsentiert wird und die Eigenschaft besitzt, repräsentiert zu sein. Da

12 Friedrich Hölderlin: »Urtheil und Seyn (1795)«, in: Friedrich Hölderlin. Gesammelte Werke. Große Stuttgarter Ausgabe. Band 4. Friedrich Beißner (Hg.). Stuttgart 1961, 217. 13 Vgl. bspw. Jürgen Stolzenberg: »Selbstbewußtsein – Ein Problem der Philosophie nach Kant«, in: Daimon, Revista de Filosofia, No 9, 1994, 71.

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eine repräsentationale Beziehung diese Struktur aufweist, ist mit Hölderlin zu fragen: Wie erkennt das Subjekt, insofern es repräsentiert, dass das, was es repräsentiert, es selbst ist oder auch zu ihm selbst gehört (eine Eigenschaft ist, die ihm selbst zukommt usw. usf.)? Darin, dass eine Eigenschaft einem selbst angehört und dass diese Eigenschaft von einem selbst repräsentiert wird, liegt ipso facto nicht, dass Bewusstsein von dieser Eigenschaft die Information miteinschließt, dass es die eigene Eigenschaft ist o. ä., noch, dass damit erklärt ist, wie die bewusste Information, dass es die eigene Eigenschaft ist, konstituiert wird bzw. wie erkannt wird, dass es sich um die eigene Eigenschaft handelt. Bündig formuliert ist zu sagen: Identität als solche schließt Selbstbewusstsein ebenso wenig mit ein wie Bewusstsein von einer Identitätsbeziehung die Einsicht, dass die Identitätsbeziehung etwas mit einem selbst zu tun hat. Anderenfalls müsste angenommen werden, dass Folgendes oder etwas Vergleichbares gilt: Wenn x die Eigenschaft eines Organismus ist, die eine Eigenschaft (einen Zustand etc.) repräsentiert, die zu demselben Organismus zählt wie x, dann schließt diese Repräsentation ipso facto die bewusste Information mit ein, dass es die eigene Eigenschaft (der eigene mentale Zustand) ist. Oder: Wenn P eine Person ist und P eine Person repräsentiert, die identisch ist mit P, dann schließt diese Repräsentation ipso facto die bewusste Information mit ein, selbst die (repräsentierte) Person zu sein. Beides ist nicht richtig oder zumindest nicht einsichtig. Warum soll x deswegen die bewusste Information besitzen, Bewusstsein von sich selbst zu haben, da x x repräsentiert (oder etwas (eine Eigenschaft) repräsentiert, das zu x gehört etc.)? Hölderlin verlangt zu Recht eine Begründung für diese Behauptung. Selbstrepräsentationalistische Theorien enthalten keine. 14 Wenn nach Kriegel bspw. ein logischer Bestandteil eines mentalen Zustands einen anderen Bestandteil desselben Zustands repräsentiert, sodass indirekt der ganze mentale Zustand repräsentiert ist, dann beantwortet dies in keiner Weise die Frage, wie die bewusste Information gewonnen wird, Bewusstsein von einem selbst zu haben. Darin, dass ein logischer Bestandteil einen anderen logischen Bestandteil desselben mentalen Zustands repräsentiert und damit indirekt den ganzen mentalen Zustand repräsentiert, liegt nicht, dass a) der logische Bestandteil erkennt, dass er einen Bestandteil repräsentiert, der zu demselben mentalen Zustand gehört wie er selbst, b) der logische Bestandteil erkennt, dass er selbst zu dem mentalen Zustand gehört, der indirekt repräsentiert wird, noch c), dass nachzuvollziehen ist, warum der ganze global bewusste mentale Zustand irgendeine bewusste egologische Information enthalten soll. Das Gleiche ist mit Blick auf Willifords Theorie zu sagen. Auch wenn eine Repräsentation Vgl. zur Sache Henrich 1966, 1970; Frank 2012, 2015; Stefan Lang: Performatives Selbstbewusstsein. Paderborn 2020. 14

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R1 indirekt zirkulär sich selbst repräsentiert, liegt in dem, dass sie sich selbst repräsentiert, nicht, dass die Repräsentation R1 die Erkenntnis enthält, dass sie sich selbst repräsentiert. Warum soll dadurch und deswegen, dass bzw. da eine Repräsentation sich selbst repräsentiert, ein mentaler Zustand eine bewusste egologische Information enthalten? Es bedarf einer Antwort auf diese Frage. Anderenfalls ist phänomenales Selbstbewusstsein nicht erklärt. Auch bei Van Gulick ist keine Lösung für Hölderlins Problem zu finden. Er erklärt weder, wie im Fall von unbewussten mentalen Zuständen, die eine selbstreferentielle Information aufweisen, die (womöglich unbewusste) egologische Information konstituiert wird, noch wie im Fall bewusster Varietäten von Selbstbewusstsein, wie bspw. der bewussten Information, ein aktives Subjekt zu sein, das seine Erfahrung mitgestaltet, eine bewusste egologische Information konstituiert wird. Van Gulick präsentiert zwar die Skizze einer teleopragmatischen Interpretation phänomenalen Selbstbewusstseins. Der Kerngedanke besagt kurz zusammengefasst, dass Selbstbewusstsein zu haben, bedeutet, Eigenschaften und Operationen des Geistes zu verstehen und Informationen über sie zu haben, sodass der Organismus diese Eigenschaften und Operationen so zu modifizieren vermag, dass die Ziele des Organismus (besser) erreicht werden. Offenkundig beantwortet diese Erklärung Hölderlins Frage aber nicht. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum Informationen über Eigenschaften des Geistes und seine Operationen zu haben und sie zu verstehen mit sich bringen oder bedeuten soll, dass eine bewusste egologische Information besteht. Wie wird diese Information konstituiert? Auch die idealistischen Theorien phänomenalen Selbstbewusstseins beantworten Hölderlins Fragestellung nicht, obgleich Fichte, Schelling und Hegel mit ihr vertraut gewesen sind und egologische Interpretationen phänomenalen Selbstbewusstseins entwickeln. Es verwundert daher sehr, dass ihre Theorien phänomenalen Selbstbewusstseins keine Lösungsversuche für das aufgezeigte Problem enthalten. Bei Fichte wird phänomenales Selbstbewusstsein v. a. durch die Repräsentation des Repräsentierenden der Beziehung zwischen dem Trieb und dem Gegenstreben konstituiert. Damit ist zu fragen, wie dadurch, dass das Repräsentierende repräsentiert ist, phänomenales Selbstbewusstsein bestehen soll und damit die bewusste Information, selbst das fühlende Subjekt zu sein? Anders formuliert: Darin, dass das Repräsentierende repräsentiert wird, liegt nicht, dass erkannt ist, dass es (man) selbst repräsentiert wird oder dass es (man) sich selbst repräsentiert. Folglich ist Selbstbewusstsein nicht erklärt. Gegen diese Kritik wird vielleicht von Fichte-Expertinnen und Experten der Einwand erhoben werden, dass für Fichte dieses Problem sich nicht stellt, da die intellektuelle Anschauung (oder das Selbstbewusstsein des Subjekts gemäß Paragraph 1 der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre«) das angezeigte

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Problem löst. Die intellektuelle Anschauung begründet, wie das Subjekt im Fall von phänomenalem Selbstbewusstsein die bewusste Information zu besitzen vermag, Bewusstsein von sich selbst zu haben. Kraft der intellektuellen Anschauung ist es dem Subjekt oder der Repräsentation des Repräsentierenden möglich zu erkennen, dass man selbst das fühlende Subjekt ist. Diese Erwiderung überzeugt nicht. Die intellektuelle Anschauung ist ein Fall von Selbstbewusstsein, der im Zusammenhang mit dem Denken besteht. Das Selbstgefühl ist ein Fall von Selbstbewusstsein, der nicht mit dem Denken vorliegt. Wie ist es dann möglich, dass ein Subjekt durch die intellektuelle Anschauung die bewusste egologische Information besitzt, die auf der Ebene des Gefühls – nicht des Denkens – vorliegt? Schließlich bedeutet phänomenales Selbstbewusstsein bei Fichte, sich selbst zu fühlen. Fichte bietet keine Antwort auf diese Frage an. Er präsentiert keine ausgearbeitete Lösung für die Aufgabenstellung, phänomenales Selbstbewusstsein mithilfe der intellektuellen Anschauung zu erklären. In der Erwiderung auf den Einwand wird eine Behauptung aufgestellt, die nicht gerechtfertigt ist. Auch Schelling beantwortet Hölderlins Frage nicht. Sie ist nicht bereits dadurch beantwortet, dass er erklärt, dass ein mentaler Zustand – der innere Sinn – sich selbst repräsentiert und dass damit das Selbstgefühl besteht, das ein Bewusstsein des Unterschieds zwischen dem Subjekt und der Welt enthält. Dies würde nur dann erklären, wie das Bewusstsein gewonnen wird, dass man selbst Bewusstsein von einem qualitativen Charakter besitzt, wenn angenommen wird, dass die mentale Tätigkeit erkennt, dass sie sich selbst repräsentiert. Wenn ein mentaler Zustand nicht erkennt, dass er sich selbst repräsentiert, ist nicht nachzuvollziehen, warum dadurch, dass er sich selbst repräsentiert, das Bewusstsein vorhanden sein soll, dass man Bewusstsein von sich selbst hat. Die Auskunft, dass die Repräsentation eines mentalen Zustands durch einen mentalen Zustand erfolgt, der mit dem repräsentierten mentalen Zustand identisch ist, erklärt nicht, wie die Information gewonnen wird, dass Bewusstsein vom eigenen Bewusstsein bzw. Bewusstsein von einem selbst besteht. Es gilt zu erklären, wie der mentale Zustand, der sich selbst repräsentiert, die Information zu gewinnen oder zu enthalten vermag, dass er sich selbst repräsentiert. Schelling behandelt diese Aufgabenstellung nicht. Schließlich beantwortet auch Hölderlins langjähriger Freund Hegel dessen Fragestellung nicht. Hegel behauptet, dass mit der Empfindung die qualitativen Charaktere als das »Eigenste«, d. h. als der eigene Inhalt gesetzt sind. Mit dem Selbstgefühl werden die Empfindungen als die eigenen Empfindungen bestimmt. Im Anschluss an Hölderlin ist zu fragen: Wie ist das möglich? Wie werden die egologischen Informationen konstituiert? Hegel diskutiert diese Fragen nicht. Auch Fichtes, Schellings und Hegels Theorien phänomenalen Bewusstseins scheitern an dem von Hölderlin formulierten Problem.

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Sie entwickeln egologische Interpretationen phänomenalen Selbstbewusstseins, zeigen jedoch nicht, wie die egologische Information konstituiert wird. 6. An Hölderlins Einwand schließt ein Einwand an, der anhand einer Überlegung von Fichte formuliert werden kann. Dieser Einwand wurde nicht bereits bei der Darstellung idealistischer Einwände gegen selbstrepräsentationalistische Theorien vorgebracht, da er – seltsamerweise – auch gegen Fichtes Erklärung phänomenalen Selbstbewusstseins angebracht ist. Fichte hält im »Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre« fest: »Du bist dir deiner, als des Bewußten, bewußt, lediglich inwiefern du dir deiner als des Bewußtseienden bewußt bist«. 15 In diesem Zitat behauptet Fichte, dass ein Subjekt nur dann zu erkennen vermag, dass es selbst das bewusste Subjekt ist, wenn es die bewusste Information besitzt, dass es selbst das Subjekt ist, das Bewusstsein von sich selbst hat, bzw. das bewusstseiende Subjekt ist oder das Bewusstseinhabende Subjekt ist. Da das bewusste Subjekt dasjenige Subjekt selbst ist, das Bewusstsein hat, ist Fichte so zu verstehen, dass er vom Subjekt und seinen Eigenschaften spricht. D. h. m.a.W., Fichte behauptet, dass das Subjekt im Fall von Selbstbewusstsein die Eigenschaften besitzt, Bewusstsein zu haben und bewusst zu sein, und dass das Subjekt nur dann die bewusste Information besitzt bzw. erkennt, dass es Bewusstsein von sich selbst hat, wenn das Subjekt Bewusstsein von sich selbst besitzt, insofern es die Eigenschaft hat, Bewusstsein zu haben. Nur dann, wenn es weiß, dass es das Subjekt ist, das die Eigenschaft auszeichnet, bewusstseiend zu sein, vermag es zu erkennen, dass es Bewusstsein von sich selbst hat, wenn es Bewusstsein von dem Subjekt (sich selbst) hat, insofern es die Eigenschaft hat, das bewusste Subjekt zu sein. Die Frage, wie Fichte diese These begründet, ist im vorliegenden Kontext nicht von Interesse. 16 Fichte thematisiert in diesem Zitat Selbstbewusstsein, das mit dem Denken besteht, und er begründet seine These im Zusammenhang mit einer Analyse des Denkens. Wenn Fichtes Hinweis jedoch in den Kontext phänomenalen Bewusstseins verschoben wird, ist es möglich, eine Kritik an Kriegels, Willifords, Schellings, Hegels und sogar Fichtes eigenem Standpunkt in der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« zu formulieren. Dieser Einwand gilt unter Maßgabe einer egologischen Interpretation. Er lautet folgendermaßen: Phänomenales Selbstbewusstsein ist nur dann erklärt, wenn gezeigt ist, wie es die bewusste Information zu enthalten vermag, selbst Bewusstsein von etwas zu besitzen. Wenn das Subjekt nicht weiß, wer Bewusstsein von etwas hat, also Fichte 1984b, 106. Stefan Lang: »Fichtes Regressargument. Eine Kritik an Tobias Rosefeldts Interpretation«, unveröffentlichtes Manuskript. 15 16

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bspw. von einem mentalen Zustand, dann besteht Selbstbewusstsein nicht. Um Selbstbewusstsein zu erklären, genügt es nicht, dass das Subjekt weiß, dass es Bewusstsein von sich selbst hat. Es muss zudem wissen, dass es selbst Bewusstsein von sich selbst hat. Anderenfalls wüsste ein Subjekt im Zusammenhang mit Selbstbewusstsein nicht, wer Selbstbewusstsein hat, d. h. eine bewusste Information über einen selbst besitzt. Beide Typen von selbstbewussten Informationen sind zu beachten. Für eine repräsentationale Erklärung der Konstitution phänomenalen Selbstbewusstseins bedeutet dies, dass der mentale Zustand, insofern er repräsentiert – die Eigenschaft hat, repräsentierend zu sein –, selber repräsentiert sein muss. Anderenfalls ist nicht nachzuvollziehen, warum die Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands die bewusste Information konstituieren soll, selbst das Subjekt zu sein, das Bewusstsein von (sich) hat. D. h. im Kontext von Kriegels Theorie müsste der logische Bestandteil M*, der einen anderen logischen Bestandteil M+ des mentalen Zustands repräsentiert, zu dem beide gehören, auch sich selbst repräsentieren. Es ist unklar, ob Kriegel dies befürwortet. 17 Wenn M* nicht repräsentiert wird, ist derjenige Bestandteil des mentalen Zustands anonym, der repräsentiert, dem die Eigenschaft des mentalen Zustands zukommt, repräsentierend zu sein. Dann ist nicht nachzuvollziehen, warum durch die Selbstrepräsentation eines mentalen Zustands die bewusste Information bestehen soll, selbst Bewusstsein zu haben. Warum soll dadurch, dass ein logischer Bestandteil M* einen logischen Bestandteil M+ desselben mentalen Zustands repräsentiert und damit den gesamten mentalen Zustand repräsentiert, nicht bloß Bewusstsein von einem mentalen Zustand bestehen oder – wenn man für den Augenblick dem Argument zuliebe auch noch dies zulassen möchte – die bewusste Information, Bewusstsein von sich selbst zu haben? Warum soll die bewusste Information bestehen, selbst Bewusstsein zu haben? Das Subjekt, das Bewusstsein hat, ist anonym, da M*, die Eigenschaft des mentalen Zustands, die repräsentiert, nicht repräsentiert ist. Williford hat dies Problem vielleicht mit im Blick, wenn er den Standpunkt formuliert, dass phänomenales Selbstbewusstsein ein repräsentationaler Zirkel auszeichnet: In seinem Modell repräsentiert eine Repräsentation R1 ein andere Repräsentation R2, die wiederum die Repräsentation R1 repräsentiert. Williford betont, dass nicht alle repräsentationalen Eigenschaften eines mentalen Zustands repräsentiert sein müssen, aber diejenige Repräsentation R1, die sich repräsentiert, ist ihrerseits repräsentiert. Gelingt es Williford auf diese Weise zu erklären, wie die bewusste Information konstituiert wird, selbst Bewusstsein zu haben? Mitnichten. Das ist zu erkennen, sobald beachtet wird, wer weiß, dass ein repräsentationaler Zirkel besteht. Diese Information besitzen Williford 17

Vgl. die Ausführungen in Kapitel 2.2.

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und seine Leserinnen und Leser, aber nicht der mentale Zustand und seine Repräsentationen. Das bedeutet, für die Repräsentation R1 – d. h. vom Standpunkt der Perspektive dieser Repräsentation aus betrachtet – liegt nicht die Information vor a), dass die Repräsentation R2 sie selbst repräsentiert. Also ist unbekannt, wer sie repräsentiert, b) dass die Repräsentation R2 von ihr selbst, also der Repräsentation R1, repräsentiert ist, insofern die Repräsentation R2 eine Repräsentation von ihr selbst, der Repräsentation R1, darstellt, c) dass die Repräsentation R1, die sie kraft ihrer Repräsentation von R2 indirekt repräsentiert, die Repräsentation R2 repräsentiert, die sie, die Repräsentation R1, repräsentiert, und schließlich – und darauf läuft die Sache letzten Endes hinaus – d), dass die Repräsentation R1 (indirekt) von sich selbst repräsentiert wird bzw. sich selbst repräsentiert. Der Zirkel hat eine repräsentationale Ausrichtung, und zwar vom Repräsentierenden zum Repräsentierten. Die Blickrichtung des Zirkels geht stets vom Repräsentierenden zum Repräsentierten. Das Repräsentierende des Repräsentierenden ist anonym. Es tritt für das repräsentierte Repräsentierende nicht in den Blick. Anderenfalls müsste es wissen, dass ein repräsentationaler Zirkel vorliegt. Es ist irritierend, dass Fichte bei seiner Interpretation phänomenalen Selbstbewusstseins seine Einsicht im »Versuch« unterbietet. Bei seiner Darstellung der intellektuellen Anschauung berücksichtigt er, dass das Subjekt, insofern es Bewusstsein hat, nicht anonym sein darf, sondern selbst Bewusstsein von sich selbst besitzen muss, insofern es Bewusstsein von etwas, bspw. einem gedachten Sachverhalt, hat. In der »Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« – also kurze Zeit vor der Veröffentlichung des »Versuchs« und der nicht vollständig veröffentlichten, aber mündlich vorgetragenen »Wissenschaftslehre nova methodo« – berücksichtigt er dies bei seiner Darstellung des Selbstgefühls, d. h. phänomenalen Selbstbewusstseins, jedoch nicht. Die Reflexionen des Triebs usw., die zur Konstitution phänomenalen Bewusstseins führen, sind unbewusst. Sie sind nicht repräsentiert. Diejenige Leistung des Subjekts, kraft derer es letztlich phänomenales Selbstbewusstsein hat, bleibt unrepräsentiert und unbewusst. Damit stellt sich auch für Fichte das Anonymitätsproblem, wenn er phänomenales Selbstbewusstsein behandelt. Es ist nicht nachzuvollziehen, wie die bewusste Information gewonnen werden können soll, selbst Bewusstsein zu haben bzw. selbst sich zu fühlen. Gleiches gilt für Schellings und Hegels Theorien. Das Anonymitätsproblem besteht bei Schelling deswegen, weil die mentale Tätigkeit, durch die phänomenales Selbstbewusstsein konstituiert wird, sich durch eine strukturelle Differenz auszeichnet, insofern sie (sich selbst) repräsentiert und insofern sie (von sich selbst) repräsentiert wird. Infolge der strukturellen Differenz zwischen der mentalen Tätigkeit, insofern sie repräsentiert und insofern sie repräsentiert wird, wird die mentale Tätigkeit zwar

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repräsentiert. Sie wird aber nicht repräsentiert, insofern sie sich selbst repräsentiert, d. h. insofern sie die mentale Tätigkeit ist, die repräsentiert. Damit ist die mentale Tätigkeit, insofern sie (sich selbst) repräsentiert, anonym. Sie ist zwar mit der mentalen Tätigkeit, die repräsentiert wird, numerisch identisch. Jedoch enthält die Repräsentation der mentalen Tätigkeit nicht die Information, dass die mentale Tätigkeit von sich selbst repräsentiert wird. Damit ist nicht nachzuvollziehen, wie durch die Selbstrepräsentation phänomenales Selbstbewusstsein gewonnen werden soll. Schließlich stellt das Anonymitätsproblem auch für Hegels Theorie ein ungelöstes Problem dar. Dies nicht aus dem Grund, dass nach Hegel die Tätigkeit, mit der das Subjekt die Empfindung »setzt«, unbewusst ist oder nicht repräsentiert ist. Das behauptet Hegel nicht. Das Problem ist, dass Hegel überhaupt nicht näher Stellung zur Frage bezieht, ob die Tätigkeit, mit der die Empfindung gesetzt wird, sodass das Selbstgefühl besteht, ihrerseits »gesetzt« und »bewusst« ist oder nicht. Damit ist das Problem nicht gelöst. Es wird nicht behandelt. Die dargestellten Einwände gegen idealistische und selbstrepräsentationalistische Theorien bestätigen das Ergebnis der in den Kapiteln 5 und 6 präsentierten Kritik an diesen Erklärungsmodellen. Keine der behandelten Theorien erklärt phänomenales Bewusstsein. Die Einwände verdeutlichen aber auch einen weiteren Punkt. Es ist es unklar, wie eine überzeugende Theorie phänomenalen Bewusstseins aussehen könnte. Es ist mit Blick auf den gegenwärtigen Stand der Debatte nicht abzusehen, wie eine Theorie aussehen könnte, die diese Einwände zufriedenstellend widerlegt oder die diskutierten Problemstellungen löst. Damit ist das dritte Beweisziel dieser Untersuchung erreicht. Es ist an der Zeit, die Untersuchung mit einem kurzen Resümee zu schließen: Deutsche Idealisten und analytische Philosophen behandeln dasselbe Phänomen – phänomenales Bewusstsein. Ihre Theorien weisen bemerkenswerte Übereinstimmungen, aber auch Unterschiede auf, sodass eine traditionsübergreifende Sachdebatte besteht, die es zu beachten gilt, da anhand ihrer Berücksichtigung der aktuellen Debatte über phänomenales Bewusstsein und phänomenales Selbstbewusstsein neue Impulse versetzt werden können. Dennoch haben die philosophischen Anstrengungen seit Fichte bis in die Gegenwart ihr Ziel, eine überzeugende Theorie phänomenalen Bewusstseins zu entwickeln, nicht erreicht. Das Problembewusstsein wurde geschärft, die Kenntnisse der Aufgabenstellungen, die zu bewältigen sind, sind angereichert worden. Eine Vielzahl an Argumenten und Standpunkten sind formuliert worden. Die dargestellten Einwände gegen idealistische und selbstrepräsentationalistische Ansätze sind jedoch vielfältig und zeigen schonungslos auf, dass wir gegenwärtig keine überzeugende Theorie phänomenalen Bewusstseins besitzen. Mehr noch: Einwände wie das Methodenproblem oder das Anonymitätsproblem formu-

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lieren Fragestellungen, von denen unklar ist, wie eine überzeugende Antwort auf sie lauten könnte und in welche Richtung die Forschung sich bewegen müsste, um sie zu lösen. So viel ist offensichtlich: Wenig aussichtsreich und vielversprechend ist es, sich weiterhin im Fahrwasser der heftig unter argumentativen Beschuss gekommenen Erklärungsmodelle, wie sie die diversen unterschiedlichen Spielarten von First-Order- und höherstufigen Erklärungsmodellen (HOP, HOT) darstellen, zu bewegen. Dies gilt auch für selbstrepräsentationalistische Theorien. Die Einwände, die gegen diese Theorien sprechen, sind nüchtern betrachtet überwältigend. Es ist zweifelhaft, dass eine Theorie, die sich einer dieser Erklärungsmodelle verpflichtet weiß, sämtliche dieser Einwände zu entkräften vermögen wird. Es ist daher empfehlenswert, sich in realistischer Bescheidenheit zu üben. Es ist in methodischer und in vielfältiger inhaltlicher Hinsicht unklar, wie eine vielversprechende Theorie phänomenalen Bewusstseins aussehen könnte. Dies ist kein Anlass zur Resignation. Die Faszination echter philosophischer Probleme besteht mitunter in der hartnäckigen Rätselhaftigkeit der Phänomene, die erklärt werden sollen.

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